Die Habsburgermonarchie 1848-1918 / Die Habsburgermonarchie 1848-1918 Band XII: Bewältigte Vergangenheit? Die nationale und internationale ... ideelle Grundlage für die Neuordnung Europas 9783700181392, 3700181396

The volume pursues the issue as to what significance the demise of the Habsburg Monarchy, which had up to then been an o

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German Pages 552 [554] Year 2018

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Table of contents :
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INHALT
Vorwort der Herausgeber
Introduction
I. Epochenwende Erster Weltkrieg
A. The Historical Significance of the First World War
B. Untergang, Auflösung, Zerstörung der Habsburgermonarchie? Zeitgenössische Bedingungen der Erinnerung und Historiographie
C. Krieg der Staaten, Krieg der Völker. Der Erste Weltkrieg als totaler Krieg
D. Die „deutsche Frage“ als historisch-politisches Schlüsselproblem für Europa und die internationale Ordnung: Deutschland, der Kriegsausbruch von 1914und seine Wirkungen
II. Die Nationalstaatshistoriographie der Nachfolge- und Teilungsstaaten
A. Auf der Suche nach der österreichischen Identität
B. Die Reduktion Ungarns vom mitteleuropäischen Vielvölkerstaat zum magyarischen Nationalstaat. Narrative der „Auflösung“ in der ungarischen Geschichtsschreibung und der Public History
C. Inszenierte Loyalitäten: Tschechische Deutungen der Habsburgermonarchie und des tschechoslowakischen Nationalstaats am Ende des Weltkrieges
D. Von der Kulisse der Nationalstaatsgründung zur Europäisierung der Forschung: Die tschechische Historiographie zum Ersten Weltkrieg
E. Das Attentat von 1914 und Österreich-Ungarn in der serbischen Erinnerungskultur
F. Der Erste Weltkrieg in der polnischen Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung
G. An Experiment that Failed: The Liberal Greater Romania
H. The Entangled Eastern Front and the Making of the Ukrainian State: A Forgotten Peace – A Forgotten War and Nation-Building
I. The Lost Victory: Facts and Fiction
III. Das Neue Europa
A. The Democratization of Central and Eastern Europe as a British Strategic Objective, 1918–1925
B. Das neue Gleichgewicht in Mitteleuropa unter Frankreichs Patronat
C. ‘Wilson versus Lenin’: The New Diplomacy and Global Echoes of Austria-Hungary’s Dissolution
D. Die russische Historiographie zum Untergang der Habsburgermonarchie
E. Der Nahe Osten als Krisenerbe des Osmanischen Reiches
F. Ein Reich ohne Eigenschaften? Das Erbe föderaler Ideen in den „Nachfolgestaaten“ der Habsburgermonarchie
Verzeichnis der Abkürzungen
Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur
Personenregister
Ortsregister
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Die Habsburgermonarchie 1848-1918 / Die Habsburgermonarchie 1848-1918 Band XII: Bewältigte Vergangenheit? Die nationale und internationale ... ideelle Grundlage für die Neuordnung Europas
 9783700181392, 3700181396

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DIE HABSBURGERMONARCHIE 1848–1918 BAND XII

ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

DIE HABSBURGERMONARCHIE 1848–1918 IM AUFTRAG DES INSTITUTS FÜR NEUZEIT- UND ZEITGESCHICHTSFORSCHUNG HERAUSGEGEBEN VON

HELMUT RUMPLER

BAND XII

DIE HABSBURGERMONARCHIE 1848–1918 BAND XII

BEWÄLTIGTE VERGANGENHEIT? DIE NATIONALE UND INTERNATIONALE HISTORIOGRAPHIE ZUM UNTERGANG DER HABSBURGERMONARCHIE ALS IDEELLE GRUNDLAGE FÜR DIE NEUORDNUNG EUROPAS HERAUSGEGEBEN VON

HELMUT RUMPLER und ULRIKE HARMAT

Angenommen durch die Publikationskommission der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW: Michael Alram, Bert Fragner, Hermann Hunger, Sigrid Jalkotzy-Deger, Franz Rainer, Oliver Jens Schmitt, Peter Wiesinger und Waldemar Zacharasiewicz Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres

Das Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung Direktorin Doz. Dr. Katrin Keller Stv. Direktor Univ.-Prof. Dr. Arno Strohmeyer Diese Publikation wurde einem anonymen, internationalen peer-review Verfahren unterzogen This publication had been anonymously reviewed by international peers

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abruf bar.

Die verwendete Papiersorte ist aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestellt, frei von säurebildenden Bestandteilen und alterungsbeständig.

Alle Rechte vorbehalten. ISBN 978-3-7001-8139-2 Copyright © 2018 by Österreichische Akademie der Wissenschaften Wien Satz und Layout: Maria Scherrer, 8045 Graz Druck und Bindung: Finidr, Czech Republic https://epub.oeaw.ac.at/8139-2 https://verlag.oeaw.ac.at

INHALT Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Introduction: The Habsburg Monarchy as a Portent for the New Europe of the Future by Helmut Rumpler (Viktring/Vienna) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–20 1. The absence of a political ‘culture of compromise’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. The downfall of the Habsburg Monarchy as a historical prelude to the crises in Europe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3. The Cold War and the discovery of the Habsburg Monarchy as a Central European stability factor  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4. Austrian Habsburg research under US patronage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 5. The idea of Central Europe as a Glass Bead Game with a historical background  . . . . 13 6. The Habsburg Monarchy as a concept for the opportunities and limits in the realignment of Europe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

I. Epochenwende Erster Weltkrieg A. The Historical Significance of the First World War by Alan Sked (London) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21–47 1. The War in British Memory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. The Historical Significance of the War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Was It Uniquely Nasty? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Were Its Causes not the Usual Diplomatic and Military Ones? . . . . . . . . . . . . 30 5. Did it Result from a Crisis of Civilization?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 6. Historical Clutter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 7. The Consequences of the War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 8. Why No Romantic View of the War? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 9. Conclusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Untergang, Auflösung, Zerstörung der Habsburgermonarchie? Zeitgenössische Bedingungen der Erinnerung und Historiographie von Ulrike Harmat (Wien)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49–95 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einführende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Oscár Jászis Donaupatriotismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Österreichischer Staatsgedanke versus habsburgischer Hausmachtgedanke . . . 58 Das Oktobermanifest: „Farce“ oder „letzte Chance“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Die „k. k. Sozialdemokratie“ und der Einfluss der Russischen Revolution  . . . 66 The „Secret Enemy“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 „Doomed to collapse?“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 „Decline and Fall – Fall without Decline?“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

C. Krieg der Staaten, Krieg der Völker. Der Erste Weltkrieg als totaler Krieg von Erwin A. Schmidl (Wien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97–107 1. Casablanca 1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Angst vor der Zivilbevölkerung und Krieg gegen die Zivilbevölkerung  . . . . . . 99 3. Vom kolonialen zum totalen Krieg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Vom Krieg der Staaten zum Krieg der Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

VI Inhalt D. Die „deutsche Frage“ als historisch-politisches Schlüsselproblem für Europa und die internationale Ordnung: Deutschland, der Kriegsausbruch von 1914 und seine Wirkungen von Wolf D. Gruner (Rostock) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109–146 1. Erinnerungskultur, Geschichtspolitik, Vergangenheitspolitik und historische Forschung im Wandel der Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Das Jahr 2014 als Jahr der Erinnerung an die „Urkatastrophe“ . . . . . . . . . . . . 111 3. Die „deutsche Frage“ als Problem der Stellung Deutschlands in Mitteleuropa . . 113 4. Der Erste Weltkrieg in der Erinnerungskultur, der Geschichtspolitik und in der Geschichtswissenschaft zwischen Weimar und dem Vereinten Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 5. Ergebnisse und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

II. Die Nationalstaatshistoriographie der Nachfolge- und Teilungsstaaten A. Auf der Suche nach der österreichischen Identität von Ernst Hanisch (Salzburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147–162 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Der „kranke Mann an der Donau“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Der Wilson-Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Abschied von Österreich: Die Staatsbürgerrevolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Identitätsprobleme der Ersten Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Der autoritäre christliche „Ständestaat“: österreichisch und deutsch . . . . . . . . 158 Nationsbildung von oben: Der Beginn der Zweiten Republik  . . . . . . . . . . . . 160

B. Die Reduktion Ungarns vom mitteleuropäischen Vielvölkerstaat zum magyarischen Nationalstaat. Narrative der „Auflösung“ in der ungarischen Geschichtsschreibung und der Public History von László Szarka (Budapest)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163–187 1. Selbstbilder und „Standard-Narrative“ in der Geschichtsrezeption der ungarischen Staatsentwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Vom Ausgleich 1867 zum Zerfall der Habsburgermonarchie . . . . . . . . . . . . . 168 3. Der historische Kontext des Zusammenbruchs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4. Drei Perioden – drei Narrative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5. Die Positionen der Public History . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 6. Ethnonationale und ethnozentrische Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7. Postmoderner Kanon, Pluralität der Interpretationen und die neuen Narrative . 182 8. Zum Verhältnis von Historiographie und Erinnerungspolitik . . . . . . . . . . . . . 185 C. Inszenierte Loyalitäten: Tschechische Deutungen der Habsburgermonarchie und des tschechoslowakischen Nationalstaats am Ende des Weltkrieges von Martin Schulze Wessel (München) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189–199 1. Der Inlandswiderstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Der Auslandswiderstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D. Von der Kulisse der Nationalstaatsgründung zur Europäisierung der Forschung: Die tschechische Historiographie zum Ersten Weltkrieg von Ota Konrád (Prag)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201–226 1. 2. 3. 4. 5.

Der Erste Weltkrieg in der Wahrnehmung der Zwischenkriegszeit . . . . . . . . . 202 Der „kommunistische Blick“ auf den Krieg und die Reformhistoriographie . . 207 Die Historiographie nach dem Prager Frühling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Das Wendejahr 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Neue Perspektiven der Forschung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222



Inhalt

VII

E. Das Attentat von 1914 und Österreich-Ungarn in der serbischen Erinnerungskultur von Holm Sundhaussen † . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227–241 1. 2. 3. 4.

Das Attentat von Sarajevo und der Attentäter Gavrilo Princip . . . . . . . . . . . . 228 Die Befreiung der „serbischen Länder“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Die Revision der Heldenverehrung im Königreich Jugoslawien  . . . . . . . . . . . 231 Die „Jungbosnier“ als Vorläufer des Volksbefreiungskampfes 1941–1945  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 5. Die Erinnerungskulturen der postjugoslawischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . 232 6. Das Attentat von Sarajevo und die Ursachen des Ersten Weltkrieges  . . . . . . . 235 F. Der Erste Weltkrieg in der polnischen Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung von Włodzimierz Borodziej, Maciej Górny (Warschau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243–254 1. Geschichtspolitik oder die Kunst des Vergessens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Anmerkungen zur Historiographie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 G. An Experiment that Failed: The Liberal Greater Romania by Răzvan Pârâianu (Bukarest) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255–281 1. 2. 3. 4.

The First World War: Controversies, Paradoxes and Reinterpretations  . . . . . . 255 The Struggle of All the People: Communist Historiography . . . . . . . . . . . . . . 260 Mărăşeşti Teaches Us: The Interwar Years . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Notes for a History of the Great War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

H. The Entangled Eastern Front and the Making of the Ukrainian State: A Forgotten Peace – A Forgotten War and Nation-Building by Mark von Hagen (Tempe/Arizona)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283–319 1. 2. 3. 4.

How Peace Was Made on the Eastern Front . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 From the Central Rada to the Ukrainian People’s Republic  . . . . . . . . . . . . . . 289 The Bolshevik Revolution and the UPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 The Bolshevik Call for Peace and the Making of the Ukrainian (and Soviet Russian) States  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 5. Soviet Russia Wages War against Ukraine  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 6. The Road to the German-Austrian Occupation of Ukraine  . . . . . . . . . . . . . . 306 7. The Occupation and the Limitation of Sovereignty of the Ukrainian State . . . 311 8. Conclusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

I. The Lost Victory: Facts and Fiction by Gianluca Volpi (Udine) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321–329 1. 2. 3. 4. 5.

Historical Survey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 The State of the Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 The Treaty of London and Its Consequences  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Contradiction and Failure: The Italian Delegation at Versailles in 1919  . . . . . 326 A Hard Myth to Eradicate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

VIII Inhalt III. Das Neue Europa A. The Democratization of Central and Eastern Europe as a British Strategic Objective, 1918–1925 by B. J. C. McKercher (Victoria/Canada) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331–357 1. The War and War Aims . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Britain, Central Europe, and the Peace Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 3. Pursuing the Balance of Power in Central Europe, 1919–1922 . . . . . . . . . . . . 342 4. The Pursuit of Security, 1922–1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 5. Conclusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 B. Das neue Gleichgewicht in Mitteleuropa unter Frankreichs Patronat von Catherine Horel (Paris) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359–383 1. Frankreich und seine Alliierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 2. Weltwirtschaftskrise und französische Pläne zur Neuordnung des Donauraumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 3. Französisch-ungarische Beziehungen und der Tardieu-Plan  . . . . . . . . . . . . . . 376 4. Das Scheitern der französischen Bündnispolitik und das Ende der Versailler Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 C. ‘Wilson versus Lenin’: The New Diplomacy and Global Echoes of Austria-Hungary’s Dissolution by Pieter M. Judson (Florenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385–396 1. Ready for Independence? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 2. Wilson versus Lenin  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 3. Peoples not States: Self-Determination in Europe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 4. Global Dimensions of the New Politics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 5. Conclusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 D. Die russische Historiographie zum Untergang der Habsburgermonarchie von Alexander Medyakov (Moskau)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397–415 1. 2. 3. 4. 5.

Die Historiographie der Zarenzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Die Historiographie der Zwischenkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 Die „Pokrovskij-Schule“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Von Chruščëv zur Perestroika  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Von der Perestroika zur Gegenwart  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412

E. Der Nahe Osten als Krisenerbe des Osmanischen Reiches von Raoul Motika (Istanbul) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417–430 1. Die Vorgeschichte des Großen Krieges und seine Chronologie . . . . . . . . . . . . 417 2. Die Nachkriegsordnung und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 3. Strukturelle Veränderungen als Folge des Ersten Weltkrieges . . . . . . . . . . . . . 428



Inhalt

IX

F. Ein Reich ohne Eigenschaften? Das Erbe föderaler Ideen in den „Nachfolgestaaten“ der Habsburgermonarchie von Jana Osterkamp (München)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431–457 1. Endpunkt und Ausgangspunkt: Gerüchte über eine Föderalisierung unter Kaiser Karl 1917–1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 2. Das Föderalismusparadox nach 1918: Der föderale Wirklichkeits- und Möglichkeitsraum lebt fort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 3. Vom imperialen Reich zur Nationalstaatlichkeit: Neukodierung des föderalen Möglichkeitsraums 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 4. Das Erbe des föderalen Wirklichkeitsraums: Die Bedeutung kooperativer Praktiken für die föderale Integration  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 5. Gegenprojekte zur Einheitsstaatlichkeit: Radikale Autonomie- und Föderalisierungsprogramme in den späten 1930er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . 446 6. Im Schatten der Großraumpolitik des Dritten Reiches: Föderalisierung und die Diskreditierung föderaler Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 7. Staatssozialismus und föderales Erbe: Einheitsstaatlichkeit als pragmatische Herrschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 8. Viel Erbe und viele Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 Verzeichnis der Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539

Vorwort der Herausgeber Die ausführliche Behandlung des Themas des vorliegenden Bandes wurde im Rahmen der Vorbereitungen zum Weltkriegsband (Die Habsburgermonarchie 1848–1918 XI/1: Die Habsburgermonarchie und der Erste Weltkrieg. Der Kampf um die Neuordnung Mitteleuropas) von den Teilnehmern/innen eines Planungsworkshops im Oktober 2010 angeregt. Da ein Einzelbeitrag im Hinblick auf den Umfang des Weltkriegsbandes dort nicht angemessen unterzubringen war, wurde der Entschluss gefasst, eine umfassende Bewertung der bis 1918 zurückreichenden wissenschaftlichen, publizistischen und politischen Diskussionen im Rahmen eines eigenen internationalen Kongresses vorzunehmen. Die Referate des vom 7. bis 9. Mai 2014 in Wien, in Kooperation zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem Militärhistorischen Beirat der Wissenschaftskommission beim Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport und der Landesverteidigungsakademie sowie mit Unterstützung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres abgehaltenen Symposions sind – um einige Beiträge ergänzt – in überarbeiteter Form im vorliegenden Konferenzbericht enthalten. Das inhaltliche Konzept zielt nicht auf die Sachfrage des oft abgehandelten Themas der Auflösung oder Zerstörung der Habsburgermonarchie und deren Bedeutung für die Neuordnung Mitteleuropas, auch nicht oder nur zum Teil auf dessen Beurteilung durch die Geschichtsschreibung. Thema ist vielmehr der kurze oder lange Schlussstrich, den die „Nachfolgestaaten“ und die „Siegerstaaten“ 1918 gezogen haben, wie und ob sich diese Beurteilung verändert hat, welchen Stellenwert das Ende der Habsburgermonarchie – bis dahin ein mitteleuropäischer Ordnungsfaktor und entscheidendes Element des europäischen Mächtesystems – für die Konstituierung der Nachfolgestaaten und die Politik der europäischen Mächte auf kürzere oder längere Sicht hatte und welchen Beitrag die Geschichtswissenschaft dazu leistete. Dabei geht es nicht nur um die Erinnerung an die viel zitierte „Seminal Catastrophe“, sondern auch um ein Stück nationaler und europäischer Vergangenheitsbewältigung – darüber hinaus um einen Teil der Identitätsgeschichte des „Neuen Europa“ in den Wechselfällen von 1918 bis in die Gegenwart. Da die Geschichtsschreibung selbst als konstitutiver Teil der Geschichtspolitik nicht nur dem Rückblick auf die Vergangenheit diente, sondern aufs Engste mit der Aufbaupolitik für die neue Epoche nach 1918 verbunden war, gibt ihre Darstellung eine Antwort auf die Frage, was nach der Habsburgermonarchie kam, was als vergangen abgeschrieben wurde und was an vergleichbaren Problemen übrig blieb. In diesem Sinn bildet der Band gleichsam den Schlussstrich der Reihe „Die Habsburgermonarchie 1848–1918“ und erscheint als deren Abschlussband XII. Helmut Rumpler Klagenfurt/Viktring, November 2017

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Introduction The Habsburg Monarchy as a Portent for the New Europe of the Future by Helmut Rumpler 1. The absence of a political ‘culture of compromise’ In 1913, when a foreign-policy and domestic radicalization was becoming apparent in Austria-Hungary following the Balkan crisis, the education minister of Stürgkh’s government, Max Hussarek, invited the Munich pacifist Friedrich Wilhelm Foerster to accept a visiting professorship in Vienna1. On 6 March 1914, Foerster held a farewell lecture that was violently attacked by a section of the public under the journalistic leadership of Pan German students and the Pan German press2. The invitation had been extended to the social pedagogue, whose concept of a universal renewal of the state and society was to be presented by Hussarek to the public as a call for peace to the antagonists in the Austrian nationality conflict. Hussarek was primarily attracted by Foerster’s fundamental appeal to the ‘civil disposition’ the minister found lacking, especially in the academic field: ‘The true citizen was the man whose words and deeds were in line with the interests of the state.’3 However, Foerster had to offer only a general recipe for and against the new ideas threatening to collapse the traditional order: individualization, the nationalization of all spheres of life, the herd instinct and the patriotic zeal claimed by every party. What made the invitation politically interesting was the circumstance that, as system criticism, Foerster’s social pedagogic analysis was chiefly aimed at the pillars of ‘enthroned state power’. He transferred this position, derived from experience in the German Empire, to the Austria of the Stürgkh era. But Austria was also of interest for him, as he diagnosed the problems visibly hurtling the multi-ethnic state to the verge of ruin also as a European malaise. But, after studying what was happening in 1 Foerster taught at Vienna University as an associate professor from 1 April 1913 to the winter semester of 1913/14. 2 Cf. Friedrich Wilhelm Foerster, Das österreichische Problem. Vom ethischen und staatspädagogischen Standpunkte (Wien 21916). The brochure was already available in 1914, and the second edition of 1916 was the response to the animosities in Vienna. 3 Ibid. 18.

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Prague, Reichenberg, Budapest, Zagreb, Zadar, Trieste, Graz and Innsbruck and what Hussarek quite evidently wanted to show him, he had to realize that the ‘compromise of all with all’ was no longer practicable. He had to corroborate his host’s judgement that there were too many ‘automobiles’ and too little ‘cosmos’. Disappointed by the ‘absence of a political culture of compromise’, Foerster fled to Zurich University. When Foerster returned to Vienna in 1917, this time on the invitation by Heinrich Lammasch and Julius Meinl, he was astonished that he was only supposed to provide support for the ongoing peace talks. He had really expected that it would be a matter of ‘practically implementing’ his general ideas about a ‘federal reorganization’ that Emperor Karl was discussing with his advisors. In an interview with the emperor on 10 July 1917, there was then no mention either of a Peace Ministry under Lammasch, to be joined also by Foerster, or of a federal constitutional reform4. With the opening of the Imperial Assembly (30 May 1917) and the initial Constitutional Declaration by the South Slavs and Czechs (May Declaration)5, the emperor had had to acknowledge that he would not be able to find any partners for his reform plans, whatever they might look like in detail. So, he, too, avoided advocating any concrete scheme. What remained was the call to the ‘[Austrian] nations’ for a ‘completely new disposition’, for which he demanded ‘the ethical unification of the nations themselves’. Foerster, too, must have recalled his experiences of 1914. The fact that he still adhered to the idea of a ‘Danube Federation’ as a solution for Austria-Hungary derived from the conviction advocated by Bertha von Suttner before him that what he was recommending for Central Europe basically constituted a problem for the whole of Europe. Along these lines, Foerster expressly extolled his ‘Danube Federation’ to the American pacifist George David Herron in Zurich as a precursor to the ‘United States of Europe’, since he also saw the future of Europe only secured in overcoming the system of national states, if European policy were not to face the same problems causing the evidently inevitable collapse of the Habsburg Monarchy. 2. The downfall of the Habsburg Monarchy as a historical prelude to the crises in Europe That Foerster’s forecast for Europe and his postulation of the correlation between the disintegration of the Habsburg Monarchy and the permanent crisis in Europe after 1918 initially appeared only as a philosophical prophecy was due to the fact that

4 The presentation of the interview, the publication of which Foreign Minister Ottokar Czernin prohibited, in: Elisabeth Kovács (ed.), Kaiser und König Karl I. (IV.). Politische Dokumente aus Internationalen Archiven (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 100/2, Wien – Köln – Weimar 2004) 229–231; cf. also Arthur Polzer-Hoditz, Kaiser Karl. Aus der Geheimmappe seines Kabinettschefs (Zürich – Leipzig – Wien 1929) 462 f. 5 Cf. Andrej Rahten, Od Majniške deklaracije do habsburške detronizacije. Slovenska politika v času zadnjega habsburška vladarja Karla [From the May Declaration to the dethronement of the House of Habsburg. The Slovenian Policy during the reign of the last Habsburg ruler Karl] (Celje – Ljubljana 2016).

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the Peace Treaties of Paris, the Second World War, the partition of Europe in Yalta as well as the Cold War were merely the continuation of the conflict between the Great Powers for spheres of influence and hegemony. It was only when the European Union reached the status of 1919 with 28 states in the course of the eastward expansions in 2004, 2007 and 2013 that it could be seen that the idea of Europe is a vision of the future whose realization is still written in the stars. And, logically, political journalism and historiography again rediscovered the Habsburg monarchy as a historical prelude to the crises in Europe. The liquidation of the Habsburg Monarchy had good reasons. And today it might be said that all the associated problems are history, and that not a tear must be shed for the Habsburg state as a European power factor or for the idea of the supranational multi-ethnic state6, if we were not reminded every day that many of the historical problems have been provisionally settled in political terms, but not really resolved. On the one hand, this is because major and minor regional conflicts remind us compellingly of events in the Habsburg Monarchy – be it the flaring up of one of the hotspots of national confrontations not only on the Balkans, but also in the heart and on the eastern border of Europe, be it the opposition of the nationalism of the minor Member States to the process of European unification, be it the greater issue as to where Europe ends and Russia begins or the grotesque demand to reconstitute historical Lombardy-Venetia as ‘Padania’, where the national rebellion against the Austrian Empire once began. On the other hand, it is evident that Brussels, Paris, London and Berlin still have to solve those institutional problems of constituting a multi-cultural federal state that the Austro-Hungarian Empire failed to do. The political unification process has not even reached the point where the Habsburg Monarchy already was. Fundamental issues of the actual constitution required for the expansion of the European Union had been solved in the Habsburg Monarchy, e.g. common foreign policy, common imperial finance, common defence as well as a ‘compromise’, periodically renewed every ten years, on the costs and organization of the common Austro-Hungarian economic policy towards countries liable to customs duty. It was only in the salient issue of the institutional concretization of the expansion of the compromise between regional autonomy and the agendas of the central state – whether Dualism, Trialism, Quadralism or even more – that no agreement could be found despite all the projects and negotiations. The decline, if not the downfall of the Habsburg Monarchy cannot simply be explained by its inability ‘to accommodate the national aspirations of its peoples’7. The nationality issue was only one problem, and the most spectacular one in the mirror of the media, of a state facing the alternatives

6 The Habsburg Monarchy as a problem of recent international historiography was the topic of the third annual conference of the ‘Institut für Österreichische Geschichtsforschung’ at the University of Vienna in 2013 (Die Habsburgermonarchie 1526–1918 als Gegenstand der modernen Historiographie. Raumkonzepte und Meistererzählungen und deren institutionelle und personelle Vertreter). 7 Gary B. Cohen, Nationalist Politics and the Dynamics of State and Civil Society in the Habsburg Monarchy, 1867–1914; in: Central European History 40/2 (2007) 241–278, here 241.

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of becoming an ‘empire’ or foundering8. Even the European Union will not be able to wrest from its Member States that degree of relinquishment of sovereignty necessary to attain the politically desirable, culturally meaningful and geopolitically indispensable objective of creating a federal state capable of acting. Hence the grand project of the European Union has ended up in the blind alley in which the Habsburg Monarchy had become stuck. In general, nationalism, albeit usually only on the part of the minor nations, is stated to be the cause of the opportunities missed, the stagnation and recently the crisis after the elections to the European Parliament in 2014. This is the simplifying traditional circumscription of what Friedrich Wilhelm Foerster wrote on the wall as a warning for Europe in the light of his experiences in Austria: the absence of a culture of consensus and solidarity. In retrospect in 1942, Stefan Zweig lamented not only the collapse of his ‘Welt von Gestern’, but also saw no future for Europe. For Zweig, nationalism was the ‘arch-plague’ that ‘has poisoned European culture’9. Shortly after the outbreak of the war, Arthur Schnitzler saw even further: ‘The World War. The end of the world.’10 That no conclusions were drawn from the historical experiences prior to, during and immediately following the First World War derived from the fact that the Treaties of Paris were only an armistice. The problems that had led to the war were continued by the Great Powers and their satellite states in the conflict over guilt and responsibility when mobilizing the masses in the struggle to divide up Europe. As the handmaid of politics and in alliance with the daily press, historiography had a considerable share in the clichés, antiquated from today’s perspective, of inalienable sovereignty and the ethical duty to preserve national self-determination being able to rear their ugly heads. Although, as a ‘Pax Anglo-Saxonica’ instead of a ‘Pax Austriaca’, the Paris Peace Treaties of 1919 were a compromise solution, with which the victorious and successor states could have lived, although they were partly unjust and a burden for the future with their foreseeable consequences, in all and in the light of a difficult international situation they constituted the least evil and, as a compromise, the price for ending the war. That this resulted in a ‘victory without peace’11 was because the war was continued in the press and academic conflict over war guilt and reparations. It quickly turned out that it was to be a ‘lost victory’12 in a ‘Europe without peace’13. The ‘great seminal catastrophe’ was 8 Cf. Solomon Wank, The Habsburg Empire; in: Karen Barkey, Mark von Hagen (eds.), After Empire. Multiethnic Societies and Nation-Building. The Soviet Union and the Russian, Ottoman, and Habsburg Empires (Boulder, Colorado – Oxford 1997) 45–57; Jörn Leonhard, Ulrike von Hirschhausen (eds.), Comparing Empires. Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century (= Schriftenreihe der FRIAS School of History 1, Göttingen 2011). 9 Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers ([Stockholm 1942]; quoted from the new edition, Berlin 2015) 6. 10 Arthur Schnitzler, Tagebuch 1913–1916 (= Arthur Schnitzler Tagebücher 1879–1931, 10 vols., ed. by the Kommission für literarische Gebrauchsformen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Vienna 1983–2000) (Wien 1983) 128, entry of 5 August 1914. 11 Hew Strachan, Der Erste Weltkrieg. Eine neue illustrierte Geschichte (München 32003) 394–411. 12 Cf. Jost Dülffer, Gerd Krumeich (eds.), Der verlorene Frieden. Politik und Kriegskultur nach 1918 (Essen 2002). 13 Francesco Saverio Nitti, L’Europa senza pace (Firenze 1921).

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followed by an ‘age of catastrophes’ with the ‘collapse of the values and institutions of liberal civilization’14. The historians involved, who continued the war of opinions, had sometimes also been activists in war propaganda. This applies to Henry Wickham Steed and his colleague William Seton-Watson15 as well as to Luigi Albertini, who was one of the leading publicists of the ‘Intervento’16. US historians from Viktor S. Mamatey to Arthur Link hail from the school of Carlton J. H. Hayes, Robert J. Kerner, James T. Shotwell, Walter Lippmann and Archibald Cary Coolidge, who had prepared Wilson’s policy towards Europe under the aegis of the ‘Inquiry’17. In the history of the Great War he edited, the leading French historian of the inter-war years, Gabriel Hanotaux, openly defended the policies of his friend Raymond Poincaré18. They all justified the new order in Europe with the same arguments with which they had influenced the policies of the Entente. For the successor states, opposition and exiled politicians wrote the rationales for the foundations of their respective national states, Tomáš G. Masaryk and Edvard Beneš most effectively19. They had to realize that they were only little playthings in the grand game of the Great Powers, when the warning by Bohumír Šmeral was corroborated that the victory over Austria would again ‘lead the nation to the White Mountain’20. Even the publications of official records, and, of course, the works by the general staffs, were put into the service of the controversies. The 200 volumes of the politically neutral history of the Great War by the Carnegie Foundation (Carnegie Endowment for International Peace) had no moderating effect on this propaganda front. The World Economic Crisis, the rise of totalitarian regimes and the paths leading to the Second World War even exacerbated the discussion.

14 Eric Hobsbawn, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (München 1995) 143, 183. 15 Cf. Michael Sanders, Philip M. Taylor, Britische Propaganda im Ersten Weltkrieg 1914–1918 (= Abhandlungen und Materialien zur Publizistik 12, Berlin 1990). 16 Cf. Mark Cornwall, The Undermining of Austria-Hungary: The Battle for Hearts and Minds (Basingstoke – New York 2000); Albertini’s book on the origins of the First World War was published in 1942; the work acquired its influential effect with the pronounced hypothesis of Germany’s sole guilt, but only with the English edition of 1952. Cf. Luigi Albertini, Le Origini della Guerra del 1914, 3 vols. (Milan 1942–1943); the English edition had the title: The Origins of the War of 1914, 3 vols. (London – New York – Toronto 1952–1957). 17 Cf. Paula S. Fichtner, Americans and the Disintegration of the Habsburg Monarchy: The Shaping of an Historiographical Model; in: Robert A. Kann, Béla Király, Paula S.Fichtner (eds.), The Habsburg Empire in World War I. Essays on the Intellectual, Military, Political, and Economic Aspects of the Habsburg War Effort (= East European Monographs 23, New York 1977) 221–234. 18 Gabriel Hanotaux, Histoire illustrée de la guerre de 1914, 17 vols. (Paris 1915–1924). 19 Edvard Beneš, Světová válka a naše revoluce. Vzpomínky a úvahy z bojů za svobodu národa [The World War and our Revolution. Memoirs and Reflections from the Fighting for the Freedom of the Nation], 3 vols. (Praha 1927–1928); Tomáš G. Masarýk, Světová revoluce. Za války a ve válce 1914–1918 [On the War and in the War 1914–1918] (Praha 1925); the German edition was published under the title: Die Weltrevolution. Erinnerungen und Betrachtungen 1914–1918 (Berlin 1925). 20 Quoted after Beneš, Světová válka [World War] I 25.

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3. The Cold War and the discovery of the Habsburg Monarchy as a Central European stability factor Following the Second World War and the reconstruction of the post-war years, ‘the significance of the First World War as a precedent disappeared’ and ‘the legacies of 1914–1918 vanished (…) from the international political agenda’21. With the European Coal and Steel Community (1953) and the Treaties of Rome (1957), the foundations were laid for a new Europe in peace. Charles de Gaulle and Konrad Adenauer demonstratively ended the traditional Franco-German enmity. Even historians agreed on the formula of ‘shared guilt’. When it seemed that European history had come to an end and the major world political conflicts were being waged on battlefields outside Europe, there developed for the first time ‘a European awareness (…), in which Europe no longer occupied centre stage’22. The new beginning and Europe’s power political and economic loss of significance had a diminishing effect on conflicts for a moment. However, the aspiration to a permanent peace after two catastrophes was an illusion. As in 1918, the policies that had led to war were resumed. What remained was the Cold War that separated the Europe which Winston Churchill demanded and which the USA sought to secure in world politics with the Truman and Eisenhower Doctrine and the Containment Programme into two competing halves. The core region, where this competition occurred between Trieste and Berlin, comprised the countries that were descended from the inheritance of the Habsburg Monarchy. There, the troops of NATO and the Warsaw Pact faced each other, arms at the ready. So, for the USA and Great Britain as protagonists of the East-West rivalry it was obvious to devote themselves to studying the genesis of this crisis zone. The major indictments by Alan J. P. Taylor23 and Leo Valliani24 were countered by Arthur J. May25, Carlile A. Macartney26 and Victor-Lucien Tapié27 with differentiated verdicts. Accompanied by the first dissident voices from the Eastern Bloc28, it was a matter of fathoming whether the nations behind the ‘Iron Curtain’ were willing to accept their political and cultural incorporation in the Soviet system of rule or recollected those times when they were parts of the Europe to which they had belonged for centuries. At any rate,

David Stevenson, 1914–1918. Der Erste Weltkrieg (Düsseldorf 2006) 676 f. Leonhard Reinisch, Vorwort; in: Idem. (ed.), Die Europäer und ihre Geschichte. Epochen und Gestalten im Urteil der Nationen (= Beck’sche schwarze Reihe 13, München 1961) V. 23 A[lan] J. P. Taylor, The Habsburg Monarchy, 1809–1918. A History of the Austrian Empire and Austria-Hungary (Chicago – London 1948). 24 Leo Valiani, La dissoluzione dell’Austria-Ungheria (= Biblioteca di storia contemporanea 8, Milano 1966). 25 Arthur J. May, The Hapsburg Monarchy 1867–1914 (Cambridge, Mass. – London 1951). 26 C[arlile] A[ylmer] Macartney, The Habsburg Empire 1790–1918 (London – New York 1969). 27 Victor-Lucien Tapié, Monarchie et peuples du Danube (Paris 1969). 28 Cf. Milovan Djilas, Die neue Klasse. Eine Analyse des kommunistischen Systems (München 1957); Zbigniew K. Brzezinski, Ideology and power in Soviet politics (= Praeger Publications in Russian History and World Communism 103, London – New York 21962). 21 22

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it stood to reason politically and seemed promising to awaken this memory. During this process, analysts hit on those problems that had led to the destabilization and disintegration of the Danube Monarchy and had been some of the causes of the First World War. Robert A. Kann, one of the many emigrés from Old Austria, published his discussion-provoking, authoritative study of nationalism in the multi-ethnic state in 195029. On the basis of this work, which stimulated academic Habsburg studies, Kann was appointed to the ‘Center for Research on World Political Institutions’ in Princeton, constituted in 1951. Its mandate was initially to research in general the history of political integration using international state structures. In concrete terms, it developed into the scientific establishment of the ‘Political Community of NATO States’, in blatant competition to the states of the Warsaw Pact (1955)30. It was natural that, in view of the urgent objective of constructing a European peace zone, politicians and historians addressed the issue as to what the fall of the Habsburg Monarchy as a sensitive geopolitical problem area had meant for the European state system. What was discovered was not only the value of the Habsburg Monarchy in preserving the balance of power between the Congresses of Vienna and Berlin31, the diplomatic turning points in the Crimean War and the foundations of the national states of Italy and Germany up to the establishment of the Dual Alliance between Austria-Hungary and Germany and the Balkan Crisis of 1912/13, but also the correlation between foreign policy and the national question32. And understanding grew for a political, economic and cultural system that could mediate between Western democracy and Eastern autocracy, acting as a European exception against emergent nationalism33, 29 Robert A. Kann, The Multinational Empire. Nationalism and National Reform in the Habsburg Monarchy, 1848–1914 (New York 1950); revised German edition: Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918, 2 vols. (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Ost 4, Graz – Köln 21964); cf. Gerald Stourzh, The Multinational Empire Revisited: Reflections on Late Imperial Austria (Robert A. Kann Memorial Lecture [1989]); in: Austrian History Yearbook 23 (1992) 1–22. 30 Cf. the publication by Karl W. Deutsch, Sidney A. Burrel, Robert A. Kann, Raymond E. Lindgreen, Maurice du P. Lee, Martin Lichtermann, Francis L. Loewenheim, Richard W. Van Wagenen, Political Community and the North-Atlantic Area: International Organisation in the Light of Historical Experience (Princeton 1957); Kann presented his report in 1962: Robert A. Kann, The Habsburg Empire. A Study in Integration and Disintegration (New York 1957; German edition: Werden und Zerfall des Habsburgerreiches, Graz – Wien – Köln 1962). 31 Cf. the wealth of literature including Henry Kissinger, A World Restored. Castlereagh, Metternich and the Problems of Peace, 1812–1822 (Boston, Mass. – London 1957); Paul W. Schroeder, The Transformation of European Politics, 1763–1848 (= Oxford history of modern Europe, Oxford 1994); Carsten Holbraad, The Concert of Europe. A Study in German and British International Theory, 1815– 1914 (London 1970); Alan Sked, Metternich and Austria. An Evaluation (Basingstoke – New York 2008); Matthias Schulz, Normen und Praxis: Das Europäische Konzert der Großmächte als Sicherheitsrat, 1815–1860 (München 2009). 32 Cf. Solomon Wank, Foreign Policy and the Nationality Problem in Austria-Hungary, 1867–1914; in: Austrian History Yearbook 3/3 (1967) 37–56; Éva Somogyi, Aehrenthals Reformbestrebungen 1906– 1907. The Dualismus interpretation of the Foreign Minister; in: Österreichische Osthefte 30 (1988) 60–75. 33 Cf. Péter Hanák, Gab es eine mitteleuropäische Identität in der Geschichte?; in: Europäische Rundschau. Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte 14 (1986) 115–123; Artur Schlegelmilch, Konservative Modernisierung in Mitteleuropa. Preußen-Deutschland und Österreich-

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for the problem of ‘composite statehood’34 and for the diversity and difficulty of federal systems in a multi-cultural society. So, it became clear that the First World War was not a problem in itself, but its ‘original sin’ of integral nationalism and the Social-Darwinist competition between powers that was rooted deeply in the 19th century. George F. Kennan’s diagnosis of the ‘great seminal catastrophe of the century’ characteristically refers to the monstrosity of the Great War with its horrendous material and ideal sacrifices, but is derived from an investigation of the collapse of the European balance of power that Otto von Bismarck had once more rescued with intricate diplomacy and cunning35. Since this major historiographical offensive for a NATO Europe was unmistakably a propaganda element in the Cold War in view of the partition of Europe, it could not come as a surprise that the former Habsburg nations armed for a counter-offensive, initially under the leadership of Moscow, in preparation for the International Historians’ Conference in Vienna in 1965. On the initiative of the ‘Historians of Socialist Countries’, a series of conferences had been discussing the problems of the Habsburg Monarchy since 1955. The programme was supplied by Fran Zwitter from Ljubljana as well as Jaroslav Šidak and Vaso Bogdanov from Zagreb36. That the programme, elaborated at a convention in Budapest (1964)37 following preparatory conferences in Bucharest, Berlin and Prague, did not lead to the programmed East-West conflict on Central Europe and its significance for the outbreak of the Great War was due to the fact that the tumultuous showdown focussed on the controversy over the sole guilt of Germany unleashed by Fritz Fischer38. For the historians of eastern Central Europe, the ‘national issue’ was initially the salient topic as a response to Kann’s approach. But the first volume of the study on the ‘highly complicated problem of the disintegration of the Austro-Hungarian Monarchy

Cisleithanien in der „postliberalen Ära“ 1878/79–1914; in: Otto Büsch, Arthur Schlegelmilch (eds.), Wege europäischen Ordnungswandels. Gesellschaft, Politik und Verfassung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Hamburg 1995) 21–70. 34 Cf. Wilhelm Brauneder, Die Habsburgermonarchie als zusammengesetzter Staat; in: Hans-Jürgen Becker (ed.), Zusammengesetzte Staatlichkeit in der Europäischen Verfassungsgeschichte (= Beihefte zu „Der Staat“ 16, Berlin 2006) 197–236. 35 George F. Kennan, Bismarcks europäisches System in der Auflösung. Die französisch-russische Annäherung 1875–1890 (Frankfurt/Main – Berlin – Wien 1981) 12; in the original: „the great seminal catastrophe of this century“; cf. Idem., The fateful Alliance. France, Russia and the coming of the First World War (Manchester 1984). 36 Fran Zwitter, Jaroslav Šidak, Vaso Bogdanov (eds.), Les problèmes nationaux dans la monarchie des Habsbourg (Beograd 1960). The Hungarian articles on the preparations for the Historians’ Congress in Vienna in: Nouvelles études historiques, publiées à l’occasion du XIIe Congrès International des Sciences Historiques par la Commission Nationale des Historiens Hongrois, 2 vols. (Budapest 1965). 37 The materials of the conference of 4–9 May on the topic: „The historical problems of the Austro-Hungarian Monarchy 1900–1918“ were published as conference proceedings in 1966; cf. Péter Hanák, Zoltán Szász (eds.), Die nationale Frage in der österreichisch-ungarischen Monarchie 1900–1918 (Budapest 1966). 38 Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18 (Düsseldorf 1961).

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transcending the scope of national history’ was then devoted to the ‘international situation’ of the Habsburg Monarchy39. However, for eastern Central European historians the history of the Habsburg Monarchy remained a relevant topic also for a different reason. In the Habsburg Monarchy, they discovered a past that opened up a way to overcome their isolation in Soviet-dominated Eastern Europe40. That was part of the intellectual emancipation history of eastern Central Europe from Soviet hegemony. Even the idea of ‘Central Europe’ as an autonomous and brokering cultural region between East and West had its roots in dissident circles behind the Iron Curtain41. Nevertheless, interest in the Habsburg Monarchy did not constitute a return to a common past, but the pointed positioning for the national independence won42. 4. Austrian Habsburg research under US patronage From its origin as a ‘successor state’ that did not want to be one, the relationship between the Republic of Austria and its earlier Habsburg history was rather abnormal, in the view of the social psychologist Erwin Ringel – as collective schizophrenia – a ‘case for the psychiatrist’. However, despite all upheavals, lurching ‘from one error to the next’43, Vienna still remained the cultural centre of the imaginary region of ‘Central Europe’ after 1918, a ‘microcosm of Austria and the world’44, and it owed this position to the cultural legacy of the Habsburg Monarchy. But up to today, the Habsburg inheritance has remained less an issue of political culture and historical awareness45 than an omnipresent subject of literary history and the entertainment industry, positioned Fritz Klein (ed.), Österreich-Ungarn in der Weltpolitik 1900 bis 1918 (Berlin Ost 1965). Cf. as examples Jiří Kořalka, Tschechen im Habsburgerreich und in Europa 1815–1914. Sozialgeschichtliche Zusammenhänge der neuzeitlichen Nationsbildung und der Nationalitätenfrage in den böhmischen Ländern (= Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 18, Wien – München 1991); Péter Hanák, Ungarn in der Donaumonarchie. Probleme der bürgerlichen Umgestaltung eines Vielvölkerstaates (= Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 10, Wien – München – Budapest 1984). 41 For the update discussion Rudolf Jaworski, Die aktuelle Mitteleuropadiskussion in historischer Perspektive; in: Historische Zeitschrift 247/3 (1988) 529–550; with a focus on German Central European policy. 42 The articles on nationalities may be considered as evidence of the new and defused perspective: cf. Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch (eds.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918 III/1,2: Die Völker des Reiches (Wien 1980). 43 Gerhard Roth, Das doppelköpfige Österreich. Essays – Polemiken – Interviews, ed. by Kristina Pfoser-Schewig. With a preface by Josef Haslinger and commentaries by Gottfried Sperl (Frankfurt/ Main 1995) 9. 44 Norbert Leser, Genius Austriacus. Beiträge zur politischen Geschichte und Geistesgeschichte Österreichs (= Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann-Instituts für Neuere Österreichische Geistesgeschichte 4, Wien – Graz – Köln 1986) 223–274; William M. Johnston, Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und Ideen im Donauraum 1848 bis 1938 (Wien – Köln – Weimar 42006). 45 Cf. Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert (= Österreichische Geschichte 1890–1990, ed. by Herwig Wolfram, Wien 1994), who mentions Catholicism, Enlightened Absolutism and state dominance as burdensome political legacies. 39 40

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somewhere between naïve nostalgia and social-critical indictment46. In the First Republic, which was constituted as ‘German Austria’, the topic was dealt with not only by the political parties, but also by academic history as part of the movement for unification with Germany. The majority of historians were Pan German in orientation47. Even the Austria ideology of the ‘Christian corporate state’48, based on a ‘Pan German’ interpretation of history49, was not a convincing alternative to escaping from the old Habsburg Empire into the new ‘Third Reich’. Finding a way out of this tradition-laden restricted perspective proved to be difficult at first. The ‘struggle for Austrian identity’ as a story of ‘crisis of identity and loss of identity’ had a long history50. The alternative of an ‘Austrian nation’ lacked a historical rationale, since the supranational ‘Austrians’ of the Habsburg Monarchy had never been and had never wanted to be a nation in the ethnic sense. Aside from the exceptional positions of the Communist Alfred Klahr and the Christian Social Ernst Karl Winter, an Austrian consciousness was only formed with the State Treaty of 1955 and the concept of neutrality associated with it51. Now, finally, ‘very late and very hesitantly, the gates opened, through which people now walked, thinking it was high time to ask themselves: What is Austria? What is the Austrian? What meaning does it have in life to be an Austrian? Is there such a thing as an Austrian nation?’52. But it was only in 1985 when the German historian Karl Dietrich Erdmann postulated his thesis of ‘one nation’ in three states, of which Austria figured as the ‘third German state’ next to the Federal Republic of Germany and the German Democratic Republic53, that the discussion intensified in Austria on the scope and contents of a ‘history of Austria’ or an ‘Austrian history’.54 The associated and controversially answered question as to the ‘extent of Austrian history’ ended with the aid of the quotation (Gerhard Fritsch) in the request, 46 Cf. Clemens Aigner, Gerhard Fritz, Constantin M. Staus-Rausch (eds.), Das HabsburgTrauma. Das schwierige Verhältnis der Republik Österreich zu ihrer Geschichte (Wien – Köln – Weimar 2014). 47 Cf. Karel Hruza (ed.), Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts, 2 vols. (Wien – Köln – Weimar 2008/2012). 48 Cf. Anton Staudinger, Austrofaschistische „Österreich“-Ideologie; in: Emmerich Talos, Wolfgang Neugebauer (eds.), „Austrofaschismus“. Beiträge über Politik, Ökonomie und Kultur 1934–1938 (= Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 18, Vienna 41988) 287– 316. 49 After Heinrich von Srbik, Gesamtdeutsche Geschichtsauffassung (= Teubners Quellensammlung für den Geschichtsunterricht 3/24, Leipzig 1932); Idem., Deutsche Einheit. Idee und Wirklichkeit vom Heiligen Reich bis Königgrätz, 4 vols. (München 1935–1942). 50 Cf. Friedrich Heer, Der Kampf um die österreichische Identität (Wien – Graz – Köln 1981). 51 Cf. Félix Kreissler, La Prise de Conscience de la Nation Autrichienne 1938 – 1945 – 1978, 2 vols. (Paris 1980); German edition entitled: Der Österreicher und seine Nation. Ein Lernprozess mit Hindernissen (= Forschungen zur Geschichte des Donauraumes 5, Wien – Köln – Graz 1984); Ernst Bruckmüller, Nation Österreich. Kulturelles Bewusstsein und gesellschaftlich-politische Prozesse (= Studien zu Politik und Verwaltung 4, Wien – Graz – Köln 21996). 52 Bruckmüller, Nation Österreich 9 f. 53 A detailed presentation of the subsequent discussion can be found in Gerald Stourzh, Vom Reich zur Republik. Studien zum Österreichbewusstsein im 20. Jahrhundert (Wien 1990) 25–56. 54 Herwig Wolfram, Walter Pohl (eds.), Probleme der Geschichte Österreichs und ihrer Darstellung (= Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 18, Wien 1991).

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that, however broad or narrow and variable this scope was to be measured, it was to be the ‘whole story’55. This summons did not reach Austrian historians, otherwise they would not have watched, against their better judgement, as politicians conceived a ‘museum of history’, initially dating the beginning of ‘Austrian history’ to the ‘liberation’ of Austria in 194556. The Habsburg Monarchy had no space in such a historical and cultural myopia, and there was no hiring of the custodians of this omnipresent cultural legacy, in which and from which people lived, fully aware that the Habsburg Monarchy was not the Golden Age of Stefan Zweig’s ‘The World of Yesteryear’, but the limbo to ‘The Third Walpurgis Night’ by Karl Kraus. The incentive for comprehensive research of the Habsburg Monarchy with the goal of providing a depoliticized re-assessment came from the Rockefeller Foundation. In 1957, the annual conference of the American Historical Association founded the ‘United States Committee to promote studies of the Habsburg Monarchy’, and Hans Kohn was appointed its chairman. R. John Rath of the University of Texas (Rice University in Houston), who had edited the ‘Austrian History Newsletter’ since 1960, which was replaced by the ‘Austrian History Yearbook’ after 1965, was secretary to the committee57. What was planned was an encyclopaedic overall presentation of the history of the Habsburg Monarchy in the 19th century based on recent research. In March 1959, the Austrian Academy of Sciences formed the ‘Commission for the History of the Austro-Hungarian Monarchy’, and Hugo Hantsch was elected its chairman58. The commission took over realizing the projected overall presentation59. In 1966, a large-scale conference was organized in Bloomington, in which the majority of international Habsburg researchers took part60. In 1968, Fritz Fellner was able to observe with satisfaction in an article in the ‘Austrian History Yearbook’: ‘Today (…) the historians of the Successor States have deserted the national fronts and are demonstrating a willingness to be understanding and cooperative. Their new attitude could well represent the beginning of an era of true coexistence in the areas once included in the Habsburg empire.’61 The whole affair was a remarkable initiative, albeit one in need of explanation. For, from the Austrian viewpoint there was no real reason for establishing such a study centre. At the Academy of Sciences, there was the tradition-steeped Historical ComGerald Stourzh, Der Umfang der österreichischen Geschichte; in: Ibid. 3–27, here 27. Vgl. Thomas Winkelbauer (ed.), Haus? Geschichte? Österreich? Ergebnisse einer Enquete über das neue historische Museum in Wien (Wien 2016). 57 Further members included Charles Jelavich, Samuel Harrison Thomson, Robert A. Kann, Wayne S. Vucinich and Piotr S. Wandycz. 58 For the genesis, cf. Adam Wandruszka, Planung und Verwirklichung; in: Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch, (Alois Brusatti) (eds.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918 I: Die wirtschaftliche Entwicklung (Wien 1973) XI–XX. 59 In its first composition after the foundation under Hugo Hantsch, the commission consisted of Adam Wandruszka, Johann Christoph Allmayer-Beck, Heinrich Benedikt, Friedrich Engel-Janosi, Fritz Fellner, Richard Georg Plaschka, Gerald Stourzh and Erich Zöllner; the first secretary was Helmut Rumpler, his successor Peter Urbanitsch. 60 The articles are published in the Austrian History Yearbook 3/1–3 (1967). 61 Fritz Fellner, The Dissolution of the Habsburg Monarchy and its Significance for the New Order in Central Europe: A Reappraisal; in: Austrian History Yearbook 4–5 (1968–1969) 3–27, here 26 f. 55 56

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mission, which was planning a work group to elaborate a new ‘Austrian history’, but failed in this undertaking. More successful was the Commission for Modern Austrian History, which could similarly look back on a long tradition62. Both institutions dealt with the history of the Habsburg Monarchy, but could not or did not want to lay down in which relationship this history and its cultural and political legacy stood to the new Austria after 1945. With the aim of defining such a political standpoint, in 1953 the ‘Research Institute for Questions of the Danube Region and Central Europe’ was founded, initially located in Salzburg outside the Soviet occupation zone (currently known as ‘Donauraum-Institut’), and in Vienna (1958) the ‘Working Group East’ – later renamed the ‘Austrian Eastern and South-East Europe Institute (OSI)’. The objective of these activities launched by politicians, in particular those of the OSI, which was subordinate to the Ministry of Education under the ministers Ernst Kolb (1952–1954) and Heinrich Drimmel (1954–1964), was to achieve cultural co-operation with the former successor states. This was not easy. For at the same time there were close contacts to the Eastern Europe Institute in Munich as well as to the South-East Institute and to the researchers there, Hans Koch, Wilfried Krallert and Fritz Valjavec, who tended to advocate a confrontation with states behind the ‘Iron Curtain’. The Austrian Eastern and South-East Europe Institute (1958–2006) published the ‘Österreichische Osthefte’ with the general programme of South-East Europe studies including Eastern and Eastern Central European history. But even the editorial enterprise of the ‘Minutes of the Austrian Council of Ministers 1848–1867’ was attached to the OSI. The co-operation with the Hungarian Academy of Sciences in the publication of the Minutes of the Common Council of Ministers 1867–1918 was administrated by the OSI. Robert Kann’s epoch-making work on the nationality problem in the Habsburg Monarchy was published in 1964 as Volume IV of the publications by Working Group East63. In 1968, Minister of Education Theodor Piffl-Perčević entrusted the OSI with organizing a symposium on the topic of the disintegration of the Habsburg Empire and re-orientation in the Danube region. Both among the 200 participants and among the speakers, ‘(…) the neighbouring states Czechoslovakia, Hungary and Yugoslavia were, of course, particularly strongly represented’. Vienna had become ‘host to the moment of a critically assessing reunion in a changed world’64. When the first volume of the series edited by the Academy Commission ‘Die Habsburgermonarchie 1848–1918’ was published in 1973, there was at any rate already intensive Austrian Habsburg research, subsidized by politicians in the context of the 62 Cf. Fritz Fellner, with the collaboration of Franz Adlgasser and Doris Corradini, „…a truly patriotic work“. Die Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 1887–2000 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 91, Wien – Köln – Weimar 2001). 63 Kann, Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. 64 Cf. the preface to the conference proceedings: Richard G. Plaschka, Karlheinz Mack (eds.), Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (= Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 3, München – Wien 1970); a bibliographical overview of the essential works by Jurij A. Pisarev, Die Befreiungsbewegung der südslawischen Völker Österreich-Ungarns in den Jahren 1917 und 1918 und die Entwürfe einer Reform der Donaumonarchie; in: Ibid.186–194.

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struggle for the State Treaty, with a wealth of activities and publications. Their unspoken political goal was to overcome the intellectual borders of the ‘Iron Curtain’. The international symposium in Vienna (1964) on the outbreak of war in 1914, the two conferences already mentioned in Bloomington in 1966 and the congress in Vienna in 1968 offered the first comprehensive presentations of the research and positions of historians in the successor states, which were eclipsed by the German question, more important in terms of world politics, in the East-West confrontations at the international historians’ conferences in Stockholm in 1960 and in Vienna in 1965. 5. The idea of Central Europe as a Glass Bead Game with a historical background Much more so than the diversity of individual research and source editions, the new awareness of Central Europe caused a politically defused view of the Habsburg Monarchy and its demise. Whether the Habsburg confederation was a common legal, economic and cultural region or a ‘conflict community’65 doomed to failure, could now be discussed in objective fashion. The historiography of the successor states, too, researched and assessed in the awareness that the story of the now finally liberated nations formed ‘an integrative component of Central European history’, whose ‘fates were inextricably linked to the destinies of the Danube Monarchy’66. But this was not in keeping with the official political line, from which the humanities took their bearings. Until the Slovenian translation of Franz Joseph’s biography by Jean Paul Bled67 in 1990, Alan J. P. Taylor’s ‘The Habsburg Monarchy’ was the only monography about the Habsburg Monarchy in Slovenian68. The same applies to Czechoslovakia, where Eva Priester’s ‘History of Austria’ of 1949 was the official academic textbook69. For none of the successor states, including Austria as the spiritual estate trustee, was the Habsburg 65 Jan Křen, Die Konfliktgemeinschaft. Tschechen und Deutsche 1780–1918 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 71, München 22000). 66 Otto Urban, Die tschechische Gesellschaft 1848 bis 1918, 2 vols. (= Anton Gindely Reihe zur Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas 2, Wien – Köln – Weimar 1994) I 15. 67 Jean Paul Bled, Franz Joseph. Der letzte Monarch der alten Schule (Wien – Köln – Graz 1988). 68 Peter Vodopivec, Die Slowenen in der Habsburgermonarchie; in: Dušan Nećak, Boris Jesih, Božo Repe, Ksenija Škrilec, Peter Vodopivec (eds.), Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju/Slowenisch-österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert (= Historia 8, Ljubljana 2004) 47–62, here 46, note1. 69 Eva Priesterová, Stručné dějiny Rakouska (Prag 1954); German edition: Kurze Geschichte Österreichs 2: Aufstieg und Untergang des Habsburgerreiches (Wien 1949); for older Habsburg research see Jiří Kořalka, Josef Koćí, The History of the Habsburg Monarchy (1526–1918) in Czechoslovak Historiography since 1945; in: Austrian History Yearbook 2 (1966) 198–223; Jaroslav Šebek, Der Erste und der Zweite Weltkrieg und die Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit. Stand der tschechischen Geschichtsforschung nach 1989 – Bilanz, Fragestellungen und Perspektiven; in: David Schriffl, Niklas Perzi (eds.), Schlaglichter auf die Geschichte der böhmischen Länder vom 16. bis 20. Jahrhundert. Ausgewählte Ergebnisse zu den österreichisch-tschechischen Historikertagen 2006 und 2008 (= Schriftenreihe der Waldviertler Akademie 6, Wien – Berlin – Münster 2011) 217–239; recently Václav Veber, Milan Hlavačka, Petr Vorel, Miloslav Polívka, Martin Wihoda, Zdeněk Měřínský (eds.), Dějiny Rakouska [Geschichte Österreichs] (Praha 2002).

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Monarchy part of their new identity, not even part of a commonly acknowledged history. The focus of historiographical and short-term political interest lay on the history of the new, finally victorious national states of Greater Poland, Greater Romania, Yugoslavia and Czechoslovakia70. Even the once leading nations, the German-Austrians and the Hungarians, ‘turned away, more or less firmly, from the legacy of the multi-ethnic monarchy, seeing their future in the pursuit of national goals’71. For Austrian historical research, the history of the Habsburg Monarchy was more or less ‘Eastern European history’, although an attempt was made to construct a historical commonness with the new Austria via the concepts of Zentraleuropa and Mitteleuropa72. The new idea of Central Europe was a Glass Bead Game, not devoid of a historical background, but a myth on the part of intellectuals. Austrian politics went different ways, and these were leading to the West, which was beginning to organize itself as the new Europe. With Austria’s accession to the European Community, Austria mutated from the outpost of eastern Central Europe to the most easterly country in the North-Western European economic and value community. Orientation towards the East or the West, towards a closer alliance with Germany or the traditional relationship with the West Slavic nations of western Central Europe was also at the core of all problems with and in the First World War73 – whether it was a matter of the epoch-turning Parliamentary Crisis of 189774 and language policy75, the

70 Cf. Ferenc Glatz, Die Habsburgermonarchie und die Geschichtsschreibung. Ein historiographischer Ausblick; in: Idem., Ralph Melville (ed.), Gesellschaft, Politik und Verwaltung in der Habsburgermonarchie 1830–1918 (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abt. Universalgeschichte, Beiheft 15, Stuttgart 1987) 373–378. 71 Ibid. 375. For the status of literature in general, see Samuel R. Williamson Jr., Ernest R. May, An Identity of Opinion: Historians and July 1914; in: The Journal of Modern History 79/2 (2007) 335– 387; Jay Winter, Antoine Prost, The Great War in History: Debates and Controversies, 1914 to the Present (Cambridge 2005); Rudolf Jeřabeck, Die österreichische Weltkriegsforschung; in: Wolfgang Michalka (ed.), Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse (= Serie Piper 1927, München – Zürich 1994) 953–971; With the exception of Austria, the section on international research excludes the historiography of the successor states; Alan Sked, Historians, the Nationality Question, and the Downfall of the Habsburg Empire; in: Transactions of the Royal Historical Society 5/31 (1981) 175–193. 72 Cf. Robert Okey, Central Europe/Eastern Europe: Behind the Definitions; in: Past and Present 137 (1992) 102–133. 73 Cf. John W. Boyer, Some Reflections on the Problem of Austria, Germany and Mitteleuropa; in: Central European History 22/3–4 (1989) 301–315; Lonnie R. Johnson, Central Europe: Enemies, Neighbors, Friends (Oxford – New York 1996); Jaworski, Mitteleuropadiskussion. 74 Berthold Sutter, Die Badenischen Sprachverordnungen von 1897. Ihre Genesis und ihre Auswirkungen vornehmlich auf die innerösterreichischen Alpenländer, 2 vols. (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 46/47, Graz – Köln 1965); Alfred Ableitinger, Ernest von Koerber und das Verfassungsproblem im Jahre 1900. Nationalitäten- und Innenpolitik zwischen Konstitutionalismus, Parlamentarismus und oktroyiertem Wahlrecht (= Studien zur Geschichte der österreichischungarischen Monarchie 12, Wien – Köln – Graz 1973). 75 Emil Brix, Die Umgangssprachen in Altösterreich zwischen Agitation und Assimilation. Die Sprachenstatistik in den zisleithanischen Volkszählungen 1880 bis 1910 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 72, Wien – Köln – Graz 1982).

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crisis of Dualism76, pre-war diplomacy77, the assassination in Sarajevo and the July Crisis78, the military command structures79, the war objectives and discussion about Central Europe80, trade union policy81, separate peace policy82, or the person of Emperor

76 Éva Somogyi, Der gemeinsame Ministerrat der österreichisch-ungarischen Monarchie 1867–1906 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 73, Wien – Köln – Weimar 1996); Anatol Schmied-Kowarzik, Unteilbar und untrennbar? Die Verhandlungen zwischen Cisleithanien und Ungarn zum gescheiterten Wirtschaftsausgleich 1897 (= Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit 8, Innsbruck – Wien – Bozen 2010) 77 Isabel F. Pantenburg, Im Schatten des Zweibundes. Probleme österreichisch-ungarischer Bündnispolitik 1897–1908 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 86, Wien – Köln – Weimar 1996); John Leslie, The Antecedents of Austria-Hungary’s War Aims: Policies and Policy-Makers in Vienna and Budapest before and during 1914; in: Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 20 (1993) 307–394; Helmut Rumpler, Paul Niederkorn (eds.), Der „Zweibund“ 1879. Das deutsch–österreichisch-ungarische Bündnis und die europäische Diplomatie. Historikergespräch Österreich – Bundesrepublik Deutschland 1994 (= Zentraleuropa-Studien 2, Wien 1996); Holger Afflerbach, Der Dreibund. Europäische Großmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 92, Wien – Köln – Weimar 2002); Solomon Wank, In the Twilight of Empire. Count Alois Lexa von Aehrenthal (1854–1912). Imperial Habsburg Patriot and Statesman I: The Making of an Imperial Habsburg Statesman (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 102/1, Wien – Köln – Weimar 2009). 78 Hans Uebersberger, Österreich zwischen Russland und Serbien. Zur südslawischen Frage und der Entstehung des Ersten Weltkrieges (Köln – Graz 1958); Friedrich Würthle, Die Spur führt nach Belgrad. Die Hintergründe des Dramas von Sarajevo 1914 (Wien – München – Zürich 1995); Günther Kronenbitter, „Nur los lassen“. Österreich-Ungarn und der Wille zum Krieg; in: Johannes Burkhardt, Josef Becker, Stig Förster, Günther Kronenbitter, Lange und kurze Wege in den Ersten Weltkrieg. Vier Augsburger Beiträge zur Kriegsursachenforschung (= Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg 49, München 1996) 159–187. 79 Christoph Führ, Das k. u. k. Armeeoberkommando und die Innenpolitik in Österreich 1914– 1917 (= Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 7, Graz – Wien – Köln 1968); Peter Broucek (ed.), Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen von Edmund Glaise von Horstenau, 2 vols. (= Veröffentlichungen der Kommission für die Neuere Geschichte Österreichs 67/68, Wien – Köln – Graz 1980); Günther Kronenbitter, „Krieg im Frieden“. Die Führung der k. u. k. Armee und die Großmachtpolitik Österreich-Ungarns 1906–1914 (= Studien zur Internationalen Geschichte 13, München 2003); Rudolf Hecht, Heeresergänzung – Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg (Wien 2010). 80 Birgitt Morgenbrod, Wiener Großbürgertum im Ersten Weltkrieg. Die Geschichte der „Österreichischen Politischen Gesellschaft“ 1916–1918 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 85, Wien – Köln – Weimar 1994); Achim Müller, Zwischen Annäherung und Abgrenzung. Österreich-Ungarn und die Diskussion um Mitteleuropa im Ersten Weltkrieg (Marburg 2001); Petronilla Ehrenpreis, Kriegs- und Friedensziele im Diskurs. Regierung und deutschsprachige Öffentlichkeit Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs (= Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit 3, Innsbruck – Wien – Bozen 2005). 81 Margarete Grandner, Kooperative Gewerkschaftspolitik in der Kriegswirtschaft. Die freien Gewerkschaften Österreichs im Ersten Weltkrieg (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 82, Wien – Köln – Weimar 1992). 82 Robert A. Kann, Die Sixtusaffäre und die geheimen Friedensverhandlungen Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg (= Österreich Archiv, Wien 1966); Heinrich Benedikt (ed.), Die Friedensaktion der Meinl-Gruppe 1917/18. Die Bemühungen um einen Verständigungsfrieden nach Dokumenten, Aktenstücken und Briefen (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 48, Graz – Wien – Köln 1962); Friedrich Engel-Janosi, Die Friedensgespräche Graf Nikolaus Reverteras mit

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Karl83. Even in the recollection orgies of the commemoration year 2014, the Habsburg Monarchy played almost no role in the political self-conception of its successors and vanquishers. It is no longer the major European and global issues of alliance policy, war objectives and opportunities for peace that are at the heart of the discussion, but questions of everyday life and mentality during the Great War84. It is no longer a matter of clarifying the salient issue as to the external and internal causes for the outbreak of the war, although they are still controversial, especially for Austria-Hungary. For the Habsburg Monarchy, this question, besides the direct decision-making processes in favour of the war – with tacit retention of the argument of a refusal to reform – culminates in the discussion of the impossibility or inability to develop the national conglomerate of Austria-Hungary into a Central European federation and to defuse the ‘struggle of nations for a state’85 by further extending the right of nationality. 6. The Habsburg Monarchy as a concept for the opportunities and limits in the realignment of Europe Here, the questions as to the significance of the Habsburg Monarchy and its failure and as to the opportunities and limits in a realignment of Europe merge in a symbiosis of unity and diversity in the shaping of the project of the United States of Europe. And if the tiniest, small, medium and great states of the continent, whose pride and historical grandeur is based on the diversity of its political orders and cultural codes, are not prepared to sacrifice an essential portion of their sovereignty on the altar of the greater motherland of Europe, then Europe will fail, just as the Habsburg Monarchy failed. Here, it may be salutary ‘to remember’, to reconstruct the ‘perception’ of the war and the ‘traumatic experience’ of it86 and to perform ‘grief work’ as a strategy to come

Comte Abel Armand; in: Anzeiger der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Vienna 1965) 369–381; Tamara Griesser-Pečar, Die Mission Sixtus. Österreichs Friedensversuch im Ersten Weltkrieg (Wien – München 1988); Wolfdieter Bihl, Österreich-Ungarn und die Friedensschlüsse von Brest-Litovsk (= Studien zur Geschichte der Habsburgermonarchie 8, Wien – Köln – Graz 1970). 83 Elisabeth Kovács, Untergang oder Rettung der Donaumonarchie? I: Die österreichische Frage. Kaiser und König Karl I (IV.) und die Neuordnung Mitteleuropas (1916–1922); II: Kaiser und König Karl I. (IV.). Politische Dokumente aus internationalen Archiven (Wien – Köln –Weimar 2004). 84 For Austria cf. Hermann J.W. Kuprian, Oswald Überegger (eds.), Der Erste Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung, Deutung, Erinnerung/La Grande Guerra nell’arco alpino. Esperienze e memoria (= Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs/Pubblicazioni dell’Archivio Provinciale di Bolzano, Innsbruck 2006). 85 This is the title of the work, which has not been fully received as to its judgement of the reform potential of the Habsburg Monarchy, by Karl Renner, Der Kampf der österreichischen Nationen um den Staat (published under the pseudonym of Rudolf Springer, Wien 1902). 86 Cf. Edgard Haider, Wien 1914. Alltag am Rande des Abgrunds (Wien – Köln – Weimar 2013); Gunda Barth-Scalmani, Joachim Bürgschwenter, Matthias Egger, Matthias König, Christian Steppan (eds.), Zeit – Raum – Innsbruck. Militärische und zivile Kriegserfahrungen 1914–1918 (= Schriftenreihe des Innsbrucker Stadtarchivs 11, Innsbruck 2010); Christa Hämmerle, Heimat/Front.

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to terms with the past. But this will not suffice, not even if we endeavour to unmask the event with ‘new methodological concepts [and] new terminologies’87. It is not just a question of ‘effect’ in terms of the direct consequences, but of accounting for the earlier treatment of the problems leading to the First World War and continuing to exist after 1918 and 1945, especially at a juncture when discussions focus on a New Europe. The First World War is not merely a component of our dead, but also of our still ‘living past’88. Instead of an accusatory look back, the suddenly discovered dismay of revelation is required as well as acceptance of the correlations between events and motivation. The ‘culture of coming to terms with the war’ in terms of memories of the monstrosities of the war, its heroism and the horror in itself must be supplemented by new research on the causes, so as really ‘to overcome’ the trauma of the ‘great seminal catastrophe’. The old questions, focusing on ‘war guilt’, have not been answered, especially for Austria-Hungary, as is illustrated by the little ‘trench war’, inspired by Christopher Clark, concerning the assessment of the decision on war in Vienna. But Clark did not ask the question ‘why’ the Council of Ministers in Vienna on 7 July 1914 believed they had to make the so fateful decision all those involved were aware of. The question as to the reasons for the failure of a European balance and treaty system as a result of the ideologization of international relations and the social-Darwinist radicalization of the right to national self-determination may not stop at the point where the older research on war guilt was abandoned. The ‘memory’ of the terrors of the Second World War led to the new European Community coming about in an hour of fear, and since then it has proven itself as a project for securing peace. Europe is a region of peace, the protection of which in crises, however, has hitherto always been ensured with the aid of the USA and in the latter’s geostrategic interests. That the ‘Europe of the extremes’ (Eric Hobsbawm) unites into a ‘community of fate’ as the result of common experiences and coming to terms with a history of disasters seems possible, but that it can and should be a ‘community of character’ is unlikely89. The new Europe has again become a ‘Europe of nations’. The historical diversity of Europe has been re-established, self-confident and headstrong. As a process of the concentration and globalization of all spheres of life, modernism has suffered a setback. The question arises as to whether the new Europe is not on the way to consistently restoring national states90. At any rate, Europe has hitherto remained

Geschlechtergeschichte(n) des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn (Wien – Köln – Weimar 2014); Laurence Cole, Christa Hämmerle, Martin Scheutz (eds.), Glanz – Gewalt – Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie (1800 bis 1918) (= Frieden und Krieg. Beiträge zur historischen Friedensforschung 18, Essen 2011). 87 Šebek, Stand der tschechischen Geschichtsforschung 238. 88 Cf. František Graus, Naše živá i mrtvá mínulost. 8 esejí o českých dějínách [Our living and dead past. Eight essays on Czech history] (Praha 1968) 158–184. 89 Research on nationalism – beginning with Ernest Renan and going over Hans Kohn and Eugen Lemberg up to Benedict Anderson and Ernest Gellner – terms these collective states of consciousness conditions for a fiction to turn into the reality of a national society with the formation of a state. 90 Cf. Claudia Schürz, review of Mathias Beer, Auf dem Weg zum ethnisch reinen Nationalstaat? Europa in Geschichte und Gegenwart (Tübingen 22007); in: Südostforschungen 67 (2008) 373–375.

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unsuccessful in removing the internal contradictions between the national interests of the big states and the self-preservation fears of the little ones. Openly or latently, the European union of states resembles that ‘conflict community’ for which the Habsburg Monarchy represents a cautionary lesson, but also one revealing the problems. The ingredients of dissatisfaction, lack of orientation and hopelessness of a world ‘tottering’91 on the abyss are just as present now as at the turning point prior to 1914. It stood to reason that the rediscovery of the Habsburg Monarchy as a concept for the opportunities and limits in the realignment of Europe occurred at the moment the Europe of 1918 was restored, once the eastern Central European national states, restricted in their sovereignty by Soviet hegemony, regained their complete freedom. Now, they could fully unfold their national identity, on the one hand, and, on the other, as members of the European Union demonstrate their willingness and ability to form a supranational community. Now, the old affinities, in particular between the states of eastern Central Europe, became visible again, but the old animosities also awoke once more. So, all European states were ‘almost automatically compelled to review their historical relationships’92. But the problems of multiple nationality conflicts, sufficiently familiar from the history of the Habsburg Monarchy, persisted blatantly or covertly, or were revived93. And it quickly became clear that states, even though they declared themselves to be Europeans on the way to Euroland, hesitated to concede to Europe what they had refused the Habsburg state. That is partly healthy patriotism, but partly and profoundly that totalitarian nationalism that has again been consolidated and cultivated everywhere more resolutely than ever since the glorious days of the ‘awakening of the nations’ at the outset of the 19th century. The problems of the Habsburg Monarchy, ‘such as they reached a climax in the tensions between progress and tradition, order and liberty, sovereignty and solidarity in the 19th century’94, can be discerned everywhere today in largely identical form, mostly without any solution having been found. The renaissance of ‘federalism as a political organizing principle’95 is emerging in many European states unsettled by crises, but the discussion concerning shaping the European constitution along the lines of a federal state is still far away.

Cf. Philipp Blom, Der taumelnde Kontinent. Europa 1900–1914 (München 2009). Manfried Rauchensteiner, Österreich im Ersten Weltkrieg 1914–1918; in: Rolf Steininger, Michael Gehler (eds.), Österreich im 20. Jahrhundert. Ein Studienbuch in zwei Bänden (Wien – Köln – Weimar 1997) I: Von der Monarchie bis zum Zweiten Weltkrieg 65–98, here 79. 93 Cf. Valeria Heuberger, Othmar Kolar, Arnold Suppan, Elisabeth Vyslonzil (eds.), Nationen, Nationalitäten, Minderheiten: Probleme des Nationalismus in Jugoslawien, Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei, Bulgarien, Polen, der Ukraine, Italien und Österreich 1945–1990 (= Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 22, Wien – München 1994); Robert M. Hayden, From Yugoslavia to the Western Balkans. Studies of a European Disunion 1991–2011 (= Balkan Studies Library 7, Leiden – Boston 2013). 94 Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie (= Österreichische Geschichte 1804–1914, ed. by Herwig Wolfram, Wien 1997) 13. 95 Cf. literature report André Kaiser, Föderalismus. Renaissance eines politischen Ordnungsprinzips?; in: Neue Politische Literatur 49/1 (2004) 85–127. 91 92

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For the Habsburg Monarchy, federalism was the core issue of its existence, coupled to the problem of the compromise between the nationalities and the overall state. To solve it, since Metternich and the Revolution of 1848 there had been a multitude of programmes, which all failed, promising fewer and fewer prospects of success under the exacerbating conditions of social and economic crises, although a solution was close. In the constitutional conflicts, the Habsburg Monarchy hesitated to relax the overall safeguards – these were the ‘pragmatic affairs’ of foreign policy, imperial defence and imperial finance –, but in the hotly contested issue of language policy it endeavoured to take into account the constitutionally guaranteed idea of the ‘equality of all nations’96 by decentralizing the administration. The ‘Central Europe’ of the Habsburg Monarchy was not merely a literary myth97. The Habsburg Monarchy was a region of fertile ‘multi-ethnicity and multi-culturality’, the state and social framework for a ‘creative milieu’ and the centre of a world of aesthetics aside from and beyond politics98. However, especially the enticing ideal of a multi-cultural society was also the reason for a condition of permanent tension and latent aggression. The much-vaunted productive contradiction turned into conflict, and the latter into hatred. Radicalization was immanent on the volcano of a feisty cultural competition. Cultural pluralism became a danger, as the paradigm of the Habsburg Monarchy demonstrates, because it did not face a clearly defined and resolutely defended superordinate state idea. Such an idea had had to be relinquished in 1866 with the victory by Prussia and the German national movement over the principle of the ‘German Union’ as an Austro-German federation tolerable to Europe99. The doctrine of a German and Magyar dominant culture, stipulated as an internal precept as the consequence from the failure of imperial policy – towards Hungary in 1867 and towards Bohemia in 1870/71 – was a success in survival that 96 For a comprehensive presentation, cf. Gerald Stourzh, Die Gleichberechtigung der Volksstämme als Verfassungsprinzip 1848–1918; in: Wandruszka, Urbanitsch (eds.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918 III/2, 975–1206. 97 Cf. Claudio Magris, Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur (Salzburg 1966). 98 Moritz Csáky, Übereinstimmung und Konflikt. Multiethnizität und Multikulturalität in der zentraleuropäischen Region; in: actio catholica 2 (1997) 22–33; idem., Ambivalenz des kulturellen Erbes: Zentraleuropa; in: Idem., Klaus Zeyringer (ed.), Ambivalenz des kulturellen Erbes – Vielfachcodierung des historischen Gedächtnisses. Paradigma Österreich (Innsbruck – Wien – München 2000) 27–49; Emil Brix, Allan Janik (eds.), Kreatives Milieu. Wien um 1900. Ergebnisse eines Forschungsgespräches der Arbeitsgemeinschaft Wien um 1900 (Wien – München 1993). The idea for these questions was provided by Carl E. Schorske, Fin-de-siècle Vienna. Politics and Culture (London 1980); cf. also Allan Janik, Stephan E. Toulmin, Wittgenstein’s Vienna (New York 1973); Péter Hanák, Der Garten und die Werkstatt. Ein kulturgeschichtlicher Vergleich (= Kulturstudien. Bibliothek der Kulturgeschichte 13, Wien – Köln – Weimar 1992); Michael Pollak, Wien 1900. Eine verletzte Identität (= Édition discours 6, Konstanz 1997); Jacques Le Rider, Modernité viennoise et crises de l’identité (= Perspectives et critiques, Paris 1990). 99 Cf. Wolf D. Gruner, Deutschland mitten in Europa. Aspekte und Perspektiven der deutschen Frage in Geschichte und Gegenwart (= Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte 5, Hamburg 1992); Idem., Der Deutsche Bund 1815–1866 (= Beck’sche Reihe 2495, München 2012); Helmut Rumpler, „Es ist ein Kampf auf Leben und Tod, der noch lange nicht aus ist“ [Kaiser Franz Joseph, 1866]. Bismarcks Erfolgspolitik und das deutsch-österreichische Problem; in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 101 (1993) 37–67.

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could not stop first social and cultural and soon also political collapse. The sublime goal of the federal multi-ethnic state with extensive administrative autonomy on the part of the nations and the constitutional recognition of the ‘inviolable right to the preservation and cultivation [of the] nationality and language’ of the ‘nations’ as well as a renunciation of the common German state language in Cisleithania came to grief, as was described in literary form by Robert Musil in his social novel ‘Der Mann ohne Eigenschaften’. Europe, too, has an idea, which is mentioned occasionally, but which hardly plays any role in the practical politics of haggling over competences and economic bailout plans. When Walter Laqueur wrote his first warning about The Last Days of Europe, he argued by referring to the fact that Europe had lost ‘face’100. For this, he was lambasted as a prophet of the apocalypse. But Europe’s permanent crisis and the apathy of European politicians proved him right, and he saw his prophecy confirmed101. Yet, Europe can only be constructed as a federal state, as a federation of states or as an economic community, if it can be ‘given a soul’102. For this, generations of the best historians of their time have grappled103, but what drove the ‘visionaries’ of the age to despair at an early date was put to paper by the poet: ‘Things fall apart; the centre cannot hold; / Mere anarchy is loosed upon the world.’104 Even a writer markedly critical of Austria and by no means nostalgic for Old Austria discovered to his own astonishment the spiritual shared heritage between the Habsburg Monarchy and Europe, posing the questions: ‘Is the EU facing the same fate? Will it break apart due to nationalism despite all the conclusions that have been drawn or can be drawn from historical experiences?’105 However these vital questions are answered, whoever wishes to speak about Europe and shape it is at any rate well advised to study the Habsburg Monarchy, its significance for an overall European system and its failure. This does not imply that the Habsburg Monarchy might have been a model for the supranational state and social order of the new Europe after 1945. But it was a prefiguration of Europe, a historical lesson for the fundamental problems of a supranational organization with a spiritual foundation going beyond peacekeeping and an economic community.

100

2006).

Walter Laqueur, Die letzten Tage von Europa. Ein Kontinent verändert sein Gesicht (Berlin

101 Idem., After the Fall: The End of the European Dream and the Decline of a Continent (New York 2012); German edition entitled: Europa nach dem Fall (München 2012). 102 Erhard Busek, „Ich zweifle an der Intelligenz von Regierungen“. Ein Gespräch mit Erhard Busek über die Krise der EU, den Donauraum und die Probleme mit Osteuropa – sowie das Gedenkjahr 1914; in: morgen 6/13 (2013) 28–29, here 28. 103 Heinz Duchhardt, Malgorzata Morawiec, Wolfgang Schmale, Winfried Schulze (eds.), Europa-Historiker. Ein biographisches Handbuch, 2 vols. (Göttingen 2006). 104 William Butler Yeats, The Second Coming; in: The collected poems of W[illiam] B[utler] Yeats (London 21961) 210 f. 105 Robert Menasse, Das Gestern war noch nie so jung; in: Die Presse (Spectrum) of 10 May 2014, 11.

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I. Epochenwende Erster Weltkrieg A. The Historical Significance of the First World War by Alan Sked 1. The War in British Memory Commemorating the First World War proved unexpectedly controversial in Great Britain. The Education Secretary and his opposite number in the Shadow Cabinet had an ill-tempered dispute about the meaning of the conflict, with the Education Secretary, backed by other conservative politicians and historians, insisting that British children needed to know that the war had been worth fighting, had been fought well and had led to a morally deserved victory over the German militarists who had started it. Their opponents were more willing to spread the blame around and to question whether any event associated with such huge loss of life deserved to be glorified. If they were not quite in the tradition of the play, later made into a film, Oh! What a Lovely War and the BBC historical comedy series Blackadder, both of which pictured the war as one in which crass upper-class officers sent soldiers blindly to the slaughter – ‘lions led by donkeys’ according to the historical cliché – they, none-the-less, objected to the nationalist, even ‘triumphalist’ tone of the Education Secretary and his allies. What about the poor German and other enemy soldiers who had also lost their lives? In an attempt to be neutral, the BBC gave an hour each to two writers to debate the nature of the war. Professor Niall Ferguson argued that British entry into the war had been a mistake – the worst error in British history – whilst, Sir Max Hastings maintained that it had been a necessary war to stop the domination of Europe by Germany. Ferguson had a panel of historians on hand to discuss his assessment, although nearly all of them disagreed with him. His case was that if Britain had stayed out, then Germany would have won in 1916 and established Mitteleuropa, something like the present EU and not therefore all that harmful. Ferguson had presented this argument many times before and he was well known for it1. However, it had never really convinced the British public any more than Professor John Charmley’s argument that Britain should have made 1

1998.

His television lecture had the title ‘The Pity of War’, the same as his book published in London in

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peace with Hitler in 1940. The case against Ferguson had been put succinctly in 2008 by the distinguished British military historian Sir Michael Howard: ‘(…) if the Germany of 1916 was not that of Adolf Hitler, neither was it that of Konrad Adenauer. Power was contested between an authoritarian, militaristic and increasingly proto-fascist right wing and a liberal-socialistic left, and every military success strengthened the hand of the former. Victory in war would have established their dominance, not only in Germany but over Europe as a whole, and with it their determination to destroy Britain’s naval supremacy and to reduce her to the status of France after 1871. That, at least was the perception in Britain itself, which was why, for better or worse, neither elite nor popular opinion in Britain across the political spectrum for a moment considered defeat to be an option. Reserves of national pride, built up over generations, were not yet exhausted. Politicians and generals were reviled for the way they conducted the war, but not for fighting it at all.’2

The controversy surrounding the commemoration of the war merely reflected the huge interest in it that already existed in Britain. Controversies over Gallipoli (‘a futile sideshow’ in the words of one Imperial War Museum historian)3, Jutland (‘an unequivocal [British] victory both tactically and strategically’ in the words of another4) and particularly the role of the British army under General Douglas Haig continue to generate extraordinary passion. When the American historian John Mosier, for example, published his history of World War One in 20015, disparaging the role of the British army, John M. Bourne began his review of it in the English Historical Review with the words: ‘It is difficult to decide which aspect of this dreadful book is the most objectionable, its contempt for history as a discipline, its tendentiousness, its ignorance of modern scholarship (especially on the British Army), its lack of understanding of what modern war is about, its infuriating factual inaccuracies or its chauvinism. On balance I think that chauvinism has it.’

Bourne’s main criticism was: ‘No one reading this book will derive any knowledge or understanding of the British army’s rapid evolution from a small colonial police force to one of the biggest armies in the world, superbly equipped, technologically and tactically ingenious, capable of conducting high-tempo, all-arms, deep battles, an evolution brought about while in contact with the main force of a powerful enemy, generally holding the high ground, and in the difficult condition of coalition warfare.’6

With Gary Sheffield, Bourne is the co-editor of the 2005 edition of ‘Douglas Haig. War Diaries and Letters’ 7. Sheffield is also the author of a history of the war, entitled

2 Cf. Michael Howard, Introduction; in: Idem, Stephen Badsey (eds.), A Part of History. Aspects of the British Experience of the First World War (London 2008) xiii–xx, here xx. 3 Peter Hart, Gallipoli: A Stone Unturned; in: Howard, Badsey (eds.), A Part of History 36–43, here 43. 4 Nick Hewitt, Writing about Jutland: Historiography and Hysteria; in: Ibid. 44–51, here 45. 5 John Mosier, The Myth of the Great War: A New Military History of World War One (London 2001). 6 John M. Bourne, Review: The Myth of the Great War; in: English Historical Review 119/484 (Nov. 2004) 1452–1453. 7 Gary Sheffield, John M. Bourne (eds.), Douglas Haig. War Diaries and Letters, 1914–1918 (London 2005).

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‘Forgotten Victory’8, which appeared about the same time as Mosier’s. He makes the same case for the ‘evolution’ of the British Expeditionary Force (BEF) as Bourne. His main argument is that Haig is a much-maligned figure and the war of attrition waged by the British army on the Western front eventually wore the Germans down. (The Americans are as irrelevant for him as the British are for Mosier.) Indeed, the horrendous losses suffered at the Somme and Passchendaele in 1916/17 made victory possible in 1918. The Somme turns out to be an allied victory and Sheffield’s figures for the casualties there are about 260,000 on both sides. Mosier, on the other hand, calculates 418,000 allied dead to only 143,000 Germans, while Trevor Wilson, the New Zealand historian and an authority on the Somme, calculates British casualties at 432,000, French casualties at 200,000 and German casualties at 230,0009. Consequently, he refuses to commend the British commanders for their actions. The popular and prolific historian, Frank McLynn, after reviewing Mosier and Sheffield’s books together concluded: ‘I think it is an insult to the memory of those who died on the Western front that the butcher who sent them there should have his reputation laundered in this way. One takes consolation from the fact that Sheffield’s defence of Haig is entirely unconvincing, as is the rest of his book.’10 Perhaps McLynn remembered that passage from F. Scott Fitzgerald’s ‘Tender is the Night’ when one of the characters tours the Somme valley after the war and says to his friends: ‘See that little stream (…) We could walk to it in two minutes. It took the British a whole month to walk to it – a whole empire walking very slowly, dying in front and pushing forward behind. And another empire walked very slowly backward a few inches a day, leaving the dead like a million bloody rugs.’11 Still, the argument goes on. A recent study reminds us: ‘Only a third of the British troops on the Western Front were infantry; the rest were in support units such as artillery and engineers or served in supply, medical, and other non-combatant units. Even in the “trench era” of 1915–17, offensives were “the exception rather than the rule” and “it was perfectly possible for an infantryman to spend two years on the Western front without actually going over the top at all” because battalions were rotated between frontline, support and reserve trenches. The British need to remember that the First of July, 1916, was very unusual in a war that lasted 1,561 days.’12 Interest in the First World War in Britain has always been passionate, much more so than in Austria, for example, where interest is only now manifesting itself to a similar extent as I discovered when I recently reviewed the historiography on Austria-Hungary

Gary Sheffield, Forgotten Victory: The First World War – Myths and Realities (London 2001). Trevor Wilson, The British Army on the Somme: July–November 1916; in: Howard, Badsey (eds.), A Part of History 52–62, here 61. 10 The Independent, 29 June 2001. 11 Quoted by Gordon A. Craig, The Revolution in War and Diplomacy; in: Jack J. Roth (ed.), World War I. A Turning Point in Modern History. Essays on the Significance of the War (= Borzoj Studies in History, New York 1968) 6–24, here 8. 12 David Reynolds, The Long Shadow. The Legacies of the Great War in the Twentieth Century (London – New York – Sydney – Toronto – New Delhi 2013) 430. 8 9

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and the war in the leading French e-journal13. French and German interest has never lagged, and the British have also always been passionately interested in the German conduct of the war as well. Sir Michael Howard, for example, commenting on German strategy, pointed out that the assumption that the cult of the offensive in 1914 was somehow irrational is a mistake. He argued, instead, that a war of manoeuvre was conducted successfully by Germany in 1914 and 1915 and even saw unrestricted submarine warfare as a different form of it. It was once again adopted by the German land armies in the spring of 1918 when General Erich Ludendorff’s offensives almost succeeded. What Howard could not understand was the uncoordinated nature of these assaults and why they were not directed at Paris or allied communications with the Channel Ports in order to secure decisive victories14. Recent arguments over the Schlieffen Plan have also featured British-based historians, notably Annika Mombauer. All these controversies, of course, concern old-fashioned military history. For some time now, on the other hand, a ‘new history’ of the war has concerned itself with topics such as women, the home front, prisoners of war, violence, occupation policy and memory15. A lot of interesting new information has come to light as a result, all of it illuminating our perspectives, although little of it has changed our fundamental view of the war. Take the study of women, for example16. The argument that the war somehow represented a watershed in the history of women or women’s rights is no longer viable. As far back as 1987, Richard Evans, in fact, could write in his study of feminism, socialism and pacifism in Europe: ‘The great majority of socialist women and the overwhelming majority of feminist women supported the war effort and rejected the idea that women were naturally inclined to favour peace.’17 The latest research confirms that the war’s effect on women was a conservative one on the whole. 2. The Historical Significance of the War The real purpose of this lecture, however, is not to cover controversies about the conduct of the war. It is meant instead to examine the historical significance of it. And 13 Cf. Alan Sked, Austria-Hungary and the First World War; in: Histoire@Politique. Politique, culture, société 22 (janvier–avril 2014) 1–33; cf.: www.histoire-politique.fr 14 Michael Howard, World War One: The Crisis in European History – The Role of the Military Historian; in: The Journal of Military History 57/5 (= Special Issue: Proceedings of the Symposium on ‘The History of War as Part of General History’ at the Institute for Advanced Studies, Princeton, New Jersey, October 1993) 127–138. 15 See, inter alia, Belinda Davis, Experience, Identity, and Memory: The Legacy of World War I; in: The Journal of Modern History 75/1 (March 2003) 111–131; Heather Jones, Violence against Prisoners of War in the First World War. Britain, France and Germany, 1914–1920 (= Studies in the social and cultural history of modern warfare 34, Cambridge – New York 2011). 16 A good starting point would be John Horne’s review of Gail Braybon (ed.), Evidence, History and the Great War (New York 2004); in: Reviews in History 476; cf. http://www.history.ac.uk/reviews/ review476. 17 Richard J. Evans, Comrades and Sisters. Feminism, Socialism and Pacifism in Europe, 1870– 1945 (Sussex – New York 1987) 149.

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in this respect, the passion displayed by so many historians regarding the conduct of the war, or even in developing new fields within the ‘new history’, has been altogether lacking when fitting it into the larger historical picture or viewing it in the perspective of la longue durée. What role did the war play in European or world history? This seems to be a topic which receives little attention, although David Reynolds’s excellent new book18 ruminates very eloquently on many aspects of its aftermath and the way different societies and generations have viewed it since. But it is not an attempt to weigh up the historical significance of the war as such, something that I myself will now attempt to do. Since I do not claim to be a ‘global historian’, I shall restrict my remarks (mainly) to Europe and will seek to explore the war in its wider historical significance with respect to its causes, dimensions and consequences. Let me start by quoting the almost throwaway lines of a few historians to demonstrate that, however vague, there is, none-the-less, a distinct, almost received view of the war as being particularly significant. It is assumed to have had profound causes, profound consequences, while being uniquely cruel and nasty. Here, for example is Sir Michael Howard, the doyen of British military historians: ‘It is indeed almost absurd to categorise the conflict of 1914–1918 as if it were just another war between European states and their auxiliaries on the model of those of Louis XIV or Napoleon or Bismarck: a simple clash of the Great Powers to settle the balance between them. Both at the time and since, “The Great War” was widely seen as a cataclysm resulting from the interplay of forces almost beyond human control: a “World Crisis” (the term used by Winston Churchill as the title for his own history of the war, of which the first volume appeared in 1923) that transformed European society and shattered its state system, destroying four great empires and provoking revolutionary upheavals whose effects are still working themselves out. It was this sense of the almost cosmic dimension of the conflict that led to such widespread dissatisfaction with the simplistic “war guilt” explanations and accusations that were current after the war (…) Few historians today [1993] are content to seek the causes of the war in the diplomatic archives, or even in the military plans of the Great Powers. Many, if not indeed the most, now interpret it as part of a general crisis – economic, social and cultural – affecting the whole of European society at the turn of the century.’19

He never explains, however, either the ‘cosmic’ dimension of the conflict or the nature of the ‘general crisis’ he refers to in any detail. The war is simply pictured as hugely and uniquely significant in all its aspects. We shall return to his analysis later. Another distinguished historian who commentated on the profound nature of the war was, of course, George F. Kennan. So, here is a summary of his views given by two historians of modern France in the introductory paragraph of their chapter covering the Great War in their excellent book, ‘France since 1800’: ‘The American diplomat and historian, George Kennan, described the Great War as the seminal catastrophe of the twentieth century. It destroyed the Austro-Hungarian, German, Ottoman and Russian empires, out of whose ruins came the unstable nation-states of Eastern Europe and the Middle East, the Bolshevik Revolution, Fascism and Nazism, which in turn led to the Second World War, the Cold

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Cf. note 12. Howard, World War One 128 f.

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Alan Sked War, and Middle East conflicts. Though Western Europe fared better than the east, the burden of the Great War still lay heavy and it dominated life well beyond the armistice of 1918.’20

It would be unfair to subject the reader to too many throwaway quotes, so let me just employ one more, from the introduction of a small American book on the Schlieffen Plan: ‘Few people can see much good in war, but World War I (1914–1918) has a particularly dreadful reputation. It’s not only that the war was responsible for the deaths of 16 million people, mostly young and many by uniquely horrifying means, but its effects marked practically everyone who survived (at least in Europe and North America) and continue to torment us even after a century. There was nothing romantic or glorious in this war; it did vast harm and scarcely any good. Even the scanty benefits sometimes claimed for it are largely illusory.’21

These scanty benefits may have included the establishment of a democratic republic in Germany, national self-determination for Czechs and Slovaks, Croats and Romanians, the resurrection of Poland, the liberation of Belgium, Serbia and other Balkan states, the establishment of the League of Nations and the end (at least temporarily) to the threat of a German–dominated Europe. However, the main point of the quote at this stage of my argument is to use it to demonstrate, along with Kennan’s and Howard’s views, that there is a standard perception that World War One was a unique and profound event in terms of causes, size and consequences – and hence significance. Fifty years ago, on the fiftieth anniversary of the war, a whole book was devoted to its historical significance with essays by leading scholars – Gordon A. Craig, Carl J. Friedrich, Charles Hirschfeld and Hans Kohn – with an introduction and conclusion by Jack R. Roth. In his introduction Roth writes: ‘The war was in many ways without precedent; never had so many nations been involved; never had a war absorbed so much of the resources and of the combatants or left them so exhausted; and never had the slaughter been of such magnitude or so senseless. In the Battle of Verdun, for example, casualties on both sides numbered over 750,000, at the Somme it was over 1.200,000 and the battle lines hardly changed. One out of every two French males, who were between the ages of twenty and thirty-five in 1914, was killed during the war. If Europe could accept casualties on this scale, they could accept almost anything in the way of slaughter. The greatest tragedy of our time – its monstrous violence – begins in the trenches of World War I. Verdun and the Somme opened the way to Auschwitz and Hiroshima.’22

In his conclusion, Roth makes the war even more significant. He writes that ‘it was a turning point not only for modern history but for all history. The war accelerated and combined the burgeoning revolutionary forces of the nineteenth century and imposed its stamp – at once catastrophic and global – on them, to shape thereby the destinies of the twentieth century’23. Maybe, therefore, all these throwaway lines quoted above, 20 D. L. L. Parry, Pierre Girard, France since 1800. Squaring the Hexagon (Oxford – New York 2002) 116. 21 William D. O’Neil, The Plan that Broke the World. The ‘Schlieffen Plan’ and World War I (22014, no place of publication) 1. 22 Roth (ed.), World War I, Introduction 5 f. 23 Ibid. Roth, Conclusion 133.

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lines which may well articulate the largely ‘unspoken assumptions’ of most of the historical profession, derive from conclusions first established fifty years ago. 3. Was It Uniquely Nasty? I have to confess that I find this view of the First World War hard to accept. The inner polemicist in me would like to dismiss it altogether, but I have to restrain myself. Clearly, there are historical continuities involved after 1918. However, to assume that the First World War ‘caused’ the Second World War, ‘caused’ the Cold War and ‘caused’ the Arab-Israeli Wars, thus altering the whole course of history, seems to me to redefine the boundaries of cause and effect – especially when it is argued at the same time that the outbreak of war in 1914 was a ‘cosmic event’ different from all previous wars and caused by diplomacy of a different order. Surely continuity cuts both ways. But the real problem is that the historians I have quoted all seem to fall into the trap of post hoc ergo propter hoc. Just because all sorts of events came after the First World War does not prove that it ‘caused’ them. They may well have been influenced by events which took place during the war, decisions taken at the peace conference, scientific advances made during the war, but ‘causation’ is a more specific relationship than historical sequence and has to be proved. We shall examine later on to what extent these claims can be substantiated. In the meantime, I will examine the claim that the war was uniquely cruel and bloody. This may well stem from the early disillusionment caused to the many people in Europe who had welcomed the war as a means of displaying spiritual valour. One thinks, for example, of the lines of Rupert Brooke: ‘Now God be thanked Who has matched us with His hour, And caught our youth, and wakened us from sleeping, With hand made sure, clear eye, and sharpened power, To turn, as swimmers into cleanness leaping, Glad from a world grown old and cold and weary (…).’24

And of Sigmund Freud’s quick realization of the truth: ‘Not only was it more bloody and more destructive than any war of other days (…); it is at least as cruel, as embittered, as implacable than any that preceded it (…). Moreover, it brought to light an almost incredible phenomenon: the civilized nations know and understand one another so little that one can turn against each other with hate and loathing.’25

It was not what had been expected: ‘We pictured it as a chivalrous passage of arms, which would limit itself to establishing the superiority of one side in the struggle while as far as possible avoiding acute suffering that could contribute nothing to the decision.’

Quote Craig, Revolution; in: Roth (ed.) World War I 6 f. For this and the next quote from Freud, see John Mueller, Changing Attitudes towards War: The Impact of the First World War; in: British Journal of Political Science 21/1 (January 1991) 1–28, here 16. 24 25

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In fact, by historical standards, not merely Freud, but all the historians so far mentioned, were quite wrong in their assessment of the First World War, which was far from being the uniquely destructive conflict that they all assumed it to be. On the contrary, in the words of the American political scientist John Mueller ‘it was not remotely unusual either in kind or degree’26 with respect to violence and destructiveness. I use the following figures from Mueller’s article to prove the point. There were about 430 million people in Europe in 1914. Of these, a high estimate is that some 17,860,000 died during the war, 11,867,000 military casualties and 5,993,000 civilians. This would suggest that about 4.1 % of the European population died during the war. If Canadian (55,000), Australian (60,000), New Zealand (16,000), Turkish (1,450,000) and American (126,000) casualties are factored in, then the percentage of casualties falls significantly, since the populations involved dramatically increase the percentage base. Calculations of military fatalities during the war usually vary from just under 8 million to 11 million. But taking his 4.1 % figure of overall deaths, Mueller comments: ‘A war in which one in twenty-five dies is calamitous, but there had been hundreds, probably thousands, of wars previously in which far higher casualty rates were suffered.’27 And he reminds of the record. There was the destruction of Carthage in 146 BC by Rome when deaths were essentially total. Indeed, in the ancient world it had been common practice for victors to ‘consecrate’ captured city states to their gods by butchering every human being and animal found within them. In the Old Testament God instructed the Israelites to behave likewise (Deuteronomy 20: 16–18) and the Book of Joshua relates the subsequent annihilation of the peoples of Jericho, Ai, Libnah, Lashisk, Eglon, Hebron, Debir, Hazor and the areas in-between. The people of Gibeon, who negotiated, were merely enslaved. Thucydides records that when the Athenians captured Melos in 416 BC, they put to death all adult males and took all the women and children as slaves. Josephus’s account of the Jewish War, which ended in 79 AD, catalogued massacres, plagues, human sacrifices, famine, cannibalism and the slaughter of prisoners, resulting in the deaths of hundreds of thousands and perhaps millions. When Genghis Khan’s hordes invaded Russia, whole towns vanished and whole populations were killed mercilessly. The capture of Constantinople in 1204 by the Crusaders again provoked horrible carnage. More appropriately, Mueller compares the First World War with the Thirty Years’ War of 1618–1648, the Seven Years’ War of 1756–1763 and the Napoleonic Wars, which ended in 1815 and reveals that ‘in proportionate and sometimes in absolute terms these wars were often at least as costly as the First World War for individual belligerent countries’28. Frederick the Great said that Prussia lost one-ninth of its population in the Seven Years’ War, a proportion higher than any suffered by any combatant in the wars of the twentieth century. And Germany’s population dropped by at least 20 %

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Ibid. 4. Ibid. 5. Ibid. 6.

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during the Thirty Years’ War29. Depending on the estimates employed, the death rates in the Napoleonic and First World Wars can seem just about equal. Napoleon entered Russia with 600,000 men in 1812 and returned leading merely 35,000. The casualty rates at Verdun and the Somme were about 14 %. The battlefields of Leipzig and Waterloo were just as nasty as the Somme30. Mueller consolidates his case by adding further points: ‘Nor was the First World War special in the economic devastation it caused. Indeed, within a few years after the war, most of the combatant nations had substantially recovered economically: by 1929 the German economy was fully back to pre-war levels, while the French economy had surpassed prewar levels by 38 per cent and the American economy by 70 per cent.’31 Previous wars had caused economic exhaustion and devastation. The Thirty Years’ War set the German economy back by decades. The Seven Years’ War practically bankrupted Austria – which the Napoleonic Wars also managed to do. Due to war, North Africa never recovered the standard of living it had enjoyed under the Romans, according to Bertrand Russell. And if the First World War toppled political regimes in four empires – well war had often toppled regimes in the past from the Trojan War to the French Revolutionary and Napoleonic Wars. In any case, the First World War marked improvements in the history of warfare. Civilian loss in the West at least was proportionately quite low, whereas earlier wars had often marked the destruction of entire cities – Magdeburg in 1631, Moscow in 1812 and Atlanta in 1864. Given better logistics, too, soldiers did not have to forage among the civilian population for food, shelter and sexual relief. Nor was pillage and booty-seeking any longer a factor. The starvation of soldiers and civilians – although a problem in Germany and Austria-Hungary after 1917 – was less than often encountered in previous wars. Medieval and Renaissance warriors saw looting and arson as a normal part of war. Henry V held that ‘war without fire is like sausages without mustard’. An Italian writer of the 1530s stated that for over twenty years civilians had seen ‘nothing but scenes of infinite slaughter, plunder and destruction of multitudes of towns and cities, attended with the licentiousness of soldiers no less destructive to friends than foes’32. The treatment of prisoners of war was infinitely better than in previous ages. Alexander the Great’s armies, for example, are supposed to have massacred 100,000 fleeing Persians. Genghis Khan reportedly slaughtered 18 million enemy troops in China alone. Moreover, in many earlier eras defeat automatically meant enslavement. Now, with the development of modern medicine and institutions like the Red Cross, a wounded

29 Cicely Veronica Wedgwood reports the long-held belief that it fell by 75 %. Cf. C. V. Wedgwood, The Thirty Years War (London 1938) 516. 30 First World War specialists often underrate the scale and significance of events during the Napoleonic Era. Sir Hew Strachan, for example, argued during his lecture at the Waterloo Conference at King’s College London – September 2013 – that the Germans resented the Versailles Settlement more than the Prussians had resented Tilsit in 1807. When I objected to this pointing out that Tilsit had been a hugely more punishing peace than Versailles, he was gracious enough to retract. 31 Mueller, Changing Attitudes 7. 32 Ibid. 9.

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soldier had a much better chance of surviving rather than being left to die in agony on the battlefield and be robbed of clothes, valuables and even teeth (used to make denture – as in ‘Waterloo teeth’). The dead of the First World War were buried with honour and respect. Still, the trenches and machine guns of the First World War provoked revulsion rather than romance. Mueller, again, puts this in perspective: ‘In the First World War, as in every other war before it, men met in swarms and attempted to annihilate each other with projectiles and by hacking and slashing with sharp or blunt instruments. Why the 1914 method should somehow be seen to be worse than the earlier is not at all clear.’33 Killing by machine gun at a much longer range should have made it psychologically easier – this is usually held to be less repugnant than hand-to-hand combat or killing in cold blood. Mueller again: ‘People found gas to be a repulsive form of warfare, but in fact gas was not a great killer: Among Americans, for example, only 2 % of those wounded by gas died as compared to 24 % of those wounded by bullets or shrapnel; for the British the comparison was 3 and 37 %; for the Germans it was 3 and 43 %. Therefore it would have been entirely possible to embrace gas as a more humane form of warfare – one allowing battles to be decided with a minimal loss of life.’34 (The leading US expert on chemical warfare reported that gas was ‘the most humane method of warfare ever applied on the battlefield.’ And in 1925 Basil Liddell Hart speculated that ‘gas may well prove the salvation of civilization from otherwise inevitable collapse in case of another world war.’35) Mueller, finally, compares the First World War with the American Civil War. Both were triggered by relatively trivial incidents; both were greeted initially with great enthusiasm; both came to rely on conscription; and both degenerated into four years of grinding and inconclusive warfare characterized by appalling bloodshed and growing bitterness. Yet, Americans were soon romanticising their war. The Europeans rejected theirs. The explanation of this difference and its consequences, Mueller argues, are what gives the First World War its real significance. But we shall return to him later. 4. Were Its Causes not the Usual Diplomatic and Military Ones? Having now attempted with the help of Mueller to show that the First World War was not ‘cosmic’ in its cruelty or even unique in that respect by historical standards, I will now examine Sir Michael Howard’s other arguments about its character. He claims, first of all, that no respectable historian would today seek its causes in diplomatic archives and in the war plans of the Great Powers, since the war was not a contest over the balance of power as were the wars of Louis XIV, Frederick the Great or Napoleon. Yet, today all the most respectable historians do precisely that. Hew Strachan’s ‘The First

33 34 35

Ibid. 10. Ibid. 10 f. Ibid. 11, note.17 for both quotes.

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World War’36 simply reviews the diplomatic and military background for the causes of the war. In her ‘The Origins of the First World War’37 Annika Mombauer has an introductory section on long-and-short-term causes of the war, but ‘long-term causes’ merely means tracing the European diplomatic and military records back to Bismarck. The large collection of documents she translated and edited for Manchester University Press in 2013 was significantly entitled ‘The Origins of the First World War. Diplomatic and Military Documents’38. Holger Afflerbach’s and David Stevenson’s more promisingly entitled work – ‘An Improbable War?’39 – is again almost a purely military and diplomatic history. Only one chapter out of eighteen, Jessica C. E. Gienow-Hecht’s article, is different. Yet it concludes: ‘While cultural relations mattered very little to the direct outbreak of World War I – least of all were they able to anticipate or prevent it – the war, in turn, affected these relations very little.’40 ‘The Cambridge History of the First World War’41, volume III: Civil Society, devotes Part VI to ‘A Reckoning: Costs and Outcomes’42, but this has nothing really to say about the place of the war in history, save that the British, French and the British Dominions seem to be most interested in it and that it has been overshadowed by the Second World War. Even the most recently published Austrian volume to assess the war – ‘Frontwechsel. Österreich-Ungarns “Großer Krieg” im Vergleich’43 – has nothing to say about the origins of the war, except, significantly, one chapter on the historiography of Germany’s role in them. I have not yet read Manfred Rauchensteiner’s latest contribution, but from his earlier work I presume his latest history of the war is primarily a military and diplomatic one. Where Sir Michael Howard got the impression that historians paid less attention to diplomatic and military factors than to others I do not know – unless he was influenced by the Fischer School and subsequent writings on German right-wing interest groups and youth organizations44. But all of these presupposed that the German military and naval establishments were ultimately calling the shots. 36 37

2002).

Hew Strachan, The First World War, I: To Arms (Oxford 2001). Annika Mombauer, The Origins of the First World War. Controversies and Consensus (London

38 Idem, The Origins of the First World War. Diplomatic and Military documents (= Documents in Modern History, Manchester 2013). 39 Holger Afflerbach, David Stevenson (eds.), The Outbreak of World War I and European Culture before 1914 (New York – Oxford 2007, 22012). 40 Cf. Jessica C. E. Gienow-Hecht, An Improbable War? International Relations, Arts, and Culture before 1914; in: Ibid. (2007) 271–283, here 280. 41 Jay Winter (ed.), The Cambridge History of the First World War, 3 vols.: I: Global War; II: The State; III: Civil Society (New York – Cambridge 2014). 42 Ibid. III 559–643. 43 See Wolfram Dornik, Julia Walleczek-Fritz, Stefan Wedrac (eds.), Frontwechsel. Österreich-Ungarns “Großer Krieg” im Vergleich (Wien – Köln – Weimar 2014). 44 See Geoff Eley, Reshaping the German Right. Radical Nationalism and Political Change after Bismarck (New Haven – London 1980). Subsequent research would include the essays by Derek S. Linton, Preparing German Youth for War and Thomas Rohrkrämer, Heroes and Would-be Heroes: Veterans’ and Reservists’ Associations in Imperial Germany; in: Manfred F. Boemeke, Roger Chickering, Stig Forster (eds.), Anticipating Total War: The German and American Experiences, 1871–1914 (Cambridge 1999) 167–188 and 189–216 respectively.

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In the end, therefore, it is difficult to see how the July crisis and the military planning and diplomacy that preceded it were in any way different from the diplomacy and war planning that was involved in the Thirty Years’ War or the wars of Louis XIV, Frederick the Great, Napoleon and Bismarck. The latter’s wars apart, all of these conflicts lasted longer than World War One, but all of them essentially involved struggles for European supremacy on the part of a leading power. There were also other similarities: Louis’s wars involved wars of attrition along the French and Belgian frontiers, the problem being not trench warfare, but the fortresses constructed or reinforced by Sébastien de Vauban. Napoleon’s wars lasted so long because, like Hindenburg and Ludendorff, he refused to contemplate a compromise peace. Finally, all the wars involved coalition warfare, with great power diplomacy always influencing and occasionally dictating military strategy. 5. Did It Result from a Crisis of Civilization? What about Howard’s claims that the First World War was different because it resulted from a crisis in European civilization? Again, this is difficult to substantiate, which is probably the main reason why historians, as I have attempted to show, fail to mention it. Some of the earlier wars I have mentioned could indeed be interpreted this way. The Thirty Years’ War was clearly partly – some would say predominately – a war of religion. The French Revolutionary Wars were clearly ideological, with Edmund Burke demanding the extermination of the revolutionary regime in France and the French promising to liberate all the oppressed peoples elsewhere in Europe. The Manifesto of the Duke of Brunswick – Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel (25 July, 1792) –, the record of events in France under the Terror, the establishment of sister republics and even the later Napoleonic kingdoms, all with constitutions and guaranteed legal equality and equality of opportunity, all attest to a clash of values. Again, the map of Europe changed more radically between 1793 and 1815 than in 1919. But is there any case for arguing that in 1914 Europe was in the midst of a general crisis? After the war broke out, German intellectuals argued that Germany represented values such as Geist and Pflicht as opposed to the mere materialism of the Anglo-Saxon powers and the French, but this was simply wartime propaganda. What was the situation before 1914, when Germany and Great Britain were each other’s main trading partners? Clearly, the age displayed a certain political volatility. It included the Dreyfus Affair and its political ramifications in France, the 1905 revolution in Russia, the Suffragette campaign and the Irish Problem in Great Britain and unresolved issues such as the questions of the South and the Catholic Church in Italy. But there was no ‘crisis of civilization’. On the contrary, if Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord once maintained that people who had not lived before 1789 had no idea how sweet life could be (‘la douceur de vivre’), many people after 1918 thought the same about life before 1914. In his ‘The Economic Consequences of the Peace’, John Maynard Keynes, for example, waxed lyrically about the pre-war period, writing: ‘What an extraordinary episode in

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the economic progress of man that age was which came to an end in August 1914 (…) The projects and politics of militarism and imperialism, of racial and cultural rivalries, of monopolies, restrictions and exclusion, which were to play the serpent to this paradise, were little more than the amusements of his daily newspaper, and appeared to exercise no influence at all on the ordinary course of social and economic life, the internationalization of which was nearly complete in practice.’45 My LSE colleague, Robert Boyce has written that the pre-war period was one ‘when for over half a century most of the world had experienced almost uninterrupted growth, low or even negative inflation, stable exchange rates and steadily increasing foreign investment – and this with modest levels of taxation and severely limited state intervention in economic affairs. This remained normality for the post-war generation: the benchmark by which it judged current economic conditions and the competence of its political leadership.’46 The fact was that the period before 1914 was essentially a progressive one. Europe seemed to be heading towards parliamentary democracy. Everywhere, there was the development of political parties, the expansion of the franchise and a widespread, almost utopian belief in the transformative power of the ballot. Before he died, even Karl Marx had come round to the belief that universal suffrage could bring about the socialist millennium in Britain or Holland. Many countries – Belgium, Spain, Portugal, Switzerland, Norway and Sweden – had introduced universal manhood suffrage. It was near enough accomplished also in the Netherlands. Denmark even gave the vote to women in 1915. Universal manhood suffrage, of course, was enjoyed in Germany, although real power there lay in the federal states, where voting rights varied enormously. Germany, too, lacked accountable parliamentary government, but Reichstag debates were popular and citizens queued up to hear them. Parliamentary debates often revolved around budgetary issues and taxation and questions like a progressive income tax were contentious everywhere. Lloyd George introduced income tax and super-taxes in Britain and taxed the rich. Elsewhere – like Spain, Denmark, Norway, Switzerland, the Netherlands – also saw income tax introduced, although it was bitterly resisted in France, Hungary and Belgium. Taxation usually now included inheritance and estate taxes, capital gains taxes and several business taxes while older consumption and excise taxes remained. Usually, the reason for the increase in taxation was the introduction of social welfare legislation – old age pensions, sickness, accident and unemployment insurance, factory and trades union legislation. Good public education was also now seen as necessary. Hence education budgets in France, Germany and Britain increased fivefold between 1870 and 1914. And Germany spent more per capita on non-military services than any other major state. All three eastern Empires were following a similar path. Russia was introducing economic and agricultural reforms, had established a Duma, was making her legal system a modern and independent one, enjoyed a press freer than at any time

45 John Maynard Keynes, The Economic Consequences of the Peace (New York 2004 [New York 1919]) 9. 46 Robert Boyce, Economics; in: Idem, Joseph A. Maiolo (eds.), The Origins of World War Two. The Debate Continues (Basingstoke 2003) 249–272, here 250.

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in her history and legal political parties ranging from the extreme Left to the extreme Right. She had introduced social welfare legislation and had a strident feminist movement as well as a thriving intellectual and cultural life that equalled, if not led, the West in fields such as theatre, art, music and ballet. True, she had an autocratic, hereditary monarch, but she had few political prisoners and in 1900, 200,000 Russians spent an average 80 days abroad47. Austria-Hungary was experiencing the cultural effervescence of Vienna 1900, had a parliamentary system of government and the rule of law and, according to most recent historical research, was not suffering from a nationality problem that threatened her existence or required a world war48. She, too, had introduced social welfare legislation. Germany, despite the Kaiser’s personal control of the military and despite the Fischer thesis, had an army that was professional and mainly bourgeois and depended, like all other European powers, on railroad systems, technology, and general staff work for military success, not military leaders like Frederick the Great. In fact, Germany led Europe in a quite different field from the one usually associated with her: by 1914, she had established the most comprehensive state welfare system yet seen anywhere in the world. In 1912, this cost her some 850 million marks out of a central government budget of 2 billion marks49. Was she therefore really at the centre of some crisis of European civilization, when everyone else was attempting to follow her lead? Perhaps, despite the occasionally volatile nature of European politics before 1914, we should accept the picture of it painted by Keynes as an age of progress in which diplomatic crises did not matter to the average citizen – or even bankers, if Niall Ferguson’s research is taken into account – until (s)he was taken by surprise in July 191450. There is another aspect of the pre-war scene that I shall have to return to in the context of the consequences of the war, but it is these which I intend to examine now. However, before getting into the meat of this aspect, allow me to clear away some historiographical clutter. 6. Historical Clutter ‘The Cambridge History of War IV: War in the Modern World’51, has nothing really to say about the significance of the First World War in the course of history, except to link it to industrialization and the growth of technology. Van de Ven argues that the Richard Pipes, Russia under the Old Regime (Harmondsworth 1977) 313–315. Sked, Austria-Hungary and World War 3, note 13. 49 Gerhard Ritter, Social Welfare in Germany and Britain. Origins and Development (Leamington Spa – New York 1986) 104 f. 50 For bankers see Niall Ferguson, Political Risk and the International Bond Market between the 1848 Revolutions and the Outbreak of the First World War; in: The Economic History Review, New Series 59/1 (February 2006) 70–112. For the general background politically see inter alia, Oron J. Hale, The Great Illusion, 1900–1914 (New York 1971); Alan Sked, The European Empires: A Case of Fall without Decline?; in: Emil Brix, Klaus Koch, Elisabeth Vyslonzil (eds.), The Decline of Empires (Wien – München 2001) 149–173. 51 Roger Chickering, Dennis Showalter, Hans Van de Ven (eds.), The Cambridge History of War IV: War in the Modern World (Cambridge 2012). 47 48

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rise of the nation state in the nineteenth century brought about bureaucracies which worked for the common good and believed that disease, poverty, corruption, privilege, superstition and the barbarous warfare of the past could be brought to an end. He then adds: ‘In reality the institutions, societies, and cultures that were created in pursuit of this illusion provided the mechanisms, loyalties, and institutions that made total war possible, even if they were not designed for this purpose.’52 I am not sure I understand the logic of this, but at bottom, he argues, it was the process of industrialization which made mass weapons of destruction possible. Why liberal bureaucracies should be blamed for using them to start a war, however, I do not know. Geoffrey Wawro argues that this industrialization triggered ‘the obsessive, competitive way in which each of the great powers had built vast armies, fleets infrastructure, and arsenals that ensured their mutual destruction (…)’53. Now, I am sure that technological and industrial progress was crucial in deciding how the First World War was fought – just as I am sure that the technological advances made during the war itself – heavy artillery, submarines, aircraft, aerial photography and the rest – were crucial in determining the way in which the Second World War was fought – but I do not believe in technological determinism and refuse to see the technological history of the war as essential to its historical significance. This neither determined that a war should take place nor dictated the political or other outcomes of it. Another piece of historiographical clutter is the associated debate over ‘total war’. Once the First World War settled down to a war of attrition on all fronts, it became important to mobilize the domestic economies of the belligerents to produce the munitions needed in the set-piece battles of trench warfare. This entailed conscription and the mass employment of women in factories. And the phrase ‘total war’ soon came into use to describe what was happening. In a speech to the French Parliament in November 1917, Georges Clemenceau hailed la guerre integrale, which he defined as ‘war, nothing but war’. The obligations of the front and the home front were to be the same. Soon everyone was talking about ‘total war’. Léon Daudet published his ‘La Guerre Totale’ in (Paris) 1918; after the war, Fascist Italy called itself a ‘totalitarian state’ and soon Hitler’s and Stalin’s regimes were defined similarly. In Germany, even before Hitler’s advent to power, Carl Schmitt was advocating the ‘total state’ while Ernst Jünger’s essay on ‘Total mobilization’54 applied the doctrine to military affairs, stressing the political and metaphysical implications of the wartime mobilizations of World War I. In 1935, Ludendorff then published his treatise ‘Der totale Krieg’55, while in February 1943, Goebbels made his famous speech in which he asked the Germans ‘Wollt Ihr den totalen Krieg?’

52 Hans van de Ven, Introduction to Part I: The Industrialization of Warfare, 1850–1914; in: Ibid. 9–15, here 9. 53 Geoffrey Wawro, War, technology, and industrial change, 1850–1914; in: Ibid. 45–68, here 45. 54 See Ernst Jünger, Die totale Mobilmachung; in: Idem (ed.), Krieg und Krieger (Berlin 1930) 9–30. 55 Erich Ludendorff, Der totale Krieg (München 1935).

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All this is very interesting, but as Roger Chickering, whose history of the concept56 I have been outlining, argues, the concept is full of contradictions and is best employed as a Weberian ‘ideal type’. There is certainly no convincing historical argument that the First World War was unique or changed the course of history because it was a ‘total war’. In fact, the concept is of little more use than the notion of technological advance. In any case, it may be anachronistic. Which society, for example, was more involved in total war: France of the revolutionary era or France between 1914 and 1918? Given the mass executions, the civil wars in the provinces, the huge numbers of political prisoners, and the introduction of the levée en masse, surely the revolutionary wars were more total? And then there are Professor Mueller’s other statistics. However, the whole argument is really a red herring. The final red herring or piece of clutter is the assertion sometimes made that the First World War was a European Civil War or part of one war along with the Second World War. This seems to me to be pure nonsense. Civil wars can only take place within already constituted states, where one section of the state’s population wishes to repudiate the governing system already in place. This accounts for the American Civil War or the Spanish Civil War. The state itself has to be fairly homogenous in terms of nationality, with a previous history of shared political loyalties. Otherwise, we might have to call a number of wars of the nineteenth century Habsburg Civil Wars. Or call wars between China and India or China and Japan, Asian Civil Wars, which would clearly make no sense. No, the First World War was an international conflict, and attempts to brand it as a civil war are frankly propaganda from Euro-federalists who would like to imagine Europe as a large nation state. 7. The Consequences of the War Moving on to more solid attempts to look at the consequences of the war in a manner that might aid any attempt to assess its overall significance, a number of historians have looked at the period up to 1923. In his ‘Dynamic of Destruction’57 Alan Kramer looked at a variety of experiences from the Balkan Wars through the Armenian genocide and argued that the ethnic hatreds caused by the national mobilizations of civilians in the First World War laid the foundations for the mass killings in the Second. The theme of violence in the aftermath of the war has also been examined in Robert Gerwarth and John Horne’s collection of essays on ‘War in Peace’58 and by Gerwarth himself in a chapter entitled ‘No End to War’ in Hew Strachan’s ‘Oxford Illustrated

56 Roger Chickering, Imperial Germany and the Great War, 1914–1918 (= New Approaches to European History 13, Cambridge – New York, NY – Melbourne 1998) 65–94, 184–188. 57 Alan Kramer, Dynamic of Destruction: Culture and Mass killing in the First World War (Oxford– New York 2007). 58 Robert Gerwarth, John Horne (eds.), War in Peace. Paramilitary Violence in Europe after the Great War (Oxford 2012).

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History of the First World War’59, pointing out that violence continued after the war, particularly in the territories of the former Habsburg, Romanov and Ottoman Empires. In the absence of functioning states, militias of various kinds assumed the role of national armies and the boundaries between civilians and combatants became blurred. Civil wars, revolutions and counter-revolutions overlapped along with broader conflicts. Ireland meanwhile, gained independence after a bloody guerrilla war against regular and irregular British forces. Altogether, the death toll (including the Russian Civil War) was well over four million people – not counting expellees and refugees. The complexity of these conflicts was, in Gerwarth’s description ‘mind-boggling’60. Since many of the Bolshevik and Left-wing leaders involved were Jews, they also gave rise to anti-Semitism. Even Winston Churchill could write in a notorious article published in 1920: ‘There is no need to exaggerate the part played in the creating of Bolshevism and in the actual bringing about of the Russian revolution by these international and for the most part atheist Jews. It is certainly a very great one; it probably outweighs all others.’61 After 1919, the forged Protocols of the Elders of Zion were translated and disseminated throughout Western Europe. Its exposure as a forgery in 1921 did not have the same impact. Meanwhile, fear of Bolshevism spread everywhere in Europe and the USA after the war, while a variety of states were disillusioned by the peace treaties. Defeated states refused to acknowledge their defeat and preferred stab-in-the-back legends. In Italy, there was resentment at broken promises, leaving a sense of vittoria mutilata62. The Greeks were also disappointed after invading Turkey and being repulsed after a three–year war. The Baltic States and Ukraine all failed to gain from Wilson’s Fourteen Points. Yet, by 1923, levels of violence had decreased significantly in Europe after the termination of the Franco-Belgian occupation of the Ruhr, the end of the Russian and Irish Civil Wars and the signing of the Lausanne Treaty. Europe then entered a period of relative economic and political stability until the Great Depression. Gerwarth concludes that the legacy of these post-war events was one of violent political rhetoric, uniformed politics and street fighting, which revived later. Even more important as a legacy, he claims was the perceived need of many in these movements to cleanse communities of their alien elements before a new, utopian society could emerge. Yet Gerwarth concedes that none of these movements would have received traction later on, had it not been for the Great Depression63. And, in any case, to take Germany as an example once again, by the 1920s military leaders there were complaining of the overwhelming popular desire for peace; of Germany’s 11 million war veterans, only 400,000 at most joined the

59 Robert Gerwarth, No End to War; in: Hew Strachan (ed.), The Oxford Illustrated History of the First World War (new ed., Oxford 2004) 304–316. 60 Ibid. 306. 61 Quoted ibid. 307. 62 See James H. Burgwyn, The Legend of the mutilated Victory. Italy, the Great War, and the Paris Peace Conference, 1915–1919 (Westport, Conn. – London 1993) 63 Cf. Gerwarth, No End to War 351 f.

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Freikorps, whereas twice that number joined the Social Democratic Reichsbund, which officially declared itself among ‘the opponents of new wars’64. What then is one to conclude about the significance of all this for the place of the Great War in history? Did it ‘cause’ the rise of Nazism and the Second World War? Did it ‘cause’ the Holocaust? Did it ‘cause’ the rise of Bolshevism and the Cold War as Kennan suggested? My own belief is that the answer is no. Like many wars, it had a messy aftermath. Wars rarely end neatly. Clearly, there were violent political trends which would re-emerge later, yet the Second World War was caused by Hitler, and in the relatively prosperous years after the Ruhr Crisis he made little political progress. The Nazi vote in the Reichstag election of May 1928 was 810,000, down from the 907,000 gained in the December 1924 election, and a fraction of the 1,908,000 gained in May 192465. It took the world economic crisis for the party to take off politically, and it took the diplomatic mistakes of the Western powers in the later 1930s to allow Hitler to start the Second World War. It cannot plausibly be blamed on the First. Likewise, Fascist Italy caused little international trouble during the interwar period till it conquered Abyssinia (a long-held Italian aim and not a specifically Fascist one). Mussolini was an admired international statesman till then, someone who was held to have successfully modernized his country and who was seen as a bulwark against Hitler. Ironically, if the League of Nations had not existed and had Abyssinia not been a member of it, France and Britain would have been only too glad to have done a deal with him over that country. As it was, he had saved Austria from Hitler in 1934 and it was hoped that he would do so again. The Rome-Berlin Axis therefore came as something of a surprise. But, once again, it was hardly caused by the First World War. Altogether, therefore, the Second World War, like the First, came about as a result of rather short-term diplomatic and military causes, although this time there was more evidence of a crisis of civilization due to Hitler’s racist ideology and the establishment of Bolshevism in the USSR. None-the-less, there is no case to be made that the First World War caused the Cold War, either. In the 1920s and 1930s the USSR constituted no threat to the West. It had been defeated and contained by the Poles. It had had to shelve communism for the New Economic Policy (NEP) in order to survive after the civil war that it had caused in Russia and needed Western aid to survive. After the NEP ended, it underwent such a radical industrial and agricultural transformation that it was again in no condition to wage war. Stalin’s purges, particularly those relating to the armed forces in the later 1930s, meant that the USSR was seen as militarily unable to defend itself under a regime ostensibly riddled with traitors. Stalin himself preferred co-operation with Hitler rather than attacking him or the West. True, fear of Bolshevism pervaded the establishments of Britain and France, but there was no fear in foreign offices of the USSR itself. During the Second World War, Uncle Joe became a friendly figure and an ally positively courted by Franklin D. Roosevelt, while in the USA well before the end of that war even leading Republican figures began to see the USSR as a normal state 64 65

Reynolds, The Long Shadow 212. Ibid.

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much like the USA. The Cold War, therefore, began after the Second World War and had little to do with the First World War, either. It should also be borne in mind that, although the First World War indubitably caused the downfall of Tsarism and led to the overthrow of the Kerensky regime, the fact that it was Bolshevism rather than some other form of Marxism that came to power in Russia was something that grew out of specifically Russian intellectual and social factors. Altogether, Kennan’s assertion that the Cold War was caused by the First World War is plainly wrong. Did the First World War cause the undermining of imperialism? This is also part of Kennan’s thesis. Indeed, the role of imperialism in the causes of the war is also relevant to our discussion, since a generation ago historians spent much time and effort researching the theory associated with Wladimir I. Lenin that imperial rivalries in 1914, generated by the final stage of finance capitalism, had inevitably led to war. Lenin’s views had been influenced by other writers, particularly the Austrian Marxist Rudolf Hilferding and the British radical John A. Hobson, whose highly influential book on ‘Imperialism’66 had argued that capitalists should pay higher wages to their employees and boost domestic demand so as to obviate the need for overseas investment. However, most pre-war Marxist writers – Hilferding, Rosa Luxemburg, and Otto Bauer – took the view that international finance, suffering from a glut of capital, required overseas investment outlets to sustain its profitability. Governments under the control of capitalists, therefore, acquiesced in the annexation of foreign territories to provide scope for the required overseas investment. Yet, the competition between empires for territory, just like that between large capitalist enterprises in domestic markets, would inevitably lead to a struggle for monopoly, or in terms of international affairs, war. Lenin’s theory was published after 1914 to explain the war. Perhaps, Sir Michael Howard had it in mind when he talked of the ‘cosmic dimensions’ and ‘a world crisis’67. Yet, even before 1914, Karl Kautsky, Germany’s leading Marxist theorist – and after 1917 Lenin’s chief Marxist critic – had shocked socialists by pointing out that imperialism would not cause war68. The imperial powers, he argued, had made arrangements similar to cartels in domestic markets in order to divide the world peacefully between them. Kautsky was absolutely right. The Entente Cordiale of 1904, the Anglo-Russian Entente of 1907 and the de facto Anglo-German Entente over the Baghdad Railway and the future of the Portuguese colonies reduced the friction associated with colonial affairs. Even the two Moroccan Crises had never really threatened international peace, since neither France nor Germany was prepared to resort to war during either of them. In any case, the so-called ‘Hobson-Lenin’ thesis overlooked the fact that most overseas investment from Europe went to areas of the world where profits were being made – not the jungles, deserts and swamps of most parts of Africa and large parts of Asia, but primarily to the USA, Latin America (especially Argentina), Russia, Canada, Australia, New Zealand and the diamond and gold-mining areas of South Africa. All these countries were inde-

66 67 68

John A. Hobson, Imperialism. A Study (New York 1902) Howard, World War One 129. Dick Geary, Karl Kautsky (= Lives of the Left 1, Manchester 1987) 54 f.

