Die Haftung der OHG-Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten im polnischen Recht [1 ed.] 9783428523986, 9783428123988

Infolge der intensiven Entwicklung der Marktwirtschaft in Polen während der letzten beiden Jahrzehnte hat die Bedeutung

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German Pages 268 Year 2009

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Die Haftung der OHG-Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten im polnischen Recht [1 ed.]
 9783428523986, 9783428123988

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Schriften zum Internationalen Recht Band 178

Die Haftung der OHG-Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten im polnischen Recht

Von

Piotr Tereszkiewicz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

PIOTR TERESZKIEWICZ

Die Haftung der OHG-Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten im polnischen Recht

Schriften zum Internationalen Recht Band 178

Die Haftung der OHG-Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten im polnischen Recht

Von

Piotr Tereszkiewicz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Jagiellonen-Universität Krakau hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: werksatz · Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-12398-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Frage der Haftung der Gesellschafter der Offenen Handelsgesellschaft für Gesellschaftsverbindlichkeiten, im deutschen Recht lange Zeit intensiv diskutiert und mittlerweile weitgehend geklärt, ist für das polnische Recht bisher noch nicht befriedigend untersucht worden. Das offensichtliche Bedürfnis, sich vertieft mit dem Problem der Rechtsnatur der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten in der OHG auseinanderzusetzen, war für die Idee dieser Arbeit ausschlaggebend. Diese Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Jagiellonen-Universität Krakau im akademischen Jahr 2004/2005 als Dissertation vor. Sie entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Europäischen Graduiertenkollegs „Systemtransformation und Rechtsangleichung im zusammenwachsenden Europa“, das von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der Jagiellonen-Universität Krakau und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gemeinsam betrieben wurde. Den Sprechern und Leitern dieses Graduiertenkollegs danke ich sehr herzlich für die Aufnahme in das Kolleg und die Gewährung eines Promotionsstipendiums. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Bogusław Gawlik, möchte ich für seine großzügige Förderung in jeder Hinsicht während der Arbeit an diesem Buch und, nach ihrem Abschluss, auch bei anderen wissenschaftlichen Vorhaben sehr herzlich danken. Ein ebenso herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. Arndt Teichmann, der mich während eines mehrmonatigen Forschungsaufenthalts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit großem Engagement betreut und später sehr zügig das Zweitvotum erstellt hat. Den weiteren Berichterstattern im Promotionsverfahren, den Herren Professoren Dr. Maksymilian Pazdan und Dr. Fryderyk Zoll, danke ich für wertvolle Anmerkungen, die auf die Endfassung der Arbeit bedeutenden Einfluss hatten. Mein spezieller Dank gilt den Direktoren des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes GutenbergUniversität Mainz, getragen von der Wissenschaftsförderung der SparkassenFinanzgruppe e.V. in Bonn, insbesondere Herrn Professor Dr. Walther Hadding, für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Das Buch widme ich meinen Eltern und meiner Frau Sina, mit größtem Dank für ihre ständige und uneingeschränkte Unterstützung. Heidelberg, im Herbst 2008

Piotr Tereszkiewicz

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Erstes Kapitel Eine Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung im System der zivilrechtlichen Personifikation § 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausgangspunkt – die OHG im geltenden polnischen Recht . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die herrschende Lehre zum HGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einleitende Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die historische Entwicklung der OHG im germanischen Rechtskreis und in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entwicklung der OHG in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1861 2. Der Übergang vom ADHGB zum HGB aus dem Jahre 1897 in der Rechtsprechung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das deutsche HGB aus dem Jahre 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Entwicklung der OHG in der Schweiz – Hinweis . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Entwicklung der polnischen Gesetzgebung und Lehre zu Personengesellschaften des Handelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das polnische HGB aus dem Jahre 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lehre zum HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Verständnis der Gesamthand als Sondervermögen . . . bb) Die OHG als eine Quasi-juristische Person . . . . . . . . . . . . . (1) Die OHG als eigenständiges Rechtssubjekt . . . . . . . . . . (2) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Lehre von den „unvollständigen juristischen Personen“ (1) Die These von Wolter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das HGG aus dem Jahre 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über die Gesetzesänderungen im Vergleich zum HGB

20 20 20 21 21 22 23 24 24 25 25 29 34 35 37 37 37 38 39 40 40 41 42 42 43 44 44

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Inhaltsverzeichnis b) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Rechtsnatur einer Personenhandelsgesellschaft in der modernen deutschen und französischen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die deutsche Lehre über die Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Personifikationslehren von Fabricius und John . . . . . . . . . . . . . . a) Die OHG als eine „teilrechtsfähige Teilperson“ . . . . . . . . . . . . . b) Die OHG als eine „organisierte Rechtsperson“ . . . . . . . . . . . . . c) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Personengesellschaft in der modernen Gesamthandslehre . . . . . a) Die Gesamthandsgesellschaft in der Konzeption von Flume . . . b) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Personengesellschaft im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die herrschende Lehre in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 2 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Gesamthand im HGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das vermögensrechtliche und personalistische Verständnis der Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Praktische Relevanz des Streits um das Wesen der Gesamthandsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Folgen des Meinungsstreits für das Auftreten der OHG im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Folgen des Meinungsstreites für die Haftungsverfassung der OHG IV. Zusammenstellung der Argumente. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Entmythologisierung der Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsfähigkeit als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Mitgliederhaftung und Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 49 52 52 52 52 52 53 55 57 57 60 62 62 62 65 65 65 68 70 70 75 78 84 87 89

Zweites Kapitel Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung in der OHG § 1 Die Quelle der Gesellschafterhaftung in der OHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Abstrakter Zustand und konkrete Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Entstehung der Gesellschafterbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 92 92 93 93 94

Inhaltsverzeichnis § 2 Das Verhältnis zwischen der Gesellschaftsschuld und der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter in der OHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die polnische Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fremde Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Gesamtschuld und die Akzessorietät als Rechtsinstitute . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Solidarität der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der „Solidarität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliches Leitbild der Solidarität nach polnischem Recht . . . . . a) Kriterien für das Vorliegen der Solidarität – Versuche der Typisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigenschaften der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit . . . III. Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das gegenseitige Verhältnis der Akzessorietät und Solidarität . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Rechtsinstitut der Solidarbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Merkmale der Akzessorietät und der Gesamtschuld im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Wahlrecht des Gesellschaftsgläubigers (Zugriffsproblem) . . . . . . III. Kumulation und Ausschluss der gleichzeitigen Gesellschafter- und Gesellschaftshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erlass der Gesellschafter- und Gesellschaftshaftung . . . . . . . . . . . . 2. Novation im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschaftsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lage bei der Auflösung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Verjährung der Gesellschafts- und Gesellschafterschuld . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterbrechung der Verjährung – Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einreden der Gesellschaft und der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Befugnis der Gesellschafter zur Geltendmachung der Einreden der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einreden im strengen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Persönliche Einreden der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 99 99 99 100 102 105 105 105 106 106 107 107 109 112 114 114 116 119 121 121 121 123 123 126 127 128 128 129 133 135 135 139 139 141 144

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Inhaltsverzeichnis 4. Verzicht des Gesellschafters auf die Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Unterlassung der Geltendmachung der Einreden durch den Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Regressverhältnisse in der OHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsvergleichende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtslage nach dem HGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Anspruch gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die gesetzliche Subrogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Anspruch aus dem Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Regress gegen die Mitgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Leistung durch den Bürgen eines Gesellschafters . . .

§ 3 Zusammenfassung: Die dogmatische Einordnung des Verhältnisses zwischen der OHG und ihren Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung: Schlussfolgerungen aus der bisherigen Untersuchung . . . . . . . B. Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Korrigierende“ Auslegung des Begriffes „Gesamtschuld“? . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Haftung der Hauptgesellschaft bei der Eingliederung im Aktienkonzernrecht (§ 322 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Spaltungshaftung im Umwandlungsrecht (§ 133 UmwG) . . . . . 4. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einordnung als Sicherungsgesamtschuld? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Konzeption einer Sicherungsgesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigener Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Drittes Kapitel Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG § 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Subsidiarität im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung des Begriffes „Subsidiarität“ in der Privatrechtslehre – Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der subsidiäre und primäre Charakter der Gesellschafterhaftung in einer rechtsvergleichenden und historischen Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subsidiäre Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174 174 174 174 176 176

Inhaltsverzeichnis

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2. Primäre Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen aus der Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem HGG . . . . . . . . . . . . . . I. Technische Ausgestaltung der Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegung des Merkmals „der erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Folgen der erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Modifikation der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . 1. Die Beseitigung oder Milderung der Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgeschäftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Lage vor der Eintragung der Gesellschaft . . . . . . . . . . bb) Öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verschärfung der Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Beurteilung der Subsidiarität unter Berücksichtigung der Gläubigerschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gründe für die Gesamtschuld zwischen den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . B. Die Anwendung der Art. 366 ff. ZGB auf das Verhältnis unter den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der Gesellschafter als Gläubiger der Gesellschaft – Exkurs . . . . . . . . . . . E. Die Haftung des ausscheidenden Gesellschafters – Exkurs . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Die unbeschränkte Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die unbeschränkte Haftung im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vertragliche Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gesetzliche Haftungsbeschränkung bei der Partnerschaftsgesellschaft . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz der Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wege der Haftungserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Haftungsverhältnisse im Falle der Bestellung eines Vorstands . . . . . . V. Beurteilung der Haftungsverfassung der Partnerschaftsgesellschaft . .

184 188 189 189 189 190 190 192 193 194

200 204 205 206 208 208 209 211 213 213 213 216 219 221

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Inhaltsverzeichnis Viertes Kapitel Der Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten in der OHG

§ 1 Einführung in die Problematik

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

§ 2 Lösungsansätze in der Literatur und der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . A. Vorfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bestimmung des Inhalts der Gesellschafterhaftung durch einen Rückschluss auf andere Rechtsinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ein Rückschluss auf die Bürgschaft. Rolle der Akzessorietät . . . . . . . II. Ein Rückschluss auf die Subsidiarität der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesichtspunkt einer „gesellschaftsfreien Privatsphäre“ . . . . . . . . . . . . 1. Bezugnahme auf das Innenverhältnis in der Gesellschaft . . . . . . . . 2. Zumutbarkeit der Leistung für den Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung des Inhalts der Gesellschafterhaftung durch Bezugnahme auf die Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systembezogene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eine Differenzierung zwischen personen- und nicht personenbezogenen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung des Haftungsinhalts durch eine Parallele zum Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stellungnahme zum materiellen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Erstreckung der Bindung der Gesellschaft auf die Gesellschafter bei Unterlassungs- bzw. Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der Ergebnisse

222

224 224 226 226 227 228 228 230 231 233 233 234 235 235 237 240

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

Abkürzungsverzeichnis I. Gesetze ADHGB Cciv Ccom dt. AktG dt. BGB dt. HGB dt. InsO dt. PartGG dt. UmwG GbHypG HGB HGG KSR LGRegG OR RGE schweiz. OR schweiz. SchKG UNG UWG WiTG ZGB ZVGB

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch v. 16. 03. 1861 französischer Code Civil v. 21. 03. 1804 französischer Code de Commerce v. 15. 09. 1807 deutsches Aktiengesetz v. 06. 09. 1965 deutsches Bürgerliches Gesetzbuch v. 18. 08. 1896 deutsches Handelsgesetzbuch v. 10. 05. 1897 deutsche Insolvenzordnung v. 05. 10. 1994 deutsches Gesetz zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften v. 25. 07. 1994 deutsches Umwandlungsgesetz v. 28. 10. 1994 polnisches Gesetz über Grundbücher und Hypothek v. 26. 07. 1982 polnisches Handelsgesetzbuch v. 27. 10. 1933 polnisches Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften v. 15. 09. 2000 polnisches Konkurs und Sanierungsrecht v. 28. 02. 2003 polnisches Gesetz über das Landes-Gerichtsregister v. 20. 08. 1997 polnisches Obligationenrecht v. 27. 10. 1933 polnisches Gesetz über das Recht des gewerblichen Eigentums v. 30. 06. 2000 schweizerisches Obligationenrecht v. 30. 03. 1911 schweizerisches Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs v. 11. 04. 1889 polnisches Gesetz über Urheberrecht und verwandte Rechte v. 04. 02. 1994 polnisches Gesetz über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs v. 16. 04. 1993 polnisches Gesetz über die Freiheit der Wirtschaftstätigkeit v. 02. 07. 2004 polnisches Zivilgesetzbuch v. 23. 04. 1964 polnisches Zivilverfahrensgesetzbuch v. 17. 11. 1964

II. Gesetzesblätter, Rechtsprechungsberichte, Zeitschriften AcP BB BGBl. BGE

Archiv für die civilistische Praxis Der Betriebsberater Bundesgesetzblatt Bundesgerichtsentscheid, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts

14 BGHZ BT-Drucks Bull. Joly DB Dz. U. JBl J. C. P., ed. E J. C. P., ed. G JuS JW JZ KPP M. Praw. NJW NP OSA OSN OSPiKA PiP PIPWI PL PPH PS Pr. Sp. PUG Rev. Soc. RGZ R. I. D. C. RPEiS RTDciv RTDcom St. Cyw. St. Praw. WiRO WM ZBJV ZGR ZHR ZIP

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundestagsdrucksache Bulletin Joly Der Betrieb Dziennik Ustaw (Gesetzesblatt Republik Polens) Juristische Blätter Juris Classeur Périodique, édition Entreprise Juris Classeur Périodique, édition Générale Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kwartalnik Prawa Prywatnego Monitor Prawniczy Neue Juristische Wochenschrift Nowe Prawo Orzecznictwo Sa˛dów Apelacyjnych Orzecznictwo Sa˛du Najwy˙zszego Orzecznictwo Sa˛dów Powszechnych i Komisji Arbitra˙zowych Pa´nstwo i Prawo Prace Instytutu Prawa Własno´sci Intelektualnej Przegla˛d Legislacyjny Przegla˛d Prawa Handlowego Przegla˛d Sa˛dowy Prawo Spółek Przegla˛d Ustawodawstwa Gospodarczego Revue des Sociétés Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue internationale de droit comparé Ruch Prawniczy, Ekonomiczny i Socjologiczny Revue Trimestrielle de Droit Civil Revue Trimestrielle de Droit Commercial Studia Cywilistyczne Studia Prawnicze Wirtschaft und Recht in Osteuropa Wertpapiermitteilungen Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis III. Sonstiges

a. A. Abs. a. E. a. F. AG

andere Ansicht Absatz am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft

Abkürzungsverzeichnis Anm. Art. AT Aufl. Bd. BG BGH BOHG Bsp. BT bzw. CA Cass. ders. desgl. d. h. dt. Einl. f., ff. Fasc. Fn. franz. FS GbR gem. ggf. GmbH grds. Hbd. h. Lit. h. M. Hrsg. Hs. i. d. F. i. E. i. Erg. i. H.v. insb. i. S. i. S. d. i. S.v. i.V. m. Kap. KG KGaA krit. Lit.

Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Auflage Band Bundesgericht (Schweiz) Bundesgerichtshof (Deutschland) Bundesoberhandelsgericht (Deutschland) Beispiel Besonderer Teil beziehungsweise Cour d’appel (Frankreich) Cour de cassation (Frankreich) derselbe desgleichen das heißt deutsch Einleitung folgende Seite, folgende Seiten Fascicule Fußnote französisch Festschrift (deutsche) Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung grundsätzlich Halbband herrschende Literaturmeinung herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz in der Fassung im Einzelnen im Ergebnis in Höhe von insbesondere im Sinne im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Kapitel Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien kritisch Literatur

15

16 m. Ä. m. Anm. m.w. N. n. F. Nr. OHG OLG poln. Pos. RG Rn. ROGH s. S. SA schweiz. SN s. o. str. s. u. T. u. a. u. U. v. vgl. Vor., Vorbem. z. B. zugl. zust.

Abkürzungsverzeichnis mit Änderungen mit Anmerkung mit weiteren Nachweisen neue Fassung Nummer Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht polnisch Position Reichsgericht Randnummer(n) Reichsoberhandelsgericht siehe Seite, Satz Sa˛d Apelacyjny (Appellationsgericht, Polen) schweizerisch Sa˛d Najwy˙zszy (Das Oberste Gerichtshof Republik Polens) siehe oben streitig siehe unten Teil unter anderem unter Umständen von vergleiche Vorbemerkung zum Beispiel zugleich zustimmend

Einleitung Der Gegenstand dieser Untersuchung ist die Gesellschafterhaftung in der Offenen Handelsgesellschaft nach polnischem Recht. Eine Untersuchung dieser Problematik erschien dem Verfasser aus einigen Gründen gerechtfertigt. Zum einen ist die Frage der Rechtsnatur der Gesellschafterhaftung in einer Personenhandelsgesellschaft im polnischen Schrifttum und in der Rechtsprechung polnischer Gerichte noch nicht gänzlich geklärt. Es scheint, dass die Defizite sowohl die allgemeine Lehre über die Rechtsnatur einer Personenhandelsgesellschaft als auch die Einzelfragen hinsichtlich der Haftungsverfassung dieser Gesellschaftsformen betreffen. Diese Defizite werden besonders sichtbar, wenn man das ausländische Schrifttum sowie die ausländische Rechtsprechung zur selben Problematik näher betrachtet. Man kann mit voller Überzeugung die These wagen, dass sich die moderne polnische Lehre der Personenhandelsgesellschaften im Entwicklungsstadium befindet. Das Inkrafttreten des Gesetzbuches über die Handelsgesellschaften im Jahre 2001 sowie andere Reformen des Zivil- und Wirtschaftsrechts haben mit Sicherheit diese Entwicklung gefördert, aber auch die Breite der klärungsbedürftigen Problematik veranschaulicht. Zum anderen muss darauf hingewiesen werden, dass die Problematik des Personengesellschaftsrechts weiterhin intensiv in ausländischen Rechtsordnungen diskutiert und entwickelt wird. Dies wird durch die in dieser Arbeit zitierte Literatur und die Rechtsprechung aus den letzten Jahren nachgewiesen. Insgesamt muss man feststellen, dass es sich bei dem Recht der Personenhandelsgesellschaften um ein „lebendiges“ und in der polnischen Rechtsordnung besonders untersuchungsbedürftiges Gebiet des Privatrechts handelt. Diese Arbeit umfasst vier Kapitel. Als Vorfrage für die Erläuterung des Charakters der Gesellschafterhaftung hat der Verfasser eine Stellungnahme hinsichtlich der Rechtsnatur einer Personenhandelsgesellschaft als notwendig angesehen (Erstes Kapitel). In dessen Rahmen soll die herrschende Lehre im polnischen Schrifttum unter Berücksichtigung historischer und rechtsvergleichender Argumente an ihrer Überzeugungskraft gemessen werden. Erst die Klärung dieser Problematik ermöglicht die Behandlung des Verhältnisses zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterverbindlichkeit, das umfassend untersucht wurde (Zweites Kapitel). Die Untersuchung des Verhältnisses zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterverbindlichkeit zielt darauf ab, ihre dogmatische Einordnung im Hinblick auf die wechselseitigen Wirkungen zwischen beiden Verbindlichkeiten herauszuarbeiten (u. a. Frage der den Gesellschaftern zustehenden Einwendungen und Einreden, Ausgestaltung der Regressrechte). Dabei spielte der Rückgriff auf

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Einleitung

die allgemeinen Institute des Zivilrechts, wie Solidarität und Akzessorietät, eine wegweisende Rolle. Im nachfolgenden dritten Kapitel werden solche Eigenschaften der Gesellschafterhaftung wie ihre Subsidiarität, ihr gesamtschuldnerischer Charakter sowie ihre Unbeschränktheit erläutert. Der letzte Teil der Arbeit (Viertes Kapitel) befasst sich mit einer traditionellen Streitfrage, und zwar dem Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten. Obwohl diese Problematik systematisch grundsätzlich dem Kapitel II zuzuordnen ist, wurde sie im Hinblick auf ihre übliche Betrachtung durch die Lehre als ein eigenständiges, dogmatisches Problem gesondert erörtert. Am Ende folgt die Zusammenfassung der Ergebnisse. Die vorliegende Arbeit hat keinen rechtsvergleichenden Charakter. Trotzdem wird zahlreich Bezug auf ausländische Rechtsordnungen genommen, welche seit Jahrzehnten die polnische Gesetzgebung wesentlich mitbeeinflussen. Es handelt sich um das deutsche, französische und schweizerische Recht. Die Ausführungen über fremdes Recht, vor allem über den Stand der Lehre und der Rechtsprechung, sind aber ausschließlich instrumental. Sie sollen die Untersuchung des polnischen Rechts anregen und vereinfachen. Dies gilt vornehmlich für solche Fragenkomplexe, in denen die polnische Lehre bzw. polnische Rechtsprechung noch keine Gelegenheit hatten, eigene fundierte Lösungsansätze zu formulieren. Obwohl es an mancher Stelle historische Ausführungen gibt, hat diese Untersuchung auch keinen historischen Charakter. Die knappe Darstellung der Entwicklung der Gesamthandsgesellschaft im deutschen Rechtskreis sowie in Polen dient ausschließlich dazu, einige Thesen dieser Arbeit zu stützen. Sie erhebt allerdings nicht den Anspruch einer eigenständigen historischen Untersuchung. Kurze historische Hinweise an anderen Stellen der Arbeit sollen darauf aufmerksam machen, dass gewisse Fragen im Zusammenhang mit der Haftungsverfassung der OHG bereits längst diskutiert bzw. geregelt worden sind. Die Vielfalt der für diese Untersuchung relevanten Einzelfragen bewirkt, dass diese Arbeit an mancher Stelle dem Leser deskriptiv erscheinen kann. Die ausführliche Betrachtung vieler Einzelfragen, die mit der Haftungsverfassung der OHG zusammenhängen, erschien mir allerdings angesichts der noch wenig fortgeschrittenen Entwicklung der Lehre und der Rechtsprechung zum polnischen Recht häufig geboten. Dennoch sind mehrere Fragenkomplexe ausgeklammert worden, die man mit einer Untersuchung der Gesellschafterhaftung in der OHG typischerweise assoziieren könnte. Es wurde nicht näher auf die prozessuale Geltendmachung der Gesellschafterhaftung eingegangen. Genauso wurde auf die Untersuchung der Gesellschafterhaftung im Konkurs der Gesellschaft sowie der Gesellschafterbürgschaft für die Gesellschaftsverbindlichkeiten verzichtet. Im Rahmen der Randbemerkungen wurde auch die Problematik der sog. Spezialfälle der Gesellschafterhaftung wie die Haftung des eintretenden bzw. austretenden Gesellschafters erläutert. Im Hinblick auf die Vielfalt der theoretischen und praktischen Probleme verdienen alle genannten Einzelfragen eine besondere

Einleitung

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Untersuchung. Außer Betracht wird ebenso die dogmatisch interessante Frage der eventuellen Unterschiede in der Rechtsnatur und der Haftungsverfassung einer Personenhandelsgesellschaft und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gelassen. Was das polnische Recht angeht, wurden Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum bis zum 1. Juni 2007 berücksichtigt.

Erstes Kapitel

Eine Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung im System der zivilrechtlichen Personifikation § 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft A. Einleitung Hinter einer „organisierten“ Person 1 (Gesellschaft) stehen immer ihre Mitglieder, je nach der Rechtsform in einer für Dritte mehr oder weniger erkennbaren Weise. Die Mehrheit der Rechtsordnungen, darunter auch das polnische Recht, sieht bezüglich der Befriedigung der Gläubiger einer „organisierten“ Person (Gesellschaft) zwei alternative Lösungen vor. Einerseits ist es möglich, dass die Gesellschaftsgläubiger neben der Gesellschaft selber auch die Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten in Anspruch nehmen können. Dies ist der Fall vor allem bei der Offenen Handelsgesellschaft (im Folgenden OHG) sowie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die zweite Alternative erschöpft sich darin, dass den Gläubigern lediglich das Gesellschaftsvermögen als Haftungssubstrat zusteht. An die Gesellschafter können sie sich nur in Ausnahmefällen wenden. Hierfür sind Beispiele die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG). Es gibt auch Rechtsformen, welche Elemente dieser zwei Alternativen verbinden (wie z. B. KG und KGaA). Dieser Dualismus wird zutreffend mit der französischen Terminologie „sociétés à risques illimités“ einerseits, sowie „sociétés à risques limités“ andererseits umschrieben, welche die Perspektive der an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter wiedergibt. 2 Die Fragen, die im Hinblick auf die persönliche Gesellschafterhaftung für Verbindlichkeiten einer „organisierten Person“ (Gesellschaft) die Rechtslehre seit jeher beschäftigt haben und bis heute nicht vollkommen geklärt erscheinen, sind folgende: Besteht eine Wechselwirkung zwischen der Rechtssubjektivität der Gesellschaft und der persönlichen Gesellschafterhaftung? Wofür haften die 1

Der Begriff einer „organisierten Person“ wird statt des Begriffes einer „juristischen Person“ verwendet, weil letzter nicht in allen Systemen dieselbe Bedeutung hat. 2 Im Anschluss an Didier, Droit, S. 80.

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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Gesellschafter eigentlich, wenn sie wegen einer „Gesellschaftsverbindlichkeit“ in Anspruch genommen werden: für eine eigene oder eine fremde Schuld? Diese Fragestellungen können allgemein mit dem Satz umschrieben werden: Besitzt eine Personenhandelsgesellschaft Rechtsfähigkeit, und sollte dies bejaht werden, gibt es dann grundlegende Unterschiede hinsichtlich der Struktur zu den juristischen Personen? Die Beantwortung dieser Frage wird ein Ausgangspunkt für die Erläuterung des Schuldmodells bei der OHG darstellen.

B. Ausgangspunkt – die OHG im geltenden polnischen Recht I. Gesetzliche Vorgaben Das Wesen der Offenen Handelsgesellschaft, sowie anderer Personengesellschaften des Handelsrechts, 3 ist dem HGG auf den ersten Blick nicht zu entnehmen. Die gesetzlichen Quasi-Begriffsbestimmungen einzelner Formen der Personengesellschaften sind nach einem einheitlichen Schema konstruiert: Sie knüpfen bei allen Gesellschaftsformen an das Merkmal der Unternehmensführung an, und bei der Partnerschaftsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien an die Unterschiede dieser Formen gegenüber der OHG (vgl. Artt. 22 § 1, 86 § 1, 102, 125 HGG). Keine Erklärung der Rechtsnatur einer Personenhandelsgesellschaft enthält Art. 8 § 1 HGG, nach dem die Personenhandelsgesellschaften unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden können. Diese Vorschrift erscheint eher als eine Auflistung der möglichen Fähigkeiten der Gesellschaft als die Erklärung ihres Wesens. Darüber hinaus kann aus dieser Regelung in Zusammenhang mit Art. 12 HGG geschlossen werden, dass eine Personenhandelsgesellschaft keine juristische Person ist, weil Art. 12 HGG ausdrücklich vorsieht, dass eine „VorGmbH“ und eine „Vor-AG“ mit der Eintragung in das Gerichtsregister Rechtspersönlichkeit erlangen, wobei eine „Vor-GmbH“ oder eine „Vor-AG“ dieselben Attribute genießen wie eine Personenhandelsgesellschaft (Art. 11 § 1 HGG). Die letzte Schlussfolgerung wird auch durch die Begründung des Gesetzesentwurfs des HGG bestätigt. Die Begründung nennt drei wesentliche Gründe, warum den Personenhandelsgesellschaften im HGG die Rechtspersönlichkeit nicht gewährt wurde. 4 Erstens ist man davon ausgegangen, dass dies mit der bisherigen Tradition des polnischen Zivilrechts unvereinbar wäre. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit für Personenhandelsgesellschaften, welche im Prinzip keine Organe besitzen und auf 3

Dazu gehören auch die Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft sowie Kommanditgesellschaft auf Aktien (Art. 4 § 1 Pkt 1 HGG). 4 Begründung, S. 46.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

die persönliche Haftung der Gesellschafter angelegt sind, zur Folge hätte, dass die Abgrenzung zwischen Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften Unklarheiten mit sich bringen würde. Überdies wurde berücksichtigt, dass, wenn den Personengesellschaften Rechtspersönlichkeit gewährt werden würde, dies ein wirtschaftliches Risiko für die Gesellschafter zur Folge hätte, da ihre Einkommen aus der Beteiligung an der Gesellschaft wegen des geltenden polnischen Einkommensteuerrechts doppelt besteuert würden. Diese steuerrechtliche Konsequenz würde das Betreiben der Personenhandelsgesellschaften wesentlich unattraktiver machen. 5 Die einschlägigen oben genannten Vorschriften des HGG wurden jüngst durch die Aufnahme von Art. 33 1 § 1 in das ZGB 6 vervollständigt, wonach auf die organisatorischen Einheiten, welche die Rechtsfähigkeit kraft Gesetzes besitzen, die Vorschriften (des ZGB – P. T.) über juristische Personen anzuwenden sind. Den legislativen Materialien zum Entwurf von Art. 33 1 § 1 ZGB kann man entnehmen, dass diese Vorschrift als eine unerlässliche Konsequenz von Art. 8 § 1 HGG im Allgemeinen Teil des ZGB anzusehen sei und folgerichtig seien die Personenhandelsgesellschaften ein Hauptbeispiel der „organisatorischen Einheiten“. 7 II. Die herrschende Lehre zum HGG Die herrschende Ansicht im Schrifttum zum HGG geht davon aus, dass die Personenhandelsgesellschaften kraft Art. 8 § 1 HGG rechts-, handlungs-, parteisowie prozessfähig sind 8. Die Gesellschaft als solche sei Vermögensträger. 9 Es wird vertreten, dass das HGG ausdrücklich vorsieht, dass die Personenhandelsgesellschaften von ihren Gesellschaftern nicht nur im Außenverhältnis, sondern auch im Innenverhältnis losgelöst seien. 10 Manche sprechen von einer speziellen „handelsrechtlichen Subjektivität“ der Personenhandelsgesellschaften. 11 Mit Blick auf Art. 33 1 § 1 ZGB werden die Personengesellschaften als ein Beispiel par excellence von „unvollständigen juristischen Personen“ angesehen. 12 Damit soll ihrer 5

Begründung, S. 46. Das Gesetz v. 14. 2. 2003 zur Änderung des Zivilgesetzbuches und anderer Gesetze (Dz. U. 2003, Nr. 49, Pos. 48 m. Ä.). 7 Vgl. Projekt, S. 157 ff. 8 Vgl. Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 6 (S. 110); Szwaja, Nowy, S. 11 f.; Szuma´nski, Nowe, S. 5; Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 101; Kruczalak, in: Kruczalak, Kodeks, S. 38; Kidyba, Kodeks, Tom I, S. 73 f.; Litwi´nska, Kodeks, S. 130 f.; Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 70; Bucior, Konstrukcja, S. 9; Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 44. 9 Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 9 (S. 111); Napierała, in: Koch / Napierała, Prawo, S. 100. 10 So Kruczalak, in: Kruczalak, Kodeks, S. 38. 11 Szuma´nski, Nowe, S. 5. 6

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

23

Rechtsnatur Rechnung getragen werden. Nur eine Mindermeinung hält daran fest, dass die Personenhandelsgesellschaften keine eigene Rechtsfähigkeit besitzen, sondern nur eine Verbindung der Gesellschafter darstellen, die echte Rechtsträger sind. 13 Danach steht das Gesellschaftsvermögen in der Tat den Gesellschaftern zur gesamten Hand zu. Zusammenfassend darf man feststellen, dass die herrschende Lehre zum Personengesellschaftsrecht weitgehend einheitlich ist. Sie stützt sich auf die Konzeption „der unvollständigen juristischen Personen“ von Aleksander Wolter. Folgerichtig wird Art. 33 1 § 1 ZGB als deren gesetzliche Anerkennung betrachtet. 14 Hervorzuheben ist ferner, dass die Ansichten, die von der Rechtssubjektivität einer Personenhandelsgesellschaft ausgehen, sich meistens auf die Verneinung der Existenz des Gesamthandsprinzips im polnischen Recht der Personengesellschaften gründen, obwohl nicht näher erläutert wird, was unter der Gesamthand zu verstehen ist. 15 Andererseits behaupten diejenigen, 16 die annehmen, dass eine Personenhandelsgesellschaft nicht rechtsfähig ist, dass sie nach dem Prinzip der Gesamthand konstruiert sei, was bedeutet, dass die wahren Rechtsträger die Gesellschafter wären. Jedenfalls wird diese gesellschaftsrechtliche Diskussion nicht durch die Entwicklung der Dogmatik der Gesamthand begleitet. III. Einleitende Beurteilung Dem Verfasser scheinen, auch bei allgemeiner Zustimmung zur These von der Rechtsfähigkeit der Offenen Handelsgesellschaft im Hinblick auf Art. 8 § 1 HGG, die dogmatischen Grundlagen der herrschenden Lehre nicht ausreichend zu sein, um die Offene Handelsgesellschaft in das System der Personifikation im Zivilrecht einzuordnen und im Folgenden das Schuldmodell bei der OHG zu erläutern. Es fällt auf, dass das polnische Schrifttum bisher keine einheitliche Lehre „der rechtsfähigen Personengesellschaften“ 17 entwickelt hat, die dieses Rechtsinstitut vor dem Hintergrund des allgemeinen Privatrechts erklärt. 12 Vgl. Pazdan, in: Pietrzykowski, Kodeks, 4. Aufl., S. 5, m.w. N.; Szwaja, Nowy, S. 11; Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8, Rn. 9 –10 (S. 111 f.); Kruczalak, in: Kruczalak, Kodeks, S. 38; Gniewek, in: Gniewek, Kodeks, S. 79. 13 Vereinzelt Moskwa, Stosunek, S. 221 f. Die Stellungnahme von Napierała / Moskwa, in: Koch / Napierała, Prawo, S. 101, deutet allerdings darauf hin, dass Moskwa mit dem Inkrafttreten des Art. 33 1 ZGB seine Ansicht zugunsten der h. M. aufgegeben hat. 14 Vgl. Pazdan, in: Pietrzykowski, Kodeks, 4. Aufl., S. 5, m.w. N. 15 Repräsentativ Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 9 –10 (S. 110); Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 101; Napierała, in: Koch / Napierała, Prawo, S. 100 f.; Litwi´nska, Kodeks, S. 130 f.; Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 44. 16 Jetzt nur Moskwa, Stosunek, S. 221 f., sympathisierend Wi´sniewski, Niektóre, S. 50; Litwi´nska, Typologia, S. 4 f. Früher vor allem Grzybowski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 856.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Es muss ferner in Erwägung gezogen werden, dass eine Analyse des geltenden polnischen Rechts der Personengesellschaften mit einem Blick auf das zuvor geltende Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1933 (HGB) verbunden werden muss. Dafür sprechen zwei Umstände. Erstens entspricht die Mehrzahl einzelner Bestimmungen des HGG bezüglich der OHG denen im HGB. Zweitens sollen gewisse Änderungen (z. B. die neue Fassung des Art. 8 § 1 HGG im Vergleich mit Art. 81 HGB) beachtliche normative Bedeutung haben. 18 Darüber hinaus kann man mit Blick darauf, dass der Einfluss bestimmter ausländischer Rechtsordnungen auf das polnische Privatrecht allgemein bekannt ist, zu Recht feststellen, dass sich das polnische Recht der OHG nicht eigenständig entwickelt hat. Deswegen wird auch eine kurze historische Untersuchung vorgenommen, um zu zeigen, wie das polnische Recht von fremden Rechtsordnungen beeinflusst wurde und welche eigenen Rechtsinstitute es entwickelt hat. Die Berücksichtigung folgender drei Elemente: der historischen Entwicklung polnischer Gesetzgebung im Bereich der Personengesellschaften unter Bezugnahme auf bekannte Regelungsbeispiele fremden Rechts; des wechselnden Meinungsstandes in Polen und Deutschland – d. h. in Systemen, in denen die OHG keine juristische Person ist (zumindest nach der h. M.); des Standpunkts der französischen Lehre zur OHG (ein System, in dem die OHG eine juristische Person ist), soll helfen, eine Stellungnahme hinsichtlich der Regelung des HGG herauszuarbeiten.

C. Die historische Entwicklung der OHG im germanischen Rechtskreis und in Polen I. Einleitung Die folgende Schilderung der Entstehungsgeschichte der deutschen und schweizerischen Regelungen der OHG sowie die Andeutung des Meinungsstandes in der Rechtslehre dieser Länder soll zeigen, womit der polnische Gesetzgeber vor dem Erlass des Handelsgesetzbuches aus dem Jahre 1933 konfrontiert war, als er eine Inspiration für die künftige Regelung des Zivil- und Handelsrechts suchte. Es ist allgemein bekannt, dass das polnische HGB vor allem nach dem Beispiel des deutschen HGB aus dem Jahre 1897 und des schweizerischen Obligationenrechts aus dem Jahre 1911 entworfen wurde. 19 Die Lektüre einzelner Bestimmungen der genannten Gesetze bestätigt dies. Darüber hinaus sieht man am „alten“ Schrifttum 17 Vgl. den Vorwurf gegen die deutsche Lehre von Mülbert, Die rechtsfähige, S. 41, nach dem „(...) bei aller Zustimmung zur These von der Rechtsfähigkeit der Personengesellschaften sich bislang keine monolithische ‚Lehre der rechtsfähigen Personengesellschaften‘ entwickelt hat“. Umso mehr gilt dieser Vorwurf in Bezug auf die polnische Lehre, die eigentlich beginnt, diese Lehre zu entwickeln. 18 Begründung, S. 46. 19 Vgl. Płaza, Historia, S. 213.

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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zum polnischen HGB, dass die polnische Rechtslehre unter einem erheblichen Einfluss der deutschen Lehre und Rechtsprechung stand. Diese kurze historische Untersuchung befasst sich vornehmlich mit der Frage der Rechtssubjektivität der Gesellschaft und den damit zusammenhängenden Fragen der Vermögens- und Haftungsverfassung der OHG. II. Die Entwicklung der OHG in Deutschland 1. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1861

Im germanischen Bereich wurden die OHG und KG zum Gegenstand eigentlicher Kodifikation erst im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1861. Art. 111 ADHGB sah vor, dass „die Handelsgesellschaft unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden kann“. Dieser Rechtssatz ist bis heute in der deutschen und polnischen Gesetzgebung fast unverändert geblieben. Art. 8 § 1 HGG stellt daher keine legislative Neuerfindung dar. Interessant ist die Diskussion während der Arbeiten am ADHGB sowie seine Entstehungsgeschichte, die zu diesem Ergebnis geführt hat. Sie muss hier in groben Zügen wiedergegeben werden. Die Grundlage von Art. 111 ADHGB war Art. 87 des Preußischen Entwurfs eines Handelsgesetzbuches aus dem Jahre 1857, 20 der lautete: „Jede Handelsgesellschaft 21 „als solche“ hat selbständig ihre Rechte und Pflichten und ihr besonderes Vermögen; sie kann auf ihren Namen Grundstücke und Forderungen erwerben“. Den Motiven zum Preußischen Entwurf kann man entnehmen, dass „sich die Handelsgesellschaft zwar auf Grundlage der römischen Sozietät entwickelt hat, die Bedürfnisse des Verkehrs einen so bestimmenden Einfluss auf ihre Entwicklung ausgeübt haben, dass die Ähnlichkeiten mit der gewöhnlichen civilrechtlichen Gesellschaft nach und nach verwischt worden sind“. 22 Die Verfasser des Entwurfs gingen davon aus, dass „der rechtlichen Natur der Handelsgesellschaft in der That die Annahme einer juristischen Persönlichkeit entspricht“. 23 Trotzdem ist man bei der Schlussfolgerung geblieben: „Indessen kann davon Abstand genommen 20

Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten. Nebst Motiven, 1. Theil, Berlin 1857; Wertenbruch, Die Haftung, S. 46. 21 Dazu zählten: OHG, stille Gesellschaft und die Aktiengesellschaft. Was der heutigen Lehre in Polen systemwidrig erscheint, waren OHG und AG in einer Kategorie von „Rechtsgebilden“ einzuordnen! 22 Entwurf. Motive, S. 46 f. 23 Entwurf. Motive, S. 47, mit dem Hinweis: „In der französischen Jurisprudenz hat die Auffassung Geltung erlangt, dass die Handelsgesellschaft als eine juristische Person anzusehen sei und die gleiche Anschauung ist in Bezug auf Aktiengesellschaften in das Gesetz vom 9. November 1843 übergegangen“.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

werden, die Handelsgesellschaft unter einen hergebrachten civilrechtlichen Rechtsbegriff unterzuordnen; der richtige Gesichtspunkt ist gewahrt, wenn die durch das Leben herausgebildete Anschauung (das deutsche Gewohnheitsrecht – P. T.), dass die Handelsgesellschaft selbständig ihre Rechte und Pflichten, sowie ihr besonderes, von dem Privatvermögen der Gesellschafter völlig getrenntes Vermögen hat, als Rechtssatz anerkannt wird“. Die Kommission zur Beratung des ADHGB hat Art. 87 des Preußischen Entwurfs für die OHG abgeändert und auch eine neue Begründung hinzugefügt. Die Fassung von Art. 111 ADHGB ging auf das Anliegen zurück, die Bestimmungen über die OHG derart auszugestalten, damit keine Zweifel entstehen, dass die OHG keine juristische Person ist. 24 Aus diesem Grund wurde die Fassung des Preußischen Entwurfs abgelehnt, weil man fand, dass in dieser Formulierung die Definition der juristischen Person liege. 25 Unter den Kommissionsmitgliedern war die Vorstellung verbreitet, dass bei der OHG „die Gesellschafter die hier allein in Betracht kommenden Rechtssubjekte seien; allein sie unterlägen rücksichtlich der Disposition über das gesellschaftliche Vermögen und der Geltendmachung der dazu gehörigen Rechte den Beschränkungen, daß sie materiell nur zu Gesellschaftszwecken, formell nur unter der Firma zu handeln befugt seien. Es handele sich daher nicht um ein von den Personen der Gesellschafter verschiedenes Rechtssubjekt, wohl aber um verschiedene Dualitäten in denselben Personen und es sei die rechtliche Bedeutung der öffentlich bekannt gemachten Firma, daß diese verschiedene Dualität nicht allein unter den Gesellschaftern, sondern auch Dritten gegenüber wirksam wäre“. 26 Die romanische Konzeption, wonach der OHG eine formelle Rechtspersönlichkeit zusteht, wurde in Erwägung gezogen, aber aus bereits genannten Gründen abgelehnt. Ihr wurde vorgeworfen, dass anders als bei 24 Dies war die Ansicht der Mehrheit der Kommissionsmitglieder, die sich durchgesetzt hat. Aus dem selben Grund hat man auch auf die in einigen Entwürfen enthaltene Formulierung „Jede Handelsgesellschaft hat ihr eigenes Vermögen“ verzichtet, vgl. von Lutz, Protokolle, S. 274 ff. Es wurde aber auch die Meinung vertreten, dass dem Wesen der OHG die Bezeichnung derselben als juristische Person vollkommen entspreche und deshalb der OHG diese Eigenschaft beigelegt werden sollte, vgl. von Lutz, Protokolle, 1.T., S. 154. 25 Vgl. von Lutz, Protokolle, 1. T., S. 156 f., bzw. alle anderen Sätze, in denen der Ausdruck „die Gesellschaft als solche“ verwendet wurde. An einigen Stellen hatte man sogar Bedenken, den Ausdruck „die Gesellschaft“ statt „die Gesellschafter“ zu verwenden, vgl.: „Sodann wurde ein Bedenken darüber erhoben, ob der Ausdruck „der Gesellschaft“ am Schlusse des ersten Absatzes nicht zu der Vermuthung Anlass geben könne, als solle damit gesagt werden, dass die eingebrachten Vermögensstücke Eigenthum der Gesellschaft in der Eigenschaft einer juristischen Person würden. Allein man hielt es nicht für geboten, statt „der Gesellschaft“, „der Gesellschafter“ zu setzen, wie von einer Seite beantragt wurde, weil man darüber einverstanden war, dass der Ausdruck „Gesellschaft“ hier so wie in den folgenden Artikeln nichts anderes bedeute, als die Gesamtheit der Gesellschafter nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche, welcher niemals von einem Gesellschaftervermögen, sondern nur von Gesellschaftsvermögen spreche“, von Lutz, Protokolle, 1. T., S. 176. 26 von Lutz, Protokolle, 3. T., S. 1134.

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„Corporationen“ das französische Recht von der OHG nur in einer unbestimmten Weise als von einer „personne fictive“, einem „être moral“ spreche, ohne einen klaren Begriff damit zu verbinden. 27 Wenn es aber unbestritten war, dass die Handelsgesellschaft selbstständig eigene Rechte und Pflichten haben kann, gibt der Wortlaut des Art. 111 ADHGB Anlass zur Frage, warum die Fähigkeit, „dingliche Rechte an den Grundstücken zu erwerben“, speziell vorgeschrieben wurde, als ob sie nicht durch die Aussage von der Fähigkeit, „Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ gedeckt wäre. 28 Die Untersuchung der Motive zum ADHGB ergibt, dass dieser Satz mit Blick auf das damals geltende (regional unterschiedliche) Grundbuchrecht aufgenommen wurde, um die Möglichkeit zu gewährleisten, durch Eintragung einer aus dem Handelsregister zu entnehmenden Bezeichnung (Firma) in der kürzesten Form eine Reihe von beteiligten Personen zu treffen und häufige Umschreibungen zu ersparen. 29 Gleichzeitig hieß es im Einklang mit dem materiellen Recht: „Eigentümer der auf den Namen der Gesellschaft der Firma eingetragenen Grundstücke seien immer die einzelnen Gesellschafter, und wer diese seien, ergebe das Handelsregister“. 30 Ein anderes Element der heute als ein Ausdruck der „Verkehrsfähigkeit“ der OHG betrachteten Regelung des Art. 111 ADHGB, und zwar die „Partei- und Prozessfähigkeit“ der OHG, wurde aus rein praxisorientierten Überlegungen angenommen. 31 Nach den Materialien zum ADHGB sollte diese Vorschrift die Firma der Gesellschaft lediglich als ausreichende Parteibezeichnung im Prozess regeln. 27

von Lutz, Protokolle, 1. T., S. 160. Art. 8 HGG wurde im Vergleich zu Art. 81 HGB durch die Hinzufügung der Formulierung „kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben“ erweitert, was als eine der zahlreichen Stärkungen der Rechtssubjektivität der OHG angesehen wird. 29 In der Tat ging es nur um die Grundsätze des Mecklenburger Hypothekenrechts, wonach „das Eigentum nur durch Verlassung zu Stadtbuch erworben werde und nur ebenso verloren gehe. Ein austretender Socius müsse also seinen Anteil den übrigen zu Stadtbuch verlassen und einem neu eintretenden Socius werde das Miteigenthum nur durch Zuschreibung erworben. Dem Eintrag auf den Namen der Firma wären hiernach unumgänglich die Namen der jeweiligen Firmeninhaber hinzuzufügen, und alle späteren Personaländerungen in der Firma müssten nicht nur im Handelsregister, sondern auch im Stadtbuche bemerkt werden. Träten jedoch in Prozessführungen und bei Verkehr mit Grundstücken die Personen der Teilhaber bestimmt heraus, so deute dann die Hinzufügung der Firma allerdings mit Nutzen an, dass es sich dabei nicht um die Privatinteressen, sondern um die Gesellschaftsinteressen aller einzelnen Theilhaber der Firma handle. (...) Die Mehrzahl der Versammlung hat sich dahin ausgesprochen, dass der in Frage stehende Satz (Die Gesellschaft kann dingliche Rechte an Grundstücken erwerben) gleichfalls einem praktischen Bedürfnisse entspreche“, von Lutz, Protokolle, 1. T., S. 278. 30 von Lutz, Protokolle, 1. T., S. 278. 31 Das folgende Zitat aus den Protokollen zum ADHGB ist hierzu sehr illustrativ: „Hierauf wurde die Frage zur Diskussion gebracht, ob die Gesellschaft vor Gericht klagen und verklagt werden könne. Es wurde vorgeschlagen, diesen Satz dahin zu fassen: „Die 28

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Sie war nicht dazu konzipiert, eine Grundlage für die Parteifähigkeit der Gesellschaft zu sein. Im Lichte der Materialien erscheint daher die von Wertenbruch formulierte Ansicht, 32 dass die historische Auslegung des Art. 111 ADHGB als Vorgänger des § 124 Abs. 1 dt. HGB (und somit Art. 81 poln. HGB sowie Art. 8 § 1 HGG) zum Schluss führe, dass die Frage der Rechtsnatur und Parteifähigkeit der OHG mit Art. 111 nicht entschieden wurde, völlig begründet. Demzufolge ist davon auszugehen, dass Art. 111 ADHGB keine Aussage über die Rechtsnatur der OHG traf. 33 Den Kommissionsmitgliedern war allerdings durchaus bewusst, dass „die Praxis gleichwohl sagen kann, dass das Gesetz die Handelsgesellschaften als juristische Personen auffasse“, sowie dass „für die Handelsgesellschaften mehrere ihnen eigentümliche, der römischen Societas fremde Rechtssätze aufgestellt werden müssten“. 34 Damit aber ist die Erörterung der wesentlichen Regelungen des ADHGB nicht abgeschlossen. Das ADHGB hat das Gesamthandsprinzip als Vermögensprinzip für die OHG eingeführt. Dies geschah mit der vollstreckungsrechtlichen Vorschrift des Art. 119 ADHGB, nach der ein Gläubiger eines Gesellschafters nicht in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken, sondern nur auf das Auseinandersetzungsguthaben eines Gesellschafters zugreifen kann. 35 Diese Regelung geht darauf zurück, dass der Ausgangspunkt bei der Beratung des ADHGB das römische Sozietätsmodell war. 36 Bei der römischen societas bestand kein dinglich Gesellschaft kann unter ihrer Firma vor Gericht klagen und verklagt werden“. Für diesen Satz wurde geltend gemacht, dass er einem allgemein gefühlten Bedürfnis entspreche. Bisher seien an vielen Orten Klagen einer Gesellschaft oder gegen eine Gesellschaft, in welcher nicht sämtliche Gesellschafter mit Namen als die Kläger oder die Beklagten genannt gewesen, angebrachter Massen abgewiesen worden. Es sei allgemeines Bedürfnis, welches sich schon an manchen Orten Bahn gebrochen habe, dass man von solchen Anforderungen abstehe, und Klagen für und gegen die Gesellschaft unter ihrer Firma zulasse, bei deren Verhandlung alle Erlaße nach Maßgabe des Art. 116 (ADHGB – P. T.) nur einem Gesellschafter zugestellt zu werden brauchten und gleichwohl gegen alle wirksam seien; dass man, sofern nicht besondere Gründe, die aber dann sofort geltend gemacht werden müssten, dies nöthig machen, fortan nicht mehr die Benennung aller bei der Gesellschaft beteiligten Personen und den Nachweis, dass alle diese Personen wirklich Teilhaber der Gesellschaft seien, oder Vollmachten von allen diesen einzelnen Personen verlange“. Vgl. von Lutz, Protokolle, 3. T., S. 276. 32 Wertenbruch, Die Haftung, S. 49. 33 So Wertenbruch, Die Haftung, S. 50; von Lutz, Protokolle, 1. T., S. 452. 34 von Lutz, Protokolle, 1. T., S. 156 f. 35 Wertenbruch, Die Haftung, S. 50. Art. 119 ADHGB lautet: „Die Privatgläubiger eines Gesellschafters sind nicht befugt, die zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen oder Rechte oder einen Antheil an denselben zum Behuf ihrer Befriedigung oder Sicherstellung in Anspruch zu nehmen. Gegenstand der Exekution, des Arrestes oder der Beschlagnahme kann für sie nur dasjenige sein, was der Gesellschafter selbst an Zinsen und an Gewinnantheilen zu fordern berechtigt ist, und was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt.“ Es bedarf keiner größeren Analyse, um feststellen zu können, dass Art. 117 § 1 poln. HGB sowie Art. 62 § 1 poln. HGG denselben Gedanken wiedergeben.

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gebundenes Gesellschaftsvermögen, sondern Bruchteilseigentum mit nur schuldrechtlich gebundenen Bruchteilen der Gesellschafter. 37 Vollstreckungsrechtlich führt die fehlende dingliche Bindung der Bruchteile dazu, dass der Gläubiger eines Gesellschafters unmittelbar in die Bruchteile an den gemeinschaftlichen Gegenständen und damit unmittelbar in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann. Die Geltung des Gesamthandsprinzips schließt einen solchen vollstreckungsrechtlichen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen durch Privatgläubiger eines einzelnen Gesellschafters aus. 38 Andererseits wurde aber mit Art. 119 ADHGB die personenrechtliche Konstruktion der OHG nicht ausdrücklich geregelt. Neben Art. 119 ADHGB wurde eine andere, aus dem Gesamthandsprinzip folgende, Aufrechnungsregelung in das ADHGB aufgenommen, und zwar Art. 121 ADHGB. 39 Bei dieser Vorschrift ging es um zwei Fallkonstellationen: Erstens, klagt die Gesellschaft gegen einen Gesellschaftsschuldner, so kann dieser Schuldner nicht mit einer Privatforderung gegen einen einzelnen Gesellschafter aufrechnen. Zweitens, wird ein Gesellschafter wegen einer Privatschuld verklagt, so kann er nicht mit einer der Gesellschaft zustehenden Forderung aufrechnen. 40 Der Zusammenhang zwischen Art. 119 und Art. 121 ADHGB bestand darin, dass auch die „Selbstvollstreckung“ durch Aufrechnung ausgeschlossen werden musste, weil der Privatgläubiger eines einzelnen Gesellschafters nicht in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken konnte. 41 2. Der Übergang vom ADHGB zum HGB aus dem Jahre 1897 in der Rechtsprechung und Lehre

Die deutsche Rechtsprechung hatte in einer relativ kurzen Zeit nach dem Erlass des ADHGB angenommen, dass die Stellung der OHG „eine selbständige Gemeinschaft der zur Gesellschaft verbundenen Gesellschafter“ sei. 42 Der Rechtsprechung 36

Wertenbruch, Die Haftung, S. 51. Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, S. 3. 38 Vgl. Wertenbruch, Die Haftung, S. 51. Die wichtigsten Argumente für die Annahme der Gesamthand waren die Verbreitung dieses Prinzips in Deutschland und in ausländischen Gesetzgebungen sowie die positiven Stellungnahmen der höchsten deutschen Gerichtshöfe, vgl. von Lutz, Protokolle, 3. T., S. 277. 39 Wertenbruch, Die Haftung, S. 53. Art. 121 ADHGB lautete: „Eine Compensation zwischen Forderungen der Gesellschaft und Privatforderungen des Gesellschaftsschuldners gegen einen einzelnen Gesellschafter findet während der Dauer der Gesellschaft weder ganz noch theilweise statt: nach Auflösung der Gesellschaft ist sie zulässig, wenn und in so weit die Gesellschaftsforderung dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung überwiesen ist“. 40 Vgl. Hahn, Kommentar, Bd. I, Art. 121 Rn. 2 f. Beide Fallkonstellationen der Vorschrift sind im polnischen Recht in Art. 90 § 1 i. E. und § 2 HGB und später Art. 36 § 1 i. E. und § 2 HGG umgesetzt worden. 41 So Wertenbruch, Die Haftung, S. 53. 37

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aus der Zeit nach dem Inkrafttreten des ADHGB konnte man allerdings entnehmen, dass die OHG kein von ihren Trägern völlig verschiedenes, selbstständiges Rechtssubjekt darstellt. Dessen ungeachtet konnte jedoch aufgrund der Eigenart des Gesellschaftsvermögens ein einzelner Sozius Gläubiger und Schuldner der Sozietät als solcher sein, auch im Falle des Konkurses der Sozietät. 43 Genauso wie die Rechtsfähigkeit der OHG hat die Rechtsprechung des ROHG auch die Parteifähigkeit der OHG angenommen. Grundlage dafür war, nicht anders als für die materielle Rechtsfähigkeit, nicht die Vorschrift des Art. 111 ADHGB, sondern die bereits erwähnte Aufrechnungsregelung des Art. 121 ADHGB, welche als Ausdruck des Gesamthandsprinzips in das ADHGB aufgenommen wurde. 44 Nach der genannten Rechtsprechung regelte Art. 111 ADHGB lediglich die Firma als Parteibezeichnung der OHG. 45 Im Laufe der Zeit ist das Reichsoberhandelsgericht noch einen Schritt weitergegangen. Das Gericht hat angenommen, das in Artt. 119, 121 ADHGB geregelte Gesamthandsprinzip sei nicht nur ein Prinzip der Vermögensbindung, sondern zugleich in personenrechtlicher Hinsicht Grundlage für die Anerkennung einer geschlossenen „Collectivperson“. 46 Die geschlossene „Collectivperson“ ist mit mehreren personengleichen Gesellschaften nicht identisch. Diese Entscheidung 42 Vgl. die Grundsatzentscheidung des BOHG v. 17. 02. 1871 (Rep. 55/71), BOHG 2, S. 36. Die Entscheidung zum materiellen Recht hatte einen prozessualen Hintergrund. Das Bundesoberhandelsgericht führte aus, „dass der vertretungsberechtigte Gesellschafter der OHG im Prozess die ‚ganze Gesellschaft‘, d. h. die Gesamtheit der unter der Firma zur Gesellschaft verbundenen Gesellschafter als solche, vertritt. Diese Befugnis zur Klage im Namen der Gesellschaft als solcher folge aus dem weit verbreiteten Gewohnheitsrecht, das in Deutschland und auch über Deutschland hinaus schon lange vor dem ADHGB gegolten habe, und man brauchte zu deren Begründung weder die unhaltbare Fiction einer juristischen Persönlichkeit jeder Handelsgesellschaft, noch auch nur nothwendig die Existenz eines von dem Privatvermögen der Gesellschafter rechtlich getrennten Gesellschaftsvermögens zur Hülfe zu nehmen“. 43 ROHG v. 14. 02. 1872 (R. 755/71), ROHG 5, S. 204 f. 44 ROHG v. 19. 06.1872 (Reg. II Nr. 8/72), ROHG 6, S. 416, vgl. auch Wertenbruch, Die Haftung, S. 60. 45 Vgl. ROHG v. 28. 01. 1873 (Rep. 866/72), ROHG 9, 16. 46 Vgl. ROHG v. 25. 06. 1878 (Rep. 572/78), ROHG 24, S. 160. In dem Fall handelte es sich darum, ob bei personengleichen Handelsgesellschaften die eine OHG für die Verbindlichkeiten der anderen OHG haftet. Das ROHG hat die Haftung für Schulden der personengleichen Gesellschaft verneint. Das Gericht wies darauf hin, dass die in Artt. 119, 121 ADHGB zum Ausdruck kommende Geschlossenheit einer „Collectivperson“ seinen Ursprung im italienischen Handelsrecht hatte. Das Gericht führte aus: „Es handelte sich vielmehr darum, bestimmte aus dem Bedürfnisse des Handelsstandes, wonach der Thatsache, dass der Handlungsfonds der Gesellschaft die wirthschaftliche Grundlage des Geschäftsbetriebes ist, die für ihre Wirksamkeit nothwendige rechtliche Anerkennung gewährt werden sollte, früh in Bezug auf die Handelsgesellschaft entwickelte, von der gemeinrechtlichen Sozietätslehre abweichende Sätze des Handelsgewohnheitsrechts gesetzlich zu sanctioniren. Bei der Beratung des HGB’s wiederholt von der einen Seite als für die Lebensfähigkeit der Handelsgesellschaft unentbehrlich, aus der Gestaltung der Han-

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des ROHG gab die Grundlage für die künftige Regelung des § 124 Abs. 2 dt. HGB, nach der für die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein Titel gegen diese Gesellschaft erforderlich ist. 47 In folgenden Urteilen 48 hat das ROHG diese Rechtsprechung fortgesetzt und die These, „die OHG sei zwar keine juristische Person, sie bilde aber einen selbständigen, von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter getrennten, mit der Fähigkeit zum Erwerbe von Rechten und zur Eingehung von Verbindlichkeiten, sowie mit aktiver und passiver Prozessfähigkeit ausgestatteten VermögensInbegriff“, wurde zu einem gesicherten Standpunkt der Rechtsprechung. 49 Somit wurde die Selbstständigkeit der „Vereinigung“ der Gesellschafter gegenüber den einzelnen Gesellschaftern bejaht. Die OHG war danach als Gesamtheit der verbundenen Gesellschafter rechtsfähig. Auf der Grundlage der materiellrechtlichen Selbstständigkeit der Gesellschaft beruhte auch die Unabhängigkeit der Aktivund Passivlegitimation im Prozess der OHG als Gesamtheit der verbundenen Gesellschafter von der Legitimation des einzelnen Gesellschafters. In der neusten Literatur wird vertreten, dass sich die Rechtsprechung des ROHG nicht wesentlich von dem später von Gierke dargelegten Gesamtmodell der OHG als „kollektive Einheit“ und von Flumes materiellrechtlicher Einordnung der Gesamthandsgesellschaft als „Gruppe der verbundenen Gesellschafter“ unterschied. 50 Wenn bereits die Lehre von Gierke zur OHG angesprochen wurde, muss darauf hingewiesen werden, dass sich vor dem Inkrafttreten des deutschen HGB im Jahre 1897 einige beachtliche Auffassungen zur Natur der OHG herausgebildet hatten, welche die Bestimmungen des HGB mitgestalteten und die spätere Lehre und Rechtsprechung beeinflussten. Aus diesen Gründen ist hier ihre kurze Darstellung notwendig. Einerseits hat man die OHG als eine „fingierte“ juristische Person angesehen. 51 Die Rechtspersönlichkeit der OHG wurde fingiert, weil ihre Annahme für die delsgesellschaften in Italien herrührend, in Doctrin und Praxis auch in Deutschland recipirt und den großen, in Deutschland in Geltung befindlichen Civilgesetzbüchern entsprechend erachtet, von der anderen Seite als verwerflich wegen der dadurch bewirkten Erhebung der Handelsgesellschaft zur juristischen Person und des in ihnen zu findenden unmotivierten Privilegiums für den Handelsstand angesehen, sind sie endlich bei der dritten Lesung zur Aufnahme gelangt“. 47 Vgl. Wertenbruch, Die Haftung, S. 60. 48 Vor allem ROHG v. 12. 02. 1879 (Rep. 1638/78), ROHG 25, S. 158. 49 Auch das Reichsgericht hat die Rechtsprechung des ROHG grundsätzlich übernommen, vgl. RG v. 09. 07. 1881 (Rep. I. 372/80), RGZ 5, S. 69; RG v. 09. 06. 1885 (Rep. III. 69/85), RGZ 14, S. 20; RG v. 30. 11. 1892 (Rep. I. 282/92), RGZ 30, S. 33. Im Urteil v. 14. 05. 1886 (Rep. II. 523/85), RGZ 16, S. 16, ist das Reichsgericht mit der Feststellung „die OHG ist vielmehr insofern ganz unabhängig von den Personen der Gesellschafter, als sie neben denselben ein besonderes Rechtssubjekt mit selbständigem Vermögen bilde“ noch weiter gegangen. 50 So Wertenbruch, Die Haftung, S. 59.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Bejahung der Parteifähigkeit der OHG notwendig war. Ausgangspunkt war dabei der römische Grundsatz, nach dem ausschließlich natürliche und juristische Personen rechtsfähig waren. Das Bestehen von Schulden, für die nur die Gesellschaft haftete (selbstständige Gesellschaftsschulden), war die Grundlage für ihre Rechtspersönlichkeit. Der Rechtspersönlichkeit der OHG folgte ihre von den Personen der Gesellschafter unabhängige Parteifähigkeit. Andererseits hat Gierke seine Lehre von der kollektiven Rechtsfähigkeit der OHG entwickelt. 52 Die OHG stelle danach eine nach dem Prinzip der gesamten Hand verbundene Personenmehrheit dar. Sie sei eine von den Gesellschaftern gebildete kollektive Einheit. Gierke nahm an, dass die jeweilige Personenmehrheit in ihrer durch die Namenseinheit ausgedrückten personenrechtlichen Verbundenheit von den sie bildenden Personen in ihrer unverbundenen Einzelheit rechtlich unterschiedlich sei und als Trägerin besonderer Beziehungen anerkannt werde. 53 Sie sei als personenrechtliche Gemeinschaft aufzufassen, durch welche eine Personenmehrheit in Bezug auf die Persönlichkeitssphären als solche verbunden und in dieser Verbundenheit zu der Rolle einer subjektiven Einheit befähigt werde. Als derartige kollektive Einheit hätte die OHG Rechtsfähigkeit besessen. Aus der materiellrechtlichen Konstruktion der Gesellschaft wäre auch ihre Parteifähigkeit gefolgt. Dementsprechend ergab sich diese auch nach Gierke, genauso wie früher nach dem ROHG, nicht aus der Vorschrift des Art. 111 ADHGB, sondern aus der Rechtsnatur der OHG. Dieses Verständnis von der OHG und der Gesamthand im Allgemeinen resultierte in der Behandlung der Gesamthand im Personenrecht, unter dem Stichwort „Personenrechtliche Gemeinschaften“. Darüber hinaus lehnte Gierke die Rechtspersönlichkeit der OHG ab und plädierte für die Annahme eines engen Begriffs der juristischen Person im Gegensatz zu der Rechtsprechung romanischer Länder. 54 Er unterschied die Gesamthand als „verbundene Personenmehrheit“ von der juristischen Person als „Verbandsperson“. 51

Eccius, Die Stellung, S. 1 ff. Die Ansicht, die OHG sei eine juristische Person wurde zum Anfang des 20. Jahrhunderts in der deutschen Lehre verbreitet, vgl. Nachweise bei Wieland, Handelsrecht, 1. Bd., S. 397 ff. 52 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, Ausgabe: Zürich 1983. 53 Gierke, Die Genossenschaftstheorie, S. 452. 54 Das folgende Zitat aus Gierke, Die Genossenschaftstheorie, S. 50 f. sei sehr illustrativ, vor allem wenn man sie mit der herrschenden Lehre in Polen vergleicht: „Geht man einerseits noch immer vielfach von der römischen societas aus, so glaubt man anderseits auf die Annahme einer juristischen Person nicht verzichten zu dürfen. Indess ist dabei zu beachten, dass bei manchen Schriftstellern die juristische Person hier nur ein schiefer Ausdruck ist, hinter dem sich der richtige Gedanke einer kollektiven Einheit verbirgt. Man will damit nur die Auffassung der Gesellschaft als eines bloßen Obligationsverhältnisses zwischen souveränen Individuen abwehren und als das Subjekt der Gemeinschaftssphäre eine in bestimmter Weise verbundene und insoweit einheitlich zusammengefasste Personenmehrheit bezeichnen. Allein es ist durchaus wünschenswerth, dass solche „unechten“, „uneigentlichen“, „relativen“, „halben“ Personen der deutschen Rechtssprache fremd bleiben mögen.

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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Im Hinblick auf die bereits erwähnten Artt. 119 – 121 ADHGB führte Gierke aus, dass die Rechte der Gesellschaft unter ihrer Firma, solange sie Bestandteile des Gesellschaftsvermögens sind, und damit für jeden Dritten, welcher ein Recht von einem Gesellschafter als Einzelnem oder von mehreren oder allen Gesellschaftern in irgend einer anderen Zusammenfassung ableitet, Rechte einer hiervon unberührten kollektiven Einheit sind und damit weder ganz noch teilweise Sonderrecht der Teilhaber, mithin insbesondere auch den Gläubigern dieser Teilhaber unzugänglich sind. Hieraus ergeben sich unter anderen die Grundsätze über den Ausschluss der Aufrechnung, welche das Handelsgesetzbuch nur in einer bestimmten Richtung, und zwar im Verhältnis der Gesellschaftsforderung zu der Privatschuld eines Gesellschafters formuliert hat, welche aber in entsprechender Weise überall anzuwenden sind, wo einer Gesellschaftsobligation eine außergesellschaftliche Obligation einzelner oder aller Gesellschafter gegenübersteht. 55 Die Gierke’sche Lehre verdiente eine derart umfassende Darstellung, weil sie eine der Grundlagen der „Gruppen-Lehre“ von Flume 56 darstellt, die mittlerweile nahezu einhellig in der deutschen Lehre vertreten wird. Darüber hinaus werden die Ausführungen von Gierke bezüglich der „unechten juristischen Personen“ in Erinnerung gerufen, wenn man die Theorie von Wolter näher betrachtet, zu der sich die herrschende Lehre im polnischen Recht bekennt.

Die deutsche Jurisprudenz hat sehr wohl daran gethan, sich gegen den vagen Begriff der moralischen Person zu streben, wie ihn die frühere Naturrechtslehre ausgebildet und die Jurisprudenz des romanischen Auslandes gerade für die Handelsgesellschaften übernommen hat. Denn diese Ausdehnung des Begriffes der juristischen Person hängt damit zusammen, daß unter der Herrschaft eines schroffen Individualismus der Begriff einer wirklichen Gesammtperson überhaupt verloren gegangen und der zurückgebliebene Begriff einer Fiktion der Vielheit als Einheit beliebig verwendbar war. Sieht man dagegen in der juristischen Person einen vom Recht anerkannten selbständigen Träger socialer Willensmacht und insbesondere in der Körperschaft ein die Einzelwesen als Glieder enthaltendes Gemeinwesen, so wird man den Namen der Person auch nur derjenigen Verbandseinheit vorbehalten, welche vermöge einer die Teile zum Ganzen ordnenden Verfassung ein von dem Wechsel unabhängiges eignes Leben führt. Man wird ihn daher unbedingt der OHG versagen, in deren Wesen es liegt, dass ihre noch so energisch ausgestaltete gesellschaftliche Einheit in den verbundenen Individuen beschlossen und von den Wechselfällen des Einzellebens abhängig bleibt“. 55 Gierke, Die Genossenschaftstheorie, S. 544. 56 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Band, Erster Teil, Die Personengesellschaft, Berlin / Heidelberg / New York, 1977. Zum Einfluss von Gierke auf Flume und die heute h. M. in Deutschland vgl. statt vieler Ulmer, Hundert, S. 112: „so hat zwar der Streit zwischen den Vertretern der Miteigentums- und denjenigen der Gesamthandslehren trotz des missverständlichen Wortlauts des § 719 Abs. 1 BGB seit langem seine Erledigung im Gierke’schen Sinne gefunden“, sowie auch derselbe, Die Gesamthandsgesellschaft, S. 113 f.; K. Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft, S. 993 f.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung 3. Das deutsche HGB aus dem Jahre 1897

Das deutsche HGB hat die Regelung des ADHGB sowie die Befunde der Lehre und Rechtsprechung in großem Maße übernommen. Einige Änderungen haben jedoch stattgefunden. Zu beachten ist vor allem, dass die Vorschriften des Art. 119 ff. ADHGB über das Gesamthandsprinzip nicht in das HGB übernommen wurden. Dies folgte daraus, dass das mittlerweile in Kraft getretene BGB in § 719 das Gesamthandsprinzip regelte, während § 105 Abs. 2 HGB (a. F.) 57 auf das BGB verwies. 58 Die Frage nach der Rechtsnatur der OHG hat sich während der Kodifikationsarbeiten gestellt. So heißt es in der Denkschrift zur HGB: „Die Frage, ob die offene Handelsgesellschaft mit Rücksicht auf die Selbständigkeit und die Führung einer eigenen Firma als juristische Person aufzufassen sei, wird in Wissenschaft und Rechtsprechung jetzt fast allgemein verneint. Künftig wird um so weniger Veranlassung zur Annahme der juristischen Persönlichkeit vorliegen, als bei der Gesellschaft des B. G. B. eine rechtliche Trennung des Gesellschaftsvermögens von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter gleichfalls anerkannt ist und zwar unter Verwertung eines Rechtsgedankens, der im Allgemeinen auch zur Erklärung der Eigentümlichkeiten der offenen Handelsgesellschaft ausreicht. Ein Bedürfnis nach einer ausdrücklichen Klärung der Frage im Gesetze besteht deshalb nicht. Die mit der rechtlichen Natur der offenen Handelsgesellschaft zusammenhängenden Streitfragen, welche sich hauptsächlich auf den Prozess beziehen, sind meist durch die Rechtsprechung entschieden. Über einzelne besonders wichtige Punkte, für welche die Frage in Betracht kommt, wie über den zur Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft erforderlichen Schuldtitel und über das Verhältnis der Gesellschaft zu der Haftung der einzelnen Gesellschafter, gibt der Entwurf ausdrückliche Bestimmungen“. 59 Im Lichte dieser Überlegungen erscheint die Ansicht zutreffend, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Verweis auf die Regelung der Gesellschaft im BGB zum einen klarstellen wollte, dass die OHG keine juristische Person ist, 60 und dass zum anderen das BGB die Grundlage für die Rechtsnatur der OHG darstellt. 61

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Seit dem Handelsrechtsreformgesetz 1998 § 105 Abs. 3 dt. HGB. Denkschrift, S. 1008: „Diese in den Art. 119 bis 121 des Handelsgesetzbuches enthaltenen Vorschriften werden jetzt entbehrlich, da das Bürgerliche Gesetzbuch durch Einführung des Grundsatzes der gesamten Hand die Unzulässigkeit solcher Verfügungen bei allen Gesellschaften anerkennt (§ 719 BGB)“. 59 Denkschrift, S. 1016. 60 Genauso bezüglich der schweizerischen Kollektivgesellschaft Hartmann, in: Kommentar, Art. 552 Rn. 3: Aufrechnungsgrundsätze weisen darauf hin, „dass das Gesetz die Kollektivgesellschaft nicht als juristische Person auffasst“. 61 Wertenbruch, Die Haftung, S. 94. 58

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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Die mehrfach angesprochene Regelung des Art. 111 ADHGB wurde ohne Änderung als § 124 Abs. 1 HGB aufgenommen. Die Begründung zu dieser Vorschrift konzentrierte sich auf die Frage der Parteifähigkeit der Gesellschaft. Diese Vorschrift sollte klarstellen, ob „die Gesellschaft überhaupt die Fähigkeit hatte, zu klagen und verklagt zu werden, oder nur die Gesellschafter Kläger und Beklagte sein konnten“. 62 Die neu eingeführte Regelung des § 124 Abs. 2 HGB beruhte auf dem Gedanken, dass es der Selbstständigkeit des Gesellschaftsvermögens, insbesondere der Zulassung eines besonderen Gesellschaftskonkurses, welcher nur zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger diene, entspreche, dass das Gesellschaftsvermögen überhaupt dem unmittelbaren Zugriff der Privatgläubiger entzogen wird, selbst wenn für die Schuld alle Gesellschafter haften. 63 III. Die Entwicklung der OHG in der Schweiz – Hinweis Das schweizerische Obligationenrecht aus dem Jahre 1881, das aus kantonalen Gesetzgebungen erwachsen ist, beruhte auf dem Gedanke „der allgemeinen Übereinstimmung mit den Rechtsanschauungen und Bedürfnissen des gesamten europäischen Handelsstandes, insbesondere auch mit der französischen Praxis und dem deutschen Recht“. 64 Von diesem Gesichtspunkt aus verwundert die Tatsache nicht, dass die Figur des Art. 111 ADHGB und die als Ausdruck des Gesamthandsprinzips betrachtete Aufrechnungsregelung übernommen worden sind, 65 obwohl in der Regelung anderer Fragen bezüglich der OHG auch Konzessionen zugunsten französischer Rechtsgedanken stattgefunden haben (vor allem bei der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung). Aus den Materialien zum Obligationenrecht geht hervor, dass der schweizerische Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass „eine 62

Denkschrift, S. 1023: „(...) es empfiehlt sich aber nichtsdestoweniger, die Fähigkeit der offenen Handelsgesellschaft, unter ihrer Firma zu klagen und verklagt zu werden, im § 122 noch besonders anzuerkennen; denn die in Frage stehende Vorschrift hat für die offene Handelsgesellschaft eine andere Bedeutung als für den Einzelkaufmann. Der letztere erhält durch den § 17 Abs. 2 lediglich die Befugnis, unter einem anderen als seinem bürgerlichen Namen vor Gericht aufzutreten, wogegen es sich im § 122 darum handelt, ob die Gesellschaft überhaupt die Fähigkeit hat, zu klagen und verklagt zu werden, oder nur die Gesellschafter Kläger und Beklagte sein können“. 63 Denkschrift, S. 1024. Diese Vorschrift geht zurück auf die bereits erwähnte Entscheidung des ROHG bezüglich der zwei personengleichen OHGs. In der Denkschrift heißt es: „Bilden z. B. dieselben Personen mehrere offene Handelsgesellschaften oder Kommanditgesellschaften, so dürfen nicht die Gläubiger der einen Gesellschaft das Vermögen der anderen in Anspruch nehmen. Auf dieser Erwägung beruht die Vorschrift des § 122 Abs. 2 des Entwurfs (§ 124 Abs. 2 dt. HGB)“. 64 SPR / von Steiger, VIII Bd., 1. Hbd., S. 472. 65 SPR / von Steiger, VIII Bd., 1. Hbd., S. 472, hebt als Änderungen gegenüber dem ADHGB die für diese Arbeit zweitrangigen Aspekte hervor wie z. B. Verwendbarkeit der Gesellschaft auch für nicht kaufmännische Zwecke. Die Ausnahme bleibt die subsidiäre Haftung.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

zwingende Notwendigkeit nicht bestehe, im Gesetze eine positive Vorschrift darüber zu erlassen, ob der Kollektivgesellschaft (die schweizerische Bezeichnung der OHG – P. T.) als solcher Rechtsfähigkeit zukomme“; das Gesetz sei schließlich „kein Lehrbuch“. 66 Das bis heute geltende Obligationenrecht von 1911, 67 dass das erwähnte Gesetz aus dem Jahre 1881 außer Kraft gesetzt hat, änderte die Struktur der Handelsgesellschaften nicht. Die schweizerische Lehre aus der Zeit des Inkrafttretens des Obligationenrechts zeichnete sich durch eine pragmatische Betrachtungsweise aus. Man nahm einheitlich an, dass der terminologische Streit weniger das Wesen der OHG als die Begriffsbestimmung der juristischen Person berühre und praktisch nicht von großer Tragweite sei. 68 Mit Art. 562 OR 69 werde der Gesellschaft die Fähigkeit verliehen, im Außenverhältnis wie eine juristische Person aufzutreten. Die Firma sei allerdings eine abgekürzte Bezeichnung für die Gesamtheit der jeweiligen Gesellschafter und nicht der Ausdruck eines selbstständigen Rechtssubjekts. Träger der Rechte und Verbindlichkeiten seien daher die einzelnen Gesellschafter. 70 Damit wurde der Gesamthandsbegriff im Allgemeinen so verstanden, als ob er an dem Vermögen zu orientieren sei, das mehreren Personen in einer Gesamthandsgemeinschaft zusteht. Diesen Standpunkt vertritt die herrschende Lehre im schweizerischen Schrifttum bis heute. 71 Die Entstehungsgeschichte der schweizerischen Regelung der OHG zeigt zunächst, dass sie bezüglich der Rechtsnatur eindeutig auf das deutsche ADHGB zurückging, und zwar mit der Übernahme des Gesamthandsprinzips. Ferner bestätigt die Entstehungsgeschichte des OR, dass der Versuch, die Erklärung der Rechtsnatur in der Vorschrift des Art. 111 ADHGB (oder einer ihm vergleichbaren Regelung) zu suchen, nicht begründet ist.

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Nachweise bei Vonzun, Rechtsnatur, S. 31. Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht). 68 Hoffmann, Zweiter, S. 6. 69 „Die Gesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden“. 70 Hartmann, in: Kommentar, Art. 552 Rn. 3; heute vertreten auch von Baudenbacher, in: Basler Kommentar, Art. 552, Rn. 70 f. 71 Z. B. Tendenziell Pestalozzi / Wettenschwiler, in: Basler Kommentar, Art. 562, Rn. 1 f. 67

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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IV. Die Entwicklung der polnischen Gesetzgebung und Lehre zu Personengesellschaften des Handelsrechts 1. Das polnische HGB aus dem Jahre 1933

a) Die gesetzliche Regelung Das polnische HGB von 1933 hat wesentliche Regelungen des deutschen HGB bezüglich der Offenen Handelsgesellschaft übernommen. Die mehrmals angesprochenen Vorschriften des Art. 111 ADHGB und § 124 Abs. 1 dt. HGB wurden mit kleinen Änderungen in Art. 81 poln. HGB aufgenommen, der sich im Abschnitt „Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten“ befand. 72 Der Sinngehalt des § 124 Abs. 2 dt. HGB, nach dem ein Titel gegen die Gesellschaft erforderlich ist, um in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken zu können, wurde in Art. 541§ 4 ZVGB wiedergegeben. 73 Darüber hinaus wurden die Artt. 119 und 121 ADHGB (seit dem Inkrafttreten des HGB in § 719 BGB aufgenommen) in Art. 90 und Art. 109 poln. HGB aufgenommen, deren systematischer Standort demjenigen im deutschen HGB entsprach. Die Regelungen der Vertretung der Gesellschaft (Art. 84 HGB) und der Gesellschafterhaftung (Artt. 85 –89 HGB) entsprachen ganz deutlich denjenigen des deutschen Rechts (Artt. 125 –130 dt. HGB). Eine Neuheit im Vergleich zum dt. HGB stellte dagegen der dem Abschnitt „Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten“ gehörende Art. 82 HGB dar, wonach alle Güter, die als Einlagen eingebracht oder von der Gesellschaft während ihres Bestehens erworben wurden, das Vermögen der Gesellschaft bildeten. 74 Die Systematik des polnischen HGB zeigt eindeutig, dass die „Übernahme“ des deutschen Vorbilds völlig bewusst und kritisch erfolgte. Man lehnte die in der französischen Rechtsprechung entwickelte Konstruktion ab, nach der der OHG die Eigenschaft einer juristischen Person zuerkannt wurde. Die Formulierung der Aufrechnungsregelungen, welche im deutschen Recht das Prinzip der Gesamthand zum Ausdruck brachten, war präzise und systematischer als im ADHGB. Dennoch wurde genau derselbe Inhalt wie bei den Vorschriften des dt. HGB wiedergegeben. 72 Art. 81 HGB übernahm dagegen wörtlich Art. 562 schweizerisches OR, dessen Entstehungsgeschichte angedeutet wurde. Die Streichung der Formulierung „über die Fähigkeit, dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben“ erscheint logisch und zutreffend, vor allem wenn man die Entstehungsgeschichte des Art. 111 ADHGB kennt. Die Firmenfähigkeit der Gesellschaft wurde hinreichend durch Art. 26 ff. HGB geregelt, so dass kein Bedarf bestand, dies noch mal zu wiederholen. 73 Die Verordnung des Präsidenten Republik Polens v. 29. 11. 1930 – Zivilverfahrensgesetzbuch (Dz. U. 1950, Nr. 43, Pos. 394). Nach Art. 541 § 4 ZVGB erteilt das Gericht auf Grundlage eines gegen die OHG oder KG gerichteten Titels die Vollstreckungsklausel gegen den persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafter. 74 Zu beachten bleibt, dass § 718 Abs. 1 BGB das Gesellschaftsvermögen mit dem „gemeinschaftlichen“ Vermögen der Gesellschafter gleichsetzte. Gleichzeitig sprach aber das deutsche HGB i.d.F. von 10. 05. 1897 ausschließlich vom „Gesellschaftsvermögen“.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Im Lichte des erwähnten Verweises im dt. HGB auf das BGB (§§ 718 –720) ist auffällig, dass der polnische Gesetzgeber nicht einfach die Vorschriften des dt. HGB wiederholt hat, sondern einen Teil des kohärenten Systems übernehmen wollte. Die Untersuchung des poln. HGB führt zur Annahme, dass Art. 90 HGB im polnischen Recht eine ähnliche Rolle spielte wie die Grundsätze des BGB über die Gesamthand für die OHG im deutschen Recht. Zum einen sollte klargestellt werden, dass die OHG keine juristische Person ist. Dies ist auch im Lichte der herrschenden Meinung aus der Zeit des Erlasses des poln. HGB sowie auch der zu dieser Zeit verbreiteten Ansichten zweifellos anzunehmen. Zum anderen war allein das HGB, mit dem Prinzip der Gesamthand, für die Rechtsnatur der OHG maßgeblich, da der polnische Gesetzgeber die OHG vollständig geregelt hat, d. h. ohne Verweise auf andere maßgebliche Gesetze – nach Art. 76 HGB war die Anwendung der Vorschriften des Obligationenrechts über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf die OHG ausgeschlossen. Vieles spricht daher dafür, dass der polnische Gesetzgeber die Gesamthand als ein Regelungsprinzip angenommen hat. 75 Dementsprechend war die OHG nach dem HGB eine Gesamthandsgesellschaft und entsprach der deutschen OHG und der schweizerischen Kollektivgesellschaft. Die Verbindung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern war sogar in gewisser Hinsicht intensiver. Während nach dem dt. HGB (§ 129 Abs. 4 HGB) der Gesellschaftsgläubiger einen gesonderten Vollstreckungstitel gegen die Gesellschafter erlangen muss, konnte nach dem polnischen Recht ein Titel gegen die Gesellschaft auch gegen die Gesellschafter vollstreckt werden (Art. 541 § 4 ZVGB). 76 b) Die Lehre zum HGB Mit Blick auf die historische Entwicklung der polnischen Lehre zu Personenhandelsgesellschaften sind zwei Perioden zu erwähnen. Das Schrifttum in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts lehnte sich mit wenigen Ausnahmen weitgehend an die deutsche Lehre an und erörterte die Personenhandelsgesellschaften 75 Vgl. Longchamps de Berier, Uzasadnienie, S. 302, nach dem das Obligationenrecht in der Konstruktion des Gesellschaftsvermögens bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts dem BGB folgte: „Im Art. 264 des Entwurfs kommt das Prinzip zum Ausdruck, dass das Gesellschaftsvermögen, das unabhängig von den Privatvermögen der Gesellschafter ist, besteht. In der Tat handelt es sich nicht um das Vermögen einer juristischen Person, sondern ein gemeinsames Vermögen der Gesellschafter“. In Bezug auf die Personenhandelsgesellschaften nach dem HGB für das Bestehen der Gesamthand (wenn auch unterschiedlich verstanden) Grzybowski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 858; Kidyba, Status, S. 122; Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szwaja, Kodeks, S. 533; Fra˛ckowiak / Potrzeszcz, Czy nadanie, S. 1. Vgl. auch die herrschende Rechtsprechung: SN v. 06. 07. 1934 (III C 312/33), OSN(C) 1935, Heft 2, Pos. 66; SN. v. 29. 02. 1936, (II C 2907/35), OSN(C) 1936, Heft 9, Pos. 366. 76 Vor dem Erlass des ZVGB genauso SN v. 22. 03. 1930 (III R 696/29), SN(C) 1930, Heft 1, Pos. 66.

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vor allem im Lichte des Handelsrechts. Die Lehre in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich – infolge des geltenden Systems des Handelsrechts, welches das Gesellschaftsrecht effektiv außer Kraft gesetzt hat – dagegen mehr mit der Einordnung der Personenhandelsgesellschaften in das System der zivilrechtlichen Personifikation als mit dem richtigen Wesen der Personengesellschaften. aa) Das Verständnis der Gesamthand als Sondervermögen Ziemlich verbreitet war in der polnischen Lehre das Verständnis der Personengesellschaft als eines nicht rechtsfähigen Zusammenschlusses mehrerer Personen. Zwar wurde vertreten, dass die OHG einer juristischen Person in gewisser Hinsicht nahezu gleichgestellt sei. 77 Die Tatsache, dass das Gesetz nicht expressis verbis die OHG zu einer juristischen Person erkläre, könne für das Fehlen der Rechtspersönlichkeit nicht entscheidend sein, weil das Gesetz selbst nicht bestimme, was eine juristische Person ist. 78 Für die Anerkennung eigener Rechtspersönlichkeit der OHG würde vor allem die Firmen- und Parteifähigkeit der Gesellschaft sowie ein gesamthänderisch gebundenes Vermögen, das dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger entzogen wurde, sprechen. Gegen die Anerkennung eigener Rechtspersönlichkeit würde aber die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter sowie die Tatsache, dass das Gesellschaftsvermögen in Wirklichkeit das Vermögen der Gesellschafter sei, die über das Vermögen verfügen dürfen, sprechen. 79 Die Rechte und Pflichten der Gesellschaft seien in der Tat Rechte und Pflichten der Gesellschafter. Damit solle die OHG als ein „tertium“ neben den juristischen sowie natürlichen Personen in das System der Personifikation eingeordnet werden. Diese Meinung wurde auch in einer modifizierten Fassung vertreten, wonach auch im Außenverhältnis die OHG nicht wie eine juristische Person behandelt werden sollte. 80 Mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages entstehe kein von den Gesellschaftern zu trennendes Rechtssubjekt. Die OHG sei nicht mehr als die Gesamtheit der Gesellschafter in ihrer Verbundenheit. Der Begriff „die Gesellschaft“ sei nur eine Abkürzung für die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit. 81 Das Vermögen der Gesellschaft stehe den Gesellschaftern zur gesamten Hand zu. 82 Die Verbindlichkeiten der Gesellschaft seien in Wirklichkeit die Verbindlichkeiten der Gesamtheit der Gesellschafter, die lediglich unter der Firma der OHG eingegangen wurden. 83 77

Fenichel, in: Dziurzy´nski / Fenichel / Honzatko, Kodeks, S. 87. Fenichel, in: Dziurzy´nski / Fenichel / Honzatko, Kodeks, S. 87. 79 Fenichel, in: Dziurzy´nski / Fenichel / Honzatko, Kodeks, S. 87. 80 Allerhand, Kodeks, S. 127: „Ein Doppelcharakter der OHG – im Außenverhältnis eine juristische Person, im Innenverhältnis eine einfache Gesellschaft, ist ausgeschlossen“. 81 Grzybowski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 858. 82 Allerhand, Kodeks, S. 127; Grzybowski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 863. 78

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Die zitierte Konzeption entspricht derjenigen im deutschen und schweizerischen Schrifttum, welche die Gesamthand als ein Sondervermögen der Gesellschafter ansieht. 84 Sie war in der polnischen Zivilrechtslehre der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus verbreitet. 85 bb) Die OHG als eine Quasi-juristische Person (1) Die OHG als eigenständiges Rechtssubjekt Andererseits wurde die Meinung vertreten, die OHG sei zwar nicht eine juristische Person, sei ihr aber mit Blick auf ihre Vermögens- und Haftungsverhältnisse weitgehend angenähert, wobei diese Annäherung nicht eine „fingierte“ (im Außenverhältnis) sei wie nach anderer Ansicht, sondern konsequent im Innen- und Außenverhältnis durchgeführt werde. 86 Diese Lehre soll vor allem Namitkiewicz zugeschrieben werden. Die OHG sei rechtsfähig und sie als solche, nicht die Gesellschafter, sei die Trägerin des Gesellschaftsvermögens. 87 Damit sollte im Unterschied zum deutschen HGB die Existenz der Gesamthand im Sinne eines Sondervermögens der Gesellschafter im polnischen Recht verneint werden. Dieser auf den ersten Blick eindeutig ausformulierte Gesichtspunkt wies jedoch an einigen Stellen bedeutende Inkonsequenz bzw. Unklarheiten auf, welche die allgemeine Aussage in Frage stellen. Erstens wurde das Gesellschaftsvermögen der OHG dem Gesellschaftsvermögen in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gleichgestellt, während in der damaligen Lehre unbestritten war, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Prinzip der Gesamthand konstruiert war. 88 Zur Verfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und dem möglichen Unterschied zwischen beiden Rechtsformen wurde allerdings keine Stellung genommen. Was die einzelnen Vorschriften anbelangte, welche das Vermögen der Gesellschaft regelten (Artt. 90, 109 HGB), so wurde hervorgehoben, dass die Regelung des polnischen HGB dem deutschen HGB sowie der polnischen Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprach. 89 Der sachliche Unterschied zum deutschen Recht 83

Grzybowski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 862; heute auch Moskwa, Stosunek, S. 221. Auf das schweizerische Schrifttum wurde bereits verwiesen. In der deutschen Lehre vgl. statt vieler Huber, Vermögensanteil, S. 69 f.; Zöllner, Rechtssubjektivität, S. 563 ff.; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 66 f. 85 Außer Grzybowski, auch Radwa´nski, Prawo cywilne – cze˛´sc´ ogólna, 1. Aufl., Warszawa 1986, S. 84; Ska˛pski, Glosa, S. 84. 86 Namitkiewicz, Kodeks, S. 150 ff. Die Argumente von Namitkiewicz werden bis heute wiederholt, vgl. z. B. Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 9 – 10 (S. 111); Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 101. 87 Namitkiewicz, Kodeks, S. 169. 88 Statt vieler Longchamps de Berier, Uzasadnienie, S. 302. 89 Namitkiewicz, Kodeks, S. 149, 168. 84

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sollte vor allem in der Formulierung „Gesellschaftsvermögen“ bestehen (Art. 82 poln. HGB), während § 718 BGB lediglich „Gesellschaftervermögen“ meinte. 90 Gleichzeitig wurden als Nachweis dafür, dass die OHG polnischen Rechts im Unterschied zu ihrer deutschen Entsprechung ein eigenes Vermögen besaß, Vorschriften genannt, welche auch dem deutschen HGB in einer vergleichbaren Fassung bekannt waren. 91 Möchte man, wie Namitkiewicz, den einzelnen Gesetzesausdrücken entscheidenden Wert beimessen, muss darauf hingewiesen werden, dass auch das deutsche HGB (auch i.d.F. von 10. 05. 1897) ausschließlich den Terminus „Gesellschaftsvermögen“ verwendete. Darüber hinaus wurde die OHG nicht ganz einheitlich behandelt. Einerseits war die Rede von der Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft als solcher, 92 andererseits von der Gesellschaft als Gesellschafter in ihrer Vereinigung. 93 Die letzte Beschreibung wurde bei der Erörterung der Prozessfähigkeit der OHG verwendet. 94 Vielmehr wurde auf die bereits zitierte Rechtsprechung des Reichsgerichts verwiesen, die Namitkiewicz in ihrer juristischen Konstruktion offensichtlich billigte und in das polnische Recht übertrug. Der (scheinbare?) Widerspruch zwischen diesen unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Gesellschaft wurde von Namitkiewicz nicht erklärt. (2) Beurteilung Die Beurteilung des Ansatzes von Namitkiewicz ist mit Sicherheit nicht einfach. Ohne Zweifel war dieser Ansatz für seine Zeit durchaus modern, auch wenn man ihn mit der damaligen deutschen und schweizerischen Lehre vergleicht. Die These von der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft als solcher, gestützt auf Art. 81 HGB (heute Art. 8 § 1 HGG) ist auch in heutiger Lehre vorherrschend. Problematisch bleibt dagegen die Ansicht von Namitkiewicz zum Wesen der OHG, nämlich ob sie auf dem Prinzip der Gesamthand beruht. Der Umstand, dass die Formulierung „Gesellschafter in ihrer Vereinigung“ (vielleicht einfach übernommen aus der dargestellten deutschen Rechtsprechung, die Namitkiewicz zitierte) an manchen Stellen als Synonym „der Gesellschaft“ verwendet wurde, mag darauf hindeuten, dass Namitkiewicz die OHG im Sinne der Gierke’schen 90

Namitkiewicz, Kodeks, S. 149, 167. Namitkiewicz, Kodeks, S. 168. 92 Namitkiewicz, Kodeks, S. 165 f. 93 Namitkiewicz, Kodeks, S. 165 f. 94 „Die Gesellschafter, nicht als einzelne Personen, sondern in ihrer Verbindung, nehmen die Rechte der Gesellschaft im Prozess wahr“ (S. 165); „Die Gesellschaft, als eine Verbindung von Gesellschaftern, wird den Gesellschaftern gegenüberstellt“ (S. 166). Darüber hinaus soll die Grundlage für die Zuerkennung der Gesellschaft des „Armenrechts“ im Zivilprozess die Armut aller Gesellschafter sein, Namitkiewicz, Kodeks, S. 166. Identisch SN v. 24. 04. 1936 (III C 1669/35), OSN(C) 1937, Heft 2, Pos. 54. Es ist offensichtlich, dass dieser Ansicht die Vorstellung der OHG als der Summe jeweiliger Gesellschafter zugrunde liegt. 91

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

„kollektiven Einheit“ begriffen hat. Danach wäre für ihn die OHG identisch mit der Summe der Gesellschafter, wobei die Summe der Gesellschafter als Gesellschaft, und nicht die einzelnen Gesellschafter, Rechtsträger wären. Dies bleibt aber lediglich eine spekulative Annahme, wenn auch teilweise gerechtfertigt. Wenn man Namitkiewicz auf diese Weise zu verstehen versucht, wird sich später zeigen, dass er die Thesen vertrat, welche Flume im Anschluss an Gierke später ausformulierte. Gleichzeitig scheint es, wenn auch mit der letzten Annahme unvereinbar, dass Namitkiewicz die (für ihn nur im deutschen Recht geltende) Gesamthand als einen nichtrechtsfähigen Zusammenschluss von mehreren Personen, mit dem lediglich ein Sondervermögen der Mitglieder entsteht, begriffen hat. Jedenfalls muss festgestellt werden, dass Namitkiewicz, im Gegensatz zu dem, was heute als sein Standpunkt wiedergegeben wird, 95 nicht eindeutig und einwandfrei dargelegt hat, worin der qualitative Unterschied zwischen der polnischen und deutschen OHG besteht. Der Einfluss der deutschen Lehre und der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist in seinem Werk erheblich und nicht zu übersehen. cc) Die Lehre von den „unvollständigen juristischen Personen“ (1) Die These von Wolter Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich die heutzutage herrschende Betrachtung der Personengesellschaften des Handelsrechts auf die Lehre von den „unvollständigen juristischen Personen“ von Aleksander Wolter 96 stützt. Diese Lehre ist allgemein bekannt und braucht hier nicht vertiefend dargestellt zu werden. Nur ihre Schwerpunkte werden in Erinnerung gerufen. Der Ausgangspunkt dieser Lehre war die Annahme, dass die polnische Rechtsordnung eine Kategorie der „organisatorischen Einheiten“ kennt, denen zwar die Eigenschaft der Rechtspersönlichkeit durch eine ausdrückliche Gesetzesregelung nicht zuerkannt wurde, die aber bestimmte Eigenschaften der juristischen Personen aufweisen. Solche Rechtssubjekte sind deswegen „unvollständige juristische Personen“. Ein Beispiel dafür ist auch die OHG (wie auch KG), die kraft Art. 81 HGB (Entsprechung von Art. 8 § 1 HGG) als solche eine Rechtsfähigkeit besitze. 97 Der Ansatz von Wolter wurde heutzutage beinahe zu einer allgemeinen Personifikationslehre fortentwickelt. Die juristischen Personen weisen danach bestimmte typisierte Merkmale auf, zu denen gehören: eine organisatorische Struktur (Organ95 So aber Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8, Rn. 9 – 10 (S. 111); Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 101. 96 Wolter, Prawo, S. 199 ff. 97 Wolter, Prawo, S. 199.

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schaft); eigenes Vermögen; Rechtsfähigkeit; Prozessfähigkeit; Konkursfähigkeit; Haftung mit eigenem Vermögen für die Verbindlichkeiten der juristischen Person. 98 Die Einheiten, die alle genannten Eigenschaften aufweisen, sind gleichzeitig juristische Personen i. S. d. Art. 33 ZGB. Die Einheiten, die lediglich einige von diesen Eigenschaften aufweisen, sind die „unvollständigen juristischen Personen“. 99 (2) Beurteilung Zunächst ist auf die Methodenfrage hinzuweisen. Die Lehre von den „unvollständigen juristischen Personen“ stützt sich auf eine gegenteilige Annahme als die Regelungsmethode der juristischen Personen in Art. 33 ZGB. Während die Rechtsordnung nur solche Einheiten als juristische Personen betrachtet, welchen diese Qualität durch eine Vorschrift zuerkannt wird, stellt diese Lehre einen Katalog von Eigenschaften auf, welche alle juristischen Personen aufweisen und formuliert ein System der Bedingungen für das Vorliegen einer juristischen Person. Dieses Vorgehen stellt eine vorsehbare Konsequenz des Regelungssystems der juristischen Personen im polnischen Recht dar, weil sich die Rechtslehre dazu aufgerufen sieht, typische Merkmale der juristischen Personen anhand gesetzlicher Erscheinungsformen eben jener zu formulieren. Für die Erklärung des Wesens der „unvollständigen juristischen Personen“ einerseits, sowie für die Rechtsanwendung andererseits, bringt dieser Klassifikationsversuch wenig. Ferner müssen die Eigenschaften einer „vollständigen“ juristischen Person näher betrachtet werden. Auffällig ist, dass die Rechtsfähigkeit als eine von mehreren Eigenschaften betrachtet wird, als ob alle mit Blick auf die Rechtsordnung gleichwertig wären. Die Angreifbarkeit dieser Behauptung ist evident und bildet somit eine beachtliche Schwäche dieser Lehre. 100 In dieser Hinsicht wurde bereits überzeugend nachgewiesen, dass die Ansicht, wonach sich die materielle Rechtsfähigkeit aus der Prozessfähigkeit ergeben kann, nicht begründet ist. 101 Der Umstand, dass spezielle Rechtsgebiete, wie z. B. Verfahrensrecht, unterschiedlichen Rechts98 Die Aufzählung nach Włodyka, in: Włodyka, Prawo, S. 190. Ähnlich auch Kidyba, Status, S. 38; Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, S. 109. 99 Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 101, stellt in diesem Sinne fest, dass sich die OHG von einer juristischen Person dadurch unterscheide, dass sie keine gesetzlichen Organe besitzt, deren Funktion durch die Gesellschafter übernommen wird. Zweitens garantiere die OHG den Gesellschaftern nicht die Haftungsbeschränkung, weil sie persönlich und unbeschränkt haften. Was die Partnerschaftsgesellschaft angeht, so sei nach Pyzioł die Organschaft (Vorstand, Art. 97 HGG) ein aus dem Kapitalgesellschaftsrecht übernommenes Rechtsinstitut. 100 Dies hat auch einige Verfasser zu Recht dazu veranlasst, als „unvollständige juristische Personen“ nur solche Einheiten anzusehen, die kraft Gesetzes rechtsfähig sind, vgl. Górecki, Podmiotowo´sc´ , S. 485. 101 Vgl. Ska˛pski, Glosa, S. 28; zust. Moskwa, Stosunek, S. 222.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

gebilden gewisse Fähigkeiten zuerkennen, bedeutet aber nicht automatisch, dass sie damit allgemeine zivilrechtliche Rechtssubjektivität erlangen. Vielmehr ist auch die Bedeutung der unbeschränkten Mitgliederhaftung für die Rechtspersönlichkeit eher als statistisches Argument zu betrachten; dies wird im Folgenden erörtert. Daher ist mit Blick auf die „ideellen“ Eigenschaften einer juristischen Person gemäß dieser Lehre festzustellen, dass sie zu keinem einwandfreien Ergebnis führt. Das Wesen der Personenhandelsgesellschaften – abgesehen von ihrer Einstufung als „unvollständige juristische Personen“ – beschäftigte diese Lehre nicht. Zu beachten bleibt jedoch, dass Wolter im Hinblick auf Art. 81 HGB die OHG als solche als rechts- und parteifähig ansah. Damit kann man sagen, dass die Ansicht von Namitkiewicz fortgeführt wurde. Keine Einigkeit wurde dagegen bezüglich der Rechtsnatur des OHG-Vermögens erzielt. Wolter, wie Namitkiewicz, vertrat den Standpunkt, dass die Gesellschaft als solche Vermögensträger sei (infolge ihrer Rechtsfähigkeit). Einige Anhänger der Lehre von den „unvollständigen juristischen Personen“ vertreten die Ansicht, dass (trotz der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft) das Gesellschaftsvermögen im Grunde genommen den Gesellschaftern zur gesamten Hand zustehe. 102 Es ist auffällig, dass die Zuordnung des Vermögens den Gesellschaftern die These von der eigenen Rechtsfähigkeit der Gesellschaft in Frage stellt. Demzufolge gelangen wir zum Standpunkt, dass die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft eine „fingierte“ ist (bloße Fiktion für das Außenrecht der OHG). Dieser Widerspruch wurde nicht überzeugend erläutert. 2. Das HGG aus dem Jahre 2000

a) Überblick über die Gesetzesänderungen im Vergleich zum HGB Das HGG hat die Mehrheit der Bestimmungen des HGB zur OHG übernommen. 103 Dessen ungeachtet wurden auch einige Neuregelungen vorgenommen, welche die herrschende Lehre für beachtlich erachtet. Diese Bestimmungen müssen dahingehend analysiert werden, ob sie wesentliche Änderungen in der Ausgestaltung der OHG darstellen. Die Änderungen betreffen vornehmlich Art. 8 § 1 HGG (zuvor: Art. 81 HGB) im Hinblick auf seinen Wortlaut und seine systematische Stellung im Gesetz. Erstens wurde diese Vorschrift unter die allgemeinen Bestimmungen des HGG über Personengesellschaften gestellt, die für alle Personengesellschaften des Han102 So Kidyba, Status, S. 122; Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szwaja, Kodeks, S. 533 ff.; Szajkowski, Prawo, S. 83; in Bezug auf die KG Szuma´nski, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 170. 103 Dies war auch die Absicht des Gesetzgebers, vgl. Begründung, S. 46. Eine tabellarische Übersicht über die Änderungen ist bei Moskwa, Stosunek, S. 224 zu finden.

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delsrechts (OHG, KG, Partnerschaft, KGaA) gelten. Im polnischen HGB aus dem Jahre 1933, genauso wie im deutschen HGB, befand sich diese Vorschrift im Abschnitt „Verhältnis zu Dritten“, bei der Regelung der OHG. Zweitens spricht Art. 8 § 1 HGG vom Erwerb der Rechte und Verbindlichkeiten durch eine Personengesellschaft „im eigenen Namen“. Das HGB sprach in Art. 81 HGB einfach von dem Erwerb der Rechte durch die Gesellschaft. Drittens wurde Art. 8 § 1 HGG im Vergleich zu Art. 81 HGB dem Art. 111 ADHGB angeglichen, da er nunmehr von der Berechtigung zum Erwerb des Eigentums an Grundstücken und anderen dinglichen Rechten spricht. Viertens sieht Art. 8 § 2 HGG vor, dass eine Personengesellschaft ein Unternehmen unter eigener Firma betreibt und nicht unter „einem gemeinsamen Namen“ (Art. 75 § 1 HGB). Die herrschende Meinung sieht diese Regelungen als eine Bestätigung bzw. Erweiterung der Rechtsfähigkeit der OHG an. 104 Abgesehen von den Änderungen des Art. 8 HGG, wurden die Vorschriften aus dem Abschnitt „Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten“ des HGB ohne beachtliche Änderungen im HGG aufgenommen. Artt. 90 (Aufrechnungsregelungen) und 82 HGB (Gesellschaftsvermögen) wurden in Artt. 36 und 28 HGG übernommen. 105 Der Sinngehalt des Art. 109 HGB wurde mit Art. 62 HGG übernommen. Diese zuletzt erwähnte Vorschrift entspricht dem Inhalt des mehrmals angesprochenen Art. 119 ADHGB, der als eine Ausprägung des Gesamthandsprinzips gilt. Mit Blick auf den Abschnitt „Innenverhältnis in der Gesellschaft“ ist zu erwähnen, dass das HGG den Begriff des Kapitalanteils eingeführt hat (Art. 50 HGG). 106 Das HGB verwendete den Begriff eines „Anteils“. Einzelne Vorschriften zeigen jedoch, dass der „Kapitalanteil“ die Funktion des „Anteils“ übernommen hat (z. B. Art. 120 HGB und Art. 65 HGG). 107 Die Haftungsverfassung der OHG wurde in ihrem Kern übertragen. Den einzigen Unterschied stellt die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung (Art. 31 HGG) dar, die im Laufe der Untersuchung analysiert wird. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, anders als im HGB, der Weg für die Anwendung der Vorschriften des ZGB über die Gesellschaft (selbstverständlich auch anderer Vorschriften des ZGB) über Art. 2 HGG für die OHG sowie andere Gesellschaftsformen geöffnet ist. 104 Szwaja, Nowy, S. 11 f.; Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 95; Sołtysi´nski, Zało˙zenia, S. 394; Napierała / Moskwa, in: Koch / Napierała, Prawo, S. 184. 105 Der sprachliche Unterschied in der Fassung beider Vorschriften ist, entgegen Kruczalak, in: Kruczalak, Kodeks, S. 71, unbeachtlich. 106 „Der Kapitalanteil eines Gesellschafters ist dem tatsächlichen Wert seiner Einlage gleich“. 107 Darüber hinaus verwendete auch die Lehre zum HGB den Begriff „Kapitalanteil“. Ausführlich zum Kapitalanteil im HGB und HGG, mit der grundsätzlichen These, dass keine grundlegende Rechtsänderung stattgefunden hat, Siemia˛tkowski / Potrzeszcz, Konsekwencje, S. 1 f.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

b) Beurteilung Zunächst sollen die Änderungen des Art. 8 HGG im Vergleich zu Art. 81 HGB untersucht werden. Der Änderung des Standorts dieser Regelung im HGG im Vergleich mit HGB ist keineswegs ein entscheidender normativer Wert beizumessen. Die Tatsache, dass Art. 81 HGB (wie § 124 dt. HGB) im Abschnitt über das „Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten“ steht, vermag, entgegen der herrschenden Lehre, über die Verneinung der Rechtssubjektivität der Gesellschaft (als solche) nichts Entscheidendes zu sagen. Eher könnte sie die Gegenansicht stützen, da die Rechtsfähigkeit doch der Ausgangspunkt für die Beziehungen eines Subjekts zu Dritten ist. 108 Vielmehr ist der h. M. eine Argumentation nach der Methode der „Rosinen-Theorie“ vorzuwerfen, weil mit dem Hinweis auf die Änderung des Standorts des Art. 8 HGG nicht erwähnt wird, dass sich Art. 28 HGG (Vermögen der Gesellschaft) – seit Namitkiewicz Hauptargument der polnischen Lehre gegen die Existenz der Gesamthand im HGB –, weiterhin im Abschnitt „Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten“ befindet. 109 Der Umstand, dass die beiden Vorschriften nicht aufeinander abgestimmt wurden, zeigt, dass der Gesetzgeber des HGG keine eigene klare Konzeption der Personengesellschaft hatte und im Grunde genommen lediglich die Übernahme einiger Regelungen des HGB vermeiden wollte, die ihm unrichtigerweise nicht klar genug erschienen, um unter Berücksichtigung entsprechender theoretischer Grundlagen die Rechtssubjektivität der Gesellschaft zu garantieren. Ferner war die angesprochene Änderung im HGG (d. h. die Ausklammerung der allgemeinen Vorschriften über die Personengesellschaften) sogar geboten, um Transparenz der gesetzlichen Bestimmungen dahingehend zu schaffen, dass das HGG nunmehr vier Formen der Personengesellschaften kennt, die zueinander erhebliche Unterschiede aufweisen (vor allem KGaA), während das HGB nur zwei Formen der Personengesellschaften kannte, wobei die KG zum großen Teil durch eine Verweisung auf die Vorschriften über die OHG geregelt wurde. Die Richtigkeit der Stellung des Art. 81 HGB im Gesetz kann deswegen auch aus heutiger Sicht nicht angezweifelt werden – die Argumentationsversuche in die Gegenrichtung führen nicht weiter. Ferner kann man vielleicht im Zusatz „im eigenen Namen“ (Art. 8 § 1 HGG) einen gewissen Nachweis der eigenen Rechtssubjektivität der Gesellschaft erblicken. Genauso gut kann man aber behaupten, dass, wenn Art. 81 HGB vom Erwerb der Rechte durch die Gesellschaft sprach, dieser meinte, was übrigens ein alleiniges Ergebnis der grammatischen Auslegung ist, dass die Gesellschaft Rechtsträger ist, also im eigenen Namen die Rechte erwirbt. Ähnliches lässt sich bezüglich des Ausdruckes „unter eigener Firma“ 108

In diesem Sinne m.w. N. Fabricius, Relativität, S. 169. Erhoben auch von Moskwa, Stosunek, S. 220 ff.; Wi´sniewski, Niektóre, S. 54; Litwi´nska, Typologia, S. 4 f. 109

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(Art. 8 § 2 HGG) sagen. Wenn ein Rechtsträger die Rechte im eigenen Namen erwirbt, ist er selber firmenfähig – dies bedarf keiner weiteren Erörterung. 110 Dem Ausdruck „führt ein Unternehmen unter einem gemeinsamen Namen“ im Art. 75 § 1 HGB sollte keine Aussage hinsichtlich der Rechtssubjektivität der Gesellschaft zugeschrieben werden. In diesem Ausdruck ist das Wesen der OHG ersichtlich: Ein Personenzusammenschluss (oder genauer: Zusammenschluss der gemeinsam tätigen Kaufleute), was hier mit seiner Rechtsfähigkeit nichts zu tun hat. Die Richtigkeit dieser Erklärung zeigt sich auch, wenn man die Begriffe der ausländischen Gesetze näher betrachtet (in einigen ist die OHG eine juristische Person). 111 In der französischen Lehre, obwohl „la société en nom collectif“ eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, wird behauptet, dass die Gesellschaft im Rechtsverkehr im Namen der Gesellschafter handelt („la société agit au nom des associés – en nom collectif“). 112 Schließlich wird die normative Bedeutung des Zusatzes „Eigentum an Grundstücken und anderen dinglichen Rechten“ (einer Rückkehr zur Fassung des ADHGB nach mehr als 140 Jahren!) auch durch die herrschende Lehre nicht bestritten. 113 Das Gesetz ist hier nach der herrschenden Lehre ein Lehrbuch für Rechtsanwender. Obwohl die gesetzgeberische Absicht eindeutig ist, ist vernünftigerweise zu sagen, dass dieser Rechtssatz nicht die Fähigkeit der Gesellschaft, dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben, regelt, sondern den Umstand, in welcher Form die Gesellschaft in das Grundbuch eingetragen werden sollte. Die obigen Schlussfolgerungen bezüglich der Relevanz der Unterschiede zwischen den Vorschriften des Art. 8 HGG und des Art. 81 HGB werden im Wege der Analyse der Bestimmung des Art. 6 S. 2 des Gesetzes v. 24. 6. 1994 über das Wohnungseigentum 114 bestätigt. Laut Art. 6 S. 2 des Gesetzes über das Wohnungs110 Man kann auch behaupten, dass die Firmenfähigkeit der Gesellschaft im HGB hinreichend durch Art. 26 ff. HGB geregelt war. In diesem Sinne auch Szwaja, Nowy, S. 11 (Art. 26 § 1, 2 HGB als Vorgänger des Art. 8 § 1, 2 HGG), obwohl er im Allgemeinen einen beachtlichen Unterschied zwischen Art. 8 HGG und Art 81 HGB sieht. 111 Z. B. Kollektivgesellschaft oder société en nom collectif (Frankreich und Schweiz); societa in nome collettivo (Italien); sociedad collectiva (Spanien); sociedad em nome collettivo (Portugal). Zur einschlägigen Terminologie in den europäischen Gesetzgebungen vgl. Lyon-Caen / Renault / Amiaud, Traité, S. 173. 112 Statt vieler de Juglart / Ippolito / Dupichot, Les sociétés, S. 269; Chartier, L‘évolution, S. 19. 113 Diese Formulierung des Art. 8 § 1 HGG hat nach Sołtysi´nski, Zało˙zenia, S. 394; Szajkowski, Formy, S. 25; Kidyba, Kodeks, S. 75, eine klarstellende Funktion. Unter Geltung des HGB war umstritten, ob die Personengesellschaften unter ihrer Firma Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben durften. Die Praxis hat eine unrichtige Unterscheidung durchgeführt, nach der die Gesellschaften als solche nur Forderungen erwerben durften, nicht aber dingliche Rechte an Grundstücken, weil man davon ausging, dass ein Grundstück nur durch die Gesamtheit der Gesellschafter erworben werden kann. Lediglich Kruczalak, in: Kruczalak, Kodeks, S. 38; und Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 95, sehen darin eine beachtliche Änderung und Intensivierung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

eigentum „kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, klagen und verklagt werden“. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist fast identisch mit dem Wortlaut des Art. 81 HGB. Andererseits fehlen die Formulierung „im eigenen Namen“ und der Zusatz über Erwerb „des Eigentums an Grundstücken und anderen dinglichen Rechten“ im Wortlaut des Art. 6 S. 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum. Diese fehlenden Formulierungen, die im Art. 8 HGG enthalten sind, sind nach der herrschenden Meinung von zentraler Bedeutung für die ausdrückliche Gewährung bzw. Erweiterung der Rechtssubjektivität der Personenhandelsgesellschaften, was erlaubt, die Personengesellschaften als rechtsfähige „organisatorische Einheiten“ im Sinne des Art. 33 1 ZGB zu betrachten. Nach der herrschenden Meinung wird jedoch die Bestimmung des Art. 6 S. 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum mit der Regelung des Art. 8 HGG gleichgesetzt, indem die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, wie die Personengesellschaften des Handelsrechts, als eine rechtsfähige organisatorische Einheit im Sinne des Art. 33 1 ZGB angesehen wird. 115 Es wird vertreten, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eigene Rechts- und Geschäftsfähigkeit besitzt, die von der Fähigkeit ihrer Mitglieder zu trennen ist. 116 Die Beurteilung dieser Vorgehensweise bereitet den Anhängern der herrschenden Meinung keine Schwierigkeiten. Man kann sich fragen, ob es gleichzeitig möglich ist, einerseits mit Recht auf die angeblichen grundlegenden Unterschiede zwischen den Bestimmungen des Art. 8 HGG und des Art. 81 HGB hinzuweisen, und andererseits identische Rechtsfolgen den Bestimmungen des Art. 8 HGG und des Art. 6 S. 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum zuzuschreiben. Ein kurzer Blick auf Art. 81 HGB und Art. 8 HGG ergibt, dass den gesetzlichen Änderungen kein entscheidender Wert beizumessen ist. 117 Im Wege einer entsprechenden Auslegung konnte man aus dem Art. 81 HGB alle in Art. 8 HGG aufgenommenen „Neuerungen“ herausinterpretieren. Entgegen der h. M. ist der qualitative Unterschied in Art. 8 HGG nicht zu finden. Sind diese qualitativen Unterschiede dann woanders im Gesetz zu finden? Wie festgestellt, befinden sich die Vorschriften, die als Ausprägungen der Gesamthand in der Rechtslehre gelten, systematisch in denselben Gesetzesabschnitten. 118 Gleichwohl hat die Regelung der Personengesellschaften eine beachtliche Neue114

Dz. U. 2000, Nr. 80, Pos. 903 m. Ä. Vgl. statt vieler Radwa´nski, Podmioty, s. 7; Pazdan, in: Pietrzykowski, Kodeks, 4. Aufl., S. 9; Fra˛ckowiak, Instytucje, S. 25; Gniewek, in: Gniewek, Kodeks, S. 79. 116 Vgl. Radwa´nski, Podmioty, s. 7; Wójcik, Kilka, S. 338. 117 Ähnlich Katner, Podwójna, S. 1023, nach dem die Neuerungen im HGG keinen grundsätzlichen Qualitätsunterschied im Vergleich zum HGB darstellen. 118 Z. B. Fra˛ckowiak / Potrzeszcz, Czy nadanie, S. 2, „will man die Gesellschaft als ein Rechtssubjekt ansehen, so erstaunt es, dass die Regelung des Art. 90 HGB übernommen wurde“. Dagegen bringt die Auslegung von Art. 36 HGG vor dem Hintergrund der h. M., vgl. Kidyba, Kodeks, S. 177: („die Anteile einzelner Gesellschafter können ohne Einwilligung der Gesellschaft und anderer Gesellschafter nicht vermindert werden“), nichts 115

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rung erfahren, indem die Personengesellschaften nunmehr umwandlungsfähig sind. Von besonderer Relevanz ist die neue Konzeption des Formwechsels im polnischen Recht (Artt. 551 –584 HGG), wonach ein Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft sowie umgekehrt, einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, zulässig ist. Nach herrschender Ansicht besteht der Formwechsel in einer identitätswahrenden Umwandlung, bei der lediglich die Rechtsform eines Rechtsträgers gewechselt wird, aber seine Identität erhalten bleibt. 119 Nach dem HGB war ein Formwechsel nur unter Kapitalgesellschaften, der GmbH und der AG, möglich (vgl. Art. 491 ff. HGB). Die Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, sowie umgekehrt, bedurfte der Auflösung einer Gesellschaft und der Gründung einer neuen. Die Analyse der Relevanz dieser Rechtsänderung für die Bestimmung der Rechtsnatur einer Personengesellschaft wird nachfolgend durchgeführt, da sie eines Einblicks in die Dogmatik des Umwandlungsrechts erfordert, der an dieser Stelle verfrüht wäre. Zusammenfassend kann man nun festhalten, dass die Analyse des Gesetzestextes dafür spricht, dass die Regelung des HGG möglicherweise nur durch die Einführung des Formwechsels der Rechtsnatur der Personenhandelsgesellschaften im Vergleich zum HGB eine Änderung bewirkt hat. In diesem Punkt kann allerdings noch keine Stellungnahme zur Erklärung der Rechtsnatur der Personenhandelsgesellschaft nach dem HGG abgegeben werden. Erforderlich ist eine weitere Untersuchung. 3. Die Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB

Die Regelung der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB, die in das Zivilgesetzbuch infolge des Gesetzes v. 14. 2. 2003 zur Änderung des Zivilgesetzbuches und anderer Gesetze 120 aufgenommen wurde, bedarf einer speziellen Analyse. Im Lichte dieser Vorschrift sind „auf die organisatorischen Einheiten, welche die Rechtsfähigkeit kraft Gesetzes besitzen, die Vorschriften (des ZGB – P. T.) über juristische Personen anzuwenden“. Die Einführung dieser Vorschrift in das ZGB hatte nach Absicht des Gesetzgebers zum Zweck, die Debatte über die Existenz und den Charakter der „unvollständigen juristischen Personen“ im polnischen Recht auszulösen. 121 Nach Neues. Ohne diese auf diese Weise verstandene Vorschrift ergab sich dies sowieso aus der Gesamtheit der Vorschriften des HGB. 119 Vgl. Szuma´nski, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 635. 120 Dz. U. 2003, Nr. 49, Pos. 48. 121 Projekt nowelizacji kodeksu cywilnego dot. osób prawnych, przedsie˛biorców i przedsie˛biorstw z dnia 26 pa´zdziernika 2000 roku (Entwurf der Novelle des Zivilgesetzbuches hinsichtlich der juristischen Personen und Unternehmen v. 26. Oktober 2000), PL 2000, Heft 4, S. 161 f.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

der Begründung des Entwurfs des Art. 33 1 ZGB stellen die Personengesellschaften des Handelsrechts, die Gemeinschaften der Wohnungseigentümer 122 und nichteingetragene Vereine 123 die Hauptbeispiele der „organisatorischen Einheiten, die keine juristische Personen sind“. Der Umstand, dass sich die Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB auf die organisatorischen Einheiten, die in speziellen Vorschriften geregelt sind, bezieht, unterliegt keinem Zweifel. Es sind die speziellen Vorschriften, und nicht die Regelung des Art. 33 1 § 1 ZGB, die solchen organisatorischen Einheiten die Rechtsfähigkeit gewähren. Daraus folgt, dass eine formelle Entscheidung des Gesetzgebers, die solchen Rechtssubjekten die Rechtsfähigkeit gewährt, die Grundlage der Unterscheidung einzelner Typen der „unvollständigen juristischen Personen“ ist. 124 Bezugnehmend auf diese Feststellung wird darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber im Falle der „unvollständigen juristischen Personen“ – ebenso wie bei den juristischen Personen – eine normative Regelungsmethode angenommen hat. 125 Ferner wird betont, dass, obwohl die Gewährung der Rechtsfähigkeit im Wege der Anwendung unterschiedlicher sprachlicher Aussagen durch den Gesetzgeber erfolgen kann, die Rechtsfähigkeit auf eine ausdrückliche Weise gewährt werden sollte. 126 Mit der begrifflichen Unterscheidung der organisatorischen Einheiten, welche die Rechtsfähigkeit kraft Gesetzes besitzen, verbindet das ZGB spezifische Rechtsfolgen: auf diese Einheiten werden die Vorschriften des ZGB über juristischen Personen entsprechend angewendet. Die Verwendung der Formulierung „entsprechend“ sollte den konstruktionellen Unterschied zwischen diesen Einheiten und den juristischen Personen zum Ausdruck bringen. 127 Im Schrifttum herrscht die Ansicht, dass die Einführung der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 in das ZGB für die Bejahung der Existenz der Kategorie der unvollständigen juristischen Personen im polnischen Recht entscheidend war. 128 Dies bedeute auch, dass die OHG als eine unvollständige juristische Person anzusehen sei.

122 Gesetz v. 24. 06. 1994 über das Wohnungseigentum (Dz. U. 2000, Nr. 80, Pos. 903 m. Ä.). 123 Art. 40 Abs. 1 des Gesetzes v. 07. 04. 1989 über Vereine (Dz. U. 2001, Nr. 79, Pos. 855 m. Ä.). 124 Radwa´nski, Prawo, S. 192. 125 Pazdan, in: Pietrzykowski, Kodeks, 4. Aufl., S. 9; Gniewek, in: Gniewek, Kodeks, S. 79. 126 Radwa´nski, Podmioty, S. 6; Fra˛ckowiak, Instytucje, S. 26; vgl. auch Katner, Podwójna, S. 1028. 127 Radwa´nski, Podmioty, S. 8; Fra˛ckowiak, Instytucje, S. 23. 128 Napierała / Moskwa, in: Koch / Napierała, Prawo, S. 185; Moskwa, Ułomne, S. 19; Fra˛ckowiak, Instytucje, S. 23; Radwa´nski, Podmioty, S. 6; Gniewek, in: Gniewek, Kodeks, S. 79.

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Die oben dargestellte herrschende Ansicht muss nun kritisch beurteilt werden. Es bestehen keine Zweifel, dass es unvernünftig wäre, die normative Relevanz der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB in Frage zu stellen. Diese Vorschrift schafft eine ausdrückliche Grundlage für die Anerkennung der Existenz der dritten Kategorie der Rechtsträger im polnischen Zivilrecht, und zwar „der organisatorischen Einheiten, die keine juristischen Personen sind, aber kraft Gesetzes die Rechtsfähigkeit besitzen“. Allerdings ist eine kritische Analyse der Rechtsfolgen, die sich aus dieser Vorschrift ergeben können, notwendig. In erster Linie muss darauf hingewiesen werden, dass die normative Bedeutung der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB ausschließlich unter Berücksichtigung der speziellen Vorschriften, auf die diese Vorschrift zum Zwecke der Gewährung der Rechtsfähigkeit an einzelne Formen der organisatorischen Einheiten verweist, vollständig beurteilt werden kann. Daraus folgt im Besonderen das Erfordernis, dass die Auslegung der oben genannten speziellen Vorschriften (zum Beispiel Art. 8 HGG) zur Schlussfolgerung führen muss, dass eine bestimmte „organisatorische Einheit“ zwar keine juristische Person ist, aber Rechtsfähigkeit besitzt. 129 An dieser Stelle sollte auf das oben von mir kritisierte Vorgehen im herrschenden Schrifttum zum HGG hingewiesen werden. Es handelt sich um die Gleichsetzung der Rechtsfolgen der Vorschriften des Art. 8 HGG und des Art. 6 des Gesetzes über das Wohnungseigentum, obwohl die Unterschiede zwischen dem Wortlaut des Art. 8 HGG und des Art. 81 HGB gleichzeitig betont werden, während der Wortlaut des Art. 81 HGB eigentlich mit dem des Art. 6 des Gesetzes über das Wohnungseigentum identisch ist. Es scheint, dass die Regelung des Art. 33 1 § 1 ZGB die häufig nicht hinreichend bekanntgemachte Ursache von der Gleichsetzung der Vorschriften des Art. 6 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und des Art. 8 HGG darstellt. Wenn man auch die Richtigkeit dieses Vorgehens im Hinblick auf Art. 33 1 § 1 ZGB billigen kann, muss allerdings festgestellt werden, dass die Betonung jeglicher Unterschiede des Art. 8 HGG zu seinem legislativen Vorgänger, Art. 81 HGB, gegenstandlos und nicht gerechtfertigt ist. 130 Würde man darüber hinaus Art. 6 des Gesetzes über das Wohnungseigentum als eine spezielle Vorschrift im Sinne des Art. 33 1 § 1 ZGB begreifen und hätte Art. 33 1 ZGB zur Zeit der Geltung des Art. 81 HGB bestanden, so hätte man Art. 81 HGB nicht anders auslegen können. Diese Argumentationsweise bestätigt die oben von mir vorgeschlagene These, dass keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Inhalt des Art. 8 HGG und dem des Art. 81 HGB bestehen – es war durchaus möglich, die in Art. 8 HGG aufgenommenen „Neuerungen“ aus dem Inhalt des Art. 81 HGB im Wege einer entsprechenden Auslegung zu entnehmen.

129 130

Vgl. auch Katner, Podwójna, S. 1028. Ähnlich Katner, Podwójna, S. 1028.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Aus der obigen Analyse der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB folgt, dass diese Vorschrift alleine nicht erlaubt, die Frage zu beantworten, ob der OHG die Rechtsfähigkeit zusteht. Diese Frage muss weiterhin unter Berücksichtigung der Befunde ausländischen Schrifttums untersucht werden.

D. Die Rechtsnatur einer Personenhandelsgesellschaft in der modernen deutschen und französischen Lehre I. Die deutsche Lehre über die Personengesellschaft 1. Einleitung

Die Hauptlinien der Entwicklung der polnischen Lehre und Gesetzgebung zur OHG wurden in groben Zügen dargestellt und kritisch überprüft. Nun folgt ein Blick auf die parallelen Bestrebungen im modernen deutschen Schrifttum. Eine willkürliche Auswahl dreier Standpunkte aus dem reichen Schrifttum sei erlaubt und wegen gewisser konzeptioneller Parallelen bzw. Unterschiede zur polnischen Lehre gerechtfertigt. Es wird sich auch zeigen, dass die bereits erfolgte Darstellung der „alten“ deutschen Lehre, die das deutsche HGB aus dem Jahre 1897 mitbeeinflusst hat, zweckmäßig war. 2. Die Personifikationslehren von Fabricius und John

a) Die OHG als eine „teilrechtsfähige Teilperson“ Die Diskussion über die Fragen der Rechtsfähigkeit wurde in der deutschen Lehre der letzten Jahrzehnte mit dem Studium „Relativität der Rechtsfähigkeit“ von Fabricius 131 belebt. Die Arbeit befasste sich mit dem gesamten System der rechtsfähigen Subjekte, hier werden aber alleine die Überlegungen zur OHG betrachtet. Ausgehend von der Relativierbarkeit der Rechtsfähigkeit unterteilte Fabricius diese in zwei Bereiche (Voll- und Teilrechtsfähigkeit), wobei nur den natürlichen und den juristischen Personen Vollrechtsfähigkeit zugebilligt wird. Damit war der Weg zur Anerkennung überindividueller Rechtsträger, die keine juristischen Personen sind, geöffnet, denn das positive Recht weise lediglich denjenigen Personen Rechtsfähigkeit zu, die vollrechtsfähig seien. Dem stehe jedoch nicht entgegen, dass Subjekten, die nicht ausdrücklich für rechtsfähig erklärt wurden, eine TeilRechtsfähigkeit zuzuerkennen sei, denn der Gesetzgeber habe keine Veranlassung, in diesen Fällen von einer Rechtsfähigkeit zu sprechen. 132 Speziell zur OHG führte Fabricius aus, dass bei dieser Rechtsform das Prinzip der „kollektiven Einheit“ der BGB-Gesellschaft notwendig mit dem in § 124 dt. HGB niedergelegten Orga131 132

Relativität der Rechtsfähigkeit, München / Berlin 1963. Fabricius, Relativität, S. 111.

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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nisationsprinzip der „individuellen Einheit“ zusammenstoßen muss. Das letztere (§ 124 dt. HGB) ziehe nämlich alle Folgen der Rechtspersönlichkeit nach sich, einschließlich der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen. § 128 dt. HGB (die persönliche Haftung der Gesellschafter) liege daher im Schnittpunkt zweier sich überschneidender Gestaltungsprinzipien rechtlicher Organisationsformen und gebe den entscheidenden Anhaltspunkt dafür, dass die OHG ein teilrechtsfähiges Subjekt sei, nicht eine juristische Person, sondern lediglich eine juristische Teilperson. 133 Dies ergebe sich daraus, dass sie – wenn auch der Rechtsverkehr die OHG wie eine juristische Person behandeln kann, indem Gläubiger die einzelnen Gesellschafter nicht in Anspruch zu nehmen brauchen – nach der Ausgestaltung der Rechtsordnung doch nur eine Teilperson mit Teilrechtsfähigkeit sei, weil sie nur eine unvollkommene, für eine Vollrechtsfähigkeit nicht ausreichende Haftungsfähigkeit habe. 134 Die OHG bilde keine geschlossene Einheit aufgrund ihrer unvollkommenen Haftungsfähigkeit und sei daher nur teilrechtsfähig. Deshalb komme der OHG eine Doppelnatur zu: Sie sei sowohl als die Gesamthand („kollektive Einheit“) als auch als die juristische Person („individuelle Einheit“) zu verstehen. 135 Fabricius stellte die persönliche Haftung der Gesellschafter als ein Kriterium der vollen Rechtsfähigkeit in den Vordergrund, indem er davon ausging, dass ein Pflichtsubjekt (die OHG – P. T.) nach den Wertungen des Gesetzgebers nicht die für rechtsfähige Wirtschaftsorganisationen erforderliche Haftungsfähigkeit besitzt und der Mangel durch die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter ausgeglichen wird. 136 Entscheidend sei dabei, dass die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter nicht eine entbehrliche Ausgestaltung ihrer Organisation darstellt, durch deren Nichtvorhandensein die Verkehrsinteressen der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werden, sondern dass sie einen wesensnotwendigen Bestandteil der organisatorischen Struktur der OHG bildet. 137 b) Die OHG als eine „organisierte Rechtsperson“ Einen wegweisenden Beitrag leistete auch John 138 mit seiner Lehre von einer „organisierten Rechtsperson“. John hat die Kriterien ausformuliert, die eine handlungs- und rechtsfähige Einheit als Teilnehmerin am Rechtsverkehr kennzeichnen und sie von sonstigen Erscheinungen abgrenzen, die nicht handlungsund rechtsfähig sind. Die Rechtsfähigkeit sei eine Folge der Konstituierung ei133 134 135 136 137 138

Fabricius, Relativität, S. 181. Fabricius, Relativität, S. 181. Fabricius, Relativität, S. 163, 183. Fabricius, Relativität, S. 182. Fabricius, Relativität, S. 182. John, Die organisierte Rechtsperson, Berlin 1977.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

nes Rechtsgebildes (z. B. Personenmehrheit bei der OHG) als Rechtsperson. 139 Die Kriterien solcher „organisierten Personifikation“ bestehen nach John in den drei Elementen: Handlungsorganisation, Haftungsverband und Identitätsausstattung. 140 Das erste Element, die Handlungsorganisation, setze sich aus der externen und internen Handlungsorganisation zusammen. Genauso wie Fabricius führte auch John aus, dass die externe Handlungsorganisation der OHG im Prinzip ebenso strukturiert sei, wie diejenige einer juristischen Person. 141 Dagegen seien die Unterschiede zu den juristischen Personen bei der internen Handlungsorganisation der OHG immerhin eher festzustellen als bei der externen, z. B. im Zweifel das Erfordernis der Einstimmigkeit bei Gesellschafterbeschlüssen; die Tatsache, dass freilich wesentlich mehr Vorgänge zur Abänderung des Statuts führen, als dies bei den juristischen Personen der Fall sei. Aber weitgehend lassen sich auch bei der internen Handlungsorganisation die gleichen Strukturen finden wie bei den juristischen Personen (insbesondere des Handelsrechts). 142 Diese Einsicht werde nur dadurch erschwert, dass dem Betrachter nahezu in allen Funktionen immer wieder die Gesellschafter begegnen, wodurch der Eindruck ihrer unorganisierten Allmacht entstehen könne. Bei näherem Zusehen zeige sich aber, dass sie in sehr verschiedenen Rollen und dementsprechend mit sehr verschiedenen Kompetenzen auftreten, die sich in gleicher Weise wie bei den juristischen Personen aufgliedern lassen und durch den Gesellschaftsvertrag den dort bestehenden Verhältnissen noch weiter angenähert werden können. 143 Was das folgende Element einer „organisierten Personifikation“ anbelangt, und zwar den Haftungsverband, stellte John fest, dass es eine Haftungsverselbstständigung der OHG gäbe, allerdings sei die Trennwand zwischen ihrem Haftungsverband und demjenigen der Gesellschafter eben nur unvollständig: Nach einer Richtung sei sie in gewisser Hinsicht undurchlässig, nach der anderen ziemlich durchlässig. Der Grad der Verselbstständigung sei bei der OHG noch weit geringer als bei der insofern problematischsten Form einer juristischen Person des deutschen Rechts, der eingetragenen Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschusspflicht. Sei hier doch ein direkter Zugriff der Gläubiger der Gesellschaft 139

John, Die organisierte, S. 73. John, Die organisierte, S. 72 ff. 141 Einen erheblichen Unterschied zu den juristischen Personen des Handelsrechts würde es allerdings freilich bedeuten, wenn man die Stellung in der externen Handlungsorganisation bei der OHG nur „Mitgliedern“ (Gesellschaftern) einräumt, also die sog. Drittorganschaft ausschließt, John, Die organisierte, S. 137. 142 Z. B. „die Gesellschaftergesamtheit“ kann man mit „der Mitgliederversammlung“ bei den juristischen Personen parallelisieren (S. 138); „der Aufsichtsrat“ kann kraft Gesellschaftsvertrag geschaffen werden, ihm können Geschäftsführungskompetenzen übertragen werden (S. 140). 143 John, Die organisierte, S. 140. 140

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auf die Haftungsverbände der „Mitglieder“ ohne viele Vorbehalte und Kautelen möglich. 144 Der letzte Bestandteil einer „organisierten Personifikation“, die Identitätsausstattung, sei nicht problematisch. Der Name der OHG sei ihre Firma. 145 Das Auftreten der Gesellschafter unter der Firma sei für das Vorhandensein einer OHG geradezu konstituierend. Soweit als die OHG Gemeinsamkeiten mit den zuvor als „Rechtspersonen“ eingeordneten Sachverhalten habe, träge gerade die Tatsache besonders dazu bei, dass sie einen eigenen Namen habe. 146 Die obigen Ausführungen zeigen, dass auch bei der OHG (wie bei den juristischen Personen) die drei Elemente der „Personifikation“ zu finden sind. Unabhängig von der Feststellung, dass die OHG die Elemente einer „organisierten Rechtsperson“ aufweist, ist John zum Schluss gelangt, dass die Frage „Juristische Person oder Personenzusammenschluss“ (anders ausgedrückt: „Person oder Noch-nicht-Person?“) bezüglich der Rechtsnatur einer Personengesellschaft des Handelsrechts nicht mit Aussicht auf eine befriedigende Antwort gestellt werden könne. 147 Ungeachtet der hinsichtlich der Handlungsorganisation der OHG weitgehenden Gemeinsamkeiten mit den juristischen Personen, hat sich bei den Haftungsverhältnissen ein unüberwindbarer Unterschied zu fast allen juristischen Personen ergeben: Neben dem „zentralen“ Haftungsverband der Gesellschaft stehe mindestens ein „akzessorischer“ Haftungsverband zur Verfügung, der einem Gesellschafter persönlich zugeordnet sei. Aus alledem folgt, dass eine rechtliche Gleichbehandlung der Personengesellschaft mit den juristischen Personen nicht möglich sein werde, sobald Fragen ins Spiel kommen, die irgendwie mit der geschilderten Dezentralisierung des Haftungsverbandes bei den Personengesellschaften zusammenhängen. Im Übrigen aber stehe einer rechtlichen Einordnung entsprechend derjenigen der juristischen Personen meist kaum etwas im Wege. 148 c) Beurteilung Die „Teilrechtsfähigkeit-Lehre“ von Fabricius war für einen Teil des deutschen Schrifttums repräsentativ. Heute wird sie aber zunehmend in Frage gestellt (die Kritik der Einzelpunkte wird später erfolgen). 149 Johns Konzeption einer „organisierten Persönlichkeit“ findet bis heute Beachtung in der Lehre. 150 Beiden ist 144

John, Die organisierte, S. 143. John, Die organisierte, S. 145. 146 John, Die organisierte, S. 145. 147 John, Die organisierte, S. 149. 148 „Teilweise anders ist die Lage insoweit schon bei der KG und erst recht und insbesondere bei der GmbH und Co. KG, deren Haftungsstatut letztlich doch stark demjenigen einer juristischen Person angenähert ist, bei der jedenfalls keine „natürliche“ Person mehr unbeschränkt haftet“, John, Die organisierte, S. 150, 145

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

sicherlich gemeinsam, dass die OHG im Außenverhältnis der juristischen Person nahezu gleichgestellt wird, bei John ließe sich das auch in gewissem Ausmaß bezüglich des Innenverhältnisses festhalten. Für diese Untersuchung ist wichtig, dass in beiden Ansätzen die unbeschränkte Mitgliederhaftung für Verbindlichkeiten der Personengesellschaft des Handelsrechts ein unüberwindbares Hindernis für die vollständige Gleichstellung derjenigen mit einer juristischen Person (wenn nur aus der Perspektive des Handelsrechts und nicht der ganzen Rechtsordnung) darstellt. Mit anderen Worten kann man sagen, dass eine juristische Person nach damaliger Vorstellung alleine mit ihrem Vermögen für ihre Verbindlichkeiten einstehen muss. Die begriffliche Verbindung der „Vollpersönlichkeit“ eines Rechtsträgers mit dem Fehlen der persönlichen Haftung seiner Mitglieder ist auch im polnischen Schrifttum verbreitet, wie dies bereits in der Lehre von Wolter gezeigt wurde. 151 Diese Betrachtungsweise war auch mitursächlich für die Regelung des Art. 33 1 ZGB. 152 Sicherlich liegt ein Verdienst von John darin, dass er überzeugend nachgewiesen hat, dass die Ausgestaltung der OHG diese ohne Zweifel zu einer rechtsfähigen, „organisierten“ Person macht. Lediglich in gewisser Hinsicht unterscheidet sie sich vom Rechtsgebilde, das „absolut“ organisiert ist, nämlich einer juristischen Person. Sieht man von der problematischen Frage der Haftungsbeschränkung als Merkmal der Rechtspersönlichkeit ab, so ist die OHG in den Augen von John eigentlich eine vollständige Person (eine vollrechtsfähige „Vollperson“ nach der Terminologie von Fabricius). Die Unterschiede in der Handlungsorganisation (die ständige „Begegnung“ mit den Gesellschaftern bei den Personenhandelsgesellschaften) zu den juristischen Personen des Handelsrechts muss man heute als Strukturunterschiede zwischen beiden Typen der Gesellschaften ansehen, die mit der Rechtssubjektivität nicht unmittelbar zusammenhängen (dies wird im Folgenden entwickelt). Wenn John auch dies noch nicht gänzlich klarmachte, war dies für ihn jedoch nicht entscheidend, um die Rechtssubjektivität der OHG in Frage zu stellen. Hier liegt der wesentliche Befund für die weitere Untersuchung.

149 Vgl. die Kritik von Hadding, Zum Erlangen, S. 145; Mülbert, Die rechtsfähige, S. 44 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 212 ff; Vonzun, Rechtsnatur, S. 188. 150 Den Kriterien einer „organisierten Rechtspersönlichkeit“ von John im Allgemeinen zust. Ulmer, Gesamthandsgesellschaft, S. 126; Raiser, Der Begriff, S. 126. 151 Repräsentativ Pyzioł, in: Pyzioł / Szajkowski / Weiss, Prawo, S. 101, nach dem ein wesentlicher Unterschied zwischen der OHG und einer juristischen Person in der unbeschränkten Gesellschafterhaftung in der OHG besteht. 152 Erkennbar in der Argumentation von Radwa´nski, Podmioty, S. 11.

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3. Die Personengesellschaft in der modernen Gesamthandslehre

a) Die Gesamthandsgesellschaft in der Konzeption von Flume Jeder Überblick über die Konzeptionen zur Rechtsnatur einer Personengesellschaft des Handelsrechts im germanischen Rechtskreis wäre ohne Hinweis auf die Lehre von Flume unvollständig. Im Anschluss an Gierke, dessen Arbeit bereits angesprochen wurde, hat Flume die moderne deutsche Gesamthandslehre fortentwickelt. 153 Er befasste sich mit dem Prinzip der Gesamthand im Gesellschaftsrecht bei den Personengesellschaften (GbR, OHG und KG). Für das richtige Verständnis des Gesamthandsprinzips sei von der Gesamthand als Subjekt (wie eben Gierke ordnete Flume die Gesamthand in das Personenrecht ein), nicht Objekt (d. h. Sondervermögen der Gesellschafter nach der traditionellen Ansicht) auszugehen. Das Gesamthandsvermögen sei wie das Vermögen einer Person nichts anderes als die Summe der einzelnen Vermögensgegenstände der Gesamthand als Gruppe und im weiteren Sinne nichts anderes als die Summe aller Rechtsbeziehungen der Gruppe. 154 Die Gesamthand nehme als Organisationseinheit der in der Gesamthand verbundenen Personen am Rechtsleben teil. 155 Die Gruppe sei als solche Rechtssubjekt, also Träger von Rechten und Pflichten. Die Gruppe sei auch als Rechtssubjekt nichts anderes als die Mitglieder der Gruppe in ihrer Verbundenheit. 156 Das Unternehmen und damit die Firma würden nicht den einzelnen Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft zustehen. Durch die Gesellschafter werde für die Gesellschaft (und nicht die Gesellschafter) gehandelt. 157 In Bezug auf § 124 dt. HGB (Art. 8 HGG) vertrat Flume eine ähnliche Ansicht, die zum Teil der Vorstellung der „Väter“ des ADHGB entsprach. Die Vorschrift 153 Zitiert wird hier das „Lehrbuch“ Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Bd., Erster Teil, Die Personengesellschaft, Berlin / Heidelberg / New York, 1977. Es muss allerdings darauf geachtet werden, dass die Arbeit von Reinhardt, Gesellschaftsrecht, die in ihren Hauptlinien dem Verständnis der Gesamthand von Flume entspricht, zur ähnlichen Zeit entstanden ist wie der Beitrag von Flume, Gesamthand und Gesellschaft, ZHR 136 (1972), S. 177 ff., der später in die „Personengesellschaft“ eingegangen ist. Ferner ist hinzuweisen auf den im deutschen Schrifttum selten zitierten Beitrag von Reinhardt, Die Fortentwicklung des Rechts der offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft in der neueren deutschen Lehre und Rechtsprechung, ZBJV 1967 (Bd. 103), S. 329, in dem schon dieser Gesichtspunkt vertreten wird (OHG als nicht nur ein Schuldverhältnis, aber auch Organisationsverhältnis). 154 Flume, Die Personengesellschaft, S. 68. 155 Flume, Die Personengesellschaft, S. 56. 156 „Der Terminus „Gruppe“ bringt aber besser zum Ausdruck, dass die Gesamthand Rechtssubjekt ist, als wenn man nur von den Gesamthändern in ihrer Verbundenheit spricht“, Flume, Die Personengesellschaft, S. 57. 157 Flume, Die Personengesellschaft, S. 59.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

des § 124 dt. HGB besage, was die materiellrechtliche Regelung anbetrifft, für die OHG nur etwas Besonderes hinsichtlich des Gebrauchs der Firma. Der Gebrauch der Firma veranschauliche eindeutiger, dass die OHG im Rechtsverkehr „als geschlossene Einheit“ auftrete, und erleichtere so den Rechtsverkehr. Im Übrigen werde in § 124 dt. HGB nur das Gesamthandsprinzip als solches dokumentiert. Jede Gesamthandsgruppe, d. h. die Gruppe, für welche das Gesamthandsprinzip gilt (darunter auch die OHG), könne, soweit sie zum Rechtsverkehr zugelassen sei, für sich, d. h. für die Gruppe, die Personengemeinschaft, „Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (...)“. 158 Der fundamentale materiellrechtliche Grundsatz, dass die Gesellschaft „als solche“, d. h. die Gruppe am Rechtsverkehr teilnehme und Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen könne, sei aber ein allgemeiner Grundsatz des Rechts der Gesamthand im Gesellschaftsrecht. Dieses personalistische Verständnis der Gesamthand als Gruppe bereitete auch die Grundlage für die dogmatische Einordnung des Vermögens der Gesellschaft. Weil die Rechtsverhältnisse für die Gesamthandsgesellschaft und nicht für den einzelnen Gesellschafter begründet werden, entstehe und verändere sich als Folge des Handelns für die Gesellschaft das Gesamthandsvermögen. Es sei keine besondere Art von Vermögen. Seine Besonderheit bestehe nur in der Rechtszuständigkeit, dass es in allen seinen einzelnen Vermögensgegenständen nicht einer Einzelperson, sondern einer Personengemeinschaft (Gruppe) zugehörig sei. 159 Die Stellung eines einzelnen Gesellschafters erklärt Flume mittels des Begriffs der „Mitgliedschaft“. Die Gesamthand als Gruppe sei der Bezugspunkt aller Rechtsbeziehungen der Gesamthand, und der Gesamthänder habe nur mittelbar über seine Mitgliedschaft mit den Rechtsbeziehungen der Gesamthand etwas zu tun. Er sei nur Mitglied der Gesamthand. Sein Recht sei die Mitgliedschaft, er habe aber unmittelbar keinen Anteil am Gesamthandsvermögen oder an den einzelnen Gegenständen desselben. Allerdings gehe es nicht darum, die Gesellschafter als Inhaber des gesellschaftlichen Vermögens zu eliminieren. Selbstverständlich seien die Gesellschafter die Inhaber des Vermögens, aber eben nicht als einzelne, sondern nur als Gruppe. 160 Flume schlug auch eine relativ klare Abgrenzung zwischen der juristischen Person und einer Personengesellschaft vor. 161 Beide seien nur „unterschiedliche Organisationsformen überindividueller Wirkungseinheiten“. Als Wirkungseinheit stehe die Gesamthandsgesellschaft der juristischen Person insofern gleich, als für 158

Flume, Die Personengesellschaft, S. 69. Flume, Die Personengesellschaft, S. 69. 160 Flume, Die Personengesellschaft, S. 74. 161 Die Abgrenzung zur rein schuldrechtlichen Verbundenheit mehrerer Personen ist für Flume nicht problematisch: Gesellschafter können sich rein schuldrechtlich untereinander und ohne Stabilisierung zur „Wirkungseinheit“ zusammenschließen, z. B. als stille Gesellschaft, Innengesellschaft, Flume, Die Personengesellschaft, S. 8 f. 159

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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sie als Einheit gehandelt werde, sie als Einheit am Rechtsverkehr teilnehme und für sie als Einheit Rechtsverhältnisse bestehen. Im Außenverhältnis seien juristische Person und Gesamthand grundsätzlich gleich. 162 Der Hauptunterschied zwischen beiden bestehe in der Natur der Mitgliedschaft, weil bei der Gruppe die Mitglieder die Gruppe bilden, während bei der juristischen Person die Mitglieder als funktioneller Teil der Organisation verstanden werden, die ihnen gegenüber – eben als juristische Person – verselbständigt gesehen wird, 163 oder anders ausgedrückt: Die Gesamthandsgesellschaft als Personenmehrheit existiere in ihren Gesellschaftern, während die juristische Person als Organisation in ihrer Existenz gegenüber den Mitgliedern verselbstständigt sei. Aufzuzählen wären nach Flume auch andere signifikante Unterschiede wie z. B. die Unterschiedlichkeit der Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages der Personengesellschaft und des Gründungsakts der juristischen Person. 164 Entscheidend sei allerdings, dass die Existenz einer Personengesellschaft ohne Gesellschafter nicht vorstellbar sei: Obwohl auch bei der Gesamthandsgesellschaft die Mitgliedschaft nach der Anerkennung der Übertragbarkeit als Rechtsgegenstand behandelt wird, 165 ist doch jeder Gesellschafter in seiner Person Mitglied der Gesellschaft, so dass es für einen Gesellschafter nicht mehrere Mitgliedschaften geben kann. Damit sei auch die Gesamthandsgesellschaft als Personengruppe grundsätzlich abhängig von den Schicksalen ihrer Gesellschafter. Zu betonen ist ferner, dass Flume entgegen der damals auch in der deutschen Lehre h. M. davon absieht, die Rechtspersönlichkeit mit der Haftungsbeschränkung zu identifizieren. 166 Das Wesen der juristischen Person schließe die persönliche Haftung ihrer Mitglieder für die Verbindlichkeiten der juristischen Person nicht per se aus. Allerdings sei die Verselbstständigung der juristischen Person gegenüber ihren Mitgliedern darauf angelegt, dass die Haftung auf die juristische Person beschränkt sei. Es bedürfe schon eines besonderen Rechtsgrundes, wenn die Haftung 162

Flume, Die Personengesellschaft, S. 93. Flume, Die Personengesellschaft, S. 90. 164 „Während bei der AG und GmbH eine Änderung der „Satzung“ oder des „Gesellschaftsvertrages“ nur den Status der juristischen Person erfasst, ist bei der Gesamthandsgesellschaft die Änderung des Gesellschaftsvertrages, soweit die Rechte und Pflichten der Gesellschafter betroffen werden, zugleich eine Änderung des zwischen den Gesellschaftern bestehenden gesellschaftlichen Vertragsverhältnisses“, Flume, Die Personengesellschaft, S. 95. Weiterhin hat Flume darauf hingewiesen, dass die Eigenart der Personengesellschaften (eine in den Gesellschaftern existierende Personengruppe) zur Folge habe, dass das Vermögen der Gesamthandsgesellschaft keinen Bestandschutz gegenüber den Dispositionen der Gesellschafter habe (S. 105). Ferner unterscheide das Prinzip der Selbstorganschaft bei Gesamthandsgesellschaften beide Kategorien der Rechtsträger (S. 97). 165 Vgl. Art. 10 HGG, der als eine „neue Qualität“ im polnischen Gesellschaftsrecht begrüßt wurde. 166 Flume, Die Personengesellschaft, S. 98. Als Beispiel wird die OHG des französischen Rechts genannt. 163

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

von der juristischen Person auf die Personen der Mitglieder erstreckt werde. Bei der Personengesellschaft sei es dagegen umgekehrt. Weil die Personengesellschaft in den Personen ihrer Gesellschafter existiere, sei auch deren persönliche Haftung die an sich für die Personengesellschaft gehörige Rechtsfolge – die Verpflichtung der Gesellschaft wird auf den Gesellschafter als Mitglied der Gesellschaft erstreckt, diese könne allerdings auch aus besonderen Rechtsgründen abgeändert oder eliminiert werden. 167 Will man mit Flume die Gesamthandslehre entmystifizieren, so steht fest, dass die Gesamthand als Personengemeinschaft eine Wirkungseinheit ist, für die gehandelt werden kann und für die Rechtsverhältnisse, Rechte und Verpflichtungen begründet werden können. Mit der Entmystifizierung der Gesamthand sei schließlich auch die Legende aufzugeben, als ob die Rechtsfigur der Gesamthand nur dem germanischen Recht eigen sei. Richtig sei die Entgegensetzung der Gesamthandsgesellschaft einerseits und der römischrechtlichen societas – als nur schuldrechtlicher Verbindung und – der communio andererseits. Das Gesamthandsprinzip als Prinzip der Handlungszuständigkeit und der Rechtszuständigkeit für eine Gesamtheit, die nicht als juristische Person verstanden wurde, sei auch dem römischen Recht eigen gewesen, und das prominenteste Beispiel für die Geltung des Gesamthandsprinzips im römischen Recht sei der populus romanus. 168 b) Beurteilung Die Lehre von Flume wurde im deutschen Schrifttum intensiv diskutiert. 169 Flumes These über die Anerkennung der Gruppe als eine zwischen den natürlichen und juristischen Personen stehende dritte Rechtsträgerkategorie hat breite Gefolgschaft gefunden und somit die Grundlage für das heute herrschende Verständnis der Personengesellschaften in der deutschen Lehre gelegt. 170 Dem Leser aus dem polnischen Rechtskreis fällt nach einem Blick auf die dogmatische Begründung der Konzeption von Flume auf, dass die hier am Anfang gestellte These, dass das polnische Schrifttum noch keine Lehre „der rechtsfähigen Personengesellschaften“ entwickelt hat, treffend ist. Für diese Untersuchung ist wichtig, dass Flume eine Erklärung des Wesens einer Personenhandelsgesellschaft vorgeschlagen hat. Dies ist, jedenfalls nicht in 167

Flume, Die Personengesellschaft, S. 98. Flume, Die Personengesellschaft, S. 62. 169 Vgl. die Besprechungen von Teichmann, Die Personengesellschaft, S. 475 ff.; R. Fischer, Neue, S. 251 ff. 170 Es reicht die Formulierung von Ulmer, Die Gesamthandsgesellschaft, S. 113, dass Flume mit seiner Lehre „die Köpfe – oder die Herzen (?) – der deutlichen Mehrzahl der Gesellschaftsrechtler eroberte“. Weitere Nachweise bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 196 ff.; bezüglich der OHG Staub / Habersack, § 124 Rn. 1 ff. 168

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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diesem Ausmaß, den anderen hier betrachteten Ansätzen nicht gelungen. Bemerkenswert ist Flumes methodische Vorgehensweise. Zunächst wurde das Wesen einer Gesamthandsgesellschaft erläutert, zusammen mit der Erklärung der Frage der Rechtsfähigkeit. Somit hat Flume anschaulich die verbandsrechtlichen von den vermögensrechtlichen Aspekten der Frage abgegrenzt, was im polnischen Schrifttum häufig nicht vorgenommen wird. Dann folgte eine klare Abgrenzung einer Gesamthandsgesellschaft von einem (wie auch Flume selbst betonte) vagen Begriff der juristischen Person durch eine Herausarbeitung der Strukturunterschiede beider Kategorien „überindividueller Wirkungseinheiten“. Was meines Erachtens den entscheidenden Unterschied zwischen der Konzeption von Flume und anderen Ansätzen ausmacht, ist die Frage der Methode. Anders als Wolter (teilweise gilt dies auch für John, obwohl seinem Ergebnis hier im Allgemeinen zugestimmt wird) hat Flume es unterlassen, einen Katalog von abstrakten Kompetenzen (Wolter) oder Attributen (John) aufzubauen, um später die der Rechtsordnung bekannten Organisationseinheiten diesem Katalog anzupassen – eine Aufgabe, die manchmal zu dubiosen (auch im Lichte der Vorteile für die Rechtsanwendung) Ergebnissen führen kann. 171 Die Lehre von Flume hat auch die von John gestellte Frage 172 („Person oder Personenzusammenschluss?“ oder „Person oder Noch-nicht-Person?“) nach der Stellung der Personengesellschaft mit der Formulierung „Person, die auf einem Personenzusammenschluss (Gruppe) beruht“ weitgehend beantwortet. Damit wurde die Personengesellschaft neben, aber nicht gegenüber, der juristischen Person eingeordnet. Im Lichte der Lehre von Flume entsteht ein klares Bild einer Gesamthandsgesellschaft: Ihrem Wesen nach ist sie rechtsfähig wie eine juristische Person. Von der juristischen Person unterscheidet sie ein immanentes Strukturelement – die Anlehnung an die Mitglieder, das jedenfalls für das Vorliegen bzw. Verneinen der Rechtssubjektivität der Gesamthandsgesellschaft nicht entscheidend ist. Indem Flume das Gesamthandsprinzip als personenrechtliches und nicht als vermögensrechtliches Regelungsprinzip versteht, schließt er die Möglichkeit aus, dass Gesamthandsgesellschaften auf der Grundlage eines gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens der Gesellschafter existieren können. 173 Die anschaulich ausformulierte Gesamthandslehre von Flume muss in der Diskussion über die Gesamthand im polnischen Gesellschaftsrecht berücksichtigt werden. 174 Zusätzlich muss sie auch der herrschenden Meinung im polnischen 171 Es besteht kein Zweifel, dass John und Wolter mit ihren Ansätzen eine vielleicht andere als Flumes Zielsetzung verfolgt haben. Allerdings waren sie auch verpflichtet, ihre „auf dem Weg zum Endergebnis“ erlangten Nebenbefunde zu rechtfertigen. 172 Wenn auch, chronologisch gesehen, die Arbeit von John später erschienen ist. 173 So Mülbert, Die rechtsfähige, S. 49. Die Ansicht, die Personenhandelsgesellschaft sei rechtsfähig, ihr Vermögen sei aber gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen der Gesellschafter wird im polnischen Schrifttum noch von einigen Verfassern vertreten (vgl. Erstes Kapitel § 1 C. IV. 1. b) cc) (2)).

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Schrifttum gegenübergestellt werden. Im Allgemeinen garantiert sie eine überzeugende Grundlage für weitere Untersuchungen. II. Die Personengesellschaft im französischen Recht 1. Einleitung

Nachdem ausgewählte Standpunkte in den Lehren der Personenhandelsgesellschaften in Polen und Deutschland untersucht wurden, folgt ein Blick auf das französische Recht der OHG. Im deutschen und polnischen Schrifttum wird die französische Rechtsordnung, üblicherweise als eine knappe Information ohne einen Anspruch, sich mit der dahinterstehenden Dogmatik vertraut zu machen, als Beispiel eines Systems genannt, in dem die Personengesellschaften Rechtspersönlichkeit besitzen. 175 Mit der Rechtspersönlichkeit, so wird häufig gesagt, sollen alle Unklarheiten der Personengesellschaften aufgeklärt werden und die Debatte über die Personifikation im Zivilrecht einem Ende zugeführt werden. Die Plausibilität solcher Aussagen muss im Wege der Untersuchung des französischen Schrifttums kritisch geprüft werden. 2. Die herrschende Lehre in Frankreich

Die gesetzliche Anerkennung der Rechtspersönlichkeit sämtlicher Gesellschaftsformen hat eine relativ kurze Geschichte. Erst seit 1966 176 sind nach den gesetzlichen Vorgaben alle Außengesellschaften, also Personen- (einschließlich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts) und Kapitalgesellschaften juristische Personen. Das Gesetz macht hierin keine Unterscheidung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften. 177 Vor dieser Gesetzesnovellierung wurde die Rechtspersönlichkeit der Personengesellschaften (sowie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts) durch 174 Sicherlich nicht geeignet dazu ist die Ansicht von Je˛drzejewska, Spółka, S. 522 ff., die davon ausgeht, dass einem Vermögen nicht die Rechtsfolgen der durch ihre „Eigentümer“ vorgenommenen Rechtsgeschäfte zugeschrieben werden können. Dazu notwendig ist die konstruktionelle Trennung der Gesellschaft von den Gesellschaftern. Weiterhin folgt der Hinweis auf die konstruktionellen Elemente der juristischen Person, welche die Anhänger der Lehre von den „unvollständigen juristischen Personen“ ausformuliert haben. Dieser Einwand beruht m. E. auf einem evidenten Missverständnis der Thesen von Flume. Da die Gesamthand als ein personenrechtliches Institut angesehen wird, braucht man diese relativen Kriterien nicht, um ihre Subjektivität zu begründen. 175 Vgl. z. B. eine Aufzählung der Länder, in denen den Personengesellschaften die Rechtspersönlichkeit zukommt, bei Moskwa, Ułomne, S. 20; K. Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft, S. 998. 176 Art. 5 la loi n o 66 –537 du 24 juillet 1966 sur les sociétés commerciales (D. 1966.265). 177 Vgl. Art. 1842 Code Civil („Les sociétés autres que les sociétés en participation (...) jouissent de la personnalité morale à compter de leur immatriculation“) sowie Art. L 210 –6 Code de Commerce („Les sociétés commerciales jouissent de la personnalité morale à

§ 1 Frage nach dem Wesen einer Personenhandelsgesellschaft

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die Rechtsprechung im 19. Jahrhundert anerkannt. 178 Die herrschende Lehre Anfangs des 20. Jahrhunderts hat diesen Standpunkt nach der zugrundeliegenden unverzichtbaren Vorstellung gebilligt, dass zwischen dem Vermögen und der Rechtssubjektivität eine notwendige Wechselwirkung bestehe: Lediglich natürliche und juristische Personen könnten Inhaber eines Vermögens sein. 179 Diese Ansicht ist uns aus der Diskussion vor dem Inkrafttreten des deutschen HGB bekannt. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass noch Anfang des 20. Jahrhunderts die Ansicht vertreten wurde, dass die französische OHG und KG dem deutschen Vorbild entsprechend auf dem Gesamthandsprinzip beruhen. 180 Selbst wenn diese Ansicht niemals die herrschende Lehre geworden ist, unterliegt es keinem Zweifel, dass die deutschrechtliche Gesamthandslehre im französischen Schrifttum bekannt und diskutiert wurde. 181 Angesichts der klaren gesetzlichen Aussage hat die moderne Lehre von diesbezüglichen Überlegungen Abschied genommen. Mag das Gesetz die Position der Personengesellschaften derjenigen von Kapitalgesellschaften im Hinblick auf ihre Rechtspersönlichkeit gleichstellen, wird in der Rechtslehre jedoch ausgeführt, dass diese formelle Gleichheit im Hinblick auf die unterschiedliche wirtschaftliche Verfassung verschiedener Gesellschaftsformen künstlich sei. Die Personengesellschaften könnten mit Blick auf ihre Rechtspersönlichkeit nicht den Kapitalgesellschaften gleichgesetzt werden. 182 Die Rechtspersönlichkeit der Personengesellschaften sei nicht vollständig losgelöst von den Personen ihrer Mitglieder im Hinblick auf die persönliche Haftung der Mitglieder. 183 Die Gesellschafter seien nur in beschränktem Ausmaß durch die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft „absorbiert“. 184 Es bestehe somit eine Wechselwirkung zwischen dem Ausmaß der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft und der persönlichen Gesellschafterhaftung – je umfassender die Rechtspersönlichkeit sei, umso weniger Möglichkeiten eines Zugriffs auf die Privatvermögen der Gesellschafter würden dementsprechend bestehen. 185 Mit dem letzen Satz verbunden ist auch die Überzeugung, dass die subsidiäre Gesellschafterhaftung für die Geselldater de leur immatriculation au registre du commerce et des sociétés. La transformation régulière d’une société n’entraîne pas la création d’une personne morale nouvelle. Il en est de même de la prorogation“) in Bezug auf die Handelsgesellschaften. 178 Lacour, Précis, S. 137. 179 Vgl. Aubry / Rau / Bartin, Cours, S. 573; Lacour, Précis, S. 147. Aus heutiger Sicht Simonart, La personnalité, S. 280; Guyon, Personnalité, S. 6. 180 Vor allem Saleilles, De la personnalité, S. 161 ff. Weitere Nachweise bei GuineretBrobbel Dorsman, La GmbH & Co. KG, S. 207 f. 181 Vgl. Lacour, Précis, S. 147, mit der Gesamthandslehre sympathisierend. 182 „Cette égalité juridique est artificielle face à la puissance économique très diverse des sociétés“, Guyon, Personnalité, S. 6. 183 Guyon, Personnalité, S. 6; Lamy, Sociétés commerciales, S. 2542; F. Derrida, Nom, S. 4: „la société en nom collectif a la personnalité morale, mais une personnalité atténuée, qui n’est pas complètement affranchie de celle des associés“. 184 Tyan, Droit, S. 416.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

schaftsverbindlichkeiten immerhin einen Ausfluss der Rechtspersönlichkeit der OHG darstelle, da die Gesellschaft als Haftungssubjekt im Vordergrund steht. 186 Die Ansichten, welche die Unterschiede zwischen der Rechtspersönlichkeit der Personen- und Kapitalgesellschaften hervorheben, nennen außer der Gesellschafterhaftung noch weitere Regelungen als Argumente. So können bei der OHG die Gesellschaftsanteile nur mit der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter übertragen werden. Diese Regel hat einen zwingenden Charakter („d’ ordre public“), so dass anderslautende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag unbeachtlich sind (Art. L 221 –13 Ccom). 187 Ferner erfordern die Gesellschafterbeschlüsse Einstimmigkeit, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht etwas anderes vor. 188 Vielmehr wird die OHG mit dem Tod oder dem Konkurs eines Gesellschafters aufgelöst, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag enthält eine abweichende Bestimmung für solche Fälle (vgl. Artt. L 221 –15, L 221 –16 Ccom). Darüber hinaus hat der Konkurs einer Personengesellschaft gleichzeitig den Konkurs einzelner persönlich haftender Gesellschafter zur Folge (Art. L 624 –1 Ccom). 189 Die genannten Regelungen sind sicherlich ein Nachweis der engen Anlehnung der OHG an die Personen der Gesellschafter. 190 Andererseits wird vertreten, dass die Rechtspersönlichkeit der OHG transparent sei (womit die persönliche Gesellschafterhaftung anschaulich zum Ausdruck gebracht wird), 191 wobei das Vorliegen bzw. das Fehlen der persönlichen Mitgliederhaftung lediglich auf der Ebene der Mittel des Drittschutzes bei einem einheitlichen Begriff der Rechtspersönlichkeit betrachtet werden müsse. Bei Personengesellschaften werde durch die Gesellschafterhaftung einfach der Gläubigerschutz gewährleistet, was bei Kapitalgesellschaften mit anderen Mitteln (Mindestkapital) erreicht werde. Während der Umfang der Rechtspersönlichkeit der OHG im französischen Recht noch diskussionsbedürftig erscheinen mag, besteht kein Zweifel daran, dass 185 F. Derrida, Nom collectif, S. 5; Chartier, L’évolution, S. 6; Gibirila, L’obligation, S. 626. 186 Vgl. Chartier, L‘évolution, S. 12; Julien, Observations, S. 846; rechtsvergleichend mit dem selben Ergebnis (deutsches HGB als Ausnahme) Simonart, La personnalité, S. 284. 187 Zu beachten ist dabei, dass im polnischen Recht das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter zu einer Anteilsübertragung im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden kann, so dass auch eine freie Übertragbarkeit der Anteile möglich sein kann (Art. 10 § 2 HGG). 188 F. Derrida, Nom collectif, S. 5. 189 Art. 624 –1 L Code de Commerce: „Le jugement qui ouvre le redressement ou la liquidation judiciaires de la personne morale produit ses effets à l’égard de toutes les personnes membres ou associées de la personne morale et indéfiniment et solidairement responsables du passif social. Le tribunal ouvre à l’égard de chacune d’elles une procédure de redressement judiciaire ou de liquidation judiciaire selon le cas“. 190 Hervorgehoben von F. Derrida, Nom collectif, S. 5. 191 Paillusseau, Le droit, S. 730; Jeantin, Droit, S. 202.

§ 2 Zwischenbilanz

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der Umfang der Rechtsfähigkeit aller Gesellschaftsformen gleich ist, und zwar unbeschränkt. 192 Die denkbaren Ausnahmen können sich aus den einzelnen Gesetzen bzw. aus der Natur der Sache ergeben, aber im Allgemeinen bestehen keine Unterschiede zwischen der Rechtsfähigkeit von Personen- und Kapitalgesellschaften. Vom Gesichtspunkt der Diskussion über die Stellung der OHG im gesamten Rechtssystem im polnischen Schrifttum aus, ist noch auf zwei Regelungen des französischen Rechts hinzuweisen. Anders als im polnischen Recht sind es die Gesellschafter einer OHG und nicht die Gesellschaft, welche die Eigenschaft eines Kaufmanns („qualité de commerçant“) ex lege kraft Beteiligung an der Gesellschaft haben (Art. L 221 –1 Ccom). 193 Entgegen der herrschenden polnischen Lehre, die der Zuerkennung einer Unternehmereigenschaft der Gesellschaft als solcher (Personenhandelsgesellschaften) bzw. den einzelnen Gesellschaftern (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) einen beachtlichen Wert in der Diskussion über die Rechtsfähigkeit einzelner Gesellschaftsformen beimisst, 194 zeigt sich am französischen Regelungsbeispiel, dass das (zum großen Teil von der Natur her öffentliche) Wirtschaftsrecht mit der Festlegung des Unternehmerbegriffs nichts mit der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit zu tun hat. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die „zivilrechtliche“ Rechtspersönlichkeit der Personengesellschaften in Frankreich nicht in das Einkommensteuerrecht übernommen wurde. Die Einkünfte der Personenhandelsgesellschaften werden nicht wie bei juristischen Personen besteuert, sondern lediglich die Gesellschafter individuell als selbstständige Kaufleute („commerçants individuels“). 195

§ 2 Zwischenbilanz A. Die Gesamthand im HGG I. Ausgangsfrage Nachdem die gesetzgeberischen Aussagen sowie einige Ansichten der Rechtslehre zur Rechtsnatur der Personenhandelsgesellschaft geschildert worden sind, muss eine zusammenfassende Stellungnahme erfolgen. Diese ist mit der Beantwor192 Aptitude de la société à être titulaire de droits, in: Lamy, Sociétés commerciales, S. 231. 193 Ripert / Roblot / Germain, Traité, S. 127. 194 Tendenziell z. B. Katner, Sytuacja, S. 13; Jasiakiewicz, Sytuacja, S. 83. 195 Vgl. Merle, Droit, S. 155. Speziell dazu Cozian, Images, Pos. 2817. Dieses Beispiel hat der polnische Gesetzgeber offensichtlich übersehen, als er Sorgen zum Ausdruck brachte, dass die Zuerkennung der Rechtspersönlichkeit der Personengesellschaften eine erhebliche Benachteiligung der Gesellschafter im Steuerrecht zur Folge hätte, vgl. Begründung, S. 46.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

tung der bereits aufgeworfenen Frage zu beginnen: Kennt das HGG das Prinzip der Gesamthand, auf dem die Personengesellschaften des germanischen Rechtskreises beruhen? Auf die Betrachtungsweisen in der polnischen Lehre hinsichtlich der Rechtsnatur einer Personenhandelsgesellschaft mit Blick auf die Geltung des Gesamthandsprinzips wurde bereits hingewiesen. Es liegt auf der Hand, dass die Rechtslehre diesbezüglich keine Klarheit erlangt hat. Die herrschende Lehre zum HGG geht davon aus, dass das HGG dieses Prinzip nicht kennt. 196 Die Personengesellschaft sei als solche rechtsfähig. Die Gesellschaft und nicht die Gesellschafter sei Rechtsträger. Das gesellschaftliche Vermögen gehöre der Gesellschaft und nicht den Gesellschaftern zur gesamten Hand. Gleichzeitig stehe dem Gesellschafter während des Bestehens der Gesellschaft kein Anteil am Vermögen der Gesellschaft zu. 197 Wird damit in der Tat die Existenz der Gesamthand im HGG verneint? Die nähere Betrachtung der modernen Gesamthandslehre in Deutschland, wie sie früher im Lichte der Konzeption von Flume dargestellt wurde, löst erhebliche Zweifel an der Überzeugungskraft der herrschenden Lehre in Polen aus. Das gesellschaftsrechtliche Schrifttum in Polen sieht die Gesamthand ausschließlich als ein vermögensrechtliches Prinzip an. 198 Betrachtet man die Gesamthand auf diese Weise, so schließt dies die Möglichkeit aus, die Gesamthandsgesellschaft als solche für rechtsfähig zu erklären. Von diesem Gesichtspunkt aus ist die repräsentative Ansicht von Sołtysi´nski verständlich, 199 wenn er keinen Raum nach dem HGG für ein Sondervermögen sieht. Die Polemik mit dem in der modernen deutschen Rechtslehre eher aufgegebenen Verständnis der Gesamthand als ein Sondervermögen der Gesellschafter, und der damit verbundene Hinweis auf die angeblich grundlegenden Unterschiede zwischen dem HGG und dem deutschen HGB, führt zum von Sołtysi´nski erwünschten Ergebnis. Auf der anderen Seite kann auf die von Sołtysi´nski vor dem deutschen Publikum vertretene Ansicht hingewiesen werden, dass die Regelung der Personengesellschaften im HGG der germanischen Tradition folge, nach der zwischen echten juristischen Perso196 Repräsentativ Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 9 – 10 (S. 111); Kidyba, Kodeks, S. 73 f. 197 Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 51 Rn. 9 (S. 327). 198 Dies wird auch eindeutig mit der Argumentation von Moskwa, Stosunek, S. 221; Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 9 –10 (S. 110 f.), sowie Moskwa, Ułomne, S. 19 f. nachgewiesen. Alle oben zitierten Verfasser verstehen unter der Gesamthand ausschließlich ein Sondervermögen der Gesellschafter. Dabei muss diesen Verfassern entgegengehalten werden, dass sie die Ergebnisse der mittlerweile in Deutschland herrschenden Lehre nicht berücksichtigen, obwohl sie die deutsche Literatur zur Unterstützung zahlreicher Argumente zitieren. 199 Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 9 – 10 (S. 110). Ihm folgend andere, z. B. Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 101; Kidyba, Kodeks, S. 31 f.; Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 44.

§ 2 Zwischenbilanz

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nen und sog. „unvollkommenen Rechtssubjekten“ unterschieden werde. 200 Diese Aussage steht im eindeutigen Widerspruch zu der kategorischen Ablehnung der Existenz des Rechtsinstituts der Gesamthand in der Regelung des HGG über Personenhandelsgesellschaften durch denselben Verfasser. Es liegt auf der Hand, dass Sołtysi´nski das Fehlen von Konsequenz in seinen Ansichten vorgeworfen werden kann. Es scheint, dass die gegenseitig widersprüchlichen Aussagen von Sołtysi´nski ein zusätzliches Argument für die in dieser Arbeit vertretene These darstellen, dass die OHG im Lichte des HGG auf dem Prinzip der Gesamthand beruhe. Aus der Perspektive der oben angedeuteten Meinungsverschiedenheiten, zwischen der deutschen und polnischen Lehre, ist die Gegenüberstellung der Ergebnisse der herrschenden Lehre im polnischen Schrifttum mit denjenigen der modernen deutschen Gesamthandslehre im Gesellschaftsrecht wegweisend. Die Frage der Rechtsfähigkeit der OHG im deutschen Recht wurde früher in ausreichendem Ausmaß erörtert. Es folgt nun ein Blick auf die Problematik der Vermögenszurechnung, die anscheinend beide Rechtsordnungen unterscheidet. Nach dem Standpunkt der modernen deutschen Gesamthandslehre gehöre das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft und ausschließlich ihr. 201 Einen Anteil an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen habe der Gesellschafter entgegen dem Wortlaut des 719 Abs. 1 BGB 202 nicht, genau genommen nicht einmal einen „Anteil an dem Gesellschaftsvermögen“, von dem in § 719 Abs. 1 BGB die Rede sei. 203 Der – selbstverständlich vorhandene – Gesellschaftsanteil des einzelnen Gesellschafters habe, genau genommen, überhaupt keine dingliche Berechtigung am Gesellschaftsvermögen zum Inhalt. Er sei, bezogen auf das Gesellschaftsvermögen, lediglich „Wertanteil“, dessen Höhe durch das Verhältnis 200 „Zwar sahen die Ausgangsüberlegungen des Gesetzesentwurfs, die 1997 veröffentlicht wurden, vor, allen Handelsgesellschaften nach französischem Muster den Status einer juristischen Person zu verleihen, jedoch sprachen sich die Mehrheit der Mitglieder des Gesetzgebungskomitees und verschiedene Kommentatoren für die germanische Tradition aus, nach der unterschieden wird zwischen echten juristischen Personen und sog. „unvollkommenen Rechtssubjekten““, Sołtysi´nski, Die Partnerschaftsgesellschaft, S. 930. 201 Schlegelberger / K. Schmidt, § 124 Rn. 11; derselbe, Die BGB-Außengesellschaft, S. 998 m.w. N. Abgesehen von Flume, Personengesellschaft, der bereits zitiert wurde, wurde diese Auffassung auch von Reinhardt, Gesellschaftsrecht, S. 88, vertreten: „Auch das Vermögen der OHG pflegt man wie das der BGB-G als „Gesamthandsvermögen“ zu bezeichnen, um damit auf der einen Seite zum Ausdruck zu bringen, dass es sich um ein zugunsten der Gesellschaft abgesondertes Vermögen handele, zugleich aber auch um zu vermerken, dass die „eigentlichen“ Rechtsträger dennoch die (allerdings jeder individuellen Verfügungsmacht über die Vermögensgegenstände beraubten!) einzelnen Gesellschafter seien. Diese Aussage befriedigt nicht. Das Gesellschaftsvermögen ist in Wahrheit Vermögen der unter einer bestimmten Zweckbindung organisierten Gesamtheit, und d. h. Vermögen der mit dem Begriff Gesellschaft gekennzeichneten übergeordneten Einheit“. 202 Kernpunkt der Argumentation von Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 9 – 10 (S. 110 f). 203 K. Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft, S. 998.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

der so genannten Kapitalanteile bestimmt wird, die richtigerweise überhaupt keine „Anteile“, sondern nur durch Kapitalkonten erfassbare Rechnungsgrößen seien. Gesellschaftsanteil an der Personengesellschaft sei nichts als die Mitgliedschaft in dem rechtsfähigen Verband. 204 Sie sei Verfügungsgegenstand, wenn der Anteil an einer Personengesellschaft übertragen werde. Geht man von diesem Verständnis der Vermögenszuordnung in einer Personengesellschaft aus, so entfällt der grundsätzliche Unterschied zwischen beiden Betrachtungsweisen. Wir kehren wieder zum Phänomen der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft zurück, welches uns seit der „Begegnung“ mit Flume in dieser Untersuchung ständig verfolgt. Diesbezüglich muss festgestellt werden, dass die Mitgliedschaft in der OHG nach dem HGG ihrer Ausgestaltung nach der Mitgliedschaft in der OHG nach dem deutschen Recht vergleichbar ist. 205 Sieht man daher mit Flume die Gesamthand als ein personenrechtliches und nicht als ein vermögensrechtliches Regelungsprinzip an, so bemerkt man sofort, dass „die Polemik mit der Gesamthand als Vermögensprinzip“, welche die herrschende Lehre zum HGG derart beschäftigt, zu keinem vernünftigen Befund für das Verständnis dieses zivilrechtlichen Institutes führt sowie nicht zur Klärung der Rechtslage nach dem HGG beiträgt. Es besteht daher kein Zweifel, dass die polnische Rechtslehre den Streit um die Verneinung der als Sondervermögen begriffenen Gesamthand überhaupt nicht braucht – es handelt sich dabei um eine Fehlentwicklung. Bleibt man bei dieser Betrachtungsweise, so kann sich der Streit um die Gesamthand im HGG fortsetzen. 206 Der Umstand, dass das HGG das Gesamthandsprinzip kennt, kann nicht dadurch verdeckt werden, dass man mit der herrschenden Lehre das traditionelle Verständnis der Gesamthand ablehnt und das personalistische Verständnis der Gesamthand in der Diskussion nicht berücksichtigt. II. Das vermögensrechtliche und personalistische Verständnis der Gesamthand Die Gegenüberstellung der herrschenden polnischen Lehre zur Rechtsnatur der Personengesellschaften sowie des personalistischen Verständnisses der Gesamthand hat die Annahme bestätigt, dass sich das polnische Modell einer Personengesellschaft eben auf dem Gesamthandsprinzip gründet. Somit kann man behaupten, dass die Beantwortung der Frage nach der Rechtssubjektivität der Per204

Auch Huber, Rechtsfähigkeit, S. 126. Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 10 Rn. 1 f. (S. 121 f.); Art. 50 Rn. 8 f. (S. 327), geht in seiner Kommentierung der Mitgliedschaft in der OHG weitgehend auf die Befunde der deutschen Lehre zurück. 206 Der Einwand gilt für Anhänger beider Meinungen, Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 9 –10 (S. 110 f.), einerseits, Moskwa, Stosunek, S. 221, andererseits. 205

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sonenhandelsgesellschaft vom bevorzugten Verständnis der Gesamthand abhängt. Mit Blick auf die folgenden Überlegungen zur Haftungsverfassung in der OHG sind die Folgen beider Ansätze, der klassischen „Sondervermögens-Lehre“ sowie der „Gruppen-Lehre“, für das Auftreten der Gesellschaft im Rechtsverkehr sowie ihre Haftungsverfassung zu analysieren. Aufgrund dieser Überlegung wird man einem dieser Interpretationsvorschläge den Vorzug geben müssen. Auf den ersten Blick handelt es sich lediglich um die folgende Aussage: Rechtsund schuldenfähig sei die Gesellschaft (auch wenn sie als „Gruppe“ der Gesellschafter verstanden werden kann) oder die echten Rechtsträger (und Pflichtsubjekte einer Gesellschaftsschuld) seien die Gesellschafter, die lediglich unter einer gemeinsamen Firma zusammen auftreten. Setzt das Gesamthandsvermögen das Vorhandensein eines Personenverbands als besondere Rechtsperson voraus und kennzeichnet die Zuordnung des ihm gewidmeten oder durch sein Auftreten im Rechtsverkehr erworbenen Vermögens zur Gesellschaft, oder umgekehrt, bildet das Gesamthandsvermögen nur die Grundlage für die Einheitlichkeit der Gesellschaft und damit den logischen Prius der Gesamthand? 207 Für die OHG soll diese Streitigkeit unter Berücksichtigung des Art. 8 § 1 HGG (§ 124 dt. HGB) entschieden werden, nach dem der Gesellschaft die Fähigkeit zukommt, „Rechte erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“. Für Flume hat diese Vorschrift zwar eine deklaratorische Bedeutung, weil jede Gesamthandsgruppe, d. h. die Gruppe, für welche das Gesamthandsprinzip gilt (darunter auch die OHG), soweit sie zum Rechtsverkehr zugelassen sei, für sich, d. h. für die Gruppe, die Personengemeinschaft, „Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (...)“ könne. 208 Die jüngste Lehre, welche die Gruppen-Lehre in das positive Recht noch stärker integrieren will, basiert vornehmlich auf der Annahme, dass das Gesetz für die OHG mit Art. 8 § 1 HGG (§ 124 dt. HGB) eine klare Antwort zugunsten deren Rechtsfähigkeit gegeben hat. Danach sei diese gesetzgeberische Aussage „von überzeugender Einfachheit“ beim Wort zu nehmen und so sei die OHG als solche rechtsfähig, auch wenn sie keine juristische Person sei. 209 Die klassische Theorie betrachtet das Problem vor dem Hintergrund der These, dass lediglich die natürlichen und juristischen Personen rechtsfähig sein können. Die juristische Person wird danach als eine Denkfigur betrachtet, die verständlich machen soll, wieso das Verbandsvermögen den Mitgliedern nicht persönlich zusteht und trotzdem nicht herrenlos ist, wieso die Verbandsschulden die Mitglieder nicht persönlich treffen und trotzdem auf einen bestimmten Schuldner bezogen sind und wieso das Handeln der Verbandsorgane nicht ihnen persönlich, sondern dem 207

Um die Formulierung von Staub / Ulmer, § 105 Rn. 41, zu übernehmen. Flume, Die Personengesellschaft, S. 69. 209 Statt vieler K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1363 f. An anderer Stelle gibt er im Anschluss an Flume allerdings zu, dass § 124 dt. HGB lediglich eine deklaratorische Bedeutung zukomme, vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, § 124 Rn. 1 f. 208

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Verband als solchem zugerechnet werden kann. 210 Ist die Personenvereinigung eine juristische Person, so ist sie für die Rechtsordnung eine „andere“ Person als ihre Mitglieder. Ist die Personenvereinigung nicht rechtsfähig wie z. B. die OHG nach dieser Theorie, so ist sie im Verhältnis zu ihren Mitgliedern keine andere Person, sondern mit den Mitgliedern identisch. Im Hinblick auf Art. 8 HGG (§ 124 dt. HGB) wird ausgeführt, dass das Institut des Gesamthandvermögens durch die Einrichtung der Gesamthandsfirma sowie des Gesamthandprozesses ergänzt wird. Diese Vorschrift enthält nur eine Vervollkommnung des Gesamthandsprinzips. 211 Eine Konsequenz dieser These ist die Betrachtung des Art. 8 HGG (§ 124 dt. HGB) als eine Art gesetzliche Fiktion, welche nichts daran ändert, dass „eigentlich“ allein die Gesellschafter Träger aller Rechte und Pflichten sind. Vom Hintergrund dieser Fiktion aus wird vertreten, dass das Gesetz die OHG in mehrfacher Hinsicht den mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Körperschaften annähere, vor allem die Handlungsfähigkeit im Außenverhältnis und der Grad der organisatorischen Verfestigung würden auffällige Parallelen zeigen. 212 III. Praktische Relevanz des Streits um das Wesen der Gesamthandsgesellschaft 1. Die Folgen des Meinungsstreits für das Auftreten der OHG im Rechtsverkehr

Dieser Theorienstreit hat nicht nur theoretische Relevanz, sondern auch praktische Konsequenzen. Selbst wenn einige Vertreter der klassischen Lehre behaupten, dass mit der Verneinung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft nicht allzu viel gewonnen sei, 213 kann man ihren Ansichten allerdings entnehmen, dass sie die logischen Ergebnisse der Gruppen-Lehre mit dem Argument „der Fiktion des Gesetzes für das Außenverhältnis“ erreichen. So wird behauptet, dass aus der Verneinung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft darauf zu schließen ist, dass die Vorschriften über juristische Personen 214 grundsätzlich nicht anwendbar seien. Doch gelte dies nicht ausnahmslos, weil die starke Verbundenheit der Gesellschafter und das geschlossene Auftreten nach außen mit sich bringen würden, dass eine analoge Anwendung einzelner Vorschriften des Rechts der juristischen Person denkbar sei (vor allem der Regeln zur Organhaftung, dazu im Folgenden). 215 Trotz solcher Aussagen löst die These von der (fehlenden) Rechtsfähigkeit der Gesellschaft beachtliche Konsequenzen aus, die im Folgenden zu schildern sind. 210 211 212 213 214 215

Huber, Vermögensanteil, S. 96. Huber, Vermögensanteil, S. 97. In diesem Sinne Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 66. Hueck, Das Recht, S. 33. In Deutschland §§ 21 BGB ff. Hueck, Das Recht, S. 33.