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pendent. Hence, the thesis explained nothing. However, Lenin’s successful revolution in Russia in 1917 during the First World War was to lend it (and Marxism generally) a sham credibility. So if imperialism did not undermine the European state system, did the First World War undermine imperialism? Again, this is a very difficult argument to sustain. Germany, of course, lost all her overseas colonies after 1918, but the British and French Empires attained unprecedented dimensions through the acquisition of League of Nations’ mandates. Nor were they in any way insecure about their possession of so much of the world. For a start, during the First World War itself both countries had little trouble with empire. In 1914, France had almost no interest in its empire. During the war the French cabinet never discussed African war aims at all: ‘(…) the official mind of French imperialism, non-existent at the cabinet level, was weak and fragmented even at the ministerial level’69. Three different ministries administered different parts of Africa. For most of the war, French war aims centred on the Rhine and then the Middle East, with Africa far behind. Mostly, the aim was just to strengthen French possession of Morocco. Only British policy of raising the Arabs against the Turks and the allied conquest of German West Africa forced some change, but the negotiations between Britain and France were carried out by the French diplomat François Georges-Picot without any reference to the French cabinet. Picot was allowed to write his own instructions, and only after the Sykes-Picot Agreement (16 May, 1916) was reached on the Middle East did Aristide Briand vaguely outline the terms to the cabinet. Picot did well in the Middle East; he also gained ninetenths of the Cameroons. Elsewhere, France got part of Togo, although Tangier retained its international status, while the rest of the former German colonies became British and French mandates. During the war itself, for the first time ever, France conscripted a huge African army. In 1914, it had consisted of only 65,000 troops. By November 1917, a further 270,000 had been drafted. In 1918, another 125,000 were conscripted. Altogether, French Africa sent 450,000 soldiers to Europe during the war and provided 135,000 workers for French factories70. If conscripting African troops was controversial in Africa – there were areas of resistance – in France itself there was opposition to the policy. Colonial workers were considered lazy; they were also seen as too sexually attractive to French women; and were accused of lowering wages and stealing French jobs. Colonials opposed the right of citizenship, which was also extended to conscripts. Yet, political reform did not come about in either West or North Africa. From the French point of view, the Empire had also disappointed in some respects: due to a lack of shipping it had proved impossible to use North Africa as a source of food supplies. Indeed, it produced less food for

69 C. M. Andrew, A. S. Kanya-Forstner, France, Africa and the First World War; in: The Journal of African History 19/1: World War I and Africa (1978) 11–23, here 11. My remarks on French imperialism follow this article. 70 Cf. Ibid. 14 f.

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France in 1920 than in 1914. By 1927, an official report complained that immediate postwar enthusiasm for the empire had almost disappeared. Yet, this obscured three legacies: first, given the loss of the Russian loans, the decline of the franc and the increasing restrictions on international investments, after 1918 France began to invest in her empire, with colonial investment going up from 9 % in 1914 to 45 % of French overseas investments by 1940. Secondly, from the early 1920s on schoolchildren began to be taught about the history and geography of the empire, learning that ‘the Mediterranean runs through France as the Seine runs through Paris’71. Finally, the memory of the black French troops who fought between 1914 and 1918 – not to mention those who helped occupy the Ruhr – gave birth to the myth that in any future war France would have 110 million inhabitants with which to face Germany. Hence, if anything, the First World War strengthened colonialism within France without changing political or racial views about Africans. For their part, African conscripts learnt to have greater self-respect and found sufficient confidence to challenge white superiors when they thought themselves in the right. But they took great pride in their military achievements and their successful defence of France72. Britain also received enthusiastic support from her dominions and colonies, with the exception of Egypt, which alone was ‘quiescent’73. In Khartoum, it was a descendant of the Prophet ‘who helped to inaugurate the Sudan Book of Loyalty’74. This would become a matter of importance, once Britain was at war with the Ottoman Sultan. Thus, the support of the Queen/Begum of Bhopal, a Muslim leader in India, delivered in January 1918 was also significant. She said: ‘Is it not a matter for regret that Turkey should (…) join hands with the enemies of the British Government? All gentlemen like you have read, I suppose, in the papers how the British Government is now, as ever, having Mohammedan interests at heart (…) India will leave nothing undone to justify the confidence, the love, the sympathy with which the King-Emperor has always honoured us.’75 Britain ruled the largest number of Muslims in the world – 100 million. Thirty per cent of the troops in the Indian Army were Muslims and they continued to fight bravely throughout the war, despite isolated cases of mutiny. All in all, the British could hardly believe the strength of support that came from Delhi in 1914: ‘(…) indeed, apart from certain isolated revolutionary occurrences, the support for the war in India was overwhelming.’76 In the legislative Council in Delhi, official as well as unofficial

Ibid. 22. See Joe Lunn, Memoirs of the Maelstrom: A Senegalese Oral History of the First World War (= Social History of Africa Series, Portsmouth, NH – Oxford 1999). 73 See Robert Holland, The British Empire in the Great War, 1914–1918; in: Judith M. Brown, Wm. Roger Louis (eds.), The Oxford History of the British Empire IV: The Twentieth Century (Oxford – New York 1999) 114–137, here 115. 74 Ibid. 75 Quoted in Santanu Das, India and the First World War; in: Howard, Badsey (eds.), A Part of History 63–73, here 65. 76 Ibid. 71 72

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members rivalled one another in expressions of loyal enthusiasm and approved financial and military aid which the British government would never have dared to demand. India recruited 826,868 combatants and 445,592 non-combatants plus 85 labour corps, which amounted to yet another 100,000 men. Casualties were estimated at 64,449 killed and 69,214 wounded. At the armistice, 943,344 Indian troops were serving in France (14 %), East Africa (5 %), Mesopotamia (62.4 %), Egypt (12.3 %), Salonika (1 %) and Aden and the Gulf (5.2 %). At first, the British Army was reluctant to accept all the help proffered by the Empire, believing it was its duty to shoulder the main burden and for the rest of the Empire to shoulder a subordinate role. But that attitude soon had to change77. Mahatma Gandhi, the Indian National Congress and the Muslim League all supported the war unconditionally. Indians and Indian soldiers saw the war as an opportunity to put the legacy of the Mutiny behind them and to prove that they were a martial race as masculine as any European ones and as loyal to the Empire as any white troops78. Exactly the same outlook was expressed in the Jamaican journal, the Federalist: ‘As coloured people we will be fighting to prove to Great Britain that we are not vastly inferior to the whites.’79 Hence, it is difficult to argue that the First World War undermined imperialism in Britain either. But there was another side to the story. At the very end of the war, with the German offensives of 1918, it did look for a moment as if the Central Powers would win, leaving them in control of continental Europe and most of Asia, with Britain, the USA and the Dominions left to fight on. As a result, Lord Alfred Milner, principal director of strategy in Lloyd George’s cabinet, concluded that the contest ‘will now be for Southern Asia and above all, Africa (the Palestine bridgehead is of immense importance)’80. This did not happen, but for geopolitical reasons after the war Britain became obsessed with the need to retain control of the Middle East, including the Persian Gulf and the Suez Canal. Given that the two largest navies in the world were the American and Japanese, the Canal was needed to shuttle ships quickly between east and west. As Cairo became the air hub for the Middle Eastern air corridor between Britain, India and Australia, the Gulf became the strategic equivalent for air power. Immediately after the war, the international situation seemed tense, yet with the Locarno Treaties, Washington’s agreement to naval forces of the same size (with America’s split between the Atlantic and Pacific), Germany’s lack of naval power and colonies, the USSR apparently of negligible military importance and Japan no likely enemy, by the mid–1920s the British Empire seemed not only larger, but more secure than ever before. Hence, the British, in John Darwin’s words, ‘could deal with any nationalist movement in India, Egypt or China, as a localised problem to be managed, appeased or repressed as their interests demanded’81.

Cf. Holland, British Empire 115, 137. Das, India 66. 79 Ibid. 80 Quoted in John Darwin, Unfinished Empire. The Global Expansion of Britain (London – New York 2012) 332. 81 Ibid. 334. 77 78

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Given Britain’s financial problems after the war, however, and its pretence to be a liberal power, ‘the lineaments of the strategy adapted by the British government’, in the words of John Charmley, ‘can be seen in the approach adopted to India in 1919 and Egypt in 1922; namely to, in effect, renegotiate the terms of collaboration with the native elites (…) British policy makers were up to the task of adapting to changing conditions’82. It was Japan’s 1931 attack on China, the rise of Hitler and the failure of appeasement that changed this pleasant scenario, leaving Britain by 1941 facing a nightmare worse even than Milner’s 1918 scenario. Yet, even then India’s nationalist leaders rejected Axis Powers overtures and, although the Viceroy of India, Victor Hope, 2nd Marquess of Linlithgow, pledged Indian support for the war without consulting Indian leaders, both the governments of Sind and Bengal offered their support, allowing Muslims and Sikhs to volunteer for famous Indian regiments. Eight Congress-dominated governments refused to co-operate with Linlithgow, but refused, too, to obstruct either him or the war effort83. In the end, the Indian Army of 1939–1945 was to constitute the largest volunteer army in the whole of history84. Later on, when the Bengali Subhas Chandra Bose (President of Indian National Congress, 1938) advocated military resistance to the British he was shunned by all leading nationalist figures including Gandhi, Jawaharlal Nehru and Muhammad Ali Jinnah, and found troops mainly from former Japanese prisoners of war camps in Burma. After 1945, too, it might be mentioned, India (like Ireland) retained English as its official language, a bicameral parliamentary system, a judiciary and legal system based on Common Law, and a Civil Service much influenced by Whitehall tradition. The elite, meanwhile, favoured public schools with links to Oxbridge as well as clubs with links to Pall Mall. The Indian Army, of course, retained many British military traditions, and Indian writers and poets have made distinguished contributions to English literature85. Little of this had anything to do with the First World War. That had seen overwhelming support for the Empire and its aftermath had allowed the Empire to enjoy for a decade a situation which was perfectly acceptable. More recently, there have been claims, however, that the First World War had sown the seeds of nationalist discontent throughout the Third World. The Harvard historian, Erez Manela, for example, has published a fine monograph86 which examines the activities of colonial and third world leaders and spokespersons in Paris in 1919 under the spell of Woodrow Wilson’s Fourteen Points and the promise of self-determination for all. However, he quotes Jawaharlal Nehru, Sun Yat-sen87 and Muhammad Husayn

82 John Charmley, Chamberlain, Churchill and the End of Empire; in: Brix, Koch, Vyslonzil (eds.), Decline 127–134, here 132. 83 Declan M. Downey, Some Observations on the Parallels Concerning Ireland and India’s Respective Experiences of Imperial Withdrawal; in: Ibid. 108–118, here 114. 84 Foot-noted by Reynolds, The Long Shadow 422. 85 Downey, Observations 115–118. 86 Erez Manela, The Wilsonian Moment. Self-Determination and the International Origins of Anticolonial Nationalism (= Oxford Studies in International History, Oxford – New York 2007). 87 Premier of the Kuomintang of China 1919–1925.

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Haykal88 in 1919 as already lamenting Wilson’s failure to do anything for small nations. He even quotes Wilson himself talking to an adviser: ‘What I seem to see is a tragedy of disappointment.’89 Whether this disappointment was alone responsible for the downfall of imperialism in the long run must remain a moot point. It may well have been a contributing factor, but hardly a major cause compared to the Second World War and its aftermath. Against the wider background of colonial support for empire in the First World War and the imperial confidence of Britain and France afterwards, I sincerely doubt whether that conflict can be blamed for the unravelling of empire later on. Kennan, of course, suggested that the Arab-Israeli Wars were the result of the First World War, and the Balfour Declaration of 2 November 1917 gives superficial credence to this claim. Clearly, the entrance of Turkey into the war in 1914 and its subsequent defeat meant that new states emerged and League of Nations’ mandates were given to Britain and France through which to rule over most of the area. Yet, the Balfour Declaration – incorporated into the Treaty of Sèvres of 1920 ending the war with Ottoman Turkey – was an extremely ambiguous document produced by a divided British cabinet for a variety of motives, none of which was really fulfilled. After the war, British governments simply did nothing to implement it. The Passfield White Paper of 1930 restricted Jewish immigration and, although it was overturned in 1937, by 1939 the National Government had opted for an independent Palestinian state within a decade with a limit on Jewish immigration becoming a prohibition after five years. It was the rise of Hitler, the Second World War, the Holocaust, the recognition of the state of Israel by the United Nations and the defeat of the Arab League after the war that allowed an independent Israel to emerge. None of this had anything to do with the First World War. The Balfour Declaration was really a dead letter. Zionist ambitions in Palestine may have been stimulated by it, but were neither caused nor fulfilled by it90. If Gerwarth’s ‘War in Peace’ and Manela’s ‘The Wilsonian Moment’ have both examined the immediate post-war period, yet another monograph that has done so is Yale historian Bruno Cabanes’s ‘The Great War and the Origins of Humanitarianism91. This chronicles the internationalization of humanitarian movements after 1918, to which the war added greater urgency and intensity. Like social welfare, international humanitarianism had existed before 1914: the first conferences on children’s rights held in the 1890s, the first Pan-American Health Organization founded in 1902, the first International Sanitary Convention held in 1903, the ‘epistemic communities’ founded by scientific exchanges in the nineteenth century. Now, according to Cabanes, following the watchwords ‘rights not charity’, and

Egyptian writer, journalist, and politician. Manela, Wilsonian Moment 219. 90 For a clear discussion of the politics behind the Declaration, see chapter X of Ian F. W. Beckett, The making of the First World War (New Haven, Conn. – London 2012) 181–199. The specialist literature on the topic and its consequences is too vast to list here. 91 Bruno Cabanes, The Great War and the Origins of Humanitarianism, 1918–1924 (= Studies in the social and cultural history of modern warfare 41, Cambridge – New York 2014) 88 89

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‘[i]nspired by new international organizations such as the League of Nations and the International Labor Office and their experts, by activists from humanitarian organizations, and sometimes by the war victims themselves, this movement led to the international recognition of several fundamental rights: the rights to pensions for war veterans; to rights for workers; the right to identity papers – and to safe transit – for stateless refugees; the right to humanitarian aid for victims of famine and epidemic; the right of children to be protected by society (…) All these rights, as they were developed in the 1920s, were not yet universal (…) They applied to groups not to individuals. But they were a turning point’92.

We may doubt whether a turning point was really involved. Like the development of technology or the development of social security, the development of humanitarian rights was a process that subsumed the period of the First World War and its aftermath. Yet Europe, for many years afterwards, was hardly to be famed for its humanitarianism. On the other hand, Cabanes’s book is right to suggest that the war had positive as well as negative outcomes. Another monograph covering the immediate post-war period, ‘The Great War for Peace’93 by the Irish scholar William Mulligan, covers peace-making during and immediately after the war up to Locarno and links the process to the making of the Second World War and the European Community after 1945. His approach is the opposite of the one adopted in this article: ‘The narrative of a second Thirty Years War, as destructive of life and social fabric, as the conflict between 1618 and 1648, has a powerful attraction. Significant issues at stake – the question of German power, the emergence of nation states in place of empires, making race the basis of political communities – remained important in both wars. The modes of violence in the Second World War had their roots in the First World War – racist imperialism, genocide, violence against civilians, the militarization of civilian life, atrocities against prisoners of war, the murderous culling of the weak, sick, and marginal in the name of strengthening the nation and the race. Framing the First World War as part of a broader epoch of violence, the first act in a Thirty Years’ War underlines the violent legacies and the unresolved conflicts of this period. The legacies of the First World War had been contained in the 1920s before emerging in radicalized forms in the 1930s as the Great Depression, the militarization of international affairs, and the rise of Nazism in Germany destroyed the Locarno and Washington treaties.’94

There were obvious continuities between the First World War and the Second, but Mulligan simply strains credulity by combining the two so easily. He admits that its legacies were contained in the 1920s but fails to see the force of this. He also refers to ‘making race the basis of political communities’ as a ‘significant issue’ in the First World War, which, in my view, was not the case. Finally, his bibliography does not include the work of John Mueller, which I referred to earlier. This is rather astonishing, since Mueller’s 1994 article, like Mulligan’s book, is mainly about peace-making before, during and after the First World War. Moreover, it is by definition more concise, although the article is sharper. And he does not fall into the trap of postulating a new Thirty Years’ War.

92 93 94

Ibid. 300. William Mulligan, The Great War for Peace (New Haven, Conn. – Yale 2014). Ibid. 372.

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8. Why No Romantic View of the War? Let us return to Mueller’s question: why could Americans romanticize the US Civil War, whereas Europeans could not do the same for the First World War? Mueller argues that two factors were behind this: first, the fact that for decades – almost a century in truth – there had been a substantial peace movement in Europe; secondly, Europe had enjoyed a long period of peace. Indeed, with the exception of the middle decades of the nineteenth century, which saw a series of short and efficient wars, Europe had enjoyed long periods of nearly total peace, from 1815–1848 and again from 1871–1914. Insofar as war was still considered respectable, the belief was that wars would be short and that civilian populations would be spared. The international economic system, it was believed, could also not withstand a long war. Even Treitschke, who believed that war would still happen, wrote: ‘(…) wars must become rarer and shorter, owing to man’s natural horror of bloodshed as well as to the size and quality of modern armies, for it is impossible to see how the burdens of a great war could long be borne under the present conditions.’95 However, the kind of warfare witnessed, once the war became one of attrition changed people’s minds. I have already quoted Freud in 1915. But states, too, saw the need for change, particularly Britain and the USA. David Reynolds remarks: ‘Essentially Britain’s public case for war was grounded more in morality than self-interest: this was seen as a war to defend freedom and civilization.’96 If Belgians, French and Serbs were fighting to resist invasion, and Germans, Russians and the Habsburg Empire for pre-emptive defensive reasons, this was not true of Britain. She had been galvanized by the invasion of Belgium and German atrocities there, yet soon she was fighting for more general aims. Prime Minister Asquith surprised himself by advocating the ‘Utopian idea’ as early as 25 September 1914 of ‘the definite repudiation of militarism as the governing factor in the relations of states and in the future moulding of the European world’ and ‘the substitution for force (…) of a real European partnership based on the recognition of equal rights established and enforced by a common will’97. This, he already thought, was realistic. In his memoirs, Lloyd George recorded how peace aims ‘were framed in such a way as to convince America and particularly the pacific and anti-imperialist American President that their objectives were fundamentally just’. As Asquith put it in 1917, the allies were waging ‘not only a war for peace, but a war against war’. And Wilson wanted to establish a just and lasting peace. And so, with US backing, the war became ‘the war to end all wars’. This according to Mueller, was the true historical significance of the First World War: it changed the attitude toward war in the West98. Was this true? I doubt it. The inter-war period, of course, saw the League of Nations and in Britain the League of Nations Union (the most respectable pressure group with royal patronage and access to schools). In Britain, too, there was the famous Peace 95 96 97 98

Quoted in Mueller, Changing Attitudes 15 f. Reynolds, The Long Shadow 422. Quoted in Mueller, Changing Attitudes 19 f. For quotes, see ibid. 20 f.

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Ballot, the Peace Pledge Union and the ‘for king and country’ debate. Before 1939, leading figures were warning of a war of annihilation of the human race, and in speech after speech after speech even Adolf Hitler in Germany declared his absolutely peaceful intentions99. Once the Second World War had started, however, it became ‘a good war’ and a ‘just’ one. Afterwards, victorious again, the British lumped together the two world wars as evidence of their virtuous deeds, constitution and way of life. After all, 2.5 million of them had volunteered to fight for freedom in 1914–18 (43 % of all who served) and in 1945 they had helped rid the world of the scourge of Hitler. The Americans, too, thought of the Second World war as good one, and for the Russians it was ‘the Great Patriotic War’. After 1945, despite the nuclear balance of terror and despite the fact, too, that many wars became discredited (Vietnam, Algeria, Suez, and Iraq to mention a few), others still enjoyed public support (the Falklands, the Arab-Israeli Wars), while many were seen as necessary and therefore tolerable. The idea that war is no longer a respectable instrument of policy has by no means become established. 9. Conclusion So where does this leave the argument about the historical significance of the First World War? My own view is that the truly decisive and catastrophic war of the twentieth century was the Second World War. This gave rise to the horrific warfare on the Eastern Front and the Holocaust, the bombing campaign against Germany and the use of the atomic bomb against Japan. If it did not quite ‘cause’ the Cold War (i. e. make it inevitable), it certainly brought about the Soviet occupation of Eastern Europe, which made it probable. Again, it most certainly brought about the conditions necessary for the establishment of the state of Israel and therefore for the long run of Arab-Israeli wars. Finally, while the Japanese conquests in the Far East and the threat to Burma and India helped undermine the major European empires, the responses to the Japanese attack on China eventually brought about the triumph of Chinese communism. As for the First World War, I do not accept that it caused the Second. It took a world depression, the rise of Hitler with his rabid ideological ambition and the poor diplomacy of his opponents to do that. And none of that was inevitable or the logical consequence of the First World War. Kennan’s judgement is quite wrong. Clearly, there were continuities at work after 1918 and 1919, but, as I have already argued, continuities and causes are not the same thing. Like the Second World War, the First arose out of short-term diplomatic and military factors. Its outbreak, too, was not inevitable, although it hardly came out of the blue. Sir Michael Howard is wrong in asserting that it was the outcome of a crisis in European civilization. There simply was no such crisis before 1914. As for the war itself, by historical standards, it was hardly uniquely cruel or devastating. In fact, to contradict Sir Michael again, it was – just another European war with noises off elsewhere – exactly like the wars of Louis XIV, Frederick the Great and Napoleon. 99

For endless references to Hitler’s speeches, proclaiming his desire for peace, see ibid. 2, note 4.

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B. Untergang, Auflösung, Zerstörung der Habsburgermonarchie? Zeitgenössische Bedingungen der Erinnerung und Historiographie von Ulrike Harmat 1. Einführende Bemerkungen Drei Ereignisse bzw. Betrachtungen, die im Folgenden den Blick auf die Habsburgermonarchie und deren Untergang beleuchten, eignen sich dazu, die zentralen Aspekte der vielfältigen historiographischen Annäherungen an dieses Thema zu bündeln. Erstens: Im Herbst 1947 unternahm Oscar Jászi – damals Professor für Politische Wissenschaft am Oberlin College – eine Reise nach Europa, um die Verhältnisse in Österreich, der Tschechoslowakei und Ungarn vor Ort zu studieren. In seinem Bericht, der unter dem Titel: „Danubia: Old and new“1 veröffentlicht wurde, änderte er in auffallender Weise seine Meinung über das System und die historische Rolle der Monarchie. Die Irrtümer und Fehler der Habsburgermonarchie, schrieb Jászi, seien zwar oft analysiert worden, blicke man aber aus der Perspektive der letzten dreißig Jahre auf die Habsburgermonarchie zurück, so könnten selbst die erbittertsten Gegner der Habsburger („and I count myself among them“) nicht leugnen, „that in their realm the rule of the law was tolerably secure; individual liberties were more and more recognized; political rights continuously extended; the principle of national autonomy growingly respected“. Der ungehinderte Personen- und Güterverkehr hätte Vorteile auch für die entlegensten Teile der Monarchie gebracht. Die deutsche Sprache habe sich zu einer Art „lingua franca“ entwickelt „which made communication easy between the commercial and intellectual classes of Germans, Magyars, Croats, Czechs, Slovaks, Poles Rumanians, and Serbs. This contact was incomplete, but a real one“. Selbst die größten Nationalisten, so Jászi, hätten die höhere Einheit über den verschiedenen Nationalismen anerkannt, auch wenn sie sie bekämpften2. Nunmehr (1947), so Jászi weiter, werde ein Experiment unter der Oberherrschaft Russlands durchgeführt, in gewisser Weise eine Erneuerung des allumfassenden habsburgischen Reiches mit entgegengesetzter Ideologie und entgegengesetzten Methoden. Statt der habsburgischen Monarchie von Gottes Gnaden würde der proletarische Weltstaat betont, statt des Katholizismus bilde das System des dialektischen Materialismus 1 Oscar Jászi, Danubia: Old and New; in: Proceedings of the American Philosophical Society 93/1 (18. April 1949) 1–31. 2 Ebd. 2.

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die russische Staatsreligion; an die Stelle adeliger österreichischer Offiziere und Beamten trete eine proletarische Armee und Bürokratie, an die Stelle der konservativen Tradition der Habsburger eine radikale Dynamik, die die Weltrevolution anstrebe: „I doubt that this experiment will be successful.“3 Zweitens: Der amerikanische Historiker Arthur J. May wies in seinem 1966 erschienenen zweibändigen Werk „The Passing of the Hapsburg Monarchy“ darauf hin, dass in der Zeit, als die Bedrohung einer sowjetischen Überflutung über Europa hereinzubrechen drohte, die Verdienste der maroden („ramshackle“) Donaumonarchie – ungeachtet ihrer Fehler und Mängel –, die Segnungen, die sie ihren Völkern gewährte, sowie ihre Mission als Bastion des Westens gegenüber dem Osten und nicht zuletzt ihre Rolle im Mächtegleichgewicht beträchtliches Ansehen genossen hätten. Für May stand fest, dass „the dissolution had direct bearing on the Second World War and subsequent European instability, international tensions, and war alarms“4. Was die Pariser Friedensmacher verabsäumt hätten, nämlich die Bildung einer Konföderation, sei später von Adolf Hitler in radikal anderer Gestalt umgesetzt worden und nach dem Kollaps des Dritten Reiches von Josef Stalin und seinen Kommunisten: „As effective master of the captive satellite countries after the Second World War, the Soviet Marshal blossomed out in a precise sense as the largest heir of the Hapsburgs.“5 May wies die Behauptung zurück, dass die Doppelmonarchie von rachsüchtigen Staatsmännern der siegreichen Nationen zerstört worden sei und bezeichnete diese als „sad illusion, however, a living myth“. In Wahrheit hätten die Pariser Friedensverträge „essentially confirmed and ratified the surgery of vivisection, the territorial situation existing when hostilities formally stopped“6. Die Habsburgermonarchie hätte ihren Fortbestand nur retten können „by application of the fundamental formula that had enabled the British realm to hold together; that is, by bestowing autonomous status upon each important national grouping, but with adequate safeguards for the rights of minorities“7 – also eine Föderalisierung der Gesamtmonarchie. Ein Teil der Verantwortung für den Untergang des Hauses Habsburg liege daher bei den beiden letzten Regenten und ihren Beratern. Franz Joseph habe zu lange gelebt8 und Kaiser Karl habe die natürliche Gabe von Führungskraft und Charakterstärke gefehlt, um sowohl im Inneren wie auch nach außen Wege zu betreten, von welchen er im tiefsten Inneren wusste, dass sie richtig wären9. May zeigte sich auch überrascht darüber, dass sich die Auflösung der

3 4

809 f.

Ebd. 26. Arthur J. May, The Passing of the Hapsburg Monarchy 1914–1918, 2 Bde. (Philadelphia 1966) II

Ebd. 824. Ebd. 7 Ebd. 812 f. 8 Ebd. 815: „Had the Emperor departed from this world after attaining the biblically allotted span of seventy years, the course of human events would doubtless have flowed into different channels.“ 9 Ebd.: „Neither original nor profound, his vacillation on the issue of an independent peace, his Hamlet-like indecision on federalization, robbed him of prestige; (…) When at last Charles openly advocated a federal structure for Austria, the hour was too late (…).“ 5 6

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Monarchie „with remarkably little physical violence“ vollzog „(…) and the machinery of government kept operating, as it did not in revolutionary Russia, plain testimony to the fundamentally solid character of the Hapsburg administrative system“10. Drittens: Im Oktober 1923 berichtete die New York Times über einen Vortrag des Grafen Albert Apponyi, Anführer der ungarischen Friedensdelegation in Trianon, anlässlich eines Dinners, das ihm zu Ehren im Metropolitan Club in New York stattfand. Apponyi konfrontierte seine Zuhörer mit der Frage, ob nicht bei objektiver Betrachtung des gegenwärtigen Zustandes in Europa und bei ebenso objektiver Beantwortung der Frage, ob sie das edle Ziel, für welches ihre Söhne gestorben seien, erreicht hätten, die Antwort betrüblich ausfalle. Denn, so Apponyi, die Art von Frieden, die geschlossen worden sei, habe den Krieg nicht wirklich beendet, sondern enthalte den Keim für neue Konflikte, da der Friede im Eifer des Gefechts und in einem anhaltenden kriegerischen Geist abgeschlossen worden sei. Apponyi trat für eine Revision des Vertrages von Trianon ein und erklärte: „Nothing which is unnatural, nothing which contradicts the principles on which the making of nations is based, can permanently last; nothing which is unbearable to permanent and indestructible feelings of great or small nations can last, and if such is the structure of the world as to disregard these natural laws, that structure implies the constant menace of a collapse and a constant danger of war.“11 Auf diese Passage nahm die New York Times vom folgenden Tag Bezug und wandte die von Apponyi auf die Friedensverträge gemünzte Feststellung ihrerseits auf die untergegangene Habsburgermonarchie an. Es wurde betont, dass eben diese Formulierung Apponyis, die die Amerikaner über das mitteleuropäische Problem aufklären sollte, die Gründe für den Untergang Österreich-Ungarns in aller Klarheit darlege. Denn gerade die Organisation der Doppelmonarchie „was unnatural and contradicted the principles on which the making of nations is based. The manner in which the Germans governed the Austrian Empire, and the Magyars the Kingdom of Hungary, was unbearable to permanent and indestructible feelings of Czechs and Slovaks, Yugoslavs and Rumanians“ – auch wenn Graf Apponyi offensichtlich nicht diese Nationalitäten im Sinn gehabt habe12. Die Wiederherstellung Ungarns in seinen alten Grenzen würde über kurz oder lang zu neuen Kriegen führen. Es gäbe keine perfekten Grenzen in Mittel- und Osteuropa. Aber es bestehe kein Zweifel daran, dass die derzeitige Regelung gerechter wäre als jene vor 1914. In Anspielung auf Apponyis Ruf nach einer Revision der Verträge schrieb die New York Times: „(…) it is not from America that the Messiah will come for whom Count Apponyi looks with an almost Isaian yearning. Europe must produce him, if possible, from herself“13. Am 9. November 1918 kommentierte die amerikanische Wochenzeitschrift The Nation den Auflösungsprozess Österreich-Ungarns, das es als artifizielles Gebilde betrachtete, mit folgenden Worten: „The Austrian Humpty-Dumpty who has sat so

10 11 12 13

Ebd. 822. The New York Times, 4. Oktober 1923. Ebd. 5. Oktober 1923. Ebd.

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long upon the wall where he was maintained by the pride and interests of the Hapsburgs, by their German and Polish supporters, and by the magnates of Hungary, has fallen to earth. His rigid but frail shell has been cracked at last. For this let us rejoice. (…) the dismembering of Austria-Hungary is an accomplished fact, not by decree of a peace conference, but because of internal disruption, aided, but not caused, by external pressure. A rotten and corrupt monarchy without a vestige of real democracy, ruled by a mediaeval court and a more mediaeval church, has gone the way of all things human. (…) Undoubtedly there will be chaos for some time, perhaps anarchy. This is the way the thing happens. But that it will eventually work itself out is not to be questioned; self-determination is at work (…). An edifice so rotten, so artificially held together by duress, so wholly without rhyme or reason, ought to have crashed; when the smoke and dust have cleared away we shall see what can be done with the foundations. We have faith that the new structures to arise in its place will grace the world and make it a better and happier place to live in.“14 Die hier vorangestellten Ausführungen und Zitate enthalten bereits einige zentrale Aspekte, die in der Historiographie zum Untergang der Habsburgermonarchie breiten Raum einnehmen: die Nationalitätenproblematik und die gescheiterten Versuche einer Föderalisierung, die Frage nach einer umfassenden Staatsidee, die in der Literatur häufig angesprochene Vorherrschaft der deutschen und magyarischen Eliten als Folge des Ausgleichs von 1867, die von Jászi angesprochenen Vorteile eines großen Wirtschaftsraumes sowie die vermeintliche oder tatsächliche Rolle der Habsburgermonarchie als Notwendigkeit im europäischen Mächtegleichgewicht. Das österreichisch-ungarisch–deutsche Bündnis stellt einen weiteren Aspekt der historiographischen Debatte dar, die letztlich um die Frage der Vermeidbarkeit bzw. Unvermeidbarkeit des Zusammenbruchs kreist, um die „Lebensfähigkeit“ der Monarchie bzw. ihren schicksalshaften Untergang. Joachim Remak hat diese Diskussion mit dem Titel eines Beitrages für das „Journal of Modern History“ 1969 auf den Punkt gebracht, als er die Frage stellte „How Doomed the Habsburg Empire“ und dem Beitrag den Titel „The Healthy Invalid“ gab, wobei er davor warnte, bei der Beurteilung zu weit ins 19. Jahrhundert oder in noch frühere Perioden zurückzugehen und einem Post-hoc-Fehlschluss zu unterliegen15. Arthur May vertrat die Ansicht, dass jeder Versuch, das verworrene Labyrinth, das den Ruin der Habsburgermonarchie umgab, einzuschätzen, vielfältige, ineinander verschlungene interne Auseinandersetzungen und äußere Einflüsse in Betracht ziehen müsse. Die Antwort auf die Frage, welche Konstellation bzw. welche Faktoren letztlich entscheidend gewesen seien, würde Historiker und parteiische Polemiker bis zum „Doomsday“ beschäftigen. Es sei eine Kombination mehrerer Faktoren gewesen und nicht ein einziger Grund, der zu dem traurigen Ergebnis geführt habe – „simple, one-pronged explanations satisfy only simple minds“16.

The Austrian Humpty Dumpty; in: The Nation, 9. November 1918, 107/2784, 542 f. Joachim Remak, The Healthy Invalid: How Doomed the Habsburg Empire?; in: Journal of Modern History 41/2 (Juni 1969) 127–143, hier 127. 16 May, Passing II 812. 14

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2. Oscár Jászis Donaupatriotismus Für Oscar Jászi, Begründer der Soziologie und Politologie in Ungarn und eine führende Persönlichkeit des bürgerlichen Radikalismus, kristallisierte sich bis 1929 eine relativ eindeutige Antwort auf die Frage nach den Ursachen der Auflösung der Monarchie heraus, so dass er in seinem berühmten Werk „The Dissolution of the Habsburg Monarchy“ feststellen konnte: „(…) in its ultimate result the Habsburg monarchy fell down on the national problem through its inability to solve it.“17 Er war überzeugt, dass die Auflösung und der Zerfall der Monarchie hätte verhindert werden können, wenn ihre Herrscher im 19. Jahrhundert rechtzeitig einen gut balancierten Föderalismus geschaffen hätten. Die Loyalität zur Dynastie allein sei zu schwach gewesen, um mit der Anziehungskraft des Nationalismus und der Demokratie zu konkurrieren. Jászi, der 1918 Minister in der demokratischen Regierung des Grafen Mihály Károlyi war, vertrat die Ansicht, dass die nationalen Gegensätze nur durch Freiheit und Demokratie zu lösen gewesen wären – eine durch soziale Reformen und Nationalitätenrechte untermauerte politische Demokratie. Daher „sah er seine vorrangige wissenschaftliche und politische Aufgabe im Sturz des überholten feudalen gesellschaftlichen und politischen Systems“ und in der „Grundlegung der ungarischen Demokratie“18. Wie Jászi bereits 1912 schrieb19, betrachtete er die nationale Bewegung als eine allgemeine weltgeschichtliche Erscheinung. Im Prozess der Nationsbildung komme ein „Naturgesetz“ zur Geltung. Die Vereinigung der Menschen dürfe daher nicht mit dem Internationalismus begonnen werden. Der Weg zum Internationalismus führe über das Nationale, zu diesem wiederum aber über die Muttersprache der Volksmassen. Die Aggressivität des ungarischen Nationalismus leitete Jászi von dessen feudalen Ursprüngen und seiner gesellschaftlichen Basis ab. Die ungarische Oligarchie könne ihre Herrschaft nur mit Hilfe Österreichs aufrechterhalten. Ungarn werde solange unfähig sein, gegen die führenden Kreise des Reiches effektiv aufzutreten, solange hinter seinen Forderungen nur eine enge Klassenherrschaft stehe, die durch die Mobilisierung der Nationalitäten jederzeit niederzuhalten sei; daher sei die Nationalitätenfrage der archimedische Punkt der ungarischen Demokratie und der staatlichen Souveränität. Damit ist ein wesentlicher Punkt angesprochen, der den sich durch die Literatur ziehenden Diskurs um die nationale Vorherrschaft der Deutschen und der Magyaren um eine wesentliche Nuance erweitert. Das Leitmotiv, das die ungarische führende Schicht zum Ausgleich von 1867 bewog, bildete nach Ansicht Péter Hanáks nicht bloß eine nüchterne Abwägung der Machtverhältnisse, sondern „die Sicherung der nationalen und der Klassenhegemonie der ungarischen Grundbesitzer, die Konservierung jener nationalen Suprematie und sozialökonomischen Struktur, die bereits 1848 und später, Oscar Jászi, The Dissolution of the Habsburg Monarchy (Chicago [1929] 1961) 215. Péter Hanák, Der Donaupatriotismus von Oszkár Jászi; in: Österreichische Osthefte. Zeitschrift des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 25/3 (1983) 324–337, hier 326. 19 Siehe dazu seine in ungarischer Sprache erschienene Monographie: Die Herausbildung der Nationalstaaten und die Nationalitätenfrage [A nemzeti államok kialakulása és a nemzetiségi kérdés (Budapest 1912)], zitiert nach Hanák, Donaupatriotismus 327 f. 17 18

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zur Zeit des Neoabsolutismus, von den Autonomieforderungen der Nationalitäten und den antifeudalen Bewegungen der Bauern bedroht wurde“20. Die Konzeption Ferenc Deáks, die sich gegenüber jener Lajos Kossuths durchsetzen konnte, hielt die Aufrechterhaltung der Integrität Ungarns, „selbst um den Preis der Beschränkung der Souveränität“, nur im Bunde mit einer Großmacht für möglich. Während Kossuths Donaukonföderationsplan aus dem Jahre 1862 auf einen Staatenbund des engeren Ungarn und der kleinen Nachbarstaaten auf der Grundlage vollkommener Gleichberechtigung der Mitgliedstaaten und demokratischer Regelung des ungarischen Nationalitätenproblems abzielte, war für die Deákpartei „die Sicherheit ihrer sozialen und nationalen Hegemonie ‚suprema lex‘ der Politik“21. Peter F. Sugar hat darauf hingewiesen, dass Wien bis 1867 mit der Deák– Eötvös-Fraktion des ungarischen Adels verhandelt habe. Die Führer dieser Adelsfraktion seien zwar „intransigent nationalists“ gewesen, sie hätten aber eine fortschrittliche Einstellung gegenüber sozialen und Minderheitenfragen gehabt: „If post-Ausgleich Hungary had retained the leadership of this faction of the lesser nobility instead of following the magnates, whose policy was dictated entirely by economic and class interest, the responsibility for the dissolution of the Dual Monarchy would rest much less heavily on the Magyars than it in fact does.“ An diesem Wechsel in der ungarischen Führung sei Franz Joseph mitschuldig gewesen, weil dessen „predilection for the high aristocracy and the favors he had shown them greatly facilitated their successful drive for power“22. Wesentlich scheint in diesem Zusammenhang der häufig vernachlässigte Umstand, der die soziale Kluft zwischen den herrschenden Klassen Ungarns und sämtlichen niederen (also nicht nur nicht-magyarischen) Klassen betrifft; die ungarische Politik „was directed at least as much against the Magyar lower classes as against the minorities“23. Hugh Seton-Watson, Sohn eines der schärfsten Kritiker der Habsburgermonarchie, Robert Seton-Watson, nennt die Behauptung, die Monarchie habe auf der zweifachen Hegemonie der Deutschen und der Ungarn beruht eine „Halbwahrheit“. Die

20 Zum Folgenden vgl. Péter Hanák, Ungarn im Auflösungsprozess der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Grundlagen und Folgen; in: Karl Bosl (Hg.), Versailles – St. Germain – Trianon. Umbruch in Europa vor fünfzig Jahren (München – Wien 1971) 37–47, hier 38. 21 Ebd. 38. 22 Peter F. Sugar, Reply; in: Slavic Review 22/1 (März 1963) 43–46, hier 44. Vgl. auch Hanák, Auflösungsprozess 39 f., der erwähnt, dass es die Generation Deáks und Eötvös’ war, die den parlamentarischen Konstitutionalismus geschaffen habe. Nach dem Ausgleich sei in Ungarn der Liberalismus als herrschende Idee zum Durchbruch gelangt, jedoch als herrschende Idee des ungarischen „Groß- und Mittelgrundbesitzstaates“ stark deformiert worden. Diese Beschränktheit führt er auf den „sozialen Konservativismus“ und „Nationalismus der herrschenden Schichten sowie ihre widersprüchliche Situation in der Monarchie“ zurück: „nach oben“ – gegenüber Österreich – seien die liberalen Einrichtungen notwendig gewesen, „nach unten“ – gegenüber den eigenen Nationalitäten und bäuerlichen Massen – „war für sie die liberale Verfassungsmäßigkeit lästig“. 23 Vgl. dazu Peter F. Sugar, The Nature of the Non-Germanic Societies under Habsburg Rule; in: Slavic Review 22/1 (März 1963) 1–30, hier 8, und die daran anschließenden Diskussionsbeiträge im selben Heft von Hans Kohn, The Viability of the Habsburg Monarchy 37–42 und von Stephan FischerGalati, Nationalism and Kaisertreue 31–36.

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Deutschen seien in Cisleithanien einflussreicher gewesen als die anderen Nationalitäten, „weil sie ökonomisch und kulturell den Anforderungen einer modernen Wirtschaft und Verwaltung mehr gewachsen waren“. Der Kaiser und seine Minister hätten die Deutschen aber nicht „als nationale Gemeinschaft“ begünstigt, und die „echten deutschen Nationalisten“ hätten „in strikter Opposition“ verharrt24. Die größte Schwäche der Wiener Regierung sah er in der Unzulänglichkeit ihrer Standesordnung, ihrer Abhängigkeit von den Grundbesitzern, hohen Beamten und Offizieren. Eine Hauptursache des Untergangs sei auch in der verfehlten Außenpolitik zu suchen, die „zum Teil eine Folge der Abhängigkeit vom Deutschen Reich, der Ignoranz Berlins und des deutschen Nationalismus in der Monarchie selbst“ gewesen sei. Seton-Watson stimmt aber Jászis Kritik an der Magyarisierungspolitik seitens Ungarns zu, deren Beweggrund Jászi in den kleinlichen Klasseninteressen der Gentry sah und die letztlich die Nationalitäten zu Feinden Ungarns machte25. Für Oscar Jászi bestand kein Zweifel daran, wem es zuzurechnen sei, dass die Konsolidierung der Monarchie im Sinne einer Föderalisierung nicht gelang: „The chief actors of the great drama were, on the one side, the dynastic forces and on the other, the Magyar ruling classes.“26 Alle anderen, selbst die Deutschen, hätten allenfalls eine Nebenrolle in dem großen historischen Experiment gespielt. Eine wesentlich differenziertere Betrachtung bietet hingegen Hanák, der die ungarische regierende und die Mittelklasse zu den integrierenden Kräften zählt, die die Monarchie stützten, wobei er einschränkt, dass deren rigider Konservativismus sowie ihre Opposition gegenüber den vorherrschenden nationalen und sozialen Strömungen, die einen Wandel des Systems und eine Vergrößerung ihres Einflusses wünschten, zur Desintegration des Reiches beigetragen hätten: „However, Hungary can neither be blamed nor acclaimed for playing the leading role in the historical drama which led to the disintegration of the Austro-Hungarian monarchy.“27 Der Ausgleich hingegen habe den Bestand der Monarchie, die durch den objektiven Prozess der modernen bürgerlich-nationalen Entwicklung „bereits zerrüttet“ gewesen sei, „um ein gutes halbes Jahrhundert“ verlängert. Die Ursache des Zusammenbruchs sei daher weder Österreich noch Ungarn, auch nicht das durch den Ausgleich neugeregelte staatsrechtliche Verhältnis gewesen, sondern „die multinationale bzw. gemischtnationale Zusammensetzung dieses historisch verknüpften ostmitteleuropäischen Flächenraumes, jene soziale und ethnische Struktur, deren

24 Hugh Seton-Watson, Übernationale Monarchie und Nationalstaat; in: Richard G. Plaschka, Karlheinz Mack (Hgg.), Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 3, München – Wien 1971) 366–376, hier 367. 25 Ebd. 370. 26 Jászi, Dissolution 27. 27 Vgl. Péter Hanák, Hungary in the Austro-Hungarian Monarchy: Preponderancy or Dependency?; in: Austrian History Yearbook 3/1 (1967) 260–302, hier 302, zur unterschiedlichen Einschätzung der Position Ungarns innerhalb der Monarchie: „National and class interests, politics and ideology accounted for these extraordinarily contrasting evaluations of Hungary’s actual position in the monarchy. These evaluations, which were far from being objective, gradually became convictions, traditions, and even psychoses.“

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adäquaten staatspolitischen Aufbau die führenden Kreise der Monarchie weder vorher noch 1867 schaffen konnten“28. Zu den Verteidigern des Ausgleichs zählt auch C. A. Macartney, der zu einem ähnlichen Schluss kam: „The proof of the pudding (…) is in the eating; and by that test the Compromise, if not generally palatable, at any rate contained enough vitamins to support fifty million people for fifty years.“29 Angesichts der Vorgeschichte zum Ausgleich hält Macartney die immer wieder erhobenen Vorwürfe, man hätte Lösungen jenseits von Ausgleich und Dualismus (ver)suchen müssen, für sinnlos, da tatsächlich „a whole long series of experiments had been tried“. Jeder der vorangegangenen Versuche sei gescheitert, weil die Gegenkräfte stärker waren als die Befürworter. Nur der Ausgleich hatte stärkere Unterstützer als Opponenten30. Zu den von Hanák angesprochenen österreichischen Historikern/Historikerinnen, nach deren Ansicht der Ausgleich die Reichseinheit zersetzte, das Reich dem ungarischen Chauvinismus auslieferte und somit der Beginn des Untergangs war, zählt Berthold Sutter, der die Ausgleichsverhandlungen zwischen Österreich und Ungarn in der dualistischen Epoche als ein „tristes Kapitel“ der österreichischen Geschichte beurteilt31. Der Dualismus habe sich, so Sutter, in der Zeit Koloman Tiszas, der „wie ein Vizekönig in Ungarn geherrscht“ habe, verändert. „Er schuf ein neues Ungarn und einen neuen Dualismus. Nach seiner Formel hatte in der ‚Dualistischen Monarchie‘ Ungarn die Führung und in Ungarn die Magyaren die Herrschaft.“32 Vor allem aber sei die österreichische Innenpolitik der folgenden Jahre nicht ohne den seitens Ungarn ständig ausgeübten Druck zu verstehen. Alles was man den österreichischen Regierungen „ankreidete“, sei nichts anderes gewesen als „eine der Konsequenzen des Dualismus, nichts anderes als die Vorstellung, Ungarn um jeden Preis bei der Stange halten zu müssen“. Die österreichische Regierung habe ihre Handlungsfreiheit im Interesse eines Gesamtstaates eingebüßt, „der rechtlich nicht existierte und historisch nicht zu belegen war“33. Mit dieser Kritik liegt Sutter ganz auf der Linie Jászis, der die ungarische Regierung letztlich als „Hauptschuldige“ am Untergang ausmachte.

Hanák, Auflösungsprozess 39. C. A. Macartney, The Compromise of 1867; in: Ragnhild Hatton, M. S. Anderson (Hgg.), Studies in Diplomatic History. Essays in memory of David Bayne Horn (London 1970) 287–300, hier 299. Zu behaupten, „the ‚oppressed nationalities‘ were driven into irredentism and the Monarchy destroyed, is absurd: the strongest irredentism in the whole Monarchy was among the Italians, who, Heaven knows, had little to complain of“. Vgl. ebd. 298. 30 Ebd. 298 f. 31 Berthold Sutter, Die Ausgleichsverhandlungen zwischen Österreich und Ungarn 1867–1918; in: Theodor Mayer (Hg.), Der österreichisch-ungarische Ausgleich 1867. Seine Grundlagen und Auswirkungen (= Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission 20, München 1968) 71–111, hier 71. 32 Ebd. 81. 33 Ebd. 92 f. Vgl. dazu die abweichende Auffassung von Hanák, wonach in den rein internen Fragen Ungarn ein hohes Maß an Selbstständigkeit hatte. In den gemeinsamen Angelegenheiten sei Ungarn nicht Österreich, sondern den Gesamtreichsinteressen untergeordnet gewesen. Sein Einfluss auf die bedeutendsten Reichsangelegenheiten sei daher nur beschränkt zum Ausdruck gekommen. „Es war imstande, die Initiativen zur Veränderung des dualistischen Systems hintanzuhalten, es konnte aber das System nicht 28 29

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Trotz des Scheiterns der Idee einer Donau-Konföderation 1918/19 hielt Jászi an dieser Idee sein Leben lang fest. „Je mehr sich die Idee vom tatsächlichen Ostmitteleuropa in Richtung des Reiches ‚Utopia‘ entfernte, umso lieber wurde sie ihm. Jede Entwicklung in dieser Region nach dem Weltkrieg maß er an ihr.“34 Noch im Frühjahr 1918 arbeitete Jászi einen Entwurf über die Zukunft der Monarchie aus, der im Oktober 1918 erschien35 und die Monarchie in fünf verbündete Staaten aufgliederte (Ungarn ohne Kroatien-Slawonien, Österreich, die Länder der böhmischen Krone, Polen und schließlich Illyrien unter kroatischer Führung). Da in allen fünf Ländern bedeutende nationale Minderheiten leben würden, nahm Jászi in den Entwurf auch das von den Austromarxisten entwickelte Programm der territorialen und kulturellen Autonomie auf36. In seinem 1929 erschienenen Werk zur Auflösung der Habsburgermonarchie stellte er einleitend fest, dass trotz des tragischen Zusammenbruchs des habsburgischen Experiments „this problem of state organization has still a great theoretical and practical importance (…). This problem is not only a problem of the remote future but the vital problem of those states which were established on the ruins of the Habsburg monarchy, for these new states are not unified nation states but states resulting from the co-operation of different national elements“37. Um die Zerstörung Europas durch den Nationalismus zu verhindern, sei es notwendig, die nationalen Rivalitäten durch andere Methoden zu ersetzen. Jászi stimmte mit Otto Bauer darin überein, dass nationaler Hass transformierter Klassenhass sei38. Nationale Solidarität könne jedoch nicht gefördert werden, wenn der Fortschritt einer Nation den Interessen einer anderen geopfert werde. Eine harmonische Zusammenarbeit zwischen den Klassen sei dort nicht möglich, wo die Ausbeutung der arbeitenden Klassen die Massen in permanenter Unzufriedenheit halte, und „no democratic civic education is possible where the real type of life is a dictatorship or the rule of caste“39. Die Auflösung des Habsburgerreiches war für Jászi unter anderem letztlich eine Folge der Tatsache, dass ihre Völker über kein gemeinsames, einander verbindendes Ideal verfügten. Die Monarchie, so Jászi, war „an amalgamation of peoples without a

zu seinem eigenen Nutzen verändern.“ Diese, die Souveränität vermindernde, den Konstitutionalismus schwächende Abhängigkeit „war der Preis für die Aufrechterhaltung des territorialen und machtmäßigen Besitzstandes, für die ein halbes Jahrhundert haltende Sicherheit der Integrität“. Vgl. Péter Hanák, Ungarn in der österreichisch-ungarischen Monarchie – Übergewicht oder Abhängigkeit?; in: Ders., Ungarn in der Donaumonarchie. Probleme der bürgerlichen Umgestaltung eines Vielvölkerstaates (= Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 10, Wien – München – Budapest 1984) 240–280, hier 273, 277 f. 34 Hanák, Donaupatriotismus 331. 35 Oszkár Jászi, Magyarország jövője és a Dunai Egyesült Államok [Ungarns Zukunft und die Vereinigten Donaustaaten] (Budapest 1918). Da die Veröffentlichung bis Oktober aufgeschoben wurde, änderte Jászi den ursprünglichen Titel „Die Zukunft der Monarchie (…)“. Die deutsche Übersetzung des Werkes erschien unter dem Titel: Der Zusammenbruch des Dualismus und die Zukunft der Donaustaaten (Wien 1918). 36 Jászi, Zusammenbruch 32–34. 37 Jászi, Dissolution 4. 38 Ebd. 286. 39 Ebd. 25.

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common state idea, based on mutual hatred and distrust of the various nations“40. Die Hauptursache der Auflösung bildete seiner Meinung nach das völlige Fehlen „of any serious kind of civic education“: „All the nations lived as moral and intellectual strangers to one another. Both, the dynastic epic in Austria and the feudal in Hungary were incapable of creating a sufficiently strong and cohesive state idea.“41 3. Österreichischer Staatsgedanke versus habsburgischer Hausmachtgedanke Während Oscar Jászi sein Leben lang für eine Donauföderation eintrat42, sah Friedrich G. Kleinwächter – 1910 als Ministerialbeamter ins kaiserlich-königliche Finanzministerium berufen – in der Aufforderung, die aus dem „zertrümmerten Österreich-Ungarn hervorgegangenen Teile, oder wenigstens einige von ihnen, neuerlich zu einer Art Österreich-Ungarn, Donauföderation, oder wie man sonst das Ding nennen mag, zusammenzuleimen“, die Gefahr, dass die europäische Menschheit nun nochmals dem „unseligen Schlagwort“: wenn Österreich nicht bestünde, müsse es geschaffen werden, erliege43. Das berühmte Wort František Palackýs, das nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland Anhänger gefunden habe, sei geradezu ein Hindernis gegen die Inangriffnahme einer Neuordnung der Monarchie geworden. Hätten sich die europäischen Großmächte nicht von diesem Schlagwort blenden lassen, dann hätten sie längst die Lösung des österreichungarischen Problems ins Auge fassen müssen und sich nicht mit der Aufrechterhaltung des sogenannten europäischen Gleichgewichts – einem ebenso „geisthemmenden Schlagwort“ – begnügen dürfen44. Die eigentliche Ursache des Weltbrandes sei der beginnende Zerfall der Monarchie gewesen. Der Schluss, die Monarchie sei untergegangen, die Folge sei ein Chaos, also errichten wir die Monarchie wieder, sei ein Trugschluss. Die Folgerung wäre nur dann richtig, wenn die Monarchie ein Staat gewesen wäre, der seine Aufgabe als „mitteleuropäisches Völkerheim“ erfüllt hätte, was nicht der Fall gewesen sei. Der Krieg sei nur der „äußere Anstoß“ gewesen, der den „unterhöhlten Bau“ zum Einsturz gebracht habe45. Kleinwächter sah die Ursache dieses Zerfalls vor allem im Mangel eines Staatsgedankens. Die Monarchie sei ein durch den habsburgischen Hausmachtgedanken geschaffenes Gebilde gewesen. Dieser Hausmachtgedanke sei jedoch „erledigt“ gewesen, da die Einschmelzung der Nationen zu einer neuen einheitlichen Nation sich als undurchführbar erwiesen hatte. Daher sei die Taktik des Ausspielens der einzelnen Ebd. 451. Ebd. 42 Noch eine seiner letzten Publikationen (1947) befasste sich mit der Frage: „Miert nem sikerült a Dunavölgyi Federációt megalkotni?“ [Warum gelang es nicht, die Donau-Föderation zu verwirklichen?]. Vgl. dazu Samuel J. Wilson, Oszkár Jászi and the Hungarian Democratic Emigration; in: Hungarian Studies 7/1–2 (1991/92) 71–86, hier 82. 43 Friedrich F. G. Kleinwaechter, Der Untergang der Oesterreichisch ungarischen Monarchie (Leipzig 1920) 213. 44 Ebd. 212. 45 Ebd. 213. 40 41

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Nationen Ausdruck habsburgischer Politik geworden. Mit dem Ausgleich habe Österreich 1867 sein Schicksal besiegelt, mit der dualistischen Umgestaltung habe sich der „Geist des Österreichertums“ auf die österreichische Reichshälfte zurückgezogen. „Der alte österreichische Staatsgedanke“, so Kleinwächter, „im Wesen nichts anderes als der in die praktische Politik übersetzte und ihr angepaßte habsburgische Hausmachtgedanke“, sei infolge der dualistischen Umgestaltung der Monarchie gefallen46. Während sich aber in Ungarn ein eigener magyarischer Staatsgedanke entwickelt habe, sei in Österreich an seine Stelle der von den deutschliberalen Parteien entwickelte, nunmehr auf die „im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“ beschränkte, auf der deutschen Vorherrschaft beruhende österreichische Staatsgedanke getreten47. Dieser Ansicht steht die Auffassung, die etwa von Hans Kohn vertreten wurde, entgegen, dass mit dem Ausgleich 1867 die Deutschen aufgehört hätten, das dominierende Element zu sein, Österreich-Ungarn somit mehr und mehr den Charakter eines „predominantly German state“ verloren habe: „The spread of democracy, literacy, and economic well-being in the western half of the monarchy after 1867 strengthened the non-Germanic nationalities there at the expense of the former political, cultural, and economic predominance of the Germans. The result was that many Germans in the monarchy lost their faith in an Austrian idea as much as many Slavs or other non-Germanic peoples did.“48 Außerdem sei der Ausgleich 1867 nicht nur ein Schlag gegen den Föderalismus gewesen, sondern auch gegen Gleichheit und Demokratie. Um Ungarn für eine gemeinsame Außen- und Militärpolitik zu gewinnen, habe man die anderen Nationalitäten geopfert. Kohn sah den Hauptfehler und die Hauptursache der Desintegration vor allem in der Außenpolitik. Im Zeitalter des Nationalismus in Europa sei ein multi- oder supranationales Reich im Interesse des Friedens durchaus erstrebenswert gewesen – „and since 1918 many people have for that reason and to a growing degree regretted the disappearance of the Austro-Hungarian monarchy“ –, aber um diese Funktion zu erfüllen, hätte die Monarchie, wie die Schweiz, eine „policy of neutrality“ verfolgen müssen. Die Möglichkeit sei nicht von der Hand zu weisen, dass „had Austria established a federal regime in 1849 and followed a policy of neutrality, the crown could have become a symbol of the common interests of the various peoples who in isolation were threatened by Russian or German expansionism“49. Kleinwächter zufolge hätten die Deutschen ihr altes Ideal – „ein eigentlich habsburgisches Ideal“ – eines deutsch regierten Österreichs zugunsten einer Zusammenfas-

Ebd. 237. Ebd. 48 Hans Kohn, The Viability of the Habsburg Monarchy; in: Slavic Review 22/1 (März 1963) 37–42, hier 39. Deshalb, so Kohn, blickten „by the end of the nineteenth century many Austrian Germans (…) to the Prussian German Reich as their real home and venerated Bismarck. It was not only German nationalism which brought them to abandon Austrian patriotism (…) it was also the feeling that the Habsburg monarchy was slow-moving, less efficient, less ‚modern‘ than the briskly expanding Wilhelminian Reich. PanGermanism had its origin largely among Austrian Germans, as Pan-Slavism had its origin among Austrian Slavs“. 49 Ebd. 42. 46 47

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sung aller deutschen Gebiete der Monarchie zu einem deutsch-österreichischen Staate mit vollster innerer Selbstständigkeit aufgeben müssen. Dann hätte man an der Monarchie festhalten können, jedoch mit dem Vorbehalt, im Falle des Ausscheidens anderer Nationen aus der Monarchie über das weitere Schicksal selbst zu bestimmen; dies, so erklärte er, wäre nichts anderes gewesen, als das alte Programm von František Palacký im Kremsierer Verfassungsausschuss. Dieser politische Weg, nicht erst im Jahre 1918, sondern schon vierzig Jahre früher, hätte dazu geführt, dass die Deutschen von den Slawen „heiß umworben“ worden wären50. Die Möglichkeit eines Neuaufbaus der Monarchie während des Ersten Weltkrieges verneinte er, ebenso wie er die Auffassung, dass das Manifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918 das „Signal zur Auflösung“ gewesen sei, ablehnte. Die häufig vertretene Ansicht, dass die Monarchie nur ein „dynastisches Gebilde“ darstellte und sich daraus ihr Zerfall erklären ließe, wurde ca. dreißig Jahre später von Otto Brunner in einem Beitrag zurückgewiesen, der sich unter anderem mit der Frage befasste, was die „zentrale politische Institution und Idee der österreichischen Monarchie gewesen wäre“. Aber Brunner schwächte diese Feststellung mit dem Hinweis darauf ab, dass man die Struktur dieses Gebildes nicht verstehen könne, ohne von der einmaligen Erscheinung von „Kaiser“ und „Erzhaus“ auszugehen: „Bis zuletzt war in diesem Staatenverband, den man nicht zufällig einfach ‚die Monarchie‘ schlechthin nennen konnte, ‚der Kaiser‘ doch die maßgebende Institution (…), ohne die der Zusammenhang des Ganzen nicht denkbar war.“51 Auch im 19. Jahrhundert sei im Grunde der Gesamtstaat, das „Reich“, das „Vaterland“ etc. immer dem Kaiser nachgeordnet worden. Gerald Stourzh hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass es in der Doppelmonarchie eine „die konstitutionelle Selbstbindung des Monarchen durchbrechende Interventionsgewalt eben dieses Monarchen und seiner militärischen und bürokratischen Machtmittel gab“, ein Phänomen, das Friedrich Tezner als „subsidiären Absolutismus“ bezeichnet hatte52. Und Helmut Rumpler kam in einer Abhandlung zur „Rolle der Dynastie“ zum Ergebnis, dass Franz Joseph zeitlebens an der „Heiligkeit, Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit“ des Monarchen festhielt und „die Rolle des sakrosankten Herrschers jedenfalls mit großem Publikumserfolg zu Ende gespielt“ Kleinwächter, Untergang 206 f. Otto Brunner, Das Haus Österreich und die Donaumonarchie; in: Südost-Forschungen 14/1 (1955) 122–144, hier 129–131. 52 Vgl. dazu Gerald Stourzh, Der Dualismus 1867 bis 1918: Zur staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Problematik der Doppelmonarchie; in: Helmut Rumpler, Peter Urbanitsch (Hgg.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918 VII/1: Verfassung und Parlamentarismus: Verfassungsrecht, Verfassungswirklichkeit, zentrale Repräsentativkörperschaften (Wien 2000) 1177–1230, hier 1229. Tezner war einer der stärksten Befürworter des Weiterbestandes der „Monarchie von Österreich“ im Sinne der Gesamtmonarchie nach 1867. Vgl. auch Robert A. Kann, Das demokratische Prinzip im Widerstreit des Zusammenbruches Österreich-Ungarns und des Aufbruchs der Nachfolgestaaten; in: Plaschka, Mack (Hgg.), Auflösung 318–337, hier 320, der darauf hinweist, dass die Sanktion der vom Reichsrat verabschiedeten Gesetze durch den Kaiser nach der österreichischen Verfassungspraxis materieller und nicht, wie in der parlamentarischen Monarchie, bloß formeller Natur war, somit nicht von einer wirklichen Teilung zwischen der exekutiven und legislativen Gewalt auf gleicher Ebene gesprochen werden könne. 50 51

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habe53. Der Habsburgerstaat des 19. Jahrhunderts sei auch als Verfassungsstaat nach 1860/67 in allen Phasen „ganz auf die Dynastie hin orientiert geblieben“. Die Dynastie war auch, zumindest bis zu Franz Josephs Tod, „der kleinste gemeinsame Nenner“, der das seit 1848 auseinanderstrebende Staatswesen der „Pragmatischen Sanktion“ zusammenhielt54. Während Jászi noch im Frühjahr 1918 an die Möglichkeit des Umbaus im Sinne einer Donauföderation glaubte, sah Brunner die Möglichkeit einer so durchgreifenden Reform schon allein durch die außenpolitische Position der Monarchie begrenzt, da das Bündnis mit dem Deutschen Reich „mit der Präponderanz der Deutschen und Madjaren verknüpft“ gewesen sei. Noch wesentlicher aber schien ihm die Frage, ob eine solche Umwandlung, „die sich kaum auf die geschichtlichen Grenzen der Monarchie beschränken konnte“55, nicht gerade das „spezifisch ‚österreichische‘ an der Donaumonarchie zerstört hätte“ und ob die innere Krise der Donaumonarchie „nicht zutiefst durch den Widerspruch zwischen ihrer überkommenen Daseinsform und den Erscheinungen der modernen Welt bedingt“ gewesen sei56. Die Tendenzen, die auf eine Umgestaltung der Monarchie im Sinne nationaler Autonomie, auf einen föderativen Aufbau abzielten, arbeiteten seiner Ansicht nach gleichzeitig am Abbau oder der Umformung des „monarchischen Prinzips“. Wohl konnte man das nicht konsequent durchführen, da die auf dem „monarchischen Prinzip“ basierende Gesamtstaatsverfassung 1867 fallen gelassen worden sei. Aber man konnte es auch nicht aufgeben: „ein Rückzug des Monarchen auf eine ‚neutrale‘ repräsentative Stellung, wie in England und in den nordeuropäischen Monarchien, war unmöglich, da damit ja der ‚Kaiser‘ als einziger wirklicher Träger der Gesamtmonarchie praktisch ausgeschaltet worden wäre.“57 4. Das Oktobermanifest: „Farce“ oder „letzte Chance“? Gegenüber Jászis nahezu apodiktischer Behauptung, wonach die ungarische regierende Klasse eine der Hauptschuldigen „of the great drama“ war, bieten die Forschungen zum Völkermanifest ein ausgewogeneres Bild. Entgegen dem in der Literatur häufig anzutreffenden Vorwurf, der die „Halsstarrigkeit“ der Ungarn und deren Interessenspolitik als gravierendste Ursache für das Misslingen aller Verfassungsreformpläne verantwortlich macht, hat Helmut Rumpler in seinen Arbeiten zum Völkermanifest dargelegt, dass die damals vom Kaiser und der österreichischen Regierung vertretene Alternative in ihrem realen Kern „keineswegs konstruktiver war als ihr ungarisches

53 Helmut Rumpler, Die Rolle der Dynastie im Vielvölkerstaat des 19. Jahrhunderts; in: Herwig Wolfram, Walter Pohl (Hgg.), Probleme der Geschichte Österreichs und ihrer Darstellung (= Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 18, Wien 1991) 163–175, hier 167. 54 Ebd. 166. 55 Brunner, Haus Österreich 142. 56 Ebd. 123. 57 Ebd. 143 f.

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Gegenstück“58. Die beiden Varianten, die dabei debattiert wurden, waren: eine subdualistische Lösung (d. h. ein aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Dalmatien bestehender südslawischer Staat im Rahmen Ungarns) bzw. die trialistische Lösung, d. h. die Errichtung eines selbstständigen südslawischen Staates innerhalb der Monarchie. Die erste Lösung bildete ein „Postulat madjarischer Interessenpolitik“, hinter der zweiten stand „der Herrschaftsanspruch der deutsch-zentralistischen Partei Zisleithaniens“59, der Mitglieder des böhmischen Feudaladels (Heinrich Clam Martinic, Ottokar Czernin, Ackerbauminister Ernst Silva-Taruca) und des deutschen Beamtenadels zuzurechnen sind, die sich die Wahrung ihrer Standesinteressen auf die Fahnen geschrieben hatten. Dabei ging es, wie Rumpler zeigt, nicht bloß um einfache Klasseninteressen sozialer Art – Czernin hatte in einem Brief an Tisza (Mai 1917) davon gesprochen, dass man nach dem Krieg Sozialpolitik machen müsse, „ob es dem Einzelnen gefällt oder nicht. (…) Die Sozialpolitik ist das Ventil, das wir aufmachen müssen, um den überschüssigen Dampf hinauszulassen – sonst explodiert der Kasten“ –, sondern es ging um die „politische Vorzugsstellung“, um die „konservative Staatsstruktur, deren Voraussetzung die Vorherrschaft des Deutschtums war“. Die Polemik gegen die Reservatsklausel des Völkermanifests, die den Ländern der Stephanskrone die Integrität zusicherte, sei daher „gegenstandslos“, weil sie auch im wohlverstandenen Herrschaftsinteresse der Österreicher lag60. Rumpler sieht daher die Tragik und gewissermaßen auch das Versäumnis der Monarchie in der Verweigerung der politischen Mitbestimmung gegenüber jenen, deren gesellschaftliche Emanzipation sie begünstigt hatte: „1918 war die Diskrepanz zwischen dem Stand der sozio-ökonomischen Entwicklung der Völker und dem bestehenden politischen System so groß, daß einer umfassenden Reform im Sinne einer Demokratisierung der Staatspolitik nicht mehr auszuweichen war“61. Der Kaiser habe zwar dreimal den Versuch einer grundlegenden Reform unternommen, und zwar mit dem Bemühen, die Abhängigkeit vom Deutschen Reich zu lockern, mit dem Versuch einer föderalistischen Lösung der südslawischen Frage und mit dem Ansatz zu einer politischen Dezentralisierung Cisleithaniens; das System, „von dem auch der Kaiser selbst ein Teil“ gewesen sei, hätte sich aber „als stärker erwiesen als die Einsicht eines einzelnen“62. Bei der Einschätzung der Bedeutung des Oktobermanifests bietet sich eine breite Palette an Stellungnahmen an: Friedrich Kleinwächter stellte zwei Jahre nach Ende des Weltkrieges fest, dass dem Manifest eine zu große Bedeutung beigemessen werde und dieses bloß „eine bedeutungslose Episode im Todeskampf der Monarchie“63 gewesen

58 Helmut Rumpler, Die Sixtusaktion und das Völkermanifest Kaiser Karls. Zur Strukturkrise des Habsburgerreiches 1917/18; in: Bosl (Hg.), Versailles 111–125, hier 121. 59 Ebd. 121. 60 Ebd.121. Vgl. auch Helmut Rumpler, Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918. Letzter Versuch zur Rettung des Habsburgerreiches (= Österreich Archiv. Schriftenreihe des Instituts für Österreichkunde, Wien 1966). 61 Rumpler, Sixtusaktion 125. 62 Ebd. 63 Kleinwächter, Untergang 330 f.

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sei, deren Stunde abgelaufen war. Arthur Graf Polzer-Hoditz, der Kabinettschef Kaiser Karls, erwähnt in seiner Biographie, dass er im letzten Moment noch versucht habe, dahin zu wirken, dass das Manifest, „wenn es durchaus nicht mehr zu verhindern sei, nicht vom Kaiser unterfertigt werde. Es könne doch eine Form gefunden werden, daß nur die Regierung, nur der Ministerpräsident damit belastet werde.“ Polzer-Hoditz fügte hinzu, man habe fünfzig Jahre Zeit gehabt, Österreich auf national-föderalistische Grundlagen zu stellen; nun sei es zu spät: „Ein solcher Schritt gebe unter den Verhältnissen, unter denen er erfolgt, Österreich den Todesstoß.“64 Edmund Glaise-Horstenau, 1915–1918 Pressereferent des Armee-Oberkommandos, stimmte zwar zu, dass das Manifest die bereits im Gange gewesene Entwicklung noch beschleunigt habe, die eigentliche Entscheidung über das Geschick der Monarchie sei jedoch „schon in den Händen der Siegermächte“ gelegen. „Waren sie für die Erhaltung der Habsburgermonarchie (…), dann konnten die Gedanken, die dem Manifest zugrunde lagen, sogar noch fruchtbringend wirken. Ließen sie hingegen das Donaureich fallen, dann hatte die kaiserliche Kundgebung die Preisgabe im vornhinein besiegelt (…).“65 Der liberal-konservative Ernst Plener, der 1900 ins Herrenhaus berufen worden war, hat in seinen Erinnerungen das Oktobermanifest als „Kapitulation des Staates“ bezeichnet, als „das traurige Vorspiel der militärischen Waffenstreckung“66. Das „verhängnisvolle“ Manifest sei „in gezwungener Anlehnung an die anmaßenden Phrasen Wilsons und in fügsamer Befolgung der Forderungen der radikal-nationalen Parteien des Inlandes“ entstanden, wo das Schlagwort der nationalen Autonomie seit Jahren die öffentliche Meinung „verwirrt“ und in „immerwährender Steigerung zur Forderung aller staatlichen Attribute für die nationalen Organisationen“ geführt habe67. Plener kritisierte vor allem die Tatsache, dass im Manifest jeglicher Vorbehalt in Bezug auf die notwendigen Einheitsbedürfnisse des neuen Bundesstaates, eine einheitliche Armee, ja sogar jeder Hinweis auf die Pragmatische Sanktion und auf die Haftung für die Staatsschuld fehlten. Man habe der Wiener Regierung von 1867 Leichtsinn beim Abschluss des ungarischen Ausgleichs vorgeworfen, aber diese hätte unendlich viel mehr Vorbehalte für die Gemeinsamkeit der Monarchie gemacht, als dieses Manifest68. Gyula Graf Andrássy der Jüngere, der letzte k. u. k. Minister des Äußern erinnert sich, dass ihn die Nachricht vom Manifest in Bern erreicht habe: „Diese Nachricht wirkte auf uns wie

64 Arthur Graf Polzer-Hoditz, Kaiser Karl. Aus der Geheimmappe seines Kabinettschefs (Zürich – Leipzig – Wien 1929) 556 f. 65 Edmund von Glaise-Horstenau, Die Katastrophe. Die Zertrümmerung Österreich-Ungarns und das Werden der Nachfolgestaaten (Zürich – Leipzig – Wien 1929) 309. 66 Ernst Plener, Erinnerungen von Ernst Plener, 3 Bde. (Stuttgart – Leipzig 1921) III 492; vgl. allgemein zum Oktobermanifest 490–512. 67 Vgl. ebd. 491 f. 68 In der Sitzung des Herrenhauses vom 23. Oktober 1918 hatte Plener erklärt, das Manifest sei „eine Aufforderung zum Auseinandergehen, ein Rückzug der Zentralgewalt auf allen Gebieten“. Die von außen verhängte Auflösung werde durch diese Losung zum Auseinandergehen gefördert, die Regierung lasse es sich gefallen, „wenn die Abgeordneten der frondierenden Parteien ihr erklären, daß sie mit diesem Staate nichts mehr zu tun haben wollen und daß sie ihr Heil nur mehr bei den Feinden Österreichs, bei der Entente erblicken“. Vgl. ebd. 503 f.

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eine Bombenexplosion.“69 Es sei voraussehbar gewesen, dass, „wenn wir im Momente unserer Niederlage die Monarchie auf neue Grundlagen legen wollen, wir unbedingt zusammenbrechen müssen, noch bevor wir uns an den grünen Tisch setzen. Damit uns kein anderer umbringe, werden wir zu Selbstmördern“70. Noch ehe Andrássy aus der Schweiz zurückkehrte, hatte die ungarische Regierung bereits die Konsequenzen aus der neuen Ordnung gezogen, sich auf den Standpunkt der Personalunion gestellt und erklärt, die ungarischen Truppen würden zurückberufen werden. „Ich war entsetzt. Die Zurückberufung der ungarischen Truppen war gleichbedeutend mit einer Unterbrechung der Front und mit der militärischen Katastrophe.“71 Josef Redlich wiederum vertrat in seinem 1925 erschienenen Buch über die „Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege“ die Ansicht, dass das Manifest von „unüberschätzbarer Bedeutung für den weiteren Verlauf der Ereignisse“ war, vor allem was die Beamten betraf72. Redlich ging davon aus, dass in der österreichischen, vor allem der deutschösterreichischen Beamtenschaft, aber auch bei den älteren Staatsbeamten slawischer Nationalität auch zum Zeitpunkt des Manifests – Mitte Oktober 1918 – noch „ein starkes Element der großen Tradition der Treue“ gegenüber dem Monarchen und dem Gesamtstaat vorhanden war. Wäre der Zerfall Österreichs auch äußerlich ausschließlich durch die revolutionären Kräfte der nationalen und sozialen Parteien der einzelnen Völker herbeigeführt worden, wäre es bei Tausenden von Beamten zu schweren Gewissenskonflikten gekommen. Die Bedeutung des Manifests, das eine von seinem Urheber kaum geahnte Wirkung entfaltet habe, lag aber gerade darin, dass es „mit einem Schlage die noch in der Beamtenschaft vorhandenen, der revolutionären Auflösung des Gesamtstaates entgegenwirkenden Kräfte traditioneller Kaisertreue ganz rechtsförmlich aufhob und der Beamtenschaft aller Völker den freien Weg für ihre Teilnahme an den nun folgenden revolutionären Schritten eröffnete“73. Mit dem Manifest habe der Kaiser selbst durch sein absolutes Machtwort den Komplex der neuen Nationalstaaten geschaffen. Vor allem bei den altösterreichischen Beamten, die nach Ansicht Redlichs seit jeher „die wahre Verkörperung des österreichischen Staatsgedankens“ gewesen waren, sei damit jeder Zweifel beseitigt worden, dass dieser Staatsgedanke nun ein für alle Mal aufgehoben und beseitigt sei. Zudem habe sich aus keinem der nationalen Lager, denen nun die föderative Umgestaltung des Gesamtstaates anvertraut worden war, auch nur eine Stimme erhoben, die für die Zusammenfassung der zu konstituierenden Nationalstaaten zu einem neuen Reich eingetreten sei. Die Auflösung des österreichischen Staatswesens sei letztlich als formaler Akt „doch auch wieder, und zwar als letzte Tat, von dem Träger der Krone und dem Erben der dynastischen Macht vollzogen worden“74.

69 70 71 72 73 74

Julius Graf Andrássy, Diplomatie und Weltkrieg (Berlin – Wien 1920) 278. Ebd. 279 f. Ebd. 281. Josef Redlich, Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege (Wien 1925) 297. Ebd. 297. Ebd. 298.

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Für Redlich bildete der Ausgleich 1867 eine Zäsur und besiegelte das Schicksal Franz Josephs. Von da an, schreibt er in der 1929 erschienenen Biographie, fiel die Erhaltung seines Reiches – „der Inhalt seines ganzen menschlichen und fürstlichen Denkens“ – mit der Erhaltung des Ausgleichswerkes von 1867 zusammen. Franz Joseph sei ab diesem Zeitpunkt „wie in einen sein ganzes Handeln fest einschließenden Rahmen eingeschraubt“ gewesen75: „For from that event dated the rise of the absolutism of the Magyar race in Hungary, and its oligarchical parliamentary government, in place of his personal absolutism.“76 Die „Festlegung des Kaisers durch den König“ habe gewissermaßen die Marschroute für das nächste halbe Jahrhundert vorgegeben, wobei sie nicht nur einem rein äußerlichen Zwang entsprach, sondern Franz Joseph sich auch infolge des Krönungseides innerlich daran gebunden fühlte77. Ab diesem Zeitpunkt wäre das Vertrauen der nicht-ungarischen Nationalitäten in den Kaiser schwächer geworden, bis es während des Weltkriegs gänzlich verschwand. In Cisleithanien hatte Franz Joseph die konstitutionelle Regierungsform durch eine Verfassung eingeführt, die, wie Redlich schreibt, nur die Deutschen zufrieden stellte, die nicht viel mehr als ein Drittel der gesamten Bevölkerung ausmachten. Der Kaiser habe zwar den wachsenden Widerstand der Slawen gegen die zentralistische Verwaltung verstanden und auch benützt, um den liberalen Tendenzen der deutschen Mittelklasse Einhalt zu gebieten, er habe aber nie verstanden, dass das Reich am besten durch ein perfektes System der Verwaltungsdezentralisation und die vollständige Realisierung des Prinzips der Gleichheit aller Nationen auf der Basis der lokalen Autonomie organisiert wäre. „Thus he closed the door against a reconciliation of the struggling nationalities of his empire“, schrieb Redlich im Juli 1930 in einem Beitrag für die Zeitschrift „Foreign Affairs“78. Diese Möglichkeit hätte Redlich zufolge in der ersten Hälfte der Regierungszeit Franz Josephs bestanden: „He could have opened this door […] easily, in accordance with the conservative point of view represented by the leaders of the aristocracy, but this did not satisfy his pride; he believed in his capacity to rule by his own will.“79 Im letzten Viertel des Jahrhunderts hätte er die Lebenskraft des Hauses Österreich stärken können, wenn er das föderale Prinzip als Basis eines modernen Reiches akzeptiert hätte. Aus der Tatsache, dass Franz Joseph noch als 77-Jähriger das allgemeine Männerwahlrecht eingeführt hatte, schließt Redlich, dass er letztlich doch modernen Reformen zugänglich gewesen sei; es sei jedoch bereits zu spät gewesen, das gefährliche Gemisch rivalisierender sozialer, ökonomischer und nationaler Kräfte, das sich während der vierzig Jahre seines pseudokonstitutionellen Regimes gebildet hatte, zu überwinden – „a

75 76

605.

Josef Redlich, Kaiser Franz Joseph von Österreich. Eine Biographie (Berlin 1929) 315. Josef Redlich, The End of the House of Austria; in: Foreign Affairs 8/4 (Juli 1930) 598–608, hier

77 Vgl. dazu auch Brunner, Haus Österreich 140 f., der betont, dass das Scheitern einer radikaleren Politik gegenüber Ungarn nicht nur am Widerspruch bzw. Widerstand der Ungarn allein gelegen sei. „Die habsburgischen Kaiser fühlten sich auch als Könige von Ungarn an die von ihnen bei der Krönung beschworenen ‚Jura et libertates‘ gebunden und wichen vor einem radikalen Bruch immer wieder zurück.“ 78 Redlich, The End 606. 79 Ebd.

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régime that had produced the endless battle of all the minor nationalities against the privileged races of the empire, the Germans, the Magyars and the Poles.“80 5. Die „k. k. Sozialdemokratie“ und der Einfluss der Russischen Revolution Das Jahr 1899, in welchem die österreichische Sozialdemokratie das Brünner Nationalitätenprogramm beschloss, dessen Grundkonzept das eines ethnischen Föderalismus bildete, wurde von Robert Kann als der Beginn der Aussöhnung der Arbeiterschaft mit der österreichischen Reichsidee bezeichnet. Wäre die volle Bedeutung dieser Tatsache von der Regierung richtig verstanden worden, „so hätte sie zur Hoffnung auf eine künftige dauernde Lösung der nationalen Frage führen können“81. Rückblickend hat Otto Bauer in seinem 1923 verfassten Werk „Die österreichische Revolution“ die Stellungnahme der Sozialdemokratie zum Nationalitätenproblem im Jahre 1899 damit begründet, dass die Sozialdemokratie zunächst gezwungen war, ihren Kampf „auf dem Boden des österreichischen Staates“ zu führen und so „den nationalen Kampfzielen der streitenden Bourgeoisien ein gemeinsames Kampfziel des gesamten österreichischen Proletariats entgegenzustellen“82. Es sei denkbar erschienen, dass die Krone, der die nationalen Kämpfe ihr Reich zu zerstören drohten, auf der einen Seite und das Proletariat, dessen Aufstieg der nationale Kampf behinderte, auf der anderen Seite vereint die dualistische Reichsverfassung zerschlagen, die nationalistischen Bourgeoisien niederzwingen und den Bundesstaat autonomer Nationen aufrichten hätten können. Diese Haltung, also die Lösung der nationalen Frage im Rahmen der Habsburgermonarchie, wurde vor allem von Karl Renner vorgegeben, der noch Anfang März 1918 in der Arbeiter-Zeitung schrieb: „Wenn Österreich bestehen will, muß es sich von dem nationalen Hader befreien. Und das kann es nur, wenn es den Nationen in seinem Rahmen das gibt, worauf es ankäme, worauf keine entwickelte, keine selbstbewußte Nation verzichten will: ihren Staat! Jeder Nation ihren Staat mit eigener Regierung und eigenem Parlament; alle Nationen vereint im Reiche zu gemeinsamer Verwaltung des gemeinsamen Wirtschaftskörpers – nur auf dieser Grundlage ist eine Verfassung möglich, der die Nationen freiwillig zustimmen und die das Reich von dem Nationalitätenhader befreit.“83 Bauer hingegen, der Ende 1917 aus der Kriegsgefan-

Ebd. Robert A. Kann, Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918, 2 Bde. (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Ost 4, Graz – Köln 21964) II 162. 82 „So stellte der Brünner Parteitag von 1899 dem Zentralismus der deutschen Bourgeoisie und dem Kronländer-Föderalismus des Feudaladels und des in seinem Gefolge einhergehenden slawischen Bürgertums das Programm der Verwandlung Österreichs in einen Bundesstaat autonomer Nationen entgegen.“ Vgl. Otto Bauer, Die österreichische Revolution (Wien 1923) 52. 83 Zitiert nach Lajos Kerekes, Der Anschluß und die „Alternative“ der Donaukonföderation in der Aussenpolitik Otto Bauers in den Jahren 1918–1919; in: Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricae 19/3–4 (1973) 335–364, hier 338. 80 81

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genschaft zurückkehrte, betrachtete das sozialdemokratische Nationalitätenprogramm schon damals als überholt und wies darauf hin, dass den Tschechen und Polen, den Südslawen und Ukrainern die Autonomie nicht mehr genüge84. Das Brünner Nationalitätenprogramm war für ihn eine „revolutionäre Parole, als wir es 1899 dem Zentralismus der deutschösterreichischen Bourgeoisie und dem Kronländerföderalismus des Feudaladels entgegenstellten. Es war eine revolutionäre Parole, als wir es 1908 bis 1914 dem kriegerischen Imperialismus entgegenschleuderten. Es mochte allenfalls noch für eine revolutionäre Parole gelten, als die Partei es 1915 und 1916 der Oktroipolitik, den ‚Belangen‘ der deutschösterreichischen Bourgeoisie entgegenwarf. 1917 aber war es schon klar: Kommt die Revolution, dann wird die Umbildung der Monarchie zu einem Bundesstaat autonomer Nationen zur Parole der Konterrevolution werden (…)“85. Bauers Auffassung unterschied sich schon im Frühjahr 1918 wesentlich von der Renners. Als er Anfang Oktober 1918 für den Anschluss an das Deutsche Reich als einzig mögliche Form der Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker eintrat, fand er jedoch „in den führenden Kreisen der Partei keinen allgemeinen Beifall“86. Während Karl Seitz sich in der Reichsparteivertretung für den Umbau Österreichs im Sinne der alten Forderungen des Brünner Programmes aussprach, stellte Bauer am 11. Oktober 1918 den Antrag auf einen Anschluss an Deutschland, den der Parteivorstand als „verfrüht und der Entwicklung vorgreifend“ ablehnte87. Das änderte sich erst mit dem Parteitag am 1. November 1918, als die Ausrichtung auf den Anschluss zur offiziellen Parteilinie wurde. Das Verhalten der Sozialdemokraten im Krieg und in der Zwischenkriegszeit wurde später immer wieder kritisiert, so etwa vom Sozialphilosophen Norbert Leser. Seiner Ansicht nach hatte die Sozialdemokratie zwar bis zuletzt alles getan, „um das alte Österreich vor dem Untergang zu bewahren“, und sei daher auch nicht zu Unrecht als „k. k. Sozialdemokratie“ bezeichnet worden; die Absicht, „diese eigene Vergangenheit, die nicht in das Bild der von Otto Bauer stilisierten ‚österreichischen Revolution‘ paßte“, nach dem Untergang „vergessen zu machen und eine revolutionäre Kontinuität zu fingieren, die in Wahrheit fehlte“, habe nach 1918 zu „billigen Überkompensationen und Denunzierungen der Vergangenheit“ geführt88. 84 Vgl. Karl Mann (= Otto Bauer), Voraussetzungen der Internationale; in: Der Kampf 11/1 (Jänner 1918) 1–9, hier 2 f. 85 Bauer, Revolution 61. 86 Kerekes, Anschluß 338. Vgl. dazu auch Herbert Steiner, Otto Bauer und die „Anschlußfrage“ 1918/19; in: Plaschka, Mack (Hgg.), Auflösung 468–482. 87 Steiner, „Anschlußfrage“ 471. Fünf Jahre später schrieb Bauer, dass die „Masse der Arbeiterschaft“ damals dem Anschlussgedanken „noch kühl“ gegenübergestanden sei. „Erst der 9. November [Sturz Kaiser Wilhelms; Anm. U.H.] eroberte dem Anschlußgedanken die Arbeitermassen. Erst als das Kaisertum im Deutschen Reiche gestürzt war und eine sozialistische Regierung (…) die Macht ergriffen hatte (…) ward den Arbeitermassen der Gedanke verständlich, daß das große, hochindustrielle Reich dem Kampf um den Sozialismus weit günstigere Bedingungen biete als das kleine (…) zur Hälfte agrarische Deutschösterreich.“ Vgl. Bauer, Revolution 102. 88 Vgl. Norbert Leser, Grenzgänger. Österreichische Geistesgeschichte in Totenbeschwörungen, 2 Bde. (Wien – Köln – Graz 1981) I 70.

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Bauers widersprüchliche Haltung zum Krieg hat Ernst Hanisch in seiner Biographie dargelegt und Bauer vorgeworfen, dass er die Mitverantwortung der Sozialdemokratie am Krieg verschwiegen habe89, wenn er rückblickend schrieb: „Schon während der Annexionskrise 1908/09, schon während des Balkankrieges 1912 drängten führende Kreise der Christlichsozialen sowohl wie der Deutschnationalen zum Kriege. Als 1914 der Krieg kam, war es ihr Krieg.“90 Die „Furcht vor dem Siege des Zarats“ habe damals alle Klassen des deutschösterreichischen Volkes erfasst, „sie packte auch die deutschösterreichischen Arbeitermassen. (…) In den ersten Kriegsmonaten stand die deutschösterreichische Sozialdemokratie völlig im Banne dieser Massenstimmung. Ohne Vorbehalt stellte sie sich an die Seite der Mittelmächte. Ohne Vorbehalt stellte sie ihren Einfluß auf die Massen in den Dienst der Kriegführung.“91 Hanisch spricht von einer „vernichtenden Diagnose“, die auch Bauer selbst miteinschließt, der ein Manifest entworfen hatte, das am Tag der Mobilmachung, am 28. Juli, erschien und „den typischen Militärjargon auf das bürgerliche Leben übertragend“92, die Arbeiter und Arbeiterinnen aufforderte, zu zeigen, „daß es auch in unseren Reihen keine Fahnenflucht gibt! Daß auch die Männer des Klassenkampfes bis zum letzten Atemzug zu ihren Fahnen stehen!“93 Einer der wenigen innerhalb der Parteiführung, der diesem Pathos nicht erlag, war Friedrich Adler, der erklärte, dass in der österreichischen Sozialdemokratie „an Stelle der weltgeschichtlichen Tragik die Schande tritt“94. Noch 1917 hatte Bauer den Krieg gegen Russland und den Zarismus, den er als Hort der Reaktion betrachtete, verteidigt. Da der Krieg nun einmal ausgebrochen sei, sei es das Recht und die Pflicht der Arbeiter gewesen, ihr Vaterland zu verteidigen. Erst die Februarrevolution habe auch in Deutschösterreich das Denken der Massen revolutioniert. Die Furcht vor dem russischen Zarismus sei von der Begeisterung für die Russische Revolution abgelöst worden. Solange der russische Zarismus ungebrochen war, sei die Existenz der österreichisch-ungarischen Monarchie eine europäische Notwendigkeit gewesen; wäre sie zerfallen, wären die slawischen Staaten, die aus ihr entstehen mussten, unvermeidlich zu Vasallenstaaten Russlands geworden. „Der Sieg der russischen Revolution hat die nationale Revolution der Tschechen, Polen und Jugoslawen bis zum Kampf um die volle staatliche Selbständigkeit, um die vollständige Auflösung der Habsburgermonarchie vorwärtsgetrieben. Die Niederlage des deutschen Kaisertums hat dieser Revolution den Sieg gesichert. Solange das Deutsche Reich aufrecht 89 Vgl. Ernst Hanisch, Der große Illusionist. Otto Bauer (1881–1938) (Wien – Köln – Weimar 2011) 82. 90 Bauer, Revolution 50. 91 Ebd. 53. 92 Hanisch, Der große Illusionist 83. 93 Siehe dazu Arbeiter-Zeitung (Morgenblatt) vom 28. Juli 1914, 1. 94 Vgl. Hanisch, Der große Illusionist 81. Adler hatte in seiner Rede vor dem Ausnahmegericht am 18. Mai 1917 den „Geist der Prinzipienlosigkeit“ gegeißelt, der durch Männer wie Karl Renner – den „Lueger in der Sozialdemokratie“–, in die Partei gebracht worden sei, dessen „höchstes Prinzip der österreichische Staat“ sei und der mit „Argumenten der Demagogie seine wahre innerliche Überzeugung des Österreichertums verkleidet und in die Partei einschmuggelt als internationale Überzeugung“. Vgl. Johann W. Brügel, Friedrich Adler vor dem Ausnahmegericht – 18. und 19. Mai 1917 (Wien – Frankfurt – Zürich 1967) 98 f.

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stand, konnte Österreich nicht zerfallen; die deutsche Macht verbürgte Österreichs Bestand, weil sich Deutschland mittels der Deutschösterreicher und der Magyaren die slawischen und romanischen Völker der Monarchie in seiner Botmäßigkeit hielt.“95 Bauers Darstellung wurde von Fritz Fellner zurückgewiesen. In seinem Beitrag anlässlich einer 1968 abgehaltenen internationalen Konferenz in Wien räumte Fellner zwar ein, dass die kommunistische Revolution wie auch die militärische Niederlage der Zentralmächte „zweifellos wesentlich zur Beschleunigung der Auflösung der Habsburgermonarchie“ beigetragen hätten, die von Bauer entwickelte Kausalkette aber einer historischen Kritik nicht standhalten könne; sie sei „eine typische deutschösterreichische Interpretation des Geschehens, die auf äußere Faktoren abschieben will, was aus innerem Zerfall geschehen“ sei96. Eine Kritik der Sicht Bauers stehe daher noch immer aus – auf Seiten der Nachfolgestaaten deshalb, weil es in den letzten 20 Jahren ein Sakrileg gewesen wäre, die Bedeutung der Russischen Revolution für die Ereignisse des Jahres 1918 in Frage zu stellen, auf österreichischer Seite deshalb, weil hier nach wie vor die Ansicht vorherrsche, dass die Monarchie noch lange bestehen und ihre geschichtlich begründete Ordnungsfunktion im mitteleuropäischen Raum ausüben hätte können, wenn nicht der Krieg und die Niederlage gekommen wären. Fellner ortete „ein gewisses Maß von historischem Determinismus in jenen Auffassungen, die grundsätzlich historische Situationen als notwendig gegeben deklarieren“, wozu auch die immer wiederkehrende Auffassung zähle, dass die Habsburgermonarchie als Ordnungselement des zentraleuropäischen Raumes eine historische Notwendigkeit dargestellt habe – eine Ansicht, die Kleinwächter, wie erwähnt, als „geisthemmendes Schlagwort“ bezeichnet hatte97. Die Tatsache, dass diese Auffassung von zahlreichen europäischen Staatsmännern bis in die letzten Kriegsjahre vertreten wurde, bewies nach Auffassung Fellners noch nicht die Richtigkeit dieser Überzeugung, sondern „eher das Unvermögen konservativer Staatsmänner, die unterschwelligen Veränderungen rechtzeitig zu erkennen und das Ordnungssystem den Erfordernissen der geistig-gesellschaftlichen Wandlungen anzupassen“98. Fellner vertrat die Ansicht, dass der national-politische Zerfall des Reiches an der Wende von 1917/1918 schon viel weiter gediehen war, als selbst die Alliierten annahmen. Dazu kam Anfang 1918 noch ein weiteres Element der Auflösung, nämlich die sozialen Unruhen, die sich im Jänner-Streik ausdrückten. Der Zerfall Österreich-Ungarns habe sich schließlich als „innere Auflösung“ vollzogen, „ein innenpolitischer Prozeß, der durch die halbautoritären Regierungssysteme in Zis- und Transleithanien vor dem Ausbruch des Krieges verdeckt werden konnte und der in den ersten Kriegsjahren durch die strenge Militärherrschaft sogar über den Eindruck patriotischer Geschlossenheit verdrängt werden konnte“99.

Bauer, Revolution 111. Fritz Fellner, Der Zerfall der Donaumonarchie in weltgeschichtlicher Perspektive; in: Plaschka, Mack (Hgg.), Auflösung 32–43, hier 34. 97 Ebd. 34. 98 Ebd. 99 Ebd. 39. 95 96

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Eine ähnliche Argumentation findet sich auch in dem bereits Anfang der dreißiger Jahre veröffentlichten Werk des tschechischen Diplomaten und Historikers Jan Opočenský „Umsturz in Mitteleuropa“. Letzterer hat den Zeitpunkt der Entscheidung gegen die Monarchie auf den Frühling 1918 gelegt, als nahezu gleichzeitig alle Geheimverhandlungen mit Österreich ein Ende gefunden hatten100. Diese Wende in den Einstellungen der Alliierten gegenüber Österreich-Ungarn beruhte nach Opočenskýs Ansicht auf zwei ideologischen Strömungen: „der amerikanischen Lehre vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, von der neuen Demokratie, vom Völkerbund“, mit denen Präsident Woodrow Wilson in den Krieg eintrat, und „auf den revolutionären Einflüssen, die sich im Wirbel des Weltkrieges in der russischen Revolution herauskristallisiert hatten“101. Beide hatten ihren Anteil am Zerfall Österreich-Ungarns. Der Autor betonte insbesondere den großen Einfluss der Russischen Revolution auf die Verhältnisse in der Monarchie. Dieser Einfluss war ein zweifacher: Einerseits lieferte die Selbstbestimmungsthese der russischen Revolutionäre den unterdrückten Völkern der Monarchie ein neues Argument, das in seinen Konsequenzen gegen den Fortbestand der Monarchie gerichtet war; andererseits beeinflusste die Russische Revolution zweifellos die Streikbewegung im Jänner 1918 und revolutionierte auch die Arbeiterschaft. „Der Kampf gegen die ‚sozialpatriotischen‘ Führer der Sozialdemokratie ging zum Großteil auf die Agitation der russischen Revolutionäre zurück.“102 Auch Arthur May betont den Einfluss der Februarrevolution 1917 auf die Monarchie: „Not only did the Russian developments impart fresh impetus to the republican ideology in the Monarchy but they emboldened certain partisans of secession to believe that the goal of national fulfillment was much more than an iridescent dream“; darüber hinaus machte der Zusammenbruch des Zarentums die Monarchie „less essential as a protective shield for the rest of Europe“. Als noch wesentlicher betrachtet May die Machtergreifung der Bolschewiken, in deren Folge viele Kriegsgefangene nach Österreich-Ungarn heimgekehrt seien, „many of whom carried home or into military camps visions of radical social change“103. Abgesehen davon ist noch ein weiterer Punkt von Bedeutung, der in Zusammenhang mit den politischen Veränderungen in Russland und dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg zusammenhängt – es trat ein weltanschaulicher Aspekt in den Vordergrund: Während die Regierungen der Zentralmächte das autoritäre, unparlamentarische Regierungssystem repräsentierten, repräsentierte die nationale Opposition die Forderungen westlicher parlamentarischer Demokratie „und gewann damit im Laufe des Winters 1917/18 auch die Sympathien jener westeuropäischen Kreise, die für die rein nationalen Aspirationen wenig Verständnis gehabt hatten“104. Edward Crankshaw

100 Jan Opočenský, Umsturz in Mitteleuropa. Der Zusammenbruch Österreich-Ungarns und die Geburt der Kleinen Entente (Hellerau/Dresden 1931) 20. 101 Ebd. 34. 102 Ebd. 87. 103 May, Passing II 817. 104 Fellner, Zerfall 35.

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stellt die Ereignisse in Russland und den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten in einen unmittelbaren Zusammenhang. Solange die Entente eine absolutistische Autokratie einschloss (das Russland des Zaren Nikolaus II.) wäre es für David Lloyd George und Aristide Briand unmöglich gewesen vorzugeben, dass sie für die Demokratie und gegen die Autokratie kämpften105. Mit dem Verschwinden des Zaren hätte sich die Situation völlig geändert. Während jedoch die Briten und Franzosen „did not at first perceive their great good fortune“, da sie durch das eingetretene Vakuum im Osten verstört gewesen seien, hätten die Amerikaner dies sogleich erkannt: „America could now join in with a clear conscience. And this, three weeks later, she did, her passage being greatly eased by Germany’s announcement of her new policy of unrestricted submarine warfare.“106 George F. Kennan hat aufgezeigt, dass es nicht Präsident Wilson war, „who first advanced the interpretation of America’s war effort as a crusade for democracy and against absolutism, and connected this interpretation with the Russian Revolution“, sondern Außenminister Robert Lansing. Dieser hatte am 20. März 1917 in einer Kabinettssitzung Wilson darauf hingewiesen, dass die Revolution in Russland, „which appeared to be successful, had removed the one objection to affirming that the European war was a war between Democracy and Absolutism“107. 6. The „Secret Enemy“ Insgesamt sollte man sich, was die sich wandelnde Einstellung der alliierten und assoziierten Mächte im Hinblick auf Bestand bzw. Zerfall des Habsburgerreiches anlangt, keinen großen Illusionen hingeben – insbesondere über deren Prioritäten. „For the American President, his principal counsellors, and their counterparts in London and Paris what happened in mid-Europe seemed decidedly of secondary importance compared with the problem of Germany.“108 Wie Viktor Mamatey zeigte, hatte Wilson sein Interesse am Schicksal Österreich-Ungarns verloren, sobald klar war, dass es zu keinem

Edward Crankshaw, The Fall of the House Habsburg (London 1963) 414 f. Ebd. 415. 107 George F. Kennan, Russia Leaves the War (= Soviet-American Relations, 1917–1920, London 1956) 14 f. Wilson, so Lansing, habe zunächst gezögert und erklärt „that he did not see how he could speak of a war for Democracy or of Russia’s revolution in addressing Congress“, ließ sich jedoch letztlich von Lansing überzeugen, dass es möglich wäre „that he could do so indirectly by attacking the character of the autocratic government of Germany as manifested by its deeds of inhumanity, by its broken promises, and by its plots and conspiracies against this country. To this the President only answered ‘Possibly’“. Vgl. auch Robert Lansing, War Memoirs of Robert Lansing. Secretary of State (Indianapolis – New York 1935) 330–345, hier insbes. 343 f., zu Lansings Entwurf einer Deklaration nach der Machtergreifung der Bolschewiken, deren Friedensbestrebungen („even at the expense of national honor and the future safety of democracy in Russia“) der amerikanische Außenminister scharf kritisierte: „(…) it has been justly claimed that democracies sacredly perform their treaty obligations whatever the cost may be, that they are hostile to autocracy and are unswervingly loyal to nations which have befriended them in their time of need.“ 108 May, Passing II 820. 105 106

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Sonderfrieden kommen würde109. Und England war, wie A. J. P. Taylor schreibt, einzig mit dem Krieg gegen Deutschland beschäftigt „and thought of Austria-Hungary with the same affection as in the days when Kossuth had been a popular hero: in fact both the Habsburgs and the Hungarians were supposed to need ‘saving’ from Germany“110. Für Taylor war ein Friedensschluss nach der Schlacht bei „Tannenberg“ (Allenstein) jener Moment, der die Existenz der Habsburgermonarchie gerettet hätte, selbst wenn man Konzessionen gegenüber Russland und eventuell auch gegenüber Serbien hätte machen müssen: „Instead Austria-Hungary was ‘saved’ by Germany; this ‘saving’ marked the real end of the Habsburgs. They had offered a tolerable alternative to German rule; the alternative ceased to exist, when the Germans took over the military and political direction of Austria-Hungary.“111 Nach Ansicht Kenneth Calders war die britische Regierung, trotz der Präferenzen innerhalb des Foreign Office, hinsichtlich der Zukunft der Donaumonarchie indifferent. „Its survival or destruction would be equally acceptable to the government as long as the settlement in eastern Europe tended to promote peace and stability while not increasing German Power.“112 Ungeachtet der Indifferenz bzw. Neutralität folgte man strategischen Notwendigkeiten und hatte weitreichende Zugeständnisse an Italien und Rumänien gemacht113. Dennoch scheint man sich über die Konsequenzen dieser Zugeständnisse im Jahre 1915 und 1916 noch keine Gedanken gemacht zu haben. Erst im Verlauf des Krieges „the secret treaties turned out to be an albatross tied to the necks of Britain and France“, wie Harry Hanak114 schrieb; oder in Stephen Roskills Worten: „(…) the chickens hatched in the secret treaty of London came home to roost“115. Während Calder die Ansicht vertritt, dass man aufgrund dieser Verträge hätte annehmen müssen, dass die Monarchie derartige Amputationen nicht überleben würde, verweist Taylor darauf, dass die Alliierten zwar bereit waren, territoriale Amputationen am Reich vorzunehmen, die Habsburgermonarchie aber auch schon 109 „Since the basis of his Austrian policy (separate peace and federalism) had been upset, he, as was his wont when thwarted in his projects, reacted by ignoring the problem and simply let things drift.“ Vgl. Viktor S. Mamatey, The United States and the Dissolution of Austria-Hungary; in: Journal of Central European Affairs 10/3 (Oktober 1950) 256–270, hier 260. 110 A[lan] J. P. Taylor, The Habsburg Monarchy, 1809–1918. A History of the Austrian Empire and Austria-Hungary (Chicago – London [1948] 1976) 237. 111 Ebd. 233. 112 Kenneth J. Calder, Britain and the Origins of the New Europe 1914–1918 (= International Studies, Cambridge – London – New York – Melbourne 1976) 109. 113 Victor Rothwell spricht (hinsichtlich der Pläne gegenüber der Habsburgermonarchie) von einer „absence of fixed ideals“ und zeigt auf, dass vor allem Lloyd George und sein „Under-Secretary“ Robert Cecil noch Ende Mai 1918 die Hoffnung nicht aufgegeben hatten, die Habsburgermonarchie zu einem Separatfrieden bewegen zu können. Vgl. V[ictor] H[oward] Rothwell, British War Aims and Peace Diplomacy 1914–1918 (Oxford 1971) 159 f. und insbesondere 221–229. Die Änderung der britischen Politik nach dem Scheitern der Mission Philip Kerrs „was thus based on expediency and not on ideological conviction“. Ebd. 222. 114 Harry Hanak, The Government, the Foreign Office and Austria-Hungary, 1914–1918; in: The Slavonic and East European Review 47/108 (1969) 161–197, hier 166. 115 Stephen Roskill, Hankey. Man of Secrets, 3 Bde. (New York 1970–1974) I: 1877–1918 (1970) 378.

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früher solchen ausgesetzt gewesen wäre; territoriale Amputationen hätten die Existenz der Monarchie nicht bedroht, sondern eher anerkannt: „amputations“, so Taylor, „are not performed on the dead“116: „The Monarchy might survive the amputation of Roumanian, Serb, and Italian lands; independent Bohemia would kill it.“117 Aber es wäre nicht Tomáš G. Masaryk – „the heir of Metternich and the Habsburgs“ – gewesen, der die Monarchie zerstört hätte, sondern dies hätten die Deutschen und Magyaren besorgt. Masaryk habe nur eine Alternative geboten118. Paul Schroeder hingegen ist der Meinung, dass es vor allem Großbritanniens Schuld gewesen sei, dass Österreichs Position im Zentrum Europas untergraben wurde. Die Bedrohung für Österreichs Existenz sei in erster Linie eine europäische, keine innere Bedrohung gewesen; sie war hauptsächlich ein Produkt der Entente-Politik: „Of course there was no anti-Austrian plot. The British did not think of Austria as their enemy; they tried not to think of her at all.“ Die Briten hätten aber auch nicht die Konsequenzen bedacht, die die diversen Konzessionen, die sie Österreich-Ungarn abverlangten, in Bezug auf dessen Existenzfähigkeit gehabt hätten119. Zutreffend scheint in dieser Hinsicht die Feststellung des britischen Historikers Francis Roy Bridge, dass ungeachtet der entscheidenden Rolle, die Wien innerhalb der Ereignisse bis zum 1. August 1914 zugekommen war, die Donaumonarchie „unverzüglich in den Hintergrund rückte“, als der Weltkrieg dann tatsächlich ausgebrochen war. Während für Wien das Hauptziel während der Julikrise die Ausschaltung der serbischen Bedrohung war und der Krieg in erster Linie zur Verteidigung des Großmachtstatus der Monarchie geführt wurde, standen für die übrigen Großmächte weit größere Interessen auf dem Spiel, und Österreich-Ungarn bildete lediglich „ein höchst untergeordnetes Element“120. Das geht auch aus einem Brief Lloyd George’s an den französischen Premier Alexandre Ribot hervor, in dem er festhielt: „Wir wollen womöglich unsere Bemühungen auf die Niederwerfung der deutschen Militärmacht konzentrieren, keine der anderen Mächte fällt ins Gewicht.“121 Während des Weltkrieges veröffentlichte der britische Historiker Lewis Namier sein Buch „Germany and Eastern Europe“ in welchem er Österreich-Ungarn als „Germany’s Empire“ bezeichnete: „The Austro-Hungarian State gives Germany the power of disposing of the military resources of almost forty millions intensely hostile to the German nation.“122 Namier trat vehement für die Befreiung der nicht-deutschen Nationali-

Taylor, Habsburg Monarchy 237. Ebd. 239. 118 Ebd. 119 Paul W. Schroeder, World War I as Galloping Gertie: A Reply to Joachim Remak; in: The Journal of Modern History 44/3 (1972) 319–345, hier 341. 120 F[rancis] R[oy] Bridge, Die Außenpolitik der Donaumonarchie; in: Mark Cornwall (Hg.), Die letzten Jahre der Donaumonarchie. Der erste Vielvölkerstaat im Europa des frühen 20. Jahrhunderts (Essen 2004) 24–57, hier 47. 121 Lloyd George, David, Mein Anteil am Weltkrieg. Kriegsmemoiren, 3 Bde. (Berlin 1933–1936) II (1934) 438. 122 Lewis B. Namier, Germany and Eastern Europe (London 1915) 118. 116 117

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täten ein. Österreich-Ungarn „has committed an outrage on the nationalities inhabiting its land. Austria-Hungary has swelled the tide of German aggression and has almost doubled its forces. Its mere existence has raised the hopes of German Imperialism and widely extended the sphere of German influence“. Namiers Fazit lautete: „The Austro-Hungarian Monarchy must therefore cease to exist.“123 In einem 1921 veröffentlichten Beitrag für das neugegründete Institute of International Affairs, erklärte Namier mit Bezug auf die Reformversuche des Ministerpräsidenten Max Hussarek von Heinleins: „True reform within Austria-Hungary was impossible.“124 Hussarek hatte am 1. Oktober 1918 als Ministerpräsident im Reichsrat eine Rede zur Gesamtlage des Staates gehalten, die unter dem Eindruck des Waffenstillstandes Bulgariens mit den Alliierten stand. Damit sei, so erklärte Hussarek, für die Monarchie im Südosten zwar eine „ernste Lage geschaffen“ worden, aber „ich bin weit davon entfernt, diese Lage als eine kritische bezeichnen zu wollen“125. An der Balkanfront „stehen unsere Truppen Schulter an Schulter mit Deutschen und bewahren auch dort wieder herrlich und in Treue das festgefügte Bündnis, das auch in Zukunft allen Proben des Schicksals unerschütterlich standhalten wird“. (Die letzten Worte gingen, wie das Protokoll vermerkt, in Los-von-Deutschland-Rufen und anhaltenden Zwischenrufen unter.) Die Stunde für Friedensverhandlungen werde kommen, so der Ministerpräsident weiter, und er sehe dieser mit Ruhe und Festigkeit entgegen. Das ganze Ausmaß der Realitätsverweigerung Hussareks geht aus seiner Aufforderung hervor, nicht angesichts der Sorgen für die nächsten Zeiten die Aufgaben der Zukunft zu vergessen, in welcher man sich nach Erringung des äußeren Friedens mit der „Bestellung unseres Hauses“ befassen müsse: „Sein Bau hat bleibend wertvolle Fundamente, aber er erheischt gebieterisch eine Ausgestaltung und eine Erneuerung. Wir können uns der Erörterung und Lösung des Autonomieproblems der Völker nicht länger entschlagen.“126 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Vereinigten Staaten am 3. September 1918 den tschechischen Nationalrat in Paris als Defacto-Regierung der Tschechoslowakei anerkannt hatten – womit, wie Taylor schreibt, „the alternative to the Habsburgs was [thus] in existence before the formal dissolution of the Habsburg Monarchy“127. Namier bezeichnete die Rede Hussareks, als „the last ,Noodle‘s‘ Oration of the Austrian bureaucracy“128, eine Rede, mit welcher Hussarek allenfalls einen Schulwettbewerb hätte gewinnen können. „What a sense of time!“, schrieb Namier: „In October 1918 the Austrian Government proposed to prepare to face the task of careful preliminary work on initiating the difficult application of a ‘fruitful principle’ of internal reconstruction.”129

Ebd. 125 f. Lewis Namier, The Downfall of the Habsburg Monarchy [1921]; in: Ders., Vanished Supremacies. Essays on European History 1812–1918 (London 1958) 112–175, hier 138. 125 Protokoll der Sitzung des Hauses der Abgeordneten, XII. Session, 84. Sitzung vom 1. Oktober 1918, 4294. 126 Ebd. 4299. 127 Taylor, Habsburg Monarchy 247. 128 Namier, Downfall 140. 129 Ebd. 141. Hervorhebung U. H. 123 124

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Schon Monate zuvor hatte die amerikanische Administration, unter Federführung von Außenminister Robert Lansing, mit der Deklaration vom 29. Mai 1918 eine definitive Wende vollzogen130, die – wie Lansing in einem Memorandum vom darauffolgenden Tag erklärte – durch die Publikation des Sixtusbriefes und den anschließenden Canossagang Kaiser Karls nach Spa herbeigeführt wurde. Damit seien alle Chancen auf einen Separatfrieden mit Österreich-Ungarn gefallen131. Zusätzlich hatte die Sixtusaffäre auch innenpolitisch „disastrous effects“132. Robert Lansing wies in seinen 1935 erschienenen „War memoirs“ darauf hin, dass die Tatsache, dass Präsident Wilson in seiner Kriegserklärung an das Deutsche Reich vom 2. April 1917 Österreich-Ungarn ausnahm, nicht nur den in seiner Rede vorgebrachten Grund hatte – Wilson hatte unter anderem erklärt, die österreichisch-ungarische Regierung „has not actually engaged in warfare against citizens of the United States on the seas“133 –, sondern dass dahinter eine noch wichtigere Absicht lag. Man wollte durch diese offensichtliche Unterscheidung zwischen den Zentralmächten für die Wiener Regierung eine „atmosphere of not unfriendly interest“ schaffen und einen Keil zwischen die Verbündeten treiben. Im Falle eines Erfolges könnte man so Österreich-Ungarn dazu bringen, einen Separatfrieden zu schließen, und damit den Krieg früher beenden. Lansing berichtet in seinen Memoiren von einer Unterredung mit dem Botschafter Graf Adam Tarnowski Anfang Mai 1918, der erklärte, dass die Alliierten darauf abzielten, Österreich-Ungarn aufzuteilen, woraufhin Lansing erwiderte, dass er nicht daran glaube, dass es so weit kommen werde. Er machte den Botschafter darauf aufmerksam, dass es lediglich um die Unabhängigkeit Polens gehe – „but Austria will never be absorbed, unless it is by one power, and that is Germany. Your real danger lies there.“134 Die Tatsache, dass sich Kaiser Karl nach der sogenannten Sixtusaffäre den Deutschen in Spa ausgeliefert hatte – „like a trussed chicken“, wie Arthur May bemerkt135–, hat nach Ansicht vieler die ursprüngliche Hypothese unterminiert, dass die Donaumonarchie als Gegengewicht zu Deutschland unverzichtbar sei. Wie Victor Mamatey nachwies, hat Lansing erst nach der Affäre Clemenceau–Czernin erklärt, man müsse nun eine geänderte Politik einschlagen. Lansing war verärgert über die Dummheit Clemenceaus. Seiner Meinung nach bestand danach keine Möglichkeit mehr, Kaiser Karl, der den Frieden um jeden Preis gesucht habe, zu einem Separatfrieden zu bewegen.

130 Mamatey, United States 269 f., spricht von einer „definitive American volte-face on the Austrian question“. 131 Ebd. 264. 132 Vgl. dazu C[arlile] A[ylmer] Macartney, The Habsburg Empire, 1790–1918 (London – New York 1969) 829: „The German national politicians saw themselves betrayed by the Monarch himself, and their loyalties moved yet further to the Reich. The Christian Socials and Clericals, on the contrary, being loyal to the Dynasty, found prospective relationship with Germany intolerable, and saw their only hope of salvation in breaking away quickly. The Social Democrats, who wanted nothing but peace, concluded that only the break-up of the Monarchy could bring it.“ 133 Lansing, War Memoirs 245. 134 Ebd. 254. 135 May, Passing II 815.

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Dies führte letztlich auch zur Deklaration vom 29. Mai 1918136, die nach Einschätzung Mamateys weitreichende Folgen hatte. Es sei „a fact not without significance“, dass Großbritannien, Frankreich und Italien, obwohl sie sowohl längere als auch engere Beziehungen mit den Repräsentanten der Nationalitäten gehabt hätten, „had demurred at giving their movements open recognition until receiving a lead from Washington.“137 Außerdem habe die Deklaration sich als weit bindendere Zusage herausgestellt, als dies von Lansing beabsichtigt gewesen sei. Lansing – selbst Jurist – habe in der Deklaration jede Vorsichtsmaßnahme getroffen, um nicht alle Brücken für eine Verständigung mit Österreich-Ungarn abzureißen, sollte sich doch noch eine solche Möglichkeit ergeben: „However, the American public hailed the declaration with great sympathy, and a retreat became increasingly impossible.“138 Dass Lansings Warnung gegenüber Tarnowski keinesfalls ohne Grundlage war, hat Arthur Kogan in einem Beitrag zur Genese des Anschluss-Problems in den 1960er Jahren aufgezeigt. Demnach hätten der deutsche Botschafter in Österreich Botho von Wedel und führende Militärs sich im Oktober 1918 intensiv mit der Situation der Monarchie befasst. In Bezug auf das Völkermanifest hatte Wedel erklärt, damit sei die Revolution legitimiert. Das Manifest gebe den Deutschösterreichern die Möglichkeit, einen deutschen Staat ohne Loyalitätsbruch zu errichten. General Erich Ludendorff hatte am 14. Oktober 1918 an Staatssekretär Wilhelm Solf geschrieben, dass man in nicht allzu ferner Zukunft möglicherweise daran denke müsse, den militärischen Schutz auf die Deutschen in Österreich auszudehnen139. Gary W. Shanafelt schreibt im Vorwort zu seinem Buch „The Secret Enemy“, dass Österreich-Ungarn während des Weltkrieges in eine Situation geraten sei, in welcher die Kriegsziele des stärkeren Partners die eigene Existenz gefährdet hätten – „it itself became a war aim of its ally“140. Auch Francis Roy Bridge wies darauf hin, dass, als die Monarchie 1914 an der Seite ihres ungleich stärkeren Verbündeten in den Krieg eintrat, zu befürchten war, dass die Existenz der Monarchie als unabhängige Großmacht nicht so sehr durch den Feind als durch den Bundesgenossen in Frage gestellt würde. Die Monarchie stand, vielleicht zum ersten Mal – und zwar mehr noch im Falle eines Sieges als einer Niederlage –, der Gefahr gegenüber, ihre Unabhängigkeit innerhalb des europäischen Staatensystems

136 Mamatey, United States 264; bezugnehmend auf den Kongress der unterdrückten Völker in Rom, der im April 1918 stattfand, erklärte der Außenminister, dass „the nationalistic aspirations of the CzechoSlovaks and Jugo-Slavs for freedom have the earnest sympathy of this government“. Vgl. das Memorandum Lansings vom 12. April 1918, Lansing, War Memoirs 267 ff. 137 Mamatey, United States 269. 138 Ebd. 269. Vgl. auch Rothwell, British War Aims 228. Noch Anfang September 1918 notierte Robert Cecil: „Our recognition of the Czechs was very carefully worded and though it would undoubtedly be consistent with the dismemberment of Austria it does not in fact bind us to that solution.“ 139 Arthur G. Kogan, Genesis of the Anschluss Problem: Germany and the Germans of the Habsburg Monarchy in the autumn of 1918; in: Journal of Central European Affairs, Vol. XX/1 (April 1960) 24–50, hier 24 f. 140 Gary W. Shanafelt, The Secret Enemy: Austria-Hungary and the German Alliance, 1914–1918 (New York 1985) vii f.

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zu verlieren. Aber nicht nur die Bindung an das Deutsche Reich war nach Ansicht Bridges verhängnisvoll, noch stärker habe es sich ausgewirkt, dass die Monarchie sich „infolge dieser Bindung von den anderen Großmächten Europas isoliert hatte, die während der letzten hundert Jahre im Allgemeinen ein Interesse an ihrer Erhaltung gehabt hatten“141. Bridges Zugang steht laut Alan Sked für die „British tradition of Habsburg scholarship“, die die Habsburgermonarchie vor allem „from its position as a great power“ betrachte, während österreichische und amerikanische Historiker „lay much greater emphasis on the ‚Primat der Innenpolitik‘“142. In dieser Tradition steht auch A. J. P. Taylor, für den die Habsburgermonarchie letzten Endes nicht „a device for enabling a number of nationalities to live together“ war, sondern „an attempt to find a ,third way‘ in Central Europe which should be neither German nor Russian. Once the Habsburgs became Germany’s satellites in war they had failed in their mission. Their doom was of their own making“143. Für Taylor war die Habsburgermonarchie entweder eine Großmacht – oder eben nichts144; hätte sie den Krieg gegen andere Großmächte überlebt, wäre es auch nicht zur nationalen Desintegration gekommen. Ähnlich argumentiert auch Solomon Wank, indem er in der Position der Habsburgermonarchie als Großmacht „the sole justification for its existence“ sieht, „even though it lacked the requisite political and economic conditions“145. Die Akzeptanz der Position als eine mittlere Macht – „which would have accorded with perceptions of it within the European Concert“ – hätte jedoch Folgen innerhalb des Europäischen Konzerts mit sich gebracht und wurde abgelehnt, weil sie auch nach innen die falschen Signale ausgesandt hätte. Die Bestimmung des Herrschers und seiner Berater, die Reputation als Großmacht aufrechtzuerhalten, sei es schließlich gewesen, die sie, wie 1859 und 1866, auch 1914 die Lösung im Krieg suchen ließ146. 7. „Doomed to collapse?“ Die zentrale Frage der historiographischen Befassung mit dem Untergang der Habsburgermonarchie bestand stets darin, ob das Reich zum Untergang verurteilt war bzw. ob und wann es eine Möglichkeit gegeben hätte, diesen Untergang noch zu ver-

141 Francis Roy Bridge, Österreich(-Ungarn) unter den Großmächten; in: Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch (Hgg.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918 VI/1: Die Habsburgermonarchie im System der internationalen Beziehungen (Wien 1989) 196–373, hier 365 f. 142 Alan Sked, Historians, the Nationality Question, and the Downfall of the Habsburg Empire; in: Transactions of the Royal Historical Society 5/31 (1981) 175–193, hier 191. 143 A. J. P. Taylor, The Failure of the Habsburg Monarchy; in: Ders., Europe: Grandeur and Decline [1950] (Harmondsworth 1974) 127–132, hier 132. 144 Ebd. 131: „The Habsburg monarchy was a Great Power or it was nothing. If it could have survived in war against other Great Powers it would not have undergone national disintegration.“ 145 Solomon Wank, The Habsburg Empire; in: Karen Barkey, Mark von Hagen (Hgg.), After Empire. Multiethnic Societies and Nation-Building. The Soviet Union and the Russian, Ottoman, and Habsburg Empires (Boulder, Colo. – Oxford 1997) 35–57, hier 52. 146 Ebd. 52.

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hindern. Die Frage nach der Lebensfähigkeit des Habsburgerreiches drehte sich dabei lange Zeit vor allem um die sogenannte „Nationality Question“, die – wie Alan Sked schreibt – als „life-or-death issue for the Monarchy“ wahrgenommen wurde147. In einem jüngst erschienenen Beitrag hat John Deak darauf hingewiesen, dass die Nachkriegsordnung die Ziele der „anti-Habsburg wartime propaganda“ erfüllte, „which was designed to encourage all non-Germans in Austria-Hungary to break away from the Imperial State“148. Nach dem Krieg hätten ehemalige Mitarbeiter von „Crewe House“, der Propaganda-Abteilung des „War Office“, zu denen unter anderem auch Henry Wickham Steed und Robert W. Seton-Watson zählten149, in ihren historischen Arbeiten diese Politik zu rechtfertigen versucht: „In many ways, Seton-Watson, like Steed, directed postwar historiography to focus on the joint Austro-German and Hungarian oppression of other national groups. In the long term, such stories justified the birth of the nationstates themselves, dovetailing nicely with the ,prison of the peoples‘ metaphor that had been fed to the English-speaking world and directed against Habsburg citizens during the war.“150 Zu dieser Gruppe zählte auch der bereits zitierte Lewis Namier, der während des Krieges in der Abteilung für politische Aufklärung im britischen Außenministerium beschäftigt war. Nach dem Krieg lehrten sowohl Steed als auch Seton-Watson am King’s College in London. Basierend auf einer „Lewis Fry Memorial Lecture“ an der Universität Bristol im Jahre 1936 erschien im selben Jahr Steeds Buch „The Doom of the Hapsburgs“. Der Titel des Buches, so Steed in seinem Vorwort, „is meant to convey the idea that the ancient Empire of the Hapsburgs, which went to pieces in October 1918, was fated or doomed to destruction and that its peoples and even its Head, while conscious of the fate which hung over them, were unable or unwilling to avert it“151. Anders als noch im Jahre 1913152 betrachtete Steed im Rückblick den Untergang der Habsburgermonarchie Sked, Historians 175. John Deak, The Great War and the Forgotten Realm: The Habsburg Monarchy and the First World War; in: Journal of Modern History 86/2 (Juni 2014) 336–380, hier 338. 149 Rothwell weist darauf hin, dass „the arch-foes of the Monarchy remained without a foothold in the Foreign Office until the setting up of the Political Intelligence Department in 1918“. Demnach habe Außenminister Arthur Balfour keinerlei Sympathien für Steeds „fervently anti-Hapsburg attitude“ gehabt und Lord Alfred Northcliffe mitgeteilt, dass „a decision in favour of propaganda promising liberation would not be given unless all hope of coming to terms with Vienna was seen to have vanished“. Robert Cecil schrieb im November 1917, dass Steed und seine Freunde „believe in nationality as if it were a religion“, und dass sie diesen Aspekt der europäischen Politik von einem „crusading point of view“ aus betrachten würden. „I recognize, of course, that we must do all we can for the Poles and the Yugoslavs and the Czechs, but I must add that I cannot look forward with much enthusiasm to the success of our efforts.“ Vgl. Rothwell, British War Aims 118, 159, 167. 150 Deak, Great War 341. 151 Wickham Steed, The Doom of the Hapsburgs (Based upon the Lewis Fry memorial Lectures Bristol University, 1936) (London 1936) vii. 152 Sein 1913 erschienenes Werk „The Hapsburg Monarchy“ hatte Steed noch in der Hoffnung auf den Fortbestand der Monarchie abgeschlossen: „If the Hapsburg Dynasty is to retain the power it has hitherto wielded and, while remaining indispensable to its own peoples, to become a centre of attraction and a symbol of good government to peoples outside its dominions, it must rise superior to the lower expediency 147 148

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als unvermeidbar; der Krieg habe den Untergang nur beschleunigt. Außerdem hätten der Krieg und der Untergang die „unterjochten“ („subjugated“) Völker von deren antimoderner Politik befreit. Unter dem Druck der Unabhängigkeitsbestrebungen der Völker der Monarchie „which were encouraged by President Wilsons’s statements of war aims, the Hapsburg Monarchy exploded, and exploded from within, in October, 1918. To speak of its having been dismembered from without is a chronological and psychological error. If, in a sense, it had appealed to the sword and by the sword had perished, its fate was determined in advance by the persistent unmorality of the dynastic principle which its rulers alone respected“153. Diese von Seton-Watson und Steed vorgegebene „long decline thesis“ haben Historiker wie Oscar Jászi und C. A. Macartney erst auf eine profunde Basis gestellt, „making it seem much less like the propaganda from which it originated“154. Während Jászi auf die wachsende nationale Desintegration, hervorgerufen durch die „centrifugal forces“ verwies, datierte Macartney, dessen Buch vierzig Jahre später erschien, den Beginn des Untergangs mit einem exakten Datum. Als Wendepunkt nennt Macartney den 28. Jänner 1790: „On that day Joseph II, who had pushed absolutism and centralization further than any of his predecessors (…) signed a Rescript revoking the bulk of the measures which he had imposed in Hungary since his mother’s death. In this historic document Joseph admitted that the advance of centralism and absolutism had been pushed beyond the line which it could hold, and with that admission the retreat, in fact, began.“155 Der territorialen Ausdehnung sei nun ein Rückzug gefolgt, in welchem ein Außenposten nach dem anderen verloren wurde. Gleichzeitig seien die Kräfte des Absolutismus und Zentralismus in die Defensive gedrängt worden, bis sich zuletzt die Völker der Monarchie mit deren äußeren Feinden verbündet hätten und nicht nur den Charakter der Regierung des Monarchen zurückgewiesen hätten, sondern dessen Regierung insgesamt. Die Bedeutung der Periode zwischen 1790 und 1815 hat auch Adam Wandruszka hervorgehoben, der erklärte, dass die „Todesahnungen und Reformpläne“ im Kaisertum zur gleichen Zeit eingesetzt hätten, als man begann, „den Gegensatz zwischen dem Lebensprinzip, ja der Existenz der Österreichischen Monarchie und den liberalen und nationalen Zeittendenzen zu empfinden“; dies sei im Wesentlichen die Zeit „nach der tiefen Zäsur der Französischen Revolution und der napoleonischen Epoche“ gewesen156. Für Wandruszka bieten sich in der Zeitspanne zwischen 1790 und 1815 verschiedene Daten als Zäsur an. Als Biograph Leopolds II. nennt er jedoch das Jahr 1792 „mit dem represented by the line of least resistence, and comprehend the perennial efficacy of the higher expediency represented by the principle of Justice.“ Vgl. Henry Wickham Steed, The Hapsburg Monarchy (London 1913) 295. Vgl. auch Peter Schuster, Henry Wickham Steed und die Habsburgermonarchie (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 53, Wien – Köln – Graz 1970) 123–160. 153 Steed, Doom of the Hapsburgs 94 f. 154 Deak, Great War 342. 155 Macartney, Habsburg Empire 1; vgl. ders., The House of Austria: the Later Phase, 1790–1918 (Edinburgh 1978) 1. 156 Adam Wandruszka, Finis Austriae? Reformpläne und Untergangsahnungen in der Habsburger Monarchie; in: Mayer (Hg.), Ausgleich 112–123, hier 113.