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Zunächst ist die Folge der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft eine ausschließliche Zuständigkeit der Gesellschaftsorgane (vertretungsbefugter Geschäftsführer) für Rechtshandlungen der Gesellschaft und Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen. Die klassische Theorie geht hingegen davon aus, dass die Rechtszuständigkeit für das Gesellschaftsvermögen durch § 124 dt. HGB nicht berührt werde: Es stehe unmittelbar den gesamthänderisch verbundenen Gesellschaftern und nicht einem von ihnen völlig losgelösten Rechtssubjekt zu, welches die Rechtsordnung bei den rechtsfähigen Personenvereinigungen als eigenständigen Anknüpfungspunkt für Rechte und Pflichten zwischen das Gesellschaftsvermögen und die einzelnen Gesellschafter schiebt. 216 Ferner zeigt sich ein bedeutender Unterschied in den Konsequenzen beider Theorien darin, dass nach der personalistischen Lehre das rechtsgeschäftliche Handeln des Geschäftsführers als organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft nicht zur Verpflichtung der Gesellschafter persönlich führt, sondern zur Verpflichtung der Gesellschaft, eines rechtsfähigen Zuordnungsobjekts von Rechten und Verbindlichkeiten. Die klassische Lehre sieht dagegen den geschäftsführenden Gesellschafter als Vertreter aller Gesellschafter und somit auch von sich selber an, dessen Handlung die Gesellschafter direkt bindet. 217 Darüber hinaus erweist sich die Relevanz dieser Streitigkeit vor allem bei Veränderungen der Rechtsform der Gesellschaft. Diejenigen, welche die OHG als eine rechtsunfähige Gemeinschaft ansehen, betrachten eine formwechselnde Umwandlung der OHG in eine Kapitalgesellschaft als eine Neugründung und eine rechtsgeschäftliche Übertragung des Vermögens von der bisherigen auf die neue Gesellschaft. Es handelt sich danach um eine Gesamtrechtsnachfolge und nicht um identitätswahrenden Formwechsel. 218 Diese Auffassung hatte nach deutschem Umwandlungsrecht von 1969 sowie nach dem polnischen HGB von 1933 ohne Zweifel eine gesetzliche Stütze, da der Gesetzgeber davon ausging, dass das Gesellschaftsvermögen bei der Personengesellschaft nicht dieser selbst gehöre, sondern den Gesellschaftern, weshalb ein Formwechsel zwischen OHG- und Kapitalgesellschaftsform (jetzt § 191 dt. UmwG, Art. 551 § 1 HGG) aus rechtssystematischen Gründen nicht in Betracht kam. 219 Dagegen sehen die Anhänger der These von der Rechtssubjektivität der Gesellschaft die Umwandlung einer Personenhandelsge216

Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 66 f. Vgl. Moskwa, Stosunek, S. 31 ff. 218 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 67. Nach Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 351, lässt das deutsche UmwG von 1994 für die OHG und KG in §§ 214 –225 UmwG den Rechtsformwechsel zu einer AG, KGaA, GmbH im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge zu. 219 Begr. RegE UmwG, BT-Drucks, V/3165, S. 8 f., vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1363. Nach dem Umwandlungsgesetz von 1969 war eine Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft nur im Wege der Universalsukzession als „übertragende Umwandlung“ möglich (§§ 40 ff. UmwG). Das polnische HGB erlaubte nur die Umwandlung einer GmbH in eine AG und umgekehrt (Art. 491 ff.). 217

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

sellschaft in eine Kapitalgesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz von 1994 als einen identitätswahrenden Formwechsel an. 220 Eine OHG oder KG kann danach ohne Verlust ihrer Identität und ihres Vermögens zur AG oder GmbH werden und umgekehrt. In einer auf Stimmigkeit bedachten Rechtsordnung könne dies vernünftigerweise nur bedeuten, dass die Gesellschaft, nicht die Gesellschafter, Rechtsträgerin sei. 221 Erheblich Unterschiede zwischen beiden Theorien zeigen sich bei der Besitzproblematik bei der OHG. Auch diese spezielle Frage wird mit dem Hinweis auf das richtige Zurechnungssubjekt beantwortet. Die Frage lautet hier, wem die Ausübung der tatsächlichen Herrschaft hinsichtlich der Gesellschaftsgegenstände zuzurechnen ist – der Gesellschaft oder den Gesellschaftern. 222 Die klassische Lehre geht davon aus, dass es sich um einen gesamthänderischen Mitbesitz handelt, bei welchem die tatsächliche Herrschaft von mehreren (Gesellschaftern) nur gemeinsam ausgeübt werden kann. 223 Dem gesamthänderischen Mitbesitz stehe der „schlichte“ Mitbesitz gegenüber, bei dem jeder der Mitbesitzer die Sachherrschaft hat. Die Ausübung des Besitzes wird nach diesem Gedankenmodell auch den Gesellschaftern zugerechnet. 224 Dieses anscheinend einfache Schema wird kompliziert, sobald bestimmte Gesellschafter von der Geschäftsführung in der Gesellschaft ausgeschlossen sind und deshalb keine tatsächliche Gewalt ausüben. Für diesen Fall wurden zwei Ansätze vorgeschlagen. Die eine Lösung betrachtet die nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter als lediglich mittelbare Besitzer, während den geschäftsführungsbefugten Gesellschaftern der unmittelbare Besitz zustehe. 225 Die Möglichkeit, dass den nicht geschäftsführenden Gesellschaftern die Ausübung des Besitzes durch die geschäftsführenden Gesellschafter zugerechnet wird, besteht aber nicht. Nach der zweiten Lösung soll keine Unterscheidung der besitzrechtlichen Stellung mit Blick auf die Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter vorgenommen werden. Die geschäftsführenden Gesellschafter üben 220 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 202; Raiser, Gesamthand, S. 495 f.; Mülbert, Die rechtsfähige, S. 56. 221 Ibidem. 222 Flume, Die Personengesellschaft, S. 78. 223 Entwickelt von Wolff, Lehrbuch, S. 154. Gesamthänderischer unmittelbarer Besitz liegt danach vor bei dem Mitbesitz unter Verschluss, der nur gemeinsam von den Mitbesitzern geöffnet werden kann, oder wenn ein Besitzdiener für die Ausübung der tatsächlichen Herrschaft nur den gemeinsamen Weisungen der Mitbesitzer zu folgen hat. Mittelbarer Gesamthandsbesitz soll vorliegen, wenn der unmittelbare Besitzer die Sache nur an sämtliche Mitbesitzer gemeinsam herausgeben darf. Im Prinzip zust. Huber, Vermögensanteil, S. 112. 224 Vgl. Huber, Vermögensanteil, S. 112. 225 Baur, Lehrbuch, S. 61; Huber, Vermögensanteil, S. 113. Nach dieser Ansicht besteht zwischen dem nichtgeschäftsführenden und dem geschäftsführenden Gesellschafter dasselbe besitzrechtliche Verhältnis, wie zwischen zwei Miteigentümern, von denen der eine dem anderen seinen Anteil vermietet hat.

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den Besitz auch für die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter aus, was zur Folge hat, dass der Besitz der Gesamtheit der Gesellschafter zuzurechnen ist, und nicht den einzelnen Gesellschaftern. 226 Den Befürwortern der letzten Ansicht wurde vor dem Hintergrund der These von der Rechtsunfähigkeit der Gesellschaft vorgeworfen, dass es sich um eine Übertragung der „Organtheorie“ auf die Verhältnisse der Personengesellschaft handelt. 227 Diesen Einwand muss man als zutreffend ansehen. Die zweite Ansicht beinhaltet ein Bekenntnis zu der Besitzträgerschaft der Gesellschaft als solche. Auch in Übereinstimmung mit dem Ansatz der Gruppenlehre ist die Personengesellschaft – der juristischen Person vergleichbar – als solche Besitzer. Infolge der eigenen Rechtssubjektivität der Gesamthandsgesellschaft ist es nicht notwendig, neben der Gesellschaft als Besitzer auch die einzelnen Gesellschafter als Mitbesitzer anzusehen. 228 Der Besitz werde für die Gesellschaft durch den geschäftsführenden Gesellschafter ausgeübt, wobei der für die Gesellschaft die tatsächliche Besitzherrschaft ausübende Gesellschafter dem Organ einer juristischen Person für die Frage der Zurechnung des Besitzes gleichzustellen sei. 229 Die Relevanz dieser Meinungsverschiedenheit zeigt sich bei Erörterung der Entstehungsvoraussetzungen der an den Besitz als Tatbestand geknüpften Rechte bzw. der mit dem Besitz verbundenen Verpflichtungen. Mit Blick auf die Ansprüche, die sich gegen die Gesellschaft als Besitzer richten können, ist vor allem auf Art. 222 und Art. 224 ff. ZGB hinzuweisen, nach denen der Besitzer zur Herausgabe der Sache bzw. der Nutzungen oder zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die Verneinung der Besitzereigenschaft der Gesellschaft durch die klassische Lehre hat zur Folge, dass die untengenannten Vorschriften des ZGB sich nicht anwenden lassen. 230 Die Gesellschaft kann nach Artt. 222, 224 ff. ZGB nur in Anspruch genommen werden, wenn die Ansprüche ihr gegenüber originär entstehen, d. h. wenn die Gesellschaft selbst als Besitzerin angesehen wird. Nimmt man den Besitz der Gesellschafter an, so käme man nicht zur Haftung der Gesellschaft nach Artt. 222, 224 ff. ZGB. 231 Hinsichtlich dieser Vorschriften erscheint es offensichtlich, dass ohne die Annahme eines Besitzes der Gesellschaft keine vernünftige Lösung 226 227 228

Steindorff, Besitzverhältnisse, S. 151. Krit. Huber, Vermögensanteil, S. 113. So aber Schünemann, Grundprobleme, S. 271; krit. Flume, Die Personengesellschaft,

S. 86. 229 Steindorff, Besitzverhältnisse, S. 151 f.; zust. Flume, Die Personengesellschaft, S. 78; Schlegelberger / K. Schmidt, § 124 Rn. 13. 230 Flume, Die Personengesellschaft, S. 84, meint, dass die Zuständigkeit der Gesellschaft für den Besitz so erklärt werden müsste, dass die auf der Grundlage des Besitzes der einzelnen Gesellschafter entstehenden Rechte kraft irgendeiner Transsubstantiation als Teil des Gesamtvermögens auf die Gesellschaft übergehen. Hinsichtlich der Verpflichtungen, die an den Besitz geknüpft sind, ist aber ein solcher Übergang auf die Gesellschaft sicher nicht möglich.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

zu finden ist. Ohne Zurechnung des Besitzes an die Gesellschaft bestände keine Haftung der Gesellschaft als auch keine Haftung der nicht geschäftsführenden Gesellschafter, da bei der OHG die Haftung nach 22 § 2 HGG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, nicht aber für solche der anderen Gesellschafter besteht. Die Vorteile der Gruppenlehre zeigen sich auch dann, wenn die Voraussetzungen der Entstehung der an den Besitz geknüpften Rechte untersucht werden. Damit der Gesellschaft die Rechte nach z. B. Artt. 172, 343, 344 ZGB zustehen können, wird vorausgesetzt, dass sie selber als berechtigter Besitzer angesehen wird. Nimmt man mit der klassischen Lehre den unmittelbaren Mitbesitz aller Gesellschafter an, besteht kein Besitz der Gesellschaft, was zur Folge hat, dass die Gesellschaft die genannten Ansprüche nicht geltend machen kann. Um diesen Zweck zu erreichen, muss der Besitz selbst, d. h. die tatsächliche Herrschaft, alleine der Gesellschaft zugerechnet werden. 232 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die klassische Lehre mit der Verneinung der Besitzereigenschaft der Gesellschaft erlaubt, dass sich der Gesellschafter, der bei der Geschäftsführung den unmittelbaren Besitz erworben hat, gegen die Entziehung des Besitzes durch Dritte, aber auch durch Mitgesellschafter, mit den Mitteln der possessorischen Klage (Art. 344 ZGB) und der Selbsthilfe (Art. 343 ZGB) zur Wehr setzen kann. 233 Dieses mit Blick auf die Verhältnisse in der Gesellschaft zweifelhafte Ergebnis lässt die Gruppenlehre nicht zu, da nach ihrem Ansatz ein geschäftsführender Gesellschafter den Besitz niemals für sich, sondern ausschließlich für die Gesellschaft ausübt. Schließlich ist die allgemeine Aussage über die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft auch für die Lösung spezifischer Fragen von Bedeutung. So verhindert beispielsweise das begriffliche Argument, dass die Personengesellschaft rechtsunfähig sei, anzuerkennen, dass die Gesellschaft sich als solche an der Gründung einer GmbH oder Genossenschaft beteiligen kann (oder die Mitglieder der GmbH einzelne Gesellschafter sind, und nicht die Gesellschaft), dass sie selbst wechsel- oder scheckfähig sein kann, wie dies in der deutschen Rechtsprechung über Jahre streitig war. 234 Vielleicht sind solche Fragen nicht immer in begriffsjuristischer Weise mit dem Hinweis auf die „Rechtsfähigkeit“ der Gesellschaft zu entscheiden, weil spezifische Gründe des GmbH-Rechts oder des Wechsel- und Scheckrechts (oder 231 So in Bezug auf die vergleichbaren Vorschriften des BGB (§§ 985, 987 ff.) Flume, Die Personengesellschaft, S. 84. 232 Flume, Die Personengesellschaft, S. 83. 233 Huber, Vermögensanteil, S. 113, lässt sogar die Möglichkeit zu, dass diese Schutzwirkung des Besitzes auf die Erben übergeht (§ 857 BGB), auch wenn die Erben nicht Gesellschafter oder wenigstens nicht geschäftsführungsbefugte Gesellschafter geworden seien, krit. Steindorff, Besitzverhältnisse, S. 166; Flume, Die Personengesellschaft, S. 82. 234 Vgl. zur langdauernden Ablehnung der Mitgliederfähigkeit der OHG durch deutsche Gerichte Staub / Ulmer, § 105 Rn. 94; allgemein Huber, Rechtsfähigkeit, S. 126.

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anderer Rechtsgebiete) bestehen könnten, die es verhindern, dass die Personengesellschaft gerade diese spezielle Position einnehmen kann. Im Regelfall hängen aber beachtliche Konsequenzen von der Beantwortung der Frage ab, wer die Partei eines Rechtsverhältnisses ist, die Gesellschaft als solche (Gruppen-Lehre) oder „die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit“ (Sondervermögenslehre). 2. Die Folgen des Meinungsstreites für die Haftungsverfassung der OHG

Erhebliche Bedeutung hat die analysierte Kontroverse für das Schuldmodell in der OHG. Gesellschaftsschulden im engeren Sinne kann es nur geben, wenn die Gesellschaft „rechtsfähig“ ist, also Trägerin von eigenen Verbindlichkeiten. Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft hat zur Folge, dass die Gesellschafterhaftung ein Einstehen für eine fremde Schuld ist: Zur Verbindlichkeit der Gesellschaft tritt eine Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters hinzu, für die er mit dem Privatvermögen einzustehen hat. 235 Diejenigen, welche die Personengesellschaft als eine unrechtsfähige Personengemeinschaft begreifen und somit den Begriff der Gesamthand am Gesamthandsvermögen orientieren, sehen die Verbindlichkeit der Gesellschaft und die persönliche Verpflichtung der einzelnen Gesellschafter als identisch an („Identität“, „Einheit“). 236 Die Gesellschaftsschulden seien demnach nichts anderes als gemeinschaftliche Schulden der Gesellschafter, welche die Gesellschafter bei der Verfolgung des Gesellschaftszwecks eingehen. Ihre Besonderheit als Gesellschaftsschulden bestehe lediglich darin, dass das Gesellschaftsvermögen als Sondervermögen für sie eine Haftungsmasse sei. 237 Das Privatvermögen der Gesellschafter sei demzufolge ein zusätzliches Haftungssubstrat, da die Gesellschafter nicht neben der Gesellschaft, sondern bloß mit verschiedenen Vermögensmassen haften. 238 Beide Arten der Schuldzurechnung, 235

Flume, Die Personengesellschaft, S. 314 f. Vgl. Düringer / Hachenburg / Flechtheim, Kommentar, § 128 Rn. 16; Staub / Pinner (14. Aufl., 1932), § 128 Rn. 1; Schlegelberger / Geßler, (4. Aufl., 1963), § 128 Rn. 32; Huber, Vermögensanteil, S. 80; Kornblum, Die Haftung, S. 116 f., Büchner, Gesellschaftsschuld, S. 489; zuletzt noch Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 66 f. Genauso die ältere Rechtsprechung des BGH, vgl. BGH v. 01. 02. 1952 (I ZR 123/50), BGHZ 5, S. 37; BGH v. 16. 02. 1961, BGHZ 34, S. 293. Im polnischen Schrifttum Grzybowski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 815 f.; zuletzt Moskwa, Stosunek, S. 194 ff. 237 Buchner, Gesellschaftsschuld, S. 622; Huber, Vermögensanteil, S. 86. 238 Huber, Vermögensanteil, S. 70: „obwohl das materielle Recht nur von zwei getrennten Haftungsmassen und nicht zwei getrennten Schuldnern spricht, unterscheidet es auch neben den Gesamtschulden der Gesellschafter auch „Gesamthandsschulden“ im Hinblick darauf, dass es eine besondere Klage gegen die Gesellschaft und ein besonderes Konkursverfahren gibt. Die Unterscheidung zwischen der „Gesamthandsschuld“ der Gesellschaft und der „Gesamtschuld“ der Gesellschafter geht letztlich nur auf einen verfahrensrechtlichen Grund zurück“. 236

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

entweder eine Verbindlichkeit mit regelmäßig zwei Haftungsobjekten (klassische Lehre) oder zwei Verbindlichkeiten mit getrennten, dem jeweiligen Schuldner zugeordneten Haftungsobjekten (Gruppen-Lehre), haben erhebliche Wirkungen im Hinblick auf die Einzelfragen der Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung in der OHG zur Folge. Dies zeigt sich besonders deutlich daran, dass vor dem Hintergrund der Sondervermögenslehre dogmatische Probleme mit Blick auf die Zulässigkeit der Verpflichtungen entstehen, in denen ein Gesellschafter als Interzedent der Gesellschaft auftritt. Von der „Identitätslehre“ ausgehend, hat die schweizerische Rechtsprechung den Schluss gezogen, dass die Verbürgung von Gesellschaftsschulden durch die Gesellschafter ausgeschlossen sei, weil die Bürgschaft ihrem Begriff nach Übernahme der Haftung für eine fremde Schuld bedeute. 239 Möge auch diese Gesellschafterhaftung subsidiär sein (Art. 568 schweiz. OR), so vermöge dies nichts daran zu ändern, dass keine andere vom Rechte anerkannte Person als Träger der Gesellschaftsverbindlichkeiten vorstellbar sei als die Gesellschafter selbst. Die Streitfrage wurde schließlich mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Solidarbürgschaft des Gesellschafters durch die Revision des Obligationenrechts zugunsten der Zulässigkeit der Bürgschaft entschieden. 240 Die Verfechter der „Identitätslehre“ haben jedoch weiterhin eingewandt, dass die Zulassung der Bürgschaft in der Tat dem Grundsatz widerspreche, dass die Bürgschaft Übernahme der Haftung für eine fremde Schuld sei, während Haftung des Gesellschaftsvermögens und Haftung des Gesellschafters das gleiche Schuldverhältnis betreffen würden. 241 Wenn auch die Stellung des schweizerischen Gesetzgebers zur Not damit gerechtfertigt wurde, dass der Gesellschafter durch Bürgschaft die Haftung für die Mitgesellschafter verstärken kann, blieb für die damalige schweizerische Lehre der Einbruch in die Grundsätze des Bürgschaftsrechts bestehen. Die Zweifel an der Zulässigkeit einer Bürgschaft eines Gesellschafters, die für die Praxis ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft darstellt, veranschaulichen eine andere – mit der eben angesprochenen Frage eng zusammenhängende – Folge der „Identitätslehre“. Die Erfüllung der „Gesellschaftsschuld“ durch einen Gesellschafter ist danach keine Fremdleistung (eines Dritten), so dass keine cessio legis stattfinden kann, die nach der Gruppen-Lehre zu bejahen ist. Die Grundlage des Regresses eines Gesellschafters wäre danach nicht Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB, der ein Einstehen für eine fremde Schuld voraussetzt, sondern lediglich Art. 376 § 1 ZGB, der den Ausgleich unter Gesamtschuldnern regelt. 242 239 BG v. 16. 12. 1920, BGE 46 II, S. 471 ff., ähnlich die deutsche Rechtsprechung, RG v. 19. 01. 1933 (Rep. IV. 390/32), RGZ 139, S. 252. 240 Vgl. die Revision des Obligationenrechts v. 1936, Nachweise bei Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 35. 241 Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 35 ff.

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Darüber hinaus zeigen sich die Konsequenzen der „Identitätslehre“ sehr anschaulich bei der Erörterung der Zulässigkeit des Erlasses der Gesellschaftsschuld unter gleichzeitigem Vorbehalt der Gesellschafterhaftung. 243 Geht man von der Schuldenidentität mit zwei verschiedenen Vermögensmassen aus, so kann man zu Recht behaupten, dass der Erlass der Gesellschafterschuld unter Vorbehalt der Gesellschafterhaftung nichts anderes ist als die Entlassung eines Haftungsbereichs, nämlich der OHG, aus der Verbindlichkeit, während die des anderen aufrechterhalten bleibt. 244 Nach dieser Ansicht handele es sich bei einer solchen Vereinbarung nur um einen Ausschluss der Inanspruchnahme des Sondervermögens der Gesellschafter, solange der Gesellschafter mit seinem Privatvermögen noch in Anspruch genommen werden kann. Die Zulässigkeit des Erlasses der Gesellschaftsschuld kann nur im Lichte dieser Theorie gerechtfertigt werden. Die Gegenansicht, die von einer Haftung für die fremde Schuld ausgeht, lässt dies nicht zu, wie sich dies im Folgenden zeigen wird. Ferner ist die Folge der Identität beider Verbindlichkeiten die vollständige Übereinstimmung zwischen dem Inhalt der Gesellschaftshaftung und dem Inhalt der Gesellschafterhaftung. 245 Die Möglichkeit, hinsichtlich des Haftungsinhalts zwischen beiden Arten von Verbindlichkeiten zu unterscheiden, besteht nur dann, wenn man von der Gruppen-Lehre ausgeht. Die Anhänger der klassischen Lehre sehen dieses Problem ausschließlich in Kategorien der Gesamtschulden der Gesellschafter, eine Gesellschaftsschuld nach ihrer Ansicht gibt es jedoch nicht. Will man danach dem Gläubiger überhaupt einen Anspruch auf die Primärerfüllung zubilligen, so muss sich dieser notwendig gegen die Gesellschafter persönlich richten. Die Gruppen-Lehre erlaubt hingegen, vom Hintergrund der Gesellschafterhaftung für eine fremde Schuld aus, Differenzierungen zwischen dem Haftungsinhalt der Gesellschaft einerseits und der Gesellschafter andererseits zu rechtfertigen. 246 Schließlich ist der Unterschied bezüglich der Gesellschafterhaftung für das deliktische Handeln des geschäftsführenden Gesellschafters anzusprechen. Die Haftung für das Verschulden des Organs im Wege der analogen Anwendung des Art. 416 ZGB trifft nach der Gruppen-Lehre zu, da die Gesellschaft danach eine der juristischen Person vergleichbare Wirkungseinheit darstellt. Demgegenüber müssten diejenigen Anhänger der traditionellen Lehre, welche sich für die Anwendung des Art. 416 ZGB (§ 31 BGB) aussprechen, die Grenzen der Analogie weit ausdehnen, um die im Interesse eines Sondervermögens vorge242 Grzybowski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 817. Zu dieser Problematik vgl. Zweites Kapitel § 2 C. IV. 243 Im Einzelnen Zweites Kapitel § 2 C. III. 1. 244 Repräsentativ Buchner, Gesellschaftsschuld, S. 622; kritisch dazu Flume, Die Personengesellschaft, S. 292. 245 Ulmer, Die Gesamthandsgesellschaft, S. 140 f. 246 Dazu ausführlich im Vierten Kapitel.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

nommene, zur deliktischen Haftung führende Tätigkeit mit dem Anwendungsbereich des Art. 416 ZGB zu decken. 247 Im Unterschied zum Modelltatbestand des Art. 416 ZGB haften nach der Sondervermögenslehre nicht die juristische Person (Wirkungseinheit), sondern die Träger des Sondervermögens (die Personen der Gesellschafter). Ähnliche Unterschiede zwischen beiden Lehren kommen bei der Gefährdungshaftung aus Tatbeständen wie Art. 431, Art. 435, Art. 449 1 § 1 ZGB zum Ausdruck. Nach der Gruppen-Lehre bestehen keine Schwierigkeiten, die Gesellschaft als Halterin oder Herstellerin im Sinne der genannten Vorschriften zu betrachten und damit deren Haftung zu begründen, wenn gefährliche Gegenstände zum Gesellschaftsvermögen gehören bzw. aus ihm hervorgegangen sind. Demgegenüber muss man nach der Sondervermögenslehre die Halter- bzw. Herstellereigenschaft allen Gesellschaftern unabhängig von ihrer konkreten Beteiligung zurechnen, wenn das Gesellschaftsvermögen als Haftungssubstrat dem Gläubiger zur Verfügung stehen solle. 248 Sonst gelangt man zum Schluss, dass alleine der geschäftsführende Gesellschafter für den Schaden mit seinem privaten Vermögen haftet, was als ein unangemessenes Ergebnis abzulehnen ist. IV. Zusammenstellung der Argumente. Ergebnis Die Gesamtbetrachtung der Folgen beider Lehren führt zum Schluss, dass die Gruppen-Lehre, welche die Rechtssubjektivität der Gesellschaft bejaht, nach der Regelung des HGG im Vergleich zum klassischen Verständnis der Gesamthand als Sondervermögen den Vorzug verdient. Dafür sprechen mehrere Argumente, die im Folgenden zu schildern sind. Es ist darauf hinzuweisen, dass die These von der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft in höherem Ausmaß den gesetzlichen Bestimmungen Rechnung trägt. Das personalistische Verständnis der Gesamthand ist auch mit dem Wortlaut des Art. 8 HGG besser integriert und erklärt überzeugend die Stellung der Personengesellschaft als einer rechtsfähigen Wirkungseinheit. Die deutliche Trennung der Subjektivität der Gesellschaft von den Personen der Gesellschafter findet ihre Stütze in der Analyse der Gesamtheit der Gesetzesregelungen des HGG. Alle, das Gesellschaftsvermögen und seine einzelnen Gegenstände betreffenden Entscheidungen, sowohl im Innen- wie im Außenverhältnis, stehen der Gesellschaft über ihre Funktionsträger in Geschäftsführung und Vertretung zu. Die Gesellschafter (die „eigentlichen Rechtsträger“ nach der Sondervermögenslehre) haben als Eigentümer bzw. Forderungsgläubiger keine nennenswerte materielle Befugnis mehr. Mit der Einbringung in das Gesellschaftsvermögen verliert der Gesellschafter alle 247 248

In Bezug auf das deutsche Recht Ulmer, Die Gesamthandsgesellschaft, S. 144. Ulmer, Die Gesamthandsgesellschaft, S. 144 f.

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Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse zugunsten der Gesellschaft, die diese nunmehr durch ihre gesetzlich vorgesehenen Funktionsträger für ihre Zwecke erfüllt. Das gilt auch dann, wenn allen Gesellschaftern die Geschäftsführung und Vertretung zusteht. Die Gesellschafter handeln dann nicht jeder zu seinem Teil für sich, als ob sie Miteigentümer wären, sondern für die Gesellschaft als die sie verbindende organisatorische Einheit und in der Bindung an den Gesellschaftszweck. Angesichts der Konzentration aller Kompetenzen bei der Gesellschaft und dem Fehlen einer Individualbefugnis bei den Gesellschaftern erscheint im Ergebnis geboten, statt der Gesellschafter die Gesellschaft selber als Träger der Rechte und Pflichten (als Schuldner, Gläubiger, Eigentümer u. a.) anzusehen. 249 Identisch wie bei der juristischen Person im polnischen Recht ist bei einer Personengesellschaft ausschließlich die Gesellschaft als Ganzes zur Verfügung über Gesellschaftsvermögen gleichermaßen befugt, also in beiden Fällen die gegenüber ihren Mitgliedern verselbstständigte Organisation. Die These von der eigenen Rechtssubjektivität der Gesellschaft wird mit Sicherheit durch die Regelung des Mitgliederwechsels in der Personengesellschaft durch das HGG gestützt (vgl. Art. 10 HGG). Die Gruppen-Lehre sieht die Mitgliedschaft als die Teilhabe an der Gruppe, als eine einheitliche Rechtsposition, die alle Rechtsbeziehungen aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses sowohl im Verhältnis zur Gruppe wie zu den anderen Gesellschaftern als Gliedern umfasst. 250 Infolge dieses Verständnisses der Mitgliedschaft als eine Einheit bestehen keine dogmatischen Zweifel, sie als „Gegenstand“ rechtsgeschäftlicher Verfügung anzusehen. 251 Danach ist die „Rechtsnatur“ der Übertragung der Mitgliedschaft nichts anders als die eines Veräußerungsgeschäfts. Aufgrund des Erwerbs der Mitgliedschaft als Teilhabe an der Gesellschaft als Gruppe ist der Erwerber gemäß der Mitgliedschaft im Verhältnis zur Gesellschaft und den anderen Gesellschaftern berechtigt und verpflichtet, während der Veräußerer nicht mehr Mitglied ist. 252 Die Gruppen-Theorie garantiert eine sichere Grundlage, die in Art. 10 HGG vorgesehenen Rechtsfolgen plausibel zu erläutern. Der derivativen Rechtsnachfolge in die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft durch Verfügungsgeschäft unter Lebenden entspricht die Konstruktion, dass der neue Gesellschafter kraft des Erwerbs der Mitgliedschaft für die bisherigen Verpflichtungen Gesamtschuldner 249

Reinhardt / Schulz, Gesellschaftsrecht, S. 24. Vgl. Wiedemann, Die Übertragung; S. 61; Flume, Die Personengesellschaft, S. 349. 251 Die Entwicklung des Meinungsstandes zur Übertragbarkeit der Mitgliedschaft kann als „ein Kapitel für sich“ hier nicht geschildert werden. Hinzuweisen ist aber darauf, dass der Einheitlichkeit des Übertragungsgeschäfts nach der neueren Lehre das Konzept des Ausscheidens des bisherigen und des Eintritts des neuen Gesellschafters als voneinander unabhängige Rechtsfolgen, die aufgrund der Änderung des Gesellschaftsvertrages durch den Vertrag über das Ausscheiden des einen und die Aufnahme des anderen erfolgten, gegenübersteht. Zu den Einzelheiten vgl. Wiedemann, Die Übertragung, S. 58 ff.; Flume, Die Personengesellschaft, S. 346 ff. 252 Flume, Die Personengesellschaft, S. 350. 250

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

neben dem bisherigen Gesellschafter wird, der auch verpflichtet bleibt. 253 Dagegen entfallen für den Veräußerer mit der Übertragung die Verpflichtungen, die für ihren Bestand die Mitgliedschaft in der Gesellschaft voraussetzen. Was die Bedeutung der Mitgliedschaftsübertragung für die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft anbelangt, so führt ohne Zweifel die Anerkennung der Übertragbarkeit der Mitgliedschaft zu einer Verselbstständigung der Personengesellschaft gegenüber den Gesellschaftern und zu einer Vergegenständlichung der Beteiligung an der Personengesellschaft. 254 In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass sich die in Art. 10 HGG vorgesehenen Rechtsfolgen des Mitgliederwechsels in der Personenhandelsgesellschaft nicht befriedigend erklären lassen, ohne die Annahme, dass die Gesellschaft ein eigenes, an den jeweiligen Mitgliederbestand nicht gebundenes Vermögen und parallel dazu eigene, vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängige Verbindlichkeiten hat, also eine eigene Rechtsfähigkeit. Ein bedeutendes Argument zugunsten der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft kann sich aus der Regelung des Formwechsels der Gesellschaften im HGG ergeben. Die Regelung des Art. 551 ff. HGG, die den Rechtsformwechsel der Handelsgesellschaften zum Gegenstand hat, ähnelt der bereits angesprochenen deutschen Rechtslage im Umwandlungsgesetz von 1994. Obwohl das HGG die zwei aussagekräftigen Vorschriften des UmwG, und zwar § 190 Abs. 1 255 sowie § 202 Abs. 1, 256 nicht in ihrer genauen Gestalt übernommen hat, führt der Blick auf beide Gesetze zum Schluss, dass sich der polnische Gesetzgeber unter einem weitgehenden Einfluss des deutschen befand. Sollte der zuvor erwähnte Befund der deutschen Lehre, dass es sich um einen identitätswahrenden Formwechsel und nicht um eine Gesamtrechtsnachfolge handelt, bestätigt werden, würde dies ein bedeutendes Votum zugunsten der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bedeuten. Die Begründung des Gesetzentwurfs des HGG hebt die Einführung des Kontinuitätsprinzips bei einem Formwechsel der Handelsgesellschaften in das HGG als eine beachtliche Neuheit hervor (Art. 553 HGG). 257 Trotz der Hervorhebung dieser Vorschrift durch den historischen Gesetzgeber kann ihr auf den ersten Blick nicht entnommen werden, ob es sich um eine Gesamtrechtsnachfolge, welche die Auflösung des „alten“ und die Neugründung des „neuen“ Rechtsträgers 253 Insofern kodifiziert Art. 10 HGG die durch die deutsche Lehre und Rechtsprechung herausgearbeiteten Ergebnisse zu den Folgen der Übertragung der Mitgliedschaft. Bei Flume, Die Personengesellschaft, S. 352, gelten die den im Art. 10 vorgesehenen Folgen parallelen Ergebnisse als die mittlerweile herrschende Meinung der deutschen Lehre, vgl. auch Reinhardt, Die Fortentwicklung, S. 337 ff. 254 So Flume, Die Personengesellschaft, S. 359. 255 „Ein Rechtsträger kann durch Formwechsel eine andere Rechtsform erhalten“. 256 „Der formwechselnde Rechtsträger besteht in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter“. 257 Begründung, S. 55.

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voraussetzt oder einen identitätswahrenden Formwechsel handelt, bei dem die Identität des Rechtsträgers erhalten bleibt. Zu beachten ist aber, dass ein numerus clausus der Universalsukzessionen in der Rechtslehre angenommen wird, was bedeutet, dass eine Universalsukzession ausdrücklich oder konkludent gesetzlich angeordnet werden muss. 258 Darüber hinaus muss in Betracht gezogen werden, dass die herrschende Meinung zum Formwechsel zwischen Kapitalgesellschaften nach dem HGB davon ausging, dass eine Umwandlung einer GmbH in eine AG (Art. 491 HGB) auf einem identitätswahrenden Formwechsel beruhte und nicht auf einer Universalsukzession. 259 Diese Auffassung wird nunmehr auf Art. 553 HGG übertragen. 260 Es scheint jedoch, dass erst der Vergleich der Regelungen der Verschmelzung (Art. 494 § 1 und 2 HGG) und des Formwechsels eine Folgerung berechtigt macht. Für den Fall der Verschmelzung ordnet das Gesetz ausdrücklich eine Gesamtrechtsnachfolge an: Die übertragenden Rechtsträger erlöschen, während der neugegründete oder übernehmende Rechtsträger in die Gesamtheit der Rechte und Pflichten der übertragenden Rechtsträger eintritt (Art. 494 § 1 HGG). Dies geschieht deswegen, da im Falle der Verschmelzung an eine Identitätskonstruktion nicht zu denken ist, so dass nur eine Universalsukzession die Einzelübertragung der Gegenstände entbehrlich macht. 261 Demgegenüber hebt die Regelung des Art. 552 HGG (Art. 553 HGG hat lediglich die Aufgabe, die Folgen eines Formwechsels umzuschreiben) die Kontinuität des Bestehens eines formwechselnden Rechtsträgers hervor. Eine Anordnung bezüglich einer Universalsukzession fehlt. Daher kann nach obigen Überlegungen nur eine identitätswahrende, unter Fortbestand des alten Rechtsträgers erfolgende Umwandlung vorliegen. Diese Annahme wird durch die Theorie des Umwandlungsrechts bestätigt. Im Gegensatz zur Verschmelzung ist bei einer Umwandlung nicht der Rechtsübergang, sondern die Identität die adäquate Darstellungsform, denn was sich beim Formwechsel ändert, ist nur die Organisations- und Haftungsstruktur des fortbestehenden Rechtsträgers. Der Sinn des Formwechsels besteht darin, dass der Rechtsträger seine Rechtsform ändert, aber aus Sicht seiner Schuldner und Gläubiger als Rechtsträger unverändert bleibt. 262 Unter dem Aspekt der Rechtsträgerschaft besteht ein einziges, mit sich selbst identisches Rechtssubjekt. Die Annahme der Identität des Rechtsträgers vor und nach dem Rechtsformwechsel steht für vollkommene Zurechnungskontinuität trotz Diskontinuität seiner Organisations- und Verbandsverfassung, und diese Kontinuität ist gewährleistet. 263 258

Wolter / Ignatowicz / Stefaniuk, Prawo, S. 146. Vgl. Weiss, Przekształcanie (1. Teil), S. 10; Szajkowski, Prawo, S. 703 ff.; sowie die Entscheidung des SN v. 13. 12. 1991 (III CRN 32/91), OSN IC 1992, Heft 7 –8, Pos. 142. 260 Eindeutig Szuma´nski, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 635: „die Behauptung, es sei eine Universalsukzession, sei ein Sachfehler“. 261 Zu den Techniken des Umwandlungsrechts vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 354 ff. 262 Mülbert, Die rechtsfähige, S. 56. 259

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Die Annahme des identitätswahrenden Formwechsels hat erhebliche dogmatische Folgen. So erfordert der Umstand, dass die formwechselnde Gesellschaft zur Gesamthandsgemeinschaft wird und ihren Charakter als juristische Person verliert (und umgekehrt), keine zusätzlichen Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieses Vorgangs. Indem das Gesetz den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personenhandelsgesellschaft als eine identitätswahrende Umwandlung ausgestaltet, werden alle vermögenstragenden Personengesellschaften gleichermaßen zu rechtsfähigen Rechtssubjekten erklärt. Soweit sich der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft mittels identitätswahrender Umwandlung und unter Verzicht auf eine Universalsukzession vollzieht, müssen Ausgangs- und Zielgesellschaft gleichermaßen rechtsfähig sein. Da das HGG vor dem Hintergrund des numerus clausus der Universalsukzessionen einen Formwechsel zwischen Kapital- und Personengesellschaft im Wege der identitätswahrenden Umwandlung vorsieht, kommt auch letzterer die Rechtsfähigkeit zu. 264 Auf der Ebene der Umwandlungsmöglichkeiten sind daher die Personenhandelsgesellschaften mit den als juristische Personen verfassten Kapitalgesellschaften gleichgestellt. Daraus ergibt sich, dass Personengesellschaften im selben Ausmaß mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestattete Rechtsträger sind, wie dies bei den juristischen Personen der Fall ist. Dies spricht dafür, die Gesellschaft, und nicht die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit, als Träger der Rechte und Pflichten anzusehen. Zugunsten der These von der eigenen Rechtsfähigkeit der Gesellschaft sprechen auch die Argumente der Rechtsanwendung. Es wurde zuvor nachgewiesen, dass es Fälle gibt, in denen die Möglichkeit einer plausiblen Anwendung bestimmter Vorschriften nur dann vorliegt, sobald man die Gesellschaft als eine rechtsfähige Einheit ansieht. Als überzeugendes Beispiel gilt die Frage des Besitzschutzes aus der Position der einzelnen Gesellschafter als Gesamthänder. Allein die Möglichkeit eines Besitzes der Gesellschaft bildet die Grundlage der Anwendung der Vorschriften über Besitzfolgen sowohl zugunsten der Gesellschaft als auch wenn eine gegen sie gerichtete Verbindlichkeit vorliegt. Eine ähnliche Folgerung ergibt sich auch aus dem Deliktsrecht. Die Annahme der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bereitet weniger dogmatische Probleme im Hinblick auf die Anwendung des Art. 416 ZGB (Organhaftung) sowie die Tatbestände der Gefährdungshaftung wie z. B. Artt. 431, 436, 449 1 § 1 ZGB. Betrachtet man die Gesellschaft als eine 263 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 354. Nach K. Schmidt sind die Grundsatzdebatten darüber, ob Rechtsformwechsel und Identität miteinander verträglich sind, nach dem heute erreichten rechtstechnischen Stand unfruchtbar. Die gesellschaftsrechtlichen Rechtsträger sind Rechtsgebilde, und da das Recht ihre identitätswahrende Umwandlung anerkennt, ist dies keine sachfremde Fiktion, sondern die adäquate Abbildung von Kontinuitätsproblemen und ihrer gesetzlichen Lösung. 264 So im Hinblick auf die vergleichbare deutsche Rechtslage Mülbert, Die rechtsfähige, S. 63.

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Einheit, so kann man ihr ohne Schwierigkeiten die Eigenschaft eines Schädigers im Sinne der obengenannten Vorschriften zuschreiben. Diese Lösung ist sicherlich der klassischen Lehre vorzuziehen, wonach die Eigenschaft eines Schädigers bei allen Gesellschaftern bejaht werden müsste, auch bei den nicht selbst handelnden Gesellschaftern. Ähnlich muss auch hinsichtlich der Anwendung des Art. 416 ZGB entschieden werden. Alleine die Annahme der Rechtsfähigkeit rechtfertigt eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die OHG. Es bestehen dagegen berechtigte Zweifel, ob die klassische Lehre die analoge Anwendung des Art. 416 ZGB mit guten Gründen rechtfertigen kann. Will man nicht mit der fiktiven Annäherung der OHG an die juristische Person im Außenverhältnis argumentieren, 265 so kann man die Handlungen eines der Träger des Sondervermögens mit den Handlungen des Organs einer juristischen Person nicht gleichsetzen. Die These von der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft wird auch durch die Unterscheidung der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterverbindlichkeit vervollständigt. Die Regelung der Artt. 22 § 2, 35 HGG stützt die These von der eigenen Subjektivität der Gesellschaft und gibt Anlass dazu, zwischen der Schuld der Gesellschaft als Rechtssubjekt und der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter zu differenzieren. An dieser Stelle sei nur kurz darauf hingewiesen, dass Art. 35 HGG der Vorschrift des Art. 883 § 1 ZGB nachgebildet ist, der die Bürgenhaftung regelt, die ihrerseits eine Haftung für die fremde Schuld ist. Von diesem Gesichtspunkt aus würde sich die Gesellschafterhaftung der Haftung eines Bürgen nähern. Solche Haftungskonstruktion würde eine überzeugende Vervollständigung der Rechtssubjektivität der Gesellschaft darstellen. Dieser Ansatz wird im Folgenden vertieft. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Rolle des Art. 33 1 § 1 ZGB für die Entscheidung dieser Kontroverse nicht überschätzt werden soll. Die Argumentation der herrschenden Lehre mittels dieser Vorschrift beruht auf einem gedanklichen Schema, nach dem die Eigenschaft der OHG als „organisierte Einheit“ impliziert wird, als ob diese Vorschrift die Frage der Rechtsfähigkeit bestimmter Rechtsgebilde überhaupt regelte. Dies tut sie nicht. Die Rechtsfähigkeit ist nur eine Voraussetzung der Anwendung dieser Vorschrift. Aus diesem Grund erscheint Art. 33 1 § 1 ZGB völlig ungeeignet, eine Rolle in der Diskussion über die Rechtsfähigkeit der Personenhandelsgesellschaften zu spielen. Die Bejahung oder Verneinung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft muss auf der Grundlage anderer Rechtssätze erfolgen. Von diesem Gesichtspunkt aus muss der Gedankengang einiger Verfasser verwundern, wenn sie diese Vorschrift zum Anlass nehmen, die Lehre von der Unrechtsfähigkeit der OHG aufzugeben. 266 Es muss noch einmal betont werden, dass 265 So wie z. B. A. Hueck, Das Recht, S. 34, mit einem Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung. 266 Für Napierała / Moskwa, in: Koch / Napierała, Prawo, S. 184 f., war dies das entscheidende Argument, die klassische Lehre aufzugeben und sich für die Rechtssubjektivität der Gesellschaft auszusprechen.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

die These von der Rechtssubjektivität der Personengesellschaften des Handelsrechts mit Recht noch vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB vertreten werden konnte. Aus der Tatsache, dass das ZGB die Rechtsbeziehungen zu „organisatorischen Einheiten“, die keine juristischen Personen sind, denen aber das Gesetz die Rechtsfähigkeit gewährt, vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB nicht regelte, ergab sich nicht, dass das polnische Zivilrecht in den außerhalb des ZGB vorgesehenen Regelungen die Existenz solcher Einheiten ausschloss. 267 Dass vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB die Regelungen der Rechtsbeziehungen zu „organisatorischen Einheiten, die keine juristischen Personen sind, denen aber das Gesetz die Rechtsfähigkeit gewährt“, im ZGB fehlten, bedeutete nicht, dass das damals geltende Zivilrecht in den außerhalb des ZGB vorgesehenen Regelungen die Existenz anderer Rechtsträger als natürliche oder juristische Personen nicht zugelassen hätte. Aus dieser Feststellung folgt, dass die OHG und andere Personengesellschaften des Handelsrechts kein Beispiel der erst durch die Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB in das polnische Recht eingeführten Rechtsträger darstellen. 268 Es kann mit Überzeugung festgehalten werden, dass der OHG und anderen Personengesellschaften des Handelsrechts die Rechtsfähigkeit im polnischen Recht auch vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB zustand. Die Vorschrift des Art. 33 1 § 1 ZGB, die ohne weiteres auf die OHG und andere Personengesellschaften anwendbar ist, sieht die Rechtsfolgen vor, die auch vor ihrem Inkrafttreten im Lichte des personalistischen Verständnisses der Gesamthand angenommen werden konnten. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Gruppen-Lehre verbunden mit dem entsprechenden Verständnis des Art. 8 HGG sowie den Vorschriften des HGG über den Formwechsel der Handelsgesellschaften eine ausreichende Grundlage für die Annahme eigener Rechtsfähigkeit der OHG darstellt.

B. Entmythologisierung der Rechtspersönlichkeit Eine Gegenüberstellung des personalistischen Verständnisses der Gesamthandsgesellschaft und der Regelung einer Offenen Handelsgesellschaft im französischen Recht hat gezeigt, dass die formelle Eigenschaft einer juristischen Person wenig an der Struktur sowie den konstitutiven Merkmalen einer OHG ändert. In diesem Licht unterliegt es keinem Zweifel, dass auch in den Systemen, in denen die Personengesellschaften juristische Personen sind, sich personale Elemente in ihrem gesetzlichen Leitbild strukturbestimmend auswirken. 269 Entscheidend ist, dass die Person des einzelnen Gesellschafters für die in seiner Mitgliedschaft 267 268 269

Vgl. Wójcik, Kilka, S. 339. Wójcik, Kilka, S. 339. Vgl. Hadding, Zur Systematik, S. 159.

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gebündelten aktuellen und potentiellen Rechte und Rechtspflichten maßgebend ist. Das einzige richtige Kriterium für die Unterscheidung zwischen den Personenund Kapitalgesellschaften (die als klassische Beispiele juristischer Personen gelten, zumindest im Handelsrecht) sind die verschiedenen Strukturelemente beider Gruppen von Gesellschaftsformen. 270 Der Hinweis auf das französische Recht hat bestätigt, dass die historisch ausgestalteten Eigenschaften der Personengesellschaften (intuitu personae kommt zum Ausdruck in Elementen wie z. B. Charakter der Mitgliedschaft; Geltung des Einstimmigkeitsprinzips; Auflösung bei Rückgang der Mitgliederzahl auf eine Person; Selbstorganschaft; persönliche Haftung bei den meisten Formen von Personengesellschaften) unabhängig davon vorliegen, ob die Personenhandelsgesellschaften im jeweiligen System Rechtspersönlichkeit besitzen oder nicht. Die Einordnung als Personengesellschaft hat daher in der modernen Rechtslehre mit der Frage der fehlenden oder vorhandenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft nichts zu tun. Anders kann man sagen, dass die Strukturelemente nichts mit der Rechtspersönlichkeit bzw. ihrem Umfang zu tun haben. Dies war bereits ersichtlich, wenn auch noch nicht ohne Bedenken im Ansatz von John, und bereits anschaulicher bei Flume. Mit Blick auf die angedeuteten Strukturunterschiede ist jedoch gemäß der Erkenntnisse von Flume darauf hinzuweisen, dass die Mehrheit dieser Unterschiede gegenüber Kapitalgesellschaften (sie werden hier als ein Beispiel par excellence von juristischen Personen genannt) lediglich eine Konsequenz der Rechtsnatur der Mitgliedschaft ist. Einige dieser Konsequenzen werden durch die moderne Gesetzgebung abgemildert, indem es Bestimmungen gibt, welche es erlauben, z. B. vertraglich die Personengesellschaften in ihrem Bestand vom Wechsel der Gesellschafter unabhängig zu machen bzw. das Einstimmigkeitsprinzip abschwächen (vgl. Artt. 9, 59 HGG). 271 Dies ändert aber nichts an der Rechtsnatur der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft, welche einen entscheidenden Unterschied zu Kapitalgesellschaften darstellt. 272 270 Vgl. in diesem Sinne Hadding, Zur Rechtsfähigkeit, S. 720, vgl. auch Simonart, La personnalité, S. 293 f. Noch konservativ dagegen Ulmer, Die Gesamthandsgesellschaft, S. 122, der die Gegenüberstellung der Strukturelemente von Personen- und Kapitalgesellschaften als Gegenüberstellung Personengesellschaften und juristischen Personen begreift. Treffend gegen den Standpunkt von Ulmer u. a. Hadding, Zur Rechtsfähigkeit, S. 720; Raiser, Der Begriff, S. 139. 271 Der Vorwurf von Raiser, Der Begriff, S. 139, dass die Behauptungen über die Strukturunterschiede mit der beobachteten Realität nicht übereinstimmen, ist abzulehnen. Die Gestaltungsfreiheit wird vom Gesetzgeber in solchen Bereichen zugelassen, die für die Bestimmung des Wesens der Personengesellschaft nicht entscheidend sind. 272 Deswegen ist der Ansatz von Klein, Ewolucja, S. 109 f. nicht treffend, da er mit seiner grundsätzlichen Gleichstellung der OHG mit der GmbH den Unterschied in der Ausgestaltung der Mitgliedschaft übersieht. Die interne oder externe Organisation in der OHG mag auch zu derjenigen der Kapitalgesellschaften parallelisiert werden, was auch von John herausgearbeitet wurde. Diese Ähnlichkeit eliminiert jedoch nicht die übrigen Unterschiede.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Sobald man eine Gesamthandsgesellschaft in diesem Sinne versteht, wie es bereits von Gierke vorgeschlagen und dann von Flume fortentwickelt wurde, und sie mit der OHG als einer juristischen Person (wie im französischen Recht) vergleicht, muss man zum Ergebnis gelangen, dass, strukturell gesehen, keine bedeutenden Unterschiede bestehen. In mancher Hinsicht kann aber die mit der Rechtspersönlichkeit ausgestattete Personengesellschaft mehr an ihre Mitglieder angelehnt sein als eine „rechtsfähige Personengesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ (vgl. die beschränkte Möglichkeit der Anteilsübertragung bzw. den gleichzeitigen Konkurs der Gesellschafter mit der Gesellschaft im französischen Recht). Wenn die jeweiligen juristischen Erscheinungsformen in ihrer Gesamtheit vergleichbar erscheinen, darf man dann diesem formellen Unterschied den entscheidenden Wert beimessen? Im polnischen und deutschen Recht hat man eine begriffliche Vielfalt geschaffen, um die Personengesellschaft in das System der zivilrechtlichen Personifikation einzuordnen und ihr Wesen zu umschreiben. 273 Davor hat schon Gierke gewarnt, als ob er das begriffliche Chaos vorhergesehen hätte. Würde man von den durch die jeweiligen Rechtsysteme verwendeten Bezeichnungen absehen, so sieht man zwei Rechtsinstitute mit vergleichbarer juristischer Struktur. 274 Auf der Ebene der Rechtsvergleichung ist daher zutreffender von einer „organisierten rechtsfähigen Rechtsperson“, 275 oder einfach von der „rechtsfähigen Personengesellschaft“ zu sprechen. Diese Bezeichnung wird auf alle drei hier angesprochenen Rechtssysteme zutreffen (Polen, Deutschland und Frankreich). Aus dieser rechtsvergleichenden und historischen (Gierke) Perspektive zeigen sich wiederum Zweifel an der Aussagekraft der im polnischen Schrifttum herrschenden Lehre von den „unvollständigen juristischen Personen“. Ohne diesen Begriff kann man in der modernen Personifikationslehre mit Sicherheit arbeiten. Es wurde hinreichend deutlich gemacht, dass die Gegenüberstellung der 273 „Unvollständige juristische Person“ (Wolter), „scheinbare juristische Person“, „teilrechtsfähige Teilperson“ (Fabricius), „organisatorische Einheiten ohne Rechtspersönlichkeit“ (Art. 33 1 § 1 ZGB), „eine rechtsfähige Personengesellschaft ohne juristische Persönlichkeit“ (§ 14 Abs. 1 BGB n. F.), „eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 dt. InsO), „Personengesamtheit ohne juristische Persönlichkeit“ (Art. 8 Abs. 1 schweiz. Bundesgesetz über die Erwerbsersatzordnung). Diese Liste könnte fortgesetzt werden. 274 In diesem Sinne Simonart, La personnalité, S. 294; Guineret-Brobbel Dorsman, La GmbH & Co. KG, S. 222: „La SCS est une personne morale, la KG est une communauté en main commune. Certes ces qualifications sont très importantes parce qu’elles déterminent les règles juridiques applicables aux situations considérées. Mais lorsque les régimes juridiques apparaissent globalement semblables, ne sommes-nous pas fondés à remettre en cause les qualifications? Nous avons deux récipients au contenu quasi identique auxquels deux législateurs ont collé des étiquettes différentes“. 275 Damit sollte ganz bewusst die Maßgeblichkeit der Formulierung von John betont werden.

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Personengesellschaft und der juristischen Person eine falsche ist, genauso wie eine „Steigerung“ der Rechtssubjektivität. 276 Wer diese Lehre vertritt, muss die folgende Frage von Hadding überzeugend beantworten: „Auf wie viel Zentimeter, Meter oder Kilometer ist die OHG oder KG einer juristischen Person dann angenähert?“. 277

C. Rechtsfähigkeit als Maßstab Stellt man fest, dass die Rolle der Rechtspersönlichkeit eine sekundäre ist, so muss lediglich auf die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft Wert gelegt werden. „Rechtsfähigkeit“ und „Rechtspersönlichkeit“ sind im polnischen Recht nicht gleichwertige Rechtsbegriffe. In Bezug auf die „organisierten Einheiten“ wird dies durch Art. 33 1 § 1 ZGB bestätigt, obwohl dies auch vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift nicht streitig war. Auch die Konzeption von Wolter stützte sich auf die Unterscheidung zwischen der Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit in Bezug auf die organisierten Rechtspersonen, obwohl er verschiedene Ausmaße der Rechtsfähigkeit zuließ. In ähnlicher Weise nahm John in Bezug auf die vergleichbare Rechtslage in Deutschland an, dass die OHG eine rechtsfähige „organisierte Rechtsperson“ sei, ohne sie damit zwingend für eine juristische Person zu erklären. Die Frage nach dem Umfang der Rechtsfähigkeit, wie zuvor anhand der französischen Lehre angedeutet, stellt sich nicht. Die Rechtsfähigkeit aller „organisierten Rechtsträger“ im modernen Privatrecht ist einheitlich und bedeutet die mögliche Rechtsträgerschaft für sämtliche Rechte und Rechtspflichten vor allem im vermögensrechtlichen Bereich. Über eventuelle Einschränkungen entscheiden spezielle Rechtsgebiete, ohne die allgemein umfassende Rechtsfähigkeit in Frage zu stellen. 278 Entgegen den häufigen Formulierungen über das Ausmaß der Rechtsfähigkeit 279 lässt sich die Rechtsfähigkeit der „organisierten Rechtsträger“ im 276 Vgl. eindeutig Simonart, La personnalité, S. 448: „Non seulement la distinction opérée en fonction de l’étendue du principe de séparation entre les personnes morales „complètes“, qui comprendraient les sociétés dites de capitaux et les associations, et les personnes morales „incomplètes“, qui comporteraient les sociétés dites de personnes et les groupements d’intérêt économique, ne se justifie pas au regard du droit de la personnalité, mais, en outre, elle ne correspond pas à la réalité“. 277 Hadding, Zum Erlangen, S. 141. 278 Z. B. Familienrecht (ob eine Gesellschaft Vormund sein kann); Erbfähigkeit (wer Testamentsvollstrecker sein kann) usw. Wie Hadding, Zur Rechtsfähigkeit, S. 718, in der Auseinandersetzung mit der „Teilrechtsfähigkeit-Theorie“ treffend hervorhebt, „umfassend rechtsfähig im Sinne der Fähigkeit, selbst Träger / Inhaber von subjektiven Rechten und Rechtspflichten sein zu können, ist nur der einzelne Mensch als natürliche Person. Demgegenüber ist jegliche Gemeinschaft von Menschen, wenn und soweit ihre Rechtsfähigkeit auf diesem oder jenem Wege, d. h. unter bestimmten Voraussetzungen, in der jeweiligen Rechtsordnung angenommen, also letztlich fingiert wird, im Verhältnis zum

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Verhältnis zur Rechtsfähigkeit anderer Typen der Rechtssubjekte weder qualitativ noch quantitativ abstufen. Die Rechtsfähigkeit einer Personenhandelsgesellschaft ist somit keine andere oder geringere als die Rechtsfähigkeit sämtlicher juristischer Personen. 280 Die gesetzliche Unterscheidung zwischen der Rechtsfähigkeit und der Rechtspersönlichkeit hat zwingend zur Folge, dass es drei Kategorien der Rechtsträger im polnischen Recht gibt (zumindest formell gesehen). Dies sollte im Lichte des geltenden polnischen Rechts (Art. 33 1 § 1 ZGB) nicht streitig sein und bedarf nach der herrschenden Lehre keiner weiteren Erörterung. 281 Es hat sich bisher auch gezeigt, dass solche (formelle) Systematik der Rechtssubjekte kennzeichnend für die Rechtssysteme ist, welche eher restriktiv die formelle Eigenschaft der „juristischen Person“ zuerkennen. 282 Dem französischen Recht, um ein Beispiel zu nennen, ist sie unbekannt. Wie bereits nachgewiesen wurde, kann man aber nicht leugnen, dass die Einstufung beider Arten von Rechtsträgern („juristische Personen“ und „organisatorische Einheiten“ i. S. d. Art. 33 1 § 1 ZGB) in eine Kategorie von „rechtsfähigen, organisierten Rechtsträgern“ in vieler Hinsicht mehr überzeugend erscheint, als das Festhalten an der wenig aussagekräftigen Lehre von den „unvollständigen juristischen Personen“. 283 Trotz des vollen Respekts vor der gesetzlichen Begrifflichkeit einzelnen Menschen immer nur relativ rechtsfähig“. Ähnlich Mülbert, Die rechtsfähige, S. 45; Huber, Rechtsfähigkeit, S. 112; Simonart, La personnalité, S. 294. Zust. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 212 ff. 279 Z. B. Włodyka, Problem, S. 272; Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 732; Je˛drzejewska, Spółka, S. 522 f. Es ist zu einem modus loquendi geworden, von einer „weitreichenden“ bzw. „beschränkten“ Rechtsfähigkeit der Personenhandelsgesellschaften im Hinblick auf Art. 8 HGG zu sprechen, ohne allerdings Beispiele der Rechtssubjekte zu nennen, deren Rechtsfähigkeit weitreichender bzw. weniger weitreichend ist als diejenige der Personengesellschaften, oder worin die Beschränktheit besteht. Bei einigen Verfassern ist die unkritische Übernahme des Konzeptes der „Teilrechtsfähigkeit“ aus der deutschen Lehre sichtbar. 280 Zutreffend bereits Klein, Ewolucja, S. 109. Jetzt auch Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 4 (S. 108). In deutscher Lehre Mülbert, Die rechtsfähige, S. 45: „die durch § 124 HGB gewährte Rechtsfähigkeit unterscheidet sich nach Inhalt und Umfang heute in nichts mehr von Rechtsfähigkeit etwa der AG oder GmbH“. Genauso z. B. Hadding, Zur Rechtsfähigkeit, S. 718; K. Schmidt, Die BGBAußengesellschaft, S. 996; in der schweizerischen Lehre neuerdings Vonzun, Rechtsnatur, S. 194. 281 Vgl. statt vieler Radwa´nski, Podmioty, S. 11; Pazdan, in: Pietrzykowski, Kodeks, 4. Aufl., S. 5; Fra˛ckowiak, Instytucje, S. 23 f. 282 Vgl. für die drei Kategorien der Rechtsträger (natürliche Personen, juristische Personen, rechtsfähige Rechtspersonen, die keine juristischen Personen sind) im schweizerischen Recht Vonzun, Rechtsnatur, S. 187. 283 Zweifelnd auch Fra˛ckowiak, Instytucje, S. 28; Kidyba, Kodeks, S. 74. Nach K. Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft, S. 996, soll diese Frage im deutschen Recht

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des Art. 33 1 § 1 ZGB wird gleichwohl die Sympathie – in Bezug auf polnisches Recht eher pro futuro – für diejenigen Ansichten in der ausländischen Literatur geäußert, nach denen die Bejahung der eigenen Subjektivität der Gesellschaft zur Anerkennung ihrer Rechtspersönlichkeit führen sollte. 284 Für den künftigen polnischen Gesetzgeber scheint dieser Weg eher unumgänglich.

D. Mitgliederhaftung und Rechtspersönlichkeit Was die herrschende Lehre in Polen als eins der Merkmale der Rechtspersönlichkeit ansah, wurde anscheinend mit dem oben genannten Gesetz vom 14. Februar 2003 zur Änderung des Zivilgesetzbuches und anderer Gesetze zu einem ausdrücklichen Systemprinzip. Art. 33 1 § 2 ZGB statuiert, dass „soweit das Gesetz nicht ein anderes vorsieht, haften die Mitglieder einer organisatorischen Einheit, der die Rechtsfähigkeit kraft Gesetzes zusteht, für ihre Verbindlichkeiten subsidiär. Diese Haftung entsteht, sobald diese Einheit zahlungsunfähig wird“. Darin liege nach der herrschenden Meinung der Unterschied zwischen den „organisatorischen Einheiten“ (darunter Personenhandelsgesellschaften) und „juristischen Personen“, bei denen die Mitglieder für Verbindlichkeiten der juristischen Person nicht haften. 285

als diskussionsbedürftig angesehen werden, weil das Verhältnis zwischen „Rechtspersönlichkeit“ und „Rechtsfähigkeit“ noch nicht gerichtlich geklärt ist. 284 Vgl. Simonart, La personnalité, S. 572, die am Ende ihrer rechtsvergleichenden Analyse zum Schluss gelangt ist, dass: „En définitive, si on considère que ces sociétés (OHG) sont elles-mêmes titulaires des droits et des obligations mis en commun, il faut en déduire qu’elles constituent des personnes morales comme les autres. Cette conséquence se heurte toutefois au texte de plusieurs dispositions légales qui énoncent expressément que ces sociétés n’ont pas la personnalité juridique. L’analyse de ces sociétés en termes de quasi-personnes doit dès lors être abandonnée“. Im deutschen Schrifttum ist vor allem auf die Ansichten von Raiser und Hadding hinzuweisen. Raiser, Gesamthand, S. 495 f; Der Begriff, S. 105 f., sieht die Personenhandelsgesellschaften infolge ihrer unbeschränkten Rechtsfähigkeit als juristische Personen an („Da OHG, KG (...) nach geltendem Recht und herrschender Praxis unbeschränkt rechtsfähig sind, ist es daher Sache der Rechtswissenschaft, ihre Rechtspersönlichkeit festzustellen“). Hadding, Zum Erlangen, S. 141; Zur Systematik, S. 159; Zur Rechtsfähigkeit, S. 718; Soergel / Hadding, 13. Aufl., Vor § 21 Rn. 4 ff., geht konsequent davon aus, dass die Eigenschaft einer Gemeinschaft, „juristische Person“ zu sein, nur besagt, dass sie die Rechtsfähigkeit in einem bestimmten Verfahren erlangt hat (durch eine rechtsbegründende Eintragung in ein amtliches Register oder staatliche Verleihung). Insoweit stehen „die juristischen Personen“ neben anderen, allein kraft Gesetzes rechtsfähigen Gemeinschaften (z. B. der OHG). In rechtsvergleichender Perspektive bemerkt Hadding, Zur Rechtsfähigkeit, S. 743, folgendes: „Auf dem Weg zu einem europäischen Zivilrecht würde man den Vertretern benachbarter Rechtsordnungen zur Rechts- und Parteifähigkeit von Gesellschaften einen angeblichen Unterschied zwischen deutschen juristischen Personen und „Gesamthandsgesellschaften“ schwerlich vermitteln können“.

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1. Kap.: Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Gesellschafterhaftung

Diese Aussage lässt sich in ihrer Allgemeinheit nicht aufrechterhalten. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass, wenn man die Personenhandelsgesellschaft als „Einheiten“ i. S. d. Art. 33 1 § 1 ZGB betrachtet, 286 der Hauptunterschied in der Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte besteht. Die unbeschränkte Haftung ist lediglich eine Konsequenz des Charakters der Mitgliedschaft in der jeweiligen Rechtsform. Jedenfalls soll die Rolle der Haftungsbeschränkung als ein Kriterium der Rechtspersönlichkeit nicht überschätzt werden. Wie dies richtigerweise mit dem Vorbehalt „soweit das Gesetz nicht ein anderes vorsieht“ in Art. 33 1 § 2 S. 1 ZGB zum Ausdruck gebracht wird, handelt es sich bei diesem „angeblichen“ Kriterium eher um ein Prinzip-Ausnahme-Verhältnis. Dies wird mit dem Beispiel der Kommanditgesellschaft auf Aktien nachgewiesen, in der eine Kategorie der Gesellschafter (Aktionäre – deren Mitgliedschaftsrechte eben anders ausgestaltet sind als diejenigen der Komplementäre!) für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haftet (Art. 301 § 5 i.V. m. Art. 126 § 1 Pkt. 2 HGG), obwohl die KGaA eine Personengesellschaft ist. 287 Ferner lässt sich die Haftungsverfassung der Partnerschaftsgesellschaft nicht reibungslos in diese Einteilung einordnen. Zutreffender wäre es daher festzustellen, dass das Fehlen der persönlichen Mitgliederhaftung bei juristischen Personen eine Regel und bei „organisatorischen Einheiten“ (vor allem Personengesellschaften) eine Ausnahme darstellt. Abgesehen von Art. 33 1 § 1 ZGB, dessen Auslegung immerhin eine noch nicht vollkommen geklärte Frage ist, erscheint die persönliche Mitgliederhaftung kein geeignetes Kriterium für das Vorliegen der Rechtspersönlichkeit zu sein. Ein Umdenken diesbezüglich haben wir schon bei Flume beobachtet. In der heutigen Zivilrechtslehre wurde 285 So Radwa´nski, Podmioty, S. 9: „Die organisatorischen Einheiten unterscheiden sich von den juristischen Personen nur durch die persönliche Mitgliederhaftung“; in diesem Sinne auch Fra˛ckowiak, Instytucje, S. 26; Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 101; Gniewek, in: Gniewek, Kodeks, S. 82. Lange vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift ähnlich bereits A. Klein, Ewolucja, S. 106: „Die OHG unterscheidet sich von den durch die Vorschriften ausdrücklich anerkannten juristischen Personen nur durch die unbeschränkte Gesellschafterhaftung“. 286 Auf die anderen Typen der „organisierten Einheiten“ wie die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer i. S. d. Art. 6 S. 1 des Gesetzes v. 24. 06. 1994 über das Wohnungseigentum (Dz. U. 2000, Nr. 80, Pos. 903 m. Ä.), einfacher Verein i. S. d. Art. 40 Abs. 1 des Gesetzes v. 07. 04. 1989 über Vereine (Dz. U. 2001, Nr. 79, Pos. 855 m. Ä.), wird hier nicht eingegangen. Es wird nur auf die gesetzliche Begriffsbestimmung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hingewiesen, wonach „die Gesamtheit der Eigentümer, deren Wohnungen einer bestimmen Immobilie angehören, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer konstituiert. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, klagen und verklagt werden“. Es ist evident, dass dieser Begriff weitgehend der „Gruppenlehre“ von Flume entspricht: eine Personenmehrheit als solche ist rechtsfähig, erschöpft sich aber gleichzeitig in Personen der Mitglieder. 287 Laut des ADHGB war die KGaA auch eine Personengesellschaft, nach dem geltenden Aktienrecht in Deutschland ist sie eine Kapitalgesellschaft und somit eine juristische Person. Für K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 211, ist dies ein Nachweis, dass die Gegensätze in der Haftungsverfassung der Gesamthandsgesellschaften und juristischen Personen nicht mehr so absolut sind wie sie bisweilen erscheinen.

§ 2 Zwischenbilanz

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die Ansicht, welche die Haftungsbeschränkung mit der Eigenschaft der Rechtspersönlichkeit verbindet, weitgehend aufgegeben. Nicht nur im französischen Recht, in dem die Personengesellschaften juristische Personen sind, sondern auch in der deutschen Lehre wird zunehmend vertreten, dass die unbeschränkte Mitgliederhaftung lediglich ein rechtspolitisch begründetes Mittel des Drittschutzes sei. 288 Von der unbeschränkten Mitgliederhaftung hängt die Kreditfähigkeit der in diesen Rechtsformen verfassten wirtschaftlichen Unternehmen ab, weil es kein gesetzlich vorgeschriebenes Mindestkapital gibt. Betrachtet man ferner alle Gesellschaftsformen näher, so wird klar, dass die Gegenüberstellung der persönlichen Haftung und der Haftungsbeschränkung nur auf die Archetypen wie die AG und OHG zutrifft. Bei allen anderen Gesellschaftsformen, die durch Modifikationen dieser Archetypen entstanden sind, wird dieser Gegensatz relativiert. 289 Zusammenfassend muss man festhalten, dass die Gesellschafterhaftung mit Privatvermögen für Gesellschaftsschulden bei den meisten Formen der Personengesellschaften (im HGG sowie in den Gesetzgebungen, die für das HGG Regelungsbeispiele waren) ein eigenständiges Strukturelement ist, das allerdings von der Frage seiner Rechtssubjektivität und der Problematik der Rechtspersönlichkeit streng zu trennen ist.

288

Paillusseau, Le droit, S. 88; Simonart, La personnalité, S. 294: „Dans tous les ordres juridiques, il existe des sociétés personnalisées dans lesquelles les associés engagent leur responsabilité personnelle de manière illimitée“; Raiser, Der Begriff, S. 126; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 211; Hadding, Zur Systematik, S. 173; Vonzun, Rechtsnatur, S. 78; Jung, Unternehmergesellschafter, S. 175; zusammenfassend Bruns, Haftungsbeschränkung, S. 188: „Gleichwohl ist der Ausschluss der Mitgliederhaftung beim rechtsfähigen Verband keine logisch zwingende oder notwendige Folge der juristischen Personifizierung. Die Rechtsordnung kann trotz der Rechtsfähigkeit eine zusätzliche unbeschränkte oder beschränkte Haftung der Mitglieder vorsehen“. 289 In diesem Sinne K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 211.

Zweites Kapitel

Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung in der OHG § 1 Die Quelle der Gesellschafterhaftung in der OHG A. Abstrakter Zustand und konkrete Verbindlichkeiten Es wurde bisher erläutert, dass die persönliche Haftung der OHG-Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten ein eigenständiges Merkmal ihrer Struktur darstellt. Diese Haftung tritt von Gesetzes wegen ein und ist eine Konsequenz des durch den Vertrag eingegangenen Gesellschaftsverhältnisses (Art. 22 § 2 HGG). Insofern beruht die Pflicht des Gesellschafters, im Außenverhältnis für die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu haften, auf der Mitgliedschaft in der Gesellschaft. Die Mitgliedschaft in der OHG erzeugt demzufolge eine abstrakte Einstandspflicht des Gesellschafters für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Somit ist diese Einstandspflicht ein zeitlich bestimmbarer Zustand. 1 Dieser Zustand besteht, solange ein Gesellschafter der OHG zugehört. Von diesem abstrakten Zustand deutlich zu trennen ist die konkrete Haftungsverbindlichkeit eines Gesellschafters, welche jedes Mal entsteht, wenn die Gesellschaft eine Verbindlichkeit eingeht und somit der abstrakte Zustand aktualisiert wird. Es handelt sich auch hier um ein gesetzliches Schuldverhältnis, das zwischen dem jeweiligen Gesellschaftsgläubiger und dem einzelnen Gesellschafter entsteht. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis besteht neben der Verbindlichkeit der Gesellschaft, wobei es im Allgemeinen keine Rolle spielt, ob die konkrete Verbindlichkeit der Gesellschaft auf einem Rechtsgeschäft oder dem Gesetz beruht. Die Konstruktion der Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters lässt sich anschaulich mit den Begriffen „Tatbestandselement“ (eine Gesellschaftsverbindlichkeit) und „Rechtswirkung“ (die Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter) umschreiben. 2 Eine Verbindlichkeit der OHG ist demnach eine Voraussetzung der in Art. 22 § 2 HGG festgelegten Wirkung. 1 2

Vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 6. So zu § 128 dt. HGB Hadding, Zur Haftung, S. 146.

§ 1 Die Quelle der Gesellschafterhaftung in der OHG

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B. Entstehung der Gesellschafterbindung I. Rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten Die Erstreckung der Gesellschaftsverbindlichkeit auf die Gesellschafter hat eine gesetzliche Grundlage (Art. 22 § 2 HGG). Sobald eine Verbindlichkeit der Gesellschaft entsteht, haften die Gesellschafter im Prinzip auch dafür. Eine davon zu unterscheidende Frage ist die Entstehung der Bindung der Gesellschaft, des Subjekts, für das gehaftet wird. Im rechtsgeschäftlichen Verkehr wird die Gesellschaft im Regelfall durch ihre Gesellschafter vertreten (Art. 29 § 1 HGG). Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter ist an ihre Mitgliedschaft in der Gesellschaft gebunden. 3 Es entspricht dem Wesen der Personengesellschaft, dass die Gesellschafter die Handlungshoheit für die Gesellschaft haben. Dabei steht es mit der Annahme der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft außer Zweifel, dass ein Gesellschafter die Gesellschaft als solche vertritt, und nicht die unter der Firma zusammengefasste Gesamtheit der Gesellschafter (zu der er nach dieser Auffassung selbst auch gehört). 4 Die Wirkungen des Rechtsgeschäfts treffen die Gesellschaft als Partei und nicht die einzelnen Gesellschafter. Zwar besitzt die OHG nach h. M. formell keine Organe i. S. d. Art. 38 ZGB (die Partnerschaftsgesellschaft als eine Modifikation der OHG für freie Berufe aber schon!), so dass die theoretische Einordnung eines vertretungsbefugten Gesellschafters als ein gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft im geltenden Recht geboten ist. 5 Dessen ungeachtet entspricht es der Natur der Sache, die Vertretung der rechtsfähigen Personenhandelgesellschaft mit der organschaftlichen Vertretung einer juristischen Person zu parallelisieren. 6 Das herrschende deutsche und zunehmend auch schweizerische Schrifttum gehen davon aus, dass auch bei den Personengesellschaften die Vertretungsmacht der Gesellschafter organschaftlicher Natur ist. Die Organschaft, die nach dem herkömmlichen Verständnis mit dem Begriff der juristischen Person verbunden wurde, wird auf alle rechtsfähigen Verbände ausgedehnt. 7 Diese Betrachtungsweise kann auch vorsichtig in das polnische Recht übertragen werden, da, wie oben gezeigt, die Unterschiede zwischen ju3

Flume, Die Personengesellschaft, S. 129 f. So aufgrund der Identitätslehre Hartmann, in: Kommentar, Art. 563 Rn. 2; Moskwa, Stosunek, S. 29 f. Treffend gegen solche Interpretationsversuche bereits Flume, Die Personengesellschaft, S. 129. 5 Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 15 ff. (S. 114 f.); mehr dazu Pazdan, in: Radwa´nski, System, S. 460 f. (entsprechende Anwendung der Organtheorie). 6 Vgl. bereits Reinhardt, Gesellschaftsrecht, S. 61: „In Wahrheit handelt es sich in der OHG also um eine organschaftliche Vertretung, die sich im Prinzip kaum von der des vertretungsberechtigten Gesellschafters einer GmbH unterscheidet“. Dafür auch John, Die organisierte, S. 135, „insofern bestehen keine grundlegenden Unterschiede gegenüber den juristischen Personen“. Im polnischen Recht vgl. Klein, Charakter, S. 135. 4

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

ristischen Personen des Handelsrechts und Personenhandelsgesellschaften nicht zu überschätzen sind. Man kann auch behaupten, dass diese Ansicht eine Stütze im Lichte des Art. 33 1 § 1 ZGB findet, wonach die Vorschriften über juristische Personen (und somit diese über Organschaft) auf die „rechtsfähigen, organisierten Einheiten ohne Rechtspersönlichkeit“ entsprechend anzuwenden sind. Abgesehen von der formellen Einordnung ist wichtig, dass ein vertretungsbefugter Gesellschafter ausschließlich für die Gesellschaft handelt und als Folge seiner Handlung für die Gesellschaft die rechtsgeschäftliche Bindung der Gesellschaft entsteht. Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter braucht nicht speziell vereinbart zu werden. Sie tritt ex lege als Folge der Bindung der Gesellschaft ein. Umgekehrt, muss jede Einschränkung der Gesellschafterhaftung Gegenstand der Vereinbarung mit dem jeweiligen Kontrahenten der Gesellschaft sein (dazu im Folgenden). II. Gesetzliche Verbindlichkeiten Als Rechtssubjekt ist die Gesellschaft fähig, Träger von gesetzlichen Verbindlichkeiten zu sein. Die möglichen Kontroversen beziehen sich vor allem auf die Frage der Haftung der Gesellschaft für die durch ihre organschaftlich handelnden Gesellschafter begangenen, unerlaubten Handlungen. Diese Art der Haftung wird in meisten Systemen ausdrücklich für juristische Personen geregelt (vgl. Art. 416 ZGB). In den Systemen, in denen die OHG keine juristische Person ist, wurde diese Haftung seit jeher intensiv diskutiert. Die schweizerische Rechtsprechung hat Anfangs des 20. Jahrhunderts den Standpunkt angenommen, dass „die gleichen Gründe, welche die (gesetzlich vorgesehene) Haftung der juristischen Personen für unerlaubte Handlungen ihrer Organe rechtfertigen, auch für die Kollektivgesellschaft zutreffen“. 8 Der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre folgend, hat der schweizerische Gesetzgeber im Jahre 1936 eine spezielle Vorschrift eingeführt, wonach „die Gesellschaft für den Schaden aus unerlaubten Handlungen haftet, die ein Gesellschafter in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen begeht“ (Art. 567 Abs. 3 schweiz. OR). 9 Ähnlich verlief die Entwicklung in Deutschland. Schon im 19. Jahrhundert, vor dem Inkrafttreten des BGB, wurde die Organhaftung der Personengesellschaften des Handelsrechts 7 Flume, Die Personengesellschaft, S. 131; Schlegelberger / K. Schmidt, § 125 Rn. 3; Staub / Habersack, § 125 Rn. 4; ausdrücklich Hadding, Zur Rechtsfähigkeit, S. 719, „mit der Eigenschaft, „juristische Person“ zu sein, ist auch nicht etwa verknüpft, dass nur bei diesen Gesellschaften Organe vorgesehen sind“; ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 253 f.: „Die Grundsätze über organschaftliches Wollen und Handeln gelten für jeden Verband, der fähig ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein“. In der schweizerischen Lehre Vonzun, Rechtsnatur, S. 254 („im Hinblick auf die Rechtssubjektivität der Gesellschaft nicht bloß eine „organähnliche“ Stellung, sondern ein Organ“). 8 BG. v. 02. 12. 1940, BGE 66 II, S. 249 ff. 9 Im Zuge der Revision des OR von 1936, vgl. Vonzun, Rechtsnatur, S. 263.

§ 1 Die Quelle der Gesellschafterhaftung in der OHG

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durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannt. 10 Nach dem Inkrafttreten des BGB gelangt die deutsche Lehre und Rechtsprechung zum selben Ergebnis mit der analogen Anwendung des § 31 BGB, 11 wobei die Stimmen zu beachten sind, nach denen es der Analogie nicht bedürfte, da es sich um das allgemeine Institut der Repräsentationshaftung handele, das für alle rechtsfähigen Verbände gelte. 12 Danach ist der OHG das rechtswidrig-schuldhafte Verhalten ihrer geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter als Organverschulden zuzurechnen. 13 Im polnischen Recht ist Art. 416 ZGB in Erwägung zu ziehen, der die Schadensersatzhaftung einer juristischen Person für den durch ihr Organ verschuldeten Schaden anordnet. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die OHG als eine „organisatorische Einheit ohne Rechtspersönlichkeit“ i. S. d. Art. 33 1 § 1 ZGB ist nach der oben genannten Vorschrift angeordnet. Wie war aber die Rechtslage vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift? Die Frage erschöpft sich in der Überlegung der analogen Anwendung des Art. 416 ZGB auf die Handlung eines OHG-Gesellschafters für die Gesellschaft. Sieht man die OHG als eine rechtsfähige Einheit an, so muss die analoge Anwendung dieser Vorschrift sachgerecht und geboten erscheinen. Zu dieser Schlussfolgerung ist die polnische Rechtsprechung bereits in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts gelangt. 14 Diese Ansicht wurde auch zum HGB von 1933 vertreten, 15 wobei offen gelassen wird, ob als „Organe“ der Gesellschaft alle Gesellschafter anzusehen sind oder nur diejenigen, die geschäftsführungsbefugt sind. Dies ist im Folgenden klarzustellen. Es folgt zunächst ein Blick auf die Praxis zu § 31 BGB, weil er genauso wie Art. 416 ZGB an das Merkmal des Organs anknüpft. Während das Reichsgericht noch auf die Vertretungsbefugnis des handelnden Gesellschafters abgestellt hat, so stellt die neue Rechtsprechung auf die Geschäftsführungszuständigkeit des delinquenten Gesellschafters ab. 16 Es scheint, dass man sich der beiden Kriterien 10

Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 23 ff.; Altmeppen, Die Haftung, S. 1021. Nach der Rechtsprechung des RG haftete die Gesellschaft für Marken- und Patentverletzungen ihrer vertretungsbefugten Gesellschafter, vgl. RG v. 29. 06. 1883 (Rep. II. 170/83), RGZ 10, S. 301; RG v. 05. 02. 1886 (Rep. I. 390/85), RGZ 15, S. 121. Aus diesen Einzelfällen wurde eine ständige Rechtsprechung. 11 MünchKomm-BGB / Reuter, § 31 Rn. 14. 12 Nachweise bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 275; i. E. Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 39 ff. 13 Wobei die Gesellschaftergesamtheit als Organ der Gesellschaft angesehen werden kann (nicht bloß Innenorgan, weil sie die Gesamthand nach außen repräsentieren kann), MünchKomm-BGB / Reuter, § 31 Rn. 26. 14 Urteil des SN v. 20. 04. 1934, C III 222/33, OSN 1934, Heft 10, S. 1411, wonach die Haftung des Gesellschaftsvermögens für die Handlungen der Gesellschafter immer eintritt, sobald diese Handlungen unmittelbar das Gesellschaftsvermögen betreffen, unabhängig davon, ob es um rechtsgeschäftliches Handeln bzw. unerlaubte Handlungen geht. 15 Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 8 Rn. 12 (S. 114); Pyzioł, in: Kruczalak, Kodeks, S. 142.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

bedienen kann. Sowohl das Vertretungs- als auch Geschäftsführungsrecht eines Gesellschafters können im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden, sobald die Mehrheit des Gesellschafters dies möchte. Es unterliegt dann keinem Zweifel, dass ein Gesellschafter, dem weder das Vertretungs- noch das Geschäftsführungsrecht zusteht, nicht als Organ der OHG angesehen werden kann. Andererseits ist mit Blick auf die organisatorische Struktur der Befugnis zur Geschäftsführung in der OHG ein größerer Wert beizumessen. Daraus folgt, dass die Haftung der Gesellschaft aus Art. 416 ZGB ohne Zweifel durch die unerlaubte Handlung eines oder mehrerer geschäftsführungsbefugter Gesellschafter begründet wird. Identisch zu beurteilen ist die Lage, wenn alle OHG-Gesellschafter, die zusammen zur Geschäftsführung befugt sind, gemeinschaftlich eine unerlaubte Handlung begehen. 17 Eine Organhaftung der Gesellschaft i. S. d. Art. 416 ZGB umfasst auch eine unerlaubte Handlung eines nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafters, der für einen Einzelfall tatsächlich weisungsgebunden mit nur einer Verrichtung durch die Gesellschaft beauftragt wurde. 18 Wenn aber die unerlaubte Handlung gerade im rechtsgeschäftlichen Handeln in Vertretung der Gesellschaft oder aber im unmittelbaren Zusammenhang mit rechtsgeschäftlichem Kontaktieren erfolgt, muss jedoch bei divergierender Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis die letzte das maßgebliche Kriterium sein. 19 Es unterliegt keinem Zweifel, dass neben der Gesellschaft der schädigende Gesellschafter gemäß Art. 415 ZGB oder einer anderen speziellen Anspruchsgrundlage haftet. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob sich die Haftung der Gesellschaft aus Art. 416 ZGB für die Delikte ihrer Organe auf alle Gesellschafter erstreckt, denn Art. 416 eröffnet lediglich den Zugriff auf das Vermögen der juristischen Person. Der Wortlaut des Art. 22 § 2 HGG, genauso wie derjenige des § 128 dt. HGB, gibt allerdings keinen Anlass für diese Fragestellung, sobald das Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit bejaht wird. In diesem Sinne ergibt sich der Standpunkt für die h. L. in Deutschland und in der Schweiz dahingehend, dass dies keine Frage des § 31 BGB (Art. 567 Abs. 3 schweiz. OR), sondern eine Frage des § 128 dt. HGB (Art. 568 Abs. 3 schweiz. OR) ist. 20 Im Hinblick auf 16 BGH-Urteil v. 24. 02. 2003 (II ZR 385/99), ZIP 2003, Heft 15, S. 664 f.; zust. K. Schmidt, Die Gesellschafterhaftung, S. 1899. 17 Vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 114. 18 Vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 115. Eigentlich handele es sich um ein culpa in eligendo der Gesellschaft. 19 Vgl. Begründung zu BG v. 02. 12. 1940, BGE 66 II, S. 253; in diesem Sinne auch Lindacher, Grundfälle (1. Teil), S. 579. Für das deliktische Fehlverhalten der nicht geschäftsführungs- oder vertretungsbefugten Gesellschafter sowie Nicht-Gesellschafter haftet die Gesellschaft nach Maßgabe des Art. 429 ZGB bzw. 430 ZGB. 20 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 275; MünchKomm-BGB / Reuter, § 31 Rn. 24; Staub / Habersack, § 124 Rn. 14; SPR / von Steiger, VIII Bd., 1. Hbd., S. 518; Vonzun, Rechtsnatur, S. 263. Neuerdings hat der BGH die Haftung der Gesellschafter für die

§ 1 Die Quelle der Gesellschafterhaftung in der OHG

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diese Norm erstreckt sich die Gesellschaftshaftung auch auf die Personen der Gesellschafter. Einerseits könnte man diese Lösung ohne Bedenken bejahen, da die gesetzliche Aussage ziemlich unproblematisch erscheint. Andererseits müssen die Begründungen einer abweichenden Ansicht beachtet werden. Flume geht davon aus, dass das deliktische Verschulden des geschäftsführenden Gesellschafters, auch wenn man es mit der Anwendung des § 31 BGB der Gesellschaft als Organisation zurechnet, doch für die anderen Gesellschafter als fremdes deliktisches Verschulden nicht ihre eigene Sache sei. 21 Das deutsche Recht kenne nicht die persönliche Haftung für fremdes deliktisches Verschulden. Die Vorschrift des § 128 dt. HGB sei nicht so konzipiert, als ob sie auch diese Haftung umfassen würde. Aus diesem Grund würde die Analogie zur Organhaftung der juristischen Person nur die Haftung mit dem in der OHG oder KG formierten Vermögen tragen, nicht aber die persönliche Haftung der Gesellschafter. 22 Zugunsten dieser Ansicht spricht auch eine im Wege der historischen Auslegung gewonnene Annahme, nämlich dass sich § 128 dt. HGB ursprünglich keineswegs auf deliktische Verbindlichkeiten bezog, da diese Bestimmung die notwendige Konsequenz aus dem Umstand sei, dass „der Kredit der Gesellschaft wesentlich auf dem Kredit der einzelnen Gesellschafter als Träger der Gesellschaft beruht“, was im Hinblick auf die Entstehung von Deliktsverbindlichkeiten gar nicht überzeuge. 23 Darüber hinaus treffe der Hinweis der h. M. auf die fehlenden Vorschriften zur Vermögensbindung und Kapitalaufbringung und -erhaltung bei den Personengesellschaften als Anlass für die persönliche Gesellschafterhaftung in der Personengesellschaft nicht zu, weil diese nicht dazu dienen, der Gesellschaft eine Reserve für abstrakt denkbare Delikte von Organen und Mitarbeitern zu verschaffen. Vielmehr seien die Delikte per se unerlaubt und somit nicht Gegenstand von zuverlässigen Prognosen in einem Unternehmen. 24 Außerdem könne die fehlende Vermögensbindung in der Personengesellschaft dadurch ersetzt werden, dass die Gesellschafter keine Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen nach der Entstehung des Deliktsanspruchs zu Lasten der Gesellschaft tätigen dürfen. 25 Zweifel über den Umfang von Entnahmen nach der Entstehung des Deliktsanspruchs gingen zu Lasten des Gesellschafters und würden seine unbeschränkte Haftung auslösen. Deliktsverbindlichkeiten des geschäftsführenden Gesellschafters auch in der GbR bejaht, vgl. BGH v. 24. 02. 2003 (II ZR 385/99), ZIP 2003, Heft 15, S. 664 f.; zust. K. Schmidt, Die Gesellschafterhaftung, S. 1897 f.; Ulmer, Die Haftungsverfassung, S. 1113. 21 Flume, Die Personengesellschaft, S. 344. 22 Flume, Die Personengesellschaft, S. 344. 23 Altmeppen, Haftung, S. 1022. 24 Altmeppen, Haftung, S. 1023. 25 Dem Deliktsgläubiger wäre nach § 242 BGB ein Anspruch gegen den Gesellschafter auf Auskunft über den Bestand des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Entstehung seines Schadensersatzanspruchs und über die danach etwa noch getätigten Entnahmen einzuräumen, Altmeppen, Haftung, S. 1025.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

Die mögliche Kontroverse muss meines Erachtens ihre Erledigung in der Bejahung der Gesellschafterhaftung finden. Dafür spricht in erster Linie das Bedürfnis des Gläubigerschutzes, der umfassend sichergestellt werden muss. Die von Altmeppen vorgeschlagene Konstruktion des Entnahmeverbotes vom Gesellschaftsvermögen erscheint künstlich und mit der Vermögensverfassung der OHG de lege lata nur schwerlich vereinbar. Im Zusammenhang mit dem Verkehrsschutz ist mit der deutschen Rechtsprechung 26 darauf hinzuweisen, dass anders als bei rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten sich die Gläubiger ihren Schuldner nicht aussuchen können. Es erscheint wohl systemwidrig, bei Rechtsgeschäften, wenn regelmäßig eine Kontrahierungsfreiheit besteht, den Gesellschafter nach Art. 22 § 2 HGG haften zu lassen, und bei gesetzlichen Verbindlichkeiten, wenn der Geschädigte keinen Einfluss auf die Person des Verpflichteten hat, ihm die Sicherheit der Gesellschafterhaftung abzusprechen. Wenn man die Gesellschafterhaftung für deliktische Verbindlichkeiten bejaht, wird die Haftungsverfassung der OHG mit Blick auf die Vollrechtsfähigkeit der Gesellschaft und eine Sicherungsfunktion der Gesellschafterhaftung einheitlich. Darüber hinaus ist zu vermerken, dass die Gesellschafter einer OHG im Regelfall einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl und Tätigkeit der Organwalter in der Gesellschaft haben, so dass eine eventuelle Haftung für Deliktsverbindlichkeiten keine besondere Zumutung darstellt. Schließlich ist darauf hinzudeuten, dass sich die unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte des § 128 dt. HGB postulierte teleologische Reduktion dieser Vorschrift auf rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten im Lichte des geltenden Rechts schwerlich rechtfertigen lässt, da Art. 22 § 2 HGG zwischen gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten nicht unterscheidet. Ähnlich wie bei den Deliktsverbindlichkeiten ist die Problematik der bereicherungsrechtlichen Haftung der Personengesellschaft zu beurteilen. Die Frage, ob die Gesellschaft als solche Kondiktionsschuldner sein kann, 27 beantwortet sich positiv mit der Bejahung der Subjektivität der Gesellschaft. Der primäre Schuldner des Bereicherungsanspruchs ist demnach die Gesellschaft. Wegen Art. 22 § 2 HGG haften aber auch die Gesellschafter. Der Wegfall der Bereicherung ist allein nach den Vorgängen im Gesellschaftsvermögen zu beurteilen. 28 Grundsätzlich ist es bei deliktischen und bereicherungsrechtlichen Ansprüchen wie bei allen anderen gesetzlichen Schuldverhältnissen. Es geht primär darum, dass sich die Haftung für die Verpflichtung der Gesellschaft auf die Gesellschafter erstreckt.

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BGH v. 24. 02. 2003 (II ZR 385/99), ZIP 2003, Heft 15, S. 666. Die Fragestellung in Bezug auf die GbR bei MünchKomm-BGB / Lieb, § 812 Rn. 328. 28 Zu Einzelfragen bei der bereicherungsrechtlichen Haftung der Gesellschaft und der Gesellschafter vgl. Lindacher, Grundfälle (1. Teil), S. 583. 27

§ 2 Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter

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§ 2 Das Verhältnis zwischen der Gesellschaftsschuld und der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter in der OHG A. Einführung in die Problematik I. Allgemeines Die Rechtssubjektivität der OHG, die uns bisher beschäftigt hat, steht nunmehr außer Zweifel, auch wenn man sie unterschiedlich begründen kann. Diese hat zur Folge, dass die Haftung der Gesellschafter ein Einstehenmüssen für eine fremde Schuld, nämlich derjenigen der Gesellschaft, ist. Diese Aussage muss vor allem auf konkrete Haftungsverbindlichkeiten der Gesellschafter bezogen werden, weil sich die meisten Rechtswirkungen dieser Einordnung bei den konkreten Haftungsverbindlichkeiten zeigen. Der Zweck der folgenden Untersuchung ist, zu überprüfen, wie die Vorschriften der Art. 22 § 2 i.V. m. Art. 31 HGG bezogen auf die Feststellung, dass die OHG vollrechtsfähig ist, auszulegen sind. Laut der Aussage des Art. 22 § 2 HGG haftet jeder Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, unter Beachtung von Art. 31 HGG, (...) gesamtschuldnerisch mit den übrigen Gesellschaftern und mit der Gesellschaft. Somit übernimmt diese Vorschrift beinahe wörtlich den Inhalt des Art. 85 HGB aus dem Jahre 1933. 29 Diese Formulierung des polnischen Gesetzes unterscheidet sich von den entsprechenden Vorschriften der hier zum Vergleich herangezogenen ausländischen Rechtsordnungen. Das schweizerische Obligationenrecht in Art. 568 Abs. 1 30 sowie das deutsche HGB in § 128 S. 1 31 sprechen nur von der gesamtschuldnerischen (solidarischen) Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, beinhalten aber nicht den Hinweis auf eine gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter (zusammen) mit der Gesellschaft. Darüber hinaus sieht das schweizerische OR vor, dass die Gesellschafterhaftung subsidiär ist (Art. 568 Abs. 3), während das deutsche HGB eine primäre Gesellschafterhaftung anordnet. Ähnlich ist die Formulierung des französischen Code de Commerce, welcher die Gesamtschuld nur zwischen den Gesellschaftern vorsieht (Art. L 221 I Ccom) 32 und gleichzeitig 29

Das HGB enthielt dazu den Satz: „Das gleiche gilt im Konkurs der Gesellschaft“ (Art. 85 § 1 S. 2 HGB). Allerdings, im Gegensatz zu Art. 22 § 2 HGG, verwies Art. 85 § 1 S. 2 HGB auf keine andere Vorschrift, da die Gesellschafterhaftung nach dem HGB primär war. 30 „Die Gesellschafter haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen“. 31 „Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich“. 32 „Les associés en nom collectif (...) répondent indéfiniment et solidairement des dettes sociales“.

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die Gesellschafterhaftung als eine subsidiäre ausgestaltet. In allen diesen drei Rechtsordnungen trifft das Gesetz keine Aussage dazu, ob die Gesellschafter Gesamtschuldner mit der Gesellschaft sind, oder ob dieses Verhältnis durch ein anderes Rechtsinstitut geregelt ist. Der Wortlaut der obengenannten Vorschriften hat die Rechtslehre in den betreffenden Rechtsordnungen, vor dem Hintergrund der Rechtsnatur der OHG, entweder als einer rechtsfähigen Einheit oder eines nicht rechtsfähigen Zusammenschlusses der Gesellschafter, dazu veranlasst, unterschiedliche Schlussfolgerungen in Bezug auf den Rechtscharakter der Verbindung zwischen Gesellschaftsschuld und Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit zu ziehen. II. Die polnische Lehre Die Rechtsnatur der Haftung der OHG-Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten war im polnischen Schrifttum nicht Gegenstand größerer Untersuchungen. Von allen analysierten Fragen im Rahmen dieses Problemkreises wurde das Verhältnis zwischen der Gesellschafts- und Gesellschafterverbindlichkeit in besonders geringem Umfang erörtert. Die herrschende Meinung aus der Zeit des Inkrafttretens des polnischen HGB v. 1933 plädierte ohne tiefere Begründung für die strikte Anwendung der Vorschriften des Obligationenrechts über die Gesamtschuld (Artt. 13 –18) auf die Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern. 33 Angesichts der herrschenden Ansicht, dass die OHG keine Rechtsfähigkeit hatte, wurde die Stellung des Gesellschafters, der für seine eigene Schuld haftete, der Stellung des Bürgen gegenübergestellt, der für eine fremde Schuld einstand. In dieser Hinsicht wurde aber bereits damals bemerkt, dass die Gesellschafter gegenüber dem Gläubiger die der Gesellschaft zustehenden Einwendungen und Einreden geltend machen konnten (vgl. Art. 89 HGB). Trotz der Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld resultierte der Erlass der Gesellschaftsschuld im Wegfall der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter. 34 Im Hinblick auf die weitgehend einhellig herrschende Lehre verlangt der Ansatz von Alfred Klein eine gesonderte Erörterung. 35 Seine Meinung basiert auf der Unterscheidung zwischen Schuldverhältnissen und Haftungsverhältnissen im Zivilrecht. Seiner Ansicht nach stehen den Gesellschaftsgläubigern die Ansprüche auch gegenüber den mit der Gesellschaft gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschaf33 Vgl. Namitkiewicz, Kodeks, S. 175; Fenichel, in: Dziurzy´nski / Fenichel / Honzatko, Kodeks, S. 95. 34 Allerhand, Kodeks, S. 143. Das Problem wurde übersehen von Fenichel, in: Dziurzy´nski / Fenichel / Honzatko, Kodeks, S. 95, der die Anwendung des Art. 16 § 1 OR vorschlug. 35 Klein, Ewolucja, S. 104.

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tern als Folge des gesetzlichen Haftungsverhältnisses jedes Gesellschafters zu. Die Gesellschafter seien aber keine Schuldner der Gesellschaftsgläubiger – Schuldner sei nur die Gesellschaft – sie haften lediglich mit ihren Privatvermögen für die Verbindlichkeiten eines anderen Rechtssubjekts (der Gesellschaft). Der Gesellschaftsgläubiger sei demnach zwar berechtigt, seine Forderung aus dem Vermögen des Gesellschafters zu befriedigen, sein Anspruch auf Realerfüllung richte sich aber ausschließlich gegen die Gesellschaft. 36 Eine Erklärung der gesetzlichen Aussage über das Bestehen der Gesamtschuld zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern wurde in Bezug auf die vergleichbare Lage in der Kommanditgesellschaft vorgeschlagen. 37 Von der These, dass die Personenhandelsgesellschaften rechtsunfähig sind, ausgehend, wird behauptet, dass die Formulierung „mit der Gesellschaft“ lediglich ein Hinweis auf das Gesellschaftsvermögen beinhaltet, das neben dem Privatvermögen den Gesellschaftern als Haftungssubstrat dient. 38 Die neueste Lehre in Polen geht mehrheitlich davon aus, dass es sich bei der Verbindung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern um eine Gesamtschuld i. S.v. Artt. 366 ff. ZGB handelt. Die Verbindung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern sei ein gesetzlich vorgesehener Fall der Gesamtschuld und könne vertraglich nicht abbedungen werden. Demnach würden die Vorschriften über die Gesamtschuld (Artt. 366 –378 ZGB) auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern sowie den Gesellschaftern untereinander Anwendung finden. 39 Dabei wird nicht untersucht, ob sich diese Vorschriften auf beide Rechtsverhältnisse uneingeschränkt anwenden lassen. Weiterhin ist auf den Grundsatz des polnischen Schuldrechts hinzuweisen, dass ein Schuldverhältnis lediglich dann gesamtschuldnerisch ist, wenn sich dies aus dem Gesetz oder aus einem Rechtsgeschäft ergibt (Art. 370 ZGB). 40 Damit soll begründet werden, 36

Diese Konzeption hat Klein in mehreren Arbeiten geschildert, vgl. auch Elementy stosunku prawnego prawa rzeczowego, Wrocław 1976, S. 153 ff. 37 So Moskwa, Stosunek, S. 102. 38 Moskwa, Stosunek, S. 102, behauptet, dass die Regelung des Art. 85 § 1 HGB von 1933 (übernommen in Art. 22 HGG) völlig bewusst so formuliert wurde, da sie erlaubt, die Auslegungsprobleme der deutschen Lehre bezüglich des Bestehens der Gesamtschuld zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern zu vermeiden. Dabei verweist er auf das deutsche Schrifttum aus den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Verfasser gibt leider nicht bekannt, wie der polnische Gesetzgeber des HGB von 1933 von diesem doktrinalen Streit in Deutschland wusste, der sich vor allem in den sechziger und siebziger Jahren abspielte. 39 Kruczalak, in: Kruczalak, Kodeks, S. 62; Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 126; Strze˛pka, Konsekwencje, S. 7; Pyzioł, in: Kurczalak, Kodeks, S. 146; Kidyba / Kopaczy´nska-Pieczniak, Odpowiedzialno´sc´ , S. 18; Kidyba, Status, S. 136 f. Auch in der Kommentarliteratur zum ZGB, vgl. z. B. Zawada, in: Pietrzykowski, Kodeks, Bd. I, 3. Aufl., S. 770 f., wird auf diese Frage nicht näher eingegangen.

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warum der Frage, ob die Gesellschafter für eine fremde oder eigene Schuld haften, im Grunde genommen keine Bedeutung zukommen kann. In beiden Fällen haften die Gesellschafter stets gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft. 41 Bezüglich dieses Meinungsstandes sind zwei Umstände hervorzuheben. Zum einen wurde kaum eine Analyse durchgeführt, um die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des ZGB (Art. 366 ff.) über die Gesamtschuld auf die Haftung in der OHG zu zeigen. 42 Es wurde auch nicht erörtert, wie sich die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung auf die Gesamtschuld auswirkt. Zum anderen hat das gesellschaftsrechtliche Schrifttum nicht versucht, aus den Analogien zu anderen verwandten Rechtsinstituten (z. B. Bürgenhaftung) Schlussfolgerungen für den Charakter der Gesellschafterhaftung zu ziehen. 43 III. Fremde Rechtsordnungen Einleitend wurden die einschlägigen Vorschriften der anderen Rechtsordnungen dargestellt, die den polnischen Gesetzgeber und die polnische Rechtslehre besonders beeinflusst haben. Jetzt ist zu schildern, wie die Rechtslehre diese in ihrem Wortlaut weitgehend verwandten Vorschriften interpretiert sowie wo Streitpunkte bestehen. Die herrschende Meinung der schweizerischen Lehre vertritt die These, dass die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter nicht etwa im Verhältnis zu der Gesellschaft gilt, weil dieses Verhältnis durch die Akzessorietät und Subsidiarität der Haftung der Gesellschafter charakterisiert ist. 44 Die gesamtschuldnerische Haftung i. S. d. Art. 568 Abs. 1 OR bedeute demnach, dass die Gesellschafter nur untereinander gesamtschuldnerisch haften. Die Solidarhaftung aller Gesellschafter trete neben diejenige der Gesellschaft. Jedoch bestehe zwischen dieser und den Gesellschaftern keine Solidarität. Die Gegenansicht geht davon aus, dass die Solidarität der Gesellschafter zweifach besteht: Erstens gegenüber der Gesellschaft und zweitens gegenüber den Mitgesellschaftern. 45 Der Gläubiger habe die Wahl, gegen die Gesellschaft oder die Gesellschafter vorzugehen (unter Berücksichti40 Übernommen nach dem Vorbild des französischen Art. 1202 Cciv: „la solidarité ne se présume point“. 41 Strze˛pka, Konsekwencje, S. 8. 42 Eine der wenigen Ausnahmen stellt der Beitrag von Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 31 ff. dar. 43 Zu den wenigen gehören Kidyba / Kopaczy´nska-Pieczniak, Odpowiedzialno´sc´ , S. 9, nach denen der OHG-Gesellschafter formell für seine eigene Schuld einstehe, im Grunde genommen aber für eine fremde Schuld, die materiell gegen die Gesellschaft gerichtet sei. Vgl. aber neuerdings Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 45 f. 44 Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 14; von Wyss, Die Haftung, S. 26; SPR / von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 542; in diesem Sinne auch Meier-Hayoz / Forstmoser, Schweizerisches, S. 285.

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gung der gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen der Gesellschafter). 46 Es wird auch der Ansatz vertreten, dass ungeachtet der Akzessorietät- und Subsidiaritätsprinzipien ein entsprechendes Solidarschuldverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern angenommen werden muss, da dies im Interesse der Gläubiger und Gesellschafter geboten sei. 47 Nach der intensiven Diskussion zu Beginn der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bestehen gegenwärtig wenige Kontroversen im deutschen Schrifttum. 48 Nach der mittlerweile allgemein herrschenden Meinung zu § 128 dt. HGB besteht zwischen der Schuld der Gesellschaft und der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter keine gesamtschuldnerische Verbindung. 49 Dies ergebe sich daraus, dass im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter die – für das Vorliegen einer Gesamtschuld erforderliche – Gleichstufigkeit der Haftung fehlt. Vielmehr lasse sich § 129 dt. HGB entnehmen, dass die Gesellschafterschuld jedenfalls insoweit, als es um ihre Durchsetzung gehe, abhängig von der Gesellschaftsschuld sei und damit nicht dem für eine Gesamtschuld kennzeichnenden Grundsatz der Einzelwirkung i. S. d. § 425 BGB folge. 50 Es wird dagegen angenommen, dass die Haftung der OHG-Gesellschafter bezüglich des Verhältnisses zur Gesellschaftsschuld der Bürgenhaftung nachgebildet ist. 51 Die Gesellschaftsschuld sei mit der Hauptschuld i. S.v. §§ 765 Abs. 1, 768 Abs. 1 BGB vergleichbar. Die Gesellschafter hätten eine bürgerähnliche Stellung, ungeachtet der Nichtanwendbarkeit der §§ 767 Abs. 1 S. 3, 768 Abs. 2 BGB. 52 Die Vorschrift des § 128 S. 1 dt. HGB entspreche deshalb, soweit sie die gesamtschuldnerische Haftung anordnet, derjenigen des § 769 BGB, wonach Mitbürgen als Gesamtschuldner haften. Die Akzessorietät der Bürgen- bzw. Gesellschafterschuld werde dadurch nicht berührt. 53 Die Annahme, dass zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterschuld kein Gesamtschuldverhältnis bestehe, löse weitreichende Rechtsfolgen aus. Unanwendbar sei § 423 BGB betreffend der Möglichkeit des Einzelerlasses und § 422 45 Vgl. Party, Précis, S. 308; Pestalozzi / Wettenschwiler, in: Basler Kommentar, Art. 568 Rn. 12. 46 Terminologisch nicht ganz eindeutig Pestalozzi / Wettenschwiler, in: Basler Kommentar, Art. 568 Rn. 12; vgl. auch BG v. 10. 12. 1974, BGE 100 II, S. 379: „Ist der Gesellschafter belangbar, so wird er Solidarschuldner mit der Gesellschaft“. 47 So nicht gänzlich klar Vonzun, Rechtsnatur, S. 262. 48 Die wichtigsten Argumente aus der Diskussion in Deutschland werden nachfolgend untersucht. 49 Vgl. BGH v. 09. 05. 1963 (II ZR 124/61), BGHZ 39, S. 319 ff.; Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 19; A. Hueck, Das Recht, S. 320 f.; Staub / Habersack, § 128 Rn. 20. 50 So Staub / Habersack, § 128 Rn. 20. 51 Vgl. statt vieler Staub / Habersack, § 128 Rn. 20; Heymann / Emmerich, § 128 Rn. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1415. Keine Bedenken auch im allgemeinen zivilrechtlichen Schrifttum, vgl. MünchKomm-BGB / P. Bydlinski, § 421 Rn. 40. 52 Staub / Habersack, § 128 Rn. 20. 53 Staub / Habersack, § 128 Rn. 20.

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Abs. 1 BGB, wonach die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner Gesamtwirkung hat. Die Erfüllung durch die Gesellschaft befreie auch die Gesellschafter, so wie umgekehrt die Leistung eines Gesellschafters die Befriedigung des Gläubigers auch im Verhältnis zur Gesellschaft zur Folge hat. Vertiefend, mit Parallelen zu anderen Rechtsinstituten, wurde die Konstruktion der gesetzlichen Gesellschafterhaftung in der französischen Doktrin und Rechtsprechung erläutert. Die herkömmliche Lehre zum Code de Commerce hat die Gesellschafter als einfache Bürgen („caution ordinaire“, „caution simple“) der Gesellschaft betrachtet. 54 Das Verhältnis zur Gesellschaft wurde durch die Akzessorietät und Subsidiarität gekennzeichnet. Folge dieser Qualifikation des Verhältnisses zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterverbindlichkeit war die Gewährung der Einrede der Vorausklage („bénéfice de discussion“) für die Gesellschafter gemäß dem für den Bürgen geltenden Art. 2022 Code Civil. 55 Im Laufe der Zeit hat sich auch die Meinung herausgebildet, nach der die Gesellschafter der OHG als Gesamtschuldner der Gesellschaft („codébiteur solidaire“) anzusehen waren. 56 Dieser Standpunkt fand seine Stütze im damaligen Wortlaut des Art. 22 Ccom, 57 welcher im Gegensatz zum geltenden Recht keine Subsidiarität der Gesellschafterhaftung vorsah. Demzufolge stand den Gesellschaftern keine Einrede der Vorausklage zu. Die Gläubiger waren dazu ermächtigt, die Gesellschaft oder die Gesellschafter nach Belieben in Anspruch zu nehmen, ohne irgendwelche Haftungsvoraussetzungen der Gesellschafter einhalten zu müssen. 58 Im Zusammenhang damit wurde vertreten, dass die Gesellschafter gleichrangig mit der Gesellschaft verpflichtet waren („à titre principal“) und ihre Stellung gegenüber dem Gläubiger dieser der Gesellschaft entsprach. 59 Ferner wurde vertreten, dass angesichts der eigenen Rechtssubjektivität der Gesellschaft den Gesellschaftern die Stellung der gesamtschuldnerischen Bürgen („caution solidaire“) der Gesellschaft zukomme. Die Gesellschafter seien nicht mehr als Garanten der Gesellschaft, nicht aber Gesamtschuldner mit der Gesellschaft, denn dies setze voraus, dass die Gesellschafter selber Parteien der Rechtsverhältnisse der Gesellschaft seien. 60 Die Gesetzesnovelle aus dem Jahre 1966, 61 welche die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung eingeführt hat, hat dazu beigetragen, dass die herrschende Lehre 54

Vgl. Escara, Manuel, S. 272; Lyon-Caen / Renault / Amiaud, Traité, S. 290 ff. „Le créancier n’est obligé de discuter le débiteur principal que lorsque la caution le requiert sur les premières poursuites dirigées contre elle“ (Art. 2022 Cciv). 56 Vgl. Lacour, Précis, S. 183 f. 57 „Les associés en nom collectif sont solidaires pour tous les engagements sociaux: qu’a ce titre, chacun d‘ eux peut donc être poursuivi par les créanciers de la société, sans qu‘ au préalable des poursuites aient été dirigées contra la société elle- même“. 58 CA Paris v. 04. 02. 1886, Rev. Sociétés 1886, S. 24. 59 Fiorina, Obligation, S. 30 f. 60 Escara, Manuel, S. 272; Lyon-Caen / Renauld / Amiaud, Traité, S. 293. 61 Loi n o 66 – 537 sur les sociétés commerciales. 55

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die Gesellschafter als akzessorische Mitverpflichtete gegenüber der Gesellschaft betrachtet. 62 Es wird, ähnlich wie in der deutschen und schweizerischen Lehre, einerseits ausdrücklich zwischen dem Verhältnis der Gesellschafter untereinander, und der Gesellschaft mit den Gesellschaftern andererseits, unterschieden. 63 Eine beachtliche Rolle wird der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung beigemessen, die weitgehend ihr Verhältnis zur Gesellschaftsschuld bestimmt. IV. Problemstellung Diese kurze Schilderung der jeweils herrschenden Meinungen in fremden Rechtsordnungen erlaubt die Schwerpunkte der gesellschaftsrechtlichen Diskussion anschaulich zu machen und sie vor allem als Anstoß für die weitere Untersuchung zu betrachten. Es ist dadurch klar geworden, dass eine strikte Unterscheidung zwischen dem Verhältnis unter den Gesellschaftern einerseits und der Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern andererseits durchgeführt werden muss. Diese zwei Rechtsverhältnisse sind keineswegs gleichartig. Weiterhin fällt auf, dass die Stellung der Gesellschafter in allen hier geschilderten Rechtsordnungen mit der des Bürgen verglichen wird, obwohl es noch Meinungen gibt, die von der Gesamtschuld zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern ausgehen. Dadurch kommt nicht nur die Akzessorietät als Hauptmerkmal der Gesellschafterstellung zum Ausdruck, aber sie wird auch der Gesamtschuld (Solidarität) als ein sie ausschließendes Rechtsinstitut gegenübergestellt. Darüber hinaus sind die Unklarheiten in Bezug auf die Abgrenzung der Begriffe und Auswirkungen der Akzessorietät und Subsidiarität ersichtlich. Dies war am Beispiel der französischen Rechtslehre besonders sichtbar. Diese kurz aufgezeichneten Probleme werden im Folgenden mit dem Ziel untersucht, die Rechtsnatur der Gesellschafterhaftung angemessen zu klären.

B. Die Gesamtschuld und die Akzessorietät als Rechtsinstitute I. Einleitung Die einleitenden Bemerkungen über den Diskussionsstand in der Rechtslehre haben dazu veranlasst, die Frage nach dem Wesen der Gesamtschuld und der Akzessorietät zu stellen sowie die beiden Institute zu vergleichen. Hinzuweisen ist darauf, dass sowohl die Akzessorietät als auch die Gesamtschuld Arten der Verbindung mehrerer Rechte darstellen, die einem Gläubiger gegenüber mehreren Schuldnern zustehen, wobei der Gläubiger die Leistung nur einmal erhalten soll. 64 62 63 64

Le Cannu, Anmerkung, S. 93 ff. F. Derrida, Nom collectif, S. 27. Vgl. Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 237.

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Beim Vergleich beider Rechtsinstitute müssen zwei Aspekte hervorgehoben werden. Erstens das Verhältnis der Mitschuldner untereinander und ihre Auswirkungen auf das Verhältnis zum gemeinsamen Gläubiger, zweitens die Auswirkungen des Verhältnisses des Gläubigers zu einem der Mitschuldner auf sein Verhältnis zu anderen Mitschuldnern. II. Solidarität der Haftung 1. Begriff der „Solidarität“

Der Begriff „solidarisch“ (oder „gesamtschuldnerisch“ 65) hat je nach dem Zusammenhang eine unterschiedliche Bedeutung. 66 Zunächst bezeichnet der Begriff „Solidarität“ („Gesamtschuld“) eine Rechtslage, in der mehrere Schuldner in der Weise verpflichtet sind, dass der Gläubiger die Leistung ganz (solidum) 67 oder teilweise von sämtlichen Schuldnern gemeinsam, von einigen von ihnen oder von jedem Schuldner einzeln verlangen kann und die Befriedigung durch einen Schuldner die übrigen befreit. Bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers bleiben die Schuldner gesamtschuldnerisch verpflichtet (vgl. Art. 366 § 1 und 2 ZGB). 68 Das Gegenstück der Solidarität in diesem Sinne stellt die Teilschuld dar, in der dem Gläubiger rechtlich selbstständige, voneinander unabhängige Teilforderungen zustehen. Jeder Schuldner hat nur die ihn treffende Verpflichtung zu erfüllen; ob er ihr nachkommt oder ob er die Leistung verweigert, bleibt ohne Einfluss auf den Bestand und das Schicksal der übrigen Teilverpflichtungen (vgl. Art. 379 § 1 ZGB). Diese Bedeutung der „Solidarität“ hat einen primären Charakter und lässt sich direkt der gesetzlichen Definition der Solidarität entnehmen. In diesem Sinne wird auch das Merkmal „solidarisch“ im Schrifttum vorwiegend verwendet (sog. primäre Bedeutung der Solidarität). Ferner bedeutet in gewissem Zusammenhang die solidare Haftung eines Mitschuldners seine primäre Haftung neben anderen Mitschuldnern. 69 In diesem Sinne bedeutet „Solidarität“ das Gegenteil einer subsidiären Haftung im Sinne eines „Nacheinanders“ hinsichtlich der Geltendmachung von Verbindlichkeiten 65 Der Begriff „Solidarität“ wird im schweizerischen Recht, die „Gesamtschuld“ dagegen im deutschen Recht verwendet, wobei beide inhaltlich dasselbe bedeuten. 66 Vgl. SPR / Scyboz, Bd. VII, 2. Hbd., S. 412, 440. 67 Hervorgehoben von H. Mazeaud / L. Mazeaud / J. Mazeaud / Chabas, Leçons, S. 1107. 68 Vgl. die Aufzählung der konstitutiven Elemente der Solidarität bei LewaszkiewiczPetrykowska, Konstrukcja, S. 64. Es wird hier nicht auf die Frage eingegangen, ob der Solidarität die Einheit oder die Mehrheit der Verbindlichkeiten der Solidarschuldner zugrunde liegt. Dieser Streit scheint in der Lehre des Schuldrechts noch nicht völlig geklärt zu sein, außerdem hat er für diese Untersuchung keine große Bedeutung, vgl. ebenso für schweizerisches Recht Vonzun, Rechtsnatur, S. 106. 69 SPR / Scyboz, Bd. VII, 2. Hbd., S. 413; Hemard / Terre / Mabilat, Sociétés, S. 78; Escara, Manuel, S. 272: „Un débiteur subsidiàre ne peut être un codébiteur solidaire“.

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gegenüber zumindest zwei unterschiedlichen Schuldnern (sog. sekundäre Bedeutung der Solidarität). Obwohl dieses Verständnis der Solidarität nachfolgend untersucht wird, steht hier hauptsächlich die primäre Bedeutung der Solidarität zur Diskussion. 2. Gesetzliches Leitbild der Solidarität nach polnischem Recht

a) Kriterien für das Vorliegen der Solidarität – Versuche der Typisierung Im Ausgangspunkt ist darauf aufmerksam zu machen, dass das polnische Modell der Gesamtschuld in der Mitte zwischen dem Leitbild der „lockeren“ Solidarität der deutschen und österreichischen Rechtsordnungen und der engen Verbindung der einzelnen Gesamtschuldner des französischen Rechts steht. 70 Die polnische Konstruktion verbindet die Eigenschaften beider Modelle, um einen möglichst weiten Interessenausgleich zwischen dem gemeinsamen Gläubiger einerseits und den Gesamtschuldnern andererseits zu schaffen. Was die Kriterien für das Vorliegen einer Gesamtschuld anbelangt, bleibt das polnische Recht seit dem Obligationenrecht von 1933 dem französischen Modell treu, indem Art. 369 ZGB anordnet, dass ein Schuldverhältnis gesamtschuldnerisch sein kann, wenn sich dies aus dem Gesetz oder aus einem Rechtsgeschäft ergibt. Diese ausdrückliche Regelung veranlasst die Rechtslehre, die Solidarität als einen normativen Begriff zu fassen, über dessen Vorliegen die formellen Umstände (gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Aussage) entscheiden und nicht die sachlichen Gründe. 71 Damit entfällt im polnischen Recht die dem deutschen Recht bekannte Diskussion über die Merkmale einer gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit (vgl. § 421 BGB). 72 Dagegen entsteht auch die hier verfolgte, bisher im polnischen Recht nicht völlig geklärte Frage, ob immer, wenn eine gesetzgeberische Aussage über die Solidarität vorliegt, sich die Vorschriften über die Solidarität uneingeschränkt anwenden lassen. 73 Dieser Zweifel ist durchaus begründet, weil nicht gänzlich klar ist, ob die Solidarität vom polnischen Gesetzgeber als ein Rechtsinstitut konzipiert wurde, das sich ausschließlich auf die Haftung bezieht, oder eine Eigenschaft der Verbindlichkeit darstellt. 74 Die gesetzlichen Anwen70

Herausgearbeitet von Longchamps de Berier, Uzasadnienie, S. 16 ff. Dies betrifft zwar das Obligationenrecht von 1933. Das ZGB hat aber die Grundsätze des Obligationenrechts übernommen. 71 Lewaszkiewicz-Petrykowska, Konstrukcja, S. 68; zust. Klein, Istota, S. 209; Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 326; Zawada, in: Pietrzykowski, Kodeks, Bd. I, 3. Aufl., S. 761. 72 Vgl. MünchKomm-BGB / P. Bydlinski, § 421 Rn. 1: „bei dieser Gesetzeslage verwundert es nicht, dass die Diskussion um den Tatbestand, also den „richtigen“ Gesamtschuldbegriff, bis heute andauert“. 73 Verkannt z. B. von Strze˛pka, Koncepcja, S. 334 f., bei seiner Gegenüberstellung von polnischen und deutschen Konzeptionen der Gesamtschuld.

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dungsfälle der Solidarität sind uneinheitlich und erlauben nur wenig fruchtbare Systematisierungsversuche wie z. B. verbreitete Einteilung der Solidarität in drei Gruppen anhand des jeweiligen Innenverhältnisses: 75 erstens – „gleichgründige“ Gesamtschulden (Identität von Zweck und Leistung); zweitens – „Schutzzweckgemeinschaften“ (sämtliche Anspruche des Gläubigers bezwecken den Schutz eines einzigen Rechtsgutes), und schließlich drittens – „Sicherungsgesamtschulden“ (sichern die Hauptverpflichtung, hierzu gehört die Gesamtschuld zwischen der OHG und ihren Gesellschaftern). 76 Zu beachten ist, dass diejenigen Verfasser, die Typen der Solidarität im polnischen Recht konstruieren, keine normativen Folgen daraus ziehen, weil sie die Frage nicht stellen, ob die Gesamtheit der Vorschriften über Solidarität ungeändert auf alle genannten Anwendungsgruppen anwendbar ist. Daher lautet die Fragestellung hierzu, ob davon ausgegangen werden muss, dass eine Gesamtschuld immer die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen und damit die Anwendung der Artt. 366 –376 ZGB nach sich ziehen muss. 77 Bleibt die Frage offen, so fehlt sämtlichen Systematisierungsversuchen, wie den bisher unternommenen, größere Bedeutung für die Rechtsanwendung. Es ist an dieser Stelle zu betonen, weil dies für den Untersuchungsgang von Bedeutung ist, dass angesichts der unterschiedlichen Kriterien für das Vorliegen der Solidarität die Rolle der Gleichrangigkeit (Gleichstufigkeit) der Verbindlichkeiten im polnischen und im deutschen Recht unterschiedlich ist. Im deutschen Recht wird davon ausgegangen, dass für das Vorliegen einer Gesamtschuld die Gleichstufigkeit der Haftung erforderlich ist, so dass der Tatbestand des § 421 BGB durch das Kriterium der Gleichstufigkeit ergänzt werden muss. 78 Die Gleichstufigkeit aller Verpflichtungen ist so zu verstehen, dass nicht einer der Schuldner von vornherein der Primärverpflichtete ist, sondern vielmehr alle letztlich einen Beitrag zu leisten haben. 79 Weiterhin wird vertreten, dass die Gleichstufigkeit 74 Angedeutet von Lewaszkiewicz-Petrykowska, Konstrukcja, S. 66; zust. Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 316. Letztens hat sich diesem Konzept Strze˛pka, Konsekwencje, S. 8, angeschlossen, ohne es weiterzuentwickeln. 75 Beispiele bei Lewaszkiewicz-Petrykowska, Konstrukcja, S. 68; zust. Łe˛towska, System, Bd. III, 1. T., S. 315 f.; Zawada, in: Pietrzykowski, Kodeks, Bd. I, 3. Aufl., S. 762. Diese von Lewaszkiewicz-Petrykowska vorgeschlagene Einteilung geht zweifellos auf die auf das deutsche Recht bezogene Systematik von Ehmann, Die Gesamtschuld. Versuch einer begrifflichen Erfassung in drei Typen, Berlin 1972, zurück. 76 So Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 316. 77 Nicht gänzlich klar ist die Formulierung von P. Bydlinski (MünchKomm-BGB / P. Bydlinski, § 421 Rn. 15), nach der es durchaus möglich sei, dass der Tatbestand der Gesamtschuld vorliegt, bestimmte Rechtsfolgen jedoch spezieller geregelt sind. Erst wenn (nahezu) alle gesetzlichen Rechtsfolgen der Gesamtschuld verdrängt seien, erscheine es nicht mehr sinnvoll, von einer Gesamtschuld auszugehen. Diese im Ansatz richtige Formulierung ist jedoch nur schwerlich verallgemeinerungsfähig. Sie muss mit konkreten Beispielen weiterentwickelt werden. 78 Larenz, Lehrbuch, S. 635; MünchKomm-BGB / P. Bydlinski, § 421 Rn. 12 ff. 79 Larenz, Lehrbuch, S. 635.

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etwa dann fehlt, wenn ein Schuldner erkennbar nur für die Liquidität eines anderen einzustehen hat. 80 Das Kriterium der Gleichstufigkeit dient im deutschen Recht dazu, von dem Anwendungsbereich der §§ 421 ff. BGB solche Schuldnermehrheiten fernzuhalten, bei denen ein Schuldner als Primärverpflichteter der Erfüllung näher steht, während der andere als Sekundärschuldner nach außen nur für die Liquidität des Primärschuldners einzustehen hat und deshalb von diesem umfassenden Regress verlangen kann. 81 Im polnischen Recht gilt dagegen die Gleichstufigkeit lediglich als eine Eigenschaft bestimmter Anwendungsfälle der gesetzlich angeordneten Gesamtschuld, vor allem bei „gleichgründigen Gesamtschulden“ oder bei „Schutzzweckgemeinschaften“. Sie ist jedoch nicht notwendig für das Vorliegen eines formellen Gesamtschuldtatbestandes. Gleichzeitig kann man aber behaupten, dass die Schuldnermehrheiten, bei denen das Vorliegen einer Gesamtschuld am Fehlen der Gleichrangigkeit im deutschen Recht scheitert, 82 im Lichte des polnischen Rechts zu den Anwendungsfällen der sog. Sicherungssolidarität mitgezählt werden. 83 Während nach der deutschen Lehre keine größeren Probleme bei der Rechtsanwendung in diesen Fällen bestehen (vgl. z. B. Überlagerung der Gesamtschuld durch die Akzessorietätslehre bei der OHG und neulich ähnliche Vorschläge für den Schuldbeitritt), 84 ist im polnischen Recht die Frage der Anwendung der Vorschriften über die Solidarität auf die Fälle der sog. Sicherungssolidarität noch nicht völlig geklärt. b) Eigenschaften der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit Die herrschende Lehre in Polen sieht die Eigenständigkeit (i. S. einer Unabhängigkeit voneinander) der Verbindlichkeiten der einzelnen Schuldner als ein charakteristisches Merkmal der Gesamtschuld an. 85 Dieses grundlegende Prinzip wird in Art. 371 ZGB ausgedrückt. Danach gereichen die Handlungen und Unterlassungen eines Gesamtschuldners den übrigen Mitschuldnern nicht zum 80

Larenz, Lehrbuch, S. 635, MünchKomm-BGB / P. Bydlinski, § 421 Rn. 12. MünchKomm-BGB / P. Bydlinski, § 421 Rn. 12; Soergel / M. Wolf, § 421 Rn. 15. Dagegen kritisch Staudinger / Noack, § 425 Rn. 18 f., der die Schwäche der Gleichstufigkeitstheorie darin erblickt, dass sie auf das Innenverhältnis (Regressverhältnisse unter Gesamtschuldnern) abstellt. 82 Die h. M.: Nach BGH v. 22. 03. 1988 (X ZR 64/87), BGHZ 104, S. 76 ff.; Staub / Habersack, § 128 Rn. 20, zust. MünchKomm-BGB / P. Bydlinski, § 421 Rn. 41, fehlt es im Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterschuld an der für das Vorliegen der Gesamtschuld erforderlichen Gleichstufigkeit. 83 So auch im deutschen Recht nur Ehmann, Gesamtschuld, S. 327; kritisch dazu BeckerEberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 229. 84 Vgl. neuerdings Schürnbrand, Der Schuldbeitritt zwischen Gesamtschuld und Akzessorietät, Berlin 2003; dagegen die Bedenken bei MünchKomm-BGB / Bydlinski, § 421 Rn. 35. 85 Vgl. aus dem polnischen Schrifttum: Radwa´nski, Pore˛czenie, S. 15. 81

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

Nachteil. Aus der Eigenständigkeit der Verbindlichkeiten ergibt sich, dass Veränderungen im Verhältnis eines Gesamtschuldners zu dem gemeinsamen Gläubiger, die für den Gesamtschuldner günstig sind, nicht für die übrigen Gesamtschuldner wirken, es sei denn, sie stellen eine Befriedigung des Gläubigers dar (Grundsatz der Einzelwirkung). Beispiele dafür sind die Einzelwirkung des Verzichts auf die Gesamtschuldnerschaft oder des Erlasses zugunsten eines Gesamtschuldners, die ebenfalls das Grundprinzip des Art. 371 ZGB zum Ausdruck bringen. 86 Weiterhin unterliegen die Verbindlichkeiten der Gesamtschuldner der gesonderten Verjährung (vgl. Art. 372 ZGB). 87 Dadurch wird klar, dass die Verbindlichkeit eines Gesamtschuldners auch dann besteht, wenn die Verbindlichkeit anderer Gesamtschuldner (noch) nicht entstanden oder schon erloschen ist. 88 Das rechtliche Schicksal einer gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit ist dementsprechend nicht maßgebend für den Bestand und Umfang einer anderen gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit. Alle Gesamtschuldner haften grundsätzlich unabhängig voneinander und stehen nur für die Folgen des eigenen Handelns ein. Die Eigenständigkeit der Stellung der einzelnen Gesamtschuldner hat zur Folge, dass ein Solidarschuldner sich nicht auf die persönlichen Einwendungen der anderen Solidarschuldner berufen kann. Die persönlichen Einwendungen bleiben stets dem jeweiligen Schuldner vorbehalten (vgl. Art. 375 § 1 ZGB). 89 Der Umstand, dass die Solidarschuldner solche Einwendungen erheben können, die mit Rücksicht auf die Art und Weise der Entstehung oder auf den Inhalt des Schuldverhältnisses allen Schuldnern gemeinschaftlich zustehen, stellt keine Abweichung vom Prinzip der Eigenständigkeit der Verbindlichkeiten dar. 90 Im Regelfall wird die Eigenständigkeit einzelner Verbindlichkeiten durch ihre Gleichstufigkeit (franz. „rôle principal“, „obligation à titre principal“) im Verhältnis zueinander vervollständigt. Es lässt sich kein Haupt- und kein Nebenrecht unterscheiden. 91 Jeder Gesamtschuldner haftet für eine eigene Schuld und jedem kommt die Stellung eines Hauptschuldners zu. 92

86

Longchamps de Berier, Zobowia˛zania, S. 59; Szpunar, Odpowiedzialno´sc´ , S. 16. Nach Spiro, Die Begrenzung, S. 253, handelt sich hier um ein Prinzip: wenn mehrere Schuldner solidarisch haften, so ist die Verjährung zunächst für jeden gesondert zu beurteilen. 88 Vgl. auch Engel, Traité, S. 562. 89 Vgl. Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 327. 90 Da die Einwendungen gemeinschaftlich sind, stehen sie genauso jedem einzelnen Solidarschuldner zu, so dass es einer speziellen Vorschrift bedürfte, dass diese Einwendungen nicht individuell von einzelnen Solidarschuldnern erhoben werden könnten, vgl. Longchamps de Berier, Uzasadnienie, S. 18. Zu solchen gehören Einwendungen, die den Bestand der Schuld angehen: Nichtigkeit, Erlöschen usw. 91 Vgl. Radwa´nski, Pore˛czenie, S. 15; Francois, Les obligations, S. 163. 92 So Lewaszkiewicz-Petrykowska, Konstrukcja, S. 71. 87

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Angesichts der Eigenständigkeit und Gleichrangigkeit der Solidarverbindlichkeiten lässt die Solidarität keine einseitige Abhängigkeit einer Gesamtverbindlichkeit von einer anderen zu. Die Wirkungen unter Gesamtverbindlichkeiten, wenn überhaupt vorhanden, haben einen wechselseitigen Charakter. Der Umfang der Wechselwirkungen ist beschränkt und ausdrücklich geregelt. Die Einschränkungen der Eigenständigkeit zeigen sich in zwei Ausprägungen des Prinzips der gegenseitigen Vertretung des Gesamtschuldners (franz. „la répresentation mutuelle des codébiteurs“), 93 das im beschränkten Umfang aus dem französischen Recht in das polnische übernommen wurde. 94 Nach diesem Prinzip kommen die Veränderungen im Verhältnis eines Gesamtschuldners zum Gläubiger unmittelbar auch anderen Gesamtschuldnern zugute. Erstens wirkt der Gläubigerverzug gegenüber einem Gesamtschuldner auch gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern (Art. 374 § 2 ZGB). Diese Regelung wird damit begründet, dass, ebenso wie die Zahlung durch einen Gesamtschuldner alle übrigen befreien soll, die Folgen eines Gläubigerverzuges gegenüber allen wirken, nämlich dass die Zahlung nicht mehr zu erfolgen hat. 95 Zweitens befreit ein Urteil zugunsten eines Gesamtschuldners die Mitschuldner, wenn es die Einwendungen berücksichtigt, die ihnen gemeinsam zustehen (Art. 375 § 2 ZGB). Dies stellt eine Konsequenz des Grundsatzes dar, dass der Solidarschuldner die Einwendungen erheben kann, die mit Rücksicht auf die Art und Weise der Entstehung oder auf den Inhalt des Schuldverhältnisses allen Schuldnern gemeinschaftlich zustehen. Die bereits aufgeführten Eigenschaften der Solidarität zeigen sich auch bei der Gläubigerbefriedigung durch einen Gesamtschuldner. Da die Gesamtschuldner eine eigene Schuld tilgen, folgt dementsprechend keine cessio legis. Die Abwicklungsgrundlage muss eine andere sein. Zum Ausgleich unter Gesamtschuldnern dient in erster Linie der Regressanspruch im Innenverhältnis (Art. 376 § 1 S. 1 ZGB). Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Lage jedes Gesamtschuldners gegenüber dem gemeinsamen Gläubiger bereits im Ausgangspunkt eindeutig individualisiert und wegen der Einzelwirkung der meisten Umstände im Verhältnis zwischen dem gemeinsamen Gläubiger und dem jeweiligen Gesamtschuldner weitgehend individualisierbar ist. 93 Dagegen kennt das polnische Recht das Prinzip der gegenseitigen Vertretung zwischen den Gesamtschuldnern zugunsten dem gemeinsamen Gläubiger nicht, das darin besteht, dass die Folgen der Handlungen eines Gesamtschuldners oder des gemeinsamen Gläubigers gegenüber einem Gesamtschuldner auch für die übrigen Gesamtschuldner wirken, sobald sie den Umfang der gemeinsamen Verbindlichkeit nicht vergrößern, vgl. Longchamps, Zobowia˛zania, S. 59; Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 324. 94 Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 326, geht davon aus, dass das Prinzip der gegenseitigen Vertretung auf die nicht gesetzlich geregelten Fälle anzuwenden ist. Die Grenze für die Vertretung der Gesamtschuldner gegenüber dem Gläubiger stellt Art. 371 ZGB dar. 95 Vgl. Uzasadnienie, S. 17.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

III. Akzessorietät Bei der Besprechung der Akzessorietät ist die Aufgabe insofern erleichtert, als dass dieser Begriff in unterschiedlichen Rechtsordnungen ähnlich verstanden wird. 96 Die Akzessorietät zeichnet sich aus durch das Bestehen eines Hauptrechts (einer Forderung), an dem sich ein ihm zu- bzw. untergeordnetes Nebenrecht (Sicherungsrecht) ausrichtet. Mit anderen Worten besteht eine nur einseitige, rechtliche Abhängigkeit des Nebenrechts vom Hauptrecht. 97 Das Nebenrecht gestaltet sich durch eine dynamische Bezugnahme auf das Hauptrecht, so dass es abhängig vom Hauptrecht in Entstehung, Fortbestand, Umfang und Inhalt, Zuständigkeit und Durchsetzung ist. 98 Das Nebenrecht ist untergeordnet und richtet sich stets nach dem Hauptrecht; es ist unfähig, sich selbstständig zu entwickeln. So gelangt das Nebenrecht gar nicht zur Entstehung, wenn es an einem Hauptrecht fehlt. 99 Erst die Bezugnahme auf das Hauptrecht gibt dem Nebenrecht einen Gegenstand. Deshalb kann das Nebenrecht überhaupt erst durch die Bezugnahme auf das Hauptrecht als solches entstehen. Entsprechendes gilt bei Erlöschen des Hauptrechtes, welches unmittelbar und ohne Vornahme einer rechtsgeschäftlichen Einwirkung auf das Nebenrecht das Erlöschen desselben zur Folge hat. 100 Was Umfang und Inhalt des Nebenrechts angeht, so werden diese unmittelbar durch Umfang und Inhalt des Hauptrechts bestimmt. 101 Die Akzessorietät in der Zuständigkeit zeigt sich dadurch, dass die Verfügungen über das Hauptrecht auch das Nebenrecht erfassen. Dies kommt bei der Übertragung der Hauptforderung durch den Gläubiger zum Ausdruck, bei der der Zessionar zugleich das Nebenrecht erlangt, ohne dass eine zusätzliche Verfügung über dieses nötig ist. Gleiches gilt für die Fälle der Legalzession. Schließlich zeigt sich die Akzessorietät in der Durchsetzbarkeit durch eine Erstreckung der Einreden und Einwendungen auf das Nebenrecht, die gegenüber dem Hauptrecht bestehen. 102 Das Nebenrecht soll nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Geltendmachung des Hauptrechts möglich ist, weil es zur Sicherung des Hauptrechts dient. Zusammenfassend kann man die Akzessorietät als eine strukturelle Abhängigkeit des Nebenrechts (Siche96

Nachweise bei Habersack, Die Akzessorietät, S. 862. Vgl. Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 7. 98 Medicus, Durchblick: Die Akzessorietät, S. 497; Habersack, Die Akzessorietät, S. 862. 99 Eine funktionelle Ausnahme davon statuiert z. B. Art. 878 ZGB. Danach kann eine Bürgschaft bis zu einer im Voraus bestimmten Höhe auch für eine künftige Schuld übernommen werden. 100 Habersack, Die Akzessorietät, S. 862. 101 Z. B.: Verwandelt sich der gegen den Hauptschuldner gerichtete Erfüllungsanspruch in einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, so gilt dies auch für die Haftung des Nebenschuldners, ohne dass es auf die Vornahme einer zur Inhaltsänderung führenden Handlung seitens des Gläubigers ankommt. 102 Habersack, Die Akzessorietät, S. 862. 97

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rungsrechts) vom Hauptrecht (Forderung) und dem, was dieses zur geschuldeten Leistung bestimmt, bezeichnen. 103 Die Wirkungen zwischen beiden Rechten sind ausschließlich einseitig. Es liegt eine einseitige Anlehnung des Nebenrechts an das Hauptrecht vor, denn das Hauptrecht wird in keiner Weise vom Nebenrecht beeinflusst. 104 Der Hauptschuldner kann beispielsweise nie die Einwendungen des Nebenschuldners geltend machen. Im Außenverhältnis zum Gläubiger zeigt sich die Akzessorietät nicht zwingend dadurch, dass der Gläubiger das akzessorische Recht nur hilfsweise ausüben könnte. In den meisten Fällen hat er nach Fälligwerden der Forderung die freie Wahl, ob er sich durch die Verfolgung des gesicherten Hauptrechts oder durch die Ausübung des Nebenrechts Befriedigung verschaffen will (sog. sekundäre Bedeutung der Solidarität). Nur manchmal zeigt sich die Unterscheidung zwischen dem Hauptund Nebenschuldner in differenzierten Haftungsvoraussetzungen. 105 Deswegen kann die Akzessorietät mit Subsidiarität, nach der der Gläubiger erst nach Eintritt des Sicherungsfalles die freie Wahl hat, nicht gleichgesetzt werden. 106 Eine zwingende Folge der Akzessorietät ist dagegen, dass im Innenverhältnis allein der Hauptschuldner für die Begleichung der Schuld zuständig ist. Dies zeigt sich in den Regressansprüchen des Nebenschuldners (Sicherungsgebers) gegen den Hauptschuldner und vor allem im Zessionsregress (cessio legis). 107 Dem Hauptschuldner steht dagegen niemals eine Regressforderung gegen den Nebenschuldner zu. Deswegen spricht man von der internen Subsidiarität des Nebenrechts. Der Nebenschuldner wird auch als „Garant zweiten Grades“ betrachtet. 108 Die akzessorische Anlehnung des Nebenrechts an das Hauptrecht wird in der modernen Rechtslehre durch den Sicherungszweck des Nebenrechts erklärt. Es wird davon ausgegangen, dass die Hauptschuld in zwei Elemente zerlegt wird: die Schuld als Sollenselement (Leisten- oder Bekommensollen) und die Haftung als Zwangselement. 109 Das Nebenrecht (Sicherungsrecht) tritt als ein weiteres Element hinzu, das der Realisierung der betreffenden Leistungserwartung des Gläubigers dient. Der Zweck des Hauptrechts (der zu sichernden Forderung) „Sol103

Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 40. Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 233; Bülow, Einrede, S. 201. 105 Vgl. Nachweise bei Mestre, La pluralité, S. 6. 106 Medicus, Durchblick: Die Akzessorietät, S. 498. Zur Subsidiarität vgl. Drittes Kapitel § 1. Die ältere Lehre, vgl. Heck, Grundriß, S. 231 f., qualifizierte das Zugriffsproblem (Willkür des Gläubigers, Einrede der Vorausklage) als eine der grundlegenden Problemgruppen bei der Gesamtschuld. Diese Frage wurde bei der Begriffsbestimmung der Solidarität erörtert. 107 Vgl. Mestre, La pluralité, S. 13. 108 „Garant au second degré“, so Mestre, La pluralité, S. 13. 109 Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 233; zust. Habersack, Die Akzessorietät, S. 863. 104

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

lenselement“ legt auch den Zweck des Sicherungsrechts fest. Dieser Zweck besteht darin, zu bewirken, dass der Gläubiger und Sicherungsnehmer die durch die Forderung bestimmte Leistung erhält. Insoweit spricht man davon, dass zwischen dem sichernden Nebenrecht und dem gesicherten Hauptrecht eine Zweckgemeinschaft besteht, welche durch den Zweck des Hauptrechts bestimmt wird. 110 In der modernen Rechtslehre wird die Akzessorietät als ein funktionelles Prinzip begriffen. Hauptsächlich bewirkt sie eine bedeutende rechtstechnische Vereinfachung. 111 Die Veränderungen, welche das Hauptrecht betreffen, erstrecken sich automatisch und unmittelbar auf das Nebenrecht, ohne dass es dazu irgendwelcher besonderer Rechtsakte bedürfte. Darüber hinaus dient die Akzessorietät zum Schutz des Nebenschuldners, der nur insoweit haften sollte, als dies das Sicherungsbedürfnis des Hauptschuldners rechtfertigt. Die in bestimmten Fällen vorkommenden Durchbrechungen der Akzessorietät tragen dem Sicherungszweck der akzessorischen Rechte Rechnung und stellen die grundsätzliche Abhängigkeit des Nebenrechts nicht in Frage. Sie verdeutlichen lediglich den Umstand, dass das Akzessorietätsprinzip nicht zum Dogma erhoben werden sollte, sondern im Hinblick auf seine Funktion begriffen werden muss. 112 IV. Das gegenseitige Verhältnis der Akzessorietät und Solidarität 1. Allgemeines

Die durchgeführte Analyse der Eigenschaften der Akzessorietät und der Gesamtschuld hat einige auffällige konstruktionelle Punkte gezeigt, welche die Gegenüberstellung beider Rechtsinstitute rechtfertigen. Erstens ist die Art der Verbindung mehrerer Rechte im Ansatz unterschiedlich. Die Gesamtschuld wird als ein „Nebeneinander gleichrangiger Verbindlichkeiten“ 113 begriffen, wenn auch im polnischen Recht die Gleichrangigkeit kein zwingendes Merkmal der Gesamtschuld darstellt, angesichts des formellen Kriteriums für das Vorliegen einer Gesamtschuld. Der Zuschnitt der Vorschriften über die Gesamtschuld auf eine weitgehende Selbstständigkeit lässt jedoch diese Schlussfolgerung zu. Bei der Akzessorietät ist die Verbindung zwischen der Verbindlichkeit des Hauptschuldners und des akzessorischen Nebenschuldners viel intensiver als die zwischen Gesamtschuldnern. Die Abhängigkeit einer Forderung von der anderen, die es bei der Akzessorietät gibt, kennt die Gesamtschuld nach dem Leitbild des ZGB nicht. Weiterhin sind die Wirkungen in einem akzessorischen Verhältnis stets einseitig, 110 Entwickelt durch Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 233. Dort auch die Auseinandersetzung mit anderen Theorien der Akzessorietät. 111 So Medicus, Durchblick: Die Akzessorietät, S. 497; Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 37; Habersack, Die Akzessorietät, S. 862. 112 Vgl. Habersack, Die Akzessorietät, S. 862 f. 113 Verbindlichkeiten „eiusdem potestatis“, vgl. Flume, Personengesellschaft, S. 287.

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indem das akzessorische Nebenrecht unmittelbar und automatisch dem Hauptrecht folgt. Bei der Gesamtschuld sind die Wirkungen wechselseitig, soweit sie überhaupt vorkommen. Darüber hinaus zeigt sich ein konstruktiver Unterschied darin, dass die Leistung des Hauptschuldners nicht zur Erfüllung der Nebenschuld führt (wie die Leistung eines Gesamtschuldners), sondern diese nur aufgrund ihrer Abhängigkeit hinfällig werden lässt. Obwohl viele Überlegungen hier einzelne Rechtordnungen übergreifend geführt werden, da vergleichbare theoretische Fragen bestehen, muss betont werden, dass die Gegenüberstellung der Akzessorietät und der Gesamtschuld im polnischen Recht in gewisser Hinsicht noch intensiver als im deutschen Recht erscheinen kann. Die polnische Gesamtschuld kennt eine dem § 425 BGB entsprechende Regelung nicht, die einem Teil des deutschen Schrifttums erlaubt zu behaupten, Gesamtschuldbestimmungen seien in besonderer Weise flexibel gefasst. Aus diesem Grund kann man im polnischen Recht nicht festhalten, dass sich auch im Rahmen der Gesamtschuld nach dem Leitbild des ZGB eine Schuld inhaltlich ganz oder teilweise nach der anderen richten und insofern das Verhältnis der Verbindlichkeiten zueinander „akzessorisch“ ausgestaltet werden kann. 114 Im Schrifttum sind Stimmen zu finden, die sehr illustrativ die Akzessorietät und Gesamtschuld als gänzlich unvereinbar wie „Feuer und Wasser“ charakterisieren 115 oder von der Gesamtschuld als „Paradigma der Nicht-Akzessorietät“ 116 sprechen. 117 Dem ist angesichts der vorgenommenen kurzen Charakteristika beider Rechtsinstitute auf dieser Stufe der Untersuchung mit großer Vorsicht zuzustimmen. Als Art der Verbindung zweier Rechte scheinen sich die Gesamtschuld im oben genannten (strengen) Sinne und die Akzessorietät gegenseitig auszuschließen. Es bleibt allerdings zu prüfen, ob der durch die herrschende Lehre angenommene Begriff der Gesamtschuld in der Tat zutrifft und zur Klärung unterschiedlicher gesetzlicher Aussagen beitragen kann.

114 So für einen Teil des Schrifttums repräsentativ Staudinger / Noack, § 425 Rn. 36. Ähnlich bereits Geßler, Die Haftung, S. 265. Der Ansatz von Noack gilt in der deutschen Lehre jedoch als eine Mindermeinung. 115 Hadding, Zur Rechtsfähigkeit, S. 742. 116 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1411, aber etwas irreführend von der „wechselseitigen Abhängigkeit“ zweckverbunder Rechte. 117 Ähnlich, darauf hinweisend, dass Gesamtschuld und Akzessorietät nicht zu vereinbaren sind, auch: Medicus, Schuldrecht I, S. 362; Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 233 ff.; zum französischen Recht Simler, Cautionnement, in: Juris Classeur, Civil Code, Art. 2011 à 2043, Fasc. 10, S. 15; H. Mazeaud / L. Mazeaud / J. Mazeaud / Chabas, Leçons, S. 1108; aus dem polnischen Schrifttum u. a. Doma´nski, Instytucje, S. 174, Szpunar, O zasadzie, S. 31; Radwa´nski, Pore˛czenie, S. 15.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung 2. Das Rechtsinstitut der Solidarbürgschaft

Bei der Gegenüberstellung der Akzessorietät und der Gesamtschuld (Solidarität) und der oben aufgestellten These stellt sich sofort die Frage nach dem Verständnis des in einigen europäischen Rechtsordnungen vorkommenden Rechtsinstituts der Solidarbürgschaft. 118 Ist es möglich, dass die solidarische Bürgschaft die Eigenschaften beider Rechtsinstitute, der Akzessorietät und der Gesamtschuld, in Einklang bringt? In Rechtsordnungen, in welchen das Gesetz keine Solidarbürgschaft expressis verbis kennt, spielt sich die Diskussion über das Vorhandensein der Gesamtschuld zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen auf der Ebene der allgemeinen Gegenüberstellung der Akzessorietät und der Gesamtschuld ab. So wird durch die herrschende Meinung in Deutschland vertreten, dass das Verhältnis zwischen Gläubiger, Hauptschuldner und Bürgen wesentlich anders geartet sei als das zwischen Gläubiger und Gesamtschuldner, denn die stets gegebene einseitige Bindung der Bürgenschuld an den Fortbestand der Hauptschuld schließe die Anwendung der §§ 421 ff. BGB selbst dann aus, wenn eine selbstschuldnerische Bürgschaft vorliege, da die letzte durch die für die Bürgschaft geltenden §§ 771, 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelt sei. 119 Die Solidarbürgschaft kennen dagegen das schweizerische und französische Schuldrecht. Gemäß des Art. 496 Abs. 1 schweiz. OR ist Solidarbürge derjenige, der sich als Bürge in den gesetzlichen Formen und unter Beifügung des Wortes „solidarisch“ oder mit anderen gleichbedeutenden Ausdrücken verpflichtet. 120 Von der zu vermutenden streng subsidiären, einfachen Bürgschaft unterscheidet sich die Solidarbürgschaft dadurch, dass die Haftung des Solidarbürgen nur im beschränkten Ausmaß subsidiär, im Grunde genommen eher primär ist. Nach der ursprünglichen Konzeption der schweizerischen OR vor der Reform von 1941 konnte der Solidarbürge vorbehaltlos von dem Hauptschuldner in Anspruch genommen werden (strikt primäre Haftung). Die Reform hat diese strenge primäre Haftung durch die Einführung des zwingenden Erfordernisses, dass der Haupt118

Auch die gesamtschuldnerische Bürgschaft genannt. Vgl. Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 155 m.w. N.; MünchKommBGB / P. Bydlinski, § 421 Rn. 33; Staudinger / Horn, Vorbem. 16 zu §§ 765 ff. A. A. Staudinger / Noack, § 421 Rn. 64, der davon ausgeht, dass dieses Ergebnis nicht allein mit dem Hinweis auf die Akzessorietät der Bürgenhaftung zu begründen sei, sondern entscheidend sei, dass §§ 765 ff. BGB erschöpfende Sonderregelungen für das Bürgschaftsverhältnis bereithielten. Weiterhin spricht für die ausdrückliche Unterscheidung zwischen Haftung aufgrund einer Bürgschaft und einer gesamtschuldnerischen Einstandspflicht die differenzierende Terminologie des § 44 InsO. Die Meinung, Bürge und Hauptschuldner seien Gesamtschuldner, wird im Anschluss an Ehmann, Gesamtschuld, S. 332 ff. nur vereinzelt vertreten, vgl. Bülow, Einrede, S. 201. 120 Vgl. SPR / Scyboz, Bd. VII, 2. Hbd., S. 418; Pestalozzi, in: Basler Kommentar, Art. 49, Rn. 3. 119

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schuldner mit seiner Leistung im Rückstand 121 und erfolglos gemahnt worden ist, sofern seine Zahlungsfähigkeit nicht offenkundig ist, gemildert (Art. 496 Abs. 1 OR). Der Solidarbürge kann in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner nicht innerhalb einer neuen, den Umstanden angemessenen Frist, die gegebenenfalls mit der Mahnung anzusetzen ist, seine Leistung erfüllt. Abgesehen von den Inanspruchnahmevoraussetzungen des Solidarbürgen, die anders als der gesetzliche Regelfall sind, wird an der materiellrechtlichen Konstruktion der Bürgenhaftung nichts geändert. Es wird einhellig vertreten, dass der Solidarbürge kein Solidarschuldner ist und sowie allgemeine als auch spezielle Regeln des Bürgschaftsrechts anwendbar sind. 122 Demnach überlagern die Bestimmungen des Bürgschaftsrechts die Regelungen über die Solidarität. Die von manchen vertretene Auffassung, dass die Vorschriften über die Solidarität unter Vorbehalt der gesetzlichen Einschränkungen (des Bürgschaftsrechts) anwendbar sein sollen, bedeutet doch im Ergebnis nichts anderes, als dass es nicht auf die Bestimmungen über die Solidarität der Schuldner ankommt. 123 Die entscheidenden Fragen, wie die Einwendungen des Bürgen, Einfluss der Hauptschuld auf die Bürgenschuld, Folgen der Verjährung und Erfüllung richten sich nach dem Bürgschaftsrecht. Im Endeffekt muss klar unterschieden werden zwischen der solidaren Mitschuldnerschaft (Art. 143 ff. OR) und der nach dem Bürgschaftsrecht solidaren Haftung des Hauptschuldners mit dem Solidarbürgen. Eine prinzipiell ähnliche Antwort auf die Frage nach dem Status des Solidarbürgen liefert die französische Rechtslehre (vgl. Art. 2021 Cciv). 124 Die Verweisung auf die Vorschriften über die Gesamtschuld bezüglich der Haftung des Solidarbürgen bedeutet lediglich, dass die Einrede der Vorausklage („béneficé de discussion“) dem Solidarbürgen aberkannt wird, die dem einfachen Bürgen (der gesetzliche Regelfall) zusteht. 125 Die Bürgschaft behält ihren immanenten, akzessorischen Charakter und der Solidarbürge ist stets als Bürge und nicht als ein Gesamtschuldner im Sinne der Vorschriften des Code Civil über die Solidarität zu behandeln. 126 121 Nach SPR / Scyboz, Bd. VII, 2. Hbd., S. 420, ist der Hauptschuldner mit seiner Leistung im Rückstand, wenn er nach Fälligkeit innerhalb geschäftsüblicher Frist nicht bezahlt. 122 SPR / Scyboz, Bd. VII, 2. Hbd., S. 419. 123 Vgl. Pestalozzi, in: Basler Kommentar, Art. 496 Rn. 3: insoweit das Bürgschaftsrecht besondere Vorschriften kennt, ist die Anwendbarkeit von Art. 143 ff. OR a priori ausgeschlossen. 124 Art. 2021 CC: „La caution n’est obligée envers le créancier à le payer qu’à défaut du débiteur, qui doit être préalablement discuté dans ses biens, à moins que la caution n’ait renoncé au bénéfice de discussion, ou à moins qu’elle ne se soit obligée solidairement avec le débiteur; auquel cas l’effet de son engagement se règle par les principes qui ont été établis pour les dettes solidaires“. 125 Vgl. Simler, Cautionnement, in: Juris Classeur, Civil Code, Art. 2011 à 2043, Fasc. 10, S. 15; derselbe, Cautionnement et garanties autonomes, 3. Aufl., Paris 2000, S. 488. 126 Die Nachweise der Rechtsprechung bei Simler, Cautionnement, in: Juris Classeur, Civil Code, Art. 2011 à 2043, Fasc. 10, S. 15 f.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

Die Vorschriften über die Gesamtschuld sind nur insoweit anwendbar, als die Akzessorietät der Bürgenhaftung nicht im Wege steht. Die gleiche Frage nach der Stellung des Solidarbürgen stellt sich im polnischen Recht. Das polnische Obligationenrecht von 1933, das weitreichend durch das schweizerische und französische Recht beeinflusst wurde, kannte eine solidarische Bürgschaft. 127 Die Solidarität der Bürgschaft bedeutete nach herrschender Meinung, dass die Subsidiarität der Bürgenverpflichtung entfiel, so dass der Bürge die verbürgte Leistung erbringen musste, sobald sie fällig wurde. 128 Darüber hinaus behielt die Bürgenverpflichtung ihre volle Akzessorietät und unterlag den Vorschriften über die Bürgschaft und nicht denjenigen über die Gesamtschuld. 129 Das polnische ZGB hat die Solidarbürgschaft nicht ausdrücklich geregelt. Art. 881 ZGB sieht lediglich vor, dass mangels abweichender Vereinbarung der Bürge wie ein Mitschuldner gesamtschuldnerisch haftet. 130 Die herrschende Lehre versteht die Rechtsfigur „des gesamtschuldnerischen Bürgen“ i. S. d. Art. 881 ZGB ähnlich wie dies der Fall im Obligationenrecht war. 131 Es wird vertreten, dass Art. 881 ZGB nicht mehr besagt, als dass der Bürge zusammen mit dem Hauptschuldner gleichstufig (primär) haftet. Sobald die Leistung des Hauptschuldners fällig wird, kann der Gläubiger nach der herrschenden Meinung, entweder von ihm oder vom Bürgen, das Ganze oder einen Teil je nach seinem Belieben verlangen. 132 127

Eine solidarische Bürgschaft lag vor, wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Darüber hinaus galt die Vermutung der solidarischen Bürgschaft, wenn die Bürgschaft gegen Entgelt eingegangen wurde. (Art. 633 § 4 OR). Vgl. dazu Longchamps de Berier, Zobowia˛zania, S. 614. 128 Nach Szpunar, Uwagi, S. 12, bestimmt Art. 633 § 4 OR das Wesen der solidaren Haftung eines Bürgen. 129 Die h. Lit.: Longchamps de Berier, Zobowia˛zania, S. 614; Doma´nski, Instytucje, S. 175 f.; Korzonek / Rosenbluth, Kodeks, S. 1373. 130 Drozd, Z problematyki, S. 25, weist darauf hin, dass es kein Zufall ist, dass das Gesetz von der Haftung „als ein Gesamtschuldner“ spricht, womit auch der Unterschied zur Haftung eines Gesamtschuldners angedeutet wird. 131 Vgl. Łe˛towska, Charakter, S. 64; Drozd, Z problematyki, S. 25; Radwa´nski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 1065; derselbe, Pore˛czenie, S. 15; Szpunar, O zasadzie, S. 31; Sychowicz, in: Komentarz, Bd. II, S. 453 f.; Ogiegło, in: Pietrzykowski, Kodeks, Bd. II, 3. Aufl., S. 578. Nach Zawada, in: Pietrzykowski, Kodeks, Bd. I, 3. Aufl., S. 762, bestehen Zweifel, ob Art. 881 ZGB eine Gesamtschuld vorsieht. Nach Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 316, stelle Art. 881 ZGB ein Beispiel einer gesamtschuldnerischen Haftung für eine fremde Schuld dar, dagegen nicht ein Beispiel der Mehrheit von Schuldnern in der Verpflichtung. Dieser Ansatz wird leider nicht weiterentwickelt. Anders LewaszkiewiczPetrykowska, Konstrukcja, S. 71, führt aus, dass zwar die Akzessorietät für den Inhalt und Umfang der Bürgenverpflichtung maßgeblich seien, trotzdem sei die Stellung des gesamtschuldnerischen Bürgen eigenständig und gegenüber dem Gläubiger sei er dem Hauptschuldner gleichzustellen. Diese Aussage erscheint in sich widersprüchlich, da die Tatsache, dass der Bürge mit dem Hauptschuldner gleichstufig haftet, die Akzessorietät seiner Rechtsstellung nicht berührt.

§ 2 Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter

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Eine abweichende Ansicht geht davon aus, dass zur Inanspruchnahme des Bürgen eine Verspätung des Hauptschuldners sowie die Benachrichtigung des Bürgen durch den Gläubiger über diese Verspätung erforderlich sind. 133 Dieser Meinungsunterschied spielt allerdings keine Rolle für unsere Überlegungen. Trotz dieser (grundsätzlichen) Gleichstufigkeit der Inanspruchnahme kommt dem Bürgen keine Stellung des Gesamtschuldners zu, was zur Folge hat, dass die Vorschriften des ZGB über die Solidarität nicht anwendbar sind. Es handelt sich vor allem um die Vorschriften der Artt. 372, 373, 374 ZGB, welche die die Gesamtschuld von der Akzessorietät unterscheidenden Regelungen beinhalten. So wird ausgeführt, dass die Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung gegenüber dem Bürgen keine Wirkung für den Hauptschuldner hat (Art. 372 ZGB). Umgekehrt muss aufgrund des Akzessorietätsprinzips die Lage anders sein: Die Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung gegenüber dem Hauptschuldner wirkt auch gegenüber dem Bürgen. Anders als in Art. 373 ZGB vorgesehen, wirkt der Erlass des Hauptschuldners weiterhin selbstverständlich gegenüber dem Bürgen. 134 Darüber hinaus wird auch die These aufgestellt, dass Art. 881 ZGB nur die Haftung des Bürgen den Regeln der Solidarität unterstellt, nicht aber seine Schuld. 135 Die Vorschrift des Art. 881 ZGB darf nicht dahingehend verstanden werden, dass der Bürge als ein Gesamtschuldner i. S. d. Art. 366 ff. ZGB uneingeschränkt zu behandeln ist. Dem Bürgen die Stellung eines Gesamtschuldners zuzuordnen, würde dessen zu weit gehende Verselbstständigung gegenüber dem Hauptschuldner bedeuten, was mit den Grundsätzen der Bürgenhaftung nicht vereinbar ist. Die Bürgschaft darf nicht ihren akzessorischen Charakter verlieren. Trotz der gesetzlichen Aussage über die Gesamtschuld bleibt der Bürge nur ein akzessorischer Mitschuldner. 136 Im Ergebnis sind die Vorschriften über die Gesamtschuld insoweit auf das Verhältnis zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner anzuwenden, als sie nicht im Widerspruch mit der Akzessorietät der Bürgenverpflichtung stehen. 3. Stellungnahme

Der in dieser Arbeit im Zusammenhang mit der Gesellschafterhaftung in der OHG einer Analyse unterliegende Ansatz, dass die Gesamtschuld nach dem Leit132 Vgl. Radwa´nski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 1058 f.; ausdrücklich und m.w. N. Drozd, Z problematyki, S. 25; grundsätzlich ähnlich Piekarski, in: Kodeks, S. 1722, nach dem sobald sich der Hauptschuldner mit der Leistung verspätet, der Gläubiger die Erfüllung direkt vom Bürgen verlangen kann, auch wenn er den Bürgen zuvor von der Verspätung nicht benachrichtigt hat. 133 Vgl. Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 46; Szpunar, Uwagi, S. 15. 134 Wa˙zbi´nski, Umowa, S. 215. 135 Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 79. 136 So im Ergebnis Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 79; zust. Radwa´nski, Die Besprechung, S. 113.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

bild des ZGB mit der Akzessorietät nicht zu vereinbaren ist, lässt sich bisher illustrativ mit Beispielen aus dem Schrifttum zum Bürgschaftsrecht begründen. In Übereinstimmung mit diesem muss man zum Zwischenergebnis kommen: Wenn die Gesetzestexte oder die Rechtslehre (in romanischen Rechtssystemen und dem polnischen Obligationenrecht von 1933) von dem Solidarbürgen sprechen, so unterliegt es keinem Zweifel, dass damit nur die Gleichrangigkeit der Inanspruchnahme des Hauptschuldners und Bürgen gemeint ist. Anders gesagt, stehen einem solidarischen Bürgen keine Einreden zu, die auf die Subsidiarität seiner Haftung im Vergleich zur primären Haftung des Hauptschuldners schließen lassen. Damit wird zwar erreicht, dass der Gläubiger ein (unbeschränktes) Wahlrecht hat, welchen von diesen zwei Schuldnern er zuerst in Anspruch nimmt, hier aber enden die Parallelen zur Gesamtschuld. Die übrigen Vorschriften über die Gesamtschuld sind auf das Verhältnis eines Solidarbürgen zum Hauptschuldner nicht anwendbar, da dieses Verhältnis stets durch die Akzessorietät geprägt wird. Es lässt sich daher feststellen, dass das Merkmal „solidarisch“ in Bezug auf die Bürgenhaftung lediglich ihren primären (nicht subsidiären) Charakter zum Ausdruck bringt. Es handelt sich dementsprechend um die sog. sekundäre Bedeutung der Solidarität. Eine Vermengung der akzessorischen und gesamtschuldnerischen Merkmale erfolgt nicht, da die beiden streng getrennt werden. Weiterhin kann man auch nicht behaupten, dass die Solidarität in dieser Hinsicht das Einstehenmüssen für die volle Leistung des Hauptschuldners (solidum) bedeutet, denn dies ergibt sich bereits aus dem Wesen der Bürgschaft. Im Ergebnis kann man behaupten, dass die Gleichrangigkeit der Inanspruchnahme zweier Schuldner (hier des Bürgen mit dem Hauptschuldner), was üblicherweise als ein Merkmal der Gesamtschuld angesehen wird, im polnischen Recht keinen großen Wert für die Abgrenzung der gesamtschuldnerischen und akzessorischen Tatbestände hat, da es auch akzessorische Haftungstatbestände gibt, bei denen es an der Gleichrangigkeit der Gesamtschuldner im Verhältnis zum gemeinsamen Gläubiger nicht fehlt (z. B. bereits erwähnte primäre Bürgenhaftung nach Art. 881 ZGB). 137 Das Merkmal „gesamtschuldnerisch“ bzw. „solidarisch“ dient lediglich dazu, auf das Wahlrecht des Gläubigers hinzuweisen.

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So kritisch bezüglich der Verwendung dieses Kriteriums durch die deutsche Lehre Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 237.

§ 2 Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter

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C. Merkmale der Akzessorietät und der Gesamtschuld im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern I. Einleitung Nachdem festgestellt wurde, dass die Akzessorietät und die Gesamtschuld nach einer durchaus verbreiteten Vorstellung zwei sich ausschließende Rechtsinstitute darstellen, muss untersucht werden, inwieweit die beiden Rechtsinstitute ihre Ausprägungen im Verhältnis zwischen der Gesellschafter- und Gesellschaftsschuld finden. Gleichzeitig wird auch analysiert, ob und in welchem Ausmaß die Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern anwendbar sind. Folgt man der gesetzlichen Aussage über die Gesamtschuld im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, so müsste Art. 371 ZGB Geltung verschafft werden. Wie bereits erörtert, drückt diese Vorschrift ein grundlegendes Prinzip der Gesamtschuld aus, laut dem die Verbindlichkeiten der einzelnen Gesamtschuldner weitgehend eigenständig sind. Hier wird auch das Gegenteil zu der akzessorischen Verbindung ausgedrückt. Die (Nicht-)Anwendbarkeit dieses Prinzips und mithin der Gesamtheit der Vorschriften über die Gesamtschuld zeigt sich am besten bei der Analyse der einzelnen Phasen des Haftungsverhältnisses des Gesellschafters sowie der Wirkungen zwischen der Gesellschafts- und Gesellschafterverbindlichkeit. Von den von Heck 138 unterschiedenen vier Problemgruppen bei der Gesamtschuld: a) die Voraussetzungen der Gesamtschuld; b) das Zugriffsproblem; c) das Abwehrproblem; d) das Regressproblem, ist bereits a) angesprochen worden. Auf die unter b), c) und d) aufgezeichneten Probleme wird nachher eingegangen. II. Das Wahlrecht des Gesellschaftsgläubigers (Zugriffsproblem) Die Frage, ob dem Gläubiger ein Wahlrecht zukommt, beliebig gegen jedes Mitglied der Schuldnermehrheit vorzugehen, lässt sich allein auf Grund des Vorliegens der Akzessorietät oder der Gesamtschuld nicht entscheiden. Wie oben gezeigt wurde, sind viele akzessorische Rechte so ausgestaltet, dass ihre Subsidiarität im Außenverhältnis zum Gläubiger nicht unbedingt zum Ausdruck kommt, was bewirkt, dass der Gläubiger nach Fälligwerden der Forderung freie Wahl hat, ob er sich durch die Verfolgung der gesicherten Forderung oder durch die Ausübung des Sicherungsrechts Befriedigung verschaffen will. 139 Ebenso ist der gemeinsame Gläubiger nach dem gesetzlichen Leitbild der Gesamtschuld dazu 138

Heck, Grundriß, S. 231 f.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

befugt, jeden Gesamtschuldner für die volle Leistung in Anspruch zu nehmen. 140 Dennoch sind die Vorschriften über die Gesamtschuld auch auf solche Schuldnermehrheiten anwendbar, bei denen einer der Mitschuldner auf eine andere Weise verpflichtet wird (vgl. Art. 368 ZGB). 141 Es ist daher klar, dass die Subsidiarität im polnischen Recht sowohl mit der Akzessorietät als auch mit der Solidarität vereinbar ist. Das Wahlrecht des Gläubigers, entweder gegen die Gesellschaft (Hauptschuldner) oder gegen die Gesellschafter vorzugehen, wird ausdrücklich durch den Verweis auf Art. 31 § 1 HGG ausgeschlossen (Art. 22 § 2 HGG). Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss sich der Gläubiger zuerst an die Gesellschaft wenden, erst nach der erfolglosen Zwangsvollstreckung gegen diese darf er gegen die Gesamtschuldner der Gesellschaft, die Gesellschafter, im Wege der Zwangsvollstreckung vorgehen. Trotzdem kann er die Gesellschafter bereits vor der Inanspruchnahme der Gesellschaft verklagen (Art. 31 § 2 HGG). Nach der herrschenden Meinung stellt dieses Erfordernis der Vorausvollstreckung einen Ausdruck der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung dar, welche die Gesamtschuld auf der zwangsvollstreckungsrechtlichen Ebene modifiziert. 142 Materiellrechtlich gesehen steht dem Gläubiger ein unbeschränktes Wahlrecht zu, die Gesellschaft oder die Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Sobald die Gesellschaftsschuld fällig wird, kann ein Gesellschafter auf ihre Zahlung durch den Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen werden, zusammen mit der Gesellschaft oder allein. Entfällt das Privileg der Vorauszwangsvollstreckung, 143 erstreckt sich das Wahlrecht auch auf das Zwangsvollstreckungsverfahren. In diesem Sinne kann man auch den Befund der schweizerischen Rechtsprechung auf diese Rechtslage anwenden und festhalten, dass, sobald die Voraussetzung der Gesellschafterhaftung erfüllt ist, so die Gesellschafter Solidarschuldner mit der Gesellschaft werden. 144 Damit wird aber nur gesagt, dass der Gesellschafter auf das Ganze und gleichrangig mit der Gesellschaft haftet, was an sich alleine für die Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld nicht entscheidend ist. 139 Vgl. Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 41 ff. Beispiel dafür bietet der gesetzliche Regelfall der Bürgschaft, nach dem der Bürge primär haftet (Art. 881 ZGB). 140 Dieses Wahlrecht des Gläubigers, einen beliebigen Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen, erstreckt sich auf alle Phasen des Erkenntnisverfahrens sowie das Zwangsvollstreckungsverfahren, vgl. Zawada, in: Pietrzykowski, Kodeks, Bd. I, 3. Aufl., S. 757. 141 Als Beispiele „der anderen Weise“ gelten vor allem die Bedingtheit oder Befristung der Verpflichtung des Mitschuldners, vgl. Zawada, in: Pietrzykowski, Kodeks, Bd. I, 3. Aufl., S. 760. 142 Vgl. Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 123; Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 31 Rn. 1 (S. 282). 143 Vgl. Drittes Kapitel § 1 B. II. 144 BG v. 10. 12. 1974, BGE 100 II, S. 379, ähnlich Pestalozzi / Wettenschwiler, in: Basler Kommentar, Art. 568 Rn. 12.

§ 2 Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter

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III. Kumulation und Ausschluss der gleichzeitigen Gesellschafterund Gesellschaftshaftung 1. Erlass der Gesellschafter- und Gesellschaftshaftung

Die Tatsache, dass die Gesellschaft als ein Rechtssubjekt für ihre Schulden nach den allgemeinen Prinzipien des Privatrechts haftet, ist eine Selbstverständlichkeit. Hinzu kommt noch, dass die Gesellschafter einer OHG kraft Gesetzes für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf Grund ihrer Gesellschafterstellung haften. Kann man im Lichte des Art. 22 § 2 HGG einen dieser Schuldner unter dem Vorbehalt aus der Haftung entlassen, dass der andere haftbar bleibt? In der Gesamtschuld des ZGB gilt der Grundsatz der Einzelwirkung des Erlasses eines Gesamtschuldners (Art. 373 ZGB). Danach hätte der Erlass sowohl der Gesellschafts- als auch der Gesellschafterhaftung stets eine Einzelwirkung mit der Folge, dass dem Gläubiger immer ein Schuldner geblieben wäre, sei es die Gesellschaft, seien es die gesamtschuldnerisch verbundenen Gesellschafter. Diese Lösung erschien der älteren Lehre zum HGB als eine selbstverständliche Folge einer konsequenten Anwendung der gesamtschuldnerischen Grundsätze. 145 Die Akzessorietät liefert dagegen eine wesentlich andere Antwort auf diese Frage. So hat das Erlöschen des Hauptrechts unmittelbar und ohne Vornahme einer rechtsgeschäftlichen Einwirkung auf das Nebenrecht das Erlöschen desselben zur Folge. 146 Der Erlass des Hauptschuldners wirkt ex lege befreiend für den Nebenschuldner. Dagegen kann die Schuld des Nebenschuldners erlassen werden, ohne dass es Auswirkungen auf die Verbindlichkeit des Hauptschuldners hat. 147 Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Gesellschaft als Hauptschuldnerin, sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich, anzusehen ist. Die Gesellschafter treten lediglich als Mitschuldner auf, sie sind gesetzliche Sicherungsgeber der Gesellschaft, wenn man das Schema der forderungsgebundenen Sicherungsrechte von Becker-Eberhard auf die Haftungsverhältnisse in der OHG übertragen darf. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse der Akzessorietät und der Gesamtschuld führt zur Annahme, dass die Vereinbarung zwischen der OHG und ihrem Gläubiger, dass die Gesellschaftsschuld erlassen wird, die Gesellschafterschuld aber fortbestehen sollte, im polnischen Recht unzulässig ist. 148 Im Hinblick auf Art. 373 ZGB 145

So Fenichel, in: Dziurzy´nski / Fenichel / Honzatko, Kodeks, S. 95. Allgemein Habersack, Die Akzessorietät, S. 862. Für das Erlöschen der Bürgenschuld beim Erlass der Hauptschuld MünchKomm-BGB / Habersack, § 767 Rn. 3; Staudinger / Horn, § 767 Rn. 12; zum polnischen Recht genauso Radwa´nski, Pore˛czenie, S. 12. 147 Vgl. für die Bürgschaft Staudinger / Horn, § 774 Rn. 8; Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 91. 148 Die h. M. der deutschen Lehre, vgl. Flume, Die Personengesellschaft, S. 293; Staub / Habersack, § 128 Rn. 21. Vgl. auch die schweizerische Rechtsprechung, BG v. 07. 09. 1983, BGE, 109 II, S. 129: „der ordentliche Nachlassvertrag oder jener mit Vermögensabtretung, 146

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

sind die Gesellschaft und die Gesellschafter keine Gesamtschuldner. 149 Die Unzulässigkeit solcher Vereinbarung folgt aus den Gründen der hier deutlich zum Ausdruck kommenden Akzessorietät der Gesellschafterhaftung. 150 Der Erlass der Gesellschaftsschuld entzieht der Gesellschafterhaftung die Grundlage, weil der Hauptschuldner, derjenige mit dem die Gläubiger kontrahieren, befreit wird. Dadurch besteht keine Rechtsgrundlage und auch kein Bedürfnis für die der Sicherung dienende gesetzliche Gesellschafterhaftung. 151 Derselbe Gedanke wird auch ausgedrückt, wenn man sagt, dass der Sicherungszweck der Gesellschafterhaftung mit dem Schulderlass entfällt. 152 Die Gesellschaft ist nicht einmal berechtigt, eine selbstständige Schuld der Gesellschafter zu begründen, und sie kann auch nicht beim Erlassvertrag eine selbstständige Schuld der Gesellschafter bestehen lassen. Die Disposition über die Weiterhaftung der Gesellschafter liegt nicht in der Macht der Gesellschaft und des Gläubigers. Eine andere Begründung der Unzulässigkeit des Erlasses unter Vorbehalt der Gesellschafterhaftung geht davon aus, dass der Erlass der Gesellschaftsschuld dazu führe, dass den Gesellschaftern das Recht zur Geltendmachung der „abgeleiteten Einwendungen“ aus dem Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gläubiger (vgl. Art. 35 HGG) entzogen und damit ihre Haftung verschärft werden würde. 153 Die Unstimmigkeit dieser Meinung zeigt sich darin, dass der Unselbstständigkeit der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter keine Rechnung getragen wird. 154 Die Haftung der Gesellschafter als gesetzliche Sicherungsgeber für die Gesellschaftsschuld ist von Natur aus vom Bestehen der Verbindlichkeit der Gesellschaft abhängig. Deswegen ergibt sich die Wirkung des Erlasses der Gesellschaft auch für die Gesellschafter aus dem Bestand der Schuld der Gesellschafter als gesetzliche Haftungsverbindlichkeit. Der Erlassvertrag nur zugunsten der Gesellschaft ist dementsprechend unwirksam. Die Rechtslage ist nicht anders, wenn die Vereinbarung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters getroffen wurde, weil es genauso der gesetzlichen akzessorischen Abhängigkeit der den eine Kollektivgesellschaft mit ihren Gläubigern abschließt, befreit die Gesellschafter von den Gesellschaftsschulden, die durch die abgetretenen Aktiven nicht gedeckt sind“. 149 Vgl. Le Cannu, Anmerkung, S. 93 ff. Danach gilt Art. 1285 Cciv (Entsprechung von Art. 373 ZGB) nicht für die Fälle der „solidarité hiérarchisée“ wie z. B. zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern. 150 Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, S. 291; eindeutig für die Unzulässigkeit wegen Akzessorietät Staudinger / Noack, § 423 Rn. 39. Für die identische Lösung bei der Bürgenhaftung vgl. MünchKommBGB / Habersack, § 767 Rn. 3. 151 Die Lösung wäre anders, hätte man die Identität der Gesellschafts- und Gesellschafterverpflichtung angenommen, dazu vgl. Erstes Kapitel § 2 A. III. 2. 152 So Ehmann, Gesamtschuld, S. 363. Das Ergebnis seiner Lehre über Sicherungsgesamtschulden deckt sich hier mit demjenigen des Akzessorietätsgrundsatzes. 153 So BGH v. 20. 04. 1967 (II ZR 220/65), BGHZ 47, 376 ff.; A. Hueck, Das Recht, S. 321; zust. Hopt, in: Baumbach / Hopt, Handelsgesetzbuch, § 128 Rn. 20. 154 Vgl. dazu Flume, Die Personengesellschaft, S. 293.

§ 2 Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter

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Gesellschafterschuld widerspricht. Dieses Ergebnis kann jedoch im Wege einer Vereinbarung mit Beteiligung der Gesellschafter im Sinne pactum de non petendo zugunsten der Gesellschaft erlangt werden, wonach die Gesellschafter auch auf die Geltendmachung der Einrede des Erlasses der Gesellschaftsschuld verzichten. 155 Die gegenteilige Lage, ein Erlass der Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit unter dem Vorbehalt der Gesellschaftshaftung, ist nicht problematisch. Der Akzessorietätsgedanke steht diesem nicht im Wege. Der gesetzliche Sicherungsgeber darf aus der Haftung entlassen werden, ohne dass es irgendwelchen Einfluss auf die Haftung des Hauptschuldners haben sollte. 156 Der Gesellschaftsgläubiger kann immer vertraglich auf die gesetzliche Sicherungshaftung verzichten. 157 Die einseitige Bindung der Gesellschafterhaftung an die Gesellschaftsschuld bewirkt, dass man dasselbe Ergebnis mittels Anwendung des Art. 373 ZGB erlangt hätte. Damit wird jedoch für die Geltung der Gesamtschuld kein Argument gefunden, da sich die Unanwendbarkeit dieser Vorschrift bereits in Bezug auf die gegenteilige Lage gezeigt hat. Im Ergebnis muss davon ausgegangen werden, dass die Unmöglichkeit eines Einzelerlasses zugunsten der Gesellschaft (Hauptschuldners) als allein sachgerechtes Ergebnis für die Konstruktion der Gesellschafterhaftung festgestellt werden muss. Diese Lösung lässt sich ausschließlich mit dem Argument aus der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung als gesetzliche Sicherungsgeber überzeugend begründen. Der Gedanke des Art. 373 ZGB ist nicht geeignet, dieser Rechtslage Rechnung zu tragen und kann somit nicht auf das Verhältnis zwischen Gesellschafter- und Gesellschaftshaftung angewendet werden. Dies betrifft auch den in Art. 373 ZGB geregelten Verzicht auf die Solidarität gegenüber einem der Gesamtschuldner, weil diese Regelung für das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter keine Relevanz hat. Identisch mit dem Erlass sind die Fälle der Stundung der Gesellschaftsverbindlichkeit zu behandeln. Eine Stundung der Gesellschaftsschuld unter dem Vorbehalt der Fälligkeit der Gesellschafterschuld ist aus Akzessorietätsgründen ebenso unwirksam. Umgekehrt gilt die vom Gesellschafter vereinbarte Stundung zugunsten der Gesellschaft nur dann, wenn sie sich nach der Vereinbarung auch auf die Gesellschaft erstrecken sollte. Sonst kann sich aber die Gesellschaft auf eine einem Gesellschafter gewährte Stundung nicht berufen. 155

Zur Zulässigkeit des Verzichts auf Einreden, vgl. Zweites Kapitel § 2 C. V. 4. Diese Lösung wird im deutschen Recht von Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 17 vorgeschlagen. Zust. Staub / Habersack, § 128 Rn. 21. 156 So auch entschieden in der deutschen Rechtsprechung, BGH v. 07. 06. 1972 (VIII ZR 175/70), BGH BB 1972, Heft 26, S. 1112; zust. Staudinger / Noack, § 423 Rn. 38. Auf die Verbindlichkeit der Gesellschaft hat eine solche Vereinbarung nur Auswirkungen, wenn die Parteien das Schuldverhältnis als solches hätten aufheben wollen. 157 Von diesem Gesichtspunkt aus hervorgehoben in der französischen Lehre, vgl. Jeantin, Droit, S. 204; Gibirila, L’obligation, S. 630.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung 2. Novation im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschaftsgläubiger

Eine der wenigen Ausnahmen vom Prinzip der Einzelwirkung bei der Gesamtschuld bildet Art. 374 § 1 ZGB, wonach die Novation (auch Schulderneuerung bzw. Schuldumwandlung genannt) mit einem Gesamtschuldner befreiend für die anderen Mitgesellschafter wirkt, es sei denn, der Gläubiger hat sich seine Rechte ihnen gegenüber vorbehalten. Es wird dementsprechend vertreten, dass die Novation zwischen einem der Gesellschafter und dem Gesellschaftsgläubiger befreiend für die anderen Mitgesellschafter wirkt. 158 Die oben genannte These ist nicht dermaßen selbstverständlich, dass man sie, wie der oben zitierte Verfasser es tut, ohne jegliche Begründung formulieren kann. Diese Problematik wird im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld im gegenseitigen Verhältnis zwischen den OHG-Gesellschaftern erörtert. 159 An dieser Stelle ist auf eine andere Frage näher einzugehen. Der oben zitierte Verfasser erörtert nicht die wichtige Frage, ob die vom Gesellschaftsgläubiger mit einem Gesellschafter abgeschlossene Novation irgendwelche Auswirkungen für die Gesellschaftsschuld hat. Andererseits wurde darauf hingewiesen, dass die Novation zwischen dem Gesellschaftsgläubiger und der Gesellschaft nicht in Frage komme, da die Gesellschafter weiterhin gesamtschuldnerisch haften, mit der Einschränkung, dass sie aus einer anderen Rechtsgrundlage bzw. eine andere Leistung schulden. 160 Die obige Feststellung ist nicht nur unklar, sondern auch ohne eine Begründung, welche die Argumentationsweise des zitierten Verfassers nachvollziehbar macht. Die angedeutete Frage bedarf einer kurzen Analyse. Zuerst muss darauf hingewiesen werden, dass nur im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gläubiger über die Novation auch mit Wirkungen für die Gesellschafter entschieden werden kann. Gemäß Art. 507 ZGB erlöschen infolge der Novation die rechtsgeschäftlichen Sicherungsrechte (Bürgschaft, beschränkte dingliche Rechte), es sei denn, dass die Sicherungsgeber dem Fortbestand der Sicherung zustimmen. 161 Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Vorschrift auf die Haftungsverfassung der Gesellschafter einer OHG nicht anwendbar ist. Da die Gesellschafterhaftung gesetzlich entsteht und die Verbindlichkeit der Gesellschaft folgt, bewirkt die Novation mit der Gesellschaft die Entstehung einer neuen Verbindlichkeit der Gesellschaft und so zugleich der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter, wobei die letztere ihre Rechtsgrundlage immer in Art. 22 § 2 HGG hat. Wie bereits bei dem Erlass der Gesellschafterschuld angedeutet wurde, spricht nichts dagegen, dass die Novation mit dem Erlass der Gesellschafterhaftung verbunden wird, so dass dem Gläubiger nach der Novation lediglich die 158 159 160 161

So Strze˛pka, Konsekwencje, S. 9. Vgl. im Einzelnen Drittes Kapitel § 2. So ohne Begründung Strze˛pka, Konsekwencje, S. 10. Vgl. Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 87; Sychowicz, in: Komentarz, Bd. I, S. 454.

§ 2 Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter

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Gesellschaft haftet. Nicht möglich ist hingegen die Novation mit dem Ausschluss der Gesellschaftshaftung und Vorbehalt der Gesellschafterhaftung. 162 3. Die Lage bei der Auflösung der Gesellschaft

Die Frage der Unzulässigkeit des Erlasses der Gesellschaftsschuld unter dem Vorbehalt der Gesellschafterhaftung ist strikt von der Lage zu unterscheiden, in der die Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden trotz der Auflösung und Liquidation der Gesellschaft, des Hauptschuldners, haftbar bleiben. Im Hinblick darauf, dass das HGG keine spezielle Aussage diesbezüglich trifft, bleiben die Ansprüche gegen die Gesellschafter wegen der Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nach der Auflösung der Gesellschaft bestehen. Genauso wie im Falle des ausgeschiedenen Gesellschafters gibt es keine spezielle Verjährung bzw. Enthaftung. Die Ansprüche gegen die Gesellschafter unterliegen den allgemeinen Verjährungsfristen. Da der Zweck der OHG die Führung eines Unternehmens ist, handelt es sich im Regelfall um „die Ansprüche im Zusammenhang mit der Führung einer wirtschaftlichen Tätigkeit“ i. S. d. Art. 118 ZGB. Die Verjährungsfrist dieser Art der Ansprüche beträgt nach der oben zitierten Vorschrift drei Jahre. Im Hinblick auf diese relativ kurze Verjährungsfrist ist davon auszugehen, dass eine spezielle Regelung der Verjährungsfristen hinsichtlich der Ansprüche gegen die Gesellschafter nach der Auflösung der Gesellschaft nicht nötig ist. Man darf aus der Weiterhaftung der Gesellschafter trotz Ausfall der Gesellschaft nicht auf die Durchbrechung der Akzessorietät und Bestätigung der Gleichrangigkeit im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern schließen. 163 Die Gesellschaftsgläubiger sollen nach dem Eintritt eines Auflösungsgrunds der Gesellschaft und während der Liquidation so gestellt werden, als ob sie es mit der existierenden Gesellschaft zu tun hätten. 164 Die Gesellschaftsverbindlichkeiten bleiben durch die Liquidation unberührt. 165 Dies gilt nicht nur für die Altverbindlichkeiten, sondern auch für die Neuverbindlichkeiten der Gesellschaft, die während der Liquidation der OHG entstanden sind. Für eine Änderung der Rechtsnatur der Haftung nach der Auflösung der Gesellschaft fehlt jeder Grund, da sich die Stellung des Gesellschaftsgläubigers, des Gesellschafters und der Gesellschaft 162

Vgl. die Überlegungen zum Erlass der Gesellschafterhaftung. Fiorina, Obligation, S. 40, zieht aus der Weiterhaftung der Gesellschafter bei der Nichtigkeit der Gesellschaft die Schlussfolgerung, dass es keine Akzessorietät der Haftung gibt, weil die Gesellschafter trotz Untergang des Hauptschuldners weiterhaften. Dies erlaubt ihm auf das Vorhandensein einer Gesamtschuld zu schließen. 164 Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 83 Rn. 2 (S. 420). 165 Vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, § 156 Rn. 16 f.; F. Derrida, Nom collectif, S. 27. 163

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

in ihrem Verhältnis zueinander, wenn man von der Änderung des Gesellschaftszwecks absieht, nicht verschiebt. IV. Die Verjährung der Gesellschafts- und Gesellschafterschuld 1. Allgemeines

Die Untersuchung der gegenseitigen Verjährungswirkungen zwischen der Gesellschafts- und Gesellschafterverbindlichkeit kann auch zur dogmatischen Einordnung des Rechtsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern beitragen. Nach dem Leitbild der Gesamtschuld im ZGB ist die Lage einzelner Gesamtschuldner auch in Bezug auf die Wirkungen der Verjährung selbstständig. 166 Sollte die Unterbrechung der Verjährung im Verhältnis zu einem Gesamtschuldner infolge der Anerkennung der Forderung erfolgen, so findet Art. 371 ZGB Anwendung, welcher das Prinzip der Einzelwirkung in der Gesamtschuld zum Ausdruck bringt. Andere Fälle der Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung werden dagegen durch Art. 372 ZGB gedeckt. 167 Aus der letzteren Vorschrift folgt, dass, wenn die Verjährung im Verhältnis zu einem der Gesamtschuldner unterbrochen oder gehemmt wurde, die Verjährung gegenüber anderen Gesamtschuldnern weiterläuft, so dass der Anspruch mittlerweile für diesen verjährt sein kann, gegenüber einem anderen aber nicht. 168 Derjenige Gesamtschuldner, gegenüber dem die Verjährung noch nicht eingetreten ist, kann sich nicht auf die Verjährung der Forderungen gegenüber anderen Gesamtschuldnern berufen. Plädierte man, wie die herrschende Meinung, für die uneingeschränkte Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, so muss nicht nur angenommen werden, dass sich ein Gesellschafter nicht auf die Verjährung der Gesellschaftsschuld berufen kann, sondern auch, dass die Unterbrechung der Verjährung der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung gegen die der Gesellschaft im Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung angehörenden Gesellschafter nicht wirkt (Art. 372 ZGB i.V. m. Art. 22 § 2 HGG). Aus der geschilderten Besprechung der Akzessorietät ergibt sich ohne Zweifel, dass die Verjährung der Hauptschuld auch dem Nebenschuldner zugute kommt (Akzessorietät in der Durchsetzung). 169 Obwohl das Nebenrecht einer eigenen Verjährung fähig ist, fällt es daher zugleich auch mit der Verjährung des ge166

Vgl. Zawada, in: Pietrzykowski, Kodeks, Bd. I, 3. Aufl., S. 768. Sychowicz, in: Komentarz, Bd. I, S. 86. 168 So in Bezug auf die vergleichbare Rechtslage in der Schweiz Schnyder, in: Berner Kommentar, Art. 147 Rn. 3. 169 Die Frage des Verzichts auf die Verjährungseinrede durch Haupt- oder Nebenschuldner hat eine nur sekundäre Bedeutung. 167

§ 2 Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter

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sicherten Hauptrechts weg, läuft mit der Verjährung des Hauptanspruchs eine Gesamtverjährung auch aller nur ihrer Erfüllung dienenden Nebenansprüche. So läuft für den Bürgen mit der Fälligkeit der Hauptschuld eine Gesamtverjährung, nicht aber umgekehrt, weil die Forderung gegen den Bürgen auch auf dem Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner beruht, dieses aber nicht das Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Bürge voraussetzt. 170 Es wird vertreten, dass dieses Ergebnis aber auch dann gelten müsse, wenn aus demselben Schuldverhältnis mehrere Forderungen auf dasselbe Ziel erwachsen. 171 Der Fragenkomplex zu Verjährungswirkungen im Rechtsverhältnis der OHG ist relativ breit. Im Ausgangspunkt muss geklärt werden, dass die gesetzlich vorgesehene Subsidiarität der Gesellschafterhaftung kein Hindernis dafür darstellt, die materiellrechtliche Lage bezüglich der Verjährungsfragen zu analysieren. Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem HGG hindert den Gläubiger nicht daran, einen Gesellschafter zu verklagen, noch bevor sich die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen als fruchtlos erweist (vgl. Art. 31 § 2 HGG). Der Gläubiger kann auch ohne weiteres die Gesellschaft und die Gesellschafter gleichzeitig verklagen. Des Weiteren gibt es auch Tatbestände der primären Haftung. 172 Bevor man die Analyse einzelner Aspekte der Verjährungsfragen beginnt, muss man andeuten, dass die Behauptung, der Gesellschafter könne sich auf die Verjährung der Gesellschaftsschuld berufen, unstreitig und nicht angreifbar ist. Zwar müsste die herrschende Meinung im Schrifttum zum HGB v. 1933 dem entgegenstellen, dass es gegen die Grundsätze der Gesamtschuld verstößt, jedoch ergibt sich dies direkt aus Art. 35 HGG, der den Gesellschaftern erlaubt, die Einwendungen und Einreden aus dem Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gläubiger zu erheben. Damit überlagert diese Vorschrift eindeutig Art. 22 § 2 HGG, sollte man Art. 22 § 2 HGG dahingehend verstehen, dass die Vorschriften über die Gesamtschuld anzuwenden sind. In dieser Hinsicht bestätigt Art. 35 HGG die Einordnung der Gesellschafterhaftung als gesetzliche Sicherung, die nicht über die Haftung der Gesellschaft hinausgeht. 2. Unterbrechung der Verjährung – Fallgruppen

Die meisten Kontroversen im Bereich der Verjährungsfragen zeigen sich bei den Wirkungen der Unterbrechung der Verjährung. Hierzu ist zwischen Fallgruppen zu unterscheiden. Zum einen kann die Verjährung gegen die Gesellschaft dadurch unterbrochen werden, dass die Gesellschaft den Gläubigeranspruch anerkennt 170 171 172

Spiro, Die Begrenzung, Bd. I, S. 257. Spiro, Die Begrenzung, Bd. I, S. 416. Vgl. Drittes Kapitel § 1 B. II. 1.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

(Art. 123 § 1 Pkt. 2 ZGB), also nicht mehr die Einrede der Verjährung geltend machen kann. Das HGG sieht nicht vor, wie es bei der Regelung der Bürgenhaftung der Fall ist (Art. 883 § 2 ZGB), dass der Bürge die Einreden des Hauptschuldners auch dann erheben kann, wenn der Schuldner auf sie verzichtet. Art. 35 § 1 HGG gewährt den Gesellschaftern lediglich das Recht, diejenigen Einreden zu erheben, welche von der Gesellschaft gegenüber dem Gläubiger erhoben werden können. 173 Es sprechen hier keine besonderen Gründe dafür, den Gedanken des Art. 883 § 2 ZGB entsprechend auf die Gesellschafterhaftung zu übertragen, da es dem einfach zu ermittelnden Sinn des Art. 35 § 1 HGG zuwiderlaufen würde. Die Gesellschafterhaftungsschuld ist, wenn sie auch wie sich zeigt, viele Merkmale der Bürgenschuld aufweist, mit der Gesellschaftsschuld enger verbunden als diejenige des Bürgen. Dies geschieht vor allem wegen der gesetzlichen Grundlage der Haftung, die den Parteien weniger Regelungsspielräume überlässt. Die Gesellschafterhaftung als gesetzliches Sicherungsrecht muss im Prinzip solange aufrechterhalten bleiben, solange das Recht des Gläubigers schutzbedürftig ist. Im Ergebnis muss angenommen werden, dass die Anerkennung eines Gläubigeranspruchs durch die Gesellschaft den Gesellschaftern die Möglichkeit entzieht, die Einrede der Verjährung als eine abgeleitete i. S. d. Art. 35 HGG zu erheben. 174 Die gegenteilige Lage, dass die Verjährung gegenüber der Gesellschaft durch die Anerkennung der Forderung durch einen Gesellschafter wegfällt, kommt gar nicht in Betracht. Ein Gesellschafter ist nicht befugt, über die Gesellschaftsverbindlichkeit in dieser Hinsicht zu verfügen. Zum anderen kann die Verjährung des gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruchs dadurch unterbrochen werden, dass der Gesellschaftsgläubiger eine von den in Art. 123 § 1 Pkt. 1 ZGB vorgesehenen Handlungen vornimmt. Umstritten ist dabei vor allem, ob die Unterbrechung 175 der Verjährung gegenüber der Gesellschaft auch zu Lasten des Gesellschafters wirkt. Hier sind zwei Lösungsansätze denkbar. In einigen Gesetzgebungen 176 und in der Rechtslehre ist die Ansicht zum Ausdruck gekommen, dass die Unterbrechung der Verjährung der Hauptforderung auch die Unterbrechung der Verjährung der Nebenforderung, aus Gründen der Akzessorietät, zur Folge hat. Damit ist die Möglichkeit ausgeschlossen, dass der Anspruch gegenüber dem akzessorischen Sicherungsgeber früher verjährt als gegenüber dem Hauptschuldner. So ist auch die herrschende Lehre im 173 Der Unterschied zu Art. 89 § 1 HGB, in dem ausdrücklich stand, dass ein Gesellschafter die Einrede nur insoweit geltend machen konnte, als sie von der Gesellschaft erhoben werden konnte, spielt keine Rolle. So auch zutreffend Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 35 Rn. 1 (S. 292). Ausführlich zu dieser Frage § 2 C. III. 5. a) dieses Kapitels. 174 Im Ergebnis ähnlich Spiro, Die Begrenzung, Bd. I, S. 452; Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 29. 175 Damit wird auch die Hemmung der Verjährung gemeint. 176 In Bezug auf die Bürgschaft vgl. Nachweise bei Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 92.