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plötzlichen Tod Kaiser Leopolds II., dem Regierungsantritt seines Sohnes Franz und dem Ausbruch des Krieges zwischen Österreich und dem revolutionären Frankreich“ als entscheidende Wende. Wandruszka sah die vielfältigen – von Robert A. Kann dokumentierten – Reformpläne, vom Kremsierer Entwurf bis hin zum Völkermanifest Kaiser Karls, als Ergebnis der „Untergangsahnungen“ und der Sorge um den Fortbestand des Reiches. Gleichzeitig rief er dazu auf, die Geschichte in ihrer „Schicksalshaftigkeit und Unaustilgbarkeit, das ‚tragische Element in der Geschichte‘ (…) anzunehmen und sich nicht von der erregenden Frage des ‚was wäre geschehen, wenn?‘“ zu einer „Geschichte in Irrealis“ verlocken zu lassen157. Ähnlich hatte sich Gerald Stourzh auf dem Österreichischen Historikertag in Linz im September 1967 geäußert und erklärt, dass es an der Zeit sei, nunmehr den Blick darauf zu richten, „was realisiert wurde, auf das, was nicht nur in Reformplänen vorhanden war, sondern in geltendes Recht umgesetzt wurde“158. Robert A. Kanns 1950 erschienenes zweibändiges Werk „The Multinational Empire“159 ist der von Stourzh und Wandruszka angesprochenen Tradition zuzurechnen und bot ein „compendium of failed reform ideas“160. Der erste Band des Werkes behandelt die nationalen Probleme im Habsburgerreich vom Gesichtspunkt der einzelnen Volksgruppen aus sowie die allgemeinen rechtlichen und politischen Konzepte in Bezug auf Österreichs nationale und verfassungsmäßige Gliederung. Der zweite Band beinhaltet, chronologisch geordnet, die Darstellung der verschiedenen Vorschläge zur Reform des Reiches von der Revolution 1848 bis zum Jahr 1918. Kann setzte sich nicht nur mit dem magyarischen Nationalismus auseinander, den er für den verhängnisvollsten Totengräber der Monarchie hielt, sondern übte auch Kritik an der Verengung des deutsch-österreichischen Standpunktes, der – von wenigen Ausnahmen abgesehen –, das liberale Lager weit hinter das Verständnis zurückgeworfen habe, das man in Kremsier den Forderungen der nichtdeutschen Nationalitäten entgegengebracht hatte. Die Auflösung des Reichstages von Kremsier sei „eine der folgenschwersten und verhängnisvollsten Handlungen“ gewesen, „die ein österreichisches Ministerium je begangen habe“161. Zwar geht Kann nicht so weit zu behaupten, dass es die letzte Möglichkeit für eine Lösung der Nationalitätenfrage in Österreich gewesen sei, aber es bestand für ihn kein Zweifel daran, dass eine Einigung unter der Zustimmung der Völker in einer Zeit des verhältnismäßigen Liberalismus viel größere Erfolgsaussichten gehabt hätte als in den folgenden Jahrzehnten eines schrankenlos wachsenden Nationalismus.

Ebd. 112. Gerald Stourzh, Probleme des Nationalitätenrechts in der Donaumonarchie, 1867–1918; in: József Varga (Hg.), Donauraum – gestern, heute, morgen. Vorträge und Diskussionsbeiträge des V. Internationalen Seminares (= Schriftenreihe des Europahauses Wien 5, Wien – Frankfurt/Main – Zürich 1967) 129–157, hier 130. 159 Robert A. Kann, The Multinational Empire. Nationalism and National Reform in the Habsburg Monarchy, 1848–1918, 2 Bde.; I: Empire and Nationalities, II: Empire Reform (New York 1950). Die zweite, erweiterte Auflage erschien 1964 in zwei Bänden in deutscher Sprache. 160 Deák, Great War 343. 161 Kann, Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie II 45. 157 158

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Kann führte aus, dass jeder in den letzten Jahrzehnten der Existenz Österreichs, wenn nicht sogar jeder seit der entscheidenden Niederlage von 1866 unternommene größere Versuch einer Reform „die ernstesten Gefahren einer inneren Revolution und, dadurch bedingt, eines Einschreitens von außen und des darauffolgenden Zerfalles mit sich gebracht hätte“162. Derartige während des Krieges unternommene Reformmaßnahmen hätten diese Folgen praktisch unausweichlich gemacht. Die Schlussfolgerung sei daher eindeutig: „Nur wenn es Österreich gelungen wäre, den äußeren Frieden zu erhalten, hätte es die verhängnisvollen Folgen einer solchen Intervention, die von Rußland und seinen Satelliten, mittelbar aber auch von Deutschland drohte, vermeiden können.“ Aufgrund der europäischen Bündnissysteme von 1914 hätten der Friede mit Russland und der Verzicht auf einen Appell an das deutsche Bündnis gleichzeitig auch den Weltfrieden bedeutet. „Unter solchen friedlichen Verhältnissen hätte eine vorsichtige und doch liberale österreichische Nationalitätenpolitik, welche die der Verwaltung im Rechtsstaat gegebenen Möglichkeiten voll ausgenützt hätte, vielleicht erfolgreich sein können.“163 Er behaupte nicht, so Kann, dass der Friede unbedingt erhalten hätte werden können, aber die Behauptung, der Krieg sei unvermeidlich gewesen, sei ebenso wenig überzeugend. Die Resonanz des Werkes war überwältigend; es erschienen mehr als drei Dutzend Rezensionen, unter ihnen auch von Oscar Jászi sowie von Friedrich Engel-Janosi – auf die Kritik Engel-Janosis replizierte Kann persönlich in der „American Historical Review“. Eines der Hauptargumente Engel-Janosis bestand darin, dass Kann das Nationalitätenproblem und vor allem die Reformpläne losgelöst von deren Verbindung mit den internationalen Problemen des Reiches betrachtet habe – „such an ,isolationist‘ approach is in my eyes not permissible in nineteenth-century Continental European history“164. In seiner Replik auf Kanns Replik blieb Engel-Janosi bei seinem Standpunkt: „Professor Kann (…) does not give the impression of being aware of the importance of the centuries-old trends that connected the Habsburg Empire with the West: a late seventeenth-century saying referred to the casa d’Austria as the basis of all Christendom.“ Engel-Janosi hielt Kann auch die Vernachlässigung des supranationalen Charakters von Armee, Adel und Kirche vor. Kann zeige wenig Geduld mit jenen, die versuchten, das Nationalitätenproblem zu lösen und auf diese Weise eine Revolution zu verhindern. Kann stimmte in seiner Antwort zu, dass der Fortbestand der Monarchie gemessen an der darauffolgenden Situation vorzuziehen sei, ganz zu schweigen von den derzeitigen Bedingungen, fügte aber hinzu: „I consider the empire’s dissolution at the end of World War I as regrettable but inevitable while, at least as far as the domestic crisis is concerned, Dr. Engel-Janosi feels the breakdown of 1918 could have been prevented.“165 Engel-Janosi verteidigte die Legitimität des Standpunktes, dass man vom 19. Jahrhundert aus betrachtet auch annehmen konnte, dass die nationalistische Welle wieder

162 163 164 165

Ebd. 304. Ebd. Vgl. The American Historical Review 57/ 2 (Jänner 1952) 588–592, hier 592. Ebd. 591.

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abflauen würde und das Reich, wenn es ihm gelänge, bis dahin ihrem Ansturm standzuhalten, seine nationalen Probleme hätte lösen können. Diese Auffassung war nach Ansicht Kanns durchaus legitim, ja sogar rational, da sonst sämtliche Versuche einer Reform sinnwidrig gewesen wären, ebenso wie der Versuch, sie unter dieser Voraussetzung zu analysieren. Der Punkt sei jedoch, dass der Historiker diese Probleme analysiere, nachdem die Ereignisse gezeigt hätten, dass das Reich dem Ansturm nicht standhalten konnte. „In the face of this overwhelming factual evidence it can hardly be denied that within the variety of reasons which led to the Austrian tragedy of 1918 the force of national disintegration played a decisive part.“166 Mehr als zwanzig Jahre später erschien Kanns Werk „A History of the Habsburg Empire“167, dessen deutsche Übersetzung 1990 folgte. Darin vertrat Kann die Ansicht, dass die grundlegenden Ursachen für die Auflösung des Reiches nicht von außen kamen, sondern aus ihm selbst hervorgingen168. Österreich-Ungarn habe, indem es sich zum Krieg mit Serbien entschloss und auf diese Weise aus Angst vor dem Tode Selbstmord beging, seine einzige Möglichkeit zu überleben verspielt, nämlich mit Hilfe der Zeit selbst. Ohne den Krieg hätte der Niedergang wahrscheinlich durch verschiedene Konstellationen in der internationalen Politik verlangsamt oder möglicherweise sogar zum Stillstand gebracht werden können. Als jedoch „der gebrechliche Körper“169 des Reiches in den Krieg eintrat, sei seinem Bestand eine Zeitgrenze gesetzt worden, und zwar bis zur militärischen Entscheidung. Aber selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eingetreten und ein Verständigungsfrieden erreicht worden wäre, sei es eine Illusion zu glauben, dass ein geschwächtes Habsburgerreich, dem dann die Unterstützung eines starken Deutschlands gefehlt hätte, ebenso viel Aussicht gehabt hätte, zu überleben, als wenn es niemals zu den Waffen gegriffen hätte. Die Ursachen des Zerfalls seien in der Heimat zu suchen und vom Ausland nur gefördert worden170. A. J. P. Taylor begrüßte Kanns Versuch einer Analyse des nationalen Problems sowie der Aussöhnung des Nationalismus mit dem supranationalen Staat. Er bezeichnete Kanns Werk als eindrucksvoll, aber eher unkritisch171. Taylor sah darin weniger eine Analyse, sondern vielmehr eine „Anatomie“. Er konzedierte dem Werk zwar einen ungeheuren Materialreichtum, aber insgesamt „his book illustrates the modern delusion that if only we know enough facts we shall arrive at the answer“172. Dies treffe insbesonEbd. Robert A. Kann, A History of the Habsburg Empire, 1526–1918 (Berkeley – Los Angeles 1974). 168 Robert A. Kann, Geschichte des Habsburgerreiches 1526 bis 1918 (= Forschungen zur Geschichte des Donauraumes 4, Wien – Köln 1990) 464. 169 Diese Ausdrucksweise – die Rede vom „gebrechlichen Körper“ – weist auf eine Sichtweise hin, die Pieter Judson jüngst in die Tradition der „Pathologisierung“ der Habsburgermonarchie einreihte; unter Hinweis auf die Nationalitätenkonflikte wurde die Habsburgermonarchie bereits zu Kriegsbeginn als am Abgrund taumelnd und kurz vor dem Kollaps stehend dargestellt. Vgl. Pieter M. Judson, The Habsburg Empire. A New History (Cambridge, Mass. – London 2016) 12. 170 Ebd. 465. 171 Vgl. Taylor’s Rezension zu Robert A. Kann’s „Multinational Empire“ unter dem Titel: The Failure of the Habsburg Monarchy [1950]; in: Taylor, Grandeur and Decline 127 f. 172 Ebd. 128. 166 167

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dere auf den ersten Band „Empire and Nationalities“ zu, in welchem Kann versuche, das nationale Problem darzustellen. Es sei ihm jedoch nicht gelungen, die Oberfläche der unterschiedlichen Phasen des Nationalismus zu durchdringen und die Gründe für das Aufkommen der letzten und entscheidenden Phase des sogenannten Massennationalismus zu erfassen; er akzeptiere die Konsequenzen, ohne die Gründe zu verstehen. Er mache nicht einmal den Versuch, die Zahl der Unterstützer der nationalen Bewegungen zu den verschiedenen Zeitpunkten zu schätzen173. Zum zweiten Band des Werkes, „Empire and Reform“, stellte Taylor fest, dass dieser auf der Annahme beruhe, dass das Reich ein multinationales gewesen sei, es habe sich jedoch um ein supranationales Reich gehandelt: „Nations can perhaps co-operate if they have a common loyalty to bind them together; (…) The Habsburgs had once provided the common loyalty; in the nineteenth century they failed to do so any longer, and it was this Habsburg failure, not the rise of the nationalities, which doomed their Empire.“174 Angesichts der Darstellung der unterschiedlichen Reformversuche im zweiten Band und des Fehlens einer vorangehenden Diagnose stellte sich für Taylor die Frage: „What is it they were trying to solve?“ Man habe allgemein angenommen, dass die nationale Frage eine Frage der Administration sei, d. h. die Menschen seien zufrieden, wenn man ihnen nur genügend Beamte, Lehrer und Richter ihrer Sprache zur Verfügung stelle. Das zeige sich am Beispiel Ungarns. Zweifellos wäre die autonome lokale Administration in den Komitaten das Geheimnis des Erfolges Ungarns in der Abwehr der habsburgischen Übergriffe gewesen. Tatsächlich sei Ungarn im Dualismus jedoch ein zentralisierter moderner Staat geworden und die Komitate nur eine leere Form – zur gleichen Zeit als im Rest des Reiches die Zentralisation der lokalen Autonomie zuliebe geschwächt wurde. Letztlich sei die nationale Frage keine Frage von Schulen und Regierungsbeamten, sondern eine Frage der Macht. Den Menschen ginge es darum, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen: „(…) in a national State this leads them to resist kings and emperors and to demand democracy. In a multinational State they resist the rule of other nationalities as well.“175 An dieser Stelle ist auf die unterschiedliche Struktur der beiden „Reichshälften“ zu verweisen. Während Ungarn einen Nationalstaat mit nationalen Minderheiten darstellte, war Österreich/Cisleithanien, wie Gerald Stourzh in seinen Arbeiten gezeigt hat, mit seinen entwickelten Rechtsschutzeinrichtungen gegen Verfassungs- und Gesetzesverletzungen der Behörden „eine der am höchsten entwickelten Rechtsschutzeinheiten

173 In diesem Zusammenhang sei Pieter Judsons 2006 erschienenes Buch „Guardians of the Nation“ erwähnt, das neue Wege des Denkens und Schreibens über den Nationalismus in Zentraleuropa bietet und – wie John Deak feststellte – schon aufgrund seines Beispiels dazu auffordert, eine Neubewertung der Anschauungen hinsichtlich der Gegebenheiten von Nationalisierung vorzunehmen. Vgl. Pieter M. Judson, Guardians of the Nation. Activists on the Language Frontiers of Imperial Austria (Cambridge, Mass. – London 2006). Vgl. auch die Rezension John Deaks zu Judsons Buch: H-Net Reviews, Jänner 2008: https:// networks.h-net.org/node/19384/reviews/19869/deak-judson-guardians-nation-activists-language-frontiersimperial (10. 3. 2015). 174 Vgl. Taylor, Failure 131; vgl. auch Stanley B. Winters, The Forging of a Historian: Robert A. Kann in America, 1939–1976; in: Austrian History Yearbook 27–28 (1981–82) 3–24, hier 14–16. 175 Taylor, Failure 130.

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Europas im Zeitalter vor dem Ersten Weltkrieg“176. Als Folge des Postulats der nationalen Gleichberechtigung der österreichischen Dezemberverfassung entwickelte sich auch die Idee der nationalen Autonomie, der Autonomie der Volksstämme, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts als Weg zur Befriedung der ethnischen und sprachlichen Konflikte die Diskussion beherrschte. Der Ausgleich in Mähren 1905 und jener in der Bukowina 1909 zeigen, dass der Volksstamm, „die Nation im ethnisch-sprachlichen Sinn, als konstituierender Faktor der cisleithanisch-österreichischen Staatlichkeit“ in den Vordergrund trat177. Stourzh hat auf die bedenklichen Folgen dieses Primats der nationalen Autonomie hingewiesen, und bereits im Jahre 1914 schrieb der Rechtswissenschaftler Rudolf von Herrnritt, dass der Weg der Befriedung durch Trennung letztlich „zur Entfremdung der Volksstämme untereinander, und was noch schlimmer ist, gegenüber dem einheitlichen Staatsgedanken“ führe178. Auf der im Jahre 1966 stattfindenden Konferenz an der University of Indiana zum Thema „The Nationality Problem in the Habsburg Monarchy in the Nineteenth Century“, deren Ergebnisse 1967 in drei Bänden des „Austrian History Yearbook“ veröffentlicht wurden, leitete István Deák seinen abschließenden Kommentar zum Abschnitt „The Ruling Nationalities“ damit ein, dass er die Angemessenheit des Titels in Zweifel zog und feststellte, er sei überzeugt, dass der damit vorgegebene Gegenstand weder gerechtfertigt noch stichhältig sei. Er behaupte, dass es keine dominanten Nationalitäten in der österreichisch-ungarischen Monarchie gegeben habe. „There were only dominant classes, estates, institutions, interest groups, and professions.“179 Deák ging es vor allem darum zu zeigen, dass Nationalitätenkonflikte nicht in einem Vakuum stattfinden, sondern in einem größeren Kontext von Klassen- und Gruppeninteressen. Die noch von der Nationalitätenfrage bzw. der Frage nach den integrierenden und desintegrierenden Kräften beherrschte Konferenz in Indiana folgte in gewisser Weise dem Bild einer „krisenbehafteten graduellen Erosion des multiethnischen Imperiums“180, das wirtschaftlich unterentwickelt und durch zahlreiche Nationalitätenkonflikte geschwächt letztlich im Krieg zusammenbrach. Das Narrativ der „Krise“ und der teleologischen Entwicklung hin zum Untergang prägte über lange Zeit die Darstellungen zur Geschichte der Habsburgermonarchie. Die in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren erschienenen „general histories“ folgten, wie Gary B. Cohen schreibt, „contemporary historiographical trends in giving more attention to society,

176 Vgl. dazu Gerald Stourzh, Die dualistische Reichsstruktur, Österreichbegriff und Österreichbewusstsein 1867–1918 [1991]; in: Gerald Stourzh, Der Umfang der österreichischen Geschichte. Ausgewählte Studien 1990–2010 (= Studien zu Politik und Verwaltung 99, Wien – Köln – Graz 2011) 105–124, hier 119 f. 177 Ebd. 121. 178 Vgl. ebd. 122–124. Das Zitat Herrnritt ebd. 123. 179 István Deák, Comments; in: Austrian History Yearbook (1/1967) 303–308, hier 303. 180 Vgl. Tobias Brinkmann: Review of Reifowitz Ian, Imagining an Austrian Nation: Joseph Samuel Block and the Search for a Supraethnic Austrian Identity, 1846–1918; in: H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. November 2004: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004–4–145.pdf (20. Februar 2015)

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economic development, and culture than had earlier works, but their portraits of politics in the late imperial period perpetuated the narrative of growing conflict and systemic paralysis“. Zu diesen Darstellungen zählte er auch Macartneys „The Habsburg Empire, 1790–1918“ sowie Kanns „A History of the Habsburg Empire, 1526–1918“. Beide Arbeiten hätten den Fokus auf den wachsenden Stillstand der Parteipolitik und die fruchtlose parlamentarische Tätigkeit in Wien und Budapest nach 1900 gelegt, um die Unfähigkeit der Monarchie, die kritischsten Fragen der Zeit zu lösen, aufzuzeigen: „For all their wealth of detail, one will find little in these books on how local governements functioned or what the provincial diets did when they were in session and only somewhat more about what the central ministries accomplished in many areas of justice and civil administration.“181 Neuere Forschungen hätten jedoch gezeigt, dass im späten 19. Jahrhundert durchaus größere Möglichkeiten für einen evolutionären Wandel in der Beziehung zwischen Gesellschaft und Regierung vorhanden gewesen wären, insoferne „popular political formations developed and penetrated significant parts of the state, particularly the communal, district, and provincial institutions, and increasingly captured the attention of ministerial authorities on various domestic issues“182, auch wenn diese Form der politischen Modernisierung wie auch in anderen sich entwickelnden Gesellschaften nicht notwendig eine erfolgreiche Entwicklung der Demokratie „tout court“ bedeutet habe. 8. „Decline and Fall – Fall without Decline?“ Seit den frühen 1990er Jahren stieg das Interesse an der Habsburgermonarchie vor dem Hintergrund des Zusammenbruches des kommunistischen Osteuropa, der Sowjetiunion und des Vielvölkerstaates Jugoslawien an. Die Ereignisse des Jahres 1989 führten, wie Solomon Wank feststellte, in den ehemaligen Ländern des Habsburgerreiches zu einer „surprising nostalgia“ gegenüber der Monarchie und Kaiser Franz Joseph: „In 1989, the current head of the former ruling dynasty, Otto von Habsburg, was enthusiastically, even tearfully, cheered when, after the fall of the Communist regime, he returned to Budapest to meet members of the Hungarian parliament“183. Im Vorwort seines 1990 erschienenen Werks „Beyond Nationalism“ erwähnt István Deák, geboren 1926 in Ungarn, dass die Jugend, die in den 1930er Jahren in Ungarn heranwuchs, mit einer auch damals noch immer vorhandenen Nostalgie konfrontiert war, die sich rund um die Habsburgermonarchie rankte. „We lived and breathed the monarchy and the war. Our schoolbooks taught us that Austria-Hungary had been a marvelously strong, happy, and peaceful place, in which one could travel hundreds upon hundreds of miles without a passport, though the Austrian half of Austria-Hun-

181 Gary B. Cohen, Neither Absolutism nor Anarchy: New Narratives on Society and Government in Late Imperial Austria; in: Austrian History Yearbook 29 (1998) 37–61, hier 41. 182 Ebd. 61. 183 Solomon Wank, The Nationalities Question in the Habsburg Monarchy: Reflections on the Historical Record (= Working Paper 93–3, April 1993) unpaginiert, hier [1].

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gary had really been a foreign country to us Hungarians, and the Austrians not truly our friends (…). And finally, we were told that Hungary had been a great and sovereign kingdom within Austria-Hungary, and that it had suffered a terrible injustice after 1918 (…).“184 Erst mit der Errichtung der kommunistischen Herrschaft in Ungarn um 1948 habe eine Neubewertung der habsburgischen Geschichte und der Geschichte des Weltkrieges eingesetzt. Zu dieser Zeit verließ István Deák Ungarn in Richtung USA185. Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und im Vergleich mit den autoritären und kommunistischen Regimes der Nachfolgestaaten neigten manche Historiker/ innen – wie z. B. George F. Kennan – zu der Ansicht, dass die österreichisch-ungarische Monarchie eine weit bessere Lösung der verwickelten Probleme dieses Teils der Welt anzubieten hatte als irgendeines ihrer Nachfolgeregimes186. Auch István Deák vertrat die Ansicht, dass die Jahre nach 1918 keine Änderung zum Besseren gebracht hätten: „The postwar successor states, which claimed to be based on national self-determination but were in reality almost all multinational states, showed little of the ethnic indifference of the emperor and the Habsburg army. Their economic weakness, social troubles, and mutual hatreds gave birth to a series of tragedies from which the peoples of the region have yet to recover.“187 Angesichts der jüngsten Veränderungen in Ostmitteleuropa (1990) hielt es Deák für nützlich, das habsburgische Experiment zu studieren, das durch eine integre Verwaltung, zahllose Freiheiten, wirtschaftlichen Fortschritt und das Fehlen politischer Grenzen gekennzeichnet gewesen sei. Es ging ihm darum, das politische Dilemma deutlich zu machen, das durch den Wegfall der Monarchie hervorgerufen wurde. Zweifellos, so Deák, könne die Monarchie nicht mehr wiedererrichtet werden, da dem modernen westlichen Lebensstil nichts fremder wäre als ein Hof und eine Armee als Verfechter feudaler Werte; dennoch erschien es ihm wichtig darauf hinzuweisen, dass nunmehr, wo man sich in Westeuropa mit der Idee eines allmählichen Verschwindens der Nationalstaaten anzufreunden beginne, es der Erwähnung wert sei, dass die Nationalstaaten Mittel- und Ostmitteleuropas keineswegs eine lange, sondern vielmehr erst eine sehr kurze Geschichte hätten: „Two hundred years ago, there was not a single nation-state in the region, and one hundred years ago, only a few.“188 Zum eigentlichen Gegenstand seines Werkes, der habsburgischen Armee, stellte Deák fest, dass diese stets ganz offen und aktiv jeden Ausdruck von Nationalismus ablehnte189 184 István Deák, Beyond Nationalism. A Social and Political History of the Habsburg Officer Corps, 1848–1918 (New York – Oxford 1990) vii f. Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel: Der K. (u.) K. Offizier 1848–1918 (Wien – Köln – Weimar 1990). 185 John Rath hat darauf hingewiesen, dass ein großer Teil des amerikanischen Schrifttums, das sich mit dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie befasste, von Historikern „europäischer Abstammung“ geschrieben wurde. Sie seien entweder selbst in Europa aufgewachsen oder Kinder und Enkel europäischer Einwanderer. Neben Oscár Jászi zählten dazu auch Robert A. Kann und der in Prag aufgewachsene Hans Kohn. Vgl. John Rath, Das amerikanische Schrifttum über den Untergang der Monarchie; in: Plaschka, Mack (Hgg.), Auflösung 236–245. 186 Vgl. George F. Kennan, The Decline of Bismarck’s European Order. Franco-Russian Relations, 1875–1890 (Princeton 1979) 423. 187 Deák, Beyond Nationalism 9. 188 Ebd. 189 Ebd. 21.

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und dass es gerade die Offiziere waren, die die habsburgische Armee bis 1918 zusammenhielten190. Die grundlegende Frage, die die Historiographie zur Habsburgermonarchie bzw. zu deren Untergang beschäftigt, war und ist jene, „inwieweit Österreich-Ungarn im frühen 20. Jahrhundert ein lebenskräftiges oder im Sterben liegendes Gebilde war und welches die lang- und kurzfristigen Faktoren gewesen sind, die 1918 seinen Zusammenbruch verursacht haben.“191 Alan Sked bezeichnete in seinem 1989 erschienenen Buch „The Decline and Fall of the Habsburg Empire 1815–1918“ die Geschichte der Habsburgermonarchie als einen integralen Teil der Geschichte Europas, die mehr sei als deren zaghaftes Echo. In einer Zeit, in der sich Europa, wenn auch noch so zaghaft, um Vereinigung bemühe, beraube man sich einer wichtigen Erkenntnisquelle, wenn man die Geschichte des größten übernationalen Reichs in Europa zur Bedeutungslosigkeit herabwürdige192. Gerade angesichts der jüngsten Debatten über europäische Bürokratie, über ein zweigeschossiges Europa und das Bedürfnis nach einer unabhängigen Position sei es schwer, nicht an habsburgische Themen erinnert zu werden – an den Josephinismus, den Dualismus und die Monarchie als europäische Notwendigkeit: „The European idea, in short, recalls the Austrian one, the so-called österreichische Staatsidee.“193 Im Falle der Monarchie von „Decline and Fall“ zu sprechen hält Sked, ungeachtet des Titel seines Buches, für irreführend – „it fell, because it lost a major war. Yet almost until the very end of that war there was no question but that it would survive, even if it failed to secure victory“194. Sked hält es nicht für erwiesen, dass das Nationalitätenproblem für den Fall der Monarchie verantwortlich war. Die wirklichen Schwächen vor 1914 seien militärischer und finanzieller Art gewesen, nicht anders als im 19. Jahrhundert. Entscheidend sei jedoch, dass das Habsburgerreich zunächst und vor allem eine „Hausmacht“ gewesen sei, deren „raison d’être“ darin bestand, den politischen Ambitionen desjenigen Herrschers, der es gerade geerbt hatte, eine Machtbasis zu bieten. Dessen Pflicht sei es gewesen, dafür zu sorgen, dass kein Territorium verlorenging bzw. in diesem Falle für Ersatz zu sorgen. Da es sich um verschiedenartige Gebilde handelte, musste der Herrscher auch die Identifikation mit einer bestimmten Gruppe vermeiden195 – und diesem Ziel war am besten durch Schaffung oder Wiederherstellung eines zentralisierten, geeinten Staatswesens nahezukommen, das vom Herr-

Ebd. 4. Mark Cornwall, Einleitung; in: Cornwall (Hg.), Die letzten Jahre 13–23, hier 18. 192 Alan Sked, The Decline and Fall of the Habsburg Empire, 1815–1918 (London – New York 1989) 2 f. Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel: Der Fall des Hauses Habsburg. Der unzeitige Tod eines Kaiserreichs ([Köln] 2006) 46. 193 Sked, Decline 3. 194 Ebd. 264. 195 Ebd. 264 f. Vgl. auch Redlich, Kaiser Franz Joseph 227 f., der darauf hinwies, dass die Selbstherrschaft des jungen Kaisers ihn daran gewöhnte, „die Völker seines Reiches niemals anders denn als Objekte seiner Regierung anzusehen“, und er kein Interesse besaß, „was ihre Besonderheiten betraf (…). Er wußte nur, daß sie sich im Heeresdienste miteinander gut vertragen, weil sie dort ‚niemand aufhetzte‘ und weil sie dort ‚parieren‘ mußten.“ 190 191

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scher mit der Armee und der Bürokratie regiert wurde196. Die Auflösung des Reichs war nach Ansicht Skeds nicht von den Alliierten veranlasst worden, die im Gegenteil bis zuletzt gehofft hätten, das Reich könne bestehen bleiben. Die Auffassung, mit der Monarchie sei es zwischen 1867 und 1914 kontinuierlich abwärts gegangen und sie habe sich bei Ausbruch des Krieges am Rande des Zusammenbruches befunden, der Erste Weltkrieg habe nur das Unvermeidliche besiegelt, lehnt Sked ab197 und findet sich damit in Widerspruch zu Solomon Wank, der in Skeds Werk „a number of apparent contradictions“ ausmachte198. Wank befasste sich vor allem mit der Auffassung, dass die Habsburgermonarchie als Model für supranationale Organisationen dienen könne, und stellte die Frage, ob überhaupt, und wenn ja, welche positiven Lehren aus der Habsburgermonarchie gezogen werden könnten; weiters warf er die Frage auf, ob das Nationalitätenproblem tatsächlich der Hauptgrund für die Desintegration gewesen sei bzw. „[w]hat was the role of the dynasty and the imperial structure in the empire’s collapse?“199 Wank gestand zwar zu, dass die früheren negativen Beurteilungen der Habsburgermonarchie als „Völkerkerker“ übertrieben gewesen seien und dass diese viele fortschrittliche, kreative und humane Errungenschaften hervorgebracht habe. Historiker wie David Good, John Komlos und Richard Rudolph hätten gezeigt, dass die Monarchie keineswegs ein ökonomisch hoffnungslos rückständiges Reich gewesen wäre und bis 1914 beeindruckende wirtschaftliche Fortschritte gemacht habe, aber: „The point here is that positive economic and social achievements are not always synonymous with political success. Indeed, one of the chief conclusions drawn from my ruminations is that the collapse of the Habsburg monarchy was more than anything else, the result of the political failure of its imperial structure.“200 Für Wank ist der Untergang der Monarchie bereits in ihrer Struktur als Empire angelegt. Schon Mitte der 1880er Jahre hatte der damalige Außenminister Gustav Graf Kálnoky in einem Memorandum zur Nationalitätenfrage unter anderem erklärt: „Seit den ersten Zeiten der Vereinigung des habsburgischen Länderbesitzes hat sich die Monarchie mehr im Sinne einer Macht als im Sinne eines Staates entwickelt. Der Machtwillen nach Aussen war erkennbarer, als der Staatswillen nach Innen.“201 Wank Sked, Decline 265. Sked spricht in diesem Zusammenhang von „misplaced determinism“, vgl. ebd. 187. 198 „Can the monarchy in 1914 be described as politically stable and the nationality problem as attenuated when the constitutions of Croatia and Bohemia were suspended in 1912 and 1913 respectively, and the Reichsrat was sent packing in March 1914? Was the Habsburg army in the First World War really ,a praiseworthy and effective fighting machine‘ (p. 263), when ,practically every battle fought unaided by the Germans was lost‘ (p. 262)? If the idea of ,decline’ is impermissible, what are we to make of ‘a creeping disease of national disintegration’ (p. 229)? Can one talk of victory assuring the survival of the monarchy when it would have meant its reduction to a military and economic appendage of Germany, ,with little future as an independent state’ (p.259)?“ Vgl. die Rezension von Solomon Wank zu Alan Sked, The Decline and Fall of the Habsburg Empire 1815–1918; in: Central European History 26/1 (1993) 123–125, hier 124. Ebd. 125–127 auch seine Rezension zu F. R. Bridges Werk: The Habsburg Monarchy among the Great Powers. 199 Wank, Nationalities Question [2]; vgl. auch Ders., The Habsburg Empire 35–57. 200 Wank, Nationalities Question [3]. 201 Vgl. Barbara Jelavich, Foreign Policy and the National Question in the Habsburg Empire: A Memorandum of Kálnoky; in: Austrian History Yearbook 6–7 (1970–1971) 142–159, hier 147. 196 197

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argumentiert, dass „the lack of a coherent Staatsidee“ sich aus der Art und Weise ableitet, wie Imperien entstehen, und zwar „by transforming distinct societies with autonomous institutions and regional elites into politically subordinate civil societies“202. Er stützt sich hierbei auf die Arbeiten von Alexander Motyl, der den Untergang der Habsburgermonarchie mit jenem des Sowjetimperiums vergleicht. Motyl vertritt die Ansicht, dass „imperial decay must be“: „Empires decay as empires when the relationship of dominance, control, and hegemony between center and periphery is no longer stable. Decay sets in, not when the relationship has been terminated (that would be imperial collapse), but when the absolute power of the center over the periphery can no longer be effectively maintained and the periphery can, and does, act contrary to the will of the center.”203 Wie Motyl204 geht auch Wank davon aus, dass die politische Einheit des Imperiums „despite the development of some institutions of centralization and a standing army (…) was tenuous“205. Zwar habe man zwischen 1740 und 1848 energisch eine Politik des zentralistischen Absolutismus verfolgt und sich bemüht einen modernen autokratischen Staat zu schaffen, doch nach der Revolution von 1848 und unter dem Druck der modernisierenden Kräfte den Kurs geändert. „In order to ensure the prolongation of their empire in increasingly difficult political circumstances, the Habsburgs inadvertently sponsored a degree of pluralism and diversity while continuing to rule over a hierarchical and undemocratic state.”206 Um ihre Besitzungen zu erhalten, meint Wank, hätten die Habsburger nunmehr den Nationalismus „in a limited sense“ anerkannt, aber selbst diese begrenzte Dezentralisierung „led to the formation of constituencies among the nationalities that vied with the imperial center in Vienna for power and delegitimized the supranational imperial ideology“ – und beschleunigte so letztlich den Niedergang. Das offensichtlichste Beispiel einer begrenzten Anerkennung des Nationalismus sieht Wank im Ausgleich von 1867, den der Herrscher mit der ungarischen Oligarchie schloss. Der Ausgleich habe der Monarchie auf fünfzig Jahre eine „trügerische Stabilität“ verschafft, jedoch um den Preis der Entfremdung der Slawen, mit Ausnahme der Polen. Die „divide and rule“-Strategie des Kaisers sei jedoch kontraproduktiv gewesen, indem sie die nationalen Eliten gestärkt und das Feuer der nationalen Rivalitäten angefacht habe. Zudem sei die supranationale Ideologie durch die Tatsache geschwächt worden, dass „the Habsburgs ruled in a national sense in favour of the Germans and Magyars“207. Der Ausgleich war nach Ansicht von Dennison Rusinow die Antwort auf die „ungarische Frage“ und ließ andere Aspekte der nationalen Frage unbeantwortet208. Anders Wank, Habsburg Empire 49. Vgl. Alexander J. Motyl, From Imperial Decay to Imperial Collapse: The Fall of the Soviet Empire in Comparative Perspective; in: Richard L. Rudoph, David F. Good (Hgg.), Nationalism and Empire. The Habsburg Empire and the Soviet Union (New York 1992) 15–43, hier 18 f. 204 Ebd. 21. 205 Wank, Habsburg Empire 50. 206 Ebd. 50. 207 Ebd. 208 Vgl. Dennison Rusinow, Ethnic Politics in the Habsburg Monarchy and Successor States: Three „Answers“ to the National Question; in: Rudolph, Good (Hgg.), Nationalism and Empire 243–267, hier 251–256. Rusinow bezeichnet den Ausgleich als die „Austro-Hungarian strategy“. 202 203

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als Ungarn, das nach 1867 die Strategie „of deliberate nation building through a combination of domination, assimilation, and exclusion“ gewählt habe, sei dieses Modell für die „österreichische Hälfte“ der Monarchie nicht praktikabel gewesen und auch nie versucht worden. Zwar sei Deutsch die Sprache des Kaisers, der Aristokratie, Bürokratie und Armee gewesen und manche Deutsche Österreichs hätten davon geträumt, eine Germanisierung nach magyarischem Vorbild durchzuführen, aber dies wäre aus demographischen, historischen und politischen Gründen niemals möglich gewesen, da „the Austrian half actually had a Slavic majority“: „With such an ethnic stalemate, the Austrian half of the Empire inevitably remained stubbornly non-national in an age of nationalism.“209 Daher habe man es mit der Methode des Ausspielens der Nationalitäten gegeneinander versucht. Rusinow weist aber auch darauf hin, dass überraschend wenige selbst der eifrigsten Nationalisten die formale Auflösung der Monarchie gefordert hätten, da sie sich der Vorteile der Zugehörigkeit zu dieser – „and the disadvantages of a ,Balkanization‘ of Central Europe“ – bewusst gewesen wären. Vielmehr hätten sie ausgeklügelte, meist föderale Pläne für eine Rekonstruktion und „Demokratisierung“ des Reiches entwickelt, die in Richtung einer lokalen Autonomie gingen. Vereinzelt war dies auch gelungen – wie das Beispiel des Mährischen Ausgleichs zeigt. In anderen Fällen aber scheiterten diese Versuche am Gegensatz von „ethnischen“ und „historischen“ Prinzipien – wie etwa in Böhmen und der Steiermark. Dass die Versuche einer Lösung dieser Problematik scheiterten, ist für Rusinow ein Beweis „of the blind alley in which ninenteenth-century European thinking about community definition found itself when the nation-state was generally accepted as the only legitimate focus of loyalty“. Selbst wenn eine Übereinkunft über ein Zusammenleben in einem multinationalen Staat auf der Basis der „ethnic autonomy“ bestand, konnten die administrativen Einheiten „only be thought of as sub-nation-states, within which a national definition of community must be applied“210. In einem 1991 erschienenen Beitrag stellte Gerald Stourzh fest: „The recent ,explosion of ethnicity‘ in parts of Central Europe – though part and parcel of a liberating process from totalitarian domination – awakens ominous memories of the past (…).“ Stourzh zeigt, wie sich die „Feststellung“ der Nationalität allmählich von der subjektiven Bekenntnisebene auf die objektive Zuschreibung vollzog. Noch im Jahre 1881 hatte der Verwaltungsgerichtshof bei der Feststellung der Nationalität auf das subjektive Bekenntnis verwiesen; um 1910 war diese freie Wahl neuen Interpretationen gewichen, „which stressed the ,objective‘ principle of determining ethnic attribution – in doubtful cases even by means of administrative investigation“ – wie etwa in Mähren 1911. Das Konzept von „racial“ or „race“, wie es in den Friedensverträgen aufgenommen wurde, führte 1921 in Kombination mit der „objektiven“ Zuschreibung der ethnischen Zugehörigkeit zu einer „most unfortunate decision“ des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofes, „turning down the request of a national of Jewish extraction from Galicia in imperial Austria to opt for the Republic of Austria on the basis of his

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,German‘ ethnic membership“211. Der Begriff der „nationalen Autonomie“ wurde, wie Stourzh an anderer Stelle schreibt, „the great battle cry in the decade prior to the outbreak of World War I“212. Stourzh spricht von einer „Ethnisierung der österreichischen Politik“213. Das Programm der „nationalen Autonomie“, gedacht als Mittel, um den nationalen Kampf zu mildern führte letztlich zu einer Überbetonung des „Ethnischen“. In einem weiteren Beitrag aus dem Jahre 2011214 setzt sich Stourzh mit einem Forschungsansatz jüngerer nordamerikanischer Historiker auseinander, die den Begriff der „national indifference“ als neuen Forschungsbegriff für die Geschichte Mittel- und Osteuropas propagieren und auf eine Historiographie abzielen, die das Nationalismus-Paradigma hinter sich lässt. Der Artikel beschäftigt sich vor allem mit einem Essay Tara Zahras in der „Slavic Review“, in welchem Zahra die Ansicht vertritt, dass die bisherige Forschung den „Völkerkerker“ der Habsburgermonarchie perpetuiere, indem sie individuelle Indifferenz gegenüber der Forderung nach nationaler Eindeutigkeit übersehe. Diese Indifferenz sichtbar zu machen „enables historians to better understand the limits of nationalization and thereby challenges the nationalist narratives, categories, and frameworks that have traditionally dominated the historiography of eastern Europe“215. Historiker/innen könnten gegenüber dem Nationalstaat und seinem Einfluss in der modernen Geschichte zwar nicht „indifferent“ sein, aber „we can attempt to capture those moments when its grip on both the individual and society was less than absolute. In the process, perhaps we can finally rescue the citizens of Habsburg central Europe form the ‘prison of nations’ once and for all“216. Pieter Judson hat in seiner Studie „Guardians of the Nation“ deutlich gemacht, dass ein großer Teil der Bevölkerung der ländlichen Gebiete Cisleithaniens um 1900 sich einer nationalen Zuordnung entzog. „Czech and German agitators in rural parts of the Bohemian Lands complained well

211 Vgl. Gerald Stourzh, Problems of conflict resolution in a multi-ethnic state: Lessons from the Austrian historical experience, 1848–1918; in: Uri Ra’anan, Maria Mesner, Keith Armes, Kate Martin (Hgg.), State and Nation in Multi-Ethnic Societies. The Breakup of Multinational States (Manchester – New York 1991) 67–80, hier 76 f. 212 Gerald Stourzh, The Multinational Empire Revisited: Reflections on Late imperial Austria (Robert A. Kann Memorial Lecture [1989]); in: Austrian History Yearbook 23 (1992) 1–22, hier 18. 213 Ebd. 214 Gerald Stourzh, The Ethnicizing of Politics and ,National Indifference‘ in Late Imperial Austria; in: Ders., Der Umfang der österreichischen Geschichte. Ausgewählte Studien 1990–2010 (= Studien zu Politik und Verwaltung 99, Wien – Köln – Graz 2011) 283–323. 215 Vgl. Tara Zahra, Imagined Noncommunities: National Indifference as a Category of Analysis; in: Slavic Review 69/1 (Spring 2010) 93–119, hier 94. 216 Ebd. 119. Stourzh weist die Kritik Zahras, dass selbst die jüngste Historiographie zur Habsburgermonarchie noch immer der nationalen Perspektive verhaftet sei, zurück: „(…) there may be interpretations of the nationality problem that followers of the ,national indifference‘ school may label however they wish – but a ,national‘ or even nationalistic perspective they will not find there.“ Stourzh verweist auf Arbeiten von Robert A. Kann, Richard Plaschka, Moritz Csáky, Helmut Rumpler und auf die Beiträge in der Reihe „Die Habsburgermonarchie 1848–1918“ sowie auf die Arbeiten von Emil Brix, Hannelore Burger, Peter Haslinger und Thomas Winkelbauer. Anstelle des statischen Begriffs der „national indifference“ zieht Stourzh den Begriff „national flexibility“ vor, der von Pieter Judson stammt. Vgl. Stourzh, Ethnicizing of Politics 299, 302; Judson, Guardians 5.

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into the twentieth century that even ostensibly partriotic members of rural nationalist associations continued to engage in child exchanges with their neighbors despite the dangers of ,Germanization‘ or ,Czechification‘ that nationalists believed such choices would incur.“217 Indem sie sprachlich gemischte Regionen als „language frontiers“ konstruierten und sie als Hauptaustragungsort nationaler Konflikte imaginierten, hätten die nationalistischen Aktivisten versucht, eine nationale Polarisierung der ländlichen Bevölkerung herbeizuführen. Darüber hinaus habe man die eigenen nationalistischen Bestrebungen mit dem staatlichen Modernisierungsprogramm in Beziehung gebracht, die nationale Indifferenz als Widerstand gegen die Kräfte des Fortschritts dargestellt. Wesentlich war aber, dass diese nationalistischen Bewegungen, ob radikal oder moderat, darin wetteiferten, ihre Loyalität gegenüber dem Kaiser zu demonstrieren, und dass ihre Kämpfe nicht auf territoriale Unabhängigkeit ausgerichtet waren, sondern auf die Verbesserung ihrer Position innerhalb des multinationalen Reiches218. Die lange Zeit vorherrschende Auffassung, dass die Habsburgermonarchie an ihrer Unfähigkeit, die nationalen Aspirationen ihrer Völker zu befriedigen, gescheitert sei und angesichts der internen Krisen, insbesondere nach 1890 und somit bereits vor Ausbruch des Weltkrieges, ein „failed state“ war und der Krieg letztlich dazu diente, ihren Status als Großmacht zu erhalten und gleichzeitig den Herausforderungen der nationalen Bewegungen entgegenzuwirken, wurde durch neuere Forschungen relativiert. Gegenüber der Fokussierung auf Themen des Niedergangs und der Desintegration wurde von John Boyer bereits Anfang der 1980er Jahre darauf hingewiesen, dass es ebenso gerechtfertigt wie angemessen sei, all jene Erscheinungen, und seien sie noch so marginal, zu erforschen, die zu ihrer Stabilität und ihrem Funktionieren beitrugen219. In seinem Artikel „Some Reflections on the Problem of Austria, Germany, and Mitteleuropa“ kritisierte Boyer die Tatsache, dass sich die bisherige Forschung zur Habsburgermonarchie vor allem auf das Nationalitätenproblem und damit zusammenhängende kulturelle Angelegenheiten, also auf die mehr formalen Aspekte der Beziehung zwischen dem Verwaltungsstaat und der Zivilgesellschaft konzentriert habe: „But this agenda misses the double role of the Austrian state as a broker and mediator, rather than as putative agent of repression/manipulation; and the indirect, but still powerful subsidization of cultural and political emancipation of various ,peoples‘ by instruments of that state“220. Vor allem die Institutionen der Selbstverwaltung im kaiserlichen Österreich – auch wenn sie nicht weniger hierarchisch und undemokratisch waren als jene in Deutschland – hätten, wenn auch unabsichtlich, Diversität und Pluralismus gefördert. Aus der Tatsache, dass die konkurrierenden Bevölkerungs- und ethnischen Gruppen (innerhalb der gegebenen Klassenbeschränkungen, die zunehmend durchlässiger wurden) Zugang zu diesen öffentlichen Institutionen hatten, und angesichts des Umstandes, dass sie durch Judson, Guardians 3. Ebd. 9. 219 John Boyer, Political Radicalism in Late Imperial Vienna: Origins of the Christian Social Movement, 1848–1897 (Chicago 1981) XIV. 220 Ders., Some Reflections on the Problem of Austria, Germany, and Mitteleuropa; in: Central European History 22/3–4 (1989) 301–315, hier 311. 217 218

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diese einige der von ihnen begehrten kulturellen Errungenschaften erzielen konnten, ließe sich daher die Behauptung ableiten, dass „the political and institutional history of the empire present models for reconciling the above interpretive traditions by presenting a state system that was not only more than the sum of its social parts, but that was also psychologically consubstantial with those parts“221. Anknüpfend an Boyer hat auch Gary B. Cohen dem nationalistischen Narrativ ein Konzept entgegengestellt, dass deutlich macht, dass die Entwicklung der nationalistischen politischen Gruppierungen und deren Konflikte mit anderen Interessen der Gesellschaft und des Staates in den breiteren Rahmen der Ausbildung einer Zivilgesellschaft und des Wandels des habsburgischen Staates selbst eingebettet waren. Während die herkömmlichen nationalistischen historiographischen Narrative die Entwicklung der nationalen politischen Bewegungen in der Habsburgermonarchie unabhängig und in Opposition zum Staat betrachteten, weist Cohen – ähnlich wie Judson – darauf hin, dass „it was the Habsburg state that made possible the growth of political space and institutional venues for the development of a modern civil society and, with that, nationalist politics. Primarily because of this fact, the emerging modern political forces during the middle and late nineteenth century, including the nationalist interests, contended for advantage and power largely within the governing institutions of the state itself.“222 Cohens Bemühungen zielen nach seinen eigenen Worten nicht auf eine Rehabilitation der Reputation der Habsburgermonarchie ab, es geht ihm auch nicht darum, deren Potential für einen langfristigen Bestand am Ende des 19. Jahrhunderts nachzuweisen; was er kritisiert ist die Tatsache, dass sich die Auseinandersetzungen mit der Habsburgermonarchie zu sehr auf die negativen Aspekte fokussiert hätten: „Still, a narrative that focuses too narrowly on the unresolved internal conflicts and the seemingly inevitable dissolution of the imperial polity can easily exclude many aspects of popular political action, state administration, and policy formation that may show the ability of the governmental system during the late nineteenth century to change and accommodate popular forces.“223 Cohen fordert daher eine eingehendere Erforschung der Stabilität und Anpassungsfähigkeit innerhalb der letzten Dekaden, sowie mehr Aufmerksamkeit auf die Peripherien statt auf das Zentrum zu legen, um zu zeigen, wie erfolgreich Gesellschaft und Verwaltung zusammengearbeitet hätten. Abschließend sei noch ein Aspekt erwähnt, der jüngst von John Deak aufgegriffen wurde. In seiner Untersuchung „The Great War and the Forgotten Realm“ kommt Deak zu dem Schluss, dass die „Nationalstaatshistoriographien“ der Nachfolgestaaten sowie

Ebd. 311. Gary B. Cohen, Nationalist Politics and the Dynamics of State and Civil Society in the Habsburg Monarchy, 1867–1918; in: Central European History 40/2 (Juni 2007) 241–278, hier 245. Vgl. auch Judson, Guardians 9: „(…) it was the very constitutional guarantees made by the imperial Habsburg regime that created space for political activism organized specifically around language use and ideas about nation to develop and flourish in Austria.“ Judson verweist hier vor allem auf das System der doppelten Verwaltung auf der unteren Ebene. 223 Cohen, Neither Absolutism 37 f. 221 222

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das Erbe der „anti-Austrian propaganda“ einen bedeutenden Einfluss auf die Historiographie des Ersten Weltkrieges hatten. Die Darstellungen der Geschichte des Ersten Weltkrieges in den vergangenen hundert Jahren hätten in erster Linie konventionelle Narrative eines „long-standing political or imperial decline“ übernommen. „The most significant legacy of war propaganda and national histories, however, has been one of omission, in which Habsburg history is largely ignored. Once the monarchy has been introduced, the archduke and duchess assassinated, and the war begun (!), historians are ready to move elsewhere in the narrative: further north to Germany, west to France and Britain, or east to Russia.“224 Das heißt, die Ergebnisse der Forschungen der letzten drei Jahrzehnte werden in der Weltkriegsgeschichte ignoriert, das Bild der Habsburgermonarchie simplifiziert. Die Ursachen des Weltkrieges werden zwar weiterhin debattiert, „but Taylor’s depiction of Austria-Hungary as the embodiment of the old regime still holds sway.“225 Das Wissen um Technologie, Technokratie, Ökonomie, Kriegspsychologie und die Wirkungen von Gewalt und Propaganda wurde von der Forschung erweitert – „but the overall narrative structure remains the same“. Die Sicht auf die Monarchie als Anachronismus, „that the modernity of the twentieth century had to end“, habe sich ungeachtet der diversen kultur- und wirtschaftshistorischen Forschungen nur verhärtet. Und gerade darin liege das Problem: „Broader European treatments of the First World War have reached such a consensus on the meaning and role of the First World War in central Europe that they have never reexamined their assumptions.“226 Auch Pieter Judson hat auf die Ignoranz der neuen Forschungsergebnisse hingewiesen, welche eine Vielzahl an Studien zu regionalen und lokalen Phänomenen hervorgebracht haben, die jedoch kaum zu einer Änderung des Gesamtbildes der Habsburgermonarchie geführt hätten. Dies habe zur Folge, dass allgemeine Darstellungen der europäischen Geschichte die Donaumonarchie nach wie vor als „an exceptional corner of Europe“ behandeln, was einerseits mit dem Vorhandensein mehrerer ethnischer und religiöser Gruppen begründet wird, andererseits mit einer „Rückständigkeit“ vor allem im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung227. Die Auffassung, dass die Monarchie – unfähig sich der modernen Welt anzupassen – im Jahre 1914 am Rande des Kollaps stand, fügt sich nach Ansicht John Deaks in das Bild vom Krieg selbst und seiner Rolle in der europäischen Geschichte: „The war would usher in modernity and sweep away the anachronistic Habsburg monarchy.“228 Die Aufgabe zukünftiger Forschungen sollte es sein, die Dissonanz zwischen den politischen und sozialen Darstellungen der Habsburgermonarchie und der Geschichte des Ersten Weltkrieges zu überwinden. Deak tritt daher für die Überwindung der vorherrschenden Trennung zwischen der Geschichte der Habsburgermonarchie und jener des

224 225 226 227 228

Deak, Great War 348 Ebd. 349. Ebd. Judson, Habsburg Empire 11. Deak, Great War 351.

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Ersten Weltkrieges ein: „Integrating the First World War into Habsburg historiography should also remind us of the limits of revisionism: for all the monarchy’s life and strength, it did not survive the war. These approaches can give us a newfound respect – purged of national state-making myths – for the destructive capabilities of the First World War and its lasting importance for the history and shape of Europe today.“229 Die Frage, ob die Habsburgermonarchie dem Untergang geweiht war oder nicht, kann auch hier nicht beantwortet werden. Joachim Remak stellte 1969 fest, dass es der Krieg gewesen sei, der die Monarchie von außen und von innen zerstört habe230. Das alte Österreich sei weder frivol noch passiv gewesen, sondern im Gegenteil ziemlich fähig zum aktiven Widerstand. Es sei mit der Revolution 1848 fertig geworden, es hatte den Ausgleich mit Ungarn 1867 erreicht und sich bis zur Jahrhundertwende in eine konstitutionelle Monarchie gewandelt, „it might have changed again, not perfectly, not to everyone’s satisfaction (…) but changed“. Diese Chance sei ihm verwehrt worden: „The Habsburg empire ceased to exist in 1918. We cannot say much more than that. We can learn from it; we can profit from its failures and its successes.“ Man sollte jedoch die österreichische Vergangenheit nicht im Lichte der Gegenwart „überinterpretieren“, nicht nur die „resentments“ betrachten und das Erreichte ignorieren, nur jenen Spuren ihrer Geschichte folgen, die mit dem Ende verbunden sind: „Given the unifying forces which existed, that end was no more inescapable than the beginning, than the change from Habichtsburg castle to Habsburg realm. Es ist passiert.“231

Ebd. 379. Auch Judson sieht die Ursache der Zerstörung des Reiches im Krieg: „War destroyed the empire of the Habsburgs over time by eroding any sense of mutual obligation between people and state; popular and dynastic patriotism withered away, calling into question the very raison d’ être of empire.“ Jusdon, Habsburg Empire 441. Dass Reich hatte, wie Judson schreibt, seinen Teil der Abmachung nicht erfüllt, indem es unfähig war, das Volk angemessen zu ernähren. Ebd. 430. Zur Ernährungskrise und Sterblichkeit im Ersten Weltkrieg zuletzt Anatol Schmied-Kowarzik, Die wirtschaftliche Erschöpfung; in: Helmut Rumpler, Harald Heppner, Erwin A. Schmidl (Hgg.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918 XI/1: Die Habsburgermonarchie und der Erste Weltkrieg. Der Kampf um die Neuordnung Mitteleuropas, 2 Bde. (Wien 2016) I 485–542. 231 Remak, Healthy Invalid 143. 229 230

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C. Krieg der Staaten, Krieg der Völker. Der Erste Weltkrieg als totaler Krieg von Erwin A. Schmidl Dieser Beitrag beginnt nicht in Sarajevo im Juni 1914, und auch nicht in Belgrad im Jahr des Königsmordes 1903, in dem Christopher Clark seine phänomenale Erzählung „The Sleepwalkers“ beginnen lässt. Er beginnt in einer Stadt, die im Zweiten Weltkrieg weltweite filmische Bekanntheit erlangen sollte, in einer friedlichen überseeischen Umgebung: im sonnigen Casablanca im damals französischen Protektoratsgebiet in Marokko. 1. Casablanca 1914 Österreich-Ungarn war 1914 in Casablanca durch ein Honorarkonsulat vertreten. Der k.u.k. Honorarkonsul Friedrich Brandt (1856–1922), ein deutscher Staatsbürger, wurde am 4. August – dem Tag nach der deutschen Kriegserklärung an Frankreich – von den französischen Behörden informiert, dass er und seine Familie innerhalb von 48 Stunden das Land zu verlassen hätten. Er sollte auf einem französischen Schiff in einen neutralen Hafen gebracht werden. Brandt blieb gerade noch die Zeit, das Archiv des Konsulats und die Siegel dem dänischen Vizekonsul zu übergeben. Bereits am 6. August 1914 wurde er mit seiner Familie verhaftet, nicht jedoch evakuiert. Die Staatsbürger der Mittelmächte wurden in einem Haus „konzentriert“ und „als Kriegsgefangene“ festgehalten1. Als Honorarkonsul genoss Brandt keinen diplomatischen Schutz – im Gegensatz zum k.u.k. Vertreter in Tanger, einem Berufsbeamten2. Aber auch Generalkonsul Hans Ludwig von Wagner in Tanger musste am 19. August 1914 sein Amt

1 Die deutschen Gefangenen wurden im Haus von Carl Ficke „concentrated; (…) they are detained there as prisoners of war“. Schreiben des dänischen Vizekonsuls in Casablanca, Herminio Frederick Butler, an Generalkonsul Hans Ludwig von Wagner, 7. August 1914. Österreichisches Staatsarchiv (fortan ÖStA) Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA) Wien PA I, Karton 890: Liasse Krieg 7, Mappe Marokko 1914–1917, fol. 181. 2 Die k.u.k. Gesandtschaft in Tanger wurde 1913 zu einer diplomatischen Agentie, da die Umwandlung Tangers zur internationalen Zone beschlossene Sache war. De facto war Tanger aber weiter französisch kontrolliertes Gebiet; die neue Konvention über die internationale Zone wurde erst 1923 von Frankreich, Spanien und Großbritannien ratifiziert. 1928 traten auch Belgien, Italien und Portugal der Konvention bei, 1929 die Niederlande. Von 1940 bis 1945 stand die Internationale Zone Tanger unter spanischer Verwaltung und gehört seit 1956 wieder ganz zu Marokko.

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räumen, nachdem am 13. August Frankreich der Donaumonarchie den Krieg erklärt hatte. Dabei wurde ihm nicht einmal die Möglichkeit gegeben, die Amtsräume zu versperren und Kassa und Chiffren in Sicherheit zu bringen: „Angesichts der Bajonette marokkanischer Soldaten blieb mir nichts übrig, als mich der Gewalt zu fügen.“ Zusammen mit seinem deutschen Amtskollegen, Legationssekretär Hans Heinrich Dieckhoff, wurde er unter militärischer Aufsicht an Bord des französischen Kreuzers „Cassard“ eskortiert und auf diesem nach Palermo gebracht3. Wagner nahm an, „dass der Zweck der geschilderten Maßnahmen mit dieser vorgeblichen Schutzhaft nicht etwa eine Retorsion für die angeblich schlechte Behandlung des französischen Botschafters und anderer französischer Vertreter in Deutschland sein sollte, sondern vielmehr den Zweck hatte, der eingeborenen Bevölkerung die Machtlosigkeit der deutschen respektive der k. u. k. Vertretung in Marokko ad oculos zu demonstrieren“4. In einer französischen Zeitung hieß es dazu, man müsse die Einheimischen durch das rasche Vorgehen beeindrucken: „La France est forte.“5 Tatsächlich, so berichtete der k.u.k. Konsularvertreter Joseph Kell aus dem spanischen Teil Marokkos, erwarteten die „arabischen Landbewohner (…) Siegesnachrichten der deutschen Truppen, um schließlich mal gegen die Franzosen aufstehen zu können. Alle Nachrichten aus dem Inneren besagen, ohne Ausnahme, dass die Mohammedaner nichts sehnlicher wünschen als eine Landung deutscher Truppen, die man mit offenen Armen aufnehmen würde.“6 Die deutschen, österreichischen und ungarischen Staatsbürger in Marokko, darunter auch die Honorarkonsuln, wurden unter teils schlimmen Bedingungen in Marokko oder in Sebdou in Algerien interniert. Wohnungseinrichtungen wurden öffentlich versteigert und die Warenvorräte der deutschen und österreichischen Firmen beschlagnahmt. Die Männer wurden, „ohne Rücksicht auf Stand und physische Eignung und trotz der dort herrschenden großen Hitze, zu schwerer Arbeit gezwungen: sie müssen für den Bau einer Straße von Oran, in einer Entfernung von zirka 40 km von der genannten Stadt, Steine klopfen“, wie man im September 1914 über die k.u.k. Botschaft in Madrid berichtete7. Wegen angeblicher Spionage und Aufwiegelung der arabischen Bevölkerung wurden einige von ihnen, darunter auch Konsul Brandt, zum Tode verurteilt8. Die um Intervention ersuchte Botschaft der Vereinigten Staaten konnte

3 Bericht des k.u.k. Generalkonsuls in Tanger an Minister Graf Berchtold, Rom, 26. August 1914, ÖStA/HHStA PA I, Karton 890: Liasse Krieg 7, Mappe Marokko 1914–1917, fol. 158 ff. Der geschützte Kreuzer „Cassard“ war ein Schiff der D’Assas-Klasse und 1896 in Dienst gestellt. 4 Ebd. 5 „Dépêche Marocaine“, Tanger, 10. Mai 1915, Bericht gezeichnet von Rober-Raynaud, HHStA PA I, Karton 890: Liasse Krieg 7, Mappe Marokko 1914–1917, fol. 52. 6 Situationsbericht Nr. 105, k.u.k. Konsular-Agent Kell an den k.u.k. Botschafter Karl Emil Prinz zu Fürstenberg in Madrid, Larache, 30. Oktober 1914, ebd. fol. 80–85. 7 Bericht Norbert Mittelmanns, des Geschäftsführers des k.u.k. Konsulats in Madrid, an die k.u.k. Botschaft in Madrid, Madrid, 19. September 1914, Nr. 914/Res., ebd. fol. 25 f. 8 Bericht Nr. 22, k.u.k. Konsular-Agent Kell an den k.u.k. Generalkonsul von Wagner, z. Zt. in Wien, Larache, 9. April 1915, ebd. fol. 120.

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allerdings im Dezember 1914 berichten, dass Brandt nicht, wie einige andere Deutsche, erschossen wurde9; er konnte Ende 1916 nach Europa zurückkehren10. Das hier aufgezeigte Schicksal des Honorarkonsuls Friedrich Brandt ist eine willkürlich gewählte Momentaufnahme aus dem „Großen Krieg“, der im August 1914 begann. Es steht hier einerseits stellvertretend für ein vielfach vergessenes Kapitel der Geschichte dieses Krieges, und zwar für das Schicksal der Zivilinternierten, die im Gegensatz zu den Kriegsgefangenen durch keine Konventionen geschützt waren11. Andererseits aber, und das ist der wesentliche Punkt, symbolisiert diese Episode, wie verbittert die Stimmung der kriegführenden Parteien bereits wenige Tage nach Kriegsausbruch war, manchmal auch mit tödlichen Konsequenzen für einzelne Staatsbürger. 2. Angst vor der Zivilbevölkerung und Krieg gegen die Zivilbevölkerung Aus heutiger Sicht ist es erschreckend, wie vergiftet offenbar die internationale Atmosphäre schon bei Kriegsbeginn war, wie groß auch die Furcht vor Spionen und möglichen „Aufwieglern“. Auch Österreich-Ungarn war von dieser Furcht nicht frei – im Gegenteil. Über das k.u.k. Kriegsüberwachungsamt, das zu Kriegsbeginn installiert wurde, um unter anderem gegen Spionagetätigkeiten vorzugehen, hat jüngst Tamara Scheer eine ausführliche Arbeit vorgelegt, sinnvollerweise als „Ringstraßenfront“ betitelt, nach dem Gebäude des k.u.k. Kriegsministeriums am Stubenring. In der aufgeheizten Stimmung von 1914 schien diesem Amt selbst eine ältere Nonne verdächtig, die – aus Frankreich stammend – in französischer Sprache betete. Brieftaubenzüchter standen ohnedies unter Generalverdacht, ebenso alle, die Briefe in unbekannten Schriftzeichen schrieben, etwa in cyrillischer oder hebräischer Schrift12. Um wieviel schlimmer diese Furcht wurde, sobald die k.u.k. Truppen in feindliches Gebiet vorrückten, nach Serbien etwa oder nach Russland, kann man sich leicht vorstellen. Vor allem in Serbien führte die Angst vor Partisanenangriffen der

9 Abschrift der Verbalnote der US-Botschaft in Berlin an das „Imperial Foreign Office“, Zl. A 33586, F.O.No. 1319, bei Bericht Nr. 120-A=B/P des k.u.k. Botschafters in Berlin, Prinz Gottfried HohenloheSchillingsfürst, an Minister Graf Leopold Berchtold, Berlin, 11. Dezember 1914, ebd. fol. 219 f. 10 Vgl. dazu auch die Übersicht von Gunther Mai, Die Marokko-Deutschen 1873–1918: Eine biographische Liste deutscher Auswanderer nach Marokko (http://www.uni-erfurt.de/geschichte/neuere-undzeitgeschichte/marokko-deutsche/), eingesehen 4. Mai 2014). Brandts Sohn Alfred (1892–1972) wurde noch bis 1918 in Marokko festgehalten. 11 Einen Überblick bietet Hans Weiland, Leopold Kern (Hgg.), In Feindeshand: Die Gefangenschaft im Weltkriege in Einzeldarstellungen, 2 Bde. (Wien 1931); vgl. auch Erwin A. Schmidl, Die Totalisierung des Krieges; in: Helmut Rumpler, Harald Heppner, Erwin A. Schmidl (Hgg.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918 XI: Die Habsburgermonarchie und der Erste Weltkrieg 1/1: Der Kampf um die Neuordnung Mitteleuropas (Wien 2016) 331–391. 12 Tamara Scheer, Die Ringstraßenfront: Österreich-Ungarn, das Kriegsüberwachungsamt und der Ausnahmezustand während des Ersten Weltkrieges (= Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums 15, Wien 2010).

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„Komitatschi“13, wie die irregulären Verbände der Verteidigung genannt wurden, zu teils massiven Vergeltungsaktionen14. Das Misstrauen beschränkte sich keineswegs auf die Bewohner der Feindstaaten. Gerade in Österreich-Ungarn, mit seiner heterogenen Bevölkerung, galt es auch den eigenen Landsleuten. Vermeintlich „russophile“ und „serbophile“, später auch „italophile“ österreichische, ungarische oder bosnische Bürger wurden interniert15. Erst in den letzten Jahren nahm sich die Forschung dieses Themas an, wobei beispielhaft die Arbeiten zum Internierungslager in Graz-Thalerhof hervorgehoben seien16. Dort wurden „russophile“ Ruthenen (Ukrainer) von 1914 bis 1917 festgehalten. Da man 1914 natürlich nur mit einem kurzen Krieg rechnete, fehlten jegliche Vorkehrungen für die Unterbringung der insgesamt rund 30.000 Internierten; erst langsam entstand ein Barackenlager. Die Lebensbedingungen der Inhaftierten waren schrecklich; erst im Mai 1917 ließ Kaiser Karl das Lager auflösen. All das zeigt deutlich, dass die Rolle der Bevölkerungen, der Untertanen, 1914 eine andere war als einige Jahrhunderte davor. Noch im 18. Jahrhundert konnte man erwarten, dass die Einwohner eines Gebietes ihrer – schließlich ja „gottgewollten“ – Herrschaft bedingungslos loyal ergeben waren und diese Loyalität beim Wechsel der Zugehörigkeit auf den neuen Herrscher übertrugen. Spätestens mit dem Aufkommen „nationaler“ Gefühle und Zugehörigkeiten änderte sich dies und die Bevölkerung selbst wurde zum Feind. Das war schon in den Jahren 1793 bis 1796 in der Vendée der Fall, als sich die Bauern gegen die Herrschaft des „Wohlfahrtsausschusses“ der Jakobiner erhoben; bis zu 200.000 Bewohner sollen dem Terror der „colonnes infernales“, der

13 Die Bezeichnung „Komitatschi“ oder „komiti“ ist von den im Zuge der Erhebungen der Balkanvölker gegen die osmanische Herrschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert gebildeten „Komitees“ abgeleitet. Sie bezeichnet irreguläre militärische Formationen, wie sie im 19. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gegen die Osmanen, dann auch gegen die Habsburger und – etwa in Montenegro 1919/1920 – auch gegen die serbische Oberhoheit kämpften. Der Ausdruck, der zuerst in Bulgarien bzw. Mazedonien auftauchte, ist etwa gleichbedeutend mit dem bekannteren „Tschetnik“ (četnik), abgeleitet von „četa“ (Schar bzw. Einheit). 14 Vgl. dazu Jonathan E. Gumz, The Resurrection and Collapse of Empire in Habsburg Serbia, 1914–1918 (= Cambridge Military Histories 1, Cambridge – New York 2009); und Anton Holzer, Das Lächeln der Henker: Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914–1918 (Darmstadt 22014). Wirklich aufgearbeitet ist dieses Thema allerdings nicht; eine quellenbasierte Untersuchung aus österreichischen und serbischen Archiven steht noch aus. Vgl. zur Frage der Verwaltung der besetzten Gebiete auch Tamara Scheer, Zwischen Front und Heimat: Österreich-Ungarns Militärverwaltungen im Ersten Weltkriege (= Neue Forschungen zur ostmittel- und südosteuropäischen Geschichte 2, Frankfurt am Main – Berlin – New York, NY – Oxford – Wien 2009). 15 Vgl. z. B. Matthias Stibbe, Krieg und Brutalisierung: Die Internierung von Zivilisten bzw. „politisch Unzuverlässigen“ in Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkriegs; in: Alfred Eisfeld, Guido Hausmann, Dietmar Neutatz (Hgg.), Besetzt, interniert, deportiert: Der Erste Weltkrieg und die deutsche, jüdische, polnische und ukrainische Zivilbevölkerung im östlichen Europa (= Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa 39, Essen 2013) 87–106. 16 Georg Hoffmann, Nicole-Melanie Goll, Philipp Lesiak, Thalerhof 1914–1936: Die Geschichte eines vergessenen Lagers und seiner Opfer (= Mitteleuropäische Studien 4, Herne 2010). Ein weiteres Lager für Ruthenen bestand in Theresienstadt (Terezín).

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„Höllenkolonnen“ des Revolutionsregimes zum Opfer gefallen sein17. Ähnliches zeigte sich in den folgenden Befreiungskriegen gegen die Herrschaft Napoleons – wobei dies jeweils für beide Seiten galt. Im Jahr 1830 schrieb der sardische Offizier und Partisanenführer Carlo Angelo Bianco, Graf von Saint Jorioz (1795–1843), aus der Sicht der Partisanen: „Alle individuellen Anstrengungen, alle Energie der Nation muss angewandt werden, wenn ein verzweifelter Krieg gegen einen hartnäckigen und unversöhnlichen Feind geführt wird. Alle Kriegsregeln verlieren ihre Anwendung, wenn ein Aufstand ausbricht. Die Befreiung Italiens zu erzielen, ist unser einziges Gesetz. Handlungen, die im regelmäßigen Krieg als barbarisch angesehen werden, müssen unternommen werden, um den Feind zu terrorisieren, zu entnerven, und zu zerstören. So hat Spanien 800.000 Franzosen im Krieg gegen Napoleon Bonaparte beerdigt.“18 Ähnliche Phänomene – und eine ähnliche Brutalität – zeigten sich im amerikanischen Bürgerkrieg (Sezessionskrieg) von 1861 bis 1865, während im Gegensatz dazu die kleineren Kriege des 19. Jahrhunderts – etwa der deutsch-dänische Krieg 1864 oder der Krieg zwischen Österreich und Preußen 1866 – verhältnismäßig „zivilisiert“ abliefen19. Die Problematik von Freischärler- oder Partisanenaktionen gegen eine feindliche Besatzung zeigte sich allerdings in Ansätzen schon 1866 während des Krieges der süddeutschen Staaten gegen Preußen20, wesentlich stärker dann 1870/71 während des deutsch-französischen Krieges, als „Francs-tireurs“ – auf der Grundlage von Schützengesellschaften (Sociétés des Francs-tireurs) – Vorstöße gegen die deutschen Truppen und Verbindungslinien unternahmen. Die Rechtsstellung der „Francs-tireurs“ als rechtmäßige Kombattanten war umstritten und wurde auch auf den beiden Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 nicht gelöst. Der Anerkennung als rechtmäßige Kombattanten lagen drei Bedingungen zugrunde: eine verantwortliche Führung, eine klare Kennzeichnung sowie das offene Führen der Waffen. Durch die nach dem russisch-baltischen Juristen Friedrich Fromhold Martens (1845–1909) benannte „Martens’sche Klausel“ waren Zivilpersonen und Kombattanten zwar grundsätzlich dem „Schutz und der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts“ unterstellt, sofern ihre Behandlung nicht eindeutig geregelt war; aber dies war eine letztlich unbefriedigende Kompromissformel21.

17 Dazu detailliert Jacques Godechot, La Contre-Révolution: Doctrine et Action, 1789–1804 (Paris 1961); vgl. auch Martin Rink, Vom „Partheygänger“ zum Partisanen (= Europäische Hochschulschriften III/851, Frankfurt am Main – Berlin – Bruxelles – New York – Wien 1999) 194–198. 18 Carlo [Angelo] Bianco [di Saint Jorioz], Manuale pratico del rivoluzionario italiano desunto dal Trattato sulla guerra d‘insurrezione per bande (1833; Reprint Rom 2011); zitiert nach Beatrice Heuser, Rebellen, Partisanen, Guerilleros. Asymmetrische Kriege von der Antike bis heute (Paderborn – Wien 2013) 36. 19 Die Formierung einer Widerstandsbewegung gegen die preußischen Truppen in Böhmen kam nur aufgrund der kurzen Kriegsdauer nicht über Ansätze hinaus. Vgl. dazu Werner Hahlweg, Guerilla: Krieg ohne Fronten (Stuttgart – Berlin – Köln – Mainz 1968). 20 Ebd. 21 Vgl. zu Friedrich F. Martens Nadine Lange-Akhund, Die Interventionspolitik der Großmächte in Mazedonien vor 1914; in: Jürgen Angelow (Hg.), unter Mitarbeit von Gundula Gahlen und Oliver Stein, Der Erste Weltkrieg auf dem Balkan: Perspektiven der Forschung (Berlin 2011) 13–34, hier 13.

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Die Frage nach der Rechtsstellung von Kombattanten stellte sich im Ersten Weltkrieg nicht zuletzt im Bereich der militärischen Besatzungsverwaltungen in den eroberten oder besetzten Gebieten. Für Österreich-Ungarn waren dies Teile Russisch-Polens 1914 und ab 1915, Serbien und Montenegro sowie das nördliche Albanien in den letzten drei Kriegsjahren, ferner Teile Rumäniens, Norditaliens und der Ukraine. Diese Thematik wurde und wird in verschiedenen Einzelstudien erforscht; außerdem liegt in der Studie von Tamara Scheer ein vergleichender und zusammenfassender Ansatz vor22. Besonders in Serbien, teilweise auch in Albanien und in der Ukraine, hatten die k.u.k. Besatzungsverwaltungen nicht nur die üblichen Probleme der Verwaltung – und der wirtschaftlichen Nutzung bzw. Ausbeutung – fremder Territorien zu lösen, sondern sahen sich auch mit dem aktiven Widerstand von Banden und Partisanen konfrontiert, die oft Zivilkleidung trugen und sich keineswegs konsequent an den geltenden „Kriegsbrauch“ hielten. Ganz im Sinne der modernen „counter-insurgency“ bewährten sich in diesen Auseinandersetzungen nicht die anfänglichen brutalen Maßnahmen – die Bilder der reihenweise gehenkten Aufständischen sind bekannt – sondern vielmehr das gezielte Vorgehen der Gendarmerie und der „Streifkommandos“ unter gleichzeitiger Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung23. 3. Vom kolonialen zum totalen Krieg In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg war das Vorgehen gegen Aufständische und Partisanen vor allem in den Kolonien ein Thema gewesen. War die Behandlung der nicht eindeutig als rechtmäßige Kombattanten identifizierbaren Personen schon in Europa ein Problem, so galt dies umso mehr in Übersee, wo es kaum reguläre Heere im europäischen Sinne gab. Eine klare Trennung zwischen Heer und (neutraler bzw. zu schützender) Bevölkerung war daher nicht immer möglich. Sie wurde vielmehr durch die Methoden des sogenannten „kleinen Krieges“, bei denen die eingeborenen Kämpfer oder Aufständischen nach der Durchführung von Überfällen wieder in der Masse der Bevölkerung untertauchen konnten, bewusst unterlaufen24. Die Erkenntnis, dass in der kolonialen Kriegführung nicht die – oftmals nicht existenten – feindlichen Streitkräfte, sondern die gesamte Bevölkerung beziehungsweise deren wirtschaftliche Grundlagen das Ziel des Kampfes sein müssten, um Lebensgrundlagen oder eben die „Moral“ zu treffen, fand Eingang in das militärische Denken des 20. Jahrhunderts. Da die gegnerischen Truppen einander im Ersten Weltkrieg im Stellungskrieg blockierten, vor allem an der Westfront, aber auch an der österreichischitalienischen Front, und damit ein militärisches Patt herrschte, musste die Entscheidung eben anderswo und auf andere Weise erreicht werden: im Wirtschafts- und Scheer, Zwischen Front und Heimat. Dazu ausführlich Gumz, Resurrection and Collapse. 24 Erwin A. Schmidl, Kolonialkriege zwischen „Low Intensity“ und totalem Krieg; in: La Guerre Totale – La Défense Totale, 1789–2000 (= XXVIème Congrès International d’Histoire militaire, Stockholm 2001) 412–416. 22 23

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Blockadekrieg und im Versuch, die gegnerische Zivilbevölkerung und deren Moral zu erschüttern. In der Praxis war es vor allem die Entente, die diese Möglichkeiten sah und auch nutzte, während auf deutscher oder k.u.k. Seite die Möglichkeiten zu dieser Art der Kriegführung vergleichsweise beschränkt waren – Aktionen wie die recht ziellosen Bombenangriffe deutscher Zeppeline auf London oder auch die Beschießung von Paris aus der Ferne waren hier eher eine fast hilflos anmutende Ausnahme. Dies war wohl auch jene Entwicklung, die beispielsweise der deutsche General Erich Ludendorff (1865–1937) meinte, als er 1935 seine Schrift über den „totalen Krieg“ veröffentlichte. Denn er meinte mit diesem „totalen Krieg“ eben nicht den Krieg an den Fronten; vielmehr bezog er sich auf die stärkere Einbindung der gesamten Bevölkerung in den Krieg und den zunehmenden Einfluss des Militärs auf die Politik und Verwaltung während des Ersten Weltkrieges. Dazu kam die Rolle der Propaganda und der psychologischen Kriegführung. Hatte Carl von Clausewitz (1780–1831) in seinem monumentalen Werk „Vom Kriege“ – wie Ludendorff meinte – „nur an die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte durch Schlachten und Gefechte“ gedacht, so wäre dieser Ansatz „heute weitgehend überholt“, ja sogar verwirrend, würden doch inzwischen „die Völker selbst (…) in den Dienst der Kriegsführung gestellt. (…) Wehrmacht und Volk waren eins: (…) Der totale Krieg, der nicht nur Angelegenheit der Streitkräfte ist, sondern auch unmittelbar Leben und Seele jedes einzelnen Mitglieds der kriegführenden Völker berührt, war geboren.“25 Dabei war Ludendorffs „totaler Krieg“ eigentlich eine Totalisierung des Militarismus, nicht des Krieges. Nun ist der Begriff des „totalen Krieges“ – genau genommen –, ein Pleonasmus. Denn Krieg ist immer total, geht es doch um Leben und Tod, um Töten und Getötet-werden. Im Krieg werden viele der Regelungen und Gesetze, die im Frieden ein geordnetes Miteinander zivilisierter Menschen ermöglichen sollen, außer Kraft gesetzt. Dennoch ist zu konstatieren, dass mit dem Ersten Weltkrieg wenigstens für Mitteleuropa ein neuer Grad an Totalität, an Leiden erreicht war, wie er in den zweieinhalb Jahrhunderten davor nicht gegeben war. Einerseits ermöglichte die technische Entwicklung – man zögert, hier emotionslos von „Fortschritt“ zu sprechen – eine immens gesteigerte Waffenwirkung von Artillerie- und Gasgranaten. Andererseits betrafen die Auswirkungen des langen Krieges nicht mehr „nur“ die Front oder ausgewählte Gebiete (etwa die Marschrouten von Armeen), sondern flächendeckend die betroffenen Staaten, deren Bewohner (durch die Mobilisierung) und deren Wirtschaft (durch die Kriegswirtschaft) gewissermaßen „total“ in den Dienst des Krieges gestellt wurden und auch noch Jahrzehnte nach Kriegsende an den Folgen zu tragen hatten. Nach 1918 wurde dies zum Ausgangspunkt verschiedener Theorien der Luftkriegführung, etwa eines Giulio Douhet (1869–1930), eines Sir Hugh Trenchard (1873–1956) oder auch Sir Arthur T. Harris (1892–1984), wie sie schließlich im Zweiten Weltkrieg umgesetzt werden sollten26. Bemerkenswert ist, dass diese Theorien vor allem von

General [Erich] Ludendorff, Der totale Krieg (München 1936) 3, 5. Horst Boog, Luftwaffe und unterschiedsloser Bombenkrieg bis 1942; in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Zweite Weltkrieg: Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz (= Serie Piper 811, München – Zürich 25 26

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Vertretern der siegreichen Entente ausgearbeitet wurden, denen es nach 1919 darum gehen musste, ihren Besitzstand zu sichern. Auf deutscher Seite – wo man sich durch die Pariser Friedensregelung von 1919, die „Schmach von Versailles“, besonders ungerecht behandelt fühlte und auf Revision und Rache sann – ging man hingegen an die Weiterentwicklung der im Laufe des Ersten Weltkrieges entwickelten Sturmtrupp-Taktik: Als die großangelegten, von massiertem Artilleriefeuer unterstützten Angriffe im Feuer der Verteidiger zusammenbrachen, versuchte man, die gegnerische Verteidigung durch kleine Aktionen zu ermüden und aufzubrechen. Auf operativer Ebene führte dies zur Entwicklung schneller, mechanisierter Truppen, die aus der Luft unterstützt wurden. Erprobt zusammen mit der sowjetischen Armee in der Zwischenkriegszeit in Russland, entstand daraus das propagandistisch als „Blitzkrieg“ vermarktete Konzept schneller Operationen, das die Kämpfe der Jahre 1939 und 1940 prägte. Der französische Versuch, die Grenzen von 1919 durch die massiv ausgebauten Verteidigungsstellungen der Maginot-Linie zu schützen, wurde 1940 gewissermaßen „ausgehebelt“27. 4. Vom Krieg der Staaten zum Krieg der Völker Daniel Marc Segesser, der sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob man den Ersten Weltkrieg als „totalen Krieg“ bezeichnen sollte, verneinte dies, weil 1914–1918 ein wesentliches Element seiner Definition eines totalen Krieges fehlte, nämlich die Totalität der Kriegsziele28. Genaugenommen wurde dieser Krieg fast ohne Ziele begonnen, will man nicht die fast schon antiquiert wirkende Vorstellung der Revanche und Wiederherstellung der Ehre nach dem Mord am Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo als ein solches Kriegsziel werten. Die Kriegsziele wurden 1989) 523–531, hier 526. Hugh Trenchard, der „Vater der Royal Air Force“, hatte 1918 ausdrücklich die Brechung der Moral der gegnerischen Zivilbevölkerung als eine der beiden Komponenten eines strategischen Bombenkrieges identifiziert; neben dem materiellen Schaden durch die Zerstörung der Versorgung und des Nachschubs galt es, die Moral des Gegners zu treffen „by striking at the most sensitive part of the whole of the German population – namely, the working class.“ Zitiert nach R. A. Mason, The British Dimension; in: Alfred F. Hurley, Robert C. Ehrhart (Hgg.), Air Power and Warfare: The Proceedings of the 8th Military History Symposium, USAF Academy 18–20 October 1978 (Washington DC 1979) 22–35, hier 32. Hingegen fand der italienische Luftkriegstheoretiker Giulio Douhet, der strategische Bombenangriffe gegen die besonders verwundbare Infrastruktur einer modernen Industriegesellschaft predigte, bei den Zeitgenossen kaum Beachtung; vgl. Edward Homze, The Continental Experience; in: ebd. 36–49, hier 41 f., 45. 27 Das Grundkonzept des „Blitzkrieges“, die schnelle militärische Umsetzung eines politischen Ziels, wurde – noch im Frieden – 1938 in Österreich und bei der Besetzung des „Sudetenlandes“ angewandt, 1939 bei der Besetzung der „Rest-Tschechei“ und im Polen-Feldzug. Im Frankreich-Feldzug von 1940 setzten die draufgängerischen jungen „Panzer-Generäle“ dieses Rezept in die Praxis um, obwohl die Führung der Wehrmacht dies so gar nicht geplant hatte. Dazu ausführlich Karl-Heinz Frieser, Blitzkrieg-Legende: Der Westfeldzug 1940 (= Operationen des Zweiten Weltkrieges 2, München 21996). 28 Vgl. dazu Daniel Marc Segesser, Der Erste Weltkrieg: Ein totaler Krieg in globaler Perspektive?; in: Stefan Karner, Philipp Lesiak (Hgg.), Erster Weltkrieg: Globaler Konflikt – lokale Folgen: Neue Perspektiven (= Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung 27, Innsbruck – Wien – Bozen 2014) 23–41, hier 32.

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zunächst schrittweise, im weiteren Verlauf des Krieges hingegen durchaus großzügig und optimistisch formuliert. Erst die 1915 und danach in den Krieg eintretenden Mächte – etwa Italien und Rumänien – taten dies mit sehr klaren Absichten29. Dies ändert freilich nichts daran, dass weite Teile der Bevölkerung den Krieg sehr wohl als „total“ erlebten – und zwar flächendeckend und somit weit „totaler“ als selbst die Napoleonischen Kriege. Verstärkt wurde dies nicht zuletzt durch die Mobilisierung der Massen mit Hilfe der auf beiden Seiten wirksamen Propaganda, die erfolgreich die Emotionen ansprach. Dies ging so weit, dass sich die Regierenden beinahe in einer Art Geiselhaft ihrer eigenen Propaganda befanden, die jede Aussicht auf einen Kompromissfrieden untergraben musste30. In seiner Entstehung war der „Große Krieg“ von 1914 zweifellos ein Krieg der Staaten. Bis Mitte des Jahres 1914 spielten die aufkommenden Massenbewegungen und Massenparteien auf der außenpolitischen Bühne keine entscheidende Rolle. Sie werden daher auch in der wohl besten Arbeit über die Vorgeschichte dieses Krieges, dem Buch „Schlafwandler“ des australisch-britischen Historikers Christopher Clark, kaum erwähnt31. Hier waren es in erster Linie die Regierungen, die „Staatskanzleien“ und „Kabinette“ (schon vom Wort her eine abgeschlossene Gesellschaft), die Ministerien, waren es einzelne Minister, Diplomaten, ja wohl auch subalterne Beamte, die „Geschichte machten“. Ein Thema übrigens, das auch in der Forschung noch keineswegs ausgeschöpft ist. Jeder, der in der Verwaltung gearbeitet hat, weiß um das gestalterische Potenzial gerade auch der mittleren Beamtenschaft. Ab Juni 1914 freilich waren auch „die Völker“ zunehmend involviert. Das begann schon mit dem Attentat auf das Thronfolger-Ehepaar an jenem 28. Juni – mit der Erschütterung darüber in Wien, dem Jubel in Belgrad oder den Tumulten in Sarajevo. In vielen Fällen allerdings wurde das Attentat nur mit einer gewissen Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen – im Gegensatz zum Kriegsbeginn einen Monat später, der bekanntlich von Massenkundgebungen und Jubel begleitet war, selbst wenn man die Allgemeingültigkeit dieses Klischee kritisch hinterfragen muss. Natürlich jubelte nicht Jeder und Jede – aber es waren allemal genug, um eindrucksvolle Bilder abzugeben. Und vielleicht sollte man hier den Titel noch ergänzen: der Erste Weltkrieg war auch, stärker wohl als alle Konflikte davor, ein „Krieg der Bilder“, ein Krieg der Propaganda, war bewusst ein Krieg, in dem es darum ging, die Massen zu involvieren32. Wobei gerade diese Propaganda auch die Staatsführungen band: gegen die als „Untermenschen“ oder „Bestien“, „giftige Schlangen“ oder „Kraken“ dargestellten Gegner konnte

29 In diesem Zusammenhang danke ich Sir Hew Strachan für seinen bemerkenswerten Überblick anlässlich der Konferenz über den Ersten Weltkrieg im östlichen Mittelmeerraum im Oktober 2015 an der Landesverteidigungsakademie in Wien. 30 Vgl. dazu z. B. Sönke Neitzel, Weltkrieg und Revolution 1914–1918/19 (= Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert 3, Berlin 2008) 83–86. 31 Christopher Clark, The Sleepwalkers: How Europe Went to War in 1914 (London – New York 2012). 32 Vgl. dazu Erik Eybl, Information – Propaganda – Kunst / Information – Propaganda – Art: Österreichisch-ungarische und französische Plakate des Ersten Weltkriegs (Wien 2010).

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es keinen Kompromissfrieden geben, sondern eben nur den totalen Sieg – oder die vernichtende Niederlage. Massenweise wurden die Menschen dann auch in diesen Krieg hineingezogen: durch die Rekrutierungen (die in den meisten beteiligten Staaten zunehmend auch dort zwangsweise erfolgten, wo bis dahin die Freiwilligkeit gegolten hatte, wie etwa in Großbritannien), durch die Umstellung auf eine Kriegswirtschaft, durch die Materialsammlungen, durch die zunehmende materielle Not. Weit stärker als früher wurden auch das Hinterland und seine Bewohner erfasst und vom Krieg betroffen. Dazu kamen die Fluchtbewegungen aus dem eigentlichen Frontgebiet, die Internierungen, die Deportationen. Der Kontrast zwischen dem bunten Europa von 1914 und dem grauen Massenelend von 1918 könnte wohl größer nicht sein, selbst wenn man versucht, allzu nostalgisch verbrämte grelle Farbtöne für die Vorkriegszeit auszublenden33. Wenn auch 1918 die Waffen schwiegen, so ging das Leid der Betroffenen weiter. Kaum eine Familie, in der nicht mindestens ein Familienmitglied im Militär gedient hatte und in vielen Fällen nicht zurückgekommen war; Hunderttausende waren tot, verwundet, durch körperliche oder seelische Verletzungen ihr Leben lang gezeichnet, oder kehrten aus der Kriegsgefangenschaft – wenn überhaupt – erst lange nach Kriegsende zurück. Für jene, die im Militär dienten, war das Kriegserleben „totaler“ als in vielen Kriegen davor. Der Krieg machte kaum je eine Pause, er war im unmittelbaren Frontbereich, aber auch im Gebiet dahinter, 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, all die Jahre über konstant gegenwärtig. Das Kriegserleben wirkte aber auch weit nach Kriegsende weiter: „Draußen“ gewesen zu sein – „im Felde“, wobei das Feld ja sowohl den Raum wie die Truppe meint – wurde zur prägenden Erinnerung einer Generation. Ob glorifiziert oder dramatisiert, die einstigen Frontkämpfer wähnten sich auch in der darauf folgenden Friedenszeit dazu berufen, „Schild und Schwert“ des Volkes zu sein – meist nach ihren früheren Regimentern oder weltanschaulich bzw. nach Religionen organisiert, bis hin zum „Bund Jüdischer Frontsoldaten“ in Österreich34. Bei vielen nationalen oder auch religiösen Gruppen hatte der Erste Weltkrieg zur Verstärkung bestehender oder sogar zur Bildung neuer Identitäten geführt; gerade Österreich-Ungarn war von diesem Phänomen wohl am stärksten betroffen. Der Weltkrieg war ein „Krieg der Völker“, aber auch dort, wo diese Völker nicht erst im Krieg entstanden, verschärften sich die Konturen. Übrig blieben all jene, die sich bis dahin an der staatlichen bzw. der dynastischen Ordnung orientiert hatten – und 1918 dieses Identifikationssymbols beraubt wurden. Sie fühlten sich oftmals überfordert, da sie sich nunmehr für eine der neuen Identitäten (und damit auch gegen die anderen) entscheiden mussten, da das bisher vielen gemeinsame Identifikationssymbol wegfiel. Die Friedenskonferenz von Paris war bekanntlich mit der Aufgabe überfordert, eine neue staatliche Ordnung Europas zu schaffen; die Beteiligten gaben den Versuch,

33 In bemerkenswerter Weise wurde dieser Kontrast graphisch illustriert im Plakat für eine Ausstellung über den Weltkrieg in Görz (Gorizia) im Sommer 2014. 34 Vgl. dazu ausführlich Erwin A. Schmidl, Habsburgs jüdische Soldaten 1788–1918 (Wien – Köln – Weimar 2014) 146–156.

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unvereinbare Standpunkte Kompromissen zuzuführen, oft auf und verließen sich auf die Generalformel, dass eine Revision der Friedensbestimmungen im Einvernehmen mit dem Völkerbund ja ohnedies jederzeit möglich wäre35. Die neue Ordnung erwies sich keineswegs als das intendierte Allheilmittel, allzu oft ging der „Große Krieg“ von 1918 in kleinere, dafür umso erbitterter geführte Auseinandersetzungen über. Im Rückblick sprach der französische General Charles de Gaulle schon 1941 davon, dass der 1914 begonnene „neue dreißigjährige Krieg“ keineswegs 1918 beendet worden wäre, und von Ernst Nolte bis Walter LaFeber gibt es die unterschiedlichsten Begründungen, warum man von einem „dreißigjährigen“ oder auch noch längeren Krieg sprechen sollte, der 1914 oder spätestens 1917 begonnen hatte und für manche nicht einmal 1989 beendet war – als Auseinandersetzung nämlich zwischen „dem Westen“ unter Führung der Vereinigten Staaten einerseits und Russland bzw. der Sowjetunion andererseits36. Manche Elemente der Propaganda dieses Krieges wirken bis heute nach. Die unterschiedliche Sicht auf den Ersten Weltkrieg prägt bis heute die Erinnerung an diesen Krieg. Wobei sich Historiker vor allem in West- und Mitteleuropa mittlerweile auf einen Zugang des möglichst klaren Verstehen-wollens jenseits von Schuldzuweisungen geeinigt haben, während dies vor allem in Staaten, die lange Zeit unter einschlägigen Denkverboten gelitten haben, nicht immer der Fall zu sein scheint37. Für Österreich-Ungarn ist hier übrigens eine bemerkenswerte Verschiebung im Laufe des Ersten Weltkrieges zu konstatieren. Begann der Krieg 1914 mit der „Strafexpedition“ gegen Serbien, und war hier auf beiden Seiten von verfestigten Feindbildern geprägt, so mutierte in den letzten Kriegsjahren nicht etwa Russland, ja nicht einmal Italien zum mentalen Hauptfeind, sondern – bemerkenswerter Weise – England, mit dem man ja kaum in direktem Kampfe stand. Hier wurden wohl, wie die Akten des k.u.k. Kriegspressequartiers zeigen, teils deutsche Propagandaziele übernommen, teils auf schon bestehende Vorurteile zurückgegriffen38. Konnte man 1914 noch von einem „Krieg der Staaten“ sprechen, so mutierte dieser schnell zu einem „Krieg der Völker“ – mit allen Folgen dieser Entwicklung, die zum Teil bis heute nachwirken und spürbar sind.

35 Zur Mentalität der Diplomaten des Jahres 1919 vgl. Harold Nicolson, Peacemaking 1919 (London 1933, rev. ed. 1943). 36 Vgl. auch Günter Bischof, Eine historiographische Einführung: Die Ära des Kalten Krieges und Österreich; in: Erwin A. Schmidl (Hg.), Österreich im frühen Kalten Krieg 1945–1958: Spione, Partisanen, Kriegspläne (Wien – Köln – Weimar 2000) 19–53, hier 41. 37 Dies zeigte sich nicht zuletzt in der Rezeption von Clark’s Studie etwa in Serbien, wo vor allem jüngere Wissenschaftler den Wert seiner Arbeit erkannten, er in der veröffentlichten Meinung aber beinahe zum Staatsfeind stilisiert wurde, da er tradierte Mythen hinterfragte. 38 ÖStA/Kriegsarchiv (KA): Bestand Armeeoberkommando (AOK), Kriegspressequartier.

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D. Die „deutsche Frage“ als historisch-politisches Schlüsselproblem für Europa und die internationale Ordnung: Deutschland, der Kriegsausbruch von 1914 und seine Wirkungen von Wolf D. Gruner 1. Erinnerungskultur, Geschichtspolitik, Vergangenheitspolitik und historische Forschung im Wandel der Zeiten „Erinnerungskultur“, „Geschichtspolitik“, „Gedächtnisgeschichte“, „kollektives Gedächtnis“, „kollektives Wissensarchiv“ und „Vergangenheitspolitik“ sind in die historische, sozialwissenschaftliche und öffentliche Diskussion neu eingeführte modische Begriffe. Sie bewegen sich im Spannungsbogen von öffentlicher Erinnerungskultur und wissenschaftlicher Erforschung „der Epoche der Mitlebenden“1, der Zeitgeschichte2. Sie sollen Termini wie „Vergangenheitsbewältigung“ und „historische Legitimation von neuer Staatlichkeit“ ablösen. Die Historiker, insbesondere die Zeithistoriker, standen „der Rede über das individuelle oder kollektive Gedächtnis nicht ohne Sorge gegenüber, weil sie den Blick auf das historische Geschehen selbst zu verstellen droht“3. Diese Begriffe spielen in den aktuellen Debatten und Kontroversen über die deutschen „Nachkriegsgeschichten“ eine Rolle, reichen aber weit über sie hinaus. Die „kulturelle Öffnung“ der historischen Disziplin bietet jedoch neue, erweiterbare methodische Ansätze, die „eine Geschichte der Erinnerung jenseits der Ereignisse“ ermöglichen und es ihr erlauben „die Entwicklungen der Vergangenheitsdiskussionen (…) zu historisieren“4. Sie erlauben es, die deutsche, europäische und globale Geschichte in einen größeren Zusammenhang einzubetten und reichen für vergleichende Analysen über Jahrhunderte zurück. „Erinnerungskultur“ und „Geschichtspolitik“ wurden, wie Hans Günther Hockerts anmerkte, als „lockerer Sammelbegriff für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Gebrauchs der Geschichte in der Öffentlichkeit [herangezogen] – mit den verschiedensten Mitteln und für die verschiedensten Zwecke, 1

hier 2.

Hans Rothfels, Zeitgeschichte als Aufgabe; in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1953) 1–8,

2 Vgl. hierzu auch im größeren Zusammenhang Martin Sabrow, Ralph Jessen, Klaus Grosse Kracht (Hgg.), Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen nach 1945 (München 2003). 3 Konrad H. Jarausch, Martin Sabrow (Hgg.), Verletztes Gedächtnis. Erinnerungskultur und Zeitgeschichte im Konflikt (Frankfurt/Main 2002) Vorwort 7. 4 Ebd.

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von der Gedenkrede des Bundespräsidenten über die Denkmalpflege bis zum FernsehInfotainment über ‚Hitlers Frauen‘“5, und Christoph Cornelißen weist darauf hin, dass diese Termini als „Alternative zur Verwendung der vergleichsweise pathetisch konnotierten Formulierung ‚Vergangenheitsbewältigung‘“ eingesetzt werden6. Unter „Geschichtspolitik“ verstehen wir die „Indienstnahme der Geschichte für politische Zwecke (…) [Sie] ist kein Spezifikum bestimmter politischer Systeme, sondern mehr oder weniger in allen politischen Systemen (…) anzutreffen“7. Für eine praktische, benutzerfreundliche und Epochen übergreifende Anwendung bietet sich eine Definition von Elke Fein an. „Geschichtspolitik“ umfasst für sie „alle politischen Maßnahmen, Strategien und öffentlichen Äußerungen, die eine Bewertung der nationalen Vergangenheit zum Gegenstand haben und daraus explizit praktisch-verbindliche oder implizit normative Handlungsanweisungen oder gebotene Einstellungen für die Gegenwart und die Zukunft haben“8. Der Begriff „Erinnerungskultur“ klingt einfach, ist aber höchst komplex und wird in Wissenschaft und Öffentlichkeit in unterschiedlichen Bezugssystemen verwendet. Als neues „Paradigma der Kulturwissenschaft“ fand er seit den 1990er Jahren Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs und allgemeinen Sprachgebrauch und ersetzte den Begriff „Vergangenheitsbewältigung“. „Erinnerungskultur ist kollektiv geteiltes Wissen.“ Sie ist Wissen „über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Einheit und Eigenart stützt“. Die Erinnerungskultur liefert den „jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten (…) in deren ‚Pflege‘ sich deren Selbstbildnis stabilisiert“9. Damit kann „Geschichte im Gedächtnis“ der Gegenwart als ein „kollektives Wissensarchiv“ verstanden werden. Das „kollektive Gedächtnis“ ist sozial bedingt, d. h. erinnert „wird an das, was das soziale Umfeld für erinnerungswürdig erachtet. Somit dient das kulturelle Gedächtnis der Sicherung der eigenen (Gruppen-)Identität“ und bewahrt, kreiert und vermittelt Mythen und symbolische Figuren10. Das „kollektive 5 Hans Günther Hockerts, Zugänge zur Zeitgeschichte: Primärerfahrung, Erinnerungskultur, Geschichtswissenschaft; in: Jarausch, Sabrow (Hgg.), Verletztes Gedächtnis 39–73, hier 41. 6 Christoph Cornelissen, Lutz Klinkhammer, Wolfgang Schwentker, Nationale Erinnerungskulturen seit 1945 im Vergleich – Einleitung; in: Dies. (Hgg.), Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan im Vergleich (Frankfurt/Main 22004) 9–27, hier 12. 7 Uwe Backes, Zum Bedarf von Geschichtspolitik in verschiedenen autokratischen Systemen. Vortrag auf der Tagung der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft in Darmstadt, 24. 1. 2009, MS. 1. Vgl. auch Ders., Geschichtspolitik als Kernelement der Herrschaftslegitimation autokratischer Systeme; in: Totalitarismus und Demokratie 6 (2009) 271–292. 8 Elke Fein, Geschichtspolitik in Russland: Chancen und Schwierigkeiten einer demokratisierenden Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit am Beispiel der Tätigkeit von MEMORIAL (Hamburg 2000) 11. 9 Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und Identität in frühen Hochkulturen. (München 62007 [1997]) 11. Vgl. auch Maurice Halbwachs, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen (Frankfurt/Main 22006); ders., Le mémoire collective (Paris 1950) sowie Aleida Assmann, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses (München 1999); dies., Geschichte im Gedächtnis (München 2007). 10 Vgl. Halbwachs, Gedächtnis; Assmann, Kulturelles Gedächtnis (Ausgabe 1997) 48–66; Julia Macher, Verdrängung um der Versöhnung willen? Die geschichtspolitische Auseinandersetzung mit

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Wissensarchiv“ erfasst unter anderem die Erinnerungen an die Weltkriege. Neben einer „nationalen Erinnerungskultur“ haben wir auch „europäische Erinnerungskulturen“. Die Konzentration auf Gedenkjahre ist nicht unproblematisch. Sie bedingt aus der Sicht des Historikers oftmals eine nicht vertretbare Verkürzung, Vereinfachung und blendet wegen der Fokussierung auf ein Ereignis oftmals wichtige Aspekte wie die historischen Rahmenbedingungen und die Wahrnehmung der Zeitzeugen aus. Die zahlreichen Jubiläumsjahre und Gedenktage seit Anfang der 1990er Jahre sind hierfür ein gutes Beispiel. Dabei ging und geht es auch – und das lässt sich verallgemeinern – um die Deutungshoheit. Die „Gedächtnisgeschichte“ wird so „ein Instrument der Herrschaft: Wer die Deutungsmacht besitzt, besitzt auch die reale Macht. Was von einer Gesellschaft als erinnerungswürdig erachtet wird, gibt Aufschluss über ihr Selbstbild. Am offiziellen Gedenken, an der Art und Weise der Inszenierung und Ritualisierung von Erinnerung, lässt sich außerdem ablesen, welche Rolle der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft zugewiesen wird. Da das kollektive Gedächtnis seinen Inhalt in Abhängigkeit von der Gegenwart permanent reorganisiert, also höchst dynamisch ist, bietet es sich als Kategorie für die Untersuchung einer ‚Gesellschaft im Wandel‘ […] an“11. 2. Das Jahr 2014 als Jahr der Erinnerung an die „Urkatastrophe“ Das Jahr 2014 ist ein typisches Jahr für die „Vergangenheitspolitik“. Hier, wie bei anderen historischen Gedenkjahren und Gedenktagen, wird deutlich, dass diese auch zur Legitimation von Herrschaft, zur Schaffung eines neuen Geschichtsbildes, zur Bestätigung eines bestehenden oder zur Revision eines überkommenen Geschichtsbildes benutzt werden. Sie werden als Mittel der Geschichtspolitik und der Steuerung einer Erinnerungskultur eingesetzt12. Mit Blick auf die deutsche Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert – und dies gilt generell nicht allein für Deutschland – wurden und werden zahlreiche Gedenkjahre zur historischen Traditionsbildung und ihrer Verankerung im historischen Bewusstsein der Nation eingesetzt. Dies wirft zwangsläufig die Frage nach Begrifflichkeiten und der Deutungshoheit in der Geschichte auf. „Vergangenheitspolitik“ oder „Geschichtspolitik“, „Geschichtskultur“ und „Erinnerungskultur“ und die Deutungshoheit über historische Ereignisse und historische Prozesse sind eng verknüpft. Hans Peter Schwarz hat diese Zusammenhänge in einem Beitrag über Jubiläums-

Bürgerkrieg und Franco-Diktatur in den ersten Jahren des friedlichen Übergangs von der Diktatur zur Demokratie in Spanien (1975–1978) (Bonn 2002) 9. 11 Macher, Verdrängung 10. 12 Vgl. hierzu Eberhardt Jäckel, Jahrestage 1998. Ein historischer Spaziergang auf der Achterbahn; in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 3–4 (1998) 3–10; Hans Peter Schwarz, 100 Jahre deutsche Jubiläumsbilanzen; in: Ders. (Hg.), Die Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz nach 60 Jahren (München 2008) 9–32; Norbert Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit (München 1996); ders., 1945 und wir. Das Dritte Reich im Bewußtsein der Deutschen (München 2005) und Edgar Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg der bundesrepublikanischen Erinnerung 1948–1990 (Darmstadt 1999).

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kulturen wunderbar dargestellt, als er meinte: „Historische Forschung, die Verbreitung historischer Erkenntnis und die Aufmerksamkeit dafür werden unter dem Blickwinkel von ‚Geschichtspolitik‘ nicht nur als genuin politikfreier Teil kultureller Kreativität verstanden. Vielmehr, so diejenigen, die ‚Geschichtspolitik‘ für wünschenswert oder doch für unvermeidlich halten, vermitteln Historiker politisch ungezielt, aber von der Politik genutzt, oder doch bereits von ihnen selbst gewollt, bestimmte ‚Geschichtsbilder‘, die von Regierungen, Parteien und Interessengruppen für politische Zielvorstellungen instrumentalisierbar sind. Daraus ergibt sich dann vielfach das Bestreben, bestimmte ‚Geschichtsbilder‘ historisch ‚gewissermaßen‘ zu besetzen, politisch konkurrierende ‚Geschichtsbilder‘ zurückzudrängen und das zu erstreben, was man die ‚geschichtliche Deutungshoheit‘ nennt. Geschichtsdeutung, Geschichtserziehung, auch das was man als ‚Erinnerungskultur‘ bezeichnet, werden somit als Teilaspekt politischer Strategien vereinnahmt.“13 Zwar orientiert sich die Mehrzahl der Historiker am Erkenntnisgewinn und dem Streben, diesen einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln und sträubt sich gegen eine politische Instrumentalisierung, dennoch ändert dies nichts daran, dass „Geschichte längst zur Verfügungsmasse politischer Strategien geworden ist“14. Die Historiker müssen sich dieser Zusammenhänge bewusst sein. Sie müssen versuchen, zu vermitteln, dass historische Ereignisse ungeeignet für „Symbolik“ und historische Legendenbildung sind und auch nicht für politische Legitimation missbraucht oder instrumentalisiert werden dürfen. Dies gilt gleichermaßen für alle Epochen der Geschichte. Dies gilt für alle Jubiläen dieses Jahres (2014), insbesondere auch für den Ersten Weltkrieg, den Historiker als die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts bezeichnet haben. Wir erinnern in diesem Jahr mit großen Ausstellungen in Hannover und Braunschweig an die Thronbesteigung der Kurfürsten von Hannover als britische Könige vor 300 Jahren. 1714 kennzeichnet den Beginn der bis 1837 dauernden Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover. Wir erinnern in diesem Jahr an den Beginn des Wiener Kongresses vor 200 Jahren, der eine Neuordnung der europäischen Staatengesellschaft mit sich brachte und eine völkerrechtlich abgesicherte neue europäische und internationale Ordnung schuf, die im Wesentlichen bis zum Ersten Weltkrieg Bestand haben sollte, Europa Entwicklungschancen für den Übergang vom Ancien Régime zum Europa der Moderne und der Modernität eröffnete und die Stellung Europas als „Königskontinent“ festigte. Wir erinnern in diesem Jahr an die „Düppler Schanzen“, die entscheidende Schlacht vor 150 Jahren in der Bundesexekution gegen Dänemark und an den Wiener Frieden, der diese beendete und zur Abtretung der Herzogtümer Holstein, Schleswig und Lauenburg führte. Dänemark schied aus dem Deutschen Bund aus. Die dänische Niederlage bei Düppel hatte nachhaltige Wirkung auf das dänische Deutschlandbild. Wir erinnern in diesem Jahr an die „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkrieges, der vor 100 Jahren begann, die internationale Ordnung zerstörte und Europa zum Verlierer des Weltkrieges machen sollte. 13 14

Schwarz, Jubiläumsbilanzen 31. Ebd.

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Wir erinnern in diesem Jahr an die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren, an dessen Ende sich die während des Krieges diskutierten und formulierten Pläne und Konzepte für eine Einigung Europas nicht verwirklichen ließen. Stattdessen wurde Europa politisch und wirtschaftlich auf nationalstaatlicher Basis wiederhergestellt. Die europäischen Staaten drohten auf den Status von Kolonien der neuen Supermächte Sowjetunion und USA abzusinken, das „finis Europae“ schien sich abzuzeichnen. Der deutsche Nationalstaat von 1871 wurde im Zuge des Ost-West-Konfliktes in zwei Staaten aufgeteilt. Wir erinnern in diesem Jahr an den D-Day, die Landung der alliierten Verbände in der Normandie vor 70 Jahren. Wir erinnern in diesem Jahr an den 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer am 9. November 1989, der den Weg zur Vereinigung Deutschlands 1990 möglich machte und angesichts des neuen, vergrößerten Deutschlands die Frage aufwarf, ob dieses vereinte Deutschland ein deutsches Europa anstreben oder ein europäisches Deutschland werden wird. Überkommene Deutschlandbilder aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, intensiviert im Ersten Weltkrieg und wieder aufgegriffen im Zweiten Weltkrieg, kehrten als „nationale Stereotype“ für die Deutschen mit ihrer „gespaltenen Persönlichkeit“ wieder. Vor diesem Hintergrund forderte Thomas Mann 1953 die junge deutsche Generation auf, „einmütig ihren Willen kund“ zu geben, „nicht zu einem deutschen Europa, sondern zu einem europäischen Deutschland“, das sich „als selbstbewußt dienendes Glied eines in Selbstbewußtsein geeinten Europa“ verstehe15. 3. Die „deutsche Frage“ als Problem der Stellung Deutschlands in Mitteleuropa Bei allen angeführten Erinnerungsjahren ist involviert, was die Deutschen „die deutsche Frage“ und ihre Nachbarn und andere „das deutsche Problem“ nennen16. Es ist die Frage nach der Rolle und Stellung des deutschen Mitteleuropa in und zu Europa und der politisch-sozialen und verfassungsmäßigen Verfasstheit dieses Raumes. Damit verknüpft ist stets auch das Deutschlandbild17. Der deutsche Historiker Arnold Herrmann Ludwig Heeren hat diese Problematik 1816 in die Worte gefasst: Der „deutsche Bundesstaat steht nur in so fern in Uebereinstimmung mit dem Wesen des allgemeinen Staatensystems von Europa, als er die Freyheit desselben aufrechterhalten hilft. Der deutsche Bundesstaat macht geographisch den Mittelpunct dieses Systems aus (…) und nicht leicht kann auf der einen oder andern Seite unseres Welttheils sich etwas ereignen, was ihm gleichgültig bleiben könnte. Aber in Wahrheit auch den fremden Mächten kann es nicht gleichgültig sein, 15 Thomas Mann, Ansprache vor Hamburger Studenten (am 8. Juni 1953); in: Peter de Mendelssohn (Hg.), Thomas Mann, Die gesittete Welt. Politische Reden und Schriften im Exil. Frankfurter Ausgabe in Einzelbänden (Frankfurt/Main 1986) XVIII 809–811, hier 811. 16 Vgl. hierzu Wolf D. Gruner, Die deutsche Frage in Europa 1800 bis 1990 (München – Zürich 1993) 13–80. 17 Vgl. u. a. Günter Trautmann (Hg.), Die häßlichen Deutschen? Deutschland in Spiegel westlicher und östlicher Nachbarn (Darmstadt 1991).

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wie der Centralstaat von Europa geformt ist! Wäre dieser Staat eine große Monarchie mit strenger politischer Einheit, ausgerüstet mit allen den materiellen Staatskräften, die Deutschland besitzt – welcher sichere Ruhestand wäre für sie möglich (…) Ja! würde ein solcher Staat lange der Versuchung widerstehen können, die Vorherrschaft in Europa sich anzueignen, wozu seine Lage und seine Macht ihn zu berechtigen schienen? (…) Die Entstehung einer einzigen und unumschränkten Monarchie in Deutschland würde binnen kurzem das Grab der Freyheit von Europa“18. Die Analyse Heerens verweist auf ein Kernproblem, das sich jeder Form deutscher Staatlichkeit und seinem politisch-ökonomischen Gewicht in und zu Europa und gegenüber seiner europäischen Umwelt immer wieder stellte und stellt. Sie unterstreicht auch, warum die Frage nach der Organisationsform der deutschen Nation als zentrale Bestimmungsgröße der deutschen Frage stets ein fundamentales historisch-politisches Schlüsselproblem für Europa und die internationale Ordnung gewesen ist, und warum die deutsche Frage 1989/90 wiederkehrte und in der Euro-Krise von der „Rückkehr der deutschen Frage“ („The German Question is back“) gesprochen wird19. Zur Kriegsschuldfrage heißt es im Versailler „Friedensvertrag zwischen Deutschland und den Alliierten und Assoziierten Mächten“ vom 28. Juni 1919, Teil VIII Wiedergutmachungen, Abschnitt I: Allgemeine Bestimmungen, Artikel 231: „Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.“20 Dieser sogenannte Kriegsschuldartikel des Friedensvertrages von Versailles wurde zum Ausgangspunkt für die Wahrnehmung, Bewertung und Einordnung des Kriegsausbruchs 1914 und des nicht nur mit militärischen Mitteln geführten Ersten Weltkrieges sowie der Vorgeschichte des Krieges. Der Krieg war in beiden Lagern nicht allein eine Materialschlacht mit Waffen und Menschen. Er war auch eine Materialschlacht der Propaganda, für die eigene Dienststellen eingerichtet wurden. Mit zunehmender Kriegsdauer wurde die Propaganda aggressiver. Es galt, die Bevölkerung für den Krieg zu mobilisieren und ihre Opferbereitschaft zu sichern. Hierzu mussten Feindbilder, das negative Bild vom Anderen, geschaffen und verfestigt werden21. Die

18 Adolf Herrmann Ludwig Heeren, Der Deutsche Bund in seinen Verhältnissen zu dem Europäischen Staatensystem; bey Eröffnung des Bundestages dargestellt (Göttingen 1816) 11 f. 19 Vgl. Timothy Garton Ash, The „New German Question“; in: The New York Review of Books vom 15. August 2013. 20 Auswärtiges Amt (Hg.), Der Vertrag von Versailles. Der Friedensvertrag zwischen Deutschland und den Alliierten und Assoziierten Mächten (…) Amtlicher Text der Entente und amtliche deutsche Übertragung (Berlin 1924) 106 (Französisch/Englisch/Deutsch); vgl. auch Eduard Rosenbaum, Der Vertrag von Versailles. Inhalt und Wirkung in gemeinverständlicher Darstellung (Leipzig 31924). 21 Vgl. Martin Schramm, Das Deutschlandbild in der britischen Presse 1912–1919 (Berlin 2007); Bernd Jürgen Wendt (Hg.), Das britische Deutschlandbild im Wandel des 19. und 20. Jahrhunderts (Bochum 1984).

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Ideologie des „Kreuzzuges“ spielte dabei in beiden Lagern eine Rolle und prägte das „Bild vom Andern“ als Stereotype vom Ersten über den Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart22. So kämpfte Frankreich gegen die deutschen „Barbaren“, um die Zivilisation und die Freiheit zu retten. Die Kriegspropaganda setzte publizistische und mediale Mittel ein, etwa Plakate, Flugblätter, Postkarten, die Photographie, engagierte Künstler und Schriftsteller23. Sie nutzte auch bereits den Film24. Die Propaganda wirkte auch in das Alltagsleben hinein, um die Menschen vom Sieg und einem besseren Leben im kommenden Frieden zu überzeugen und sie dazu zu bringen, die dringend benötigten Kriegsanleihen zu zeichnen und ihr Gold für den Sieg zu geben25. In den USA wurde 1918 mit der Aufforderung „Beat back the Hun with Liberty Bonds“ für Kriegsanleihen, und mit Plakaten wie „Destroy this Mad Brute – Enlist U.S. Army“ oder „I want you for U.S. Army“ um Soldaten geworben26. In Australien wurde 1915 eine „Anti German League“ gegründet und ein Poster über das „German Monster“ veröffentlicht27. Die „British Empire Union“ druckte 1919 ein Plakat mit dem Slogan „Once a German – Always a German“28. Tausende Deutsche, die in Ländern lebten, die mit Deutschland im Krieg standen, wurden interniert. Aus langjährigen Freunden, Vgl. Trautmann (Hg.), Die häßlichen Deutschen? Vgl. Klaus-Jürgen Bremm, Propaganda im Ersten Weltkrieg (Darmstadt 2013); Brigitte Hamann, Der Erste Weltkrieg. Wahrheit und Lüge in Bildern und Texten (München – Zürich 2004); klassisch: Harold D. Lasswell, Propaganda and Technique in the World War (New York 1927). 24 Vgl. hierzu mit weiterführender Literatur Bernd Kleinhans, Medienkrieg: Film und Propaganda zwischen 1914 und 1918; in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 16–17 (2014) 32–38; Anton Holzer, Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg (Darmstadt 32012); Brigitte Oppelt, Film und Propaganda im Ersten Weltkrieg: Propaganda als Medienrealität im Aktualitäten- und Dokumentarfilm (Stuttgart 2002). 25 Eine gute Zusammenstellung von Propagandamaterialien der Kriegführenden, u.a. Plakate, findet sich im Deutschen Historischen Museum Berlin: http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/propaganda (18. 5. 2014). Zu Deutschland: http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/propaganda/deutsch/index.html, zu Großbritannien: http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/propaganda/britisch/index.html, zu Frankreich: http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/progaganda/franzoesisch/index.html und zu den USA: http://www. dhm.de/lemo/html/wk1/propaganda/amerikanisch/index.html. Vgl. auch http://avant.wlb-stuttgart.de/bfz/ wk1plakat (Plakatdatenbank Bibliothek für Zeitgeschichte Stuttgart); http://www.ww1-propaganda-cards. com/index.html (Propagandapostkarten aus dem Ersten Weltkrieg); http://www.goethezeitportal.de/index. php?id=3902 (Patriotische Lieder im Ersten Weltkrieg). 26 Fred Strothman, Beat Back the Hun with Liberty Bonds (National Archives Washington D.C.): www.pbs.org/wgbh/amex/wilson/gallerey/p_war_04.html (20. 4. 2014) und: Library of Congress. Prints and Photographic Division: POS-US. 878 no. 1: www.loc.gov./pictures/item/94505100; 1918: Ellsworth Young, Remember Belgium. Buy Bonds Fourth Liberty Loan: http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/88– 1892/index.html (20. 5. 2014); 1918: Gerrit Albertus Beneker, Sure! We’ll Finish the Job. Victory Liberty Loan: http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/89–610/index.html (20. 5. 2014); H. R. Hopps, Destroy this Mad Brute. Enlist U.S. Army: http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/pl003967/index.html (20. 5. 2014) und Montgomery Flagg, I want you for U.S.Army (New York 1917): http://www.dhm.de/lemo/objekte/ pict/pli00364/index.html (20. 5. 2014). 27 1915: Anti German League: www.uploads.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9c/AGKbadge.jpg (15. 4. 2014). 28 http://www.ww1propaganda.com/ww1-poster/british-empire-union-once-german-always-germanremember-every-german-employed-means (20. 4. 2014). 22 23

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Kollegen und Geschäftspartnern wurden plötzlich Feinde. Angehörige von vor Generationen eingewanderten deutschen Emigranten wurden diskriminiert und mussten ihren Namen ändern. Die Sprachen wurden von Fremdwörtern aus der jeweils anderen Sprache „gereinigt“. Das britische Königshaus änderte den deutschen Namen seiner Dynastie in „Haus Windsor“. Die Kriegspropaganda hinterließ tiefe Spuren des Hasses gegen den Feind in den kriegführenden Nationen. Sie prägte die Erinnerungskultur und bestimmte in hohem Maße die Geschichtspolitik. Es war sicherlich kein Zufall, dass Heinrich von Treitschkes „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“, und eine Studie über das politische Denken Treitschkes während des Ersten Weltkrieges in Großbritannien veröffentlicht wurden. Treitschke war neben Heinrich von Sybel und Johann Gustav Droysen einer der einflussreichsten Exponenten der „Reichshistoriographie“. Als „Trommler der Reichsgründung“ hatte er das kleindeutsche Geschichtsbild und Preußens Weg zum preußisch-kleindeutschen Nationalstaat publizistisch und ideologisch vorbereitet. In seinem Monumentalwerk „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“ beschrieb Treitschke die „preußische Mission“ in der deutschen Geschichte seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert und legitimierte sie historisch. „Der Traum vom preußischen Reiche deutscher Nation“ habe sich 1871 erfüllt. Mit der Zwangsauflösung des Deutschen Bundes durch Preußen und dem Ausscheiden Österreichs aus der mitteleuropäischen Föderativordnung wurde ein neues Geschichtsbild durch die Sieger geschaffen, und die „Reichshistoriographie“ erhielt fortan die Deutungshoheit über die deutsche Geschichte. Die gesamte deutsche Geschichte degenerierte zur preußischen Geschichte, und aus dem Bild von den „Deutschländern“ wurde nach 1870/71 das ambivalente Bild vom militaristischen Preußen29. Die britische Studie über das politische Denken Treitschkes wurde mit der Absicht geschrieben, den Engländern „the political philosophy which is now the vogue in Germany“ verständlich zu machen. Die Überzeugung, die Treitschke seinen Schülern und Lesern zu England vermitteln wollte, war, „that England was a decadent State, relying for her preservation upon a tortuous and immoral foreign policy“30. Die Kriegspropaganda weckte Erwartungen auf ein besseres Leben und Wohlstand – peace and prosperity – nach einem erfolgreichen „Kreuzzug“ gegen den Feind, die „Hunnen“ und „Monster“, oder aus deutscher Sicht das „perfide Albion“. Sie musste Auswirkungen auf den künftigen Frieden haben. Dazu traten noch die Ziele einzelner Interessengruppen, die versuchten, Einfluss auf die Friedensverhandlungen zu nehmen,

29 Vgl. Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, 5 Bde. (Leipzig 1879–1894) I: An Max Duncker V–VIII; ders., Treitschke’s History of Germany in the Nineteenth Century, 7 Bde., übersetzt von Eden und Cedar Paul (London 1915); [Heinrich von Treitschke], Politics by Heinrich von Treitschke, aus dem Deutschen übersetzt von Blanche Dugdale und Torben de Bille, mit einer Einleitung von Arthur James Balfour, 2 Bde. (New York 1916) und H[enry] W[illiam] C[arless] Davis, The Political Thought of Heinrich von Treitschke (London – New York 1915). 30 Davis, Political Thought V–VI. Vgl. ausführlicher hierzu u. a. auch Wolf D. Gruner, Preußen in Europa 1701–1860/71; in: Jürgen Luh, Vinzenz Czech, Bert Becker (Hgg.), Preußen, Deutschland und Europa 1701–2001 (Groningen 2003) 429–460.

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so beispielsweise in einem Memorandum der Federation of British Industries31. Der Industriellenverband forderte, „that in any case the total cost of the War should be regarded as a liability of the enemy countries irrespective of any investigation or opinion as to the capacity of those countries to pay the full amount. That is to say, that in the Treaty of Peace the full sum should be entered“32. Sollten die Kriegslasten für die alliierten Staaten nicht in angemessener Form reduziert werden, das Freihandelsprinzip verlassen und Importe beschränkt werden, dann würde Großbritannien Wettbewerbsnachteile gegenüber den Ländern haben, die nicht am Krieg teilgenommen hätten und sogar gegenüber den Feindstaaten. Ohne entsprechende Maßnahmen zum Schutz des Binnenmarktes33 drohe „a gradually-increasing stagnation ending very possibly in complete economic ruin, in which all classes – employers and employed – will suffer alike“34. Der Verband war der Auffassung, dass Deutschland auch nach dem Krieg noch „many sources of taxable wealth“ habe, um an die Alliierten jährlich 600 Millionen Pfund Sterling bezahlen zu können35. Im Zusammenhang mit dem Vertrag von Versailles und den anderen Pariser Vorortverträgen wird übersehen, dass sie sich in ihrem Charakter grundsätzlich von den traditionellen Friedensverträgen unterschieden. Neben der politischen Seite muss hier vor allem die rechtliche in die Analyse einbezogen werden. 4. Der Erste Weltkrieg in der Erinnerungskultur, der Geschichtspolitik und in der Geschichtswissenschaft zwischen Weimar und dem Vereinten Deutschland Mit den wissenschaftlichen und amtlichen Veröffentlichungen zum Ersten Weltkrieg sowie mit den Memoiren und Erinnerungsbüchern lassen sich ganze Bibliotheken füllen. Es bietet sich daher an, verschiedene, für das Verständnis von 1914 und den „Großen Krieg“ wichtige Phasen herauszugreifen und exemplarisch darzustellen sowie zu analysieren. Der Schwerpunkt wird dabei auf Deutschland liegen, ohne dabei andere Wahrnehmungen auszublenden. Als Präsident des Reichsministeriums gab Philipp Scheidemann nach Bekanntwerden der Bestimmungen des Friedensvertrages am 12. Mai 1919 vor der Verfassunggebenden Nationalversammlung eine patriotisch-emotionale Erklärung für die Reichsregierung ab, die immer wieder durch Beifallsstürme unterbrochen wurde36.

31 Memorandum der Federation of British Industries (FBI): „Peace Aims“ (30. Jänner 1919); in: National Archives Public Record Office London (im Folgenden PRO), Cabinet (CAB) 24/75 G.T. 6822 32 Ebd. 33 Vgl. Vincent Caillard (Präsident FBI) – Sekretär Kriegskabinett vom 20. Dezember 1918. PRO CAB 21/108. 34 PRO CAB 24/75 G.T. 6822. 35 Ebd. „Methods of obtaining indemnities from the Central Powers“. 36 Stenographische Berichte über die Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung (im Folgenden Sten. Ber. NV) Bd. 327 (Berlin 1920), 39. Sitzung vom 12. Mai 1919, 1082 B–1084 B. Die kursiv gedruckten Passagen hier sowie in den folgenden Redebeiträgen sind im Originalprotokoll fett gedruckt.

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Die Versammlung sei heute „am Wendepunkt im Dasein unsres Volkes“ zusammengetreten, um „gemeinsam mit der Reichsregierung Stellung zu nehmen zu dem, was unsere Gegner Friedensbedingungen nennen“37. Er begrüßte die Abgeordneten aller deutschen Stämme und Länder, neben den unbedrohten Ländern die bedrohten, die, sofern der Friedensvertrag so abgeschlossen werde, „zum letzten Mal als Deutsche unter Deutschen tagen sollen“ und rief ihnen zu: „Wir gehören zusammen! (lebhaftes Bravo) Wir müssen beieinander bleiben! (Erneuter lebhafter Beifall) Wir sind ein Fleisch und ein Blut, und wer uns zu trennen versucht, der schneidet mit mörderischem Messer in den lebendigen Leib des deutschen Volkes (Wiederholter stürmischer Beifall). Unser Volk am Leben zu erhalten, das ist unsre höchste Pflicht. Wir jagen keinen nationalistischen Traumbildern nach; keine Prestigefrage und kein Machthunger haben Anteil an unseren Beratungen. Das Leben, das nackte, arme Leben müssen wir für unser Land und Volk retten“38. Den Vertragsentwurf bezeichnete er als schauerlichsten und mörderischen „Hexenhammer, mit dem einem großen Volk das Bekenntnis der eigenen Unwürdigkeit, die Zustimmung zur erbarmungslosen Zerstückelung, das Einverständnis mit Versklavung und Helotentum abgepreßt werden soll – (sehr wahr) dies Buch darf nicht zum Gesetzbuch der Zukunft werden! (Stürmischer Beifall)“39. Deutschland dürfe „bei der Festsetzung seiner Verpflichtungen nicht mitreden“. Die Gegenvorschläge fänden keine Berücksichtigung. Scheidemann beendete seine Erklärung mit den Worten: „Wir sehen, mit Ihrem Einverständnis, unsere heilige Aufgabe darin, zu Verhandlungen zu kommen. Dieser Vertrag ist nach Auffassung der Reichsregierung unannehmbar (…) Eine Verwilderung der sittlichen und moralischen Begriffe, das wäre die Folge eines solchen Vertrages von Versailles, das Signal für den Anbruch einer Zeit, in der wieder, wie vier Jahre lang, nur heimtückischer, grausamer, feiger, die Nation das mörderische Opfer der Nation, der Mensch des Menschen Wolf wäre.“40 In einer ebenfalls hoch emotional geführten Aussprache über die politischen, wirtschaftlichen und territorialen Folgen der Friedensbedingungen, gab der Bromberger Abgeordnete Georg Schultz der Stimmungslage des Hauses Ausdruck, als er sich gegen die Abtretung deutschen Territoriums, auch seiner Heimat Posen, aussprach und mit den von stürmischem Beifall begleiteten Worten schloss: Die „deutsche Hand möge verdorren, die die Feder unter diesen Friedensvertrag setzt!“41 In der Debatte äußerte sich auch Gustav Stresemann. Wenn man den Friedensvertrag in seinen inhaltlichen Grundsätzen auf sich wirken lasse, so führte er aus, „dann sieht man, daß er dreierlei beabsichtigt: unsere politische, unsere wirtschaftliche Vernichtung und unsere Entehrung. Aber ich glaube es wird einmal das Urteil der Geschichte über diesen Friedensvertrag anders lauten, wie es herausklang aus all den

37 38 39 40 41

Ebd. 1082. Ebd. 1083. Ebd. Ebd. 1084. Ebd. 1100.

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Reden, die wir heute gehört haben: er entehrt nicht die Besiegten, er entehrt die Sieger (…) [Dieser] Friedensvertrag ist ein Ausfluß des politischen Sadismus. Aber Deutschland ging den Waffenstillstand ein unter ganz bestimmten, feierlich vor der Welt verkündeten Bedingungen und gegenüber diesen Bedingungen ist der Friedensvertrag, wenn er nicht geändert wird, der größte Weltbetrug, den jemals die Geschichte erlebt hat (…) Wirtschaftlich bedeutet dieser Vertrag die Ägyptisierung Deutschlands“42. Am Vertragsentwurf änderte sich praktisch nichts. Die Reichsregierung trat zurück. In ihrer Sitzung vom 22. Juni 1919 stimmte die Nationalversammlung unter äußerem Druck – unter anderem wegen der Aufrechterhaltung der britischen Seeblockade, den wachsenden Ernährungsproblemen in Deutschland, den Berichten über täglich 800 Hungertote – dem Friedensvertrag zu43, der schließlich am 29. Juni 1919 unterzeichnet wurde. Gleich nach der erzwungenen Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages und nach der Zustimmung des Reichstages setzte in der Weimarer Republik eine öffentliche Debatte über die Deutschland im Artikel 231 des Friedensvertrages zugewiesene alleinige Schuld am Weltkrieg ein. Es galt in Deutschland weitestgehend übereinstimmend die Formulierung, die der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann mehrfach vor dem deutschen Reichstag benutzt hatte, nämlich, dass es eine Lüge wäre zu behaupten, dass Deutschland der „Hauptschuldige am Weltkrieg“ gewesen sei. In Medien, Publikationen und Reden wurde der „Schandvertrag“, „der Diktatfrieden“ von Versailles abgelehnt. Zahlreiche deutsche Historiker beteiligten sich in Reden zu den Jahrestagen des Friedensvertrages und in Veröffentlichungen zur nationalen Geschichte an der Verfestigung dieser Auffassung. Es ging um die Deutungshoheit über die Ursachen des Krieges, um die Verantwortlichkeiten der einzelnen Staatslenker und Nationen beim Ausbruch des Krieges und im Verlauf des Krieges. Das Auswärtige Amt und das Reichsarchiv arbeiteten an Editionen, um die Unschuld Deutschlands am Ausbruch des Krieges nachzuweisen. Das im Auswärtigen Amt eingerichtete „Kriegsschuldreferat“ stellte bereits während der Friedenskonferenzen Dokumente zur Entlastung Deutschlands zusammen, die den Vertretern der Alliierten übergeben wurden44. Es sollte nachgewiesen werden, dass das Deutsche Reich den Krieg nicht planmäßig vorbereitet und auch das Völkerrecht nicht vorsätzlich gebrochen habe. Zielgruppe waren neben den Delegierten auf den Friedenskonferenzen auch Historiker und Journalisten. Mit dem aufbereiteten Archivmaterial sollte die Unschuld an dem

Ebd. 1001. Ebd. Sten. Ber. NV, Bd. 327, 40. Sitzung vom 22. Juni 1919, 1135 A (237 Ja-, 138 Nein-Stimmen, 5 Enthaltungen, 1 ungültige Stimme). 44 Vgl. Deutschland schuldig? Deutsches Weissbuch über die Verantwortlichkeit der Urheber des Krieges, hgg. mit Genehmigung des Auswärtigen Amtes (Berlin 1919; engl. Ausgabe unter dem Titel: The German White Book Concerning the Responsibility of the Authors of the War, New York 1924); Karl Kautsky, Graf Max Montgelas, Walther Schücking, Bernhard Wilhelm von Bülow, Deutsche Dokumente zum Kriegsausbruch, hgg. im Auftrag des Auswärtigen Amtes, 4 Bde. (Charlottenburg 1919, 21927); Max Montgelas, Walther Schücking (Hgg.), Outbreak of the World War. German Documents. Collected by Karl Kautsky (New York 1924). 42 43

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Deutschland aufgezwungenen Krieg nachgewiesen und die öffentliche Meinung im Ausland beeinflusst werden. In einem im August 1919 eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschuss wollte die Nationalversammlung prüfen „inwieweit Deutsche, die vermöge ihrer Stellung im öffentlichen Leben von Einfluss waren, in begründetem Verdacht stehen, zum Ausbruch, zur Verlängerung und zum Verlust des Weltkrieges schuldhaft beigetragen zu haben“45. Für die Psyche der Deutschen war der Friedensvertrag eine Katastrophe. Die Öffentlichkeit war durch die Kriegspropaganda in dem Glauben gelassen worden, dass das Reich den Krieg siegreich beenden werde und die Siegfriedensverträge vom März 1918 mit Russland und Rumänien in Brest-Litowsk und Bukarest schienen diese Tatsache zu bestätigen. Das deutsche Heer war im Felde unbesiegt. Im November 1918 suchte Deutschland um einen Waffenstillstand nach, um auf der Grundlage der Vierzehn Punkte Wilsons zu verhandeln und erhielt mit dem Friedensvertrag von Versailles einen – aus deutscher Sicht – unangemessenen, ungerechten Frieden, der der Nation auch noch die Ehre nahm. Ziel aller deutschen Parteien war es daher seit 1919 eine Revision des Vertrages zu erreichen. Unter Revision wurden jedoch von den verschiedenen politischen Lagern unterschiedliche Inhalte verstanden. Das „Weimarer Revisionssyndrom“ hielt das Thema am Leben und es gelang der NSDAP, den Begriff „Revision“ inhaltlich für sich zu füllen und so die Deutungshoheit zu erlangen46. Im 1919 paritätisch besetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss prallten die unterschiedlichen Auffassungen und Zielsetzungen der Parteien aufeinander. Die USPD – die spätere KPD – wollte den Ausschuss zu einem „Tribunal“ machen, die Parteien der „Weimarer Koalition“ (SPD, Zentrum/Z, Deutsche Volkspartei/DVP, Deutsche Demokratische Partei/DDP) wollten die Verantwortlichkeiten und die Entscheidungsprozesse „leidenschaftslos“ klären. Das „nationale Lager“ lehnte die Aufgabenstellung des Ausschusses und seine Zielsetzungen prinzipiell ab. In der Zeit der Ausschussarbeit bis zum Jahr 1930 verschoben sich, wie auch im Reichstag selbst, die politischen Gewichte im Ausschuss zuungunsten der „Weimarer Koalition“. In den Debatten des Reichstages kam in den Jahren 1920 bis 1930 immer wieder das Thema der „Kriegsschuldlüge“ hoch. So bezichtigte der Abgeordnete der Deutschnationalen Emil Berndt, Frankreich, alles „Unheil in Europa“ verursacht zu haben. Es sei auch „künftig die ständige und größte Friedensgefahr für Europa und die ganze Welt“47. Von den nationalen Parteien DNVP und NSDAP wurden der Regierung mangelnde Aktivitäten gegen die Kriegsschuldfrage vorgeworfen. Die Unterschrift von 45 Arbeitsauftrag für den „Untersuchungsausschuss für die Schuldfragen“, zitiert nach Ulrich Heinemann, Die verdrängte Niederlage. Politische Öffentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Göttingen 1983) 157. Zu Einzelheiten und den Ergebnissen des Ausschusses liegen umfangreiche Dokumentationen vor; vgl. Das Werk des Untersuchungsausschusses der Deutschen Verfassunggebenden Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919–1930. Verhandlungen, Gutachten, Urkunden, 19 Bde. (Berlin 1925–1930). 46 Vgl. Michael Salewski, Das Weimarer Revisionssyndrom; in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 2 (1980) 14–25. 47 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des [deutschen] Reichstags (im Folgenden Sten. Ber. RT) Bd. 381 (Berlin 1924), 18. Sitzung vom 25. Juli 1924, 671.

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1919 „ist erpreßt, und deswegen ist sie anfechtbar“. Es sei unerträglich „für das deutsche Gefühl“, dass die deutsche Regierung sich von ausländischen Vertretern „an die Erfüllung nationaler Pflichten erinnern lassen muß. (…) In vorderster Kampflinie hat die deutsche Regierung zu stehen, wenn es gilt die Ehre des deutschen Namens zu wahren“. Die Regierung müsse endlich den „Widerruf der Kriegsschuldlüge“ und den Widerruf des Schuldbekenntnisses des Friedensvertrages international erreichen. Diese Pflicht habe die Regierung „gegenüber dem Volk und seiner Zukunft, damit wir endlich von der entehrendsten Schuldfrage befreit werden und damit unser Volk endlich wieder zu einem moralisch reinen und einwandfrei dastehenden Volke wird, geachtet und gleichberechtigt unter den Nationen. Lässigkeit ist Versündigung am Vaterlande. Es gehört zur Gerechtigkeit nicht nur, daß wir selber kein Unrecht tun, sondern daß wir uns auch Unrecht nicht gefallen lassen“48. In der Debatte meinte der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann: „Ob es einen Deutschen gibt, der an die Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des Krieges glaubt, weiß ich nicht; ich hoffe es aber nicht. In der Zurückweisung der Unterstellung in Artikel 231 des Versailler Diktats ist, glaube ich, das ganze Volk bis auf den letzten Mann vollkommen einig. (Bravo! In der Mitte und links) Es ist auch nicht zu bezweifeln, daß der Tag kommen wird, an dem alle Welt zugeben muß, daß die Behauptung, Deutschland trage allein die Schuld am Ausbruch des Krieges, ein ententistischer Kriegsschwindel gewesen ist (…) In der Zurückweisung der Behauptung, daß Deutschland allein die Schuld am Ausbruch des Krieges trägt, sind wir vollkommen einig! In der Behauptung, daß Deutschland vollkommen unschuldig sei, hört diese Einigkeit auf.“49 In einer Rede vor dem Reichstag im Juni 1929 äußerte sich Reichsaußenminister Gustav Stresemann erneut zur Kriegsschuldfrage: „Ich habe niemals ein Hehl daraus gemacht, daß ich es als eine rein für politische Zwecke zurechtgemachte Fassung des Friedensvertrages gehalten habe, wenn man davon gesprochen hat, daß auf Deutschland die Schuld fiele für alles, was der Krieg mit sich gebracht hat: Niemals wird irgendjemand in Deutschland anerkennen, daß auf Deutschland die Schuld der alleinigen Herbeiführung des Krieges irgendwo liege (…) Ebenso darf man aber auch heute sagen, daß in den weitesten Kreisen der Welt, in allen Ländern dieselbe Auffassung besteht, und daß es kaum noch jemand gibt, der es wagt, einen solchen Satz im französischen und englischen Parlament auszusprechen, ohne dabei den größten Schwierigkeiten im eigenen Parlament zu begegnen.“50 Die „Kriegsschuldlüge, wie sie in Artikel 231 festgelegt ist“, sei von der Forschung und ausländischen Regierungen zurückgewiesen worden. Auch der Reichstag stimme in einem überein, „daß dieser Vorwurf, wie er in Artikel 231 steht unbegründet ist (…) Aber nicht nur im Inland, sondern auch bei den ernsthaften Kriegsschuldforschern des Auslandes besteht kein Zweifel mehr über den Fehlspruch der diesem Artikel 231 des Vertrages zugrundeliegt“51. Ebd. Ebd. 671 f. 50 Sten. Ber. RT Bd. 425, 94. Sitzung vom 24. Juni 1929, 2814 D–2815 A. Die im Text kursiv gesetzten Passagen sind im Original fett gedruckt. 51 Ebd. 2839 A–C. 48

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Im Oktober 1930 wurde im Reichstag der Antrag gestellt, die Reichsregierung möge das im Versailler Friedensvertrag „erpreßte deutsche Kriegsschuldanerkenntnis förmlich widerrufen“52. Die Ergebnisse der Wissenschaft in den europäischen Ländern, in den USA und Kanada sowie die Äußerungen beteiligter Politiker hätten gezeigt, dass eine Zuweisung der alleinigen Kriegsschuld Deutschlands nicht länger aufrecht erhalten werden könne, und dass eine internationale Sachverständigenkommission zur endgültigen Klärung eingesetzt werden solle. Durch zahlreiche Aktenpublikationen, nicht nur in Deutschland, durch vielfach kontroverse Diskussionen in anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften, wie „Current History“, „The American Historical Review“, „Foreign Affairs“, „Zeitschrift für Politik“, „Historische Zeitschrift“, „English Historical Review“, „Revue Historique“, „Archiv für Politik und Geschichte“, „Europäische Gespräche“ und „L’Europe nouvelle“ und vor allem auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Weltkrieg und seiner Vorgeschichte seit dem Krieg von 1871 bildete sich aus einer vergleichenden und umfassenderen Betrachtung ein Grundkonsens heraus, nämlich, dass von einer Alleinschuld Deutschlands nicht mehr die Rede sein könne. Alfred von Wegerer hatte seit den frühen 1920er Jahren in verschiedenen Publikationen Materialien vorgelegt, die den Nachweis gegen die alleinige deutsche Verantwortung für den Ausbruch des Weltkrieges erbringen sollten53. Die Nachweise und Ergebnisse in den deutschen Aktenpublikationen zur Kriegsschuldfrage sowie die Veröffentlichung der französischen und britischen Akten zum Ausbruch des Weltkrieges beförderten die ersten großen Gesamtstudien über den Ausbruch des Weltkrieges und die Verantwortlichkeiten. 1928 erschien die zweibändige Studie von Sidney Bradshaw Fay über die Ursachen des Weltkrieges54. Fay vertrat darin die Ansicht, das Urteil des Vertrages von Versailles, wonach Deutschland und seine Verbündeten allein verantwortlich für den Kriegsausbruch seien, müsse fallen gelassen werden. Im Reichstag zitierte der Abgeordnete Dr. Heinrich Schnee (DVP) aus der Studie Fays. Der Artikel 231 des Friedensvertrages „war ein den Besiegten vom Sieger unter dem Einfluß der Kriegspsychose, der Verleumdung, der Unwissenheit und des Hasses und der propagandistischen Wahnvorstellungen abgepreßtes Einverständnis. Es gründet sich auf unvollständige und nicht immer vernünftige Beweise. Es wird allgemein von den Historikern aller Länder anerkannt, daß es nicht mehr zu halten und verteidigen sei“55. 52 Sten. Ber. RT Bd. 424, 75. Sitzung vom 3. Juni 1929, 1988 D (Regierungserklärung zu den Pariser Verhandlungen). Antrag Dr. Reinhold Georg Quaatz und Genossen, Sten. Ber. RT Bd. 448, Nr. 334. Interpellation Dr. Reinhold Georg Quaatz, Dr. Paul Bang, Prof. Dr. Axel Freiherr von Freytagh-Loringhoven. 53 Zentralstelle für Erforschung der Kriegsursachen (Hg.), Alfred von Wegerer (Schriftleitung), Die Kriegsschuldfrage. Berliner Monatshefte für internationale Aufklärung, 6 Bde. (Berlin 1923– 1928); Alfred von Wegerer, Die Widerlegung der Versailler Kriegsschuldthese (= Die Kriegsschuldfrage VI (Berlin 1928) 1–77; Ders., Der Ausbruch des Weltkrieges 1914, 2 Bde. (Hamburg [1934] 21939). 54 Vgl. Sidney Bradshaw Fay, The Origins of the World War, 2 Bde. (Toronto 1928; 2. erw. Auflage New York 1966). Benutzt wurde die im Internet verfügbare Fassung der Veröffentlichung der 2. Auflage von 1930 im Nachdruck von Freepress (New York 1966): http://www.yamaguchy.com/library/fay/origin_101. html (28. 4. 2014 / 11. 10. 2014) und http://www.yamaguchy.com/library/fay/origin_212.html (28. 4. 2014 / 11. 10. 2014). 55 Sten. Ber. RT Bd. 425, 94. Sitzung vom 24. Juni 1929, 2839 C.

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Fay befasste sich zunächst mit den unmittelbaren Ursachen für den Krieg. Er stellte den Weg nach Sarajevo und in den Krieg jedoch in einen größeren, vergleichenden Rahmen. Erörtert werden die Diskussionen über die Verantwortung für den Kriegsausbruch während des Krieges sowie nach 1919. Analysiert wird auch die Erinnerungsliteratur. Als wichtige Einflussgrößen betrachtet Fay das System der geheimen Allianzen, den Militarismus, den Nationalismus, den Wirtschaftsimperialismus (Economic Imperialism) sowie neben den handelnden Politikern die Rolle der Presse. Zusammenfassend kommt er zu dem Ergebnis: „None of the Powers wanted a European War. Their governing rulers and ministers, with very few exceptions, all foresaw that it must be a frightful struggle, in which the political results were not absolutely certain, but in which the loss of life, suffering, and economic consequences were bound to be terrible.“56 Diese Folgen waren den verantwortlichen Politikern bewusst: „Yet none of them, not even Sir Edward Grey, could have forseen that the political results were to be so stupendous, and the other consequences so terrible, as was actually the case.“57 Fay betrachtet die Entwicklung aus einer umfassenderen Perspektive seit dem Krieg von 1871: „In the fourty years following the Franco-Prussian War (…) there developed a system of alliances which divided Europe into two hostile groups. This hostility was accentuated by the increase of armaments, economic rivalry, nationalist ambitions and antagonisms, and newspaper incitement. But it is very doubtful whether all these dangerous tendencies would have actually led to war, had it not been for the assassination of Franz Ferdinand. That was the factor which consolidated the elements of hostility and started the rapid and complicated succession of events which culminated in a World War, and for that factor Serbian nationalism was primarily responsible. But the verdict of the Versailles Treaty that Germany and her allies were responsible for the War, in view of evidence now available, is historically unsound. It should therefore be revised. However, because of the popular feeling widespread in some of the Entente countries, it is doubtful whether a formal and legal revision by historical scholars is as yet practicable, and through them of public opinion.“58 Auch die Studie von Bernadotte E. Schmitt über den Weg in den Krieg, für die er mit dem Pulitzer Price ausgezeichnet wurde, rückte von der These der alleinigen Schuld Deutschlands und seiner Verbündeten ab59. Der Akzent liegt vor allem auf der Julikrise von 1914, ausgehend von der internationalen Situation des europäischen Systems zum Zeitpunkt der Ermordung des österreichischen Thronfolgers. Analysiert werden die unterschiedlichen Positionen der am Krieg Beteiligten, auch die Rolle der Neutralen. Schmitt kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis: „The crisis of July, 1914, was the most momentous event in the history of Europe since the Congress of Vienna a century before. If it culminated in a European war, this was partly because probably

Fay, Origins II, Kapitel XII Conclusion 1 (Internetversion, Anm. 53) Ebd. 58 Ebd. 6 (kursiv im Original). 59 Bernadotte E. Schmitt, The Coming of the War 1914, 2 Bde. (New York – London 1930); ders. The Origins of the First World War (= General Series. Historical Association 39, London 1958). 56 57

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no diplomacy, however skilful, could have devised a compromise (…) But, as a matter of fact, much of the diplomacy exhibited was far from skillful.“60 Schmitts Vorwurf an die deutsche Regierung geht dahin, dass, „if it was to carry through its programme of localizing the war, [it] needed to win the confidence of the Entente Powers in its professions of Austro-Hungarian disinterestedness; yet from the beginning it managed by its conduct to create only distrust and suspicion“61. Schmitt war, wie er abschließend feststellt, der Auffassung, dass trotz des Versagens der Diplomatie „the diplomatists were not solely to blame for the failure to preserve peace. Back of them stood the public opinion of their respective countries which, as reflected in newspapers, urged a resolute stand and opposed concessions which might avert war (…) Perhaps a distinction should be made between the press and the people, for the masses, so far as their sentiments can be gauged, certainly did not welcome the war. Yet their resistance was passive: the occasional demonstrations for peace were easily dispersed, and their suppression evoked no resentment. In every country there was an instinctive feeling that the future, for an indefinite period was at stake, that the nation which did not play its part would be outdistanced in the eternal competition of peoples, and that any sacrifice must be borne to insure the continuance of historic traditions. In the face of this intense nationalism, which had been born of the French Revolution and intensified by the events of the nineteenth century, pacific instincts, socialistic programmes, religious scrupled and humanitarian ideals were no avail“62. Der Hunger, das Leid, die hohe Arbeitslosigkeit und eine inflationäre Geldpolitik wie in Deutschland oder eine deflationäre in Großbritannien hatten unmittelbar nach dem Krieg die Erwartungen tief enttäuscht. Mit der Einführung der Rentenmark 1924, nach der Hyperinflation in Deutschland, setzte ein wirtschaftlicher Aufschwung ein und die Weltwirtschaft kam wieder in Gang. Auch mit bedingt durch das sich seit der Mitte der 1920er Jahre verändernde politische und wirtschaftliche Klima und die Bemühungen, eine engere Zusammenarbeit der europäischen Staaten politisch und wirtschaftlich zu verwirklichen, setzte sich in den politischen und wirtschaftlichen Eliten Europas, aber auch weitgehend in Wissenschaft und Publizistik, die Auffassung durch, dass die Verantwortlichkeit für den Kriegsausbruch nicht allein Deutschland angelastet werden könne, sondern dass alle ein hohes Maß an Verantwortung für den Weg in den Krieg zu übernehmen hätten. Dieser Konsens blieb trotz des 1939 vom nationalsozialistischen Deutschland ausgelösten Zweiten Weltkrieges erhalten, auch wenn es angesichts eines möglichen Sieges des Deutschen Reiches 1941/42 deutsche Überlegungen gab, in einem „deutschen Frieden“ die Ergebnisse der Friedensverträge von 1648, 1814/15 und 1919 rückgängig zu machen. In einer 1954 erschienenen Studie über den Untergang des wilhelminischen Reiches wird auch auf die verwickelte und komplizierte Schuldfrage eingegangen: „Keine Regierung hat den Weltkrieg gewollt! Aber jeder der beteiligten Staaten war entschlos60 61 62

Ders., The Coming of the War 1914 II 480. Ebd. 480 f. Ebd. 481 f.

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sen, lieber einen Weltkrieg zu führen, als auf bestimmte Ziele zu verzichten (…) Wer die ‚Kriegsschuld‘ beurteilen will, muß daher beurteilen, ob diese Ziele ‚moralisch‘ berechtigt waren. Ein solches Urteil ist aber zum großen Teil willkürlich (…) Will man die Probleme nüchtern beurteilen, so muß man sich auch von dem Gedanken freimachen, irgendein Staat habe für ‚ideale Ziele‘ den Krieg begonnen. Für keinen Staat haben solche Ziele auch nur die geringste Rolle gespielt; es ist auch unwahrscheinlich, daß irgendein Volk seine Regierung ermächtigt hätte, für etwas anderes zu fechten als für die eigenen Interessen. (…) keine der Regierungen war sich im klaren (sic!), daß sie in einen Weltkrieg hineintrieb. Jede der beteiligten fünf Großmächte hätte den Krieg vermeiden können, sofern sie nur ein wenig klüger operiert hätten. Der Weltkrieg ist 1914 nicht ausgebrochen, weil die Staatslenker besonders kriegslustig, sondern weil sie besonders ungeschickt waren (…) Deutschland war weit davon entfernt, den Krieg zu wünschen oder gar vorzubereiten.“63 In Wien, so führt Ludwig Reiners aus, sei es 1914/15 nicht um die „leichte Aufgabe“ gegangen, „Rache zu nehmen, sondern um die schwere, einen dauerhaften Frieden zustande zu bringen“. „Den Luxus solcher Überlegungen konnten sich Wilson und Lloyd George, Clémenceau und Orlando nicht leisten. Denn jetzt entschied das Volk, und die Völker wollten Rache und Beute. Die Masse kennt kein Maß. So wurde der Friede von Versailles der schlechteste Friede der neueren Geschichte.“64 Bei den Verhandlungen zu den Pariser Vorortverträgen waren zum ersten Mal in der Geschichte der Völker „die Staatsmänner der Sieger gezwungen, ihre Augen mehr auf ihre Wähler zu richten als auf die Zukunft“. Der Friedensvertrag von 1919 widersprach daher der Vernunft „und der großen Tradition des europäischen Gleichgewichts. Er schuf im Herzen unseres Erdteils einen machtleeren Raum und hob damit Europa für immer aus den Angeln. Seine alte Machtstellung hat es nie wiedererlangt“65. Verlierer des Ersten Weltkrieges war nicht allein Deutschland, sondern ganz Europa. Mit dem Ersten Weltkrieg verlor Europa seine Stellung und Rolle als „Königskontinent“. Der weitgehende Konsens in der Frage der Verantwortung für den Weg in den Krieg, den Kriegsausbruch und vier lange Jahre totalen Krieg blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg bestehen, ehe 1959 der Hamburger Historiker Fritz Fischer in seinem Aufsatz in der „Historischen Zeitschrift“ eine neue Kriegsschulddebatte lostrat, die dann mit unterschiedlichen Mitspielern bis in die 1980er Jahre andauerte. Mit seinem 1961 erschienenen Werk über Deutschlands „Griff nach der Weltmacht“66 und dem 1969 folgenden „Krieg der Illusionen“67 sowie weiteren Publikationen hatte Fischer die Debatte weiter angeheizt68. Als eher konservativer Diplomatie-Historiker

63 Ludwig Reiners, In Europa gehen die Lichter aus. Der Untergang des wilhelminischen Reiches (München 1954) 212–215. 64 Ebd. 396. 65 Ebd. 66 Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschlands 1914/18 (Düsseldorf 1961). 67 Ders., Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914 (Düsseldorf 1969). 68 Ders., Der Erste Weltkrieg und das deutsche Geschichtsbild. Beiträge zur Bewältigung eines deutschen Tabus: Aufsätze und Vorträge aus drei Jahrzehnten (Düsseldorf 1977); ders., Bündnis der Eliten. Zur

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und Theologe hatte er die konservative Historikerzunft herausgefordert und damit, wie Volker Ullrich rückblickend feststellte, „unerschrocken ein Tabu gebrochen“69. In Rezensionen wurde, beispielsweise von Gerhard Ritter, die breite Quellenarbeit Fischers gelobt, der als erster deutscher Historiker höchst umfangreiches Quellenmaterial ausgewertet habe, doch wurden seine Schlussfolgerungen nicht geteilt. Ritter nannte es „eine Verwirrung unseres Geschichtsbewußtseins, wenn nun ein jüngerer Historiker die seit den Zeiten der Weimarer Republik bei uns zum Gemeingut gewordene These vom bloßen Verteidigungskrieg des kaiserlichen Deutschlands wieder bezweifelt“70. Auch Erwin Hölzle kritisierte die Thesen Fischers, denn es führe in die Irre „bei einem Weltkrieg des 20. Jahrhunderts nationale Ziele isoliert zu werten“. Er sieht, trotz der „riesigen Materialmasse“, Fischers These als „verfehlt“ an und spricht von „einer Beweisführung, die mißglückt ist“. Fischer befinde sich mit seiner These auf einem „Irrweg“. „Es gab keine kontinuierliche Politik“, wo fänden sonst die „Friedensfühler“ ihren Platz?71 Fischer wehrte sich gegen den Vorwurf, dass seine Erkenntnisse zu einer „Verwirrung unseres Geschichtsbewußtseins“ führen würden und warf die Frage auf: „Wer darf eigentlich sein eigenes Geschichtsbild [i.e. das Ritters und Hölzles] mit einem allgemeinen deutschen Geschichtsbewußtsein gleichsetzen? Auch der von Hölzle erhobene Vorwurf der ‚Selbstbeschuldigung‘ scheint mir unzutreffend. Ist diese Art der Argumentation“, so fragt er, „nicht emotional und politisch bedingt, und versperrt sie in dieser apologetischen Tendenz nicht den Blick auf den wahren Sachverhalt?“72 In seiner abschließenden Bemerkung findet sich das Credo Fischers, an dem er in den „Kampfjahren“ und danach immer festgehalten hat, dass nämlich unser Blick „durch die Leiden und Erfahrungen zweier Weltkriege geschärft“ sei und sich die Frage stelle, „ob wir aus der inzwischen gewonnenen Distanz bereit sind, im Sinne einer nüchternen Bilanz die Konsequenzen der deutschen Vergangenheit zu ziehen“73. Die Debatte um die Kriegsschuldfrage und Kriegspolitik wurde in den Zeitungen weitergeführt. Egmont Zechlin charakterisierte Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg als „Realpoitiker“, während Fischer in der Kriegszielpolitik des Reichskanzlers den „Übergang vom Defensiv- zum Offensivgedanken“ erblickte, mit der Forderung nach einer Weltmachtstellung, die „die drei Ententemächte zur Abdankung als Großmächte gezwungen hätte“74. Aufgrund neuer Quellenfunde versuchte Zechlin aufzuzeigen, dass Bethmann Hollweg mit dem Angebot, schlesisches Gebiet an ÖsterreichUngarn abzutreten, um die italienische Forderung nach Abtretung österreichischen Kontinuität der Machtstrukturen in Deutschland 1871–1945 (Düsseldorf 1979) sowie sein Vortrag auf dem Hamburger Historikertag 1978: Der Stellenwert des Ersten Weltkriegs in der Kontinuitätsproblematik der deutschen Geschichte; in: Historische Zeitschrift 229/1 (1979) 25–53. 69 Volker Ullrich, Unerschrocken ein Tabu gebrochen. Der Hamburger Historiker Fritz Fischer wird 90 Jahre alt; in: Die Zeit. Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Wissen und Kultur 53/11 (1998) 40. 70 Zitiert nach Gerhard Ritter, 1914 – Griff nach der Weltmacht? Diskussion über die Kriegsziele Deutschlands; in: DIE WELT Nr. 156 vom 7. Juli 1962, Beilage Das Forum der Welt. 71 Erwin Hölzle, Es gab keine kontinuierliche Politik; in: Ebd. 72 Fritz Fischer, Drang zum „Platz an der Sonne“; in: Ebd. 73 Ebd. 74 Vgl. DIE WELT vom 13. Juli 1963 und vom 27. Juli 1963.

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Gebiets zu kompensieren, einen Kriegseintritt Italiens unbedingt verhindern wollte, da sonst „der Krieg für Deutschland verloren“ sei. Diese „Todesgefahr“ galt es abzuwenden75. Die „Fischer-Kontroverse“ erreichte auf dem Internationalen Historiker-Kongress 1965 in Wien, auf dem die Thesen des „Nestbeschmutzers“ Fischer kontrovers und unversöhnlich diskutiert wurden, einen ersten Höhepunkt. Es wurde eine wissenschaftliche, aber vor allem auch eine persönlich-verletzende Auseinandersetzung. Fischer hatte in einer am Tage vor dem Kongressbeginn erschienenen Studie seine damaligen beiden Hauptkontrahenten, den Freiburger Historiker Gerhard Ritter und seinen Hamburger Kollegen Egmont Zechlin, heftig kritisiert und auch persönlich angegriffen. „Die Ausfälle Fischers sind“, wie damals im September in einem Zeit-Artikel zu lesen war, „nur psychologisch aus der Geschichte des Kampfes um seine – echten oder vermeintlichen – Entdeckungen zu verstehen“76. Mit Genugtuung erklärte Fischer seinen Zuhörern, dass seine Gegner seine Thesen teilweise übernommen hätten. Während er seine These, dass Bethmann Hollweg das Reich in der Hoffnung auf einen Sieg in den Kontinentalkrieg geführt habe, um so den „Griff nach der Weltmacht“ zu verwirklichen, untermauerte Zechlin durch neue Dokumente seine Sicht, dass die Reichsleitung realistisch mit dem britischen Eingreifen rechnete, aber vor der Marneschlacht keine Kriegsziele vorgelegt worden seien. Die Debatte flammte erneut auf als durch die Veröffentlichung der Tagebücher Kurt Riezlers und der Korrespondenz zwischen dem langjährigen bayerischen Gesandten in Berlin und dem bayerischen Ministerpräsidenten Georg Graf von Hertling einige der Ergebnisse Fischers und seiner deutschen und internationalen Schüler77 in Frage gestellt wurden78. In der Kritik wurde zwar der wichtige Beitrag der Riezler-Tagebücher anerkannt, doch wurden aus den Dokumenten andere Schlüsse gezogen. Sie zeigten sehr eindrucksvoll die Diskrepanzen im Innern des Deutschen Reiches. Riezler war der „Mastermind“ für die konzeptionelle Entwicklung der deutschen Kriegszielpolitik und für den Weg Deutschlands von einer kontinentalen Großmacht zur Weltmacht. Er war der „einzige wirklich modern denkende politische Kopf im ‚Establishment‘ des kaiserlichen Deutschland“79. Riezler beklagte früh, dass die Umsetzung seiner Kon-

75 Egmont Zechlin, Bethmann Hollweg bot schlesisches Gebiet an. Ein Versuch, die italienische Kriegserklärung zu verhindern; in: DIE WELT vom 10. August 1963, Beilage – Das Forum der Welt. 76 Vgl. Kriegsschuld 1914; in: ZEIT-ONLINE vom 10. September 1965. 77 Vgl. Imanuel Geiss, Bernd Jürgen Wendt (Hgg.), unter Mitarbeit von Peter-Christian Witt, Deutschland in der Weltpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts. Fritz Fischer zum 65. Geburtstag (Düsseldorf 1973) 589–594 (Dissertationen bei Fritz Fischer). 78 Karl Dietrich Erdmann (Hg.), Kurt Riezler: Tagebücher, Aufsätze, Dokumente (Göttingen 1972; Neuausgabe mit einer Einleitung von Holger Afflerbach, Göttingen 2008); Ernst Deuerlein, [wolf D. Gruner] (Hgg.), Briefwechsel Hertling-Lerchenfeld 1912–1917. Dienstliche Privatkorrespondenz zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Georg Graf von Hertling und dem bayerischen Gesandten Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin, 2 Bde. (Boppard/Rhein 1973). 79 Imanuel Geiss, Weltherrschaft durch Hegemonie. Die deutsche Politik im Ersten Weltkrieg nach den Riezler-Tagebüchern; in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 50 (1972) 3–23, hier 23; vgl. auch die Rezension von Fritz Fellner, Kurt Riezler – Tagebücher, Aufsätze, Dokumente; in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 81 (1973) 490–495; John A Moses, Karl Dietrich Erdmann, the Riezler Diary and the Fischer Controversy; in: Journal of European Studies 3/3 (1973) 241–254.

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zepte an der Unbildung, am Unverständnis, an den gesellschaftlichen Strukturen und an der politischen Starrheit der Militärs, der bürgerlichen Parteien und der deutschen Industrie ihre Grenzen fand. Er rechnete bereits 1916 mit einer deutschen Niederlage. Das Ersuchen der Obersten Heeresleitung vom 29. September 1918 um einen sofortigen Waffenstillstand bewertete Riezler als die Anerkennung der Niederlage. In seinem Tagebuch findet sich am 1. Oktober 1918 der Eintrag: „Das ist also die Niederlage. Ich glaube nicht einmal, dass wir den Waffenstillstand bekommen können. Die Niederlage in ihrer schlimmsten Form (…) werden wir nahezu das Diktat acceptieren müssen. Sklaverei auf 100 Jahre. Der Welttraum zu Ende auf immer. Das Ende jeder Hybris.“80 Riezler nahm an, dass die Deutschen die Niederlage in ihrer Bedeutung und in ihrem Umfang nicht begreifen würden. Deutschland erwarte jetzt mit einer „gewissen Neugierde das Schreckliche“81. In der Bewertung der Tagebücher kamen die Anhänger Fischers zu dem Ergebnis, dass diese insgesamt „die Forschungen von Fritz Fischer und seiner Schule über den expansiven Charakter der deutschen Kriegszielpolitik“ bestätigen, und dass der „Griff nach der Weltmacht“ nur als eine Etappe auf dem Weg zur deutschen Weltherrschaft anzusehen war82. Der Historiker Bernd Sösemann unterstellte, dass Erdmann das Quellenmaterial manipuliert und verfälscht habe, um die deutsche Kriegsschuld im nationalen Interesse zu verschleiern83. Beide Lager beurteilten die verfügbaren neuen Quelleneditionen unterschiedlich und in ihrem Sinne und bestanden auf der historischen Deutungshoheit für ihre Positionen. So stellte Volker R. Berghahn bei der Besprechung der Festschrift für Fritz Fischer fest, dass dieser mit seiner These, Europa sei nicht einfach in den Krieg hineingeschlittert, sondern habe ihn „mutwillig vom Zaune gebrochen“, zwar „auf der richtigen Fährte war“84, doch habe er sich in seinen Büchern methodisch nicht weiterentwickelt und sei, wie Adolf Gasser ihn einordnete, ein Rankeaner und ein Historiker von „streng deskriptiv gehaltenen Stoffsammlungen“ geblieben85. Auch Berghahn weist darauf hin, dass „Fischer nicht von sich aus die analytischen Implikationen seines Werkes entscheidend vorantrieb und die politischen Konsequenzen explizit machte“86.

Erdmann (Hg.) Riezler Tagebücher, Eintrag vom 1. Oktober 1918, 480. Ebd. 82 Geiss, Weltherrschaft 5. 83 Vgl. Bernd Sösemann, Die Tagebücher Kurt Riezlers. Untersuchungen zu ihrer Echtheit und Edition; in: Historische Zeitschrift 236 (1983) 327–369; Karl-Heinz Janssen, August 14. Wahrheit auf Raten. Zwei Historiker streiten um Tagebücher: Wurde die deutsche Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg im nationalen Interesse verschleiert?; in: Die Zeit, Dossier vom 10. Juni 1983, 9–11; Karl Dietrich Erdmann, Die Tagebücher Riezlers sind echt; in: ZEIT-ONLINE vom 8. Juli 1983; Bernd Felix Schulte, Die Verfälschung der Riezler Tagebücher: Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte der 50er und 60er Jahre (Frankfurt/Main – Berlin – New York 1985); Fritz Fischer, Juli 1914: Wir sind nicht hineingeschlittert. Das Staatsgeheimnis um die Riezler-Tagebücher. Eine Streitschrift (Reinbek bei Hamburg 1983). 84 Volker R. Berghahn, Fritz Fischer und seine Schüler; in: Neue Politische Literatur 2 (1974) 1–13, hier 4; vgl. auch ders. Die Fischer-Kontroverse – 15 Jahre danach; in: Geschichte und Gesellschaft 6 (1980) 403–419. 85 Adolf Gasser, Der deutsche Hegemonialkrieg vor 1914; in: Geiss, Wendt (Hgg.), Deutschland in der Weltpolitik 307–340, hier 309. 86 Berghahn, Fischer und seine Schüler 4. 80 81

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Fischer hat, aus welchen Gründen auch immer, seine „Thesen-Historie“ auch in „Krieg der Illusionen“ fortgeführt, wenn er konstatierte, dass seit dem Dezember 1912 die Weichen für Deutschlands Weg in den Krieg gestellt wurden: „Die innenpolitische Krise war seit 1912 jedenfalls offenbar geworden. Für den Entschluß zum Krieg 1914 waren neben den innenpolitischen Motiven vor allem militärische Erwägungen ausschlaggebend, die ihrerseits wieder abhängig waren von wirtschaftlichen und machtpolitischen Zielsetzungen. Alle diese Faktoren – im Hinblick auf die Massen und auf den Kaiser auch Faktoren psychologischer Natur – mußte die Regierung in ihr Kalkül einbauen. Überschaut man alle diese Antriebe, so läßt sich eine deutliche Kontinuität der Zielsetzungen in der Vorkriegszeit und im Kriege erkennen.“87 Mit gewissem Recht hat Wolfgang Justus Mommsen am Werk Fischers kritisiert, dass ihm „ein relativ undifferenziertes gesinnungsethisches Erklärungsmodell zugrunde liegt“88. Dabei werden auch neue methodische Ansätze deutlich, wenn etwa Mommsen feststellt: „Das politische Handeln der verantwortlichen Persönlichkeiten und Gruppen im Deutschland des Ersten Weltkriegs erscheint in der Regel als Ausfluß einer bestimmten gesinnungsethischen Haltung, nämlich eines spezifisch machtpolitischen, imperialistischen Denkens nationalistischer Prägung, und dies, allen situationsbedingten Faktoren zum Trotz.“89 Daher hätte Fischer, aber auch sein Schüler Imanuel Geiss – weil es ihnen darauf ankam die „verwerfliche Geisteshaltung“ der Akteure in einem plakativen „Plädoyerstil“ herauszuarbeiten – „die reichlich vorliegenden Kriegszieldokumente stets im Maximalsinne“ interpretiert, „obwohl in der Politik nicht weniger als im alltäglichen Leben stets das Wort gilt, daß nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht ist“. Fischer, so Mommsen, komme es gar nicht darauf an, „aus der Vielfalt taktisch bedingter Stellungnahmen der verschiedensten Instanzen und Persönlichkeiten graduell oder grundsätzlich differenzierte Standpunkte herauszuarbeiten; er hält sich an den Wortlaut der Dokumente, ganz gleich wie auch immer die Situation gewesen sein mag, in der sie entstanden sind und welcher spezifischen Zielsetzung sie jeweils gedient haben mögen“90. Es gehe Fischer also nicht darum, Zusammenhänge darzustellen, sondern „um eine immer wieder neu ansetzende Beweisführung, die nahezu ausschließlich der Erhärtung der einen Hauptthese vom maßlosen deutschen Weltmachtstreben“ diene91. Fischer hatte mit seinen Arbeiten Akzente gesetzt, die aufgegriffen werden sollten und auch wurden, ungeachtet der methodischen Schwächen des gesinnungsethischen Diplomatie-Historikers. Den Rahmen musste eine breit angelegte Erforschung des deutschen Kaiserreiches mit neuen Methoden und unter Einbeziehung der Kriegsgegner bilden, um eine „Versachlichung“ der Debatte zu erreichen. Wolfgang Justus

Fischer, Krieg der Illusionen 13. Wolfgang Justus Mommsen, Die deutsche Kriegszielpolitik 1914–1918. Bemerkungen zum Stand der Diskussion; in: Walter Laqueur, Georg L. Mosse (Hgg.), Kriegsausbruch 1914 (= Deutsche Buchausgabe des „Journal of Contemporary History“, München 1967) 60–100, hier 73. 89 Ebd. 90 Ebd. 91 Ebd. 74. 87 88

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Mommsen wies auf dieses Erfordernis schon in den 1960er Jahren hin. Für ihn lassen sich die weltpolitischen Aktivitäten der europäischen Großmächte im Zeitalter des Imperialismus „gutenteils aus deren inneren Verhältnissen heraus erklären (…) Neben die Entwicklung der politischen Ideologien treten gleichberechtigt die wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung der gesellschaftlichen Strukturen“92. Mommsen verweist auf die größeren Zusammenhänge jenseits der Außenpolitik, nämlich die Wirkung der Industrialisierung auf die europäischen Volkswirtschaften, auf die Veränderungen in der Gesellschaft und die damit auch verbundenen sozialen Konflikte und Probleme. Er versucht somit „die politischen Ereignisse sozialgeschichtlich zu untermauern“93. Allerdings erlaubte es der Stand der deutschen und internationalen historische Forschung am Ende der 1960er Jahre noch nicht, präzise Aussagen zu machen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Thesen Fischers führte unter anderem dazu, dass, weit über den Rahmen des Ersten Weltkrieges hinausgehend, durch eine jüngere Historikergeneration „der Prozeß einer grundsätzlichen Überprüfung des traditionellen deutschen Geschichtsbildes beschleunigt“ wurde94. Parallel zu den Fragen nach den Verantwortlichkeiten für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte sich – mit bedingt durch das Aufgreifen von Ansätzen aus den Sozialwissenschaften in der Geschichtswissenschaft – seit der Aufbruchsstimmung der 1960er Jahre eine Methodendiskussion entwickelt. Die Sozialhistoriker argumentierten, dass in den Entscheidungsprozessen der deutschen Regierung der „Primat der Innenpolitik“ dominiert habe – so zum Beispiel die Begründer einer historischen Sozialwissenschaft, Jürgen Kocka und Hans-Ulrich Wehler, die für ihre Analyse sozialwissenschaftliche Methoden heranzogen95. Wehler argumentiert, von der Kritik als letztlich nicht überzeugend bewertet, dass die deutsche Reichsregierung im Rahmen ihrer „Weltpolitik“ zwischen 1897 und 1914/18 eine sozialimperialistische Strategie verfolgt habe. Eine expansive äußere Politik sollte zu innenpolitischer Stabilisierung und Wohlstand führen, um das bestehende Sozialgefüge zu bewahren. Auf diese Weise sollte „von den inneren Mängeln des sozialökonomischen und politischen Systems“ abgelenkt werden96. Der britische Historiker James Joll wies in einem im November 1976 gehaltenen Vortrag („War Guilt 1914 – A continuing Controversy“) vor der Anglo-German Group of Historians darauf hin, dass die Interpretationen der Ursachen und Verantwortlichkeiten für den Ersten Weltkrieg je nach der politischen Situation und der Überzeugung 92 Wolfgang J. Mommsen, Das Zeitalter des Imperialismus (= Fischer Weltgeschichte 28, Frankfurt/ Main – Hamburg 1969 [211998]) 7 f. 93 Ebd. 8. 94 Mommsen, Kriegszielpolitik 96 f. 95 Vgl. Jürgen Kocka, Klassengesellschaft im Krieg. Deutsche Sozialgeschichte 1914–1918 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 8, Göttingen 21978); ders., Sozialgeschichte. Begriff – Entwicklung – Probleme (= Kleine Vandenhoeck-Reihe 1434, Göttingen 21986). 96 Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Geschichte als Historische Sozialwissenschaft (= Edition Suhrkamp 650, Frankfurt/Main 1973); ders., Sozialimperialismus; in: Ders. (Hg.), Imperialismus (= Neue wissenschaftliche Bibliothek 37: Geschichte, Köln – Berlin 1970) 83–96, hier 86; ders., Bismarck und der Imperialismus (Köln – Berlin 1969); ders., Das deutsche Kaiserreich (= Deutsche Geschichte 9, Göttingen 1973); ders., Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 5 Bde. (Sonderausgabe München 2008) III, IV.

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der Kommentatoren der nachfolgenden Generation variieren. Die „Question of moral guilt and responsibility [is] inextricably bound up with historical discussion because of implications of Art. 231 of the Treaty of Versailles“97. In Anlehnung an Mommsens Überlegungen zu den innenpolitischen Rahmenbedingungen gliedert Joll die Diskussion über den „Primat der Innenpolitik“ in vier Erklärungstypen98: 1. Die marxistische Position: Für sie war der Erste Weltkrieg das Ergebnis der wirtschaftlichen Interessen und Bedürfnisse der „herrschenden Klassen“. Die deutsche Reichsregierung habe im Sommer 1914 den „Zusammenstoß bewußt ins Kalkül“ gezogen. Dies „war darauf zurückzuführen, daß sie in Übereinstimmung mit großen Teilen der herrschenden Klassen jetzt glaubte, daß der deutsche Imperialismus ohne ein ‚Feuergefecht‘ nicht an die begehrte Beute gelangen konnte“99. 2. Der Krieg war das Ergebnis „of a system of beliefs and moral values, e.g. social Darwinism and the ‚gesinnungs-ethische‘ element“100. 3. Der Krieg als „counter-revolutionary device“, um von den unlösbaren innenpolitischen Problemen abzulenken sowie 4. der Krieg als Ergebnis struktureller Defizite auf den Entscheidungsebenen Militär – Reichsregierung. Die Entscheidungen einer Gruppe, zum Beispiel des Generalstabes, engten die Entscheidungsspielräume anderer „governmental groups“ für Aktivitäten massiv ein. Die Politikhistoriker lehnten einen innenpolitischen Primat ab und stellten diesem Zugang den „Primat der Außenpolitik“ entgegen – so Gerhard Ritter101, Egmont Zechlin102, Erwin Hölzle103 und Karl Dietrich Erdmann104. Andreas Hillgruber und Klaus Hildebrand plädierten für eine „moderne Politikgeschichte“105. Beide Richtungen 97 James Joll, War Guilt 1914 – A continuing controversy (Vortragsmanuskript 1; Manuskript im Besitz des Verfassers). 98 Ebd.; vgl. auch Wolfgang J. Mommsen, Domestic Factors in German Foreign Policy before 1914; in: Central European History 6/1 (1973) 3–43, hier 7 f. 99 Willibald Gutsche, Der gewollte Krieg. Der deutsche Imperialismus und der 1. Weltkrieg (Berlin – Köln 1984) 67. 100 Joll, War Guilt 1. 101 Gerhard Ritter, Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des ‚Militarismus‘ in Deutschland, 4 Bde. (München 1954–1968) bes. II und III. 102 Egmont Zechlin, Krieg und Kriegsrisiko. Zur deutschen Politik im Ersten Weltkrieg. Aufsätze (Düsseldorf 1979); ders., Julikrise und Kriegsausbruch 1914; in: Karl Dietrich Erdmann, Egmont Zechlin, Politik und Geschichte. Europa 1914 – Krieg oder Frieden, hgg. von der Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein (Kiel 1985) 51–96. 103 Erwin Hölzle, Die Selbstentmachtung Europas: Das Experiment des Friedens vor und im Ersten Weltkrieg, 2 Bde. (Göttingen – Frankfurt/Main – Zürich 1975/1978). 104 Karl Dietrich Erdmann, Hat Deutschland auch den Ersten Weltkrieg entfesselt? Kontroversen zur Politik der Mächte im Juli 1914; in: Ders., Zechlin, Politik und Geschichte 19–48. 105 Vgl. Andreas Hillgruber, Deutschlands Rolle in der Vorgeschichte der beiden Weltkriege (= Die deutsche Frage in der Welt 7, Göttingen 1967, 31986); ders., Politische Geschichte in moderner Sicht; in: Historische Zeitschrift 216 (1973) 529–552; ders., Die deutsche Politik in der Julikrise 1914; in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 61 (1981) 191–215; Klaus Hildebrand,

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versuchten im Methodenstreit die historische Deutungshoheit zu erlangen106. Beide Ansätze greifen aber aus meiner Sicht zu kurz. Innenpolitische Prozesse und Entwicklungen haben stets Auswirkungen auf das internationale System, aber auch Prozesse und Entwicklungen in der internationalen Ordnung haben Rückwirkungen auf die jeweiligen Innenpolitiken. Für die Analyse müssen daher Einflussfaktoren und Variablen berücksichtigt werden, die für die Entscheidungsprozesse eine Rolle spielen107. Eines der Ergebnisse der Fischer-Kontroverse – sie wurde dann im Wesentlichen von den gleichen Kontrahenten mit dem Historikerstreit fortgeführt108 –, war, dass heute das deutsche Kaiserreich aus einer multiperspektivischen Sicht zu den am besten und auch am intensivsten untersuchten Feldern der deutschen Geschichte zählt, dass Langzeitperspektiven mit Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den Blick kommen109, und dass die Geschichte des deutschen Mitteleuropa zunehmend in die europäische Geschichte eingebettet wird. Aus diesem Blickwinkel besitzt die Gründung des deutschen Kaiserreiches 1870/71 nicht mehr die frühere Bedeutung als „Nabel der deutschen Geschichte“ im langen 19. Jahrhundert. Eine weitere Wirkung der Fischer-Kontroverse war es, dass sie zu einer „Schlüsseldebatte“ in der deutschen Zeitgeschichtsforschung führte und vor allem auch „die

Imperialismus, Wettrüsten und Kriegsausbruch 1914, I–II; in: Neue Politische Literatur 20 (1975) 160– 194, 339–364; ders., Geschichte oder ‚Gesellschaftsgeschichte‘? Die Notwendigkeit einer politischen Geschichtsschreibung von den internationalen Beziehungen; in: Historische Zeitschrift 223 (1976) 328–357. 106 Vgl. Bernd Jürgen Wendt, Zum Stand der „Fischer-Kontroverse“ um den Ausbruch des Ersten Weltkrieges; in: Annales Universitatis Scientiarum Budapestiensis de Rolando Eötvös Nominatae 29 (1985) 99–132; Hansjoachim W. Koch (Hg.), The Origins of the First World War. Great Power Rivalry and German War Aims (London – Basingstoke 1972). 107 Vgl. hierzu die methodischen Überlegungen bei Wolf D. Gruner, Europa in der Krise von 1830/31: Entscheidungsprozesse zwischen Systemstabilisierung und Eigeninteressen; in: Ders., Markus Völkel (Hgg.), Region – Territorium – Nationalstaat – Europa. Beiträge zu einer europäischen Geschichtslandschaft. Festschrift für Ludwig Hammermayer zum 70. Geburtstag (= Rostocker Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte 4, Rostock 1998) 199–244, hier 202–213. 108 Siehe die Zusammenstellung von Texten in Ernst Reinhard Piper (Hg.), Historikerstreit. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung (München – Zürich 1987). 109 Vgl. Andreas Hillgruber, Die gescheiterte Großmacht. Eine Skizze des Deutschen Reiches 1871–1945 (Düsseldorf 1980); ders., Die Zerstörung Europas. Beiträge zur Weltkriegsepoche 1914 bis 1945 (Frankfurt/Main – Berlin 1988); Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871–1945 (Stuttgart 1995); Jürgen Kocka, German History before Hitler: The Debate about the German Sonderweg; in: Journal of Contemporary History 23/1 (1988) 3–16; Volker Berghahn, Der Erste Weltkrieg (München 52014); ders., Das Kaiserreich 1871–1914. Industriegesellschaft, bürgerliche Kultur und autoritärer Staat (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 16, Stuttgart [10.völlig neu bearb. Auflage] 2003); Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen I: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik (München 2000); David Blackbourne, The Fontana History of Germany 1780–1918. The Long Nineteenth Century (London 1997); Eric Hobsbawm, The Age of Extremes. The Short Twentieth Century 1914–1991 (London 1994; dt. Ausgabe unter dem Titel: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München 1995).

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Frage der Kontinuität wieder auf die Tagesordnung“ setzte110: zum einen rückwärts in das deutsche Kaiserreich, zum anderen mit Blick auf die Zwischenkriegszeit, den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit nach 1945. Der politikgeschichtliche Ansatz wurde in Richtung auf eine moderne Politikgeschichte und internationale Beziehungen erweitert. Es wurden aber auch sozioökonomische und gesellschaftliche Aspekte und Methoden in die Analysen der Historiker einbezogen, d. h., die historische Forschung hat, wie Kocka formuliert, die Thesen Fischers „modifiziert, relativiert, ergänzt, aber auch bestätigt (…) Das europäische Umfeld Deutschlands ist heute sehr viel besser ausgeleuchtet als 1961. Das hat Fischers Thesen gewissermaßen eingebettet. Im Übrigen debattieren Historiker heute kaum noch über Kriegsschuld und Kriegsziele. Die Fischer-Kontroverse ist Teil der Geschichte“111. Dies schien zutreffend, denn seit Anfang der 1990er Jahre differenzierte sich das Bild über die Kriegsschuld und die Kriegsziele. Die unterschiedlichen Positionen bewegten sich aufeinander zu. Wehler und Hillgruber gelangten mit ihren jeweiligen methodischen Ansätzen zu ähnlichen Ergebnissen. Die Positionen in der „Schlüsseldebatte“ haben sich angenähert und werden mit speziellen Akzenten weiter gepflegt. Sie finden ihren Niederschlag in zahlreichen Anthologien, in denen die unterschiedlichen Sichtweisen von Willibald Gutschkes „Der gewollte Krieg“, über Fritz Fischers „Außenpolitik des kaiserlichen Deutschland“ und Klaus Hildebrands „System der Aushilfen“, bis hin zu Andreas Hillgrubers Überlegungen zum historischen Ort der Urkatastrophe Erster Weltkrieg gehen112. Fischers These vom planmäßig vorbereiteten und herbeigeführten Krieg, mit dem Ziel, für Deutschland eine europäische Hegemonie zu erreichen, konnte sich zwar nicht durchsetzen, doch ist Deutschland, so das Urteil der Historiker, durch seine „Weltpolitik“, durch seine Flottenpolitik, durch die Verschärfung der internationalen Spannungen und sein Krisenmanagement ein hohes Maß an Verantwortung anzulasten. Ist die Fischer-Kontroverse wirklich, wie Jürgen Kocka 2003 meinte, „Teil der Geschichte“? Seit dem Ende der 1990er Jahre traten vor allem englischsprachige Historiker mit Publikationen hervor, in denen die Ergebnisse der deutschen Forschung differenziert, bestätigt oder abgelehnt wurden – so etwa in dem 1999 erschienenen Buch des britischen Finanz- und Wirtschaftshistorikers Niall Ferguson „Der falsche Krieg“113, 110 Klaus Grosse Kracht, Kriegsschuldfrage und zeithistorische Forschung in Deutschland. Historiographische Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs; in: Zeitgeschichte-online, Thema: Fronterlebnis und Nachkriegsordnung. Wirkung und Wahrnehmung des Ersten Weltkriegs (= Historisches Forum 3, Mai 2004) 61–82; URL: http://edoc.hu-berlin.de/histfor/3/PDF/HistFor_3_2004.pdf. 111 Jürgen Kocka, Entfernung und Einsicht. Weltkriegsforschung im Wandel; in: Arbeitskreis Militärgeschichte e. V. (Hg.), newsletter 8/1 (2004) 7–12, hier 8 [= Vortrag gehalten am 27. November 2003 anlässlich der Präsentation von Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hgg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg (Paderborn 2003)]. 112 Vgl. Wolfgang Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse (München – Zürich 1994); Gregor Schöllgen (Hg.), Flucht in den Krieg? Die Außenpolitik des kaiserlichen Deutschland (Darmstadt 1991). 113 Niall Ferguson, Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert (Stuttgart 1999; engl. Originalausgabe unter dem Titel: The Pity of War, London 1998).

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in der Studie des Militärhistorikers John Keegan über den Ersten Weltkrieg114 oder im derzeitigen Publikumsrenner, dem rechtzeitig zum Gedenkjahr erschienenen Buch von Christopher Clark mit dem Titel „Die Schlafwandler“115. Ferguson geht in seinem Buch der Frage nach, welche Faktoren 1914 in den Ersten Weltkrieg führten, an dessen Ende der Zusammenbruch der europäischen Ordnung und der Vorrangstellung Europas standen. Er versucht mit seiner Arbeit „aus den tiefen Schützengräben der akademischen Spezialisierung herauszutreten“ und Diplomatie-, Militär-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte enger zu verbinden116. Den Autor interessieren vor allem die Fragen, ob der Krieg vermeidbar war, warum Deutschland auf das „Kriegsrisiko“ setzte, warum Großbritannien intervenierte, ob der Krieg von der Bevölkerung mit „allseitiger Begeisterung“ begrüßt wurde und warum die Soldaten trotz der Lebensumstände an der Front und des „unvorstellbaren Grauen[s]“ des Krieges weiter kämpften, und schließlich, warum weder das wirtschaftliche Potential des Britischen Empires noch die militärische Überlegenheit des deutschen Heeres für einen Sieg ausreichten. In seiner Analyse kommt Ferguson zu dem Schluss, dass für die Eskalation im Sommer 1914 nicht Deutschland, sondern das Britische Empire verantwortlich zu machen sei. Ohne die britische Intervention hätte Großbritannien den Bestand des britischen Weltreiches gesichert. Deutschland hätte im Kontinentalkrieg gesiegt, Europa wäre nicht niedergegangen, es hätte unter deutscher Führung prosperiert, sich demokratisiert und bereits nach dem Ersten Weltkrieg die Form einer Europäischen Gemeinschaft geschaffen. Als Konsequenz seiner Studie kommt Ferguson zu dem Ergebnis: „Wäre der Erste Weltkrieg nie ausgefochten worden, dann hätte die Konsequenz schlimmstenfalls so etwas wie der erste kalte Krieg sein können, in dem fünf Großmächte weiterhin große Streitkräfte unterhielten, ohne jedoch ihr nachhaltiges ökonomisches Wachstum zu bedrohen“, denn ohne den Kriegseintritt Großbritanniens und der USA „hätten die siegreichen Deutschen wohl acht Jahrzehnte vor der Zeit eine Version der Europäischen Union geschaffen.“117 Dies ist eine neue Variante auf dem Weg zu einem „deutschen Europa“, das als Element der deutschen Frage immer wieder hochkommt, so auch in der Euro-Krise. Keegan, der sich für das militärische Geschehen, den Kriegsverlauf, die Entwicklung der Kriegstechnik und das Zusammenleben der Soldaten an der Front, im Schützengraben interessiert, bezeichnet den Krieg als einen tragischen Konflikt der „unnötig [war], weil die Kette der Ereignisse, die zu seinem Ausbruch führte (…) noch jederzeit hätte unterbrochen werden können. Er war tragisch, weil er den Tod von zehn Millionen Menschen zur Folge hatte, die Gefühle von weiteren Millionen verletzte, die liberale und optimistische Kultur des europäischen Kontinents zerstörte und, als die

114 John Keegan, Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie (Reinbek bei Hamburg 2000; engl. Originalausgabe unter dem Titel: The First World War, London 1998). 115 Christopher Clark, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog (München 2013; engl. Originalausgabe – in einigen Passagen differiert sie von der deutschen Übersetzung – unter dem Titel: The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914, London – New York 2012). 116 Ferguson, Der falsche Krieg 12. 117 Ebd. 395.

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Kanonen nach vier Jahren endlich schwiegen, so starke politische und rassistische Gefühle hinterließ, dass die Ursachen des Zweiten Weltkrieges ohne diese Wurzeln nicht zu verstehen sind“118. Mit Blick auf den Ausbruch des Krieges konstatiert er, dass die Staatsmänner und Diplomaten „von den Ereignissen, die sie unter Kontrolle zu halten suchten, zunehmend überwältigt wurden“119. Sie hätten sich nicht auf die Möglichkeiten moderner Kommunikationstechniken eingestellt und sich überkommener Formen, wie schriftliche Verfahren, Verschlüsselung und den Einsatz von Telegraphen, bedient. Telefon und Funk hätten die „Schranken der Nachrichtenübermittlung“ durchbrechen können. So aber „gingen die europäischen Staaten – fast wie in einem Totenmarsch – schließlich dazu über, ihren Kontinent und ihre Zivilisation zu zerstören“120. Clark zeichnet in einer umfangreichen, quellengesättigten Arbeit den Weg Europas in den Krieg nach. Er stellt den weitgehenden Konsens der Historiker über die große Verantwortung Deutschlands auf dem Weg in den Krieg in Frage. Der Krieg sei nicht gewollt gewesen, sondern das Ergebnis einer dichten Abfolge von Ereignissen und Entscheidungen. Diese vollzogen sich in einer globalisierten Welt, die durch zahlreiche kleinere und größere Konflikte sowie durch vielfältige Beziehungen verflochten war. Clark „zeichnet die Pfade zum Krieg in einem vielschichtigen Narrativ nach, das die wichtigsten Entscheidungszentren in Wien, Berlin, St. Petersburg, Paris, London und Belgrad umfasst, mit kurzen Exkursen nach Rom, Konstantinopel und Sofia“121. Die Protagonisten von 1914 waren „Schlafwandler – wachsam, aber blind, von Albträumen geplagt, aber unfähig, die Realität der Gräuel zu erkennen, die sie in Kürze in die Welt setzen sollten“122. Die Auffassungen Clarks, der auch das Bild von Preußen als einem militaristischen Staat korrigiert, wurden in deutsch-nationalen Medien und Blogs aufgegriffen und kommentiert. Endlich habe jemand den Mut der Kriegsschuldlüge entgegenzutreten und einer „Dämonisierung“ Deutschlands zu widersprechen. Clark hat auch die Archivbestände Serbiens ausgewertet, denn aus seiner Sicht war Serbien in den bisherigen Forschungen zur Julikrise 1914 der „blinde Fleck“, und die Dokumente zeigten die Verantwortung Serbiens für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Clark, der eine Geschichte Serbiens seit dem Königsmord von 1903 bietet, sieht letztlich in den Serben die eigentlichen Schurken des Dramas. Aus der These Fischers von der deutschen Alleinschuld am Kriegsausbruch 1914 hatten serbische Historiker die völlige Unschuld Serbiens abgeleitet. Nun hat der englische Historiker die konstituierenden „Mythen der serbischen Identität“ zerstört, wonach Serbien das ewige „Opfer der Geschichte“

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1995).

Keegan, Der Erste Weltkrieg 13. Ebd. 39. Ebd.; vgl. zum Verständnis seines komplexen Zugriffs auch ders., Die Kultur des Krieges (Berlin

121 Clark, Schlafwandler 18. Im Verzeichnis der herangezogenen Archive, das nicht so „eindrucksvoll“ ist wie es in Rezensionen immer wieder hervorgehoben wird, gibt es keine Nachweise zu Rom, Sofia und Konstantinopel, wohl aber zu ausgewählten belgischen und niederländischen Beständen in Brüssel und Den Haag. 122 Ebd. 718.

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gewesen sei123. Der Kriegsausbruch war aus der Sicht Clarks „eine Tragödie, kein Verbrechen“, d. h. die „kriegerische und imperialistische Paranoia“ deutscher und österreichischer Politiker traf durchaus auch auf die Politiker der anderen beteiligten Mächte zu. Clark argumentiert, dass die Krise, die 1914 in den Krieg führte, „die Frucht einer gemeinsamen politischen Kultur [war]. Aber sie war darüber hinaus multipolar und wahrhaft interaktiv – genau das machte sie zum komplexesten Ereignis der Moderne, und eben deshalb geht die Diskussion um den Ursprung des Ersten Weltkriegs weiter“124. Es ist sicherlich erfreulich, dass Clark auf die Vielschichtigkeit und Komplexität der Situation von 1914, auf den Königsmord in Serbien von 1903 und auf die Balkankriege hinweist sowie die Motive und Interessen der Handelnden in den europäischen Hauptstädten zu ergründen sucht. Die innenpolitischen Rahmenbedingungen, die Kräfteverhältnisse, die unterschiedlichen Gesellschaften und die Stellung der Militärs im politischen System in Deutschland und in den anderen Staaten werden jedoch weitgehend ausgeblendet. Es war eben nicht so, dass die Konfliktparteien innerhalb der einzelnen Großmächte „die militärische Planung letztlich den politischen und strategischen Zielen der zivilen Führungen“ unterordneten. Welchen Stellenwert die Innenpolitik, die Beziehungen zu den Ententemächten und die Militärs im Deutschen Reich im Vorfeld des Kriegsausbruches hatten, zeigt die Privatkorrespondenz zwischen Hugo Graf von und zu Lerchenfeld und dem bayerischen Ministerpräsidenten Georg Graf von Hertling. Nach einem längeren Gespräch mit Reichskanzler von Bethmann Hollweg berichtete Lerchenfeld am 4. Juni 1914 nach München, dass Bethmann Hollweg wohl lange Zeit „absichtlich die Stellung Deutschlands in der Welt zu rosig geschildert [habe] (…) Aber ich kann die Kritik nicht ganz unterdrücken, daß in der Beurteilung der Gesinnung anderer Mächte, namentlich Englands und Rußlands, der Leiter unserer Politik oft von einer unberechtigten Vertrauensseligkeit erfüllt gewesen ist“125. Er sei immer zuversichtlich gewesen, „unsere Beziehungen zu England und Rußland völlig umzugestalten“126, aber es sei ihm nicht gelungen, einen Neutralitätsvertrag mit England abzuschließen. Bei dem Gespräch vom 4. Juni 1914 seien seine Ausführungen „von der früheren Vertrauensseligkeit völlig frei“ gewesen. England wolle sich an keinem „vom Zaune gebrochenen Krieg mit Deutschland“ beteiligen, doch habe es sich in der Geschichte immer wieder gegen die stärkste Macht auf dem Kontinent gestellt und man würde, „wenn es zum Krieg käme (…) England nicht auf unserer Seite finden“. Bei dem Rüstungsfieber in Russland und Frankreich und der gewissenlosen Hetze der Presse in allen Ländern müsse es über kurz oder lang zum Krieg kommen, „wenn irgendwo ein Mann erstünde, der die Verantwortung auf sich nehmen wollte, zuerst das Schwert 123 Michael Martens, Ist Deutschland die Sonne? Christopher Clark verteidigt in Belgrad seine Thesen zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Juni 2014, 8. 124 Clark, Schlafwandler 716 f. 125 Vgl. Deuerlein, [Gruner] (Hgg.), Briefwechsel I, Lerchenfeld – Hertling, Berlin 4. Juni 1914, 295; vgl. auch die Originale bzw. Entwürfe in: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Gesandtschaft Berlin, Politischer Schriftwechsel 1914, Nr. 957a. Clark hat weder die wichtigen Bestände des Bayerischen Hauptstaatsarchives herangezogen noch die Edition des Briefwechsels zwischen Hertling und Lerchenfeld. 126 Deuerlein, [Gruner] (Hgg.), Briefwechsel I 295.

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zu ziehen“. Bethmann Hollweg fügte hinzu, „daß zu allem anderen der moderne Krieg das Rätsel aufgeben würde, wie man die Bevölkerung in Kriegszeiten ernähren solle. So rasch wie der Krieg von 1870 werde bei der Verwendung der Millionenheere der künftige Kampf sich nicht abspielen“127. Er betonte, dass man in Frankreich den Krieg nicht wolle, doch sei „Rußland gefährlich. Dort könne der Slawentaumel die Köpfe so verdrehen, daß Rußland eines Tages Dummheiten macht“. 1905 sei der rechte Augenblick für einen von den Militärs geforderten Präventivkrieg versäumt worden. Die militärische Lage hätte die „größten Chancen geboten. Aber der Kaiser128 habe keinen Präventivkrieg geführt und werde keinen führen. Es gebe aber Kreise im Reich“, so der Reichskanzler, „die von einem Krieg eine Gesundung der inneren Verhältnisse in Deutschland erwarten und zwar im konservativen Sinne. Er (…) denke aber, daß ganz im Gegenteil ein Weltkrieg mit seinen gar nicht zu übersehenden Folgen die Macht der Sozialdemokratie, weil sie den Frieden predigt, gewaltig steigern und manche Throne stürzen könnte“129. Der Bericht Lerchenfelds vom 4. Juni 1914 gibt einen guten Einblick in die außen- und innenpolitische Lage Deutschlands. Dies gilt auch für seine Privatbriefe nach München Ende Juli und Anfang August 1914130. Die von der Reichsleitung verfolgte Politik des „kalkulierten Risikos“ – Lokalisierung eines militärischen Konfliktes zwischen der Donaumonarchie und Serbien – und die damit verbundenen Ziele Deutschlands verdeutlicht ein weiteres Schreiben Lerchenfelds: „Die Politik des Deutschen Reiches ist darauf gerichtet, daß der Alliierte [Österreich-Ungarn] mit einem Gewinn an Prestige aus der Sache hervorgeht, aber der Weltfrieden erhalten bleibt.“131 Eine moderne Geschichtsschreibung der internationalen Beziehungen kann ebenso wie eine moderne, strukturelle Biographie132 oder eine Darstellung diplomatischer Beziehungen auf die Einbeziehung innenpolitischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und mentaler Faktoren für eine ausgewogene Analyse nicht verzichten. Hierin liegt ein massives Defizit in der Darstellung Clarks.

Ebd. 296. Zur Einschätzung der Rolle und Verantwortung von Kaiser Wilhelm II. vgl. John G. C. Röhl, Wilhelm II. (= Beck’sche Reihe 2787, München 2013), für die Zeit vor 1914 und insbesondere zum Ersten Weltkrieg 86–131 und als Gesamtporträt ders., Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund 1900–1941 (München 2008). Zum 50. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges legte Michael Balfour eine Biographie Wilhelm II. vor. Anders als Röhl, einem Verfechter der Thesen Fischers, geht es Balfour nicht darum, die Verantwortlichkeiten des Kaisers für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges aufzuzeigen, ihn als Weltpolitiker und „streitsüchtigen Kriegsherrn“ darzustellen, sondern Wilhelm II. zu verstehen und ihn vor dem Hintergrund der rapiden Veränderungen seiner Zeit zu analysieren: Michael Balfour, Der Kaiser. Wilhelm II. und seine Zeit (Berlin 1973; engl. Original unter dem Titel: The Kaiser and his Times, London 1964). 129 Deuerlein, [Gruner] (Hgg.), Briefwechsel I 297. 130 Vgl. Ebd. I 315–333 und Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Ministerium des Äussern (MA) 3076. 131 Deuerlein, [Gruner] (Hgg.), Briefwechsel I 318: Lerchenfeld-Hertling 29. Juli 1914. Original: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Gesandtschaft Berlin, Politische Akten Nr. 1087. 132 Vgl. Bert Becker, Georg Michaelis. Preußischer Beamter – Reichskanzler – Christlicher Reformer 1857–1936. Eine Biographie (Paderborn 2007); Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler (München 2007). 127 128

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Es ist aber auch problematisch, wie Clark es unternimmt, die Akteure von 1914 „als unsere Zeitgenossen“ anzusprechen, die sich vor ähnlich komplexe Probleme gestellt sahen wie die Verantwortlichen in der Finanz- und Eurokrise seit 2008 und zu äußern, dass sich bemerkenswerterweise „die Akteure in der Eurokrise, genau wie jene von 1914, der Tatsache bewusst [waren], dass ein Ausgang im Bereich des Möglichen lag, der katastrophale Folgen haben würde (das Scheitern des Euro). Alle wichtigen Protagonisten hofften, dass es nicht so weit kommen würde, aber neben diesem gemeinsamen Interesse hatten sie auch besondere – und widersprüchliche – eigene Interessen. In Anbetracht der Wechselwirkungen im ganzen System hingen die Konsequenzen jeder Maßnahme von den Reaktionen anderer ab, die wegen des undurchsichtigen Entscheidungsprozesses kaum im Voraus berechnet werden konnten. Und die ganze Zeit über nutzten die politischen Akteure während der Eurokrise die Möglichkeit einer allgemeinen Katastrophe aus, um sich bestimmte Vorteile zu verschaffen. So gesehen sind die Akteure von 1914 unsere Zeitgenossen“133. Es sind unter anderem wohl diese Bezüge, die die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Bestseller Clarks lenken und die Auflagen emporschnellen ließen, ein historisches Werk, das „immer auch Seismograph für das [ist], was die Menschen gerade umtreibt in diesem Land, für ihre aktuellen Befürchtungen und Hoffnungen, mit denen sie das (politische) Zeitgeschehen wahrnehmen und empfinden“ und von dem sich die Menschen Orientierungshilfen des Historikers für die Gegenwart erhoffen134. Mit seiner Bewertung des Weges nach Sarajevo und in den Krieg kehrt Clark somit, auch wenn er auf eine größere originäre Quellenbasis zurückgreifen kann, im Wesentlichen zu den Positionen von Sidney B. Fay zurück135. Wird Clarks Votum Frankreich und Russland eine größere Verantwortung für den Kriegsausbruch zuweisen als Deutschland und seine Feststellung, dass es letztlich unnötig sei, „eine Rangordnung der Staaten nach ihrem jeweiligen Anteil an der Verantwortung für den Kriegsausbruch aufzustellen“136, eine neue Kriegsschulddebatte eröffnen, den erreichten allgemeinen wissenschaftlichen Befund in der deutschen und internationalen Forschung erschüttern und eine neue „Fischer-Kontroverse“ eröffnen? „Nun schlittern sie wieder“?137 Die von Clark wieder aufgewärmte Sichtweise, dass alle Mächte 1914 in den Krieg hineingestolpert seien – so der Stand vor Beginn der FischerKontroverse –, wird, trotz einiger neuer Dokumente, letztlich zu keiner grundlegenden Revision führen. Im Blick behalten werden muss aber dennoch ein wichtiger Aspekt 133 Clark, Schlafwandler 709; vgl. dazu auch Lothar Machtan, Rezension: Over-sophisticated – Anmerkungen zu Christopher Clarks Bestseller (= sehepunkte 14 (2014) Nr. 1 [15. 1. 2014]); vgl. http:// www.sehepunkte.de/2014/01/23681.html (5. 6. 2014). 134 Machatan, Over-sophisticated. 135 Für die Diskussion in den 1920er und 1930er Jahren vgl. Annika Mombauer, The Origins of the First World War. Controverses and Consensus (London 2002); dies., Die Julikrise. Europas Weg in den Ersten Weltkrieg (= Beck’sche Reihe 2825, München 2014). 136 Clark, Schlafwandler 715; vgl. hierzu auch Paul M. Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism 1860–1914 (London – Boston 1980). 137 So die Rezension von Volker Ullrich, Nun schlittern sie wieder. Mit Clark gegen Fischer: Deutschlands Konservative sehen Kaiser und Reich in der Kriegsschuldfrage rehabilitiert: http://www.zeit. de/2014/04/erster-weltkrieg-clark-fischer (1–3, 20. 5. 2014).

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auf den Paul M. Kennedy hingewiesen hat, nämlich, dass die Militärs aller Großmächte „die gleiche Denkart“ hatten und Pläne für den Fall eines Krieges entwickelten138, und dass im „Falle einer großen Krise“ die Diplomaten nicht viel Zeit gehabt hätten, „bis die Militärs das Ruder übernahmen“139. Im Falle des Deutschen Reiches trat diese Situation Ende Juli 1914 ein. Der Zeitpunkt für einen Krieg, darauf hatte Helmuth von Moltke schon Monate zuvor hingewiesen, schien „militärisch so günstig (…) wie er in absehbarer Zeit nicht wiederkehren kann“, auch aufgrund der Überlegenheit gegenüber Frankreich und Russland hinsichtlich Waffen und Ausbildung140. Beteiligt an der aktuellen Diskussion sind teilweise die noch lebenden Vertreter der jüngeren Historikergeneration der 1960er Jahre, aber vor allem auch ihre Schüler141. Zwei neuere Studien – 2013 und 2014 vorgelegt –, bereichern die aktuelle Diskussion. Sie sind aus unterschiedlichen Gründen anregend und interessant. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler veröffentlichte sein Buch über den großen Krieg142. Es ist die erste deutsche Studie zum Ersten Weltkrieg seit 1968143. Der „Große Krieg“ fegte das Alte Europa hinweg. Er haftet bis in die Gegenwart im „kollektiven Gedächtnis“ der Europäer und über sie auch im Gedächtnis der Welt. Für Münkler war der Erste Weltkrieg als Zeitpanorama des epochalen Konflikts die „Herrschaft der Paradoxien“, denn der „Krieg ist der Meister der Paradoxien. Selten verkehren sich Absichten und Wirkungen so wie im Krieg und in seinen Folgen“144. Ähnlich wie Clark lehnt Münkler die deutsche Hauptverantwortung für den Ausbruch des Krieges ab, da, wie er meint, der Militarismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht allein ein deutsches Phänomen gewesen sei. Wesentlich für das Verständnis des Weges Deutschlands, der stärksten Kontinentalmacht, in den Krieg ist für Münkler die „Einkreisungsobsession“, die durch Ängste, „geopolitische Überlegungen und demographische Entwicklungsstudien“ geschürt worden sei und „von 138

1979).

Vgl. Paul M. Kennedy (Hg.), The War Plans of the Great Powers 1880–1914 (London – Boston

139 Ders., Aufstieg und Fall der großen Mächte. Ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000 (Frankfurt/Main 21989) 386. 140 Deuerlein, [Gruner] (Hgg.), Briefwechsel I 321 f., 322 (Lerchenfeld-Hertling vom 31. Juli 1914). 141 Vgl. Gerd Krumeich, Juli 1914. Eine Bilanz (Paderborn – München – Wien – Zürich 2014); ders., Vorstellungen vom Krieg vor 1914 und der Beginn des „Großen Krieges“; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 64/16–17 (2014) 3–9; Annika Mombauer, Julikrise und Kriegsschuld – Thesen und Stand der Forschung; in: ebd. 10–16; Sönke Neitzel, Der historische Ort des Ersten Weltkrieges in der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts; in: ebd. 17–23; Dominik Geppert, Sönke Neitzel, Cora Stephan, Thomas Weber, Warum Deutschland nicht allein schuld ist: http://www.welt.de/article123516387 (20. 4. 2014); Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Deutschland im Ersten Weltkrieg (Frankfurt/Main 2013); Gerhard Hirschfeld, Der Erste Weltkrieg in der deutschen und internationalen Geschichtsschreibung; in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 29–30 (2004) 3–12; Holger Afflerbach, David Stevenson (Hgg.), An Improbable War? The Outbreak of World War I and European Political Culture before 1914 (Oxford – New York 2007). 142 Herfried Münkler, Der große Krieg. Die Welt 1914–1918 (Berlin 22013). 143 Peter Graf Kielmansegg, Deutschland und der Erste Weltkrieg (Stuttgart 21980; 1. Aufl. Frankfurt/Main 1968). 144 Münkler, Der große Krieg 785.

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denen sich die Politik unter Handlungsdruck gesetzt fühlte. Der Macht in der Mitte des Kontinents kam in dieser Situation eine besondere Verantwortung zu, und vor dieser Aufgabe hat Deutschland versagt“145. Münkler versucht in seiner Studie, die auch auf die innenpolitische Dimension eingeht, die politischen Herausforderungen des Krieges für die Geschichte des 20. Jahrhunderts nachzuzeichnen. Er schildert die Räume für das „kollektive Gedächtnis“, die sich in West- und Osteuropa in der Erinnerungskultur im Vergleich zu Mitteleuropa unterschiedlich niederschlagen: Im Osten grub sich der Krieg „nicht so tief in die Landschaft ein wie im Westen und dementsprechend hinterließ er auch keine vergleichbaren Spuren in der Erinnerung der Menschen: Er glich eher einer Furie, die plötzlich und mit ungeheurer Gewalt über sie gekommen, aber dann weitergezogen war (…) In Warschau und Prag sind nicht die Kriegsereignisse, sondern das Kriegsende memorialpolitisch relevant“146. Im deutschen „kollektiven Gedächtnis“ wurde der Erste Weltkrieg durch den Zweiten überlagert und erst das Gedenkjahr scheint hier eine Verschiebung zu bringen. Ähnlich problematisch wie bei Clark sind die aktuellen Gegenwartsbezüge die der Historiker kritisch und skeptisch bewertet. Das Diktum „Aus der Geschichte lernen“ scheint Orientierungshilfen für die Gegenwart zu vermitteln, doch jedes historische Ereignis oder Phänomen kann nicht aus seinem historischen Gesamtrahmen in die Gegenwart transferiert werden. Das gilt für den Ersten Weltkrieg ebenso wie für andere geschichtspolitische Versuche aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Dieser Transfer von politischen Herausforderungen soll offensichtlich auch deutsche Entlastungsbedürfnisse, nämlich nicht die alleinige Verantwortung für den Beginn des Ersten Weltkrieges zu tragen, bedienen und in der gegenwärtigen europapolitischen Situation das Deutschlandbild positiv beeinflussen. Deutschland, so Münkler, habe 1914 darin „versagt“, seine „verantwortungsvolle Aufgabe“ als stärkste Macht Mitteleuropas anzunehmen. Dieses Scheitern verlange insoferne größte Aufmerksamkeit, „als Deutschland nach 1990 wieder zu einer Großmacht in der Mitte Europas aufgestiegen“ sei „und sich viele der Herausforderungen aus der Zeit vor 1914 erneut stellen“147. Anders als in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sei heute an die Stelle des „Mächtekonzerts“ ein Bündnis- und Sicherheitssystem getreten, in dem die Militärs nicht wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts großen Einfluss besitzen: „Kultureller und vor allem wirtschaftlicher Macht kommt heute ein sehr viel größeres Gewicht zu, und, was vielleicht noch wichtiger ist, wir wissen um diese Gewichtsverschiebung. Doch die Herausforderungen der Position der Mitte bleiben, auch wenn diese heute nicht mehr militärstrategischer, sondern vor allem ökonomischer Art sind.“148 In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung wird noch deutlicher was Münkler damit meint: „Es lässt sich kaum eine verantwortliche Politik in Europa

145 146 147 148

Ebd. 24. Ebd. 755 f. Vgl. die Ausführungen zum „kollektiven Gedächtnis“ 753–758. Ebd. 24. Ebd.

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betreiben, wenn man die Vorstellung hat: Wir sind an allem schuld gewesen.“149 Gerade angesichts der Wiederkehr der „deutschen Frage“ in die europäische Politik, der neuen Furcht vor einem deutschen Hegemon und der Karikaturen, Darstellungen und Kommentare, nicht nur in griechischen Publikationen, scheint dies für das deutsche Selbstbewusstsein wichtig zu sein. Der Historiker sollte allerdings den Menschen in Deutschland und Europa andere Orientierungshilfen geben, die sich auch aus den Erfahrungen des „großen Krieges“ ergeben. Gegen die „Alleinschuld-These“ wird nunmehr, nach den Bestsellern Clarks und Münklers, von zahlreichen Historikern und Publizisten die Meinung vertreten, dass heute von einer deutschen „Schuld“ nicht mehr die Rede sein könne, da alle verantwortlichen Politiker in der Julikrise 1914 wie „Schlafwandler“ in den Krieg geschlittert seien und sich der Konsequenz, dass dies kein herkömmlicher europäischer Krieg werden würde, nicht bewusst gewesen seien. Bissig und sicher überpointiert kommentierte Volker Ullrich, zum Zeitpunkt des Beginns der Fischer-Kontroverse Assistent am Hamburger Historischen Seminar und somit „Zeitzeuge“, die Zielrichtung des schrillen deutschen Jubels, wenn er schreibt: „Es geht um eine geschichtspolitische Weichenstellung. Was den Konservativen im ‚Historikerstreit‘ der achtziger Jahre noch missglückte – nämlich die Deutungshoheit über die deutsche Geschichte zurückzugewinnen –, das soll jetzt gelingen. Es fällt auf, wie matt der Widerspruch bislang war. In der Zunft scheint man des Streites müde geworden zu sein.“150 Als letzte der großen Darstellungen zum Ersten Weltkrieg legte Jörn Leonhard seine Studie „Die Büchse der Pandora“ vor151. Leonhard stellt den Ersten Weltkrieg in den Mittelpunkt der Umbruchphase zwischen der „Erbschaft“ des langen 19. Jahrhunderts und den „Hypotheken“, die dieser Krieg für das „20. Jahrhundert der globalen Konflikte“ bedeutete. Die Julikrise bildet für ihn den Auftakt für die Darstellung des gesamten Ersten Weltkrieges. Zwar folgt er, wie Clark und Münkler, einer Chronologie, doch stellt er seine Analyse in einen europäisch–globalen Rahmen und greift methodisch auch die Ansätze der modernen Kulturgeschichte auf. Leonhard zeigt nicht nur das Leiden und die unsägliche Brutalität des Krieges auf, sondern befasst sich auch mit dem zentralen Thema „Krieg und Moderne“ sowie mit der Krise der europäischen Staatlichkeit. In den Blick kommen dabei die von Reinhart Koselleck geprägten anthropologischen Begriffe „Raum der Erfahrung“ und „Horizont der Erwartungen“152, denen er sich verpflichtet fühlt und die es auch ermöglichen, im Spannungsfeld dieser Begriffe, wie der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze es formulierte, „die

149 Interviews mit Herfried Münkler, „Schuld“ in: Süddeutsche Zeitung vom 4. Jänner 2014: http:// www.genios.de/presse-archiv/artikel/SZ/20140104/Schuld/A56190681.html (11. 10. 2014) und ebd. „Die ewige Suche nach der Schuld“; vom 15. 1. 2014: http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/SZ/20140115/ die-ewige-suche-nach-der-schuld/A562258899.html (11. Oktober 2014). 150 Ullrich, Nun schlittern sie wieder 2. 151 Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs (München 2014). 152 Vgl. Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten (Frankfurt/ Main 1979); ders., Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprachen (Frankfurt/Main 2006).

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gesamte verwirrende Erfahrung der Moderne zu entschlüsseln“153. Leonhard gelingt es, eine gesamteuropäische Darstellung des Krieges zu schreiben, die alle Kriegsschauplätze einbezieht, auch die Erinnerungsorte jenseits von Verdun und Ypern. Anders als Clark und Münkler konstatiert Leonhard, dass es im wilhelminischen Deutschland zum Militär kein „funktionierendes ziviles Gegengewicht“ gegeben habe. Mit Blick auf die Verantwortung für den Weg in den Krieg betont er, dass Deutschland „ohne Zweifel eine besondere Verantwortung“ für den Kriegsausbruch zukam, ohne jedoch zur These Fischers von der deutschen Alleinschuld zurückzukehren154. Es war also ein „Vabanque“-Spiel das die deutsche Reichsleitung betrieb. Mit einem „kalkulierten Risiko“ ging man „hellwach“ und nicht als „Schlafwandler“ in einen Krieg, der weder Kabinettskrieg noch ein normaler europäischer Krieg des 19. Jahrhunderts war, sondern als totaler Krieg mit unvorstellbaren Ausmaßen zur „Urkatastrophe“, zum prägenden Ereignis des 20. Jahrhunderts wurde155. Beendet wurde der Krieg erst, als praktisch sowohl die Menschen wie auch die verfügbaren Ressourcen in jeder Beziehung erschöpft waren156. Aus der Wahrnehmung des Jahres 2014 ist auch erkennbar, dass wir es bei dem „großen Krieg“ von 1914 bis 1918 mit einem Weltkrieg zu tun haben, dessen globale Bezüge noch weiterer Erforschung bedürfen157. 5. Ergebnisse und Perspektiven Die Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs läutete das „kurze 20. Jahrhundert“ ein, das in Abgrenzung zum „langen 19. Jahrhundert“ auch als das „Zeitalter des totalen Krieges“ bezeichnet wird158. Ohne den Ersten Weltkrieg ist nach Ansicht Eric Hobsbawms das Katastrophenzeitalter des 20. Jahrhunderts nicht zu verstehen: „Das großartige Bauwerk der Zivilisation des 19. Jahrhunderts brach in den Flammen des Weltkriegs zusammen, als seine Säulen einstürzten.“159 Das Zeitalter der Katastrophen mündete nach 1945 zunächst einmal in das „Goldene Zeitalter“160 und führte schließlich mit dem Ende der Sowjetunion 1991/92 zum Ende der Epoche zwischen den Pariser Vorortverträgen und dem Fall der Berliner Mauer. Letzterer brachte für Deutschland die Wiedervereinigung und für die europäische Integration einen Prozess der Erweiterung, in dem die Staaten Ost- und Südosteuropas „nach Europa zurückkehrten“. Wo stehen wir heute, im Zentenarjahr, mit der historischen Forschung im „Wandel der Zeiten“? Haben sich die Erinnerungskultur und die Geschichtspolitik verändert? Vgl. die Rezension von Adam Tooze, Hellwach in den Krieg; in: Die Zeit vom 3. April 2014, 51. Leonhard, Büchse der Pandora 95. 155 Hirschfeld, Krumeich, Renz (Hgg.), Enzyklopädie, Vorwort 9. 156 Vgl. Berghahn, Der Erste Weltkrieg 6–11. 157 Vgl. dazu Daniel Marc Segesser, Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive (Wiesbaden 32013); Oliver Janz, 14 – Der große Krieg (Frankfurt/Main 2013). 158 Vgl. Ernst Schulin, Die Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts; in: Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg 3–27. 159 Hobsbawm, Zeitalter der Extreme 38. 160 Ebd. 285– 499 (Teil II, bes. Kapitel 9–11). 153 154

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Welche Bedeutung kann der Erste Weltkrieg unter anderem für die Geschichte der deutschen Demokratie haben und hat die vorgestellte Zentenarliteratur das Geschichtsbild verändert? Haben wir eine neue Kriegsschulddebatte? Anlässlich seines 90. Geburtstags meinte Fritz Fischer rückblickend auf die mehr als zwanzigjährige Diskussion: „Es ist wichtig, daß von Zeit zu Zeit solche Debatten stattfinden, damit scheinbare Gewißheiten der Forschung überprüft werden und sich am Ende die besseren Argumente durchsetzen.“161 Damit, schrieb Volker Ullrich in einem Artikel in Der Zeit, meinte Fischer, dass er, „der einst Geschmähte, mehr bewegt hat als jeder andere Historiker in diesem [20.] Jahrhundert“162. Richtig ist sicher, dass Fischer wichtige Impulse für die Forschung gegeben hat. Die Diskussion ist heute nicht mehr so emotional wie die Auseinandersetzungen der Zeitgenossen in den 1960er Jahren, die den Ersten und den Zweiten Weltkrieg persönlich erlebt haben. Methodisch und vergleichend ist die Entwicklung in der deutschen und internationalen Forschung weitergegangen. Die Darstellungen zur Weltkriegsepoche sind heute komplexer und vielschichtiger. Haben die neueren Arbeiten zum Ersten Weltkrieg das Pendel wieder in die 1930er und in die Zeit vor Fischers „Griff nach der Weltmacht“ zurückschlagen lassen? Nein! Das Bild ist differenzierter geworden und bindet neben Deutschland auch die am Krieg beteiligten europäischen und außereuropäischen Mächte ein. Konrad Canis hat im dritten Band seiner Trilogie zur deutschen Außenpolitik seit 1871 eine quellengesättigte und differenzierte Analyse der Julikrise und ihrer Bedeutung vorgelegt und die Verantwortlichkeiten herausgearbeitet, als er darauf hinwies, dass mit dem Kriegsbeginn eine erstaunliche Entwicklung eingetreten sei: „Obwohl keine der Großmächte ursprünglich zu diesem Zeitpunkt einen großen Krieg beabsichtigt hatte, nahmen alle ihn nacheinander auf. Jede dieser Regierungen war letztlich frei in ihrer Entscheidung, keine von ihnen hat sich den Krieg konsequent zu widersetzen versucht. Jede glaubte ihrem Interesse zu folgen und mit dem Krieg ihre Stellung im Konzert der Mächte zu stärken. Ausgegangen ist der Kurs auf den Krieg von den politischen und militärischen Führungen in Wien und in Berlin. Sie suchten den lokalen Krieg, kalkulierten jedoch den großen ein. Allzu bereitwillig folgten ihnen Rußland und Frankreich. England zögerte am längsten.“163 Trotz Clark und Münkler und ihrer Argumente hat sich die Bewertung der Verantwortung für den Kriegsausbruch nicht wesentlich verändert. In der Frage der Eskalation oder Deeskalation in der Julikrise 1914 bleibt es bei der besonderen Verantwortung des Deutschen Reiches, nicht aber bei der „Hauptschuld“ oder der planmäßigen Vorbereitung des Krieges durch Deutschland. Zu Recht hat Konrad Canis als Ergebnis seiner Studien festgehalten, dass die Zwänge denen Deutschland in der Julikrise ausgesetzt war, größer waren als die verfügbaren Möglichkeiten164. Bei der Frage nach der Veränderung

Ullrich, Unerschrocken ein Tabu gebrochen 40. Ebd. 163 Konrad Canis, Der Weg in den Abgrund. Deutsche Außenpolitik 1902–1914 (Paderborn – München – Wien – Zürich 2011) 669. 164 Ebd. 669 f. 161 162

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der Erinnerungskultur und der Geschichtspolitik lässt sich feststellen, dass es keine grundlegenden Verschiebungen gegeben hat und wohl auch nicht geben wird. Der Erste Weltkrieg besaß eine „doppelte historische Dimension“. Seine „Scharnierfunktion zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert ergibt sich daraus, dass sich die Zerstörungen und Gewalterfahrungen, die Unfähigkeit, eine dauerhafte Friedensordnung zu errichten, weit über 1918 hinaus fortsetzten“165. Die Frage des Kriegsbeginns lässt sich recht genau beantworten. Sehr viel schwieriger ist es, zu bestimmen, „wann genau er wo überhaupt endete“. In dieser Hinsicht ähnelte der Erste Weltkrieg anderen historischen Ereignissen, beispielsweise der Französischen Revolution von 1789. Leonhard verweist auf wichtige Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Der Krieg lasse sich nicht allein aus dem 19. Jahrhundert erklären und dieses sei auch nicht bloß seine „Vorgeschichte“. Er lasse sich aber auch nicht einfach aus seinen Folgen für das 20. Jahrhundert verstehen: „Das 20. Jahrhundert war mehr als die Entfaltung der Konsequenzen des globalen Umbruchs zwischen 1914 und 1918. In der Geschichte des Ersten Weltkriegs sind zwei Jahrhunderte miteinander und ineinander verschränkt, und doch geht auch in dieser Verschränkung die Geschichte des Krieges nicht auf. Denn es gibt eine Eigengeschichte, eine Geschichte von Dynamiken und Eigenlogiken des einmal ausgebrochenen Krieges, die jenseits von Vorher und Nachher liegen und die sich vermeintlichen Kausalgeraden und Kontinuitätslinien entziehen.“166 Es gibt im deutschen Fall durchaus auch positive Langzeitwirkungen als Folge der Urkatastrophe Erster Weltkrieg, die relevant für das Geschichtsbild und die Erinnerungskultur sind. Heinrich August Winkler hat in seinem Artikel „Die Oktoberreform“ die Bedeutung des Krieges für die Geschichte der deutschen Demokratie herausgearbeitet: „Die Entstehungsgeschichte der deutschen Demokratie im Ersten Weltkrieg prägte nicht nur die Anfänge der Weimarer Republik, sondern auch ihr Ende (…) Hitler wurde zum Hauptnutznießer der ungleichzeitigen Demokratisierung Deutschlands vor 1918: der frühen Demokratisierung des Wahlrechts und der späten Demokratisierung des Regierungssystems im engeren Sinne.“167 Die Kriegsideologen des Ersten Weltkrieges hatten den Ideen der Französischen Revolution von 1789 die „Ideen von 1914“ entgegengestellt. Mit dem Hass auf den Kriegsgegner entstand auch ein übersteigertes „antiwestliches Ressentiment“, das erst „nach der zweiten, totalen Niederlage Deutschlands im 20. Jahrhundert“ eine Öffnung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der politischen Kultur des Westens eingeleitet hat. Die Schlussfolgerung Winklers geht dahin, dass niemand sagen könne, „wann Deutschland eine westliche Demokratie geworden wäre, wenn es den Ersten Weltkrieg nicht gegeben hätte. Fest steht, dass dieser Krieg der ersten deutschen Demokratie seinen Stempel aufgedrückt hat. Erst die Niederlage von 1945 hat den Weg frei gemacht für die Entstehung

Leonhard, Büchse der Pandora 27. Ebd. 28. 167 Heinrich August Winkler, Die Oktoberreform. Der Erste Weltkrieg und die Geschichte der deutschen Demokratie; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Juni 2014, 6. 165 166

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einer funktionstüchtigen parlamentarischen Demokratie (…) Für nationalapologetische Betrachtungen lässt dieser Sachverhalt keinen Raum. Das wiedervereinigte Deutschland tut deshalb gut daran, an der wichtigen Errungenschaft der politischen Kultur der alten Bundesrepublik festzuhalten: dem selbstkritischen Umgang mit der eigenen Vergangenheit“168. Dem ist fast nichts hinzuzufügen. Europa und seine Geschichte werden nach wie vor aus der Sichtweise des Nationalstaates betrachtet, verwurzelt im Nationalen. Eine wichtige Ursache hierfür ist, dass „persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Traditionen, kulturelle Orientierung und Alltagsvertrautheit“ sich in allen Ländern Europas in unterschiedlicher Intensität „zuerst auf das Land aus dem man kommt und in dem man lebt“ beziehen169. Eine wirklich europäische Gesamtgeschichte ist, trotz einiger Ansätze, weiterhin ein Desiderat. Wichtig bleibt daher die Vermittlung einer regionalen, deutschen, europäischen und globalen Dimension als Orientierungshilfe, die in vielfältiger Form erfolgen und zur Ausbildung komplexer Identitäten auf den genannten drei Ebenen führen kann. Beitragen können hierzu im Bereich der Ausbildung an den Universitäten und Schulen, aber auch in der Erwachsenenbildung Europa-Exkursionen, die auch eine Erfahrung des Raumes mit sich bringen. Wenn man beispielsweise erst auf dem Schlachtfeld von Verdun mit dem heiß umkämpften Fort Douaumont und den dortigen Gräberfeldern mit gefallenen christlichen und – oft übersehen – auch muslimischen Soldaten aus den damaligen französischen Kolonien, beispielsweise aus Marokko, steht und von dort in zwei Stunden mit dem Bus im Straßburger Europaparlament ist, oder, wenn die Gruppe erst die Erinnerungsorte auf den Schlachtfeldern in Westflandern mit Langemark und Ypern besucht und anschließend die Europäische Kommission in Brüssel, dann wird unmittelbar deutlich, warum wir Europa brauchen, und das wird sich in den Köpfen festsetzen: Es kann zur europäischen Integration und zur europäischen Einigung nach den Erfahrungen von zwei Weltkriegen keine Alternative geben, und es muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass Europa die Chancen der Einigung vorantreiben und den Nationalismus, die überholte Idee von der nationalen Ehre und den nationalen Egoismus überwinden muss, um auch eine europäische Identität und eine gemeinsame Erinnerungskultur auszubilden. Einige neuere Publikationen zum Stellenwert und zu den Langzeitwirkungen des Ersten Weltkrieges weisen in diese Richtung und betten den Krieg in einen gemeinsamen europäischen Rahmen ein, d. h. das Bild zum und die Wahrnehmung des Ersten Weltkrieges hat sich europäisiert. Zudem hat das Europa von heute gar keine andere Option als zusammenzuwachsen, wenn es – zwar nicht mehr als Königskontinent, wie vor 1914 – aber doch als wichtiger weltpolitischer Akteur in die Zukunft des 21. Jahrhunderts gehen will. Für Deutschland bedeutet dies, dass es die seit 1990 begonnene, aber nicht abgeschlossene Politik der „doppelten Integration“ – Binnenintegration und Einigung Europas – im Sinne des Aufrufes von Thomas Mann weiter verfolgt, ein europäisches

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Ebd. Ulrich Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert (München 2014) 11.

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Deutschland und kein deutsches Europa anzustreben und so die deutsche Frage, das deutsche Problem, endgültig zu lösen170. Sicherlich spielte die deutsche Frage, insbesondere seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine komplexe Rolle in der europäischen Geschichte und Politik171. Der Zentralstaat von Europa sollte seit 200 Jahren eine doppelte Aufgabe erfüllen: Europa die Stabilität und den Frieden sichern und das innere Band für die deutsche Nation knüpfen. Diese Frage stellte sich 1914 und sie stellt sich auch heute erneut. Die deutsche Frage ist wieder da und befeuert die Furcht vor der wichtigsten europäischen Wirtschaftsmacht. Die historischen Rahmenbedingungen nach der deutschen Vereinigung von 1990 und angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Krisen seit 2008/2009 sind genuin anders als im Vorfeld des Ersten Weltkrieges. Die Akteure und Verantwortlichen von 1914 sind nicht „unsere Zeitgenossen“. Es ist daher gefährlich, fahrlässig und absolut unhistorisch, nur, um das Publikum zu beeindrucken, von einer „Zeitgenossenschaft“ zwischen 1914 und 2009 zu schwadronieren.

170 Vgl. hierzu u. a. Wolf D. Gruner, Deutschland in Europa 1750 bis 2007: Vom deutschen Mitteleuropa zum europäischen Deutschland (Cluj-Napoca 2009) 381–457. 171 Hierzu ausführlich ebd. 33–214.

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II. Die Nationalstaatshistoriographie der Nachfolge- und Teilungsstaaten A. Auf der Suche nach der österreichischen Identität von Ernst Hanisch 1. Der „kranke Mann an der Donau“ Im Juli 1949 wurde der barocke Kirchturm in Thaya, an der tschechoslowakischen Grenze gelegen, repariert. In der Kreuzkugel befand sich eine verrostete Blechschachtel. Darin lag ein Bericht von der Renovierung im Jahr 1906. Der damalige Pfarrer August Dimter schrieb in holprigem Latein: „Praepotentia judaica, Hungarorum (sic) massonum. Austria infelix – mit dir ist’s nix“ [Jüdische Überheblichkeit, Ungarische Freimaurer. Unglückliches Österreich]1. 1949 erklärte der damalige Pfarrer Franz Bauer die Sätze: „Die Juden und Freimaurer waren geschworene Feinde der österr.-ung. Monarchie. Die Vernichtung der Monarchie ist ihr und anderer Feinde Werk (…). Eine weitere Folge der Vernichtung der Monarchie war auch die Wehrlosigkeit des kleinen Österreich gegen Deutschland 1938.“2 Die Wunde, welche die Auflösung der Monarchie dem österreichischen Katholizismus zufügte, interpretierte der von Geldsorgen geplagte Pfarrer nüchtern: Früher habe die Renovierung der Kirche der Staat bezahlt, nun müsse der Pfarrer von Tür zu Tür betteln gehen. Die klassischen Feinde der Katholischen Kirche, die angeblich für den Zerfall der Monarchie verantwortlich waren, werden von der historischen Forschung im krassen Gegensatz dazu gesehen: Die Juden gelten geradezu als Träger des „dynastischen Patriotismus“, als „bedingungslose Österreicher“, die Freimaurer als Vertreter des Weltbürgertums und liberaler Werte in einer illiberalen Zeit3. Marsha L. Rozenblit definierte die Identität der Juden in der Monarchie vor dem Ersten

1 2

Florian Schweitzer, 50 Jahre nachher. Pfarrchronik Thaya 1946–1999 (o.O. o.J.) 23.

Ebd.

3 Malachi Hacohen, Kosmopoliten in einer ethnonationalen Zeit? Juden und Österreicher in der Ersten Republik; in: Helmut Konrad, Wolfgang Maderthaner (Hgg.), … der Rest ist Österreich. Das Werden der Ersten Republik, 2 Bde. (Wien 2008) I 281–316.

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Weltkrieg dreifach: Österreicher aus politischer Loyalität; Deutsche (Polen, Tschechen usw.) aus kultureller Zugehörigkeit; Juden in einem ethnischen Sinn4. In diesem Text interessiert der Pessimismus gegenüber der Zukunft der Monarchie, den Pfarrer Dimter 1906 ausdrückte. Dieser Pessimismus war in der Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg weit verbreitet. Wird der multinationale Staat angesichts der Ethnonationalismen den greisen Kaiser Franz Joseph überleben? Und das Bild vom „kranken Mann an der Donau“ wirkte 1914 auch auf die Kriegsmotivationen. Der Rechtshistoriker und Reichsratsabgeordnete Josef Redlich, in engem Kontakt mit den österreichischen Eliten, notierte am 28. Oktober 1912: Die Türkenherrschaft in Europa sei zu Ende. „Dieser ‚kranke Mann‘ ist tot! Österreich hat dafür alle Aussicht, als ‚kranker Mann‘ an seine Stelle zu treten.“5 Die Erzählung von der historisch notwendigen Auflösung der Habsburgermonarchie löste die ältere Erzählung von der Stabilitätsfunktion des Reiches in Mittel-Osteuropa ab. Die deutschen Eliten fürchteten 1914 eine zunehmende Schwächung Österreichs. Die serbischen Eliten erwarteten den Zusammenbruch Österreich-Ungarns – nur so wäre ein Großserbien möglich. Die österreichischen Entscheidungsträger wiederum waren nach dem Attentat auf das Thronfolgerpaar überzeugt, nur ein forsches Auftreten könne die Großmachtposition der Habsburgermonarchie retten. Jede Schwäche würde als Impotenz gewertet werden. Obendrein erwarteten sie, mit dem Deutschen Reich im Rücken, dass ein siegreicher Krieg gegen Serbien auch den innenpolitischen Kuddelmuddel beenden könne. Leopold von Andrian-Werburg, Diplomat und Dichter, notierte: „Grundidee, daß nur ein Krieg die Rettung Österreichs bringen könne (…).“6 Auch diese vom Pessimismus gespeiste These vom historisch notwendigen Untergang der Habsburgermonarchie wird seit Jahrzehnten von der Forschung widerlegt. Trotz aller nationalen Kämpfe um den Staat, hatte die Monarchie Institutionen und Konfliktregulationen entwickelt, die sie relativ stabil hielten7. Helmut Rumpler hat die Gegenthese prägnant formuliert: „Die Habsburgermonarchie ist nicht am Nationalitätenproblem gescheitert. Sie hat dieses Problem nicht gelöst, weil sie sich durch den Entschluss zum Weltkrieg in selbstmörderischer Weise um die Chance brachte, die

4 Marsha L. Rozenblit, Reconstructing a National Identity. The Jews of Habsburg Austria during World War I. (= Studies in Jewish history, Oxford – New York 2001) 4, 23 ff. 5 Fritz Fellner, Doris A. Corradini (Hgg.), Schicksalsjahre Österreichs. Die Erinnerungen und Tagebücher Josef Redlichs 1869–1914, 3 Bde. (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 105, Wien – Köln – Weimar 2011) I 490. 6 Ernst Hanisch, Der kranke Mann an der Donau. Marx und Engels über Österreich (Wien – München – Zürich 1978); Christopher Clark, The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914 (London – New York 2012) 47, 558; Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs (München 2014) 81, 94; vgl. Leopold von Andrian, zit. in: Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert (= Österreichische Geschichte 1890–1990, hgg. von Herwig Wolfram, Wien 1994) 236. 7 Zuletzt John W. Boyer, Power, Partisanship and the Grid of Democratic Politics: 1907 as the Pivot of Modern Austrian History; in: Austrian History Yearbook 44 (2013) 148–174; Timothy Snyder, Integration, Counter-Integration, Disintegration; in: IWM post. Magazine of the Institut für die Wissenschaften vom Menschen / Institute for Human Sciences 111 (September 2012–April 2013) 3 f.

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Ansätze zu möglichen Lösungen zu Ende zu führen.“8 Kurz: Der multinationale Staat zerfiel wegen der inneren Desintegration der Gesellschaft im Weltkrieg9. Eine weitere Vorbemerkung: Was heißt Identität? Identität ist ein vielschichtiger Begriff und eine vielschichtige Erfahrung der Menschen. Im Grunde jedoch sind es drei einfache Fragen: Wer bin ich, wer war ich, wer werde ich sein? Beziehungsweise: Wer sind wir, wer waren wir, wer werden wir sein? „Wir“ meint hier kleine und große Gruppen von Menschen – von der Familie zur Nachbarschaft, vom Land bis zur Nation und zu übernationalen Gemeinschaften. Identität bezieht sich daher nicht allein auf die Nationalität. Auch soziale Klasse, Geschlecht, Religion usw. formen Identitäten. Individuell entwickeln sich Identitäten als Prozess, durch die Sozialisation in der Familie und Gesellschaft. Wichtig sind historische Erzählungen. Dabei müssen Kontinuitäten und Diskontinuitäten in eine labile Synthese zusammengeführt werden. So entstehen multiple Identitäten – nicht nur bei den Individuen sondern auch bei den Kollektiven. Dabei wirken Vorbilder ebenso mit wie Abgrenzungen von dem Anderen. Dieser Andere kann neutral (eben anders als wir) oder als das Fremde, oder ideologisch als das Feindliche definiert werden. So entstehen oft lang anhaltende mentale Feindbilder, die sich im Krieg verschärfen. Wird ein Identitätsmerkmal besonders hervorgehoben, sei es eine Religion, eine Nation oder ein spezifischer Raum, führt dies leicht zu einem Fundamentalismus und zu gefährlichen Konflikten. Ruth Wodak und ihre Mitautoren/innen definieren die nationale Identität als „ein[en] im Zuge der Sozialisation internalisierte[n] Komplex von gemeinsamen oder ähnlichen Überzeugungen und Meinungen“10. Diese Haltungen sind stark emotional eingefärbt, werden durch das Erziehungssystem, durch Militär, Vereine, Parteien usw. erworben. Die Konstruktion der Nation wird durch „erfundene Traditionen“, durch eine angeblich gemeinsame Geschichte, Kultur, Sprache, Religion, Kunst, Sport, Essen, Trinken, Kleidung mitgeformt. Doch diese Konstruktionen, die „Erfindungen von Tradition“ beim Nationsbildungsprozess erklären nicht alles; sozialfunktionelle Erklärungen, ökonomische wie sozialgeschichtliche und politische Faktoren müssen ebenso herangezogen werden. Nicht alles an den behaupteten Traditionen sind pure „Erfindungen“, vielfach werden bestehende Traditionen nur neu und selektiv interpretiert. Bestimmte Faktoren werden ausgelassen, andere schärfer akzentuiert11. Der österreichische Fall belegt deutlich, dass

8 Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie (= Österreichische Geschichte 1804–1914, hgg. von Herwig Wolfram, Wien 1997) 558. 9 Maureen Healy, Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I (= Studies in the Social and Cultural History of Modern Warfare 17, Cambridge 2004). 10 Ruth Wodak, Rudolf de Cillia, Martin Reisigl, Karin Liebhart, Klaus Hofstädter, Maria Kargl, Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1349, Frankfurt am Main 1998) 69; sehr kritisch zum Identitätsbegriff: Lutz Niethammer, Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur (Reinbek bei Hamburg 2000). 11 Ernst Hanisch, Österreichische Identität und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus; in: Catherine Bossart-Pfluger, Joseph Jung, Franziska Metzger (Hgg.), Nation und Nationalismus in Europa. Kulturelle Konstruktion von Identitäten. Festschrift für Urs Altermatt (Frauenfeld 2002) 283– 300, hier 291 f.

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eine nationale Identität im Laufe der Geschichte verändert werden kann, nicht willkürlich, sondern angepasst an die jeweiligen historischen Situationen. 2. Der Wilson-Moment Im Schrecken des totalen Weltkrieges – Hunger, Verzweiflung, Friedenssehnsucht – war 1917/1918 der Präsident der USA, Woodrow Wilson, ein europäischer „Hoffnungsort“12. Zwei Zukunftsbilder schienen die Umrisse einer neuen Weltordnung zu begründen: Demokratie („to make the world safe for democracy“) und Selbstbestimmung der Völker, meist als nationale Selbstbestimmung verstanden13. Beide Vorstellungen waren abstrakt und emotionsgeladen, aber gerade deshalb so attraktiv für eine kriegsgeplagte Welt. Doch welche Demokratie, welche Selbstbestimmung? Wilson hatte naturgemäß das amerikanische Modell vor Augen: eine liberale, bürgerliche, kapitalistische, meritorische, auf Freiheit und Privateigentum gestützte Demokratie. 1917 tauchte in Russland aber ein alternatives Modell auf: die kommunistische Räteherrschaft, basierend auf der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und auf der Diktatur des Proletariats. Was im Restösterreich 1918 bis 1920 vor sich ging, kann als „staatsbürgerliche Revolution“ bezeichnet werden: die Gründung der Republik mit ihren stark antifeudalen Tendenzen (Habsburgergesetz, Abschaffung der Privilegien des Adels), dem allgemeinen Wahlrecht – nun auch für Frauen und auf der Gemeinde und Landesebene –, und der Konzentration der Macht im Parlament. Die wichtigsten Akteure dieser Revolution waren die politischen Parteien und die Länder, die Souveränitätsansprüche stellten. Alle politischen Kräfte wollten die Demokratie, aber mit unterschiedlichen Nuancen. Die damals stärkste politische Partei, die Sozialdemokratie, strebte eine Demokratie mit einer starken sozialpolitischen Gesetzgebung an, die den Übergang zum Sozialismus vorbereiten sollte; eine laizistische Demokratie, die auf einer strengen Trennung von Staat und Kirche beruhte. Ihr Hass richtete sich gegen Habsburg, den Kriegsabsolutismus, das Offizierkorps und die katholische Kirche. Die Zielutopie „Sozialismus“ konnte nach Meinung der Parteiführer auch friedlich, aber nur im Rahmen des Deutschen Reiches in einer gesamtdeutschen Revolution erreicht werden. Die Christlichsoziale Partei hatte zögerlich, erst im letzten Augenblick den Übergang zur Republik geschafft, ideologisch von Ignaz Seipel vorbereitet. Der Druck der Bauern, die unter den Kriegs-Requirierungen gelitten hatten und bei denen am Kriegsende der Kaisermythos zerfallen war, erwies sich dabei als ein wichtiger Faktor. Das christlichsoziale Bekenntnis zur Demokratie war in dieser staatsbürgerlichen Revolution ehrlich gemeint. Ihr Antikapitalismus, verbunden mit einem offenen Antisemitismus, konnte an ältere Traditionen der katholischen Soziallehre anknüpfen (Carl von Vogelsang). Von den Sozialdemokraten schied die Christlichsozialen jedoch die Vertei-

12 David Reynolds, The Long Shadow. The Great War and the Twentieth Century (London – New York – Sydney – Toronto – New Delhi 2013) 9, 37. 13 Ebd.

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digung des Privateigentums, die Sicherung der privilegierten Stellung der Katholischen Kirche und eine diskrete Anti–Wien–Stimmung. Die fragmentierten deutschnationalenliberalen Parteien, ebenfalls stark antisemitisch geprägt, reihten sich zwar in die republikanisch-demokratische Bewegung ein, ihre stärksten Interessen galten aber dem Anschluss an das Deutsche Reich14. Zwei Gefahren bedrohten die parlamentarische Demokratie, eine kurzfristig, die andere langfristig: die Rätediktatur, wie sie in Budapest und München versucht wurde, und das Fehlen eines kraftvollen liberalen Bürgertums als Pufferzone zwischen dem linken und rechten Radikalismus. In einer Situation dramatischer ökonomischer Probleme, der unsicheren außenpolitischen Lage, der Zentrum–Provinz–Spannungen, des Hungers und der Verzweiflung in der Bevölkerung, bei einer gleichzeitigen kollektiven Erschöpfung, bot das russische Sowjetmodell für einen Teil der desorientierten Soldaten, für einen Teil der im Krieg politisierten Frauen und für einige radikalisierte Intellektuelle eine scheinbar historisch mögliche Alternative. Die geschmeidige Taktik der Sozialdemokratie, flexible Politik nach links, aber eine klare Abgrenzung gegenüber einem kommunistischen Experiment bei gleichzeitig umfassenden sozialen Reformen, konnte die Gefahr eines kommunistischen Putsches eingrenzen. Der Kampf wurde in den Räten (Arbeiter- und Soldatenräte) geführt, wo die Sozialdemokratie die Mehrheit hatte. Die Einheit der Partei konnte gewahrt werden, die anfängliche Politik des Konsenses, des Klassenkompromisses konnte weitergeführt werden15. Die zweite, langfristige Gefahr bestand in dem komplexen Problem des österreichischen Liberalismus im 20. Jahrhundert. Der Liberalismus war im Kern eine sozialgeschichtlich bürgerliche Bewegung, aber mit der Zielutopie, eine staatsbürgerliche Gesellschaft der Freien und tendenziell Gleichen zu schaffen. Der These, dass in Österreich der politische Liberalismus in den 1880 Jahren zusammengebrochen war und vom antisemitischen Deutschnationalismus abgelöst wurde, hat Pieter Judson eine andere Interpretation entgegengesetzt: Was sich in den 1880er Jahren tatsächlich abspielte, war eine Neudefinition der liberalen Politik im Zeitalter der Massenpolitik. Die Liberalen verstanden sich nun offener als bürgerliche Interessensgruppe. Über die nationale Rhetorik sollte das Kleinbürgertum in die Bürgerpolitik einbezogen werden. Die neue Vision der Liberalen wuchs aus der Volksgemeinschaft aller Deutschen, im Gegensatz zum internationalen Klassenkampf der Sozialdemokratie und auch im Gegensatz zur rassistischen Verengung des Nationsbegriffs bei den Schönerianern und

14 Hanisch, Der lange Schatten 263–279; Wolfgang Maderthaner, Die eigenartige Größe der Beschränkung. Österreichs Revolution im mitteleuropäischen Spannungsfeld; in: Konrad, Maderthaner (Hgg.) Das Werden der Ersten Republik I 187–206. 15 Ernst Hanisch, Der große Illusionist. Otto Bauer (1881–1938) (Wien – Köln – Weimar 2011) 172–178; von einem linken Standpunkt: Hans Hautmann, Die Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918–1924) (= Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien – Zürich 1987); John C. Swanson, The Remnants of the Habsburg Monarchy: The Shaping of Modern Austria and Hungary, 1918–1922 (= East European Monographs 568, New York 2001) 13–82.

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später bei der Deutschen Arbeiterpartei16. Diese Interpretation ist in der österreichischen Historiographie zu wenig diskutiert worden. Sie erklärt jedoch die Dominanz der Deutschfreiheitlichen Parteien in den Provinzstädten bis 1918. In der Reichspolitik hatten sie am lautesten für den „deutschen Besitzstand“ gekämpft. Mit den Altliberalen verband die Deutschfreiheitlichen ein eklatanter Antiklerikalismus, ein Leitmotiv der modernen österreichischen Politik, wie John Boyer feststellte17. Dieses Erbe übernahm die Großdeutsche Partei ebenso wie der Nationalsozialismus, in einer anderen ideologischen Konstellation die Sozialdemokratie. Eine weitere Argumentationslinie von Pieter Judson betrifft einen anderen Aspekt des Liberalismus. Dieser sei so erfolgreich gewesen, dass er sich als einheitliche Partei überflüssig gemacht habe18. Zum einen hatte er jenen Verfassungsrahmen geschaffen, den auch die Illiberalen ausnützen konnten, zum anderen spaltete sich sein Erbe auf. Der Wirtschaftsliberalismus wanderte zu den Christlichsozialen, die sich längst vor dem Ersten Weltkrieg mit der Industrie versöhnt hatten, zur Staatspartei geworden waren und die nach der Genfer Sanierung eine eher wirtschaftsfreundliche Politik machten; allerdings brachte die Nähe der Christlichsozialen zur Katholischen Kirche immer auch einen antikapitalistischen Diskurs in ihre Rhetorik. Der kulturelle Liberalismus fand teilweise bei den Sozialdemokraten seine Heimat, weitaus schwächer bei den Großdeutschen (Schulund Ehefragen). Doch der politische Liberalismus als gestaltende Kraft hatte keinen Ort mehr. Nur Restbestände lebten weiter: bei den freien Berufen, in der Universität, in der Presse. Dieses Fehlen des liberalen Spektrums als ausgleichender Faktor war 1933/34 auch eine Ursache für den Zusammenbruch der Demokratie in Österreich. War der Liberalismus als politisch einheitliche Kraft auch am Ende, so fing sein theoretischer Stern erst zu leuchten an. Erst in der Dämmerung der dreißiger Jahre begann die Eule der Minerva zu fliegen: jenes Dreigestirn der liberalen Theorie, das aus Österreich kam – Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek, Karl Raimund Popper –, das aber erst in der angelsächsischen Welt aufging. Und was war mit dem Bürgertum nach 1918? In einem vielzitierten Satz nannte Otto Bauer das Bürgertum „die eigentlich Besiegten des Krieges“19. Die Ordnung von St. Germain durchschnitt den großen Markt für das Wirtschaftsbürgertum. Die Industrie stagnierte, Rentiers und Hausbesitzer pauperisierten, Kriegsanleihen und Inflation ließen ihre Vermögen wegschmelzen. Die Beamten als Teil des Bildungsbürgertums wurden in großer Zahl abgebaut. Dennoch, das Ende der Monarchie war nicht

16 Pieter M. Judson, Exclusive Revolutionaries. Liberal Politics, Social Experience, National Identity in the Austrian Empire, 1848–1914 (= Social history, popular culture, and politics in Germany, Ann Arbor 1996) 193–266. 17 John W. Boyer, Culture and Political Crisis in Vienna. Christian Socialism in Power, 1897–1918 (Chicago – London 1995) 208. 18 Judson, Exclusive Revolutionaries 268. 19 Otto Bauer, Die österreichische Revolution; in: Werkausgabe, 9 Bde. (Wien 1975–1980) II (Wien 1976) 755 f.

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das Ende des bürgerlichen Lebensstils20. Das Bildungsbürgertum verteidigte zäh sein kulturelles Kapital. Es gab noch immer Salons, schöne Kleider und Konzerte. Ernst Bruckmüller errechnete für die dreißiger Jahre, trotz aller Nivellierungen, neun Prozent Bürgerliche21. Und die Erinnerungen von Hilde Spiel belegen, dass eine bürgerliche jeunesse dorée auch in der Weltwirtschaftskrise relativ sorglos und fröhlich leben konnte22. Es gab Statusverluste, das mittlere und kleine Bürgertum musste auf Dienstmädchen verzichten und das Großbürgertum in Wien zahlte eine hohe Luxusabgabe, aber insgesamt konnte sich das Bürgertum nach der Revolution wieder festigen. Allerdings trat im Krieg und kurz nach dem Krieg ein Exzess des neureichen Finanzkapitals auf. Die Biographie des größten Plutokraten, Camillo Castiglioni, von Dieter Stiefel liefert ein erschreckendes Sittenbild des verwilderten Finanzkapitals23. Diese Finanzhaie, im Krieg durch Heereslieferungen ungeheuer reich geworden, rafften nach dem Krieg ein Industrieimperium zusammen, plünderten die Banken aus, spekulierten gegen die Krone und andere Währungen mit riesigen Gewinnen, kauften sich Zeitungen, bestachen Journalisten, Politiker, Beamte, bestahlen den Staat, liebäugelten mit Benito Mussolini, und, wie es Neureiche nun einmal machen, protzten mit ihrem Reichtum, während die Bevölkerung darbte. Da die größten Spekulanten jüdischer Herkunft waren, heizte das den Antisemitismus weiter an. Was die Antisemiten jedoch nicht beachteten war, dass die schärfste Kritik dieser neuen Plutokratie von Juden kam (Karl Kraus). Nach der Sanierung der Krone und nach fehlgeschlagenen Spekulationen gegen den französischen Franc 1922/1924 war das Hochfest der Börse vorbei, nicht aber die Schäden für die österreichische Volkswirtschaft. 3. Abschied von Österreich: Die Staatsbürgerrevolution Die zweite Verheißung Präsident Wilsons sprach vom Selbstbestimmungsrecht der Völker. Erinnern wir uns: Zu Kriegsbeginn richtete Kaiser Franz Joseph sein Manifest „An Meine Völker“24. Diese Völker verstanden 1918 Wilsons Botschaft und das Oktobermanifest Kaiser Karls als Aufruf zur nationalen Selbstständigkeit. ÖsterreichUngarn löste sich auf. Als die Nationalversammlung am 12. November 1918 die Republik Deutschösterreich ausrief, war diese Selbstbezeichnung kein Zufall. Sie entsprach der Logik der historischen Situation und war das Ergebnis eines längeren historischen Prozesses. Die meisten Deutschsprachigen fühlten sich als Untertanen/Staatsbürger des durchlauchtigsten Erzhauses der Habsburger, des Hauses Österreich, und im Unterschied zu den Anderssprachigen als Angehörige des deutschen Volkes. 20 Peter Berger, Zur Situation des österreichischen Bürgertums nach dem Ersten Weltkrieg. Tatsachen und Legenden; in: Konrad, Maderthaner (Hgg.), Das Werden der Ersten Republik II 67–86. 21 Ernst Bruckmüller, Das österreichische Bürgertum zwischen Monarchie und Republik; in: Zeitgeschichte 20/3–4 (1993) 60–84, hier 69. 22 Hilde Spiel, Die hellen und die finsteren Zeiten. Erinnerungen 1911–1946 (München 1989). 23 Dieter Stiefel, Camillo Castiglioni oder die Metaphysik der Haifische (Wien – Köln – Weimar 2012). 24 Manfired Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914– 1918 (Wien – Köln – Weimar 2013) 123–129.

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Otto Bauer hatte in seinem klassischen Buch „Die österreichische Revolution“ im Jahr 1923 formuliert: „Durch die ganze neuere Geschichte Deutschösterreichs zieht sich der Gegensatz zwischen unserem Deutschtum und unserem Österreichertum.“25 Mochte die österreichische Bourgeoisie auch deutsch sprechen, „ihrem Fühlen nach war sie österreichisch (…) das völkerreiche Österreich war ihr Vaterland“26. War das Verhältnis zwischen dem Deutschtum und dem Österreichertum tatsächlich immer ein Gegensatz? In Krisenzeiten vielleicht, aber in „normalen“ Zeiten, im Alltag war es eher ein Nebeneinander, ein Mischverhältnis, das sich je nach Klassen, Lebensalter und Religion unterschiedlich gestaltete. Bauer selbst führte aus, dass die österreichische Tradition im Wiener Groß- und Kleinbürgertum sowie „in der vom katholischen Klerus erzogenen Bauernschaft in den Alpenländern“ fortgelebt habe, während die deutsche Tradition eher bei der Intelligenz beheimatet gewesen sei27. Zu Kriegsbeginn loderte der österreichische Patriotismus in allen Schichten auf, gegen Kriegsende brach dieser, aus vielen Gründen, völlig zusammen, während das deutsche Selbstverständnis stark anwuchs. Am 23. Oktober 1918 titelte das deutsch–freiheitliche Salzburger Volksblatt den Leitartikel: „Abschied von Österreich“. Dieser Abschied von Österreich war bei den Sozialdemokraten und Deutschnationalen emotional mit Hass und Verachtung für Habsburg und „Österreich“ verknüpft, weil diese für den Krieg und für die Verelendung der Bevölkerung verantwortlich gemacht wurden. Für die Christlichsozialen und für die Katholische Kirche war dieser Abschied eher mit dem Gefühl der Wehmut und mit der Angst vor dem Sozialismus verbunden. Doch auch in der Sozialdemokratie war der Hass auf Österreich erst 1918 in breiter Front aufgetreten. Noch am 21. Oktober 1918 hatte Victor Adler als erste Option einen „freien Völkerbund“ mit den Nachbarvölkern gesehen; wenn dieser jedoch von den anderen Völkern abgelehnt werde, bleibe nur die zweite Option, sich als „Sonderbundesstaat“ dem Deutschen Reich anzugliedern28. Die mentale Bruchlinie lässt sich jedoch bereits im Mai 1917 erkennen, und zwar im Prozess gegen Friedrich Adler, der aus Protest gegen die Kriegsdiktatur und gegen die Parteiführung seines Vaters am 21. Oktober 1916 den k. k. Ministerpräsidenten, Karl Graf Stürgkh, erschossen hatte. Rudolf Ardelt hat diesen Prozess, einen der großen politischen Prozesse des 20. Jahrhunderts, genauer analysiert29. Friedrich Adler kehrte in seiner Verteidigungsrede die Position um, statt als Angeklagter trat er als Ankläger auf, und die offiziellen Ankläger wurden in die Verteidigung gedrängt. Er argumentierte als Staatsbürger, der den Kriegsabsolutismus des Verfassungsbruches bezichtigte und für sich das Widerstandsrecht des Staatsbürgers in Anspruch nahm. Er verstand sich als österreichischer Patriot im Dienste des besseren Österreich, im Gegensatz zu seinen Bauer, Revolution 554. Ebd. 27 Ebd. 555; zur Semantik „deutsch“ und „österreichisch“ siehe Marcus Erwin Haider, Im Streit um die österreichische Nation. Nationale Leitwörter in Österreich 1866–1938 (Wien – Köln – Weimar 1998). 28 Hanisch, Der lange Schatten 265. 29 Rudolf Ardelt, Der Prozeß gegen Friedrich Adler; in: Karl R. Stadler (Hg.), Sozialistenprozesse. Politische Justiz in Österreich 1870–1936 (Wien – München – Zürich 1986) 181–232. 25 26

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Anklägern, die den Patriotismus des schlechten Österreich, den Patriotismus des Krieges und der Kriegsdiktatur vertraten. Die Verteidigungsrede von Friedrich Adler wurde so zur großen Klage über Österreich und zur Anklage des „österreichischen Geistes“. Dieser „österreichische Geist“ habe seit jeher die größte Sünde, die Sünde gegen den wahren Geist begangen: jene Sünde, „die ganz Österreich durchdringt, die Völker Österreichs niederdrückt, die jedes mannhafte Auftreten in Österreich verkümmern läßt“30. Zur Begründung dieser Anklage geht Adler bis auf die Gegenreformation zurück, wo jene „Sklaven- und Bedientengesinnung“ in der Bevölkerung erzeugt wurde, die der angeklagte Kläger „stets als brennende Schande“ empfunden habe. Diese „Prinzipienlosigkeit“ habe ihm immer „den tiefsten Haß nicht gegen Österreich als Staatsgebilde, sondern gegen Österreich als unmoralisches Gebilde“ eingeflößt. Und dieser „Geist der Verlogenheit“ finde sich „in allen Teilen und allen Nationen“31. Friedrich Adler wurde zwar zum Tode verurteilt, aber aus politischen Gründen nicht hingerichtet. Dieser Hass auf „Österreich“ verbreitete sich in der Sozialdemokratie (teilweise auch bei den Deutschnationalen) immer mehr. Die von Otto Bauer geleitete deutschösterreichische Außenpolitik entwarf eine erste „Opferthese“, die von Hans Kelsen formuliert wurde: Deutsch-Österreich sei ein Nachfolgestaat wie alle anderen und trage keine Verantwortung für den Krieg; verantwortlich sei allein Habsburg-Österreich. Diese Flucht aus Österreich motivierte die Anschlusspolitik an die Deutsche Republik, die so etwas wie eine Panikreaktion auf den ungewohnten Kleinstaat war. Doch die Entente akzeptierte weder die Opferthese noch den Namen Deutschösterreich, schon gar nicht den Anschluss. Zähneknirschend musste sich die Republik mit dem ungeliebten, weil belasteten Namen Österreich abfinden32. Doch die emotionale Ablehnung der Habsburgermonarchie schwelte in der Sozialdemokratie weiter. Schon am Parteitag im Oktober 1918 nannte Otto Bauer Österreich-Ungarn ein unmögliches, naturwidriges staatliches Gebilde, einen Völkerkerker, einen Staat der Gewalt und ein reaktionäres Prinzip33. 1935, im Exil, als Bauer Otto von Habsburg vor den Toren wähnte, schlug er ein kurzfristiges Bündnis der illegalen Revolutionären Sozialisten mit den illegalen Nationalsozialisten vor, um die Rückkehr der Habsburger abzuwehren, danach allerdings müsse der Kampf gegen die „braunen Teufel“ wieder aufgenommen werden34. Und noch in der Zweiten Republik zeigte die Habsburgkrise im Jahr 1963 den „Habsburg-Kannibalismus“ (Günther Nenning) und löste eine schwere Krise der ÖVP–SPÖ–Koalition aus. Erst der Handschlag von Bruno Kreisky mit Otto von Habsburg im Mai 1972 leitete die Versöhnung der Sozialdemokratie mit Habsburg ein35. Seit Jahrzehnten profitiert die Stadt Wien ökonomisch von der Habsburg-Nostalgie. Zit. ebd. 200. Zit. ebd. 201. 32 Swanson, Remnants 13–42; Gerald Stourzh, Vom Reich zur Republik. Studien zum Österreichbewusstsein im 20. Jahrhundert (Wien 1990) 31 f. 33 Hanisch, Der große Illusionist 158. 34 Ebd. 340. 35 Wolfgang Petritsch, Bruno Kreisky. Die Biografie (St. Pölten – Salzburg 22010) 148. 30 31

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4. Identitätsprobleme der Ersten Republik Nach der Genfer Sanierung 1922 stabilisierte sich die Republik. Der Anschluss rückte in den Hintergrund, blieb aber latent als „deutsche Sehnsucht“ vorhanden, um in Krisensituationen wieder in den Vordergrund zu treten. Die Wirtschaft erlebte einen bescheidenen Aufschwung. Der Staat Österreich hatte durchaus Überlebenschancen. Die Konfliktzonen waren: 1. Die hohen ideologischen Aufladungen der politischen Lager mit absolutem Wahrheitsanspruch, die den Kompromiss als Lebenselixier der Demokratie erschwerten. 2. Die militanten Wehrverbände raubten dem Staat das Gewaltmonopol und belasteten ihn durch einen hohen Gewaltpegel vom rechten und linken Rand her. Die pazifistische Phase dauerte nur kurz, rasch wurde die durch die Niederlage im Krieg und die Kriegsfolgen beschädigte Männlichkeit wieder restituiert und militarisiert36. Fast überall wurden Kriegerdenkmäler als Heldendenkmäler errichtet. 3. Die Identitätsunsicherheiten schwelten weiter. Kollektive Identitäten brauchen Symbole und gemeinsame Erinnerungen37. Beide Faktoren waren in der Ersten Republik äußerst schwach ausgeprägt. Der Erste Weltkrieg wurde zunächst, von allen Seiten und aus unterschiedlichen Gründen, negativ bewertet. Bald aber kam eine „Offiziersgeschichtsschreibung“ auf, die den Krieg schönredete. Die Republiksgründung war von der Sozialdemokratie besetzt, für die Christlichsozialen war mit ihr der „Revolutionsschutt“ verbunden. Die Monarchie wurde von konservativer Seite zunehmend aufgewertet und als „gute alte Zeit“ verherrlicht. So sprach man in diesem Milieu eher vom „Staat“, oder wie Ignaz Seipel von der „res publica“, wenn man die Republik meinte. Den gebauten Erinnerungsorten aus der Monarchie, der Ringstraße beispielsweise, setzte das „Rote Wien“ die großen Gemeindebauten entgegen. Ein allgemeiner Patriotismus, auf die Republik bezogen ein „Verfassungspatriotismus“, konnte sich kaum entwickeln. Die Staatssymbole blieben prekär. Die Fahne, rot-weiß-rot, das Wappen, ein einköpfiger Adler, zeigten leise Anklänge an das alte Österreich. Ein besonderes Konfliktfeld bargen die Hymne und der Staatsfeiertag in sich, beide mit großen Emotionen verknüpft. 1920 wurde die Renner/Kienzl–Hymne eingeführt. Den Text verfasste Karl Renner – „Deutsch-Österreich, du herrliches Land, wir lieben dich!“ –, die Musik 36 Christa Hämmerle, Heimat/Front. Geschlechtergeschichte(n) des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn (Wien – Köln – Weimar 2014) 183–201; Oswald Überegger, Erinnerungskriege. Der Erste Weltkrieg, Österreich und die Tiroler Kriegserinnerungen in der Zwischenkriegszeit (= Tirol im Ersten Weltkrieg. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft 9, Innsbruck 2011) 37 Friedrich Heer, Der Kampf um die österreichische Identität (Wien – Köln – Weimar ²1996); Ernst Bruckmüller, Nation Österreich. Kulturelles Bewusstsein und gesellschaftlich-politische Prozesse (= Studien zu Politik und Verwaltung 4, Wien – Köln – Graz ²1996); Felix Kreissler, Der Österreicher und seine Nation. Ein Lernprozess mit Hindernissen (= Fragen zur Geschichte des Donauraumes 5, Wien – Köln – Graz 1984); Kurt Skalnik, Auf der Suche nach der Identität…; in: Erika Weinzierl, Kurt Skalnik (Hgg.), Österreich 1918–1938. Geschichte der Ersten Republik, 2 Bde. (Graz – Wien – Köln 1983) I 11–24; Peter Diem, Die Symbole Österreichs. Zeit und Geschichte in Zeichen (Wien 1995); Ernst Hanisch, Politische Symbole und Gedächtnisorte; in: Emmerich Tálos, Herbert Dachs, Ernst

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komponierte Wilhelm Kienzl. Diese Hymne war kaum bekannt. 1929 kehrte die „Volkshymne“ von Joseph Haydn zurück, mit dem Text von Ottokar Kernstock: „Sei gesegnet ohne Ende, Heimaterde wunderhold“. Gefeiert wurde auch die „deutsche Arbeit“, ernst und ehrlich, und die „deutsche Liebe“, zart und weich. Für die Sozialdemokratie war der Text unannehmbar. So sang die Wiener Schuljugend auf die Haydnmelodie gleich das Deutschlandlied: „Deutschland, Deutschland über alles“. Für die Deutschnationalen war sie ohnedies die einzig legitime Hymne, und die Monarchisten konnten zur Melodie den Text der „Kaiserhymne“ murmeln38. Gleichfalls prekär blieb der Staatsfeiertag. 1919 wurde der 12. November einstimmig als Ruhe- und Festtag erklärt, zum Gedenken an die Ausrufung des Freistaates Deutschösterreich. Otto Bauer beurteilte die Akzeptanz des Staatsfeiertages wohl richtig: für das Bürgertum sei das Datum ein „Tag der Kapitulation vor dem Proletariat“ geblieben39. Gemeinsam blieb ein deutsch-österreichisches Selbstverständnis in unterschiedlicher Stärke und unterschiedlicher Ausprägung. Neben der Presse, den Festreden, den zahlreichen Vereinen war es die wissenschaftliche Geschichtsschreibung, die Österreich als „deutsche Aufgabe“ festschrieb. Fritz Fellner hat die unterschiedlichen Tönungen der „gesamtdeutschen“ Historiographie herausgearbeitet. Bei ihr wie bei der oppositionellen, nichtakademischen, konservativ-katholischen Deutung der österreichischen Geschichte stand die Reichsmythologie im Zentrum, allerdings unterschiedlich gewichtet40. Die „gesamtdeutsche“ nationalliberale Interpretation führte ihre Vertreter zum Nationalsozialismus, die konservativ-katholische Interpretation begründete die antisozialistische, antinationalsozialistische Geschichtsideologie des autoritären Systems von 1934–1938. In den 1920er Jahren schufen konservativ-katholische (teilweise legitimistische) Intellektuelle neue Fahnenwörter: österreichische Sendung, österreichische Idee, der österreichische Mensch. Das deutsch-österreichische Selbstverständnis verschob sich dabei auf den österreichischen Teil, ohne den deutschen Anteil zu kippen. Hugo von Hoffmannsthal, Anton Wildgans, Oskar A. Schmitz, Ernst Karl Winter, Alfred Missong, Hans Karl von Zeßner-Spitzenberg und andere richteten ihre Attacken gegen die sozialdemokratische, gegen die kleindeutsche und gesamtdeutsche Geschichtsauffassung, werteten die Habsburgermonarchie stark auf, definierten das Österreichische als übernationale, europäische Mentalität, als Verbindung der deutschen mit der slawischen und romanischen Welt, als Erbe des Heiligen Römischen Reiches, das auf die Habsburgermonarchie übergegangen war und in dem kleinen Österreich als europäische Aufgabe im Geiste des Katholizismus lebendig gehalten werden müsse. Das waren zunächst nur Spekulationen abgehobener katholischer Intellektueller, die kaum eine Breitenwirkung hatten – bis sie im „Ständestaat“ vereinfacht zur Staatsideologie wurden41. Hanisch, Anton Staudinger (Hgg.), Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918–1933 (Wien 1995) 421–430. 38 Johannes Steinbauer, Land der Hymnen. Eine Geschichte der Bundeshymnen Österreichs (Wien 1997) 29–112. 39 Bauer, Revolution 625. 40 Fritz Fellner, Geschichtsschreibung und nationale Identität. Probleme und Leistungen der österreichischen Geschichtswissenschaft (Wien – Köln – Weimar 2002) 145–184. 41 Haider, Streit um die österreichische Nation 179–187.