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deutschen und schweizerischen OHG-Recht. 177 Die Gegenansicht geht von der Unterscheidung zwischen der Verjährung der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterhaftungsschuld aus. 178 Erst damit solle die Befugnis des Gesellschafters zur Geltendmachung der abgeleiteten Verjährungseinrede Relevanz gewinnen. Wollte man stattdessen annehmen, dass Gesellschafts- und Gesellschafterschuld der gleichen Verjährungsfrist unterlägen, wäre dann die Befugnis zur Geltendmachung von abgeleiteten Einwendungen, soweit es sich um die Einrede der Verjährung handelt, aus Sicht des Gesellschafters ohne Bedeutung, wenn er doch mit Eintritt der Verjährung der Gesellschaftsschuld den Eintritt der Verjährung seiner eigenen Verbindlichkeit geltend machen könnte. Demzufolge kann man die Einrede der Verjährung, die einem Gesellschafter als eine persönliche, aus seinem eigenen Verhältnis zum Gläubiger folgende zusteht, ohne ein Zutun des Gesellschafters nicht verkürzen. Darüber hinaus bietet § 159 Abs. 1 HGB (Art. 593 schweiz. OR) im deutschen (und schweizerischen) Recht eine Grundlage dafür, die Unabhängigkeit beider Verjährungen anzunehmen. Dieser Ansicht zufolge wäre die Verjährung nur durch eine gegen den Gesellschafter gerichtete Unterbrechungsmaßnahme berührt. 179 Zum selben Ergebnis führt die Argumentation im bürgschaftsrechtlichen Schrifttum, und zwar, dass die Gründe der Akzessorietät unzulänglich seien, die Erstreckung der Unterbrechung der Verjährung auch auf den Anspruch gegenüber dem Nebenschuldner zu rechtfertigen. Dafür spreche insbesondere die Tatsache, dass einige Rechtsordnungen diese Frage speziell geregelt haben, und zwar dahingehend, dass die Verjährung des Anspruchs gegenüber dem Bürgen unterbrochen wird. 180

177 Vgl. Flume, Personengesellschaft, S. 289; Hadding, Inhalt, S. 589; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1418; Heymann / Emmerich, § 128 Rn. 10a; SPR / von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 587; Staehelin, in: Berner Kommentar, Art. 593 Rn. 3; vgl. auch BGH v. 11. 12. 1978 (II ZR 235/77), BGHZ 73, 217; BG v. 05. 03. 1957, BGE 83 II, S. 41: „der Gesellschafter ist mit der Gesellschaftsschuld enger verbunden als der Solidarschuldner mit der Verbindlichkeit der Mitschuldner oder der Bürge mit der Verpflichtung des Hauptschuldners“. Zum französischen Recht der OHG ähnlich Escara, Manuel, S. 274. 178 Jetzt vor allem Staub / Habersack, § 129 Rn. 7; früher Hartmann, in: Kommentar, Art. 593 Rn. 4: „diese beiden Forderungen bewahren hinsichtlich der Verjährung ihre Selbständigkeit. Der Gesellschafter kann sich zwar auf die Verjährung berufen, wenn die Gesellschaftsschuld verjährt ist“. Im polnischen Schrifttum unklar ist die Ansicht von Namitkiewicz, Kodeks, S. 90, es kann aber davon ausgegangen werden, dass er die Selbstständigkeit der Verjährungen annimmt. 179 So Staub / Habersack, § 129 Rn. 7. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1418, bezeichnet dagegen diese Überlegungen als praktisch unrelevant. 180 Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 93, weist auf Art. 136 Abs. 2 schweiz. OR („ist die Verjährung gegen den Hauptschuldner unterbrochen, so ist sie es auch gegen den Bürgen“) und Art. 2250 Cciv. Das schweizerische Gesetz sieht jedoch in einer nachfolgenden Vorschrift (Art. 136 Abs. 3 OR) vor: „dagegen wirkt die gegen den Bürgen eingetretene Unterbrechung nicht gegen den Hauptschuldner“.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

Einigkeit besteht dagegen bezüglich der gegenteiligen Sachlage. Die Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Gesellschafter (sollte er alleine für die Gesellschaftsverbindlichkeiten in Anspruch genommen werden) sei in ihrer Wirkung nicht auf die Gesellschaft zu erstrecken. 181 Diesem Befund kann nichts vorgeworfen werden, da sowohl die Akzessorietätslehre im Sinne einer einseitigen Abhängigkeit des Nebenrechts, die auch Verjährungswirkungen umfasst, als auch die Konzeption der Unabhängigkeit der Verjährung beider Verbindlichkeiten zu gleichem Ergebnis führen. Schließlich ist noch der andere Aspekt zu analysieren, bei dem die Verjährung gegenüber dem Gesellschafter unterbrochen wird. Die Fragestellung lautet, ob er sich von diesem Augenblick an auf eine etwa mittlerweile gegenüber der Gesellschaft eingetretene Verjährung berufen kann (allgemein dazu s. o., Art. 35 HGG). Die herrschende Meinung in der deutschen Lehre lehnt diese Möglichkeit mit der Begründung ab, dass es auf den Schutzzweck der Verjährungsvorschriften ankomme. 182 Dahinter steht die Überlegung, dass es dem Gläubiger nicht zumutbar sei, auch gegenüber der vielleicht vermögenslosen Gesellschaft eine verjährungshemmende Rechtshandlung vorzunehmen, nur um sie dem Gesellschafter entgegenhalten zu können. Dagegen wird auch die Ansicht vertreten, dass das Recht, sich auf die gegen die Gesellschaft eingetretene Verjährung zu berufen, dem Gesellschafter zuzuerkennen sei, weil die Gesellschaft sonst Gefahr liefe, wegen des dem Gesellschafter zustehenden Aufwendungsersatzanspruches (§ 110 dt. HGB) letztlich die ihre dem Gläubiger gegenüber bestehende Einrede der Verjährung zu verlieren. Im Ergebnis würde ein der Klage des Gläubigers stattgebendes Urteil eine dem materiellen Recht widersprechende Rechtslage herbeiführen. 183 Grundsätzlich obliege es deshalb dem Gläubiger, auch die Gesellschaft zu verklagen, wenn er verhindern wollte, dass sich der Gesellschafter auf die abgeleitete Einrede der Verjährung berufe. Anders zu entscheiden sei nur für zwei Fälle: Erstens, wenn die Gesellschaft vermögenslos sei und somit ein Regress des Gesellschafters nicht in Betracht komme, da in diesem Fall die Grundlage einer nur auf die Belange der Gesellschaft gestützten Klageabweisung entfälle, was vom Gläubiger im Wege der Replik geltend gemacht werden könne. Zweitens, wenn der Gesellschafter bereits rechtskräftig für eine Gesellschaftsschuld verurteilt worden sei. 184

181 Einig Staub / Habersack, § 129 Rn. 7; Schlegelberger / K. Schmidt, § 129 Rn. 9. Das Gleiche gilt auch für die Hemmung. Besteht ein Hindernis nur in der Person eines Gesellschafters, so hindert es das Vorgehen gegen die Gesellschaft als solche nicht, hemmt daher auch nicht die Verjährung der Forderung gegen sie, gegen den betroffenen Gesellschafter dagegen kann die Verjährung gehemmt sein. 182 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1419; Lieb, Verjährung, S. 468; BGH v. 22. 03. 1988 (X ZR 64/87), BGHZ 104, S. 76. 183 Staub / Habersack, § 129 Rn. 8 f. 184 So die ganz h. M. in Deutschland, vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 12.

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3. Stellungnahme

Wie gezeigt, in den obenskizzierten Sachlagen ist stets die Auswirkung der Unterbrechung der Verjährung auf den jeweiligen anderen Schuldner (sei es Gesellschaft, sei es ein Gesellschafter) erklärungsbedürftig. Die Lösungsversuche beruhen auf keinem einheitlichen Gedanken. Als Erstes wird die Auswirkung der Unterbrechung der Verjährung gegenüber der Gesellschaft auf die Gesellschafterschuld analysiert. Abzulehnen ist vor allem das Argument, dass die Akzessorietät unzulänglich sei, um die Erstreckung der Wirkungen der Verjährungsunterbrechung auf die Gesellschafterschuld zu rechtfertigen. 185 Vielmehr kann nicht dahingehend argumentiert werden, dass ausgewählte Rechtordnungen dies speziell geregelt haben, nur weil die Akzessorietät an sich es nicht erlaube. Mit diesem Ansatz kann nicht geklärt werden, warum z. B. der schweizerische Gesetzgeber die gegenteilige Lage ausdrücklich regelt, 186 obwohl die Antwort in der Rechtslehre eindeutig ist und auch ohne diese gesetzliche Bestimmung zum gleichen Ergebnis geführt hätte. Man muss hier zum Schluss gelangen, dass die Argumentation von Ba˛czyk mit Beispielen aus ausländischen Rechtsordnungen unzutreffend ist und keinen Bezug auf die Systematik dieser Vorschriften nimmt. 187 Zweitens muss auch festgestellt werden, dass es keine Zweifel gibt, dass die Akzessorietät das Ergebnis in Gestalt der Unterbrechung der Verjährung der Gesellschafterschuld völlig rechtfertigt. Geht man davon aus, dass die Gesellschafterhaftung i. S.v. der Haftungsverbindlichkeit einseitig durch die Gesellschaftsschuld bestimmt ist, 188 so kann man gegen diese Auffassung nichts einwenden. Wenn der Gesellschafter sich auf die Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeit beruft, muss er auch deren Unterbrechung gegen sich gelten lassen. Vor dem Hintergrund dieser Ansicht kann man auch die spezielle Verjährungsfrist des § 159 poln. HGB v. 1933 erläutern, die von der Gegenmeinung als Grundlage der Unabhängigkeit beider Verjährungen angesehen wird. Eine 185

So aber Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 93. Art. 136 Abs. 3 OR: „dagegen wirkt die gegen den Bürgen eingetretene Unterbrechung nicht gegen den Hauptschuldner“. Dazu nimmt aber Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 93, keine Stellung. 187 Die Folgerung, dass der Ansatz von Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 93, verfehlt ist, zeigt sich bei einer näheren Betrachtung des Art. 136 OR, einer Vorschrift des Allgemeinen Teils, welche die Verjährung regelt. Da wird der Unterschied zwischen der Gesamtschuld i. S. d. wechselseitigen Wirkungen zwischen Schuldnern (die Unterbrechung der Verjährung gegen einen Solidarschuldner (...) wirkt auch gegen die übrigen Mitschuldner, Abs. 1) und der Akzessorietät i. S. d. einseitigen Abhängigkeit des Nebenrechts klar (bereits zitierte Abs. 2 und Abs. 3) sichtbar. 188 So eindeutig u. a. in Bezug auf die Wirkungen der Verjährung Flume, Personengesellschaft, S. 289; zust. R. Fischer, Neue, S. 268; Hadding, Inhalt, S. 589. 186

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

selbstständige Verjährung der Haftungsschuld eines Gesellschafters mit eigener Frist kann nur unter den tatbeständlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift (§ 159 Abs. 1 –3 HGB) eintreten. Hier bedurfte es deshalb einer ausdrücklichen Vorschrift, dass eine Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern wirkt, die der Gesellschaft zur Zeit ihrer Auflösung angehört haben (§ 159 Abs. 4 HGB). Man kann davon ausgehen, dass diese besondere Regelung ebenfalls dafür spricht, dass sich grundsätzlich die Verjährung der Haftungsschuld auch hinsichtlich der Unterbrechung nach der Gesellschaftsverbindlichkeit richtet. 189 Wie gezeigt, ändert § 159 HGB die Aussage der Akzessorietätslehre gar nicht, so dass diese Meinung auch im polnischen Recht vertreten werden kann, obwohl es eine dem § 159 HGB vergleichbare Vorschrift nicht gibt. Vielmehr würde die Annahme der Gegenansicht für den Gläubiger die Obliegenheit bedeuten, die Gesellschafter stets mit der Gesellschaft zu verklagen. Sonst liefe der Gläubiger Gefahr, dass die Gesellschafterschuld mittlerweile verjährt ist. Die Auferlegung dieser Obliegenheit steht meines Erachtens ohne Zweifel im Widerspruch mit der Sicherungsfunktion der Gesellschafterhaftung. Der Rechtsverkehr vertraut darauf, dass er notfalls auf die Privatvermögen der Gesellschafter zugreifen kann. Die Bevorzugung der Gegenmeinung würde mit dem Zweck der Gesellschafterhaftung als gesetzlicher Forderungssicherung unvereinbar sein. Die Wertüberlegung führt zu einem eindeutigen Ergebnis, und zwar der Anerkennung des Vorrangs des Akzessorietätsgedankens, wie oben geschildert. 190 Die hier vertretene Meinung findet ihre Stütze auch in der vollstreckungsrechtlichen Regelung des Art. 778 1 ZVGB, demzufolge das Gericht einem Vollstreckungstitel gegen die OHG eine Vollstreckungsklausel gegen die Gesellschafter erteilt, wenn sich die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen als erfolglos erweist und auch wenn keine Zweifel bestehen, dass die Zwangsvollstreckung erfolglos sein wird. Dementsprechend kann sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die Gesellschafter aus demselben Titel vollstreckt werden, die Klausel muss lediglich gesondert gegen jedes Haftungssubjekt erteilt werden. Diese Regelung stellt einen beachtlichen Unterschied zum § 129 Abs. 4 dt. HGB dar, wonach die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschafter aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten Schuldtitel nicht stattfindet – zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines Gesellschafters bedarf es eines gegen ihn gerichteten Titels. 191 Es kann daher nicht außer Betracht bleiben, dass § 129 Abs. 4 dt. HGB, obwohl nicht ausdrücklich in der Argumentation erwähnt, eine überzeugende Grundlage für die Gegenansicht im deutschen Recht bildet.

189

Hadding, Inhalt, S. 590. Vgl. SPR / von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 587, nach dem ergänzend auf die Akzessorietät der Haftungsschuld hinzuweisen sei, die für einen Gleichlauf der Bestimmungen über die Verjährungen und ihre Unterbrechung spreche. 191 Staub / Habersack, § 129 Rn. 26; Schlegelberger / K. Schmidt, § 129 Rn. 14. 190

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V. Einreden der Gesellschaft und der Gesellschafter 1. Allgemeines

Die Erläuterung der Frage, welche Einwendungen und Einreden ein durch den Gläubiger wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch genommener Gesellschafter erheben kann, wird sicherlich zur Erklärung des Charakters seiner Haftung beitragen. Es muss davon ausgegangen werden, dass jeder Schuldner dem Gläubiger die Einwendungen und die Einreden entgegensetzen kann, welche aus Rechtsverhältnissen mit dem Gläubiger folgen (sog. eigene oder persönliche Einwendungen und Einreden, ex iure proprio). 192 So ist auch das Schema bei den gesamtschuldnerisch verbundenen Verbindlichkeiten: Der in Anspruch genommene Gesamtschuldner kann lediglich seine persönlichen (aus seinem Verhältnis zum gemeinsamen Gläubiger folgenden) Einwendungen geltend machen. 193 Keine Ausnahme von diesem Prinzip stellt die Regelung des Art. 375 § 1 ZGB dar, wonach ein Gesamtschuldner auch die sog. gemeinschaftlichen Einwendungen erheben darf, da diese Einwendungen genauso jedem einzelnen Solidarschuldner zustehen, so dass es einer speziellen Vorschrift bedürfte, damit die Geltendmachung dieser Einwendungen individuell von einzelnen Solidarschuldnern untersagt wäre. 194 Die Möglichkeit, dass der Schuldner nicht nur persönliche, sondern auch „fremde“ (ex iure debitoris) Einwendungen dem Gläubiger gegenüber geltend machen kann, stellt daher eine Ausnahme dar. Eine der wichtigsten Ausprägungen dieser Ausnahme ist bei den akzessorischen Sicherungsrechten zu finden, wo der akzessorische Nebenschuldner berechtigt ist, dem Gläubiger alle Einwendungen entgegenzusetzen, die dem Hauptschuldner gegenüber dem Gläubiger zustehen und sich (grundsätzlich) nicht auf die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners stützen (sog. Akzessorietät in Durchsetzung). 195 Dies folgt aus der einseitigen Anlehnung des akzessorischen Sicherungsrechts an die zu sichernde Forderung. Das der Sicherung des Hauptrechts dienende Nebenrecht soll nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Geltendmachung des Hauptrechts möglich ist. Darüber hinaus kann der akzessorische Nebenschuldner eigene persönliche Einreden gegenüber dem gemeinsamen Gläubiger geltend machen, was nun keiner besonderen Erläuterung bedarf. Die Frage nach den den Gesellschaftern zustehenden Einwendungen war im polnischen Schrifttum nicht Gegenstand tieferer Überlegungen. Die Anhänger 192 Vielen Verfassern kommt diese Feststellung als eine Selbstverständlichkeit vor, so dass davon überhaupt nicht gesprochen wird, vgl. Roth, Die Einrede, S. 1 ff. 193 Vgl. die Analyse der Einwendungen und Einreden eines Gesamtschuldners, eines Bürgen und eines Garanten im französischen Recht, Martin, L’engagement, S. 49 ff. 194 Longchamps de Berier, Uzasadnienie, S. 18. 195 Zu möglichen Einschränkungen vgl. Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 470 ff.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

der uneingeschränkten Annahme des Bestehens der Gesamtschuld zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern ziehen Art. 375 § 1 ZGB als Grundlage dafür heran, dass jeder Gesellschafter gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger die sog. persönlichen und gemeinsamen Einwendungen erheben kann. 196 Dabei wird die lex specialis darstellende Regelung des Art. 35 § 1 HGG übersehen. Andere gehen dagegen davon aus, dass die Vorschrift des Art. 35 § 1 HGG den Grundsatz des Art. 375 § 1 ZGB einfach bestätigt. 197 Die oben vorgenommene Gleichsetzung der Einreden bei der Akzessorietät und der Gesamtschuld erweist sich als eine Schwäche der herrschenden Lehre in Polen. Beide zitierten Ansätze sind irreführend und methodisch unzutreffend. Art. 375 § 1 ZGB wie sein Vorgänger, Art. 17 § 1 OR, gehen zurück auf Art. 1208 S. 1 des franz. Code Civil 198 sowie Art. 145 Abs. 1 des schweiz. OR. 199 Das in Art. 375 § 1 ZGB zum Ausdruck gekommene Prinzip der Eigenständigkeit von Verbindlichkeiten einzelner Gesamtschuldner kann nicht mit der Regelung des Art. 35 HGG auf eine Ebene gestellt werden, die von der Anlehnung der Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit an die Gesellschaftsschuld spricht. Vielmehr darf Art. 35 § 1 HGG ausschließlich mit Art. 883 § 1 ZGB verglichen werden, wonach der Bürge gegenüber dem Hauptschuldner sämtliche Einreden erheben kann, die dem Hauptschuldner zustehen. Die Möglichkeit der Geltendmachung der „abgeleiteten“ (aus dem Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner stammenden) Einreden stellt eine der bedeutendsten Ausprägungen der Akzessorietät bei der Bürgenhaftung dar. 200 Es muss unterstrichen werden, dass der Wortlaut und Sinn beider Vorschriften (Art. 35 § 1 HGG, Art. 883 § 1 ZGB) weitgehend übereinstimmt. 201 Sie erfüllen die gleiche Funktion, wonach der akzessorisch haftende Sicherungsgeber die Verteidigungsmittel des Hauptschuldners (sei es des durch die Bürgschaft gesicherten Hauptschuldners oder der Gesellschaft) verwenden kann. 196 Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 44 (S. 237); Kruczalak, in: Kruczalak, Kodeks, S. 83. 197 Pyzioł, in: Kruczalak, Kodeks handlowy, S. 148; Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 132; Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 739; Bucior, Konstrukcja, S. 20. 198 Im Art. 1208 S. 2 Cciv heißt es zusätzlich, dass ein Solidarschuldner die persönlichen Einwendungen anderer Mitschuldner nicht erheben kann. Aus Art. 375 § 1 ZGB ergibt sich dies a contrario. 199 „Ein Solidarschuldner kann dem Gläubiger nur solche Einreden entgegensetzen, die entweder aus seinem persönlichen Verhältnisse zum Gläubiger oder aus dem gemeinsamen Entstehungsgrunde oder Inhalte der solidarischen Verbindlichkeit hervorgehen“. 200 Unbestritten, vgl. Radwa´nski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 1066; Szpunar, O zasadzie, S. 43; Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 620. 201 Vgl. für deutsches Recht Hadding, Zur Haftung, S. 147: „die Stellung des einzelnen Gesellschafters nach § 129 Abs. 1 HGB hinsichtlich der Einwendungen deckt sich mit der Rechtsstellung einer anderen ebenfalls „haftenden“ Figur, nämlich der des Bürgen“.

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Die Zweckmäßigkeit des Vergleiches der OHG-Gesellschafterhaftung zur Bürgenhaftung, was die „abgeleiteten“ Einwendungen angeht, wird auch durch die Bezugnahme auf die schweizerische Lehre zur OHG bestätigt. Das schweizerische Obligationenrecht sieht keine dem Art. 35 HGG vergleichbare Regelung vor. Dennoch bestehen in der Rechtslehre keine Zweifel, dass ein wegen der Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch genommener Gesellschafter alle Einwendungen und Einreden der Gesellschaft erheben kann. Dies geschieht wegen einer analogen Anwendung des Bürgschaftsrechts auf die bürgenähnliche Stellung des Gesellschafters dem Gläubiger gegenüber (Art. 502 OR). 202 Ähnlich ist die Lage im französischen Recht. Da kommt der OHG die Eigenschaft einer juristischen Person zu, was keine Zweifel lässt, dass die Gesellschafter mit ihrer persönlichen Haftung eine Art Garanten der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sind. Mit der Heranziehung bürgschaftsrechtlicher Grundsätze auf die Gesellschafterhaftung wird auch die Frage der Geltendmachung der Gesellschaftseinreden durch die Gesellschafter geklärt. 203 Im Hinblick auf die unterschiedliche Einordnung der Einrede der Aufrechenbarkeit in der Lehre, stellt sich die Frage nach der dogmatischen Aussage des Art. 35 § 1 und § 2 HGG. Unstreitig ist, dass Art. 35 § 1 HGG selber eine Ausprägung der Akzessorietät darstellt. Handelt es sich aber möglicherweise bei der Befugnis des Gesellschafters, eine der Gesellschaft zustehende Forderung aufzurechnen, um eine Ausprägung der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung (Art. 35 § 2 HGG)? Im Schrifttum zum polnischen Bürgschaftsrecht, in dem der Bürge grundsätzlich primär haftet (Art. 881 ZGB), wird seine Befugnis, eine dem Hauptschuldner zustehende Forderung aufzurechnen, als eine Ausprägung der Subsidiarität betrachtet. 204 Die Akzessorietät bedeute die Abhängigkeit des Sicherungsrechts (der Bürgschaft) von der Hauptschuld, und nicht anderer Rechtsverhältnisse des Hauptschuldners. Darüber hinaus diene die Befugnis des Bürgen, die dem Hauptschuldner zustehende Forderung aufzurechnen, hauptsächlich dazu, dass der Gläubiger primär und direkt aus dem Vermögen des Hauptschuldners befriedigt wird. 205 Nach dem oben vorgeschlagenen Verständnis der Akzessorietät könnte sich der akzessorisch haftende Nebenschuldner nur auf solche Einwendungen des Hauptschuldners berufen, welche sich aus dem zu sichernden Rechtsverhältnis 202 Vgl. SPR / von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 544; Pestalozzi / Wettenschwiler, in: Basler Kommentar, Art. 568 Rn. 2; Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 29; Vonzun, Rechtsnatur, S. 261. 203 Vgl. Dereu, Sociétés en nom collectif. Responsabilité des associés, in: Juris Classeur Commercial, Fasc. 57 – 10, S. 17 f. 204 So vor allem Radwa´nski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 1066; zust. Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 69. 205 Radwa´nski, in: System, Bd. III, 2. T., S. 1066; Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 69.

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ergeben. Die Einwendungen des Hauptschuldners, welche aus sonstigen Rechtsverhältnissen resultieren, wären dem Nebenschuldner nicht zugänglich. Ein solches Verständnis der Akzessorietät lässt sich keineswegs aus den Normen ableiten, die als Ausprägungen der Akzessorietät gelten. So sprechen Art. 883 § 1 ZGB, Art. 315 ZGB, Art. 73 GbHypG sowie Art. 35 § 1 HGG von „Einwendungen des Hauptschuldners“, ohne diese Einwendungen in unterschiedliche Kategorien einzuordnen. Daher ist anzunehmen, dass der Gesellschafter alle Einwendungen und Einreden erheben kann, welche die Gesellschaft dem Gesellschaftsgläubiger entgegensetzen kann, unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage sie beruhen. Die Einrede der Aufrechnung, welche die Gesellschaft dem Gläubiger gegenüber geltend macht, ergibt sich üblicherweise aus einem anderen zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis. Darüber hinaus kann man in der Inanspruchnahme der Verteidigungsinstrumente des Hauptschuldners durch den Sicherungsgeber nichts anderes als eine Ausprägung der Akzessorietät sehen. Von einer typischen Subsidiarität wäre hingegen die Rede, wenn es auf die Aufrechnungsbefugnis des Gläubigers ankäme, und nicht wie hier, auf die des Hauptschuldners. Es wird z. B. einhellig vertreten, dass § 770 Abs. 2 BGB, nach dem der Bürge die Befriedigung des Gläubigers verweigern kann, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann, als Erweiterung der Einrede der Vorausklage eine Ausprägung der Subsidiarität darstellt. 206 Der Nebenschuldner solle zur Leistungsverweigerung berechtigt sein, solange sich der Gläubiger ohne Preisgabe berechtigter Interessen durch Aufrechnung befriedigen könne. Ähnlich wie bei dem Erfordernis der Vorausklage habe der Gläubiger eine ihm offenstehende Aufrechnungsmöglichkeit auszuschöpfen, bevor er sich an den nur sekundär haftenden Bürgen hält. 207 Dagegen habe diese Bestimmung nicht die Aufgabe, dem Bürgen die Verteidigungsmöglichkeiten des Hauptschuldners zugänglich zu machen. Die Lösung von Art. 883 § 1 ZGB als auch von Art. 35 § 2 HGG weicht von der deutschen Regelung ab. Die beiden zitierten Vorschriften stellen auf die Befugnis des Hauptschuldners (respektiv: des Bürgen, der Gesellschaft) zur Aufrechnung ab. Der Bürge bzw. Gesellschafter ist befugt, die Verteidigungsmittel des Hauptschuldners bzw. der Gesellschaft geltend zu machen. Die Aufrechnung ist somit lediglich eine der unterschiedlichen Einreden, die der Bürge bzw. der Gesellschafter geltend machen kann. Ihre Wirkung ist allerdings spezifisch, dies ist eine aufschiebende Einrede – der Gläubiger erhält die Leistung auf Kosten des Hauptschuldners. Darin kann man aber ein der Subsidiarität gleichwirkendes 206 Vgl. grundlegend Schlüter, Die Einrede, S. 517; Bülow, Einrede, S. 198; zust. MünchKomm-BGB / Habersack, § 770, Rn. 3; BGH v. 19. 09. 1985 (VIII ZR 214/83), BGHZ 95, S. 361. 207 BGH v. 19. 09. 1985 (VIII ZR 214/83), BGHZ 95, S. 361.

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Ergebnis sehen, da die Vermögensmasse des Hauptschuldners als das primäre Haftungssubstrat dient. Es steht nun außer Frage, dass Art. 35 § 1 und § 2 HGG damit eine Ausprägung der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung darstellt. 208 Dies zeigt sich darin, dass der jeweilige Umfang der Gesellschaftsschuld maßgeblich für den Umfang der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter ist. Dieser bei der Bürgschaft im ZGB ausgedrückte Gedanke (vgl. Art. 879 § 1 ZGB) trifft auch für die Gesellschafterhaftung zu. Dagegen ist Art. 375 § 1 ZGB nicht geeignet, auf das akzessorische Verhältnis zwischen der Gesellschafter- und der Gesellschaftsschuld angewendet zu werden. Er steht im Widerspruch zum akzessorischen Gedanken der engen einseitigen Anlehnung der Nebenverbindlichkeit an die Hauptverbindlichkeit, die in Art. 35 § 1 HGG zum Ausdruck kommt. Infolgedessen bleibt Art. 375 § 1 ZGB lediglich auf das Verhältnis zwischen Gesellschaftern untereinander anwendbar, das eine richtige Gesamtschuld i. S. d. Art. 366 ff. ZGB ist. Entgegen zahlreicher Stellungnahmen in der polnischen Lehre ist die Möglichkeit der Erhebung der persönlichen Einreden durch die Gesellschafter nicht problematisch. Wenn man, wie oben geschildert, zumindest im Hinblick auf Art. 35 § 1 HGG davon ausgeht, dass die Gesellschafterhaftung eine akzessorische ist, kann man mit guten Gründen behaupten, dass wie andere akzessorische Sicherungsgeber, die für eine fremde Schuld einstehen, die Gesellschafter dem Gesellschaftsgläubiger gegenüber persönliche Einreden erheben können. 209 Systematisch unzutreffend ist es, die Möglichkeit der Geltendmachung der persönlichen Einreden mit der Anwendung des Art. 375 § 1 ZGB zu erklären, 210 da es zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern keine Gesamtschuld i. S. d. Art. 375 § 1 ZGB gibt. Insoweit ist eine dahingehende Behauptung ohne Grundlage, da die Rolle des Art. 35 § 1 HGG missverstanden und nicht beachtet wird. 2. Die Befugnis der Gesellschafter zur Geltendmachung der Einreden der Gesellschaft

a) Einreden im strengen Sinne Die normative Bedeutung des Art. 35 § 1 HGG als eine Ausprägung der Akzessorietät wurde bereits erörtert. Diese Vorschrift erlaubt den Gesellschaftern, sämtliche Einreden der Gesellschaft aus dem Verhältnis zum Gläubiger geltend zu machen. Der Wortlaut des Art. 35 § 1 HGG lässt eindeutig erkennen, dass die Gesellschafter nur diejenigen Einreden erheben können, welche der Gesellschaft 208 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1418: alle Einreden und Einwendungen der Gesellschaft stehen den Gesellschaftern kraft Akzessorietät zu. 209 Vgl. die Ausführungen zur Akzessorietät. 210 So aber ohne Bedenken Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 739; Bucior, Konstrukcja, S. 20.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

zum Zeitpunkt ihrer Erhebung zustehen. Aus der Änderung des Art. 35 § 1 HGG im Vergleich zu Art. 89 HGB, der vorsah, dass die Einreden der Gesellschaft noch zustehen mussten, sind keine normativen Schlussfolgerungen zu ziehen. 211 Weiterhin sprechen keine funktionellen Gründe dafür, den Gedanken des Art. 883 § 2 ZGB auf die Gesellschafterhaftung zu übertragen. Die Verbindung zwischen der Gesellschaftsschuld- und der Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit ist enger als bei der Bürgschaft. Der Schuld der Gesellschaft folgt immer wie ein Schatten die Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit. 212 Der OHG-Gesellschafter muss für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit allen ihren gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Erweiterungen einstehen, auch wenn sie ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen entstanden sind. Dementsprechend sind auch die Gesellschafter an die Anerkennung der Schuld durch die Gesellschaft oder an einen Verzicht auf die Geltendmachung der Einreden durch die Gesellschaft gebunden. Ein beachtliches Argument für eine engere Verbindung zweier Verbindlichkeiten bei der Gesellschafterhaftung in der OHG als bei der Bürgschaft ist auch das Fehlen einer dem Art. 879 § 2 ZGB vergleichbaren Regelung, wonach die Verpflichtung des Bürgen durch ein vom Schuldner mit dem Gläubiger nach der Bürgschaftsübernahme vorgenommenes Rechtsgeschäft nicht erweitert wird. Der Bürge haftet, ohne entsprechende Vereinbarung, nur für den Betrag der Hauptschuld und die gesetzlichen Folgen eines Verschuldens oder Verzugs des Hauptschuldners. 213 Das in Art. 879 § 2 ZGB zum Ausdruck kommende Verbot der Fremddisposition trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bürge das von ihm übernommene Risiko vertraglich begrenzt hat. Das Haftungsrisiko eines Gesellschafters wird dagegen nicht genauso wie bei einem Bürgen präzisiert. Es gestaltet sich durch ständige Bezugnahme auf den Risikoumfang der Gesellschaft. Die Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit passt sich somit in allen Phasen der Entwicklung des Sicherungsverhältnisses automatisch der Hauptschuld an und wird so durchgängig von einer Akzessorietät im Umfang beherrscht. 214 Keine Ausnahme bildet der durch die Gesellschaft mit den Gesellschaftsgläubigern abgeschlossene Vergleich im Rahmen des Konkursverfahrens (vgl. Art. 290 ff. KSR). Die Wirkungen des Vergleichs im Verhältnis zur Gesellschaft erstrecken sich auf die Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter gemäß Art. 22 § 2 HGG. 215 Abgese211

Zutreffend Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 35 Rn. 3 (S. 292); zust. Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 739; Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 134. 212 Vgl. Lindacher, Grundfälle (1. Teil), S. 580; Cour de Cassation v. 25. 11. 1997, Bull. Joly 1998, Heft 2, S. 156 f., m. Anm. Le Cannu. 213 Zur Haftung des Bürgen für die Rechtsfolgen von Leistungsstörungen regelnden Vereinbarungen vgl. MünchKommBGB / Habersack, § 767 Rn. 7; Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 137 ff. 214 Vgl. zur Lage bei der Bürgschaft Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit, S. 650; und auch Habersack, Die Akzessorietät, S. 862.

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hen von der dogmatischen Richtigkeit dieses Ergebnisses würde eine gegenteilige Lösung den Erfolg des Vergleiches in Gestalt der Fortführung des Gesellschaftsunternehmens vereiteln, wenn die Gesellschaftsgläubiger die Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden ohne Unterschied weiter in Anspruch nehmen könnten. 216 Dagegen bleibt die Bürgenhaftung durch den Vergleich unberührt. Die These, dass die Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter der Gesellschaftsschuld näher steht, wird auch durch andere Regelungen nachgewiesen. Man geht davon aus, dass der Erfüllungsort für die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters durch die Gesellschaftsverbindlichkeit bestimmt wird. 217 Ferner gilt nach herrschender Meinung die von der Gesellschaft vereinbarte Schiedsgerichtsklausel oder eine Gerichtsstandvereinbarung im Zweifel auch für die Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter. 218 Schließlich wirkt das Urteil gegenüber der Gesellschaft, was den Bestand der Gesellschaftsschuld anbetrifft, auch gegenüber dem Gesellschafter (Art. 35 § 1 HGG), anders als bei der Bürgschaft. In Hinblick auf den Wortlaut des Art. 35 § 1 HGG ist nicht fraglich, ob der Gesellschafter selbst alle der Gesellschaft zustehenden Einreden geltend machen kann. Solange eine Einrede der Gesellschaft noch zusteht, ist diese Befugnis zu bejahen. Die Berechtigung der Gesellschafter zur Erhebung der Einwendungen beurteilt sich demnach nach derjenigen der Gesellschaft. Verliert die Gesellschaft aus irgendwelchem Grund die Berechtigung, Einwendungen geltend zu machen, so sind die Gesellschafter nicht mehr befugt, diese zu erheben. Als Beispiele der „abgeleiteten“ Einwendungen kommen in Frage die Einreden, die sich auf die Existenz einer Gesellschaftsschuld beziehen: Nichtigkeit, Erlass, Verjährung, Erfüllung, pactum de non petendo. 219 Zu berücksichtigen sind auch die Einreden, die das Ausmaß der Verbindlichkeit oder ihre Fälligkeit betreffen, z. B. die durch den Gläubiger gewährte Stundung. b) Gestaltungsrechte Als „abgeleitete“ Einreden i. S. d. Art. 35 § 1 HGG müssen auch die Gestaltungsrechte der Gesellschaft gelten. 220 Hier will das Gesetz den Gesellschafter davor 215

In der deutschen Lehre ebenso Staub / Habersack, § 128 Rn. 73; BGH v. 09. 03. 1987 (II ZR 186/86), BGHZ 100, S. 126. 216 Staub / Habersack, § 128 Rn. 73. 217 Vgl. RG v. 13. 11. 1893 (Rep. VI. 208/93), RGZ 32, 44; ebenso Flume, Die Personengesellschaft, S. 303. 218 Flume, Die Personengesellschaft, S. 303; Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 21a. 219 Schlegelberger / K. Schmidt, § 129 Rn. 4. 220 Im Licht der Vorschrift des Art. 35 § 1 HGG muss ein weiter, funktionell auszulegender Begriff einer „Einwendung“ angenommen werden, vgl. Pyziak-Szafnicka, Potra˛cenie, S. 77, m.w. N.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

schützen, eine Forderung leisten zu müssen, die möglicherweise mit rückwirkender Kraft vernichtet wird, so dass sich die Leistung im Nachhinein als akzessorietätswidrig darstellt. 221 Die Gesellschafter sind grundsätzlich nicht befugt, die Gestaltungsrechte der Gesellschaft im eigenen Namen auszuüben. Dagegen können sie die Befriedigung des Gesellschaftsgläubigers verweigern, bis die Gesellschaft eine entsprechende Erklärung abgibt. 222 Dementsprechend steht den Gesellschaftern nach Art. 35 § 2 HGG primär ein eigenständiges Leistungsverweigerungsrecht zu, solange die Gesellschaft noch nicht angefochten oder aufgerechnet hat. Erst subsidiär erlangen sie die Befugnis, die Gestaltungsrechte der Gesellschaft selber auszuüben: „Bedarf eine Einrede der Abgabe einer Willenserklärung durch die Gesellschaft mit dem Ziel, der Anfechtung, Aufrechnung oder ähnlichem, so kann der Gesellschafter die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange die Gesellschaft eine derartige Erklärung nicht abgegeben hat“ (Art. 35 § 2 S. 1 HGG). „Der Gläubiger kann der Gesellschaft eine zweiwöchige Frist zur Abgabe der Willenserklärung setzen, nach deren erfolglosem Ablauf der Gesellschafter oder der Gläubiger die ihnen zustehenden Rechte ausüben können“ (Art. 35 § 2 S. 2 HGG). Mit dem Ablauf der der Gesellschaft durch den Gläubiger gesetzten Frist kann der Gesellschafter das Gestaltungsrecht der Gesellschaft selber ausüben, ohne dass die Ausübung dieses Rechts durch die Gesellschaft notwendig ist. Die herrschende Meinung ist bezüglich solcher Auslegung des Merkmals „des Rechts“ des Gesellschafters zu folgen, obwohl ihre Begründung (bzw. deren Fehlen) nicht völlig befriedigt. 223 Art. 35 § 2 S. 2 HGG spricht von der Ausübung „des dem Gesellschafter zustehenden Rechts“. Es wird eingewandt, dass diese Vorschrift nicht erlaube, festzustellen, dass „das Recht“ dem Gesellschafter überhaupt zustehe. 224 Ferner gehe die Gleichsetzung der Einreden und der Gestaltungsrechte eindeutig zu weit und missachte die zwischen beiden Kategorien der subjektiven Rechte bestehenden Unterschiede. Der in Anspruch genommene Gesellschafter dürfe danach durch Ausübung der Gestaltungsrechte in die Sphäre eingreifen, die mit der Geschäftsführungsbefugnis verbunden sei und alleine der Gesellschaft vorbehalten bleibe. 225 Diese Einwände mögen zutreffen, allerdings wird kein anderes Ergebnis vorgeschlagen. Es ist davon auszugehen, dass das Ergebnis der sprachlichen Auslegung des Art. 35 § 2 HGG i.V. m. Art. 35 § 1 HGG haltbar ist. Art. 35 § 2 S. 2 HGG betrachtet Gestaltungsrechte der Gesellschaft ausdrücklich als Einreden i. S. d. Art. 35 § 1 HGG. Deswegen ist Art. 35 § 1 HGG mit seiner Aussage, dass die Einreden der Gesellschaft vom Gesellschafter geltend gemacht werden können, als die Grundlage des „Rechts“ des Gesellschafters, die Gestaltungsrechte 221 222 223 224 225

Bülow, Einrede, S. 202. Vgl. BGH v. 14. 12. 1964 (VIII ZR 119/63), BGHZ 42, S. 397. So Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 75. Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 75. Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 76.

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der Gesellschaft auszuüben, zu betrachten. Dies ist die einzige haltbare Auslegungsmöglichkeit dieser Vorschrift. 226 Das Argument, dass der Gesellschafter durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts in die Gesellschaftssphäre eingreift, wird dadurch entkräftet, dass die Ausübung des Gestaltungsrechts der Gesellschaft an die der Gesellschaft zu setzende Frist geknüpft ist, was die Gesellschaftsinteressen in hinreichendem Maße wahrt. Der Einwand, die Gleichsetzung der Einreden und der Gestaltungsrechte gehe zu weit, ist begriffsjuristisch. Die Rechtslehre mag zwar grundlegende Unterschiede zwischen beiden Kategorien subjektiver Rechte betonen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber nicht gehindert ist, diese Unterschiede beiseite zu lassen und dem Gesellschafter eine entsprechende Befugnis auch bezüglich der Gestaltungsrechte einzuräumen. Die eben angesprochene Kritik überinterpretiert auch die Trennung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern. Die Befugnis des Gesellschafters, die Gestaltungsrechte der Gesellschaft auszuüben, stellt nichts mehr als eine Ausprägung der möglichst strikten Akzessorietät der Gesellschafterhaftung im polnischen Recht dar. Nach § 129 Abs. 2 und 3 des deutschen HGB kommt den Gesellschaftern lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Die Gestaltungsrechte können von ihnen dagegen nicht einmal subsidiär ausgeübt werden. Wird durch die Gesellschaft mit dem Ablauf einer Anfechtungsfrist nicht angefochten, so entfällt das Leistungsverweigerungsrecht des Gesellschafters. 227 Der Vergleich zum deutschen Recht zeigt, dass der Schutz des Gesellschafters im polnischen Recht weiter geht. Die Verbindung zwischen beiden Verbindlichkeiten, der der Gesellschaft und der des Gesellschafters, ist in Hinblick auf die „abgeleiteten“ Verteidigungsmittel des Gesellschafters enger. Die eben besprochene Regelung der Einwendungen ist nicht der einzige Nachweis, dass die Verbindung zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit im polnischen Recht enger als nach dem deutschen HGB ist. Das polnische Recht kennt keine dem § 129 Abs. 4 dt. HGB vergleichbare Vorschrift, nach dem die Zwangsvollstreckung aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten vollstreckbaren Schuldtitel gegen die Gesellschafter nicht stattfindet. Demgegenüber kann einem Vollstreckungstitel gegen die Gesellschaft eine Vollstreckungsklausel gegen den Gesellschafter erteilt werden (Art. 778 1 ZVGB). Eine Gesamtbetrachtung der Haftungsverfassung in der OHG ergibt, dass das Ergebnis der sprachlichen Auslegung des Art. 35 § 1 und 2 HGG begründet ist. Das Gesetz spricht in Art. 35 § 2 HGG zwar ausdrücklich von den „Anfechtungs- und Aufrechnungslagen“ sowie „ähnlichen Fällen“, der Umfang der Einreden, auf die sich die Gesellschafter berufen können, ist aber bereits in Art. 35 § 1 HGG bestimmt. Hier unterscheidet sich die Fassung des Art. 35 § 1 und 2 HGG von § 129 Abs. 1 –3 dt. HGB, welcher – abgesehen von den Einwendungen 226 Vgl. zutreffend Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 35 Rn. 5 (S. 294); Pyziak-Szafnicka, Potra˛cenie, S. 78 f.; umfassend Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 75. Dagegen Zweifel von Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 133. 227 Schlegelberger / K. Schmidt, § 129 Rn. 17 f.

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der Gesellschaft – ausschließlich von der Aufrechnung und Anfechtung spricht. Bemerkenswert ist aber, dass die deutsche Lehre bereits längst diesen restriktiven Wortlaut des § 129 Abs. 2 und 3 dt. HGB zugunsten einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften auf andere Gestaltungsrechte aufgegeben hat. 228 Das Ergebnis der deutschen Lehre zu § 129 dt. HGB ist dementsprechend dem klaren Wortlaut des Art. 35 § 1 HGG gleichzustellen. Neben der Aufrechnung (Art. 498 § 1 ZGB) und der Anfechtung (Art. 84 ff. ZGB) ist auch an vertragliche (Art. 395 § 1 ZGB) und gesetzliche (z. B. Art. 560 § 1 ZGB) Rücktrittsrechte der Gesellschaft zu denken. 229 Dogmatisch interessant und praktisch relevant ist die Rechtslage bei den gesetzlichen (Art. 505 ZGB) sowie vertraglichen Aufrechnungsverboten. In der deutschen Lehre ist umstritten, ob dem Gesellschafter die Aufrechnungseinrede der Gesellschaft auch dann zusteht, wenn nur die Gesellschaft aufrechnen kann, aber nicht der Gläubiger. 230 Ein denkbares Argument gegen die Einräumung der Einrede, sobald der Gesellschaftsgläubiger einem Aufrechnungsverbot unterliegt (z. B. wenn er aus einem Delikt schuldet), ergibt sich aus der Gefahr, dass der Gläubiger angesichts der aufschiebenden Wirkung der Einrede wehrlos bleiben könnte, bis die OHG sich zur Aufrechnung entschließt. 231 Im Lichte des Art. 35 § 2 HGG verliert dieses Argument allerdings an Relevanz, da der Gesellschafter subsidiär auch das Gestaltungsrecht der Gesellschaft ausüben kann, so dass der Gesellschaftsgläubiger nicht über einen längeren Zeitraum wehrlos ist. Darüber hinaus wäre es nicht gerechtfertigt, wenn ein Gesellschaftsgläubiger, welcher der Gesellschaft wegen einer unter Art. 505 ZGB fallenden Schuld haftet, gegenüber dem Gesellschafter eine bessere Stellung hätte als ein Gläubiger, der aus einem anderen Grunde etwas schuldet. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass, wenn sich ein Anspruch des Gesellschaftsgläubigers, der unter den Anwendungsbereich des Art. 505 ZGB fällt, gegen die Gesellschaft richtet, dem Gesellschafter eine Aufrechnungseinrede wegen der Gesellschaftsforderungen gegen den Gesellschaftsgläubiger zusteht. 232 Sollte dagegen die Gesellschaft dem Aufrechungsverbot unterliegen, so steht den Gesellschaftern diese Aufrechnungseinrede wegen der Gesellschaftsverbindlichkeit nicht zu. 3. Persönliche Einreden der Gesellschafter

Die persönlichen Einreden der Gesellschafter sind solche, die sich aus einem Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und einem Gesellschafter ergeben (ex 228

Statt vieler A. Hueck, Das Recht, S. 326; Staub / Habersack, § 129 Rn. 21. Beispiele bei Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 133. 230 A. Hueck, Das Recht, S. 324; Schlegelberger / K. Schmidt, § 129 Rn. 22, m.w. N. 231 Schlüter, Einrede, S. 524. 232 Vgl. auch Schlüter, Einrede, S. 522; Bülow, Einrede, S. 199. 229

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iure proprio). Sie werden durch die Entwicklung der Gesellschaftsschuld nicht beeinflusst und können unabhängig davon geltend gemacht werden, ob dieselben Einwendungen der Gesellschaft zustehen, oder ob die Gesellschaft die ihr ursprünglich zustehenden Einwendungen nachträglich verloren hat (z. B. durch Verzicht, Anerkenntnis usw.). 233 Der Gesellschaftsgläubiger kann persönliche Einwendungen nur durch Maßnahmen gegenüber dem Gesellschafter beseitigen. Nach der hier vertretenen Ansicht, dass die Verjährungsunterbrechungshandlungen gegen die Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern wirken, kommt den Gesellschaftern keine Einrede der Verjährung der Gesellschafterschuld zu. 234 Die Gesellschafter können dem Gesellschaftsgläubiger nur die Verjährung der Gesellschaftsschuld als eine abgeleitete Einrede i. S. d. Art. 35 HGG entgegenhalten. Die Geltendmachung persönlicher Einwendungen bewirkt, dass der Bestand bzw. Umfang der Haftung des jeweiligen Gesellschafters von derjenigen der Gesellschaft abweichen kann. Dies ist der Fall, wenn einem Gesellschafter die Haftungsverbindlichkeit durch den Gläubiger (im Außenverhältnis) erlassen oder gestundet wird. Dogmatisch besonders interessant ist die Einrede der Kollusion, die dem Gesellschafter durch die deutsche Rechtsprechung zuerkannt wurde. 235 Demzufolge kann der Gesellschafter einwenden, dass ein der Klage des Gläubigers gegen die Gesellschaft stattgebendes Urteil auf kollusivem Zusammenwirken des Gläubigers mit der Gesellschaft zum Nachteil des Gesellschafters beruhe. In einem solchen Fall beseitigt diese Einrede die Wirkungen des gegen die Gesellschaft gerichteten Urteils, so dass der Gesellschafter, neben seinen persönlichen Einwendungen, auch die Einwendungen der Gesellschaft weiterhin geltend machen kann. 236 Im Prinzip ist dieser Rechtsprechung zuzustimmen, da sie den Schutz der nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter vor einem Missbrauch verwirklicht. Die strenge, akzessorische Gesellschafterhaftung, die im selben Ausmaß für „aktiv“ und „passiv“ an der Gesellschaft beteiligte Gesellschafter gilt, muss auf diesem Wege korrigiert werden. Es folgt aus der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung, dass sich die Gesellschaft als Hauptschuldner nicht auf persönliche Einwendungen der Gesellschafter berufen kann. In dieser Hinsicht ist näher auf die Folgen des Gläubigerverzugs gegenüber der Gesellschaft bzw. einem Gesellschafter einzugehen (Art. 486 233

Vgl. Staub / Habersack, § 129 Rn. 17. Anders, als Folge der Annahme der Unabhängigkeit beider Verjährungen, Staub / Habersack, § 129 Rn. 18. Ausführlich zu dieser Frage vgl. § 2 D. in diesem Kapitel. 235 Vgl. BGH v. 11. 12. 1995 (II ZR 220/94), NJW 1996, S. 658; zust. Staub / Habersack, § 129 Rn. 19. Im der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war der betroffene Gesellschafter lediglich mit 1% am Gesellschaftskapital beteiligt und von der Geschäftsführung ausgeschlossen. 236 Vgl. BGH v. 11. 12. 1995 (II ZR 220/94), NJW 1996, S. 658; Staub / Habersack, § 129 Rn. 19. 234

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§ 1 ZGB). Als Folge der Akzessorietät im Umfang wirkt der Gläubigerverzug gegenüber der Gesellschaft auch für die Gesellschafter. Für die gegenteilige Lage, d. h. den Gläubigerverzug gegenüber einem Gesellschafter, ist anders zu entscheiden. Diejenigen Verfasser, die für die Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter plädieren, müssten laut Art. 374 § 2 ZGB annehmen, dass der Gläubigerverzug gegenüber einem Gesellschafter auch für die Gesellschaft wirkt. Dies ist zu verneinen. Die Gesellschaftsschuld als Hauptrecht hat ihr selbständiges rechtliches Schicksal, unbeeinflusst von der akzessorischen Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter. 237 Es besteht kein Anlass, wider die Akzessorietät, die Einzelwirkung der Tatsachen aus dem Verhältnis des Gesellschafters zum Gesellschaftsgläubiger auf das Verhältnis der Gesellschaft zum Gläubiger zu übertragen. Der Gesellschaftsgläubiger, der in Annahmeverzug gegenüber dem Gesellschafter gerät, braucht nicht dieselben Folgen in seinem Rechtsverhältnis zum Hauptschuldner, der Gesellschaft, gegen sich gelten zu lassen. 238 Art. 374 § 2 ZGB ist somit auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter nicht anwendbar. Die Lage ändert sich jedoch, sollte der Gesellschafter infolge eines Annahmeverzuges den Leistungsgegenstand hinterlegen (Art. 486 § 1 ZGB). Dies folgt aber daraus, dass die Hinterlegung in ihren Rechtsfolgen mit der Erfüllung gleichzustellen ist (Art. 470 ZGB), und der Gesellschafter mit seiner Haftungsverbindlichkeit die Befriedigung des Gläubigers sichert. Die Rechtsfolgen der Hinterlegung durch einen Gesellschafter kommen daher uneingeschränkt auch der Gesellschaft zugute. 239 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass jeder Gesellschafter ausschließlich seine persönlichen Einwendungen dem Gläubiger entgegenhalten kann. Dies folgt daraus, dass die Gesellschafter untereinander „richtige“ Gesamtschuldner sind, so dass die Artt. 366 –376 ZGB auf dieses Rechtsverhältnis anwendbar sind (vgl. Art. 375 § 1 ZGB i.V. m. Art. 22 § 2 HGG). Ebenso wenig kann einem Gesellschafter die Einrede der Aufrechenbarkeit i. S. d. Art. 35 § 1 HGG wegen einer einem anderen Gesellschafter zustehenden Aufrechnungslage analog gewährt werden. Eine solche Lösung wurde in der deutschen Rechtsprechung auf Grund der analogen Anwendung des § 770 Abs. 1 BGB bzw. § 129 Abs. 3 dt. HGB auf die Fälle angewandt, in denen die Verbindung der Gesamtschuldner so eng ist, dass die Berufung durch einen auf die einem anderen zustehende Aufrechnungslage gerechtfertigt erscheint. 240 Ein solches Vorgehen ist im polnischen OHG-Recht unzulässig. Art. 35 HGG stellt eine Ausprägung der Akzessorietät dar, wonach 237

Vgl. Hadding, Zur Rechtsfähigkeit, S. 742. Mit demselben Ergebnis in Bezug auf die Bürgenhaftung, Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 84. 239 Vgl. in Bezug auf die Bürgenhaftung Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 87 f. 240 Vgl. BGH v. 24. 10. 1962 (V ZR 1/61), BGHZ 38, S. 126, in Bezug auf die Erbengemeinschaft; Staudinger / Noack, § 422 Rn. 28. MünchKomm-BGB / P. Bydlinski, § 422 238

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dem Gesellschafter nicht nur eigene, sondern auch die Verteidigungsmittel der Gesellschaft zustehen. Die Übertragung dieser Akzessorietätserwägungen auf das Gesamtschuldverhältnis unter den Gesellschaftern ist nicht begründet. Dies würde zur Vermengung zweier unterschiedlicher Rechtsverhältnisse führen, die streng zu trennen sind. 4. Verzicht des Gesellschafters auf die Einreden

Vorstellbar erscheint ein ursprünglicher oder nachträglicher Vorausverzicht eines Interzedenten gegenüber dem Gläubiger auf das Recht, die Einreden des Hauptschuldners geltend zu machen. Ein solcher Verzicht lässt, wenn er vollständig ist oder sich auf Elemente bezieht, die für den akzessorischen Charakter der Gesellschafterverpflichtung wesentlich sind, auf das Vorliegen eines Garantievertrages schließen, der eine von der Hauptschuld unabhängige Verpflichtung darstellt. 241 Von einer akzessorischen Haftung für eine fremde Schuld unterscheidet sich die Garantie dadurch, dass der Garant für den Eintritt eines erhofften Erfolges, für die Leistung als solche, ob sie geschuldet und erzwingbar sei oder nicht, einstehen will, also auch für den Fall, dass es überhaupt an einer Verpflichtung fehlt oder diese keinen klagbaren Anspruch gewährleisten soll. Die Sicherheit durch die Garantie bezieht sich nicht nur auf die Zahlungsfähigkeit des Dritten, sondern auch auf den Bestand der Forderung und ihre Erzwingbarkeit. 242 Da die Gesellschafterhaftung kraft Gesetzes streng akzessorisch ist, muss man sich die Frage stellen, ob die Gesellschafterhaftung vertraglich so ausgestaltet werden kann, dass die Anlehnung an die Gesellschaftsschuld ausgeschlossen wird. Hier kommt es vor allem auf die Frage an, ob die Geltendmachung der Einwendungen der Gesellschaft durch die Gesellschafter vertraglich ausgeschlossen werden kann. Es ist davon auszugehen, dass die Gesellschafter lediglich berechtigt sind, die Einwendungen der Gesellschaft geltend zu machen. Dabei handelt es sich nur um eine Obliegenheit im eigenen Interesse. Die Gesellschafter können daher in einer Vereinbarung mit dem Gläubiger darauf verzichten, die Einrede der Gesellschaft geltend zu machen. Der Grundsatz der Akzessorietät erlaubt es dagegen nicht, Vereinbarungen zu treffen, wonach die Gesellschafter trotz des Bestehens einer rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Einwendung der Gesellschaft aus Art. 22 § 2 HGG verpflichtet sein sollen. In solchen Fällen wird der Haftung der Gesellschaft eine Grundlage kraft Gesetzes entzogen. Die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung verbietet

Rn. 10, befürwortend nur zugunsten eines zum Zweck der Interzession Beigetretenen, da nur insoweit ausreichende Ähnlichkeit zur Bürgenhaftung besteht. 241 Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 20. 242 Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 20.

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solche Vertragsgestaltung. 243 Solche Vereinbarungen sind stets unwirksam, auch dann, wenn der Gesellschafter an ihr beteiligt ist. Bei persönlichen Einwendungen eines Gesellschafters ist davon auszugehen, dass der Gesellschafter es nicht nur unterlassen kann, die Einwendungen geltend zu machen, sondern sich auch gegenüber dem Gläubiger verpflichten kann, auf die Geltendmachung der Einwendungen zu verzichten. Hier greift das Prinzip der Akzessorietät nicht ein, da durch Verzicht auf eigene Einwendungen die Haftung des Gesellschafters niemals strenger als diejenige der Gesellschaft werden kann. Angesichts dessen bestehen keine speziellen gesellschaftsrechtlichen Gründe, die Zulässigkeit des Verzichts auf eigene Einwendungen zu beschränken. Dagegen können sich solche aus allgemeinen Prinzipien des Zivilrechts ergeben. 244 5. Die Unterlassung der Geltendmachung der Einreden durch den Gesellschafter

Das HGG enthält keine Vorschriften, die unmittelbar auf die Lage anwendbar sein könnten, wenn ein Gesellschafter es unterlässt, die Einwendungen der Gesellschaft dem Gläubiger gegenüber zu erheben und trotz dieser Befugnis die Leistung erbringt. Art. 35 § 1 HGG spricht lediglich davon, dass die Gesellschafter die Einwendungen der Gesellschaft geltend machen können. Möchte man die Frage in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 35 § 1 HGG beantworten, so wäre das Ergebnis höchst unbefriedigend, da der Gesellschaft wegen der Leistung des Gesellschafters infolge der Nicht-Erhebung der Einwendungen im Hinblick auf seine Regressforderung gegen die Gesellschaft Schaden zugefügt wird. Die herrschende schweizerische Lehre, die auf die Frage der den Gesellschaftern zustehenden Einwendungen die Vorschriften des Obligationenrechts über die Bürgschaft analog anwendet, liefert die Antwort durch die analoge Anwendung des Art. 502 Abs. 3 OR, 245 wonach, wenn es der Bürge unterlässt, Einreden des Hauptschuldners geltend zu machen, er seinen Rückgriff insoweit verliert, als er sich durch diese Einreden hätte befreien können. Ergänzend wird auch die Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber seinen Mitgesellschaftern, die allen Gesellschaftern gemeinsam zustehenden Einreden zu erheben, auf die Vorschriften über die Gesamtschuld gestützt (Art. 145 Abs. 2 OR). 246 In der deutschen 243 Vgl. die Argumentation zur Unzulässigkeit des Erlasses der Gesellschaftsschuld beim Vorbehalt der Gesellschafterhaftung. 244 Z. B. wenn der Verzicht auf die Einwendungen sittenwidrig ist, vgl. Art. 58 § 2 ZGB. Zu denken ist auch an die Fälle der Willensmängel. 245 SPR/von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 544; von Wyss, Die Haftung, S. 80 ff.; Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 29 f. 246 von Wyss, Die Haftung, S. 81; Pestalozzi / Wettenschwiler, in: Basler Kommentar, Art. 568 Rn. 2. Nach Art. 145 Abs. 2 OR wird jeder Solidarschuldner den andern gegenüber

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Lehre wird dieses Problem als eine Konsequenz der anzuwendenden gesetzlichen Grundlagen der Rücktrittsforderung des Gesellschafters betrachtet. Wendet man § 774 Abs. 1 BGB analog an, so hat dies eine cessio legis der Gläubigerforderung auf den tilgenden Gesellschafter zur Folge. 247 Wird dann der Regressanspruch des Gesellschafters auf die übergegangene Forderung gestützt, kann die Gesellschaft dem Gesellschafter alle Einwendungen und Einreden entgegenhalten, die ihr gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger zustanden (§§ 404, 412 BGB). 248 Sollte dagegen der Ausgleich im Innenverhältnis erfolgen, muss man die Frage unter Beachtung des § 110 dt. HGB beantworten. Danach kommt es darauf an, ob der Gesellschafter die Leistung an den Gläubiger den Umständen nach für erforderlich halten durfte. 249 Im polnischen Recht ist diese Frage im Zusammenhang mit der Rücktrittsforderung des Gesellschafters zu beantworten. Es wurde früher daraufhin hingedeutet, dass eine gesetzliche Subrogation des leistenden Gesellschafters in die Rechte des Gesellschaftsgläubigers stattfindet (Art. 518 § 1 Nr. 1 ZGB). Der gesetzliche Übergang der Gläubigerforderung auf den Gesellschafter ist im Allgemeinen nachfolgend zu erörtern, hier muss nur auf die mit dem Übergang der Einwendungen verbundenen Fragen eingegangen werden. Im Hinblick darauf, dass die Vorschriften über den rechtsgeschäftlichen Forderungsübergang auf eine cessio legis anzuwenden sind, ist die Gesellschaft als Schuldner im Rückgriffsverhältnis befugt, dem Gesellschafter gegenüber alle Einwendungen geltend zu machen, die sie zu dem Zeitpunkt gegen den Gesellschaftsgläubiger besaß, an dem sie von der Gesellschafterleistung Kenntnis erlangt hat (Art. 513 § 1 ZGB). Die Gesellschaft kann dann dem Gesellschafter alle Einwendungen entgegensetzen, die er dem Gesellschaftsgläubiger gegenüber nicht erhoben hat. Insofern ist es richtig, von einer Obliegenheit der Gesellschafter, alle der Gesellschaft zustehenden Einwendungen gegenüber dem Gläubiger geltend zu machen, zu sprechen. VI. Regressverhältnisse in der OHG 1. Einleitung

a) Allgemeines Die Frage nach den Regressverhältnissen zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter in der OHG stellt sich nicht, wenn die Gesellschaft selber die Geverantwortlich, wenn er diejenigen Einreden nicht geltend macht, die allen gemeinsam zustehen. 247 Vor allem Staub / Habersack, § 128 Rn. 43; im Prinzip auch Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 31. 248 Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 32; Staub / Habersack, § 128 Rn. 44. 249 Schlegelberger / K. Schmidt, § 110 Rn. 19.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

sellschaftsverbindlichkeit tilgt. Es entsteht kein Regressanspruch, da der Gesellschafterverbindlichkeit wegen ihres Sicherungscharakters die Grundlage entzogen wird (Akzessorietät im Bestand, siehe oben). Die akzessorische Haftungsverbindlichkeit kann in diesem Fall nicht mehr bestehen, denn der Gläubiger wurde bereits befriedigt. Damit darf man aber nicht sagen, dass der Hauptschuldner (die Gesellschaft) mit seiner Leistung die Schuld des akzessorischen Mitschuldners erfüllt. Anders sieht die Lage aus, wenn ein Gesellschafter die Gesellschaftsverbindlichkeit tilgt. Der Gesellschafter leistet auf seine eigene Verbindlichkeit und gleichzeitig wird auch der Hauptschuldner (die Gesellschaft) dem Gesellschaftsgläubiger gegenüber frei. Die Sicherung der Gesellschaft durch die Gesellschafter als Nebenschuldner soll den Kredit der Gesellschaft verstärken, aber nicht dazu dienen, die Gesellschaft, deren Zahlungsfähigkeit garantiert wird, von der Schuldtragung zu entlasten. Aus diesem Grund hat im Endeffekt die Gesellschaft selber die Schuld zu tragen. 250 Demzufolge, ähnlich wie bei sonstigen Interzedenten, muss der an Stelle der Gesellschaft leistende Gesellschafter einen Rückgriffsanspruch gegen die Gesellschaft erlangen. Abgesehen vom Rechtsverhältnis zur Gesellschaft stehen dem leistenden Gesellschafter auch die Mitgesellschafter zur Seite, was die Regressfrage in diesem Verhältnis aktualisiert. Im Folgenden werden die Grundlagen und das Ausmaß des Regresses des leistenden Gesellschafters untersucht. Der rechtsvergleichende Überblick soll zur Analyse des polnischen Rechts anregen. b) Rechtsvergleichende Bemerkungen In der Lehre hier analysierter, ausländischer Rechtsordnungen unterliegt es keinem Zweifel, dass dem leistenden Gesellschafter eine Rückgriffforderung gegen die Gesellschaft zusteht. Interessant ist aber die Diskussion über die potenziellen 250 In der Geschichte kann man legislative Versuche finden, den Rückgriffanspruch des Gesellschafters im Gesetz expressis verbis zu verankern, vgl. Art. 213 des Entwurfs eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg, (Ausgabe: Stuttgart 1839) oder § 80 des Entwurfs einer Handels- und Wechsel-Ordnung für das Herzogtum Nassau (Ausgabe: Wiesbaden 1842), der lautete: „Jeder Gesellschafter haftet – vorbehaltlich eines Rückgriffs an die Gesellschaft – solidarisch für die Verpflichtungen der Gesellschaft (...)“. Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg sah in Art. 210 auch vor, dass: „die Auslagen, welche ein Gesellschafter bei Ausrichtung der Gesellschaftsangelegenheiten macht; die Verbindlichkeiten, welche er hierbei übernimmt (...), müssen jedem Gesellschafter von der Gesellschaft vergütet werden“. Während der Beratungen zum ADHGB aus 1861 hat man die Möglichkeit überlegt, in Art. 111 (heute § 128 dt. HGB) die Formulierung „vorbehaltlich des Regreßes gegen die übrigen Gesellschafter“ aufzunehmen. Darauf wurde jedoch unter dem Hinweis darauf verzichtet, dass es sich im Art. 111 (§ 128 dt. HGB) lediglich um das Verhältnis der Gesellschafter gegen Dritte handele, deswegen sei es nicht der richtige Ort dafür. Darüber hinaus kam es den Referenten als eine Selbstverständlichkeit vor, welche sich aus den allgemeinen Regeln ergibt, vgl. von Lutz, Protokolle, 3. T., S. 1002.

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Anspruchsgrundlagen, die sich lehrreich für die Überlegungen zu dieser Frage im polnischen Recht erweist. In der Schweiz ist die herrschende Meinung, dass das Regressrecht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft seine Grundlage in den allgemeinen Bestimmungen über die Solidarität (Art. 148 OR) hat. 251 Diejenigen Verfasser, die das Verhältnis zwischen der Gesellschafts- und Gesellschafterverbindlichkeit als eine akzessorische Verbindung bezeichnen, sprechen lediglich von einer besonderen gesellschaftsrechtlichen Regelung der Regressrechte nach den allgemeinen Bestimmungen über die Solidarität. Ungeachtet der terminologischen Differenzen ist unbestritten, dass dem Gesellschafter ein Rückgriffsanspruch in voller Höhe gegen die Gesellschaft zusteht. 252 Neben der Gesellschaft kann der leistende Gesellschafter auch die Mitgesellschafter in Anspruch nehmen, die gegenüber dem leistenden Gesellschafter im gesetzlichen Regelfall quotenmäßig (nach Kopfanteilen) und nicht als Gesamtschuldner haften (Art. 148 253 i.V. m. Art. 533 Abs. 1 254 OR). 255 Eine cessio legis der Gläubigerforderung auf den leistenden Gesellschafter findet auf Grund von Art. 149 Abs. 1 OR 256 statt. Die französische Lehre, die mehrheitlich die Gesellschafter als „gesamtschuldnerische Bürgen“ der Gesellschaft behandelt, bringt vor allem den Umstand zum Ausdruck, dass eine Subrogation des leistenden Gesellschafters in die Rechtsstellung der Gesellschaft stattfindet, weil der Gesellschafter gemäß Art. 1251 Pkt. 3 Cciv. für eine fremde Schuld einsteht (sog. recours subrogatoire). 257 Art. 1251 Pkt. 3 Cciv. stellt eine allgemeine Grundlage der cessio legis bei den Interzessionsund Mitschuldnerschaftsfällen dar. 258 Demzufolge kann der Gesellschafter die Rückzahlung des Geleisteten von der Gesellschaft verlangen. Seine Regressansprüche gegen die Mitgesellschafter beurteilen sich nach den Vorschriften über die Gesamtschuld (Art. 1214 Cciv.), nach denen er von jedem Mitgesellschafter einen gemäß dem Innenverhältnis auf ihn entfallenden Teil verlangen kann (sog. re251

Vonzun, Rechtsnatur, S. 262. Hartmann, in: Kommentar, Art. 543 Rn. 4; SPR / von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 542 f. 253 Gleichmäßige Beteiligung der Gesamtschuldner an der Schuldentragung im Innenverhältnis. 254 Gleichmäßige Beteiligung der Gesellschafter am Verlust. 255 Vgl. Urteil des schweizerischen BG v. 05. 04. 1977, BGE 103 II, S. 137, „Dritten gegenüber solidarisch haftende Gesellschafter haften als Mitschuldner gegenüber dem Solidarschuldner, der mehr als seinen Teil bezahlt hat, nicht solidarisch“. 256 Art. 149 Abs. 1 OR: „Auf den rückgriffsberechtigten Solidarschuldner gehen in demselben Maße, als er den Gläubiger befriedigt hat, dessen Rechte über“. 257 Dereu, Sociétés en nom collectif. Responsabilité des associés, in: Juris Classeur Commercial, Fasc. 57 – 10, S. 19; auch Escarra, Manuel, S. 274; Mestre, La subrogation personelle, Paris 1979, S. 266. 258 Mestre, La subrogation, S. 266; F. Derrida, Nom collectif, S. 28. 252

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cours personnel). 259 Darüber hinaus subrogiert der leistende Gesellschafter als Gesamtschuldner im Verhältnis zu anderen Mitgesellschaftern in die Rechte des Gläubigers, so dass er auch auf Grundlage der cessio legis die Rückerstattung von den Mitgesellschaftern verlangen kann (Anspruchskonkurrenz). 260 Es zeigt sich somit, dass beide Rechtsordnungen die Rückabwicklung auf die allgemeinen Rechtsgrundlagen des Schuldrechts stützen. Ferner erfolgt die Abwicklung nur im Außenverhältnis, nicht im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis. In der deutschen Lehre wird unbestritten davon ausgegangen, dass § 110 dt. HGB eine Grundlage für den Ausgleich zwischen der Gesellschaft und dem leistenden Gesellschafter bietet. 261 Dieser Anspruch ergibt sich aus der Mitgliedschaft in der Gesellschaft und entspricht systematisch Aufwendungsersatzansprüchen bei anderen Instituten (z. B. beim Auftragsbürgen). 262 Darüber hinaus ist aber umstritten, ob der Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft im Wege der cessio legis auf den Gesellschafter übergeht. § 426 Abs. 2 BGB wird als Grundlage einer cessio legis von vielen mit der Begründung abgelehnt, dass die Gesamtschuldregeln nicht auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaftsschuld und der akzessorischen Gesellschafterhaftung passen. 263 Es wird dagegen vertreten, dass statt § 426 Abs. 2 BGB § 774 Abs. 1 BGB auf den Regress des Gesellschafters analog anzuwenden ist. 264 Man führt aus, dass nur die Annahme einer cessio legis das Schicksal der Gesellschaftsschuld nach erfolgter Leistung zu erklären vermag. Dies folge daraus, dass der Gesellschafter, wie der Bürge, auch auf seine eigene Schuld leistet und diese Leistung die Gesellschaftsschuld nicht zum Erlöschen bringt, die Forderung gegen die Gesellschaft müsse auf den leistenden Gesellschafter übergehen. 265 Für den Ausgleich unter den Gesellschaftern ergibt sich ein Anspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Mitgesellschafter haften nach § 426 Abs. 1 BGB im Regresswege nur pro rata (gesellschaftsvertraglich vereinbarte Verlustbeteiligung) und nicht als Gesamtschuldner. 266 Nicht völlig geklärt ist, ob der leistende Gesellschaf259 Dereu, Sociétés en nom collectif. Responsabilité des associés, in: Juris Classeur Commercial, Fasc. 57 – 10, S. 10; F. Derrida, Nom collectif, S. 27. 260 In Bezug auf die OHG-Gesellschafter vgl. Cass. Com. v. 12. 10. 1976: Bull. civ. IV, n. 258; Guyon, Droit, S. 256. 261 Vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 31; Staub / Habersack, § 128 Rn. 43. 262 Habersack, Der Regreß, S. 159. 263 Vgl. Hadding, Rückgriff, S. 75; Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 31; zust. Staub / Habersack, § 128 Rn. 43. 264 Vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 31; ausführlich Habersack, Der Regreß, S. 161 f.; zust. Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 111. 265 Habersack, Der Regreß, S. 161 f. 266 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1437.

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ter seinen Regress auch gegenüber Mitgesellschaftern auf die cessio legis stützen kann. Nach einer Ansicht ergeben sich cessio legis die gegen die Mitgesellschafter gerichteten Ansprüche des Gläubigers aus §§ 412, 401 BGB. Dies folge daraus, dass, wenn der Gesellschafter bereits die Forderung gegen die Gesellschaft entsprechend § 774 Abs. 1 S. 1 BGB im Wege der cessio legis erwirbt und die Ansprüche gegen die Gesellschafter im Verhältnis zu dieser Forderung akzessorischer Natur sind, also nicht selbstständig abgetreten werden können, jene gem. § 401 BGB als Nebenrechte auf den Erwerber der „Hauptforderung“ übergehen. 267 Zu beachten ist aber, dass die Gläubigerforderungen gegen die Mitgesellschafter nicht in vollem Umfang (dies nur gegen die Gesellschaft), sondern nur entsprechend dem zwischen den Mitbürgen bestehenden Ausgleichsverhältniss auf den leistenden Gesellschafter übergehen. 268 Nach anderer Ansicht ist § 426 Abs. 2 BGB eine Grundlage der Subrogation, deren Umfang sich nach § 426 Abs. 1 BGB bemisst. 269 Im Ergebnis ist nach beiden Ansichten der Umfang des Regressanspruches gleich, nur seine Rechtsgrundlage sowie Nebenwirkungen (typische für die Subrogation) sind anders. Dem Streit kommt daher keine besondere praktische Relevanz zu. 2. Die Rechtslage nach dem HGG

a) Der Anspruch gegenüber der Gesellschaft aa) Die gesetzliche Subrogation Es unterliegt keinem Zweifel, dass der leistende Gesellschafter den Regressanspruch in voller Höhe gegen die Gesellschaft hat. 270 Die herrschende Meinung in der polnischen Lehre nennt aber keine einheitliche Rechtsgrundlage für diesen Anspruch gegen die Gesellschaft. 271 Den allgemeinen Verweisen auf die Vorschriften über die Gesamtschuld könnte man als Anspruchsgrundlage Art. 376 § 1 ZGB entnehmen. Vereinzelt wird nur die Ansicht vertreten, dass der Gläubigeranspruch auf den leistenden Gesellschafter im Wege der cessio legis übergeht. 272 Die Regressrechte aus dem Innenverhältnis in der Gesellschaft werden gar nicht erörtert. Auf den ersten Blick fehlt es an einer dem § 110 dt. HGB vergleichbaren Regelung.

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Habersack, Der Regreß, S. 162. Habersack, Der Regreß, S. 162. 269 Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 111. 270 Kidyba / Kopaczy´nska-Pieczniak, Odpowiedzialno´sc´ , S. 10. 271 Z. B. unklar Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 44 (S. 237); Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 83. Litwi´nska, Kodeks, S. 101, scheint auf Art. 376 ZGB zu verweisen. 272 Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 735. 268

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Es wurde bereits nachgewiesen, dass die Vorschriften des ZGB (Art. 366 ff.) über die Gesamtschuld auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter nicht anwendbar sind. Die Stellung der OHG-Gesellschafter wird hier vor allem mit derjenigen des Bürgen verglichen, mit der sie erhebliche Ähnlichkeiten aufweist. Ein Blick auf die Rechtslage bei der Bürgschaft nach der Schuldentilgung durch den Bürgen mag hilfreich sein. Es ist eigentlich unbestritten, dass der Bürge, sobald er den Gläubiger befriedigt, in dessen Rechte subrogiert (Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB). 273 Im polnischen Schrifttum wird ausgeführt, dass der Bürge seine Verpflichtung ausschließlich im Interesse des Hauptschuldners eingeht, so dass es ungerechtfertigt wäre, wenn er nicht die Erstattung des Geleisteten vom Hauptschuldner verlangen könnte. Der Anspruch aus Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB steht fest, auch wenn noch Meinungsunterschiede bezüglich des Umstandes bestehen, ob der Bürge eine eigene oder eine fremde Verbindlichkeit erfüllt. 274 Die herrschende Meinung bejaht die Anwendbarkeit des Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB auch in Bezug auf andere akzessorische Sicherungsgeber, und zwar den Verpfänder (Art. 315 ZGB) und den Grundstückeigentümer (Art. 73 GbHypG), die nicht zugleich persönliche Schuldner sind. 275 Die Lage des Gesellschafters ist den erwähnten Sicherungsgebern weitgehend vergleichbar und muss auch zur Anwendung des Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB führen. Dieses Ergebnis lässt sich auch ohne erhebliche Schwierigkeiten im Hinblick auf den Wortlaut und systematischen Standort des Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB begründen. Im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB ist das Merkmal „fremde Schuld“ nicht wörtlich zu nehmen. 276 Sowohl der Bürge als auch der OHGGesellschafter leisten auf ihre eigene Verbindlichkeit, die sie entweder rechtsgeschäftlich (Bürge) oder kraft Gesetzes (OHG-Gesellschafter) eingegangen sind. Der Inhalt dieser Verbindlichkeit ist die Sicherung der Erfüllung einer fremden Schuld. Mit der Leistung durch den Bürgen bzw. den Gesellschafter wird zwar der Gläubiger befriedigt, aber seine Forderung nicht endgültig zum Erlöschen gebracht, sondern sie geht auf den Interzedenten über. Dies hat zur Folge, dass die Schuldentragung im Endergebnis dem Hauptschuldner auferlegt wird. Es wird zutreffend betont, dass der Anwendungsbereich des Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB relativ weit ist, und dass die Vorschrift absichtlich sprachlich in dieser Weise verfasst wurde, um zahlreiche Fälle der Interzession zu erfassen. 277 Dafür spricht insbesondere die Tatsache, dass im Unterschied zu ausländischen Rechtsordnungen der polnische Gesetzgeber darauf verzichtet hat, 278 die Subrogation speziell bei 273 Radwa´nski, in: System, Bd. III, 2.T., S. 1068; derselbe, Pore˛czenie, S. 58; Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 31. 274 Vgl. Szpunar, Wsta˛pienie, S. 58. 275 Vgl. Radwa´nski, Zobowia˛zania, S. 291. 276 Anders jedoch Ohanowicz, Wsta˛pienie, S. 231: „eine formell fremde, materiell eigene Verbindlichkeit“. 277 Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 31.

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einzelnen Rechtsinstituten zu regeln, sondern eine allgemeine Anspruchsgrundlage für die Fälle der Interzession geschaffen hat. Die Vorschrift des Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB ist deswegen eine Art Generalklausel. Der leistende Gesellschafter erwirbt den übergangenen Anspruch mit allen seinen materiellrechtlichen und prozessualen Besonderheiten (z. B. Verjährung). Mit der Forderung des Gläubigers gehen auch alle verbundenen Nebenrechte (Pfandrechte und Bürgschaften) auf den Leistenden über. Der Gesellschafter kann auch einen vom Gläubiger gegen die Gesellschaft erlangten Vollstreckungstitel gem. Art. 788 § 1 ZVGB umschreiben lassen und auf dieser Grundlage die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen vornehmen. Die Gesellschaft kann allerdings dem Gesellschafter auf der Grundlage des analog anzuwendenden Art. 513 § 1 ZGB sämtliche Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zum Gläubiger geltend machen. 279 bb) Der Anspruch aus dem Innenverhältnis Möchte man die cessio legis als einzige Rechtsgrundlage des Gesellschafterregresses gegen die Gesellschaft anwenden, so zeigen sich erhebliche Defizite dieser Konzeption. Die Gesellschaft muss berechtigt sein, dem Gesellschafter entgegenzuhalten, dass der Gesellschafter die Leistung an den Gläubiger den Umständen nach nicht für erforderlich halten durfte, etwa weil die Forderung des Gläubigers gegen die Gesellschaft und damit gem. Art. 35 § 1 HGG auch diejenige gegen den Gesellschafter einwendungsbehaftet war oder der Gesellschaft eine Aufrechnungsoder Anfechtungsbefugnis zustand und deshalb der Gesellschafter gem. Art. 35 § 2 HGG die Leistung hätte verweigern können. 280 Zu beachten ist zunächst, dass die Leistung des Gesellschafters an einen Gläubiger eine Aufwendung ist, welche die Gesellschaft zu erstatten hat, soweit der Gesellschafter diese Aufwendung für erforderlich halten darf. 281 Der bereits angesprochene Anspruch aus § 110 dt. HGB entspricht systematisch dem Aufwendungsersatzanspruch des Auftragsbürgen. 282 Kennt das polnische HGG eine dem § 110 dt. HGB entsprechende Vorschrift? Aus den Vorschriften, welche das Innenverhältnis in der Gesellschaft regeln (Artt. 37 –57 HGG), kann man nur 278

Im deutschen Recht bestimmt das BGB in §§ 774 (Bürgschaft), 1143 (Hypothek), 1225 (Pfand), dass der jeweilige akzessorisch Haftende nach der Leistung an den Gläubiger die Hauptforderung erwirbt, vgl. Habersack, Der Regreß, S. 160. 279 Dazu gehört das Recht, mit einer gegen den Gläubiger gerichteten Forderung aufzurechnen und zwischenzeitlich erfolgte Leistung an den Gläubiger einzuwenden, vgl. Gandor, in: System, Bd. III, 1. T., S. 921. 280 Vgl. für deutsches Recht Staub / Habersack, § 128 Rn. 44. 281 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1435. 282 Vgl. Habersack, Der Regreß, S. 159.

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Art. 45 HGG in Erwägung ziehen. Danach beurteilen sich die Rechte und Pflichten eines geschäftsführenden Gesellschafters im Innenverhältnis der Gesellschaft nach den Vorschriften über den Auftrag (Art. 734 ff. ZGB). Aus den Vorschriften über den Auftrag wäre Art. 742 ZGB entsprechend anwendbar, nach dem der Auftraggeber dem Beauftragten Auslagen, die dieser zwecks gehöriger Ausführung des Auftrags gemacht hat, zuzüglich der gesetzlichen Zinsen zu erstatten hat. Die dem Art. 45 HGG zugrunde liegende Unterscheidung zwischen dem geschäftsführenden und dem nicht geschäftsführenden Gesellschafter ist für die Beurteilung des Regressanspruches ohne Relevanz, da die Geschäftsführungsbefugnis aus Sicht des Gläubigers keine Bedeutung hat. Ihm haften alle Gesellschafter im selben Ausmaß, ohne dass es auf das Innenverhältnis ankommt. 283 Eine analoge Anwendung des Art. 45 HGG auf den leistenden Gesellschafter ist gerechtfertigt, damit ihm ein Anspruch auf die Erstattung der im Interesse der Gesellschaft gemachten Aufwendungen zusteht (Art. 742 ZGB i.V. m. Art. 45 HGG analog.). An der Richtigkeit der Zuerkennung dieses Anspruchs zugunsten des Gesellschafters bestehen keine Zweifel. Unter der Anlehnung an das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis ergänzt er den Anspruch aus der cessio legis. Der Lehre zum Bürgschaftsrecht entsprechend kann angenommen werden, dass dem Gesellschafter die Wahl zusteht, auf welche Grundlage er seinen Regress gegen die Gesellschaft stützen möchte. 284 Zu beachten hat er dabei, dass der Aufwendungsersatzanspruch eigenständig verjährt. Deswegen kann er noch geltend gemacht werden, wenn die Gesellschaft gegenüber der im Wege der cessio legis erworbenen Forderung gem. Art. 513 § 1 ZGB die Einrede der Verjährung erhebt. b) Der Regress gegen die Mitgesellschafter aa) Anspruchsgrundlagen Die Regressansprüche des leistenden Gesellschafters gegenüber seinen Mitgesellschaftern sind wegen der fehlenden Abhängigkeit der Nebenverbindlichkeiten von der Hauptverbindlichkeit, die durch mehrere gleichwertige Verbindlichkeiten ersetzt wird, wesentlich anders ausgestaltet als im Verhältnis zur Gesellschaft. Der Regress gegenüber Mitgesellschaftern ist nach der herrschenden Lehre primär auf Art. 376 § 1 ZGB zu stützen. 285 Dies dürfte auch keine Zweifel auslösen, 283 Auch § 110 dt. HGB gilt für alle, auch nicht geschäftsführenden Gesellschafter, vgl. Hopt, in: Baumbach / Hopt, Handelsgesetzbuch, § 110 Rn. 2; A. Hueck, Das Recht, S. 212. 284 Vgl. Szpunar, Odpowiedzialno´sc´ , S. 17: dem leistenden Bürgen steht eine Wahl der Grundlage des Regressanspruches zwischen dem Auftrag, der cessio legis oder einer ungerechtfertigen Bereicherung zu. 285 Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 49 (S. 240); Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 735.

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da die Gesellschafter untereinander Gesamtschuldner sind und somit Art. 376 § 1 ZGB einschlägig ist. Gemäß Art. 376 § 1 ZGB bestimmt das zwischen den Gesellschaftern bestehende Innenverhältnis, ob und wie weit der leistende Gesamtschuldner Ausgleich von anderen verlangen kann. In der OHG kommt die Verlustbeteilung einzelner Gesellschafter als Verteilungsmaßstab für die interne Schuldentragung (pro rata) in Betracht. Nach dieser hat auch der Gesamtschuldregress zu erfolgen. 286 Darüber hinaus drängt sich die Frage auf, ob der Gesellschafter seinen Regress gegen die Mitgesellschafter, ähnlich wie gegen die Gesellschaft, auf die cessio legis stützen kann. Hier ist zwischen zwei denkbaren Ansprüchen zu differenzieren. Zum einen muss geklärt werden, ob der leistende Gesellschafter gegen die Mitgesellschafter auf Grund cessio legis gem. Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB einen Regressanspruch in voller Höhe erwirbt. Auf den ersten Blick mag dies im Lichte des Art. 509 § 2 ZGB gerechtfertigt erscheinen, nach dem alle mit der Forderung verbundenen Rechte (...) auf den Erwerber der Forderung übergehen. Als verbundene Rechte gelten im Sinne dieser Vorschrift vor allem die Bürgschaft, das Pfandrecht sowie die Hypothek. 287 In diesem Zusammenhang müsste auch die Forderung gegen die Gesellschafter als ein zwingendes Nebenrecht im Verhältnis zur Forderung gegen die Gesellschaft als Hauptschuldner betrachtet werden. Die Folgen der Anwendung des Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB im Verhältnis zu den gesamtschuldnerisch verbundenen Mitschuldnern, die alle als Nebenschuldner für eine Verbindlichkeit des Hauptschuldners einstehen, wurden in der Diskussion über die Rechtsnatur der Haftung der Mitbürgen untersucht. 288 Es wurde zutreffend nachgewiesen, 289 dass die Bejahung des Regressanspruchs in voller Höhe zu einem ungerechten Ergebnis in Gestalt einer Regress-Kette 290 in voller Höhe führen würde: Erst der als letzte in Anspruch genommene Gesellschafter wäre auf die Inanspruchnahme des Hauptschuldners (der Gesellschaft) angewiesen. Darüber hinaus gäbe es keine Unterscheidung zwischen der Gesellschaft, die im Endeffekt die Schuld zu tragen hat, und den Gesellschaftern, die nur als Ausfallschuldner in Höhe ihrer Verlustbeteiligung einstehen. Aus diesen Gründen ist der Regressanspruch aus Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB in voller Höhe eindeutig abzulehnen. 286

Vgl. statt vieler K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1437; J. Escarra / E. Escarra / Rault, Traité, S. 277; im polnischen Recht Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 49 (S. 240). 287 Vgl. Radwa´nski, Zobowia˛zania, S. 288: alle Sicherungsrechte gehen über; ähnlich Ciepła, in: Komentarz, Bd. I, S. 489. 288 Vgl. Drozd, Z problematyki, S. 27; Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 65; Szpunar, Odpowiedzialno´sc´ , S. 19. 289 SN im Urteil v. 26. 08. 1969 (II CR 429/69), OSPiKA 1971, Pos. 4, S. 11; Drozd, Z problematyki, S. 27, vgl. auch Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 126. 290 Der regressberechtigte Gesellschafter A würde den Gesellschafter B in Anspruch nehmen, dann der B den Gesellschafter C usw.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

Die obige Erkenntnis schließt dennoch Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB als Anspruchsgrundlage nicht endgültig aus. Zu denken ist an den Anspruch aus der cessio legis aber ausschließlich bezüglich des gemäß Art. 376 § 1 ZGB von den jeweiligen Mitgesellschaftern geschuldeten Teils, also ähnlich wie nach der oben besprochenen Ansicht in der deutschen Lehre. Dieser Ansatz wurde in Bezug auf den Regressanspruch des leistenden Bürgen gegen seine Mitbürgen in der Lehre zum Obligationenrecht vertreten, 291 offensichtlich aber im Laufe der Zeit aufgegeben. 292 Danach könnte der leistende Gesellschafter nicht die ganze Leistung von anderen Mitgesellschaftern verlangen, sondern lediglich den auf sie gemäß des Innenverhältnisses entfallenden Teil. Dieser Konzeption ist nichts vorzuwerfen. Sie zieht die richtigen Folgen aus der cessio legis des leistenden Gesellschafters. Die Stellung der Mitgesellschafter ist keineswegs gefährdet, da das Ausmaß der Ansprüche demjenigen nach Art. 376 § 1 ZGB entspricht. Dies ist auch keine künstliche Übernahme der deutschen Konstruktion des § 426 Abs. 2 BGB, denn sie bezieht sich – als eine allgemeine Vorschrift – auf alle Gesamtschuldverhältnisse, während die Lage bei der OHG und der Mitbürgschaft mit dem System der akzessorischen und abgestuften Haftung mehrerer Schuldner für die Verbindlichkeit eines Hauptschuldners ein wesentlich anderes Rechtsverhältnis darstellt. Deswegen gelangt man auch nicht zu einem der bereits geschilderten Intention des Gesetzgebers entgegenstehenden Ergebnis, nach dem die cessio legis im Rahmen der Gesamtschuld nach dem ZGB ausgeschlossen sein sollte. Gemäß dem Leitbild der Gesamtschuld im ZGB erfüllt ein Gesamtschuldner eine eigene Verbindlichkeit, so dass es tatsächlich für die cessio legis aus Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB keinen Raum gibt. Dem Gesellschafter steht daher ein Wahlrecht zu: Er kann gegen die Mitgesellschafter entweder ausschließlich auf der Grundlage des Innenverhältnisses in der Gesellschaft vorgehen (Art. 376 § 1 ZGB) oder seinen Regressanspruch auf die cessio legis (Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB) in den durch Art. 376 § 1 ZGB zu bestimmenden Grenzen stützen. bb) Sonstige Voraussetzungen In der deutschen Rechtsprechung und Lehre hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass sich der Regress nehmende Gesellschafter zunächst an die Gesellschaft halten muss. Die Mitgesellschafter haften ihm nur subsidiär, d. h. wenn der Gesellschaft frei verfügbare Mittel nicht zur Verfügung stehen, ist eine Vorausvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nicht nötig. 293 291

Vgl. Chlamtacz, Pore˛czenie, in: Encyklopedia, Bd. 3, S. 1632. Skeptisch, aber ohne hinreichende Begründung, Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 126 f. Die übrigen Verfasser erörtern es nicht einmal. 292

§ 2 Gesellschaftsschuld und Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter

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Dieser Ansicht kann auch in Bezug auf das polnische Recht zugestimmt werden, und zwar im Hinblick auf die Regressansprüche aus beiden Rechtsgrundlagen. Aus der Stellung der Gesellschaft als Hauptschuldnerin ergibt sich bereits, dass der Gesellschafter Befriedigung primär aus dem Gesellschaftsvermögen suchen muss. Ist die Gesellschaft vermögenslos, so dass dem Gesellschafter seine Aufwendungen nicht aus ihrem Vermögen zurückerstattet werden können, wäre es nicht gerechtfertigt, dass der leistende Gesellschafter die Schuld im Endergebnis alleine trägt. Die Bezahlung einer Gesellschaftsschuld ist die Konkretisierung eines Risikos aus dem Außenverhältnis, die alle Gesellschafter unterschiedslos zu tragen haben. 294 Es ist wohl Zufall, welcher Gesellschafter diese auf Verlangen des Gläubigers leisten muss. 295 Aus diesem Grund muss jeder Mitgesellschafter den Teil des geleisteten Betrages erstatten, der nach dem Gesellschaftsvertrag seiner Verlustbeteiligung entspricht. Die Gesellschafter bleiben daher auch im Innenverhältnis subsidiäre Schuldner, obwohl die strikte Voraussetzung des Art. 31 § 1 HGG auf die Regressverhältnisse nicht zu übertragen ist. Eine Analogie mit der Außenhaftung der Gesellschafter ist nicht gerechtfertigt und würde eine unangemessene Benachteiligung des Regress suchenden Gesellschafters darstellen. Vielmehr ist der Nachweis genügend, dass der Gesellschafter die Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen nicht erlangen kann. cc) Die Leistung durch den Bürgen eines Gesellschafters Spricht man von den Regressansprüchen eines Gesellschafters gegen seine Mitgesellschafter, muss auch die Lage erörtert werden, wenn eine Gesellschaftsverbindlichkeit durch einen Bürgen geleistet wird, der sich nur für einen Gesellschafter verbürgt hat. 296 Die Bürgenleistung wirkt wie die Leistung des Gesamtschuldners, für den der Bürge einzustehen hatte. Dem Gesellschaftsgläubiger gegenüber werden daher die übrigen Gesellschafter als Gesamtschuldner frei. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass der Bürge in die Rechte des Gläubigers subrogiert und somit auf Grund der cessio legis den Anspruch in voller Höhe seiner Leistung gegen den Gesellschafter erlangt, dessen Verbindlichkeit er erfüllt hat (Art. 518 293

Die h. M., vgl. BGH v. 02. 07. 1962 (II ZR 204/60), BGHZ 37, S. 299 ff.; BGH v. 02. 07. 1979 (II ZR 132/78), NJW 1980, Heft 7, S. 339 f.; Staub / Habersack, § 128 Rn. 49; Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 34. 294 A. Hueck, Das Recht, S. 268, der zutreffend bemerkt, dass „es keinen entscheidenden Unterschied machen kann, ob ein Gesellschafter von einem Gläubiger unmittelbar oder aber von einem Mitgesellschafter im Regreßwege in Anspruch genommen wird“. 295 Vgl. BGH v. 02. 07. 1962 (II ZR 204/60), BGHZ 37, S. 299 ff.; Walter, Der Gesellschafter, S. 81. 296 Der Sachverhalt lag dem Urteil des BGH v. 14. 07. 1966 (VIII ZR 214/83), BGHZ 46, S. 14, zugrunde. Mehr dazu Ehmann, Gesamtschuld, S. 362.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

§ 1 Pkt. 1 ZGB). Interessanter ist die Frage nach der Anspruchsgrundlage gegen die übrigen Mitgesellschafter. Zwischen dem Bürgen und anderen Mitgesellschaftern besteht keine Gesamtschuld, so dass Art. 376 § 1 ZGB ausscheidet. 297 Seine Regressrechte gegen anderen Mitgesellschafter stützen sich nur auf Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB, aber nur in dem Umfang, in welchem der gesicherte Gesellschafter (nach dem Gesellschaftsvertrag von seinen Mitgesellschaftern) Ausgleich hätte verlangen können, hätte er selber dem Gesellschaftsgläubiger die Verbindlichkeit geleistet. Unklar ist auf den ersten Blick auch, ob der Bürge durch irgendwelche Rangordnung der Inanspruchnahme gebunden ist, d. h. ob er primär gegen den Hauptschuldner vorgehen muss oder gleichzeitig oder sogar primär auch die Mitgesellschafter verklagen kann. Die Frage ist unter dem Gesichtspunkt der endgültigen Schuldentragung zu lösen. Da die Mitgesellschafter je nach ihrer Verlustbeteiligung in der jeweiligen Gesellschaft die Schuld zu tragen haben, kann sich der Bürge an die Mitgesellschafter ohne vorherige Inanspruchnahme des Hauptschuldners wenden. 298 Denkbar ist auch, dass sich der Bürge für sämtliche Gesellschafter verbürgt. In einem solchen Fall richtet sich sein Anspruch aus Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB gegen sämtliche Gesellschafter als Gesamtschuldner.