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5. Der autoritäre christliche „Ständestaat“: österreichisch und deutsch Die Weltwirtschaftskrise veränderte die politische Konstellation radikal. Die Demokratie geriet in eine schwere Krise. Die Linke machte den Kapitalismus für die ökonomische Krise und für die rasant steigende Arbeitslosigkeit verantwortlich. Der Kommunismus gewann wieder an Attraktivität. Während der Kapitalismus kriselte, wies die Sowjetunion, traut man den offiziellen Zahlen42, ein beträchtliches Wirtschaftswachstum auf. Die Rechte, die bürgerlichen und bäuerlichen Schichten, machten den Klassenkampf der Sozialdemokratie und die parlamentarische Demokratie für die Krise verantwortlich. Im Parlament wurden nicht sachliche Lösungen gesucht, sondern ideologische Kämpfe ausgetragen. Heimwehr und Schutzbund standen sich schwer bewaffnet gegenüber. Die Nationalsozialisten profitierten vom rasanten Aufstieg der NSDAP in Deutschland und versuchten durch terroristische Aktivitäten das politische System zu destabilisieren. Die Regierung Dollfuß, mit einer nur knappen Mehrheit im Parlament, nutzte eine Geschäftsordungskrise, um im März 1933 das Parlament lahm zu legen und ein autoritäres Regime zu etablieren. Der Aufstand eines Teiles des Schutzbundes im Februar 1934 und der Putsch der Nationalsozialisten im Juli desselben Jahres gaben der Regierung den Vorwand, eine österreichische Diktatur zu errichten. Die Vision des Ständestaates sollte die Klassen ersetzen, das Führerprinzip und ein vaterländisches Bewusstsein eine neue politische Kultur begründen43. Gleichzeitig begann ein Prozess der Refeudalisierung. Die Monarchie sollte wieder positiv in die österreichische Geschichte eingeführt werden, das Fronterlebnis wurde wieder aufgewertet, das Habsburgergesetz wurde aufgehoben, zahlreiche ländliche Gemeinden ernannten Otto von Habsburg zum Ehrenbürger, der Adel rückte in politische Positionen ein. Der Doppeladler zierte wieder das Staatswappen, das Bundesheer wurde mit den kaiserlichen Uniformen ausgestattet. Der Katholischen Kirche gelang es wieder, eine zentrale Position im Herrschaftssystem einzunehmen. Die Traditionspflege wurde einem eigenen Referat in der „Vaterländischen Front“ zugewiesen. Ziel war es, einen neuen österreichischen Patriotismus zu begründen, der auch einige faschistische Elemente aufnahm. So hieß der neue vaterländische Gruß zeitweise „Heil Österreich“. Was änderte sich an der österreichischen Identität? Das Mischverhältnis verschob sich auf den österreichischen Pol, als Schutz vor dem Nationalsozialismus und vor dem Anschluss. Zwar schwächer, aber doch erhalten und gegen den Nationalsozialismus gewendet, blieb der deutsche Pol. Die Bundesverfassung von 1934 verkündete in der Präambel: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält 42 Peter Gatrell, Economic and demographic change: Russia’s age of economic extremes; in: Ronald Grigor Suny (Hg.), The Cambridge History of Russia 3: The Twentieth Century (Cambridge 2006) 381–410, hier 397; Dietmar Neutatz, Träume und Alpträume. Eine Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert (München 2013) 228. 43 Siehe die neueren Studien von Emmerich Tálos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem. Österreich 1933–1938 (= Politik und Zeitgeschichte 8, Berlin – Münster – Wien 2013); Florian Wenninger, Lucile Dreidemy (Hgg.), Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime 1933–1938. Vermessungen eines Forschungsfeldes (Wien – Köln – Weimar 2013).

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das österreichische Volk für seinen christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung.“44 Von Gott, nicht vom Volk, ging demnach alles Recht aus; die Verfassung richtete sich an das österreichische Volk; der Bundesstaat auf ständischer Grundlage war christlich und deutsch. Der aus Deutschland nach Österreich emigrierte Philosoph Dietrich von Hildebrand, der im Auftrag von Dollfuß das Wochenblatt Der christliche Ständestaat leitete, sprach von der „großen deutschen Mission Österreichs“, die den „deutschen Geist“, der von den Nationalsozialisten verleugnet werde, retten sollte. Das postnationalsozialistische Deutschland könne sich nur von Österreich aus regenerieren45. Engelbert Dollfuß selbst erklärte: „Wir sind so deutsch, so selbstverständlich deutsch, daß es uns überflüssig vorkommt, dies eigens zu betonen.“ – Deutsch, aber in der christlich österreichischen Form46. Und Konrad Josef Heilig, ein weiterer Ideologe des autoritären Regimes, zählte die Elemente des damaligen offiziellen Österreichbewusstseins in einem Satz auf: „Österreich ist eine Idee, ist die echte deutsche und europäische und katholische Idee des Friedens.“47 „Das Lied der Jugend“ (Dollfuß-Hymne), das bei offiziellen Anlässen nach der Kernstock/Haydn-Hymne gesungen wurde, begann mit den Versen. „Ihr Jungen schließ die Reihen gut! Ein Toter führt uns an. Er gab für Österreich sein Blut, ein wahrer deutscher Mann.“ Die Melodie komponierte der Volkssänger jüdischer Herkunft, Hermann Leopoldi48. Die Fahnenwörter, die sich mit Österreich in dieser Periode verknüpften, waren alt: Vaterland, Heimat, autoritär, deutsches Volk, österreichische Kultur, österreichische Idee/Sendung, christlich/katholisch. Die Repräsentanten der österreichischen Diktatur schwärmten in ihrer Phantasiewelt von der zukünftigen imperialen Größe, von Österreich als Kern des christlichen Abendlandes, das sich über Europa ausbreiten werde. Das war nichts anderes als eine Legitimationsstrategie für die eigene Herrschaft und ein aus der Angst entsprungener Gegenentwurf zum Nationalsozialismus49. Wie aber reagierte die Bevölkerung auf die erzwungene, von oben verordnete Austrifizierung? Es sind nur Vermutungen möglich. Klarer sind die Antworten aus den illegalen politischen Kernschichten. Die Sozialisten verspotteten das österreichische 44 Heinz Fischer, Gerhard Silvestri (Hgg.), Texte zur österreichischen Verfassungs-Geschichte. Von der Pragmatischen Sanktion bis zur Bundesverfassung. Mit einem Vorwort von Kurt Ringhofer (1713– 1966) (Wien 1970) 247. 45 Haider, Streit um die österreichische Nation 85 f. 46 Ebd. 250. 47 Zit. in Fellner, Geschichtsschreibung 177. 48 Steinbauer, Land der Hymnen 107. 49 Anton Staudinger, Austrofaschistische „Österreich“-Ideologie; in: Emmerich Tálos, Wolfgang Neugebauer (Hgg.), Austrofaschismus. Beiträge über Politik – Ökonomie – Kultur (= Politik und Zeitgeschichte 1, Wien 52004) 28–53; Werner Suppanz, Geschichtsbilder im Ständestaat; in: Ursula Prutsch, Manfred Lechner (Hgg.), Das ist Österreich. Innensichten und Außensichten (= Studien zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte, Wien 1997) 61–92.

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Staatspathos. Für die Nationalsozialisten war es lediglich eine Schaumschlägerei. Ein wahrer Deutscher konnte nur nationalsozialistisch sein. Um die „Volksfront“ gegen den Faschismus zu stärken, machten die Kommunisten im Exil eine unerwartete Wende. Auf den Nationsbegriff von Stalin gestützt, propagierten sie eine eigene „österreichische Nation“. In der Katholischen Kirche und im bäuerlichen Milieu ist diese österreichisch–deutsche Botschaft sicherlich angekommen. Bei der Jugend allerdings hatte der Schulzwang, streng vaterländisch und brav katholisch zu sein, eher das Gegenteil bewirkt. Doch das Kernproblem der Bevölkerung war nicht ein Identitätsproblem, sondern die Arbeits- und Brot-Frage. Kann Österreich die quälende Wirtschaftskrise überwinden? Im Vergleich zu Deutschland gelang es nicht. Als sich der Konflikt mit Deutschland 1938 zuspitzte, als Kanzler Kurt Schuschnigg keinen anderen Ausweg als eine Volksbefragung wusste, hieß die an das Volk gestellte indirekte Frage: „Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich!“50 Der rasche „Anschluss“ verhinderte die Volksbefragung. 6. Nationsbildung von oben: Der Beginn der Zweiten Republik Die NS-Herrschaft war bestrebt, alles Österreichische auszumerzen. Die „Ostmärker“ waren Deutsche wie alle anderen auch. Vermutlich hatte sich der deutsche Teil der Identität auch bei einem Großteil der Bevölkerung hegemonial durchgesetzt. Die österreichischen Staatseliten von 1938 wurden entlassen oder eingesperrt, oder verschwanden in einem Konzentrationslager. Im Lauf des Krieges entstanden einige Widerstandsgruppen, katholisch-konservative und kommunistische, die die Parole „Österreich“ hochhielten. 1945 gehörten sie zu den von den Besatzungsmächten installierten neuen Herrschaftsträgern. 1945 war die Stunde des Bruches mit der deutschen Geschichte. Nicht der Erste, der Zweite Weltkrieg war dabei der Erfahrungshintergrund. Die Schuld am Nationalsozialismus wurde externalisiert und auf HitlerDeutschland geschoben. Die von der österreichischen Außenpolitik mit aller Raffinesse entworfene und von der ÖVP vertretene Okkupationstheorie war dafür die Basis51: Österreich habe nie aufgehört zu existieren. Das Land sei, wie andere Länder auch, von Hitler-Deutschland besetzt worden und habe mit der Besiegung des Nazismus seine Freiheit zurück gewonnen. Dieser Prozess der Reaustrifizierung diente der Schuldabwehr und konnte Entschädigungsforderungen blockieren. Aber das war nur ein Aspekt. Der andere Aspekt war ein österreichischer Nationalismus (ohne das frühere deutsche Element), der von den intellektuellen Eliten im Umkreis der ÖVP (die zurückgriffen auf die Geschichtstheologie des Ständestaates) und von den Intellektuellen im Umkreis

50 Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), „Anschluß“ 1938. Eine Dokumentation (Wien 1988) 288. 51 Im politischen Tagesgeschäft ging es dabei auch um die Gültigkeit der Konkordate von 1933/34, damit verbunden, um den Einfluss der Katholischen Kirche in den Schulen. Vgl. Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens: Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs, 5 Bde. (Wien 1982–1988) V: Von 1918 bis zur Gegenwart (Wien 1988) 415.

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der KPÖ entworfen wurde. Die Kinder in den Schulen – so das Programm – sollten zu „bedingungslosen Österreichern“ erzogen werden. Dieser österreichische Nationsbildungsprozess trug drei Kennzeichen, die für einen solchen Prozess typisch waren: 1. Der Nationalismus als „Denksystem zur Legitimation von Herrschaft“ (Hans-Ulrich Wehler) vor der Nationsbildung. 2. Die Schaffung von Feindbildern, von denen man sich absetzte (die Preußen). 3. Die „Erfindung“ der eigenen Geschichte (Tausendjähriges Österreich). Dieser Nationalismus wurde von den politischen und intellektuellen Eliten (mit Ausnahme der SPÖ) gepredigt, ermöglichte es aber auch der Bevölkerung, einen unterschiedlich interpretierbaren Opferstatus anzunehmen. Er war einerseits rassistisch getönt – der ideologische Chefarchitekt der österreichischen Nation, Alfred Missong, sprach von der „rassisch-anthropologischen Sonderentwicklung“ des österreichischen Volkes52, Nadine Paulovic vom „preußischen Untermenschentum“53. Dieser Nationalismus war andererseits im Anschluss an die Habsburgermonarchie und an den Reichspatriotismus „übernational“ ausgerichtet – Leopold Figl nannte Österreich einen „Kleinstaat mit übernationalem Ethos“54. Figl betonte an anderer Stelle: Die „Blutmischungen“ im österreichischen Raum seit den Kelten hätten ein eigenes Volk entstehen lassen, „kein zweites deutsches Volk, nein ein neues österreichisches Volk“55. Ob und wie dieses österreichische Pathos bei der Bevölkerung ankam, ist noch wenig erforscht. Die professionellen Historiker/Historikerinnen jedenfalls hielten sich zurück56. Eine mikrohistorische Studie zeigt jedoch, dass „Österreich“ bei der Bevölkerung in den Jahren von 1945 bis 1949 lediglich eine „volkspädagogische Norm mit beschränkter Reichweite“ war57. Das änderte sich seit den 1960er Jahren. Alle Umfragen zeigen, dass die deutschsprachigen Österreicher ein gefestigtes Nationalbewusstsein aufweisen, im Gegensatz zum prekären europäischen Bewusstsein58. 52 Matthias Pape, Ungleiche Brüder. Österreich und Deutschland 1945–1965 (Wien – Köln – Weimar 2000) 72. 53 Peter Thaler, The Ambivalence of Identity. The Austrian Experience of Nation-Building in a Modern Society (= Central European Studies, West Lafayette 2001) 16 54 Pape, Ungleiche Brüder 193. 55 Karl Gutkas, Die Feiern „950 Jahre Österreich“ im Jahr 1946; in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 62/2 (1996) 655–686, hier 673. 56 Ernst Hanisch, Der Beginn des Nationalstaatsparadigmas in Österreich nach 1945 – der Unterschied zu Deutschland; in: Hans Peter Hye, Brigitte Mazohl, Jan Paul Niederkorn (Hgg.), Nationalgeschichte als Artefakt. Zum Paradigma „Nationalstaat“ in den Historiographien Deutschlands, Italiens und Österreichs (Wien 2009) 291–305. 57 Ernst Langthaler, Österreich vor Ort. Ein Weg in die kollektive Identität der Zweiten Republik; in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 13/1 (2002) 7–43, hier 35. 58 Ernst Bruckmüller, Österreichbewusstsein im Wandel. Identität und Selbstverständnis in den 90er Jahren (Wien 1994); Max Haller, Identität und Nationalstolz der Österreicher. Gesellschaftliche Ursachen und Funktionen. Herausbildung und Transformation seit 1945. Internationaler Vergleich (Wien – Köln – Weimar 1996); Ernst Hanisch, Reaustrifizierung in der Zweiten Republik und das Problem eines österreichischen Nationalismus; in: Lutz Musner, Gotthart Wunberg, Eva Cescutti (Hgg.), Gestörte Identitäten? Eine Zwischenbilanz der Zweiten Republik. Ein Symposion zum 65. Geburtstag von Moritz Csáky (Innsbruck – Wien – München – Bozen 2002) 27–34.

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Reduziert man die hier angestellten Überlegungen auf ihren Kern, gleichsam auf ein stenographisches Kürzel, so könnte das so beschrieben werden: Die Identität der Mehrheit der Deutschsprachigen in den letzten Jahrzehnten der Habsburgermonarchie kann als „österreichisch–deutsch“, in der Ersten Republik als „deutsch–österreichisch“, im autoritären „Ständestaat“ wiederum als „österreichisch–deutsch“, in der NS-Periode als nur „deutsch“ definiert werden und in der Zweiten Republik als nur „österreichisch“. Unterhalb dieser Veränderungen auf der staatlichen Ebene blieb das Regionalbewusstsein, als Wiener, Tiroler, Kärntner usw. stabil.

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B. Die Reduktion Ungarns vom mitteleuropäischen Vielvölkerstaat zum magyarischen Nationalstaat. Narrative der „Auflösung“ in der ungarischen Geschichtsschreibung und der Public History von László Szarka Die Diskussionen in Ungarn am Anfang des 21. Jahrhunderts über das Geschichtsbild der Präambel der neuen Verfassung vom 25. April 2011 – des Grundgesetzes Ungarns – sowie die Diskussion über Denkmäler, die historische Ereignisse thematisieren, signalisieren die Gegensätze der sich seit dem Jahr 1989 kontinuierlich ändernden ungarischen historischen Meisternarrative. Die Schwerpunkte des historischen Denkens wurden eindeutig vom 18. und 19. Jahrhundert in das 20. Jahrhundert verlegt. In der Präambel des neuen Grundgesetzes mit dem Titel „Nationales Bekenntnis“ fehlen im historischen Kontext zum Beispiel sowohl die Pragmatische Sanktion von 1723 als auch die Revolution von 1848 und der Ausgleich des Jahres 18671. Die Kluft zur offiziellen Geschichtspolitik signalisiert auch die Gedenkstätte des ungarischen Milleniums (1896) auf dem Heldenplatz [Hősök tere] in Budapest, wo neben den wichtigsten Árpád-, Anjou- und Hunyadi-Herrschern die Statuen der fünf Habsburger-Könige, die die Geschichte des ungarischen Staates zwischen 1526 und 1918 bestimmten, weiterhin fehlen. Diese wurden erstmals 1919 entfernt bzw. im Falle von Franz Joseph I. zerstört2. Diese Hinweise sind notwendig, um zu verstehen, dass im Hinblick auf den Zerfall des historischen ungarischen Staates sowie dessen Ursachen 1 Der Beitrag bietet einen Überblick über die Ergebnisse des Projekts: „Nationalismen in Ostmitteleuropa während des Ersten Weltkrieges“ (OTKA–NKFP, K 113004). Die offizielle deutsche Fassung des neuen ungarischen Grundgesetzes: http://www.pesterlloyd.net/ Grundgesetz_Ungarns_2011.pdf (25. 2. 2016). Zum Geschichtsbild des Grundgesetzes András Gerő, Eseteim az alkotmánnyal [Meine Geschichten mit der Verfassung] (Budapest 2011) 14–21. 2 Nach ihrer Re-Installierung in der Zwischenkriegszeit wurden die Statuen während des Zweiten Weltkrieges beschädigt. In den 1950er Jahren wurden die Habsburger-Könige (Ferdinand I., Karl VI., Maria Theresia, Leopold II. und Franz Joseph I.) auf dem Heldenplatz erneut „dethronisiert“. Sie wurden in dieser Zeit durch die Statuen der siebenbürgischen Fürsten und die Statue von Lajos Kossuth ersetzt, die den ungarischen Unabhängigkeitsgedanken, die Ständeaufstände bzw. den ungarischen Freiheitskampf 1848–1849 symbolisieren. Dieser Zustand, der bis heute besteht, beweist die Kontinuität und Dominanz der anti-habsburgischen Tradition in der offiziellen ungarischen Geschichtspolitik. Vgl. András Gerő, Der Heldenplatz Budapest als Spiegel ungarischer Geschichte (Budapest 1990); János Pótó, Rendszerváltások és emlékművek [Systemwechsel und Gedenkstätten]; in: Budapesti Negyed 32/33 (2001) 219–244; Árpád von Klimo, Trianon und „1956“ – Öffentliche Erinnerung in Ungarn, Ost-West. Europäische Perspektiven 7/2 (2007) 100–107; siehe http://www.owep.de/artikel/85/trianon-und–1956-oeffentliche-erinnerung-inungarn (3. 3. 2016). Parallel dazu fanden vor dem ungarischen Parlament auf dem Kossuth Platz von 2012

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und Zusammenhänge im mitteleuropäischen Kontext heute mehr als je zuvor gleichzeitig diverse Narrative vorliegen. Die Prozesse und Ursachen, die zum Zerfall des „tausendjährigen“ ungarischen Staates führten, sind in unterschiedlichen Erinnerungen und auch in unterschiedlichen historischen Perspektiven verankert. Dementsprechend sind auch die akademischen historischen Interpretationen vielfältig. Die von der Regierung und der Parteipolitik dominierte öffentliche Geschichte versucht von Zeit zu Zeit, die ihren eigenen ideologischen und Machtinteressen entsprechenden Narrative zu kanonisieren und auf eine „offizielle“ erinnerungspolitische Ebene zu heben. Im Hinblick auf die Interpretation der Veränderungen in Mitteleuropa bzw. Ungarn während und nach dem Ersten Weltkrieg ist heute eine Pluralität und Polyphonie bemerkbar. Das hängt auch damit zusammen, dass in der ungarischen Historiographie und in der öffentlichen Meinung – anders als in den meisten Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie – prägnante aber widersprüchliche Narrative der Geschichte der Unabhängigkeitsidee sowie des Staats- bzw. Reichsgedankens vorhanden waren. Die Ergebnisse von 1848 oder von 1867 fanden in beiden Interpretationsrahmen ihren Platz. In der Unabhängigkeitstradition wurde der Ausgleich als die Konsolidierung der Ergebnisse der Revolution beurteilt, im pro-habsburgischen Narrativ hingegen die „Sackgasse“ der Revolution 1848/49 als wichtige Voraussetzung für 1867 gewertet. Diese Dualität in der Beurteilung der Positionen und der Rolle Ungarns innerhalb der Habsburgermonarchie endete erst nach 1945, als der Unabhängigkeits-Nationalismus in den dominanten marxistischen, geschichtspolitischen Kanon eingebettet werden konnte bzw. sollte. Die ungarische Historiographie der Nationalitätenfrage im Kontext der Vorgeschichte des Zerfalls von 1918 – oder der von den Großmächten und den Nachbarstaaten durchgeführten „Reduktion“ – stellt sich vielleicht noch komplizierter dar. In der Geschichtspolitik der parteistaatlichen Periode entwickelte sich parallel eine Art des Antinationalismus als relevante ideologische Größe sowie durch komplexe und quellenkritische Neuinterpretationen des Dualismus ein kritisches Gesamtbild der ungarischen nationalstaatlichen Politik. Diese Nationalismus-Kritik spielte – trotz ihrer ideologischen und dogmatischen bzw. ihrer widersprüchlichen Bewertungen der Vorgeschichte der Auflösung des historischen ungarischen Staates –, in der Entwicklung der kritischen Grundhaltung der ungarischen Fach-Historiographie eine wichtige Rolle3. bis 2014 bedeutende Veränderungen statt. Zunächst wurde die Statue des Präsidenten der ersten ungarischen Republik („Volksrepublik“) Mihály Károlyi beseitigt. Hingegen fanden, neben den historischen Hauptfiguren des ungarischen Unabhängigkeitsgedankens – Ferenc II. Rákóczi und Lajos Kossuth –, zusammen mit anderen Mitgliedern der revolutionären Battyhány-Regierung aus dem Jahre 1848 auch die beiden ungarischen Hauptrepräsentanten des dualistischen Zeitalters, Gyula Andrássy und István Tisza, wieder ihren Platz. Um die Jahrhundertwende verkörperten die Statuen von Lajos Kossuth – der Ikone der Unabhängigkeitsbewegung – die Thematik der Revolution 1848/49. Diese trafen mit ihrer anti-österreichischen Symbolik den Nerv der Zeit. Vgl. József Ádámfy, A világ Kossuth-szobrai [Kossuth-Statuen der Welt] (Budapest 1979). Zur zeitgenössischen österreichischen Kritik des Nachlebens von Kossuth siehe Franz Ninold, Der Kossuthkultus in Ungarn. Zeitgemäße Erinnerungen an die Jahre 1848 und 1849 (Linz 1907). 3 Zur Geschichte des Nationalismus-Diskurses vgl. A nacionalizmus történelmi gyökereiről. Ankét a Magyar Tudományos Akadémián [Über die historischen Ursachen des Nationalismus. Umfrage an der

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1. Selbstbilder und „Standard-Narrative“ in der Geschichtsrezeption der ungarischen Staatsentwicklung Wie im restlichen Ostmitteleuropa existieren auch in Ungarn seit 1989 parallele historische Narrative, die jedoch auch historiographische „Fixpunkte“ aufweisen4. Zu diesen gehört die Auffassung der staatsrechtlichen Kontinuität. Die spätmittelalterliche und neuzeitliche Geschichte der ungarischen Staatlichkeit im Donaubecken schloss sich in Folge der osmanischen Eroberung am Anfang des 16. Jahrhunderts in der Zeit zwischen 1526 und 1918 in einer Personalunion der Dynastie der Habsburger bzw. der Habsburg-Lothringer an. Der ungarische Staatsgründer, Stephan (István) I., der Heilige (1000–1038) orientierte seine Politik am römisch-deutschen Reich Ottos III. Die westliche Orientierung der späteren bedeutenden ungarischen Könige wurde zu einem entscheidenden Faktor in der Entwicklung der ungarischen Staatlichkeit und war, trotz wiederholter Bedrohung der Existenz des Reiches, für dessen Fortbestand ausschlaggebend. Ebenso entscheidend war, dass der Norden und Westen des in drei Teile gegliederten Ungarn – das Ungarische Königreich – nach der Schlacht bei Mohács 1526 an den Habsburger Ferdinand I. fiel, der im November 1527 in Székesfehérvár (Stuhlweißenburg) mit der Stephanskrone gekrönt wurde. Das Jahr 1526 wird daher auch als das Geburtsjahr des vom österreichischen Zweig der Habsburgerdynastie regierten habsburgischen Staatskonglomerats entlang der Donau betrachtet5. Dies bedeutete auch einen starken militärischen Schutz sowie einen geeigneten Rahmen für Ungarischen Akademie der Wissenschaften]; in: Történelmi Szemle 2–3 (1960) 310–360. Eine Zusammenfassung der Debatte bei Miklós Szabó, Magyar nemzettudat-problémák a huszadik század második felében [Probleme des ungarischen Nationalbewußtseins in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts]; in: Ders., Tallár Ferenc (Hgg.), Politikai kultúra Magyarországon 1896–1986 [Politische Kultur in Ungarn 1896– 1986] (Budapest 1989) 225–251. Zum sogenannten ungarischen Historikerstreit (Ignác Romsics vs. András Gerő) siehe: Rigó Máte, A Hungarian version of the Historikerstreit? A summary of the Romsics-Gerő debate among Hungarian historians (2012); in: Forum Geschichtskulturen: http://www.imre-kertesz-kolleg. uni-jena.de/index.php?id=415&l=0. Romsics hat als Reaktion auf die gegen ihn gerichteten Vorwürfe 2012 das aktuell als gültig betrachtete historiographische Wissen zum Thema Antisemitismus und Nationalismus zusammengefasst. Vgl. Ignác Romsics, Trianon és a holokauszt [Trianon und der Holocaust] Népszabadság, 2. September 2012. http://nol.hu/belfold/20120901-huszadik_szazadi_traumaink–1329321. Zur Debatte siehe auch Éva Kovács, Trianon avagy a traumatikus fordulat a magyar történetírásban [Trianon, oder die traumatische Wende in der ungarischen Historiographie] Korall 59 (2015) 82–107. 4 Wolfgang Stephan Kissel, Ulrike Liebert, Europäische Erinnerungskonstellationen – zum Wandel nationaler Narrative nach 1989; in: Dies. (Hgg.), Perspektiven einer europäischen Erinnerungsgemeinschaft. Nationale Narrative und transnationale Dynamiken seit 1989 (Münster 2010) 11–14. Zur Frage der parallelen ungarischen Narrative vgl. Ignác Romsics (Hg.), A magyar jobboldali hagyomány 1900–1948 [Das rechte ungarische Vermächtnis 1900–1948] (Budapest 2009); Steven Bela Vardy, Modern Hungarian Historiography (New York 1976) 121–128. 5 Géza Pálffy, Eine alte Regionalmacht innerhalb einer neuen Monarchie: Das Königreich Ungarn von der Schlacht bei Mohács (1526) bis zum Frieden von Karlowitz (1699) – eine Ereignisgeschichte; in: online-Handbuch zur Geschichte Südosteuropas (I: Herrschaft und Politik in Südosteuropa bis 1800) 6: http://hgsoe. ios-regensburg.de/fileadmin/doc/texte/Band1/Geza_Palffy_Ereignisgeschichte.pdf. Vgl. Ders., A Magyar Királyság és a Habsburg Monarchia a 16. században [Das Königreich Ungarn und die Habsburger-Monarchie im 16. Jahrhundert] (Budapest 2015).

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die wirtschaftliche und politische Erneuerung bzw. Modernisierung. Die Länder und Provinzen der Ungarischen Heiligen Krone, darunter das seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts mit dem Ungarischen Königreich in Personalunion verbundene Königreich Kroatien, konnten ihre begrenzte Selbständigkeit auch im Rahmen des Habsburgerreiches bewahren. Durch wiederholte Kriege und Aufstände verteidigten die ungarischen Stände die Position ihres Landes gegen die Dynastie. Die Mehrheit der „Freiheitskriege“ hatte ihre Ursache in dem zwischen 1541 und 1867 existierenden „zweiten ungarischen Vaterland“, dem bis 1711 von ungarischen Dynastien geführten Fürstentum Transsylvanien. Dennoch gelang es, die politischen, wirtschaftlichen und religiösen Interessen des kaiserlichen Hofes in Wien und der ungarischen, kroatischen sowie der siebenbürgischen Stände „auszugleichen“. In der lateinsprachigen Ständewelt der Natio Hungarica und des Hungarus-Patriotismus fanden die unterschiedlichen Völker und Religionen über Jahrhunderte hinweg ihre Heimat. Nach den Befreiungskriegen im 17. und 18. Jahrhundert stellte sich für die Stände-Eliten nicht mehr die Frage, ob das Königreich Ungarn und Kroatien sowie das Fürstentum Transsylvanien zur Sphäre der westlichen Zivilisation gehörten. In der über vier Jahrhunderte währenden habsburgischen Ära ungarischer Staatlichkeit spielte das institutionelle System des ständisch-königlichen Dualismus eine entscheidende Rolle. Die zentralen staatlichen Behörden in Wien sowie die Dicasterien in Buda (Ofen), in Zagreb (Agram) bzw. in Cluj (Klausenburg, Kolosvár, seit 1974 Cluj-Napoca) oder in Sibiu (Hermannstadt, Nagyszeben) galten als „unlösbare“ Bindeelemente zwischen den Ländern der Ungarischen Krone und dem Habsburgischen Reich und als Hüter der ungarischen bzw. der kroatischen Dominanz des Staates. Die Pragmatische Sanktion Kaiser Karls VI. aus 1713 hatte die Unteilbarkeit und Untrennbarkeit des Länderkomplexes und eine einheitliche Erbfolgeordnung festgelegt. 1722/23 anerkannten die ungarischen Stände die Pragmatischen Sanktion, durch welche Ungarn als rechtlich unabhängige Entität Teil der Gesamtmonarchie wurde. Dieser habsburgisch-ungarische Staatsverband wurde durch den ungarischen Unabhängigkeitskrieg 1848/49 – gegen die ursprüngliche Absicht von Lajos Batthyány und Lajos Kossuth – nur für kurze Zeit bedroht. Es ist kein Zufall, dass Gyula Szekfű, einer der bedeutendsten ungarischen Historiker, in seiner 1917 in deutscher Sprache veröffentlichten Geschichte Ungarns gerade den Ausgleich von 1867 als einen der Höhepunkte des ungarischen Staatsrechts bezeichnete6. Das letzte Halbjahrhundert und die Auflösung des historischen ungarischen Staates 1918/19 hingen daher eng mit der Verfassungsmäßigkeit, der Administration und der Rolle des Dualismus bei der Konsolidierung zusammen. Man gewinnt den Eindruck, als würden bei der Beurteilung dieser Zeit die für die ungarische Historiographie früher charakteristischen Spannungen und Konfrontationen zwischen antihabsburgischen und prohabsburgischen Interpretationen langsam an Intensität verlieren. An ihre Stelle treten die Widersprüche bei der Bewertung der nationalstaatlichen Ambitionen des 6 Gyula Szekfű, Der Staat Ungarn, eine Geschichsstudie (Stuttgart – Berlin 1917); Gábor Máthé, Gesamtmonarchie oder selbstständiger ungarischer Staat? (= Studia Juridica Caroliensia 3, Budapest 2008) 127–136.

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dualistischen Ungarn bzw. der Autonomiebestrebungen der nichtmadjarischen Völker des Staates. Unterschiedliche Einschätzungen betreffen insbesondere die lang- und kurzfristigen inneren und äußeren Faktoren, Ursachen und Zusammenhänge, die zur Auflösung des historischen ungarischen Staates führten. Bei der Darstellung der unterschiedlichen Interpretationen soll die ungarische Rezeption des Prozesses der „Auflösung“, der „Zerstückelung“ und der „nationalstaatlichen Transformation“ in drei Perioden gegliedert und thematisiert werden7. Das Zentenarium des Ersten Weltkrieges und der Friedensverträge verschärfte gerade bei dieser Thematik die schon immer vorhandenen historischen und geschichtspolitischen Diskussionen. Es wird hier versucht, kurz auch diese, in großem Maße nicht fachlich, sondern vor allem politisch und ideologisch begründeten Interpretationen zu skizzieren, um die historischen Interpretationsversuche dieses Prozesses zu beleuchten, der vereinfacht oft als „Trianon-Frage“ bezeichnet wird. Zu den ersten Arbeiten, die versuchten die internen und externen Ursachen der „Auflösung“ und der „Aufteilung“ des Reiches durch die Großmächte darzustellen, zählten die Erinnerungen der Zeitgenossen. Die beiden Hauptakteure der kurzen Periode der ungarischen „Volksrepublik“ 1918/19, der „demokratische Graf“ Mihály Károlyi – der erste Ministerpräsident der „Volksregierung“, später das erste Staatsoberhaupt des unabhängigen ungarischen Staates – und Oszkár Jászi, Minister für die Angelegenheiten der Minderheiten, betonten die Bedeutung der innenpolitischen Krise. Jászi hat jedoch bereits in seinen 1920 verfassten Memoiren8 und insbesondere in seiner 1929 erschienenen Monographie9 die nationalen Bewegungen als die wichtigsten „Zentrifugalkräfte“ benannt, deren Bestrebungen sich mit jenen der Siegermächte und ihren regionalen Verbündeten nach Bildung von Nationalstaaten gedeckt hätten. Im ersten Band der 1923 veröffentlichten Memoiren Károlyis – „Gegen eine ganze Welt“ – wird bereits eine stärkere Betonung auf die Fehler und Irrtümer der nationalstaatlichen Transformation gelegt10. Die Memoiren wurden 1956 in englischer Sprache11 7 Die einschlägige Fachliteratur zum neutralen Begriff Reduktion im Titel des Beitrages weist fast keine Tradition auf. Der Begriff Reduktion kann sowohl auf das Pazifikationsdiktat der Großmächte als auch auf die „Zerstörung“ des multiethnischen historischen Staates hinweisen, mit dem Ziel, die nationalen Selbstbestimmungsbestrebungen zu befriedigen. Was hier vielleicht noch fehlt, ist das Moment der ethnisch „unkorrekten“ und voreingenommenen Grenzbestimmungen, die als Hauptursache des in der ungarischen Gesellschaft bis heute vorhandenen „Trianoner Traumas“ und der damit verbundenen Phantomschmerzen gelten. Die heute immer noch existierende ethnozentrische Perspektive erklärt auch den Umstand, dass die multiethnischen Gegebenheiten der ostmitteleuropäischen Region auch in den Nationalstaaten des 20. Jahrhunderts reproduziert wurden. Zusammen mit den Millionen von Minderheiten wurden auch die Probleme in das „kurze 20. Jahrhundert“ übernommen. Dies führte zu wesentlich schwierigeren ethnischen Konflikten, zu Zerstörungen, zu einer Zwangsmigration sowie einer massenhaften Zwangsassimilation. 8 Oszkár Jászi, Magyar kálvária – Magyar feltámadás. A két forradalom értelme, jelentősége és tanulságai (Bécs 1920). Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel: Magyariens Schuld, Ungarns Sühne. Revolution und Gegenrevolution in Ungarn (München 1923). 9 Oscár Jászi, The Dissolution of the Habsburg Monarchy (Chicago 1929). 10 Mihály Károlyi, Egy egész világ ellen I: Harcom a békéért [Gegen eine ganze Welt I: Mein Kampf für den Frieden] (München 1923). 11 Ders., Memoirs of Mihály Károlyi. Faith without illusion. Translated from the Hungarian by Catherine Karolyi. Introduction by A. J. P. Taylor (London 1956).

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veröffentlicht, wobei Károlyi sich bemühte, seine eigene Rolle als zurückhaltend und selbstkritisch darzustellen12. Neben diesen Narrativen bildeten sich rasch auch solche, die auf der Suche nach Sündenböcken die Verantwortung auf die Siegermächte, die Nachbarstaaten, auch auf die Revolution 1918/19, aber insbesondere auf das Judentum luden, das unter den Protagonisten der kommunistischen Wende vom 21. März 1919 stark vertreten war. In diesem Zusammenhang fanden insbesondere die in Form eines Tagebuchs geschriebenen Erinnerungen von Cécile Tormay – „Bujdosó könyv“ [Buch eines Flüchtigen] – ein starkes Echo13. Es zeigt sich also, dass bereits in den Erinnerungen der Zeitgenossen das Bild des „Zerfalls“ Ungarns in den Jahren 1918 bis 1920 unterschiedlich bzw. gegensätzlich interpretiert wurde. Die Narrative der Auflösung des ungarischen Vielvölkerstaates bieten bis heute eine breite Palette von Varianten: sie umfassen multikausale Fachanalysen, ethnozentrische Erklärungen, auf Feindbildern basierende und nach Sündenböcken suchende Simplifikationen aus unterschiedlichsten Perspektiven. 2. Vom Ausgleich 1867 zum Zerfall der Habsburgermonarchie In der ungarischen Historiographie zu den Jahren zwischen 1867 und 1920 sind in der Regel drei Hauptbereiche enger oder loser miteinander verbunden: die Bewertung des Ausgleichs und des Dualismus, die Beurteilung der nationalistischen Bewegungen der nichtmadjarischen Nationen bzw. ihrer Konnationalen und die Kritik der Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg. In den wissenschaftlichen Werken werden daneben natürlich auch die relevanten Fragen der Großmächte – Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, Russland – sowie regionale außenpolitische Probleme thematisiert, jedoch grundsätzlich mit einer gewissen Distanz zur gemeinsamen Außenpolitik der Habsburgermonarchie14. 12 Nachdem der Waffenstillstandsvertrag von Padua (3. November 1918) die ungarischen Linien nicht berührte, unterzeichnete Ungarn am 13. November 1918 den Waffenstillstandsvertrag von Belgrad, der die Waffenstillstandslinie festlegte. Die Hoffnungen, Unterstützung seitens der Entente gegenüber den Ansprüchen der Nachbarstaaten zu erhalten, wurden jedoch enttäuscht. Über diese Zeit schreibt Károlyi in seinen Memoiren: „Wir hatten keine Illusionen. Wir waren die Bürger von Calais, wir sollten für die Irrtümer unserer Vorfahren büßen. Da wir bezüglich der offiziellen Politik der Vergangenheit in Opposition waren, war die Öffentlichkeit der Meinung, dass wir vielleicht bessere Bedingungen erreichen könnten, als die alten Herren des Landes. Wir waren nicht so optimistisch. Einige Wochen zuvor war die Lage noch anders, jetzt war es jedoch schon zu spät. Ungarn lebte in dem Traum, dass es, obwohl das Land der Verbündete Deutschlands war, zu keiner Verantwortung verpflichtet sei.“ Károlyi, Egy egész világ ellen [Gegen eine ganze Welt] 67 f. 13 Cécile Tormay, Bujdosó könyv (naplóregény 1920–1921) [Buch eines Flüchtigen (Tagebuchroman 1920–1921)] (Budapest 1922). 14 István Diószegi, Az Osztrák-Magyar Monarchia külpolitikája 1867–1918 [Die Außenpolitik der österreichisch-ungarische Monarchie 1867–1918] (Budapest 2001) 137–140, 152–155; Ignác Romsics, Az Osztrák-Magyar Monarchia felbomlása és a Duna-táj nemzetiségi feszültségeinek továbbélése [Die Auflösung der Österreich-ungarischen Monarchie und das Weiterleben der Nationalitätenkonflikte im Donauraum]; in: Ders., Helyünk és sorsunk a Duna-medencében [Unser Platz und Schicksal im Donauraum] (Budapest 2005) 303–316.

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Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass bereits mehrere hervorragende Werke bewiesen haben, dass es ohne eine realistische Einschätzung des schrittweisen Verlusts jenes Prestiges, das 1848 erkämpft wurde sowie der ungarischen nationalstaatlichen Interessen in Bezug auf die Problematik des Balkans und Russlands nicht möglich ist, ein richtiges Bild von der ungarischen Frage am Beginn des 20. Jahrhunderts zu gewinnen15. Besondere Aufmerksamkeit erreichte sowohl die erste Ausgabe als auch die Neuauflage der Monographie des ehemaligen ungarischen Außenministers, Géza Jeszenszky, zur britischen Kritik der Nationalitätenproblematik in Ungarn, die sich in einer Verschlechterung der Beurteilung Ungarns im Westen niederschlug. Der Verfasser gelangte aufgrund der Analyse der negativen ungarischen Regierungspolitik im Dualismus und der positiven Initiativen der außerparlamentarischen ungarischen Opposition zur Erkenntnis, dass die Ungarn-Kritik von Robert Seton Watson, Henry Wickham Steed und anderen auch nach dem Wertesystem der ungarischen Begründer des dualistischen Systems berechtigt gewesen wäre. Eine andere Sache ist die, dass Jeszenszky und andere auch bewiesen haben, dass es in der britischen und französischen Mitteleuropa-Politik nach der Jahrhundertwende auch Elemente gab, die die neue Doktrin stärkten, wonach die staatsbildenden nationalistischen Bewegungen als potenzielle Verbündete betrachtet wurden16. Der Ausgleich im Jahre 1867 bzw. die Konstruktion der dualistischen Monarchie, die aus ungarischer Perspektive entweder als unentbehrlich oder als grundsätzlich fehlerhaft betrachtet wurden, deuten bereits die Tendenz der unterschiedlichen Interpretationen an. Die die Verwaltung, Gesellschaft und die Wirtschaft modernisierende, Ungarn vor externen und internen Gefahren schützende Funktion des gemeinsamen Habsburgerstaates wurde in der Regel von denjenigen betont, die im Hinblick auf den multiethnischen ungarischen Staat das größere Risiko in den Minderheiten sahen, die die Hälfte der Landesbevölkerung bildeten. Es ist eine Tatsache, dass eine offene Kritik am österreichisch-ungarischen Ausgleich gegenwärtig nur noch in national geprägten Foren der öffentlichen Geschichte artikuliert wird17. László Katus hat in seinem Werk

15 Diószegi, Osztrák-Magyar Monarchia [Österreichisch-ungarische Monarchie] 10–14; Géza Jeszenszky, Az elveszett presztízs. Magyarország megítélésének megváltozása Nagy-Britanniában (1894– 1919) [Das verlorene Prestige. Die Veränderung der Beurteilung Ungarns in Großbritannien 1894–1919] (Budapest 1986) 328–331. 16 Jeszenszky, Elveszett presztízs [Verlorenes Prestige] 332 f. 17 Zum Beispiel die inzwischen eingestellten Zeitschriften „Trianoni Szemle”, „Nagymagyarország” und ihre Webseiten: http://karpatiastudio.hu/tortenelemi-magazinok/nagy-magyarorszag/; http://tortenelemportal.hu/ akta/trianoni-szemle/ (7. 10. 2014). Zwischen August und Oktober 2013 gab es in der Budapester Tageszeitung Magyar Nemzet eine Disskusion über die monarchistische Tradition und die Beurteilung der Rolle der Habsburger in Ungarn. Vgl. Péter Techet, Várjuk a királyt [Wir warten auf den König]; in: Magyar Nemzet vom 9. August 2013; György Csóti, A magyarok nem várják a királyt [Die Madjaren warten nicht auf den König]; in: Ebd. 13. August 2013; Krisztián Pap, Monarchia unió és föderáció [Monarchie, Union und Föderation]; in: Ebd. 29. August 2013; Ferenc Kulin, Ne essünk át a ló túloldalára [Das entgegengesetzte Extrem]; in: Ebd. 2. September 2013; Róbert Hermann, A Habsburgok és Magyarország: egy évszázados vita [Die Habsburger und Ungarn: Eine jahrhundertlange Diskussion]; in: Ebd. 7. September 2013; Béla S. Király, Védelem vagy bekebelezés [Verteidigung oder Einverleibung]; in:

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„A modern Magyarország“ den Ausgleich als „realen Kompromiss“, als die unter den gegebenen Umständen „realistisch erreichbare beste Lösung“ bezeichnet. Er stimmt der Ansicht von Gyula Szekfű zu, der in seinem grundlegenden Werk „Drei Generationen“ feststellte: „1867 war der Höhepunkt unserer 400-jährigen staatsrechtlichen Geschichte. Seit unserer Heirat mit Österreich war unsere staatliche Unabhängigkeit nie so real und sicher, wie in Folge des Gesetzes über den Ausgleich.“18 Éva Somogyi und Mónika Kozári, die zeitgenössischen Vertreterinnen der ungarischen Historiographie zum Zeitalter des Dualismus weisen aber auch auf die Negativa hin – so zum Beispiel auf die umfangreichen und überbetonten Hoheitsrechte des Königs, die endlosen Spannungen zwischen Österreich und Ungarn, die „ungelöste Frage der Nationalitäten“, sowie die wesentlich raschere wirtschaftliche Entwicklung des österreichischen Teils der Monarchie. Auf der anderen Seite halten jedoch auch die erwähnten Verfasserinnen die Vorteile des gemeinsamen Staates für ausschlaggebend – die Ergebnisse der wirtschaftlichen, modernisierenden Dynamik Ungarns, wobei die gesellschaftliche Mobilität weit hinter den Ergebnissen von Cisleithanien blieb19. 3. Der historische Kontext des Zusammenbruchs Die nationalstaatliche Umwandlung, das geopolitische Ausmaß der ost-, südostund ostmitteleuropäischen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg – wie auch ihre mögliche langfristige Bedeutung für die ungarische nationale und die Staatsentwicklung – wurde in Ungarn erst nach Abschluss der Pariser Vorortverträge deutlich. Drei Vielvölker-Imperien waren zerfallen, neun Staaten erlebten eine Wiedergeburt oder wurden neu gegründet bzw. grundlegend verändert. Das multiethnische historische Ungarische Königreich als vollemanzipierter Teil des dualistischen habsburgischen Vielvölkerstaates veränderte sich tiefgehend und grundsätzlich20. Zwischen Herbst

Ebd. 9. September 2013. Bei dieser Diskussion äußerte sich auch der Präsident der rechtsoppositionellen Partei Jobbik zu seiner monarchistischen Überzeugung; vgl. Gábor Vona, Monarchizmus, nacionalizmus [Monarchismus, Nationalismus]; in: Ebd. 3. Oktober 2013. 18 László Katus, A modern Magyarország születése. Magyarország története 1711–1914 [Die Geburt des modernen Ungarn. Die Geschichte Ungarns 1711–1914] (Pécs 2012) 290; Gyula Szekfű, Három nemzedék és ami utána következik [Drei Generationen und was danach kommt] (Budapest [1934], Reprint 5 2007) 194. 19 Mónika Kozári, A dualista rendszer [Das dualistische System] (Budapest 2005) 303–304; Éva Somogyi, The Political System of Dualism; in: András Gerő, The Austro-Hungarian Monarchy Revisited (New York 2009) 135–152. Weitere Monographien zur Beurteilung des politischen Systems in Ungarn: Jan Bérenger, Károly Kecskeméti, Országgyűlés és parlamenti élet Magyaországon 1608–1918 [Parlament und parlamentarisches Leben in Ungarn 1608–1918] (Budapest 2008); Zoltán Szente, Kormányzás a dualizmus korában: a XIX. századi európai parlamentarizmus és Magyarország kormányformája a kiegyezés után, 1867–1918 [Regierung im Zeitalter des Dualismus: Europäischer Parlamentarismus im XIX. Jahrhundert und die Regierungsform Ungarns nach dem Ausgleich 1867–1918] (Budapest 2011). 20 Am 20. Oktober 1918 beschloss der ungarische Ministerrat, die „Länder der Heiligen Stephanskrone“ von allen anderen Ländern unabhängig zu erklären und einen selbständigen Staat zu konstituieren, der nur durch die Person des Monarchen mit den anderen verbunden war. Vgl. Imre Ress, Das Königreich

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1918, nach der gemeinsamen Niederlage im Ersten Weltkrieg und der Niederlage der Ungarischen Räterepublik im August 1919, verlor Ungarn ohne Kroatien zwei Drittel seines früheren Territoriums und fast 60 % seiner Bevölkerung. In der ungarischen Geschichtsschreibung fehlen bis in die 1960er Jahre zumeist kritische bzw. ausgewogene Darstellungen der ungarischen Nationalitätenpolitik, ebenso der nations- und staatsbildenden Nationalismen der ungarländischen nicht-madjarischen Völker wie auch eine Analyse bezüglich deren Anteil an der Auflösung des multiethnischen Ungarischen Königreiches21. In der ungarischen Fachliteratur zur Nationalitätenfrage dominieren seit den 1980–1990er Jahren in Bezug auf die Regionen Transsylvanien, Oberungarn, Transkarpatien und das „südliche Gebiet“ grundsätzlich Analysen der diversen Nationalismen, der Nationsbildung und der Konflikte. Teilweise werden die Ergebnisse dieser Analysen auch in die Historiographie der benachbarten Nationen integriert. Es ist nicht auszuschließen, dass die bereits heute verbreiteten Forschungen früher oder später in einer gemeinsam erarbeiteten transnationalen Geschichte Ungarns zusammengeführt werden22. Dabei zeigt sich eine ambivalente historiographische Ungarn im Ersten Weltkrieg; in: Helmut Rumpler, Harald Heppner, Erwin Schmidl (Hgg.), Anatol Schmied-Kowarzik (Red.), Die Habsburgermonarchie 1848–1918 XI/1: Die Habsburgermonarchie und der Erste Weltkrieg. Der Kampf um die Neuordnung Mitteleuropas, Teil 2: Vom Vielvölkerstaat ÖsterreichUngarn zum neuen Europa der Nationalstaaten (Wien 2016) 1095–1163, hier 1162. Vgl. Dániel Szabó, Die Agonie des historischen Ungarn. Die einheitliche und unteilbare ungarische Nation im Weltkrieg; in: ebd. 679–710, hier 704–710. 21 Zum europäischen Kontext der ungarischen Nationalitätenpolitik in der Zeit des Dualismus vgl. István Diószegi, Üllő és kalapács. A nemzetiségi politika Európában a XIX. század utolsó harmadában [Amboss und Hammer. Die Nationalitätenpolitik in Europa im letzten Drittel des XIX. Jahrhunderts] (Budapest 1991). Zoltán Szász, Govenment policy and the Nationalities; in: Ferenc Glatz (Hg.), Hungarians and Their Neighbours in Modern Times 1867–1950 (= East European Monographs 419, Boulder, Colo. – New York 1995) 23–32. Ders., Nationale Konfliktgemeinschaften in der Habsburgermonarchie – Begegnungen (= Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest 19) 111–118. László Katus, Hungarians and National Minorities. A demographipc Survey 1850–1918; in: Glatz (Hg.) Hungarians 13–22; László Szarka, Die Nationalitätenfrage im Auflösungsprozess des historischen Ungarn 1918–1920; in: Hans Lemberg, Peter Heumos (Hgg.), Das Jahr 1919 in der Tschechoslowakei und in Ostmitteleuropa. Vorträge der Tagung des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 24. bis. 26. November 1989 (= Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 17, München 1993) 192–211. 22 Die zeitgenössische ungarische politische Elite war in Bezug auf die Staatsgründungen der benachbarten Nationen völlig ratlos, auch deswegen, weil die nationalstaatliche Transformation Mitteleuropas von den Siegermächten bereits in den letzten Kriegsjahren prinzipiell akzeptiert und bestätigt wurde. Die „verlorenen Gebiete“ – neben mehrheitlich slowakischen, rumänischen, serbischen usw. Teilen, auch ethnisch kompakte ungarisch-madjarische Grenzregionen – gingen an die neuen Nationalstaaten der ostmitteleuropäischen Region. Von den ehemaligen 18,3 Millionen Einwohnern Ungarns wurden aufgrund der Volkszählung von 1910 10,3 Millionen Bürger der Nachbarländer, davon 3,3 Millionen Menschen mit ungarischer Muttersprache. Vgl. Ignác Romsics, Magyarország története a XX. században [Geschichte Ungarns im XX. Jahrhundert] (Budapest 1999) 142–143. Die statistische Zahl der Bevölkerung ungarischer Muttersprache in den Nachbarländern auf ehemals ungarischem Territorium betrug nach Angaben der Volkszählung von 1910: 3.319, 589. Die Zahlen der „abgetretenen“ Deutschen (in Österreich, Rumänien, der Tschechoslowakei und im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) betrug 1.482,805, der Slowaken 1.802,685, der Rumänen 2.920,598, der Ruthenen 471,453, der Serben 1.080,300, der Kroaten 1.791,182 (Andere 402,758). Somit ergab sich eine Gesamtzahl von 9.951,781. Dazu János Lőkkös, Trianon számokban. Az

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Tradition und Einstellung gegenüber den zeitgenössischen nationalstaatlichen Tendenzen der ehemaligen „nicht-dominanten“ Völker der Habsburgermonarchie23. Die ungarische Geschichtsschreibung blieb aufgrund der ethnisch nicht „berechtigten“ und von den Großmächten auf der Pariser Friedenskonferenz „einseitig diktierten“ Grenzziehung der Nachfolgestaaten des Habsburgerreiches äußerst kritisch in ihrer Bewertung der Durchführung der Wilson’schen Prinzipen des Versailler Systems in Ostmitteleuropa24. Die sogenannte Clemenceau-Linie, die von der Pariser Friedenskonferenz bereits im Juni 1919 angenommen wurde, markierte die späteren Landesgrenzen NachkriegsUngarns ohne die historischen Staatsgebiete Siebenbürgen, Banat, Oberungarn und Südungarn. Innerhalb eines Jahres versuchten zwei Revolutionen und eine Gegenrevolution, drei Regierungsformen und sieben ungarische Regierungen, den Zusammenbruch und die Aufteilung des multiethnischen Ungarn zu verhindern25. Im ungarischen 1910. évi magyar népszámlálás anyanyelvi adatainak elemzése a történelmi Magyarországon [Trianon in Zahlen. Analyse der Angaben über die Muttersprache aufgrund der ungarländischen Volkszählung von 1910 auf dem Territorium des historischen Ungarn] (Budapest 2000) 130–140, 284 Tabelle 67. 23 Hinter dieser Ambivalenz verbirgt sich nach Meinung von Włodzimierz Borodziej die „geteilte Erinnerung“ der „dominanten“ und „nicht dominanten“ Völker der multiethnischen Imperien. Auf der einen Seite steht der imperial verstandene Begriff der „Western Civilisation“ nach George F. Kennan, auf der anderen Seite das Nationalstaatsprinzip als ein erfolgreiches und lebensfähiges Lösungsprinzip. „,Western Civilization‘ wäre ein Europa, in dem Deutsche, Italiener oder Ungarn einen Nationalstaat besitzen dürfen, hingegen Polen, Iren, Tschechen und viele andere einen Zivilisationsbruch einleiten, indem sie denselben Anspruch stellen. Kein Wunder, dass man in einem Teil Europas diese Ansicht lediglich in Budapest teilt. Anderswo, von Helsinki über Warschau und Prag, Bratislava und Bukarest bis hin nach Ljubljana, Zagreb, Belgrad kann man diesen Satz lediglich als Missverständnis begreifen: Die Jahre 1914 bis 1918 markieren in der Tat eine Grundzäsur, als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts (…) werden sie nirgendwo betrachtet.“ Włodzimierz Borodziej, Geteilte und gemeinsame Erinnerung; in: Neue Zürcher Zeitung (193), vom 29. Juni 2014: http://www.nzz.ch/international/weltkrieg/geteilte-und-gemeinsameerinnerung–1.18330789 (25. 2. 2016). 24 Auch Péter Hanák, der 1971 sogar von der „Notwendigkeit der Auflösung“ sprach sowie „eine Loslösung vom Zauber“ eines „Großungarn“ einforderte, betonte die traumatisierenden Folgen des Vertrags von Trianon: „Die in Trianon sanktionierte Auflösung war für das Ungarntum eine schwere, qualvolle aber notwendige Operation (…) Die Operation gelang nicht vollkommen. Der Kranke blieb zwar am Leben, verlor aber zuviel Blut, viele gesunde Teile wurden herausgeschnitten, die Wunde war tief, das Trauma anhaltend. Die ungerechten Momente der Neuregelung – so die Abtrennung von 3 Millionen Ungarn – verzögerten die Genesung und erweckten die Illusion bzw. erleichterten die bewusste Bildung der Illusion, dass die Auflösung der Monarchie nicht das Ergebnis eines seit langem gereiften historischen Prozesses, sondern der brutalen Willkür, der ungerechten Bestrafung durch die Sieger war.“ Péter Hanák, Ungarn im Auflösungsprozess der Österreich-Ungarischen Monarchie. Grundlagen und Folgen; in: Karl Bosl (Hg.) Versailles – St. Germain – Trianon. Umbruch in Europa vor fünfzig Jahren. (München – Wien 1971) 37–48, hier 46 f. 25 Zu den Revolutionen und den „Systemwechseln“ der Umbruchsjahre 1918/1919 vgl. Paál Vince, Gerhard Seewann (Hgg.), Augenzeuge dreier Epochen: Die Memoiren des ungarischen Aussenministers Gusztáv Gratz 1875–1945 (= Südosteuropäische Arbeiten 137, München 2009) 221–312. Standardwerke zur Zwischenkriegszeit: Gusztáv Gratz, A forradalmak kora (Magyarország története 1918–1920) [Das Zeitalter der Revolutionen (Die Geschichte Ungarns 1918–1920)] (Budapest 1933, Reprint 1992); Konrád Salamon, Nemzeti önpusztítás 1918–1920. Forradalom – proletárdiktatúra – ellenforradalom [Nationale Selbstvernichtung 1918–1920. Revolution – Diktatur des Proletariats – Gegenrevolution] (Budapest 2001). Eine gute historiographische Gesamtdarstellung der Grundlinien der ungarischen Geschichtsschreibung

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historischen Diskurs wie auch in der public history und der öffentlichen Meinung gibt es deshalb für die Auflösungsgeschichte zumindest drei Interpretationsmuster. Es existiert bis heute ein bürgerlich-demokratisches, ein linksorientiertes und auch ein revisionistisches Narrativ des Zusammenbruchs der Jahre 1918 bis 1920 und dessen Vorgeschichte26. Bei der folgenden Analyse der Hauptlinien der Bewertung der historischen Ereignisse des Weltkrieges und des Kriegsendes in der ungarischen Historiographie und Erinnerungspolitik soll auf die Grundmotive der akademischen sowie der in der Öffentlichkeit wirkenden historischen Narrative eingegangen werden – etwa die Beurteilung der Nationalitätenpolitik der dualistischen Epoche als wesentlichen Teil der Vorgeschichte des Zusammenbruchs27. In Bezug auf die möglichen Folgen der ungarischen nationalstaatlichen Bestrebungen in der Zeit der Doppelmonarchie entstanden unterschiedlichen Erklärungen. Bis heute dauern die Diskussionen über die inneren Konflikte der Assimilationspolitik bzw. über die negative internationale Bewertung der ungarischen Nationalitätenpolitik an, die die Stabilität bzw. das Prestige der gesamten Monarchie gefährdeten28. Für den Mainstream der heutigen ungarischen Geschichtsschreibung, die von der Asynchronität und der Asymmetrie der ungarländischen Nationalismen ausgeht, ist die Interpretation des Emanzipationsprozesses der Nationalitäten maßbei Árpád von Klimó, Nation, Konfession, Geschichte: Zur nationalen Geschichtskultur Ungarns im europäischen Kontext, 1860–1948 (= Südosteuropäische Arbeiten 117, München 2003) 185–201; ders., Zeitgeschichte als moderne Revolutionsgeschichte. Von der Geschichte der eigenen Zeit zur Zeitgeschichte in der ungarischen Historiographie des 20. Jahrhunderts; in: Alexander Nützenadel, Wolfgang Schieder (Hgg.), Zeitgeschichte als Problem. Nationale Traditionen und Perspektiven der Forschung in Europa (= Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 20, Göttingen 2004) 283–306. 26 Ignác Romsics, Trianon és a magyar politikai gondolkodás [Trianon und das ungarische politische Denken]; in: Limes 23/4 (2010) 7–17: http://www.jamk.hu/ek/folyoirat/folyoirat/limes/2010_4.pdf; (26. 2. 2016). Ders., Nemzeti traumánk: Trianon [Unser nationales Trauma: Trianon]; in: Miklós Zeidler (Hg.), Trianon (Budapest 2003) 886–873; Peter Pastor, A trianoni békekötés történetírásának színeváltozásai [Die Wandlungen der Historiographie zum Vertrag von Trianon]; in: Ebd. 881–887; Balázs Ablonczy, Trianon-legendák [Die Trianon-Legenden] (Budapest 2010); Stephen Bela Vardy, Trianon in Interwar Hungarian Historiography; in: Béla K. Király, Peter Pastor, Ivan Sanders (Hgg.), Essays on World War I: Total War and Peacemaking. A Case Study on Trianon (New York 1982) 361–390; siehe http://www.hungarianhistory.com/lib/tria/tria29.htm (26. 2. 2016). 27 Zu den Grundnarrativen des Zeitalters des Dualismus vgl. Attila Pók, A haladás hitele: Progresszió, bűnbakok, összeesküvők [Der Kredit des Fortschritts: Progression, Sündenböcke, Verschwörer] (Budapest 2010) 109–113; András Gerő, The Austro-Hungarian Monarchy revisited  (Boulder – New York 2009); ders., Dualizmusok. A Monarchia Magyarországa [Dualismen. Das Ungarn der Monarchie] (Budapest 2010). 28 László Katus, A modern Magyarország születése. Magyarország története 1711–1914 [Die Entstehung des modernen Ungarns. Die Geschichte Ungarns 1711–1914] (Pécs 2012); Gábor Gyáni, Az asszimiláció fogalma a magyar társadalomtörténetben [Der Begriff der Assimilation in der ungarischen Sozialgeschichte]; in: ders., Történészdiskurzusok [Historikerdiskurse] (Budapest 2002)119–133. Ethnozentrische Darstellungen: Gyula Popély, Felvidék [Oberungarn] 1914–1920 (Budapest 2010); Ernö Raffay, Trianon titkai, avagy hogyan bántak el országunkkal… [Die Geheimnisse von Trianon, oder wie man mit Ungarn fertig geworden ist…] (Budapest 2001). Zur negativen britische Rezeption und der Kritik an der Nationalitätenpolitik der ungarischen Regierungen in der Zeit des Dualismus Géza Jeszenszky, Elveszett presztízs [Verlorenes Prestige] 221–233.

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gebend, die jedoch aufgrund der ungarischen nationalen staatlichen Politik und der außenpolitischen Einflüsse innerhalb der Monarchie beinahe unlösbar komplex wurde. Welche Interpretationsrahmen hat die Hauptlinie der ungarischen Historiographie in den letzten 25 Jahren entwickelt? Ein bedeutender Teil der ungarischen Historiker des 20. Jahrhunderts – ähnlich wie diejenigen der benachbarten Nationen – hat versucht, bei der Analyse der Folgen des Ersten Weltkrieges ethnozentrische Antworten zu formulieren. Die Mehrheit der ungarischen Historiker stellte bei der Interpretation des „Zerfalls“, der „Aufteilung“ oder des „Zusammenbruchs“ des Ungarischen Königreiches, die territorialen und die Bevölkerungsverluste des ungarischen Staates ins Zentrum, und dies unabhängig davon, worin jeweils die Hauptursachen des Zerfalls gesehen wurden29. Das gilt auch für die letzten 25 Jahre. Im Mainstream der ungarischen Historiographie werden die Prozesse, die zum Zerfall des Ungarischen Königreiches führten, grundsätzlich aus der Perspektive Trianons analysiert. Vor allem wird untersucht, welche früheren Ereignisse, Zusammenhänge, Machtinteressen, Irrtümer und Fehler bei der Aufteilung des historischen ungarischen Staates eine Rolle spielten. War die Bedeutung der äußeren oder der inneren Faktoren größer? Lag der Grund dafür, dass der Große Krieg nicht mit einem Verhandlungsfrieden abgeschlossen werden konnte im militärischen Zusammenbruch der Monarchie, in den mit einander rivalisierenden Nationalismen des Habsburgerreiches oder in den Machtinteressen der Siegermächte? Aus heutiger Sicht scheint bei den akademischen Diskursen schon seit längerer Zeit ein gewisser Konsens darüber zu herrschen, dass die Niederlage an der Balkanfront und an der italienischen Front, die Aufkündigung des dualistischen Systems auf österreichischer und ungarischer Seite sowie die Unterstützung der einzelnen nationalen Bewegungen durch die Großmächte gemeinsam bewirkten, dass der Zerfallsprozess der Habsburgermonarchie und somit auch Ungarns nicht mehr abwendbar bzw. irreversibel war30. 29 Als wichtige Faktoren für den Zerfall des historischen ungarischen Staates nannte der führende Historiker der Zwischenkriegszeit Gyula Szekfű in seinem maßgebenden Essay die nationalistischen Illusionen hinsichtlich der Perspektiven der madjarischen Assimilationspolitik sowie die oberflächliche Behandlung der sozial- und innenpolitischen Konflikte. Vgl. Gyula Szekfű, Három nemzedék és ami utána következik [Drei Generationen und was danach kommt] (Budapest [1934], Reprint 52007) 296–307, 370–377; Iván Zoltán Dénes, Szekfű Gyula és a magyar konzervatív hagyomány [Gyula Szekfű und die ungarische konservative Tradition]; in: Magyar Tudomány 28/5 (1983) 442–448. 30 Ignác Romsics betonte mehrmals, dass man bei der Analyse des Auflösungsprozesses nicht einen einzelnen Faktor absolut setzen könnte. „Die Auflösung des Habsburgerreiches und innerhalb dessen des historischen Ungarn wurde von vielen aufeinandertreffenden Faktoren hervorgerufen. Zuerst und grundlegend durch die Unzufriedenheit der nationalen Eliten und den multinationalen Charakter des Reiches bzw. Ungarns. Den zweiten Faktor bildet die irredentistische Politik der entlang der südlichen und östlichen Grenze entstandenen neuen Staaten – Italien, Serbien und Rumänien (…) Während des I. Weltkrieges jedoch änderte sich die Situation. Der Nationalitäten-Separatismus und die Irredenta der umliegenden Staaten wurden stärker, der ungarische Staat aber wurde schwächer. In dieser Situation fiel der Siegeswille der Großmächte entscheidend ins Gewicht. Die Auflösung der Monarchie und die Zerteilung des historischen Ungarn waren der dritte Grund. Als vierter Grund für Trianon ist die gewohnheitsmäßige Inkompetenz der ungarischen revolutionären Führung zu erwähnen. Das heißt, die Károlyi-Regierung vertraute auf die Fairness der Entente, und darauf, dass in Hinblick auf die angekündigte Loslösungsabsicht der Slowaken,

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Mária Ormos weist in ihrem grundlegenden Werk zu Trianon auf die Bedeutung des radikal veränderten internationalen Kontextes und auf die geopolitischen Veränderungen des mitteleuropäischen Raumes während des Ersten Weltkrieges hin31. Auch in der neuesten Fachliteratur, veröffentlicht zum Zentenarium des Ersten Weltkrieges, wird die ungarische Problematik in ihren internationalen Zusammenhängen adäquat kontextualisiert32. Die Großmächte und die politischen Eliten der neu entstandenen nationalen Kleinstaaten bestärkten sich gegengenseitig – so zum Beispiel in ihrer Ablehnung der Alternative einer Umwandlung dieser Region in eine Konföderation. Was war in der Nachkriegssituation in Mitteleuropa entscheidend: die gleichzeitige Niederlage Russlands und Deutschlands, oder die Friedenspolitik der Siegermächte? Frankreich und Großbritannien versuchten, als neue systemerhaltende „mitteleuropäische“ Großmächte aufzutreten, und zwar mit der revolutionären wie auch ambivalenten Losung vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, jedoch ohne die Ambition ein funktionsfähiges regionales Konföderationsmodell auszubauen. Ungeachtet der Annahme, dass die genannten Faktoren zusammen die Umwandlung der Region in Nationalstaaten mehr oder weniger beeinflussten, werden auch in der ungarischen Historiographie in der Regel diese parallelen Faktoren unterschiedlich gewichtet. Für die Betonung des Großmacht- bzw. Siegermacht-Faktors liefert das Werk von Mária Ormos, das auf französischem Archivmaterial basiert, ein gutes Beispiel. In diesem Buch erscheinen die regionalen Nationalismen höchstens als Gruppierungen, die die verbündeten Regierungen der Großmächte vertraten, um so ihre eigenen Lösungskonzepte und territorialen Wünsche bzw. ihre Gebietsansprüche mit Unterstützung der französischen Diplomatie durchzusetzen33. Auf der anderen Seite steht die „destruktive“, „zentrifugale“ – die Integrität des Ungarischen Königreiches gefährdende – Rolle der nicht-madjarischen Nationalitäten Ungarns und ihrer tschechischen, serbischen bzw. altrumänischen Konnationalen im Mittelpunkt der ethnozentrischen Interpretationen von Ernő Raffay und Gyula Popély, die Siebenbürgen bzw. Oberungarn thematisieren34. Serben und Rumänen nicht Gewalt, sondern eine Politik der Versöhnung angewendet werde.“ Ignác Romsics, Az Osztrák–Magyar Monarchia felbomlása és a trianoni békeszerződés [Die Auflösung der ÖsterreichUngarischen Monarchie und der Friedensvertrag von Trianon]; in: Rubicon 20/4–5 (2010) 4–29, hier 5 f. 31 Mária Ormos, From Padova to the Trianon (= East European monographs 298, Budapest – Boulder, Colo. 1990) 15–25. 32 Zwei wichtige Sammelbände und zwei Monographien aus dem Jahr 2014 widmeten sich dem internationalen Kontext, um damit eine möglichst umfassende Wahrnehmung und Selbstreflexion in Bezug auf die Ungarnfrage 1914–1918 zu ermöglichen. Vgl. István Németh (Red.), Az első világháború 1914– 1918. Tanulmányok és dokumentumok [Der Erste Weltkrieg 1914–1918. Studien und Dokumente] (Budapest 2014); György Markó, Mária Schmidt (Hgg.), Európai testvérháború [Europäischer Bruderkrieg] 1914–1918 (Budapest 2014); Péter Bihari, 1914. A Nagy Háborús száz éve. Személyes történetek [1914. Hundert Jahre des Großen Krieges. Persönliche Geschichten] (Pozsony 2014); Tibor Hajdu, Ferenc Pollmann, A régi Magyarország utolsó háborúja [Der letzte Krieg des alten Ungarn] (Budapest 2014). Vgl. den retrospektiven und representativen Sammelband von Dániel Szabó (Hg.), Az első világháború – Nemzet és emlékezet [Der erste Weltkireg – Nation und Erinnerung] (Budapest 2009). 33 Ormos, Padua to the Trianon. 34 Popély, Felvidék [Oberungarn] 67–102; Ernő Raffai, Erdély [Siebenbürgen] 1918–1919 (Budapest 1991) 57–76.

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4. Drei Perioden – drei Narrative Die ungarischen Meisternarrative zum Zerfallsprozess der Jahre 1918–1919 entwickelten sich in drei gut voneinander abgrenzbaren zeitlichen Perioden und methodischen Interpretationsrahmen35. Zunächst scheint es notwendig darauf hinzuweisen, welche historischen Narrative sich in diesen drei Perioden der ungarischen Geschichte des 20. Jahrhunderts herausgebildet haben: während der Amtszeit von Regent Miklós Horthy in den Jahren 1919–1944, in der marxistischen Historiographie, die sich im kommunistischen System der Jahre 1949 bis 1989 entwickeln konnte, sowie in der postsowjetischen, demokratischen Epoche, die sich durch verschiedenste aufeinanderfolgende Neubewertungen auszeichnete. In der ungarischen nationalstaatlichen Historiographie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden zwei fundierte historische Synthesen, die den Hintergrund und den Prozess des Zerfalls des multiethnischen Ungarischen Königreiches thematisierten. In der Zwischenkriegszeit war es zunächst Gyula Szekfű, der durch die Unterscheidung der innerhalb der Doppelmonarchie denkbaren „großungarischen“ und der nach Unabhängigkeit strebenden „kleinungarischen“ Alternative zur historisch-ideologischen Begründung der Revision bzw. der Revisionspolitik wesentlich beitrug36. Gusztáv Gratz, der die internationalen Zusammenhänge der staatsrechtlichen Änderungen zwischen 1918 und 1920 realistisch beurteilte, entwickelte ein Narrativ, das die Dominanz der außenpolitischen Faktoren, vor allem des durch die Großmächte bestimmten Bewegungsspielraumes, betonte37. Im Gegensatz dazu wurden die parallelen nationalistischen Bewegungen und die irredentistischen Aktivitäten innerhalb der Habsburgermonarchie insgesamt und Ungarns im Speziellen von Oszkár Jászi als wichtigste Faktoren des Zerfalls betont. Jaszi verfasste sein Werk 1929 in der Emigration in den Vereinigten Staaten38. In der Zwischenkriegszeit und unmittelbar nach Abschluss des Vertrags von Trianon waren somit bereits beide Narra35 Zwei bis heute nutzbare Synthesen aus der Zwischenkriegszeit bieten Bálint Hóman, Gyula Szekfű, Magyar történet [Ungarische Geschichte] (Budapet 1928) und Gusztáv Gratz, A dualizmuskora. Magyarország története 1867–1918, 2 Bde. (Budapest 1934). Zur Periodisierung der ungarischen Geschichtsschreibung siehe Ignác Romsics, Clio bűvöletében. Magyar történetírás a 19–20. században. Nemzetközi kitekintéssel [Im Zauber von Clio. Die ungarische Geschichtsschreibung im 19.–20. Jahrhundert. Mit einem internationalen Ausblick] (Budapest 2011). Zu zeitgenössischen Auffassungen und den österreich-ungarischen Dichotomien im Monarchie-Bild vgl. Gergely Romsics, Mítosz és emlékezet. A Habsburg birodalom felbomlása az osztrák és a magyar politikai elit emlékirat-irodalmában. [Mythen und Erinnerungen. Die Auflösung der Habsburgermonarchie in der Memoirenliteratur der österreichischen und ungarischen Elite] (Budapest 2010) 416–429. Zum Fragenkomplex des österreich-ungarischen Dualismus Péter Hanák, 1867– európai térben és időben [1867 – im europäischen Raum und in der Zeit] (Budapest 2001). 36 Romsics, Clio bűvöletében [Zauber von Clio] 304–306. 37 Gratz, A forradalmak kora [Zeitalter der Revolutionen] 38–63. 38 Oscar Jászi, The Dissolution of the Habsburg Monarchy (Chicago 1929, Reprint 1961). Zur Rolle Jászis als Nationalitätenminister siehe György Litván, Jászi Oszkár (Budapest 2003) 131–162; engl. Ausgabe unter dem Titel: A Twentieth-Century Prophet: Oscar Jászi, 1875–1957 (Budapest – New York 2006); János Gyurgyák, Ezzé lett magyar hazátok. A magyar nemzeteszme és nacionalizmus története. [Ihre Heimat ist in Schwierigkeiten geraten. Die Geschichte der ungarischen nationalen Idee und des Nationalismus] (Budapest 2007) 90–134.

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tive vertreten, die bis heute nachwirken: die nostalgischen, eine Revision fordernden und primär externe Gründe betonenden Analysen und solche, die die inneren Ursachen des Zerfalls selbstkritisch in den Vordergrund stellten. In der fünfzigjährigen Periode des ungarischen kommunistischen Parteistaates zeichneten sich die Werke von Péter Hanák, István Diószegi, Mária Ormos und Tibor Hajdu aus, deren bedeutende Leistungen in der wissenschaftlichen Historiographie internationale Anerkennung erfuhren39. Im Bereich der außenpolitischen Geschichte wurden von den Genannten und anderen Autoren wichtige, auch international rezipierte Werke verfasst. In Bezug auf die Innenpolitik war die ideologische Belastung weiterhin deutlich spürbar, wobei einige Monographien mit ihrem Quellenmaterial und ihrer faktographischen Reichhaltigkeit bis heute Standardwerke geblieben sind40. In den letzten 25 Jahren erschienen mehrere Monographien, die sich mit den Grundaspekten und den Hauptakteuren des Zerfallsprozesses beschäftigten. Die Mehrheit dieser Autoren strebt unabhängig von der jeweils gewählten Thematik danach, im Rahmen eines flexiblen Interpretationsrahmens eine vielseitige, die Komplexität der Prozesse widerspiegelnde Analyse zu erarbeiten41. Von den erwähnten drei Diskursen ist hier zunächst die revisionistische Perspektive der Zwischenkriegszeit zu nennen. Dieser Auffassung nach ist der Zerfall des Ungarischen Königreiches, das einen selbständigen Bestandteil der Habsburgermonarchie bildete, einerseits der Impotenz der Entente-freundlichen und prosowjetischen ungari39 Péter Hanák, Ungarn in der Donaumonarchie. Probleme der bürgerlichen Umgestaltung eines Vielvölkerstaates (= Schriftenreihe des österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 10, Wien – München – Budapest 1984); István Diószegi, A magyar külpolitika útjai. Tanulmányok [Die Wege der ungarischen Außenpolitik. Studien] (Budapest 1984) 278–312; ders., A magyar nacionalizmus és a Monarchia felbomlása [Der ungarische Nationalismus und der Zerfall der Monarchie]; in: Ders., Hazánk és Európa. Tanulmányok [Unsere Heimat und Europa. Studien] (Budapest 1970) 355–384; ders., Az Osztrák-Magyar Monarchia külpolitikája 1867–1918 [Die Außenpolitik der Österreich-Ungarischen Monarchie 1867–1918] (Budapest 2001) 137–156; Ormos, Padovától Trianonig [Padua zu Trianon] 26–74; Magda Ádám, The Versailles System and Central Europe (= Variorum Collected Studies, Aldershot 2004). 40 Zu den sozial- und innenpolitischen bzw. den militärpolitischen Dimensionen der Auflösung Ungarns sind mehrere marxistische, aber faktenreiche und daher bis heute brauchbare Gesamtdarstellungen erschienen: Tibor Hajdu, Az 1918-as magyarországi polgári demokratikus forradalom [Die bürgerlichdemokratische Revolution in Ungarn 1918] (Budapest 1968); József Galántai, A Habsburg-Monarchia alkonya. Osztrák–magyar dualizmus 1867–1918 [Die Abenddämmerung der Habsburgermonarchie. Der österreich-ungarische Dualismus 1867–1918] (Budapest 1985); Márton Farkas, Katonai összeomlás és forradalom 1918-ban A hadsereg szerepe az Osztrák–Magyar Monarchia felbomlásában [Die militärische Auflösung 1918. Die Rolle der Armee beim Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie] (Budapest 1969). 41 Ignác Romsics (Hg.), Magyarország az első világháborúban [Ungarn im Ersten Weltkrieg] (Budapest 2010); Balázs Ablonczy, Trianon-legendák [Trianon-Legenden] (Budapest 2010); András Gerő, Katalin Jalsovszky, Emőke Tomsics, Once Upon a Time in Hungary. The World of the Late 19th and Early 20th Century (Budapest 1996); Bihari, 1914. Nagy háború [1914. Großer Krieg]; Németh, Az első világháború [Der Erste Weltkrieg]; Tibor Balla, Ferenc Pollmann, Hungarians in the Austro-Hungarian Military and the Red Army 1868–1919; in: Róbert Hermann (Hg.), Illustrated Military History of Hungary (Budapest 2012) 153–181; Ferenc Pollmann, Trianon felé. Az önálló magyar hadsereg ügye a kiegyezéstől Trianonig [Unterwegs nach Trianon. Die Frage der selbständigen ungarischen Armee vom Ausgleich bis Trianon] (Budapest 2008); ders., Hajdu, Magyarország utolsó háborúja [Der letzte Krieg].

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schen Regierungen und andererseits den unfairen Entscheidungen der Siegermächte zu danken. Deshalb werden in diesem Zusammenhang als einzig moralisch berechtigte Haltungen der Nachweis der Ungerechtigkeit der Friedensbedingungen sowie die diplomatische Vorbereitung der friedlichen Revisionspolitik betrachtet. Diese Perspektive war in der ungarischen Historiographie zwischen 1945 und 1989 – ausgenommen die Arbeiten einiger Emigranten – fast vollständig verschwunden, einige ihrer Topoi sind jedoch in der aktuellen ungarischen historischen Publizistik wieder vorhanden und fordern ihren Platz, vor allem in populistisch orientierten Zeitschriften sowie ganz allgemein in der public history42. Während der Periode des kommunistischen Parteistaates versuchten die ungarischen Historiker und Historikerinnen, teils auf den Anschauungen Lenins basierend, einen kritischen und auch mit der Ideologie des proletarischen Internationalismus vereinbaren Standpunkt gegenüber jenen Prozessen zu formulieren, die zum Zerfall des multiethnischen Ungarischen Königreiches führten. Dabei betonten sie gleichzeitig den imperialen Charakter des Ersten Weltkrieges und des Friedenssystem von Versailles sowie den demokratischen Charakter des Prinzips der nationalen Selbstbestimmung43. Nach 1989 bildeten sich in manchen Aspekten zwar unterschiedliche, hinsichtlich der nationalen Narrative jedoch verwandte Standpunkte heraus. Charakteristisch für diese Auffassungen ist die Annahme, dass der Zerfall der Habsburgermonarchie und der historischen ungarischen Staatlichkeit die Quelle schwerwiegender kultureller, wirtschaftlicher und politischer Verluste bildete. Die darauf folgende Herausbildung der Nationalstaaten hätte in Hinblick auf die wirtschaftlichen sowie die Handelsbeziehungen, aber auch in den Minderheitenfragen für die ganze ostmitteleuropäische Region in eine gefährliche Sackgasse geführt, aus der in den 1930-er Jahren im Rahmen der expansiven Außenpolitik des Dritten Reiches eine Falle geworden sei44. Nach einer für die revisionistische Phase charakteristischen Interpretation liegt die Ursache des Zerfalls des multiethnischen historischen ungarischen Staates bzw.

42 Mit dem Trianon-Fragenkomplex beschäftigten sich zwei Zeitschriften („Nagy Magyarország“ [Großungarn] und „Trianoni Szemle“ [Trianoner Rundschau]) sowie das „Történelem Portál“ [Geschichtsportal], die nur einige Jahren existierten. Zu der mit der Trianon-Frage verbundenen unkritischen „Memory-Industrie“ verfasste Gábor Gyáni mehrere Analysen. „Der Trianon Kult ist ein komplexes gesellschaftliches Phänomen, unstrittig ist jedoch, dass er im Medium der public history kein würdiges Zuhause fand. Im Zuge der Betätigung des Kults erblickte eine reiche Ernte an Büchern fortlaufend das Licht der Welt, in welchen der ‚Wiederentdeckung‘ und der Wiederausnutzung der den Revisionismus der Horthy-Zeit repräsentierenden Büchern eine bedeutende Rolle zukam (…) Die Public History kann man in diesem Zusammenhang als eklatante Erscheinung eines bereitwilligen Instruments der Memory Industry und als ihre routinemäßige Manifestation interpretieren; sie bringt das kollektive Gedächtnis mit der Absicht in Bewegung, die ‚Geschichte der Historiker‘ zu relativieren und dabei als Endziel die totale Eliminierung der akademischen Narrative zu erreichen.“ Siehe Gábor Gyáni, Nemzet, kollektív emlékezet és public history [Nation, kollektive Erinnerung und Public History]; in: Történelmi Szemle 54/3 (2012) 357–375, hier 364. 43 József Galántai, Az első világháború [Der Erste Weltkrieg] (Budapest 1980) 493–502. 44 István Diószegi, A magyar külpolitika útja a Monarchia felbomlása után [Der Weg der ungarischen Außenpolitik nach der Auflösung der Monarchie]; in: Diószegi, Magyar külpolitika útjai [Wege der ungarischen Außenpolitik] 347–341, hier 350–355.

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dessen Zerstörung durch die Siegermächte in der Unfähigkeit der damaligen ungarischen Eliten der Volksrepublik und der Räterepublik, die nicht in der Lage gewesen seien, dies zu verhindern45. Ein anderes, insbesondere für die Periode des kommunistischen Parteistaates charakteristisches Narrativ geht davon aus, dass die Niederlage der mitteleuropäischen kommunistischen Revolutionen und die desintegrative Rolle der nationalistischen Bewegungen der Region von den imperialistischen Siegermächten des Weltkrieges für ihre eigenen Zwecke verwendet und missbraucht wurden46. In den Meisternarrativen der letzten 25 Jahre entwickelte sich Mitteleuropa gleichzeitig sowohl zu einer nationalstaatlichen Region als auch zu einer Pufferzone, womit die Berechtigung der von Frankreich vertretenen Zielsetzung in Frage gestellt wurde, die in den kleinen Staaten das geeignetste Mittel im Kampf gegen Deutschland und die Sowjetunion sahen47. 5. Die Positionen der Public History Erwähnt werden müssen aber auch jene Tendenzen, die dazu führen, dass die akademischen Interpretationen im Alltag von den Narrativen der „öffentlichen Geschichte“ überschrieben werden. Wenn wir von der Definition ausgehen, dass der grundsätzliche Unterschied zwischen der fachlichen, akademischen Historiographie und der „angewandten“ Geschichte (public history) darin besteht, dass die erstere die historischen Prozesse analysiert, die zweite jedoch die den öffentlichen Anforderungen entsprechenden fertigen Antworten bietet, dann ist der Unterschied der Perspektiven und Narrative hinsichtlich der Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg in Ungarn in den letzten 100 Jahren gut sichtbar. Während die wissenschaftlichen Narrative verstärkt komplexe und multikausale Prozesse aufzeigen, bieten die von den Medien und von der Politik propagierten Narrative – die „angewandte“ Geschichte – extrem vereinfachende Antworten an48. Man beschäftigt sich wesentlich weniger damit, welche Rolle die staatsbildenden und territorialisierten Nationalismen der nicht-madjarischen Nationen und Nationalitäten Ungarns bei der Friedenspolitik der Siegermächte spielten. Im Fokus stehen immer wieder Fragen der Verantwortung für die politische und militärische Kapitulation, für die pazifistische Politik bzw. innere und internationale Verrats- und Verschwörungstheorien. Die umstrittene Beziehung der Geschichtsschreibung und der von der Geschichtsbzw. Erinnerungspolitik dominierten public history wurde in den letzten Jahren auch in der ungarischen Historiographie zu einem besonders relevanten Thema49. Es ist kein Szekfű, Három nemzedék [Drei Generationen] 373–375. Galántai, Az első világháború [Der Erste Weltkrieg] 482–485. 47 Gusztáv Kecskés, The East-Central European background of the Trianon peace treaty from the perspective of the French foreign policy; in: Minorities Research 13 (2011) 133–145. 48 Gyáni, Nemzet [Nation] 258–362. 49 Gábor Gyáni, Posztmodern kánon [Der postmoderne Kanon] (Budapest 2003); Ders., Relatív történelem [Die relative Gechichte] (Budapest 2007); Attila Pók, Klios Schuld, Klios Sühne. Politische Wendepunkte und Historie im Karpatenbecken, 1867–2000 (Budapest 2014). 45 46

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Zufall, dass zu den Hauptfragen dieser unendlichen Diskussion die Niederlage im Ersten Weltkrieg, der Zerfall des historischen Ungarischen Königreiches sowie die Suche nach den Ursachen des Friedensvertrages von Trianon zählen. Die wissenschaftliche Historiographie erzielte in erster Linie bei der Erforschung der außenpolitischen Zusammenhänge bzw. der Politik der Großmächte relevante Ergebnisse. So wurden z. B. die entsprechenden französischen Quellen publiziert bzw. die ungarischen Aspekte der britischen und der US-Friedenspolitik analysiert50. Auf der Ebene der angewandten Geschichte gelten insbesondere die militärische Passivität der Ungarischen Volksrepublik zwischen November 1918 und März 1919, die ideologische Sackgasse der kommunistischen Revolution im Jahre 1919, der Pazifismus der Károlyi-Regierung bzw. die politischen Misserfolge der bürgerlich-demokratischen und sozialistischen Regierungen im Bereich der Innen- und Außenpolitik als relevant und werden auch von der Geschichtspolitik besonders thematisiert51. 6. Ethnonationale und ethnozentrische Interpretationen Das zu 90 Prozent von Madjaren bewohnte „Rumpfungarn“, das in Folge der schweren territorialen und demographischen, ethnischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verluste aufgrund des Trianon-Vertrags vom 4. Juni 1920 entstand, konnte und wollte die ungarische Bevölkerung des ungarischen Nationalstaates in der Zwischenkriegszeit nicht akzeptieren. Unter den Bedingungen der 1989 zurückgewonnenen staatlichen Souverenität und der demokratischen Meinungsfreiheit führte dies in der öffentlichen Geschichte zu einer stufenweisen Verstärkung der aus der Zwischenkriegszeit stammenden revisionistischen Interpretation52. 50 Magda Ádám, György Litván, Mária Ormos (Hgg.), Documents diplomatiques français sur ľhistoire du bassin des Carpates 1918–1932. Rédacteur en chef de la série Magda Ádám, 3 Bde. (Budapest 1995–2010); György Litván, Trianon felé. A győztes nagyhatalmak tárgyalásai Magyarországról (Paul Mantoux tolmácstiszt feljegyzései) [Die Verhandlungen der Siegermächte über Ungarn. Aufzeichnungen des Dolmetschers und Offiziers Paul Mantoux] (Budapest 1998). 51 Diese Diskussionen konzentrierten sich in erster Linie auf die Rolle von Ministerpräsident, dann kurzfristig bis 21. März 1919 Präsident der ersten ungarischen Republik, Mihály Károlyi bzw. auf jene des Volkskommissars für Außenpolitik der Räterepublik, Béla Kun. Vgl. György Borsányi, The Life of a Communist Revolutionary, Béla Kun (= East European Monographs 263, Boulder, Colo. 1993); zur KárolyiFrage siehe Tibor Hajdu, Ki volt Károlyi Mihály? [Wer war Mihály Károlyi?] (Budapest 2012) 101–129; Konrád Salamon, Az őszirózsás forradalomról és az első köztársaságról. Harag és elfogultság nélkül [Über die Asternrevolution und die Erste Republik. Ohne Hass und Vorurteil (Budapest 2012) 145–152; Raffay, Magyar tragédia [Ungarische Tragödie] 78–80. 52 So z. B. Miklós Patrubány (Red.), „Hogyan történhetett?!“ Kiáltvány Trianon 90. évfordulóján. A trianoni békeparancs 90. évfordulójára kiadott emlék-CD szövegkönyve (Trianon olvasókönyv) [„Wie konnte das geschehen?“ Manifest zum 90. Jahrestag von Trianon. Textbuch der Erinnerungs-CD, ausgegeben zum 90. Jahrestag des Friedensdiktates von Trianon. Trianon-Lesebuch] (Budapest 2010). Zu den Erscheinungen des zunehmenden Neonationalismus vgl. Margit Feischmidt, Populáris emlékezetpolitikák és az újnacionalizmus: a Trianon-kultusz társadalmi alapjai [Populäre Erinnerungspolitik und der Neonationalismus: Die gesellschaftlichen Grundlagen des Trianon-Kultes]; in: Dies., Rita Glózer, Zoltán Ilyés, Veronika Katalin Kasznár, Ildikó Zakariás, A nemzet mindennapokban. Az újnacionalizmus populáris kultúrája [Die Nation im Alltag. Die populäre Kultur des Neonationalismus] (Budapest 2014) 51–82.

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Dabei lag die Betonung der ungarischen Interpretation des Zerfallsprozesses von Anfang an vor allem auf der Problematik der ethnischen Struktur des historischen ungarischen Staates und auf den nationalen Verhältnissen der „abgetrennten“ Gebiete. In Folge der im Vertrag von Trianon festgelegten Grenzen verblieben fast drei Millionen Ungarn in den benachbarten Ländern. All diese Verluste und die Minderheitenrechte der madjarischen nationalen Volksgruppen spielen in der öffentlichen Meinung Ungarns bis heute eine zentrale Rolle und relativieren damit die Rolle anderer relevanter Elemente der Transformation der Region in multiethnische Nationalstaaten. In der ungarischen öffentlichen Meinung wurde in erster Linie die ethnische Ungerechtigkeit der Grenzziehungen aufgegriffen. Man wollte lange nicht akzeptieren, dass in Folge der Ausgliederung jener Nationalitäten, die in der Habsburgermonarchie und im Ungarischen Königreich keine dominante Rolle gespielt hatten, diese nunmehr durch die Realisierung der nationalen Selbstbestimmung in die Klasse der staatrechtlich gleichwertigen Nationen eintreten konnten53. Mit Unterstützung der Siegermächte wurden die multiethnisch strukturierten neuen Nationalstaaten, unter anderem die Tschechoslowakei, Rumänien und das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gegründet. Die kritische Einstellung gegenüber der Friedenspolitik der Siegermächte auch in der akademischen Geschichtsschreibung legt die Betonung immer wieder auf die der Versailler Friedensordnung immanente Ambivalenz. Dies vor allem deshalb, weil die Öffentlichkeit Ungarns in erster Linie der Zerfall des historischen Staates, die territorialen Verluste und die Thematik der außerhalb der Staatsgrenzen lebenden ungarischen Minderheiten beschäftigten. Aus diesem Grund wird die Staatsordnung Mitteleuropas in der Zwischenkriegszeit bis heute von vielen ungarischen Historikern/Historikerinnen als Fehlentwicklung betrachtet, und auch in den staatenrechtlichen und territorialen Änderungen Osteuropas nach 1989 sieht man häufig vor allem die Korrektur dieser Staatsordnung. Der enge Zusammenhang zwischen dem Trianon-Komplex und der fehlenden Selbstkritik und realistischen Denkweise in Bezug auf die neue staatsrechtliche Situation hat viele negative Folgen: „Die Schuld für Trianon, die auch in den Fehlern der ungarischen Eliten der Zeit vor 1918 hätte gesucht werden müssen, wurde einfach auf eine ‚jüdische‘, liberal-bolschewistische Verschwörung zurückgeführt. Die ungarische Gesellschaft hat sich leider für diese primitive Propaganda sehr offen gezeigt“54. In Bezug auf unser Thema sind diese bis heute andauernden Diskussionen in Ungarn ein guter Beweis dafür, dass die fachliche und akademische bzw. die populistische und politische Dimension getrennt behandelt werden. So war es zwischen den beiden Weltkriegen, seit den 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts in der späten Ära Kádár sowie 53 Zur Argumentation der ungarischen Friedensdelegation in Paris unter der Führung von Graf Albert Apponyi vgl. Miklós Zeidler (Hg.), A magyar békeküldöttség naplója. Neuilly – Versailles – Budapest 1920 [Tagebuch der ungarischen Friedensdelegation. Neuilly – Versailles – Budapest 1920] (Budapest 2017). 54 Vgl. von Klimó, Trianon und „1956“; Gábor Gyáni, Nacionalizmus és a történetírói diskurzus [Nationalismus und der Diskurs der Geschichtsschreibung]; in: Ders., Posztmodern kánon [Der postmoderne Kanon] 60–80, hier 71–73; Romsics, Helyünk és sorsunk [Unser Platz und Schicksal]; Boros, Trianon revíziója [Revision von Trianon].

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in den letzten 25 Jahren. Im günstigen Fall ist es den Historikern und Historikerinnen gelungen, wenigstens für eine kurze Zeit das Verständnis der politischen Elite in Bezug auf die Geschichte zu beeinflussen. Ein gutes Beispiel dafür waren in der Zeit Horthys die Werke und Interpretationen von Gyula Szekfű, in der späten Ära Kádár diejenigen von Péter Hanák, Mária Ormos oder Domokos Kosáry. Die letzteren spielten auch nach der Wende eine bedeutende Rolle. Das erklärt im Hinblick auf die Trianon-Problematik zum Teil, warum es zu keinem „ungarischen Historikerstreit“ kam. In den gegenwärtigen Trianon-Diskursen nimmt vor allem Ignác Romsics, Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, eine zentrale Rolle ein. Er ist Autor wichtiger Synthesen, Monographien und Studien, sowie Redakteur mehrerer Sammelbände zu dieser Thematik55. Seit 2016 arbeitet am Institut für Geschichte der Ungarischen Akademie der Wissenschaften eine spezialisierte Forschungsgruppe – „Trianon 100“ – unter der Leitung von Balázs Ablonczy an dieser Thematik, mit dem Ziel, die Gesamtproblematik aus unterschiedlichen Perspektiven einer Überprüfung zu unterziehen56. 7. Postmoderner Kanon, Pluralität der Interpretationen und die neuen Narrative Diese Hinweise sind notwendig, um zu verstehen, dass zum Zerfall des historischen Ungarischen Staates, zu dessen Ursachen und Zusammenhängen im mitteleuropäischen Kontext heute mehr denn je gleichzeitig unterschiedliche Narrative existieren. Die Ursachen und Prozesse die zum Zerfall des „tausendjährigen“ ungarischen Staates führten, beruhen auf unterschiedlichen Erinnerungen und historischen Perspektiven. Die Einseitigkeiten, die sich aus der Vorgangsweise der Großmächte im Rahmen der Friedensvorbereitung und selbst im Friedensvertrag ergaben – beispielweise die strikte Ablehnung der ungarischen Ansprüche bezüglich eines Referendums oder die Abtrennung von ethnisch kompakten ungarischen Regionen im Zeichen der Grenzziehungen –, haben verhindert, dass die ungarische Gesellschaft das „Urteil“ von Trianon als ein Urteil im Interesse der universellen, europäischen Werte und der nationalen Selbstbestimmung überhaupt annahm bzw. annimmt57. 55 Ignác Romsics, Nemzet, nemzetiség és állam Kelet-Közép- és Délkelet-Európában a 19. és 20. században [Nation, Nationalität und Staat in Ostmittel-Europa im 19. und 20. Jahrhundert] (Budapest 1998); ders., A trianoni békeszerződés [Der Trianoner Friedensvertrag] (Budapest 2007); ders., Történelem, történetírás, hagyomány [Geschichte, Geschichtsschreibung, Tradition] (Budapest 2008); ders., Magyar sorsfordulók 1920–1989 [Ungarische Schicksalswende] (Budapest 2012); ders., Mítoszok, legendák, tévhitek a 20. századi magyar történelemről [Mythen, Legenden und Irrglauben über die ungarische Geschichte im 20. Jahrhundert] (Budapest 2002). 56 Zu den Zielsetzungen und ersten Ergebnissen der Forschungsgruppe siehe die Webseite: http:// trianon100.hu. 57 Neben den bereits erwähnten Werken vgl. auch Lajos Ardai, Térkép, csata után. Magyarország a brit külpolitikában 1918–1919 [Die Landkarte nach der Schlacht. Ungarn in der britischen Außenpolitik 1918–1919] (Budapest 1990); József Galántai, A trianoni békekötés 1920 [Der Friedensvertrag von Trianon 1920] (Budapest 1990); ders., Trianon és a kisebbségvédelem [Tiranon und der Minderheitenschutz] (Budapest 1989); István Diószegi, A hatalmi politika másfél évszázada [Eineinhalb Jahrhunderte

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Dementsprechend sind auch die akademischen historischen Interpretationen unterschiedlich. Die von der Regierungs- und der Parteipolitik dominierte „öffentliche“ oder „angewandte“ Geschichte versucht von Zeit zu Zeit, ihren eigenen ideologischen und Machtinteressen entsprechende Narrative zu kanonisieren und diese auf eine „offizielle“ erinnerungspolitische Ebene zu heben58. In Bezug auf die Interpretation der Veränderungen in Mitteleuropa bzw. Ungarn während und nach dem Ersten Weltkrieg ist heute noch eine „Polyphonie“ wahrnehmbar. Die Skala reicht von professionellen, sehr fundierten und rationalen, kritischen Auffassungen über die „Großungarn-Nostalgie“ bis zu pro-revisionistischen, nationalistischen Meinungen in manchen historischen Werken. Selbst der akademische Diskurs stellt sich sehr differentiert dar: betont nationalistische Interpretationen sind ebenso vorhanden wie diskursorientierte Werke, die auch die Ergebnisse der internationalen Historiographie berücksichtigen und die von Zeit zu Zeit auch in nicht-ungarischer Sprache veröffentlicht werden. In der Periode des Spät-Kádárismus entwickelten sich mit der zehnbändigen „Geschichte Ungarns“59 und der dreibändigen Geschichte Siebenbürgens60 mehr oder weniger jene ungarischen historischen Meisternarrative, die im Hinblick auf den Zeitraum bis 1918 größtenteils bis heute als gültig betrachtet werden. In den letzten 25 Jahren erschienen in einer großen Anzahl vor allem Arbeiten, die die Friedenskonferenz von Paris thematisieren. Aufgrund einer neuen und internationalen Quellenbasis und durch Anwendung komparativer Methoden entstanden neue Monographien. Zusätzlich erschienen viele Sammelbände und Studien61. Diese führten einerseits neue Themen in den Diskurs ein, andererseits öffneten sie auch die Tür in Richtung der Historiographie der benachbarten Länder. Heute findet man nicht nur ungarische, sondern auch ungarisch–rumänische, ungarisch–slowakische, ungarisch–ukrainische und ungarisch–serbische Werke, die sich mit dem Zusammenbruch und dem Friedensvertrag von Trianon befassen62. der Machtpolitik] (Budapest 1994); István Majoros, Mária Ormos, Európa a nemzetközi küzdőtéren [Europa in der internationalen Arena] (Budapest 1998). 58 Zum Streit über den dominanten Kanon der ungarischen Geschichte, vor allem der Zeitgeschichte vgl. Gyáni, Posztmodern kánon [Der Postmoderne Kanon] 79–85; ders., Nemzet [Nation] 367–373; ders., Kánon, ellenkánon és politikai megfelelés [Kanon, Gegenkanon und die politische Opportunität]; in: Iván Zoltán Dénes (Hg.), A magyar történetírás kánonjai [Der Kanon in der ungarischen Geschichtsschreibung] (Budapest 2015) 19–39. 59 Als erster Teil der unvollendeten marxistischen historischen Synthese erschien 1976 der Doppelband über die Revolutionsjahre 1918/19 bzw. die Zwischenkriegszeit. Vgl. György Ránki (Hg.) Magyarország története [Geschichte Ungarns] 8: 1918–1919, 1919–1945 (Budapest 1976) 360–363, 421–426. 60 Vgl. hierzu Band III des dreibändigen Werkes von Zoltán Szász (Hg.), Erdély története III: 1830tól napjainkig [Die Geschichte Siebenbürgens 1830 bis heute] (Budapest 1986). Die englische Ausgabe unter dem Titel: History of Transylvania III: From 1830 to 1919 (= East European Monographs 599, Boulder, Colo. – New York 2002) 793–796. 61 Bibliographischer Überblick über die wichtigsten Quelleneditionen und zur Fachliteratur bei Dániel Szabó, Válogatott történeti bibliográfia [Ausgewählte historische Literatur]; in: Ders. (Hg.), Az első világháború – Nemzet és emlékezet [Der Erste Weltkrieg – Nation und Erinnerung] (Budapest 2009) 823–832; siehe auch die ausgewählte historische Bibliographie zu Trianon in der kritischen Quellenedition von Zeidler, Trianon 905–927. 62 Cornel Grad, Viorel Ciubota (Red.), 1918. Sfârșit și început de epocă. Korszakvég – korszakkezdet / The End and the Beginning of an Era (Satu Mare 1998); Miroslav Michela, László Vörös, Rozpad

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Die ungarischen Interpretationen der untersuchten drei historischen Perioden sind natürlich wesentlich komplexer als dass sie chronologisch eindeutig definiert werden könnten. Innerhalb dieser Diskurse führen jene Diskussionen ein Eigenleben, die mit den beiden bedeutendsten historischen Persönlichkeiten der Umbruchsjahre verbunden sind. Die wichtigste Rolle spielt dabei Ministerpräsident István Tisza, und zwar vom Beginn seiner Regierung 1913 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges63. Als dominierendem Politiker der Kriegsperiode kam ihm im gemeinsamen Ministerrat der Habsburgermonarchie, in der Außen- und militärischen Politik des Landes bis April 1917 eine relevante Rolle zu. Dadurch, dass er die Niederlage der Monarchie und Ungarns im Parlament in Budapest am 17. Oktober 1918 sowohl aus strategischer als auch aus taktischer Sicht vorzeitig erklärte, trug er zu den chaotischen politischen und militärischen Zuständen in der Zeit bis zum Waffenstillstand in großem Maße bei. Im Juli 1914 vom Publikum gefeiert, wurde er am Ende des Weltkrieges als Verursacher des Kriegselends und als Symbol des Weltkrieges von Soldaten ermordet. Auf diese Weise wurde er zum Opfer und Märtyrer des Zusammenbruchs – die Verantwortung und die Rolle des Sündenbocks ging auf Mihály Károlyi über64. Der erste Ministerpräsident und spätere Präsident der Ungarischen Volksrepublik (1918–1919) war der zweite Hauptakteur in der Endphase des Ersten Weltkrieges65. In der chaotischen Zeit nach dem militärischen Zusammenbruch, als immer größere Teile des Gebietes des historischen ungarischen Staates – aufgrund der Zusagen der Entente während des Krieges – von der tschechoslowakischen, rumänischen und „jugoslawischen“ Armee besetzt wurden, setzte Károlyi seine Hoffnung auf den „Wilsonismus“, den Pazifismus und auf einen Verhandlungsfrieden. Als sich seine Hoffnung, dass Ungarn zur Friedenskonferenz eingeladen würde als falsch erwies, war er als eine Art ungarischer Kerensky unfähig, den Sieg und die Machtübernahme der bolschewistischen Revolution zu verhindern66. Die Beurteilung des Systems der Ungarischen Uhorska a trianonská mierová zmluva : k politikám pamäti na Slovensku a v Maďarsku [Die Auflösung Ungarns und der Friedensvertrag von Trianon. Zur Erinnerungspolitik in der Slowakei und in Ungarn] (Bratislava 2013). 63 Gábor Vermes, István Tisza: The Liberal Vision and Conservative Statecraft of a Magyar Nationalist (New York 1985) 187–193; László Tőkéczki, Tisza István eszmei, politikai arca [Die Ideale und das politische Gesicht von István Tisza] (Szentendre 2000) 214–229; Iván Bertényi, A gyűlölt Tisza István [Der verhasste István Tisza]; in: Kommentár 5 (2011), siehe: http://kommentar.info.hu/iras/ 2011_5/a_gyulolt_tisza_istvan (4. 3. 2016); Zoltán Maruzsa, Tisza István külpolitikai koncepciója az I. világháború végé [Die außenpolitische Konzeption von István Tisza am Ende des Ersten Weltkrieges], siehe: http://kommentar.info.hu/iras/2011_5/tisza_istvan_ kulpolitikai_ koncepcioja_az_i_vilaghaboru_vegen (4. 3. 2014). Iván Bertényi Jr. (Hg.), (Hg.), Tisza István, két korszak határán [István Tisza, an der Grenze zweier Epochen] (Budapest 2016) 20–27. 64 Salamon, Az őszirózsás forradalomról [Asternrevolution] 15–17; Zoltán Szász, Tisza István – a háború jelképe [István Tisza – das Symbol des Krieges]; in: História 30/9 (2008) 5–8; http://www.historia. hu/userfiles/ files/2008–09/Szasz1.pdf (4. 3. 2016); Iván Bertényi Jr., A gyűlölt Tisza István [Der gehasste István Tisza]; in: Kommentár 2011/5; siehe: http://kommentar.info.hu/iras/2011_5/a_gyulolt_tisza_istvan. 65 Hajdu, Károlyi Mihály 90–126; Mária Ormos, Károlyi Mihály – a bűnbak [Mihály Károly – der Sündenbock]; in: História 30/9 (2008) 18–20; Pók, A haladás hitele [Kredit des Fortschritts] 69–71. 66 Salamon, Az őszirózsás forradalomról [Asternrevolution] 133–146.

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Räterepublik, das der Regierung Károlyis folgte, änderte sich natürlich ebenfalls in vieler Hinsicht. Die Tatsache, dass das Land damals extrem negativ beurteilt wurde, ist mit den 133 Tagen der Räterepublik und den innen- und außenpolitischen Maßnahmen der roten Diktatur zu erklären67. 8. Zum Verhältnis von Historiographie und Erinnerungspolitik In der aktuellen ungarischen Historiographie verlieren die fatalistischen Interpretationen langsam an Bedeutung. Die Großmachtpolitik, die nationalen und strategischen Ursachen der geopolitischen Veränderungen in Mitteleuropa zwischen 1918 und 1920 werden von der Mehrheit der ungarischen Historiker/Historikerinnen als realer Kontext jener Prozesse akzeptiert, die zum Zerfall des Ungarischen Königreiches führten. Mitteleuropa, „die dritte historische Region“ des Kontinents, erlebte am Anfang des 20. Jahrhunderts, dem Willen der Siegermächte bzw. der Pariser Friedenskonferenz entsprechend und unter deren Aufsicht radikale Veränderungen. In Zusammenhang damit gewannen auch die mitteleuropäischen nations- und staatsbildenden Nationalismen an Bedeutung. Die Verwirklichung der Bestrebungen der nicht-dominanten Nationen der Monarchie und Ungarns zur Selbstbestimmung wurde von den Siegermächten als taugliches Mittel für die Pazifizierung und Konsolidierung der Region betrachtet. Letztere diente gleichzeitig auch als Instrument zur langfristigen Bewältigung der Probleme von „Zwischen-Europa“, jener Region zwischen Deutschland und Sowjetrussland, die vorübergehend zwar auf der Seite der Verlierer war, auf längere Sicht jedoch ein großes Aggressionspotenzial verkörperte. Einleitend wurden bereits die Debatten der public history erwähnt, die zu einem wesentlichen Teil die politischen Diskussionen in Ungarn sowie auch die neuen Formen der Medien hervorbrachten. In beiden Dimensionen sind mehrere Narrative des Zusammenbruchs bzw. des Vertrags von Trianon festzustellen. Während die akademische Historiographie versucht, die Vorgeschichte und den regionalen Kontext des Zerfalls des historischen ungarischen Staates zu betonen und dabei auch dessen sozio-historische, innenpolitische und internationale Zusammenhänge zu berücksichtigen, gilt in der öffentlichen Geschichte zunehmend eine andere Logik. Hier werden die Ursachen bzw. die Verursacher der „Trianoner Katastrophe“ nicht in der komplexen innen- und außenpolitischen Vorgeschichte des Zerfalls gesucht, sondern es wird – ausgehend von der Logik der Sündenbock-Theorie – nach den für die äußere und innere Politik Verantwortlichen gesucht, die die Schuld an der Aufteilung „Großungarns“ tragen68.

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69–74.

Ebd. 147–152; Hajdu, Károlyi Mihály 120–126; Pollmann, Trianon felé [Richtung Trianon]

68 Ernő Raffay, Szabadkőművesek Trianon előtt [Die Freimauer vor Trianon] (Budapest 2010). Der Herausgeber fasste in einem Interview die widersprüchlichen Schlussfolgerungen seines Buches in mehreren Punkten zusammen: „Es kann nicht behauptet werden, dass die ungarischen Freimaurer die Zerstückelung Groß-Ungarns wollten oder vorbereitet hätten. Nein! Sie wollten die Staatsmacht voll und ganz in ihre Hände nehmen, aber das wünschten sie vergeblich mit einer erfolglosen, schlechten Innen- und Außen-

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Zusammenfassend können wir den Zerfall des multiethnischen Ungarischen Königreiches als komplexes und multikausales Phänomen bewerten. Es waren dabei sowohl die Konflikte der betroffenen Nationen, die Interessen der Siegermächte, die Folgen der militärischen Niederlage der Monarchie als auch die Aspekte der nationsund staatsbildenden Nationalismen der Region gleichzeitig ausschlaggebend. In den Werken der wichtigsten ungarischer Historiker/Historikerinnen finden sich derartige rationale historische Interpretationsmuster und Perspektiven, die den „großen Krieg“ und die in Folge des Krieges ausgebrochenen Revolutionen sowohl in nationaler als auch in internationaler Hinsicht als gleich relevante Faktoren betrachten. Die großen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg waren nach dieser Interpretation zugleich bedingt durch tiefgreifende historische Tendenzen und die Interessen der GroßmächtePolitik sowie durch die nationalstaatlichen Bewegungen, die die Realisierung dieser Tendenzen beeinflussten69. In der Donaumonarchie und deren unmittelbarer Nachbarschaft traten nach 1867 parallel mit den Modernisierungstendenzen immer stärker auch regionale und nationalistische Konflikte auf. Die Folgen der Eskalation dieser Bewegungen während der Kriegsjahre ermöglichten es der Entente, die Auflösung der Habsburgermonarchie und des Königreiches Ungarn diplomatisch und militärisch vorzubereiten. Die am besten ausgereiften historiographischen Analysen betonen neben dem innenpolitischen und nationalistischen Kontext auch die internationalen Zusammenhänge und die wiederkehrenden Neuinterpretationen dieser Frage. Die wissenschaftlichen Narrative und die Narrative der public history der letzten 25 Jahre haben – obwohl sie zumeist in Konkurrenz zueinander standen –, die „depravative“ Interpretation der staatsrechtlichen Änderungen nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg gegenseitig verstärkt. Die aufgrund von historischen Quellen rekonstruierbaren Prozesse der Veränderungen im Nachkriegs-Mitteleuropa sind in den ethnozentrischen Kontexten der besiegten Länder oft jenen öffentlich-geschichtlichen Perspektiven ähnlich, welche das eigene Narrativ auf einer Gewissheit der Niederlage und des Verlusts aufbauen. Der Unterschied kann in der Qualität der Bildung, der Argumentation und in den Zielen dieser Narrative begriffen werden. Romsics wies darauf hin, dass „die Ungarn den Friedensvertrag von Trianon bzw. den diesen 1947 ersetzenden Pariser Friedensvertrag mit vollem Recht als ungerecht betrachten“. Daraus folgt jedoch seiner Meinung nach im politischen Kontext nur, dass die ungarischen Minderheiten berechtigt sind, das Recht politik zu erreichen. Weder ihre liberalen Ansichten, noch ihre weltumspannend ausgerichtete kommunistische Ideologie, zumindest aber die Erweiterung Osteuropas verhalfen ihren Plänen zum Erfolg. Die Logen der Entente-Staaten hielten übrigens schon im Sommer 1917 eine geheime Konferenz ab auf der sie über das Schicksal der Welt disponierten. Dort ertönte, dass Frankreich Elsaß-Lothringen zurückerhalten müsse, ein unabhängiges Polen geschaffen, der unabhängige tschechische Staat wieder hergestellt werden müsse, ebenso die Verwaltungs-Freiheit (Autonomie) der unterdrückten Völker der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Man kann daher sehen, dass bereits im Sommer 1917 das tragische Friedensdiktat der Ungarn vollendet war. Ich betone nachdrücklich, dass das alles nicht mein subjektiver Standpunkt ist. Dies kann man aus den im Archiv gefundenen Sitzungsprotokollen der Freimaurer deutlich herauslesen!“ Vgl. A szabadkőművesek Trianon hátterében? [Der Freimaurer-Hintergrund von Trianon]: http://www.ankk. hu/rolunk/legkedvesebb-emlekeink/77-a-szabadkmvesek-trianon-hattereben (letzter Zugriff: 10. 07. 2014). 69 Romsics, Osztrák-Magyar Monarchia [Österreichisch-ungarische Monarchie] 26–29.

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Die Reduktion Ungarns

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zur Selbstverwaltung zu fordern. „Mehr als dies zu hoffen ist jedem Anzeichen nach eine Illusion, mehr zu fordern eine Unbedachtsamkeit.“ 70 Die ungarische Geschichte wird heute also von unterschiedlichen Grundeinstellungen bzw. Perspektiven aus geschrieben; es finden sich Beispiele sowohl für nationale und ethnozentrische, transnationale und antinationalistische Perspektiven als auch für mitteleuropäische, komparative oder gesamteuropäische Narrative. Die Frage lässt sich nur schwer entscheiden, welche davon von der Gesellschaft stärker angenommen werden bzw. welche Narrative von der jeweiligen Regierung eine stärkere geschichtspolitische Unterstützung bekommen. Die erinnerungspolitischen Diskussionen um das Zentenarium des Ersten Weltkrieges und des Friedensvertrags von Trianon können bei der Klärung der „Machtverhältnisse“ helfen. Der europäische Kontext, die regionalen Zusammenhänge und die Einbettung der ungarischen Nationalgeschichte können – ohne Folgen – von keiner der genannten Richtungen oder Auffassungen überschrieben werden.

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Ders., Trianoni békeszerződés [Friedensvertrag von Trianon] 237.

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C. Inszenierte Loyalitäten: Tschechische Deutungen der Habsburgermonarchie und des tschechoslowakischen Nationalstaats am Ende des Weltkrieges von Martin Schulze Wessel Jörn Leonhard hat unlängst eine Geschichte des Ersten Weltkrieges vorgelegt, die zu dem Fazit gelangt, dass es in diesem Krieg keine Gewinner gab. Am Ende sei der Krieg selbst der Gewinner gewesen. Mit Blick auf die enormen Kriegsverluste, mit denen der Krieg an allen Fronten für alle Beteiligten verbunden war, erscheint es durchaus plausibel, die bellizistische Rhetorik des Gewinnens und Siegens in Frage zu stellen und als Täuschung zu entlarven1. Doch muss man in Bezug auf die Tschechoslowakei wie auch für Polen, die baltischen Staaten, Rumänien und Jugoslawien feststellen: Neugegründet, wiedergegründet oder erheblich vergrößert, waren diese Staaten als Folge des Weltkrieges Sieger. Dass auch sie erhebliche Lasten aus dem Krieg zu tragen hatten – etwa im Bereich der Veteranenversorgung – ändert nichts an dieser Tatsache2. In der Tschechoslowakei drehte sich der wichtigste geschichtspolitische Streit um die Frage, wem der Sieg in erster Linie zuzuschreiben sei: Dieser Konflikt wurde zwischen dem konservativen Flügel der Nationaldemokratie um Karel Kramář einerseits und dem politischen Lager um den Staatspräsidenten Tomáš G. Masaryk, die sogenannte „Burg“, ausgetragen. Letztere vertraten die These, dass die Errichtung einer unabhängigen Tschechoslowakei vor allem der politischen Emigration, also Masaryk selbst und seinem Außenminister Edvard Beneš sowie den im Ausland agierenden tschechoslowakischen Legionen, zu verdanken sei. Sie konnten darauf verweisen, dass die Anerkennung des tschechoslowakischen Staates durch die Entente auf die diplomatischen Anstrengungen der politischen Emigration im Weltkrieg zurückzuführen war. Die tschechoslowakischen Legionen waren aus tschechischen und slowakischen Kriegsgefangenen in Russland aufgestellt worden. In der Russischen Revolution wurden sie auf dem Weg über Sibirien, wo sie kurzzeitig eine bedeutende Rolle im russischen Bürgerkrieg spielten, nach Westeuropa verlegt und galten dort als das reale Machtmittel, das die tschechische Politik in das Tauziehen um die Nachkriegsordnung einbringen konnte. Demgegenüber verteidigte das Lager der Nationaldemokratie die Rolle des Heimatwiderstandes, also jener Politiker, die während des Krieges in den böhmischen

Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs (München 2014). Vgl. Natali Stegmann, Kriegsdeutungen – Staatsgründungen – Sozialpolitik. Der Helden- und Opferdiskurs in der Tschechoslowakei 1918–1948 (München 2010). 1 2

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Ländern geblieben waren und zum Teil politische Verfolgung erdulden mussten. Dies betraf Karel Kramář selbst und Alois Rašín; beide Reichsratsabgeordneten waren während des Krieges unter dem Vorwurf des Verrats zum Tode, später zu Haftstrafen verurteilt worden. Auf diesen Opfermythos konnte sich der Inlandswiderstand stützen, während der Auslandswiderstand seine Autorität aus der Weltläufigkeit Masaryks und Beneš’, dem Erfolg ihrer Diplomatie und dem militärischen Mythos der Legionäre bezog3. Wer den Krieg gewonnen und den neuen Staat herbeigeführt hatte, war also umstritten. Eng mit diesem Streit verbunden war eine Differenz im Modus des Geschichtsdenkens. Während sich Kramář und sein nationaldemokratisches Umfeld an konservativen Positionen in der tschechischen Geschichtswissenschaft orientierten, welche die Quellenkritik und eine positivistische Geschichtsauffassung propagierten, sah sich Masaryk in der Linie der progressiven tschechischen Geschichtsdeutung, die Historiographie mit einer emanzipativen Philosophie verband, verpflichtet4. Am Ende des Ersten Weltkrieges traten diese Differenzen deutlich hervor. Unterschiede in den Semantiken des Inlandsund des Auslandswiderstandes ergaben sich im Krieg aber auch aus den verschiedenen Logiken, denen Akteure des nationalen Widerstandes in der Habsburgermonarchie selbst und in den Entente-Staaten unterlagen. Während der Auslandswiderstand frei von politischer Repression die Kontakte zu den diplomatischen Zentren in Paris, London und Washington pflegte, war der Inlandswiderstand an die politischen Bedingungen in der Habsburgermonarchie gebunden. 1. Der Inlandswiderstand Dass die Tschechen im Ersten Weltkrieg gegenüber der Habsburgermonarchie von Anfang an illoyal gewesen seien, ist ein Stereotyp, das durch die Forschung überzeugend widerlegt ist5. In Bezug auf die innere Entwicklung in den böhmischen Ländern

3 Martin Zückert, Der Erste Weltkrieg in der tschechischen Geschichtsschreibung 1918–1938; in: Christiane Brenner, K. Erik Franzen, Peter Haslinger, Robert Luft (Hgg.), Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Wissenschaftstraditionen – Institutionen – Diskurse (= Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 28, München 2006) 61–75; Jan Galandauer, Vzník Československé Republiky 1918 : programy, projekty, perspektivy [Die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik 1918. Programme, Projekte, Perspektiven] (Praha 1988); František Kutnar, Jaroslav Marek, Přehledné dějiny českého a slovenského dějepisectví. Od počátku národního kultury až do sklonku třicátých let 20. století [Überblick der Geschichte der tschechischen und slowakischen Geschichtsschreibung. Von den Anfängen der nationalen Kultur bis zum Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts] (Praha 1997); Ferdinand Peroutka, Budování státu [Die Errichtung des Staates], 2 Bde. (Praha 2003); Natali Stegmann (Hg.), Die Weltkriege als symbolische Bezugspunkte: Polen, die Tschechoslowakei und Deutschland nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg (Praha 2009). 4 Miloš Havelka (Hg.), Spor o smysl českých dějin. 1895–1938 [Der Streit um den Sinn der tschechischen Geschichte] (Praha 1995). 5 Ivan Šedivý, Češi, české země a Velká válka 1914–1918 [Die Tschechen, die böhmischen Länder und der Große Krieg 1914–1918] (Praha 2001); Otto Urban, Die tschechische Gesellschaft 1848 bis 1918, 2 Bde. (= Anton Gindely Reihe zur Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas 2, Wien – Köln – Weimar 1994).

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sind aber seit 1917 eine Lösung der Loyalität von der Habsburgermonarchie und die Orientierung von Loyalität hin zur tschechischen bzw. tschechoslowakischen Nation festzustellen. Dieser Prozess wurde in einem Wechselspiel von Sprechakten zunächst von Vertretern der tschechischen Kulturnation und dann auch von Vertretern der politischen Nation vorangetrieben. Wesentliche Charakteristika des Bildes der Habsburgermonarchie, die in der Nachkriegszeit lange fortwirkten, wurden in dieser Neuorientierung kultureller und politischer Loyalitäten geprägt. Als Vertreter der politischen Nation der Tschechen kann man den im November 1916 gegründeten „Tschechischen Verband“ [Český svaz českých poslanců na říšské radě] betrachten, der die tschechischen Abgeordneten im österreichischen Reichsrat zusammenfasste. Dieser gab noch im Jänner 1917 eine Loyalitätsadresse gegenüber der Monarchie ab6. Der Loyalitätsakt des „Tschechischen Verbandes“ – und nicht die Kriegspolitik der Habsburgermonarchie selbst – war es, der im Mai 1917 222 tschechischen Schriftstellern den Anlass bot, sich zu Wort zu melden. Sie warfen den tschechischen Abgeordneten des Reichsrates mangelnde Standhaftigkeit vor. Erst als sich die Habsburgermonarchie in Folge der Verschlechterung der Kriegslage genötigt sah, nach einem Ausgleich mit ihren Nationalitäten zu streben, eröffnete sich auch für den „Tschechischen Verband“ und den neugegründeten „Tschechoslowakischen Nationalausschuss“ [Národní výbor československý] die Möglichkeit, öffentlich Positionen zu verkünden, die auf Autonomie bzw. Unabhängigkeit abzielten. Dabei kamen ganz unterschiedliche Gesichtspunkte zusammen: Zunächst stand die Kategorie des Rechts im Vordergrund. Am 6. Jänner 1918 verabschiedeten die tschechischen Reichsratsabgeordneten, die tschechischen Abgeordneten der Landtage in den böhmischen Ländern sowie einige Vertreter des tschechischen kulturellen Lebens die sogenannte Dreikönigsdeklaration [Tříkrálová deklarace]. Darin machten sie das historische Staatsrecht der Tschechen geltend und forderten einen eigenen Staat, der um die „Siedlungsgebiete“ des „slowakischen Zweiges“ der tschechischen Nation zu ergänzen sei. Mit Bezug auf die Postulate der Oktoberrevolution in Russland forderte die Deklaration das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Der offizielle österreichische Standpunkt, dass die Frage der Selbständigkeit in jedem Land einzeln auf dem Weg einer Verfassungsreform entschieden werden sollte, wurde als unzureichend bezeichnet. Für die Loyalitätsproblematik ist es sehr aufschlussreich, dass die Deklaration an dieser Stelle argumentierte, dass der österreichische Vorschlag „nach unseren unzähligen bitteren Erfahrungen“, die man mit dem Kaiserstaat gemacht habe, nichts anderes als die glatte Ablehnung des Selbstbestimmungsrechtes bedeute. Das nötige Vertrauen in den möglichen Empfänger von Loyalität war aus der Sicht der tschechischen Abgeordneten aufgebraucht, daher schien der österreichische Vorschlag, der an sich einen Weg zur Selbständigkeit eröffnete, unannehmbar. 6 Noch am 24. Jänner 1917 sandte der „Tschechische Verband“ dem österreichischen Ministerpräsidenten Heinrich Clam-Martinic eine Erklärung, in der er die Nichteinberufung des Parlaments nur deshalb bedauerte, weil den tschechischen Abgeordneten so keine Gelegenheit gegeben sei, die Loyalität der tschechischen Nation gegenüber dem Reich und der Dynastie zu manifestieren. Vgl. Peroutka, Budování státu [Errichtung des Staates] I 9.