§ 3 Zusammenfassung: Die dogmatische Einordnung des Verhältnisses zwischen der OHG und ihren Gesellschaftern A. Einleitung: Schlussfolgerungen aus der bisherigen Untersuchung Die Untersuchung der Anwendbarkeit der Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit hat gezeigt, dass dieses Verhältnis grundsätzlich nicht dem Leitbild der Gesamtschuld im ZGB entspricht. Es hat sich auch ergeben, dass die Verbindlichkeit der Gesellschafter streng akzessorisch im Verhältnis zu derjenigen der Gesellschaft ist. Die Akzessorietät umfasst den Bestand (Entstehung, Fortbestand, Erlöschen), Umfang und Durchsetzung der Gesellschafterverbindlichkeit. Wohl aus historischen und nicht sachlichen Gründen wurde der Inhalt der Gesellschafterhaftung aus der bisherigen Untersuchung ausgeklammert, er wird nachfolgend gesondert analysiert. 299 Ausnahmen und Durchbrechungen der Akzessorietät treten grundsätzlich nicht auf. Die Stellung der Gesellschafter 297

Auch Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 96. Ähnlich in Bezug auf den leistenden Mitbürgen Szpunar, Odpowiedzialno´sc´ , S. 19. 299 Der Inhalt der Gesellschafterhaftung gehört zu den klassischen Streitfragen des Rechts der Personengesellschaften und wird deswegen gesondert betrachtet. 298

§ 3 Zusammenfassung

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entspricht weitgehend derjenigen des Bürgen, in mancher Hinsicht ist die Akzessorietät noch mehr ausgeprägt, weil das Schutzbedürfnis des Gesellschafters nicht so erheblich ist wie beim Bürgen. Die Gesellschafterhaftung dient allein der Sicherung des Gläubigers; sie hat gegenüber der Verbindlichkeit der Gesellschaft keinen selbstständigen Bestand. Besteht die Hauptforderung (die Verbindlichkeit der Gesellschaft) nicht mehr oder ist sie rechtlich nicht durchsetzbar, so ist ein schutzwürdiges Interesse des Gesellschaftsgläubigers, die Sicherheit in Gestalt der Gesellschafterhaftung in Anspruch zu nehmen, nicht erkennbar. Der Sicherungscharakter der Gesellschafterhaftung wird durch ihre Subsidiarität (Art. 31 HGG) zwar nicht vom Wesen her gekennzeichnet, aber ausdrücklich unterstrichen. Was die Anwendbarkeit der einzelnen Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld (Artt. 366 –376 ZGB) auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaftsschuld und Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit anbelangt, wurde hier nachgewiesen, dass Artt. 371, 372, 373, 374, 375 ZGB nicht anwendbar sind. Die Rolle des Art. 376 § 1 ZGB kann dagegen unterschiedlich verstanden werden. Zum einen kann man behaupten, dass es sich im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern um ein Beispiel des Innenverhältnisses i. S. d. Art. 376 § 1 ZGB handelt, da die gesetzliche Regel dieser Vorschrift nur subsidiär anzuwenden ist. Zum anderen kann vertreten werden, dass für Art. 376 § 1 ZGB überhaupt kein Raum bleibt, weil bereits mit der Ablehnung der Anwendbarkeit der bevorstehenden Vorschriften festgestellt wurde, dass es keine Gesamtschuld im Sinne der vorstehenden Vorschriften ist. Die letzte Interpretationsmöglichkeit erscheint im Hinblick auf die früheren Überlegungen konsequenter. Als Folge dieser Schlussfolgerung entstehen zwei Fragen. Zum einen: Was spricht dafür, das Verhältnis zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit als eine Gesamtschuld zu bezeichnen, obwohl es nicht dem Leitbild der Gesamtschuld im ZGB entspricht? Zum anderen: Was für einen Begriff der Gesamtschuld müsste man konstruieren, um die gesetzliche Aussage des Art. 22 § 2 HGG aufrechtzuerhalten? Um diese Fragen zu beantworten, werden zunächst zwei Lösungsversuche aufgeführt.

B. Lösungsvorschläge I. „Korrigierende“ Auslegung des Begriffes „Gesamtschuld“? 1. Allgemeines

Die Schlussfolgerung, dass es sich, obwohl Art. 22 § 2 HGG eine Aussage über die Gesamtschuld trifft, im Verhältnis der Gesellschafts- und Gesellschafterschulden um eine akzessorische Verbindung handelt, findet ihre Stütze in der Bewertung vergleichbarer Haftungstatbestände. Zu erwähnen sind vor allem zwei Tatbestände, in denen das Gesetz die „gesamtschuldnerische Mithaftung“ eines

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

Dritten neben dem Hauptschuldner mit dem Ziel anordnet, dem Gläubiger eine Personensicherheit zu gewähren. Ein repräsentativer Teil der deutschen Rechtslehre versucht, auf Grund der Gegenüberstellung der Akzessorietät und der Gesamtschuld als zwei sich ausschließende Rechtsinstitute, die gesetzlich genannten Fälle der Gesamtschuld in eine akzessorische Haftung umzuqualifizieren. Obwohl die Materie keinen direkten Bezug zur OHG-Haftung aufweist, ist die Betrachtung nachfolgender Regelungsbeispiele methodisch interessant. 2. Die Haftung der Hauptgesellschaft bei der Eingliederung im Aktienkonzernrecht (§ 322 AktG)

Eine gesetzliche Anordnung der Mitverpflichtung enthält § 322 Abs. 1 AktG. Laut dieser Vorschrift haftet die Hauptgesellschaft für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft, die vor oder während der Eingliederung begründet worden sind, zusammen mit dieser als Gesamtschuldnerin. Es handelt sich um das Institut der Eingliederung nach deutschem Aktienrecht. 300 Obwohl die Rechtspersönlichkeit der eingegliederten Gesellschaft zwar erhalten bleibt, wird diese Gesellschaft aus dem wirtschaftlichen und organisatorischen Gesichtspunkt primär den Interessen der Hauptgesellschaft zugeordnet, so dass sie als eine „rechtlich selbständige Betriebsabteilung“ der Hauptgesellschaft angesehen wird. 301 Um die Interessen der Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft zu schützen, sieht das Gesetz, unter anderem, im § 322 Abs. 1 AktG die Mithaftung der Hauptgesellschaft für die Schulden der eingegliederten Gesellschaft vor. Es muss darauf hingewiesen werden, dass der die gesamtschuldnerische Mithaftung vorsehende § 322 Abs. 1 AktG trotz seines Wortlauts für eine die Akzessorietät begründende Rechtsnorm angesehen wird. 302 Man spricht von der engen Anlehnung an die gesetzliche Regelung vergleichbarer Gesamtschuldverhältnisse, namentlich an §§ 128, 129 dt. HGB. Andererseits wird betont, dass sich die Bedenken gegen eine solche Interpretation aus dem Umstand ergeben, dass § 128 dt. HGB ein Gesamtschuldverhältnis lediglich zwischen den Gesellschaftern untereinander vorsieht, nicht aber ein solches zwischen der OHG und ihren Gesellschaftern begründet. 303 Daher wird die ausdrückliche Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Hauptgesellschaft als ein Irrtum des Gesetzgebers bezeichnet und eine korrigierende Auslegung vorgeschlagen, die Haftung der Hauptgesellschaft, nicht 300 Auf das Wesen der Eingliederung wird hier nicht eingegangen. Vgl. Darstellung bei Habersack, in: Emmerich / Habersack, Aktien-, § 319 Rn. 3ff. 301 Hüffer, Aktiengesetz, § 319 Rn. 2; Habersack, in: Emmerich / Habersack, Aktien-, § 319 Rn. 3. 302 Vgl. insb. Geßler, Die Haftung, S. 260 und Habersack, in: Emmerich / Habersack, Aktien-, § 322 Rn. 3ff. 303 MünchKomm-AktG / Grunewald, § 322 Rn. 5.

§ 3 Zusammenfassung

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anders als die Haftung der OHG-Gesellschafter, als akzessorischer Natur zu verstehen. 304 Dies wird damit begründet, dass, wenn man am missglückten Wortlaut des § 322 Abs. 1 AktG festhalten wollte, dies zur Folge hätte, dass die Regeln über die Gesamtschuld (§§ 421 ff. BGB) die Vorschriften des § 322 Abs. 2 und 3 AktG überlagern. Da diese Vorschriften die Merkmale einer akzessorischen Haftung aufweisen, würde dies zu einer Vermengung von Gesamtschuld- und Akzessorietätselementen führen, die aus systematischen Gründen abzulehnen sei. Darüber hinaus spricht die Rechtslage nach Inanspruchnahme der Hauptgesellschaft eindeutig für den akzessorischen Charakter der Haftung der Hauptgesellschaft. Die Heranziehung der Grundsätze über den Regress des OHG-Gesellschafters führt zum Regress in voller Höhe. Dies ist ein adäquates Ergebnis. 305 Zusätzlich erwirbt die Hauptgesellschaft die Forderung des Gläubigers gegen die eingegliederte Gesellschaft auf dem Wege der cessio legis. Die Lehre von der Gesamtschuld gelangt zum selben Ergebnis, einem vollen Regress. Dies folgt daraus, dass § 322 AktG etwas anderes i. S. d. § 425 BGB bestimmt. 306 Des Weiteren bringen die Abs. 2 und 3 des § 322 AktG ohne Zweifel den akzessorischen Charakter der Haftung der Hauptgesellschaft zum Ausdruck. Die Hauptgesellschaft kann demnach außer persönlichen Einwendungen und Einreden auch solche der eingegliederten Gesellschaft geltend machen sowie von den Anfechtungs- bzw. Aufrechnungslagen zugunsten des Hauptschuldners (eingegliederte Gesellschaft) profitieren. Stellt man Abs. 1 § 322 AktG mit Abs. 2 und 3 dieser Vorschrift gegenüber, sieht man, dass sogar die Anhänger der These, es handele sich um eine Gesamtschuld, sich gezwungen sehen zu erklären, dass es einen gewissen Widerspruch zwischen den Vorschriften gibt. 307 Will man demnach Abs. 2 des § 322 AktG als Spezialregelung der Grundaussage des Abs. 1 verstehen, so erscheint dieses Verständnis als nicht gänzlich kohärent und muss zugunsten des klaren und unzweifelhaften Konzeptes der Akzessorietät zurücktreten. Im Ergebnis muss die eingegliederte Gesellschaft als Hauptschuldnerin gesehen werden, die Hauptgesellschaft dagegen, als gesetzliche Sicherungsgeberin, lediglich als eine akzessorische Mitschuldnerin. 3. Die Spaltungshaftung im Umwandlungsrecht (§ 133 UmwG)

Mit vergleichbaren Haftungsverhältnissen zur Eingliederung im Aktienkonzernrecht sah sich die deutsche Rechtslehre bei der Spaltung eines Rechtsträgers konfrontiert. Das Umwandlungsgesetz v. 1994 ermöglicht einem Rechtsträger, 304 So ausdrücklich Geßler, Die Haftung, S. 260; Habersack, in: Emmerich / Habersack, Aktien-, § 322 Rn. 4 m.w. N. 305 Habersack, in: Emmerich / Habersack, Aktien-, § 322 Rn. 4 m.w. N.; Hüffer, Aktiengesetz, § 322 Rn. 6. 306 Vgl. MünchKomm-AktG / Grunewald, § 322 Rn. 18; vgl. auch Hüffer, Aktiengesetz, § 322 Rn. 6. 307 Repräsentativ MünchKomm-AktG / Grunewald, § 322 Rn. 12.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

sich aufzulösen und sein Vermögen auf andere bestehende oder neu gegründete Rechtsträger zu übertragen (Aufspaltung i. S. d. § 123 Abs. 1 UmwG). Darüber hinaus kann der übertragende Rechtsträger auch fortbestehen und nur einen Teil seines Vermögens abspalten (Abspaltung i. S. d. § 123 Abs. 1 UmwG). Die Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers haben kein Widerspruchsrecht und müssen die Spaltung wie vollzogen hinnehmen. Um den Gläubigern des übertragenden Rechtsträgers einen intensiven Schutz sicherzustellen, wird in § 133 Abs. 1 UmwG angeordnet, dass alle an der Spaltung beteiligten Rechtsträger für die vor der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten als Gesamtschuldner haften, wobei die Haftung den Rechtsträgern, denen die Altverbindlichkeiten im Spaltungsvertrag nicht zugewiesen worden sind, nur auf fünf Jahre begrenzt wird (§ 133 Abs. 3 UmwG). Die deutsche Rechtlehre erscheint in der Auslegung des Begriffes „gesamtschuldnerisch“ in § 133 Abs. 3 UmwG gespalten zu sein. Die herkömmliche Meinung hat in dieser Regelung ein Gesamtschuldverhältnis gesehen mit der Folge, dass die Vorschriften des BGB über die Gesamtschuld zur Anwendung gelangen (§ 421 ff. BGB). 308 Man hat jedoch die Differenzierung vorgenommen, nach welcher der Rechtsträger, dem die Verbindlichkeit im Spaltungsvertrag zugewiesen wurde, als Hauptschuldner all jener Verbindlichkeiten anzusehen ist. Die Rechtsträger, denen die Verbindlichkeit nicht zugewiesen wurde, wurden hingegen als bloße Mithafter bezeichnet, die gesamtschuldnerisch und zeitlich beschränkt haften. 309 Dieser Unterschied zwischen zwei Kategorien von Gesamtschuldnern sollte im Verhältnis zu den Gläubigern keine Bedeutung haben; bedeutsam sei sie nur für das Innenverhältnis der Gesamtschuldner untereinander. Sollte ein „Mithaftender“ von einem Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers in Anspruch genommen worden sein, so hat der leistende Mithaftende einen vollen Regressanspruch gegen den Hauptschuldner aus § 426 Abs. 1 BGB. Zunehmend wird aber die Auffassung vertreten, dass § 133 UmwG dahingehend zu verstehen ist, dass das Haftungsverhältnis der „Mithaftenden“ gegenüber dem Hauptschuldner (oder Primärschuldner) ein solches der Akzessorietät sei. 310 Nach den Maßstäben des Zivilrechts sei demnach der Begriff der „Gesamtschuld“ hier nicht korrekt. Die Rechtsträger, denen die Verbindlichkeit im Spaltungsvertrag nicht zugewiesen wurde, erfüllen in der Tat mit ihrer Haftungsverbindlichkeit lediglich die Funktion gesetzlicher Sicherungsgeber, da die Spaltungshaftung der übrigen Rechtsträger eindeutig Sicherungscharakter hat. Mit dem Grundsatz der Akzessorietät wird dieser Sicherungsfunktion der Spaltungshaftung erheblich besser Rechnung getragen. 311 Darüber hinaus zeigt sich die Akzessorietät in den Regressverhältnissen, 308 309 310 311

Vgl. Hommelhoff, in: Lutter, Umwandlungsgesetz, § 133 Rn. 19. Vgl. statt vieler Hommelhoff, in: Lutter, Umwandlungsgesetz, § 133 Rn. 19 ff. Habersack, Grundfragen, S. 95 ff., zust. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 401. Habersack, Grundfragen, S. 102.

§ 3 Zusammenfassung

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da, wenn der „Hauptschuldner“ vom Gläubiger in Anspruch genommen wird, ihm keinerlei Regressansprüche gegen die Mithaftenden zustehen, weil er der eigentliche Schuldner ist. Tilgt dagegen ein Mithaftender die Verbindlichkeit, so geht auf ihn, auf dem Wege der cessio legis, der gegen den Hauptschuldner gerichtete Anspruch über. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Folge der Akzessorietät die entsprechende Anwendbarkeit des § 129 dt. HGB sei, der dem akzessorischen Mithaftenden erlaubt, die in der Person des Hauptschuldners begründeten Einwendungen und Einreden geltend zu machen sowie von der Anfechtungsbzw. Aufrechnungslage zugunsten des Hauptschuldners zu profitieren. 312 4. Beurteilung

Die oben geschilderten Beispiele zeigen, dass die deutsche Rechtslehre vor weitgehend vergleichbaren Interpretationsproblemen steht wie es der Fall bei Art. 22 § 2 HGG ist. Die Diskussion hierzu scheint noch nicht abgeschlossen zu sein. 313 Es besteht kein Zweifel, dass die oben geschilderten Mitverpflichtungsfälle wesentlich der Konstruktion des Art. 22 § 2 HGG entsprechen. Vom Gesichtspunkt dieser Arbeit aus zeigt die Behandlung des angesprochenen Fragenkreises im deutschen Schrifttum, dass, selbst wenn das Gesetz von der Gleichrangigkeit unterschiedlicher Verbindlichkeiten ausgeht und von einem Gesamtschuldverhältnis spricht, dies nicht unbedingt bedeuten muss, dass solche Aussagen wörtlich genommen werden müssen und für die Betrachtung des Rechtsverhältnisses als eine Gesamtschuld ohne Bedenken plädiert werden muss. Wichtig ist aber vor allem, dass, wenn man diesem Ansatz folgen würde, man Art. 22 § 2 HGG „korrigierend“ auslegen müsste, indem die Gesamtschuld zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft aus dem Wortlaut der Vorschrift eigentlich zu entfernen wäre. II. Einordnung als Sicherungsgesamtschuld? 1. Die Konzeption einer Sicherungsgesamtschuld

Die Lehre über Sicherungsgesamtschulden im deutschen Schrifttum, intensiv ausgebaut von Ehmann, 314 und in der polnischen Lehre wohl ohne Bedenken und tiefere Untersuchung angenommen, betrachtet die Fälle der persönlichen akzessorischen Haftung als Sicherungsgesamtschulden. Sicherungsgesamtschulden liegen danach vor, wenn eine bestehende oder künftige Forderung durch die 312

Habersack, Grundfragen, S. 102. Vgl. die Untersuchung von Schürnbrand, Schuldbeitritt zwischen der Gesamtschuld und Akzessorietät, Berlin 2003, der für die Akzessorietät dieser Haftungstatbestände plädiert. Für die Einordnung des § 133 dt. UmwG als Gesamtschuld Maier-Rainer, in: Semler / Stengel, Umwandlungsgesetz, § 133 Rn. 30 ff. 314 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 322. 313

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

hinzutretende Verpflichtung gesichert werden soll. Die Ausführungen Ehmanns über die Sicherungsgesamtschulden beziehen sich vor allem auf die Bürgschaft, die Gesellschafterhaftung in der OHG ist aber mitgemeint. 315 In der Antwort auf den prinzipiellen Einwand der herrschenden Lehre, dass die Bürgschaft (OHGGesellschafterhaftung mitgemeint) wegen ihrer akzessorischen Natur keine Gesamtschuld ist, gibt Ehmann zwar zu, dass die wesentliche Besonderheit der Bürgschaft in der akzessorischen Natur bestehe. 316 Der Sicherungszweck sei die Voraussetzung für das Zustandekommen und den Fortbestand der Bürgenschuld. Vielmehr bestimme der Sicherungszweck, der in dieser Weise konstitutiv ist und nach außen hervortritt, dass der Gläubiger die vom Hauptschuldner und vom akzessorischen Mitschuldner (Bürge, OHG-Gesellschafter) geschuldete Leistung nur einmal erhalten soll und damit die Voraussetzungen des § 421 BGB erfülle (vgl. auch Art. 366 § 1 ZGB). Diese Ansicht entnimmt dem Sicherungszweck auch die Vermutung, dass der Gläubiger zunächst den Schuldner der gesicherten Forderung in Anspruch nehmen soll. Dies werde vor allem durch die sog. Einrede der Vorausklage gesetzlich bestimmt oder soll sich im Zweifel durch ergänzende Vertragsauslegung ergeben. 317 Zugleich bestimme der Sicherungszweck das Tilgungs- und Regressproblem („etwas anderes“ i. S. d. § 426 BGB, vgl. auch Art. 376 § 1 ZGB), nämlich, dass im Zweifel der Hauptschuldner im Innenverhältnis die Schuld allein zu tragen habe. Das letzte bedeute, dass der Sicherungszweck die Ungleichstufigkeit der Verpflichtungen bestimme, wonach die Hilfsregel des § 426 Abs. 1 BGB nicht anwendbar sei. Die akzessorische Natur der Bürgschaft (auch der OHG-Gesellschafterhaftung) sei im Endergebnis keine den Rahmen der Gesamtschuld sprengende Eigentümlichkeit. Dies folge daraus, dass eine gesamtschuldnerische Verpflichtung auch unter einer Bedingung erfolgen kann, wobei Bedingung auch z. B. die Erreichung des Sicherungszwecks, d. h. der Bestand der anderen Verpflichtung des Gesamtschuldverhältnisses sein kann. 318 Der Sicherungszweck der akzessorischen Verpflichtungen erkläre ihre Abhängigkeit von der (ursprünglichen) Hauptschuld. Nach Ehmann liegt der Wert der Einordnung solcher Rechtsinstitute in der theoretischen Erkenntnis, dass die Vereinbarung (bei der OHG – gesetzliche Anordnung) des Sicherungszwecks in einem Schuldverhältnis dieses Schuldverhältnis mit dem gesicherten Schuldverhältnis zu einem Gesamtschuldverhältnis verbindet, weil es eine der drei möglichen Voraussetzungen dafür ist, „dass mehrere eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken 315 Zugleich als „Beteiligung der Mitglieder einer Gesamthandsgemeinschaft an einer Schuld“ bezeichnet, Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 355, 366. 316 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 334. 317 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 357. 318 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 335, unter Berufung auf Heck, Grundriß, S. 384; Kress, Lehrbuch, S. 261.

§ 3 Zusammenfassung

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verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist“ (§ 421 BGB, Art. 366 ZGB). 2. Beurteilung

Vom Gesichtspunkt des Verhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter aus ist vor allem zu beachten, dass die Lehre über die Sicherungsgesamtschuld bei einigen Spezialfragen zu genau denselben Ergebnissen führt, wie die heute verbreitete und oben dargestellte Akzessorietätslehre. Als Beispiel ist der Erlass der Gesellschaftsschuld zu nennen. Dies folgt daraus, dass das allgemein verbreitete und auch hier angenommene Verständnis von der Akzessorietät durch diese Konzeption nicht tangiert wird. Sie versucht dagegen, die Akzessorietät unter dem Mantel der „Gesamtschuld“ einzupassen, indem akzessorische Rechte in einer Sonderkategorie der Gesamtschulden zusammengefasst werden. Ein Hindernis für eine tiefere Kritik an der Lehre über die Sicherungsgesamtschuld stellt ihre Beschränkung auf die Gesamtschuld im BGB dar. Die Regelung der Gesamtschuld im polnischen ZGB ist vergleichsweise umfassender. Ehmanns Konzeption der Gesamtschuld wurde im polnischen Schrifttum angenommen, 319 aber nicht fortentwickelt bzw. an abweichende Gesetzesbestimmungen angepasst. Die Sicherungsgesamtschuld ist in der polnischen Lehre keine dogmatisch hinreichend begründete oder an einzelnen Vorschriften geprüfte Konzeption. Sie ist eher ein Ersatzbegriff, mit dem man ohne grundlegende Überlegung manche gesetzliche Aussagen erklären möchte. Die Bedenken gegen die Annahme der Konzeption der Sicherungsgesamtschuld ergeben sich bereits aus der in der Rechtslehre gesicherten Betrachtung des Verhältnisses zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner. Die herrschende Lehre nimmt zutreffend an, dass die gesetzliche Aussage, der Bürge haftet „wie ein Gesamtschuldner“, nicht mehr als eine Anordnung der primären Bürgenhaftung bedeutet. Die einzelnen Vorschriften über die Gesamtschuld seien auf dieses Verhältnis grundsätzlich nicht anwendbar. Vielmehr werde die Stellung des Bürgen häufig als Gegenteil derjenigen des Gesamtschuldners genannt. Die herrschende Lehre zur Bürgenhaftung im polnischen Recht, die wegen der Nähe zur OHGGesellschafterhaftung häufig als dogmatische Stütze für die Einordnung der Gesellschafterhaftung dient, stellt daher wohl für die Ablehnung dieses Konzeptes ein Argument dar. Bevor man sich für die eine oder andere Ansicht entscheidet, sind jedoch bestimmte Einzelfragen aus Ehmanns Lehre zu überlegen. Abzulehnen ist die Annahme, dass der Gläubiger zunächst den Hauptschuldner der gesicherten Forderung in Anspruch nehmen soll. Bei der Darstellung 319

Vor allem Lewaszkiewicz-Petrykowska, Konstrukcja, S. 64; Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 322.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

der Akzessorietät wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Subsidiarität im Außenverhältnis kein zwingendes Merkmal akzessorischer Rechte ist. Im polnischen Recht wird diese These durch die primäre Bürgenhaftung (Art. 881 ZGB) sowie die primäre Gesellschafterhaftung nach dem HGB aus dem Jahre 1933 (Art. 85 HGB) bestätigt. Wäre es eine Selbstverständlichkeit, hätte das HGG die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung in Art. 31 HGG nicht speziell geregelt. Es steht deswegen fest, dass die akzessorischen Sicherungsrechte kraft Gesetzes sowohl primär als auch subsidiär ausgestaltet werden können, ohne dass es in diesem Bereich ein allgemeines Prinzip gibt. Ehmann ist jedoch zuerkennen, dass die von ihm vorgeschlagene Interpretation des § 426 BGB (betrifft auch Art. 376 § 1 ZGB) stichhaltig ist. Nicht nur das Kriterium der Gleichstufigkeit in der deutschen Lehre ist aus der Angst vor dem umfassenden Regress erwachsen. 320 Die polnische Lehre ist genauso mit einem eindimensionalen Verständnis des Regresses behaftet. So wird meistens vertreten, dass die Tatsache, dass der Bürge einen umfassenden Regress vom Hauptschuldner verlangen kann, die Nichtanwendbarkeit des Art. 376 § 1 ZGB zur Folge hat. In anderen Worten heißt dies, dass der volle Regress die Bürgschaft von einer gesamtschuldnerischen Verpflichtung unterscheidet. 321 Der über Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB erfolgende Regress des Bürgen könnte allerdings mit dem Sinn des 376 § 1 ZGB vereinbart werden, da er als das „Innenverhältnis“ gelten kann. Die Verneinung der Gesamtschuld ist sicherlich nicht ausschließlich in den Regressverhältnissen zu suchen. Möchte man die Konzeption der Sicherungsgesamtschuld auf die Gesellschafterhaftung in der OHG anwenden, muss man sich vergegenwärtigen, dass dies zur Folge hätte, dass ein Rechtsverhältnis als eine Gesamtschuld bezeichnet werden würde, auf das die Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld nicht anwendbar sind. Dies wurde umfassend nachgewiesen. Aus den Vorschriften des ZGB bleibt nur der grundlegende Art. 366 ZGB erhalten. Die Anwendbarkeit des Art. 376 § 1 ZGB ist diskutabel. Darüber hinaus geht durch diese terminologische Bezeichnung der Unterschied zwischen dem Rechtsverhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft einerseits und den Gesellschaftern untereinander andererseits verloren. Gegen die Konzeption von Ehmann könnte man bezüglich der Haftungsverfassung in der OHG auch einwenden, dass solange man die Rechtsbegriffe als Funktionsbegriffe und abbreviative Rechtsfolgenverweisungen betrachten will, sie nicht weiterhilft. 322 Mit dieser Rolle der Rechtsbegriffe kann man die An320

So Ehmann, Gesamtschuld, S. 45. In diesem Sinne bereits der Referent des Obligationenrechts von 1933 Longchamps de Berier, Zobowia˛zania, S. 614; tendenziell dann auch die h. Lit., Drozd, Z problematyki, S. 25; Radwa´nski, Pore˛czenie, S. 95; Szpunar, Uwagi, S. 20; Ohanowicz, Glosa, S. 13. 322 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1422. 321

§ 3 Zusammenfassung

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wendung oder Nichtanwendung bestimmter Rechtsfolgen in einer begrifflichen Aussage zusammenfassen. Da nun ein Verhältnis der Akzessorietät zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter vorliegt, passen Art. 366 ff. ZGB grundsätzlich nicht. In diesem Sinne wäre ein Gesamtschuldverhältnis zwischen der OHG und ihrem Gesellschafter zu verneinen. Im Hinblick auf diesen Einwand gegen Ehmanns Konzeption ist auch an eine andere Verwendung des Gedankens der Sicherungsgesamtschuld hinzuweisen, welcher sich in der modernen Lehre durchsetzt. Man fasst als Sicherungsgesamtschuld nur das Verhältnis der Gesellschafter untereinander auf, das dazu dient, den Kredit der Gesellschaft zu steigern. 323 Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass der Begriff der Sicherungsgesamtschuld als solcher das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern nicht angemessen zu erläutern vermag. III. Eigener Lösungsvorschlag Die Bestimmung des Verhältnisses zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterverbindlichkeit muss unter Beachtung folgender Gesichtspunkte vorgenommen werden. Der Akzessorietätslehre muss in vollem Umfang gefolgt werden, da die Haftung der Gesellschafter streng akzessorisch ist. Zu erläutern bleibt dann das Verhältnis der Akzessorietät zur gesetzlichen Aussage des Art. 22 § 2 HGG über die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter mit der Gesellschaft. Angesichts der grundsätzlichen Unanwendbarkeit der Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld auf das Verhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft in der OHG sowie der Unzulänglichkeiten der Konzeption der Sicherungsgesamtschulden muss ein anderes Verständnis der Gesamtschuld vorgeschlagen werden. Es soll daher eine Unterscheidung zwischen der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit und der gesamtschuldnerischen Haftung vorgenommen werden. 324 Die in der romanischen Doktrin verbreitete Bedeutung der „solidaren Haftung“, lediglich als das Wahlrecht des Gläubigers, gegen einen von mehreren Schuldnern vorzugehen, muss in Erinnerung gerufen werden. 325 Danach beinhaltet der Begriff „gesamtschuldnerische Haftung“ nicht mehr als die Wahlfreiheit des Gläubigers, einen beliebigen Schuldner in Anspruch zu nehmen, wobei sämtliche Mitschuldner auf das Ganze haften (solidum) und die Leistung durch einen Mitschuldner die anderen im Verhältnis zum Gläubiger befreit. Diese in Art. 366 ZGB angeordnete Wirkung der Gesamtschuld ist das Einzige, was aus dem Leitbild der Gesamtschuld im ZGB im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter zu finden ist. Dieses Verständnis der gesamtschuldnerischen Haftung wird auch dem Wortlaut des Art. 22 § 2 HGG gerecht, in dem die Rede davon ist, dass 323 324 325

Francois, Les obligations, S. 166. Vgl. Ansatz von Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1. T., S. 322. Vgl. § 2 B. II. 2. a) in diesem Kapitel.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

„die Gesellschafter mit der Gesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unter Beachtung von Art. 31 HGG gesamtschuldnerisch haften“. Art. 31 HGG muss bei der Präzisierung der gesamtschuldnerischen Haftung beachtet werden, weil er das Wahlrecht des Gesellschaftsgläubigers einschränkt. Dementsprechend bringen Art. 22 § 2 i.V. m. Art. 31 HGG zum Ausdruck, dass die Gesellschafter neben der Gesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, wobei das Wahlrecht des Gläubigers, gegen einen beliebigen Schuldner vorzugehen, an die gesetzlich bestimmte Voraussetzung der Vorauszwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen geknüpft ist. Es gehört zweifelsohne zum Wesen der Solidarität, dass der Gläubiger wahlweise von allen Solidarschuldnern je nur einen Teil oder das Ganze fordern kann und die Leistung eines Mitschuldners die anderen im Verhältnis zum Gläubiger befreit. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, aber gleichzeitig zu ergänzen, dass sich die Gesamtschuld in dieser Primärwirkung des Art. 366 ZGB nicht erschöpft, aber durch die Einzelbestimmungen zu Wechselwirkungen zwischen Verbindlichkeiten einzelner Schuldner vervollständigt wird. Bei dieser Primärwirkung des Art. 366 ZGB enden allerdings die Ähnlichkeiten zwischen der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit und der gesamtschuldnerischen Haftung. Angesichts der Tatsache, dass beiden Rechtsinstituten die Primärwirkung des Art. 366 ZGB gemeinsam ist, aber auch in dieser Wirkung sich die Parallelen erschöpfen, drängt sich die Ähnlichkeit zur französischen Lehre von der primären und sekundären Wirkungen der Solidarität (les effets principaux et secondaires de la solidarité) auf. 326 Dieser Lehre entsprechend, die im Allgemeinen wohl bekannt ist und hier keiner besonderen Darstellung bedarf, sind die Wirkungen der Solidarität in primäre und sekundäre einzuteilen. Zu den primären Wirkungen gehört das Wesen der Solidarität (vgl. Art. 366 ZGB). 327 Die sekundären Wirkungen der Solidarität ergeben sich dagegen nicht direkt aus dem Wesen der Solidarität. 328 Sie beruhen auf dem Prinzip der gegenseitigen Vertretung der Gesamtschuldner gegenüber dem gemein326 Eine umfassende Darstellung und Kritik der Lehre Mestre / Tian, Solidarité passive, in: Juris Classeur, Civil Code, Art. 1197 à 1216, Fasc. 2, S. 2 ff.; vgl. auch H. Mazeaud / L. Mazeaud / J. Mazeaud / Chabas, Leçons, S. 1109 f.; Francois, Les obligations, S. 167 f. 327 Die primären Wirkungen der Solidarität werden mit der Einheit des Leistungsgegenstandes (unité d’objet) und der Vielfalt der Schuldverhältnisse (pluralité de liens obligatoires) – der Gläubiger ist mit jedem Gesamtschuldner mittels eines individuellen Rechtsverhältnisses verbunden, erklärt. Die Einheit des Leistungsgegenstandes hat zur Folge, dass der Gläubiger das Ganze von jedem Gesamtschuldner verlangen kann, sowie dass die Leistung eines Gesamtschuldners alle anderen befreit. Aus der Vielfalt der Schuldverhältnisse ergibt sich, dass unterschiedliche Modalitäten innerhalb Rechtsverhältnissen mit verschiedenen Gesamtschuldnern bestehen. Die Schuldverhältnisse sind einer individuellen Entwicklung fähig (persönliche Einwendungen). 328 Mestre / Tian, Solidarité passive, in: Juris Classeur, Civil Code, Art. 1197 à 1216, Fasc. 2, S. 11.

§ 3 Zusammenfassung

171

samen Gläubiger. Teilweise wurden sie in der Rechtsprechung als Folge dieses Prinzips entwickelt, teilweise sind sie kodifiziert (Artt. 1205 –1207 Cciv). Es handelt sich dabei um Einzelregelungen zur Einzel- oder Gesamtwirkung bestimmter Tatsachen im Verhältnis unter den Gesamtschuldnern, z. B. die Wirkungen der Unterbrechung der Verjährung gegen einen Gesamtschuldner, Wirkungen eines gegen einen Gesamtschuldner ergangenen Urteils oder der Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners. Die sekundären Wirkungen können auch durch Parteiwillen außer Kraft gesetzt werden, ohne dass die Natur der Solidarität beeinträchtigt wird. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass die französische Lehre über die primären und sekundären Solidaritätswirkungen für die polnische Gesamtschuld nur im beschränkten Umfang relevant ist. Wenn aber nur die systematische Aufteilung der Wirkungen der Solidarität unter Berücksichtigung des möglichen Einwands einer juristischen Simplifikation aus der französischen Lehre übernommen wird, ist dies eine Stütze für den Vorschlag, die Schuldnermehrheiten in die zwei Gruppen einzuordnen. Als richtige Gesamtschulden (gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten) sind solche Schuldnermehrheiten zu erachten, auf die die Vorschriften des ZGB (Art. 366 ff.) ohne größere Einschränkungen passen, bei denen also sowohl primäre als auch sekundäre Wirkungen der Solidarität auftreten. Es ist unmöglich, hier einen Überblick über alle möglichen gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten zu geben. Sieht man von den häufigsten Schulfällen der Solidarität ab, ist ein Beispiel einer gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit sogar im Recht der OHG zu finden – das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, das nachfolgend erörtert wird. Ferner ist an das Verhältnis mehrerer Bürgen untereinander zu denken, das in der polnischen Lehre noch vor einiger Zeit kontrovers erschien, 329 jetzt aber ohne Einschränkungen als Gesamtschuld gilt. Dies sind richtige Gesamtschulden, in denen die Verbindlichkeiten mehrerer Schuldner miteinander derart verbunden sind, dass die Wirkungen des Art. 366 ff. ZGB eintreten. Auf solche Schuldnermehrheiten sind auch die Vorschriften des ZGB (Art. 366 ff. ZGB) ausgerichtet. Auch der Blick auf die Materialen zum Obligationenrecht ergibt, dass der historische Gesetzgeber beim Verfassen des Art. 366 ff. ZGB hauptsächlich die „gleichgründigen“ Schuldnermehrheiten im Blick hatte. 330 Von einer gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit streng zu unterscheiden sind die Fälle der gesamtschuldnerischen Haftung. Die vom Gesetz angeordnete gesamtschuldnerische Haftung bzw. die Haftung „als ein Gesamtschuldner“ bedeutet nicht, dass es sich um eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit handelt, wie die Untersuchung zu Art. 22 § 2 HGG ergeben hat. Den Ausführungen zu Art. 22 § 2 HGG zufolge, die mit einem rechtsvergleichenden Blick auf das Bürgschaftsrecht verbunden waren, handelt es sich im Regelfall um eine akzessorische Haf329 330

Vgl. Literaturnachweise bei Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 69. Longchamps de Berier, Begründung, S. 18 ff.

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2. Kap.: Die materiellrechtliche Konstruktion der Gesellschafterhaftung

tungsverbindlichkeit, deren Inhalt die Sicherung eines Gläubigeranspruchs gegen einen Dritten, dem (ursprünglichen) Hauptschuldner, ist. Der primäre bzw. sekundäre Charakter der Haftung ist kein notwendiges Merkmal einer gesamtschuldnerischen Haftung, es kommt auf den Einzelfall und die jeweilige gesetzliche bzw. rechtsgeschäftliche Regelung an. In Betracht kommt nicht nur Art. 881 ZGB, bei dem das Gesetz „von der Haftung als ein Gesamtschuldner“ expressis verbis spricht. Neben dem letzteren und Art. 22 § 2 HGG sind auch zahlreiche Fälle einer akzessorischen und gesamtschuldnerischen Haftung im oben erwähnten Sinne zu unterscheiden. Alleine im HGG kennt das Gesetz mehrere solcher Haftungstatbestände. Zu denken ist beispielsweise an Art. 13 § 1; Art. 33; Art. 198 § 1 S. 2; Art. 525 § 1; Art. 546 § 1; Art. 574. Das ZGB liefert mit Art. 40 § 2; Art. 55 4 (Art. 526 ZGB a.F.) weitere Beispiele. Die hier vorgeschlagene Systematik wird nicht dadurch tangiert, dass es sich in den beiden letzten Fällen um gesetzliche Schuldbeitritte handelt, da dies keinen Einfluss auf den (akzessorischen) Charakter der Haftung hat. In allen genannten Fällen haften ein oder mehrere akzessorische Nebenschuldner für die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nach der Terminologie des Gesetzes „gesamtschuldnerisch“. Nach der oben besprochenen deutschen Akzessorietätslehre wären diese Vorschriften korrigierend auszulegen und die Solidarität zu verneinen. Im polnischen Recht ist es allerdings zutreffender, von einer gesamtschuldnerischen und akzessorischen Haftung zu sprechen. Auf solche Rechtsverhältnisse sind die Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld – bis auf die Primärwirkung des Art. 366 ZGB – nicht anwendbar. Die Unterscheidung zwischen der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit und der gesamtschuldnerischen Haftung ist keine rein begriffliche Unterscheidung. 331 Wie gezeigt, lässt sie sich aus zahlreichen gesetzlichen Aussagen ableiten. Entgegen Łe˛towska sind die Schwierigkeiten mit der Erklärung des Begriffes der Gesamtschuld nicht unbedingt mit dem Fehlen einer Konzeption des Gesetzgebers zu rechtfertigen, ob diese eine Eigenschaft der Verbindlichkeit oder lediglich eine Konstruktion ist, welche sich auf die Haftung mehrerer Subjekte bezieht. Zutreffend ist allerdings, dass die Terminologie des Gesetzes nicht immer für die entsprechende Einstufung jeweiligen Rechtsinstituts wegweisend ist. Erforderlich ist eine Gesamtschau auf das in Betracht kommende Rechtsinstitut und die Prüfung der Anwendbarkeit der Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld. Entscheidend ist vor allem der Umstand, ob ein Hauptschuldner, wenn auch nach außen nicht erkennbar, zu ermitteln ist. Der gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Garant, der mit seiner Haftungsverbindlichkeit hinzutritt, stellt eine persönliche Sicherung für den Gläubiger dar. Seine Haftung ist streng akzessorisch, wie am Beispiel der OHG-Gesellschafter dargelegt wurde.

331

So aber Łe˛towska, in: System, Bd. III, 1.T., S. 322.

§ 3 Zusammenfassung

173

Der angenommenen Systematik steht Art. 369 ZGB, dessen Inhalt häufig missverstanden und dessen normative Bedeutung überschätzt wird, nicht entgegen. Seine Rolle besteht lediglich darin, zu gewährleisten, dass die strengen Folgen des Art. 366 ZGB nicht im Falle jeder Schuldnermehrheit auftreten. Es muss in Erwägung gezogen werden, dass Art. 369 ZGB lediglich eine sprachliche Verfeinerung seines Vorgängers, Art. 11 OR, darstellt, der seinerseits eine Wiederholung des Art. 1202 Abs. 1 Cciv war, wonach die Solidarität nicht vermutet wird. 332 Die Parteien, denen die Folgen der Solidarität auferlegt werden sollen, müssen dem ausdrücklich zustimmen bzw. es muss eine gesetzliche Anordnung vorliegen. 333 Laut der Lehre und Praxis zum Obligationenrecht musste derjenige, der sich auf das Bestehen der Solidarität in einem Schuldverhältnis berief, dies nachweisen. Der Nachweis war aber nur mit einem Verweis auf ein Rechtsgeschäft oder ein Gesetz möglich, da die Solidarität nicht vermutet werden durfte. Dementsprechend wurden die beiden als ausschließliche Quellen der Solidarität empfunden und Art. 369 ZGB mit seinem etwas veränderten Wortlaut hat dieses Verständnis nur umgesetzt. 334 Deswegen dient Art. 369 ZGB sicherlich nicht dazu, wie es ein Teil polnischer Lehre wollte, alle Schuldnermehrheiten, bei denen das Gesetz von der gesamtschuldnerischen Haftung spricht, als eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit zu fassen und die Diskussion über den Begriff der Gesamtschuld zu beenden. Als Fazit ist darauf hinzuweisen, dass sich die hier angenommene Systematik als ein Vorschlag zur Abgrenzung zwischen unterschiedlichen Arten von Schuldnermehrheiten versteht. Als Abgrenzungskriterium gilt die Vereinbarkeit des jeweiligen Schuldverhältnisses mit dem gesetzlichen Leitbild einer Gesamtschuld nach dem ZGB. Dem Verfasser ist klar, dass diese Systematik die komplizierte Problematik der Gesamtschuld mit Sicherheit nicht erschöpfend löst. Die Gesamtschuld im Allgemeinen bleibt im polnischen Recht untersuchungsbedürftig. Dennoch kann man festhalten, dass es gelungen ist, die Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter in eine breite Kategorie mit anderen vergleichbaren Schuldnermehrheiten einzuordnen und die Rechtswirkungen der Schuldnermehrheit unter Berücksichtigung einzelner Aspekte dieses Rechtsverhältnisses zu erläutern.

332

„La solidarité ne se présume point“. H. Mazeaud / L. Mazeaud / J. Mazeaud / Chabas, Leçons, S. 1106; Mestre / Tian, Solidarité passive, in: Juris Classeur, Civil Code, Art. 1197 à 1216, Fasc. 2, S. 3; Francois, Les obligations, S. 164. In diesem Sinne auch F. Zoll, Zobowia˛zania, S. 181: im Zweifelsfall ist eher davon auszugehen, dass eine Verbindlichkeit nicht gesamtschuldnerisch ist, weil das Vermutungsverbot des Art. 11 OR gilt. 334 Masłowski, in: Kodeks, S. 897. 333

Drittes Kapitel

Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG § 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung A. Die Subsidiarität im Allgemeinen I. Bedeutung des Begriffes „Subsidiarität“ in der Privatrechtslehre – Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten „Subsidiarität“, ein in der Privatrechtslehre entwickelter, zusammenfassender Begriff, bedeutet ein „Nacheinander“ hinsichtlich der Geltendmachung von Verpflichtungen durch Regelung ihrer Voraussetzungen. 1 Dieser Begriff wird verwendet, um eine Rangordnung der Inanspruchnahme der Haftung mindestens zweier unterschiedlicher Subjekte, z. B. des Bürgen und des Hauptschuldners oder des Gesellschafters und der Gesellschaft, durch einen gemeinsamen Gläubiger zu beschreiben. So kann ein Gesetz oder ein Vertrag bestimmen, dass ein Gläubiger bei der Geltendmachung einer ihm zustehenden Forderung von mehreren unterschiedlichen Rechtssubjekten eine bestimmte Rangordnung einhalten muss. 2 Der Gegensatz zur Subsidiarität, die primäre Haftung, besteht darin, dass der Gläubiger wirksam jeden der Mitschuldner (sei es Hauptschuldner oder ein Mitverpflichteter) in Anspruch nehmen kann, ohne sich zunächst an einen bestimmten Schuldner (Hauptschuldner) wenden zu müssen. 3 Die Subsidiarität, sobald im oben genannten Sinne verstanden, darf nicht mit der Akzessorietät der Haftung gleichgesetzt werden. Die Ausprägungen der Akzessorietät als einer einseitigen Abhängigkeit eines Nebenrechtes von einem Hauptrecht hinsichtlich ihres Bestandes, Umfangs, Inhalts und Zuständigkeit, wurden in der Konstruktion der Gesellschafterhaftung erläutert. Es wird hier auf das Verhältnis beider Begriffe in Hinblick darauf eingegangen, dass die französische Rechtslehre häufig den Terminus Akzessorietät im Sinne der Subsidiarität verwendet. Es wird behauptet, dass die Gesellschaft ein Hauptschuldner (à titre principal) sei, während die Gesellschafter als akzessorische Mitverpflichtete (à titre accessoire) ausschließlich nach einem erfolglosen 1

Vgl. SPR / von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 538. Vgl. in Bezug auf den Bürgschaftsvertrag Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 63, mit weiteren Ausführungen zur Subsidiarität. 3 Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 62. 2

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

175

Versuch der Inanspruchnahme der Gesellschaft in Anspruch genommen werden können. 4 Mit Blick auf Art. 31 § 1 HGG, in dem die Rede von der „subsidiären Gesellschafterhaftung“ ist, ist die Verwendung des Begriffes Akzessorietät als Synonym der Subsidiarität irreführend und nicht richtig. Eine andere Frage ist, dass manche akzessorischen Rechte subsidiär ausgestaltet sind, wie dies eben in Art. 31 § 1 HGG zum Ausdruck kommt. Ferner muss das Verhältnis der Begriffe Subsidiarität und Solidarität geklärt werden. Es wurde bereits früher darauf hingewiesen, dass in gewissen Zusammenhängen eine solidare Haftung eines Mitschuldners seine primäre, gleichrangige Haftung mit anderen Mitschuldnern bedeutet. 5 In diesem Sinne bedeutet die „Solidarität“ das Gegenteil von der Subsidiarität im Sinne eines „Nacheinanders“ hinsichtlich der Geltendmachung der Verpflichtungen gegenüber zumindest zwei unterschiedlichen Schuldnern (sog. sekundäre Bedeutung der Solidarität). Versteht man die Solidarität in diesem Sinne, so schließen sich Subsidiarität und Solidarität gegenseitig aus. Man kann behaupten, dass diese Bedeutung der Solidarität in Art. 881 ZGB zum Ausdruck kommt, weil – wie bereits dargestellt wurde 6 – die Vorschriften des ZGB über die Solidarität (außer Art. 366 ZGB wegen der Akzessorietät der Bürgenhaftung) nicht zur Anwendung gelangen. Darüber hinaus versteht man unter der Solidarität aber auch die Haftung unterschiedlicher Schuldner für das Ganze gegenüber einem gemeinsamen Gläubiger. Die Verbindlichkeiten dieser solidaren Schuldner können jedoch weitgehend voneinander unabhängig sein, unter anderem auch hinsichtlich der Fälligkeitsvoraussetzungen. 7 Von diesem Gesichtspunkt aus mit Blick auf die Verpflichtung jedes von mehreren Schuldnern, für das Ganze einzustehen, sind Subsidiarität und Solidarität miteinander vereinbar. Der subsidiär haftende Solidarschuldner kann vom gemeinsamen Gläubiger auf das Ganze in Anspruch genommen werden, allerdings unter gewissen Voraussetzungen, z. B. Inverzugsetzung oder Vorausvollstreckung des primär haftenden Solidarschuldners. Die Annahme, dass die Solidarität im eben erwähnten Sinne und die Subsidiarität nach dem polnischen Recht einander nicht ausschließen, kann auf Art. 368 ZGB gestützt werden. 8 Als Beispiele für „die Verpflichtung in anderer Weise“ i. S. d. Art. 368 ZGB werden meistens unterschiedliche Voraussetzungen der Leistung hinsichtlich einzelner Gesamtschuldner genannt. 9 An dieser Stelle kann auf eine allgemeine Vorschrift, 4

Cremieux, Les obligations, Pos. 2552; Gibirila, L’obligation, S. 637. SPR / Scyboz, VII Bd., 2. Hbd., S. 413; Hemard / Terre / Mabilat, Sociétés, S. 223; Escarra, Manuel, S. 272: „Un débiteur subsidiàre ne peut être un codébiteur solidaire“; im deutschen Schrifttum vgl. Bülow, Der Grundsatz, S. 988, wonach eine gleichgründige Gesamtschuld die Subsidiarität ausschließt. 6 Zweites Kapitel § 2 B. IV. 2. 7 Vgl. Tyan, Droit, S. 418. 8 Vgl. auch Ba˛czyk, Odpowiedzialno´sc´ , S. 62, nach dem die gesamtschuldnerische und subsidiäre Haftung nicht gegenüberstellt werden sollen. 5

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

in der der Begriff „der subsidiären Haftung“ verwendet wurde, und zwar auf den Art. 33 1 § 2 ZGB, verwiesen werden. Hier heißt es: „soweit das Gesetz nicht ein anderes vorsieht, haften die Mitglieder einer organisatorischen Einheit, der die Rechtsfähigkeit kraft Gesetzes zusteht, für ihre Verbindlichkeiten subsidiär. Diese Haftung entsteht, sobald diese Einheit zahlungsunfähig wird.“ In dieser Arbeit wurde die Ansicht vertreten, dass die OHG als eine „organisatorische Einheit“ im Sinne des Art. 33 1 § 1 ZGB anzusehen ist. Dies impliziert, dass die Frage nach dem Umfang, in dem die Bestimmung des Art. 33 1 § 2 ZGB für die Auslegung des Art. 31 HGG maßgebend ist, entsteht. Nach der herrschenden Meinung stellen die Vorschriften der Artt. 31 und 22 HGB lex specialis im Verhältnis zum Art. 33 1 § 2 ZGB dar und führen somit zur Unanwendbarkeit des Art. 33 1 § 2 ZGB in Bezug auf die OHG. 10 Dieser Ansicht ist zuzustimmen, weil es keine speziellen Gründe gibt, die für die gegenteilige Lösung sprechen. Der Umstand, dass die Regelung der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung im HGG (unter Berücksichtigung des Art. 778 1 ZVGB) vollständig ist, unterliegt keinem Zweifel. Dies bedeutet, dass es keine Begründung und auch kein Bedürfnis gibt, den Art. 33 1 § 2 ZGB auf die OHG anzuwenden. Die oben genannte Vorschrift findet dagegen Anwendung bei solchen organisatorischen Einheiten, bei denen es an einer speziellen Regelung der Subsidiarität der Mitgliederhaftung fehlt. II. Der subsidiäre und primäre Charakter der Gesellschafterhaftung in einer rechtsvergleichenden und historischen Perspektive 1. Subsidiäre Gesellschafterhaftung

Die Subsidiarität im Sinne eines Nacheinanders der Inanspruchnahme der Gesellschaft als der primären Schuldnerin und der Gesellschafter als subsidiärer Mitschuldner ist in zahlreichen europäischen Rechtsordnungen bekannt. Zu erwähnen sind in erster Linie die in dieser Arbeit häufig untersuchten französischen und schweizerischen Rechtsordnungen. 11 Wie sich zeigen wird, weist die Konstruktion der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem HGG bedeutende Unterschiede gegenüber den Lösungen in den ausländischen Gesetzgebungen auf.

9 I. S. einer Bedingung, einer Frist oder einer vorherigen Inanspruchnahme eines der Gesamtschuldner, vgl. Sychowicz, in: Komentarz, Bd. I, S. 81; zum inhaltsgleichen Art. 10 OR F. Zoll, Zobowia˛zania, S. 182. 10 Vgl. Pazdan, in: Pietrzykowski, Kodeks, 4. Aufl., S. 11; Radwa´nski, Podmioty, S. 11; Gniewek, in: Gniewek (Hrsg.), Kodeks, S. 82. 11 Weiterhin kennen das italienische, spanische, niederländische und belgische Recht die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung, eine Auflistung bei Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 58.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung in der Offenen Handelsgesellschaft wurde im französischen Recht durch die Rechtsprechung entwickelt. Die ursprüngliche Fassung des Code de Commerce sah keine einschlägigen Bestimmungen hierzu vor. Noch zu Ende des 19. Jahrhunderts hat die französische Cour de cassation die Ansicht vertreten, dass die Gesellschafter für Gesellschaftsschulden primär, also gleichrangig, mit der Gesellschaft hafteten. Danach hat der Gerichtshof ein strenges Erfordernis der Vorausklage der Gesellschaft (un jugement de condamnation de la société) angenommen. Das Erfordernis der Vorausklage wurde mit der Zeit in das Erfordernis einer Inverzugsetzung (une mise en demeure) der Gesellschaft umgewandelt. 12 In einigen Urteilen verlangte man die Liquidation der Gesellschaft oder ihren Konkurs als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung aus dem Vermögen eines Gesellschafters. 13 Als theoretische Begründung der Subsidiarität wurde die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft genannt, die voraussetzte, dass das Vermögen des Rechtsträgers als ein primäres Haftungssubstrat diente. 14 Der französischen Rechtsprechung erschien die primäre Haftung der Gesellschafter als eine unnötige Härte. Die Gläubiger sollten sich zuerst an die Gesellschaft halten, mit der sie kontrahiert hatten. Das Gläubigerinteresse sei in genügender Weise gewahrt, wenn die Gesellschafter für Gesellschaftsschulden dann einstehen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder es mit größten Schwierigkeiten verbunden sei, von ihr Zahlungen zu erhalten. 15 Diese in der Rechtsprechung entwickelte Subsidiarität wurde im Zuge der Gesellschaftsrechtsreform 1966 in das Gesetz aufgenommen. Nach dem geltenden Recht muss die OHG in Verzug gesetzt werden, damit die Gesellschafterverbindlichkeit fällig wird (une mise en demeure vaine et préalable, Art. L 221 –1 Ccom). Die Inverzugsetzung erfolgt durch eine außergerichtliche Inanspruchnahme seitens des Gläubigers (acte extrajudiciaire) und wird als vollendet betrachtet, sobald die Gesellschaft innerhalb von acht Tagen die Verbindlichkeit nicht erfüllt oder dem Gläubiger keine Sicherung leistet. 16 Diese achttägige Frist kann durch einen Beschluss des Vorsitzenden des Handelsgerichts verlängert werden. Sobald die erwähnte Frist ohne Leistung seitens der Gesellschaft verstrichen ist, kön12 Zur historischen Entwicklung der französischen Rechtsprechung bezüglich der Subsidiarität vgl. F. Derrida, Nom collectif, S. 27; Dereu, Sociétés en nom collectif. Responsabilité des associés, in: Juris Classeur Commercial, Fasc. 57 –10, S. 2; Escarra, Manuel, S. 273; Lyon-Caen / Renauld / Amiaud, Traité, S. 290 ff. 13 Der Eintritt solcher Ereignisse bedeutete den Untergang des Rechtsträgers, Nachweise bei Escarra, Manuel, S. 273. 14 Statt vieler Chartier, L‘évolution, S. 12; Simonart, La personnalité, S. 435. 15 Lyon-Caen / Renault / Amiaud, Traité, S. 246, 280. 16 Das Gesetz bestimmt nicht, in welcher Form die Inverzugsetzung erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des Court de cassation muss dieser Akt der Inanspruchnahme durch einen Gerichtsvollzieher (huissier de justice) durchgeführt werden, Cass. v. 01. 06. 1993, Bull. Joly 1993, Heft 10, S. 1044, m. Anm. Daigre; Cass. v. 14. 06. 2000, Bull. Joly 2000, Heft 11, S. 1097, m. Anm. Dereu.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

nen die Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten wirksam in Anspruch genommen werden. Sie können den Gesellschaftsgläubiger auf die vorherige Inanspruchnahme der Gesellschaft nicht verweisen. Eine gleichzeitige Klage gegen die Gesellschaft und die Gesellschafter, ohne die Gesellschaft zuvor in Verzug zu setzen, ist unzulässig. 17. Vielmehr bedarf der Gläubiger eines Vollstreckungstitels gegen die Gesellschafter. Auf Grund eines Titels gegen die Gesellschaft kann er nicht in die Privatvermögen der Gesellschafter vollstrecken. 18 Eindeutig strenger ausgestaltet ist die Subsidiarität bei der französischen Gesellschaft bürgerlichen Rechts. 19 Nach Maßgabe des Art. 1858 Cciv sind die Gesellschaftsgläubiger berechtigt, die Gesellschafter wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit erst nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch gegenüber der Gesellschaft (une poursuite vaine et préalable) in Anspruch zu nehmen. 20 Anders als bei der OHG wird die Haftung der Gesellschafter aktualisiert, sobald die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nachgewiesen wird. Die Auslegung des Begriffes „einer erfolglosen Inanspruchnahme“ führte zu Meinungsverschiedenheiten. Eine liberale Auffassung nahm an, dass eine Aufforderung zur Zahlung (un commandement de payer) 21 dieses Erfordernis bereits erfülle. 22 Dieser Ansicht wurde zutreffend vorgeworfen, dass damit das Erfordernis einer erfolglosen Inanspruchnahme einer weniger aufwendigen Inverzugsetzung des Schuldners gleichgestellt werde. 23 Ferner laufe eine solche Interpretation dem Gesetzeswortlaut zuwider und missachte den Unterschied zwischen der OHG und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Eine rigoristische Ansicht ging dagegen davon aus, dass erst die Erlangung eines Vollstreckungstitels (un titre exécutoire) gegen die Gesellschaft dem Erfordernis „einer Inanspruchnahme“ Genüge tue. 24 Die Inanspruchnah17

Vgl. Cass. v. 05. 12. 2001, Droit des Sociétés 2002, Heft 2, S. 26. Julien, Observations, S. 849; Cass. v. 19. 05. 1998; Bull. Joly 1998, Heft 11, S. 1182, m. Anm. Daigre. 19 Dieser Unterschied zwischen der OHG und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird mit dem Hinweis auf den grundlegenden Unterschied zwischen „droit commercial classique“ und „droit civil traditionnel“ begründet. Die rudimentäre Subsidiarität der Gesellschafterhaftung in der OHG sei nichts mehr als eine Ausprägung der Rechtspersönlichkeit der OHG als Handelsgesellschaft mit gesamtschuldnerischer Gesellschafterhaftung. Dagegen ist die Subsidiarität bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der die Gesellschafter als Teilschuldner haften, viel strenger ausgestaltet, vgl. Champaud / Danet, Chroniques, S. 685 f. 20 „Les créanciers ne peuvent poursuivre le paiement des dettes sociales contre un associé qu’après avoir préalablement et vainement poursuivi la personne morale“. 21 I.S.d. Art. 673 Code de procédure civile, wonach ein Gläubiger, der einen Vollstreckungstitel bereits erlangt hat, den Schuldner zur Leistung auffordert unter Androhung der Zwangsvollstreckung. 22 Gibirila, L’obligation, S. 643. 23 Gibirila, L’obligation, S. 641. 24 Gibirila, L’obligation, S. 640. 18

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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me der Gesellschafter sei danach nicht möglich, solange ein Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft oder eine Liquidation der Gesellschaft nicht abgeschlossen wurde, so dass es feststehe, dass der Gläubiger nicht durch die Gesellschaft befriedigt werden könne. Für diese Auslegungsmöglichkeit spreche vor allem der Umstand, dass sie eine größere Konformität mit dem Gesetzeswortlaut aufweise. Allerdings dürfe der Begriff „poursuivre“ mit dem vollstreckungsrechtlichen „exécuter“ nicht gleichgestellt werden. 25 Darüber hinaus hebe dieser Ansatz die Relevanz der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft hervor, indem sie den Zugriff auf die persönliche Gesellschafterhaftung erst dann eröffnet, wenn die Gesellschaft nicht mehr solvent ist. Diese Hervorhebung der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft hat jedoch zum Einwand geführt, dass in Ermangelung klar ausformulierter Voraussetzungen der Geltendmachung der Einrede „der vorherigen Inanspruchnahme“ durch die Gesellschafter diese Interpretation übermäßig auf die Interessen der Gesellschafter ausgerichtet sei. Dadurch werden der Sinn der „unbeschränkten Haftung“ sowie der Gläubigerschutz in Frage gestellt. Eine strenge Auslegung des Erfordernisses einer „Inanspruchnahme“ lasse den Gesellschaftern Zeit, ihre Privatvermögen zu schmälern. 26 Der Grundgedanke, dass der Gesellschaftsgläubiger ein richtiges Verfahren zum Zweck der Befriedigung seines Anspruchs gegenüber der Gesellschaft durchführen muss, soll für die Ausnahmefälle, wenn dies dem Gläubiger unzumutbar wäre oder eine Anspornung zu missbräuchlichen Vermögensverschiebungen durch Gesellschafter darstelle, nicht gelten. 27 Zwischen diesen beiden radikalen Ansichten wird eine vermittelnde Meinung vertreten, wonach der Begriff einer Inanspruchnahme („poursuivre“) mit einer „gerichtlichen Handlung“ („d’agir en justice“) gleichgestellt wird. Demnach wird auch die Erlangung eines Vollstreckungstitels gegen die Gesellschaft verlangt. 28 Die Annahme des Erfordernisses eines Vollstreckungstitels gegen die Gesellschaft erlaubt dem Gesellschaftsgläubiger nicht, gleichzeitig die Gesellschaft und die Gesellschafter zu verklagen. Die Klage gegen die Gesellschaft sollte der Klage gegen die Gesellschafter vorangehen. 29 Im Unterschied zur rigoristischen Auslegung wird die Erfolglosigkeit der Inanspruchnahme der Gesellschaft mit der ersten erfolglosen Vollstreckungshandlung bejaht. Es wird nicht verlangt, dass ein Liquidationsverfahren der Gesellschaft endgültig abgeschlossen wird, sobald ersichtlich ist, dass das Gesellschaftsvermögen für die Gläubigerbefriedigung nicht ausreichend ist. 30 In ähnlicher Weise erlaube die Eröffnung des Konkursverfah25

Charitier, L’évolution, S. 13. Julien, Observations, S. 847. 27 Die Kritik von Gibirila, L’obligation, S. 643. 28 Gibirila, L’obligation, S. 643. Eine Inverzugsetzung (mise en demeure) an sich erfüllt das Erfordernis einer „Inanspruchnahme“. 29 Vgl. Cass. v. 09. 01. 2001, Bull. Joly 2001, Heft 2, S. 365. 30 Gibirila, L’obligation, S. 648; Cass. v. 09. 01. 2001, Bull. Joly 2001, Heft 2, S. 365. 26

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

rens der Gesellschaft den Gesellschaftsgläubigern, direkt gegen die Gesellschafter vorzugehen. 31 Diese vermittelnde Ansicht wird zunehmend in der Rechtsprechung der französischen Cour de cassation vertreten. In den letzten Jahren hat sogar ein Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung stattgefunden, wonach statt auf den Nachweis lediglich auf die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abgestellt wird. Unter dem Einfluss der französischen Gerichtspraxis vom Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch die Gesellschafterhaftung nach dem schweizerischen Obligationenrecht subsidiär ausgestaltet. 32 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung in der Kollektivgesellschaft bedeutet, dass der einzelne Gesellschafter, auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft, erst dann persönlich für Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen werden kann, wenn er selbst in Konkurs geraten oder wenn die Gesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben worden ist (Art. 568 Abs. 3 schweiz. OR). Da die Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft zu den Auflösungsgründen der Gesellschaft gehört, kann „die erfolglose Betreibung“ der Gesellschaft im Art. 568 Abs. 3 schweiz. OR nur die Betreibung auf Pfändung oder Pfandverwertung nach Art. 43 schweiz. SchKG bedeuten. 33 Ferner vertritt die schweizerische Rechtsprechung den Standpunkt, es sei nicht nötig, dass die Gesellschaft gerade für die Forderung erfolglos betrieben worden ist, welche der Gläubiger gegen den Gesellschafter geltend machen will. Durch eine fruchtlose Betreibung für irgendeine Forderung wird die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft dokumentiert. 34 Die Auflösung der Gesellschaft und ihre erfolglose Betreibung lösen die Haftung sämtlicher Gesellschafter aus. Dagegen hat die Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Privatvermögen eines Gesellschafters ausschließlich seine Haftung zur Folge. Der Umstand, dass der in Konkurs gefallene Gesellschafter wegen Gesellschaftsverbindlichkeiten in Anspruch genommen werden kann, hat keine Auswirkung auf die Haftung der übrigen Gesellschafter. 35 Die Gesellschaftsgläubiger können aber ihre Forderungen im Konkurs des insolventen Gesellschafters voll eingeben (Art. 218 Abs. 2 schweiz. SchKG). 2. Primäre Gesellschafterhaftung

Parallel zur Entwicklung der Subsidiarität im französischen und später auch im schweizerischen Recht entstanden Modelle der primären Gesellschafterhaftung. Gemäß dem ADHGB konnte ein Gesellschaftsgläubiger nach seiner Wahl die Gesellschaft oder die Gesellschafter oder auch beide gleichzeitig in Anspruch 31 32 33 34 35

Vgl. Alfandari / Jeantin, Chroniques, S. 248. SPR / von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 540; von Wyss, Die Haftung, S. 33. SPR / von Steiger, Bd. VIII, 1. Hbd., S. 540; Vonzun, Rechtsnatur, S. 260. Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 21. Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 18.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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nehmen (Art. 112). Diese Lösung wurde in § 128 dt. HGB übernommen. Die deutsche sowie österreichische Rechtsprechung sind bis heute in der gesetzlich treuen Ablehnung der subsidiären Haftung und der Befürwortung einer gleichzeitigen Haftung der Gesellschaft und sämtlicher Gesellschafter einig, so dass nie eine Kontroverse darüber entstehen konnte. 36 Etwas anderes gilt ausschließlich für den Fall, dass der Gläubiger selbst Gesellschafter ist; dann obliegt es ihm auf Grund der gegenüber seinen Mitgesellschaftern bestehenden Treuepflicht, vorrangig die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. 37 Diese durch die Rechtsprechung entwickelte Ausnahme beeinträchtigt das Prinzip der primären Haftung nicht. Das polnische HGB von 1933 hat in Art. 85 die primäre Gesellschafterhaftung wohl nach dem deutschen Vorbild übernommen. 38 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung konnte demnach ausschließlich vertraglich erzeugt werden. Die Frage der primären bzw. subsidiären Gesellschafterhaftung wurde in der Literatur oder Rechtsprechung zum HGB nicht vertiefend diskutiert. Allerdings sah man die Nachteile der primären Haftung unter dem Gesichtspunkt der Interessen der passiv beteiligten Gesellschafter, vor allem des Kommanditisten in der KG. 39 Hinter der Entscheidung, die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem HGG einzuführen, stand das Anliegen des Gesetzgebers, das Betreiben von Personenhandelsgesellschaften für die Unternehmer attraktiver zu machen. 40 Die Subsidiarität der Haftung der OHG-Gesellschafter sollte auch diese Rechtsform deutlicher von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterscheiden. 41 3. Folgen aus der Rechtsvergleichung

Die Analyse der ausländischen Lehre und Rechtsprechung hat eine Reihe theoretischer und praktischer Fragen verdeutlicht, die sich als wegweisend für die Auslegung und das Verständnis der polnischen Regelung erweisen können. Erstens zeigt die Entwicklung der französischen Lehre, dass die Auslegung der Vorschriften über die Subsidiarität darauf abzielen muss, einen angemessenen Ausgleich zwischen Gläubiger- und Gesellschafterinteressen zu schaffen. Einerseits soll die Möglichkeit bestehen, dass die Gesellschaftsgläubiger die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft durch den Zugriff auf Privatvermögen der Gesellschafter reibungslos kompensieren können. Andererseits muss in Erwä36 Vgl. Staub / Habersack, § 128 Rn. 26; Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 20; BGH v. 20. 04. 1967 (II ZR 220/65), BGHZ 47, S. 376 ff. 37 Staub / Habersack, § 128 Rn. 26; Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 20; Walter, Der Gesellschafter, S. 85; A. Hueck, Das Recht, S. 320. 38 Płaza, Historia, S. 235. 39 Kidyba, Status, S. 137. 40 Vgl. Begründung, S. 47. 41 Begründung, S. 47.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

gung gezogen werden, dass die Subsidiarität darauf ausgerichtet ist, den Schutz der Gesellschafter vor einer zu frühen Inanspruchnahme für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu garantieren. Zweitens steht es außer Zweifel, dass ein rigoristisches Verständnis des Erfordernisses einer vorherigen Inanspruchnahme der Gesellschaft die Gläubigeraussichten auf die Erfüllung schmälern sowie die Dauer der Geltendmachung der Ansprüche verlängern kann. Infolge der Verzögerung der Inanspruchnahme der Gesellschaft entsteht für die Gesellschafter ein Zeitraum, in dem sie missbräuchliche Vermögensverschiebungen tätigen können.

B. Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem HGG I. Technische Ausgestaltung der Subsidiarität 1. Voraussetzungen der Gesellschafterhaftung

Die folgenden Überlegungen haben die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem HGG zum Gegenstand. Sie zielen darauf ab, die wichtigsten Fragen der subsidiären Gesellschafterhaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nach Art. 31 HGG zu identifizieren und konzentrieren sich insbesondere auf die Auslegung der genannten Vorschrift. Gleichzeitig wird auf die Analyse mehrerer technischer verfahrensrechtlicher Einzelfragen der subsidiären Gesellschafterhaftung verzichtet. 42 Nach Art. 22 § 2 HGG haftet jeder Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt mit seinem ganzen Vermögen und gesamtschuldnerisch mit den übrigen Gesellschaftern sowie der Gesellschaft unter Berücksichtigung von Art. 31 HGG. Art. 31 HGG sieht in § 1 vor, dass ein Gesellschaftsgläubiger die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines Gesellschafters nur dann vornehmen kann, wenn sich die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen als erfolglos erweist. Ferner wird angeordnet, dass die Vorschrift des Art. 31 § 1 HGG der Erhebung einer Klage gegen einen Gesellschafter vor Feststellung der erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft nicht entgegensteht (Art. 31 § 2 HGG). Die subsidiäre Haftung gilt nicht für die vor der Eintragung in das Gerichtsregister entstandenen Verbindlichkeiten (Art. 31 § 3 HGG). Eine vollstreckungsrechtliche Ergänzung des Art. 31 § 1 HGG stellt die Vorschrift des Art. 778 1 ZVGB dar, demzufolge das Gericht einem Vollstreckungstitel gegen die OHG eine Vollstreckungsklausel gegen die Gesellschafter erteilt, wenn sich die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen als erfolglos erweist und auch wenn keine Zweifel bestehen, dass die Zwangsvollstreckung erfolglos 42 Dazu neuerdings Błaszczyk, Pozycja handlowej spółki osobowej w procesie cywilnym, Toru´n 2006; Jakubecki, Zdolno´sc´ , S. 1036 ff.; Witosz, Pr. Sp. 2006, Heft 12, S. 8 ff.; Kozłowski, Pr. Sp. 2007 Heft 4 (1. Teil), S. 33 ff. und 5 (2. Teil), S. 20 ff.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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sein wird. Somit sieht diese Vorschrift die Erstreckung der materiellen Rechtskraft des Urteils gegen die Gesellschaft auch auf die Gesellschafter vor. 43 Möchte man diese gesetzliche Aussage in Einklang mit der Terminologie der Rechtslehre bringen, muss angenommen werden, dass die Subsidiarität ipso iure eintritt. Es handelt sich nicht um etwa eine gesetzliche dilatorische (aufschiebende) Einrede der Vorausvollstreckung (beneficium excussionis personale) wie etwa bei dem Bürgen nach § 769 BGB. 44 Das Vollstreckungsgericht ist daher verpflichtet, das Erfordernis der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung von Amts wegen zu beachten. Art. 31 § 2 HGG stellt sicher, dass der Klage eines Gläubigers gegen einen Gesellschafter im Erkenntnisverfahren stattgegeben wird, solange die Forderung gegen die Gesellschaft fällig ist, und unabhängig davon, ob die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen erfolgreich war, es sei denn, der Gesellschafter macht die ihm zustehenden Einwendungen oder Einreden geltend (vgl. Art. 35 HGG). Die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung hat keine Relevanz für die Entscheidung über die Haftung der OHG-Gesellschafter im Erkenntnisverfahren. Die Tatsache, ob die Zwangsvollstreckung fruchtbar war, wird nicht in einem Prozess gegen die Gesellschafter untersucht, sondern erst im Klauselverfahren. 45 Die Fruchtlosigkeit der Zwangsvollstreckung muss durch den Gläubiger nachgewiesen werden (Art. 786 § 1 S. 1 ZVGB). Die Verschiebung der Subsidiarität auf das Zwangsvollstreckungsverfahren bedeutet, dass die für die Gesellschaft bestimmte Fälligkeitsfrist auch für die Gesellschafter maßgeblich ist. Ihre Modifikationen gegenüber der Gesellschaft wirken sich unmittelbar auf die Gesellschafterschuld aus. Tritt die sofortige Fälligkeit der Leistung der Gesellschaft nach Art. 458 ZGB ein, wirkt sie ebenfalls für die Gesellschafter. Die Einheitlichkeit der Leistungsfrist für die Gesellschaft und die Gesellschafter bedeutet, dass die Veränderungen der Gesellschaftsverbindlichkeit auch die Gesellschafterschuld beeinflussen. Eine Verspätung oder ein Verzug der Gesellschaft wirkt auch für die Gesellschafter. Der Blick auf Art. 8 § 1 i.V. m. Art. 22 § 2 i.V. m. Art. 31 § 1 und 2 HGG ergibt, dass die Gesellschafter wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit verklagt werden können, ohne dass eine Klage gegen die Gesellschaft gleichzeitig oder zunächst erhoben werden muss, d. h. unabhängig von der Klage gegen die Gesellschaft. Es kann von einem Gesellschaftsgläubiger nicht verlangt werden, dass er den Gesellschafter zuvor über die Verspätung der Gesellschaft zu benachrichtigen hat, da diese keine Voraussetzung der Gesellschafterhaftung darstellt. 46 Andererseits 43

Ma˛drzak, Pozycja, S. 419. Vgl. Roth, Die Einrede, S. 222 f., mit Beispielen der Vorschriften, welche die Einreden begründen bzw. eine Wirkung ipso iure vorsehen. 45 Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 124. 44

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

ist es zulässig, die Gesellschaft und die Gesellschafter im selben Prozess zu verklagen. Wenn der Klage gegen die Gesellschaft stattgegeben wird, wird aufgrund des Vollstreckungstitels gegen die Gesellschaft eine Vollstreckungsklausel gegen einen Gesellschafter erteilt, sobald die Erfolglosigkeit der Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nachgewiesen wird. 47 Wird dagegen ausschließlich ein Gesellschafter wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit in einem Gerichtsprozess verurteilt, bedarf es auch des Nachweises einer erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen, damit auf Grund des Urteils gegen den Gesellschafter die Vollstreckungsklausel erteilt wird. Dies bedeutet, dass der Gesellschaftsgläubiger, sobald er die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft mit anderen Mitteln nicht nachweisen kann, die Gesellschaft verklagen und einen vergeblichen Vollstreckungsversuch vornehmen muss. 2. Auslegung des Merkmals „der erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen“

Der Zugriff auf die Privatvermögen der Gesellschafter wird durch die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen bedingt. Diese wird durch das Vollstreckungsgericht festgestellt, wenn ein Gesellschaftsgläubiger den Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen den Gesellschafter stellt (vgl. Art. 31 § 1 HGG i.V. m. Art. 786 § 1 S. 1 ZVGB). Das Gesetz trifft allerdings keine Aussage dazu, mit welchen Kriterien die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung beurteilt werden soll. Die zuvor vorgenommene Untersuchung der französischen und schweizerischen Lehre und Praxis hinsichtlich vergleichbarer Gesetzesregelungen hat eine Reihe von Einzelfragen veranschaulicht, und erlaubt von diesen Erfahrungen zum Zwecke der Auslegung des Art. 31 § 1 HGG Gebrauch zu machen. Die herrschende Meinung im polnischen Schrifttum geht allerdings auf die Rechtsprechung zu Art. 298 § 1 HGB (nun Art. 299 § 1 HGG) zurück, 48 nach dem, wenn sich die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als erfolglos erweist, die Vorstandsmitglieder gesamtschuldnerisch für deren Verbindlichkeiten haften. Mit Rücksicht auf das gleiche Erfordernis „der erfolglosen Zwangsvollstreckung“ gegen den Hauptschuldner als Voraussetzung der Inanspruchnahme der Mitverpflichteten ist dieses Vorgehen begründet, gleichwohl unter folgender Einschränkung: Die Haftung der Vorstandsmitglieder wird nur ausnahmsweise verwirklicht, da ein Katalog der Enthaftungsgründe vorgesehen ist, 46

So in Bezug auf den Bürgen (Art. 881 ZGB) Szpunar, Uwagi, S. 15. Grundlage des Vollstreckungsversuches gegen die Gesellschaft kann aber auch jeder andere vollstreckbare Titel sein, vgl. Art. 777 ZVGB. 48 Die h. Lit.: Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 31 Rn. 3 (S. 282 f.); Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 124; Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 733; Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 60. 47

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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aus dem sich ergibt, dass die Vorstandsmitglieder nur als Folge eigenen Verschuldens haftbar gemacht werden können (vgl. Art. 299 § 2 HGG). Demgegenüber ist die Haftung der OHG-Gesellschafter ein Wesensmerkmal dieser Rechtsform; sie ist von jedem Verschulden des Gesellschafters unabhängig und stellt ein Regelfall dar. Aus diesem Grund ist im Allgemeinen eine weniger restriktive Auslegung des Erfordernisses „der erfolglosen“ Inanspruchnahme in Bezug auf die Haftung der OHG-Gesellschafter geboten als im Falle des Art. 299 HGG. 49 In Anbetracht der durch die polnische Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze zur Haftung der Vorstandsmitglieder zeigt sich, dass diese Ergebnisse mit denen der französischen und schweizerischen Rechtsprechung zur OHG vergleichbar sind. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Zwangsvollstreckung i. S. d. Art. 31 § 2 HGG ein Verfahren nach dem zweiten Buch des Zivilverfahrensgesetzbuches (ZVGB) oder einschlägigen Spezialgesetzen bedeutet. Eigene Handlungen des Gläubigers wie die Mahnung oder Inverzugsetzung der Gesellschaft genügen nach der zutreffenden, auch hier maßgeblichen Auffassung der französischen Rechtsprechung nicht. Ferner kann die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung als Ergebnis einer durch irgendwelche Gläubiger und wegen irgendeiner Verbindlichkeit der Gesellschaft oder durch sonstige davon zeugende Ereignisse nachgewiesen werden. Der betreffende Gläubiger braucht nicht selber die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft einzuleiten, wenn auf Grund bekannter Anhaltspunkte außer Zweifel steht, dass die Zwangsvollstreckung zum jeweiligen Zeitpunkt nicht zum Erfolg führen wird. 50 Überdies ist davon auszugehen, dass die „Erfolglosigkeit“ der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen die Befriedigung der Gläubiger vollständig ausschließen muss. Sobald Aussicht auf eine teilweise Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen besteht, ist das Erfordernis der Vorausvollstreckung anzunehmen. 51 Sonst wäre der Grundgedanke der Subsidiarität in Frage gestellt. Mit der letzten Annahme verbunden ist das Erfordernis, dass sich die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung auf das ganze Gesellschaftsvermögen beziehen muss. 52 Sobald noch die Inanspruchnahme gewisser Vermögensbestandteile Erfolg verspricht, ist von der subsidiären Gesellschafterhaftung auszugehen. Andere Auflösungsgrunde als der des Konkurses der Gesellschaft müssen gesondert erörtert werden (vgl. Art. 58 HGG). Der Eintritt eines Auflösungsgrunds 49

Auch Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 61. In der Schweiz: Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 5; zum polnischen Recht genauso SA Pozna´n v. 16. 06. 1992 (I ACz 183/92), OSA 1993, Heft 4, Pos. 28; ähnlich OSN v. 02. 02. 1954, abgedruckt bei Strze˛pka, Kodeks, Pos. 85. Ähnlich in Bezug auf die Einrede des Bürgen MünchKomm-BGB / Habersack, § 771 Rn. 9. 51 So bezüglich der Einrede der Vorausklage des Bürgen nach BGB MünchKommBGB / Habersack, § 771 Rn. 9; Staudinger / Horn, § 773 Rn. 8. 52 Zutreffend in Bezug auf Art. 298 HGB SA Pozna´n v. 16. 06. 1992 (I ACz 183/92), OSA 1993, Heft 4, Pos. 28, zust. Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 31 Rn. 6 (S. 283). 50

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

für die Gesellschaft hat die Eröffnung eines Liquidationsverfahrens zur Folge, das mit der Auflösung der Gesellschaft aus dem Gerichtsregister abgeschlossen wird (Art. 67 § 1 i.V. m. Art. 84 § 2 HGG). Der Eintritt der Liquidation bewirkt, dass der Zweck der Gesellschaft geändert wird (vgl. Art. 68 HGG). Es handelt sich nicht mehr um die Führung eines Unternehmens (Art. 22 § 1 HGG), dessen Träger die Gesellschaft ist, sondern um die Rückabwicklung aller Rechtsverhältnisse der Gesellschaft. Angesicht des Liquidationszwecks ist daher anzunehmen, dass das Erfordernis der Vorausvollstreckung nicht mehr begründet ist. Die Zulassung dieses Erfordernisses hätte oftmals eine Verzögerung der Liquidation sowie eine Gläubigerbenachteiligung zur Folge. Mit Blick auf die Sicherung der Gläubigerinteressen hat sich die oben erwähnte französische Rechtsprechung diese Auffassung zu Eigen gemacht. Diese Lösung kann man auch dogmatisch mit der traditionellen romanischen Doktrin begründen, wonach die Subsidiarität der Haftung als eine Ausprägung der eigenen Rechtssubjektivität der Gesellschaft gilt. Der Untergang des Rechtssubjekts bewirkt, dass die Wirkung seiner Persönlichkeit in Gestalt der subsidiären Gesellschafterhaftung entfällt. Die erfolglose Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist zwar weder ein gesetzlicher Auflösungsgrund für die Gesellschaft, noch wirkt sie unmittelbar als ein Eröffnungsgrund des Konkursverfahrens. Sie ist aber jedenfalls der Nachweis einer ernsthaften Gefährdung der Gläubigeransprüche der Gesellschaft. Im Regelfall findet dieser Zustand im Vorfeld eines Konkurses der Gesellschaft statt, da ein Eröffnungsgrund des Konkursverfahrens bei einer Personenhandelsgesellschaft auch dann vorliegt, wenn die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Wert ihres Vermögens übersteigen, auch wenn diese Verbindlichkeiten laufend erfüllt werden (Art. 11 Abs. 2 KSR). Sobald die Gesellschaft infolge der Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen aufgelöst wird, ist die Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens gegen die Gesellschaft aus der Konkursmasse unzulässig (Art. 146 Abs. 4 S. 1 KSR). Die Gesellschaftsgläubiger haben dann ihre Forderungen beim Kommissarrichter anzumelden (Art. 236 KSR). Angesichts dieser Regelung ist davon auszugehen, dass die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung entfällt. Die Gesellschaftsgläubiger können die Gesellschafter persönlich in Anspruch nehmen, ohne das Ergebnis der Inanspruchnahme der Gesellschaft abwarten zu müssen. 53 Wird dagegen der Antrag der Gesellschaft auf die Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse abgewiesen (Art. 13 Abs. 1 und 2 KSR), so ist ohne Zweifel anzunehmen, dass die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen zu die53 Auf die Frage, ob die Eröffnung des Konkursverfahrens der Gesellschaft zur Folge hat, dass die Konkursverfahren hinsichtlich der Privatvermögen einzelner Gesellschafter eröffnet werden müssen, kann hier nicht näher eingegangen werden, vgl. dazu KruczalakJankowska, Zdolno´sc´ , S. 33 ff.; Jasiakiewicz, Sytuacja, S. 79 ff.; Zedler, in: Jakubecki / Zedler, Prawo, S. 32.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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sem Zeitpunkt keinen Erfolg hätte. Das Erfordernis der Vorausvollstreckung ist ausgeschlossen. Ähnlich zu entscheiden ist auch dann, wenn das Konkursverfahren eingestellt wird (Art. 361 KSR), es sei denn, der Gesellschafter beweist, dass die Gesellschaft wieder zu Vermögen gekommen ist. Sollte das Konkursverfahren mit einem Vergleich abgeschlossen werden (Art. 267 ff. KSR), ist im Prinzip davon auszugehen, dass das Erfordernis der Vorausvollstreckung wieder auflebt. Den Gesellschaftsgläubigern steht allerdings die Möglichkeit offen, nachzuweisen, dass das Vermögen der Gesellschaft weiterhin keine Möglichkeit der Befriedigung bietet. Dasselbe gilt für den Fall, dass der Konkurseröffnungsbeschluss rechtskräftig aufgehoben wird (Art. 371 KSR). 54 Sollten keine Umstände im Sinne eines Konkursverfahrens oder erfolgloser Vollstreckungsversuche durch andere Gläubiger vorliegen, mit deren Existenz ein Gesellschaftsgläubiger die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nachweisen kann, ist davon auszugehen, dass dem Gesellschaftsgläubiger vor der Inanspruchnahme des Gesellschafters ein vergeblicher Versuch der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen obliegt. 55 Die in diesem Zusammenhang entstehende Frage, ob die Wahl der Art und Weise der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nicht missbräuchlich war, d. h. ob der Gläubiger gezielt eine Weise gewählt hat, von welcher er überzeugt war, dass sie keine Befriedigung seiner Ansprüche garantieren würde, muss nach Maßgabe des Art. 799 § 1 und 2 ZVGB beantwortet werden. Danach obliegt es dem Gläubiger, die dem Schuldner am wenigsten lästige Art und Weise der Zwangsvollstreckung anzuwenden, wenn mehrere möglich sind. Das Erfordernis eines vergeblichen Zwangsvollstreckungsversuchs erscheint angemessen und zielt darauf ab, einen Ausgleich zwischen Gläubiger- und Gesellschafterinteressen zu schaffen. Es stellt die zuvor ausformulierte Voraussetzung, wonach sich die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung auf das ganze Vermögen beziehen muss, nicht in Frage. Mit Blick auf Ausnahmefälle, in denen berechtigte Zweifel entstehen, ob mit einem erfolglosen Vollstreckungsversuch das Fehlen des Gesellschaftsvermögens nachgewiesen wurde, kann vom Gesellschaftsgläubiger verlangt werden, dass er noch weitere Vollstreckungsversuche vornimmt. Die eindeutige Aussage des Art. 31 § 1 HGG lässt keine Zweifel daran, dass die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen die einzige gesetzliche Voraussetzung des Zugriffs auf das Privatvermögen eines Gesellschafters ist. Andere Umstände, wie etwa der Konkurs eines Gesellschafters (vgl. Art. 568 Abs. 3 schweiz. OR) oder sein Ausscheiden aus der Gesellschaft, welche die Befriedigung aus seinem Privatvermögen gefährden könnten, sind in dieser Hinsicht nicht relevant. 54

Vgl. die deutsche Praxis zu § 771 BGB, Staudinger / Horn, § 771 Rn. 8. So die herrschende französische Rechtsprechung, vgl. Gibirila, L’obligation, S. 642; sowie die Lehre zum deutschen Bürgschaftsrecht, MünchKomm-BGB / Habersack, § 771 Rn. 9; Staudinger / Horn, § 771 Rn. 8. 55

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG 3. Die Folgen der erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen

Sobald die Erfolglosigkeit der Vollstreckung aus dem Gesellschaftsvermögen festgestellt wird, kann der Gesellschaftsgläubiger nach seinem Belieben gegen alle, einige oder lediglich einen Gesellschafter im Wege der Zwangsvollstreckung vorgehen (Art. 366 § 1 ZGB i.V. m. Art. 22 § 2 HGG i.V. m. Art. 31 § 1 HGG). Die Beschränkungen hinsichtlich der Möglichkeiten der Inanspruchnahme können sich ausschließlich aus Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern und Gläubigern ergeben. Es besteht keine zeitliche Einschränkung hinsichtlich der Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschafter einzuleiten, nachdem die Vollstreckungsklausel erteilt wurde. An dieser Stelle ist auf die vorstellbare Lage hinzuweisen, dass die Gesellschaft nach der Feststellung der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen und vor der Aufnahme der Zwangsvollstreckung in die Privatvermögen der Gesellschafter durch den Gesellschaftsgläubiger wieder zu Vermögen kommt. Die Frage besteht darin, ob das Wiederaufleben des Erfordernisses der Vorausvollstreckung eine der Funktion des Art. 31 § 1 HGG gerechte Lösung ist. 56 Dafür könnte der Umstand sprechen, dass die faktische Grundlage des Beschlusses über die Erteilung der Vollstreckungsklausel gegen den Gesellschafter entfallen ist. Dem Gesellschafter die Klage gegen Vollstreckungsklausel gemäß Art. 840 § 1 Pkt. 1 ZVGB zuzuerkennen würde bedeuten, dass der Gesellschaftsgläubiger möglicherweise eine wiederholte Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen vornehmen müsste. Es liegt auf der Hand, dass dieses Ergebnis dem Gläubiger unzumutbar ist und eine übermäßige Bevorzugung der Gläubigerinteressen bedeutet. Sollte die Gesellschaft in der Tat wieder zu Vermögen gekommen sein, kann ein durch den Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommener Gesellschafter gegen die Gesellschaft sein Regressrecht ausüben und somit die Schuldentragung vermeiden. Im Endergebnis ist festzuhalten, dass sich der Gesellschafter, welcher nach dem erfolglosen Vollstreckungsversuch gegen die Gesellschaft in Anspruch genommen wurde, nicht darauf berufen kann, dass sich nachträglich die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft verbessert hätten und daher eine wiederholte Zwangsvollstreckung zum Ziel führen würde.