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Ein weiterer Gesichtspunkt der Deklaration war der kulturelle Reifegrad der tschechischen Nation. Selbständigkeit war Ehrensache. Entsprechend hieß es in der Dreikönigsdeklaration: „Durchdrungen von dem heißen Wunsche, es [das tschechische Volk, MSW] möge in freiem Wettbewerbe mit den anderen freien Völkern (…) beitragen zu dem neuen großen Aufschwunge der Menschheit (…)“, fordere man einen eigenen Staat, der als Voraussetzung für den ehrenhaften Wettbewerb mit anderen Nationen galt7. Eine weitere Legitimation bezog die Unabhängigkeitsbewegung aus dem Krieg selbst. Dieser Gesichtspunkt kam insbesondere in einem feierlichen Schwur zum Ausdruck, den tschechische Künstler und Literaten am 13. April 1918 dem tschechoslowakischen Volk im tschechischen Nationaltheater leisteten. Darin kam der „Schmerz und Jammer“ des Krieges zum Ausdruck: „In Strömen floss und fließt auf den Kriegsschauplätzen tschechoslowakisches Blut. Zahllose Gräber unserer Toten sind Denksteine der Verluste des tschechoslowakischen Volkes. (…) Alle diese maßlosen Opfer wurden uns aufgebürdet durch einen Krieg, welchen wir nicht gewollt haben und für welchen wir nicht verantwortlich sind.“ Aus diesem Leid müsse „endlich ein neues besseres Leben erblühen“. Das „hochheiligste Recht“ der Souveränität leitete die Eidgemeinschaft aus dem im Krieg gebrachten Opfer ab, wie auch, wiederum kulturell argumentierend, aus dem „Recht eines Volkes, welches seine Verdienste um die Weltkultur hat“8. Wichtiger aber als rechtsgeschichtliche und kulturelle Argumente war die performative Dimension des Schwurs. Das Gelübde, das die Versammelten der tschechischen Nation ablegten, machte die Loyalität zur eigenen Nation selbst zum sinnfälligen Thema. Treueschwüre markierten wirkungsvoll das Finale der Proklamation: „[Wir] geloben heute und für alle Zukunft bei dem teuren Angedenken an die Vorfahren, vor den Augen der wiedererstandenen Nation und über den Gräbern der Gefallenen, in machtvollem Zusammenklange aller unserer Seelen: Wir bleiben, wo wir standen! Treu in der Arbeit, treu im Kampfe, treu im Leide, treu bis zum Grabe! Wir werden aushalten, bis wir siegen! Wir werden aushalten, bis wir die Unabhängigkeit unseres Volkes begrüßen werden! Heil Dir, tschechoslowakisches Volk!“ Anknüpfend an diesen öffentlichen Schwur, mit dem tschechische Kulturschaffende ihre ausschließliche Loyalität der tschechischen Nation gelobten, beschwor der

7 Dreikönigsdeklaration vom 6. Jänner 1918; vgl.: Deklarace českých poslanců na Říšské radě a zemských sněmech proti postupu Rakousko-Uherska při brestlitevském mírovém jednání [Deklaration der tschechischen Abgeordneten im Reichsrat und in den Landtagen gegen den Vorstoß Österreich-Ungarns bei den Friedensverhandlungen von Brest-Litovsk] in: http://cs.wikisource.org/wiki/ T%C5%99%C3%ADkr%C3%A1lov%C3%A1_deklarace (2. 12. 2014). Die deutsche Übersetzung in Leo Epstein, Studien-Ausgabe der Verfassungsgesetze der Tschechoslowakischen Republik. Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien, der Rechtssprechung und der alten österreichischen Verfassungsgesetzgebung, sowie mit Hinweisen und Bemerkungen (Reichenberg 1932) 40–43: XXVI. 8 „Schwur vom 13. April 1918, geleistet auf dem Kongress der vaterlandsfeindlichen Nationen der österreichisch-ungarischen Monarchie anlässlich des 50. Jahrestages der Grundsteinlegung zum tschechischen Nationaltheater“; in: Epstein, Verfassungsgesetze 43–45: XXVII. Vgl. auch die Quellensammlung der Masaryk-Universität Brünn: http://is.muni.cz/do/1499/el/estud/praf/ps08/recht/no_av/doc/ (2. 12. 2014).

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tschechische Nationalausschuss in seinem ersten Aufruf an das tschechoslowakische Volk am 13. Juli 1918 die Loyalität der Tschechen und Slowaken zu ihrer Nation und deren politischer Vertretung. Er postulierte, die tschechoslowakische Nation stehe „wie eine einheitliche, stählerne Mauer“ hinter dem Nationalausschuss und forderte das Selbstbestimmungsrecht in einem souveränen, demokratischen tschechoslowakischen Staat9. Mit einer gewissen Folgerichtigkeit wurde die Reihe der Manifestationen des Inlandswiderstandes am 28. Oktober 1918, dem Tag der Unabhängigkeit, durch eine Proklamation abgeschlossen, die wiederum die nationale Einheit – nun auch mit dem Auslandswiderstand Masaryks und Beneš’ – betonte und das Thema der Nationalstaatlichkeit als kulturelle Tatsache darstellte. Der Nationalausschuss sprach die eigene Nation direkt an: „Dein uralter Traum ist Wirklichkeit geworden. Der tschechoslowakische Staat trat am heutigen Tage in die Reihe der selbständigen, freien Kultur-Staaten der Welt.“ Diese Zäsur bedeutete in der Sicht des Nationalausschusses nicht einen ergebnisoffenen Anfang von etwas Neuem. Der Zukunftshorizont war vielmehr vorgegeben durch die Maßstäbe der bereits etablierten Kulturstaaten, die gleichsam an der Wiege des neuen Staates standen: „Du wirst nicht die Erwartung der ganzen Kulturwelt enttäuschen, die mit Segenswünschen auf den Lippen Deiner glorreichen Geschichte gedenkt, die in den unsterblichen Leistungen der tschechoslowakischen Legionen auf dem westlichen Kriegsschauplatz und in Sibirien gipfelte. Die ganze Welt verfolgt Deine Schritte in das neue Leben, Deinen Eintritt in das gelobte Land.“10 Das war die große Apotheose der tschechoslowakischen Nation, die Erhebung in den Rang der Kulturstaaten, allerdings unter deren ständiger Beobachtung. Das Gesetz über die Errichtung des selbständigen tschechoslowakischen Staates, das am selben Tag, dem 28. Oktober, erlassen wurde, fasste es sehr viel nüchterner: „Der selbständige tschechoslowakische Staat ist ins Leben getreten.“11 2. Der Auslandswiderstand Während der Inlandswiderstand seine Aktionen im Konflikt mit der Habsburgermonarchie entfaltete, handelte der Auslandswiderstand über die Habsburgermonarchie. Seine Aufgabe war es, die Diplomatie der Entente davon zu überzeugen, dass die Nachkriegsordnung in Ostmittel- und Südosteuropa nicht auf dem Bestehenden, nicht auf Österreich-Ungarn, aufgebaut werden könne. Die Diplomatie Masaryks und Beneš’ war daher darauf ausgerichtet, die enge Interessenverflechtung zwischen dem Deutschen Reich und der Habsburgermonarchie immer wieder herauszuarbeiten. Der Plan der Berlin–Bagdad Bahn als pangermanistischer Magistrale für die Durchdringung der Wirtschaftsräume Mittel- und Südosteuropas sowie Vorderasiens war dafür

9 „Manifest des tschechoslowakischen Nationalausschusses vom 13. Juli 1918. An das tschechoslowakische Volk!“; in: Epstein, Verfassungsgesetze 47 f.: XXIX. 10 „Manifest des Nationalausschusses vom 28. Oktober 1918“; in: Ebd. 12 f.: IV. 11 Gesetz vom 28. Oktober 1918, Nr. 11 Slg., betreffend die Errichtung des selbständigen tschechoslowakischen Staates (öffentlich verlautbart am 28. Oktober 1918); in: Ebd. 13 f.: V.

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das wirkungsvollste Symbol. Am 18. Oktober 1918 veröffentlichte der Auslandswiderstand um Masaryk, der zu diesem Zeitpunkt bereits als provisorische Regierung der Tschechoslowakei von den Staaten der Entente anerkannt war, eine Unabhängigkeitserklärung, die sogenannte Washingtoner Deklaration. Diese übte den Schulterschluss mit dem Heimatwiderstand und bezog sich speziell auf die Dreikönigsdeklaration der tschechischen Abgeordneten. Zugleich ist in der Unabhängigkeitserklärung aber auch die Handschrift ihres Verfassers Tomáš Masaryk erkennbar. Österreich-Ungarn figurierte in der Deklaration als bloße „Kolonie“ des Deutschen Reiches, als seine „Vorhut im Osten“. Indirekt richtete sich die Unabhängigkeitserklärung gegen das Deutsche Reich, deshalb hieß es, man wolle nicht unter der mittelbaren Herrschaft derer leben, die Belgien und Frankreich vergewaltigt hätten. Österreich wurde das Existenzrecht bestritten. Im Gegensatz zum Inlandswiderstand bediente sich Masaryk dabei nicht nur rechtshistorischer Argumente, sondern bemühte auch moralische Gesichtspunkte: „Wir wollen nicht Bestandteil eines Staates bleiben, der kein Existenzrecht hat und der die grundlegenden Prinzipien der modernen Organisation der Welt ablehnt, der nur ein künstliches, unmoralisches politisches Gebilde bleibt, das jede Bewegung verhindert, die zum demokratischen und sozialen Fortschritt zielt.“ Durch ein unerhörtes Erbe an Fehlern und Verbrechen werde die Habsburgermonarchie immer eine Gefahr für den Weltfrieden bleiben. Die demokratische Fortschrittsideologie Masaryks spiegelte sich vor allem in der Schlusspassage, die ein manichäisches Weltbild entwarf: „Die Demokratie hat die theokratische Autokratie überwunden, der Militarismus ist geschlagen, die Demokratie hat gesiegt. Die Menschheit wird auf der Grundlage der Demokratie reorganisiert werden. Die Mächte der Finsternis haben dem Siege des Lichtes gedient, was die Menschheit solange erhofft, nun geht’s in Erfüllung. Wir glauben an die Demokratie, wir glauben an die Freiheit und an eine immer größere und größere Freiheit.“12 Jörn Leonhards Feststellung, am Ende des Krieges habe es nur Verlierer gegeben, wird man nach der Lektüre dieser Deklaration nicht mehr folgen können. Masaryk feierte einen Triumph, der viel umfassender war als der vom Nationalausschuss ausgerufene Sieg: Hier ging es nicht nur um die Apotheose der tschechoslowakischen Nation in den Rang der etablierten Nationen, sondern um den endgültigen Sieg im Krieg von freiheitlichen Prinzipien gegen Prinzipien der Autokratie, des Militarismus und der Theokratie. Der Kampf zwischen Licht und Finsternis war entschieden: In der Zukunft lagen keine Kämpfe mehr, sondern nur das allmähliche Fortschreiten zu „immer größerer und größerer Freiheit“. Masaryk hat dieses Geschichtsdenken noch im Weltkrieg in seiner Schrift „Das neue Europa“ zu Papier gebracht, die, 1918 auf Französisch vorgelegt, 1920 in tschechischer Sprache erschien. Masaryk selbst bemerkte im Vorwort, dass dem Buch die Unruhe des Krieges und der revolutionären Propaganda anzumerken sei13. Als das 12 Jan Gronský, Komentované dokumenty k ústavním dějinám Československa [Kommentierte Dokumente zur Verfassungsgeschichte der Tschechoslowakei], 4 Bde. (Praha 2005–2007) I: 1914–1945 (Praha 2005) 35–37. 13 Zit. nach Tomáš Garrigue Masaryk, Das neue Europa. Der slavische Standpunkt (Berlin [1920] 3 1991) 5. Die tschechische Ausgabe unter dem Titel: Nova Evropa. Stanovisko slovanske (Praha 1920).

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Buch 1920 veröffentlicht wurde, war es aber schon ein Teil des Deutungskampfes um die Verdienste der Staatsgründung. Mit größerem zeitlichem Abstand veröffentlichte der Staatspräsident seine Memoiren über den Weltkrieg14, die in Prag 1925 und im selben Jahr auch in Berlin erschienen. Das Buch nahm, wie auch Beneš’ Erinnerungen15, unvermeidlich die Perspektive des Auslandswiderstandes ein und hob dessen Tätigkeit und die Leistungen der Legionäre hervor, während der Anteil des Heimatwiderstandes als zweitrangig dargestellt wurde. Die Haltung Masaryks zu Österreich folgte weitgehend den Spuren, die durch seine Weltkriegspublizistik und die Washingtoner Erklärung vorgegeben waren, doch geriet das Bild nun komplexer und widerspruchsvoller. Folgende vier Elemente lassen sich unterscheiden: 1) Masaryk blieb bei seinem Ansatz einer philosophischen Geschichtsbetrachtung und nahm Österreich weiterhin als Manifestation eines bestimmten historischen Prinzips wahr. Wenn er auch auf überscharfe Kontraste wie Licht und Finsternis in seinen Memoiren verzichtete, war Österreich aufgrund des Fortschritts der Geschichte doch dazu verurteilt, von der Bühne der Geschichte abzutreten. Dem Zerfall der Monarchie widmete Masaryk daher nicht die Aufmerksamkeit eines Historikers. Von vornherein überzeugt, dass sich Nationen von unten erneuern und dass Monarchie und Aristokratie „überall und immer zum Verfall“ führten, sah Masaryk den Ausgang des Weltkrieges nur als grandiose Bestätigung seiner vorgefassten Meinung an: „Drei große Monarchien sind samt ihrem Aristokratismus im Zusammenstoß mit demokratischen Nationen gestürzt.“16 Zum Scheitern verurteilt, ging Österreich in seiner Darstellung fast unmerklich zugrunde, das Reich implodierte, da es keine Unterstützer mehr hatte. Am Ende handelte es sich „eher um die formale als die sachliche Liquidierung Österreich-Ungarns“17. 2) Österreich war also – aus der Perspektive einer Fortschrittsgeschichte der Menschheit betrachtet – ein hinfälliger Gegner. Politisch hingegen sprach für Masaryk alles dafür, Österreich-Ungarn als einen schwierigen Gegner im Ringen der Kriegsdiplomatie zu zeichnen, geriet seine Rolle als Überwinder der Habsburgermonarchie doch umso strahlender, je machtvoller der Gegner erschien. Dabei waren nicht die Machtmittel der Habsburgermonarchie ihre Stärke, sondern die Sympathien, welche sie als Ordnungsfaktor in Ostmittel- und Südosteuropa und als mögliches Gegenwicht zu Deutschland in einer künftigen Nachkriegsordnung auch bei der Entente genoss: „Die Austrophilie war“, so Masaryk, bei „allen Alliierten und neutralen Ländern sehr stark: sie zu besiegen, gelang nicht leicht und nicht schnell.“ Während das Deutschland Wilhelm II. in der alliierten Kriegspropaganda 14 Ders., Die Weltrevolution. Erinnerungen und Betrachtungen 1914–1918 (Berlin 1925); die tschechische Ausgabe unter dem Titel: Světová revoluce za války a ve válce 1914–1918 (Praha 1925). 15 Edvard Beneš, Der Aufstand der Nationen. Der Weltkrieg und die tschechoslowakische Revolution (Berlin 1928). Das tschechisches Original: Světová válka a naše revoluce. Vzpomínky a úvahy z bojů za svobodu národa [Der Weltkrieg und unsere Revolution. Erinnerungen und Betrachtungen aus den Kämpfen für die Freiheit der Nation], 3 Bde. (Praha 1927–1928). 16 Masaryk, Weltrevolution 317. 17 Ebd. 305.

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und Politik eindeutig negativ bewertet wurde, war das Österreich-Bild diffuser. Die schwierige Aufgabe des Auslandswiderstandes war es nach Masaryk somit, zu zeigen, „dass in Österreich-Ungarn mithilfe einer Scheinverfassung eine Mehrheit von einer Minderheit beherrscht werde, (…) dass der Wiener Zarismus um nichts besser, sondern vielfach schlimmer [als der preußische und russische, MSW] sei.“18 Die Rolle, die die österreichische Diplomatie im Weltkrieg einnahm, kam vor allem in Beneš’ Memoiren zum Ausdruck. Er betonte, dass österreichische diplomatische Initiativen im Krieg sehr erstzunehmende Gefährdungen für den tschechischen Auslandswiderstand waren. Für Beneš war die Außenpolitik der Habsburgermonarchie in ihrem Außenminister Ottokar Czernin personifiziert, einem „Zyniker, dem der Zweck die Mittel heiligte“ und als dessen Gegenspieler sich Beneš inszenierte19. 3) Ein drittes unübersehbares Leitmotiv in Masaryks Darstellung der Habsburgermonarchie war ihre Illoyalität. Typisch ist sein Kommentar zum Separatfriedensangebot der Habsburgermonarchie an die Entente im September 1918: „Österreich-Ungarn sandte, unloyal [sic] wie immer, ohne Deutschlands Einverständnis sein Friedensangebot (…).“ Und ganz ähnlich zur österreichischen Politik kurz vor Kriegsende: „Österreich, falsch bis zum letzten Augenblick, ließ Deutschland im Stich und ersuchte Wilson um einen Sonderfrieden.“20 Man könnte an dieser Stelle einen Bezug zu einem panslawistischen Diskurs herstellen, der seit Österreichs ambivalenter Haltung im Krimkrieg „Undankbarkeit“ als einen Wesenszug der Habsburgermonarchie herausstrich21. Darum ging es aber Masaryk nicht, vielmehr brachte er Loyalität als eine Tugend ins Gespräch, über die er sich speziell mit dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson verständigen konnte. Um diesen auf die tschechoslowakische Seite zu ziehen, reizte Masaryk das Thema der Illoyalität aus: „Ich wies auf das unschöne Handeln des Kaisers gegen seine Verbündeten hin. Deutschland hatte kurz nach dem Kriegsbeginn Österreich wenigstens auf eine Zeit vor den Russen gerettet; Deutschland und seine Hilfe drängten die Russen auch später nach dem Osten zurück und befreiten die ganze Zone der Randstaaten von Finnland bis in die Ukraine. Deutschland musste Österreich, wenn auch ungern, ebenso gegen Italien helfen. Die Habsburger fielen aber den Deutschen in den Rücken. Der Präsident war gegen die Vorherrschaft Preußen-Deutschlands und gegen dessen Bevormundung Österreichs, aber er erkannte die Ehrlosigkeit der Habsburger (…).“ Die Logik des Loyalitätsarguments war nicht frei von Paradoxie, war es doch gerade das Ziel der alliierten Politik, Wien von Berlin zu lösen, was unter den gegebenen Umständen logisch ein illoyales Verhalten der Habsburger voraussetzte. Dennoch war die Bearbeitung des Präsidenten mit dem Tugendargument der Loyalität offenbar erfolgreich: „Die Beleuchtung der Habsburger von Ebd. 388. Benes, Aufstand der Nationen 422. 20 Masaryk, Weltrevolution 303, 323. 21 Michail P. Pogodin, Istoriko-političeskija pis‘ma i zapiski vprodolženii Krymskoj vojny. 1853– 1856 [Historisch-politische Briefe und Aufzeichnungen während des Krimkrieges 1853–1856] (Moskva 1874). 18 19

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dieser Seite hatte auf Wilson, wie auch auf andere Staatsmänner, einen bedeutenden Einfluss.“22 4) Was Masaryk hier mit Wilson und anderen Staatmännern verhandelte, offenbart die Gender-Dimension, die auch internationale Politik hat. Diese ist nicht nur von Interessen gelenkt, sondern bewegt sich in diskursiven Rahmen, die zu den zeit- und rollenspezifischen Diskursen hin offen sind. Habsburgische Ehrlosigkeit war hier als unmännlich kodiert, und nur deshalb konnte das Wahrnehmen einer bestimmten diplomatischen Option – die des Separatfriedens – als kompromittierend dargestellt werden, obwohl sie grundsätzlich im Interesse der Alliierten lag. Dass auch internationale Politik bestimmten Diskurserwartungen genügen musste, macht aber auch Masaryks Kommentar zu einem Politikwechsel Wilsons deutlich. Dieser hatte mit den Vierzehn Punkten ein politisches Angebot gemacht, das die habsburgische Politik aufgreifen wollte, als sie durch einen Umbau der Monarchie Wilson für deren Erhalt zu gewinnen suchte. Dieser war aber zum gegebenen Zeitpunkt nicht mehr bereit, den versprochenen Preis zu zahlen. Diese Flexibilität hätte man durchaus als haltlos und unmännlich deuten können, gerade deshalb bedurfte es aus Masaryks Sicht nicht nur einer Rechtfertigung der von Wilson letztlich gewählten politischen Option, sondern auch einer positiven diskursiven Rahmung: „In der diplomatischen Literatur gibt es nur wenige Beispiele für eine so männliche und ehrenhafte Widerrufung der eigenen älteren Ansicht.“23 Der Kern der antihabsburgischen Polemik Masaryks war also der Vorwurf der Haltlosigkeit, der Falschheit, der Illoyalität, die jeweils als unmännliche Untugenden gedacht wurden. Der Gegenbegriff dazu war männliche Loyalität. Für seinen Selbstentwurf war es nun nicht unproblematisch, dass Masaryk gegenüber seinem Staat, der Habsburgermonarchie, keine Treue übte, sondern sich ins Ausland begab, um für die Zerstörung der bestehenden Staatsordnung zu kämpfen. Es gibt prinzipiell drei Handlungsoptionen in kritischen Entscheidungssituationen: „Exit, Voice, Loyalty“, so formuliert es Albert Hirshman in seinem gleichnamigen Buch24. In der langen Krisengeschichte der Habsburgermonarchie hatten Exponenten der tschechische Nationalbewegung in zahlreichen Programmschriften zur Reform der Monarchie seit František Palacký die Option „voice“ gewählt – die Stimme zu erheben, um die Verhältnisse zu ändern. Die meisten Tschechen wie auch der erwähnte „Tschechische Verband“ der Reichsratsabgeordneten wählten bis in das Kriegsjahr 1917 hinein die Option „loyalty“ – die Herrschaft zu ertragen mit dem leisen „dennoch“, das Loyalität oft kennzeichnet25. Masaryks Option dagegen war die des „exit“ – durch seine politische Emigration im Krieg hatte er die Loyalität zur Habsburgermonarchie aufgekündigt und auch die Option „voice“ als aussichtslos verworfen.

Masaryk, Weltrevolution 312 f. Eda. 308. 24 Albert O. Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty. Responses to Decline in Firms, Organizations, and States (Cambridge, Mass. 1970). 25 Peroutka, Budování státu [Errichtung des Staates] I 9. 22 23

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Wie konstruierte nun Masaryk, für den Loyalität eine männliche Tugend darstellte, seine Option der Loyalitätsverweigerung? Die Entscheidung zum „exit“ war in Masaryks Selbstdarstellung das Ergebnis eines langen Loyalitätskonfliktes: „Indem ich in meiner politischen Anschauung von Palacký und [Karel] Havlíček ausging, suchte ich mir, wie auch unsere anderen Politiker, Argumente für unsere österreichische Orientierung zusammen; wie unsere Führer der Wiedergeburt wurde ich von dem Problem der kleinen Nation gequält.“ Masaryk offenbarte, er habe „zwischen Loyalität und Kampf gegen Österreich geschwankt“: „Die in Wien und Österreich so mächtige und einflussreiche Dynastie war moralisch und physisch degeneriert; Österreich war für mich auch eine moralische Frage.“26 An anderer Stelle sprach er von seiner Entscheidung gegen die Loyalität zu Österreich als „sittlichem Problem“27. Die Entscheidung spitzte sich für ihn auf die Frage zu: „Darf unser Revolutionssoldat, Tscheche oder Slowak, auf seinen Bruder Tschechen und Slowaken in der österreichischen Armee schießen?“28 Dem möglichen Vorwurf des haltlosen konjunkturellen Wechsels von Loyalitäten begegnete Masaryk in der Rolle des Hamlet: Im moralphilosophischen Ringen um die Frage der Loyalität gewann er eine Sprechrolle mit hohem moralischen Anspruch und sittlicher Autorität. Umso beeindruckender war seine Entscheidung zum Handeln, zum aktiven Widerstand gegen die Habsburger, inszeniert. Sein Mitstreiter Edvard Beneš war in dieser Hinsicht schlichter: Er negierte einfach die Existenz eines Loyalitätskonfliktes. In seinem Memoirenwerk „Aufstand der Nationen“ stellte sich der Autor quasi als geborenen Revolutionär dar. Durch Erziehung und durch sein Umfeld von Anfang an zutiefst antiösterreichisch geprägt, stellte sich für ihn gar kein Loyalitätsproblem: „Verglich ich sie [die sozialen Verhältnisse, MSW] mit England, Frankreich und überhaupt mit Westeuropa, so war mir Österreich-Ungarn ein Prototyp des reaktionären, aristokratisch bürokratischen Polizeistaates, der vielfach die Reaktion, den Militarismus und Bürokratismus Deutschlands nachahmte, aber ohne seine administrative und finanzielle Ordnung, ohne die innere Kraft und den Einfluß, dabei in nationaler Hinsicht völlig zerrüttet. Gefiel mir damals Deutschland nicht, so mißfiel mir das Reich der Habsburger noch mehr. Übrigens hatte unsere traditionelle antiösterreichische Erziehung all diese Empfindungen in mir schon seit meiner Jugend systematisch ausgebildet. Ich war beim Verlassen der Heimat in sozialem und nationalem Sinn ein bewusster Malkontenter gewesen, gegen Wien und Budapest eingenommen als national fühlender Tscheche.“29 Beneš hatte also kein Loyalitäts- und kein Entscheidungsproblem. Es ging ihm nur um die Realisierung eines mit dem Kriegsausbruch für ihn feststehenden Programmes. Beneš’ Selbstinszenierung als von Anfang an dezidierter nationaler Revolutionär ist in dem Spektrum von Dispositionen, welche den Auslands- und Inlandswiderstand kennzeichnen, die Ausnahme. In Bezug auf den Inlandswiderstand kann man die Ablösung

26 27 28 29

Masaryk, Weltrevolution 30. Ebd. 60. Ebd. 62. Beneš, Aufstand der Nationen 5.

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von Loyalität gegenüber der Habsburgermonarchie und die Fokussierung der Treue auf die Nation als einen langwierigen Prozess beschreiben, der durch performative Akte wie Deklarationen und öffentliche Schwüre von Kulturschaffenden und dann auch politischen Repräsentanten der Tschechen befördert wurde. Auch Masaryk als führender Kopf des Auslandswiderstandes inszenierte seinen Loyalitätswechsel nicht als von Anfang an feststehende Entscheidung, sondern als eine längerfristige Entwicklung, um nicht als ein Umstürzler zu erscheinen, sondern als ein tiefer Denker mit Respekt vor dem Gewordenen. Unabhängig von der Frage, ob der Loyalitätswechsel als Entscheidung oder als schwieriger Prozess dargestellt wurde, war die Neuorientierung zwangsläufig mit einem negativen Bild von der historischen und politischen Rolle der Habsburgermonarchie verbunden, das auch in der Nachkriegshistoriographie der Tschechoslowakei nachwirkte. Doch setzte auch eine Historisierung der Habsburgermonarchie ein, welche das unter politischen Gesichtspunkten stehende Bild Österreich-Ungarns revidierte. Solche Ansätze kann man in dem Werk von Ferdinand Peroutka finden, der aus dem Abstand weniger Jahre die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik beschrieb. Insbesondere ist eine verwissenschaftlichte Sicht auf den Zerfall der Habsburgermonarchie aber bei Jan Opočenský anzutreffen, der in seiner Geschichte des Untergangs Österreichs zehn Jahre nach dem Epochenjahr von 1918 Gesichtspunkte in die Darstellung einführt, die von den handelnden Akteuren des Widerstandes in den Hintergrund gerückt worden waren. Nach Opočenskýs Darstellung war der Umbruch von 1918 nicht ausschließlich als Geschichte eines Loyalitätswechsels innerhalb der tschechischen Politik zu verstehen, sondern musste auch als Wirkung des abschreckenden Beispiels der sozialen Revolution in Russland begriffen werden. Die Angst vor einer sozialen Umwälzung habe den habsburgischen Statthalter in Prag veranlasst, in einem entscheidenden Moment die Macht aufzugeben, und damit die Machtübernahme durch die offiziellen Vertreter des tschechischen Widerstandes ermöglicht. Die Monarchie erscheint in seiner Darstellung weder als völlig ausgezehrt noch als Inkarnation fortschrittsfeindlicher Kräfte. Der Autor pflegt stattdessen einen elegischen Ton: Er spricht von der „altehrwürdigen Monarchie“30 und, nicht ohne kritischen Unterton, von den Kräften, „die auf die Zertrümmerung des jahrhundertealten österreichisch-ungarischen Staatsgebildes hinarbeiteten“31.

30 Jan Opočenský, Der Untergang Österreichs und die Entstehung des Tschechoslovakischen Staates (= Politische Bücherei 6, Prag 1928) 15. 31 Ebd. 27.

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D. Von der Kulisse der Nationalstaatsgründung zur Europäisierung der Forschung: Die tschechische Historiographie zum Ersten Weltkrieg von Ota Konrád Das Bild, das die tschechische Geschichtsforschung in den vergangenen knapp 100 Jahren vom Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie gezeichnet hat, war von mehreren Umständen beeinflusst. Dazu zählen vor allem der sich oft verändernde Kontext, in welchem der Krieg wahrgenommen und gedeutet wurde, aber auch die Rolle des Kriegsbildes für die Legitimierung des jeweiligen politischen Systems. Dies gilt vor allem für die Erste Tschechoslowakische Republik (1918–1938). Obwohl in den folgenden Jahren andere und aktuellere Ereignisse diese Legitimierungsfunktion bzw. die Funktion eines wichtigen Erinnerungsortes übernommen haben – vor allem das Münchner Abkommen 1938, die Okkupation der Böhmischen Länder 1939, der Zweite Weltkrieg bzw. die kommunistische Machtergreifung 1948 –, blieben der Erste Weltkrieg und die Gründung der Tschechoslowakei auch weiterhin Bestandteil der jeweiligen Deutungen und Diskussionen. Daraus folgt zugleich als ein weiteres Merkmal, dass die Entwicklung und Wandlung der tschechischen Deutung des Ersten Weltkrieges bis in die 1990er Jahre nicht nur im Zuge wissenschaftlicher Diskussionen erfolgten, sondern auch durch abrupte politische Zäsuren herbeigeführt wurden. Der folgende Überblick über die Forschung zu dieser Thematik gliedert sich daher in fünf zeitliche Abschnitte1: die Zwischenkriegszeit, die 1950er und 1960er 1 Schon aus Raumgründen deutet dieser Beitrag das tschechische Bild des Ersten Weltkrieges vor allem aufgrund ausgewählter Monographien, die die Jahre 1914–1918 zum Hauptthema haben. Nur im Falle der aktuellen Forschung werden auch Einzelstudien bzw. einschlägige Buchkapitel in Betracht gezogen, da sie ein Medium für die Darstellung und Diskussion noch nicht abgeschlossener Forschungsarbeiten bieten. Dennoch ist die Aufstellung einer mehr oder weniger vollständigen Bibliographie der tschechischen Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg nicht Ziel des Autors. Zur weiteren Literatur vgl.: Ivan Šedivý, Česká historiografie vojenství 1989–2002. Témata, metody, osobnosti, problémy, kontexty [Tschechische Militärgeschichte 1989–2000. Themen, Methoden, Persönlichkeiten, Probleme, Kontexte]; in: Český časopis historický 100 (2002) 868–901; Martin Zückert, Der Erste Weltkrieg in der tschechischen Geschichtsschreibung 1918–1938; in: Christiane Brenner, K. Erik Franzen, Peter Haslinger, Robert Luft (Hgg.), Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Wissenschaftstraditionen – Institutionen – Diskurse (= Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 28, München 2006) 61–75; Ines Koeltzsch, Ota Konrád, From „Islands of Democracy“ to „Transnational Border Spaces“. State of the Art and Perspectives of the Historiography on the First Czechoslovak Republic since 1989; in: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Böhmischen Länder 56 (2016) 2, 285–327. Diese Studie entstand im Rahmen des von der Tschechischen Forschungsagentur (Grantová

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Jahre, die „Normalisierungsepoche“ der 1970er und 1980er Jahre sowie die Zeit nach der Wende 1989 und eine ergänzende Darstellung der aktuellen Forschungen. Unmittelbar nach 1918 wurden der Weltkrieg und der Zusammenbruch der Monarchie auf eine Vorstufe, auf eine „Kulisse“2 der Gründung des eigenen Nationalstaates reduziert. In der kommunistischen Ära deutete man den Krieg als einen imperialistischen Krieg, der erst durch die Oktoberrevolution 1917 seinen Charakter grundsätzlich veränderte. Die Geschichte des Krieges und des Zusammenbruches der Monarchie sollten in externen (die Oktoberrevolution) oder strukturellen (die Dialektik des Klassenkampfes) Faktoren verankert werden. Abgesehen von der kurzen, aber interessanten Periode der Reformhistoriographie der 1960er Jahre, blieb diese Deutung im Großen und Ganzen bis zur Wende 1989 gültig. Nach 1989 trafen in einer (wieder) pluralistischen Gesellschaft und Forschungslandschaft mehrere Tendenzen aufeinander, wobei die Rückkehr zur nationalen Deutung des Krieges, wie sie in der Zwischenkriegszeit erfolgt war, durch die Internationalisierung und Europäisierung der Forschung mehr und mehr herausgefordert wurde. Einer Erklärung bedarf zunächst der Begriff der tschechischen Historiographie des Ersten Weltkrieges. Sie wird hier vorwiegend als tschechisch geschriebene historiographische Untersuchung der Periode 1914–1918 verstanden. Seit den 1990er Jahren und in einem noch stärkeren Ausmaß ab der Jahrhundertwende wuchs die Bedeutung vor allem der westeuropäischen Forschung für die tschechische Historiographie. Daher wird vor allem im letzten Teil dieser Studie auch auf einige Arbeiten englischer, amerikanischer, deutscher etc. Historiker/Historikerinnen hingewiesen, die die jeweilige tschechische Forschung ergänzen bzw. für sie von Bedeutung waren. Einen umfassenden Überblick über die nichttschechische bohemikale Historiographie zu den Jahren 1914–1918 zu geben, ist jedoch nicht das Ziel dieser Studie. 1. Der Erste Weltkrieg in der Wahrnehmung der Zwischenkriegszeit In der Zeit nach 1918 wurden der Krieg und sein Ausgang als Vorläufer der eigenen Staatsgründung zu einem der wichtigsten Referenzpunkte des neuen Staatsverständnisses. Dieses offizielle Bild des Krieges spiegelte jedoch nur die Kriegserfahrungen eines kleinen Teiles der Kriegsteilnehmer und der Bevölkerung wider. Es waren vor allem

Agentura České republiky, GA ČR) unterstützten Drittmittelprojekts „Násilí ve střední Evropě za první světové války a v poválečné době. Srovnání rakouských a českých zemí“ [Gewalt in Mitteleuropa während des Ersten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit. Ein Vergleich der österreichischen und böhmischen Länder] (GA ČR 14–14612S). – Für ihre kritische Lektüre und hilfreichen Anmerkungen danke ich meinen Kollegen Rudolf Kučera, Václav Šmidrkal und Miroslav Kunštát. 2 Ivan Šedivý, Vznik Československa (Možné roviny pohledu) [Entstehung der Tschechoslowakei (Mögliche Betrachtungsebenen)]; in: Jaroslav Valenta, Emil Voráček, Josef Harna (Hgg.), Československo 1918–1938. Osudy demokracie ve střední Evropě. Sborník z mezinárodní vědecké konference. Díl 2 [Tschechoslowakei 1918–1938. Schicksale der Demokratie in Mitteleuropa. Sammelband der internationalen wissenschaftlichen Konferenz, Teil 2] (Praha 1999) 509–512, hier 509.

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die nationalen Minderheiten, an der Spitze die Deutschen, die nur schwer, wenn überhaupt, in diese tschechoslowakische Deutung integriert werden konnten. Auch die Bevölkerung des östlichen Teiles der neuen Republik, der Slowakei und der KarpathoUkraine, hatte den Krieg anders als einen dornigen Weg zur Selbstständigkeit erlebt. Noch gravierender war es, dass nur ein Bruchteil der tschechischen Kriegsteilnehmer in Uniformen der Tschechoslowakischen Legion gekämpft hatte, die zum Sinnbild der tschechischen Teilnahme am Krieg hochstilisiert wurde. Die meisten von ihnen kämpften bis zum Ende des Krieges in der Österreichisch-ungarischen Armee oder erlebten den Krieg in der Kriegsgefangenschaft. Ein kleiner Teil, mehrere Tausend Männer3, wählte darüber hinaus den Weg in die Rote Armee. Die heimgekehrten Soldaten brachten sowohl unterschiedliche Kriegserfahrungen als auch verschiedene ideologische und politische Ideen in die neu gegründete Republik zurück. Hier fanden sie eine durch die vierjährige Kriegszeit erschöpfte und gespaltene Nachkriegsgesellschaft vor, die dem heroischen Narrativ eines einheitlichen nationalen Widerstands en bloc nicht entsprach. Zumindest für die tschechisch sprechende Bevölkerung des neuen Staates erwies sich jedoch diese siegreiche nationale Erzählung als ein erfolgreiches Integrationsmittel. Bei der Durchsetzung dieses Bildes spielten gelungene Kommunikationsstrategien und Kommemorationspraxen des Staates eine große Rolle4. Diese Deutung wurde auch durch die Texte von Tomáš Garrigue Masaryk und Edvard Beneš geprägt. Für beide stellte der Krieg ein epochales Ereignis in der Geschichte des Westens dar. Die Gründung eines demokratischen Nationalstaates war ein logisches und im Nachhinein auch ein legitimes Ergebnis des Krieges. Noch im Krieg entwarf Masaryk sein Programm für das Nachkriegs-Europa. In der Studie „Neues Europa. Der slawische Standpunkt“5, 3 In der 1986 publizierten „Tschechoslowakischen Militärgeschichte“ wird die Zahl der „tschechoslowakischen“ Soldaten in der Roten Armee grob auf 10.000 geschätzt. Vgl. Miroslav Broft, [Zdenek Proházka], Vojenské dějiny Československa II. Díl. Od roku 1526 do roku 1918 [Militärgeschichte der Tschechoslowakei, II. Teil: 1526–1918] (Praha 1986) 536. 4 Vgl. dazu aus der aktuellen Forschung: Dagmar Hájková, Nancy M. Wingfield, Czech(-oslovak) National Commemorations during the Interwar Period. Tomáš G. Masaryk and the Battle of White Mountain Avenged; in: Acta Historiae 18 (2010) 425–452; Dagmar Hájková, 28. říjen a jeho podoby [Der 28. Oktober und seine Formen]; in: Lucie Kostrbová, Jana Malínská (Hgg.), 1918: Model komplexního transformačního procesu? [1918: Modell eines komplexen Transformationsprozesses?] (Praha 2010) 219– 232; Nancy M. Wingfield, The Battle of Zborov and the Politics of Commemoration in Czechoslovakia; in: East European Politics and Societies 17 (2003) 654–668, hier 656; Jan Galandauer, 2. 7. 1917. Bitva u Zborova. Česká legenda [Die Schlacht von Zborów. Eine tschechische Legende] (Praha 2002); Jan Galandauer, Hrob neznámého vojína v proměnách času [Das Grab des unbekannten Soldaten im Wechsel der Zeiten]; in: Historie a vojenství. Časopis Historického ústavu Armády České republiky 48 (1999) 251–273; Andrea Talabér, Commemorative conundrums: The creation of national day calendars in interwar Czechoslovakia and Hungary; in: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Böhmischen Länder 56 (2016) 2, 406–436, und das Themenheft der Zeitschrift: Střed/Centre 2 (2015) zum Thema „Chléb a hry. Oslavy a svátky v Československu 1918–1938 / Bread and Circuses. Celebrations and Holidays in Czechoslovakia 1918–1938“. 5 Die erste Version des Buches wurde im Frühjahr 1918 in der tschechoslowakischen Exilpresse publiziert. Eine überarbeitete Version erschien danach in englischer und französischer Sprache (1918); die erste tschechische Version erschien 1920 in Prag. Vgl. neuerdings die kritische Edition im Rahmen der Masaryk-Schriften: Tomáš Garrigue Masaryk, Nová Evropa. Stanovisko slovanské [Das neue Europa. Der slawische Standpunkt] (= Spisy TGM 14, Praha 2016).

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welche das tschechische Nationalprogramm vor allem gegenüber dem westlichen Publikum philosophisch und historisch legitimieren sollte, zeichnete Masaryk das Bild des Krieges als einen Kampf zwischen der Theokratie der Zentralmächte auf der einen Seite und den Ideen, die in der Demokratie, in der Gewissensfreiheit, in der Reformation und in der Befreiung der unterdrückten Völker gründen andererseits. Dem „pangermanistischen“ Griff nach der Herrschaft in Mitteleuropa und mittelbar in Europa und in der Welt sollte ein Band demokratischer Nationalstaaten von der Ostsee bis zum Schwarzen bzw. zum Adriatischen Meer Einhalt gebieten. Europa sollte nach dem Krieg nicht als Kampfgebiet imperialer Bündnisse bzw. als von feudalen Dynastien beherrschte Staaten gestaltet werden, sondern als eine Föderation freier Nationen. Daran knüpften auch die Kriegsmemoiren der beiden Politiker Masaryk und Beneš an, die 1925 bzw. 1928 in großen Auflagen erschienen und auf diese Weise den Diskurs über den Weltkrieg weiter gestalteten6. Die staatliche Geschichtspolitik konnte nach 1918 gezielt an die Thesen von Masaryk und Beneš anknüpfen. Neue Institutionen wurden mit dem Ziel gegründet, den Krieg und den tschechischen Widerstand zu dokumentieren, zu untersuchen und das offizielle Bild des Krieges zu popularisieren. An der Tätigkeit dieser Institutionen nahmen besonders ehemalige Legionäre teil. Zum Direktor der zentralen „Befreiungsgedenkstätte“ [Památník osvobození]7 wurde General Rudolf Medek ernannt, Autor mehrerer Romane der sogenannten „Legionärs–Literatur“8. Die Deutung des Krieges als eines Kampfes um die Unabhängigkeit des tschechoslowakischen Volkes stieß jedoch an ihre Grenzen, vor allem im Falle der anderen Nationalitäten der Tschechoslowakei, in erster Linie bei den Sudetendeutschen. Ihre alternative Erinnerungskultur, wie sie sich vor allem in den verschiedenen Veteranenverbänden niederschlug, wurde vom neuen Staat misstrauisch verfolgt. Seit den 1930er Jahren geriet diese Gedenkkultur immer stärker unter den Einfluss der deutschnationalen bzw. der schon ausgeprägten nationalsozialistischen Deutung des Krieges9.

6 Tomáš Garrigue Masaryk, Světová revoluce za války a ve válce 1914–1918 [Die Weltrevolution während des Krieges und im Krieg 1914–1918] (Praha 1925); Edvard Beneš, Světová válka a naše revoluce: vzpomínky a úvahy z bojů za svobodu národa [Die Weltrevolution und unsere Revolution: Erinnerungen und Betrachtungen aus den Kämpfen für die Freiheit der Nation], 3 Bde. (Praha 1927–1928). In der deutschen Fassung: Tomáš Garrigue Masaryk, Die Weltrevolution: Erinnerungen und Betrachtungen 1914–1918 (Berlin 1925); Edvard Beneš, Der Aufstand der Nationen. Der Weltkrieg und die tschechoslowakische Revolution (Berlin 1928). 7 Zur Geschichte und Tätigkeit des „Památníks“ vgl. die zeitgenössische Übersicht in Rudolf Medek, Silvestr Bláha (Hgg.), Dvacet let československé armády v osvobozeném státě [Zwanzig Jahre tschechoslowakische Armee im befreiten Staat] (Praha 1938) 112–115. 8 Vgl. dazu nunmehr Jarmila Schreiberová (Hg.), Legie a Múzy. K historii československých zahraničních vojsk v letech 1914–1920 [Legionen und Musen. Zur Geschichte tschechoslowakischer auswärtiger Streitkräfte in den Jahren 1914–1920] (Praha 2008). 9 Martin Zückert, Memory of War and National State Integration: Czech and German Veterans in Czechoslovakia after 1918; in: Central Europe 4 (2006) 111–121, hier 119 f.

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Noch schwieriger für das offizielle Geschichtsnarrativ wog jedoch die Erfahrung der Mehrheit der tschechischen Kriegsteilnehmer, die im Krieg in den Uniformen der k. u. k. Armee gekämpft hatten. Die ehemaligen kaiserlichen Soldaten standen vor der komplizierten Aufgabe, in einer, durch das offizielle Geschichtsbild (das nicht ihnen, sondern den Legionären huldigte) geprägten Erinnerungslandschaft, dem Krieg und ihrem Leid Sinn zu verleihen10. Unmittelbar nach 1918 wurde den tschechischen kaiserlichen Soldaten attestiert, dass sie – obwohl sie der Tschechoslowakischen Legion nicht beigetreten waren – in einem mehr oder weniger offenen, nationalen Gegensatz zu Österreich standen. Dieses Bild wurde auch in einem reich illustrierten, prächtigen, fünfbändigen Erinnerungswerk mit dem Titel „Domov za války“ [Das Heim im Krieg] präsentiert11. Diese Umdeutung der Kriegserfahrung war jedoch nicht frei von inneren Widersprüchen. So war es für die neu gebildete tschechoslowakische Armee eher nachteilig, ein autoritätswidriges Verhalten hochzuhalten12 und es fand selbst bei vielen Kriegsveteranen wenig Anklang. Darüber hinaus brachten die 1930er Jahre im Zusammenhang mit der sich zuspitzenden internationalen Lage eine neue Aufwertung des Militärs und der soldatischen Tugenden in der Gesellschaft mit sich13. Der Kampf in der k. u. k. Uniform wurde als Beispiel für an sich positive Eigenschaften, wie etwa die Erfüllung der bürgerlichen Pflicht, aufgewertet. Diese Deutung prägte vor allem die ehemaligen k. u. k. Offiziere und ihre Erinnerungen14. In dieser komplizierten Erinnerungslandschaft entstanden die ersten geschichtlichen Studien zum Ersten Weltkrieg und zum Zusammenbruch der Monarchie, in denen das offizielle Bild der nationalen Befreiung durch den einheitlichen Widerstand im Exil, wie auch „zu Hause“, übernommen und weiterentwickelt wurde15. Zugleich 10 Zu den Kriegsveteranen in der Tschechoslowakei vgl. Ivan Šedivý, Legionářská republika? K systému legionářského zákonodárství a sociální péče v meziválečné ČSR [Legionärsrepublik? Zum System der Gesetzgebung und Sozialfürsorge hinsichtlich der Legionäre in der ČSR der Zwischenkriegszeit]; in: Historie a vojenství. Časopis Historického ústavu Armády České republiky 51 (2002) 158–184; Natali Stegmann, Kriegsdeutungen, Staatsgründungen, Sozialpolitik. Der Helden- und Opferdiskurs in der Tschechoslowakei 1918–1948 (München 2010). 11 Alois Žipek (Hg.), Domov za války. Svědectví účastníků [Das Heim während des Krieges. Zeugnis der Teilnehmer], 5 Bde. (Praha 1929–1931). 12 Zückert, Memory of War 117. 13 Jiří Hutečka, Kamarádi frontovníci. Maskulinita a paměť první světové války v textech československých c. a. k. veteránů [Frontkämpfer – Kameraden. Maskulinität und Gedächtnis des Ersten Weltkrieges in den Texten der tschechoslowakischen k. u. k. Veteranen]; in: Dějiny – teorie – kritika [Geschichte – Theorie – Kritik] 11 (2014) 231–265, hier 264. 14 In dem im Jahre 1935 erschienenen Buch des ehemaligen Obersten der k. u. k. Armee und späteren tschechoslowakischen Generals Karel Wagner ist dieses Narrativ am prägnantesten und auch am erfolgreichsten dargestellt. Vgl. Karel Wagner, S českým plukem na ruské frontě [Mit einem tschechischen Regiment an der russischen Front] (Praha 1936). 15 Vgl. Jaroslav Werstadt, Idea státu československého v osvobozenecké revoluci za války světové [Die Idee des tschechoslowakischen Staates in der Befreiungsrevolution während des Weltkrieges]; in: Jan Kapras (Hg.). Idea československého státu [Die Idee des tschechoslowakischen Staates] (Praha 1936) 153–182; Zdeněk Tobolka, Politické dějiny československého národa od roku 1848 do dnešní doby [Politische Geschichte des tschechoslowakischen Volkes vom Jahre 1848 bis zur heutigen Zeit], 4 Bde. (Praha

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erschienen jedoch auch Studien mit wissenschaftlichem Anspruch, die das Thema aus kritischer Distanz behandelten. Jan Opočenský, der als Archivar des tschechoslowakischen Außenministeriums über einen ausgezeichneten Zugang zu den Quellen der neuesten Geschichte verfügte, befasste sich in mehreren Publikationen mit dem Ende des Krieges und der Entstehung der Nachfolgestaaten. Die wichtigste davon stellte die 1928 publizierte, fast achthundert Seiten umfassende Studie über den Zusammenbruch der Habsburgermonarchie dar16. Im Unterschied zur vereinfachenden offiziellen, tschechisch zentrierten Deutung hob er die Multikausalität des Zusammenbruches der Monarchie hervor. Dabei betonte Opočenský vor allem die Kombination der externen, d. h. die tschechische Politik übergreifenden Faktoren, wie z. B. die sozialen und wirtschaftlichen Probleme im Hinterland, die militärischen Misserfolge der Österreichischungarischen Armee, die internationale Politik bzw. die sich wandelnde Politik der Entente-Staaten gegenüber der Monarchie. In diesem Zusammenhang widmete er sich auch dem tschechisch-slowakischen Exil unter Masaryk, Beneš und Milan Rastislav Štefánik und der tschechischen Politik im Krieg, wobei er die schrittweise Radikalisierung ihres nationalen Programmes, bis hin zur Forderung nach einem selbstständigen tschechoslowakischen Staat hervorhob17. Eine ausgewogene, bei weitem nicht nur tschechisch nationale Deutung des Krieges lieferte in einer weiteren quellengestützten Publikation die Historikerin Milada Paulová, die erste Dozentin für Geschichte an der Karls-Universität (1925). Sie fasste ihre langjährigen Forschungen zum Kriegsexil in der breit angelegten Studie zum Widerstand der Tschechen und Jugoslawen zusammen18. Paulovás Geschichte der „Maffie“ – wie sich die geheime, von Masaryk gegründete Widerstandsorganisation selbst bezeichnete – stellte eine umfangreiche Gesamtdarstellung der politischen Entwicklung im Krieg dar, mit Betonung der Situation der tschechischen Politik im Exil und im Hinterland. Zum Dritten sei hier das Werk von Ferdinand Peroutka, der fünfbändige „Aufbau des Staates“ erwähnt19. Peroutka, einer der wichtigsten Journalisten der Zwischenkriegszeit, schrieb eine reich dokumentierte und pointierte Studie über die Entste1932–1937); Jaroslav Prokeš, Boj o politickou samostatnost za světové války [Der Kampf um die politische Selbständigkeit während des Weltkrieges] (1914–1918); in: Václav Dědina (Hg.), Československá vlastivěda [Tschechoslowakische Heimatkunde] (Praha 1933) 811–889. 16 Jan Opočenský, Konec monarchie rakousko-uherské [Das Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie] (Praha 1928). 17 Dennoch bleibt seine Deutung im tschechoslowakischen Narrativ eingebettet, wie auch sein geringes Interesse an der spezifischen Situation in der Slowakei bzw. in Ungarn belegt. Die Eingliederung der Slowakei in den neuen Staat erwähnt er ganz im Sinne der offiziellen Deutung als einen Wunsch des slowakischen „nationalen Zweiges“ der tschechoslowakischen Nation nach der Wiedervereinigung mit dem nationalen Stamm, welcher sich unter günstigeren Bedingungen entwickeln konnte. Ebd. 742. 18 Milada Paulová, Dějiny Maffie: odboj Čechů a Jihoslovanů za světové války 1914–1918 [Geschichte der Maffia: Widerstand der Tschechen und der Südslawen während des Weltkrieges 1914–1918], 2 Bde. (Praha 1937–1939). Vom zweiten Band erschien nur der erste Teil. 19 Ferdinand Peroutka, Budování státu. Československá politika v letech popřevratových [Der Aufbau des Staates. Tschechoslowakische Politik in den Jahren nach dem Umsturz], 5 Bde. (Praha 1933– 1936).

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hungsgeschichte der Tschechoslowakei mit dem Fokus auf die politische Geschichte. Im ersten Band widmete er sich dem Zusammenbruch der Monarchie und der Gründung der Tschechoslowakei. Peroutka hebt die Offenheit der Kriegssituation und die externen Faktoren hervor, die die Gründung des Staates ermöglichten20. In seiner nüchternen Schilderung der „nationalen Revolution“ und der Ausrufung der Tschechoslowakei am 28. Oktober 1918 unterstreicht er die entscheidende Rolle der militärischen Niederlage der Zentralmächte21. Der Zusammenbruch Österreich-Ungarns selbst war jedoch vom Staat vorprogrammiert: „Österreich-Ungarn verschwand, weil es zwei modernen Prinzipien – dem nationalen und dem demokratischen – nicht entsprach. Dadurch trug das Ergebnis des Krieges zur Verbesserung der Welt bei.“22 Diese Arbeiten, wie auch die öffentlichen Kontroversen über den Krieg bzw. die Verdienste an der „nationalen Revolution“ und am „28. Oktober“23, deuten darauf hin, dass sogar im tschechischen historischen Bewusstsein das Bild des Krieges, der Monarchie und der Gründung der Tschechoslowakei nicht eindeutig war. Dennoch zeichnen sich diese tschechischen Kriegsdeutungen durch einige gemeinsame Merkmale aus. Es war vor allem die Überzeugung vom einheitlichen Willen der Nation nach Selbstständigkeit, die durch die Politik, wenn auch sich wandelnd, vertreten wurde. Trotz unterschiedlicher Schilderung wurde der 28. Oktober 1918 für alle Autoren zum wichtigsten Bezugspunkt der Geschichte des Ersten Weltkrieges. Diese Ansichten haben das tschechische Bild des Ersten Weltkrieges auch in den folgenden Jahrzehnten tief geprägt. 2. Der „kommunistische Blick“ auf den Krieg und die Reformhistoriographie Die Deutung des Krieges durch die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KPČ) ist von besonderer Bedeutung, da sie nach 1948 das Bild des Krieges in der Gesellschaft wie auch in der Forschung für mehr als vier Jahrzehnte maßgebend beeinflusste. Sie war nicht frei von Umwälzungen und inneren Widersprüchen. Ein Deutungsproblem stellte schon die Tschechoslowakische Legion dar, da sie im russischen Bürgerkrieg auf Seiten der Weißen involviert war. Darüber hinaus kehrten viele Legionäre aus Russland mit klaren antibolschewistischen Vorstellungen zurück. Erklärungsbedürftig erschien vor allem die nicht erfolgte proletarische Revolution, an deren Stelle „nur“ eine „bürgerlich-nationale“ Revolution trat, die auch unter Teilnahme der arbeitenden Massen erkämpft worden war. Der kommunistische Theoretiker Pavel Reiman formulierte die kommunistische Position zum Ersten Weltkrieg schon im Jahre 193224: Ebd. I 13. Ebd. I 151. 22 Ebd. I 269. Zugleich gab Peroutka zu, dass sich die Zerschlagung der Monarchie, vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, auf die Nachfolgestaaten negativ ausgewirkt habe. 23 Vgl. Ivan Šedivý, „Zeď mezi odbojem domácím a zahraničním“. Z legionářských sporů o odbojové zásluhy [„Die Mauer zwischen Heimat- und Auslandswiderstand“. Aus dem Legionärsstreit um Widerstandsverdienste]; in: Historie a vojenství. Časopis Historického ústavu Armády České republiky 47 (1998) 84–93. 24 Pavel Reiman, Předběžné otázky k diskusi o dějinách KSČ [Vorhergehende Fragen zur Diskussion über die Geschichte der KSČ]; in: Komunistická revue 9–10 (1932) 269–283. Es handelt sich um die 20 21

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Die Monarchie war seiner Ansicht nach ein „Staatsgebilde, dessen halbfeudale Züge in Widerstreit mit den Erfordernissen der modernen kapitalistischen Entwicklung gerieten. Da jedoch trotz aller feudalen Überreste der Kapitalismus schon hinreichend entwickelt und die bürgerliche Revolution beendet wurde, gab es alle Voraussetzungen für eine proletarische Revolution. […] Es fehlte jedoch an subjektiven Voraussetzungen. Und weil der österreichische Staat schon senil war und seine Nachteile nicht mehr zu heilen waren, brach er unter dem Druck des proletarischen Klassenkampfes und der nationalen Antagonismen, die sich auf seltsame Weise mit der Kriegsniederlage verflochten, zusammen, und das trotz der Tatsache, dass den proletarischen Massen eine zielbewusste Leitung durch eine Revolutionspartei fehlte.“25 Der Verrat der Sozialdemokratie ermöglichte es der tschechischen Bourgeoise, die „Revolutionsenergie der Volksmassen in eine bürgerlich-nationale Revolution überzuleiten“26. Trotzdem sei aber die Gründung der Tschechoslowakei nicht nur negativ – sie klärte die Situation dadurch, dass sie „die tschechischen proletarischen Massen direkt in den Klassenkampf gegen die eigene Bourgeoise“ stellte27. Ab den 1930er Jahren versuchten die kommunistischen Autoren auch nationale Elemente in ihr Narrativ zu integrieren. Nach 1945 konnten „Zborów“ und die Tschechoslowakische Legion mit dem gemeinsamen Kampf der tschechoslowakischen und der Roten Armee an der Ostfront gegen die deutsche Wehrmacht in eine Kontinuität gesetzt werden. Dieser gemeinsame Kampf wurde als Bestandteil des ewigen Kampfes der Slawen gegen die Germanen interpretiert und so, wenn auch nur vorübergehend, aufgewertet28. Für den offiziellen Sammelband zum dreißigjährigen Jubiläum der Schlacht bei Zborów lieferten auch die höchsten Parteifunktionäre Klement Gottwald und Rudolf Slánský in diesem Sinne verfasste Beiträge29. Nach der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 änderte sich das Bild wieder. Nach anfänglicher Unschlüssigkeit, wie die Erste Tschechoslowakische Republik zu deuten sei, wurde diese und ihre Hauptvertreter als Feinde der Arbeiterklasse gewertet und die humanistische Masaryk-Philosophie – der „Masarykismus“ – als falsches Bewusstsein abgelehnt, da sie die Arbeiterklasse von der Idee des Klassenkampfes ablenken würde30. Die Schlacht bei Zborów wurde in ihrer Funktion eines sinnstiftenden Erinnerungsortes durch die blutige Schlacht am Dukla-Pass im Herbst Antwort Reimans auf kritische Besprechungen seiner im Jahre 1931 erschienen Geschichte der KPČ seitens anderer kommunistischer Theoretiker. 25 Ebd. 277 26 Ebd. 278. 27 Ebd. 279. 28 Galandauer, Bitva u Zborova [Die Schlacht von Zborów] 135 ff. 29 Wingfield, The Battle of Zborov 676. 30 Vítězslav Sommer, Angažované dějepisectví: stranická historiografie mezi stalinismem a reformním komunismem [Engagierte Geschichtsschreibung: Parteihistoriographie zwischen Stalinismus und Reformkommunismus] (1950–1970) (Praha 2011) 133. Zu diesem Masaryk-Bild vgl. vor allem die Publikation: Václav Král, O Masarykově a Benešově kontrarevoluční protisovětské politice [Über die konterrevolutionäre antisowjetische Politik von Masaryk und Beneš] (Praha 1953) und die Dokumentenedition von František Nečásek, Jan Plachta, Eva Raisová (Red.), Dokumenty o protilidové a protinárodní politice T. G. Masaryka. Sborník dokumentů [Dokumente zur volks- und nationalfeindlichen Politik T. G. Masaryks. Dokumentensammlung] (Praha 1953).

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1944 ersetzt. Das Denkmal am Prager Vítkov-Hügel wurde in eine kommunistische Gedenkstätte umcodiert31. Zum Hauptthema der modernen Geschichte avancierte die Geschichte der kommunistischen Partei und der Arbeiterbewegung. Die Geschichtsschreibung sollte die entscheidende Rolle der kommunistischen Partei in der tschechischen Geschichte untersuchen, in der Gesellschaft verbreiten und aus den vergangenen Irrtümern der Arbeiterbewegung die entsprechenden Lehren für die Gegenwart ziehen. Methodologisch wie auch thematisch wurde das sowjetische Model übernommen und die tschechische bzw. tschechoslowakische Geschichte in den breiteren Rahmen eines unaufhaltsamen Fortschritts zur kommunistischen Gesellschaft dargestellt32. Ein zentrales Ereignis des Ersten Weltkrieges stellte die russische Oktoberrevolution dar. Von den diversen Arbeiten, die diese These hervorbrachten33, sei hier stellvertretend die Studie von Jaroslav Křížek34 erwähnt. Křížek stellte vor allem die traditionelle tschechisch-nationale Sicht in Frage: Der Erste Weltkrieg war ein imperialistischer Krieg, der seinen Charakter erst nach dem Oktober 1917 änderte. Die Habsburgermonarchie wurde durch Proteste des von der Oktoberrevolution inspirierten Volkes zerschlagen. Der Anteil Masaryks und des Kriegsexils war nur eine von diesen Politikern selbst und vom imperialistischen Westen gepflegte Legende. In Wirklichkeit war Masaryk 31 Jan Galandauer, Chrám bez boha nad Prahou: památník na Vítkově [Tempel ohne Gott über Prag: Das Denkmal auf dem Berg Vítkov] (Praha 2014). 32 Zur stalinistischen Historiographie in der Tschechoslowakei vgl. Sommer, Angažované dějepisectví [Engagierte Geschichtsschreibung] 56–152 und in einem breiteren mitteleuropäischen Kontext: Maciej Górny, The Nation Should Come First: Marxism and Historiography in East Central Europe (= Warsaw studies in contemporary history 1, New York 2013). Die offizielle Hinwendung zur Geschichte der Arbeiterbewegung brachte neben vielen schematischen Arbeiten auch einige Projekte von bleibendem Wert hervor. Für den Ersten Weltkrieg war es neben der Aktenedition von Libuše Otáhalová, Souhrnná hlášení presidia pražského místodržitelství o protistátní, protirakouské a protiválečné činnosti v Čechách 1915–1918 [Sammelbericht der Prager Statthalterei über antistaatliche, antiösterreichische und antikriegerische Aktivitäten in Böhmen 1915–1918] (Praha 1957) vor allem die von J. Klepl erstellte Sammlung von Arbeitererinnerungen, die, trotz aller Probleme mit dieser Art der oral history, bis heute eine interessante Quelle darstellt. Eine Auswahl dieser Sammlung erschien 1953: Adolf Branald, Hrdinové všedních dnů: jejich příběhy, vzpomínky a vyprávění. I. díl, Život [Alltagshelden: ihre Geschichten, Erinnerungen und Erzählungen. I. Teil: Leben] (Praha 1953). 33 Vgl. Jurij Křížek, Oldřich Říha, Bez Velké říjnové socialistické revoluce by nebylo Československa. Boj české a slovenské dělnické třídy za svobodu v letech 1917–1920 [Ohne die Große Oktoberrevolution gäbe es keine Tschechoslowakei. Der Kampf der tschechischen und slowakischen Arbeiterklasse um die Freiheit in den Jahren 1917–1920] (Praha 1951); Jindřich Veselý, Češi a Slováci v revolučním Rusku [Tschechen und Slowaken im revolutionären Russland] 1917–1920 (Praha 1954); Jan Opat, Jak se dívat na bitvu u Zborova a u Bachmače [Wie die Schlachten von Zborów und Bachmač zu sehen sind]; in: Nová mysl 9 (1954) 1164–1165. Diese These wurde durch das 1960 erschienene Buch über die Tschechoslowakei und die KPČ des kommunistischen Journalisten und Spitzenpolitikers – in den 1950er Jahren Informations- und Kulturminister – Václav Kopecký verfestigt: Václav Kopecký, ČSR a KSČ. Pamětní výpisy k historii Československé republiky a k boji KSČ za socialistické Československo [ČSR und KPČ. Gedächtnisauszüge zur Geschichte der Tschechoslowakischen Republik und zum Kampf der KPČ um die sozialistische Tschechoslowakei] (Praha 1960). 34 Jaroslav Křížek, Čeští a slovenští rudoarmějci v Sovětském Rusku [Tschechische und slowakische Rotarmisten in Sowjetrussland] 1917–1920 (Praha 1955).

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der Sprecher der tschechischen Bourgeoise und der Dienstbote des westlichen Imperialismus35. Die Tschechoslowakische Legion war ein Instrument des Imperialismus im Kampf gegen den Bolschewismus. Die einzigen tschechischen und slowakischen Soldaten, die für die nationale und soziale Befreiung kämpften, waren diejenigen, die die Uniformen der Roten Armee trugen. Die Monarchie wurde sozusagen gegen den Willen des imperialistischen Westens – der in ihr eine antibolschewistische Barriere sah – durch den Druck von unten zerschlagen. Da es in Österreich jedoch an einer bewussten revolutionären Partei fehlte – die Sozialdemokratie erfüllte diese Rolle nicht –, kam die proletarische Revolution nicht zustande. Das nur sechs Jahre später publizierte Buch von Karel Pichlík36 zeugt von der Entwicklung der Geschichtsschreibung in der „poststalinistischen Phase“37. Pichlík übernimmt die kommunistische Gesamterklärung. Auch er schreibt über die gestohlene Revolution, über den Missbrauch der antihabsburgischen Einstellung der einfachen Leute durch Masaryk und die Imperialisten zugunsten des Kampfes gegen den Bolschewismus38 bzw. vom Verrat der Sozialdemokratie und vom Fehlen einer bewusst bolschewistischen Partei in Österreich – aufgrund dieser Faktoren sei es möglich gewesen, den spontanen Unmut breiter Schichten der Bevölkerung in prozaristische und russophile Einstellungen zu kanalisieren39. Zugleich arbeitet Pichlík jedoch mit einer Fülle empirischen Materials, einschließlich der Erinnerungen einfacher Soldaten, und er anerkennt in seiner Argumentation auch andere Beweggründe als die thesen- und floskelhaften stalinistischen Deutungen. Den soldatischen Widerspruch erklärt er zum Beispiel vor dem Hintergrund der autoritären Struktur der Armee und des Benehmens des Offizierskorps. Entscheidend dabei waren die Erfahrungen der tschechischen Soldaten mit der brutalen Kriegsführung der k. u. k. Armee an der Ostfront in den ersten Monaten und auch jene im Krieg gegen Serbien, die Pichlík anhand der Erinnerungen und Tagebücher der Soldaten schildert. Die antimilitaristischen Einstellungen der einfachen Soldaten und die ungünstigen Umstände spielten auch in dem bekannten Fall des 28. Regiments eine Rolle. Pichlík räumte jedoch auch die Bedeutung nationaler Faktoren ein und versuchte auf diese Weise die traditionelle tschechisch-nationale Deutung in seine Erzählung zu integrieren40. Die sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre als Bestandteil des Reformprozesses der 1960er Jahre durchsetzende Reformhistoriographie führte nicht nur zur Erweiterung Ebd. 4. Karel Pichlík, Čeští vojáci proti válce [Tschechische Soldaten gegen den Krieg] (1914–1915) (Praha 1961). 37 Zum Begriff vgl. Sommer, Angažované dějepisectví [Engagierte Geschichtsschreibung] 200. 38 Pichlík, Čeští vojáci [Tschechische Soldaten] 154. 39 Ebd. 150 f. 40 So waren seiner Meinung nach die – wenngleich letztlich erfolglosen – Unmuts- und Widerstandserscheinungen zu Beginn des Krieges auch der Beweis „eine[r] traditionellen demokratischen und antikriegerischen Stimmung des tschechischen Volkes“. Ebd. 5. Darüber hinaus entspricht schon die Themenwahl nicht dem Kanon der kommunistischen Deutung des Krieges. Pichlík konzentriert sich auf die Äußerungen des spontanen Ungehorsams in den ersten zwei Kriegsjahren, also noch lange vor der Oktoberrevolution, die sonst zum wichtigsten Erklärungspunkt hochstilisiert wurde. 35 36

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des Themenkreises, zu einer freieren fachlichen Diskussion und zur Herausforderung des poststalinistischen Paradigmas, sondern brachte auch eine eigene Deutung der modernen tschechischen bzw. tschechoslowakischen Geschichte hervor. Diese Deutung sollte die Reformbewegung stärken und auch historisch legitimieren: die Tschechoslowakei, weil wirtschaftlich und sozial hoch entwickelt, wurde als ein Sonderfall unter den sozialistischen Ländern betrachtet. Der spezifische tschechoslowakische Weg zum Sozialismus zeichnete sich durch eine friedliche und evolutionäre Entwicklung vom Kapitalismus zum Sozialismus aus41. Nach dieser Sicht der Dinge konnten auch die positiven Traditionen der tschechischen nationalen Deutung der Geschichte aufgewertet werden. Eine besondere Rolle spielte dabei die Erste Republik, deren Demokratie und soziale Politik positiv beurteilt wurden. In dieser Atmosphäre wurden einige, von der kommunistischen Orthodoxie vergessene Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung wieder entdeckt, was etwa auf den Reichsratsabgeordneten und Vorsitzenden der tschechischen Sozialdemokratie im Krieg (1916–1917), Bohumír Šmeral, zutrifft, der später einer der Gründer der Kommunistischen Partei wurde. Zdeněk Kárník widmete ihm 1968 ein Buch, in dem er die Formierung der tschechischen sozialistischen Politik am Ende des Weltkrieges in Bezug auf die nationale Frage bzw. auf die Frage der künftigen Gestaltung der Donaumonarchie und der Gründung eines Nationalstaates untersuchte. Kárník zeichnete dabei ein komplizierteres Bild der tschechischen sozialistischen Politik im Krieg, als jenes, das die kommunistische Historiographie, basierend auf der These vom „Verrat“ der Sozialdemokratie, bis dahin suggeriert hatte. In deutlicher Anspielung auf die Reformbewegung der 1960er Jahre wies Kárník darauf hin, dass die sozialistischen Politiker gegen Kriegsende in Übereinstimmung mit anderen tschechischen Politikern sowie der Mehrheit des Volkes dem Programm eines selbstständigen, demokratischen tschechoslowakischen Staates verpflichtet gewesen seien: „In den letzten Oktobertagen ist der tschechoslowakische Staat entstanden […]. Die Art und Weise wie dieser Staat gebildet wurde, wie auch das, was dieser Staat war, stellte einen Triumph der von den EntenteStaaten und von Masaryk vertretenen Konzeption der Lösung der tschechischen Frage dar. Triumph deswegen […], weil hinter diesem Sieg die Volksbewegung, repräsentiert durch die sozialistischen Parteien, […] stand.“42 Das Jahr 1968, das Jahr des Prager Frühlings, stellte nicht nur einen Höhepunkt der Paradigmenwechsel in der Geschichtsschreibung der Tschechoslowakei dar, sondern war zugleich das Jahr des 50-jährigen Jubiläums des Endes des Ersten Weltkrieges und der Gründung der Tschechoslowakei. Die im folgenden zu besprechenden Monographien, die in dieser Zeit publiziert wurden, stellten zusammen mit Kárníks Buch die Sommer, Angažované dějepisectví [Engagierte Geschichtsschreibung] 344–376. Zdeněk Kárník, Socialisté na rozcestí: Habsburk, Masaryk či Šmeral? [Sozialisten am Scheideweg: Habsburg, Masaryk oder Šmeral?] (Praha 1968) 300. Das Buch wurde in einer ergänzten Version unter dem gleichen Titel 1996 wieder aufgelegt. Aus den 1960er Jahren vgl. auch: Zdeněk Kárník, Za československou republiku rad. Národní výbory a dělnické rady v českých zemích 1917–1920 [Für eine tschechoslowakische Räterepublik. Nationalausschüsse und Arbeiterräte in den böhmischen Ländern 1917–1920] (Praha 1963). 41 42

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wichtigsten Beiträge der Reformhistoriographie zur Geschichte des Ersten Weltkrieges dar43. Die Einleitung des Buches von Karel Pichlík, „Auslandswiderstand 1914–1918 ohne Legenden“, kann als eine programmatische Erklärung und Selbstpositionierung der Historiographie dieser Jahre dienen44. Pichlík grenzt sich von der tschechisch nationalen Deutung ab, wonach dem tschechischen Exil um Masaryk die größte Bedeutung für die Entstehung der Republik zugerechnet wird; ebenso lehnt er die gegenteilige kommunistische Deutung ab, die die Oktoberrevolution zur eigentlichen und ausreichenden Ursache des Zusammenbruches der Monarchie und der Gründung der Republik erklärte. Diese beiden Deutungen waren nach Ansicht Pichlíks „Legenden“, die die historische Wirklichkeit verzerrten. Dagegen machte es sich Pichlík zur Aufgabe, die Geschichte nüchtern und frei von „Legenden“ darzustellen und die Ursachen, den Verlauf und die Folgen der historischen Ereignisse zu analysieren45. Er schrieb eine multikausale, ausgewogene und faktenreiche Darstellung nicht nur des Kriegsexils, sondern der tschechischen Politik im Krieg insgesamt und auch der Einstellungen der Bevölkerung. Pichlík kommt – ähnlich wie Kárník – an mehreren Stellen in einen direkten Widerspruch zu wichtigen Thesen der kommunistischen Deutung des Ersten Weltkrieges. Die Gründung des Staates erschien nicht mehr als eine gestohlene Revolution und die Exilpolitik wurde wieder aufgewertet: Der Umsturz vom Oktober 1918 stellte „das Ergebnis des einheitlichen Willens der breitesten Volksschichten dar, die sich mit dem Programm des Auslandswiderstandes identifizierten, einen selbstständigen, unabhängigen und demokratischen tschechoslowakischen Staat zu bilden, der auch die sozialen Probleme zu lösen in der Lage sein wird“46. Pichlík wirkte gemeinsam mit Vlastimil Vávra und Jaroslav Křížek auch an dem 1967 erschienen Buch „Červenobílá a rudá“ [Rotweiß und Rot]47 mit. Die Autoren beabsichtigten, die Kriegserlebnisse der tschechischen Soldaten vom Beginn bis zum Ende des Weltkrieges darzustellen, wobei die tschechische Politik und die Situation im Hinterland berücksichtigt werden sollten. Das Buch knüpfte an das Narrativ des Buches von Pichlík aus dem Jahre 1961 an, zugleich bot es auch ein neues bzw. alt-neues Deutungsparadigma. Auch in diesem Buch bekannten sich die Autoren zur Maxime einer objektiven, nüchternen und unvoreingenommenen Geschichtsbetrachtung, deren

43 Zu erwähnen ist noch das letzte Buch von Milada Paulová, das ihr Interesse an der Geschichte des tschechischen und jugoslawischen politischen Widerstandes gegen die Habsburgermonarchie ergänzt: Milada Paulová, Tajný výbor (Maffie) a spolupráce s Jihoslovany v letech 1916–1918 [Geheimausschuss (Maffia) und die Zusammenarbeit mit den Südslawen in den Jahren 1916–1918] (Praha 1968). 44 Karel Pichlík, Zahraniční odboj 1914–1918 bez legend [Auslandswiderstand 1914–1918 ohne Legenden] (Praha 1968). Das Buch wurde unter dem Titel „Bez legend: zahraniční odboj 1914–1918: zápas o československý program“ [Ohne Legenden: Auslandswiderstand 1914–1918: Das Ringen um ein tschechoslowakisches Programm] im Jahre 1991 neu aufgelegt. 45 Pichlík, Zahraniční odboj [Auslandswiderstand] 8. 46 Ebd. 467. 47 Karel Pichlík, Jaroslav Křížek, Vlastimil Vávra, Červenobílá a rudá. Vojáci ve válce a revoluci 1914–1918 [Rotweiß und rot. Soldaten im Krieg und in der Revolution 1914–1918] (Praha 1967).

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Ziel es sein sollte, die Menschen im Kontext ihrer Zeit zu verstehen. Die empirisch reichhaltige Arbeit bot eine integrierende Perspektive eines gemeinsamen, wenn auch in der jeweiligen Form unterschiedlichen Kampfes um die nationale Selbstständigkeit. Auf diese Weise konnten auch die Soldaten, die in der Uniform der k. u. k. Armee gekämpft hatten, als passive Opfer („Instrumente der Kriegsmaschinerie“48) für dieses Narrativ reklamiert werden. Ein weiteres Werk eines Autorenteams, das unter Leitung von Jaroslav Křížek 1968 erschien, verdient Aufmerksamkeit, weil es ein erster Versuch war, die Geschichte des Krieges als solchen darzustellen49. Damit durchbrachen die Autoren den bisherigen engen tschechischen Deutungsrahmen, der in der Reformhistoriographie der 1960er Jahre weiterhin gestärkt wurde. Dies belegt auch die Reflexion der internationalen bzw. der aktuellen westlichen Forschung. Der Krieg wird allgemein als eine Zäsur in der Weltgeschichte dargestellt. An Stelle des europäischen Bürgertums, dessen Zeit abgelaufen war, trat eine neue, durch den Krieg und die sozialistische Revolution geprägte Epoche50. In diesem Rahmen diskutieren die Autoren den Ausbruch des Krieges. Als ein Hauptgrund für diese „Flucht nach vorne“ werden dabei sowohl im Falle Deutschlands als auch Österreich-Ungarns innere Strukturprobleme angeführt. War es im Falle Deutschlands der Widerspruch zwischen einer wirtschaftlichen Modernisierung und der rückständigen demokratischen Entwicklung, so spielte im Falle der Donaumonarchie die nationale Frage eine große Rolle51. Im Falle Österreich-Ungarns wurde daher die innere Konsolidierung des Vielvölkerstaates zum Hauptziel des Krieges. Sie sollte durch den Sieg Deutschlands noch gestärkt werden, da in diesem Fall Deutschland seine Hegemonie über die slawischen Völker noch ausgebaut hätte52. Den Zerfall der Monarchie führen die Autoren auf mehrere Ursachen zurück: Neben der „verzweifelten Versorgungssituation an der Front wie auch im Hinterland“ sowie der „nationalen Befreiungsrevolution der slawischen Völker“ waren auch die Kriegsniederlagen der Zentralmächte, der Zusammenbruch der eigenen Armee, die neue Politik der EntenteStaaten gegenüber der Habsburgermonarchie sowie die „scharfen sozialen Konflikte“ ursächlich53. Die kommunistische Historiographie der 1950er und 1960er Jahren durchlief eine bewegte Entwicklung. Nach der Phase der stalinistischen Historiographie, die den Ersten Weltkrieg und seinen Ausgang schemenhaft durch die Brille der kommunistischen Orthodoxie für die Zwecke des Regimes und seiner Ideologie instrumentalisierte, änderte sich die Situation seit Ende der 1950er Jahre bedeutend. Vor allem die Reformhistoriographie mit dem Höhepunkt in den 1960er Jahren brachte eine Aufwertung der wissenschaftlichen Standards. Der freigestellte öffentliche Raum und die gelockerte Ebd. 12 Jaroslav Křížek [a kolektiv (Autorenkollektiv)], První světová válka [Der Erste Weltkrieg] (Praha 1968). 50 Ebd. 209. 51 Ebd. 38. 52 Ebd. 94. 53 Ebd. 236 f. 48 49

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gesellschaftliche Atmosphäre ermöglichten nach einer langen Unterbrechung eine freie Diskussion der Konzeptionen der tschechischen bzw. tschechoslowakischen Geschichte. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Vorstellung von einem spezifischen tschechoslowakischen Sozialismus, der zum Legitimationsdiskurs der Reformbewegung der 1960er Jahre wurde. Im Falle der Erforschung des Ersten Weltkrieges versuchte man, die nationalen und sozialrevolutionären Deutungsmodelle zu vereinigen und einen integrativeren, zugleich jedoch nüchternen und komplexen Blick auf die Geschichte des Ersten Weltkrieges „ohne Legenden“ zu werfen. Dies hatte einen mehrschichtigen Blick auf die Auflösung der Donaumonarchie und die Gründung der Tschechoslowakei zur Folge, die nicht mehr ausschließlich als ein bloßer Reflex der Oktoberrevolution bzw. als Ausdruck eines einheitlichen Willens der tschechischen Nation nach Selbstständigkeit betrachtet wurden. Hingegen wurden nun auch andere Faktoren diskutiert: die militärischen Misserfolge der Habsburgermonarchie und im Gegenzug dazu die materielle Überlegenheit der Entente-Staaten (vor allem nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten), die desaströse soziale und wirtschaftliche Situation Österreich-Ungarns in den letzten Kriegsjahren, die wachsende sozial und auch national motivierte Protestbewegung (die nicht nur durch den Einfluss der Oktoberrevolution zu erklären war, sondern auch durch die Rolle der tschechischen Politik), die Formierung eines gemeinsamen nationalen Programmes etc. Zugleich wurden auch die Kontakte mit der westlichen Forschung, vor allem mit der österreichischen Historiographie, intensiviert54. Dieser Entwicklung bereitete jedoch die Invasion im August 1968 ein abruptes Ende. 3. Die Historiographie nach dem Prager Frühling Nach dem Ende des Prager Frühlings kam es unter den neuen politischen Machthabern auch in der tschechischen Historiographie zu grundlegenden Änderungen. Einige historische Institute wurden aufgelöst55, viele Historiker entlassen, während andere gezwungen waren, sich den neuen ideologischen Anforderungen mehr oder weniger gewollt anzupassen. Der freie Raum für die wissenschaftliche Diskussion wurde bedeutend begrenzt und diese war nur im Rahmen der inoffiziellen Historiographie im Dissent, teilweise auch in der sogenannten Grauzone, möglich56. 54 Vgl. die Erinnerung an die tschechische Teilnahme an der internationalen Tagung zum Zusammenbruch der Habsburgermonarchie, die im Oktober 1968 in Wien stattfand: Jan Galandauer, Pád dvouhlavého orla po padesáti letech. Výprava československých historiků do Vídně v říjnu 1968 [Der Fall des Doppeladlers nach fünfzig Jahren. Die Exkursion tschechischer Historiker nach Wien im Oktober 1968]; in: Dějiny a současnost. Kulturně historická revue 31 (2009) 25–27. Vgl. auch den dazu erschienenen Tagungsband: Richard Georg Plaschka, Karlheinz Mack (Hgg.), Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (= Schriftenreihe des österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 3, München – Wien 1970). 55 So wurde z. B. das „Československý ústav dějin socialismu“ [Tschechoslowakisches Institut für Geschichte des Sozialismus], ursprünglich „Ústav pro dějiny KSČ“ [Institut für Geschichte der KPČ], aufgelöst, das eines der Hauptzentren der Reformhistoriographie darstellte. Vgl. dazu Sommer, Angažované dějepisectví [Engagierte Geschichtsschreibung] 444–462. 56 Zu den Geisteswissenschaften in dieser Zeit vgl. die Fallstudie der Prager Philosophischen Fakultät: Jakub Jareš, Matěj Spurný, Katka VolnÁ (Hgg.), Náměstí Krasnoarmějců 2. Učitelé a studenti Filozofické

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Die Forschungsarbeit der Historiker und Historikerinnen wurde jedoch sowohl durch den begrenzten Zugang zu den Quellen und zur Fachliteratur wie auch durch die begrenzten oder überhaupt nicht vorhandenen Publikationsmöglichkeiten mehr als nur erschwert. Trotzdem entstanden in dieser Zeit in der inoffiziellen Historiographie Studien, die die bisherigen Deutungsparadigmen der modernen tschechischen Geschichte in Frage stellten, wie im Falle des Buches von Jan Křen57. Diese, wie auch sonstige Arbeiten der „anderen“ Historiographie, wurden nach 1990 publiziert und prägten, wie noch gezeigt werden soll, die Forschungslandschaft und Diskussion der 1990er Jahre mit. Die Historiographie, die in den 1970er und 1980er Jahren in den Institutionen, wie den Universitäten und historischen Forschungsinstituten, betrieben wurde, kam dagegen wohl oder übel auf die altbewährte Deutung der Ersten Republik und des Ersten Weltkrieges zurück, wie zum Beispiel der formelhafte Text eines der Hauptvertreter der offiziellen Historiographie dieser Zeit, Václav Král, zeigt58. Auch Jan Galandauer versuchte in seinem 1977 erschienen Buch den Einfluss der Oktoberrevolution bis ins Detail zu belegen. Das Buch erschien zum sechzigjährigen Jubiläum der bolschewistischen Revolution und auf dem Höhepunkt der Kampagne des kommunistischen Regimes gegen die politische Opposition. Galandauer wiederholte die schon klassischen Topoi der kommunistischen Deutung des Ersten Weltkrieges: der Krieg als ein bis zur Oktoberrevolution imperialistischer Krieg, die ursprüngliche Bedeutungslosigkeit des tschechischen Exils, die erst durch die geänderte Strategie der Entente-Mächte nach der bolschewistischen Revolution an Bedeutung gewann59, bzw. die kopflose, passive und letztlich gegenüber der Monarchie loyale tschechische Politik der bürgerlichen Parteien. Die Monarchie war für Galandauer ein „halbfeudales Vielvölkerreich“, dessen Existenz nach der Oktoberrevolution „absurd erschien“60. Das Ende der Monarchie und die Gründung der Nationalstaaten der ehemals unterdrückten Nationen habe zwar einen Fortschritt dargestellt, jedoch die brennende Frage der sozialen Befreiung des arbeitenden Volkes offen gelassen61. Ungeachtet dieser Einschätzungen ist das Buch bei weitem nicht mit den klischeehaften Studien aus den 1950er Jahren vergleichbar. Im gegebenen Rahmen lieferte Galandauer eine vergleichsweise ausdifferenzierte Darstellung des Weltkrieges. Er hob die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Entwicklung an den Kriegsfronten, der internationalen Politik sowie der Spannung zwischen sozialem und nationalem Protest und zwischen spontanem Protest und der Politik der Parteieliten hervor. fakulty UK v období normalizace [Platz der Rotarmisten 2. Lehrer und Studenten der Philosophischen Fakultät der UK in der Ära der Normalisierung] (Praha 2012). 57 Jan Křen, Konfliktní společenství. Češi a Němci 1780–1918 [Konfliktgemeinschaft. Tschechen und Deutsche 1780–1918] (Praha 1990). 58 Václav Král, 60. výročí Velké říjnové socialistické revoluce a Československo [Der 60. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und die Tschechoslowakei]; in: Slovanské historické studie 12 (1979) 5–21. 59 Jan Galandauer, Ohlas Velké říjnové socialistické revoluce v české společnosti [Das Echo der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in der tschechischen Gesellschaft] (Praha 1977) 160. 60 Ebd. 59 61 Ebd. 206

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Wie auch dieses Beispiel zeigt, war die Phase der „Normalisierung“ – die 1970er und 1980er Jahre – auch im Falle der offiziellen Historiographie keine unterschiedslose, graue Epoche. Vor allem seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre änderten sich die Arbeitsbedingungen auch für die historische Forschung. Darüber hinaus verloren die Jahre 1914–1918 im Vergleich zu Themen wie der deutschen Besatzungspolitik 1939– 1945, dem Zweiten Weltkrieg und der Etablierung des kommunistischen Regimes, viel von ihrer aktuellen politischen Brisanz. Die Möglichkeiten für ein weniger schablonenhaftes Nachdenken über die Geschichte des Ersten Weltkrieges erschienen daher größer. Dies belegt auch die Geschichtsschreibung über das lange 19. Jahrhundert in dieser Zeit; vor allem in den 1980er Jahren sind im Umfeld der offiziellen Historiographie einige Arbeiten entstanden, die bis heute zitiert, rezipiert und gelesen werden62. Auch zum Thema des Ersten Weltkrieges sind in dieser Zeit neben wertvollen empirischen Studien63 auch einige nennenswerte größere Arbeiten entstanden. Der bereits erwähnte Jan Galandauer ist Autor der Biographie Bohumír Šmerals64. Das 1986 erschienene Buch stellt eine bis heute lesenswerte Studie über diesen Politiker dar, der noch im Jahre 1918 eine linke, nichtnationalistische Alternative zum nationalen Programm der tschechischen bürgerlichen Parteien und auch eines Teils „seiner“ Sozialdemokratie verkörperte. Darüber hinaus stellt das Buch eine quellengestützte Gesamtdarstellung der tschechischen Politik während des Ersten Weltkrieges im Allgemeinen und zugleich eine Geschichte der tschechischen Sozialdemokratie dar. Einen weiteren Beitrag zur Geschichte des Weltkrieges lieferte die Gesamtdarstellung von Zdeněk Jindra, die im Jahr 1984 erschien65. Ähnlich wie im Falle des Werkes des Autorenkollektivs unter Leitung von Jaroslav Křížek aus den 1960er Jahren ist auch sein Augenmerk auf den Krieg als solchen gerichtet. Darüber hinaus beschäftigt sich Jindra neben der politischen und militärischen Geschichte auch mit der Wirtschaftsgeschichte und ihren tiefgreifenden Folgen. Auch für Jindra, der die offizielle Rahmenerklärung zugrunde legt, stellt die Oktoberrevolution eine entscheidende Zäsur im ursprünglich imperialistischen Krieg dar; diese, so Jindra, sei mitverursacht worden durch die „Flucht nach vorne“ der beiden Zentralmächte im Jahr 1914. Ein großer Teil des Buches ist der Geschichte der Revolution in Russland gewidmet. Das mit populär62 Vgl. insbesondere Otto Urban, Česká společnost 1848–1918 (Praha 1982); dt. Ausgabe unter dem Titel: Die tschechische Gesellschaft 1848 bis 1918, 2 Bde (= Anton Gindely-Reihe zur Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas 2, Wien – Köln – Weimar 1994); Vladimír Macura, Znamení zrodu: české obrození jako kulturní typ [Zeichen der Geburt: die tschechische Aufklärung als Kulturtypus] (Praha 1983, 21995; eine erweiterte Auflage erschien 2015 unter dem Titel: Znamení zrodu a české sny [Zeichen der Geburt und tschechische Träume]); Miroslav Hroch, Evropská národní hnutí v 19. století: společenské předpoklady vzniku novodobých národů [Europäische Nationalbewegungen im 19. Jahrhundert: gesellschaftliche Voraussetzungen der Entstehung neuzeitlicher Nationen] (Praha 1986). 63 So wurde zum Beispiel 1977 eine gründliche Studie über die Versorgung Prags in den Jahren 1914 bis 1918 veröffentlicht; vgl. Pavel Scheufler, Zásobování potravinami v Praze v letech 1. světové války [Lebensmittelversorgung in Prag in den Jahren des 1. Weltkrieges]; in: Etnografie dělnictva 9 (1977) 143– 197. 64 Jan Galandauer, Bohumír Šmeral 1914–1941 (Praha 1986). 65 Zdeněk Jindra, První světová válka [Der Erste Weltkrieg] (Praha 1984).

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wissenschaftlichen Absichten verfasste Buch bleibt jedoch nicht bei der Wiederholung der schematischen offiziellen Thesen stehen66. Sein wirtschaftshistorischer Blick ermöglicht es ihm, den Krieg nicht nur als eine isolierte Episode der Jahre 1914–1918 darzustellen, sondern auch seine soziale und wirtschaftliche Vorgeschichte sowie seine Folgen zu berücksichtigen. Die Friedensverträge seien zwar durch den „Wettkampf der Großmächte um Rohstoffe, Brennstoffe, Absatzmärkte, Verkehrswege […], Stützpunkte usw. bestimmt“ worden67, der Krieg habe aber zumindest die „Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen“ ermöglicht, das „die zündendste Idee der Weltkriegszeit und der russischen Revolution“ gewesen sei. Die neue Welt hatte daher „nicht mehr einen ausschließlich imperialistischen Charakter“68. Die Gesamtdarstellung der tschechischen Geschichte in der Habsburgermonarchie, Otto Urbans „Die Tschechische Gesellschaft 1848–1918“, stellt eine Pionierleistung der damaligen, offiziellen tschechischen Historiographie dar. Obwohl in das offizielle Narrativ vom imperialistischen Krieg eingebettet, liefert das letzte Kapitel des Werkes eine ausgewogene Darstellung der tschechischen Geschichte der Jahre 1914–1918 mit innovativen Einblicken, wie etwa im Falle des Alltagslebens im Hinterland. Den Zerfall der Monarchie und die Gründung der Tschechoslowakei sieht Urban in einem breiten Kontext der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der modernen Gesellschaften in Mitteleuropa im „langen“ 19. Jahrhundert. Erst diese strukturellen Bedingungen formten das zeitgenössische Kräfteverhältnis, das die Entstehung der Republik ermöglichte69. In der Phase der „Normalisierung“ wurden die Möglichkeiten der geschichtswissenschaftlichen Forschung stark begrenzt. Das dekretierte, offizielle Narrativ zum Ersten Weltkrieg setzte der freien Diskussion über Geschichtskonzepte und Deutungen ein abruptes Ende. Eine solche konnte sich nur in der oppositionellen Historiographie weiterentwickeln, deren Forschungsbedingungen jedoch sehr begrenzt waren. Dennoch verschob sich die Rolle des offiziellen Narrativs immer mehr von der eines wahren Erklärungsmodels hin zur Rolle eines formellen, rhetorischen Gesamtrahmens. Unter dessen Deckung konnten einzelne Themen der Geschichte des Ersten Weltkrieges relativ ungestört und eigenständig behandelt werden – sei es die Geschichte der Sozialdemokratie und der Arbeiterbewegung bei Galandauer, die Wirtschaftsgeschichte des Weltkrieges bei Jindra, oder die Geschichte der tschechischen Gesellschaft und die Ansätze einer Alltagsgeschichte bei Urban70. Damit soll keine verdeckte Opposition 66 Das vom militärischen Gesichtspunkt her verfrühte Ende des Krieges erklärt Jindra mit dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren: Oktoberrevolution und Zusammenbruch der Ostfront, wirtschaftliche Erschöpfung, Destabilisierung und Entstehung der revolutionären Situation bei den Zentralmächten bzw. Stärkung der nationalen Befreiungsbewegung in Österreich-Ungarn, Mobilisierung des ökonomischen Potentials Frankreichs, Großbritanniens und vor allem der Vereinigten Staaten und deren Intervention in den Krieg, die sich auch im „politisch-ideologischen“ Bereich (die 14 Wilson-Punkte) abzeichnete. Ebd. 81. 67 Ebd. 346. 68 Ebd. 346. 69 Urban, Česká společnost [Tschechische Gesellschaft] 645. 70 Sogar im offiziellen, großangelegten Projekt der „Militärischen Geschichte der Tschechoslowakei“, dessen zweiter Band (1529–1918) den Ersten Weltkrieg im Schlusskapitel unter dem Gesichtspunkt des

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der Historiker und Historikerinnen konstruiert werden. Es ist darin eher eine Parallele zu jener Rolle zu suchen, welche die Ideologie und ihre Rhetorik in der Spätphase der sozialistischen Regime im Allgemeinen spielten – sie waren selbst in den Augen der Mitträger dieser Regime weit davon entfernt, eine ernst zu nehmende Aussage über die Welt zu enthalten71. 4. Das Wendejahr 1989 Nach der Wende 1989 konnte das entleerte historische Narrativ der vorangegangenen Jahrzehnte umso leichter als bedeutungslose Floskel abgeworfen und durch einen vermeintlich ideologielosen Positivismus ersetzt werden, der versprach, nunmehr die „wahre“, vom kommunistischen Regime geleugnete Geschichte offenzulegen. Die radikale Ablehnung aller Theorien, die als marxistisches Relikt abgetan wurden, öffnete jedoch auch den Raum für eine „traditionelle, ethnozentrische Sichtweise“ 72, die als etwas Natürliches und daher nicht verdächtig erschien. Gleichzeitig mit dem Aufstieg der Ersten Tschechoslowakischen Republik zum Vorbild einer parlamentarischen Demokratie, der nationalen Selbstständigkeit, des wirtschaftlichen Erfolges und der Zugehörigkeit zum Westen, wurde auch eine einschlägige Deutung der tschechischen Geschichte mittransportiert. Davon zeugt vor allem das rege Interesse an der Geschichte der Tschechoslowakischen Legion, die die kommunistische Historiographie entweder verschwiegen oder als konterrevolutionäres, antibolschewistisches und nationalistisches Instrument des westlichen Imperialismus dargestellt hatte. Die Forschung zur Tschechoslowakischen Legion gipfelte in der Synthese von Karel Pichlík, Bohumír Klípa und Jitka Zabloudilová, die anhand von Archivstudien und der bisherigen Forschung eine nüchterne Gesamtdarstellung vorlegten73. Die Legion erreichte jedoch nach 1989 nie eine vergleichbare Legitimierungsfunktion wie dies in der Ersten Republik der Fall war. Auch die Schlacht bei Zborów konnte sich als Erinnerungsort nicht durchsetzen74. Zu den Hauptthemen der oft auch kontrovers diskutierten historischen Forschung wurden nach 1989 andere Epochen und Ereignisse der modernen tschechischen Geschichte, wie vor allem die Vertreibung der Sudetendeutschen75 bzw. die Geschichte des Staatssozialismus 1948–1989. offiziellen Narrativs behandelt, blieb noch immer viel Raum für klassische, faktenreiche, militärische Geschichte. Vgl. Broft, Vojenské dějiny [Militärgeschichte] II. 71 Vgl. Alexei Yurchak, Everything was forever, until it was no more: the last Soviet generation (Princenton 2005). 72 Pavel Kolář, Michal Kopeček, A Difficult Quest for New Paradigms. Czech Historiography after 1989; in: Sorin Antohi, Balázs Trencsényi, Péter Apor (Hgg.), Narratives unbound. Historical Studies in Post-Communist Eastern Europe (Budapest 2007) 173–248, hier 206. 73 Karel Pichlík, Bohumír Klípa, Jitka Zabloudilová, Českoslovenští legionáři [Tschechoslowakische Legionäre] (1914–1920) (Praha 1996). 74 Wingfield, The Battle of Zborov 681. 75 Vgl. Michal Kopeček, Miroslav Kunštát, „Sudetoněmecká otázka“ v české akademické debatě po roce 1989 [Die „Sudetendeutsche Frage“ in der tschechischen akademischen Debatte nach dem Jahr 1989]; in: Soudobé dějiny 10 (2003) 293–318.

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In diesem geschichtswissenschaftlichen „Schatten“ entwickelte sich die einschlägige tschechische Forschung. Neben der Erforschung der Geschichte der Legion setzte sich auch eine rege Forschung zur Geschichte der tschechischen Teilnahme am Krieg in der k. u. k. Armee durch. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Arbeiten von Josef Fučík zu erwähnen. In der gründlichen und umfangreichen Studie zum 28. Regiment widerlegt er die Legende vom „Übergang“ dieses Regiments in die russische Kriegsgefangenschaft „ohne einen einzigen Schuss“ 76. Während sich Fučík in diesem Buch wie auch in anderen militärgeschichtlich ausgerichteten Studien77 mit den tschechischen Soldaten in kaiserlichen Uniformen befasste, wandte sich der Militärhistoriker Jindřich Marek in apologetischer Absicht dem Thema der Resistenz der tschechischen Soldaten zu78. Die 1996 erschienene faktenreiche Studie von Aleš Skřivan79zur Außenpolitik der Zentralmächte am Vorabend des Ersten Weltkrieges behandelt die von der tschechischen Weltkriegs-Historiographie kaum berücksichtigten Themen der Geschichte der internationalen Beziehungen bzw. des Kriegsausbruches. An diese Arbeit knüpften weitere Studien zur Geschichte der Außenpolitik Österreich-Ungarns an80. Einer be76 Josef Fučík, Osmadvacátníci. Spor o českého vojáka Velké války [Die Achtundzwanziger. Der Streit um den tschechischen Soldaten des Großen Krieges] (Praha 2006). Vgl. auch die Gesamtdarstellung: Richard Lein, Pflichterfüllung oder Hochverrat? Die tschechischen Soldaten Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg (= Europa Orientalis 9, Wien – Berlin – Münster 2011). 77 Josef Fučík, Soča [Isonzo] 1917 (Praha 1999); ders., Piava [Piave] 1918 (Praha 2001, 2013). Vgl. auch ders., Doss Alto – mýtus a skutečnost: československá legie na italské frontě 1918 [Doss Alto – Mythos und Realität: Tschechoslowakische Legion an der italinischen Front 1918] (Praha 2014). 78 Jindřich Marek, Pod císařskou šibenicí. Čeští vojáci na křižovatkách roku 1918 [Unter kaiserlichem Galgen. Tschechische Soldaten an den Kreuzwegen des Jahres 1918] (Cheb 2005). Marek setzte sich zum Ziel, die tschechischen „Helden“ des Krieges – d. h. die Soldaten, die in der Tschechoslowakischen Legion kämpften oder Ungehorsam und Widerstand gegen die Habsburgermonarchie leisteten – vor den „modische[n] Bemühungen“ in Schutz zu nehmen, die darauf abzielten, dieses Engagement „zu verfälschen und zu deformieren“ (so der Klappentext). In einem anderen Buch über die Tschechen im Ersten Weltkrieg versucht dagegen Libor Nedorost einen integrierenden Blick auf alle tschechischen Soldaten zu werfen. Dies wird jedoch durch die weitgehende De-Kontextualisierung und den Verzicht auf eine durchgehende Deutung erkauft. Vgl. Libor Nedorost, Češi v 1. světové válce [Tschechen im 1. Weltkrieg], 3 Bde. (Praha 2006–2007). 79 Aleš Skřivan, Císařská politika. Rakousko-Uhersko a Německo v evropské politice v letech 1906–1914 [Kaiserliche Politik. Österreich-Ungarn und Deutschland in der europäischen Politik der Jahre 1906–1914] (Praha 1996); in der deutschen Fassung Aleš Skřivan, Schwierige Partner: Deutschland und Österreich-Ungarn in der europäischen Politik der Jahre 1906–1914 (Hamburg 1999). 80 Václav Horčička, Rakousko-uherská politika vůči sovětskému Rusku v letech 1917–1918 [Österreichisch-ungarische Politik gegenüber Sowjetrussland in den Jahren 1917–1918] (Praha 2005); Jan Županič, Rakousko-Uhersko a polská otázka za první světové války [Österreich-Ungarn und die polnische Frage nach dem Ersten Weltkrieg] (Praha 2006); Václav Horčička, Vztahy Rakouska-Uherska a Spojených států amerických v období první světové války [Die Beziehungen Österreich-Ungarns und der Vereinigten Staaten von Amerika in der Zeit des Ersten Weltkrieges] (Praha 2007); Jan Županič, Václav Horčička, Hana Králová, Na rozcestí: rakousko-uherská zahraniční služba v posledních letech existence monarchie [Am Scheideweg: der österreichisch-ungarische auswärtige Dienst in den letzten Jahren des Bestandes der Monarchie] (Praha 2009); Petr Prokš, Diplomacie a „Velká válka“ 1914–1918/1919. Kapitoly o dějinách diplomacie za první světové války v Evropě a na mírové konferenci v Paříži [Diplomatie und „Großer Krieg“ 1914–1918/1919. Kapitel zur Diplomatiegeschichte während des Ersten Weltkrieges in Europa und auf der

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ständigen Beliebtheit erfreute und erfreut sich auch das Biographiegenre81. Im Unterschied dazu blieb jedoch die Problematik der Wirtschaftsgeschichte, welche vor 1989 eine bedeutende Rolle spielte, abseits. Das Thema erschien meistens „nur“ im Rahmen größerer Synthesen, wobei vor allem das umfangreiche Kapitel Jindras in der „Wirtschaftsgeschichte der Böhmischen Länder“ im Rahmen der Habsburgermonarchie hervorzuheben ist82. Der nach 1989 neu entstandene freie öffentliche Raum ermöglichte eine pluralistische und vielstimmige Diskussion über die moderne tschechische Geschichte. Dabei spielten von Anfang an auch jene kritischen und unorthodoxen historischen Arbeiten eine besondere Rolle, die im Dissens entstanden waren und nach 1989 mit großem Erfolg dem lesehungrigen Publikum eine „andere“ und „neue“ Sicht der modernen tschechischen Geschichte vermittelten. Aufmerksamkeit rief ein Buch des Autorenkollektivs Petr Pithart, Milan Otáhal und Petr Příhoda hervor, das unter dem Kollektivpseudonym „Podiven“ 1991 publiziert wurde83. Unter dem Titel „Die Tschechen in der Geschichte der Neuzeit. Versuch eines Spiegels“, versuchten die Autoren eine neue Deutung der tschechischen Geschichte zu liefern. Ihre Deutungslinie war stark von der Erfahrung der Teilung Mitteleuropas beeinflusst, die erst durch das nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie entstandene Machtvakuum ermöglicht worden war. Sie setzten sich folglich nicht nur mit der offiziellen kommunistischen Historiographie, sondern auch mit der noch älteren Tradition der nationalen Deutung der tschechischen Geschichte auseinander, die deren Höhepunkt in der Gründung des selbstständigen Staates erblickte. Im Unterschied zu dieser und ähnlichen Studien – erinnert sei hier noch an die Texte der Autoren der Zeitschrift „Střední Evropa“ [Mitteleuropa] –, zeichnete sich das 1990 erschienene Buch von Jan Křen, das eine wichtige Studie der oppositionellen Friedenskonferenz in Paris] (Praha 2014); Marek Šmíd, Vatikán a první světová válka: proměny zahraniční politiky Svatého stolce v letech 1914–1918 [Der Vatikan und der Erste Weltkrieg: Wandlungen der Außenpolitik des Heiligen Stuhls in den Jahren 1914–1918] (Brno 2016). 81 Jan Galandauer, František Ferdinand d‘Este (Praha 1993); ders., Karel I., poslední český král [Karl I., der letzte böhmische König] (Praha 1998); ders., František kníže Thun: místodržící českého království (Praha 2007); dt. Ausgabe unter dem Titel: Franz Fürst Thun: Statthalter des Königreiches Böhmen (Wien – Köln – Weimar 2014); Jiří Pernes, Poslední Habsburkové: Karel, Zita, Otto a snahy o záchranu císařského trůnu [Die letzten Habsburger: Karl, Zita, Otto und die Bemühungen um die Rettung des Kaiserthrones] (Brno 1999); Josef Fučík: Generál Podhajský [General Podhajský] (Praha – Litomyšl 2009). 82 Zdeněk Jindra et. al., Hospodářský vzestup českých zemí od poloviny 18. století do konce monarchie [Der wirtschaftliche Aufstieg der böhmischen Länder von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende der Monarchie] (Praha 2015) 446–494; Ivan Šedivý, Češi, české země a Velká válka [Die Tschechen, die böhmischen Länder und der Große Krieg] 1914–1918 (Praha 2001) 213–239; zum Thema der Wirtschaft im Krieg auch Vlastislav Lacina, Válečné hospodářství ve střední Evropě a v českých zemích za první a druhé světové války [Kriegswirtschaft in Mitteleuropa und in den böhmischen Ländern während des Ersten und Zweiten Weltkrieges]; in: Jan Gebhart, Ivan Šedivý (Hgg.), Česká společnost za velkých válek 20. století: pokus o komparaci) [Die tschechische Gesellschaft während des Großen Krieges des 20. Jahrhunderts: Versuch eines Vergleichs] (Praha 2003) 45–50. 83 Podiven [Petr Pithart, Milan Otáhal, Petr Příhoda], Češi v dějinách nové doby: pokus o zrcadlo [Die Tschechen in der Geschichte der Neuzeit: Versuch eines Spiegels] (Praha 1991).

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Historiographie darstellt, durch einen fachwissenschaftlichen Zugang zur Problematik aus84. Durch den Vergleich der Entwicklung der tschechischen und deutschen Nationalismen und des deutsch-tschechischen Verhältnisses im 19. Jahrhundert, bietet Křens Buch im größeren Rahmen der Donaumonarchie bzw. Mitteleuropas eine innovative Darstellung der tschechischen Geschichte, die den traditionellen nationalen Deutungsrahmen überschreitet. Den Stand der Forschung zum Ersten Weltkrieg am Ende der 1990er Jahre reflektierte jedoch vor allem die 2001 erschienene Gesamtdarstellung von Ivan Šedivý85. Im ersten Teil des Buches liefert er eine Gesamtdarstellung des Krieges aus der Perspektive der Militärgeschichte, die auf der bisherigen – keineswegs nur tschechischen – Forschung zu diesem Thema beruht. Darüber hinaus behandelt das Buch im zweiten Teil auch neue Forschungsfragen. Šedivý nutzt auch die fortschreitende Internationalisierung der Forschung, die durch rege fachliche Kontakte sowie durch die Zusammenarbeit mit und Rezeption der ausländischen Forschung vorangetrieben wurde86. Šedivýs Gesamtdarstellung der Geschichte der tschechischen Gesellschaft im „Großen Krieg“ konzentriert sich vor allem in ihrem zweiten Teil auf die Gesellschafts- und Sozialgeschichte des Krieges. Er widmet sich den Themen der „großen Politik“, den politischen Äußerungen der „einfachen“ Leute, der Kriegswirtschaft und ihren Auswirkungen, dem Alltagsleben im Hinterland, den Intellektuellen und Künstlern im Krieg. Dabei betritt er mehrmals Neuland, wie im Falle der Untersuchung und Deutung loyaler tschechischer Äußerungen oder der Migrationsbewegungen und der Kriegsflüchtlinge. Šedivý stellt auch die oft zu vereinfachende Gleichsetzung von allgemeiner Antikriegseinstellung einerseits und bewusst nationalem Widerstand gegen die Habsburgermonarchie andererseits in Frage. Bei der Entfremdung der Bürger vom Staat habe nämlich die desaströse soziale Lage der Bevölkerung eine immer größere Rolle gespielt: „Der Staat, welcher nicht fähig ist, sich um seine Bürger zu kümmern, beginnt in ihren Augen nutzlos zu sein.“87 Es ist jedoch vor allem die Konzeption des Buches, die Erwähnung verdient. Das Buch Šedivýs stellt zwei wichtige Aspekte des tschechischen Narrativs zum Krieg in Frage. Nicht nur die national-demokratische, sondern auch die kommunistische Deutung des Krieges und der Monarchie waren sich darin einig, dass die Monarchie – gleichwohl aus unterschiedlichen Gründen – ein veraltetes, schon lange zum Untergang

Vgl. Křen, Konfliktní společenství [Konfliktgemeinschaft]. Šedivý, Češi, české země [Tschechen, böhmische Länder]; im Weiteren zitiere ich nach der zweiten, weitgehend unveränderten Ausgabe aus dem Jahr 2014. Vgl. auch Marie Koldinská, Ivan Šedivý, Válka a armáda v českých dějinách: sociohistorické črty [Krieg und Armee in der tschechischen Geschichte: soziohistorische Skizzen] (= Edice Česká historie 19, Praha 2008). 86 Besonders enge Kontakte wurden dabei mit der österreichischen Historiographie gepflegt, wobei im Falle der Forschung zum Ersten Weltkrieg die Persönlichkeit Richard Georg Plaschkas von entscheidender Bedeutung für die Zusammenarbeit war. Vgl. den Nachruf von Jan Galandauer, Richard Georg Plaschka (8.července 1925–27.října 2001); in: Historie a vojenství. Časopis Historického ústavu Armády České republiky 51 (2002) 241–250. 87 Šedivý, Češi, české země [Tschechen, böhmische Länder] 322. 84 85

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verurteiltes Staatsgebilde darstellte. Die Auseinandersetzung mit dieser metahistorischen Deutung durchzieht Šedivýs Buch. Der Krieg war nicht ein bloßer Katalysator eines langen Zersetzungsprozesses, sondern – wie Šedivý im Nachwort zur zweiten Ausgabe seines Buches resümiert – „ein kompliziertes multikausales System, in welchem auch die irrationalen Elemente einen wichtigen Platz einnehmen“88. Zweitens: abgesehen von einigen Ausnahmen und trotz unterschiedlicher Ansichten über die wahren Beweggründe der Ereignisse und ihrer oft gegensätzlichen Wertungen, hatten sich die meisten tschechischen Arbeiten immer noch im Rahmen einer Deutungsstruktur bewegt, die die Jahre 1914–1918 bzw. den Ersten Weltkrieg nur als eine Vorgeschichte der Gründung der Tschechoslowakei wahrnahmen. Šedivý grenzt sich auch gegenüber diesem „tschechischen Messianismus“ ab. Im Unterschied dazu konzipiert er die Erzählung „als Geschichte der tschechischen Gesellschaft im Krieg, und nicht als Geschichte des tschechischen Weges zur Selbstständigkeit“89. Erst in diesem Kontext widmet er sich auch der Entwicklung und Entstehung des Programmes eines unabhängigen Staates, wobei er dessen Kontextabhängigkeit und Verwurzelung in der damaligen geschichtlichen Situation hervorhebt90. Die breit rezipierte Synthese von Šedivý erweitert den Raum für neue Forschungen zum Ersten Weltkrieg. Der abschließende Teil dieses Forschungsüberblicks soll einigen dieser neuen Studien zum Ersten Weltkrieg gewidmet sein. 5. Neue Perspektiven der Forschung Auch in der aktuellen Forschung bleibt die Geschichte der Politik bzw. der politischen Ideen ein beliebtes Thema91. Dabei ist jedoch eine wachsende Distanz zu den älteren Erklärungsmustern der tschechischen Geschichte der Jahre 1914–1918 zu erkennen. In dem Buch „Naše česká věc“ [Unsere tschechische Sache], das das Kriegsexil behandelt, untersucht die Autorin nicht die Politik von Masaryk oder Beneš, sondern die tschechische Diaspora in den Vereinigten Staaten und den Einfluss des Programmes des selbstständigen, tschechoslowakischen Nationalstaates auf deren Identität und Stellung in der neuen Heimat92. Eduard Kubů und Jiří Šouša untersuchen in einer neuen Studie Ebd. 350. Ebd. 5 90 Zur Eigendynamik der Gründung der Tschechoslowakei vgl. auch Richard Lein, Der „Umsturz“ in Prag im Oktober 1918. Zwischen Mythen und Fakten; in: David Schriffl, Niklas Perzi (Hgg.), Schlaglichter auf die Geschichte der böhmischen Länder vom 16. bis 20. Jahrhundert. Ausgewählte Ergebnisse zu den österreichisch-tschechischen Historikertagen 2006 und 2008 (= Schriftenreihe der Waldviertler Akademie 6, Wien – Berlin – Münster 2011) 185–205. 91 Vgl. weiters auch Vít Strobach, Židé: národ, rasa, třída. Sociální hnutí a „židovská otázka“ v českých zemích 1861–1921 [Juden: Volk, Rasse, Klasse. Soziale Bewegungen und die „jüdische Frage“ in den böhmischen Ländern 1861–1921] (Praha 2015). 92 Dagmar Hájková, „Naše česká věc“. Češi v Americe za první světové války [„Unsere Sache“. Tschechen in Amerika während des Ersten Weltkrieges] (Praha 2011). Einer wenig bekannten Persönlichkeit des Kriegsexils ist ein weiteres Buch von Hájková gewidmet; vgl. Dies., Emanuel Voska. Špionážní legenda první světové války [Emanuel Voska. Spionagelegende des Ersten Weltkrieges] (Praha 2014). Interessante 88 89

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wiederum das tschechische Kriegsexil auch aus dem Gesichtspunkt seiner Widersacher in Wien93. Lukáš Fasora wandte in seinem Buch über die Radikalisierung der jungen Generation tschechischer Sozialisten den Generationsbegriff auf die Geschichte der sozialistischen Bewegung an94. Fasora analysiert vergleichend die Radikalisierungen der sozialistischen Jugend zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er untersucht den Einfluss der generationstypischen Erfahrungen – die Erfahrung des Ersten Weltkrieges bzw. der russischen Revolutionen 1905 und 1917 – auf die Mentalitäten und politischen Einstellungen der organisierten sozialistischen Jugend. Dieser innovative Zugang ermöglicht eine tiefgehende Analyse jenseits der „unitarisierten Großerzählungen“95 der kommunistischen oder der national-demokratischen Deutungen. Auch der Prozess der Herausbildung der kollektiven Erinnerung an den Krieg sowie die damit zusammenhängende Geschichtspolitik wurde von der Forschung thematisiert. Jan Galandauer befasste sich mit dieser Thematik jüngst am Beispiel eines zentralen Ortes: dem Prager Vítkov-Hügel96. Ein neues Forschungsfeld stellt das Thema des Kriegserlebnisses dar97. In seinem Buch „Muži proti ohni“ [Männer gegen das Feuer]98 deutet Jiří Hutečka das KriegsEinblicke in den oft aussichtslosen Alltag eines der wichtigsten Vertreter des tschechischen antihabsburgischen Widerstandes bietet die Edition des Kriegstagebuches von Edvard Beneš und seiner Frau Hana; vgl. Dagmar Hájková, Eva Kalivodová (Hgg.), Deníky Edvarda a Hany Benešových z období první světové války [Die Tagebücher von Edvard und Hana Beneš aus der Zeit des Ersten Weltkrieges] (1915–1918) (Praha 2013). 93 Eduard Kubů, Jiří Šouša, T. G. Masaryk a jeho c. k. protivníci. Československá zahraniční akce ženevského období v zápase s rakousko-uherskou diplomacií, zpravodajskými službami a propagandou (1915– 1916) [T. G. Masaryk und seine k. k. Widersacher. Die tschechoslowakische Aktion im Ausland in der Genfer Zeit im Kampf mit der österreichisch-ungarischen Diplomatie, dem Nachrichtendienst und der Propaganda (1915–1916)] (Praha 2015). 94 Lukáš Fasora, Stáří k poradě, mládí k boji. Radikalizace mladé generace českých socialistů 1900– 1920 [Das Alter zur Beratung, die Jugend zum Kampf. Die Radikalisierung der jungen Generation tschechischer Sozialisten 1900–1921] (Brno 2015). Zum Thema der politischen Radikalisierung der Jugend im Falle der immer noch wenig bekannten Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmischen Ländern im Ersten Weltkrieg vgl. Mark Cornwall, The Devil’s Wall: The Nationalist Youth Mission of Heinz Rutha (Cambridge, Mass. 2012). 95 Fasora, Stáří k poradě [Das Alter zur Beratung] 222. 96 Vgl. dazu Galandauer, Chrám bez boha [Tempel ohne Gott]. Auf die verschiedenen Konstruktionen des „historischen Faktums“ des 28. Oktober in den unterschiedlichen narrativen Rahmen des Spätsozialismus und zu Beginn der 1990er Jahre verweist Jan Randák; vgl. Jan Randák, Říjen mezi dvěma epochami: ke konstrukci a podobě historického faktu [Der Oktober zwischen zwei Epochen: zur Konstruktion und Form des historischen Faktums]; in: Kostrbová, Malínská (Hgg.), 1918: Modell 233–242. Vgl. auch die Literaturangaben in Anmerkung 4. 97 Vor dem Hintergrund des materiellen Leidens im Krieg schildert Rudolf Kučera den Prozess der Nationalisierung der tschechischen Soldaten: Rudolf Kučera, Entbehrung und Nationalismus. Die Erfahrung der tschechischen Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee 1914–1918; in Bernhard Bachinger, Wolfram Dornik (Hgg.), Jenseits des Schützengrabens. Der Erste Weltkrieg im Osten: Erfahrung – Wahrnehmung – Kontext (= Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung, Sonderband 14, Innsbruck – Wien – Bozen 2013) 121–137. 98 Jiří Hutečka, Muži proti ohni. Motivace, morálka a mužnost českých vojáků Velké války 1914– 1918 [Männer gegen das Feuer. Motivation, Moral und Männlichkeit tschechischer Soldaten des Großen Weltkrieges 1914–1918] (Praha 2016).

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erlebnis und die Motivation der tschechischen Soldaten aus der Perspektive der gender history. Ähnlich wie im Hinterland, war auch an der Front die traditionelle Genderordnung erschüttert. Vor dem Hintergrund der prägenden Erfahrungen, die die tschechischen Soldaten im Laufe des Krieges machten, schildert Hutečka diesen Prozess als eine fortschreitende Krise der ursprünglichen, „hegemonialen Maskulinität“. Die von der gender history inspirierte Fragestellung stellt auch die traditionelle Frage des Nationalisierungsprozesses im Krieg in ein neues Licht: „Nicht nur für die tschechischen Soldaten bedeutete die Möglichkeit der Entstehung eines Nationalstaates und des öffentlichen Bekenntnisses zur Nationalidentität einen unerwarteten Sieg in dem ‚Turnier der Männlichkeit‘, d. h. ein spätes Erreichen der Maskulinität durch einen neuen sozial-politischen Kontext.“99 Hutečka liefert damit unter anderem auch einen innovativen Beitrag zur sonst in sich selbst gefangenen Diskussion zum „tschechischen Soldaten im Krieg“100. Fragen des subjektiven Erlebens bzw. des Blicks „von unten“ thematisieren die durch alltagshistorische Zugänge inspirierten Studien. Das Buch „Vše pro dítě!“ [Alles für das Kind!] greift das in der neueren europäischen Forschung beliebte Thema der Kindheit im Krieg auf 101 . Mit dem Alltagsleben der Mitglieder der Tschechoslowakischen Legion befasst sich Dalibor Vácha in zwei Studien, in denen er unterschiedliche Soldatenerlebnisse analysiert102. Daneben erschienen auch Arbeiten die thematisch breiter konzipiert sind. Dazu zählt z. B. ein Sammelband, der den Strukturveränderungen der Gesellschaft in Mähren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert aufgrund biographischer Skizzen einzelner „sozialer Typen“ nachgeht, oder eine Studie, die den Alltag der Bergarbeiter im Industriezentrum Ostrava schildert103. Ebd. 196. Vgl. dazu auch die ausgezeichnete Studie von Martin Zückert, Antimilitarismus und soldatische Resistenz. Politischer Protest und armeefeindliches Verhalten in der tschechischen Gesellschaft bis 1918; in: Laurence Cole, Christa Hämmerle, Martin Scheutz, (Hgg.), Glanz – Gewalt – Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie (1800 bis 1918) (= Frieden und Krieg. Beiträge zur historischen Friedensforschung 18, Essen 2011) 199–220. 101 Milena Lenderová, Tomáš Jiránek, Martina Halířová, Tomáš Jiránek, Vše pro dítě! Válečné dětství 1914–1918 [Alles für das Kind! Kriegskindheit 1914–1918] (Praha – Litomyšl 2015). In der Darstellung kann das Buch jedoch weniger überzeugen, da es sich großteils auf die Sammlung und Nacherzählung von – in Einzelfällen interessanten – Dokumenten beschränkt. Eine reflektiertere Vorgangsweise bietet die bisher unpublizierte Dissertation von Claire Morelon, welche ein Prager Pendant zu Maureen Healys Buch über Wien darstellt: Claire Morelon, War, State Legitimacy and Urban Space, Prague 1914–1920 (PhD, University of Birmingham 2014); vgl. Maureen Healy, Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I (= Studies in the Social and Cultural History of Modern Warfare 17, Cambridge 2004). 102 Dalibor Vácha, Bratrstvo: všední a dramatické dny československých legií v Rusku [Brüderschaft: normale und dramatische Tage der tschechoslowakischen Legionen in Russland] (1914–1918) (Praha 2015); ders., Ostrovy v bouři: každodenní život československých legií v ruské občanské válce [Insel im Sturm: Alltagsleben tschechoslowakischer Legionen im russischen Bürgerkrieg] (1918–1920) (Praha 2016). 103 Lukáš Fasora, Jiří Malir, Jiří Hanuš (Hgg.), Člověk na Moravě v první polovině 20. století [Der Mensch in Mähren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts] (Brno 2006); Martin Jemelka, Na Šalomouně: společnost a každodenní život v největší moravskoostravské hornické kolonii [Schacht Šalomoun: 99

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Einen vielversprechenden Zugang zur Geschichte des Ersten Weltkrieges kann auch die Mikrogeschichte eröffnen. Sie ist bisher jedoch nur vereinzelt angewendet worden. Der Erste Weltkrieg wird in dem einschlägigen Kapitel des beachtenswerten Buches von Josef Petráň über das mittelböhmische Dorf Ouběnice behandelt104. Durch mikrohistorische Forschungen ist auch die Studie über den tschechischen Antiklerikalismus 1848–1938 ergänzt, wobei vor allem die unmittelbare Nachkriegszeit als wichtig erscheint105. Auf großes Echo stieß die 2014 publizierte Studie „Život na příděl“ [Leben auf Raten] von Rudolf Kučera106. Kučera greift auf eine ganz neue Weise die Geschichte der Arbeiterklasse im Ersten Weltkrieg auf und bietet eine innovative Sozial- und Kulturgeschichte der Arbeiter107. Vor dem Hintergrund des sich wandelnden wissenschaftlichen und politischen Diskurses analysiert er Fragen der Ernährung, der Rationalisierung von Arbeit, der Geschlechterverhältnisse und des Protests sowie deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Arbeiterschaft während des Ersten Weltkrieges. Stellten diese Arbeiten neue Herangehensweisen an „klassische“ Themen nicht nur der tschechischen Forschung dar (Politische Geschichte und Geschichte der politischen Ideen, Einstellung zum Krieg, Kriegserlebnis der tschechischen Soldaten, die Geschichte der Arbeiterklasse im Krieg), so gilt ähnliches auch für das Thema der Entwicklung bzw. der Bedeutung der kollektiven Identitäten, allen voran der Kategorie Nation im Krieg. Mehrere neuere, vor allem englischsprachige Studien hinterfragen die traditionellen, sozialhistorischen Nationstheorien. Sie stellen zugleich die langlebige Vorstellung von der tschechischen Nation als eines vermeintlichen Subjekts der Politik bzw. eines Objekts der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung grundsätzlich in Frage108. Auch die Geschichte der Juden im Krieg bzw. das Verhältnis der Majorität zu den Juden wurde zum Thema der Forschung109. Der Antisemitismus und die antijüdische Gewalt im Krieg Gesellschaft und Alltagsleben der größten Bergbaukolonie im Mährisch-Ostrauer Gebiet] (1870–1950) (Ostrava 2008). 104 Josef Petráň, Dějiny českého venkova v příběhu Ouběnic [Geschichte des tschechischen ländlichen Raumes in der Geschichte von Ouběnice] (Praha 2011) 419–444. 105 Stanislav Balík, Lukáš Fasora, Jiří Hanuš, Marek Vlha, Český antiklerikalismus: zdroje, témata a podoba českého antiklerikalismu v letech 1848–1938 [Der tschechische Antiklerikalismus: Quellen, Themen und Formen des tschechischen Antiklerikalismus in den Jahren 1848–1918] (= Edice Historické myšlení 69, Praha 2015). 106 Rudolf Kučera, Život na příděl: válečná každodennost a politiky dělnické třídy v českých zemích 1914–1918 [Ein Leben auf Raten. Der Kriegsalltag und die Politik der Arbeiterklasse in den böhmischen Ländern 1914–1918] (Praha 2014); erweiterte englische Fassung unter dem Titel: Rationed Life. Science, Everyday Life, and Working-Class Politics in the Bohemian Lands, 1914–1918 (New York – Oxford 2016). 107 Für die Zeit vor 1914 vgl. Lukáš Fasora, Dělník a měšťan. Vývoj jejich vzájemných vztahů na příkladu šesti moravských měst [Arbeiter und Bürger. Entwicklung ihrer gegenseitigen Beziehungen am Beispiel von sechs mährischen Städten] 1870–1914 (Brno 2010). 108 Jeremy King, Budweisers into Czechs and Germans: a local history of Bohemian politics, 1848– 1948 (Princeton 2002); Pieter Judson, Guardians of the Nation: Activists on the Language Frontiers of Imperial Austria (Cambridge, Mass. – London 2006); Tara Zahra, Kidnapped Souls. National Indifference and the Battle for Children in the Bohemian Lands, 1900–1948 (Ithaca 2011). Direkt zur Zeit des Ersten Weltkrieges: Ota Konrád, Jenseits der Nation? Kollektive Gewalt in den Böhmischen Ländern; in: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Böhmischen Länder 56 (2016) 2, 328–361. 109 Vgl. Strobach, Židé [Juden].

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und vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit110 sowie die Frage der Kriegsflüchtlinge in den Böhmischen Ländern111 wurden von der aktuellen Forschung thematisiert. Das Buch von Michal Frankl und Miroslav Szabó weist auf einen interessanten Befund hin, der die traditionelle tschechische Deutung der Geschichte des Ersten Weltkrieges in Frage stellt. Der Krieg wird hier nicht als mit dem 28. Oktober 1918 beendet dargestellt, sondern die Einbeziehung der unmittelbaren Nachkriegsjahre lässt die letzten Kriegsjahre und die ersten Nachkriegsjahre, etwa bis 1920 bzw. 1922, als eine selbstständige Periode erscheinen. Während des Übergangs von der alten zur neuen Ordnung sind wichtige Vorentscheidungen nicht nur politischer oder wirtschaftlicher Natur, sondern auch im Bereich der Mentalitäten gefallen112. In diesem Zusammenhang sind auch die Arbeiten von Václav Šmidrkal über die juristische Bewältigung der Nachkriegsgewalt, Miloslav Szabós Text über die Welle der antisemitischen und gewaltsamen Plünderungen in der Slowakei, die Studie von Rudolf Kučera über die uniformierte Gewalt, oder Jakub Beneš’ Beitrag über die sogenannten „Grüne Kader“ zu erwähnen113. Eine tiefere Erforschung der mannigfaltigen Kontinuitäten zwischen dem alten Regime und der Nachkriegsordnung stellt die langlebige Deutung des Jahres 1918 in Frage. Die Ansicht, wonach das Jahr 1918 einen radikalen Neuanfang auf den Trümmern der veralteten Monarchie – deren Ende der älteren tschechischen Forschung mehrheitlich als vorbestimmt galt – darstellte, wird mehr und mehr in Frage gestellt. Die heutige, auf die Böhmischen Länder zielende Forschung zum Ersten Weltkrieg behandelt die Jahre 1914–1918 in einem breiteren zeitlichen, thematischen und auch territorialen Kontext, wobei verschiedene methodologische Herangehensweisen auch die Neubearbeitung traditioneller Themen der älteren Geschichtsforschung ermöglichen. Durch die Europäisierung der Forschung zum Ersten Weltkrieg – im Sinne ihrer Einbettung in den Kontext des internationalen Geschichtsdiskurses – hat der Erste Weltkrieg aufgehört, eine bloße Kulisse der genuinen tschechischen Geschichte zu sein.