56

Vorsichtig bejahend Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 62. A. A. in Bezug auf das deutsche Bürgschaftsrecht Staudinger / Horn, § 771 Rn. 7.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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II. Modifikation der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung 1. Die Beseitigung oder Milderung der Subsidiarität

a) Rechtsgeschäftlich In der schweizerischen Lehre wird darauf hingewiesen, dass die Subsidiarität im Interesse eines Gesellschaftsgläubigers vor allem dadurch beseitigt werden kann, dass die Gesellschafter gegenüber dem Gläubiger ausdrücklich auf die Subsidiarität verzichten. 57 Weiterhin kann eine Vereinbarung der Gesellschafter mit dem Gläubiger auch vorsehen, dass die Haftungsvoraussetzungen zuungunsten der Gesellschafter verschärft werden, etwa durch die Abrede, dass die Gesellschafter nach erfolgloser Mahnung der Gesellschaft sofort für deren Verbindlichkeiten einzustehen haben. Die Zulässigkeit der Verschärfung der Haftungsvoraussetzungen bezüglich der Gesellschafterhaftung im Gesellschaftsvertrag wird damit begründet, dass sich das Verbot einer dem gesetzlichen Leitbild entgegenstehenden Verabredung unter den Gesellschaftern aus Art. 568 Abs. 2 schweiz. OR auf ihre persönliche Haftung bezieht, nicht aber auf die Bedingungen der Haftung. 58 Eine andere Möglichkeit, die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung zu beseitigen, stellt eine Solidarbürgschaft eines Gesellschafters für die Schuld der Gesellschaft dar (Art. 568 Abs. 3 a. E. OR). 59 Die Regelung des HGG enthält keine Vorschrift, von Art. 31 § 3 HGG abgesehen, welche die Fälle des Ausschlusses der Subsidiarität in Bezug auf die Gesellschafterhaftung regelt. In Betracht kommt allerdings die Regelung des Art. 34 HGG, wonach die Vereinbarungen, die Artt. 31 –33 HGG entgegenstehen, Dritten gegenüber keine Rechtswirksamkeit entfalten. Die Zulässigkeit des Ausschlusses der Subsidiarität der Haftung muss daher im Lichte des Art. 34 HGG untersucht werden. Auf der einen Seite kann aus dem Wortlaut dieser Vorschrift geschlossen werden, dass der Ausschluss der Subsidiarität im Gesellschaftsvertrag in Form einer Klausel – „für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften die Gesellschafter primär, ohne dass es nötig ist, die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen zu betreiben“ – unzulässig ist. Eine Bestimmung solchen Inhalts würde ausdrücklich dem Merkmal „entgegenstehen“ i. S. d. Art. 34 HGG 57 Vgl. Pestalozzi / Wettenschwiler, in: Basler Kommentar, Art. 568 Rn. 21; Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 4; Vonzun, Rechtsnatur, S. 258. 58 Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 4. Art. 568 Abs. 1 und 2 OR lautet: Die Gesellschafter haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen (Abs. 1). Eine entgegenstehende Vereinbarung unter den Gesellschaftern hat Dritten gegenüber keine Wirkung (Abs. 2). 59 Es kann sich nur um eine Solidarbürgschaft handeln (Art. 496 Abs. 2 OR), da eine einfache Bürgschaft im schweizerischen Recht auch subsidiär ist. Dann gäbe es – im Hinblick auf die Voraussetzungen der Haftung – keine bedeutende Unterscheidung zur gesetzlichen Gesellschafterhaftung.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

zuwiderlaufen, so dass sich interessierte Dritte (Gesellschaftsgläubiger) darauf nicht berufen könnten. Auf der anderen Seite muss der Umstand in Betracht gezogen werden, dass eine solche Vertragsklausel nicht zur Benachteiligung, sondern der Verbesserung der Gläubigerlage führt. Die Funktion des Art. 34 HGG besteht darin, die Dritten vor solcher Gestaltung des Gesellschaftsvertrages zu schützen, die ihren Interessen zuwiderlaufen könnte. Diese Funktion kommt zum Ausdruck dadurch, dass Gesellschaftsgläubiger benachteiligende Vertragsbestimmungen mit der Unwirksamkeit und nicht der Nichtigkeit bedroht sind. Daraus folgt, dass Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, welche die Gläubigerlage verbessern, im Wege der teleologischen Reduktion der Vorschrift des Art. 34 HGG als zulässig angesehen werden können. Allerdings kann man sich schwerlich Fälle vorstellen, in denen die Gesellschafter zu einer solchen Vertragsgestaltung geneigt wären. Ferner muss analysiert werden, ob die Subsidiarität der Haftung vertraglich zwischen einzelnen Gesellschaftern und Gläubigern außer Kraft gesetzt werden kann. In einem solchen Fall ist ein Gesellschaftsgläubiger kein Dritter i.S. d. Art. 34 HGG, so dass die Sanktion der Unwirksamkeit nicht in Frage kommt. In Anbetracht des Zwecks des Art. 34 HGG muss ein vertraglicher Verzicht auf die Subsidiarität als zulässig erachtet werden. Im Falle des Verzichts auf die Subsidiarität sind die Gläubigerinteressen keineswegs bedroht, dagegen aber in einem größeren Umfang sichergesellt. 60 Solche Abreden müssen individuell von einzelnen Gesellschaftern mit Gläubigern abgeschlossen werden, da die Einrede der Vorausvollstreckung eine persönliche ist. Wichtig ist dabei, dass sich solche Vereinbarungen nur auf das Außenverhältnis beschränken, also keine Wirkungen für das Innenverhältnis zwischen den Mitgesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und dem betreffenden Gesellschafter entfalten (z. B. sie berühren nicht die Regressverhältnisse in der Gesellschaft). b) Gesetzlich aa) Die Lage vor der Eintragung der Gesellschaft Eine Ausnahme von der subsidiären Gesellschafterhaftung sieht Art. 31 § 3 HGG insoweit vor, als diese Vorschrift anordnet, dass die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung die vor der Eintragung entstandenen Verbindlichkeiten nicht betrifft. Diese Vorschrift erhielt diese Fassung infolge der Novelle des HGG vom 12. 12. 2003. 61 Neben der Änderung des Art. 31 § 3 wurde in das HGG auch Art. 25 1 § 1 eingefügt, wonach die OHG mit der Registereintragung entsteht. Der 60 Auch Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 125. 61 Dz.U. 2003, Nr. 229, Pos. 2276. Die alte Fassung des Art. 31§ 3 HGG lautete: „Die subsidiäre Haftung des Gesellschafters betrifft nicht die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die vor ihrer Eintragung in das Register entstanden sind“.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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nachfolgende Art. 25 1 § 2 HGG sieht vor, dass die Personen, die nach dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages und vor der Eintragung der Gesellschaft in das Gerichtsregister für die Gesellschaft gehandelt haben, für die sich aus dieser Handlung ergebenden Verbindlichkeiten gesamtschuldnerisch haften. Kraft dieser Vorschriften wurde die „OHG vor Eintragung“ in das polnische Recht eingeführt. 62 Mit Blick auf Art. 25 1 § 1 HGG handelt es sich nach Art. 31 § 3 HGG um die Verbindlichkeiten der OHG vor der Eintragung in das Gerichtsregister, die nach der Eintragung der Gesellschaft geltend gemacht werden. Die Geltendmachung der Verbindlichkeiten der „Vor-OHG“ noch vor ihrer Eintragung ist mit Blick auf Art. 25 1 § 2 HGG nicht problematisch. Nach der Registereintragung stehen der OHG alle Rechte und Pflichten der Vor-OHG zu. Nach dem Schrifttum zu den vergleichbaren Tatbeständen des Art. 109 § 1 und § 2 HGG sowie des Art. 134 § 1 und § 2 HGG (in Bezug auf KG und KGaA) geschieht dieser Übergang von Rechten und Pflichten der Gesellschaft vor der Eintragung auf die Zielform aufgrund einer analogen Anwendung des Art. 551 § 3 HGG 63 oder Artt. 11 – 13 HGG. 64 Diesen noch vor der Novelle des HGG vom 12. 12. 2003 formulierten Ansätzen ist in Bezug auf die hier analysierte Frage nicht zu folgen. Stattdessen sollen Art. 26 § 4 und § 5 HGG analog angewendet werden, die eine Umwandlung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in die OHG regeln. Dies setzt voraus, dass die OHG vor der Eintragung in das Gerichtsregister als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen ist. Eine andere Qualifikation der Lage vor der Eintragung der OHG scheint im Lichte des ZGB oder HGG wohl nicht möglich. Es ist anzunehmen, dass mit der „Eintragung“ in Art. 31 § 3 HGG die Eintragung der Gesellschaft in das Gerichtsregister gemeint ist. Diese Vorschrift bedeutet dann, dass die Gesellschafter nach der Eintragung der Gesellschaft mit dem Erfordernis der Vorausvollstreckung nicht geschützt werden, wenn sie wegen einer Verbindlichkeit in Anspruch genommen werden, die vor der Eintragung der Gesellschaft entstanden ist. Für die vor der Eintragung begründeten Verbindlichkeiten haften die Gesellschafter primär, gleichrangig mit der Gesellschaft. 65 Dies hat zur Folge, dass Art. 778 1 ZVGB auf die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschafter aus diesen Verbindlichkeiten keine Anwendung findet. 62 Vor der genannten Novelle des HGG vertrat die herrschende Lehre den Standpunkt, dass die OHG als die einzige Form der Personengesellschaften des Handelsrechts alleine mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages entstand, vgl. Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 31 (S. 233); Kruczalak, in: Kruczalak, Kodeks, S. 76; Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 106; Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 102. 63 Szuma´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 134 Rn. 9 (S. 689). 64 Szwaja, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 134 Rn. 9 (S. 689).

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

Mit Blick auf das Merkmal der „Entstehung vor der Eintragung“ in Art. 31 § 3 HGG ist die Behandlung von Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen (Miet-, Pacht- sowie Leasingverträge, Sukzessivlieferungsverträge u. a.) klärungsbedürftig. Kraft der analogen Anwendung des Art. 26 § 5 HGG ist die OHG Partei dieser Rechtsverhältnisse nach der Eintragung. Von dem dogmatischen Verständnis eines Dauerschuldverhältnisses erst einmal abgesehen, bestehen keine Zweifel für den Fall, wenn Einzelschulden aus Abrechnungsperioden vor der Eintragung der Gesellschaft geltend gemacht werden. Wie soll dagegen die Lage beurteilt werden, wenn ein Gesellschaftsgläubiger die Einzelschulden zuzüglich Zinsen geltend macht, die für eine längere Zeitperiode anfallen, innerhalb derer die Eintragung der Gesellschaft stattgefunden hat? Mit Blick auf die prozessuale Geltendmachung der Ansprüche erscheint die Verneinung der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung in solchen Fällen als die einzig plausible Lösung. Dies kann vielmehr auf die Dogmatik des Schuldrechts gestützt werden. Mit Klein wird hier angenommen, dass das Kriterium für das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses die Art (die Eigenschaften) der Leistung sei, die von den Parteien zu erbringen ist. 66 Die Leistung des Schuldners einerseits und die Verpflichtung des Schuldners andererseits stellen unterschiedliche Elemente eines Schuldverhältnisses dar. 67 In der von uns untersuchten Lage, während die Verpflichtung des Schuldners vor der Eintragung entsteht, wird je nach dem jeweiligen Schuldverhältnis ein Teil der Leistung oder einige Leistungen des Schuldners nach der Eintragung der Gesellschaft erbracht. Diese Betrachtungsweise erlaubt es anzunehmen, es reiche bei Dauerschuldverhältnissen aus, wenn der Vertragsschluss oder ein anderes gleichwirkendes Ereignis vor der Eintragung stattgefunden hat, um dies als „Entstehung der Verbindlichkeit“ i. S. d. Art. 31 § 3 HGG anzusehen. bb) Öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten Es wird vertreten, dass sich die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung ausschließlich auf die zivilrechtlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft beziehe. 68 Die Haftung der Gesellschafter für Steuerverbindlichkeiten, die eigenständig in Art. 115 § 1 Steuerordnung geregelt sei, sei primär. 69 Als Argument dafür wird der Umstand genannt, dass die ursprüngliche Fassung des Art. 115 § 1 Steuerordnung 70 65 Der Zeitpunkt der Entstehung einer Verbindlichkeit ist mit demjenigen des Fälligkeitseintritts nicht zu verwechseln, mehr dazu Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 31 Rn. 14 (S. 286); Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 740. 66 Vgl. umfassend Klein, Elementy, S. 173 ff. Allgemein wird auf die essentielle Bedeutung des Zeitmoments abgestellt, vgl. den Meinungsüberblick bei MünchKomm-BGB / Kramer, Vor § 241, Rn. 95 ff. Die Annahme dieses oder jenes Kriteriums ändert in unserem Fall das Ergebnis aber nicht. 67 Klein, Elementy, S. 64. 68 Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 125.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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durch Art. 608 Pkt. 3 des in Kraft tretenden HGG geändert wurde. Die einschlägige Vorschrift besage nunmehr, dass ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Partnerschaftsgesellschaft sowie ein Komplementär einer Kommanditgesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien, der kein Aktionär ist, mit seinem ganzen Vermögen, gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern für die Steuerrückstände der Gesellschaft und der Gesellschafter haftet, die sich aus der Tätigkeit der Gesellschaft ergeben. Der Unterschied zur ursprünglichen Fassung des Art. 115 § 1 Steuerordnung bestehe lediglich darin, dass der letzte nicht von Gesellschaftern einer Partnerschaftsgesellschaft sowie einer KGaA sprach, also den Rechtsformen, die das HGG in das polnische Recht eingeführt hat. Dem Argument, dass Art. 115 § 1 Steuerordnung die Konstruktion der Gesellschafterhaftung eigenständig regele, ist mit der genauen Betrachtung dieser normativen Änderung die Grundlage entzogen. Die genannte Vorschrift befindet sich im Abschnitt „Die steuerrechtliche Haftung der Dritten“ der Steuerordnung und hat lediglich zum Zweck, den Grundsatz, dass die Gesellschafter für die Steuerrückstände der Gesellschaft persönlich haften, auszusprechen (vgl. Art. 107 § 1 i.V. m. Art. 115 § 1 Steuerordnung). 71 Dazu bedient sie sich der Formel des Art. 22 § 2 HGG („haftet gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern“). Eine eigenständige Konstruktion der Haftung schafft diese Vorschrift dagegen nicht, sondern verweist im Übrigen auf die Regelung des HGG. Wollte man der Betrachtungsweise der oben genannten Ansicht folgen, müsste man nicht nur die Subsidiarität der Haftung in Frage stellen, sondern auch die Anwendung der Artt. 32 oder 35 HGG auf die Haftung für die Steuerrückstände, da die Steuerordnung nicht von diesen die Grundregel des Art. 22 § 2 HGG ergänzenden Haftungsregelungen handelt. Ein solches Vorgehen würde natürlich zu evidenten Missverständnissen des geltenden Rechts führen. Der obengenannten Ansicht kann nicht gefolgt werden. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die Gesellschafterhaftung für sämtliche Arten von Verbindlichkeiten, seien es zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche, nach Maßgabe des Art. 31 § 1 HGG subsidiär ist, es sei denn, die Subsidiarität der Haftung wird ausdrücklich gesetzlich aufgehoben. 2. Die Verschärfung der Subsidiarität

Es wurde bereits ausgeführt, dass die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung erlaubt, die Gesellschafterschuld unter dem Vorbehalt der Gesellschaftshaftung 69 Art. 115 § 1 Steuerordnung ist entsprechend anwendbar auf die Verbindlichkeiten aus Beiträgen zur Sozialversicherung, vgl. Art. 31 des Gesetzes vom 13. 10. 1998 über das System der Sozialversicherung (Dz. U. Nr. 137, Pos. 887 m. Ä.) 70 Gesetz v. 29. 08. 1997 – Steuerordnung, Dz. U. 1997, Nr. 137, Pos. 926 m. Ä. 71 Vgl. Huchla, in: Kosikowski / Dzwonkowski / Huchla, Komentarz, S. 283 f.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

zu erlassen. Angesichts dessen besteht kein Zweifel darüber, dass die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Gesellschafter vertraglich mit Gläubigern auch verschärft werden können, beispielsweise durch die Einführung der Einrede der sachlichen Vorausvollstreckung (beneficium excussionis reale) oder anderer vergleichbarer Erfordernisse der Inanspruchnahme. Es kann auch lediglich eine Ausfallhaftung der Gesellschafter vereinbart werden, wonach die Gesellschafter von vornherein nur die Haftung für den dem Gläubiger entstehenden endgültigen Ausfall an der Hauptforderung übernehmen, also für das, was der Gläubiger trotz Anwendung erforderlicher Sorgfalt, insbesondere durch die Zwangsvollstreckung und die Verwertung anderer Sicherheiten nicht vom Hauptschuldner erlangen kann. 72 Im Hinblick auf Art. 34 HGG sind solche Vereinbarungen nur für die an ihr beteiligten Gläubiger bindend.

C. Die Beurteilung der Subsidiarität unter Berücksichtigung der Gläubigerschutzmöglichkeiten Der Grundgedanke bei der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung in der OHG ist, dass ein Gesellschaftsgläubiger zuerst die Zwangsvollstreckung aus dem Gesellschaftsvermögen führen soll. Solange die Gesellschaft zahlungsfähig ist, sollen die Gesellschafter verschont werden. Es besteht kein Zweifel, dass vom Gesichtspunkt der Gesellschafterinteressen aus die primäre Haftung strenger und auf die Gläubigersicherung ausgerichtet ist. Die primäre Haftung erscheint unzumutbar besonders für nichtgeschäftsführende Gesellschafter, die sich passiv an der Gesellschaft beteiligen. Abgesehen von der OHG gilt dies auch für die Kommanditisten in der KG und die Partner in einer Partnerschaftsgesellschaft, in der ein Vorstand vertraglich errichtet wurde (vgl. Art. 97 § 1 HGG). 73 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung ist teilweise auf Kritik gestoßen. Es wurde eingewandt, dass die subsidiäre Gesellschafterhaftung den Unterschied zwischen Kapital- und Personengesellschaften undeutlich mache, ferner unvereinbar mit der Trennung der Rechtssubjekte in natürliche und juristische Personen (vgl. Art. 1 ZGB) sei sowie die Gläubigerinteressen gefährde. 74 Man behauptet zugleich, es bestehe die Gefahr, dass die Gesellschafter ihre Privatvermögen in der Zwischenzeit, vor ihrer Inanspruchnahme, veräußern. Die Konstruktion der Subsidiarität ziele nur auf den Schutz der Gesellschafter ab. Die Vorschrift des Art. 31 § 2 HGG biete keine Hilfe in dieser Hinsicht. Es wird auch erhoben, dass die Subsidiarität der Haftung erhebliche Auslegungsschwierigkeiten hervorrufe 72 Vgl. zur vergleichbaren Problematik einer Ausfallbürgschaft Staudinger / Horn, § 771 Rn. 11. 73 Vgl. Kidyba, Status, S. 137; zust. Sołtysi´nski, Zało˙zenia, S. 398. 74 Kruczalak, Referat, S. 8, zust. Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 124.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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(z. B. bezüglich der Regressansprüche) und somit die Rechtsanwendung erschweren könne. 75 Die oben angeführten Vorwürfe sind unzutreffend. Subsidiäre Haftung der Gesellschafter ist nicht kennzeichnend für Kapitalgesellschaften. Dort haften die Gesellschafter grundsätzlich nicht für Gesellschaftsverbindlichkeiten. Dagegen ist die subsidiäre Gesellschafterhaftung bei Personengesellschaften in zahlreichen Rechtsordnungen verbreitet und durch das heutige Schrifttum als eine typische und angemessene Lösung angesehen. 76 Als Folge der Entwicklung des Personengesellschaftsrechts in den letzten Jahrzehnten gibt es, wie bereits erwähnt, nur wenige Rechtsordnungen in Europa, in denen die Gesellschafter einer OHG primär haften. Der Einwand, dass die subsidiäre Gesellschafterhaftung mit der Trennung der Rechtssubjekte in natürliche und juristische Personen nicht vereinbar ist, wurde mittelbar bei der Erörterung der Rechtsnatur der Personengesellschaften kritisiert. Diese Ansicht erklärt sich vor dem Hintergrund des Verständnisses einer Personengesellschaft als eines Sondervermögens der Gesellschafter. Vielmehr wurde diese Ansicht vor dem Inkrafttreten des Art. 33 1 § 1 und § 2 ZGB vertreten. Sobald man eine Personenhandelsgesellschaft als eine „organisierte Einheit“ im Sinne dieser Vorschrift ansieht, ist dieser Kritik die Grundlage weitgehend entzogen. Die Aussage, dass die subsidiäre Haftung die Gläubigerinteressen gefährde, wurde nicht näher begründet. Die Kritik an Art. 31 § 2 HGG ist ebenso wenig plausibel. Diese Vorschrift ist nicht überflüssig, weil sie lediglich die Grundregel des Art. 366 § 1 ZGB bestätigen solle. 77 Wie bereits dargelegt, sind auch solche Schuldnermehrheiten solidarisch i. S. d. Art. 366 § 1 ZGB, bei denen die Haftung einiger Schuldner subsidiär ist, d. h. an gewisse Voraussetzungen geknüpft ist, die für andere Gesamtschuldner nicht gelten. Diese These findet ihre Stütze in Art. 368 ZGB, da „eine Verpflichtung in anderer Weise“ auch in einer verschobenen Haftung eines Gesamtschuldners bestehen kann. Art. 31 § 2 HGG hat zur Folge, dass die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung lediglich im Zwangsvollstreckungsverfahren gilt, während die Gesellschaft und ihre Gesellschafter mit Blick auf das Erkenntnisverfahren gleichrangige Schuldner sind. Darin besteht auch die Besonderheit polnischer Regelung, die, anders als das französische oder das schweizerische OHG-Recht, die Stellung der Gesellschaft und der Gesellschafter nicht bereits im Erkenntnisverfahren, sondern erst im Zwangsvollstreckungsverfahren differenziert. Dies zeigt, dass die Subsidiarität insgesamt milder ausgestaltet und mehr auf die Gläubigerinteressen ausgerichtet ist als in den in dieser Arbeit analysierten ausländischen Rechtsordnungen. 75

Strze˛pka, Konsekwencje, S. 8, ohne seinen Einwand zu konkretisieren. Simonart, La personnalité, S. 435, m.w. N. 77 So aber Naworski, in: Naworski / Potrzeszcz / Siemia˛tkowski / Strzelczyk, Komentarz, S. 126. 76

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

Ferner kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass das HGG einseitig nur den Schutz der Gesellschafter verwirklicht. Die den Gesellschaftsgläubigern durch Art. 31 § 2 HGG gewährte Möglichkeit, die Gesellschafter unabhängig von der Gesellschaft zu verklagen, ist von erheblicher Bedeutung im Hinblick darauf, dass sie die Sicherung ihrer Ansprüche gegen die Gesellschafter im Rahmen des Sicherungsverfahrens noch vor der Verurteilung der Gesellschaft erwirken können. Dazu muss ein Gesellschaftsgläubiger nachweisen, dass sein Anspruch glaubhaft ist und das Fehlen einer Sicherung die Befriedigung seines Anspruchs verhindern könnte (Art. 730 § 1 ZVGB). Eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Anspruchs setzt voraus, dass das Verfahren in der Sache (hier die Klage gegen den Gesellschafter) bereits eingeleitet wurde oder unverzüglich eingeleitet werden wird (vgl. Art. 733 f. ZVGB). Weiterhin sind die Interessen der Gesellschaftsgläubiger durch die actio pauliana geschützt. Geht man davon aus, dass die Gesellschafter Schuldner sind, so muss ihnen auch die Schuldnereigenschaft i. S. d. Art. 527 § 1 ZGB zukommen. Dies dürfte nicht problematisch sein im Hinblick darauf, dass die Zulässigkeit der actio pauliana gegen den Bürgen angenommen wird. 78 Die Verbindung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter muss als viel enger angesehen werden als diejenige zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen. In diesem Lichte würde die Verneinung der Schuldnereigenschaft eines Gesellschafters i. S. d. Art. 527 § 1 ZGB eine erhebliche Gläubigerbenachteiligung bedeuten, die mit dem Anliegen eines gerechten Interessenausgleichs bei der Haftungsverfassung einer OHG nicht zu vereinbaren wäre. Im Falle der Bejahung der Schuldnereigenschaft i. S. d. Art. 527 § 1 ZGB der Gesellschafter besteht die Hauptfrage darin, ab welchem Zeitpunkt die den Gläubigern benachteiligenden Rechtsgeschäfte der Gesellschafter für unwirksam erklärt werden können. Handelt es sich auch um die Rechtsgeschäfte der Gesellschafter aus der Zeit noch vor der zwingenden primären Inanspruchnahme der Gesellschaft, oder nur um solche, welche die Gesellschafter erst nach der erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen vornehmen, d. h. nachdem ihre subsidiäre Haftung aktualisiert wurde? In Bezug auf die subsidiäre Bürgschaft wird die Meinung vertreten, dass der Gläubiger im Wege der actio pauliana nur solche Rechtsgeschäfte des Bürgen anfechten kann, die nach der Feststellung (im Wege der vorherigen Inanspruchnahme) der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners durch den Bürgen vorgenommen worden sind. 79 Dies bedeutet, dass i. S. d. Art. 527 ff. ZGB nur solche Zahlungsunfähigkeit relevant ist, die infolge eines Rechtsgeschäfts aufgetreten ist, das nach dem Fälligwerden der subsidiären Bürgenhaftung vorgenommen wurde. Begründet wird dies mit der angeblichen Korrelation zwischen der Möglichkeit nur der subsidiären Inanspruchnahme und den Ansprüchen aus der actio pauliana, die dem Gläubiger 78 79

Vgl. umfassend Ba˛czyk, Roszczenia, S. 37 ff.; zust. Radwa´nski, Pore˛czenie, S. 56. Ba˛czyk, Roszczenia, S. 49.

§ 1 Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung

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nur insoweit zeitlich zustehen sollen, als er den subsidiär Haftenden (Bürgen) in Anspruch nehmen kann. Der Bürge, der lediglich eine subsidiäre Bürgschaft eingegangen ist, gehe davon aus, dass er über sein Vermögen uneingeschränkt verfügen kann, solange er nicht in Anspruch genommen werden kann. 80 Dies entspräche auch den Erwartungen des Gläubigers, der sich auf eine subsidiäre Sicherheit einlässt und damit rechnet, dass ihm die actio pauliana erst ab dem Zeitpunkt zusteht, in dem die Inanspruchnahme des Bürgen zulässig wird. Dieser Ansatz erscheint sehr zweifelhaft, auch in Bezug auf den Bürgen. Auf die Bürgschaft wird hier aber nicht eingegangen. Zu formalistisch und nicht haltbar ist das Abstellen auf den Zeitpunkt der Zulässigkeit der Inanspruchnahme des subsidiär Haftenden. Das Erfordernis, dass der Schuldner im Zeitpunkt eines den Gläubiger benachteiligenden Rechtsgeschäfts bereits in Anspruch genommen werden kann, lässt sich aus dem Sinn und Zweck des Art. 527 ff. ZGB nicht ableiten. Nicht nur ist diese Konzeption im Lichte der gesetzlichen Bestimmungen nicht hinreichend begründet, sie führt auch zu inakzeptablen Ergebnissen. Durch dieses Verständnis der actio pauliana werden die Fälle nicht gedeckt, in denen der subsidiär Haftende (sei er Bürge oder Gesellschafter) sein Vermögen kurz vor dem Eintritt der Zulässigkeit seiner Inanspruchnahme absichtlich schmälert. Solche Vorgänge sind einfach vorstellbar bei der OHG, in der die Gesellschafter im Regelfall über gute Kenntnisse der Vermögenslage der Gesellschaft verfügen. 81 Die Inanspruchnahme der Gesellschaft, die eine gewisse Zeit dauert, mag ihnen die Möglichkeit verschaffen, ihre Privatvermögen an Dritte zu veräußern und den Zugriff des Gläubigers zu sperren. Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden, da er vom Gesichtspunkt der Gläubigerinteressen aus nicht gerechtfertigt ist. Für die Gesellschafter wäre dagegen der Weg zu einem gläubigerbedrohenden Missbrauch geöffnet. Darüber hinaus ist diese Ansicht im Lichte des Art. 31 § 2 HGG nicht haltbar, wonach die Gesellschaft und die Gesellschafter im Erkenntnisverfahren gleichrangig in Anspruch genommen werden können. Letztendlich ist auch der Vorwurf, dass die Subsidiarität der Haftung die Rechtsanwendung erschwert, gegenstandslos. Die Vorschriften, welche die Subsidiarität regeln, lassen sich unproblematisch, sowohl materiell- als auch verfahrensrechtlich, anwenden. Die Regressverhältnisse, die von der Subsidiarität unberührt bleiben, lassen sich ohne weiteres abwickeln, wie es auch in dieser Arbeit untersucht wurde. Meines Erachtens stammt die Mehrheit der Vorwürfe gegen die Subsidiarität einfach aus der begrifflichen „Gewöhnung“ an die primäre Gesellschafterhaftung nach dem Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1933. Hinzu kommt noch der Umstand, dass die Bürgenhaftung nach dem ZGB auch grundsätzlich primär aus80

Ba˛czyk, Roszczenia, S. 49. Das Recht eines OHG-Gesellschafters, sich über alle Angelegenheiten der Gesellschaft zu informieren und sämtliche Gesellschaftsunterlagen einzusehen, kann vertraglich nicht beschränkt werden (Art. 38 § 2 HGG). 81

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

gestaltet ist, 82 so dass die subsidiäre Haftung eigentlich als ein Fremdkörper im polnischen Zivilrecht betrachtet wird. Es bleibt nur ein Blick auf die Parallelen und Unterschiede zwischen der Haftung eines OHG-Gesellschafters und derjenigen eines Bürgen in Hinblick auf die Subsidiarität. Im Prinzip ist die Haftung eines OHG-Gesellschafters milder ausgestaltet als die Bürgenhaftung nach dem ZGB, der mangels abweichender Vereinbarung gleichrangig mit dem Hauptschuldner haftet (Art. 881 ZGB). Die Vorschrift des Art. 881 ZGB lässt jedoch den beteiligten Parteien den Weg offen, die Inanspruchnahme des Bürgen an unterschiedliche Voraussetzungen zu knüpfen. In Betracht kommt nicht nur das Erfordernis der erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners Art. 31 § 1 HGG entsprechend, sondern auch eine Inverzugsetzung des Hauptschuldners oder eine Vorausklage. 83 Im Endergebnis muss davon ausgegangen werden, dass, obwohl die Gesellschafterhaftung in der OHG zwar in Bezug auf die Akzessorietät strenger ausgestaltet ist (Verbot der Fremddisposition i. S. d. Art. 879 § 2 ZGB gilt bei der OHG nicht), auch die gesetzlichen Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Gesellschafterhaftung strenger als diejenige der Bürgenhaftung sind. Beide Haftungsmodelle erlauben jedoch einen gewissen Gestaltungsspielraum, was die gesetzlichen Ausgangslagen näher aneinander bringen kann. Insgesamt ist die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem HGG positiv zu beurteilen. Eine einseitige Bevorzugung der Interessen der Gesellschafter bzw. der Gläubiger würde vermieden. Die Möglichkeit der Erwirkung der Sicherung der Ansprüche gegen die Gesellschafter noch vor der Feststellung der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen sowie die in Betracht kommenden Ansprüche gegen die Gesellschafter aus actio pauliana garantieren den Gläubigerschutz. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung das Erfordernis des Art. 31 § 1 HGG auslegen wird. Davon wird der Erfolg dieser Regelung abhängen.

§ 2 Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter A. Gründe für die Gesamtschuld zwischen den Gesellschaftern Bei der Rechtsform der OHG kann die unbeschränkte Gesellschafterhaftung ihre Funktion als Kreditbasis der Gesellschaft nur dank der weiteren Sicherung erfüllen, die den Gesellschaftsgläubigern durch die Solidarität der Haftung der Gesellschafter geboten wird. 84 Der Zweck der Gesamtschuld unter den Gesell82 83 84

Vgl. Sychowicz, in: Komentarz, Band II, S. 442. Die Nachweise bei Radwa´nski, Pore˛czenie, S. 57 f. von Wyss, Die Haftung, S. 24.

§ 2 Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter

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schaftern liegt in der dadurch ermöglichten vollständigen und sicheren Rechtsverfolgung. Die Verwendung der Gesamtschuld erfolgt ausschließlich im Interesse des Gläubigers. Wegen der gesamtschuldnerischen Haftung erhält der Gesellschaftsgläubiger einen Anspruch auf Befriedigung der ganzen Gesellschaftsschuld (solidum) aus dem Privatvermögen jedes einzelnen Gesellschafters, ohne Rücksicht auf die Höhe seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, in Konkurrenz zu Ansprüchen gegen die übrigen Gesellschafter. 85 Für den Interessenausgleich unter den Gesellschaftern sorgt das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis. Die Gesamtschuld unter den Gesellschaftern als essentialia negotii der OHG ist zwingend in diesem Sinne, dass sie im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen werden kann. Obwohl das HGG keine explizite Vorschrift diesbezüglich enthält, wie etwa Art. 568 Abs. 2 schweiz. OR oder § 128 Abs. 1 S. 2 dt. HGB, 86 kann dies aus der Gesamtregelung der OHG herausinterpretiert werden. Die Vorschriften, welche die OHG im Allgemeinen sowie ihr Außenverhältnis regeln (Artt. 22 – 36 HGG), sind nur insoweit abdingbar, als das Gesetz dies erlaubt. Ferner kann man behaupten, dass sich Art. 34 HGG, wonach Vertragsbestimmungen, die Artt. 31 –33 HGG zuwiderlaufen, Dritten gegenüber unwirksam sind, auch auf Art. 22 § 2 HGG bezieht, weil die Vorschrift des Art. 31 HGG nur in Verbindung mit Art. 22 § 2 HGG ihren vollen Gehalt erlangt. Die gesamtschuldnerische Haftung betrifft ausnahmslos sämtliche Gesellschafter. Ein in die Gesellschaft neu eintretender Gesellschafter haftet gemäß Art. 32 HGG auch für die vor seinem Eintritt entstandenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Seine Haftung für diese Verbindlichkeiten unterscheidet sich im Außenverhältnis keineswegs von der Haftungsverbindlichkeit anderer Mitgesellschafter. Sollte er wegen einer vor seinem Eintritt entstandenen Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch genommen werden, kann er dem Gesellschaftsgläubiger nicht entgegenhalten, dass er für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haftet. Im Innenverhältnis ist allerdings mangels einer entsprechenden vertraglichen Bestimmung sein umfassender Regress nicht nur gegen die Gesellschaft (Art. 518 § 1 Pkt. 1 ZGB), sondern auch gegen die Mitgesellschafter zu bejahen.

85

Vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 18. Art. 568 Abs. 1 und 2 schweiz. OR lautet: „Die Gesellschafter haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen. Eine entgegenstehende Verabredung unter den Gesellschaftern hat Dritten gegenüber keine Wirkung“. § 128 Abs. 1 S. 2 HGB lautet: „Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldnern persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam“. 86

200

3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

B. Die Anwendung der Art. 366 ff. ZGB auf das Verhältnis unter den Gesellschaftern Im Unterschied zum Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft ist die Rechtsbeziehung unter den Gesellschaftern einer OHG nicht besonders problematisch. Der Gesetzeswortlaut bereitet keine Auslegungsschwierigkeiten: Die Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld sind grundsätzlich uneingeschränkt anwendbar (Artt. 366 –376 ZGB). Die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung berührt das Wesen der Gesamtschuld unter den Gesellschaftern nicht, da die Gesellschafter subsidiär gegenüber der Gesellschaft, untereinander aber gleichrangig haften. Sobald die Haftung aller Gesellschafter aktualisiert wird, kann der Gesellschaftsgläubiger jeden Gesellschafter für die Gesellschaftsschuld in Anspruch nehmen (Art. 366 § 1 Hs. 1 ZGB). Der Gläubiger kann somit sämtliche Gesellschafter oder einzelne von ihnen verklagen, von einem der Gesellschafter das Ganze, von dem anderen nur einen Teil fordern. Bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers bleiben sämtliche Gesellschafter verpflichtet (Art. 366 § 2 ZGB). 87 Die Erfüllung durch einen Gesellschafter wirkt befreiend für die übrigen (Art. 366 § 1 Hs. 2 ZGB). Die gleichen Folgen wie der Erfüllung kommen auch einer Hinterlegung (Art. 470 ZGB) und einer Aufrechnung (Art. 398 ZGB) durch einen Gesellschafter zu. Bedenkenswert ist allerdings, welche Wirkungen ein Erlass der Schuld einem Gesellschafter gegenüber durch den Gläubiger hat (Art. 373 ZGB). Es wurde bereits erörtert, dass der Erlass der Gesellschaftsschuld unter dem Vorbehalt der Gesellschafterhaftung wegen der Akzessorietät nicht zulässig ist. 88 Andererseits bestehen keine Bedenken bezüglich der Zulässigkeit eines Vertrages, kraft dessen der Gläubiger auf die Gesellschafterhaftung verzichtet und damit einverstanden ist, dass ihm als Haftungssubstrat nur das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung steht. Kann er dagegen auf die Haftungsverbindlichkeit eines einzelnen Gesellschafters verzichten? In der deutschen Lehre wird die Ansicht vertreten, dass der Gläubiger einem Gesellschafter die Schuld im Außenverhältnis erlassen kann, dem anderen nicht. 89 Dieser Rechtssatz wird seit langem auch in der französischen Rechtsprechung anerkannt. 90 Im Innenverhältnis kann sich der freigestellte Gesellschafter auf seine Freistellung durch den Gläubiger allerdings nicht berufen. 87 Einige Handelsgesetzbücher in Deutschland im 19. Jahrhundert haben expressis verbis vorgesehen, dass „die Gesellschafter solidarisch für die Verpflichtungen der Gesellschaft haften, ohne dass ihnen die Einrede der Teilung zusteht“, vgl. § 80 des Entwurfs einer Handels- und Wechsel-Ordnung für das Herzogtum Nassau (Ausgabe: Wiesbaden 1842). Der klare Wortlaut von Art. 22 § 2 HGG i.V. m. Art. 366 ZGB macht solche „Beschreibungen“ überflüssig. 88 Vgl. Zweites Kapitel § 2 C. III. 89 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1421. 90 F. Derrida, Nom collectif, S. 26, m.w. N.

§ 2 Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter

201

Im polnischen Schrifttum wird in Bezug auf die gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die These vertreten, dass diese gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter einen zwingenden gesetzlichen Charakter habe, was rechtsgeschäftliche Verfügungen bezüglich des Bestandes der Gesamtschuld (darunter Erlass der Schuld einem Gesellschafter gegenüber) ausschließe. 91 Der Gesellschaftsgläubiger könne einen Gesellschafter bei der Inanspruchnahme höchsten schonen, aber nicht aus der Haftung entlassen. Die Begründung geht auf die Annahme zurück, dass Art. 373 nur auf die Fälle anwendbar ist, in denen die Gesamtschuld dispositiv ist. 92 Diese Behauptung wurde bisher nicht in genügendem Ausmaß kritisch überprüft, um sie a priori zu verneinen oder bejahen. Damit eine Stellungnahme möglich wäre, muss ein Blick auf die Haftungsverfassung in der OHG folgen. Im Ausgangspunkt der Arbeit wurde darauf hingewiesen, dass die unbeschränkte und gesamtschuldnerische Außenhaftung aller Gesellschafter einer OHG aus der Teilnahme an der Gesellschaft zwingend folgt. Im Innenverhältnis erfolgt der Ausgleich zwischen dem in casu leistenden Gesellschafter und den übrigen Gesellschaftern nach Maßgabe der Verlustbeteiligung in der Gesellschaft. Der in Art. 508 ZGB angesprochene Erlassvertrag hat eine Tilgungswirkung bezüglich des Schuldverhältnisses. Der Gläubiger verzichtet nicht nur auf eine Möglichkeit der Inanspruchnahme, sondern auf die Befriedigung bzw. sein Interesse an der Leistung. Sogar wenn man die Möglichkeit (terminologisch) bejahte, dass der Gesellschaftsgläubiger einem Gesellschafter die Schuld erlässt, hätte dies keine endgültige Tilgungswirkung, da der Gesellschafter gleichwohl seinen Anteil (wenn auch mittelbar über den internen Ausgleich) an den Gläubiger leisten muss. 93 Der Erlass eines Gesamtschuldners im Außenverhältnis enthält zugleich eine mittelbare Belangung aller Gesamtschuldner im Innenverhältnis. Der verschonte Gesellschafter scheidet damit nur nach außen aus dem Gesamtschuldverhältnis aus. In der Tat handelt sich daher beim Erlass der Schuld eines Gesellschafters eher um ein persönliches pactum de non petendo. 94 Wegen der Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung in der OHG können der Gesellschafter und der Gläubiger das Gesamtschuldverhältnis lediglich in einer Phase modifizieren, und zwar bei der Inanspruchnahme. Sie haben allerdings keinen Einfluss auf die interne Schuldtragung. Dieses Beispiel zeigt, dass angesichts der Konstruktion des Art. 373 ZGB die Überlegungen über die Zulässigkeit des Erlasses eines Gesamtschuldners eigentlich gegenstandslos sind, weil dieser Erlass keine Wirkungen für die endgül91

Jurcewicz, Odpowiedzialno´sc´ , S. 198. Jurcewicz, Odpowiedzialno´sc´ , S. 197. 93 Wacke, Der Erlaß, S. 46. Die Wirkung des Erlasses nur im Außenverhältnis nimmt auch die polnische Gesamtschuldlehre an, vgl. Masłowski, in: Kodeks, S. 903. 94 Vgl. die grundlegende Untersuchung von Wacke, Der Erlaß, S. 43 ff. Seine Ausführungen beziehen sich zwar auf die Gesamtschuld im Allgemeinen, treffen aber auch auf das Verhältnis zwischen Gesellschaftern zu. 92

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

tige Schuldentragung hat. Das polnische Recht hat bei der Regelung des Erlasses der Schuld eines Gesamtschuldners bewusst auf die Übernahme der Konstruktion des Art. 1210 Cciv verzichtet, wonach der Gläubiger die Mitschuldner nur noch bezüglich des Anteils in Anspruch nehmen darf, den der durch den persönlichen Erlass begünstigte Gesamtschuldner im Innenverhältnis schuldete. 95 Dies hat zur Folge, dass selbst wenn ein Gesamtschuldner von der Haftung durch den Gläubiger befreit wird, sich sein Anteil an der endgültigen Schuldentragung gem. Art. 376 § 1 ZGB bestimmt. Falls es zwischen Gesamtschuldnern kein Innenverhältnis (dies ist allerdings nicht der Fall bei den OHG-Gesellschaftern) gibt, so muss er den gleichen Anteil wie die anderen tragen, obwohl der Gläubiger seine Rechte ihm gegenüber aufgegeben hat. Prüfungsbedürftig ist ferner, ob ein Auseinanderfallen des Außen- und Innenverhältnisses auch bei der Novation (Schulderneuerung) zwischen dem Gesellschaftsgläubiger und einem Gesellschafter vorliegt. Im Einklang mit der Disposition des Art. 374 § 1 ZGB i.V. m. Art. 22 § 2 HGG sollte die durch den Gläubiger mit einem Gesellschafter abgeschlossene Novation befreiend für die anderen Mitgesellschafter wirken, es sei denn, der Gläubiger hat sich seine Rechte ihnen gegenüber vorbehalten. 96 Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die Anwendbarkeit der Konstruktion der Novation auf die oben genannte Lage fraglich erscheinen kann. Die Gesellschafter sind nicht die Partei des Schuldverhältnisses zwischen der Gesellschaft und ihrem Gläubiger, sondern nur akzessorische gesetzliche Schuldner. Die Zweifel beziehen sich darauf, was der Gegenstand der Erneuerung sein kann. Es scheint, dass die Änderung des Haftungsinhalts des Gesellschafters, mit dem der Gläubiger die Novation abgeschlossen hat, den richtigen Gegenstand der Novation darstellt, weil die Änderung des Inhalts der Hauptschuld im Wege einer Vereinbarung lediglich mit einem gesetzlichen akzessorischen Nebenschuldner aus den oben genannten Gründen unmöglich ist. Es folgt, dass eine vertragliche Änderung des Haftungsinhalts eines Gesellschafters, die ihrer Natur nach der Novation entspricht, zulässig erscheint, aber keine Befreiung anderer Gesellschafter zur Folge haben kann, auch ohne einen entsprechenden Vorbehalt des Gläubigers. Ungeachtet einer „Quasi-Novation“ mit einem Gesellschafter besteht die Gesellschaftsschuld weiter unverändert, was bedeutet, dass alle übrigen Gesellschafter für die Erfüllung dieser Schuld einzustehen haben. Die oben genannte „Quasi-Novation“ kann sich lediglich auf den Haftungsinhalt dieses Gesellschafters beziehen, der mit dem Gesellschaftsgläubiger eine „QuasiNovation“ abgeschlossen hat.

95 Vgl. Longchamps de Berier, Uzasadnienie, S. 18, mit einem Hinweis, der auf einen typisierten Parteiwillen abstellt (sobald der Gläubiger lediglich einen Gesamtschuldner von der Haftung erlässt, so ist anzunehmen, dass er will, dass seine Rechtsbeziehung zu den anderen Gesamtschuldnern unberührt bleibt). 96 So Strze˛pka, Konsekwencje, S. 9.

§ 2 Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter

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Leistet der Gesellschafter, mit dem „eine Quasi-Novation“ abgeschlossen wurde, dann entsteht die Frage, ob dieser Gesellschafter den Regress bei der Gesellschaft bzw. den Mitgesellschaftern nehmen kann. Gem. Art. 506 § 1 ZGB zeichnet sich die Novation dadurch aus, dass sich der Schuldner verpflichtet, zwecks der Tilgung des Schuldverhältnisses mit der Einwilligung des Gläubigers eine andere Leistung zu erbringen bzw. dieselbe Leistung, aber aus einer anderen Rechtsgrundlage. Die Novation stellt ein Surrogat der Erfüllung dar. Die Parteien beabsichtigen die Tilgung des Schuldverhältnisses. 97 Als Schuldverhältnis im Sinne der genannten Vorschrift ist die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters zu verstehen, was impliziert, dass der Gesellschafter die Novation abschließt, um von seiner gesetzlichen Einstandpflicht für die OHG-Verbindlichkeiten befreit zu werden. Es spielt keine Rolle, dass der Gesellschafter eine andere Leistung erbringt oder dass die Rechtsgrundlage seiner Leistung eine andere ist, sobald diese der Erfüllung seiner Haftungsverbindlichkeit dient. Die Quasi-Novation erfolgt mit der Beteiligung des Gläubigers, der damit einverstanden ist, dass er etwas anderes bekommt, als von der Gesellschaft ursprünglich geschuldet. Die aufgrund der Quasi-Novation erfolgende Leistung durch den Gesellschafter befreit die Gesellschaft von der Leistungspflicht. Das Schuldverhältnis mit dem Gesellschaftsgläubiger wird getilgt. Dieser Gedankengang spricht eindeutig dafür, dem Gesellschafter einen Regressanspruch gegen die Gesellschaft und subsidiär gegen die Mitgesellschafter zuzuerkennen. Es steht außer Zweifel, dass der Gläubigerverzug gegenüber einem Gesellschafter auch für die übrigen Gesellschafter wirkt (Art. 374 § 2 ZGB). Demgegenüber wirkt der Gläubigerverzug gegenüber einem Gesellschafter nicht für die Gesellschaft. 98 Dieses Ergebnis folgt daraus, dass es keine Gesamtschuld i. S. d. Art. 366 ff. zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft gibt. Die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung lässt diese Wirkung auch nicht zu. Ferner sind keine systematischen oder teleologischen Argumente ersichtlich, die eine gegenteilige Lösung rechtfertigen. Die Haftungsverbindlichkeiten einzelner Gesellschafter sind der selbstständigen Verjährung fähig. Art. 371 ZGB, der bestimmt, dass die Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung bei einem Gesamtschuldner gegenüber den anderen Gesamtschuldnern nicht wirkt, ist auf das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern einer OHG anwendbar. Aus Gläubigersicht bedeutet dies, dass er, sobald er die Gesellschaft nicht in Anspruch nimmt, 99 um der Verjährung einzelner Haftungsverbindlichkeiten der Gesellschafter vorzubeugen, gegen alle Gesellschafter 97

Vgl. Gandor, in: System, Bd. III, 1.T., S. 886; Szpunar, Kilka, S. 11. Anders in Bezug auf dt. HGB Großkommentar HGB / R. Fischer, § 128 Rn. 27, allerdings ohne Begründung. 99 Zu wechselseitigen Wirkungen der Verjährungsunterbrechung im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter vgl. Zweites Kapitel § 2 C. IV. 98

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

vorgehen muss. Auch in diesem Fall hat der Ausschluss der Haftung eines Gesellschafters aufgrund der Verjährung seiner Haftungsverbindlichkeit lediglich im Außenverhältnis Bedeutung. 100 Die Einwendungen der Gesellschafter wurden bereits früher erörtert. Im Hinblick auf Art. 35 HGG, wonach der in Anspruch genommene Gesellschafter auch die Einwendungen der Gesellschaft geltend machen kann, verliert Art. 375 § 1 ZGB weitgehend an eigenständiger Bedeutung. Es bedarf keiner besonderen Grundlage dafür, dass persönliche Einwendungen jedes Gesellschafters nur ihm vorbehalten bleiben. Dies ergibt sich aus allgemeinen Regeln, die hier keine Ausnahme finden. Die Einwendungen, die mit Rücksicht auf die Art und Weise der Entstehung oder auf den Inhalt des Schuldverhältnisses allen Schuldnern gemeinschaftlich zustehen (sog. „gemeinsame“ Einwendungen i. S. d. Art. 375 § 1 ZGB), sind meistens die Einwendungen der Gesellschaft. Daher sind nur ganz wenige Einwendungen der Gesellschafter von Art. 35 HGG nicht gedeckt, z. B. die Einrede des Erlasses der Gesellschafterhaftung, die aus einem Erlassvertrag zwischen einem Gesellschafter und einem Gesellschaftsgläubiger folgt. Die Regressverhältnisse in der OHG wurden eben bereits oben erläutert. Im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern bleibt Art. 376 § 1 ZGB anwendbar in dem Sinne, dass das von ihm angesprochene Innenverhältnis die Regressabwicklung bestimmt.

C. Beurteilung Diese kurze Untersuchung hat die Annahme bestätigt, dass die Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld auf das Verhältnis unter den Gesellschaftern anwendbar sind. Die Unterscheidung zwischen den beiden Ebenen innerhalb der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit, der Verpflichtung zur Schuldentilgung im Verhältnis zu gemeinsamen Gläubiger (obligation à la dette) und der endgültige Schuldentragung im Verhältnis untereinander (contribution à la dette), 101 wurde anschaulich gezeigt. Die Gesamtschuld im ZGB scheint so aufgebaut zu sein, dass sich möglichst wenige Änderungen des Außenverhältnisses auf das Innenverhältnis auswirken. Dies zeigte sich bei dem Erlass bzw. der Novation mit einem Gesellschafter. Dieser Umstand spricht allerdings dafür, dass beide Ebenen der Gesamtschuld, Innen- und Außenverhältnis, in enger Verbindung betrachtet werden müssen, weil die Erklärung mancher Rechtswirkungen sonst unmöglich ist. 100

So allgemein für alle Gesamtschuldner Masłowski, in: Kodeks, S. 903. Vgl. H. Mazeaud / L. Mazeaud / J. Mazeaud / Chabas, Leçons, S. 1107; Gibirila, L’obligation, S. 625 f. Wenn Klein, Istota, S. 215, behauptet, dass das Innenverhältnis von der Struktur der Gesamtschuld nicht umfasst wird, assoziiert er sicherlich die Gesamtschuld mit der obligation à la dette im obengenannten Sinne. 101

§ 2 Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter

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D. Der Gesellschafter als Gläubiger der Gesellschaft – Exkurs Vor dem Hintergrund der gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten taucht die Frage auf, ob die gesamtschuldnerische Haftung auch dann gilt, wenn dem Gesellschaftsgläubiger gleichzeitig auch die Gesellschafterstellung zukommt. Der Fall, in dem ein Gesellschafter gleichzeitig Gläubiger der Gesellschaft ist, gab bereits Anlass zu Kontroversen während der Arbeiten am deutschen Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1897. Noch ein Entwurf von 1895 102 sah vor, dass „diese Vorschrift (heute § 128 dt. HGB) auf die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter keine Anwendung findet“. Darauf wurde jedoch unter dem Hinweis auf die damalige Rechtsprechung des RG verzichtet, die dem einzelnen Gesellschafter unter gewissen Einschränkungen das Recht zugestanden hat, wegen einer Forderung gegen die Gesellschaft die Mitgesellschafter in Anspruch zu nehmen. 103 Die heute herrschende Meinung in der deutschen Lehre sieht die Kumulation der Gläubiger- und der Gesellschafterstellung ohne weiteres als zulässig an. 104 Es muss sich allerdings um einen „Drittanspruch“ des Gesellschafters handeln, nicht um „Sozialansprüche“, die ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis haben. „Drittansprüche“ folgen aus Rechtsgeschäften zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, bei denen sich die Parteien wie Dritte gegenüberstehen. 105 Die Rechtsnatur der Gesellschafterhaftung aus sog. Drittgeschäften ist umstritten. Nach herrschender Ansicht haften die Mitgesellschafter als Gesamtschuldner, wobei sich der Gesellschafter-Gläubiger bei der Inanspruchnahme seiner Mitgesellschafter den eigenen Haftungsanteil abziehen lassen muss, der im Innenverhältnis als Verlustanteil auf ihn entfällt (Haftung minus rata). 106 Nach abweichender Ansicht haften die Mitgesellschafter als Teilschuldner mit wechselseitiger Ausfallgarantie (Haftung pro rata). 107 Ferner wird einhellig vertreten, dass der Gesellschafter-Gläubiger wegen der Treubindung seine Mitgesellschafter nur subsidiär in Anspruch nehmen kann, also dann, wenn eine Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen nicht zu erwarten ist. 108

102

§ 102 Abs. 2 des Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895 (RJA – E I). 103 Denkschrift, S. 267; vgl. auch Schubert, Zur Entstehung, S. 57. 104 Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 12. 105 Eingehend Staub / Habersack, § 126 Rn. 10. 106 Statt vieler A. Hueck, Das Recht, S. 310; Staub / Habersack, § 128 Rn. 25; sowie die herrschende Rechtsprechung: BGH v. 01. 12. 1982 (VII ZR 206/81), NJW 1983, Heft 14, S. 749 f. 107 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1413; Walter, Der Gesellschafter, S. 85; Kornblum, Die Haftung, S. 143. 108 Vgl. statt vieler A. Hueck, Das Recht, S. 310; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1413.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

Dem Standpunkt der deutschen Lehre, dass die Gesellschafter subsidiär haften, ist in Hinblick auf die normative Grundlage der Subsidiarität im polnischen Recht (Art. 31 § 1 HGG) ohne weiteres zuzustimmen. Bedenken bestehen bezüglich dem Umfang der Gesellschafterhaftung. Die oben dargestellte herrschende Ansicht der deutschen Lehre scheint auch im polnischen Schrifttum zu dominieren. 109 Die These von der gesamtschuldnerischen Haftung minus rata der Gesellschafter steht mit Sicherheit dem Buchstaben des Gesetzes (Art. 22 § 2 HGG) näher als die Gegenauffassung. Allerdings weist sie eine funktionelle Schwäche auf, da sie die Notwendigkeit weiterer Rückabwicklungen unter den Gesellschaftern bewirkt. Da die Gesellschafter untereinander in Höhe ihrer jeweiligen Verlustbeteiligung zum Ausgleich verpflichtet sind (Art. 376 § 1 ZGB), kann der in Anspruch auf das Ganze (minus rata des Gesellschafter-Gläubigers) genommene Gesellschafter seinerseits Ausgleichung von dem Gesellschafter-Gläubiger verlangen. 110 Für die Haftung der Gesellschafter als Teilschuldner spricht vor allem der Gedanke der Treuepflicht der zu einer Risikogemeinschaft gehörenden Gesellschafter, was im Vorrang des gesellschaftlichen Innenverhältnisses vor dem Außenrecht zum Ausdruck gebracht wird. 111 Zu beachten ist, dass das infolge dieser Konstruktion erlangte Ergebnis sicherlich gerechter ist als die gesamtschuldnerische Haftung minus rata. Ein Regress-Karussell, das bei der gesamtschuldnerischen Haftung entsteht, wird vermieden. Die nach Art. 376 § 1 ZGB geforderte Verlustverteilung wird von vornherein vorgenommen. Schließlich kann man zugunsten der Annahme der pro rata Haftung das Argument nennen, dass mit der Annahme der pro rata Haftung eine Gleichstellung des außergesellschaftlichen Anspruches eines Gesellschafter-Gläubigers mit dem Regressanspruch eines Gesellschafters, der den Gesellschaftsgläubiger befriedigt hat, erreicht werde. 112 Dieses Argument erscheint relevant, dass es zwischen den zwei oben genannten Ansprüchen gewisse Parallelen gibt, was anzunehmen erlaubt, dass die Gleichstellung ihrer rechtlichen Regime ein theoretischer und praktischer Vorteil sein könnte. Allerdings ist insgesamt darauf hinzuweisen, dass die Haftung als Teilschuldner mit wechselseitiger Ausfallgarantie (vgl. Art. 376 § 2 ZGB) vor allem wegen ihrer Praktikabilität und Ökonomie der Rückabwicklung unter den Gesellschaftern vorzuziehen ist.

E. Die Haftung des ausscheidenden Gesellschafters – Exkurs Es besteht kein Zweifel, dass der Gesellschafter für die nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft entstandenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht 109 Bereits Allerhand, Kodeks, S. 143 f.; Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 49 (S. 240); zust. Pabis, Odpowiedzialno´sc´ , S. 735. 110 A. Hueck, Das Recht, S. 310; 111 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1413. 112 Walter, Der Gesellschafter, S. 86; Herbet, Odpowiedzialno´sc´ , S. 65.

§ 2 Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter

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haftet. Mit dem Ausscheiden endet seine Gesellschafterstellung und somit ist kein Grund dafür ersichtlich, warum er für die sog. Neuverbindlichkeiten haften soll. Die Frage betrifft daher allein seine Haftung für die sog. Altverbindlichkeiten, die bis zum seinem Ausscheiden begründet worden sind. Das HGB von 1933 sah in Art. 141 S. 1 vor, dass die Ansprüche gegen die Gesellschafter wegen Gesellschaftsverbindlichkeiten in fünf Jähren nach der Eintragung der Löschung der Gesellschaftsfirma oder dem Ausscheiden eines Gesellschafters verjährten, es sei denn, der Anspruch gegen die Gesellschaft unterlag einer kürzeren Verjährung. Wurde die Forderung erst nach dieser Eintragung fällig, so begann die Verjährung mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit (Art. 141 S. 2 HGB). Darüber hinaus ordnete Art. 142 HGB an, dass die Handlungen gegenüber der Gesellschaft die Verjährung gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter nicht zu unterbrechen vermochten. Das HGG hat weder die oben genannten Regelungen übernommen noch andere Aussagen bezüglich dieser Fragen getroffen. Geregelt sind lediglich die Rechtsfolgen eines Unterfalls des Ausscheidens aus der Gesellschaft, nämlich der Anteilsveräußerung unter Lebenden (vgl. Art. 10 § 3 HGG). Danach haftet sowohl der Anteilserwerber als auch der Anteilsveräußerer für die Verbindlichkeiten der OHG gesamtschuldnerisch. Welche Folgerungen sind aus den Bestimmungen des HGG zu ziehen? Die erwähnte Vorschrift des HGB sah lediglich eine besondere Verjährungsfrist bezüglich der Ansprüche gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter vor. Somit blieb die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für die im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gesellschaft bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft unberührt. Es muss davon ausgegangen werden, dass das HGG am Prinzip der Forthaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nichts geändert hat. Aufgehoben wurde eine besondere Verjährungsfrist der Ansprüche gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter. Nach dem geltenden Recht unterliegen diese Ansprüche den allgemeinen Verjährungsfristen. Diese Folgerung bedarf keiner besonderen Begründung. Sie stützt sich auf Art. 22 § 2 HGG. Durch sein Ausscheiden aus der Gesellschaft befreit sich der Gesellschafter nicht von der Haftung für die bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Es bedarf einer speziellen gesetzlichen Grundlage, damit ihm für bereits entstandene Haftungsverbindlichkeiten eine Sonderverjährung bzw. Enthaftung zugute kommt. 113 Eine solche Grundlage war Art. 141 HGB, der seinerseits eine wörtliche Wiederholung des bis heute geltenden Art. 591 schweiz. OR darstellte. Auf dieselbe Weise wird die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters im deutschen Recht geregelt. Nach § 160 Abs. 1 dt. HGB haftet der aus der Gesellschaft ausscheidende Gesellschafter für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach 113

Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1492.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer gesetzlich vorgeschriebenen Art festgestellt worden sind oder Vollstreckungshandlungen betrieben werden. Die genannten rechtsvergleichenden Regelungsbeispiele bestätigen die Richtigkeit des angenommenen Standpunktes. Die sorgfältige Erforschung der Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters bedarf einer besonderen Untersuchung. Hier wird von einer Stellungnahme bezüglich zahlreicher, manchmal rechtstechnischer Einzelfragen abgesehen. 114 Hinzuweisen ist lediglich darauf, dass die Betrachtung der Gesellschafter als akzessorische Sicherungsgeber der Gesellschaft erlaubt, die grundsätzliche Gleichartigkeit der Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters mit der Haftung des der Gesellschaft angehörenden Gesellschafters anzunehmen. Der ausgeschiedene Gesellschafter hört nicht auf, ein akzessorischer Schuldner für Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu sein. Die Ausführungen über die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung für die Gesellschaftsschuld sind auch für die Bestimmung seiner Rechtsstellung maßgeblich.

§ 3 Die unbeschränkte Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten A. Einleitung Die Frage der unbeschränkten Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der OHG wurde in dieser Arbeit von Anfang an angesprochen. Die unbeschränkte Gesellschafterhaftung, wie sie Art. 22 § 2 HGG statuiert, gehört ohne Zweifel zur Begriffsbestimmung der OHG. Diese Eigenschaft individualisiert auch die OHG im Gegensatz zu anderen Rechtsformen der Handelsgesellschaft. Dies gilt nicht nur im polnischen Recht, sondern auch in zahlreichen europäischen Rechtsordnungen. Ein am Anfang dieser Untersuchung erfolgter historischer Blick auf die Entwicklung der OHG im germanischen Rechtskreis sowie in der polnischen Rechtsordnung hat gezeigt, dass die unbeschränkte Gesellschafterhaftung in der Entwicklung der OHG vom ADHGB über das deutsche HGB von 1897 und das polnische HGB von 1933 bis zum HGG stets anwesend war. Im Folgenden erfolgt ein Blick auf die Regelung der unbeschränkten Haftung nach dem HGG sowie auf die Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung in der OHG. Die Erörterung der Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung führt uns zum Institut der Partnerschaftsgesellschaft, einer auf die Bedürfnisse der Freiberufler 114 Vgl. der Überblick über einzelne Problemfelder bei Flume, Die Personengesellschaft, S. 295 ff. (zwar zum alten Rechtszustand nach dem dt. HGB, aber theoretisch weiterhin relevant); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1491 ff., m.w. N.

§ 3 Unbeschränkte Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

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zugeschnittenen Fassung der OHG, welche eine gesetzliche Haftungsbeschränkung ermöglicht. Wegen der dogmatischen sowie auch ökonomischen Breite und Komplexität ausgeklammert bleibt die allgemeine Problematik des Sinns und Zwecks der unbeschränkten Haftung sowie der Grenzen der Haftungsbeschränkung. 115 Der Hinweis auf den Rechtszustand nach dem HGG sowie auf die hinter ihm stehende und ermittelbare Wertung soll genügen.

B. Die unbeschränkte Haftung im Gesellschaftsrecht In einer grundlegenden Untersuchung zum Prinzip der unbeschränkten Haftung im deutschen Recht, die aber mit ihrem Schluss auch für das polnische Recht relevant ist, hat neuerdings Reiff das Bestehen des Rechtssatzes „persönliche Haftung oder gesichertes Mindestkapital“ hervorgehoben. 116 Die unternehmenstragenden Verbände werden vor eine zwingende Alternative gestellt. 117 Entweder organisieren sie sich in einer zu diesem Zweck zugelassenen juristischen Verbandsperson, mit der Folge, dass für die Verbandsschulden nur das Vermögen der juristischen Person haftet. Diese Nichthaftung der Mitglieder habe zum Schutz der Gläubiger freilich ihren Preis, der in Form von strikten gesetzlichen Kapitalaufbringungsund -erhaltungsvorschriften zu entrichten sei. Bei den Personenverbänden, zu denen die Personengesellschaften gehören, sei die Aufbringung und Erhaltung des Verbandsvermögens nicht gesetzlich garantiert. Für die Schulden des Verbandes müssten daher außer dem Verbandsvermögen auch sämtliche Mitglieder persönlich mit ihrem Privatvermögen haften. Vor diese zwingende Alternative stelle das geltende Recht alle unternehmenstragenden Verbände, unabhängig von Gegenstand und Größe des von ihnen betriebenen Unternehmens. Sie sei ein durchgängiges Regelungsprinzip des Verbandsrechts. Der hierdurch verfolgte Zweck sei klar. Die Mitglieder unternehmenstragender Verbände sollen die institutionelle Haftungsbeschränkung auf das Verbandsvermögen, also ihre eigene Nichthaftung, nur in der Rechtsform einer gesetzlich zu diesem Zweck ausdrücklich zugelassenen juristischen Verbandsperson erreichen können. 118 Das oben erwähnte Prinzip der unbeschränkten Haftung im Gesellschaftsrecht wird als eine Regel im normativen Sinne verstanden. 119 Jede Beschränkung der Haftung stelle eine Belastung des Rechtsverkehrs dar. Im Unternehmensrecht bedürfe sie besonderer Legitimation, und der Preis dieser Legitimation muss durch 115 Vgl. die grundlegende Untersuchung von Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, Tübingen 2003. 116 Reiff, Die Haftungsverfassungen, S. 347. 117 Reiff, Die Haftungsverfassungen, S. 347 f. 118 Reiff, Die Haftungsverfassungen, S. 348. 119 Reiff, Die Haftungsverfassungen, S. 347; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 540; früher Lutter, Kapital, S. 41.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

diejenigen bezahlt werden, die als Herren der Verbandsverfassung anderenfalls unbeschränkt zu haften hätten und denen auch der Erfolg der Unternehmenstätigkeit zukommt: die Mitglieder. Sie haften unbeschränkt, soweit und solange sie nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer anerkannten Rechtsform mit beschränkter Haftung erfüllt haben. 120 Hierfür sorgen mehrere Regelungen. 121 Erstens gibt es strenge Kapitalaufbringungsregeln. Dabei wird darauf geachtet, dass bei Sacheinlagen und Verrechnungsvorgängen der Gesellschaft auch verwertbare Mittel zufließen. 122 Zweitens korrespondieren mit den Kapitalaufbringungsvorschriften strenge Kapitalerhaltungsregeln, damit das haftende Kapital durch Ausschüttungssperren gesichert wird. 123 Ferner gelten Unterkapitalisierungsverbote, welche die Konkursverursachungshaftung zur Folge haben. 124 Schließlich sind Konkursantragspflichten bei Überschuldung des Rechtsträgers vorgesehen, weil die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit durch eine vielleicht noch zahlungsfähige, aber schon überschuldete Gesellschaft verboten und sogar unter Strafe gestellt ist. 125 Betrachtet man die unterschiedlichen Gesellschaftsformen im polnischen Recht, so fällt auf, dass die Personengesellschaften, abgesehen von der KGaA, den oben genannten Erfordernissen grundsätzlich nicht unterliegen. Die Vorschriften über die Kapitalaufbringung- und -erhaltung gelten für diese Rechtsformen nicht. Obwohl die allgemeine Einlagepflicht des Art. 3 HGG auch für die Personenhandelsgesellschaften gilt, ist ihr Vermögen vor den Eingriffen der Gesellschafter nicht geschützt. Die fehlende Kapitalbindung hat zur Folge, dass es unmöglich ist, das Verbot einer Unterkapitalisierung bezüglich der Personengesellschaften zu konstruieren. Trotz unterschiedlicher Vermögens- und Kapitalbindung sind die Personen- und Kapitalgesellschaften im Hinblick auf die Eröffnungsgründe des Konkursverfahrens gleichgestellt. Die Überschuldung ist nach dem geltenden Recht auch ein Konkursgrund für die Personengesellschaften (vgl. Art. 11 Abs. 2 KSR). 126 Die Konkursantragspflicht gilt im selben Ausmaß für Personengesellschaften wie auch für Kapitalgesellschaften (vgl. Art. 21 Abs. 2 KSR). Dies 120

Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 540; früher auch Lutter, Kapital, S. 51. Die Aufzählung nach K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 540. 122 Vgl. Art. 14 HGG (Mindestanforderungen an Einlagen in die Kapitalgesellschaften). 123 Vgl. Art. 189 HGG (Verbot der Zurückzahlungen von Einlagen in der GmbH). 124 Diese Problematik wurde in der polnischen Rechtsprechung noch nicht entwickelt. 125 Vgl. Art. 586 HGG sowie Art. 21 KSR. 126 Gemäß des Art. 1 § 2 des bisher geltenden Konkursrechts v. 24. 10. 1934 (Dz. U. 1991, Nr. 118, Pos. 512 m. Ä.) galt dies ausschließlich für die in der Liquidation befindlichen Personengesellschaften. Nach § 19 Abs. 3 dt. InsO gilt die Überschuldung als ein Insolvenzgrund nur für solche Personengesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Kritisch dazu bereits früher (noch zur gleichen Rechtslage nach der alten Konkursordnung v. 10. 02. 1877) K. Schmidt, Insolvenzrisiko, S. 302, sowie auch jetzt, Gesellschaftsrecht, S. 1351: de lege ferenda Ausdehnung dieses Insolvenztatbestandes auf alle unternehmenstragenden Gesellschaften. 121

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bedeutet, dass das gesetzliche Verbot der Fortführung eines noch zahlungsfähigen, aber schon überschuldeten Unternehmens auch für die Unternehmen gilt, deren Träger Personengesellschaften sind. Dem kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber die Kapitalausstattung einer Kapitalgesellschaft einerseits und die persönliche Gesellschafterhaftung bei den Personengesellschaften andererseits als gleichwertige Mittel der Sicherung der Gläubigererwartungen bezüglich der Bonität der durch die Gesellschaften geführten Unternehmen ansieht. 127 Das oben Gesagte erlaubt anzunehmen, dass es ein Wechselspiel von Haftung und Kapitalsicherung nach dem HGG im polnischen Recht gibt. 128 Es liegt ein wechselseitiges Legitimationsverhältnis vor. Erst eine strenge Kapitalsicherung rechtfertigt die beschränkte Haftung, und deshalb fordert und rechtfertigt die beschränkte Haftung auch eine strenge Kapitalsicherung.

C. Vertragliche Haftungsbeschränkungen Der gesetzliche, akzessorische Charakter der Gesellschafterhaftung bewirkt, dass die Beschränkung der Haftung nur im Wege eines Vertrages zwischen einem Gesellschafter und einem bestimmten Gesellschaftsgläubiger erfolgen kann. Zunächst ist festzustellen, dass die unbeschränkte Gesellschafterhaftung nicht durch eine entsprechende Beschränkung der Vertretungsmacht der agierenden Gesellschafter ausgeschlossen werden kann. Die Vertretungsmacht eines Gesellschafters erstreckt sich zwingend auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte der Gesellschaft. Eine gegenständliche Beschränkung ihres Umfangs ist Dritten gegenüber unwirksam (vgl. Art. 29 § 2 und 3 HGG). Aus diesem Grund ist im Außenverhältnis eine Beschränkung der Vertretungsmacht unwirksam, nach der ein vertretungsbefugter Gesellschafter nur solche Geschäfte abschließen kann, für die ausschließlich das Gesellschaftsvermögen haftet. Ein wirksam zustandegekommener Vertrag hat die unbeschränkte Gesellschafterhaftung für die in Zusammenhang mit dem Vertrag entstehenden Verbindlichkeiten zur Folge. Ferner hat die Regelung des Art. 34 i.V. m. Art. 31 § 1 i.V. m. Art. 22 § 2 HGG zur Aufgabe, die Unzulässigkeit einer einseitigen Haftungsbeschränkung vorzuschreiben. Sämtliche Gesellschaftervereinbarungen, welche die unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung beschränken bzw. modifizieren, entfalten Wirkungen lediglich im Innenverhältnis. Untereinander können die Gesellschafter 127 Um die Systemkohärenz zu garantieren, ist es empfehlenswert, den persönlichen Anwendungsbereich des Art. 568 HGG auch auf die Geschäftsführer der OHG und KG auszudehnen, da die Konkursantragsstellungspflicht ihrer Geschäftsführer nach dem geltenden Recht nicht strafbewährt ist: Nach Art. 586 HGG unterliegen nur Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft oder Liquidatoren der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Konkursverschleppung. 128 Vgl. im Allgemeinen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 540.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

die Schuldentragung den besonderen Verhältnissen der jeweiligen Gesellschaft anpassen. Hinzuweisen ist auf Art. 51 § 3 HGG, nach dessen Maßgabe die Zulässigkeit des Haftungsausschlusses einzelner Gesellschafter im Innenverhältnis begründet werden kann. Der Gesellschaftsvertrag kann somit vorsehen, dass ein oder mehrere Gesellschafter im Innenverhältnis von der Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten befreit sind, z. B. dass sie nur in der Höhe ihrer Einlage haften, nur für bestimmte Arten von Verbindlichkeiten haften, in einer bestimmten Höhe haften, oder für die vor dem Eintritt in die Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten nicht haften. 129 Es stellt sich auch die Frage nach der Zulässigkeit einer Vertragsgestaltung, bei der lediglich ein einziger Gesellschafter für sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten im Innenverhältnis einzustehen hat. Im Allgemeinen ist die Zulässigkeit einer solchen Vertragsgestaltung nicht ausgeschlossen. Kontroversen können sich in Einzelfällen ergeben, in denen eine solche Vertragsgestaltung als sittenwidrig angesehen werden kann. 130 Die Rechtsfolgen der zwingenden unbeschränkten Haftung können im Hinblick auf konkrete Gesellschaftsverbindlichkeiten dadurch vermieden werden, dass die Gesellschafter oder auch die zugunsten der Gesellschafter handelnde Gesellschaft mit einzelnen Drittgläubigern ausdrücklich eine Haftungsbeschränkung vereinbaren. 131 Die Zulässigkeit solcher Abreden beurteilt sich nach Maßgabe der Artt. 58, 353 1, 473 § 2 ZGB. Es gibt keine speziellen gesellschaftsrechtlichen Regelungen, welche die Einschränkung solcher Vereinbarungen zum Gegenstand haben. 132 Die Gesellschafter haften unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten ausschließlich im Interesse der Gesellschaftsgläubiger, denen eine andere Sicherung für ihre Forderungen im Sinne etwa des gesetzlichen Mindestkapitals von Gesetzes wegen nicht geboten wird. Die ratio legis von Art. 22 § 2 i.V. m. Art. 31 § 1 HGG steht einem Verzicht bestimmter Gläubiger, denen das Vertrauen in die Person des Gesellschafters, in das Gesellschaftsvermögen oder in möglicherweise zusätzlich bestellte Sicherungsrechte eine hinreichende Sicherheit bedeuten, nicht entgegen. Zu betonen ist ferner, dass sich solche Vereinbarungen lediglich auf das Außenverhältnis der Gesellschaft erstrecken. 133 Sie schützen den privile129

Vgl. Derrida, Nom collectif, S. 26. Die Zulässigkeit einer solchen Abrede ist ohne Zweifel zu bejahen, wenn z. B. der allein Haftende im Innenverhältnis eine GmbH ist, während die übrigen Gesellschafter, die gleichzeitig auch Gesellschafter dieser GmbH sind, von der Verlustbeteiligung ausgeschlossen sind. 131 Die Frage wurde zum Teil bereits im zweiten Kapitel erörtert. 132 Die Zulässigkeit der Haftungsbeschränkungen auf das Gesellschaftsvermögen wurde in der französischen Rechtsprechung bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts anerkannt, vgl. Gibirila, L’obligation, S. 629. Vgl. auch Urteil des BGH v. 11. 10. 1971 (II ZR 68/68), WM 1971, Heft 49, S. 1451 („Die Gesellschafter können mit einem Gesellschaftsgläubiger vereinbaren, dass nur die Gesellschaft haften soll“). 133 Staub / Habersack, § 128 Rn. 16. 130

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gierten Gesellschafter nicht vor dem Regress eines vom Gläubiger in Anspruch genommenen Gesellschafters.

D. Gesetzliche Haftungsbeschränkung bei der Partnerschaftsgesellschaft I. Allgemeines Die Erörterung der unbeschränkten Gesellschafterhaftung in der OHG führt unvermeidlich zur interessanten Frage der Haftungsverfassung der Partnerschaftsgesellschaft. Aus Sicht dieser Untersuchung sind die Abweichungen vom Haftungsmodell der OHG interessant. Dem berufsrechtlichen Aspekt dieser Problematik wird aus verständlichen Gründen weniger Beachtung geschenkt. Als Gesellschaftsform ist die Partnerschaftsgesellschaft als eine an die OHG angelehnte Form anzusehen; sie kann im Hinblick auf das Innenverhältnis der GmbH angenähert werden. 134 Die Modifizierungen des subsidiär auf die Partnerschaft 135 anzuwendenden OHG-Rechts (Art. 89 HGG) resultieren aus der spezifischen Zwecksetzung dieser Gesellschaftsform und ändern ihre der OHG vergleichbare Rechtsnatur als Personengesellschaft nicht. Nach Art. 86 § 1 und § 2 HGG wird die Partnerschaft durch die Gesellschafter zwecks Ausübung eines oder mehrerer freier Berufe in einer unter eigener Firma ein Unternehmen führenden Gesellschaft gegründet. Im Hinblick auf die eigene Rechtsfähigkeit der Partnerschaft bedeutet diese Vorschrift, dass der Vertrag (Anwalts-, Arzt-, Architektenvertrag usw.) zwischen dem Mandanten (Patienten, Klienten usw.) und der Gesellschaft abgeschlossen wird. Die Vertragsschuld ist daher eine Gesellschaftsverbindlichkeit. Die einzelnen Partner als Freiberufler handeln nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Gesellschaft. II. Grundsatz der Handelndenhaftung Wegen des spezifischen Zwecks der Partnerschaft muss man bei dieser Rechtsform Allgemein- (Gesellschaftshaftung) und Berufshaftung unterscheiden. Was die Allgemeinhaftung (gegenüber Lieferanten, Kreditgebern, Arbeitnehmern, Vermietern usw.) anbelangt, richtet sie sich nach den für die OHG geltenden Regeln 134 Vgl. Tereszkiewicz, Die Partnerschaftsgesellschaft, S. 96 mit Literaturnachweisen. Die manchmal verwendete Bezeichnung der Partnerschaftsgesellschaft als eine „Mischform“ finde ich zu weitgehend, da die Rechtsnatur sowie wesentliche Konstruktionselemente der Partnerschaftsgesellschaft denen der OHG entsprechen. 135 In Anlehnung an das deutsche Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe v. 25. 07. 1994 wird hier aus sprachlichen Gründen die kürzere Form „Partnerschaft“ vorgezogen.

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

(Art. 89 HGG). Insofern sind die Überlegungen zur OHG auch auf die Partnerschaft anwendbar. Eine spezielle Frage bildet dagegen die Berufshaftung in der Partnerschaft. Die Regelung des Art. 95 § 1 HGG, der Haftungsverfassung der OHG gegenübergestellt, sieht eine gesetzliche Haftungsbeschränkung auf die Person des handelnden Gesellschafters vor. Dies bedeutet, dass ausschließlich ein oder mehrere für den Berufsfehler verantwortliche Gesellschafter neben der Gesellschaft haften. Diese Haftung ist gesamtschuldnerisch im Sinne des Einstehens für das Ganze, akzessorisch sowie subsidiär i. S. d. Art. 31 § 1 und § 2 HGG. Insofern entspricht das Verhältnis zwischen der Partnerschaftsschuld und Gesellschafterverbindlichkeit dem hier untersuchten OHG-Modell. Ein beachtlicher Unterschied zur OHG besteht darin, dass es eine gesamtschuldnerische Haftung sämtlicher Gesellschafter (d. h. auch diesen, die den Berufsfehler nicht zu vertreten haben) im Regelfall nicht gibt. Die gesamtschuldnerische Haftung mit der Gesellschaft betrifft nur jene Gesellschafter, die den jeweiligen Berufsfehler zu vertreten haben. Die Rechtfertigung der Beschränkung der gesamtschuldnerischen Außenhaftung mit der Gesellschaft auf den handelnden Gesellschafter ist dogmatisch in der Eigenart der Freien Berufe zu suchen. Rechtspolitisch beachtlich mag das Anliegen des Gesetzgebers sein, die Partner der freiberuflichen Zusammenschlüsse, die sich heutzutage aus Dutzenden oder sogar Hunderten Gesellschaftern zusammensetzen, vor den infolge von Berufsfehlern der Mitgesellschafter entstehenden Haftungsrisiken zu schützen. 136 Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein Vertragspartner der Partnerschaftsgesellschaft im Regelfall möchte, dass seine Angelegenheit von einem bestimmten und nicht zufälligen, in der Gesellschaft tätigen Freiberufler erledigt wird. Der Umstand, dass die Gesellschaft selber die Vertragspartei ist, ändert nichts daran. Die Klientel der Gesellschaft wird durch die Personen der einzelnen Gesellschafter bestimmt. Hier ersichtlich ist das essentielle Charakteristikum der Partnerschaftsgesellschaft als einer Berufsausübungsgemeinschaft, bei der die Personen der Gesellschafter trotz der Einheit der Gesellschaft als Rechtssubjekt in den Vordergrund treten. Im Regelfall wird der den Auftrag ausführende Partner in einer Vereinbarung mit dem Vertragspartner der Gesellschaft festgelegt. Deswegen ist auch die Zurechnung der faktischen Grundlagen, auf denen die Verbindlichkeiten der Gesellschaft beruhen, einem einzelnen Gesellschafter in einem erheblichen Umfang möglich. Die Möglichkeit der Zurechnung der Entstehungsgründe bezüglich der Verbindlichkeiten der Gesellschaft rechtfertigt auch die Idee der Individualisierung der Haftung, die bei einer OHG auf begründete Bedenken stoßen kann. Sobald eine OHG etwa Warenhandel betreibt, erscheint eine gesetzliche Haftungsbeschränkung auf den handelnden Gesellschafter schwer vorstellbar und aus Gläubigersicht 136

Begründung, S. 47.

§ 3 Unbeschränkte Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

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nicht gerechtfertigt, da kein Vertrauensverhältnis zu einem bestimmten Gesellschafter entsteht. Nachdem die gesetzliche Lösung im Allgemeinen und ihre Rechtfertigung dargestellt worden sind, ist eine genauere Untersuchung der Haftungsvoraussetzungen erforderlich. Als Kriterium der gesetzlichen Haftungsbeschränkung wird zum einen an das Merkmal „der Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Ausübung des freien Berufs in der Gesellschaft durch einen Partner entstehen“ angeknüpft (Art. 95 § 1 Hs. 1 HGG). Die Voraussetzung der Haftung des Gesellschafters ist zunächst der Umstand, dass die Handlung oder Unterlassung dieses Partners zur Entstehung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft führt. Ferner muss diese Verbindlichkeit im Zusammenhang mit der Ausübung des freien Berufs durch den Partner entstehen. Zum anderen haftet der Partner für jene Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die Folge der Handlungen und Unterlassungen einer bei der Gesellschaft auf Grund eines Dienstvertrags oder eines anderen Rechtsverhältnisses beschäftigten Person sind, die der Geschäftsführung dieses Partners bei der Erbringung von Leistungen im Bereich des Tätigkeitsgegenstandes der Gesellschaft unterstellt war (Art. 95 § 1 Hs. 2 HGG). In beiden Fällen kommt es für die Haftung auf die tatsächliche Schadensverursachung durch einen Partner oder seinen Verrichtungsgehilfen an, und nicht auf die Benennung eines den Auftrag zu bearbeitenden Partners in einer Vereinbarung zwischen dem Mandanten und der Gesellschaft. 137 Die gesetzliche Haftungsbeschränkung des Art. 95 § 1 HGG umfasst alle Arten von Verbindlichkeiten, für welche die Gesellschaft Dritten gegenüber einzustehen hat. Es steht fest, dass die Beschränkung sowohl für vertragliche und deliktische Ansprüche und für alle anderen denkbaren Ansprüche gilt, vorausgesetzt, sie ergeben sich aus der Berufspflichtverletzung durch einen Partner selbst oder durch eine seiner Aufsicht unterstellte Person. 138 Die Haftungsbeschränkung gilt aber nicht für die deliktische Eigenhaftung eines Partners, wenn sie nicht infolge einer Berufspflichtverletzung entsteht. 139 Unproblematisch sind Fälle, in denen die Identifizierung eines oder mehrerer Gesellschafter, deren Handlungen zur Entstehung der Gesellschaftsverbindlichkeit führen, keine Probleme bereitet. Für die denkbare Lage, dass der Auftrag 137

Vgl. Krze´sniak, Odpowiedzialno´sc´ , S. 20. Sołtysi´nski, Die Partnerschaftsgesellschaft, S. 931; zur deutschen Partnerschaft ebenso Ulmer / Habersack, Die Haftungsverfassung, S. 154. 139 Vgl. z. B. den von K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1889, analysierten Fall: A, Patient einer als Partnerschaft geführten Klinik B, sichert beim Vertragsschluss zu, dass er vom Partner X zu behandeln ist. Da aber X in den Urlaub geht, lässt er sich von Y vertreten, der einen Berufsfehler begeht und dem A dadurch einen Schaden zufügt. Nach polnischem Recht beruht die Haftung des Y auf Art. 95 § 1 HGG, des X auf den Vorschriften des ZGB (Art. 415 ff.). 138

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

versehentlich von überhaupt niemandem bearbeitet wurde, ist nach dem Gedanken der Haftungsindividualisierung des Art. 95 § 1 HGG davon auszugehen, dass mit der Gesellschaft derjenige Partner haftbar ist, der nach der internen Aufgabenverteilung oder nach der Vereinbarung mit dem Vertragspartner die Bearbeitung des Auftrags hätte übernehmen müssen. 140 Seine vorwerfbare Pflichtverletzung besteht in der Missachtung der internen Absprache oder der Vereinbarung mit dem Vertragspartner. 141 Sollte dagegen eine Zurechnung einer im Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit entstandenen Verbindlichkeit keinem Partner oder Angestellten möglich sein, so muss angenommen werden, dass sämtliche Partner dem Gläubiger haften. Eine andere Ansicht, nach der alleine die Gesellschaft in diesem Fall hafte, 142 ist nicht zutreffend. Sie verkennt, dass Art. 95 § 1 HGG eine Ausnahme von dem sonst für die Partnerschaft geltenden Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung sämtlicher Gesellschafter darstellt und somit gegen das Prinzip exceptiones non sunt extendae verstößt. Ferner führt sie wegen der Missachtung dieses grundlegenden Prinzips der Personengesellschaften (persönlicher Gesellschafterhaftung) zu einer ungerechtfertigten Gläubigerbenachteiligung. Im Falle, wenn sich keiner der Partner mit der Angelegenheit durch Überwachung des Angestellten der Gesellschaft befasst, erscheint nach Art. 95 § 1 Hs. 2 HGG gerechtfertigt, stets denjenigen Partner in Anspruch zu nehmen, der sich der Überwachung hätte annehmen müssen. 143 Es genügt hier, wenn die Aufsicht über den fehlerhaft den Auftrag bearbeitenden Angestellten nach der internen Verteilung einem bestimmten Partner zugewiesen war. Wurde keine solche Zuweisung getroffen, so muss davon ausgegangen werden, dass die Aufsicht allen Partnern oblag, was zur Folge eine akzessorische, subsidiäre und gesamtschuldnerische Haftung aller Partner mit der Partnerschaft hat. III. Wege der Haftungserweiterung Die Beschränkung der Haftung auf den handelnden Gesellschafter ist nach dem HGG als Prinzip anzusehen. Davon kann aber nach Art. 95 § 2 HGG abgesehen werden. Nach dieser Vorschrift kann der Partnerschaftsvertrag vorsehen, dass ein oder mehrere Partner ihr Einverständnis zur Haftung wie ein Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft geben. Die sprachliche Fassung dieser Vorschrift lässt viel zu wünschen übrig, sie muss jedenfalls dahingehend verstanden werden, dass es möglich ist, die gesetzliche Haftungsbeschränkung des Art. 95 § 1 HGG 140 Vgl. zum deutschen Recht Henssler, Die „Limited“, S. 930; in Bezug auf das HGG Krze´sniak, Odpowiedzialno´sc´ , S. 21. 141 Vgl. Henssler, Die „Limited“, S. 930. 142 So Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 161. 143 Vgl. in Bezug auf das deutsche Recht den Vorschlag von Henssler, Die „Limited“, S. 929, formuliert unter Berufung auf amerikanische Vorbilder.

§ 3 Unbeschränkte Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

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für einen oder mehrere Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag aufzuheben, und ihre Stellung entsprechend dieser des OHG-Gesellschafters auszugestalten. 144 Ein Partner, der die Haftung wie ein OHG-Gesellschafter vertraglich übernimmt, haftet den Gesellschaftsgläubigern gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft nicht nur für die wegen seiner freiberuflichen Tätigkeit entstandenen Verbindlichkeiten, sondern auch mit jedem einzelnen Mitgesellschafter für die von ihm zu vertretenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Angesichts der Formulierung des Art. 95 § 2 HGG, dass „ein oder mehrere Gesellschafter“ ihr Einverständnis zur Haftung wie ein OHG-Gesellschafter geben können, wird die Ansicht vertreten, dass die Übernahme der erweiterten Haftung durch sämtliche Partner nicht zulässig ist. 145 Dem ist nicht zu folgen. Obwohl die gesetzliche Formulierung vielleicht nicht eindeutig ist, sind diese mit der sprachlichen Auslegung verbundenen Zweifel nicht durch ein systematisches oder teleologisches Argument gestützt. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, um der Option des Art. 95 § 2 HGG im Hinblick auf die Zahl der dem Gläubiger gesamtschuldnerisch haftenden Partner eine Schranke zu setzen. Die Übernahme einer gesamtschuldnerischen Haftung auch für die Berufsfehler der Mitgesellschafter durch sämtliche Partner stellt eine beachtliche Möglichkeit der Erhöhung der Kreditwürdigkeit der Partnerschaft dar und soll den Parteien nicht verwehrt werden. Übernehmen sämtliche Partner eine erweiterte Haftung nach Art. 95 § 2 HGG, so besteht kein Unterschied mehr zwischen der Haftungsverfassung der Partnerschaft und der OHG. Bedenkenswert ist, ob im Lichte der Option der vertraglichen Haftungserweiterung nach Art. 95 § 2 HGG auch eine solche Vereinbarung zulässig ist, nach der ein Gesellschafter die gesamtschuldnerische Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernimmt, die aus Berufsfehlern nicht sämtlicher, sondern nur einiger Mitgesellschafter resultieren. 146 Die Argumentation ad maiori a minus spricht für die Zulässigkeit einer solchen Vertragsgestaltung. Der Gesichtspunkt der Gläubigerinteressen steht dem auch nicht entgegen: Die Gesellschaftsgläubiger können einen zusätzlichen Gesamtschuldner in Anspruch nehmen. Es spricht daher nichts dagegen, eine solche Klausel im Gesellschaftsvertrag als wirksam anzusehen. Zweifel ergeben sich allerdings aus dem formellen Recht. Die Übernahme der Haftung wie ein OHG-Gesellschafter ist eintragungspflichtig in das Gerichtsregister (Art. 95 § 1 Pkt. 6 HGG i.V. m. Art. 38 Pkt. 5. c) LGRegG). Weder das Gesetz über das Landes-Gerichtsregister noch die einschlägige Verordnung 147 sehen die technische Möglichkeit der Eintragung einer solchen Haftungserwei144 I. Erg. auch Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 95 Rn. 16 (S. 475). 145 So Promi´nska, Uwagi, S. 16. 146 Z. B.: Der Vater will alleine für die Verbindlichkeiten des in die Anwaltsgemeinschaft eintretenden Sohnes haften, nicht aber den übrigen 15 Mitgesellschaftern. 147 Die Verordnung des Justizministers v. 21. 12. 2000 über die Art der Ausführung der mit der Führung des Landes-Gerichtsregisters verbundenen Tätigkeiten sowie über die Zu-

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3. Kap.: Eigenschaften der Gesellschafterhaftung in der OHG

terung vor. De lege lata ist daher anzunehmen, dass die genannte Klausel im Lichte des materiellen Rechts wirksam ist. Da sie aber nicht eintragungsfähig ist, scheiden die mit der Eintragung in das Gerichtsregister verbundenen Rechtsfolgen aus. Die Haftungserweiterung nach Art. 95 § 2 HGG entfaltet Wirkungen ausschließlich im Außenverhältnis der Gesellschaft. Die Übernahme einer erweiterten Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten impliziert nicht unbedingt, dass der betreffende Gesellschafter auch die Schuldentragung im Innenverhältnis übernimmt. Abgesehen von einer vertraglichen Bestimmung, dass sich die Übernahme der Haftung wie ein OHG-Gesellschafter auch auf die Verlustbeteiligung in der Gesellschaft auswirkt, kann ein Partner, der wie ein OHG-Gesellschafter haftet, von der Gesellschaft bzw. von diesem Mitgesellschafter Regress nehmen, der für den jeweiligen Berufsfehler verantwortlich ist. Da oben die Ausnahmen vom Prinzip der gesetzlichen Handelndenhaftung erörtert wurden, ist nun auf die Frage der Anwendbarkeit des Art. 32 HGG auf die Haftung der Partner für die Berufsverbindlichkeiten der Partnerschaft einzugehen. Aus der Verweisung des Art. 89 HGG auf das OHG-Recht ergibt sich, dass diese Vorschrift auf die Partnerschaftsgesellschaft entsprechend anwendbar ist. Mit Blick auf die sog. Allgemeinhaftung (Gesellschaftshaftung) gibt es keine Bedenken bezüglich der Anwendbarkeit des Art. 32 HGG: Hier ist die Partnerschaftsgesellschaft in jeder Hinsicht wie die OHG zu behandeln. Zweifel können dagegen bestehen, ob ein in die Partnerschaftsgesellschaft eintretender Gesellschafter auch für die vor seinem Eintritt entstandenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus der freiberuflichen Tätigkeit i. S. d. Art. 95 § 1 HGG haftet. Zunächst muss man im Klaren darüber sein, dass, sobald der eintretende Gesellschafter der Erweiterung der Haftung nach Art. 95 § 2 HGG nicht zustimmt, die praktische Relevanz dieser Regelung gering ist. Seine Haftung kann nur dann in Betracht kommen, wenn derjenige Gesellschafter, welcher einen den Schaden des Vertragspartners der Gesellschafter verursachenden Berufsfehler begangen hat, nicht identifizierbar ist. Da in einem solchen Fall sämtliche Partner gesamtschuldnerisch haften, ist die Haftung des eintretenden Gesellschafters zu bejahen. Es ist keine wesentliche Abweichung von der Interessenlage in der OHG ersichtlich, um die Anwendung der Regel des Art. 32 HGG in Frage zu stellen. Sollte der eingetretene Gesellschafter durch den Gläubiger in Anspruch genommen werden, kann er von den zur Zeit der Schadensentstehung der Gesellschaft angehörenden Gesellschaftern Regress nehmen. Übernimmt der in die Gesellschaft eintretende Gesellschafter mit seinem Eintritt die erweiterte Haftung nach Art. 95 § 2 HGG, so haftet er für jede freiberufliche Verbindlichkeit der Gesellschaft, die vor seinem Eintritt begründet wurde, unabhängig davon, ob der diese Verbindlichkeit veranlassende Partner identifizierbar ist oder nicht. sammenarbeit zwischen den Registergerichten und den Gemeindevorständen (Dz. U. 2000, Nr. 118, Pos. 1248).

§ 3 Unbeschränkte Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

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Bejaht man die Anwendbarkeit des Art. 32 HGG auf die Partnerschaft, so liegt es an sich nahe, sich für die entsprechende Anwendung des Art. 33 HGG in Übereinstimmung mit Art. 89 HGG auszusprechen. Weder enthält die Regelung der Partnerschaft dazu eine eigenständige Regelung, noch ist die Interessenlage bei der Partnerschaft wesentlich anders. Durch den Anwendungsbereich dieser Vorschrift sind praktisch relevante Fälle der Einbringung einer Einzelpraxis (z. B. Einzelkanzlei eines Anwalts) in eine neu zu gründende Partnerschaft gedeckt. 148 In einem solchen Fall haften die Partnerschaft sowie sämtliche Partner für die Altverbindlichkeiten des bisher in Einzelpraxis tätigen Freiberuflers. IV. Haftungsverhältnisse im Falle der Bestellung eines Vorstands Die Haftungsverfassung der Partnerschaftsgesellschaft kann letztendlich von der Bestellung des Vorstandes in der Gesellschaft abhängen. Der Vorstand hat zur Aufgabe, die Gesellschaft zu vertreten und ihre Geschäfte zu führen. 149 Nach der auf die Partnerschaft im Falle der Bestellung eines Vorstands entsprechend anwendbaren Vorschrift des Art. 299 § 1 HGG haften die Vorstandmitglieder für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn sich die in das Vermögen der Gesellschaft betriebene Zwangsvollstreckung als fruchtlos erweist. Von dieser Haftung können sich die Vorstandsmitglieder befreien, wenn sie nachweisen, dass der Antrag auf Bekanntmachung der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft rechtzeitig gestellt wurde oder das Vergleichsverfahren eingeleitet wurde, oder dass die Stellung des Antrags auf Bekanntmachung des Konkurses sowie die Einleitung des Vergleichsverfahrens nicht schuldhaft unterlassen wurde, oder dass trotz des Unterlassens der Antragstellung auf Bekanntmachung des Konkurses sowie der Einleitung des Vergleichsverfahrens dem Gläubiger kein Schaden entstanden ist (Art. 299 § 2 HGG). Die Behandlung der Haftungsfragen ist nicht besonders problematisch, wenn der Vorstand ausschließlich aus Gesellschaftern besteht. Schon wegen der Gesellschafterstellung haften dann die Vorstandsmitglieder den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Soweit ein Vorstandsmitglied Nicht-Gesellschafter ist, stehen einem Gesellschaftsgläubiger mehrere Ansprüche zu. Bezüglich der Geltendmachung der subsidiären Gesellschafterhaftung kann auf das in Bezug auf die OHG bereits Gesagte verwiesen werden, da die Haf148 So in Bezug auf die vergleichbare Regelung des § 28 dt. HGB Ulmer / Habersack, Die Haftungsverfassung, S. 155. 149 Wenn die Partner von ihrem Recht Gebrauch machen, in der Partnerschaft einen Vorstand zu bestellen, dann sind die Vorstandsmitglieder automatisch mit der Vertretung der Gesellschaft und Führung ihrer Geschäfte befasst (Art. 97 § 2 i.V. m. Art. 201 HGG). Mehr zur Stellung des Vorstands in der Partnerschaft bei Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 97 Rn. 3 ff. (S. 480 f.); Promi´nska, Uwagi, S. 16 ff.

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tungsverfassung der Partnerschaftsgesellschaft keine Unterschiede aufweist. Im Unterschied zur Haftung der Partner hängt aber die Einstandspflicht der Vorstandsmitglieder davon ab, dass keiner von den oben erwähnten Enthaftungsgründen des Art. 299 § 2 HGG vorliegt. Wenn dies der Fall ist, und die Partnerschaftsgesellschaft zahlungsunfähig ist, können sich die Gesellschaftsgläubiger an die Gesellschafter und Vorstandsmitglieder wenden. Die materielle Voraussetzung der Inanspruchnahme der Gesellschafter und der Vorstandsmitglieder ist identisch: Die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen (vgl. Art. 31 § 1 und Art. 299 § 1 HGG). Es bestehen allerdings zwei erhebliche verfahrensrechtliche Unterschiede. Zum einen kann ein Gesellschaftsgläubiger einen Gesellschafter noch vor der Inanspruchnahme der Gesellschaft verklagen (Art. 31 § 2 HGG). Zum anderen kann einem Vollstreckungstitel gegen die Gesellschaft eine Vollstreckungsklausel gegen den Gesellschafter erteilt werden, sobald die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft nachgewiesen wird (vgl. Art. 778 1 ZVGB). Bei einer Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder kommen dem Gesellschaftsgläubiger die genannten Regelungen nicht zugute: Er kann die Vorstandsmitglieder erst nach einer Vorausklage der Gesellschaft wirksam verklagen und muss einen Vollstreckungstitel gegen jedes Vorstandsmitglied erlangen. Sieht man ab von den genannten verfahrensrechtlichen Unterschieden zwischen der Stellung der Gesellschafter und derjenigen eines Vorstandsmitgliedes und nimmt man an, dass die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen die Partnerschaft nachgewiesen wurde, taucht die Frage nach dem Verhältnis zwischen beiden Kategorien der Haftungsverbindlichkeiten auf. Eine Gesamtschuld zwischen den Gesellschaftern einerseits und den Vorstandsmitgliedern andererseits ist in Hinblick auf Art. 369 ZGB abzulehnen, da dies einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Grundlage bedürfte. Daher ist die sog. unechte Gesamtschuld (Haftung in solidum) anzunehmen, mit der Folge, dass die Erfüllung durch den Gesellschafter die Befreiung des Vorstandsmitglieds von der Haftung gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger bewirkt und auch umgekehrt, wenn das Vorstandsmitglied leistet. Eine andere Frage bleibt, ob der Gesellschaftsgläubiger nach der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit die Gesellschafter und die Vorstandsmitglieder gleichrangig, nach dem Gedanken des Art. 366 § 1 ZGB, in Anspruch nehmen kann. Die bejahende Antwort erscheint evident, da die Voraussetzung der Inanspruchnahme in beiden Fällen vergleichbar ist. Zu beachten ist allerdings, dass Art. 299 HGG, auf die GmbH konzipiert, auf die Partnerschaft lediglich „entsprechend“ anzuwenden ist. Dies bedeutet, dass die Zahlungsunfähigkeit der OHG erst dann endgültig festgestellt wird, wenn auch die Gesellschafter der OHG zahlungsunfähig sind (nach der Fassung des Art. 299 HGG: „Wenn sich die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschafter als erfolglos erweist“). Diese Folgerung ist gerechtfertigt, weil die persönliche Gesellschafterhaftung einen Bestandteil der Haf-

§ 3 Unbeschränkte Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

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tungsverfassung der Partnerschaft darstellt, während die Rechtsform der GmbH die Gesellschafterhaftung grundsätzlich nicht zulässt. Aus diesem Grund sind die Gläubigerhandlungen bei der OHG auf die Inanspruchnahme des Gesellschaftsvermögens nicht beschränkt. Eine Gleichstellung dieser beiden Rechtsformen in Hinblick auf die Auslegung dieser Vorschrift würde einen grundlegenden Unterschied zwischen ihnen übersehen und ist deswegen nicht geboten. V. Beurteilung der Haftungsverfassung der Partnerschaftsgesellschaft Das Recht der Partnerschaft mit der Konstruktion der Handelndenhaftung bringt aus dem Blickwinkel des „klassischen“ OHG-Rechts eine beachtliche Änderung zum Ausdruck. Demnach wirkt sich die tatsächliche Aufgabenverteilung in der Gesellschaft nach dem Vertragsschluss auf die Außenhaftung aus. 150 Wie die bisherigen Überlegungen gezeigt haben, kann dies im OHG-Recht nicht erreicht werden. Die Haftungsverfassung der Partnerschaft ist dogmatisch als eine befriedigende Lösung anzusehen. Allerdings muss man voraussetzen, dass jegliche Haftungsindividualisierung als eine Ausnahme vom Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung sämtlicher Gesellschafter anzusehen ist. Zweifel am Vorliegen der Voraussetzung der Haftungsindividualisierung gehen zu Lasten der Gesellschafter. Der Interessenkonflikt ist eindeutig zugunsten des Vertragspartners der Gesellschaft zu lösen, da er mit der Gesellschaft kontrahiert und daher damit rechnet, dass die Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeit im Regelfall haften. Die Ansicht, dass die Anwendung der Haftungsindividualisierung auch in Bezug auf eine gewerblich tätige OHG erweitert werden sollte, 151 ist abzulehnen. Eine Handelndenhaftung kann es nur dann geben, wenn es auf ein hoch persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Gesellschafter und dem Vertragspartner der Gesellschaft ankommt. In dieser Hinsicht garantiert die Regelungsmethode des Art. 88 HGG mit dem enumerativen Katalog der freien Berufe, die der Partnerschaft offenstehen, ein großes Maß an Rechtssicherheit und Gläubigerschutz. Die Rede von einer Handelndenhaftung im Falle einer OHG, deren Tätigkeit z. B. in der Warenherstellung oder dem Güteraustausch besteht, wäre ein Missverständnis. Die Gesellschafter können als Einzelunternehmer tätig werden, wenn sie die gesamtschuldnerische Haftung für Gesellschaftsschulden vermeiden wollen.

150 Nach Mülbert, Die rechtsfähige, S. 96, geht „die Sensation“ bei der Partnerschaft dahin, dass die Partner nunmehr in der Lage sind, ihre Mitgesellschafter noch nach Vertragsschluss durch einseitiges Handeln von der persönlichen Haftung zu befreien. 151 Henssler, Die „Limited“, S. 927; Asłanowicz, Tre´sc´ , S. 24.

Viertes Kapitel

Der Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten in der OHG § 1 Einführung in die Problematik Die Frage des Inhalts der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten gehört systematisch zu den Überlegungen zum Verhältnis zwischen der Gesellschafts- und Gesellschafterverbindlichkeit. Gezielt wird sie aber gesondert erörtert, weil sie in der germanischen Rechtslehre traditionell als ein grundlegendes Problem des Personengesellschaftsrechts empfunden wird und häufig zum eigenständigen Gegenstand der Untersuchung wurde. 1 Die Frage, ob ein Anspruch gegen den Gesellschafter auf Erfüllung in natura hinsichtlich der Gesellschaftsschuld besteht, spielt eine Rolle unter dem Gesichtspunkt, ob der Gesellschafter mittels eines Erfüllungsanspruchs auch hinsichtlich seines persönlichen Tuns oder Unterlassens und der ihm persönlich gehörenden Gegenstände durch eine Vereinbarung der Gesellschaft zur Erfüllung in natura verpflichtet werden kann. 2 Manchmal wird die Frage dahingehend formuliert, dass es sich bei der Gesellschafterhaftung für OHG-Verbindlichkeiten um Fragen sachgerechter Begrenzung der Kompetenzen der externen Handlungsorganisation der OHG handele, soweit sich diese auf die Haftungsverbände der Gesellschafter beziehen. 3 Diese Betrachtungsweise kann dazu führen, dass man den Inhalt der Gesellschafterhaftung nicht nur als Frage der Auslegung des Art. 22 § 2 HGG, sondern auch des Art. 29 § 2 und 3 HGG, also des Umfangs der Vertretungsmacht eines vertretungsbefugten Gesellschafters ansieht. Dies ist im Folgenden zu untersuchen. Das Problem besteht selbstverständlich nicht, wenn die Gesellschaft eine Geldleistung schuldet. In einem solchen Fall wäre es überflüssig, sich über den Inhalt der Gesellschafterhaftung nach Art. 22 § 2 HGG Gedanken zu machen. Um die

1 2 3

Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, S. 298 m.w. N. Flume, Die Personengesellschaft, S. 298. Vgl. John, Die organisierte, S. 252 sowie Emmerich, Erfüllungstheorie, S. 646 f.

§ 1 Einführung in die Problematik

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Problematik anschaulich zu machen, folgen jetzt einige der die Lehre und Rechtsprechung am stärksten beschäftigenden Fallkonstellationen. 4 a) Eine OHG hat sich verpflichtet, in einem bestimmten Gebiet jeden Wettbewerb zu unterlassen. Dürfen auch die einzelnen Gesellschafter persönlich keine Wettbewerbshandlungen vornehmen? Gilt das auch dann, wenn ein Gesellschafter außerhalb der OHG ein Unternehmen der gleichen Branche betreibt? Wie ist es, wenn die OHG auch das Unterbleiben eines Wettbewerbs durch ihre Mitglieder zugesagt hat? Die gleichen Fragen können sich bei allen Unterlassungspflichten der Gesellschaft ergeben, z. B. bei der Pflicht der Gesellschaft, bestimmte Kartellpreise nicht zu unterschreiten oder bestimmte Waren von keiner anderen Stelle als dem Vertragspartner der Gesellschaft zu beziehen. b) Eine OHG hat die Planung und Errichtung eines Baus übernommen. Kann die Ausführung von einem einzelnen Gesellschafter verlangt werden? Wenigstens dann, wenn er persönlich Architekt ist? Gilt das auch dann, wenn er aus der OHG ausscheidet und ein selbstständiges Geschäft beginnt? c) Eine OHG hat sich bei Abschluss einer Interessengemeinschaft verpflichtet, alle Erfindungen auf ihrem Gebiet dem Vertragspartner zur Benutzung mitzuteilen. Ist auch der einzelne Gesellschafter zur Mitteilung der von ihm gemachten Erfindungen verpflichtet? Auch dann, wenn er die Erfindung nicht im Betrieb der OHG gemacht hat? Wie, wenn die OHG ausdrücklich den Vertrag auf die von ihren Gesellschaftern persönlich gemachten Erfindungen ausgedehnt hat? d) Eine OHG hat ein Gemälde von Monet verkauft. Es stellt sich heraus, dass es nicht ihr, sondern einem Gesellschafter persönlich gehört. Ist der Gesellschafter zur Übereignung verpflichtet? e) Eine OHG hat die Lieferung einer bestimmten Ware versprochen. Infolge eines Krieges ist die Ware auf dem Markt nicht mehr zu haben, die OHG hat keine Vorräte mehr, wohl aber ein Gesellschafter persönlich. Muss er liefern? Auch dann, wenn die Vorräte zu einem Geschäft gehören, das er ganz unabhängig von der OHG betreibt? Kommt es darauf an, dass die OHG die Teile selbst herstellt, was dem Gläubiger bekannt war? f) Die OHG vermietet einen Teil eines ihr gehörenden Grundstücks an D zur Errichtung einer Tankstelle. Die OHG bewilligt ferner die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit auf dem Gesamtgrundstück mit dem Inhalt, dass auf dem gesamten Grundstück keine zweite Tankstelle errichtet werden dürfe. Sie geht außerdem die Verpflichtung ein, auf den Nachbargrundstücken keine zweite Tankstelle zu errichten, falls sie eines von ihnen zum Eigentum erwerben würde. Etwas später erwerben die Gesellschafter A, B und C als Miteigentümer

4

Beispiele zitiert von A. Hueck, Das Recht, S. 311 f.; John, Die organisierte, S. 247.

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

ein Nachbargrundstück und errichten darauf eine Tankstelle. Kann D gegen A, B und C auf Unterlassung klagen? Es lassen sich leicht weitere Beispiele finden, oben wurden lediglich einige repräsentative Fallkonstellationen angeführt. Die Frage des Inhalts der Gesellschafterhaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeit wurde vor allem durch die deutsche Rechtsprechung und das deutsche Schrifttum entwickelt. Die Diskussion über diese Frage ist auch in der schweizerischen und österreichischen Rechtsordnung bekannt. 5 Auch im älteren polnischen Schrifttum zum HGB wurde dieses Problem erkannt. 6 Bisher hat sich aber die polnische Lehre mit der oben genannten Frage nicht näher auseinandergesetzt. 7 Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich die selbe Frage nach dem Inhalt der Gesellschafterhaftung im Zusammenhang mit der Regelung des Art. 22 § 2 HGG stellt. Diese Frage wurde dagegen nicht, zumindest nicht in diesem Umfang, in der französischen Literatur diskutiert. Der Grund dafür liegt sicherlich darin, dass die Rechtsprechung sowie das Schrifttum die Stellung des Gesellschafters vorwiegend mit derjenigen eines Bürgen, sei es dem einfachen, sei es dem subsidiären Bürgen, verglichen haben. Diese Vorgehensweise impliziert, dass man die Grundsätze des Bürgschaftsrechts zum Inhalt der Bürgenhaftung auf die Stellung eines OHG-Gesellschafters anwendet. Im Folgenden soll überprüft werden, ob dieses Vorgehen auch für das polnische Recht sinnvoll ist.

§ 2 Lösungsansätze in der Literatur und der Rechtsprechung A. Vorfrage Zwar wurde davor gewarnt, die Beantwortung dieser Frage nicht von der Rechtsnatur der OHG abhängig zu machen. 8 Es muss allerdings im Ausgangspunkt folgende Annahme vorangestellt werden. Für Streit um den Inhalt der Gesellschafterhaftung ist grundsätzlich nur dann Raum, wenn man die Eigenständigkeit der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern annimmt. Denn nur wenn man dieses unterstellt, gibt es eine eigenständige, von den Gesamtschulden der Ge5 Nachweise bei Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 3; von Wyss, Die Haftung, S. 41. 6 Allerhand, Kodeks, S. 89. 7 Die Ausnahme bilden die Ausführungen von Moskwa, Stosunek, S. 106 ff. Vgl. vor allem Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 45 (S. 238), der die Frage als klärungsbedürftig ansieht. 8 A. Hueck, Das Recht, S. 313; zust. GroßkommHGB / R. Fischer, § 128 Rn. 4; auch BGH v. 09. 11. 1973 (I ZR 83/72), BGHZ 23, S. 302 ff.

§ 2 Lösungsansätze in der Literatur und der Rechtsprechung

225

sellschafter zu trennende Gesellschaftsschuld und damit die Möglichkeit (wenn auch nicht die Notwendigkeit), hinsichtlich des Haftungsinhalts zwischen beiden Arten von Verbindlichkeiten zu unterscheiden. 9 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass nach der Identitätslehre die Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter mit der Schuld der Gesellschaft identisch ist: Es liegt ein und dieselbe Schuld mit doppeltem Haftungsobjekt vor. Dies hat zur Folge, dass sich die Frage des möglicherweise abweichenden Inhalts der Gesellschafterhaftung nicht stellt. Die Grundlagen dieser Lehre wurden bei der Erörterung der Rechtsfähigkeit der OHG abgelehnt, deswegen soll auch nicht auf ihre Konsequenzen für die Bestimmung des Haftungsinhalts der Gesellschafter zurückgegriffen werden. Zur Beantwortung der Frage nach dem Inhalt der Gesellschafterhaftung wurden mehrere Kriterien und Maßstäbe formuliert, die weitgehend uneinheitlich sind. Einige sind von begriffsjuristischer Natur, andere stellen auf die Interessenabwägung ab. Sieht man die Breite der angewandten Maßstäbe, stellt man fest, dass das Ergebnis in den Hintergrund rückt, weil die meiste Beachtung der Begründung gewidmet wird. Es scheint daher geboten, erst die wichtigsten Lösungsansätze auf ihre Begründetheit hin zu prüfen und dann zu sehen, ob das erlangte Ergebnis den Regelungen des HGG gerecht wird. Beinahe jede Darstellung des Meinungsstandes zum Problem des Inhalts der Gesellschafterhaftung weist auf den herkömmlichen Gegensatz zwischen der sog. Erfüllungstheorie und der sog. Haftungstheorie hin. Dem wird hier nur in einem beschränkten Ausmaß gefolgt. Diese beide grundsätzlichen Positionen sehen sich zu dermaßen vielen Ausnahmen genötigt, dass es keinen Wert für die Untersuchung hätte, sich streng an diese Systematik zu halten. Allerdings müssen die Grundthesen beider Theorien angedeutet werden. In Übereinstimmung mit der Erfüllungstheorie schuldet ein OHG-Gesellschafter grundsätzlich dieselbe Leistung wie die, die von der Gesellschaft verlangt werden kann. Die Haftungstheorie lässt dagegen den Gesellschafter nur auf Geld haften, was bei Nicht-Geldverbindlichkeiten eine Haftung auf Schadensersatz bedeutet. Die Erfüllungstheorie, wenn auch mit Modifikationen, herrscht im deutschen Schrifttum, 10 dagegen sind schweizerische und österreichische Lehre und Rechtsprechung geteilt. 11 Im Folgenden werden gewählte Ansätze zur Begründung der Erfüllungs- bzw. Haftungstheorie kritisch überprüft.

9 Vgl. Ulmer, Die Gesamthandsgesellschaft, S. 140 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1424; Flume, Die Personengesellschaft, S. 300; John, Die organisierte, S. 247. 10 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1425 ff. 11 Zum Meinungsstand vgl. Österreich: Rüffler, Zum Inhalt, S. 222; Schweiz: Vonzun, Rechtsnatur, S. 270 ff.

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

B. Bestimmung des Inhalts der Gesellschafterhaftung durch einen Rückschluss auf andere Rechtsinstitute I. Ein Rückschluss auf die Bürgschaft. Rolle der Akzessorietät Ein Rückschluss auf den Inhalt der Bürgenhaftung hat seit jeher in der Diskussion über den Inhalt der Gesellschafterhaftung eine Rolle gespielt. Mit den Wandlungen der Lehre zum Bürgschaftsrecht hat naturgemäß diese Anknüpfung zu uneinheitlichen Lösungen geführt. Die herkömmliche Meinung besagte, dass die Schuldpflicht der Gesellschafter, gleich der Schuldpflicht des Bürgen, nur die Haftung der Gesellschafter auf das Interesse vermitteln solle. 12 Die Erfüllung sei Sache der Gesellschaft. 13 Damit setzte man voraus, dass auch der Bürge alleine für das Interesse einzustehen habe. Dieser Ansicht wurde entgegengesetzt, dass diese Auffassung auf eine unzutreffende Prämisse zurückgehe, da der Bürge wie der Hauptschuldner dem Gläubiger zur Leistung in natura verpflichtet sei. 14 Wenn auch die Haftungsverbindlichkeit eines Gesellschafters viel enger mit der Gesellschaftsschuld verbunden sei als die Bürgschaft mit der Hauptschuld, so müsse die für die Bürgschaft feststehende Regelung, dass dem Gläubiger gegen den Bürgen ein Anspruch auf Erfüllung in natura zustehe, entsprechend für den Gesellschaftsgläubiger gegenüber dem Gesellschafter gelten. 15 Bei der Beantwortung der Frage, inwieweit auf die Bürgschaftsgrundsätze zurückzugreifen ist, muss Folgendes beachtet werden: Obwohl die Gesellschafterund Bürgenstellung zahlreiche, unverkennbare Parallelen aufweisen, ist auf einen mit Blick auf den Haftungsinhalt erheblichen Unterschied hinzuweisen. Die Verpflichtung des Bürgen entsteht kraft einer Vereinbarung, während der Bürge es in der Hand hat zu entscheiden, ob, worauf und wie er haftet. Dagegen ist die Haftungsverbindlichkeit eines Gesellschafters eine gesetzliche, was bedeutet, dass die Haftung bei rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten ohne Zutun der nicht vertretungsbefugten Gesellschafter, bei den gesetzlichen möglicherweise auch ohne Zutun irgendeines Gesellschafters entstehen kann. 16 Deswegen sind die bezüglich der Bürgenhaftung vorgeschlagenen Wertungen und Lösungen nicht ohne Bedenken auf die Gesellschafterhaftung zu übertragen. Betrachtet man die Ansätze näher, wonach der Interessenabwägung und dem Schutz der Privatsphäre des Gesellschafters ein entscheidender Wert beigemessen wird (s. u.), so wird sichtbar,

12

Vor allem Wieland, Handelsrecht, S. 631; ihm folgend von Wyss, Die Haftung, S. 58. Wieland, Handelsrecht, S. 632. 14 Vgl. unter Anführung historischer Motive Flume, Die Personengesellschaft, S. 302 f.; zust. Hadding, Zur Haftung, S. 147; neuerdings auch Staub / Habersack, § 128 Rn. 28; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1425. 15 Flume, Die Personengesellschaft, S. 303. 16 Rüffler, Zum Inhalt, S. 233. 13

§ 2 Lösungsansätze in der Literatur und der Rechtsprechung

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dass die unkritische Übertragung anderer Rechtsinstitute zur Bestimmung des Haftungsinhalts keinesfalls geboten ist. Daher ist die Erörterung des Problems aus der Sicht der Akzessorietät im Allgemeinen sicherer, wie dies bei den übrigen Fragen des Verhältnisses zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit in dieser Untersuchung erfolgte. Dann kulminiert die Frage darin, ob die Akzessorietät der Gesellschaftshaftung bezüglich des Inhalts im selben Maße wie bezüglich der Entstehung, des Fortbestands und der Durchsetzung gilt. 17 Der Umstand, dass im schweizerischen Recht die Bürgenhaftung auf das Erfüllungsinteresse anerkannt ist, 18 zeigt, dass dies keine gedankliche Notwendigkeit sein muss. Allerdings ist in Übereinstimmung mit dem in dieser Arbeit angenommenen Verständnis der Akzessorietät davon auszugehen, dass ein spezieller Grund dafür sprechen müsste, um die Akzessorietät im Hinblick auf den Haftungsinhalt zu verneinen. Die Parallelität der Verteidigungsmöglichkeiten für Gesellschaft und Gesellschafter (Art. 35 § 1 HGG) spricht dafür, dass das persönliche Verpflichtetsein der Gesellschafter von Anfang an den gleichen Inhalt hat wie die jeweilige Gesellschaftsverbindlichkeit. 19 Die endgültige Antwort ist jedoch mit Blick auf einzelne Arten der Leistungen, sowie unter Auseinandersetzung mit anderen Gesichtspunkten zu finden. II. Ein Rückschluss auf die Subsidiarität der Haftung Überlegungsbedürftig ist die Ansicht, dass die gesetzliche Subsidiarität der Gesellschafterhaftung ihren Inhalt bestimme. So die weit vertretene Auffassung in der schweizerischen Lehre. 20 Umgekehrt wird in der deutschen Lehre von Vertretern der Erfüllungstheorie hervorgehoben, dass eine auf das Erfüllungsinteresse begrenzte Gesellschafterhaftung im Widerspruch zum Grundsatz der primären Gesellschafterhaftung stehe. 21 Man muss allerdings darauf hinweisen, dass die Rechtsnatur der Haftungs-Auslösungsgrunde im schweizerischen Recht nach dem Prinzip der Subsidiarität weitgehend den Inhalt der Gesellschafterhaftung bedingt. 17 Bejahend Staub / Habersack, § 128 Rn. 28; Hadding, Zur Haftung, S. 147, derselbe, Inhalt, S. 586; Geßler, Die Haftung, S. 267; grundsätzlich zust. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1425. 18 Vonzun, Rechtsnatur, S. 274 m.w. N.; vgl. auch Bedenken in der deutschen Lehre, ob die Akzessorietät bezüglich des Haftungsinhalts gilt, Mülbert, Die rechtsfähige, S. 78, Staudinger / Horn, Vorbem. 14 f. zu §§ 765 ff. 19 Vgl. Hadding, Zur Haftung, S. 147. 20 Vgl. von Wyss, Die Haftung, S. 53; SPR-von Steiger, VIII Bd., 1. Hbd., S. 538. Die Ausgestaltung der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem schweizerischen Obligationenrecht wurde bereits besprochen, vgl. Drittes Kapitel § 1 A. II. 1. 21 A. Hueck, Das Recht, S. 314; Staub / Habersack, § 128 Rn. 28; Kraft / Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 200.

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

So hat der Konkurs eines Gesellschafters, der dessen Haftung für Gesellschaftsschulden auslöst, zur Folge, dass die Forderungen, die nicht eine Geldzahlung zum Gegenstand haben, in Geldforderungen von entsprechendem Wert umzuwandeln sind (Art. 211 schweiz. SchKG). Gleiches gilt im Falle des Konkurses der Gesellschaft, der auch eine der Voraussetzungen der Gesellschafterhaftung darstellt (Art. 568 Abs. 3 schweiz. OR). Zwar sei die Haftung auf das Erfüllungsinteresse keine gedankliche Notwendigkeit im Falle der Auflösung der Gesellschaft (eine weitere Haftungsvoraussetzung hinsichtlich der Gesellschafter), allerdings sei festzuhalten, dass das gerade in den Fällen der Auflösung der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielende Prinzip der Subsidiarität seinen Zweck nur erfülle, wenn diese Haftung auf das Erfüllungsinteresse des Gläubigers beschränkt werde. 22 Es muss festgestellt werden, dass der Rückschluss von der Subsidiarität der Haftung auf ihren Inhalt keine gedankliche Notwendigkeit ist, auch für einige schweizerische Verfasser. 23 Die Subsidiarität bezieht sich alleine auf die Reihenfolge der Geltendmachung der Ansprüche, entfaltet aber keine Wirkung im Hinblick auf den Inhalt des Anspruchs. Es handelt sich eher um ein verfahrensrechtliches Instrument, das die Durchsetzung gleicher materiellrechtlicher Ansprüche gegen unterschiedliche Schuldner regelt. Darüber hinaus ist die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung nach dem HGG vom Gesichtspunkt der Gläubiger aus relativ mild ausgestaltet: Sie gilt nur für das Zwangsvollstreckungsverfahren. Unter dem Gesichtspunkt des materiellen Rechts haften die Gesellschafter gleichrangig mit der Gesellschaft. Aus diesen Gründen scheint es nicht gerechtfertigt, alleine die Subsidiarität der Haftung nach Art. 31 § 1 und 2 HGG als Grundlage für die Bestimmung des Haftungsinhalts anzusehen. Diese im Zusammenhang mit der schweizerischen Regelung ausformulierte Auffassung hat nur eine sehr beschränkte Relevanz für das HGG. III. Gesichtspunkt einer „gesellschaftsfreien Privatsphäre“ 1. Bezugnahme auf das Innenverhältnis in der Gesellschaft

Die Stimmen in der Rechtsprechung und im Schrifttum, die sich zur Erfüllungstheorie bekannt haben, haben gleichzeitig die Notwendigkeit betont, auch die legitimen Schutzinteressen der Gesellschafter zu berücksichtigen, und daraus das Erfordernis einer Interessenabwägung abgeleitet. 24 So stellt man bis heute das „Haftungsinteresse“ des Gläubigers dem „Schutzinteresse“ des Gesellschafters gegenüber, wobei das Letztere wieder durch deren gemeinsames „Kreditinteresse“ 22

SPR / von Steiger, VIII Bd., 1. Hbd., S. 541; von Wyss, Die Haftung, S. 53 f. Vgl. Hartmann, in: Kommentar, Art. 568 Rn. 7; Pestalozzi / Wettenschwiler, in: Basler Kommentar, Art. 568 Rn. 19: primär das Recht auf Realerfüllung durch den Gesellschafter; Vonzun, Rechtsnatur, S. 271. 24 Vgl. BGH v. 09. 11. 1973 (I ZR 83/72), BGHZ 23, S. 302 ff. 23

§ 2 Lösungsansätze in der Literatur und der Rechtsprechung

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als Mitglieder der OHG relativiert wird: Im Regelfall ist dem Gläubiger an einer möglichst umfassenden gesellschafterlichen Einstandspflicht gelegen, während sich das Interesse der Gesellschafter auf die Verschonung ihrer Privatsphäre richtet. 25 Aus der Interessenabwägung ergab sich für diesen Teil der Lehre, dass die Förderungspflicht der Gesellschafter lediglich die „Gesellschaftssphäre“ erfasse, nicht hingegen ihre gesellschaftsfreie Privatsphäre. Der deutsche BGH vertrat früher die Ansicht, wonach zur Lösung des skizzierten Interessenkonflikts zwischen den Gläubigerinteressen und der Privatsphäre des Gesellschafters auf das Innenverhältnis in der Gesellschaft abzustellen sei. 26 Diese Ansicht hat eine weite Anhängerschaft in der Literatur gefunden. 27 Danach sei für die Bestimmung des Haftungsinhalts entscheidend, ob der einzelne Gesellschafter im Innenverhältnis, der OHG gegenüber, zu der betreffenden Leistung verpflichtet sei. 28 Soweit dies der Fall sei, sei der Interessenkonflikt zugunsten der Erfüllungshaftung zu entscheiden: Die Verpflichtung zur Leistung gegenüber der Gesellschaft kraft Gesellschaftsvertrages oder kraft Gesetzes bewirke den Übergang des Leistungsgegenstandes von seiner Privatsphäre zur Gesellschaftssphäre. Dieses Kriterium hätte zur Folge, dass im Fall d) der Gesellschafter zur Übereignung des ihm gehörenden Gemäldes von Monet nur dann verpflichtet wäre, sollte er sich dazu gegenüber der Gesellschaft verpflichten. Sonst haftet er lediglich auf das Interesse. Für die Ablehnung der Maßgeblichkeit des Innenverhältnisses sprechen gute Gründe. Die Rechtsstellung des Gläubigers gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern, d. h. das Außenverhältnis der Gesellschaft, kann durch das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft nicht beeinflusst werden (vgl. Art. 34 HGG). Ferner lässt sich die Anknüpfung an das Innenverhältnis in der Gesellschaft mit dem Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht vertretungsbefugter Gesellschafter systematisch schwerlich vereinbaren. Darüber hinaus offenbart das Abstellen auf das Innenverhältnis seine Inkonsequenz, wenn die Gesellschafter nachträglich die Leistungspflicht des Gesellschafters aufgrund des Gesellschaftsvertrages abändern oder aufheben. 29 Dann würde der Gesellschaf25

John, Die organisierte, S. 249. BGH v. 09. 11. 1973 (I ZR 83/72), BGHZ 23, S. 302 ff. 27 A. Hueck, Das Recht, S. 317; Kornblum, Haftung, S. 155; GroßKommHGB / R. Fischer, § 128 Rn. 9; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 288. John, Die organisierte, S. 249, bezeichnete diesen Standpunkt „als wohl am ehesten die gegenwärtig herrschende Meinung“. Befürwortend auch zuletzt Mülbert, Die rechtsfähige, S. 79. 28 So vor allem BGH v. 09. 11. 1973 (I ZR 83/72), BGHZ 23, S. 306: „(...) kann ein Gläubiger von sämtlichen Gesellschaftern oder einem einzelnen Gesellschafter jedenfalls dann eine Leistung beanspruchen und braucht sich nicht mit einer Haftung auf das Interesse zu begnügen, wenn die Erbringung dieser Leistung zu den gesellschaftlichen Pflichten des betreffenden Gesellschafters gehört“. 29 Hervorgehoben von Hadding, Inhalt, S. 581; Emmerich, Erfüllungstheorie, S. 645. 26

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

ter nur auf das Interesse haften. Schließlich kann vom Gesellschaftsgläubiger nicht verlangt werden, dass er sich vor der Inanspruchnahme des Gesellschafters über die internen gesellschaftlichen Pflichten in Kenntnis setzen muss. Dies ist dem Gläubiger weder zumutbar noch praktisch im Regelfall möglich. Im Ergebnis muss das Kriterium des Innenverhältnisses für die Bestimmung des Haftungsinhalts abgelehnt werden. 2. Zumutbarkeit der Leistung für den Gesellschafter

Zur Lösung des Interessenkonfliktes zwischen der Gesellschaftssphäre und der Privatsphäre eines Gesellschafters wurde auch, statt auf das Innenverhältnis, darauf abgestellt, ob die Erfüllung in natura den Gesellschafter in seiner Privatsphäre nicht wesentlich mehr beeinträchtigt als eine Geldleistung. 30 Nach diesem Verständnis sei die Erfüllungshaftung in solchen Fällen zu bejahen, wenn sie „nicht als unzumutbarer Eingriff in den außergesellschaftlichen Bereich des Gesellschafters anzusehen“ ist. Das Kriterium der Zumutbarkeit, entwickelt durch den BGH und übernommen durch den Teil des Schrifttums, setzt sich begründeter Kritik aus. Zunächst kann man einwenden, dass das Kriterium der Zumutbarkeit unbestimmt ist und das Ergebnis von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Die Kritik muss aber grundlegender sein. Ist überhaupt die Existenz einer gesellschaftsfreien Sphäre in der Stellung des OHG-Gesellschafters anzunehmen? Dies wird zwar auch durch jene Ansichten hervorgehoben, die sich für die Erfüllungstheorie aussprechen. 31 Die Annahme einer solchen gesellschaftsfreien Sphäre setzt voraus, dass man ihre Reichweite gegenüber der Gesellschaftssphäre bestimmt, was an sich ganz problematisch ist. Wenn das Gesetz dem Gesellschafter eine akzessorische und unbeschränkte Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten auferlegt, ist es schwer von einem „außergesellschaftlichen“ Bereich zu sprechen und noch schwieriger dessen Grenze zu bestimmen. 32 Sonst impliziert man, dass der gesellschafterlichen 30 Urteil des BGH v. 11. 12. 1978 (II ZR 235/77), BGHZ 73, S. 217 ff., aus der Begründung: „Weil der Kredit der handelsrechtlichen Personengesellschaft, bei der es sonst keine gläubigersichernden Maßregeln gibt, auf die Person des Gesellschafters und seiner Haftung beruht, erfordert der Zweck dieser Haftung, dass der Gesellschafter auch bei anderen als Geldverpflichtungen jedenfalls dann dasselbe schuldet wie die Gesellschaft, wenn die Erfüllung den Gesellschafter in seiner gesellschaftsfreien Privatsphäre nicht wesentlich mehr als eine Geldleistung beeinträchtigt“; BGH v. 1. 4. 1987 (VIII ZR 15/86), NJW 1987, S. 2367 f. Zust. Mülbert, Die rechtsfähige, S. 79, sowie die h. M. der polnischen Lehre: Pyzioł, in: Pyzioł / Szuma´nski / Weiss, Prawo, S. 144; Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 45 (S. 238). 31 Staub / Habersack, § 128, Rn. 28: „durchaus berechtigtes Anliegen“. 32 So Hadding, Inhalt, S. 584, vgl. auch Flume, Die Personengesellschaft, S. 311 (keine außergesellschaftlichen Belange, durch welche die Haftung nach 128 dt. HGB beschränkt würde).

§ 2 Lösungsansätze in der Literatur und der Rechtsprechung

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Stellung nur dann Geltung verschafft wird, solange sie nicht mit der Privatsphäre kollidiert. Dieses Ergebnis wie auch das Kriterium der Zumutbarkeit ist daher angesichts Art. 22 § 2 HGG abzulehnen. 3. Bestimmung des Inhalts der Gesellschafterhaftung durch Bezugnahme auf die Vertretungsmacht

Es wurde ein Versuch vorgenommen, den in der Rechtsprechung hervorgehobenen Schutz der Privatsphäre des Gesellschafters vor dem Hintergrund eines anderen Gesichtspunkts aus zu begründen, und zwar über die Einschränkung der Vertretungsmacht vertretungsbefugter OHG-Gesellschafter. Es sei nur kurz vermerkt, dass die gesetzliche Vertretungsmacht eines vertretungsbefugten Gesellschafters sämtliche nur denkbaren gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen der Gesellschaft umfasst (Art. 29 § 2 HGG; identisch § 126 Abs. 1 dt. HGB). Die eigentliche Sachfrage, die besonders im Falle der Unterlassungsverpflichtungen und Ausschließlichkeitsbindungen der Gesellschaft durch den Streit zwischen Erfüllungs- und Haftungstheorie verdeckt werde, laute, wie weit die Vertretungsmacht reicht, den Gesellschaftern über die §§ 126 und 128 dt. HGB in ihrem privaten Bereich Verpflichtungen aufzuerlegen. 33 Nach der Ausgangsthese dieses Ansatzes sei der Umfang dieser Vertretungsmacht zu weit gefasst und müsse zum Schutze der gesellschaftsfreien Sphäre der Gesellschafter in verschiedenen Beziehungen eingeschränkt werden. 34 Ferner handele es sich bei der gesetzlichen Vertretungsbefugnis eines OHG-Gesellschafters um eine Vertretungsmacht für die Gesellschaft, nicht hingegen für die Gesellschafter. Aus diesen Gründen solle man zum Schutze der Privatsphäre der Gesellschafter die Zulässigkeit einer entsprechenden Beschränkung der Vertretungsmacht der Gesellschafter annehmen, so dass ihnen sowohl Verfügungen über das Privatvermögen der Gesellschafter als auch entsprechende Verpflichtungen nur mit deren Zustimmung möglich seien. 35 Es bleibt zunächst festzustellen, dass der Vorschlag, durch die Einschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht den entsprechenden Schutz der Gesellschafter zu erreichen, die Vertretungsregelungen in der OHG weitgehend „korrigierend“ auslegen will. Damit wird aber ein wesentliches Strukturelement der OHG in Frage gestellt, nämlich die gesetzliche Haftung sämtlicher Gesellschafter für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten. Es trifft zwar zu, dass sich die Vertretungsbefugnis auf die Sphäre der rechtsfähigen Gesellschaft und nicht auf die Personen der Gesellschafter erstreckt. Daraus kann man aber keine Schlüsse auf den Inhalt und Umfang der Gesellschafterhaftung ziehen. Die Gesellschafter stehen für eine 33 34 35

Fragestellung von Emmerich, Erfüllungstheorie, S. 646. Emmerich, Erfüllungstheorie, S. 646. Emmerich, Erfüllungstheorie, S. 651.

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

fremde Schuld ein und müssen sie in der Gestalt hinnehmen, in der sie durch die Gesellschaft kontrahiert wird. Der Umstand, dass sie die Haftung mit Privatvermögen in Kauf nehmen müssen, ist eine Konsequenz der Mitgliedschaft in der Gesellschaft und kann nicht über die weit über die zulässige Gesetzesauslegung hinausgehende Einschränkung der Vertretungsmacht beseitigt werden. Ausgeklammert bleiben natürlich Fälle des Missbrauchs der Vertretungsmacht durch einen vertretungsbefugten Gesellschafter. Sollte der Missbrauch dem Vertragspartner der Gesellschaft erkennbar sein, führt dies dazu, dass der Vertrag schon für die Gesellschaft unwirksam ist und damit auch die Gesellschafter nicht haften. 36 Ist der Vertrag aber für die Gesellschaft gültig, müssen die Gesellschafter entsprechend seinen Bestimmungen haften. Nachdem festgestellt wurde, dass der Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht nicht in Zweifel gezogen werden kann, ist noch eine andere Betrachtungsweise kritisch zu überprüfen. Mit Blick auf den durch die Rechtslehre zugelassenen „Missbrauch der Vertretungsmacht“ bei Personengesellschaften wurde eingewandt, dass dies im Grunde genommen bedeute, dass die Auswirkungen der Kompetenzen der Handlungsorganisation auf den einzelnen Gesellschafter für unangemessen gehalten werden, was allgemein (bei § 128 dt. HGB) und nicht erst über die Missbrauchsregeln zu korrigieren sei. 37 Dies sollte gleichzeitig ein Argument zugunsten der Haftungstheorie darstellen. Kann aber diese Kritik der weiten Vertretungsbefugnis wirklich für die Bestimmung des Haftungsinhalts wegweisend sein? Die Argumentation dieser Auffassung ist folgend: Da der zwingende Umfang der Vertretungsmacht dazu führen kann, dass die Gesellschafter die Haftung für ihnen unzumutbare Leistungen trifft, muss der Inhalt der Gesellschafterhaftung im Allgemeinen entsprechend gemildert werden (Haftung auf das Interesse). Diese Konzeption weist folgende Unstimmigkeit auf: Der Umfang der Vertretungsmacht soll mit Blick auf den Drittschutz unantastbar bleiben. Der Dritte soll aber den „Preis“ dafür erst bei der Inanspruchnahme des Gesellschafters zahlen, da die Gesellschafterhaftung grundsätzlich auf das Interesse beschränkt ist. Dieser (Teil-)Begründung der Haftungstheorie ist nicht zu folgen. Sie impliziert, dass der Regelung der OHG offensichtlich ein Widerspruch zwischen der Vertretungs- und Haftungsregelung zugrunde liegt. Diese Schlussfolgerung geht eindeutig zu weit. Sie ist aber Bestandteil eines Gesamtkonzeptes, das im Folgenden erörtert wird. Festzustellen ist jedenfalls, dass alleine das Abstellen auf die Vertretungsmacht als Kriterium der Bestimmung des Inhalts der Gesellschafterhaftung nicht in Frage kommt.

36 37

Flume, Die Personengesellschaft, S. 305; i.A. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1403. John, Die organisierte, S. 255.

§ 2 Lösungsansätze in der Literatur und der Rechtsprechung

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IV. Systembezogene Ansätze 1. Eine Differenzierung zwischen personen- und nicht personenbezogenen Leistungen

Ein beachtlicher Vorschlag zur Bestimmung des Inhalts der Haftung eines OHGGesellschafters geht auf eine Differenzierung zwischen personenbezogenen und nicht personenbezogenen Leistungen zurück. 38 Sei die Leistung nicht personenbezogen, könne sie also ein Dritter erbringen, so hafte auch der Gesellschafter auf Erfüllung. Dagegen sei die Gesellschafterhaftung nur als Interessenhaftung zu verwirklichen, wenn die von der Gesellschaft geschuldete Leistung, weil sie in einem persönlichen Tun oder Unterlassen besteht, ihrer Natur nach nur von der Gesellschaft selbst, nicht aber vom Gesellschafter erbracht werden kann, es sei denn, ihm sei dieselbe Verpflichtung aufgrund eines besonderen Rechtsgrundes auferlegt. 39 Die Geltung der Erfüllungstheorie bezüglich der nicht personenbezogenen Leistungen hat nach dieser Ansicht eine systematische Grundlage. Da das Prinzip der Verpflichtung zur Erfüllung in natura nach dem Schuldrecht gelte, müssten schon gewichtige Gründe vorgebracht werden, wenn die Haftungsnorm des § 128 dt. HGB (Art. 22 § 2 HGG) im Sinne einer bloßen Interessenhaftung verstanden werden sollte. Solche Gründe seien aber nicht gegeben. 40 Man hat zwar zugegeben, dass, soweit die Gesellschaft zu nicht personenbezogenen Sach-, Dienst- oder Werkleistungen verpflichtet sei, die Haftung des Gesellschafters, wenn die Gesellschaft die Leistung nicht erbringt, in der Regel auf eine Geldleistung hinauslaufe. 41 Trotzdem könne es für den Gläubiger in diesen Fällen von Wert sein, die Gesellschaft und die Gesellschafter gleichzeitig auf Erfüllung in natura zu verklagen. Zu denken sei an den Fall, dass der Gesellschaftsgläubiger zwar hofft, durch eine Verurteilung der Gesellschaft Erfüllung in natura zu erlangen, dass er aber zugleich einen Titel gegen den Gesellschafter haben möchte, ohne dass er im Falle der Nichterfüllung bereits sein Interesse angeben kann oder schon entschlossen wäre, gegenüber dem Gesellschafter statt der 38 So Flume, Die Personengesellschaft, S. 304 f.; ihm folgend Hadding, Inhalt, S. 585 f.; grundsätzlich zust. Teichmann, Die Personengesellschaft, S. 479 f. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sich das zitierte Urteil des BGH v. 11. 12. 1978 (II ZR 235/77), BGHZ 73, S. 217, dem die h. M. vor allem die Festlegung des Kriteriums der Zumutbarkeit zuschreibt, nach Ansicht von Hadding, Inhalt, S. 585, in der Tat dem Standpunkt von Flume angenähert hat. Kennzeichnend dafür sei der Umstand, dass das Gericht von „einer vertretbaren handwerklichen Leistung (...), bei der es ... nicht auf die Person des Ausführenden ankommt“ spricht. 39 Flume, Die Personengesellschaft, S. 304. 40 Flume, Die Personengesellschaft, S. 305. 41 Flume, Die Personengesellschaft, S. 305.

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

Erfüllung das Interesse zu wählen. Auch wenn dem Gesellschafter die Leistung subjektiv unmöglich sei, indem der Gegenstand der Leistung der Gesellschaft gehöre, sei die Verurteilung des Gesellschafters zur Erfüllung nicht ohne Sinn. Wenn der Gegenstand im Besitz des Gesellschafters sei oder in seinen Besitz gelange, könne der Gläubiger gegen ihn vollstrecken. Das Urteil auf Erfüllung gegen den Gesellschafter sei vor allem eine Grundlage für den Schadensersatzanspruch nach § 281 Abs. 1 BGB (§ 283 BGB a. F.). 42 2. Bestimmung des Haftungsinhalts durch eine Parallele zum Kapitalgesellschaftsrecht

Das wohl am meisten diskutierte Argument zugunsten der Haftungstheorie ergibt sich aus dem uns bekannten System der Personifikation von John. 43 Seiner These zufolge besteht kein Anlass, die „persönliche“ Haftung der Gesellschafter weiter reichen zu lassen, als erforderlich ist, um die Funktionstüchtigkeit der OHG und die Belange der Gläubiger im Vergleich mit anderen Personifikationen mit vergleichbaren Aufgaben angemessen zu sichern. Der Vergleich mit anderen Personifikationen ergebe auch die angemessene Lösung für diejenigen Fälle, in denen Ansprüche gegen die Gesellschaft nicht auf Akte der Handlungsorganisation zurückgehen. Es sei aufschlussreich, wenn sich ergebe, dass bei juristischen Personen des Handelsrechts, die ebensolche Funktionen erfüllen wie die OHG, den Gesellschaftsgläubigern ebenso wie dem funktionsnotwendigen Kredit der OHG mit bestimmten Regelungen offenbar hinreichend gedient sei. 44 Dann wäre es systematisch ungerechtfertigt und unter dem Gesichtspunkt der Bindung der Gesellschafter an die Akte der Handlungsorganisation geradezu bedenklich, bei der OHG mehr als vergleichbare Vorkehrungen zu schaffen. Diese Bestimmung des Zwecks der „persönlichen Haftung“ bedeute also, dass eine Zugriffsmöglichkeit auf die realen Haftungsverbände der Gesellschafter insoweit offen stehen muss, als die Maßnahmen zur Erhaltung der Haftungsgrundlage bei den juristischen Personen den Gläubigern dort Vorteile verschaffen. 45 Der Vergleichspunkt sei „die schließliche Zugriffsmöglichkeit“, also das, was als Haftung bezeichnet wird. John hat zwar zugegeben, dass dieser Ansatz nicht zu dem Ergebnis führen kann, dass der Gesetzgeber die Haftung der OHG-Gesellschafter nur den ermittelten Grundsätzen entsprechend regeln kann. Der Gesetzgeber könne auch abweichende Regelungen treffen, denn er könne das rechtliche System selbst ändern. Solange aber dies nicht zwingend und eindeutig geschehen sei – was durch den 42

Flume, Die Personengesellschaft, S. 305. John, Die organisierte, S. 253 ff. Der Ansicht von John folgen Koppensteiner, in: Straube, Kommentar, § 128 Rn. 9 ff.; sowie neuerdings auch Rüffler, Zum Inhalt (2. Teil), S. 304 ff. und Vonzun, Rechtsnatur, S. 278 f. 44 John, Die organisierte, S. 253. 45 John, Die organisierte, S. 254. 43

§ 3 Bilanz

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Streit um § 128 dt. HGB (Entsprechung des Art. 22 § 2 HGG) dokumentiert werde –, sei immer diejenige Auslegung die „richtige“, die am besten die Konkordanz mit allen anderen rechtlichen Regelungen wahre. 46 Dies zeige, dass der Zugriff auf die Gesellschafter nur dort von vornherein nichts weiter als die Lage herstelle, die bei den juristischen Personen des Handelsrechts mit den Maßnahmen zur Haftungssicherung angestrebt wird, wo das vollstreckungsmäßig durchsetzbare Haftungsprogramm auf einen Geldwert gehe.

§ 3 Bilanz A. Bestandsaufnahme Die kritische Betrachtung gewählter Lösungsansätze der Literatur und der Rechtsprechung erlaubt, zu ersten Folgerungen zu kommen. Abgelehnt wurde das Abstellen auf die Subsidiarität der Gesellschafterhaftung (Art. 31 § 1 HGG) zur Bestimmung des Haftungsinhalts. Vielmehr hat die Untersuchung gezeigt, dass der Gedanke einer gesellschaftsfreien Privatsphäre eines Gesellschafters, welche die Strenge der gesetzlichen Haftung beschränken sollte, aufzugeben ist. Damit werden auch sämtliche Kriterien abgelehnt, die zur Abgrenzung der Privatsphäre von der Gesellschaftssphäre dienen: Ein Abstellen auf das Innenverhältnis, Zumutbarkeit der Leistung sowie die Zulassung der Möglichkeit einer Einschränkung der Vertretungsmacht. Beachtlich ist dagegen das Prinzip der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung samt der daraus resultierenden Konsequenz, dass die Akzessorietät auch den Inhalt des Nebenrechts (hier der Gesellschafterschuld) bestimmt, es sei denn, ein spezieller Grund steht entgegen. Das Akzessorietätsprinzip kann aber hinsichtlich des Inhalts der Gesellschafterhaftung durch die Unterscheidung der personen- und nichtpersonenbezogenen Leistungen zutreffend korrigiert werden. Darüber hinaus zu beachten ist die systembezogene Lehre von John, der, durch eine Parallele zur Gesellschafterstellung in Kapitalgesellschaften, die Haftung auf das Interesse befürwortet. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Anhänger der Erfüllungstheorie zugeben, dass, sobald sich die Verpflichtung der Gesellschaft auf Herausgabe einer Sache (vgl. Art. 1041 ZVGB) oder Lieferung dieser Sache (vgl. Art. 1041 ZVGB, Art. 1047 § 1 ZVGB i.V. m. Art. 64 ZGB) oder auf Herausgabe bzw. Lieferung vertretbarer Sachen (vgl. Art. 1041, Art. 1047 § 1 ZVGB i.V. m. Art. 64 ZGB) beläuft, eine Vollstreckung in Erfüllungsrichtung im Regelfall nur gegenüber der Gesellschaft gelingen werde. 47 Gegenüber dem Gesellschafter könne aber der 46 47

John, Die organisierte, S. 254. Flume, Die Personengesellschaft, S. 306; Schlegelberger / K. Schmidt, § 128 Rn. 48.

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

Titel die Grundlage für einen Schadensersatz nach Art. 471 ff. ZGB sein. Das Fehlen einer „naturalen“ Vollstreckungsmöglichkeit schließe aber eine entsprechende Verurteilung nicht aus. Der Umstand, dass die Grenze bei vertretbaren Handlungen zu unvertretbaren Handlungen fließend und erst im Vollstreckungsverfahren zu ziehen sei, 48 enthebe den Kläger nicht davon, im Erkenntnisverfahren den nach seinem Überblick zutreffenden Klageantrag zu stellen. Stelle sich später heraus, dass die begehrte Handlung unvertretbar sei, lasse sich eben keine Zwangsvollstreckung gemäß Art. 1049 § 1 ZVGB durchführen. 49 Der Streit betrifft dementsprechend nur die Leistungen, die vertretbare und bestimmte Sachen sowie vertretbare Handlungen (Art. 1049 § 1 ZVGB) zum Gegenstand haben, also Fälle, in denen eine Leistung des Gesellschafters mit derjenigen der Gesellschaft inhaltsgleich sein kann. Außer Zweifel stehen unvertretbare Leistungen, die dadurch gekennzeichnet werden, dass sie nicht durch einen Dritten vorgenommen werden können (vgl. Art. 1050 ZVGB). Alleine die Gesellschaft kann die Erfüllung der Leistung in einem solchen Fall bewirken. 50 In diesem Zusammenhang ist auf die kontroverse Rechtsprechung des BGH hinzuweisen, wonach der geschäftsführende Gesellschafter zu einer von der Gesellschaft geschuldeten Rechnungslegung (oder Zeugniserteilung) verurteilt werden kann. 51 Dieses Urteil wurde zu Recht kritisiert. 52 Die Gesellschaft als Schuldner einer unvertretbaren Leistung kann mit dem geschäftsführenden Gesellschafter nicht gleichgesetzt werden. Wenn der Geschäftsführer als ein organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft eine unvertretbare Handlung vornimmt, so handelt die Gesellschaft, nicht er als persönlich Haftender. Sollte aber die Gesellschaft die geschuldete, unvertretbare Handlung selber nicht erbringen, steht dem Gesellschaftsgläubiger kein Anspruch gegen den geschäftsführenden Gesellschafter auf organschaftliches Handeln für die Gesellschaft zu. 53 Dies folgt daraus, dass, wenn die Gesellschaft zur Maßnah48

So John, Die organisierte, S. 250. Hadding, Inhalt, S. 587. 50 Das Zwangsgeld nach Art. 1050 § 1 und § 3 ZVGB i.V. m. Art. 31 § 1 HGG ist primär in das Gesellschaftsvermögen, subsidiär in das Gesellschaftervermögen zu vollstrecken. Die Zwangshaft nach Art. 1053 § 2 ist gegen „den Arbeitnehmer der Gesellschaft“ im Sinne dieser Vorschrift, im Regelfall aber gegen den geschäftsführenden Gesellschafter zu vollstrecken. 51 Urteil v. 14. 02. 1957 (II ZR 190/55), BGHZ 23, S. 302 ff. Im polnischen Schrifttum scheint Sołtysi´nski, in: Sołtysi´nski / Szajkowski / Szuma´nski / Szwaja, Kodeks, Art. 22 Rn. 48 (S. 239) dieser Ansicht zu folgen, allerdings ohne Begründung. A. A. bereits Allerhand, Kodeks, S. 142. 52 Statt vieler Flume, Die Personengesellschaft, S. 312 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1428; dem BGH zust. aber A. Hueck, Das Recht, S. 318. 53 Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, S. 313; ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1428: „ohne dies auszusprechen, hat der BGH § 128 HGB zur Grundlage eines Durchgriffs auf den geschäftsführenden Gesellschafter gemacht. (...) bedarf eine solche Praxis sehr kritischer Prüfung und Begründung. Sie darf sich nicht hinter § 128 HGB verstecken“. 49

§ 3 Bilanz

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me gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger verpflichtet ist, sich daraus nicht eine Verpflichtung des geschäftsführenden Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft ergibt, die Maßnahme vorzunehmen. Über diese Verpflichtung kann ausschließlich die Gesellschaft befinden. Der Gesellschaftsgläubiger kann dagegen den Geschäftsführer in seiner Rolle als Gesellschafter in Anspruch nehmen. Dann haftet der Geschäftsführer wie alle übrigen Mitgesellschafter auf das Interesse. 54 Dasselbe gilt für die Fälle der Abgabe einer von der Gesellschaft geschuldeten Willenserklärung. Eine Verurteilung des Gesellschafters ersetzt nicht nach Art. 1047 § 1 ZVGB i.V. m. Art. 64 ZGB die Willenserklärung der Gesellschaft. Ferner bezieht sich der Streit zwischen der „Erfüllungs-“ und „Haftungstheorie“ auch nicht auf Unterlassungs- und Duldungspflichten der Gesellschaft (Art. 1051 ZVGB), weil die Frage in diesen Fällen etwas anderes betrifft, und zwar, ob sich die Bindung der Gesellschaft auch auf die Gesellschafter erstreckt und sich somit nicht die Frage des Art. 22 § 2 HGG stelle. Dies wird im Folgenden erörtert. Nun wird der Kern der Frage sichtbar. Die „Haftungstheorie“ will dem Gläubiger die Leistung bereits auf der materiellrechtlichen Ebene absprechen, so dass sich der Anspruch im Erkenntnisverfahren auf das Interesse richtet. Nach der „Erfüllungstheorie“ soll dem Gesellschaftsgläubiger die Grenze des materiellrechtlichen Anspruchs erst im Zwangsvollstreckungsverfahren gesetzt werden. Zum Schluss muss man sich vergegenwärtigen, dass die „Erfüllungstheorie“ keinen Anspruch erhebt, eine Doktrin mit materiellem Richtigkeitsanspruch zu sein. Sie versteht sich zunehmend lediglich als ein rechtsdogmatisch ausformuliertes Haftungsmodell für die Praxis, das trotz Zweifeln an seiner Begründetheit im Regelfall zu überzeugenden Ergebnissen führt. 55

B. Stellungnahme zum materiellen Recht Wenn man die Gesellschafter als akzessorische Schuldner der Gesellschaftsgläubiger begreift, muss man die Frage des Inhalts der Gesellschafterhaftung unter folgendem Gesichtspunkt sehen: Ist die Akzessorietät im Inhalt aufzugeben zugunsten der Überlegung, dass die Stellung eines OHG-Gesellschafters grundsätzlich derjenigen eines Gesellschafters der GmbH oder AG entsprechen muss? Im Laufe dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass in Hinblick auf die Rechtsfähigkeit die Personen- und Kapitalgesellschaften gleichzustellen sind. Es wurde dafür plädiert, auch unter dem Einfluss von John, beide Arten der Gesellschaftsformen – rein theoretisch – in einer Kategorie von „organisierten Rechtsträgern“ 54 Vgl. die h. M. der deutschen Lehre: Flume, Die Personengesellschaft, S. 313; Hadding, Inhalt, S. 585; Emmerich, Erfüllungstheorie, S. 653; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1426. 55 Eindeutig K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1426.

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

zu klassifizieren. Der Umstand, dass den Personen- und Kapitalgesellschaften mit Blick auf ihre Rechtsfähigkeit eine vergleichbare Stellung eingeräumt wird, impliziert aber nicht, dass die Mitgliedschaft in beiden Kategorien dieser Gesellschaftsformen identische Rechtswirkungen nach sich ziehen muss. Zunächst muss man sich den Umstand vergegenwärtigen, dass die These von John zum Inhalt der unbeschränkten Haftung nicht ohne Bezug auf das von ihm konstruierte Personifikationssystem analysiert werden sollte. Dies wird leider häufig verkannt. 56 Wie bereits dargelegt wurde, stand die persönliche Gesellschafterhaftung bei der OHG im Widerspruch zum eigenen „Haftungsverband“ der OHG als einer „organisierten Rechtsperson“. Es gäbe zwar eine Haftungsverselbstständigung der OHG, allerdings sei die Trennwand zwischen ihrem Haftungsverband und demjenigen der Gesellschafter eben nur unvollständig. 57 Das Fehlen einer vollständigen Verselbstständigung der OHG mit Blick auf den Haftungsverband bei Annahme, dass die OHG die sonstigen Merkmale der „organisierten Rechtspersönlichkeit“ erfülle und daher immerhin als eine organisierte Rechtsperson anzusehen sei, resultiert daraus, dass die Reichweite der persönlichen Haftung beschränkt werden sollte. Diese Beschränkung führe zu einer Annäherung an die Gesellschafterstellung in einer Kapitalgesellschaft, die ein Beispiel einer vollkommenen Persönlichkeit darstellt. Dieser Annäherung entsprechend sollte auch die Gesellschafterhaftung nicht über eine bloße Interessenhaftung hinausgehen. Im Grunde genommen stellt sich die Auffassung von John zum Inhalt der Gesellschafterhaftung als eine Konsequenz seiner Betrachtung der OHG bezüglich der Elemente der organisierten Persönlichkeit dar. Deswegen ist die Bejahung dieser Betrachtungsweise oder ihre Ablehnung grundlegend. Die Beurteilung der Auffassung zum Inhalt der Gesellschafterhaftung hat nur sekundäre Bedeutung. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass kein Zusammenhang zwischen der persönlichen Gesellschafterhaftung und dem Vorliegen der Rechtsfähigkeit besteht; diesbezüglich kann auf die Ausführungen zur Stellung der OHG im System der Personifikation des polnischen Zivilrechts verwiesen werden. Damit wird auch die erwähnte Annahme von John abgelehnt. Die unbeschränkte Gesellschafterhaftung ist kein Hindernis dafür, die OHG als eine organisierte Rechtsperson anzusehen. Die persönliche Gesellschafterhaftung muss man als ein eigenständiges Strukturelement der rechtsfähigen Personengesellschaften des Handelsrechts betrachten. Vielmehr kann man eben in der Erfüllungspflicht bei bestimmten Schuldinhalten ein unterscheidendes Strukturelement der handelsrechtlichen Personengesellschaft gegenüber den Kapitalgesellschaften erblicken. Dies angenom56 Vgl. z. B. Moskwa, Stosunek, S. 106 ff. Seine Kritik betrifft zwar die Ansicht von Koppensteiner, in: Straube, Kommentar, § 128 Rn. 9 ff., allerdings geht die Meinung von Koppensteiner auf die Thesen von John zurück. Auch viele Kritiker von John im deutschen Schrifttum verkennen dies. 57 John, Die organisierte, S. 145.

§ 3 Bilanz

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men, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der auf eine unzutreffende Prämisse zurückgehenden Ansicht, dass der Gläubiger einer OHG durch die Erfüllungshaftung ohne Rechtfertigung besser gestellt wird als der Gläubiger einer Kapitalgesellschaft. 58 Die Ablehnung der Prämisse, auf die sich die wohl am häufigsten vertretene Begründung der Haftungstheorie stützt, erlaubt, die Argumentation „gegen“ die Haftungstheorie abzuschließen. Immerhin kann aus dem Vergleich zwischen Kapital- und Personengesellschaften noch ein weiteres Argument zugunsten der „Erfüllungstheorie“ gewonnen werden. Es wurde bereits angedeutet, dass der Ausschluss persönlicher Gesellschafterhaftung in Kapitalgesellschaften an strenge Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften geknüpft ist. In zahlreichen Regelungen, unter anderem des Gesellschaftsrechts sowie des Konkursrechts (Einheitlichkeit der Konkursgründe für alle Formen der Handelsgesellschaften), ist die Wertung des Gesetzgebers erkennbar, wonach die persönliche Gesellschafterhaftung bei Personengesellschaften einerseits und die Kapitalbindung bei Kapitalgesellschaften andererseits als gleichwertige Instrumente des Gläubigerschutzes anzusehen sind. Daraus kann man schließen, dass die persönliche Gesellschafterhaftung nach Art. 22 § 2 HGG dermaßen verstanden werden sollte, dass sie zur Sicherstellung eines umfassenden Gläubigerschutzes beiträgt. Dem Gesellschaftsgläubiger wird auch die Sicherheit gegeben, dass die von der Gesellschaft geschuldete Leistung tatsächlich erbracht wird. Dies spricht dafür, die Pflicht zur Leistung in natura zu bejahen, sobald die Gesellschaftsverbindlichkeit vertretbare oder bestimmte Sachen sowie vertretbare Handlungen zum Gegenstand hat. Von den systematischen Argumenten abgesehen, ist der als pragmatisches Haftungsmodell verstandenen Erfüllungstheorie mit Blick auf die Praxis der Rechtsdurchsetzung Vorrang einzuräumen. Die bereits erwähnte Rechtfertigung der Erfüllungstheorie, dass die Durchsetzung der Gläubigeransprüche vereinfacht wird, wenn Klageantrag und Urteilstenor im Verhältnis zur Gesellschaft und zu ihren Gesellschaftern einheitlich lauten, 59 trifft zu. Daher kann angenommen werden, dass, selbst wenn im Einzelfall gar keine Erfüllung seitens des Gesellschafters erwartet werden kann, ein praktisches und schutzwürdiges Interesse besteht, dass der Gesellschafter auf dasselbe verurteilt wird wie die Gesellschaft. Zusammenfassend muss man festhalten, dass die „Erfüllungstheorie“, dogmatisch begründet als Ausfluss der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung im Inhalt, unterstützt durch das Verständnis der persönlichen Gesellschafterhaftung als Mittel einer umfassenden Gläubigersicherung, im Hinblick auf die Regelung der OHG im polnischen HGG haltbar ist. 58

Eine solche Auseinandersetzung findet sich bei Moskwa, Stosunek, S. 106 ff. So Flume, Die Personengesellschaft, S. 305; zust. Hadding, Inhalt, S. 586; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1426. 59

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

C. Die Erstreckung der Bindung der Gesellschaft auf die Gesellschafter bei Unterlassungsbzw. Duldungspflichten Eine dogmatisch interessante und praktisch durchaus relevante Problematik bezieht sich darauf, ob sich die Unterlassungs- und Duldungspflichten der Gesellschaft auf die Gesellschafter erstrecken. Das Problem wurde früher an den Beispielen a) und f) demonstriert. Schon auf den ersten Blick ist sichtbar, dass dies eine etwas andere Rechtsfrage als bei den Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Sach- oder Werkleistung darstellt. Die Vorfrage muss daher lauten: Hat diese Problematik mit dem Inhalt persönlicher Gesellschafterhaftung nach Art. 22 § 2 HGG etwas zu tun? Nehmen wir an, dass sich eine Gesellschaft vertraglich verpflichtet hat, ihren Bedarf an Baumaterialien ausschließlich von einem Anbieter zu beziehen. 60 Kann aufgrund dieser Vertragsklausel von einem Gesellschafter verlangt werden, dass er den Bedarf eines von ihm außerhalb der Gesellschaft geführten Unternehmens auch beim Vertragspartner der Gesellschaft deckt? Betrachtet man, dem Ansatz von Flume folgend, die Gesellschaft als eine rechtsfähige Gruppe und die Gesellschafter lediglich als Mitglieder dieser Gruppe, so muss man zum Schluss gelangen, dass die Betrachtung dieser Frage vor dem Hintergrund des Art. 22 § 2 HGG nicht zu überzeugen vermag. Verwirklicht sich die akzessorische Gesellschafterhaftung für die Gesellschaftsschuld in diesem Fall darin, dass der Gesellschafter auch im Rahmen seines Privatunternehmens gezwungen sein sollte, den Bedarf beim Vertragspartner der Gesellschaft zu decken? Die bisher favorisierte Betrachtung von Gesellschaft und Gesellschafterhaftung nötigt zu einer negativen Antwort. Die Bejahung der Bindung des Gesellschafters auch bezüglich seines Privatunternehmens überspringt den Rahmen der akzessorischen Haftungsverbindlichkeit nach Art. 22 § 2 HGG. Eine solche Verbindlichkeit kann von einem Gesellschafter eingegangen werden, wobei sich dies jedoch nicht aus Art. 22 § 2 HGG ergibt. Zwar erschöpft der einleitend dargestellte Fall die ganze Breite der Problematik nicht. Bedenken sind jedoch geboten, wenn man die deutsche Rechtsprechung in Betracht zieht, welche vertragliche Wettbewerbsverbote bzw. Unterlassungspflichten der Gesellschaft unter Berufung auf § 128 dt. HGB bzw. auf § 242 BGB auf die Gesellschafter ausgedehnt hat. 61 Dadurch sollte eine Umgehung der Unterlassungsverpflichtungen der Gesellschaft verhindert werden, die sich etwa durch die 60 Entschieden von RG, JW 1902, S. 78 ff. Besprochen u. a. von John, Die organisierte, S. 264; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1428 f. 61 Vgl. BGH v. 07. 06. 1972 (VIII ZR 175/70), BGHZ 59, S. 64 ff.: „Bei Identität der Gesellschafter kann der gegen die eine Handelsgesellschaft gerichtete Unterlassungsanspruch auch gegen die diesem Anspruch zuwiderhandelnde andere Handelsgesellschaft geltend gemacht werden“; ähnlich BGH v. 09. 11. 1973 (I ZR 83/72), WM 1974, S. 253.

§ 3 Bilanz

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Aufnahme des Wettbewerbs durch die Gesellschafter oder eine von den Gesellschaftern gegründete zweite Gesellschaft ergeben könnte. Das RG hat im Urteil v. 19. 01. 1933 62 (unser Fall f.) entschieden, dass die OHG über die außergesellschaftlichen Belange der Gesellschafter nicht verfügen könne und dass in diesem Fall die durch § 128 dt. HGB vermittelte Haftung aller Gesellschafter für ein außergesellschaftliches Handeln eines Gesellschafters den Gefahrenkreis wesentlich erweitern würde, wenn ein neuer Gesellschafter in die OHG eintritt. Trotzdem ist das RG davon ausgegangen, dass das Verhalten der Gesellschafter ein Verstoß gegen Treu und Glauben sowie gegen die aus § 128 dt. HGB und § 242 BGB resultierende Pflicht, für die Erfüllung der Gesellschaftsschuld durch die Gesellschafter einzutreten, darstelle. Entscheidend sei, dass die beiden einzigen Teilhaber der OHG wiederum in gemeinsamer Wahrnehmung ihrer Belange das Nachbargrundstück erwerben und dort den Wettbewerb eröffnen, wenn sie also lediglich die Rechtsform ändern, als Miteigentümer je zur Hälfte statt als Gesellschafter auftreten. Ferner hat das RG auch angenommen, es „könnten rechtliche Bedenken dagegen bestehen, die Verpflichtung der Gesellschafter zur Unterlassung von Wettbewerb inhaltlich so anzusehen, als hätten sich die Gesellschafter persönlich entsprechend verpflichtet, während doch die Gesellschaft ihre Teilhaber nur im gesellschaftlichen Bereich bindet“. In einer dieser Tendenz folgenden Entscheidung, die eine sog. „Umgehungsgesellschaft“ anging, 63 ist der BGH davon ausgegangen, dass entscheidend sei, dass die Gesellschafter zweier Gesellschaften dieselben seien. Zwar seien die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ohne weiteres dasselbe wie Verbindlichkeiten der Gesellschafter, wenn diese auch für Gesellschaftsschulden persönlich haften. Eine andere Frage sei aber, ob die Rechtsordnung es zulassen könne, dass die Gesellschafter durch ein Handeln außerhalb der Gesellschaft den Zweck eines Vertrages durchkreuzen, den die Gesellschaft mit einem Dritten geschlossen habe. Diese Frage sei in Fällen wie diesen zu verneinen. Dem Verletzten müsse nach § 242 BGB, § 128 dt. HGB der unmittelbare Zugriff auf die Gesellschafter selbst offen stehen. 64

62

RG v. 19. 01. 1933 (Rep. IV. 390/32), RGZ 139, S. 252. BGH v. 07. 06. 1972 (VIII ZR 175/70), BGHZ 59, S. 67. Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt sah mit kleinen Modifizierungen dergestalt aus: V überließ dem K, Inhaber eines Geschäfts, durch Pachtvertrag die Kiesausbeutung auf seinem Grundstück. Aus dem Pachtvertrag ergab sich, dass K in einem bestimmten Umkreis keine sonstige Auskiesung vornehmen durfte. K verstarb und wurde von seiner Witwe beerbt. Diese betrieb sein Unternehmen zunächst weiter und gründete später mit den gemeinsamen Söhnen eine A-KG, welche die Kiesausbeutung fortführte. Die Beteiligten gründeten sodann eine zweite Gesellschaft, die B-KG. Diese B-KG übernahm Auskiesungsrechte in dem vertraglich gesperrten Gebiet. V klagte gegen die B-KG auf Unterlassung. 64 BGHZ 59, S. 67. 63

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

Zunächst ist der Umstand zu vermerken, dass die Gerichte eindeutig die Unterlassung von Wettbewerb durch die Gesellschaft von der Unterlassung von Wettbewerb durch die Gesellschafter als zwei verschiedene Leistungen mit unterschiedlichen Inhalten abgegrenzt haben. Es liegt auf der Hand, dass die Gerichte die hier untersuchte Frage nicht als ein Problem des Umfangs der Gesellschafterhaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten angesehen haben. Demgegenüber wurde die Frage der Haftung der Gesellschafter für ihre Unterlassungspflichten im Lichte der allgemeinen Vorschrift § 242 BGB (wenn auch i.V. m. § 128 dt. HGB) dahingehend erörtert, ob sich die Bindung der Gesellschaft auf die Gesellschafter erstreckt, und ob man im Falle der Umgehung dieses Verbots durch die Gründung einer anderen personengleichen Gesellschaft von einem Missbrauch sprechen kann. Ferner schien der BGH die Frage nicht ausschließlich mit der OHG bzw. KG zu verbinden. In beiden Fällen wurde den Klagen alleine gegen die Gesellschafter stattgegeben. Der Betrachtungsweise des BGH folgend wäre das Ergebnis identisch, handelte es sich um zwei personalistische GmbHs, die sich aus denselben Gesellschaftern zusammensetzten. 65 Aufgrund der Analyse der Rechtsprechung deutscher Gerichte kann man nun festhalten, dass auch diese Rechtsprechung, die unter gewissen Voraussetzungen die Erstreckung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf die Gesellschafter bejaht hat, dies nicht als das Problem von Art. 22 § 2 HGG (§ 128 dt. HGB) angesehen hat. Die Behauptung, die Gesellschaft schulde eine Unterlassung von Wettbewerb, dementsprechend würden in natura auch die Gesellschafter haften, kann aus dieser Rechtsprechung nicht entnommen werden. Die Unterlassungspflichten sind höchstpersönlich, was bedeutet, dass eine Unterlassung durch die Gesellschaft als Gruppe der Gesellschafter einer Unterlassung durch einen Gesellschafter nicht gleichgesetzt werden darf. 66 Aus Art. 22 § 2 HGG, der eine akzessorische, gesetzliche Haftung der Gesellschafter für eine fremde Schuld vorsieht, kann sich höchstens eine Interessenhaftung der Gesellschafter für die Verletzung der Verpflichtung durch die Gesellschaft ergeben. Die rechtliche Grundlage für die Erstreckung der Unterlassungspflichten der Gesellschaft auf ihre Gesellschafter lag in beiden Fällen „außerhalb“ von § 128 dt. HGB Die richtig gestellte Frage muss sich daher darauf beziehen, auf welcher Grundlage die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bezüglich Unterlassung und Duldung auf die Gesellschafter erstreckt werden können. Zunächst kann dies kraft einer Vereinbarung mit dem Gesellschaftsgläubiger erfolgen. Die Gesellschafter können der Gesellschaft oder dem geschäftsführenden Gesellschafter eine entsprechende Vollmacht erteilen, da die Vertretungsmacht nach Art. 29 § 2 HGG dazu nicht ausreicht. 67 Geht die Gesellschaft für die Gesellschafter kraft dieser Vollmacht eine 65

Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1429 f., nach dem die Frage in Zusammenhang mit der allgemeinen Problematik der „Durchgriffshaftung“ der Gesellschafter steht. 66 Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, S. 306.

§ 3 Bilanz

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entsprechende Verpflichtung ein oder übernehmen die Gesellschafter gegenüber dem Gläubiger eine Unterlassungspflicht, dann stehen dem Gläubiger mehrere Ansprüche zu. Neben der Gesellschaft sind auch die Gesellschafter durch eine entsprechende Unterlassungspflicht gebunden. Darüber hinaus haften die Gesellschafter wegen Art. 22 § 2 HGG auf das Interesse, sobald die Gesellschaft ihrer Unterlassungspflicht nicht nachkommt. Die Gesellschafter können sich auch im Verhältnis zur Gesellschaft zu einem entsprechenden Unterlassen verpflichten. Die OHG kann in diesem Fall gegenüber dem Gläubiger die Pflicht zur Einwirkung auf die Gesellschafter übernehmen. Dann hat die Verpflichtung der Gesellschaft nicht nur den Inhalt, sich darum zu bemühen, dass der Gesellschafter den Wettbewerb unterlässt (dies ist nur dann anzunehmen, wenn keine Verpflichtung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft besteht). Sie steht dafür ein, die Unterlassung des Wettbewerbs durch den Gesellschafter sicherzustellen. Die Erfüllung dieser Verpflichtung in natura kann seitens der Gesellschaft erfolgen, in dem sie ihren Anspruch gegen den Gesellschafter durchsetzt und dieser daraufhin den Wettbewerb gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger unterlässt. Hinsichtlich des Erfüllungserfolgs haften dann die Gesellschafter aus eigener Verbindlichkeit sowie die Gesellschaft auf dasselbe: Die Unterlassung des Wettbewerbs durch den Gesellschafter. 68 Aus der erwähnten Verpflichtung der Gesellschaft, für die Unterlassung der Gesellschafter einzustehen, folgt aber nicht der direkte Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschafter auf die Einhaltung der Unterlassungspflichten der Gesellschaft. Es sprechen gute Gründe dafür, diesen Anspruch als abtretungsunfähig anzusehen. Zum einen unterliegen die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern dem Abspaltungsverbot, da sie dem mitgliedschaftlichen Verhältnis entstammen. 69 Zum anderen steht der höchstpersönliche Charakter dieser Verpflichtung nach Art. 509 § 1 ZGB der Abtretung entgegen. Angesichts der Haftung der Gesellschaft in natura hat dies aber, praktisch gesehen, keine erhebliche Relevanz. Neben den vertraglichen müssen auch die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen in Betracht gezogen werden. Zu denken ist in erster Linie an Art.18 Abs.1 Pkt.1 UWG; Art. 287 Abs. 1 und Art. 296 Abs. 1 RGE; Art. 78 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 1 UNG; Art. 24 § 1 ZGB. Bei solchen gesetzlichen Unterlassungsansprüchen muss die in Betracht kommende Vorschrift dahingehend untersucht werden, ob sich aus ihr selbst Ansprüche auch gegen die Gesellschafter ergeben. Zu entscheiden ist dann die Frage, ob die Gesellschafter neben der Gesellschaft als Störer in Betracht kommen, weil sie selbst wettbewerbswidrig gehandelt oder die Zuwiderhandlungen ihrer Mitarbeiter oder Mitgesellschafter pflichtwidrig nicht verhindert haben. 70 67 Diese gesetzliche Vertretungsmacht dient ausschließlich dazu, die Gesellschaft verpflichten zu dürfen. Hierbei bedeutet der Umstand, dass die Gesellschafter für diese Verbindlichkeiten haften, nicht, dass auch sie durch die Gesellschaft vertreten werden. 68 Flume, Die Personengesellschaft, S. 311. 69 So Staub / Habersack, § 128 Rn. 40.

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4. Kap.: Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten

Schließlich verbleibt die Notwendigkeit, die Argumentation des RG und des BGH mit allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen auf ihre Begründetheit zu prüfen. Es stellt sich die Frage: Kann man die Unterlassungspflichten der Gesellschaft auf die Gesellschafter unter Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben erweitern (Art. 354 § 1 ZGB)? Es liegt auf der Hand, dass das Ergebnis des BGH im Falle der sog. Umgehungsgesellschaft der Billigkeit entsprach. Eine reine Billigkeitserwägung ist jedoch nicht ausreichend. Es muss zunächst durch Auslegung des Vertrages des Dritten mit der Gesellschaft klargestellt werden, dass es diesem erkennbar darauf ankam, auch die Gesellschafter an einem Verstoß gegen das Vertragsziel durch ein Handeln außerhalb der Gesellschaft zu hindern (wie in dem vom RG entschiedenen Fall). 71 Sonst gibt es keinen Grund, von einer Pflichtverletzung seitens der Gesellschafter zu sprechen. Es wurde bereits ausgeführt, dass die Gesellschafter die Verbindlichkeit der Gesellschaft auf sich selber vertraglich erstrecken lassen können. In diesem Fall kann der Dritte gegen die an der Umgehungsgesellschaft beteiligten Gesellschafter vorgehen. Der Dritte kann auch gegen die „erste“ Gesellschaft vorgehen, sobald sie eine Pflicht zur Einwirkung auf die Gesellschafter übernommen hat. Die Umgehungsgesellschaft als selbstständiges Rechtssubjekt ist weder nach Art. 22 § 2 HGG noch nach sonstigen Grundsätzen von einer Haftung betroffen. 72 Für die Bejahung der Gesellschafterhaftung kommt es wie im vom BGH erörterten Falle nicht darauf an, ob eine völlige Gesellschafteridentität herrscht. Die Einwirkungspflicht der ersten Gesellschaft auf ihre auch an der „Umgehungsgesellschaft“ beteiligten Gesellschafter ebenso wie die gegebenenfalls bestehende eigene Verpflichtung der Gesellschafter endet in aller Regel dann, wenn die Gesellschafter in der „Umgehungsgesellschaft“ durch weitere Gesellschafter derart „majorisiert“ werden, dass sie ein vertragswidriges Handeln nicht mehr verhindern können. 73 Dann können sie selbst nicht mehr in Anspruch genommen werden und es kann auch von der ersten Gesellschaft nicht mehr erwartet werden, sie zu entsprechenden Handlungen anzuhalten. Zusammenfassend muss man festhalten, dass die Gesellschafter durch die Unterlassungs- bzw. Duldungspflichten der Gesellschaft gebunden sind, sobald sich diese Bindung aus einem besonderen Rechtsgrund ergibt. Alleine aus der Beteiligung an der Gesellschaft lässt sich dies nicht ableiten. Eine davon zu trennende Frage ist, dass die Gesellschafter – im Hinblick auf die Vollstreckungsmaßnahmen bezüglich der Unterlassungs- und Duldungspflichten nach Art. 1051 §§ 1 – 3 ZVGB – für ein gegen die Gesellschaft verhängtes Zwangsgeld sowie für die Kosten der Ersatzvornahme aus Art. 22 § 2 HGG persönlich haften.

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Vgl. Emmerich, Erfüllungstheorie, S. 650. Vgl. John, Die organisierte, S. 265. Vgl. John, Die organisierte, S. 266. Vgl. John, Die organisierte, S. 266.

Zusammenfassung der Ergebnisse In der vorliegenden Untersuchung wurden mehrere Ergebnisse zur Rechtsnatur der OHG sowie ihrer Haftungsverfassung nach dem polnischen Recht vorgeschlagen. Die Stellungnahmen zu allen einzelnen Fragen befinden sich im Text, was erlaubt, nun ausschließlich die wichtigsten Lösungsvorschläge zusammenzufassen. 1. Die OHG war nach dem polnischen HGB aus dem Jahre 1933 eine Gesamthandsgesellschaft nach dem Vorbild des deutschen und schweizerischen Rechts. Entgegen der herrschenden Meinung änderte das HGG aus dem Jahre 2000 diese Rechtsnatur der OHG nicht. Der herrschenden Lehre im polnischen Schrifttum, welche die Gesamthand ausschließlich als ein vermögensrechtliches Regelungsprinzip versteht und die Rechtsfähigkeit der OHG mit der Verneinung der Gesamthand und der Qualifizierung der OHG als „eine unvollständige juristische Person“ begründet, ist nicht zu folgen. Die Lehre von „den unvollständigen juristischen Personen“ ist nicht geeignet, die Rechtsnatur einer Personengesellschaft befriedigend zu erklären. Dagegen ist im Anschluss an die im deutschen Schrifttum vertretene sog. Gruppen-Lehre das Gesamthandsprinzip im Personengesellschaftsrecht als ein personalistisches Regelungsprinzip anzusehen. Dies erlaubt anzunehmen, dass eine OHG als Gesamthandsgesellschaft rechtsfähig ist und mit dem vergleichbar ist, was der polnische Gesetzgeber explizit als eine juristische Person bezeichnet. 2. Die Bejahung der Rechtssubjektivität der OHG setzt voraus, dass die OHGGesellschafter kraft Gesetzes für eine fremde Schuld, die Verbindlichkeit der Gesellschaft, einzustehen haben. Das Wesen dieser Rechtsstellung wird überzeugend mit der Qualifizierung der Gesellschafter als gesetzliche Sicherungsgeber der Gesellschaft erläutert. Die Rechtsstellung der Gesellschafter ist durch die strenge Akzessorietät bestimmt. Die Akzessorietät der gesetzlichen Gesellschafterverbindlichkeit zeigt sich in den einzelnen Fragen des Verhältnisses zwischen der Gesellschafts- und der Gesellschafterverbindlichkeit: den Grenzen der Kumulation bzw. des Ausschlusses einer dieser Verbindlichkeiten; den Wirkungen der Unterbrechung der Verjährung der Gesellschaftsschuld auf die Verjährung der Gesellschafterschuld; den den Gesellschaftern gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger zustehenden Einwendungen und Einreden; der Ausgestaltung der Regressverhältnisse zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft. Die Formulierung in Art. 22 § 2 HGG, dass die Gesellschafter „gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft“ für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften, bedeutet entgegen der verbreiteten Auffassung nichts mehr als der Umstand, dass die Gesellschafter

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Zusammenfassung der Ergebnisse

neben der Gesellschaft für die ganze Schuld einzustehen haben. Damit enthält diese Vorschrift einen Verweis auf die in Art. 366 § 1 und 2 ZGB vorgesehene Primärwirkung der Gesamtschuld. Darüber hinaus sind wegen der Akzessorietät der Gesellschafterschuld die Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld (Art. 366 ff.) auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter nicht anwendbar. Aus dem Grund, der oben erwähnten, gesetzlichen Aussage von Art. 22 § 2 HGG eine rechtsfolgenverweisende Bedeutung zu gewähren, wird die theoretische Unterscheidung „der gesamtschuldnerischen Haftung“ von „der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit“ vorgeschlagen. In die erste Kategorie fallen nicht nur das Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft, sondern auch zahlreiche Fälle einer akzessorischen Haftungsverbindlichkeit für die Schuld eines anderen, der im Innenverhältnis Hauptschuldner ist. 3. Das Verhältnis der Gesellschafter untereinander entspricht dem Leitbild der Gesamtschuld nach dem ZGB. Dies bewirkt, dass die Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld (Art. 366 ff.) auf das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern grundsätzlich anwendbar sind. Die einzige Ausnahme betrifft die Vorschrift des Art. 374 § 1 ZGB, deren Anwendung wegen der Akzessorietät der Haftungsverbindlichkeit der Gesellschafter gegenüber der Hauptschuld der Gesellschaft nicht möglich ist. Die Vorschriften des ZGB über die Gesamtschuld werden durch die Regelung des Innenverhältnisses in der Gesellschaft vervollständigt. 4. Die unbeschränkte Gesellschafterhaftung für sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten ist als ein eigenständiges Strukturelement einer Personengesellschaft anzusehen. Der polnische Gesetzgeber sieht die unbeschränkte Gesellschafterhaftung bei Personengesellschaften einerseits und die Kapitalbindung bei Kapitalgesellschaften andererseits als gleichwertige Instrumente des Gläubigerschutzes an. Die unbeschränkte Gesellschafterhaftung in der OHG ist insofern zwingend, als sie nur mittels einer Vereinbarung mit dem jeweiligen Gläubiger ausgeschlossen bzw. beschränkt werden kann. Die Ausnahmen von der unbeschränkten, gesamtschuldnerischen Haftung sämtlicher Gesellschafter bei der Partnerschaftsgesellschaft finden ihre Rechtfertigung in der Eigenart freier Berufe (Vertrauensverhältnis zum Mandanten) und sind restriktiv auszulegen. 5. Die durch das HGG in das polnische Recht eingeführte Subsidiarität der Gesellschafterhaftung hat ausschließlich eine verfahrensrechtliche Wirkung. Nach dem materiellen Recht haften die Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden primär. Die Subsidiarität kommt ins Spiel im Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die Gesellschafter. Das Erfordernis „einer erfolglosen Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen“ als Voraussetzung der Befriedigung aus dem Gesellschaftervermögen ist teleologisch, nicht wörtlich, auszulegen. Hilfreich ist der Rückgriff auf die gesicherten Befunde der französischen Rechtsprechung bezüglich einer vergleichbaren Rechtslage. 6. Der Inhalt der Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten, der traditionell als eine Spezialfrage des Personengesellschaftsrechts behandelt wurde,

Zusammenfassung der Ergebnisse

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gehört systematisch zur Problematik des Verhältnisses zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterhaftungsverbindlichkeit. Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich der Inhalt der Gesellschafterschuld in erster Linie durch ihre Abhängigkeit von der Gesellschaftsschuld bestimmen. Die aus der Akzessorietät folgende Pflicht der Gesellschafter zur Primärerfüllung unterliegt einer Korrektur nach den allgemeinen Prinzipien des Schuld- und Zwangsvollstreckungsrechts bei unvertretbaren Handlungen sowie Duldungs- und Unterlassungspflichten, welche die Gesellschaft binden. Die Bestimmung des Haftungsinhalts anhand einer Interessenabwägung, die im polnischen Schrifttum verbreitet ist, ist zugunsten der einwandfreien dogmatischen Maßstäbe abzulehnen.

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Sachwortverzeichnis Actio pauliana 196 f. Akzessorietät – Begriff 112 ff. – der Gesellschafterhaftung im Verhältnis zur Gesellschaftsschuld 169 ff. – Verhältnis zur Solidarität 114 ff. – Verhältnis zur Subsidiarität 174 f. Aufrechnung 29 f., 138, 144 ff. Auftrag 155 f., 214 ff.

GbR 38, 40, 97, 178 ff., 201 Gemeinschaft der Wohnungseigentümer 47 f. Gerichtsregister 191, 217 Gesamthand 28 ff., 39 ff., 57 ff., 66 ff. Gesamtschuld siehe Solidarität Gestaltungsrecht 144 ff. GmbH 210, 213, 220 Grundbuch 27, 47

Bedingung 166, 176 Besitz 72 ff. Bürgschaft – Akzessorietät 120, 226 f. – durch einen Dritten für einen OHG-Gesellschafter 159 f. – Mehrheit der Bürgen 157 f. – Regressanspruch des Bürgen 154 ff., 168 – Solidarbürgschaft 116 ff. – Subsidiarität 189, 196 f.

Haftung – akzessorische siehe Akzessorietät – gesamtschuldnerische siehe Solidarität – subsidiäre siehe Subsidiarität – unbeschränkte siehe unbeschränkte Gesellschafterhaftung Hauptrecht 112 ff., 146 Hinterlegung 146, 200 Hypothek 27, 157

Cessio legis 153 ff. Dienstbarkeit 223 Duldungspflicht 240 ff. Eingliederung 162 f. Einreden – der OHG 135 ff. – der OHG-Gesellschafter 139 ff. – Unterlassung der Geltendmachung 148 f. – Verzicht 147 f. Einwendungen 110, 135 ff. Fälligkeit 175, 183, 192 Firma 26 ff., 33, 46 f. Frist 122, 176

Kapitalanteil 45, 68 KG 46, 55, 63, 72, 86, 181, 194 KGaA 46, 90, 191, 210 Klage – gegen die OHG 182 ff. – gegen die OHG-Gesellschafter 182 ff. Kollusion 145 Konkurs – der OHG 186 f. – der OHG-Gesellschafter 186 f. Konkursfähigkeit 43 Konzern 162 f. Mindestkapital 64, 91, 209 ff. Mitgliedschaft 58 f., 79, 90

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Sachwortverzeichnis

Nebenrecht 112 ff., 135, 157, 174 Novation – zwischen der OHG und dem Gesellschaftsgläubiger 126 – zwischen einem OHG-Gesellschafter und dem Gesellschaftsgläubiger 202 f. Numerus clausus 81 f. OHG – Auflösung und Liquidation 127, 177, 185 f. – Ausscheiden 79, 187, 206 f. – Beitritt 79, 199 – Geschäftsführung 79, 95 f., 142, 145, 156 – Konkurs 177, 186 f. – Verlustbeteiligung 152, 157, 159 f., 201, 205 f. – Vermögen 26, 28 ff., 37 ff., 46, 57 ff., 67 ff. – Vertretung 71, 93 ff., 211, 229, 231 f. Organ 43, 71, 73, 89, 95 ff.

Sicherungsverfahren 196 Societas 28, 60 Solidarität – Begriff 106 f. – Kategorien 107 ff. – sog. Sicherungsgesamtschuld 108, 165 ff. – Verhältnis zur Akzessorietät 114 ff. – Verhältnis zur Subsidiarität 106 f., 175 f. – zwischen den OHG-Gesellschaftern untereinander 200 ff. – zwischen der OHG und den OHG-Gesellschaftern 169 ff. Spaltung 163 f. Subrogation 153 ff. Subsidiarität – Begriff 174 ff. – der Gesellschafterhaftung in der OHG 182 ff. – Verhältnis zur Akzessorietät 174 f. – Verhältnis zur Solidarität 106 f., 175 f. teleologische Reduktion 98, 190

Partnerschaftsgesellschaft 213 ff. Pfand 154 ff. Prozessfähigkeit 27, 43 Rechtsfähigkeit 23 f., 32, 39, 44 ff., 52 ff., 65 ff., 78 ff., 87 ff. Rechtspersönlichkeit 62 ff., 84 ff. Regress – des Bürgen gegen den Hauptschuldner 154 ff. – des OHG-Gesellschafters gegen die Mitgesellschafter 156 ff. – des OHG-Gesellschafters gegen die OHG 153 ff. Schuldbeitritt 109, 172 Schulderlass – zugunsten der OHG 123 ff. – zugunsten eines OHG-Gesellschafters 200 ff.

Umwandlung der Gesellschaften 49, 71 f., 80 ff., 163 f. unbeschränkte Gesellschafterhaftung 56, 90 f., 179, 208 ff., 238 unerlaubte Handlung 94 ff. ungerechtfertigte Bereicherung 98 Universalsukzession 71, 81 f. Unterlassungspflicht 223, 240 ff. Unternehmen 57, 127, 209 ff. „unvollständige“ juristische Person 22, 42 ff., 86 Verein, einfacher 50 Verjährung – des Anspruches gegen die OHG 129 ff. – des Anspruches gegen einen Bürgen 129 – des Anspruches gegen einen Gesamtschuldner 128

Sachwortverzeichnis – des Anspruches gegen einen OHG-Gesellschafter 129 ff., 203 f. Verzug – des OHG-Gläubigers 146 – Inverzugsetzung der OHG 185 Vollstreckungsklausel 134, 143, 182, 188, 220

Vollstreckungstitel 178 f., 220

267 38, 134, 143, 155,

Vorstand 184, 219 ff. Wettbewerbsverbot 240 ff. Zinsen 156, 192