110 Michal Frankl, Miloslav Szabó, Budování státu bez antisemitismu? Násilí, diskurz loajality a vznik Československa [Aufbau des Staates ohne Antisemitismus? Gewalt, Loyalitätsdiskurs und die Entstehung der Tschechoslowakei] (Praha 2015). 111 Michal Frankl, Exhibiting Refugeedom: Orient in Bohemia? Jewish Refugees during the First World War; in: Judaica Bohemiae 50 (2015) 117–129; Rebekah Klein-Pejšová, Beyond the „Infamous Concentration Camps of the Old Monarchy“: Jewish Refugee Policy from Wartime Austria-Hungary to Interwar Czechoslovakia; in: Austrian History Yearbook 45 (2014) 150–166. 112 Vgl. Pieter M. Judson, The Habsburg Empire. A New History (Cambridge, Mass. – London 2016) 385–452; Robert Gerwarth, The Vanquished. Why the First World War Failed to End 1917–1923 ([London] 2016). 113 Vgl. Václav Šmidrkal, Fyzické násilí, státní autorita a trestní právo v českých zemích 1918– 1923 [Physische Gewalt, Staatsautorität und Strafrecht in den böhmischen Ländern 1918–1923]; in: Český časopis historický 114 (2016) 89–115; Miloslav Szabó, „Rabovačky“ v závere prvej svetovej vojny a ich ohlas na medzivojnovom Slovensku [„Plünderungen“ zu Ende des Ersten Weltkrieges und ihr Echo in der Slowakei der Zwischenkriegszeit]; in: Forum Historiae 9 (2015) 35–55; Rudolf Kučera, Exploiting Victory, Bewailing Defeat: Uniformed Violence in the Creation of the New Order in Czechoslovakia and Austria 1918–1922; in: Journal of Modern History 88 (2016) 827–855; Jakub Beneš, The Green Cadres and the Collapse of Austria-Hungary in 1918; in: Past & Present 236/1 (2017) 207–241.

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E. Das Attentat von 1914 und Österreich-Ungarn in der serbischen Erinnerungskultur von Holm Sundhaussen † Dass Österreich-Ungarn sowohl in der Erinnerungskultur des ersten und zweiten Jugoslawien wie im serbischen Narrativ einen denkbar schlechten Ruf genießt, kann niemanden überraschen1. Der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Doppelmonarchie gehörten zum Gründungsmythos des jugoslawischen Staates2 und zur Erinnerung an die Rolle, die das Königreich Serbien im Abwehrkampf gegen den „Vielvölkerkerker“ Österreich-Ungarn und gegen die Mittelmächte gespielt hat, zur Erinnerung auch an die gewaltigen Opfer, die Serbien zur „Befreiung“ und Vereinigung der Südslawen erbracht hat. Und daran hat sich in den letzten hundert Jahren im serbischen Narrativ nichts geändert, auch wenn dieses während der sozialistischen Zeit aus der Öffentlichkeit verdrängt wurde. In einem Werbeprospekt der „Nationalen TourismusOrganisation Serbiens“, der auf der „Internationalen Tourismus-Börse“ im Jahr 2014 in Berlin verteilt wurde, hieß es kurz und bündig: „Die Österreichisch-Ungarische Monarchie bereitete sich jahrzehntelang auf den Krieg gegen Serbien vor, das wegen seiner demokratischen Institutionen als Bedrohung der Habsburger-Monarchie angesehen wurde.“ Und etwas weiter: „Erschöpft von zwei Befreiungskriegen [gemeint sind die beiden Balkankriege] [und] mit etwas mehr als 4 Millionen Einwohnern konnte Serbien im Jahre 1914 keine wirkliche ‚Bedrohung‘ für Österreich-Ungarn darstellen, das in jeder Hinsicht überlegen war und ungefähr 52 Millionen Einwohner hatte. (…) In dem ungleichen Kampf gegen einen zahlenmäßig viel stärkeren Eroberer erlitt Serbien riesige menschliche Opfer und Sachschäden. In den Kriegswirren verlor Serbien um 1.100.000 Einwohner, Soldaten und Zivilen (sic) (…)“3 Dieser Text ist selbstverständlich keine wissenschaftliche Abhandlung, obwohl ein Historiker – Vojislav Subotić aus Belgrad – als Berater tätig war, aber er fasst zutreffend zusammen, was in vielen wissenschaftlichen Arbeiten, Schulbüchern oder Gedenkveranstaltungen seit hundert Jahren formuliert wurde und wird. Er enthält fast alle in diesem Kontext wichtigen „Schlüssel1 Vgl. Zoran Janjetović, Das Bild Österreichs in Jugoslawien 1918–1955; in: Klaus Koch, Walter Rauscher, Arnold Suppan, Elisabeth Vyslonzil (Hgg.), Von Saint Germain zum Belvedere: Österreich und Europa 1919–1955 (= Sonderband: Außenpolitische Dokumente der Republik Österreich 1918–1938, Wien – München 2007) 210–220. 2 Rund 60 % des jugoslawischen Territoriums hatten bis Ende 1918 zu Österreich-Ungarn gehört. 3 Nationale Tourismus Organisation Serbiens (Hg.), Serbien gedenkt. 100 Jahre Erster Weltkrieg 1914–1918 (Beograd 2013) 2. Der Text stammt von Jovo Simišić. Zum Prospekt vgl.: http://www. srbija.travel/download/brosure/serben_gedenkt_100_jahre_erste_weltkrieg.pdf. (22. 3. 2016)

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begriffe“: das demokratische Serbien, die Befreiungskriege, die jahrzehntelange Bedrohung durch Österreich-Ungarn, den ungleichen Kampf (zwischen David und Goliath) und die gigantische Zahl serbischer Opfer. 1. Das Attentat von Sarajevo und der Attentäter Gavrilo Princip Im Folgenden werde ich mich auf die verschiedenen Facetten der Erinnerungskulturen konzentrieren (also nicht vorrangig oder ausschließlich auf die Historiographie in der Zwischenkriegszeit). Dabei steht der Auslöser des Krieges, also das Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo, im Mittelpunkt. In dem eben zitierten Werbeprospekt, der zum Besuch der Gedächtnis-Kirchen, Gedächtnis-Friedhöfe und sonstigen Denkmäler des Ersten Weltkrieges in Serbien einlädt, werden das Attentat von 1914 und der Attentäter Gavrilo Princip mit keinem Wort erwähnt! Das mag auf den ersten Blick überraschen. Doch sei daran erinnert, dass das Attentat und der Ort, an dem es geschah, lange Zeit auch in der „westlichen“ Forschung ein Schattendasein führten, weil die meisten Forscherinnen und Forscher der Auffassung waren, dass es auch ohne das Attentat in Sarajevo früher oder später und unausweichlich zum Großen Krieg gekommen wäre. In Fritz Fischers monumentalem Buch „Griff nach der Weltmacht“4 von 1961 taucht der Name von Gavrilo Princip auf den rund 900 Seiten nicht ein einziges Mal auf. Nicht einmal eine Fußnote war er wert. Das wird dann nachvollziehbar, wenn die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers als mehr oder minder beliebiger und austauschbarer Anlass für den Krieg verstanden wird – als Anlass, der mit dem Krieg selbst wenig oder nichts zu tun hat, sondern nur als Vorwand diente. Im ersten jugoslawischen Staat blieb die offizielle Erinnerung an Gavrilo Princip ambivalent. Einerseits galt der Attentäter als Held. Der serbische Dichter Miloš Crnjanski, der 1914 in Wien lebte und gerade im Kaffeehaus Meinl in der Nähe des Stephansdoms saß, als ihn die Nachricht vom Attentat erreichte, schreibt: „Der Sohn eines armen Mannes, eines Proletariers, eines Bauern, eines Herzegowiners, der noch nicht einmal volljährig war, hatte mit einigen Revolverschüssen diesen Adler [Franz Ferdinand] vom Himmel geholt. Der Attentäter hatte einen seltsamen Namen. Zusammengesetzt aus dem Namen eines Prinzen und eines Erzengels.“5 Der „Tyrannenmord“ wurde begründet mit dem Unrechtsregime der Doppelmonarchie in Bosnien-Herzegowina seit 1878 und mit der „Erzfeindschaft“, die sich zwischen Österreich-Ungarn und dem Königreich Serbien spätestens seit der bosnischen Annexionskrise von 1908/1909 aufgebaut und während der Balkankriege von 1912/1913 dramatisch zugespitzt hatte. Vor dem Kreisgericht in Sarajevo erklärte der angeklagte Princip im Oktober 1914 dem Vorsitzenden Richter Aloisius Curinaldi: „Ich bin ein jugoslawischer Nationalist. 4 Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18 (Düsseldorf 1961). 5 Miloš Crnjanski, Kommentare; in: Gordana Ilić Marković (Hg.), Veliki rat – Der große Krieg. Der Erste Weltkrieg im Spiegel der serbischen Literatur und Presse (Wien 2014) 86 ff., hier 87.

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Meine Tendenz ist die Vereinigung aller Jugoslawen, in welcher Staatsform auch immer und befreit von Österreich.“ Curinaldi: „Wie gedenken Sie das zu erreichen?“ Princip: „Durch den Terror.“ Curinaldi: „Was will das heißen?“ Princip: „Das will heißen, ganz allgemein, dass man diejenigen tötet, beseitigt, die der Vereinigung im Wege stehen und Böses tun. Das Hauptmotiv, das mein Handeln bestimmt hat, war die Rache für all das Leiden, welches mein Volk unter Österreich erdulden musste.“6 2. Die Befreiung der „serbischen Länder“ Mit dem österreich-ungarischen „Unterdrückerstaat“ und „Vielvölkerkerker“, der „politisch an Dantes Inferno erinnere“ (wie der serbische Politiker Miroslav Spalajković 1899 formuliert hatte7) auf der einen und dem „demokratischen“ Serbien, das sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker berief und sich als „Piemont“ der serbischen und/ oder jugoslawischen Einigung verstand, auf der anderen Seite, standen sich zwei völlig gegensätzliche Staatsprinzipien gegenüber: hier der dynastische Vielvölkerstaat, dort der auf dem Volkswillen gegründete Nationalstaat. Serbien hatte dabei die zeitgemäßen, „modernen“ und „fortschrittlichen“ Argumente auf seiner Seite: Die Verwaltung Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn hatte mit Selbstbestimmung nichts zu tun, und die Annexion beider Provinzen 1908 verstieß obendrein gegen internationales Recht. Aus Belgrader Sicht waren Bosnien-Herzegowina „serbische Länder“, „le cœur même du peuple serbe“, „les provinces de race purement serbe“8. Mit Geschichte war dieses Axiom allerdings nicht zu begründen. Mit den Ergebnissen der Volkszählung ebenfalls nicht. 1910 stellten die Orthodoxen 43,5 % der Gesamtbevölkerung9. Die Behauptung, Bosnien und die Herzegowina seien „serbische Länder“ stützte sich vielmehr auf ethnographische und „völkerpsychologische“ Beobachtungen sowie auf sprachliche Befunde, die aber alles andere als eindeutig sind10. Die Wurzeln der Habs-

6 Hier zit. nach Gregor Mayer, Verschwörung in Sarajevo. Triumph und Tod des Attentäters Gavrilo Princip (St. Pölten – Salzburg – Wien 2014) 130. 7 Miroslav Spalajković, La Bosnie et l’Herzégovine: Étude d’histoire diplomatique et de droit international (Paris 1899) 25. 8 Vgl. Jovan Cvijić, L’annexion de la Bosnie et la Question Serbe (Paris 1909) 17 f. 9 Die Ergebnisse der Volkszählung in Bosnien und der Hercegovina vom 10. Oktober 1910 (Sarajevo 1912) XXXVIII. Unhaltbar sind die Angaben für die einzelnen Verwaltungskreise bei Dušan T. Bataković, Prelude to Sarajevo: The Serbian Question in Bosnia and Herzegovina, 1878–1914; in: Balcanica 27 (1996) 117–155, hier 121. So sollen z. B. 1910 im Kreis Sarajevo 56,6 % der Bevölkerung Serben gewesen sein. Der Autor beruft sich auf Djordje Pejanović, Stanovništvo Bosne i Hercegovine [Die Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina] (Beograd 1955) 40–46. Nach den Ergebnissen von 1910 waren jedoch nur 32,67 % der Einwohner orthodox (in Sarajevo-Stadt: 16,27 %). Auch die Angaben für andere Kreise stimmen mit den Resultaten der Zählung nicht überein. 10 Einzelheiten bei Holm Sundhaussen, Geschichte Serbiens: 19.–21. Jahrhundert (Wien – Köln – Weimar 2007) 88 ff., 115 ff.; ders., Serbische Volksgeschichte. Historiker und Ethnologen im Kampf um Volk und Raum vom Ende des 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts; in: Manfred Hettling (Hg.), Volksgeschichten im Europa der Zwischenkriegszeit (Göttingen 2003) 301–325.

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burg-Feindschaft gehen zurück auf die geheime Denkschrift („Načertanije“) des seinerzeitigen serbischen Innenministers Ilija Garašanin von 1844 und Vuk Karadžićs Schrift „Serben alle und überall“ („Srbi svi i svuda“) von 1849 sowie auf daraus abgeleitete Setzungen: alle Sprecher des Štokavischen sind „Serben“. Setzungen sind nie richtig oder falsch. Sie können anschlussfähig sein oder nicht. In diesem Fall (alle Sprecher des Štokavischen sind „Serben“) waren sie nicht anschlussfähig, weder bei den Kroaten noch bei den Muslimen. Aber nicht nur in den Schriften des serbischen Anthropogeographen Jovan Cvijić von Anfang des 20. Jahrhunderts, sondern auch in serbischen Schulbüchern und historischen Abhandlungen war es selbstverständlich, Bosnien-Herzegowina als „serbische Länder“ vorzustellen und die Herrschaft Österreich-Ungarns als Fremdherrschaft, Unrecht und „Tyrannei“ zu geißeln11. Die „serbischen Länder“ erstreckten sich über ein weitläufiges Territorium, zu dem außer Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina auch Dalmatien, Istrien, Kroatien, Slawonien, Syrmien, Banat und Batschka, Makedonien und Kosovo („Altserbien“) gehörten, insgesamt mehr als 270.000 qkm mit etwa 15 Millionen Einwohnern unterschiedlicher Religionszugehörigkeit (orthodoxe Serben, „katholische Serben“ und „muslimische Serben“)12. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wurde ein Teil der „Serben“ auch als „Kroaten“ bezeichnet, was aber nichts an der Auffassung änderte, dass es sich um eine Nation handle, die vereinzelt [!] auch als „jugoslawische“ Nation angesprochen wurde. Aber nur Serbien und Montenegro sowie die in den Balkankriegen eroberten Gebiete, Makedonien und Kosovo, waren „frei“. Die anderen Gebiete befanden sich unter österreichisch-ungarischer Herrschaft und harrten auf ihre Erlösung. So hatten es auch Gavrilo Princip und seine Kameraden aus dem Netzwerk „Junges Bosnien“ gesehen. Da sie als Atheisten der Religion keine konstitutive Rolle in der Ausgestaltung nationaler Identität beimaßen, betrachteten sie die drei großen Glaubensgemeinschaften in Bosnien-Herzegowina als transreligiöse einheitliche Nation, die Teil einer größeren Nation war, die sie mal „serbisch“, mal „serbisch-kroatisch“, mal „jugoslawisch“ nannten. Zwischen „serbisch“ und „jugoslawisch“ bestand aus Sicht der Jungbosnier kein Unterschied13 – eine Prämisse, die sich schnell als Irrtum erweisen sollte. Und die vermeintliche Bedeutungslosigkeit der Religion als nationales Identitätsmerkmal blieb bloßes Wunschdenken.

11 Vgl. unter anderem die Anthologie von Zdravko Antonić (Hg.), Srpski pisci i naučnici o Bosni i Hercegovini [Serbische Schriftsteller und Gelehrte über Bosnien-Herzegowina] (Beograd 1995); Bataković, Prelude to Sarajevo 117–155. 12 Einzelheiten bei Charles Jelavich, South Slav Nationalisms: Textbooks and Yugoslav Union before 1914. (Columbus, Ohio 1990) 138 f.; ders., Zemljopis Srbije i srpskih zemalja: An Episode in Austro– Serbian Relations, 1907–1912; in: Historijski zbornik 29–30 (1976/77) 419–429. 13 Zu den Ideen der Jungbosnier vgl. Veselin Masleša, Milovan Đilas (Hgg.), Mlada Bosna [Junges Bosnien] (Beograd 1945); Vladimir Dedijer, Sarajevo 1914 (Beograd 1966) 285–287. Vgl. auch die Erinnerungen von Oskar Tartaglia, Veleizdajnik [Der Hochverräter] (Zagreb – Split 1928). Der aus Dalmatien gebürtige Tartaglia stand den Jungbosniern nahe und war Mitglied der serbischen Geheimorganisation „Vereinigung oder Tod“ bzw. „Schwarze Hand“.

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3. Die Revision der Heldenverehrung im Königreich Jugoslawien Die Heldentat zur Befreiung der „serbischen Länder“ war die eine Seite der Erinnerung an Gavrilo Princips Tat. Andererseits war das Attentat international als barbarischer Akt verurteilt worden. Die serbische Geheimorganisation „Schwarze Hand“, die die Attentäter mit Waffen, Munition und Zyankali versorgt hatte, war seit 1917 geächtet, ihr führender Kopf (Dragutin Dimitrijević-Apis) von einem serbischen Militärgericht hingerichtet worden. Und die Ermordung eines Thronfolgers, selbst wenn es sich um den Thronfolger eines Feindstaates handelte, stand im Königreich Jugoslawien nicht hoch im Kurs, ebenso wenig wie die teils sozialistischen, teils anarchistischen Neigungen oder die Begeisterung für die Schriften russischer Revolutionäre, die Princip und seinen Gesinnungsgenossen nachgesagt wurden. Letztlich führte die „Peripherisierung“ Bosniens im ersten jugoslawischen Staat bei vielen Südslawen aus der Doppelmonarchie zu einer Habsburg-Nostalgie14. So hatte sich wahrscheinlich auch Gavrilo Princip den neuen Staat nicht vorgestellt, wenn man seinen Aussagen vor dem Kreisgericht in Sarajevo Glauben schenken kann. Aber der „Held“ lebte zum Glück für die neuen Machthaber nicht mehr. Er erlebte nicht, wie seine Ideale mit der Wirklichkeit kollidierten. All das war jedenfalls nicht dazu angetan, die Euphorie des Königs und seiner Entourage für Princip und dessen spektakuläre Tat zu entfachen. Es dauerte daher ziemlich lange, bis Gavrilos „Tyrannenmord“ in der Öffentlichkeit geehrt wurde. Am 2. Februar 1930 wurde an der Stätte des Attentats in demonstrativer Abwesenheit offizieller Vertreter des Staates eine Gedenktafel angebracht. Gegenüber dem Ausland betonte das amtliche Jugoslawien, dass es sich um eine rein private Initiative handle. Die Gedenktafel trug die Inschrift: „An dieser historischen Stätte kündigte Gavrilo Princip am Vidovdan 15./28. Juni 1914 die Freiheit an.“15 Wessen Freiheit gemeint war, blieb unausgesprochen. Zum Zeitpunkt, als die Tafel enthüllt wurde, waren „Befreier“ und „Befreite“ bereits tief gespalten, das parlamentarische System in Jugoslawien war gescheitert, und der König hatte die Diktatur proklamiert. Von der „Freiheit“ war nicht viel geblieben. Nach dem Überfall der „Achsenmächte“ auf Jugoslawien wurde die Gedenktafel von den Nationalsozialisten im April 1941 entfernt und Adolf Hitler zu seinem 52. Geburtstag am 20. April 1941 geschenkt. Die Übergabe der Trophäe erfolgte im „Führersonderzug Amerika“, der südlich von Wiener Neustadt, bei Mönichkirchen, stationiert war. Anschließend wurde sie im Berliner Zeughaus dem Publikum zugänglich gemacht; seit Kriegsende ist sie verschwunden16.

14 Vgl. Holm Sundhaussen, Sarajevo. Die Geschichte einer Stadt (Wien – Köln – Weimar 2014) 249–255. 15 Muharem Bazdulj, Srećan rođendan, gospodine Hitler [Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Hitler]; in: Vreme 1191 vom 31. Oktober 2013; vgl. http://www.vreme.com/cms/view.php?id=1147276 (22. 3. 2016); dazu und zum Folgenden auch Ulf Brunnbauer, Sarajevo: Erinnerungsort wider Willen; in: Ost-West. Europäische Perspektiven 15/1 (2014) 56–65. 16 Carl Savich, Sarajevo, 1941: The Removal of the Gavrilo Princip Plaque (31. März 2014); vgl.: http://serbianna.com/blogs/savich/archives/2489.

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4. Die „Jungbosnier“ als Vorläufer des Volksbefreiungskampfes 1941–1945 Nach der Befreiung Jugoslawiens von der Besatzungsherrschaft der Jahre 1941– 1945 begann eine neue Phase in der Erinnerung an Gavrilo Princip und seine Tat. Princip wurde nun als Vorkämpfer für „Brüderlichkeit und Einheit“ der jugoslawischen Völker in Anspruch genommen. Die frühere Rücksichtnahme auf das Königshaus entfiel, und die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg und an die Opfer Serbiens wurde durch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und den „Volksbefreiungskampf“ der jugoslawischen Völker in den Hintergrund gedrängt. Als Wegbereiter der jugoslawischen Vereinigung stieg das Ansehen der „Jungbosnier“, die mit ihrer Begeisterung für sozialistische Schriften auch ideologisch in die neue Zeit passten. Und das als administrative Einheit wiederhergestellte Bosnien-Herzegowina erlebte – nach dem Abstieg in der Zwischenkriegszeit – einen neuen Aufschwung. Bereits im Mai 1945 wurde am Ort des Attentats in Sarajevo im Beisein hoher Politiker des neuen Jugoslawien wieder eine Gedenktafel (bemerkenswerter Weise aber nur in kyrillischer Schrift) enthüllt. Darauf stand zu lesen: „Von diesem Ort hat Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 mit seinen Schüssen den nationalen Protest gegen die Tyrannei und den ewigen Wunsch unserer Völker nach Freiheit zum Ausdruck gebracht.“ Der Festredner Dragoslav Ljubibratić, ehemals Mitglied des „Jungen Bosnien“ erklärte: „Mit seinen Ideen gehört Gavrilo Princip der heutigen jungen Generation an, die endlich und in vollem Umfang jene Bestrebungen verwirklicht hat, mit denen Gavrilo Princip in jener Zeit begonnen hat (…)“17. Das Haus, vor dem Princip seine Schüsse abgefeuert hatte, wurde zu einem Museum, in dem die „Jungbosnier“ und das Attentat gewürdigt wurden. Die gegenüberliegende „Lateinerbrücke“ wurde in „Princip-Brücke“ umbenannt, und an der Stelle, wo Gavrilo während des Anschlags gestanden haben soll, wurde eine Steinplatte mit seinen Fußabdrücken in das Trottoir eingelassen. Touristen konnten in Gavrilos Fußstapfen treten und ein Erinnerungsfoto „schießen“. 5. Die Erinnerungskulturen der postjugoslawischen Staaten Solange das sozialistische Jugoslawien bestand und von vielen seiner Bürgerinnen und Bürger akzeptiert wurde, konnte das Attentat als Teil einer gemeinsamen Erinnerungskultur begriffen werden, in der sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbanden. Doch nach dem Scheitern Jugoslawiens, nach dem Krieg in Bosnien und der Belagerung Sarajevos 1992–1995 veränderte sich die Perspektive ein drittes Mal und grundlegend. Die Erinnerungskulturen in den postjugoslawischen Staaten drifteten weit auseinander. Heute spaltet das Attentat die Erinnerung der Menschen entlang ethnonationaler und ethnoreligiöser Trennlinien. Gegenwart und Zukunft sind scharf von der gemeinsamen Vergangenheit separiert. Da der Zweck des Attentats – der gemeinsame jugoslawische Staat – gescheitert und in einer Spirale von Gewalt untergegangen war, konnte auch das Mittel zu seiner Erreichung nicht mehr „heilig“ sein. Das Attentat 17

Zit. nach Bazdulj, Srećan rođendan [Glückwunsch zum Geburtstag].

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wurde aus seinem bisherigen Kontext herausgelöst und seitens der Nicht-Serben mit den Traumata des Bosnienkrieges neu verortet. Während der Belagerung und danach wurden die Fußstapfen und die Gedenktafel entfernt. Die „Princip-Brücke“ wurde in „Lateinerbrücke“ zurückbenannt, das Princip-Museum in ein Museum zur habsburgischen Geschichte in Bosnien umgewandelt und die ehemalige Gedenktafel durch eine neue mit einer denkbar nüchternen Inschrift (in bosnischer und englischer Sprache) ausgetauscht: „Von diesem Platz führte Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 das Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin Sophie aus.“ Der Unterschied zur früheren Inschrift ist augenfällig. (Diese hatte den Wortlaut: „Von diesem Ort hat Gavrilo Princip (…) mit seinen Schüssen den nationalen Protest gegen die Tyrannei sowie den ewigen Wunsch unserer Völker nach Freiheit zum Ausdruck gebracht.“) Nun ist weder von „Tyrannei“ noch vom „ewigen Wunsch unserer Völker nach Freiheit“ mehr die Rede. Und die Attentatsopfer haben einen Namen. Während für viele Muslime/Bosniaken Gavrilo Princip nur noch ein Terrorist ist, verehren ihn viele Serben nach wie vor als Helden, der mit seinen Schüssen die Vereinigung aller Serben in Freiheit unter einem staatlichen Dach vorbereitet hat. Durch das Verschwinden Jugoslawiens erhielt Gavrilos Tat für die Serben eine neue Aktualität. Mittlerweile ist er in mehreren Städten der Republika Srpska (in Banja Luka, Pale, Bosanska Gradiška u. a.) mit Straßennamen präsent. Der während des Bosnienkrieges zeitweilig erwogene Plan, Ost-Sarajevo (damals: Serbisch-Sarajevo) in „Principovo“ umzubenennen, wurde allerdings nicht verwirklicht. Im April 2014 enthüllte dann der bekannte, aus Sarajevo gebürtige Filmregisseur Emir Kusturica in Tovariševo (in der Vojvodina, nördlich von Bačka Palanka) eine Princip-Büste18. Und am Vorabend des Gedenktages weihten das serbische Mitglied des Staatspräsidiums von BosnienHerzegowina, Nebojša Radmanović, und der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, im Stadtpark von Ost-Sarajevo eine bronzene Princip-Statue ein, ein Werk des Belgrader Bildhauers Zoran Kuzmanović19. Gerüchte, dass zum 100. Jahrestag des Attentats auch ein Princip-Denkmal auf dem Kalemegdan in Belgrad errichtet werden sollte, haben sich dagegen nicht bestätigt. Der Regisseur Kusturica war auch der Initiator für die Gedenkfeier am 28. Juni 2014 in der sogenannten Andrić-Stadt (Andrićgrad, unweit der berühmten „Brücke über die Drina“ bei Višegrad), die während der letzten Jahre aufgebaut worden ist20. Kusturica verknüpfte Gavrilos Tat mit dem 50. Jahrestag 18 Vesti online, vom 22. April 2014: Tovariševo: Sami digli Principu spomenik [Tovariševo: Allein haben sie (die Dorfbewohner) Princip ein Denkmal errichtet], vgl. http://www.vesti-online.com/Vesti/Srbija/397941/Tovarisevo-Sami-digli-Principu-spomenik (22. 3. 2016); Science.ORF.at/APA vom 22. April 2014: Denkmal für Gavrilo Princip enthüllt: http://science.orf.at/stories/1737383/ (22. 3. 2016): „Aus Tovariševo stammen die [sic] Priester Jovan Protić und seine Schwester Zorka, die in Sarajevo Kontakte zur Studentenorganisation ‚Mlada Bosna‘ (Junges Bosnien) hatten, der Gavrilo Princip angehörte. […] In Zorkas Haus soll er die Nacht vor dem Attentat auf den Thronfolger verbracht haben.“ 19 B92, Beta vom 27. Juni 1914: Monument to Gavrilo Princip unveiled in East Sarajevo; vgl.: http:// www.b92.net/eng/news/region.php?yyyy=2014&mm=06&dd=27&nav_id=90812 (22. 3. 2016). 20 Frank Hofmann, Das fatale Erbe von Sarajevo; in: Deutsche Welle vom 28. Juni 2014; vgl.: http:// www.dw.de/das-fatale-erbe-von-sarajevo/a–17738379 (22. 3. 2016).

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der Verleihung des Nobelpreises an Ivo Andrić (1961) und dem 200. Geburtstag des montenegrinischen Fürstbischofs und Dichters Petar II. Petrović Njegoš (1813), des „serbischen Goethe“ – drei Lichtgestalten aus dem nationalen Pantheon der Serben. Der aus dem Himmel mit Engelsflügeln herabgestiegene Gavrilo erschien den Versammelten (unter ihnen der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vučić, Milorad Dodik, Nebojša Radmanović, Patriarch Irinej von Niš und Prinz Alexander I. Karađorđević) in der „Performance“ als „Verkünder der Freiheit“, in gewollter Assoziation an den Erzengel Gabriel21. Auch der von den Bolschewiki ermordete Zar Nikolaus II., dessen Regime während des Ersten Weltkrieges an der Seite Serbiens gestanden hatte, soll in Belgrad, in der „Ulica kralja Milana“ [König Milan-Straße], ein Denkmal erhalten22. Im bosniakisch-kroatischen Teil Sarajevos, zu dem auch die Altstadt und der Ort des Attentats gehören, spielte man dagegen zeitweilig mit dem Gedanken, jenes am dritten Jahrestag des Anschlags an der Lateinerbrücke errichtete Denkmal zu Ehren der Attentatsopfer (das „Sühnedenkmal“) zu rekonstruieren. Das zehn Meter hohe Denkmal mit einem Altar war Ende 1918 abgebaut, zum Teil gesprengt, zum Teil in ein Depot des Bosnischen Nationalmuseums verbracht worden. 2001 schlug Emin Svrakić, ein bosniakischer Abgeordneter des Stadtrats von Sarajevo vor, das „Sühnedenkmal“ an der alten Stelle wieder zu errichten. Für Svrakić war Princip kein Held, sondern ein Verbrecher, der unschuldige Opfer ermordet hatte23. Ein pro-serbischer Autor, Carl Savich, hält dem entgegen, dass die Annexion Bosnien-Herzegowinas von 1908 selbst ein „Verbrechen“ gewesen sei, das die Bürger beider Provinzen ihrer Bürgerrechte beraubt habe. Gemäß dem Naturrecht sei Princips Tat gerechtfertigt gewesen, denn seine Menschen- und Bürgerrechte seien durch die Okkupation und Annexion verletzt worden. Princip habe somit ein natürliches Recht gehabt, seine Rechte zu schützen24. Dass er des Landesverrats angeklagt wurde, sei schon deshalb illegal, so der Filmregisseur Emir Kusturica, weil Bosnien-Herzegowina kein völkerrechtlich gültiger Teil Österreich-Ungarns gewesen sei, der Prozess gegen die „Jungbosnier“ müsse deshalb annulliert werden25. Die Einen also wollen die Helden, die Anderen die Opfer ehren. Wichtiger aber ist, dass die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg im Bewusstsein der Bevölkerung von

21 Politika online vom 29. Juni 2014: Vučić: Andrićgradom čuvamo svoje ime [Vučić: Mit Andrićgrad bewahren wir seinen Namen]: http://www.politika.rs/rubrike/Drustvo/vucic-andricgradom-cuvamo-svojeime.sr.html (22. 3. 2016). 22 R. Bulatović, Da li vam se dopada: Ovako će izgledati spomenik caru Nikolaju Romanovu u Beogradu [Gefällt es Ihnen? So wird das Denkmal für Zar Nikolaj Romanov in Belgrad aussehen] (28. 3. 2014); vgl.: http:// www.blic.rs/vesti/beograd/da-li-vam-se-dopada-ovako-ce-izgledati-spomenik-caru-nikolaju-romanovuu-beogradu/5pxrmdn (23. 3. 2016). 23 Zdravko Ljubas, Sarajevo May Restore Monument to Austrian Archduke; in: Digital Journal vom 14. Juli 2001; vgl. http://www.digitaljournal.com/article/33059 (23. 3. 2016). 24 Carl Savich, Gavrilo Princip or Franz Ferdinand? Heroes or Villains?; in: Serbianna vom 15. Oktober 2013; vgl.: http://serbianna.com/blogs/savich/archives/2278 (23. 3. 2016). 25 Emir Kusturica, Princip nije pucao na Ferdinanda u Beču, nego na okupiranoj teritoriji [Princip hat auf Ferdinand nicht in Wien, sondern auf einem okkupierten Territorium geschossen], 3. Mai 2013; vgl.: http:// www.nezavisne.com/novosti/bih/Kusturica-Princip-nije-pucao-na-Ferdinanda-u-Becu-nego-na-okupiranojteritoriji–190565.html. (23. 3. 2016).

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Sarajevo-Stadt deutlich hinter jener an den Krieg von 1992–1995 zurückgetreten ist. Sarajevo war bekanntlich die einzige Stadt in Europa, die nach dem Zweiten Weltkrieg einer fast vierjährigen Belagerung ausgesetzt war. Die Belagerer auf den Bergen rund um die Stadt waren bosnische Serben. Für die Belagerten im Tal besteht seither kein Grund mehr, serbische Helden zu verehren. Das Attentat ist daher aus der Erinnerungskultur wenn nicht verschwunden, so doch an deren Rand gerückt. Eine für das Gedenkjahr geplante Ausstellung über das Attentat mit Dokumenten aus dem Franziskaner-Kloster Fojnica (ca. 50 km nordwestlich von Sarajevo), die in der Hauptstadt gezeigt werden sollte, wurde verlegt, nachdem in der Öffentlichkeit kritische Stimmen laut geworden waren26. Die Bevölkerung von Sarajevo wollte die Ausstellung nicht. Am 9. Juni 2014, dem internationalen Archivtag, wurde sie in Zagreb eröffnet27. Die in Sarajevo für den 100. Jahrestag des Attentats geplanten Veranstaltungen waren höchst umstritten. Der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, witterte eine „antiserbische Verschwörung“. 6. Das Attentat von Sarajevo und die Ursachen des Ersten Weltkrieges In der jugo-serbischen und serbischen Historiographie werden Attentat und Ursachen des Ersten Weltkrieges scharf voneinander getrennt. Das wohl bedeutendste Werk aus der Zwischenkriegszeit zu diesem Themenkomplex ist die Arbeit des aus Mostar gebürtigen Vladimir Ćorović (1885–1941), Professor für Geschichte an der Universität Belgrad und Mitglied der Königlichen Serbischen Akademie der Wissenschaften. Ćorović erhielt 1930, also im selben Jahr als die erwähnte Gedenktafel für Princip enthüllt wurde, von der Regierung den Auftrag, eine Entgegnung auf jene Veröffentlichungen (vornehmlich in Deutschland und Österreich) zu schreiben, in denen Serbien die Schuld am Krieg angelastet wurde. 1935 – ein Jahr nach dem tödlichen Attentat auf König Alexander I. Karađorđević – ging Ćorovićs umfangreiches Manuskript über die „Beziehungen Serbiens und Österreich-Ungarns im 20. Jahrhundert“ in Druck. Eine Übersetzung ins Englische wurde vorbereitet. Die gedruckten Bücher gelangten aber nie in Umlauf, sondern wurden eingestampft (nur wenige Exemplare blieben erhalten). Auch die Übersetzung wurde abgebrochen. Milan Stojadinović, der Mitte 1935 jugoslawischer Ministerpräsident geworden war, strebte eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland an. Und da kam Ćorovićs Buch denkbar ungelegen. Erst 1992, nach dem Zerfall Jugoslawiens und dem Beginn der postjugoslawischen Kriege, wurde das Buch in vollem Umfang in Belgrad neu gedruckt28. Die Hauptargumente Ćorovićs gegen eine serbische Kriegsschuldthese waren erstens, dass eine Verantwortung oder Mitverantwortung der seinerzeitigen serbischen Regierung unter Nikola Pašić für das Attentat 26 Edina Kamenica, U fojničkom samostanu: Izložba o Sarajevskom atentatu [Im Kloster Fojnica: Ausstellung über das Sarajevo-Attentat]; in: Oslobodjenje vom 4. März.2014; vgl. http://www.oslobodjenje. ba/vijesti/bih/u-fojnickom-samostanu-izlozba-o-sarajevskom-atentatu (23. 3. 2016). 27 Näheres auf der Homepage des Klosters Fojnica: http://www.fojnica-samostan.com. 28 Vladimir Ćorović, Odnosi između Srbije i Austrougarske u XX veku [Beziehungen zwischen Serbien und Österreich-Ungarn im 20. Jahrhundert (Beograd 1936; Neudruck 1992).

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in Sarajevo nie nachgewiesen wurde, zweitens, dass führende Politiker und Militärs der Doppelmonarchie lange vor dem Attentat für einen „Präventivkrieg“ gegen Serbien plädiert hätten und drittens, dass der vermeintliche „Verteidigungskrieg“ Österreich-Ungarns tatsächlich ein Aggressionskrieg war, mit dem die Doppelmonarchie ihre innere Schwäche zu kompensieren und ihren Großmachtstatus zu erhalten hoffte. Alle Argumente sind richtig. Nach allem, was wir bis heute wissen (oder zu wissen glauben), ist es in der Tat höchst unwahrscheinlich, dass Pašić und seine Regierung an der Vorbereitung des Attentats beteiligt waren oder konkrete (!) Informationen über die Vorbereitung gehabt haben. Ich erspare mir hier, die zur Bekräftigung dieser These vorgelegten Indizien zu wiederholen. Sie sind hinreichend bekannt. Und dass es in Wien eine „Kriegspartei“ um Franz Conrad von Hötzendorf gab, die einen Präventivkrieg forderte, ist ebenfalls hinreichend bekannt. Der serbische Historiker Mile Bjelajac erinnert daran, dass „General Conrad von Hötzendorf nach 24 erfolglosen Versuchen zwischen Anfang 1913 und Mai 1914 endlich die einmalige Gelegenheit [erhielt], die serbische Frage durch einen Krieg zu lösen“29. Unstrittig ist aber auch, dass Princip und seine Genossen von der serbischen Geheimorganisation „Schwarze Hand“ mit Waffen, Munition und Zyankali versorgt, im Umgang mit den Waffen unterrichtet worden waren und dass sie ungehindert von Belgrad aus die bosnische Grenze überschreiten konnten. Unstrittig ist gleichfalls, dass die Aktivitäten der „Schwarzen Hand“ der Kontrolle durch die Regierung in Belgrad entglitten waren30. Auch in der serbischen Literatur wird dies in der Regel nicht in Frage gestellt. Für Belgrad war der Zeitpunkt für einen Krieg aber denkbar ungünstig; für Wien und Berlin – so glaubten führende Politiker und Militärs – kam er gerade noch rechtzeitig. Umso erstaunlicher war, dass serbische Medien Anfang Januar 2014 in Großaufmachung über einen entdeckten Brief berichteten, den der bosnisch-herzegowinische Landeschef Oskar Potiorek dreizehn Monate vor dem Attentat an den k. u. k. Finanzminister Leon Ritter von Biliński geschrieben hatte31. Darin erklärte Potiorek, ÖsterreichUngarn müsse sich auf den „binnen weniger Jahre unvermeidlichen (…) großen Krieg“ gegen Serbien vorbereiten. Wie gesagt: das war dreizehn Monate vor den Schüssen in Sarajevo. Die serbischen Medien und maßgebliche Politiker, aber auch einige serbische 29 Mile Bjelajac, Serbien im Ersten Weltkrieg; in: Marković (Hg.), Veliki rat – Der große Krieg 47–70, hier 54 f. 30 Dušan T. Bataković, Storm over Serbia. The Rivalry between Civilian and Military Authorities (1911–1914); in: Balcanica 44 (2013) 307–356. 31 Die Meldung der Nachrichtenagentur „Tanjug“ vom 5. Jänner 2014 ging durch zahlreiche serbische Medien: Zaboravljeni deo istorije. Pismo koje otkriva ko je želeo Prvi svetski rat [Ein vergessener Teil der Geschichte. Der Brief, der enthüllt, wer den Ersten Weltkrieg wollte]; vgl.: http://www.b92.net/kultura/vesti.php?nav_category=1087&yyyy=2014&mm=01&dd=05&nav_id=796772 (23. 3. 2016); Nebojša Zdravković, Poćorek najava rata godinu dana pre Sarajevskog atentata [Potioreks Ankündigung des Krieges ein Jahr vor dem Attentat von Sarajevo]; in: Politika online vom 9. Jänner 2014: http://www.politika. rs/rubrike/tema-dana/Pocorekova-najava-rata-godinu-pre-Sarajevskog-atentata.sr.html; B. Bilbija, Nemci odbijaju odgovornost za rat [Die Deutschen lehnen die Verantwortung für den Krieg ab]; in: Politika online vom 11. März 2014; vgl. http://www.politika.rs/rubrike/Drustvo/Nemci-odbijaju-odgovornost-za-rat.html (23. 3. 2016).

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Historiker, vom Regisseur Kusturica ganz zu schweigen, folgerten daraus, dass nun die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges völlig neu geschrieben werden müsse. Der Krieg sei bereits vor dem Attentat geplant gewesen. Das Attentat selbst spiele daher keine Rolle. Dass es sich bei dem Brief um eine Kopie handelt, während der Verbleib des Originals bis heute ungeklärt ist, scheint aus meiner Sicht kein Problem darzustellen. Der Inhalt des Briefes ist glaubwürdig und deckt sich mit vielen anderen Quellen. Auf der gemeinsamen Ministerratssitzung am 7. Juli 1914 bemerkte Biliński, „General Potiorek stehe seit zwei Jahren [!] auf dem Standpunkte, dass wir eine Kraftprobe mit Serbien bestehen müssten, um Bosnien und die Herzegowina behalten zu können“32. Das Protokoll ist schon lange bekannt. Es wurde 1966 veröffentlicht. Skurril an der Medienkampagne in Serbien ist der Umstand, dass etwas lange Bekanntes als sensationelle Neuheit verkauft wurde und dass es keine Spur von Selbstreflexion gibt. Zu den Konstanten der serbisch orientierten Historiographie über die österreichungarische Herrschaft in Bosnien gehören: die Politik des nationalen divide et impera (also nationale Unterdrückung/Entnationalisierung), die Versäumnisse bei der Lösung der „Agrarfrage“, eine unzulängliche Bildungspolitik sowie wirtschaftliche Ausbeutung bzw. „Kolonialismus“. Alle Kritikpunkte sind einer eingehenden Diskussion wert, auf die ich an dieser Stelle aber verzichte33. Das Attentat in Sarajevo war der Auslöser für den Ersten Weltkrieg. Das ist Konsens. Aber dieser Sachverhalt ist sehr verkürzt formuliert. Zunächst war das Attentat der Anlass dafür, dass die „Kriegspartei“ in Wien in einer chauvinistisch aufgeladenen Atmosphäre die Oberhand gewann, und zwar deshalb, weil der prominenteste Gegner eines Krieges zu diesem Zeitpunkt, Erzherzog Franz Ferdinand, tot war und weil einige derjenigen, die bisher gegen einen Krieg gewesen waren, nun für den Krieg eintraten. Das heißt, das Attentat ebnete denjenigen den Weg, die bereits seit längerem auf eine Gelegenheit zum Losschlagen gewartet bzw. darauf gehofft hatten. Der ermordete Thronfolger hatte sich wiederholt und vehement gegen ein militärisches Vorgehen ausgesprochen (mit einer kurzen Ausnahme Ende 1912)34. Nicht weil er Pazifist war (auch er hielt Krieg für ein legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele), und schon gar nicht, weil er Sympathien für Serbien

32 Miklós Komjáthy (Hg.), Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Budapest 1966) 145. 33 Einer der besten zeitgenössischen Kenner der Verhältnisse in Bosnien war Ferdinand Schmid, Leiter des 1894 eingerichteten Statistischen Departments der bosnisch-herzegowinischen Landesregierung und später Professor für Statistik an der Universität Leipzig. In seinem opus magnum setzte er sich kritisch mit den Errungenschaften und Defiziten der Doppelmonarchie auseinander. Gleich zu Beginn seines Werkes schreibt Schmid: „Faßt man (…) den Begriff der Kolonien etwas weiter, so kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß Bosnien und die Herzegovina von Österreich-Ungarn als Kolonialgebiete erworben wurden und als solche in der Hauptsache bis heute geblieben sind.“ Vgl. Ferdinand Schmid, Bosnien und die Herzegowina unter der Verwaltung Österreich-Ungarns (Leipzig 1914) 1. 34 Belege finden sich in der Korrespondenz Franz Ferdinands. Nahezu alle Biographien enthalten entsprechende Zitate. Zwei Beispiele: Lavender Cassels, Der Erzherzog und sein Mörder: Sarajevo, 28. Juni 1914 (Wien – Köln – Graz 1988) 131; Jean-Paul Bled, Franz Ferdinand. Der eigensinnige Thronfolger (Wien – Köln – Weimar 2013) 156; Alma Hannig, Franz Ferdinand. Die Biografie (Wien 2013). Hannig zeichnet ein sehr kritisches Bild des Thronfolgers, der den Krieg keineswegs grundsätzlich ablehnte.

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hegte, sondern weil er um die innere Stabilität der Habsburgermonarchie besorgt war und deshalb für die Bewahrung des Status quo eintrat. Zumindest vorerst. Doch sein Tod und die oft geheuchelte Trauer und Empörung über seinen Tod legte den Funken an das „Pulverfass“. Aber so wie Franz Ferdinand kein Pazifist war, so verfolgten auch andere Politiker vor dem Ersten Weltkrieg keinen pazifistischen Kurs. War die Regierung in Belgrad eine Ausnahme? Ja, sagt der Historiker Mile Bjelajac in einem 2014 veröffentlichten Aufsatz: „Serbien und Montenegro waren nach den [Balkan]Kriegen materiell erschöpft und bevölkerungsmäßig dezimiert. Sie benötigten eine mehrjährige friedliche Entwicklungsperiode (…) Deshalb versuchten die serbische Regierung und das serbische Herrscherhaus alles, um sich mit der Monarchie gut zu stellen. Premierminister Nikola Pašić wollte die Situation beruhigen und brachte in seinem Exposé vom Oktober 1913 den Wunsch Serbiens nach Frieden zum Ausdruck (…) Es sei daran erinnert“, fährt Bjelajac fort, „dass das offizielle Serbien Ende 1912 (…) ausrichten ließ, dass es mit Österreich in Frieden und Freundschaft leben möchte (…)“35. Lässt sich damit wirklich begründen, dass Serbien eine Ausnahme war? Haben nicht auch andere Regierungen offiziell ihren Friedenswillen immer wieder bekundet? Die entscheidende Frage also bleibt, ob es ohne den Funken von Sarajevo zum Weltkrieg gekommen wäre. Fritz Fischer und diejenigen, die ihm gefolgt sind, waren und sind davon überzeugt. Ihr Determinismus – es ist gekommen, wie es kommen musste – und ihre saubere Trennung von Anlass und Ursache haben aber nicht erst in der derzeitigen Welle neuer Arbeiten über den Ersten Weltkrieg Fragen aufgeworfen. In Michael Salewskis Gesamtdarstellung des Ersten Weltkrieges aus dem Jahr 2003 fehlt Princips Name zwar im Register, taucht aber an einer Stelle des Textes auf, und zwar mit folgendem Kommentar: „Der 28. Juni 1914 ist vielleicht der größte Schicksalstag des 20. Jahrhunderts, ungeachtet all jener bereits behandelten strukturellen Notwendigkeiten und Kausalitäten – Stichwort: ‚Urkatastrophe‘. Häufig wird argumentiert, wäre es nicht die Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares gewesen, so hätte ein beliebiges anderes Ereignis den großen Krieg auslösen können, und die Definition der ‚Kriegsreife‘ weist in die nämliche Richtung. Aber die eigentliche Frage lautet ja anders: Woher wollen wir wissen, daß es nach dem 27. Juni 1914 ein anderes Ereignis von ähnlicher Qualität wie jenes vom 28. Juni überhaupt gegeben hätte? Wir rechnen das ja bloß hoch, wir jonglieren mit Wahrscheinlichkeiten, keinen Realitäten. Wir können einfach nicht wissen, was geschehen wäre, hätte es diesen abscheulichen Doppelmord nicht gegeben. Ich versage mir alle Spekulationen, aber der Mörder Gavrilo Princip und die Terroristen der ‚Schwarzen Hand‘ sind mitschuldig am Ersten Weltkrieg, mitverantwortlich für 10 Millionen Tote [ohne Zivilisten], und es ist ganz und gar unverständlich, wollte man dem Attentäter in Sarajevo Denkmäler errichten.“36 Das sehen serbische Patrioten natürlich anders. Und über die Formulierungen kann man auch streiten. Aber die Richtigkeit der Behauptung, dass wir nicht wissen und nicht wissen können, was geschehen wäre, wenn … steht außerhalb jeder Diskussion und fällt in den Bereich der kontrafaktischen oder virtuellen Geschichte. 35 36

Bjelajac, Serbien 48 f. Michael Salewski, Der Erste Weltkrieg (Paderborn – München – Wien – Zürich 2003) 84 f.

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In der ganzen – offenbar endlosen – Debatte über Anlass und Ursache des Großen Krieges stehen sich zwei verschiedene Ansätze gegenüber, ein eher punktuell und akteursbezogener Ansatz und ein eher auf Wertvorstellungen und Befindlichkeiten der damaligen Zeit konzentrierter Ansatz. Die erste Variante fällt in den Bereich der „klassischen“ Diplomatiegeschichte. Im Mittelpunkt stehen die Julikrise und die Frage, was Politiker, Militärs und Diplomaten getan haben, das heißt, wer was wann zu wem gesagt und entschieden hat. In der zweiten Variante geht es um grundsätzliche und zumeist längerfristig verankerte Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit. Es geht um Moral. Beide Ansätze werden zwar miteinander verbunden, aber die Gewichtung fällt unterschiedlich aus. Der zweite Ansatz ist maßgebend für die jeweilige Sinnstiftung und die Legitimierung politischen und militärischen Handelns. Danach gibt es Staaten, die für eine „gerechte“, und solche, die für eine „ungerechte“ Sache kämpfen; es gibt „gute“ und „böse“ Staaten. Und die Beweise oder Indizien, die dafür vorgetragen werden, sind – zumindest in vielen Fällen – zutreffend (zutreffend im positivistischen Sinn). Wenn man die vorhin erwähnte Arbeit von Vladimir Ćorović oder Vladimir Dedijers großes Werk über Sarajevo 191437 oder Andrej Mitrovićs Monographie über Serbien im Ersten Weltkrieg38 oder neuere Arbeiten, etwa von Dušan Bataković und Mile Bjelajac über die Vorgeschichte des Attentats und den Weltkrieg liest, gibt es an den vorgetragenen „Fakten“ zumeist nichts auszusetzen (allenfalls an der Auswahl). Aber über die Kontextualisierung und Deutung der „Fakten“ kann man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. Sobald man sich aus dem jeweiligen nationalen Narrativ befreit, wird ein Europa erkennbar, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts ganz im Bann von Nation und Staat stand. Ich habe bereits erwähnt, dass Serbien – im Vergleich zur Habsburgermonarchie – dabei die besseren Argumente hatte. Aber auch serbische Politiker, Militärs und Intellektuelle setzten sich großzügig über das Selbstbestimmungsrecht der Völker hinweg und vermengten es von Fall zu Fall mit anderen Prinzipien (mit „historische Rechten“, strategischen und wirtschaftlichen Argumenten oder mit nationalen Prämissen), etwa wenn man an die Eroberung Vardar-Makedoniens, des Kosovos oder an den angestrebten Zugang zur Adria über nordalbanisches Siedlungsgebiet denkt. Mit Selbstbestimmung ließ sich diese Politik nicht begründen. Und dass Bosnien-Herzegowina „serbische Länder“ gewesen seien, ist ebenso fragwürdig wie die Annexion beider Provinzen durch Österreich-Ungarn. Dass sich Serbien von der Doppelmonarchie bedroht fühlte, ist nachvollziehbar. Ebenso ist nachvollziehbar, dass sich Österreich-Ungarn durch Serbien und die südslawische Agitation bedroht fühlte. Österreich-Ungarn und Serbien haben aus ihrer Sicht nur „Verteidigungskriege“ geführt (wie alle anderen auch). Selbstverständlich hat die serbische Historiographie Recht, wenn sie darauf insistiert, dass die Belgrader Regierung zum Zeitpunkt des Attentats und angesichts der enormen Anstrengungen und Verluste in den vorangegangenen Balkankriegen keinen neuen Krieg wollte. Ebenso richtig ist aber auch, dass der Krieg zur Befreiung der angeblichen

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Vladimir Dedijer, Die Zeitbombe: Sarajewo 1914 (Wien – Frankfurt/Main – Zürich 1967). Andrej Mitrović, Serbia’s Great War, 1914–1918 (London 2007).

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Brüder und Schwestern – der „tödliche Kampf“, wie Cvijić formuliert hat39 – von serbischen Politikern, von öffentlichen oder geheimen Organisationen als notwendig, unvermeidbar und gerechtfertigt betrachtet wurde. „Einem neuen Schlage, wie die Annexion einer war, muss ein neues Serbien entgegentreten, worin jeder Serbe vom Kind bis zum Greis ein Schütze ist“, heißt es in einer Broschüre der im Oktober 1908 gegründeten Vereinigung „Narodna odbrana“ [Nationale Verteidigung]. „Das serbische Volk steht vor der Frage, sein oder nicht sein.“40 „Freiheit“ wurde nahezu ausschließlich als nationale (!) Freiheit verstanden. Auch von Gavrilo Princip. Das war allgemeine Überzeugung, nur der „richtige“ Augenblick für den letztlich „unvermeidbaren“ Krieg war strittig. Ob die Brüder und Schwestern tatsächlich Brüder und Schwestern waren, ob sie befreit werden wollten oder nicht und – sofern sie befreit werden wollten – wie sie sich ein befreites Leben vorstellten, spielte keine Rolle. Mit anderen Worten: Zwischen „großen“ und „kleinen“ Raubstaaten bestanden allenfalls (und entsprechend den jeweils verfügbaren Ressourcen) graduelle, aber keine grundsätzlichen Unterschiede. Die nationalideologische Aufrüstung und die Militarisierung der Gesellschaft waren in vielen Ländern Europas weit vorangeschritten – einschließlich Serbiens. Die nationale Euphorie war in Serbien nicht weniger ausgeprägt als in vielen anderen Staaten. Einige Politiker wollten den Krieg sofort, andere wollten auf einen „günstigen“ Augenblick warten – zu letzteren zählten unter anderem Franz Ferdinand und Nikola Pašić! Der „Geist von 1914“ war ein transnationales und transterritoriales Phänomen. Manche Autorinnen und Autoren sind bestrebt, diese Gemeinsamkeiten entweder zu ignorieren oder als „Revisionismus“ zu brandmarken. Das ist ziemlich wohlfeil, denn jede neue Erkenntnis ist die Revision einer älteren Erkenntnis. Lassen wir den „Geist von 1914“ beiseite und wenden wir uns kurz der unmittelbaren politischen Verantwortung für den Kriegsbeginn zu. Dabei gehe ich von der These aus, dass große Staaten mehr Verantwortung tragen als kleinere Staaten, weil die Entscheidungen der ersteren oft folgenreicher sind als die der letzteren. Ich will die kleineren Staaten damit nicht exkulpieren, denn bekanntlich können auch kleine Anlässe und Ursachen große Wirkung entfalten, aber in der Regel nicht als Selbstläufer, sondern erst, wenn größere Staaten sich einmischen. Deshalb haben ÖsterreichUngarn und Deutschland, aber auch andere Großmächte, in der Julikrise 1914 mehr Verantwortung getragen als Serbien. Hätte nicht das wilhelminische Deutschland Österreich-Ungarn und Russland Serbien bzw. Frankreich Russland den Rücken gestärkt, hätte der Erste Weltkrieg wahrscheinlich nicht stattgefunden. Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Aber damit sind wir wieder im Bereich der virtuellen Geschichte. Grundsätzlich aber bleibt festzuhalten: Verantwortung ist immer fallbezogen, Moral ist stets fallübergreifend, das heißt, man kann sie nicht von Fall zu Fall und beliebig 39 Zit. nach Slobodan Naumovic, Identity Creator in Identity Crisis: Reflections on the Politics of Serbian Ethnology; in: Anthropological Journal of European Cultures 8/2 (1999) 39–127, hier 52. 40 Narodna odbrana. Beograd 1911. Auszüge in englischer Übersetzung; in: The World War I Document Archive: http://wwi.lib.byu.edu/index.php/The_Narodna_Odbrana. Zur Ideologie der „Narodna odbrana“ und der „Schwarzen Hand“ vgl. Wolf Dietrich Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830–1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie (= Südosteuropäische Arbeiten 74, München1980) 108–132.

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ändern. Und man kann auch schlecht mit „Befreiung“ und „Freiheit“ argumentieren, wenn man nicht erklärt, was „Freiheit“ bedeutet, was sie vor hundert Jahren bedeutete und was sie heute bedeutet. Deshalb erscheint es sinnvoll, zwischen der Julikrise und dem „Geist von 1914“ sowie zwischen den verschiedenen Freiheitsbegriffen zu differenzieren. „Gute“ und „unschuldige“ Staaten und Nationen gibt es ebenso wenig wie „böse“ und „schuldige“ Staaten und Nationen. Es gibt nur Entscheidungsträger, die verantwortlich, und solche, die unverantwortlich handeln, was – je nach den Ressourcen, über die sie verfügen – mehr oder weniger folgenschwer ist.

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F. Der Erste Weltkrieg in der polnischen Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung von Włodzimierz Borodziej, Maciej Górny 1. Geschichtspolitik oder die Kunst des Vergessens Im Jahr 2008 schrieb der damalige Parlaments- und in den Jahren 2010 bis 2015 Staatspräsident Polens, Bronisław Komorowski, in einem Geleitwort1, der Abmarsch der 140 Freiwilligen, der künftigen Legionäre, am 6. August 1914 aus Krakau Richtung Ostfront sei mit dem 11. November 1918 durch eine Klammer verbunden, die den „blutigen Kampf der Polen im Kampf um ihre Unabhängigkeit“ verbinde – ein Sammelporträt jener polnischen Generation, die immer um den Wiederaufbau ihres Staates gekämpft habe. Der Staatspräsident, ein gelernter und kundiger Historiker, äußerte damit keine originelle oder gar provokative Meinung, sondern umriss das Grundmuster der polnischen Erinnerung an den Ersten Weltkrieg: Im Mittelpunkt stehen eindeutig jene Vorfahren, die bereits 1914 für Polen und nicht für eines der drei Kaiserreiche in den Krieg zogen. Kenner Ostmitteleuropas wird diese Haltung kaum verwundern. Nicht nur im heutigen Polen, sondern auch bei seinen Nachbarn im Nordosten und Süden ist der einst Große Krieg zu einem Präludium für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1918 geschrumpft. Die drei folgenden Erklärungsansätze mögen zum Verständnis dieser Zustandsbeschreibung beitragen. Der erste thematisiert eine vergessene polnische Sonderbeziehung zum Ersten Weltkrieg, der zweite den Platz des Landes in der regionalen Geographie sowie die Chronologie. Gegenstand der dritten These sind die Dimensionen des Vergessens. Erstens scheint es bislang nie thematisiert worden zu sein, dass all die großen Schlachten an der Ost- bzw. der russischen Westfront mit Millionen von Toten, Verwundeten, Vermissten und Kriegsgefangenen auf dem Gebiet der Republik der Zwischenkriegszeit bzw. des heutigen Polen stattfanden. Die Schlachtfelder heißen Łódź und Limanowa, Karpaten und Gorlice, Ostgalizien und Wolhynien. Von den großen Festungen, denen 1914–1915 so viel Bedeutung beigemessen wurde – ob Przemyśl oder 1 „Dwie daty: 6 sierpnia 1914 r. i 11 listopada 1918 r., stanowią swoistą klamrę spinającą okres krwawego wysiłku Polaków w walce o Niepodległość“ [Zwei Daten: 6. August 1914 und 11. November 1918, das sind die Klammern, die das blutige Ringen der Polen im Kampf um die Unabhängigkeit zusammenhalten]; in: Witold Sienkiewicz (Hg.), Legenda Legionów. Opowieść o Legionach oraz ludziach Józefa Piłsudskiego [Die Legende der Legionen. Erzählung über die Legionen und die Menschen von Józef Piłsudski] (Warszawa 2008) I.

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Nowogeorgijewsk –, lagen alle außer Kaunas in diesem Gebiet. Weitgehend unbekannt bleibt ebenfalls, dass an der Ostfront, in der Nähe des zentralpolnischen Bolimów, Anfang 1915 die ersten Gasangriffe des Ersten Weltkrieges stattgefunden haben. Erst im April setzten deutsche Truppen bei Ypern Chlorgas ein; nach dem Scheitern des Versuchs im Westen wurde es erneut im Osten eingesetzt. Diese Geschichte hat für den Zweck unserer Darstellung nahezu emblematischen Charakter: Über die beim Gasangriff verwundeten Russen berichtete einige Tage später sogar die New York Times. Darüber hinaus beweist das Beispiel, dass das Vergessen zwar nicht im Detail symmetrisch ist, aber dennoch keine Spezialität Ostmitteleuropas darstellt – aus „westlicher“ Sicht sind all die oben genannten Orte heute ebenfalls no-names, obwohl sie zeitgenössisch kriegsrelevant und deswegen bestens bekannt waren. Im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges wechselten die östlichen Schlachtfelder in die Ukraine, hingegen kam als neuer, potentiell wichtiger Erinnerungsort Tannenberg an Polen. Alle spielen in der nationalen Gedächtniskultur keine Rolle – und zwar weder für die Nachkommen der an diesen Orten Gefallenen noch für die dort lebenden Menschen. Dies zieht durchaus materielle Folgen nach sich. Nach 1989 wurden mehrere Soldatenfriedhöfe aus dem Ersten Weltkrieg zu Gedenkstätten des polnischen unbekannten Soldaten oder gar der Legionäre umfunktioniert – obwohl oft kein einziger Legionär ebendort seine Ruhestätte gefunden hatte2. Eine wichtige Ausnahme bilden die südpolnischen (galizischen) „Non-Governmental–Organisations“ (NGO’s), die seit den späten 1980er Jahren, nicht ohne Inspiration und mit starker Unterstützung seitens des Österreichischen Schwarzen Kreuzes, mehrere heruntergekommene österreichisch-ungarischen Friedhöfe vor dem Zerfall retteten. Damit sind wir bei der zweiten These angelangt: Es war bekanntlich ein ganz anderer Kontext, in dem Winston Churchill im März 1946 die Linie Stettin – Triest erfand3. Realiter bzw. wörtlich hat es sie nie gegeben; sie verlief, wie allgemein bekannt, ein wenig anders. Gerade im Zusammenhang mit unserem Thema, durchaus legitim auf den 100. Jahrestag des Kriegsausbruches konzentriert, erleben wir aber diese alte, nie wirklich existente, auf jeden Fall seit einem Vierteljahrhundert obsolete Grenze überraschenderweise als gültiger denn je zuvor. Westlich von ihr wird des Centenary lebhaft und mit einigem finanziellen Aufwand und größtmöglicher öffentlicher Aufmerksamkeit gedacht, östlich von dieser Grenze herrscht – sieht man von Serbien und Bosnien-Herzegowina ab – Stille. Auf den ersten Blick scheint dies unbegreiflich, denn gerade im Osten entstand ab 1918 jenes Neue, das die europäische Landkarte bis heute prägt. Diese auffallende Stille zum Thema „100. Jahrestag“ zu verstehen sollte aber trotzdem nicht allzu schwer fallen: Die Polen bewegen sich in diesem Kontext wieder in der südost- bis ostmitteleuropäischen Norm. Wie alle anderen – von Kroaten und Slowenen bis zu den Esten und Finnen – sind sie in einen Krieg hineingezogen worden, 2 Vgl. Jerzy Pałosz, The Military Cemetery as a Form of the Cult of the Fallen Soldier: The History of the Idea and its Destruction on the Example of Austro-Hungarian Cemeteries in „Russian Poland“; in: Remembrance and Solidarity. Studies in 20th Century European History 2 (März 2014) 299–326. 3 Der Text von Winston Churchill’s The Sinews of Peace-Speech in: Robert Rhodes James (Hg.), Winston S. Churchill: His Complete Speeches 1897–1963 VII: 1943–1949 (New York 1974) 728 f.

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der nicht der ihre war. In den Jahren 1914–1918 handelte es sich um einen Krieg der Imperien, mit dem die Nationalitäten Ostmitteleuropas wenige Hoffnungen auf eine bessere Zukunft verbinden konnten. Weder der in Russland propagierte Panslawismus noch der Pangermanismus versprachen den Polen, Esten, Letten, Tschechen oder Ukrainern etwas Positives. Dennoch verhielten sich alle Nationalitäten anfangs loyal – auch die Deutschbalten, Polen, Ukrainer sowie die serbischen und rumänischen Untertanen der Habsburger –, die kein Abitur brauchten um zu ahnen, dass sie nun ihre eigenen Landsleute töten würden. Deutschbalten, Polen und Serben durften sicher sein, dass sie als loyale Staatsbürger Brudermord begehen müssten, bei den anderen grenzte die Wahrscheinlichkeit an Gewissheit. Dass die Menschen und Staaten in beiden Regionen, darunter die Republik Polen, heute keinen Grund sehen, des 100. Jahrestages der Massenschlachtungen zu gedenken, wird man ihnen angesichts dieses Hintergrundes nicht wirklich verübeln können. Die „Kains Schuld“, wie sie in der polnischen Kriegsdichtung oft apostrophiert wurde4, wollte man so schnell wie möglich vergessen. Zu dieser bereits in der Zwischenkriegszeit verdrängten Erinnerung an eine moralisch unerträgliche Zwangslage kam eine von Anfang an ethnisch geprägte Kriegserfahrung. Eine Schicksalsgemeinschaft sollte man bekanntlich nicht mit einer Interessengemeinschaft verwechseln. Zu den wichtigsten unmittelbaren Kriegsfolgen in Ostmitteleuropa gehörte die ethnische Fragmentierung der Imperien. Schon 1914 beschworen die Nationalitäten ihre Treue gegenüber dem Kaiser gewissermaßen jede für sich und in gegenseitiger Abgrenzung. Oft denunzierte man schlicht die vermeintliche Untreue der anderen Untertanen desselben Herrschers, anders formuliert: den Nachbarn. Bei der Lektüre der zeitgenössischen Quellen fällt darüber hinaus immer wieder auf, wie stark schon während der Anfangsphase des Krieges die grundsätzlich ethnisch definierten Hilfsorganisationen miteinander konkurrierten5. Die Gleichgültigkeit bis Feindschaft den Juden gegenüber bietet nicht das einzige Beispiel dafür. Das Leiden der ethnisch Anderen interessierte niemanden, was wiederum kein spezifisch polnisches Phänomen darstellt. Eine andere Betrachtungsweise des Großen Krieges im „Osten“ führt zur Erkenntnis, dass dieser dort in den wenigsten Fällen am 11. November 1918 ein Ende 4 Als Beispiel sei das heute vergessene Gedicht des Dichters und Schriftstellers Edward Słoński (geschrieben im November 1914) zitiert, das einige dieser Emotionen bereits für die Frühphase des Krieges dokumentiert (Auszüge): „Geteilt hat uns, meine Brüder/Ein grausames Los, das Wache hält–/ In zwei feindlichen Schanzen/Schauen wir dem Tod ins Angesicht (…) Wir stehen uns gegenüber – / Ich als dein Feind, du als mein Feind (…) Gegen unser niedriges Schanzwerk wirfst du den Schrapnellenhagel / Du rufst mich und sprichst / – Ich bin’s, dein Bruder (…) dein Bruder / Es weint der Wald, es weint die Erde – / Die Welt in Flammen steht – / Aber du sprichst in einem fort: – Ich bin’s, dein Bruder (…) dein Bruder! (….)“. Die vollständige deutsche Übersetzung des Gedichts in: Ursula J. Becher, Wlodzimierz Borodziej, Robert Maier (Hgg.), Deutschland und Polen im 20. Jahrhundert. Analysen – Quellen – didaktische Hinweise (Bonn 2004) 123. 5 Vgl. dazu Włodzimierz Borodziej, Maciej Górny, Nasza wojna [Unser Krieg] (Warszawa 2014); dies., „In der Feuerlinie sind alle gleichberechtigt.“ Zur Loyalität der Nationen im Ersten Weltkrieg; in: Osteuropa 64/2–4 (2014) 91–108. Der Beitrag gibt dem deutschsprachigen Leser einen Einblick in einige wichtige Motive des zitierten Buches (Naza wojna).

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fand. Versteht man unter Krieg das massenhafte Töten und Sterben, dann gibt es nicht allzu viele Gründe die Zäsur von 1918 zu respektieren. Nach 1918 geht der Krieg weiter und ist alles andere als ein „Krieg der Pygmäen“6, wie ihn Winston Churchill in seiner unnachahmlichen Arroganz betitelte. Um bei Polen zu bleiben: Im Dezember 1918 und in den folgenden Jahren wurde gegen die Ukraine, die deutschen Freikorps in Großpolen und Ostoberschlesien, gegen die Tschechoslowakei und Litauen und – schließlich und entscheidend – gegen die Bolschewiki gekämpft. Erst um 1921 kam das Land einigermaßen zur Ruhe, was für die Region keineswegs untypisch ist. Nicht nur dauerte hier der Erste Weltkrieg viel länger als im Westen. Er war ein blutiger, oft hässlicher Bürgerkrieg, in dem sich die ehemaligen Staatsbürger der alten Imperien jeweils auf Kosten der anderen ihren Nationalstaat zurechtkämpfen. Und – vielleicht am wichtigsten –, erst die Kämpfe der Jahre nach 1918 führten zu einem Ergebnis, das den Bedeutungsrahmen für die nächste Generation konstituierte; mit der Ausgangskonstellation hatte dieses Ergebnis jedoch so gut wie nichts zu tun. Die Verdrängung der Erinnerung an den Krieg der Imperien begann, wie bereits angedeutet, in der Zwischenkriegszeit. Sie resultierte aus der – wie man sie heute nennen würde – Geschichtspolitik der jungen Republik. Unmittelbar nach dem Krieg monopolisierte eine zahlenmäßig eher marginale Gruppe die Deutung des Krieges und verlieh ihm einen Sinn, der den meisten Außenstehenden bislang ziemlich fremd gewesen sein dürfte. In Polen waren es vor allem die Legionäre um Józef Piłsudski, in der Tschechoslowakei – sehr ähnlich – die Legionäre aus Russland. Ihr Bild des Krieges stand in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Begebenheiten. Die Legionäre von Piłsudski machten etwa 2,5 % der ethnischen Polen an der Front aus, bei den Tschechen dürfte der Anteil größer gewesen sein, bei den Slowaken war die Prozentrate offenbar noch niedriger als bei ihrem nördlichen Nachbarn. Dennoch prägte die Erinnerung an die heroischen Taten der Freiwilligen das kollektive Gedächtnis bereits in den 1920er Jahren nachhaltig; die Erfahrung der großen Mehrheit jener, die unter imperialen Fahnen gekämpft hatten, war eher entsorgungsbedürftige Last denn lieu de memoire. Der grundsätzliche Unterschied in der mitteleuropäischen, das heißt auch der polnischen Rezeption des Ersten Weltkrieges, lässt sich also rational erklären. Die Linie Stettin – Triest ist ein klassisches Beispiel für Divided memories; bekanntlich keine „östliche“ Erfindung. Die Trennlinie wirkt im „Westen“ trotzdem irritierend, da hier der Verdacht aufkommt, die „neuen“ Europäer gingen wieder einmal eigene Wege, die mit einem gemeinsamen europäischen Gedächtnis bzw. der Idee unseres Kontinents als Wertegemeinschaft kollidieren7. Dass es erhebliche Unterschiede sogar in den amtlichen Deutungen des Centenary im „alten“ Europa gibt – etwa zwischen dem Berliner „Gedenken“ und dem Londoner „Feiern“ – wird mit souveräner Gelassenheit ausgeblendet. 6 „The war of the giants has ended; the quarrels of the pygmies have begun“. Das Zitat Churchill’s in Norman Davies, White Eagle – Red Star. The Polish-Soviet War 1919–1920 and „the Miracle on the Vistula“ (London – New York [1972], Reprint: London 2003) 21. 7 So der Eindruck der Autoren, der nicht aus Gesprächen mit Fachkollegen, sondern aus Kontakten außerhalb der Historikerzunft stammt.

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Damit kommen wir zu unserer dritten These über die Erinnerung. Was in Ostmitteleuropa, unter anderem in Polen, ausgeblendet wird, kann im Folgenden nur in Stichworten skizziert werden, da die Liste sehr lang ist. Die Verluste und Kosten dieses Krieges waren für die Bewohner der polnischen Gebiete enorm. Nach zeitgenössischen deutschen Schätzungen betrafen die kriegsbedingten Verwüstungen eine sieben Mal größere Fläche als diejenige Belgiens. Die Zahl der eingezogenen Rekruten im künftigen polnischen Staatsgebiet lag bei 3,4 Millionen (darunter über 2 Millionen Polen), die der toten Soldaten bei 387.000. Insgesamt kostete der Krieg bis zu 1,5 Millionen Tote, Vermisste, Gefangene und Verwundete, dazu kam noch eine unbekannte Zahl ziviler Opfer von Krankheiten und Hunger sowie weitere Millionen durch den Krieg Betroffener – Flüchtlinge, Evakuierte und Deportierte. Allein im Sommer 1915 evakuierten die Russen vermutlich weit mehr als eine Million Einwohner Kongresspolens zwangsweise (die Schätzungen gehen weit auseinander und sind bis auf Stichproben niemals überprüft worden, was ebenfalls einiges über das historiographische Engagement bzw. die geschichtspolitische Relevanz unseres Themas aussagt): darunter Polen, Deutsche, Juden, Ukrainer und Russen. Bereits die Ergebnisse der Bevölkerungszählung von 1916 zeigten das Ausmaß der Katastrophe eindrücklich: Nach nur zwei Jahren Krieg und Besatzung war die Einwohnerzahl Kongresspolens von circa 13 auf etwa 9,5 Millionen zurückgegangen. Statistiker errechneten später für das gesamte künftige polnische Staatsgebiet ein negatives Bevölkerungswachstum von fast vier Millionen (13 %); dieser Rückgang dürfte hauptsächlich auf Zwangsmigrationen zurückzuführen sein8. Von der Katastrophe waren die einzelnen Schichten und Milieus in unterschiedlichem Maße betroffen, für manche Gruppen und Gesellschaftsschichten – vor allem die Juden und die Industriearbeiterschaft – stellte der Erste Weltkrieg eine existenzielle Katastrophe dar. Die meisten, zumal in der Stadt, teilten die jahrelange Erfahrung von Unterernährung, Ersatz aller Art sowie alltägliche Eingriffe des Staates in das Privatleben und die Rechte seiner Untertanen; Milliarden von Armenessen wurden ausgegeben, Bettler und Invaliden zum festen Bestandteil der – auch noblen – Straßen und Corsos; hinzu kamen Krankheiten und Epidemien, denen Großeltern und Urgroßeltern der heutigen Polen mehr oder minder hilflos ausgeliefert waren. Dies alles sind zählbare, statistisch mehr oder minder nachweisbare Größen. Ein anderes gesellschaftliches „Urerlebnis“, das ebenfalls Ost und West, Polen und andere im Sinne einer shared memory verbinden sollte, kann man hingegen mathematisch nicht fassen: das Gefühl der Sinnlosigkeit, des unkontrollierbaren Wahnsinns, der jahrelang Millionen junger Männer der physischen Gewalt und weitere Millionen den oben aufgelisteten Plagen aussetzte, ohne dass etwa im vierten Kriegsjahr die Rückkehr zur Normalität – zum Frieden – wahrscheinlicher geworden wäre als 1914. Erst aus diesem Zerfall der Autorität, dem Verlust des Glaubens in die Führungsfähigkeiten 8 Angaben nach Andrzej Jezierski (Red.), Historia Polski w liczbach. Ludność, terytorium [Geschichte Polens in Zahlen. Bevölkerung, Territorium] (Warszawa 1993) 116–119. Das recht zuverlässige Nachschlagewerk gibt sich im Unterkapitel zum Ersten Weltkrieg auffallend zurückhaltend. Angaben deutscher zeitgenössischer Schätzungen zum besetzten Kongresspolen nach Stephan Lehnstaedt, Habsburg, Hohenzollern, Hitler. Imperiale Politik in zwei Weltkriegen (ungedr. Typoskript 2014) 75 f.

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der Obrigkeit, mit anderen Worten, aus dem Versagen der Imperien, erwuchsen all die nationalen und sozialen Revolutionen, die das neue Europa schufen; darunter die Zweite Polnische Republik vom November 1918, die sich von Beginn an zugleich als antibolschewistisch und antimonarchistisch, demokratisch und modern verstand. Vieles andere ist hinlänglich bekannt. Wie in den meisten Ländern der Region ging in Polen die Erinnerung an diese Vorgeschichte der eigenen Staatsgründung nicht nur wegen ihrer offensichtlichen Sinnlosigkeit verloren. Die Nachkriegskonflikte, oder besser gesagt die zweite Runde des Großen Krieges, spielten in der kollektiven Erinnerung in der Zwischenkriegszeit eine viel größere Rolle. Vor allem die Kriege gegen die Sowjets und die Ukraine legitimierten die neuentstandene Staatlichkeit. Sie fanden auch ein lebhaftes Echo in der Literatur. Insofern wundert es kaum, dass im nationalen Gedächtnis der Erste Weltkrieg von diesen „polnischen“ Kriegen überschrieben wurde. Dann, nach dem Jahr 1945, wurde es mit der Erinnerung an den Großen Krieg noch spärlicher. Der Zweite Weltkrieg war nicht nur zeitlich näher, sondern auch weitaus tragischer. Darüber hinaus vernachlässigte man im Staatssozialismus gezielt die Zeit des „imperialen“ Großen Krieges und der Nachkriegskonflikte. Zu den alten Gründen des Vergessens kamen neue hinzu. Schließlich ging es unter anderem um einen Krieg gegen die Sowjetunion, der – was fast noch schlimmer war – von Polen gewonnen wurde. Als nach dem Jahr 1989 die Erinnerungskultur der Zwischenkriegszeit wieder zu Ehren kam, gar eine neue Blütezeit erlebte, blieb der Große Krieg von diesem Prozess weitestgehend ausgeschlossen. Im Ergebnis standen bei den Feiern des 100. Jahrestages 2014 „östliches“ Schweigen und „westliches“ Erinnern einander sprachlos gegenüber. Man braucht keine allzu große Phantasie um sich auszumalen, dass sich diese Stille 2019 und 2020, wenn es um Versailles und die Pariser Vorortverträge gehen wird, im polnischen Fall – wahrscheinlich auch in anderen Ländern – nicht wiederholen wird. Abschließend sei an eine Begebenheit erinnert, die all die oben skizzierten Entwicklungen an einem konkreten Beispiel zusammenfasst und bis 2014 fortführt. Der US-amerikanische Historiker Robert Blobaum beschrieb vor kurzem ein verschwundenes Denkmal. Auf dem Warschauer Hooverplatz stand seit 1922 eine aus Sandstein gemeißelte Skulptur des später bekannten Bildhauers Xawery Dunikowski: Die Skulptur zeigte zwei Frauen mit Kindern, die an die Hungersnot und die amerikanische Hilfe (die von Herbert Hoover symbolisiert wurde) erinnern sollten. Doch schon 1930 wurde dieses sogenannte „Dankbarkeitsdenkmal“ für die USA aus bautechnischen Gründen teilweise demontiert, im Zweiten Weltkrieg dann zerstört und nie wieder hergestellt. Anfang des Jahres 2014 hoffte Blobaum, dass das lückenhafte polnische Gedächtnis an den Ersten Weltkrieg durch die Wiedererrichtung der Skulptur anlässlich des 100. Jahrestages erneuert würde: „There remains the monument of the desperate mother and her two hungry children which once stood prominently on Hoover Square – to my mind the most symbolic representation of everyday life in Warsaw during the First World War. The planned reconstruction and resurrection of that monument, originally announced in 2006, has been inexplicably delayed. I can imagine no better moment than the centennial of August 1914 for a ceremonial unveiling of that statue, not necessarily ‘in gratitude to America’ (the inscription on the original statue), but in

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remembrance of a forgotten war and its horrific impact on the lives of the majority of city’s non-combatants.“9 Es dürfte den Leser kaum überraschen, dass sich die Hoffnung Blobaums nicht erfüllte. 2. Anmerkungen zur Historiographie Da die Erinnerung bald aus der Öffentlichkeit verdrängt wurde, spielte der Erste Weltkrieg in der historischen Forschung eine entsprechend geringe Rolle. Die klassische, akademische Historiographie10 gab sich mit dem Thema ungern ab. Es liegt eine gute Geschichte des Ersten Weltkrieges aus der Zwischenkriegszeit vor11 sowie viele vor 1939 publizierte und ab den 1990er Jahren wiederveröffentlichte Memoiren und Tagebücher. Das Hauptwerk sollten theoretisch jene Autoren liefern, die im Auftrag des „Carnegie Endowment for International Peace“ arbeiteten. Der erste Band der Serie über Politik ist nie erschienen. Im zweiten Band referierten die Verfasser unter dem irreführenden Titel „Gesellschaftsgeschichte“ die Aktivitäten von gesellschaftlichen und Selbstverwaltungsorganisationen, die den Ärmsten zu helfen versuchten. Der dritte Band („Wirtschaftsgeschichte“) vermittelt heute den Eindruck, er sei für eine Friedenskonferenz bzw. für Entschädigungsverhandlungen geschrieben worden: Auf vielen Hundert Seiten geht es ausschließlich um die wirtschaftlichen Verluste in den Jahren 1915 bis 1918. Was die deutschen und österreichisch-ungarischen Besatzer nach den großen Verwüstungen der Jahre 1914/1915 in erster Linie zur Herstellung der Kommunikation mit der Ostfront repariert und wiederaufgebaut haben wird nicht erwähnt, ebenso wie das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Besatzern und den Eliten der Besetzten, die durchaus nicht ganz einfluss- und erfolglos waren12. Die Verwunderung 9 Robert Blobaum, Warsaw’s Forgotten War; in: Remembrance and Solidarity. Studies in 20th Century European History 2 (März 2014) 185–207, hier 205. 10 Im Folgenden übergehen wir die traditionelle Militärgeschichte, zu der sowohl in der Zwischenkriegszeit als auch später – besonders nach 1989 – relativ viele Publikationen erschienen; im polnischen Fall freilich mit einer starken Konzentration auf die Geschichte der Legionen. Dazu jüngst unter anderem Mateusz Staroń, Likwidacja Polskiego Korpusu Posiłkowego w 1918 roku. Losy legionistów po traktacie brzeskim [Die Auflösung des Polnischen Hilfskorps im Jahr 1918. Das Schicksal der Legionäre nach dem Vertrag von Brest-Litowsk] (Warszawa 2013); vgl. auch die folgenden Werke von Jerzy Gaul, Na tajnym froncie. Działalność wywiadowczo-informacyjna obozu niepodległościowego w latach 1914–1918 [An der geheimen Front. Die Ausspähungs- und Informationsaktivitäten des Unabhängigkeitslagers 1914–1918] (Warszawa 2001); ders., Służby wywiadowczo-informacyjne Austro-Węgier wobec radykalnego ruchu niepodległościowego w Królestwie Polskim 1914–1918 [Die Geheimdienste der Monarchie und die radikale Unabhängigkeitsbewegung im Königreich Polen 1914–1918] (Warszawa 2006); ders., Niemieckie służby wywiadowczo-informacyjne wobec radykalnego ruchu niepodległościowego w Królestwie Polskim 1914– 1918 [Die Geheimdienste des Deutschen Reiches und die radikale Unabhängigkeitsbewegung im Königreich Polen 1914–1918] ] (Warszawa 2010). 11 Jan Dąbrowski, Wielka Wojna 1914–1918, na podstawie najnowszych źródeł, 2 Bde. (= Wielka historia powszechna 7) [Der Große Krieg 1914–1918, auf Grundlage neuester Quellen (= Große allgemeine Geschichte 7)] (Warszawa 1937, Reprint: Poznań 2000–2001) 12 Polska w czasie wielkiej wojny [Polen zur Zeit des Großen Krieges] (1914–1918) II: Historja społeczna [Gesellschaftsgeschichte]; III: Historja Ekonomiczna [Wirtschaftsgeschichte] (= Fundacja Pokojowa Carnegiego [Carnegie Endowment], Warszawa 1932, 1936).

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ist umso größer, als in derselben Zeit im Rahmen der Projekte des „Carnegie Endowment“ bekanntlich mehrere bis heute interessante Beiträge, besonders zu den Kriegsfolgen in Russland und auf dem Balkan, erschienen sind13. Auf demselben Pfad – der besonderen Opferrolle Polens im Ersten Weltkrieg – bewegten sich die Historiker in der Volksrepublik Polen. Das Bild war einmal mehr, einmal weniger marxistisch-ideologisch vorgeprägt, im Prinzip ging es aber immer um dasselbe: den „Goldenen November“ 1918 als Gegensatz zu den schwarzen Jahren zuvor, in denen sich die Gesellschaft/Nation erfolgreich zum Endziel – der Wiedererlangung der Unabhängigkeit – emporgearbeitet hatte. In der „Blütezeit“ des Stalinismus ging man besonders der Frage nach, warum die Revolution nicht bereits im November 1918 gesiegt hatte14; nach 1956 wurde dieser Themenkomplex nicht mehr benannt, hingegen gewann die „polnische Frage“ im Ersten Weltkrieg – damit abermals eine teleologisch gedeutete politische Geschichte – an Bedeutung. Langsam durfte auch der Kern einer so verstandenen Geschichte, nämlich die Geschichte der Legionen, zumindest andeutungsweise, mit gebotener Zurückhaltung und möglichst ohne Herausstellung der Rolle Piłsudskis erzählt werden. Zwei Bücher aus diesem mainstream seien kurz angesprochen. In dem ersten erzählten Jerzy Holzer und Jan Molenda 1963 die Geschichte der Nation innerhalb des zeitlichen Rahmens vom Sommer 1914 bis zum November 1918: Sie enthält viel Politik-, etwas Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hier und da die Überbetonung des Einflusses der protokommunistischen Bewegung, bietet aber insgesamt eine überraschend ideologiefremde, sachliche Darstellung, freilich ebenso auf den November 1918 als logischen Schlusspunkt ausgerichtet wie alle Veröffentlichungen zuvor15. Als zweiter Titel sei vor allem die grundsolide und bis heute brauchbare diplomatiegeschichtliche Untersuchung von Janusz Pajewski angesprochen, gänzlich frei von marxistischen Deutungsmustern: So frei war Volkspolen 197816. Eine Darstellung des Großen Krieges auf polnischem Boden ohne Bezugnahme auf diese beiden Titel ist auch heute noch nicht möglich. Dieses nicht übermäßig optimistische Fazit resultiert aus der Zustandsbeschreibung der Historiographie nach 1989. Die Zensur ist weggefallen, über die Verdienste 13 Stanislas Kohn, Alexander F. Meyendorff, The Cost of the War to Russia: The Vital Statistics of European Russia During the World War, 1914–1917 / Social Cost of the War (= Economic and social History of the World War: Russian Series, New Haven 1932); Diarmid Coffey, The Cooperative Movement in Jugoslavia, Rumania and North Italy: During and After the World War (= Preliminary economic studies of the war 21, New York 1922). 14 Vgl. dazu Włodzimierz Borodziej, Revolution und „bürgerliche Gesellschaft“ in Polen; in: Siegfried Mattl, Karl Stuhlpfarrer (Hgg.), Revolution und bürgerliche Gesellschaft 1918/1919 (= Jahrbuch für Zeitgeschichte 1988/89, Wien – Salzburg 1989) 1–15, hier 2 f. 15 Jerzy Holzer, Jan Molenda, Polska w pierwszej wojnie światowej [Polen im Ersten Weltkrieg] (Warszawa 1963, 21967, 31973). 16 Janusz Pajewski, Odbudowa państwa polskiego [Der Wiederaufbau des polnischen Staates] 1914– 1918 (Warszawa 1978). Ähnlich hochgeschätzt bleibt auch Pajewskis frühere Analyse der deutschen Polenpolitik im Weltkrieg, vgl. Janusz Pajewski, „Mitteleuropa“. Studia z dziejów imperializmu niemieckiego w dobie pierwszej wojny światowej [„Mitteleuropa”. Studien zur Geschichte des deutschen Imperialismus in der Zeit des Ersten Weltkrieges] (Poznań 1959).

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der Legionen, Piłsudskis oder Roman Dmowskis darf nach Belieben debattiert werden, was die Anhänger beider Protagonisten auch gerne tun. Nicht verändert hat sich hingegen die teleologische Betrachtung des Themas. Was zählt ist die polnische – vorzugsweise bewaffnete – Tat; alle Haltungen und Handlungen werden hauptsächlich nach diesem einen Kriterium der Annäherung an die Unabhängigkeit beurteilt, als ob alle politisch aktiven Polen seit 1914 nur diese angestrebt hätten. An den Fingern beider Hände kann man hingegen jene im letzten Vierteljahrhundert veröffentlichten Bücher aufzählen, die Krieg und Besatzung als genuine Erfahrung von Millionen von Menschen in dem künftigen Gebiet der Zweiten Polnischen Republik zu erfassen versuchen. Zu diesen Ausnahmen zählen etwa die Untersuchungen von Konrad Zieliński über das polnisch-jüdische Verhältnis17, die neue Geschichte Warschaus von Marta Polsakiewicz18, mehrere Beiträge von Piotr Szlanta (unter anderem jene über den Wandel von Stimmungen und Hoffnungen19) und jene von Marek Przeniosło über die Haltung der Bauern in Zentralpolen20 oder Jerzy Z. Pająks Studie über Galizien im Ersten Weltkrieg21. Sie zeichnen ein differenziertes Bild der polnischen Gesellschaft und ihres Verhältnisses zu den Nachbarn, der wachsenden Spannungen zwischen den sozialen Schichten und nationalen Gruppen (darunter den Anstieg des Antisemitismus) und der sozialen Radikalisierung. Arkadiusz Stempin hat jüngst eine – gegenüber dem bereits in der Zwischenkriegszeit etablierten Muster – revisionistische Interpre-

17 Konrad Zieliński, Żydzi Lubelszczyzny [Die Juden des Lubliner Gebiets] 1914–1918 (Lublin 1999); ders., Stosunki polsko-żydowskie na ziemiach Królestwa Polskiego w czasie pierwszej wojny światowej [Polnisch-jüdische Beziehungen in den Gebieten des Königreichs Polen in der Zeit des Ersten Weltkrieges] (Lublin 2005); ders., The Anti-Semitic Riots on the Territories of the Kingdom of Poland at the Beginning of Independence; in: Studia Żydowskie III/3 (2013) 87–94. 18 Marta Polsakiewicz, Spezifika deutscher Besatzungspolitik in Warschau 1914–1916; in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 58/4 (2009) 501–537; dies., Warschau im Ersten Weltkrieg. Deutsche Besatzungspolitik zwischen kultureller Autonomie und wirtschaftlicher Ausbeutung (= Studien zur Ostmitteleuropaforschung 35, Marburg 2015). 19 Piotr Szlanta, Tannenberg 1914 (Warszawa 2005); ders., Unter dem sinkenden Stern der Habsburger. Die Fronterfahrung polnischer k. u. k. Soldaten; in: Bernhard Bachinger, Wolfram Dornik (Hgg.), Jenseits des Schützengrabens. Der Erste Weltkrieg im Osten: Erfahrung – Wahrnehmung – Kontext (= Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Instituts zur Kriegsfolgen-Forschung, Innsbruck – Wien – Bozen 2013) 139–156; ders. Der Glaube an das bekannte Heute, der Glaube an das unsichere Morgen. Die Polen und der Beginn des Ersten Weltkriegs; in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 61/3 (2013) 411–432. 20 Marek Przeniosło, Chłopi Królestwa Polskiego w latach 1914–1918 [Die Bauern des Königreichs Polen in den Jahren 1914–1918] (Kielce 2003); ders., Postawy chłopów Królestwa Polskiego wobec okupanta niemieckiego i austriackiego [Die Haltung der Bauern des Königreichs Polen gegenüber den deutschen und österreichischen Besatzern] (1914–1918); in: Daniel Grinberg, Jan Snopko, Grzegorz Zachiewicz (Hgg.), Lata Wielkiej Wojny. Dojrzewanie do niepodległości [Die Jahre des Großen Krieges. Das Reifen der Unabhängigkeit] 1914–1918 (Białystok 2007) 198–214. 21 Jerzy Z. Pająk, Od autonomii do niepodległości. Kształtowanie się postaw politycznych i narodowych społeczeństwa Galicji w warunkach Wielkiej Wojny [Von der Autonomie zur Unabhängigkeit. Die Ausgestaltung der politischen und nationalen Haltungen der Gesellschaft Galiziens unter den Bedingungen des Großen Krieges] 1914–1918 (Kielce 2012); ders. O rząd i armię: Centralny Komitet Narodowy [Um Regierung und Armee: Das Zentrale Nationalkomitee] (1915–1917) (Kielce 2003).

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tation der deutschen Besatzung Polens geliefert, indem er einerseits das deutsche imperiale Sendungsbewusstsein und andererseits dessen in der Praxis erratische und oft konterproduktive Umsetzung herausarbeitete22. Die „polnische Frage“ in den Jahren 1914–1918 gehört weiterhin zu den beliebten Forschungsfeldern, was sich nicht nur mit dem Einfluss Pajewskis, sondern auch mit der relativen Beliebtheit der klassischen Diplomatie-Geschichte in Polen erklärt. Das alte Bild der Rivalität zwischen Habsburg und Hohenzollern, die sich auf keine kohärente Polenpolitik einigen konnten, wurde mittlerweile mehr als einmal bestätigt23. Erst im Sommer und Herbst 2014 sind auf dem polnischen Buchmarkt einige neue Bücher erschienen, die über das oben skizzierte hinausgehen. Als erste seien zwei Quellenveröffentlichungen genannt, die unter anderem die Alltagsgeschichte aus unterschiedlichen Perspektiven thematisieren24. Darüber hinaus legte der Krakauer Historiker Andrzej Chwalba eine traditionelle, militär- und diplomatiegeschichtliche Abhandlung vor – die erste polnische Geschichte des Großen Krieges seit Anfang der 1990er Jahre25. Die beiden Autoren dieses Beitrags publizierten eine – vermutlich nicht nur in der polnischen Historiographie erste – Synthese des Krieges in Ostmittel- und Südosteuropa, die im Vergleich zu den bisherigen polnischen Arbeiten der Kultur- und Sozialgeschichte wesentlich mehr Platz widmet als dem militärischen Geschehen26. Zu den bisher fast völlig ausgeblendeten Themen gehörten die Polen in deutscher Uniform. Das erste Buch über die polnischen „Feldgrauen“ im Ersten Weltkrieg veröffentlichte der oberschlesische Historiker Ryszard Kaczmarek27. Individuelle Erlebnisse und Traumata der polnischen Kriegsteilnehmer sind Forschungsthemen der Warschauer

22 Arkadiusz Stempin, Próba „moralnego podboju“ Polski przez Cesarstwo Niemieckie w latach I wojny światowej [Der Versuch einer „moralischen Unterwerfung“ Polens durch das Deutsche Kaiserreich in den Jahren des Ersten Weltkrieges] (Warszawa 2013). 23 Piotr Mikietyński, Niemiecka droga ku Mitteleuropie. Polityka II Rzeszy wobec Królestwa Polskjego [Der deutsche Weg nach Mitteleuropa. Die Politik des Zweiten Kaiserreiches in Bezug auf das Königreich Polen] (1914–1918) (Kraków 2009); Janusz Sibora, Dyplomacja polska w I wojnie światowej [Die polnische Diplomatie im Ersten Weltkrieg] (Warszawa 2013; stark überarbeitete und erweiterte Fassung des 1998 veröffentlichten Bandes); Damian Szymczak, Między Habsburgami a Hohenzollernami. Rywalizacja niemiecko-austro-węgierska w okresie I wojny światowej a odbudowa państwa polskiego [Zwischen Habsburg und Hohenzollern. Deutsch–österreich-ungarische Rivalität im Umfeld des Ersten Weltkrieges und die Wiedererrichtung eines polnischen Staates] (Kraków 2009). 24 Trochę się zazdrości tym, co nie dożyli tych czasów … Dziennik Ludwiki Ostrowskiej z Maluszyna [Man beneidet ein wenig jene, die diese Zeit nicht erlebt haben … Das Tagebuch der Ludwika Ostrowska von Maluszyn], bearbeitet von Jarosław Kita und Piotr Zawilski (Warszawa 2014); Agnieszka Dębska (Hg.), Polski wir I wojny 1914–1918 [Der polnische Wirbel des Ersten Weltkrieges 1914–1918] (Warszawa 2014). Die zweite Veröffentlichung bietet eine sorgsam ausgewählte und gut lesbare Collage bzw. Auswahl von Quellen an auf die sich der Verleger („Karta“) seit einiger Zeit spezialisiert hat. 25 Andrzej Chwalba, Samobójstwo Europy. Wielka Wojna [Der Selbstmord Europas. Der Große Krieg] 1914–1918] (Kraków 2014); sein Vorgänger war der schon erwähnte Janusz Pajewski, Pierwsza wojna światowa [Der Erste Weltkrieg] (Warszawa 1991). 26 Vgl. Borodziej, Górny, Nasza wojna [Unser Krieg]. 27 Ryszard Kaczmarek, Polacy w armii kajzera [Polen in der Armee des Kaisers] (Kraków 2014).

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sozialgeschichtlich orientierten Historikerin Katarzyna Sierakowska28. Von diesen Beispielen abgesehen dominieren auf dem polnischen Büchermarkt Übersetzungen älterer, englischsprachiger Klassiker29. Da sie ostmittel- und südosteuropäische Themen in der Regel vernachlässigen, verstärken sie wohl paradoxerweise den Eindruck des polnischen Lesers, der Erste Weltkrieg sei ausschließlich eine Angelegenheit des „Westens“ gewesen. 3. Fazit Der aktuelle Forschungsstand verwundert umso mehr, als die zahlreichen, oft schon in der Zwischenkriegszeit veröffentlichten polnischen Memoiren und Tagebücher ein ganz anderes Bild dieser Zeit vermitteln. An den Ersten Weltkrieg erinnerten Intellektuelle und Politiker, selbstverständlich auch Legionäre, Geistliche und ehrenwerte Honoratioren aus dem kleinstädtischen Milieu. Die Mehrheit erlebte sowohl Ostfront als auch Hinterland und Besatzung. Ihr Zeugnis unterscheidet sich in einem entscheidenden Punkt mehr als deutlich von dem mainstream der Historiographie: Sowohl an der Front als auch hinter der Front war der November 1918 noch ein Jahr zuvor nicht vorhersehbar – ganz zu schweigen aus der Perspektive vom Sommer 1914. Die Eigentümlichkeit des state of the art lässt sich an einem Beispiel – der Gegenüberstellung der ersten und der vorletzten Kriegsphase – veranschaulichen. Der Sommer 1914 wird auch in den jüngsten Veröffentlichungen kaum benannt, geschweige denn untersucht30. Angesichts dieses Forschungsstandes haben die Verfasser dieses Beitrags im ersten Band des zitierten Werkes31 über den Ersten Weltkrieg versucht, aus den Quellen Verhaltensmuster herauszufiltern. Das bereits erwähnte Ergebnis war, dass sich alle Untertanen in den drei nördlichen Imperien – ungeachtet ihrer Nationalität – loyal verhielten, gleichzeitig aber in den ethnisch gemischten Gebieten ihre Loyalität getrennt demonstrierten, gewissermaßen als Vorgriff auf ihre spezifisch nationalen Kriegsziele, die zu Beginn durchaus mit den imperialen übereinstimmen konnten. Das zweite Datum – die vorletzte Kriegsphase – ist spezifisch polnisch–ukrainisch–kakanisch und kommt deswegen als Pointe des polnischen Beitrags: der „Brotfrieden“ von Brest-Litowsk zur Geltung. In der erwähnten verdienstvollen Monographie von Pająk 28 Vgl. z. B. Katarzyna Sierakowska, „Niech się nasi bracia, ojcowie i matki dowiedzą (…), jakich se to wychowali bohaterów”. Cierpienie w relacjach żołnierzy Polaków 1914–1918 [„Mögen unsere Brüder, Väter und Mütter erfahren (…) was für Helden sie erzogen haben.“ Die Leiden in den Erzählungen polnischer Soldaten 1914–1918]; in: Katarzyna Stańczak-Wiślicz (Hg.), Zapisy cierpienia [Leidensgeschichten] (Wrocław 2011) 267–282; dies., Śmierć, wygnanie, głód w dokumentach osobistych. Ziemie polskie w latach Wielkiej Wojny 1914–1918 [Tod, Vertreibung, Hunger in autobiographischen Dokumenten. Polen in den Jahren des Großen Krieges 1914–1918] (Warszawa 2015). 29 Unter anderem die einschlägigen Werke von Barbara W. Tuchman von vor mehr als einem halben Jahrhundert, die 2014 neu aufgelegt wurden. Vgl. Barbara Tuchman, The proud Tower: A Portrait of the World before War, 1890–1914 (New York 2014 [London 1966]); dies., August 1914 (= Fischer Taschenbuch, Frankfurt/Main 22014 [Stuttgart 1965]; engl. unter dem Titel: The Guns of August, New York 1962). 30 Eine Ausnahme bildet der Beitrag von Szlanta, Glaube an das bekannte Heute. 31 Borodziej, Górny, Nasza wojna [Unser Krieg].

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werden die Loyalitätsbekundungen der galizischen Polen Anfang August 1914 auf knapp einer Seite skizziert. Das Kapitel „Trennung Galiziens von Österreich“ im Februar 1918, inklusive der positiven ukrainischen Reaktionen auf den Frieden von BrestLitowks, wird auf 35 Seiten abgehandelt, hinzu kommen 47 Seiten Quellenanhang, der ausschließlich diesem Thema gewidmet ist. Der Weltkrieg passt nicht in die polnische Nationalgeschichte, insofern andere Optionen angedacht wurden als jene, die sich im Augenblick des Zusammenbruches der Mittelmächte verwirklicht haben, das heißt praktisch alle. Norman Davies brachte es vor mehr als 30 Jahren auf den Punkt: „The outcome of the War in the Polish lands was exactly foreseen by nobody, and in the event involved virtually no fighting.“ Würde der Historiker die Ereignisse der Jahre 1914–1918 zusammenfassen, so Davies, „he can only conclude that the wishes and the actions of the Polish population were, to the very last moment, largely irrelevant”32. Davies’ Urteil wurde in der polnischen Historiographie nie rezipiert, geschweige denn diskutiert. Diese Tatsache scheint vor allem außerwissenschaftlichen Umständen geschuldet. Eine andere Schlussfolgerung könnte lauten, es handle sich um ein transgenerationelles und transsystemisches Phänomen, das, trotz mehrfachen Wechsels des politischen Systems, seit hundert Jahren durchgehend die wissenschaftliche Landschaft determiniert.

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392.

Norman Davies, God’s Playground. A History of Poland, 2 Bde. (Oxford – New York 1981) II

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G. An Experiment that Failed: The Liberal Greater Romania by Răzvan Pârâianu 1. The First World War: Controversies, Paradoxes and Reinterpretations On 24 April 2014, there was a book presentation held by Humanitas Publishing House for the last work written by Lucian Boia1, a book about the Romanians and the First World War2. In this book, Boia raises questions regarding the all-pervading interpretation of the Great War, an interpretation that has never been seriously challenged before. Though these questions are perfectly legitimate under normal circumstances, for many this volume caused a sense of unease, as the Great War and the subsequent creation of Greater Romania had been the keystones of the national historical creed. Simple questions, aiming at refining an interpretation, at contextualizing, at comparing and eventually at giving a certain sense to a deeply traumatic historical experience had the inevitable consequence of destabilizing the ‘object language’ used by the Marxist historical explanation before 1989. Consequently, it was not surprising that Boia’s new book caused a lot of reactions and polarized public opinion pro and contra this new attempt at ‘demythologizing’ national history3. The reactions were prompt. Indeed, members of a nationalist group, gathering around an internet blog, organized a demonstration of their discontent by bullying the author even during the book presentation4. Four days later, a daily newspaper collected ‘the most polemical statements’ in the volume5, and the next day a TV talk 1 Lucian Boia is the most prominent critical voice regarding the historical myths of Romanian history. Beginning with his influential volume ‘Istorie și mit în conștiința românească’ (Bucureşti 1997) and the English version ‘History and Myth in Romanian Consciousness’ (Budapest 2001), his work constantly attacks the residue of communist historiography. See in this respect Cristina Petrescu, Dragoș Petrescu, Mastering vs. Coming to Terms with the Past. A Critical Analysis of Post-Communist Romanian Historiography; in: Sorin Antohi, Balázs Trencsényi, Péter Apor (eds.), Narratives Unbound. Historical Studies in Post-Communist Eastern Europe (= Pasts incorporated 5, Budapest 2007) 311–392. 2 Lucian Boia, Primul război mondial. Controverse, paradoxuri, reinterpretări [The First World War. Controversies, Paradoxes, Reinterpretations] (Bucureşti 2014). 3 Cristina and Dragoș Petrescu use the ‘demythologizing turn’ to describe the impact of Lucian Boia within recent historiography. Cf. Petrescu, Mastering. 4 See their own presentation at http://roncea.ro/2014/04/25/fiesta-antiromaneasca-a-lui-lucianboia-si-gabriel-liicheanu-dejucata-la-humanitas-printr-un-protest-al-bunului-simt-mihai-tociu-vs-sorinlavric-boia-romania-nu-are-nici-un-drept-istoric-asupra/ (30. 4. 2014). 5 See the article at http://ziuadecj.realitatea.net/cultura/cutremur-in-tagma-istoricilor-ardelenii-nu-arfi-vrut-unirea-cu-romania-in–1918-–126075.html (22. 4. 2016).

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show held by Rareș Bogdan was extremely vituperative about Lucian Boia and his new book6. A number of historians were summoned to support a veritable public indictment of Boia, basically denying his competence as ‘a historian’, his work being dismissed as mere ‘revisionist history that is not based on any document or real fact, an essayistic reinterpretation in a personal note with grotesque anti-Romanian touches’ 7. This was the leitmotif of most reviews of the new book. The reaction of nationalist circles was to some extent predictable8. Also predictable was the reaction of some professional historians, among whom Ioan-Aurel Pop is the most prominent9. Invited by Rareș Bogdan to comment on Lucian Boia’s new work, he stressed that ‘history is a domain that attempts to be scientific as much as possible, operating with sources, and when we operate with impressions then it is good to write on our books “essays”, “impressions” or “opinions” and not to make hazardous statements that can eventually lead to universal pain in this nation that has constructed its history very hard and constituted its nation-state late in the 19th and 20th centuries, together with Italy and Germany’10. It is remarkable how few things have changed in Romania since 1989 in terms of historical writing. It is true that many subjects and themes have been brought to the surface by recent scholarship, but by and large the historian is still not meant to interpret the past, but rather to provide, prove and research documents for the national narrative that is to be a true and, thus, a scientific history. This understanding of the historical craft is widely shared by many who believe that the historian is something of an antiquarian, someone passionate about various 6 Rareș Bogdan, Jocuri de putere [Power Games], Realitatea TV, 29 april 2014, 22:00–23:40. The talk show can be seen at http://www.realitatea.net/jocurideputere.html emisiune29Aprilie2014–2200 (15. 4. 2016). 7 See the presentation http://roncea.ro/2014/04/30/adresa-catre-cna-in-apararea-lui-lucian-boialectorul-adrian-niculescu-a-facut-apologia-crimei-in-mod-repetat-la-emisiunea-jocuri-de-putere-curaresbogdan-de-la-realitatea-tv-minciunile-triplulu/ (22. 4. 2016). 8 Victor Roncea is a journalist with declared ultra-rightist sympathies. In collaboration with Gheorghe Buzatu, he edited archival documents about Corneliu Zelea Codreanu, the interwar ‘captain’ of the extreme right Iron Guard movement, in 27 volumes. Needless to say, the portrait of ‘The Captain’ is rather adulatory. However, Gheorghe Buzatu was well-known for his sympathies for General Ion Antonescu and his far rightist regime during the Second World War. It is not the aim of this paper to analyze further the radical movements in present-day Romania. Yet, what is worth mentioning are the close ties between all these bodies that collaborate to promote a mystical nationalism blended with a rather authoritarian ethos. Thus, Gheorghe Buzatu, Victor Roncea, ‘Ziaristi online’ [Online Journalists], ‘Ziua’ [The Day] newspaper, ‘Ziua de Cluj’ [The Day of Cluj], Realitatea TV [Reality TV], etc. are communicating vessels for the same ideas, attitudes and sympathies. 9 Professor Ioan-Aurel Pop became the standard bearer of Romanian historiography when he published a review of Boia’s ‘History and Myth in Romanian Consciousness’, in 2002 – a review larger than the book itself. See Ioan-Aurel Pop, Istoria, adevărul și miturile (Note de lectură) [History, the Truth and the Myths (Lecture Notes)] (Bucureşti 2002). As Ovidiu Pecican has remarked, the review is ‘an attempt to wash the cheek (quite rumpled) of nationalist, communist and communist nationalist-historiography’. See Ovidiu Pecican, Între teoria istoriei și recenzia științifică [Between History Theory and Scientific Review]; in: E. Leonardo: http://193.226. 7. 140/~laszlo/eleonardo/h01/Pecican1.htm (4. 9. 2014). 10 Rareș Bogdan, Jocuri de putere [Power Games], min. 31:00.

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episodes and details of the past11 but who should not be preoccupied by present-day problems and challenges. This issue was addressed earlier by Pop in his polemic against Boia, arguing that history is a reality (in itself ) and ‘the professional historian searches the past not for examples or models of the present but for knowledge of a reality’12. Now, the reaction by what may be considered professional conservatism regarding a new understanding of how the past can be questioned or how an interpretation may be built is understandable. What is remarkable is the power of this ethos, which is rooted in the 19th-century historiography. Even Lucian Boia’s editor, Gabriel Liiceanu, when he presented the book, stated in his presentation that the author was not a historian in the true sense of the word: ‘Generally, Lucian Boia is considered a historian. I don’t believe that he is a historian in the traditional sense of the word because the volumes he wrote are directed by a certain spirit of intelligence, of problematization, of speculation, a spirit that is not specific for the historian of events. These are books that always problematize to limit their proposed subject. (…) Once again, this book is not written by a historian in the sense that, reading it, you will find what happened step by step during those years of the First World War, by no means.’13 Why is history perceived as being so far from any kind of problematization and why is the historian considered a person who meticulously restores a past reality without properly questioning the meaning of his activity? The answer to these questions can be found in the last decades of the communist regime, a regime that extensively used history as a means of political legitimation14. It is quite evident that the changes that happened within Romanian historiography after 1989 were quite insignificant compared, for example, with the beginning of the communist nationalist ideology in the 1960s15. Not only the conservatism of the discipline is responsible for this immobility, but also a certain institutional rigidity rejecting any attempt to reform this field16. For many historians, history remained circumscribed according to the paradigm of state propaganda, for which the ‘front of the historians’ is called upon to defend the country against aggression by hostile external forces17. Under these circumstances, the 11 In other words, they shared the traditional understanding of history as a study of the past as ‘an end in itself ’ and of the historian as a kind of antiquarian who flees from the problems of the present, to borrow Hayden White’s terms of comparison. See Hayden White, The Burden of History; in: History and Theory 5/2 (1966) 111–134, here 125. 12 Pop, Istoria [History] 52. 13 Gabriel Liiceanu’s book presentation at the book launch on 24 April 2014. 14 See Katherine Verdery, National Ideology Under Socialism: Identity and Cultural Politics in Ceausescu’s Romania (= Societies and culture in East-Central Europe 7, Berkeley 1991). 15 There were some significant changes in the 1950s, too, but the Hungarian Revolution of 1956 caused a ‘counteroffensive of dogmatism’, as was described by Florin Constantiniu in his memoirs. See Florin Constantiniu, De la Răutu şi Roller la Muşat şi Ardeleanu [From Răutu and Roller to Muşat and Ardeleanu] (Bucureşti 2007) 153–167. It is relevant that the First World War did cause controversies. Cf. Pavel Ţugui, Istoria şi literatura română în vremea lui Gheorghiu-Dej [History and Literature in the Time of Gheorghiu-Dej] (Bucureşti 1999) 86–90. 16 Cf. Petrescu, Mastering. 17 As a leitmotif, many nationalist comments about Boia use the idea that his books are very well received by the Hungarian irredentists and by all Romania’s enemies. See for example ‘“Demitizatorul”

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historian does not raise questions and does not pose problems that are largely perceived as threats to national existence, as any doubt implies a danger for dogma. Here is probably the source of the savagery of many attacks launched against Lucian Boia. Why is the Great War such a sensitive issue in Romania? Why is questioning the attitudes, the choices or the willingness of people to participate in the greatest and bloodiest conflagration ever seen up to that time so painful and scandalous? Looking for the memory of the First World War, we will be surprised to see how poorly presented this episode is, which is the foundation of the modern Romanian state. On the one hand, it is about the history of the First World War. As Florin Ţurcanu has observed, the subject has largely been forgotten18. It is true that there are many works on the diplomatic history of the war, the military history, biographies, etc. However, there has been no attempt to make sense out of an experience that deeply traumatized Romanian society, an experience that exercised an enormous influence on social life during the interwar period. On the other hand, and in some respects more important, it concerns the presence the war held within the public space. Recently, a number of exhibitions have been organized by the National History Museum19 and the National Archives20, but they were expressions of good faith rather than serious attempts to illustrate the experience of the war21. This is because all the archives regarding the war are in the custody of the Ministry of National Defense, an institution that rarely participates in such public events22. However, the scant public image of the Great War is not illustrated only by the few ad hoc exhibitions intended to commemorate the events that happened a century ago. If someone visited the National Museum of Art or the Art Collection Museum, he would be surprised to find no exhibit about the war23, although the Romanian Lucian Boia legitimează revizionismul maghiar’ [Lucian Boia, the Mythbuster, Legitimize Hungarian Revisionism]; in: Cuvântul orthodox [The Orthodox Word] (1 May 2014): http://www.cuvantul-ortodox.ro/ recomandari/2014/05/01/demitizatorul-lucian-boia-romania-nu-a-avut-un-drept-istoric-asupra-transilvanieicare-este-sensul-acestei-noi-teme-lansate-de-neoculturnicii-euroatlantisti/ (19. 4. 2016). 18 Florin Ţurcanu, Primul război mondial a căzut în uitare [The First World War Sinks into Oblivion; in: Revista [Review] 22, online edition: 11. 11. 2008: http://www.revista22.ro/primul-razboi-mondial-acazut-in-uitare–4993.html (19. 4. 2016). 19 See Marele război. Neutralitatea: 1914–1916 [The Great War. The Neutrality Period: 1914– 1916], exhibition organized by the National History Museum, the National Archives and the Archives of the Ministry of Foreign Affairs on 28 July 2014 (Bucureşti 2014). It is the first exhibition of a series dedicated to the First World War. On this occasion, the National History Museum inaugurated the website ‘Marele Război’ [The Great War] 1914–1914’; see: http//www.marelerazboi.ro. 20 For example: ‘România 1914–1916’, exhibition arranged by the National Archives opened on 15 May 2014. 21 There are other exhibitions about Romania during the Great War, some of them opened abroad, such as in Milan (16 July), Kishinev (5 September) or Alba (10 September 2014). 22 It is worth mentioning the exhibition which was organized by the National Military Museum in July 2007. See the exhibition catalogue: Valeria Bălescu (coordinator), Pe aici nu se trece [You shall not pass] (1917–2007), ed. by the Ministerul Apărării and Muzeul Militar Naţional [Ministry of Defense and National Military Museum] (Bucureşti 2007). 23 With the exception of a single painting by Ignat Bednarik, ‘To the Sacrificed Heroes’ (1917) at the National Gallery; see the official home page about Ignat Bednarik: http://www.bednarik.non-profit.nl.

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Army had a special group of artists attached to Supreme Headquarters in 191724, a group that later became the artistic association ‘Arta Română’25. A recent exhibition about The National Myth, organized by the National Galleries in 2012, also omitted any representation of the Great War26, altough the War of Independence, for example, was very well documented. This is not a peculiarity of recent years only. Similar things have happened earlier27. The First World War has not been loved as much as the War of Independence or the Second World War, although it takes a central position within the national narrative. As Lucian Boia noted in his presentation, commemorative events for the First World War were to be found abundantly everywhere in Europe except in Romania28. Before 1989, the Great War was overshadowed by the Alba Iulia National Assembly (November 18/December 1, 1918), while after 1989 ‘the rediscovery of Stalingrad overshadowed the memory of Mărăşeşti’29. Indeed, after 1989 many public debates tended to center rather on the Second World War, General Ion Antonescu, the Holocaust, the crimes of the communist regime, the 1989 revolution, etc. Faced with the multitude of sources recently recovered, political controversies, official public condemnations and new research institutions, most historians have been more interested in recent history than the earlier history of the Great War, which has often been considered not attractive enough. As a result, the historical creed created during the communist regime has never been properly enriched by new innovative research. 24 Cf. Barbu Brezianu, Gruparea ‘Arta română’ [The Group ‘Romanian Art’] (1918—1926); in: Studii și cercetari de istoria artei [Studies and Researches in Art History] 11/1 (1964) 144–151. 25 Theodor Haşegan, Gruparea artistică ‘Arta Română’ [The Artistic Group ‘Romanian Art’] (1918– 1924), unpublished PhD thesis (Jassy 2002). 26 See Lucian Boia, Monica Enache, Valentina Iancu (eds.), Mitul naţional. Contribuţia artelor la definirea identităţii româneşti [National Myth. The Artistic Contribution to the Definition of Romanian Identity] (1830–1930) (= exhibition catalogue – Muzeul naţional de artă al României, Bucureşti 2012). 27 See, for example, Mircea Deac (ed.), Expoziţia retrospectivă de grafică militantă: mai–iunie 1961. Sălile Muzeului de artă al R. P. R. [Retrospective Exhibition of Military Graphic Art] (Bucureşti 1961); Jules Perahim, Vasile Kazar, Mircea Popescu (eds.), Grafica militanta romîneasca [Romanian Military Graphic Art] (Bucureşti 1963). 28 In this respect, a very recent exhibition about the war shows how it was reflected in the works of Czech and Romanian painters: ‘Art in the Trenches of the First World War’, 23 June – 10 July 2014 at the Art Gallery of the Central Army House, organized by the Embassy of the Czech Republic in Bucharest and the Czech Center in Bucharest, and, on the Romanian side, by the Art Studio of the Army, the Institute of Political Studies of Defence and Military History and the National Military Museum ‘Ferdinand I.’ What is interesting is that the Romanian section was represented by a series of present-day painters such as Marcel Chitac, Catalin Gadei, George Grigorescu, Bela Kromer, Valentin Macarie, Albin Stanescu, Valentin Tanase, Andrei Damo and Ion Draghici, and only by Camil Ressu and Costin Petrascu from amongst those who participated in the war. See the official communiqué: http://www.mzv.cz/bucharest/en/events/exhibition_on_100th_anniversary_of_the.html. 29 Florin Ţurcanu, Primul război mondial, sau sinuciderea colectivă a Europei [The First World War and Europe’s Collective Suicide]; in: Lettre Internationale (Romanian edition) 64 (2008) 100–101. Mărăşeşti was one of the most important battles of World War I for the Romanian army. It took place from 6–16 August 1917, when the Romanians managed to halt the advance of the German Army after a series of disastrous defeats.

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2. The Struggle of All the People: Communist Historiography Paradoxically, there were more historiographical changes between 1948 and 1989, under a highly centralized, monolithic and ideological regime, than after 1989, when the Romanians break away from their totalitarian past after a bloody revolution. There were ideological waves that shaped public perception of the First World War. The first was the most dramatic and brutal wave, coinciding with the period of savage Stalinist repression. The salient figures in this period were Mihail Roller30 and Leonte Răutu31, and their cultural politics slavishly followed the Moscow line, ruthlessly crushing any kind of resistance. During those years, any form of nationalism and/or patriotism was perceived as downright Fascism and severely punished; the same was the case with the Western influences considered to be a sign of bourgeois cosmopolitanism32. The only possible approach was Marxist-Leninist ideology, an ideology that denounced the First World War as an imperialist war, a war in which capitalists competed with one another for greater influence and wealth33. Then, all the participants in the conflagration were the same ‘gang of robbers’, whose interests were masked under the rhetoric of national interests. In this tone, Roller wrote: ‘The exploiting classes had covered up the unjust causes for which they called the people to war and they covered up the fact that the country was completely unprepared from the military point of view. (…) All these factors made the front into a huge charnel house for the soldiers who had to shed their 30 Mihail Roller was the director of the History and Anthropology Section of the Romanian Academy, deputy director of the Historical Institute of the Party and director of the Science Section of the Central Commitee of the Romanian Workers’ Party. He became the leading figure in Romanian Historiography in the years of the Sovietization of Romania. His history textbook for secondary grade, ‘Istoria R.P.R.’ [The History of the Romanian People’s Republic] (Bucureşti 1947), become the standard textbook for the entire education system. Cf. Liviu Pleşa, Mihail Roller şi ‘stalinizarea’ istoriografiei româneşti [Mihail Roller and the Stalinization of Romanian Historiography]; in: Annales Universitatis Apulensis. Series Historica 10/1 (2006) 165–177; Andi Mihalache, Istorie şi practici discursive în România ‘democrat- popular’ [History and Discursive Practices in ‘Popular-Democratic’-Romania] (Bucureşti 2003). 31 Leonte Răutu was the leading ideologue of the Romanian Communist Party (Romanian Workers’ Party until 1965) and the architect of the Propaganda Department. Cf. Cristian Vasile, Secţia de Propagandă şi Agitaţie şi ‘îndrumarea’ culturii române, 1948–1953. Câteva consideraţii [Propaganda and Agitation Section and the ‘Guidance’ of the Romanian Culture, 1948–1953]; in: Studii şi materiale de istorie contemporană [Studies and Working Papers on Contemporary History] 6 (2007) 45–55, here 47. About Leonte Răutu and his versatile ideological career see Vladimir Tismăneanu, Cristian Vasile, Perfectul acrobat. Leonte Răutu, măştile răului [The Perfect Acrobat. Leonte Răutu. The Masks of Evil] (= Istorie contemporană, Bucureşti 2008). 32 In this respect, the case of ‘Revista oftalmoligică’ [Ophthalmological Review] is telling, whose entire editorial board was sentenced to jail in 1949 because the editors dared to publish an issue in French. They were found guilty of cosmopolitanism. See Marin Niţescu, Sub zodia prolectultismului. Dialectica puterii [Under the Sign of the Proletarian Cult. The Dialectic of Power] (Bucureşti 1995) 67–69. 33 Cf. Vladimir I. Lenin, War and Revolution. A Lecture delivered May 14 (27), 1917; in: Lenin Collected Works XXIV (Moscow 1964) 398–421 and idem, Socialism and War. The Attitude of the Russian Social-Democratic Labour Party towards the War [1915]; in: Ibid. XXI (Peking 1970) 295–338: Internet Archive: https://www.marxists.org/archive/lenin/ (19. 4. 2016); https://www.marxists.org/archive/lenin/works/1915/s+w/ 19. 4. 2016).

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blood only because the interests of the Western imperialists and the exploiting classes called for it’34. There is not much room for any interpretation. The war was caused by exploitation, by capitalist and imperialist interests, and Romania also pursued imperialist aims by entering the war. Therefore, Greater Romania was the result of the ‘imperialist intervention against the Socialist revolution in Russia’ and ‘against the Hungarian revolution’, Romanian troops occupying Bessarabia and Transylvania35. The National Assembly at Alba Iulia from 1 December 1918 is described rather as a manoeuvre by Iuliu Maniu to transform Transylvania in his own feud36. There was nothing more obvious than that the country was under foreign occupation, according to this history textbook. After Stalin’s death, a breeze of change was in the air after 1954/5537. Roller gradually lost institutional control and exaggerated obedience to the Soviet Union was more often perceived as ‘dogmatism’38. A kind of de-Stalinization took place, a movement that undermined the influence of the communist apparatchiks trained and educated in Moscow rather than brought about a real change in the political system39. However, the new course towards a certain ‘independence’ from Moscow was seasoned with a national attitude that was termed ‘socialist patriotism’. Gradually, some fragments of the national history were ideologically rehabilitated, whereas others were reinterpreted according to the new party line. The changes were timid, but visible. It was a question of nuances. The Great Socialist October Revolution, the Russian Army or the RussoRomanian friendship were less and less present in the new narrative. New topics were tackled, such as Russo-Romanian relations during the first year of neutrality40, and Roller, Istoria [History] (31952) 494. Ibid. 508. 36 Ibid. Iuliu Maniu, who was the President of the Romanian National-Peasants’ Party, one of the leading political parties at that time, was arrested in October 1947 and sentenced to prison for high treason. The communist propaganda machine attacked his reputation particularly because he was very popular, and his party would actually have won the elections in November 1946, if the communists had not falsified the result. For Iuliu Maniu, see Apostol Stan, Iuliu Maniu. Naţionalism şi democraţie. Biografia unui mare roman [Iuliu Maniu. Nationalism and Democracy. The Biography of the Great Romanian] (Bucureşti 1997). 37 It was the period when Eusebiu Camilar rewrote ‘Stejarul din Borzeşti’ [The Oak of Borzești], a short novel that entered the history curricula and survived among the textbooks for more than fifty years. The story, originally written by Nicolae Gane in 1881, was the beginning of a series of short novels praising the heroism of the Romanians facing the invasions from the East. In 1954, mentioning any ‘invasion from the East’ was a transparent allusion to the ongoing Soviet occupation. Cf. Răzvan Pârâianu, Literatura patriotică de inspiraţie socialistă [The Patriotic Literature of Socialist Inspiration]; in: Anuarul Institutului de Cercetări Socio-Umane ‘Gheorghe Şincai’ – Tîrgu Mureş [The Gheorghe Şincai Institute of Social and Humanities Research Yearbook] 18 (2010) 235–260. 38 Nikita Khrushchev agreed that the route to communism depended on the circumstances in every country and there was no single model that was to be followed. This was in the context of negotiating an agreement with Mao Zedong, whose regime was not dependent on Soviet tanks. 39 For the extent of this de-Stalinization see Vladimir Tismăneanu, Stalinism for All Seasons: a Political History of Romanian Communism (Berkeley 2003). 40 See for example Ion Gheorghiu, Relaţiile româno-ruse în perioada neutralităţii României (1914 – August 1916) [The Romanian-Russian Relations during the Neutrality Period]; in: Analele Academiei Republicii Populare Române [The Romanian Popular Republic’s Academy Annals] 6/4 (1953) 11–75. 34 35

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others, such as the heroism of the Romanian army at Mărăşeşti41, were reinterpreted. There were two opposing interpretations. On the one hand, there was capitalism and imperialism versus the working class, and here Lenin and Stalin were massively quoted, although these quotations gradually became obsolete after 1953. On the other hand, there was Western militarism versus popular patriotism, and after 1953 this patriotism was gradually underlined to the detriment of the exemplary role played by the Russian/Soviet people. The dichotomy between Western militarism and popular patriotism, which was present in Roller’s textbook as well, made a timid restoration of national history possible. Simultaneously, military institutions became involved in this ideological reinterpretation of history42. It is illuminating how ‘Educaţia artistică’ [Artistic Education] (1947–1952) was renamed ‘Lumina’ [The Light] in March 1953, and after only two issues it was renamed again ‘Viaţa militară’ [Military Life] (1953–1989). It should be noted that Nicolae Ceauşescu was appointed Deputy Minister of the National Defense Ministry and Commander-in-Chief of the Superior Political Direction of the Army in March 1950, a position he held until 1954, when he became a full member of the Politburo43. From this position, he elaborated the doctrine of ‘the struggle of the entire people’44, that was later to become the official defence doctrine of the Romanian state45, and supported General Ion Tutoveanu as the chief of the General Staff46. The new tone was evident and the military press disseminated this new ‘socialist patriotism’ that permitted a certain distance to the pro-Soviet excesses 41 Leonid Leca, Gheorghe Ioniţă, 40 de ani de la istoricele bătălii de la Mărăşti şi Mărăşeşti” [40 Years after the Historical Battles of Mărăşti and Mărăşeşti]: in: Cultura militară 10/3 (1957) 30–41; Ion Cupşa, Mărăşeşti 1917 (Bucureşti 1957). 42 For details about the institutional Sovietization of the Romanian Army, see Petre Opriş, Acţiuni ale Aparatului de Partid din Armată în Anii 1954–1960 [Actions of the Party Apparatus Within 1954– 1960]; in: Revista de Istorie Militară [Military History Review] (2000); see, Stindard Association: http:// www.stindard.ro/historicum/partid.pdf; Petre Opriş, Gavriil Preda, România în Organizaţia Tratatului de la Varşovia [Romania within the Warsaw Treaty Organization] 1954–1968, 3 vols. (Bucureşti 2009– 2014). 43 According to General Order no. 12/1950 and Decree no. 232/1950 of the Presidium of the Great National Assembly, D.A.N.I.C., fond C.C. al P.C.R. – Cancelarie, folder 22/1950, f. 2–8. The General Order is published in: Alesandru Duţu et. al. (ed.), România – Viaţa politică în documente – 1950 [Romania – Political Life in Documents] (Bucureşti 2002): National Archives at http://www.arhivelenationale. ro/images/custom/image/serban/1950/1950_pdf.pdf. 44 Later, in the 1980s, the periodical ‘Viaţa Militară’ [Military Life] (1953–1989) published a supplement entitled ‘Lupta intregului popor 1984–1989’ [The Struggle of the Entire People 1984–1989]. 45 See Andrei Miroiu, Locul României în Tratatul de la Varşovia (II) [The Place of Romania within the Warsaw Pact]; in: Revista [Review] 22, 14/753 (2004): http://www.revista22.ro/locul-romaniei-intratatul-de-la-varsovia-ii–1065.html (19. 4. 2016); The National Defense Law (14/1972): Chamber of Deputies at http://www.cdep.ro/pls/legis/legis_pck.htp_act_text?idt=1434 (19. 4. 2016). 46 Ion Tutoveanu (1914–2014) was taken prisoner by the Soviet Army in 1942, he returned to Romania as a volunteer in the ‘Tudor Vladimirescu’ Division, fought on the Western front, graduated from the Military Academy in 1948 and had a position at the Superior Military Academy in Moscow. Returning to Romania in 1951, he was appointed chief deputy of the Operations Direction of the General Staff, promoted general in 1953, and Chief of the General Staff from 1954 to 1964, when he was appointed commander of the Military Academy.

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of those now considered ‘dogmatic’ communists. The two ideologies coexisted for a certain period. One was based on the heroism of the people, people for whom the war was a just war because was defensive47. The other was based on the class struggle, with obsessive references to the working class movement and anti-war demonstrations48. It took a decade for this conflict to be settled in 1964, and particularly 196549, when the Romanian Working Party declared its ‘independence’ from Moscow and Nicolae Ceaușescu became First-Secretary of the newly renamed Romanian Communist Party. Beginning in 1964, the new spirit in Romanian history became evident. It was the year in which Andrei Oţetea published ‘Însemnări despre români by K. Marx’ [Notes About Romanians by K. Marx]50, notes about the tricks Russia used in her historical relations with Romania, about the hatred the Romanian peasant nurtured for the Muscovites (Muscals), about the Russian flood during the last occupations, which were periods of terrible robbery and barbarity. The book, published in 20.500 copies, was immediately sold out51. It was a veritable theoretical foundation for the so-called ‘declaration of independence’ of April 196452. As Katherine Verdery has noted, ‘this See Mihail Lascăr, Pacea de la Buftea (1918). Întruchipare a politicii militarismului german faţă de România [Buftea Peace Treaty (1918). The Embodiment of German Militarist Policy concerning Romania] (Bucureşti 1955); Ion Cupşa, Zdrobirea ofensivei germane în Carpaţii de curbură în anul 1916 [The Onslaught of the German Offensive on the Carpathian Salient in 1916]; in: Cultura militară [Military Culture] 9/2 (1956) 68–81; L. Ion, Oprirea ofensivei germane pe valea Oituzului în anul 1917 [Halting the German Offensive on Oituz Valey in 1917]; in: Cultura militară [Military Culture] 9/3 (1956) 38–48. 48 N. N., Lupta pentru refacerea şi dezvoltarea mişcării muncitoreşti în anii 1900–1917 [The Struggle for Restoration and Development of the Working Movement 1900–1917]; in: Analele Institutului de istorie de pe lîngă C.C. al P.M.R. [Annals of the History Institute near the Central Committee of W. R. P.] 2/1 (1956) 79–88; M. C., Unele materiale noi privind frămîntările revoluţionare din Moldova în 1917 [Some New Resources Regarding the Revolutionary Unrest in Moldavia in 1917]; in: Ibid. 2/5 (1956) 152–174; E. Popescu, Unele documente privind mişcarea revoluţionară din România în perioada 1917–1921 [Some Documents regarding the Revolutionary Movement in Romania between 1917–1921]; in: Ibid. 2/3 (1956) 110–120; M. Constantinescu, V. Bogza, Situaţia clasei muncitoare în perioada participării României la primul război mondial [The Situation of the Working Class in the Period when Romania Participated in the First World War]; in: Probleme economice [Economic Problems] 12/7 (1959) 121–140; A. Loghin, Aspecte ale avîntului mişcării revoluţionare al maselor muncitoare din Moldova în anii 1917–1918 [Aspects of the Revolutionary Movement Enthusiasm of the Masses in Moldavia 1917–1918]; in: Analele Ştiinţifice ale Universităţii Al. I. Cuza [Scientific Annals of Al. I. Cuza University] (History-Philology) 8/2 (1962) 1–18; D. Zaharia, Unele acţiuni revoluţionare în regiunea Bacău în perioada februarie – octombrie 1917 [Some Revolutionary Actions in the Bacău Region in the period February – October 1917]; in: Studii. Revistă de istorie [Studies. History Review] 28/4 (1962) 273–285. 49 This was largely due to the impact of the Hungarian revolution. 50 Karl Marx, Însemnări despre români [Notes about Romanians], ed. by Andrei Oţetea and Stanislav Schwann (Bucureşti 1964). 51 Adrian Cioroianu, Conducătorul şi istoria [The Leader and History]: in: Manuela Dobre (ed.), Istorie şi ideologie. Omagiu profesorului Stelian Brezeanu la 60 de ani [History and Ideology. Anniversary publication in honour of Professor Stelian Brezeanu] (Bucureşti 2002) 267–276, here 272. 52 The volume had been prepared since 1959, when the negotiations on the manuscript began in Amsterdam. In 1961, Oţetea presented fragments of these notes at a public conference at the National History Museum as ‘Karl Marx and the Romanians’ on 8 June 1961. Cf. Bogdan Cristian Iacob, Stalinism, Historians, and the Nation: History-Production under Communism in Romania, 1955–1966, PhD Thesis (Budapest 2011) 250–256. Online: http://www.etd.ceu.hu/2011/hphgab02.pdf (19. 4. 2016). 47

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declaration officially created room for a communist rule that would be national’ and Marx’s notes ‘made it possible to imagine a communist ideology compatible with the anti-Russian national feeling so widespread among Romanians’53. The new ethos was overwhelming. It was perceived as a veritable liberation of the country from the soviet yoke. One author, who may be considered as representative of this ethos is Dumitru Almaş54, an extremely prolific and popular writer, whose romanced history visibly contrasted with the dialectic of Marxism-Leninism, particularly with the dry style of Roller. From the beginning of his career, in his writing he blended history, epics and legends, a perfect mix for the kind of popularizing literature the party was looking for55. Soon afterwards, he went closer to military history, publishing short stories with historical subjects56 and then texts evoking various heroic episodes in Romanian history. He occasionally addressed the First World War, especially the moments of heroic and collective resistance at Mărăşeşti, Mărăşti and Oituz57. For one of his volumes58, he used the title of an old army song: ‘Heroes they were, heroes they still are’59, which later became emblematic of Ceaușescu’s Romania. There was no class, no struggle, just heroes of the Romanian nation who ‘daringly fought for their homeland against so many enemies’60.

Verdery, National Ideology 106. Dumitru Almaş (1908–1995) was a university history professor as well as writer and publicist. His history textbooks were in use for the fourth primary grade between 1956 and 1997. Almaş was the pen name of Dumitru Alincăi. 55 Although his editorial début was before the war, when he published a romanced biography of Miron Constin (Bucureşti 1939), he only became a recognized writer in 1954 once he published the biography of Neculai Milescu Spătaru, a 17th century Romanian boyar who travelled to China and wrote a report of his journey. See Dumitru Almaş, Neculai Milescu Spătarul [Neculai Milescu, the Sword Bearer] (Bucureşti 1954). In 1954, Nikita Khrushchev visited China in an attempt to bolster the relations between the two socialist countries. It was a crucial moment, because it was in the context of Sino-Soviet relations that Khrushchev agreed the Soviet Union was not the only social and political model and the road towards communism depended on each country’s circumstances. It was an important declaration for communists all over Eastern Europe. Cf. Katalin Miklóssy, Khrushchevism after Khrushchev: the Rise of National Interest in the Eastern Bloc; in: Jeremy Smith, Melanie Ilic (eds.), Khrushchev in the Kremlin: Policy and Government in the Soviet Union, 1953–1964 (London 2011) 150–170. 56 Cf. Dumitru Almaş, La Coarnele Berbecului [At the Ram Horns]; in: Viaţa militară [Military Life] 10/4 (1957) 14–17. 57 Dumitru Almaş, Reprezentarea în operele de artă a vitejiei ostaşilor români în marile bătălii din iulie — august 1917 [The Bravery of the Romanian Soldiers in the Great Battles of July and August 1917 represented in Works of Art]; in: Buletinul Academiei militare generale [The General Military Academy Bulletin] (Bucureşti 1967) 35–45; idem, Mărăşeşti, 1917–1967. Pe aici nu se trece [Mărăşeşti, 1917–1967. You shall not pass]; in: Îndrumătorul cultural-artistic din armată [The Cultural and Artistic Guide for the Army] 20/7 (1967) 2–3; idem, Mărăşti, Mărăşeşti, Oituz; in: Viaţa militară [Military Life] 7 (1967) 2. 58 Dumitru Almaş, Eroi au fost eroi sunt încă: evocări şi portrete istorice [Heroes they were, heroes they still are: Evocations and Historical Portraits] (Bucureşti 1968). 59 This was the ‘Hymn of the Heroes: Lion Cubs’, written by Ioan Neniţescu in 1891, music composed by Ionel G. Brătianu. 60 See Cosmin Diaconescu, Muzica înainte şi după 1989. Cântecul patriotic românesc [Music before and after 1989. Romanian Patriotic Songs]; in Symbolon 12/1 (2011) 90–93. In the same period the 53 54

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There was an increasing presence of popular heroes such as Ecaterina Teodoroiu61, a cult figure before 194662, who is now presented as a representative of the heroic spirit of sacrifice of the entire people63. There was no room any more for the Great October Revolution or the social unrest of the working class against the war in this story64. ‘Unity is written on our flag’ was the new slogan65. This is another example of how various elements of pre-war nationalism were utilized for the benefit of the new ‘socialist patriotism’66. The ideal of national unity was a clear step away from the imperialist war waged by the capitalist and militarist regime of bourgeois Romania. Moreover, various admiring foreign accounts of the Romanian soldiers’ feats of arms were proudly disclosed, opinions from Great Britain, France, the United States, Italy, Greece, and even Germany67. Occasionally, Nicolae Iorga’s opinions about the causes of the First World War were presented68.

Madrigal Choir was founded in 1963 as the National Choir Assembly; cf. Sabina Păuţa Pieslak, Romania’s Madrigal Choir and the Politics of Prestige; in: Journal of Musicological Research (Special Issue: Music and Ideologies) 26/2–3 (2007) 215–240. 61 She was present in Roller’s History as well as the sub-lieutenant and daughter of a poor peasant, who like many other soldiers ‘believed they were fighting a just cause’. Roller, Istoria [History] 498. 62 See, for example, the welcome of her remains to Bucharest in 1921, as was described in [N.N.], Întîmpinarea eroinei în Capitala ţării [The Capital Welcomes the Heroine]; in: Cultul eroilor noştri [The Cult of Our Heroes] 2/1 (1921) 49–52. 63 Almaş, Eroi au fost eroi sunt încă [Heroes they were, heroes they still are] 279–286. 64 Although this topic did not disappear. 65 Almaş, Eroi au fost eroi sunt încă [Heroes they were, heroes they still are] 294–300. 66 ‘Unity is written on our flag’ was a patriotic song written in 1859, lyrics by Andrei Bârseanu and music by Ciprian Porumbescu. 67 V. Asproiu, Aprecieri străine despre eroismul ostaşilor români [Foreign Considerations about the Heroism of the Romanian Soldiers]; in: Viaţa militară [The Military Life] 7 (1967) 24; Virgil Popescu, Mărturii ale presei române şi străine a timpului. 50 de ani de la bătăliile de la Mărăşti, Mărăşeşti şi Oituz [Testimonies of the Romanian and Foreign Press of the Time: 50 Years since the Battles of Mărăşti, Mărăşeşti and Oituz]; in: Presa noastră [Our Press] 12/8 (1967) 43–45; or Gh[eorghe] Romanescu, V. Asproiu, Mărturii străine despre eroismul ostaşilor români în luptele de pe frontul din Moldova [Foreign Testimonies About the Heroism of the Romanian Soldiers in the Fighting on the Moldavian Front]; in: Analele Institutului de studii istorice şi social-politice de pe lîngă C.C. al P.C.R., 13/3 (1967) 40–49; V. Mocanu, Simbol al eroismului [The Symbol of Heroism]; in: Scînteia Tineretului [Youth’s Spark] 23 (August 13, 1967) 3. 68 Ioan Scurtu, N. Iorga despre cauzele izbucnirii şi caracterul Primului Război Mondial [N. Iorga on the Causes of the Outbreak of the First World War]; in: Analele Universităţii Bucureşti [The University of Bucharest Annals] 16 (1967) 97–108. Nicolae Iorga, too, was proscribed from the new socialist culture for long time. Yet, in the early 1960s, he was gradually rehabilitated as a result of consistent policy of recovering the classics of Romanian culture. That generation of historians remembers those years as a period of very audacious attitudes regarding various forbidden personalities. However, the communist regime was openly committed to rehabilitating as much as possible from the earlier national culture, carefully selecting what was valuable for socialist culture and what was not. Probably, a volume of 1966 was the sign that Nicolae Iorga could be mentioned once more after almost two decades of silence. Cf. Titu Georgescu, Nicolae Iorga împotriva hitlerismului [Nicolae Iorga against Hitlerism] (Bucureşti 1966).

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From now on, popular heroism69 was closer to the war for national union than the struggle of the working class against the imperialist war. There was a new era and the young General Secretary of the Communist Party was spontaneously applauded when he was seen70. It was a heroic period for a heroic people. ‘Heroes they were, heroes they still are’ – as the song was frequently broadcasted. Heroes they were, the peasants, heroes they were the workers, heroes they were the soldiers, just as their ancestors had been heroes. And, of course, they had a heroic leadership, as they always had. And 1967 was a good year for talking about the heroism of the Romanians. On 12 August, the communist regime organized a grandiose ceremony at Mărăşeşti, where Nicolae Ceauşescu openly declared: ‘Though the First World War had an imperialist character, the Romanian people did not participate in this war driven by invading and annexing intentions.’ 71 The newly established historical magazine ‘Magazin Istoric’, extremely popular from the very beginning until 1989, dedicated a special issue to Mărășești72. Indeed, the entire press was not only controlled, but also highly centralized under the direction of the Propaganda Section of the Central Committee of the Communist Party. In three years, the entire public perception of the First World War had changed dramatically. Most elements of this interpretation had already been formulated during the previous decade, but once Nicolae Ceaușescu was in power, they became dominant, marginalizing the former ‘dogmatic’ Marxist-Leninist approach. Even references to Marx and Engels, not to mention Lenin, gradually disappeared. For many, this was a return to the interwar form of nationalism73. However, things were more complicated than they were perceived at first. The truth is that this relaxation of dogmatic Stalinist ideology was perceived as a kind of liberation, and to some extent it was indeed so74. Or, this psychological relief from fear and terror was the premise for the general acceptance of party ideology disguised in the form of an anti-Soviet ethos75. Yet, this policy Titu Georgescu, Mărăşeşti — mărturie a eroismului popular [Mărășești – a Testimony of Popular Heroism]; in: Contemporanul [The Contemporary] 20/32 (August 11, 1967) 1, 6 f. It was the same cultural journal in which nationalism had been harshly criticized two decades earlier. Cf. Ludovic Takács, Naţionalismul, armă de pătrundere a imperialismului [Nationalism, Weapon of Penetrating Imperialism]; in: Contemporanul 2/162 (November 11, 1949) 1, 14. 70 Such an incident happened in Predeal, for example, in January 1969. Personal communication by Raoul Alexandrescu, who witnessed the whole scene. 71 See Nicolae Ceauşescu, O jumătate de secol de la marea epopee naţională a Mărăşeştilor [Half a Century since the Great National Epic of Mărășești]; in: Scânteia 36/7431 (August 13, 1967) 1, 3 f. The speech was republished immediately as a booklet by Editura Politică [Political Printing House]. Scanteia was the official daily of the Communist Party. 72 Magazin Istoric I/4 [Historical Magazine] (July 1967). The magazine was founded 1967 by Dumitru Almaş and Titu Georgescu. 73 See James P. Niessen, Romanian Nationalism: An Ideology of Integration and Mobilization; in: Peter F. Sugar (ed.), Eastern European Nationalism in the Twentieth Century (Lanham, MD 1995) 273–304. 74 In 1958 Soviet troops were withdrawn from Romania and in 1964 all political prisoners were amnestied (Decrees no. 767/1963, no. 176 and no. 411/1964, never published in Official Monitory), many authors were rehabilitated, and, last but not least, the development of social tourism in the early 1960s gave many people this sense of liberation. 75 Though the Romanian regime was considered by many as L’Enfant terrible or a maverick of the Eastern Bloc, the regime never actually questioned Marxist foundations or the socialist orientation of the 69

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was not nationalist. What these apparatchiks managed to create was a socialist image of nation, a collectivist and impersonal sense of belonging to a nation that was castrated of its very political project. Such nationalism and patriotism were imbued with a spirit of complete submission to the party (leader), who gradually claimed to be the keystone of the entire power structure of the country76. The party was the condition of its very existence, its guarantee (chezăşia) as they so often used to say. At the heart of the nation, the party of the working class, which was declared the most progressive section of society, lent its attributes to everyone. The party was the prudent administrator of the collective property of symbolic goods, the only source of value criteria and the only authority on these matters. As Katherine Verdery has noted, the party controlled all resources and whatever was about to be published had to have the consent of the party organs77. Everything was planned, controlled, and evaluated; and everyone accepted the party monopoly of knowledge. Or, what the party sought was a museumization of history for the benefit of its own image. History became a constitutive part of party identity and it was used without any scruples concerning accuracy78. Everything had to refer to the nation, and consequently everything had to bear reference, directly or indirectly, to the party because it was, of course, about the people, and the people were workers: ‘Today, through the natural logic of history, the most natural logic, the idea of country is embodied by the entire people, with the entire impetus tensed in work for enriching, adorning and promoting the country. Today, through the most natural logic of the same history of the Romanian people, the idea of the past, the one of unity, and the one of national sovereignty are intertwined with the ideals of the Romanian Communist Party, with the socialist party, with its huge economic and spiritual accomplishments, with the future of humankind itself, towards preserving its specific character and rights, any Romanian soul seeks and will seek as any being seeks the light. The past is the miraculous resin that burns in the torch of

country. Even regarding Romanian–Soviet relations, Romania never opposed the U.S.S.R. So, this antiSoviet stance was rather a rhetorical way of legitimizing the socialist regime, a rhetoric that remains powerful even today. See, for example, the works by Larry Watts, a historian close to the circles of ex-officers of the communist intelligence organizations such as ‘Serviciului de Informaţii Externe’ (S. I. E. / Foreign Intelligence Service). Larry Watts, Fereste-ma, Doamne, de prieteni. Razboiul clandestin al blocului sovietic cu Romania [With Friends like these: The Soviet Bloc’s Clandestine War against Romania] (Bucureşti 2012); idem, Cei dintai vor fi cei din urma. România și sfârșitul Războiului Rece [The first ones will be the last ones. Romania and the End of the Cold War] (Bucureşti 2013); Armad Goşu, Cazul Pacepa, doar o dezbatere istoriografică? [The Pacepa Case, Just a Historiographical Debate?]; in: Revista 22, online edition 6. 8. 2013: http://www.revista22.ro/articol–29660_2.html (13. 4. 2016). For the ambiguities of Romanian foreign policy, see Dennis Deletant, Mihail Ionescu, Romania and the Warsaw Pact: 1955–1989. Cold War International History Project (= Woodrow Wilson International Center for Scholars, Working Paper 43, April 2004): http://www.wilsoncenter.org/sites/default/files/ACF368.pdf (13. 4. 2016). 76 See an interesting interpretation in Bernard Paqueteau, Societatea împotriva ei însăşi [Society against Itself ]; in: Revista III/14 (9–16 April 1993) 13, and III/15 (17–23 April 1993) 11–15. 77 Verdery, National Ideology 108–116. 78 The very history of the Communist Party was a complete forgery, as far as the ‘great tradition’ of the Communist Party was completely non-existent.

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history in order to keep the heat of the permanent today and to enlighten the unabated way of tomorrow for the people and for the country.’ 79 There was an implicit equation in all these texts, an equation that equated the nation, the people and society to the party. This was the socialist nation and anyone with an anti-national attitude was considered hostile to the party, and anyone with antisocial behaviour was an enemy of the party80. There was an image of a highly homogeneous world united around the same ideal of nationhood, the same political goals and social projects – ‘united in mind and hearts’, as the famous verses of Andrei Bârseanu evoked81. A few days after the great rally at Mărăşeşti, the same issue of Scânteia headlined: ‘An act of will of the entire people’82. On the same page, another writer warmly praised the party and its members for the ‘unity of all energies and aspirations’83. He claimed that ‘the unity between the party and the people (…) is the truth. The party has invested our shoulders with the epaulettes of some profound and tantalizing spiritual values: honour and dignity. (…) This unity between the party, the government and the people is the fortuitous consequence of the fertile and permanent exchange of feelings and ideas that the party has with the people, of the fact that the Romanian Communist Party’s policy voices the most profound aspirations and interests of the masses’84. This social homogenization was completely new and was specific for the new ideology of communist nationalism. All of this might seem to consist of rhetorical details, but they actually dramatically influenced official historical interpretation and the public understanding of history. The semi-centenarian festivities at Mărășești were an act of pure political propaganda, an attempt at appropriating another historical event full of heroic significance85.

79 Dumitru Almaș, Istoria și dragostea de patrie [History and Love of the Country]; in: Idem, Eroi au fost eroi sunt încă: evocări și portrete istorice [Heroes They Were, Heroes They Still Are: Evocations and Historical Portraits] (București 1968) 7–15, here 15. 80 The opposite was equally true: any enemy of the party was considered an ‘anti-social element’. 81 See note 66, above. This expression was used as the title for an anthology of militant literature in 1984. See Consiliul Culturii si Educatiei Socialiste [Council of Socialist Culture and Education] (ed.), Uniţi în cuget şi-n simţiri [United in mind and hearts] (Bucureşti 1984). 82 Gheorghe Zaharia, Act al voinţei întregului popor [Act of Volition of the Entire People]; in: Scânteia [The Spark] XXXVI/7440 (August 22, 1967) 1. This time it concerned the great anti-Fascist and anti-imperialist insurrection of 1944. Zaharia was deputy director of the Institute for Historical and SocioPolitical Studies of the Central Committee of the Romanian Communist Party. 83 Constantin Chiriţă, Unitatea energiilor şi aspiraţiilor [The Unity of all Energies and All Aspirations]; in: Scânteia [The Spark] XXXVI/7440 (August 22, 1967) 1. The author applauds the unity between the party and the people. 84 Ibid. 85 The group picture on the cover of Scânteia [The Spark] (the party official daily) showed the members of the Central Committee of the Party, the government, many directors of central institutions and military staff and, above all, the mausoleum rising in the background with a huge inscription on it: ‘To the glory of the national heroes’. As Niessen has noted, ‘historical anniversaries were a characteristic manifestation of the new directives’. See Niessen, Romanian Nationalism 296.

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Figure 1: The Party and State Leaders among the Veterans of Mărăşti, Mărăşeşti, Oituz

The heroes were not the veterans, but the party members and, by proxy, the people. The entire party programme had a historical background and each directive had to be inscribed within a long-standing tradition of the Romanian people. The present evoked the past, and the past evoked the present, everything was in a continuum of time and space full of the heroic ‘fight of the entire people’. The people were the new collective character of this kind of history, the only active agent of progress. All the rest was just a specific manifestation of the same people struggling for progress, union, independence and sovereignty. Whoever was not inscribed in this trajectory of progress was considered either a reactionary or a representative of foreign interests, in both cases outside the people, which were one and indivisible as the country had to be86. This explains the separation of Mărăşeşti (1917) and Alba-Iulia (1918) from the rest of the First World War, lumping together all the other episodes in the history of the imperialist, capitalist, and militarist efforts to dominate the people, the Romanian people. It was a liberal period in which Marxist-Leninist ideology enjoyed a lower profile, whilst the national struggle for unity, independence and sovereignty became prevalent within the public discourse. Thus, the creation process of the nation-state was considered a progressive impetus in history, and this was the main medium for reconsidering most of the pre-communist or bourgeois history87, this providing a clear impression of openness as against the ‘dogmatic’ Stalinist years. This was a clear historicist scheme, paralleling the interwar ethnocentric interpretation of history. The argument was made very clear in Ceauşescu’s speech at Mărăşeşti in August 1967. He even quoted Lenin in order to underline that ‘the state-building process in the national-bourgeois direction was not over and many Romanians were living outside the state borders, Romanian territories being under a foreign yoke’. See Ceauşescu, O jumătate de secol [Half Century] 1. 86 87

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This transparency of the 1960s, with an apparent anti-Soviet stance and perceived by many as being a pro-Western political turn, ended in tragedy. Beginning in 1971 and then after 1974, the First-Secretary of the Communist Party and the First President of Romania (since 1974), overwhelmed by his sense of historical destiny, became the subject of a scurrilous personality cult. What was remarkable for this period was the permanent appeal to history. The entire public discourse was imbued with historical references, all of them illustrating the continuity of the progressive, national and revolutionary drive of the Romanian people up to the present and to the Romanian Communist party. The party programme of 1974 began with a ‘synthetic retrospective of the Romanian existence of two millennia, highlighting – in the sense of scientific socialism – the role of the large popular masses in the long and harsh fight for social progress, the fight against exploitation and social and national oppression, against foreign domination, the fight to defend its existence, liberty and independence, the fight for a better and more dignified life’88. This abridged and very ideological version of the official history was the quintessence of what became history in Socialist Romania89. One fundamental principle of this history was ‘the unity of the Romanian people throughout its entire history’90. Under such circumstances, the only paragraph about the First World War mentioned only that ‘during the fighting of the First World War to defend the territory of the country against the occupying German militarists, to safeguard unity and territorial integrity, the Romanian armies, the popular masses of Romania, inscribed in the history of their country a page of immortal heroism and abnegation, of spirit of sacrifice and fierce patriotism’91. There was nothing about the causes, goals or aspirations. The Union of 1918 was merely ‘the lawfulness of historical development that stringently imposed the completion of the process of national statebuilding that happened to be under the domination of the great empires of Europe’. Once again, this ideal was fulfilled by the large popular masses, ‘the work of the entire people, of the entire nation’92. What Romanian historians did over the following years was to rewrite the history of the War for the National Union as a narrative centred on this collective character of ‘the entire people’, the working people in their socialist variant, neglecting as far as possible the political leaders or military commanders. It was a history without social elites and without political leaders93, or, to put it more 88 Programul Partidului Comunist Român de faurire a societatii socialiste multilateral dezvoltate si înaintare a României spre comunism [The Romanian Communist Party Programme of Building the Multilaterally Developed Socialist Society and Advancing Romania Toward Communism] (Bucureşti 1975) 8. The party programme was adopted at the 11th Communist Party Congress held in Bucharest in November 25–28, 1974. 89 Whoever did not agree with the party programme was susceptible to being prosecuted as an antisocial element at that moment, the party programme being an official document similar to the state constitution. 90 See Dragoş Petrescu, The Alluring Facet of Ceauşescuism: Nation-Building and Identity Politics in Communist Romania, 1965–1989; in: New Europe College Yearbook 11 (2003–2004) 241–272. 91 Programul Partidului [The Party Programme] 37. 92 Ibid. 93 It is remarkable how in a treatise on the history of Romania the authors managed to write an entire chapter about Romanian participation in the First World War without mentioning any proper names. Only

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precisely, such personalities were (re)considered only if they were ‘progressive’ enough to understand the lawfulness of history. For such an understanding of history, the unity of the entire people was one of the most reliable ideological foundations. Challenging this unity, questioning the Romanian awareness of the ‘millenary dream’, as Lucian Boia did, might be considered suspect, if not even criminal, by those who shared such a foundation of the monolithic unity of the people. For them, the political leaders, the intellectuals, the social elites and cultural personalities were to be validated by the collective will to be able to acquire the necessary legitimacy, to be lawful. It was this very same mechanism that was used in the 1970s and 1980s to judge the role of various people involved in historical events from the point of view of the people, of the working class, whose only representative was the Communist Party. Ştefan Pascu is a good example to illustrate the way in which history was produced during Ceaușescu’s regime94. Attracted by the new patriotic direction of the party in the 1960s95, he became a distinct voice in discussing the problems related to the formation of the Romanian nation96, or the establishment of the Romanian National Unitary State97. His success was predictable. In 1974, he was welcomed to the Romanian Academy together with Elena Ceauşescu. This is not the place to evaluate the impact Ştefan Pascu had on Romanian historiography, but to stress that he was one of the co-authors of a certain historicism used by the official discourse in order to (re) create a collective destiny and a common consciousness of the (working) people beyond a fragmented reality, so heterogeneous from political, confessional or just geographical points of view. Extremely elusive, the notion of the consciousness of the people – an illicit mutation from the orthodox ‘class consciousness’98 – can sustain anything against

General Alexandru Averescu and Prime Minister Alexandru Marghiloman were mentioned as the signatories of the detestable peace of Bucharest (April 1918). On the Union of 1918, at the very end of the section it was stated very drily: ‘the following personalities had an outstanding role in achieving the union’ – and only eighteen people were listed there. Cf. Traian Lungu, România in timpul Primului Război Mondial [Romania during the First World War]; in: Miron Constantinescu, Constantin Daicoviciu, Ştefan Pascu (eds.), Istoria României. Compendiu [History of Romania. Compendium] (Bucureşti 21971) 330– 336; Alexandru Porțeanu, Unirea Transilvaniei cu România. Încheierea procesului de formare a statului naţional unitar român [The Union of Transylvania with Romania. The formation of the National Unitary Romanian State]; in: Ibid. 337–342. 94 See the chapter, Historiography in a Party Mode: Horea’s Revolt and the Production of History; Verdery, National Ideology 205–248. 95 See Ştefan Pascu, Educaţia patriotică a tineretului [The Patriotic Education of the Youth]; in: Revista Pedagogică [Pedagogical Review] 15/11 (November 1966) 16–25. 96 Idem, Formarea naţiunii române [The Formation of the Romanian Nation] (Bucureşti 1967). 97 Idem, Desăvârşirea statului naţional român unitar – încununarea victorioasă a unei luptei seculare [Fulfilling the Romanian Unitary Nation State – the Victorious Guerdon of a Millenary Struggle]; in: Lupta de clasă [The Class Struggle] XLVIII/11 (November 1968) 17–28; idem, Aron Petric, Ideea de unitate naţional-statală în conştiinţa poporului român (sec. XVI–XX) [The Idea of Nation-State Unity in the Romanian People’s Awareness]; in: Anale de istorie [History Annals] 19/6 (June 1973) 3–23. 98 It was based on the trivial assertion that the people are working people and then can be substituted by the working class.

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reality99. Verdery notes that ‘in some texts this interest (the concern with truth) slides into an association of Romania with truth and foreigners with falsehood’100. Or, it is the same argument today to blame Lucian Boia for the supposed services rendered to ‘the enemies of Romania’101. 3. Mărăşeşti Teaches Us: The Interwar Years ‘The entire people’, tightly united around the flag of the party/nation, was the collective identity inherited from the communist regime, the socialist nation full of contempt for any social, economic or cultural differences102. However, reality was far removed from any such unity. Coincidently, on 24 April, 2014, the same day Boia’s book was launched, an editor of a news portal published a text on his Facebook page that very soon became topical and hit the news. It was Daniel Badea of Agerpress who reacted to a presidential declaration regarding the possible military conscription of the Romanian diaspora103. It was a short, but vehement text: ‘Did they leave because of such a good life here, with an extremely corrupt political class and with abject poverty? I am talking as a former student of a military school and a man whose great-grandparents fought in the First World War. I would prefer to cut off one of my legs rather than to go to the front, to defend the interests of foreign companies, of the mafia state, of the cardboard billionaires and of their offspring.’104 Such an attitude may derive from the communist nostalgia, which is popular in some circles nowadays105. However, the situation recalls that of a century ago. In 1914, less than ten years had passed since the great peasant uprising of 1907, when the army fired cannons on the peasant rebels106. Then the war turned out to be a disaster. The 99 It is relevant how the party programme mentioned the existence of an ‘unorganized state’ after the Roman withdrawal in 271 A.D. See Programul Partidului [The Party Programme] 7. Later, the political continuity of the state became an obsession. Pascu was not indifferent to this commandment of the period. See, for example, Ştefan Pascu, 2050 de ani de existenţă statală la geto-daci, daco-romani şi români [2050 Years of State Existence for Geto-Dacians, Dacian-Romanians and Romanians]; in: Viitorul Social [The Social Future] 9/3 (March 1980) 469–481. 100 Verdery, National Ideology 245. 101 Cf. note 6, Bogdan, Jocuri de putere [Power Games]. Not to mention that Ştefan Pascu was considered among the respected masters of the historical craft, one of the precursors of present-day historians. 102 See Steliu Lambru, Naţiune și istoriografie în ‘Epoca de aur’. Conceptul de naţiune socialistă [Nation and Historiography in the ‚Golden Age’ (= Ceaușescu’s Age). The Socialist Nation Concept]; in: Anuarul institutului de istorie ‘A. D. Xenopol’ [‘A. D. Xenopol’ Institute of History Yearbook] XLI (2004) 563–580. 103 This was in the context of the Ukrainian crisis. 104 See http://www.presalibera.net/un-tanar-roman-de-ce-nu-as-merge-la-razboi_18205.html (20. 4. 2016). 105 It is rather a protest against the disappointing present than a revival of the memory of the communist regime. See Cristian Tileagă, Communism and the meaning of social memory: towards a critical-interpretive approach; in: Integrative Psychological and Behavioral Science 46/4 (December 2012) 475–492. 106 Once in power, the first project by Mihail Roller, the above-mentioned eminence grise of historical studies in the late 1940s and early 1950s, was a volume with documents about the 1907 peasant revolt. See Mihail Roller, Răscoala ţăranilor din 1907 [Peasant Uprising of 1907] (Bucureşti 1948).

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heavy losses were mostly due to bad leadership and poor administration. Immediately after the war, General Averescu published a booklet about the responsibilities for all these shortcomings107, actually accusing the previous liberal government of corruption and bad governance: ‘If on 16 August 1916, it had been known that after only three months of war we would have a large part of the country under occupation and that for to rescue the rest of it we would need the aid of more than a million people, of course, that day the army wouldn’t have been mobilized. It is positive then that Romania enter­ ed the war completely unaware about the general European circumstances and about her own military situation. Who are those upon whom such heavy responsibilities fall? (…) Our war was a disaster, and this disaster was the more staggering for our nation, the more [we know] it was desired by us, begun by us and run by us.’108 Romania was the country with the heaviest military losses relative to her total army among all the nations involved in the war109, to which must be added the civilian losses as a result of combat, malnutrition and disease110. Indeed, General Averescu was right. The entire picture was far from being one of victory. The memory was more trauma­ tic than inspiring, and many people demanded retribution from those guilty of the disaster. Thus, at the end of the war, in Dobrina Forest, near Jassy, a group of twenty young students gathered to form what they called ‘a centre for Romanian action and resistance’, taking an oath that ‘in the case of a Bolshevik invasion they would retreat to the mountains and form a centre of resistance that would preserve the spirit of liberty among the popular masses’111. The leader of these youth was Corneliu Zelea Codreanu, the man who was to become the Captain of the ‘Legion of Archangel Michael’, later known as the ‘Iron Guard’, the Romanian extreme­rightist movement of the1930s and 1940s112. His words are relevant for the spirit of revolt at that time: ‘We will neither admit that, in the shelter of the tricolour formulas, an oligarchic and tyrannical class may install itself on the backs of the workers of all categories and literally skin them, while continually waving banners through the air for Fatherland – which they do not

Alexandru Averescu, Răspunderile [The Accountabilities] (Iaşi 1918). Ibid. 8, 12. 109 44.7 % soldiers killed of all those mobilized. See Susan Everett, The Two World Wars: World War I (Lincoln, NE 1980) I 248; figures also available at http://www.worldwar1.com/tlcrates.htm (13. 4. 2016). 110 See the report on World War I casualties published in 2011 by Centre Virtuel de la Con­ naisence sur l’Europe, Centre Européen Robert Schuman, Nadège Mougel and Marco Gabellini (eds.), REPERE project, section 1.1: – module: http://www.centre­robert­schuman.org/userfiles/files/RE­ PERES%20%E2%80%93%20module%201–1–1%20­%20explanatory%20notes%20%E2%80%93%20 World%20War%20I%20casualties%20%E2%80%93%20EN.pdf (20. 4. 2016) 111 Horia Sima, Istoria mişcării legionare [The History of the Legionary Movement] (Constanţa 2003) 7. 112 See the most important monograph on this movement by Armin Heinen, Legiunea ‘Arhanghelul Mihail’, miscare sociala si organizatie politica: o contributie la problema fascismului international [The Le­ gion of ‘Archangel Michael’, Social Movement and Political Organization. A Contribution to the Problem of International Fascism] (Bucureşti 1999); the original German version appeared in 1986: Die Legion ‘Erzengel Michael’ in Rumänien: Soziale Bewegung und politische Organisation. Ein Beitrag zum Problem des internationalen Faschismus (= Südosteuropäische Arbeiten 83, München 1986). 107 108

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love; God – in Whom they do not believe; Church – which they never enter; and Army – which they sent to war empty-handed113. However, the most illustrative image of public contempt for the political class and the disaster of the Great War is a painting by Ignat Bednarik114, entitled ‘1917’. It is a picture of a crucified woman at the centre of an orgiastic ceremony, whilst the Romanian army retreating with bowed heads is barely visible in the background115.

Figure 2: Ignat Bednarik – ‘1917’

Nichifor Crainic, an outstanding cultural figure of interwar Romania116, tells the story of that terrible year 1917. As a volunteer, he was assigned to a medical company, Corneliu Zelea-Codreanu, Pentru legionari [For my legionaries] (Sibiu 1936). Here, the English version (For My Legionaries) was used; Internet Archive: https://archive.org/details/ForMyLegionaries (13. 4. 2016). 114 A painter of Czech origin from Orşova, a graduate of the National Art School of Bucharest and of the Art Academy of Paris, the illustrator of the books by Queen Mary of Romania, participant in the army’s war propaganda and then member of the artistic association, Arta Română [The Romanian Art]. See Beatrice Bednarik, Ignat Bednarik (Bucureşti 1987). 115 The picture was recently sold at ArtMark auction house. The picture here is reproduced with the kind permission of ArtMark. See http://www.artmark.ro/arhiva-rezultate-licitatii/licitatia-de-toamna–2010–17–2010/ignat-bednarik–1917.html (13. 4. 2016) 116 Ion Dobre (his real name) was a theologian, poet, philosopher, journalist, right-wing activist, university professor at the Theological Seminary in Bucharest and the Faculty of Theology in Kishinev/ Chişinău, one of the main ideologists of Romanian anti-Semitism. In 1940 he was elected member of the Romanian Academy. Between 1947 and 1962 he was imprisoned, and eventually the editor of ‘Glasul Patriei’ [The Voice of the Motherland], a communist review for the Romanian diaspora. 113

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Figure 3: Invalids sell necklaces and bootlaces handmade by themselves

suffering all the harsh conditions of the front117. Then, at the military hospital in Jassy, he refused to lead an easier life and to accept being appointed editor at România, instead he continued as a medic and to write for Neamul Românesc in his spare time, edited by Iorga. Then, he contracted exanthematic typhus. As opposed to this world of grief, need and sickness, there was also the world of the rich, those for whom the deprivations of war were not a matter of concern. The Princess, the person in charge of the hospital, was one of them118. Abusing her power, she acted as if she were the true ruler of all these people, soldiers, medics, and patients. She was constantly visited by three gentlemen – a banker, a diplomat and an artist. During these visits, the sounds heard from her office left little doubt as to what things were happening behind the doors119. Moreover, she held extravagant parties, asking the convalescents to perform popular dances. Eventually, 73 of the sick died and a group of young soldiers and docHe developed double pneumonia in the winter of 1917. See Nichifor Crainic, Zile Albe – zile negre. Memorii [White Days – Black Days. Memoires] (Bucureşti 1991) 121. 118 Maria Rosetti-Tescanu is also known as Maruca Cantacuzino. She was not directly named, but as Crainic mentions she was the wife of the Minister of Justice, Mihail G. Cantacuzino (December 1916– January 1918). Cf. Ion Mamina, Ioan Scrutu, Guverne si Guvernanti [Governments and Governors] (Bucureşti 1996) 150 f. 119 Crainic, Zile Albe [White Days] 124. 117

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tors officially complained against the administrator, the young and untamed lady. An official investigation took place, but it looked into those who had protested not into the administration of the hospital120. This story may be well depicted in a drawing by Bednarik, who was also in Jassy at that time. It is a scene showing a young, rich lady looking at two poor crippled soldiers through her lorgnette as if at some alien beings. The poor soldiers sell necklaces and bootlaces handmade by themselves121. It is certain that the feelings of frustration and helplessness were much more widespread than present-day historiography allows us to grasp. This historiography tends to refer much more to ‘miracles’, to ‘glorious accomplishments’, to the ‘astral hour’, to how ‘the fight of the oppressed people for liberty gained in momentum and obtained success in 1918’122, and less to the human tragedy of those terrible years. In the years that followed, the memory of the war was a recollection of a bitter experience, by no means bright or astral. Constantin Kiriţescu123, the man who wrote the monumental monograph about the history of the war for Romanian reunification124, deplored this image of the war that ‘is presented as a cause for the moral downfall of the righteous, who were naive enough to throw themselves into the fire-fight, open-breasted, their hearts pounding with enthusiasm about the ideal and conviction of paying the ultimate price. Around the moral carcass of the dying righteous man swarmed and buzzed the multitude of those who exploited the ideal and its fighters: the lying politician, for whom the war meant unearned promotion, the incompetent general who led his troops to disaster, the business-man who speculated on the needs and shortages of the public to get rich, the pragmatic comrades who mocked his naivety, meanwhile securing safe spots for themselves, an entire society which threw itself into the banquet of the most inferior pleasures with possessed frenzy’125. With strong liberal political convictions, Kiriţescu praised ‘our holy war’ as an exemplary lesson for the Romanian young generation126. His sensitivity was hurt by the indifference or even hostility of public opinion towards the memory of the war. For 120 Written in exile after many decades, Maria (Maruca) Cantacuzino’s memoirs do not mention this episode at all. See Maria Cantacuzino-Enescu, Umbre și lumini: amintirile unei prinţese moldave [Shadows and Lights: The Recollections of a Moldavian Princess] (Onești 2005). 121 ‘Invalizi vând coliere de mărgele şi şireturi de bocanci confectionate de ei’ [Invalids sell necklaces and bootlaces handmade by themselves], was written by the author himself down the right-hand side of the drawing. The drawing is in the National Military Museum, ‘King Ferdinand I.’ 122 See, for example, Ioan Scurtu, Mentalul colectiv al Românilor după 1918 [The Collective Mentality of the Romanians after 1918]; in: Idem, Gheorghe Buzatu, Istoria românilor în secolul al XX-lea [The History of the Romanians in the 20th Century] (Bucureşti 1999) 17–35, here 17 f. 123 Constantin Kiriţescu was a biologist and a teacher, and close to liberal circles. In 1936, he published: Ion I. C. Brătianu în pregătirea războiului de reîntregire [Ion I. C. Brătianu Preparing the War of Reunification] (Bucureşti 1936). 124 Constantin Kiriţescu, Istoria războiului pentru întregirea României, 1916–1919 [The History of the War for the Reunification of Romania, 1916–1919] (Bucureşti 1921). 125 Idem, Literatura împotriva educaţiei? Generaţia războiului de întregire și scriitorii noștri [Literature against Education? The War Generation and Our Writers] (Bucureşti 1929) 47. 126 Idem, Povestea sfântului nostru război [The Story of Our Holy War] (Bucureşti 1930). It is a volume designed for a younger audience with a clear educational purpose.

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him, the literature related to the war was like having ‘flourished on the rotten dung heap of the most cowardly, corrupt and perverse society’, pages that ‘can take a place with dishonesty within the worst pages of the anthology used by the Germans wanting to demonstrate the “rottenness of Romania”’127. However, there was a period of crisis, both economic and political128. What then was the lesson of the war? Or, to word it more precisely, who took advantage of this lesson? One of the most vocal politicians of the time, who contributed to the war journal România, who was among those Romanians from Transylvania in exile in Bucharest and very active in pro-Entente propaganda and who was sentenced to death in absentia in Austria-Hungary, was Octavian Goga. He talked about the lessons of the war, about what Mărăşeşti taught us129. For him, the war was ‘the most sincere confession of a nation’. And he continued: ‘Nowhere but on the battlefield has the soul of the race been revealed. We do not dare to imagine where we might be today if the honesty of work had presided over the Romanian Kingdom in all walks of public life since its foundation. Never has the energy of our people been shown more evidently.’130 For Goga, the war was the revelation of what can be done with proper leadership. For years, he criticized the Romanian political leaders, for years he demanded the institution of a true political life based on ‘new moral values’ and ‘a new way of seeing the use of our popular energies’. The bright confession of Mărășești proved, he said, that ‘with all their dozens fibres of understanding, the masses have grasped the secret of the glory of those days and entirely adopted the catechism of new consciousness’131. Behind these resounding words, there was a longing for a new kind of leadership, for a new kind of understanding of the nation, and for a new way of considering politics and society. As Carl Schorske put it, it was politics in a new key, a movement ‘resulting from the liberal failure to bring the masses into the state’, a ‘rebellion against reason and law 127 Kiriţescu, Literatura [Literature] 49. Almost forty years later, Valeriu Râpeanu considered the war a trigger for ‘a new vision of life’ that ‘reached the essence of reality’. For Râpeanu, there was ‘a unilaterally critical exegesis that ostentatiously insisted on the last one (the relation between ideal and reality), reducing the moral problem and the historical sense of the First World War to the disillusion experienced by the former combatants after the war’. Valeriu Râpeanu, ‘Neobișnuite lumini pe cer’. Primul război mondial și sensul lui în cultura noastră [Unusual Lights in the Sky. The First World War and its Meaning within our Culture]; in: Secolul 20/7 (July 1967) 22–28, here 25. 128 The return of Prince Carol to Romania in June 1930 and his ensuing restoration as the King of Romania divided political life. During the summer of 1918, he deserted from the army and fled to Odessa, where he married his girlfriend Ioana Lambrino. As the marriage was considered illegitimate, he renounced the throne. The marriage eventually was invalidated, and Carol returned home and married Princess Helen of Greece. Then, in 1925, he fled again to Paris with another woman, renouncing the throne for the second time in favour of his under-age son, Prince Mihai. Two years later, King Ferdinand passed away. The next years were difficult ones and the regency under the leadership of Prince Nicolae was weak and unable to solve the political crisis that became as severe as elsewhere in Europe. Then, a favourable current of public opinion emerged, making Prince Carol’s return possible. 129 Octavian Goga, Ne învaţă Mărăşeştii [Mărăşeştii Teaches Us]; in: România I/183 (8. August 1917) 1. The text was republished in 1983; cf. Octavian Goga, Ne învaţă Mărăşeştii [Mărăşeştii Teaches Us] (Jassy 1983) 127–129. 130 Ibid. 131 Ibid.

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which soon became more widespread’132. Two of the cases analyzed by Schorske, Georg von Schönerer and Karl Lueger, deeply inspired Adolf Hitler133, whilst Octavian Goga became the first extreme rightist Prime Minister of Romania in 1938. New moral values134, new interpretations135, and a new credo136, all these ‘incitements’137 for political renewal were part of a wave of growing discontent that challenged the social hierarchy and political representation in the name of the national idea, in the name of the ‘fanatical faith in the specific patrimony of the nation’. In a different article of that tragic year 1917, Goga indicted the cosmopolitanism of the francophone bourgeoisie through the words of a Frenchman in the salon of a very distinguished family. The admonition of the French visitor came after a conversation about Charles Baudelaire’s admirable verses – most of the audience evincing a perfect knowledge of French language and culture: ‘We are surprised by your lovely role as intellectual colonists of France but, in this epoch of exaltation of national feeling, we would like to see you full of your own grief. Because, you know, the idea of sacrifice is always related to the love for your own house rather than with the sympathies of the race (…).’ ‘In these terrible days’, he continues, ‘we cannot imagine a fight if it is not based on the most perfect national egoism, in its most highest and noble sense. Those who face death should feel the entire mysterious kinship with the soil in which they will be buried138. As a subtext, this ‘perfect national egoism’139 had a populist (völkisch) sense of social change. This was a revolutionary momentum that led Goga from being the poet of the oppressed – ‘the poet of our ordeal’ as he was called – to becoming the first Romanian extreme rightist Prime Minister140. A cycle was over, a cycle that had begun in 1871 with the first critics of liberalism, of political representation, of civilization and modernity, of the cities, and of the bourgeois world141. For this cycle, the First World War was neither a beginning nor an end,

Carl Schorske, Fin-De-Siècle Vienna: Politics and Culture (New York, NY 1981) 119 f. See Brigitte Hamann, Hitler’s Vienna: a dictator’s apprenticeship (Oxford – New York 1999). 134 He wrote extensively on these topics in the years before the war. See Octavian Goga, O nouă morală [A New Moral]; in: Tribuna XIV/184 (1910) (29 August/11 September 1910) 3 f.; idem, Morala celor mici [The Moral of Those from Below]; in: Tribuna XV/161 (24 July/6 August 1911) 1–2. 135 See idem, Tabla valorilor [The Tablet of Values]; in: Ţara noastră III/7 (26 November 1922) 201– 203; republished idem, Mustul care fierbe [The Fermenting Must] (Bucureşti 1927) 219–224. 136 Idem, Vrem o credinţă [We want a Faith]; in: Tribuna XV/81 (10/23 April 1911) 1–4. 137 Idem, Îndemnuri noi [New Incitements]; in: Tribuna XIV/245 (14/27 November 1910) 1–2. 138 Idem, Să vorbească frontul [Let the Front Talk]; in: România I/18 (19 February 1917) 1; republished in idem, Ne învaţă Mărăşeştii 78–80. 139 It is worth noting that in Goga’s work, the notion of egoism dramatically changed during the war. Before the war, he usually referred to a narrow and brutal egoism based on foreign education or thriving spirit. Then, the war made him think rather in terms of a national egoism that can overcome the moral crisis of the time. 140 See Paul A. Shapiro, Prelude to Dictatorship in Romania: The National Christian Party in Power, December 1937 – February 1938; in: Canadian-American Slavic Studies VIII/1 (Spring 1974) 45–88. 141 Matei Călinescu, Reacţii culturale împotriva modernităţii şi modernizării în România, 1900– 1940 [Cultural Reactions against Modernity and the Modernization of Romania, 1900–1940]; in: Apostrof 132 133

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but the moment when the new radical and anti-liberal ideologies reached the masses. The First World War should have witnessed the triumph of the liberals, Bratianus’ party, who saw their political work finally accomplished: Greater Romania. However, what was perceived as a victory was a defeat instead. The Great War could not become a liberal lesson for the new state, but it became a milestone in the radical movement that actually subverted the liberal foundations of the state. 4. Notes for a History of the Great War The case of Octavian Goga is an exemplary one regarding the shortcomings of historical interpretations of the First World War. On the one hand, for the historians of modern Romanian history, Goga is one of the heroes of national movement in the Dual Monarchy before 1914. On the other, among the historians of the contemporary history of Romania, Goga had a right-wing ‘side-slip’, playing an ‘unlucky’ role in the end of the democratic regime of interwar Romania. Goga is not the only case, but is the most visible one142 . There are many fissures in these interpretations. First and most visibly, there is a real gap between modern and contemporary history. The institutional professionalization of history as a university discipline was deeply influenced by communist historiographical periodization. Up to 1918, ‘the struggle of the entire people’ aimed at accomplishing their ‘multi-millenary dream’, the nation-state, which was an objective stage of development in the Marxist-Leninist outline of history. Whoever fought for this dream was indiscriminately considered as being progressive and worth mentioning as an authentic representative of the people. Then, after 1918, the prominent role was given to the class struggle against the capitalist, bourgeois, imperialist and militarist circles143. The two periods are differently employed and are actually institutionally separate. Few historians cross the borderline between the two, though many of their protagonists do. Secondly and most painfully, there is a separation between history and culture, between political history and cultural history. The influences of the Marxist-Leninist theories are once more prevalent. Culture has been ‘folklorized’ and emasculated by its political dimension, as was the case with nations as well. Reading the history treaties144, the chapters about culture are usually at the end of each section representing a museum presentation avoiding any controversy or polemic. An inevitable result of [Apostrophe] XV/5 (May 2004) 5, 12; XV/7–8 (July–August 2004) 6 f., 46; XV/9 (September 2004) 4; XV/10 (October 2004) 4 f.; XV/11 (November 2004) 4 f. 142 Presently, every city in Romania has a street bearing the name of the famous poet. He is present in literature textbooks, but his political activities are largely overlooked or euphemistically presented as rightwing ‘side-slips’, suggesting an involuntary mistake. 143 The Romanian Socialist Party, the precursor of the Romanian Communist Party, was founded in 1921. 144 Take, for example, Gheorghe Platon (ed.), Istoria românilor [History of the Romanians] (Bucureşti 2003), or more recently Ioan-Aurel Pop, Thomas Nägler, Magyari András (eds.), Istoria Transilvaniei [History of Transylvania] 3 vols. (Cluj-Napoca 2007–2009).

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this situation is an overwhelming disregard of a plethora of writings that cannot find a proper discussion place either in political history, being considered too literary, or in literary criticism, being considered too political or militant. Traditional historiography is not interested in cultural topics, historians taking culture as a given corpus of intellectual/spiritual creations that may illustrate their interpretations or not. Or, culture was the most radical weapon against the traditional liberal political elite, an ‘ideology of culture’, to borrow a term used by David Carroll145. It was a culture that offered a new perspective on society, on the individual and on political representation. This culture was no longer liberal at the time the war broke out in 1914 and thus it influenced the meaning of the war or ‘the lesson’ taken from the war. The history of this cultural nationalism may include a number of episodes that gradually shaped the sensibility of public opinion. One of the first of these episodes can be considered the pan-Romanian congress of Putna (Bukovina), organized by the Viennese Romanian student association România Jună (Young Romania) in 1871. There, at Putna – at the grave of Stefan the Great – the young students decided on the need for a larger organization to pursue the cultural union of all Romanians. Twenty years later, the ‘League for the Cultural Union of all Romanians’ was founded by students from the University of Bucharest, an organization that played an important role in cultural propaganda at the end of the century and particularly during the First World War, under the leadership of Nicolae Iorga. Then, in 1884, Ioan Slavici founded Tribuna in Sibiu (Hermannstadt/Nagyszeben). For Slavici, culture was of paramount importance in uniting the people beyond regional, confessional or political differences. For him, cultural union was the necessary precondition in the national emancipation of the Romanian people from the individualism, selfishness, cosmopolitism, rationalism etc. of modern man146. Ten years later, the memorandum of 1892 caused the entire population of Transylvanian Romanians sorrow and disbelief about the role played by the liberals from the Romanian Old Kingdom. Another consequence of this movement was the self-imposed exile of Aurel C. Popovici and the foundation in Bucharest of the first independent journal ‘România’, an enterprise based on the very same idea that national culture was above all about political dissensions pursuing a greater goal that cannot be negotiated, but only affirmed. This triggered, in some respects, many other cultural currents and literary journals at the beginning of the twentieth century. There was an effervescence of cultural production aiming at reorienting the public spirit towards a reconsideration of the Romanian peasant as the epitome of national being. Then, last

145 This term, particularly efficient in describing the situation in which culture was transformed in a political argument, is adopted from Carroll, initially used to describe Thierry Maulnier’s type of ‘national culturalism’. See David Carroll, French Literary Fascism: Nationalism, Anti-Semitism, and the Ideology of Culture (Princeton 1995) 247. 146 See Răzvan Pârâianu, Culturalist Nationalism and Anti-Semitism in Fin-de-Siècle Romania; in: Marius Turda, Paul Weindling (eds.), Blood and Homeland. Eugenics and Racial Nationalism in Central and Southeast Europe, 1900–1940 (Budapest – New York 2006) 353–373.

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but not least, modern anti-Semitism took shape in this atmosphere of searching for a new national culture147. This can be considered the story of the national movement, but at the same time it was a story of the crisis of the liberal mind. The idea of conservative revolution steadily grew and gained public opinion, undermining the very foundations of the modern liberal state, and at that time Romania was a very young liberal state. As Roger Woods notes, ‘the Conservative Revolutionaries were eager to project their Volksgemeinschaft as a community based on principles beyond the established political categories of left and right. (…) Yet it was not merely this refusal to have anything to do with parliamentary processes which made the Conservative Revolutionaries reject the categories of right and left. They were intent on transcending them in order to create a sense of national unity, and in this endeavour they were particularly preoccupied with socialism’148. The history of these Romanian radical conservatives has not been told yet, although the history of Romanian conservatism has enjoyed a particular interest in the post–1989 years149. Or, as in many other European countries, the sources of radical right-wing movements are to be found in the pre-war period, in those years of tense cultural debate known as the fin-de-siècle. It was in those decades before 1914 that a veritable web of significances was created as a very powerful and resilient culture. This culture initially helped national political union and the symbolic emancipation of the peasantry, but in the long run altered the very foundations of the liberal state. Of particular interest is the way in which after 1965 the communist regime managed to rescue many of these significances, integrating them in the new ideology of the socialist nation, in the story of ‘the struggle of the entire people’ for union and independence, for freedom and suzerainty. This is why Boia’s book caused such fierce reactions. It is because he challenged the very unity of the people and the monolithic understanding of the socialist nation150.

147 The journal ‘Antisemitul’ was founded in 1899, for example, and although it survived for only two years, it indicated the growing anti-Semitism of Romanian public opinion. After 1902, the anti-Semitic ethos became prevalent among many cultural reviews of the time. 148 Roger Woods, The Conservative Revolution in the Weimar Republic (Basingstoke – New York 1996) 62. 149 Here, the works of Ion Bulei, Laurenţiu Vlad or Ioan Stanomir should be mentioned, their interest being orientated towards the political history of the Conservative Party or of specific conservative personalities and less towards the radical right-wing. See, for example, Ion Bulei, Conservatori si conservatorism în România [Conservatives and Conservatism in Romania] (Bucureşti 2000); Laurentiu Vlad (ed.), Conservatorismul românesc: concepte, idei, programe [The Romanian Conservatism: Concepts, Ideas, and Programme] (Bucureşti 2006); Ioan Stanomir, Spiritul conservator: de la Barbu Catargiu la Nicolae Iorga [The Conservative Mind: From Barbu Catargiu to Nicolae Iorga] (Bucureşti 2008). 150 However, it is worth mentioning that the book has meanwhile become a bestseller. This may indicate that the vocal nationalists’ circle has lost quite a lot of its original strength, if we remember the 1999 scandal concerning alternative textbooks, for example.

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H. The Entangled Eastern Front and the Making of the Ukrainian State: A Forgotten Peace – A Forgotten War and Nation-Building by Mark von Hagen The title of this essay differs significantly from the one that the conference organizers assigned to me, ‘Die Ukraine als erstes Opfer der Neuordnung’. My first reaction to the title was discomfort because it fits too well into a certain understanding of history, namely that the Ukrainian state that appeared on the map of Europe in 1917/1918 was one of the first claimants to the right of national self-determination that was proclaimed by Woodrow Wilson and Vladimir I. Lenin, among many others. And that same Ukraine was then abandoned (whether the first such victim or not) by the victors in Versailles with their rhetoric of a ‘new order’ to a largely enforced union with Soviet Russia. To focus on the failure of the Ukrainian state and the national movement that helped to shape that state is – perhaps unwittingly – to reaffirm the imperial historical narratives of Ukraine’s neighbours, narratives that not surprisingly see Ukraine as a land of chaos, anarchy, and therefore not deserving independent statehood, but rather needing a more powerful empire or other form of ‘patron’ state to bring order and stability to this troubled borderland region. Above all, these notions of the ‘non-historical’ character of Ukrainian statehood (and nationhood) are at the foundation of Russian and Polish historiography1, but these imperial attitudes towards Ukraine’s history have been adopted from Russian and Polish historians by German, British and American historians of the Russian Empire and Soviet Union as well2. The founding myth is captured in the ‘Chronicle of Bygone Years’ when the Varangians were summoned to rule over Kyivan Rus’ because the Slavs had no unity among themselves (a motif repeated in 1918 when the occupying German forces declared ‘that they were called by the Ukrainians to create order in the land’3).

1 See Stephen Velychenko, National History as Cultural Process: A Survey of the Interpretations of Ukraine’s Past in Polish, Russian and Ukrainian Historical Writing from the Earliest times to 1914 (Edmonton 1992); and idem, Shaping Identity in Eastern Europe and Russia: Soviet-Russian and Polish Accounts of Ukrainian History, 1914–1991 (New York 1993); Serhii Plokhy, Unmaking Imperial Russia: Mykhailo Hrushevsky and the Writing of Ukrainian History (Toronto 2005). 2 I addressed many of these issues in a very preliminary form in ‘Does Ukraine Have a History?’; in: Slavic Review 54/3 (Autumn 1995) 658–673. 3 Draft of Order, doc. 28, 3 May 1918; in: Die deutsche Okkupation der Ukraine. Geheimdokumente (Strasbourg 1937) 77 f.

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To challenge those imperial narratives that seem implicit in the original title4 and frame the history of Ukraine as one of victimhood, failure, incapacity for statehood or for elite consensus, and also – in the spirit of the title of the entire symposium and its challenge to revisit national and international historiographies and a contested past – this essay will return our attention to several Ukrainian voices and their perspectives on the events at the end of the Great War, the revolutions of 1917, and the origins of the Ukrainian state5. I trace the origins of the first modern Ukrainian state to the determined struggles of networks of Ukrainian nationalists and their would-be and occasional allies in the diplomatic, military and political elites of the belligerent powers that culminated in a series of diplomatic recognitions of the Ukrainian National Republic between the end of 1917 and the first weeks of 1918 and in the peace treaty signed between the Ukrainian People’s Republic and the Central Powers on February 9, 1918. Although the pioneering British historian John Wheeler-Bennett termed Brest-Litovsk ‘the forgotten peace’, his own book focuses almost exclusively on the treaty signed with the Bolsheviks on March 3, and effectively ‘forgetting’ the first treaty signed by the Central Powers with Ukraine. On the treaty with Ukraine, Bennett has this to say: ‘Such was the Peace with the Ukraine, that Brotfrieden for which Ottokar Czernin labored for so long. The effect of it was to leave the Ukraine theoretically a neutral state in the world, while actually it became a political granary and store-house for the Central Powers.’6 Bennett’s judgment of the treaty with the Bolsheviks was that it was draconian and thereby confirmed all the worst suspicions about the military dictatorship in Germany that had imposed this victors’ peace on a defeated Russia. It was that treaty that the Allies cited at Versailles to justify their maximalist demands for peace with Germany. Later, the Brest peace and the occupation of Ukraine that followed it were seen as proof of Germany’s ‘grab for world power’ that Fritz Fischer dated back to the July 1914 4 These comments are not meant as a rebuke of the organizers for I do not assume they share the ‘imperial’ perspective on Ukraine; on the contrary, I thank them for provoking me into the thoughts that inspired this essay. 5 The voices that have most shaped my own understanding of these events and their possible meanings have been those of Pavlo Khrystiuk, Zamitky i materialy do istorii ukrains’koi revoliutsii, 1917–1920 rr [Notes and materials toward a history of the Ukrainian Revolution, 1917–1920], 2 vols. (Wien 1921), published under the auspices of the Ukrainian Sociological Institute, founded by Mykhailo Hrushevsky; largely following Khrystiuk’s chronology and many of his judgments of the persons and events of the period were three later diaspora Ukrainian historians, Oleh S. Fedyshyn, Oleh S. Pidhainy, and Stephan M. Horak, who had the advantage over Khrystiuk of working in German (and in the case of Pidhainy and Horak, American) archives. See Oleh Fedyshyn, Germany’s Drive to the East and the Ukrainian Revolution, 1917–1918 (New Brunswick, NJ 1971); Oleh S. Pidhainy, The Formation of the Ukrainian Republic (Toronto – New York 1966); and Stephan M. Horak, The First Treaty of World War I: Ukraine’s Treaty with the Central Powers of February 9, 1918 (= East European Monographs 236, New York – Boulder, Colo. 1988). 6 John W. Wheeler-Bennett, Brest-Litovsk: The Forgotten Peace, March 1918 (= Studies in modern history, London 1938) 220. He does include the text of the treaty with Ukraine in his appendices, 392–402. Oleh Fedyshyn rejects the view of Wheeler-Bennett, who he sees as judging the treaty from the Allied point of view and thereby seeing it as an act of treason, as do most Soviet writings about it. Cf. Fedyshyn, Drive to the East 81.

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memorandum by Chancellor Theobald von Bethmann Hollweg. Fischer’s chapter on the Peace of Brest-Litovsk has the sub-title ‘the first realization of German war aims’7. The Fischer controversy returned German historians’ attention to the question of German war guilt and the continuum of German imperialist aims through Adolf Hitler’s Third Reich. For Fischer, too, the Peace of Brest-Litovsk refers more specifically to the treaty with Soviet Russia on March 3, 1918. Fischer argues that a ‘correct and just appreciation of the whole problem of Brest-Litovsk’ requires that we ‘relate later events as they emerged after the collapse of Germany in November, 1918, with Germany’s actual aims’. He insists that German archival documents confirm and ‘can leave no doubt that Germany’s aim was not to confer independence and national liberty on Poland, Lithuania, Courland, Livonia, Estonia and the Ukraine, but on the contrary to fetter them closely to the German Reich and to Mitteleuropa by treaties which were only nominally international and by personal unions, economic and customs unions, and military conventions’8. In a separate section, Fischer devotes a little less than a paragraph to the treaty with Ukraine, signed a month earlier, noting that for Austria-Hungary it was fair to treat it as the ‘bread peace’, but that Germany had a different perspective, and, beyond the immediate economic wishes, it had to do with the ‘fulfillment of German aims and plans since fall 1914’9. In sharp contrast to all these judgments is that of Pavlo Khrystiuk, a member of the Ukrainian governments in 1917–1919, an important historian of the Ukrainian revolution, and also a Ukrainian Socialist-Revolutionary with no love for German militarism, who judged the treaty with Ukraine as ‘perhaps the only non-imperialist treaty, in form, of the numerous treaties concluded after it at the end of the great universal imperial war, under the dictates of the bourgeois Entente. It was concluded without annexations and indemnities (…) [Austrian Foreign Minister] Czernin noted in his memoirs the great hopes the Central Powers placed in the new state of the Ukrainian National Republic, and saw it as a strong new factor in international politics and in harmony with them. True, it was they themselves, above all, who destroyed these hopes. The fact that, in the further course of historical events, the Brest treaty between Ukraine and the Central Powers was not exploited, that the wheel of history rolled over

7 Fritz Fischer, Germany’s Aims in the First World War (New York 1967) 475–509; the Englishlanguage translation is already a significant tone less strident than the German original: Griff nach der Weltmacht: Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18 (Düsseldorf 1961); Pidhainy challenges Fischer’s broader interpretation of German policy towards Ukraine as ‘based upon a superficial and incomplete reading of German archival material (…) No systematic picture emerges, while documents appear to have been chosen either on a hit-or-miss basis (…) or with an eye to conclusion’. He concludes that ‘Fischer’s method, with a blindness to distinctions of motive, aim and policy does little honor to the justly admired German historical scholarship’. Pidhainy, Formation 539, note 2. Pidhainy’s book is a wideranging history of the Ukrainian national movement and its efforts towards achieving national legitimacy and international recognition. It is based on German and American archival sources and a thorough reading of the Ukrainian- and Russian-language memoir and documentary literature. 8 Fischer, Germany’s Aims 508 f. 9 The English-language translation of Fischer’s passage on page 440 (Griff nach der Weltmacht), has been translated in a very curious fashion, and includes thoughts not in the German original (from my understanding). See Fischer, Germany’s Aims 500.

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Mark von Hagen it and crushed it, does not diminish its significance in the history of the national liberation struggle and state-building activity of the Ukrainian people’10.

In his study of German policy towards Ukraine, Oleh Fedyshyn concurs with Khrystiuk’s judgment: ‘The treaty may be considered a victory, a rather costly one, to be sure, but nevertheless a victory, of the Ukrainian national forces – a fact that Soviet Russia could not and did not ignore. Ukrainian participation in the Brest-Litovsk negotiations and the subsequent conclusion of a separate treaty demonstrated rather dramatically to the Bolsheviks the need for a federal solution for the non-Russian border areas of the former Czarist Empire; otherwise, the national movements could become an even more serious source of opposition to the new regime in Petrograd. (…) As a result of the treaty, the Ukraine emerged as a formally independent and neutral state – a status which the Ukrainians hoped to strengthen in the future (…) In light of all this, the Ukraine’s acceptance of a separate treaty with the Central Powers – a treaty which, despite some obvious dangers, was rather advantageous for Kiev – can only be viewed as making the best of a bad situation.’11

The Austrian historian Wolfdieter Bihl comes closer to this revisionist reading of the treaty with Ukraine, which he views as ‘the first peace of the world war and of greater significance’ for Austria-Hungary than the treaty with Russia. It was ‘the first step to a general peace, to the end of the bloodletting, and as such is to be positively judged from the perspective of humanity. The Ukrainian people achieved recognition of the state independence it had regained after losing it with the Pereiaslav agreement of 1654’12. Very recently, Borislav Chernev has argued similarly for the importance of Brest Litovsk as ‘a focal point of the interrelated processes of peacemaking, revolution, Imperial collapse, and nation-state creation in the multi-ethnic entangled spaces of Central and Eastern Europe at the end of the Great War’. He argues, too, that the rhetoric of self-determination that was the center of much of the negotiations at Brest-Litovsk made the practice of self-determination part of a ‘discourse of legitimacy in international relations’. Moreover, he locates the origins of this discourse not in Wilson’s Fourteen Points, but in Lenin’s earlier wartime writings (November 1915 and April 1916 articles) and also in the Provisional Government, as early as its foreign policy statement of April 9, 191713. Similarly, Horak sees the Brest-Litovsk treaty as

Khrystiuk, Zamitky [Notes] II/2, 114 f. Fedyshyn, Drive to the East 81 f. 12 Wolfdieter Bihl, Österreich-Ungarn und die Friedensschlüsse von Brest-Litovsk (= Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 8, Wien – Köln – Graz 1970) 120, 128. Bihl’s volume, which also includes relevant documents, is the best treatment of the Ukrainian delegation’s speeches and their reception by the other diplomats. 13 The reference to self-determination as part of the ‘discourse of legitimacy in international relations’ comes from Erez Manela, The Wilsonian Moment: Self-Determination and the International Origins of Anticolonial Nationalism (Oxford – New York 2007) 5. See Borislav Chernev, ‘The Future Depends on Brest Litovsk’: War, Peace, and Revolution in Central and Eastern Europe, 1917–1918 (Ph.D. dissertation, American University Washington DC 2013) 2, 72. Chernev worked extensively in the archives in Vienna and Sofia. See also Chernev, Beyond Annexationism: The Central Powers’ Ostpolitik as Structural Transformation, 1917–1918; in: The International History Review 35/4 (August 2013) 723–743. 10 11

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a ‘turning point in European history’, asserting that ‘Ukraine became the first battleground in history’ in which ‘the conservative Central Powers, Russian Communism, and Ukrainian Nationalism’ fought for survival and victory. ‘Moreover, the outcome of that confrontation determined equally the future of Ukraine, of Eastern Europe, and of Europe as a whole.’14 The most immediate consequence of the peace was the German–Austro-Hungarian occupation of Ukraine from March to November 1918. As noted earlier, this occupation had been interpreted, above all by Fischer, almost as one of the war aims of the Germans from the very start. But until recently, scholars have devoted little attention to that occupation15. A leading British historian of Russia’s Civil War, by contrast, argues that the most important foreign intervention of those years was not the better-known (at least to English-language audiences) Entente support for various White and other anti-Bolshevik proto-governments, but the German–Austrian occupation of Ukraine16. In the spirit of this perhaps revisionist reading of the Treaty of the Central Powers with Ukraine, I shall redirect the discussion away from victimhood, which has had far too prominent a place in Ukrainian history and memory, and recast the narrative around lost alternatives and opportunities, a theme that resonates in the studies and even some of the most interesting memoirs by contemporaries of the events of the war years. We have already mentioned Wheeler-Bennett’s evocation of Brest-Litovsk as ‘the forgotten peace’. General Max Hoffmann, one of the two top German negotiators at the Brest talks entitled his memoirs ‘Der Krieg der versäumten Gelegenheiten’, which has been translated as ‘The War of Lost Opportunities’17, though they carry much more a sense of squandered opportunities. And, more broadly, the Eastern Front is still widely perceived as the ‘unknown’ or ‘die vergessene Front’ thanks to the division of Europe’s memory of the twentieth century that was part of the Cold War18. The lost or missed opportunities or alternatives that I want to highlight in this very preliminary sketch are some of the legacies of the Great War and will focus on the possibilities of an independent Ukrainian state as part of diverse visions of a new post-imperial global order. The story starts before the outbreak of war in the very different possibilities for the Ukrainian movement in the two most important empires, those of the Habsburgs and the Romanovs. These pre-war options were reshaped by the outbreak of war and the serial occupations of Ukrainian lands and peoples. Although

Horak, The First Treaty vii, 153. For a recent collection of studies and a survey of the historiography, see Wolfram Dornik, Stefan Karner (eds.), Die Besatzung der Ukraine 1918. Historischer Kontext – Forschungsstand – wirtschaftliche und soziale Folgen (Graz 2008). 16 Evan Mawdsley, The Russian Civil War (Boston 1987) 43. 17 Max Hoffmann, Der Krieg der versäumten Gelegenheiten (München 1923; engl.: The War of Lost Opportunities, New York 1925). 18 For one of the earliest statements of the relative oblivion of the Eastern Front, see Winston Churchill, The Unknown War: The Eastern Front (New York 1931); for a recent edited volume with a variant of this title, see Gerhard P. Gross (ed.), Die vergessene Front. Der Osten 1914/15. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung (= Zeitalter der Weltkriege 1, Paderborn – München – Wien – Zürich 2006). 14 15

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the story might end with the post-war negotiations that are commonly known as Versailles and much recent literature that highlights the failed ‘Wilsonian moment’ for the colonial world, it will instead end in 1918 after a reconsideration of the Treaty of the Central Powers with Ukraine and the first war of that ‘peace’, the Bolshevik invasion and occupation of Ukraine in early 1918, and conclude with the German–Austrian occupation of Ukraine for most of 1918. In the end, the Ukrainian state was – largely reluctantly – abandoned by its first foreign protectors and left to the mercy of a regime that had already invaded and brutally occupied it on more than one occasion. But the history of the German–Austrian occupation also illustrates the challenges of support for a dependent regime with efforts to observe international law, including the right to national self-determination, as well as the scrutiny of democratic political parties in the parliaments and the press, above all in Austria-Hungary and Germany, but to important degrees in Soviet Russia and Ukraine as well. 1. How Peace Was Made on the Eastern Front This essay will focus on a reconsideration of the origins of the Central Powers’ treaty with Ukraine in the context of the exigencies of the ongoing and increasingly exhausting war. The course of that war was itself fundamentally changed by a revolution in Russia that began a dramatic transformation of the possibilities of a new post-war world order based on national self-determination. In a recent challenge to much of the historiography on the century-old question of the origins of World War I, the Australian-British historian Christopher Clark looks to understand the July Crisis of 1914 ‘as a modern event, the most complex of modern times’, but seeks to take a different path from that of assigning responsibility for the outbreak of the war; rather, he is concerned ‘less with why the war happened than with how it came about. Questions of why and how are logically inseparable, but they lead us in different directions. The question of how invites us to look closely at the sequences of interactions that produced certain outcomes. By contrast, the question of why invites us to go in search of remote and categorical causes (…) political actors become mere executors of forces long established and beyond their control’19. Clark insists that his book is, by contrast, ‘saturated with agency’20, an approach I have also adopted to describe how peace comes and to revisit one of the first serious efforts to end the war at the peace negotiations at Brest-Litovsk and the treaties that were their results. The approach I propose also resembles Clark’s approach to agency in that ‘policies – or at least policy-driving initiatives of various kinds – did not necessarily come from the apex of the system; they could emanate from quite peripheral locations in the diplomatic apparatus, from military commanders, from ministerial officials and even 19 Christopher Clark, The Sleepwalkers: How Europe Went to War in 1914 (London – New York 2012) xxxvii. 20 ‘This does not mean excluding questions of responsibility entirely from the discussion – the aim is rather to let the why answers grow, as it were, out of the how answers, rather than the other way around.’ Ibid. xxviii.

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from ambassadors, who were often policy-makers in their own right’21. In the story I shall tell in these pages, the ambassadors, ministers, military commanders, visiting politicians, and journalists in Kyiv during 1917–1918 have roles often as important as those of their counterparts in Berlin, Vienna, and Petrograd, to name the most important and relevant sites of decision-making. The multiple centers of decision-making highlight another advantage in avoiding one of the further drawbacks of what Clark calls the ‘prosecutorial narratives’ that focus on the why by tending to ‘narrow the field of vision by focusing on the political temperament and initiative of one particular state rather than on multilateral processes of interaction’22. Instead, this essay highlights the entangled character of the relations between various parties in the relevant capitals and their reactions to what they understood to be the behavior and intentions of their allies and enemies. Another insight that Clark brings to his understanding of decision-making is that the ‘quest for blame predisposes the investigator to construe the actions of decision-makers as planned and driven by a coherent intention’23, when we might better turn our attention to ‘the place of short-range, contingent realignments in shaping the conditions under which the crisis [in Clark’s case of 1914] unfolded’. His description of the conditions of decision-making applies quite well to the crisis of late 1917/1918. He describes a system that was ‘opaque and unpredictable, feeding a pervasive mood of mutual distrust, even with the respective alliances. (…) Fluctuations in power relations within each government – coupled with swiftly changing objective conditions – in turn produced the policy oscillations and ambiguous messaging that were such a crucial feature of the pre-war crises. Indeed it is not clear that the term “policy” is always appropriate in the pre-1914 context, given the looseness and ambiguity of many of the commitments involved’24. By late 1917 and early 1918, an important change in the role of public opinion and the press rendered Clark’s description of the pre-war situation even more contingent, unpredictable, and focused on the short-term crisis. Where my approach to the making of the peace differs from that of Clark’s to the origins of the war, I do not see the actors involved as ‘sleepwalking’ into their negotiations. All of the actors were under immense pressure to deliver a peace, but they all pursued rapidly evolving aims for the post-war world25. 2. From the Central Rada to the Ukrainian People’s Republic Despite its relative historiographical oblivion, the story of the making of the Ukrainian state has nonetheless been well chronicled by very astute observers and participants on all the important sides of the political conflicts. Among those who were present in

21 22 23 24 25

Ibid. xxiv. Ibid. 560. Ibid. Ibid. 557 f. For that matter, I am not persuaded that European leaders ‘sleepwalked’ into World War I either.

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Brest-Litovsk itself at one time or another, we have long had the accounts of the Austro-Hungarian Foreign Minister, Count Ottokar Czernin, his German counterpart, the State Secretary Richard von Kühlmann, the leading German military representative, General Max Hoffmann, the leading Soviet Russian negotiator and foreign minister, Leon Trotsky, to name the most important ones. We have also long had available several Ukrainian perspectives on the events of those months in the classic documentary histories of Pavlo Khrystiuk, as well as by other participants in the revolutionary and nation-building events, Dmytro Doroshenko, Volodymyr Vynnychenko, Oleksander Lotots’kyi, and several others. And, once again despite the relative historiographical obscurity of the topic for the reasons discussed elsewhere, there have been excellent scholarly studies and annotated editions of relevant archival documents starting from almost the very first years after the events themselves26. The first stage of the making of the Ukrainian state was the founding of the Central Rada in Kyiv after the end of the Russian autocracy in the revolutionary events in Petrograd in March 1917. Over the course of the following months, the Ukrainian nationalist activists in the Central Rada struggled to establish its legitimacy over the nine provinces of the Russian empire with a historical ethnographic Ukrainian majority. They sought to ground its authority in the numerous congresses and conferences of soldiers, workers, peasants, and intellectuals across Ukraine. Very soon, under pressure from within the Ukrainian national movement, from the authorities in Petrograd, and from the non-Ukrainian parties and movements in the major cities, they expanded its legitimacy by engaging with the quasi-representative bodies representing the largest constituencies, including Jews, Russians, Poles, and others. The leading Ukrainian historians cited above discuss the uneven data on elections to these bodies and make the case in their very juridical-constitutional histories that the Rada’s General Secretariat, and then the Ukrainian People’s Republic, had as much legitimacy in those revolutionary times as was feasible given the still ongoing war, the economic crisis, political polarization, and the collapse of traditional institutions and authorities. The progress of the Ukrainian state is chronicled by the ‘universals’ that the Central Rada issued in response to crisis and opportunities in relations between Kyiv, the Provisional Government and the Petrograd Soviet. These historians also largely agree that the next stage of Ukrainian state-building, after the ‘universal’ that proclaimed Ukraine independent of the authorities in Russia, was the Ukrainian Republic’s relatively rapid success in gaining recognition from ‘all the Great Powers of Europe’, including France, Great Britain, Soviet Russia, Austria-Hungary, Germany, Bulgaria, Turkey, and a consulate was also established by the United 26 See Khrystiuk, Zamitky [Notes]; Dmytro Doroshenko, Istoriia Ukrainy [History of the Ukraine] 1917–1923 I: Doba Central’noi Rady [Time of the Central Rada] (New York 21954); Volodymyr Vynnychenko, Vidrodzhennia natsii [Rebirth of the Nation] (Wien 1920); Oleksander Lotots’kyi, Storinky mynuloho [Pages of the Past], 3 vols. (Warsaw 1932–1934) III (1934) and others’ perspectives well conveyed by Pidhainy, Formation; see the recent survey of literature in Wolfram Dornik et. al. (Hg.), Die Ukraine zwischen Selbstbestimmung und Fremdherrschaft 1917–1922 (= Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung 13, Graz 2011); cf. especially the Introduction by Dornik, 20–23.

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States. The French were the first to recognize Ukraine and helped to influence the British, who were, however, more interested in the Caucasus and Central Asia. Even the relative latecomer Americans who, despite pursuing a line of keeping Russia together and thereby only half-hearted at best in their commitment to Ukraine, sent the American consul at Riga, Douglas Jenkins, to Kyiv on December 12, 1917, with instructions to open a consulate there27. (The French and British never rescinded their recognition, but they did renege on promises of aid to the Ukrainians when the Ukrainian People’s Republic was invited by the Central Powers to the peace negotiations in Brest-Litovsk.) During this period, the key Ukrainian player was the Central Rada’s Secretary for International Affairs, Oleksandr Shul’hyn, who was 28 years old in 1917. He came from a family of Ukrainian activists; his father had been exiled to Siberia and forced to live in emigration for his involvement in the national movement. Shul’hyn became a leader in the Ukrainian hromada of Petrograd, where he lived for ten years after his graduation from a Kyiv gymnasium. He represented Ukrainians in the Petrograd Soviet of Workers’ Deputies, was a founding member of the Ukrainian National Rada, and wrote for the Petrograd Russian-language newspaper, Ukrainskaia zhizn’ [Ukrainian Life]. In the second half of March, he returned to Kyiv as a member of the Central Rada28. The key player in France’s recognition was Colonel Georges Tabouis, who had been attached to the Southwest Front for most of 1917 and had come to appreciate the significance of the Ukrainian movement29, unlike his superior in Petrograd who, like the chief of the American military mission there, General William V. Judson, and President Woodrow Wilson, wanted to hold Russia together. (This choice of Russia over Ukraine was also true of Tabouis’ British counterpart, Alfred Knox, who also served with the Russian Army’s Southwest Front.) A new government in Paris and a new French commander, as well as new military developments with Romania, a recent ally of the Entente, made Romania the center of French attention towards Kyiv and allowed Tabouis to be appointed the first ‘Commissaire’ of the French Republic to the Government of 27 See George A. Brinkley, Allied Policy and French Intervention in the Ukraine, 1917–1920; in: Taras Hunczak (ed.), The Ukraine, 1917–1921: A Study in Revolution (Cambridge, Mass. 1977) 323– 381; and Hannes Leidinger, Die Ukrainepolitik Frankreichs 1917–1924; in: Dornik (et. al), Die Ukraine 391–412; and the essays on United States’ and Great Britain’s policy towards Ukraine by Dornik ibid. 431–448, 413–430. 28 Oleksandr Shul’hyn (1889–1960, died in Paris) was a member of the Union of Ukrainian Autonomists-Federalists, then the Ukrainian Radical-Democratic Party, and later still, the Ukrainian Party of Social Federalists. He was a fervent proponent of federalism and a legal, not revolutionary, approach to the restructuring of the Russian empire. He also served as the general secretary for the defense of minority rights. He resigned in protest over the Brest negotiations because of his pro-Entente politics, but he later served as Hetman Pavlo Skoropads’kyi’s ambassador to Bulgaria and chaired the commission on Ukrainian-Russian relations. In January 1919, he was appointed by the Directory as a member of the Ukrainian People’s Republic (UPR) delegation to the Paris peace conference. Vladyslav Verstiuk, Tetiana Ostashko (eds.), Diiachi Ukrains’koi Tsentra’lnoi Rady: Bibliografichnyi Dovidnyk [Members of the Ukrainian Central Rada: A Bibliographical Reference] (Kyiv 1998) 198–201. 29 Tabouis left his account of his role in Ukrainian history, in: Georges Tabouis, Comment je devins Commissaire de la Republique Francaise en Ukraine; in: Spohady [Memoirs] (= Pracy [Works] 8, published by the Ukrainian Scientific Institute, Warsaw 1932) 142–164.

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the Ukrainian Republic. This was very important recognition by a country that the activists, most of them socialists, admired for the legacy of the Great French Revolution, an admiration they shared, not surprisingly, with their Russian socialist counterparts. All the while, the Central Powers themselves kept close watch over the Entente efforts in Kyiv, and were aware of the announcements of recognition by France and Britain, and even rumours of possible loans to the Ukrainian People’s Republic (UPR) [Ukraïns’ka Narodna Respublika/UNR]. The Entente representatives – who by the end of 1917 included the French, the British, Italy, Serbia, and Romania – wanted the UPR to join the alliance on their side against the Central Powers. The UPR, however, stuck to its negotiating position of peace without annexations and indemnities, a just, democratic peace with all the belligerents, and a determination to remain neutral. By contrast, despite a position much closer to that of the Ukrainians, Tomáš G. Masaryk, representing the national liberation movement of Czecho-Slovakia, declared that the future Czecho-Slovak state would join the Entente against the Central Powers. But he had a complicated relationship with Russia because the Czecho-Slovak Legion, the core of a future Czechoslovak army of national liberation, was formed in Ukraine, but the Provisional Government in Petrograd had pledged to allow the Legion to cross Russian territory to join their countrymen fighting with the Entente on the Western Front. Shul’hyn for the Rada, and later the UPR, also came to agreements with Masaryk, but the Bolshevik coup in Petrograd complicated all those relations30. The Serbs also had nearly 24.000 troops in Ukraine; the UPR was in negotiations with the Serbian mission to join their forces to the Ukrainians’ own armed forces under Symon Petliura. 3. The Bolshevik Revolution and the UPR The first communications between the new Soviet government in Petrograd and the UPR, which had been proclaimed in the Third Universal of November 7, 1917, were a set of negotiations on November 30 between Joseph Stalin and Symon Porsh, Secretary of Labor for the Ukrainian government; those negotiations resulted in a first recognition of Ukraine. Briefly prior to these first negotiations, Kyiv Bolsheviks, speaking for the Southwestern Oblast Committee of the Party, demanded the convening of a congress of soviets for Ukraine, which the Bolsheviks hoped to dominate and then to declare that body the legitimate government of Ukraine. Instead, new elections were held to the Executive Committee of Workers’ and Soldiers’ Deputies and yielded a non-Bolshevik majority. The Kyiv Bolsheviks protested against the election of a Ukrainian Socialist Revolutionary (SR) as chairman and appealed to the Russian Republic for support. Porsh met not only with Stalin, but also with Sergei Bakinsky, on behalf of 30 On the Czecho-Slovak Legion, see an important new documentary collection from Moscow: K. A. Abramian et. al. (eds.), Cheshsko-Slovatskii (Chekhoslovatskii) korpus, 1914–1920. Dokumenty i materialy, t. 1. Cheshsko-slovatskie voinskie formirovaniia v Rossii, 1914–1917 [The Czecho-Slovak (Czechoslovak) Legions, 1914–1920. Documents and Materials I: Czecho-Slovak Military Formations in Russia 1914–1917] (Moscow 2013).

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the Southwest Oblast committee, and Stalin appeared at this time to accept the Rada as a negotiating partner. They even discussed a proposal to transfer national Ukrainian relics, notably banners and flags taken during the reign of Catherine II from Russian museums back to Ukraine in the name of ‘the fraternal union of free nations of Russia’. On the same day, December 7, 1917, Trotsky also issued an order to Commander-in-Chief Nikolai Krylenko that concluded with ‘the full recognition of the Ukrainian People’s Republic on the part of the Russian state’. In this order, Trotsky also recommended including a representative of the General Secretariat in the All-Russian peace delegation31. The first signal of a chill in relations was a decree of December 8 accusing the ‘bourgeois Rada’ of obstructing Soviet power from sending the necessary military forces to fight the Don Cossacks. Shortly afterwards, a Revolutionary Staff was formed to direct the struggle against Ukraine. On December 17, 1917, Krylenko was ordered to deliver to the Rada in Kyiv a manifesto from the Council of People’s Commissars. The very title of the first official communication by the Soviet government in Petrograd to the government in Kyiv makes its very contradictory and dual-level character clear, ‘a manifesto of the Council of People’s Commissars to the Ukrainian people with demands in the form of an ultimatum to the Ukrainian Rada’, an implicit aspersion on the legitimacy of the Ukrainian government, after reaffirming their commitment to the right of self-determination for all nations ‘that had been oppressed by Tsarism and the Great Russian bourgeoisie’, up to and including the right of these nations to separate from Russia, and even offering as a reassuring precedent to Kyiv the example of Petrograd’s relations with bourgeois Finland, namely non-interference. But the Council of People’s Commissars nonetheless accused the Rada of conducting a duplicitous ‘bourgeois’ policy by not recognizing Soviet power in Ukraine, by disorganizing the front by calling home Ukrainian soldiers, by disarming Soviet troops in Ukraine, and by giving aid to the ‘Kadet-Kaledin Don Cossack counterrevolutionaries’ to the south. The manifesto concluded with a demand that the Rada answer these charges within 48 hours or the Council of People’s Commissars would consider the Rada to be in a state of open war against Soviet power in Russia and in Ukraine32.

31 Although the Central Executive Committee of the Soviets in Petrograd had approved this plan with language of ‘brother-Ukrainians’ and noted the oppression of Ukrainians in the name of Great Russia. Unfortunately, this initiative, like so many others, fell victim to the war between the two new states. Pidhainy, Formation 400–406. On Trotsky’s order see Vladimir Antonov-Ovseenko, Zapiski o grazhdanskoi voine [Notes on the Civil War], 4 vols. (Moscow 1924–1933) I 47. 32 Manifest Soveta Narodnykh Komissarov k ukrainskomu narodu s ul’timativnymi trebovaniiami k Ukrainskoi rade [Manifesto of the Council of People’s Commissars to the Ukrainian People with ultimatums demanded from the Ukrainian Rada], 3 December 1917; in: S. M. Korolivskii (ed.), Pobeda velikoi oktiabr’skoi sotsialisticheskoi revoliutsii i ustanovlenie sovetskoi vlasti na Ukraine. Oktiabr’-dekabr’ 1917 [The Victory of the Great October Socialist Revolution and the Establishment of Soviet Power in Ukraine] (= Velikaia oktiab’skaia sotsialistiicheskaia revolutsiia na Ukraine fevral 1917-aprel’ 1918 [The Great October Socialist Revolution in Ukraine February 1917-April 1918]), 3 vols. (Kiev 1957) II 24 ff. Khrystiuk interpreted the manifesto as in fact the ‘overt rejection of the fact of the existence of Ukrainian democracy in any form’. Cf. Khrystiuk, Zamitky [Notes] II 85 f.

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The manifesto caught the Kyiv Bolsheviks by surprise; they reacted with ‘dissatisfaction and indignation’ and noted that the ‘Petersburg comrades’ had taken these decisions ‘without asking our advice, without receiving our consent (…) and utterly confused our plans’33. When the Manifesto was presented to the Congress of Workers and Peasants of Ukraine, its discussion led to threats against Bolsheviks who were present and an accusation by Mykola Kovalevs’kyi, a leader of the Ukrainian Socialist Revolutionaries (SRs) that the Bolsheviks were ‘Russian imperialists’. In reply, Ukrainian Bolshevik Vasyl’ Shakhrai insisted that the ultimatum was a misunderstanding and promised that ‘that part of the Russian Social-Democratic Party of Bolsheviks which lives in Ukraine would use all possible means to end this misunderstanding peacefully’34. A day later, the Petrograd government found Kyiv’s reply35 unsatisfactory and considered the Rada ‘in a state of war with us’. A protest delegation of SRs at a peasants’ congress in Petrograd was reminded by Stalin that in the pursuit of world revolution, ‘we shall sweep everything from our path, without considering the interests of individual nationalities’36. Lenin ordered Vladimir Antonov-Ovseenko to begin preparations for combat with Ukraine37. A first military assault fizzled out after the refusal of several Red units to fight against Ukraine, when they thought they were going to fight the counter-revolutionary Don Cossack Ataman Alexei Kaledin. Again, local Bolsheviks were caught unaware by the war. Artem (the revolutionary pseudonym of Fedor A. Sergeev) in Kharkiv protested against the Red Guard units sent there from attacking the Rada institutions, despite considerable pressure from the Red Guard commander. The Rada government did win the support of the leading, democratic body in Odessa and southeastern Ukraine, the Rumcherod, representing the soldiers, workers, sailors and peasants of the Romanian Front, the Black Sea Fleet and the Odessa district38.

33 Georgii Lapchinskyi, Z pershykh dniv vseukrains’koi radians’koi vlady [From the first days of allUkrainian soviet power]; in: Lytopis revolutsii [Chronicle of the Revolution] 5–6 (1927) 46–67, here 64. 34 Khrystiuk, Zamitky [Notes] II 70. 35 Vidpovid Heneral’noho Sekretariatu na Manifest Radnarkomu [Reply of the General Secretariat to the Manifesto of the Soviet of People’s Commissars], 5 December 1917; in: Vladyslav Verstiuk, Tetiana Ostashko (eds.), Ukrains’ka Tsentral’na Rada: Dokumenty I materialy u dvokh tomakh [The Ukrainian Central Rada: Documents and Materials in Two Volumes] (Kyiv 1996–1997) I (1996) (4 March–9 December 1917) 512–514, doc. 242. For discussion of Manifesto, see doc. 241. 36 Oliver Henry Radkey, The Sickle under the Hammer. The Russian Socialist Revolutionaries in the Early Months of Soviet Rule (= Studies of the Russian Institute, Columbia University, New York 1963) 310. 37 Postanovlenie Sovnarkoma o napravlenii V. A. Antonova-Ovseenko dlia organizatsii bor’by s Ukrainskoi Radoi [Resolution of the Soviet of People’s Commissariats on the direction of V. A. AntonovOvseenko in organizing the fight with the Ukrainian Rada]; in: A. V. Golunov (ed.), Direktivy Glavnogo komandovaniia Krasnoi Armii (1917–1920). Sbornik dokumentov [Directives of the Main Command of the Red Army (1917–1920): A Collection of Documents] (Moscow 1969) 14 f., doc. 8 (5 December 1917). 38 On the Romanian Front, see Glenn E. Torrey, The Revolutionary Russian Army and Romania, 1917 (= The Carl Beck Papers in Russian and East European Studies 1103, Pittsburgh, PA 1995).

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4. The Bolshevik Call for Peace and the Making of the Ukrainian (and Soviet Russian) States This first Soviet Russian–Ukrainian conflict was the backdrop to the Bolshevik call to all the belligerents on November 26, 1917, to end the fighting and come to a negotiated settlement. The outcome of that first conflict, namely the defeat of the Soviet Russian forces, was duly noted by the Central Powers and gave them more confidence in the capacity of the Ukrainian state to survive in such troubled conditions. The fighting also gave German troops a breathing spell and greater readiness to press for peace when the Bolshevik appeal was made. This first experience with the new revolutionary leadership to the north already led to a fundamental change in the UPR’s politics that led to the proclamation of the Fourth Universal on January 9, 1918, announcing a complete break with the Bolshevik version of Russia. For both Soviet Russia and the UPR, their invitation and appearance in Brest-Litovsk was a historic debut on the international arena. Following the Bolsheviks’ call for peace, the Small Rada met to formulate its own appeal to the belligerent powers, in which it announced its desire to enter into a truce and informed the Allied powers of this, bearing in mind: a) that only the central organ of a socialist and federative power may conduct peace negotiations in the name of the whole Russian Republic; b) that in the present circumstances such a power can be created only in the process of realizing peace; c) that other ways of creating such a power can prolong and hinder the cause of peace – the UPR proceeds to the active realization of peace. In the name of the UPR, it appealed to the peoples of Russia and the allies and enemies and also appealed to all peoples of Russia to participate as actively as possible in these negotiations39. This was an implicit challenge to the Bolsheviks’ appeal and their claim to speak for all the ‘peoples of Russia’ and led to accusations from the Bolsheviks that the Ukrainian government had been hostile to Soviet power from the outset. Both Petrograd and Kyiv hoped for a positive reply from the Entente powers, their preferred negotiating partners, but when those refused to reply, the leading roles in the making of the Ukrainian state shifted to the Central Powers, the Soviet Russian government, and, very importantly, UPR diplomats and political leaders. With the Central Powers’ agreement to an armistice, they called representatives to Brest-Litovsk, the headquarters of the German Eastern Front. The UPR sent a Ukrainian delegation to Brest-Litovsk on December 18, 1917, that declared that they alone had the authority to speak on behalf of Ukraine. The events that led to the signing of the treaty with Ukraine were not the result of long-term plans for empire in Eastern Europe; on the contrary, Fedyshyn concludes that all the German Foreign Office documents that he read ‘show rather convincingly that in the beginning Germany had no definite plans for a treaty with the Ukraine and that separate talks with the delegation were initially undertaken in the hope of 39 In late June/early July, the UPR appointed Shul’hyn, head of the commission, to convene a Congress of Oppressed Peoples of Russia, which met in Kyiv on 8–15 September 1917. The Congress called for the federalist reorganization of Russia and for the election of a Rada of Peoples.

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strengthening the Reich’s position vis-à-vis the Bolsheviks to force them into a speedy acceptance of Germany’s terms’. Berlin’s decision to make a separate agreement with the Ukrainians was arrived at in mid-January 1918, but did not crystallize fully until after Berlin talks between German and Austrian civilian and military leaders held on February 5–640. After all, the Central Rada only proclaimed its independence as the Ukrainian People’s Republic in the Fourth Universal on January 9, 1918; although the preceding Third Universal had proclaimed the UPR as the sovereign power and authority, they did so ‘without separating ourselves from the Russian Republic and maintaining its unity’ and ‘with the aim that the whole Russian Republic may become a federation of equal and free peoples’41. Foreign Minister Ottokar Czernin had made his first appeal for a peace ‘at any price’ to his Emperor Karl in April 1917 and outlined the disastrous consequences for Austria-Hungary and Germany if a peace could not be reached by late summer or fall. But on the first appearance of a Ukrainian delegation in Brest on December 18, 1917, the Austro-Hungarian ambassador there expressed his suspicions that the Germans had concocted this scheme to weaken the Russians’ positions and he feared that the Ukrainian example might be taken up by the Czechs or other peoples of the empire42. The Austrians – this first reaction being quite characteristic – were constrained by their historical relations with the Empire’s Poles and their own ‘Ukrainians’ in Galicia and Bukovyna; they were always more cautious and saw the Rada as a ‘temporary Ukrainian regime’, and, furthermore, insisted that any further decisions about that regime form part of their relations with a future Russia. Trotsky later accused the Austrians of duplicity in signing the treaty with Ukraine as violating this initial promise 43. The military and diplomatic authorities that came to the negotiations at BrestLitovsk were there largely as a result of their relative and different weaknesses and the desperation of all the belligerent powers to stop the fighting in the East. The Central Powers urgently needed to transfer troops from the Eastern Front to the West for what they hoped would be one final, victorious offensive. The Bolsheviks and the Ukrainians needed peace to consolidate their revolutions and build their new, still very fragile

40 Fedyshyn, Drive to the East 82. Very much in the spirit of Clark’s understanding of how the war broke out, Fedyshyn echoes this view of the Ukrainian treaty, which ‘was thus not a corollary of a long and clearly discernible process of German political planning and scheming, but merely a product of a series of military and economic considerations produced by a long period of ceaseless warfare, and of the determination to bring the hostilities to a victorious end, or at least an “honorable and equitable” settlement’. Chernev also highlights the unexpected character of the outcome of the Brest negotiations. See Chernev, The Future. 41 See Appendix, Hunczak (ed.), The Ukraine 387–395, for the texts of the Third and Fourth Universals. 42 Doc. 170, 12 April 1917, Doc. 171, 16 December 1917 cf. Theophil Hornykiewicz (ed.), Ereignisse in der Ukraine 1914–1922: deren Bedeutung und historische Hintergründe, 4 vols. (Philadelphia – Horn 1966–1969) II (1968) 1–4. 43 Cf. Bihl, Friedensschlüsse von Brest-Litovsk; and Chernev, The Future; on Trotsky’s accusations, see Doc. 245: Protocol of Meeting of Political Commission, 9 February 1918; in: Hornykiewicz (ed.), Ereignisse II 222–227.

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states. The common desperation was the consequence of the political, economic, and social instability of all the states after three years of devastating war and the attendant mobilizations of manpower and other resources. The political challenges included restive and critical parliaments in Berlin and Vienna, hunger that became articulated in a workers’ council movement in the major cities, but also very insecure regimes in Bolshevik Petrograd and in Kyiv as well. By 1917, war and peace had become a matter of national political discussion and conflict. Leon Trotsky in Petrograd and – briefly – Woodrow Wilson in his Fourteen Points had both also proclaimed the end to secret diplomacy and a new era of transparency. The Bolsheviks clearly saw the negotiations as an opportunity to wage a propaganda war on behalf of the international revolution; they hoped their own example would ignite socialist revolution throughout Europe. The first chairman of the Soviet delegation, Adolph Joffe, asked permission to visit Vienna to make contacts with the leftist parties and workers’ movement, but was rebuffed in his request44. The Central Powers’ diplomats and statesmen had to report to their parliaments, where center-left parties demanded a just and democratic peace. Even German General Hoffmann, who was arguably operating from the strongest position among the negotiators at Brest, constantly complained in his diaries about Reichstag deputies who criticized their own diplomats and military leaders for their policies, for their conditions for peace, and later for their treatment of Ukraine. In Vienna, too, the Reichsrat was back in session after being suspended for the first years of the war, but most threatening was a strike movement in January 1918 that spread across Austria and Hungary and that also demanded an immediate and just peace. The Bolsheviks subjected their own treaty with the Central Powers and the Ukrainian Republic to votes by soviets across the cities and regions that had achieved momentary Bolshevik majorities. The conditions of the Brest treaty provoked the first major split within Bolshevik ranks; Trotsky eventually allied with Lenin on accepting a peace against the party militants, who wanted revolutionary war and deemed it a disgrace to sign a peace of capitulation with world imperialism45. Never before, had international negotiations been conducted in such conditions. Trotsky’s account of his performance at Brest-Litovsk dramatically renders how all the negotiating parties were operating from positions of weakness, which made them all willing to cede much more than they had anticipated doing on their arrival in Brest44 Hoffmann described the Bolsheviks’ demands as following: ‘The first condition the Russians made was that of entire publicity. They demanded to have the right, at the conclusion of each consultation, to make known by telegraph or wireless the exact text of what each party had said. I had nothing against this; but in order to avoid the publication of erroneous interpretations of one side or the other, I suggested the appointment of an auxiliary Commission which would draw up the minutes of each meeting immediately after it had taken place.’ Later, he wrote: ‘Other Russian attempts to change the negotiations into propagandistic channels I was also able to check.’ Hoffmann, War of Lost Opportunities 197 f. See also Czernin’s complaint about the demagogy and agitation of the Russian delegation and their clear efforts to delay the negotiations. Doc. 184, 13 January 1918; in: Hornykiewicz (ed.), Ereignisse II 17 f. On Joffe’s request and its discussion, see ibid. docs. 198–200, 29 f. 45 For this early period of Soviet foreign policy, the best study remains Richard K. Debo, Revolution and Survival: The Foreign Policy of Soviet Russia, 1917–18 (Toronto – Liverpool 1979).

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Litovsk. He recalled that General Hoffmann, out of exasperation with Trotsky’s nonstop anti-imperialist and anti-war propaganda campaign, reminded him that the German army was ready to march on Petrograd if the Bolsheviks were not prepared to sign a peace. Trotsky was quite forthright about Bolshevik Russia’s weakness ‘thanks to the depredations of the former ruling classes’, but he in turn prophesied to Hoffmann that power lay with the oppressed workers and peasants, not only in Russia, but throughout the world. He also described Czernin as visibly under great stress from reports of hunger in Vienna, working-class and left-wing strikes against the war and the monarchy and who very urgently needed to deliver grain in the so-called Brotfrieden46. Germany, too, was experiencing a wave of strikes and mutinies in January 1918, caused by hunger, cold, and war weariness. By the end of the month, General Erich Ludendorff persuaded the Chancellor to arrest the leaders of the Berlin strikes and send thousands of striking workers to the front47. In this context, the delegates from the Ukrainian Republic were also acutely aware of their own weaknesses, and they sought to take advantage of the weaknesses of the others to advance the claims for Ukrainian statehood. These representatives, in some sense the key actors in the making of the Ukrainian state, were: Oleksandr Sevriuk48, Mykola Liubyns’kyi, and Mykola Levyts’kyi, and, at one point in the negotiations, the Ukrainian Prime Minister Vsevolod Holubovych and Mykhailo Polozov. Although the Ukrainian delegation was young (Holubovych was 33, most of the rest were under 30), they had all served in the executive of the new Ukrainian government, the General Secretariat49. The collective experience of these men over the months of 1917, representing, as they did, the important soldier and student-intelligentsia constituencies of the Ukrainian movement, might actually have given them a considerable relative advantage over the Bolsheviks, who had the benefit of little more than a month in power. Leon Trotsky, My Life. An Attempt at an Autobiography (New York 1930) 362–378. Hoffmann confirms Trotsky’s description of Czernin as ‘a clever, distinguished man, who unfortunately had entirely shattered nerves’; cf. Hoffmann, Lost Opportunities 204; and Czernin himself hardly denies the desperate situation he felt himself to be in during the negotiations. Chernev, in his pioneering chapter on the great Austrian strike of January 1918, notes that Czernin had to face a hostile Vienna workers’ council meeting to defend his position at the Brest negotiations – a first for a foreign minister of Austria-Hungary. Chernev, The Future 174. See also Hoffmann’s extraordinary speech to Trotsky reminding him that the Germans were victors in Russian land and not vice versa. Doc. 228, 12 January 1918; in: Hornykiewicz (ed.), Ereignisse II 85 ff. See also the troubled reactions of Czernin to Hoffmann’s speech as possibly delaying any peace; doc. 185, 13 January 1918; in: ibid. 18. 47 Holger H. Herwig, The First World War: Germany and Austria-Hungary, 1914–1918 (= Modern Wars, London – New York 1997) 373–387. 48 See Sevriuk’s account of the negotiations: Oleksandr Sevriuk, Beresteis’kyi myr (Uryvky zi spomyniv) [The Brest Peace (Fragments from Memoirs)]; in: Iyes Kedryn (ed.), Beresteis’kyi myr: Spomyny ta materiialy [The Peace of Brest: Memoirs and Materials] (L’viv – Kyiv 1928) 143–166. 49 These men were from the Ukrainian Social-Democratic and Ukrainian Social-Revolutionary Party, the two dominant parties of the coalition of the Central Rada. They either stayed in Soviet Ukraine or returned from exile in Europe to Soviet Ukraine in the 1920s, and all perished in Soviet camps, most of them in connection with the trumped-up trial of the ‘Ukrainian National Center’, and linked to the historian Mykhailo Hrushevsky, who also died in Moscow, though not in a camp. For biographical details on these men, see Verstiuk, Ostashko (eds.), Tsentra’lnoi Rady [Central Rada] 83 f., 114 f., 120, 137 f., 146 f. 46

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I feature these men and their efforts because without them and their offer to the Central Powers, the possibility of a separate Ukrainian peace would obviously never have materialized, but also with their persistence in their negotiating stance and their relative unity as a delegation, they were key to the achievement of a Ukrainian state with international recognition and, eventually, as a second component of their negotiations, to the military support of the Central Powers against the unexpected new enemy in Bolshevik Russia. All negotiators from the Central Powers who took part in the negotiations at Brest-Litovsk expressed their admiration for the Ukrainian delegation. Count Czernin, even though he felt humiliated by being forced to deal with the ‘young men’ from Ukraine, took the Ukrainian delegates quite seriously and acted as though he were dealing with equal partners. Both Kühlmann and Hoffmann had genuine admiration for the young negotiators at Brest. Kühlmann remarked, ‘they behaved bravely, and in their stubbornness forced Czernin to agree to everything that was important from their national point of view’. Even Trotsky, much as he despised the delegates, met them in informal talks and admitted that they had to be taken seriously50. Among their most important contributions to the outcome of the Brest negotiations was their argument with the Soviet delegation to defend their understanding of self-determination, independence, and state sovereignty. The Ukrainian delegates did not hesitate to unmask the hypocrisy of the Soviet positions and to expose the artificial character of the Kharkiv Soviet Ukrainian government that had been set up in opposition to the Rada in Kyiv. One of the most dramatic moments of this confrontation, played out in full view of the Central Powers’ delegates, came on the day before the eventual signing of the treaty with Ukraine, 1 February, when first Oleksandr Sevriuk and then Mykola Liubyns’kyi contested Trotsky’s version of self-determination. They also reminded him that, before he insisted on the Kharkiv delegation as the legitimate representative of Ukraine, he and the Soviet government had already recognized the UPR and entered into negotiations with it. Trotsky had brought with him as a member of the Soviet delegation Efim Medvedev, the chairman of the Kharkiv executive committee. After Trotsky had offered a telegram declaring that the Rada no longer held power in Kyiv and challenged the right of the UPR to represent Ukraine in Brest, Sevriuk demanded to know how Trotsky could claim to represent all the peoples of the former Russian Empire when there was no representation from ‘Moldova, the Crimean Tatars, the Don Cossacks, the Caucasian peoples, or Siberia’. Liubyns’kyi dispensed with diplomatic niceties and the general practice of the negotiators to avoid touching on the domestic political situations of the negotiating parties, reluctantly concluded 50 In his autobiography Trotsky was contemptuous of all his interlocutors at Brest. He claimed that he expected much better from the elites of Germany, Austria-Hungary and the other Central Powers, but he considered the Ukrainian delegation beneath contempt and ‘led by the nose’ of the Central Powers. What is also interesting is how carefully Trotsky had studied the memoirs of his great power rivals at the peace talks. He ‘corrects’ Count Czernin’s memoirs and, at other times, uses Czernin’s own ‘admissions’ to prove how right he, Trotsky, was. He saw himself as far superior to all these military and diplomatic personnel. See Trotsky, My Life 362–378.

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that Trotsky’s misrepresentations of the situation made a refutation of his outrageous positions necessary: ‘The loud declarations of the Bolsheviks about the complete freedom of the peoples of Russia are nothing but a coarse demagogic device. The government of the Bolsheviks, which has chased away the Constituent Assembly and which is upheld by the bayonets of the mercenary Red Guards, will never decide to implement in Russia the just principles of self-determination because it knows quite well that not only the several Republics – the Ukraine, the Don Region, Caucasia and others – will not recognize it as their legitimate authority, but that even the Russian people themselves would gladly refuse them that right. The Bolsheviks, with their congenital demagoguery, have proclaimed the principle of self-determination both in Russia and here at the peace conference, exclusively because of fear of national revolution [in the borderlands of the former Russian empire]. They rely on the mercenary gangs of the Red Guards to prevent the implementation of this principle in practice. They use evil and intolerable means: they close down newspapers, disperse political meetings, arrest and shoot civic leaders, and they engage in false and tendentious insinuations by which they attempt to undermine the authority of the governments of the young republics. They accuse noted socialists and veteran revolutionaries of being bourgeois and counterrevolutionary. And so the government of the Bolsheviks has declared a holy war against the Republic, in which they demand the expulsion of the bourgeois governments and refuse to end the fratricidal war. Instead of the principle of the right of self-determination the Bolsheviks follow the principle of anarchy and destruction because they know it is easier to destroy than to create.’51

Several other circumstances contributed to the young Ukrainians being taken more seriously than they might otherwise have been. First, before Trotsky took over as head of the Soviet delegation for the second round of the talks, the Central Powers were shocked and insulted by the first Soviet delegation that notoriously included a sailor, a worker, and a woman terrorist assassin. Second, the Central Powers also had difficulties with their own allies, above all the Bulgarians, who at times proved to be as obstructionist as the Bolsheviks. Still, at another moment early in the negotiations, the Bulgarians argued for accepting Ukraine’s independence against the Ottoman insistence on treating Ukraine as part of a Russian federation52. Besides the delegation from Kyiv, other Ukrainians played important roles at this critical juncture of a very entangled history53 of Ukrainians in Berlin and Vienna with ties to Austro-Hungarian and German officials in those capitals as well as in Kyiv itself and also in Lviv and, for a few important weeks, in Brest-Litovsk, who went into action to further the Ukrainian cause at different moments and in different constellations. In these various centers, these actors responded to the ever-evolving geopolitical opportunities presented by the advances and retreats of armies and the impact of the war on 51 See Protocol for Eighth Plenary Session of Peace Negotiations, 1 February 1918 (Translation Ivan L. Rudnytsky); in: Hornykiewicz (ed.), Ereignisse II, 192–206, doc. 240. 52 Chernev describes Bulgarian Justice Minister (and head of the delegation) Hristo Popov and his Prime Minister Vasil Radoslavov as determined to realize their dreams of Greater Bulgaria, a vision of a new Byzantium, and opposed to the Bolshevik-UPR demand for no annexations. See Chernev, The Future 227–261. 53 See Mark von Hagen, The Entangled Eastern Front in the First World War; in: Eric Lohr, Vera Tolz, Alexander Semyonov, Mark von Hagen (eds.), The Empire and Nationalism at War (= Russia’s Great War and Revolution 2, Bloomington, Ind. 2014) 9–48. The focus of that essay is on the experience of occupation regimes and of prisoners-of-war on the Eastern Front as examples of forced entanglements that distinguished this front from the Western Front.

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the political, economic, and social conflicts in the capital cities. These actors did not act according to a master plan, nor did they by any means share common objectives, but behaved from situational and largely self-interested motivations. Nonetheless, their cumulative efforts, and above all the determination of the Ukrainian political actors, created the spaces that allowed for the consolidation of a Ukrainian state, and even a Ukrainian nation. Characteristic of these Ukrainian–Central Powers’ networks are two figures who played important roles in Brest. The first is Mykola Vasyl’ko, a baron and the representative of Bukovyna in the Imperial Reichsrat, purportedly close to Czernin; Fedyshyn describes him as serving ‘as a go-between in negotiations between the Central Powers on the one hand and the delegates on the other’ – a very important source of information and advice to the Ukrainians at Brest54. Most importantly, it was Vasyl’ko who kept the Ukrainian delegation in Brest well informed about the desperate situation in Vienna that was dictating the urgency for Czernin to get a peace signed. A second figure is Mykola Zalizniak, a Ukrainian Social Revolutionary with a colorful biography, including as founding member of the Central Powers-friendly Union for the Liberation of Ukraine55. Zalizniak arrived in Brest-Litovsk from Berlin and met with Vasyl’ko and the Germans and also served as a go-between in the talks between the Rada and the Central Powers. One further ‘environmental’ or perhaps structural factor that also probably worked in Ukraine’s favor was the contrasting perceptions of the political state of Bolshevik Russia and Ukraine. Another of the conventional pictures we have of Ukraine is as a country permanently in chaos, either out of the inability of the various Ukrainian political factions to come together on anything existentially important or the general situation in Ukraine being one of lawlessness and near anarchy. What comes through, however, in the debates and discussion about Russia and Ukraine among the Central Powers is quite a different picture. By late 1917 and early 1918, most of the foreign observers in Petrograd and Kyiv, who had the intelligence to make some judgment about the relative stability of the two countries, nearly all agreed that Petrograd did not have the control over the Russia it claimed, that the economy was in shambles, that the Bolshevik hold on power was tenuous at best. Ukraine, by contrast, looked to be an island of relative peace and stability, and, as a few observers noted, the UPR politicians mostly had almost a year’s experience in establishing their rule and co-operating with other important constituencies in Ukraine, whereas the Bolsheviks had come to power only in early November, and then only in Petrograd, Moscow, and a few other industrial or garrison cities. Count Wilhelm von Mirbach-Harff made a visit to Petrograd in late December and entitled his report to the Chancellor, ‘Chaos’. Chernev also cites a Berlin newspaper with a report of a German delegation just returned from Petrograd. ‘The account described at some length the communalization

Fedyshyn, Drive to the East 300. See Mykola Zalizniak, Moia uchast u myrovykh perehovorakh Berestiu Litovs’komu [My participation in the peace negotiations of Brest-Litovsk]; in: Kedryn (ed.), Beresteis’kyi myr [The Brest Peace] 51–81. 54 55

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of private lodgings, widespread famine, virtual absence of public safety, and popular longing for “German order, organization, and discipline”’. The delegate, who had ostensibly received permission from the Bolsheviks to explore the city on his own due to his decent knowledge of the Russian language, concluded on an ominous note: ‘I was asked not alone by well-to-do people but also by waiters and chambermaids when the Germans were going to come.’56 In Brest-Litovsk, Trotsky was so concerned about the impression from the ‘Austro-German press’ that was ‘full of reports about horrors in Petrograd, Moscow and throughout Russia, of hundreds and thousands of people killed, of machine-guns chattering, etc.’ that he wrote to Lenin in the Smol’ny (Bolshevik headquarters and residence of Lenin) that it was ‘absolutely essential to assign someone with his wits about him to provide daily reports on the state of affairs in the country (…)’57. For many European statesmen, the idea of keeping Russia together was far more attractive than contributing to its break-up, but that attachment was undermined by the perception of disorder in Petrograd, even more than the possibly distasteful character of the Bolshevik regime. Without the persistent efforts of the Ukrainian delegation, there clearly would not have been a peace treaty signed with them and the Central Powers, but the Germans and Austrians also played very important roles. Most contemporaries and later historians have agreed that the most important non-Ukrainian at the center of the negotiations was the German General Max Hoffmann, who served as the representative of the German Supreme Command. According to Fedyshyn, Hoffmann was one of very few German officials (not counting those born in the Baltic provinces) who possessed a good first-hand knowledge of the east and could speak Russian fluently. He had traveled extensively in Ukraine as a businessman prior to the war, became sympathetic towards Ukrainians and their national aspirations, and kept up with Ukrainian developments with the help of the German publicist Paul Rohrbach and others58. Hoffmann offered Czernin, who he deemed ‘the most important personage in these negotiations’, that he would deal with the Ukrainians because the ‘young representatives of the Kiev

56 Chernev, The Future 84 f. Mirbach’s report to Chancellor Georg von Hertling, dated December 30, 1917, ‘Germans in Petrograd’ in: Berliner Lokal Anzeiger, 19 February 1918. English translation, in: Garrett to the State Department, no. 874, 25 February 1918. United States. National Archives and Records Administration (NARA). Records of the Department of State Relating to World War I and its Termination 1914–1929, Washington. General Services Administration RG 59, microcopy M 367, roll 82. 57 Doc. 7, Brest, January 31, 1918; in: Jan M. Meijer (ed.), The Trotsky Papers, 1917–1922, 2 vols. (The Hague 1964, 1971) I: 1917–1919 (1964) 10–13. The same day, Trotsky wrote to Commissar of Foreign Relations Georgy Chicherin that the ‘entire bourgeois press, that of the Central Powers and that of the Allied Powers, is putting out in concert innumerable lies and fabrications about the state of affairs in Russia’. Ibid. I 14–17. 58 Fedyshyn, Drive to the East 80. Czernin wrote of his ‘impression that the General combined expert knowledge and energy with a good deal of calm and ability, but also not a little Prussian brutality, whereby he had succeeded in persuading the Russians, despite opposition at first, to agree to very favourable terms of truce’; elsewhere he describes Hoffmann as ‘very excited, Kühlmann true to his name and “cool” as ever’. See Ottokar Czernin, In the World War (London 1919) 215, 223.

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Central Rada were not sympathetic to Count Czernin, and he did not like to negotiate with young Messrs Liubins’kyi and Sevriuk, who were scarcely past their student years, on a footing of equality’. He took it upon himself to let the younger men know when they were pushing the limits of the Central Powers’ patience59. Other Germans who played important roles were the German State Secretary, Richard von Kühlmann, and Prince Leopold of Bavaria, commander-in-chief of the Central Powers’ armies on the Eastern Front60. Foreign Minister Ottokar Czernin was the most important representative from Vienna. He saw the Ukrainians as ‘very different’ from the Russians, ‘far less revolutionary, and with far more interest in their own country, less in the progress of Socialism generally’. He acknowledged that the Ukrainians were not that interested in the future of Russia, but he also sensed that since their independence was so new, they had not yet decided how that squared with their goal of a federation for the former Russian empire’s oppressed minorities. A few days later, Czernin complimented the Ukrainians ‘who, despite their youth, are showing themselves quite sufficiently grown to profit by the situation’, and by January 21, when the Ukrainians had learned of the desperate situation in Vienna, Czernin recorded in exasperation: ‘The Ukrainians no longer treat with us: they dictate!’61 5. Soviet Russia Wages War against Ukraine All the efforts – unwitting and witting – of the several ‘authors’ of Ukrainian statehood notwithstanding, there were always powerful counter-forces opposing and resisting the idea of Ukrainian independence. Those policies and recommendations came from equally entangled networks of Russians, Poles, Germans, Austro-Hungarians, Ukrainians, Jews, and others. Most importantly, Soviet Russia can better be described as among the ‘unmakers’ of the Ukrainian state, together with the White Russians and the new Polish Republic to Ukraine’s west. As noted above, the Soviet government in Petrograd recognized the Ukrainian Republic on several occasions, even while

59 Hoffmann, Lost Opportunities 220 f.; elsewhere, he writes: ‘During those days I often admired the young Ukrainians. It is certain that they knew that the possible help from Germany was their last hope, that their government was but a fictitious conception; nevertheless, they held to the demands they had succeeded in obtaining and they did not waver a finger’s breadth in all their negotiations with Count Czernin.’ Ibid. 224 f. 60 The importance of Bavarians in the making of the Ukrainian state is notable; besides Prince Leopold, Kühlmann was also Bavarian, as was his superior, the Chancellor Count Georg von Hertling. Also in attendance in Brest was Bavarian State Minister Count Clemens von Podewils-Dürniz. Austria-Hungary’s ambassador to Berlin reported to Czernin that ‘the animosity toward Bavaria that one senses here in the greater public has been fed anew with the appointment of Count Podewils to Brest. The Prussians can’t bear it that Count Hertling and Mr. von Külhmann come from Bavaria and Dr. [Friedrich] von Payer from Wuerttemberg, that the most important positions are occupied by south Germans and especially with Bavarians’. Cf. doc. 190, 21 January 1918; in: Hornykiewicz (ed.), Ereignisse II 21 f. 61 Czernin, World War 226 f., 234, 236.

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simultaneously threatening it with an ultimatum and war and while endorsing a rival Ukrainian government in Kharkiv allied with Russia. In these early weeks and months of Soviet Russian–Ukrainian encounters, the two most important Bolsheviks in the ‘unmaking’ of Ukraine, Leon Trotsky and Vladimir Antonov-Ovseenko, had – perhaps ironically but not unusually for imperial Russia – their origins in Ukraine, or at least the territories that the Rada claimed for Ukraine. Trotsky, a Russified Jew, was born and spent his childhood in Yanovka near Kharkiv and worked for much of his early adulthood as a correspondent for the leading Russian-language Kiev newspaper, Kievskaia mysl’. Antonov-Ovseenko, a Russified half-Ukrainian, was born into the family of a Russian army officer in Chernihiv. Stalin, as the new government’s expert on nationality matters, also shaped policy towards Ukraine, as did Vladimir Lenin, of course, the most influential of Bolshevik leaders on most issues; both had little prior contact with Ukraine, though Lenin had followed political developments there before the war and written about Ukraine–Russian relations62. After the failed offensives of late December 1917, the Bolsheviks reviewed their tactics and a second assault was also placed under the command of Vladimir Antonov-Ovseenko, who had as his chief of staff the notorious former Left Socialist Revolutionary Mikhail Murav’ev, recently commandant of Petrograd. Murav’ev’s troops numbered approximately 11,200 men against an estimated 11,400 troops defending the capital. He announced the outlines of his occupation regime on February 4, in Order No 9, in which he called on his troops ‘to exterminate without mercy in Kiev all officers and students of military academies, haydamaks63, monarchists, and all enemies of the revolution’. A few days later, in Order No. 14, Murav’ev authorized terror for three days until February 11, when a new order prohibited unauthorized searches, arrests and lynchings. Georgii Lapchinskyi, a member of the presumptive Soviet Ukrainian government, acknowledged ‘as a participant and witness of these events’ that Murav’ev’s onslaught made bombardment an ‘entirely normal and expedient form of mass revolutionary terror’64. Even Antonov-Ovseenko, one of Murav’ev’s most loyal advocates in the Bolshevik leadership, admitted that his behavior made him ‘an occupier, foreigner-migrant (prishelets) from the Soviet north’ in the eyes of the Kiev inhabitants’65. The number of victims in the capture of Kyiv is difficult to determine precisely66. The best estimate is that the number of officers murdered on the streets was 2,576. Doroshenko assessed that 3,000 persons were killed on the first day of the occupation

62 Roman Szporluk, Lenin, ‘Great Russia,’ and Ukraine; in: Harvard Ukrainian Studies 28/1–4 (2006) 611–626. 63 Haidamak was a general Soviet reference to anti-Soviet Ukrainian soldiers. 64 Lapchinskyi, Z pershykh dniv [From the first days]; Idem, Pershyi period radians’koi vlady na Ukraini. TsVKU ta Narodniy Sekretariiat (Spohady) [The first period of soviet power in Ukraine. The CECU and the People’s Secretariat (Memoirs); in: ibid. 1 (1928) 160–175; and Borot’ba za Kyiv-sichen’ 1918 r [The Battle for Kyiv: January 1918]; in: ibid. 2 (1928) 209–219. 65 Antonov-Ovseenko, Zapiski [Notes] I 154. 66 Pidhainy evaluates the best sources as those of the reports of the American consul Douglas Jenkins, and Austrian reports from Kyiv. See Pidhainy, Formation 599.

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of the city and the total number of victims and prisoners came to over 10,00067. The terror was primarily directed against ‘nationalist’ Ukrainians and officers of the Russian army, but also against Ukrainians sympathetic to the Soviet regime, including some Ukrainian Socialist Revolutionaries, for example, who fell victim to the violence. Lapchinskyi admitted that ‘our soldiers were not always able to distinguish well’ and thus Ukrainians in general suffered, ‘simply Ukrainian elements, even those favorable to Soviet power’68. Lenin later commended Murav’ev and his troops for the capture of Kyiv when he announced his appointment to command the war against Romania69. Not surprisingly, this first war of Soviet Russia against Ukraine and the terror occupation of Murav’ev poisoned relations between the two revolutionary governments, but even sat uneasily with Ukrainian Bolsheviks. Again, our best witness is Lapchinskyi, who recalled that ‘the terrifying effect of the five-day-long bombardment and of the essentially class vengeance of the revolutionary army which had driven the Central Rada from Kiev, was so strong, that remembrances about the “horrible Murav’ev days” in Kiev among the bourgeois Kiev population and among the working classes over the entire USSR acquired truly legendary proportions’. (Murav’ev reported to Lenin that he ‘took 10 million from the Kiev bourgeoisie’ and he ‘gave recompense to the troops from part of the contribution’ while he used the rest for the organization of work for unemployed and to aid families of casualties from the local people ‘as well as from my armies’70.) The ‘father’ of the Ukrainian nation, the historian and statesman Mykhailo Hrushevsky, wrote on February 17, 1918, shortly after the violence: ‘These are, in the main, the settings of the catastrophe through which our Ukraine had to pass on the threshold of its new life, that great cleansing by fire, in which it seems various old prejudices, outlived traditions and views had to burn away (…) Not only men are being killed in it, but ideas as well. Not only cities are being destroyed, but traditions too (…) There burn historical, cultural, economic and all other ties of the Ukrainian people with the Russian people (…) Earlier, the Ukrainian people concerned themselves with bureaucracy and government. Now we, by the most immediate means, must wage the struggle between the nations themselves – Great Russian and Ukrainian.’71 67 Dmytro Doroshenko, Moi spomyny pro nedavne-mynule 1914–1918 [My Reminiscences Concerning the Distant Past), 4 vols (Lviv 1923–1924) I 294. 68 Lapchinskyi, Borotba za [Battle] 219. 69 Lenin expressed confidence in Murav’ev’s success against the Romanians, and ‘we don’t for a minute doubt that the valiant heroes of the liberation of Kiev will not delay in fulfilling their revolutionary duty’. Cf. doc. 17, 17 February 1918: Telegramma V. I. Lenina Glavnokomanduiushchemu M.A. Murav’evu, Rumynskoi Verkhovnoi Kollegii, Narodnomu Sekretariatu Ukrainskoi Respubliki [Telegram from V. I. Lenin to Commander-in-Chief M. A. Murav’ev, the Romanian Supreme Collegium, the People’s Secretariat of the Ukrainian Republic]; in: Golunov (ed.), Direktivy [Directives] 17. 70 Antonov-Ovseenko, Zapiski [Notes] I 157 f. 71 Also not surprisingly, Ukrainian historians have assessed the war even more tragically; for Doroshenko ‘the Bolsheviks instated such a bloodbath as the city had not seen since the days of Andrew Bogoliubskiy’ (sack of Kyiv by Suzdal in 1169). Serhiy O. Yefremov wrote an open letter to Yuri Kotsiubynskyi, son of a prominent Ukrainian writer: ‘(…) the seed you planted on your native soil shall not bring forth what you expect, not equality and fraternity, but knives on both sides, hatred and blood’. Cited in Pidhainy, Formation 616 f.

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Khrystiuk also recalled the war as a tragedy and ‘one of the most difficult and painful pages of the Russian and Ukrainian revolutions’. He saw this as the ‘first war between genuine democracies in the world (in the 20th century), indeed, between a people-workers and peasant – and another people’. He lamented that the ‘centralist-occupation conduct of the Bolsheviks in Ukraine did more to discredit the slogans of socialist revolution and soviet power than any enemies of the toiling people’s liberation’. He saw it as leading to a general exacerbation of the national struggle in Ukraine and to the growth of nationalism, both Ukrainian and Russian, and to some extent Jewish as well. Finally, it marked a ‘shattering of the forces of Ukrainian revolutionary democracy, their turn to the right, and the growth of nationalist sentiment’. Yet, with Khrystiuk’s seemingly indomitable spirit of optimism, he goes on to remind us that no misfortune is without its good side – and that this war ‘placed the problem of Ukraine’s national-political rebirth on the international agenda. The Russian Bolshevik, like the reactionary imperialist bourgeoisie, was accustomed to view Ukraine as an eternal colony of Russia and the Ukrainian people as passive, unconscious, uncultured, as a Ukrainian ethnographic mass; he viewed the Ukrainian people as incapable of expressing enough moral, intellectual and physical strength to be in the revolution with its own autonomous life; this Bolshevik, having broken the bayonets of his rifles in Ukraine (albeit on German helmets) was forced to change his views of the Ukrainian national rebirth’72. 6. The Road to the German-Austrian Occupation of Ukraine After several weeks of negotiations in Brest-Litovsk and several journeys by all the negotiators to their respective capitals to review the latest decisions and their acceptability, a treaty was signed with Ukraine that achieved, remarkably, most of what the Ukrainian delegates had sought from the start. One of the victims, however, of the final decisions was the recently declared wish for transparency and open diplomacy. Czernin agreed to the Ukrainian demand to cede Kholm to Ukraine, a decision he rightly predicted would be denounced among the empire’s Poles. Similarly, he agreed to the right of Ukrainians in the Habsburg lands to self-determination in the form of an eventual separate crownland for Galicia and Bukovyna. This, too, was in blatant violation of the ‘Austro-Polish solution’ and, therefore, could not be made public. When word got out despite all efforts, Poles broke out in rioting and Poles’ faith in Austria’s benevolent role was severely impaired 73. The Ukrainians, in turn, chose not to reveal the details of the promises they made to the Central Powers to deliver up to a million poods of grain from Ukraine. For some in the German elite, the treaty with Ukraine was not welcome, largely because many Germans preferred to deal with a Russia, however crippled at the moment and even a Bolshevik Russia, rather than to entertain the break-up of such an important European power. But the Germans had the least to lose – and the least to Khrystiuk, Zamitky [Notes] II 181–184. On the Polish reaction to the secret treaty provisions dealing with Kholm province, see Hornykiewicz (ed.), Ereignisse II 229–275: ‘Aufregung in Polen wegen Angliederung Cholms an die Ukraine’. 72 73

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hide – in these negotiations; their primary aim was to shut down the fighting on the Eastern Front so as to launch the ‘final, decisive’ offensive to end the war before the American expeditionary forces could reach Europe and begin to change the balance of forces to Germany’s disadvantage. With the outbreak of the Bolshevik war against Ukraine, the Central Powers now had to face the perhaps not so unpredictable consequences of the peace they had just signed. Nothing in the treaty dealt with any possible occupation or the obligations of the Central Powers to the new Ukrainian state. According to Fritz Fischer and his historiographical allies, the Central Powers’ occupation of Ukraine was part of the master plan to ‘grab world power’ and establish an eastern empire. But the story is not so straightforward. Contrary to Fischer’s argument, however, Ludendorff made it clear that ‘no conquests were to be sought in Russia’, again, the primary motive being the need to transfer all available forces to the Western Front. Kühlmann opposed any resumption of fighting with Bolshevik Russia and worried about how Vienna would react to this after working so hard to halt the fighting. Still, Ludendorff realized that Germany would need to establish some kind of order in the east and to maintain a strongly fortified frontier ‘against the ever-spreading poison of Bolshevism’, and this coincided with the Ukrainians’ request for military assistance against the Russian invasion. Ludendorff won the Chancellor and Vice-Chancellor over to his position, despite Kühlmann’s continuing apprehensions74. Indeed, as Kühlmann had anticipated, the allies did not immediately agree to resume the war against the Bolsheviks. Indeed, Vienna and Berlin entered a new stage in their conflict-ridden partnership75. Although the Bulgarian representative at Brest had urged Czernin to offer military help to the Ukrainians as early as January 29, 191876, Emperor Karl refused at first to authorize his troops to join the Germans in their occupation, arguing that this was a police action and not a military one, thereby not covered under the terms of their alliance. Czernin supported his empire’s participation in the occupation, but wanted to use the Ukrainians’ new demands to undo their recent concessions on Kholm and the crownland. This proposal met with opposition from Ludendorff and Hoffmann, who had done so much to bolster the Ukrainians’ hand with Czernin. Ludendorff and the German leadership more generally were outraged and hinted that the desperately needed grain that Austria-Hungary was counting on would not deliver itself. Eventually, the fear that all the grain and foodstuffs would fall into the hands of the Germans brought Vienna around to joining the occupation77. 74 Fedyshyn notes that ‘this was very likely the earliest expression of the cordon sanitaire idea’. Cf. Fedyshyn, Drive to the East 77. 75 Ibid. 100, for a discussion of the ‘open rivalry that seriously strained relations between Berlin and Vienna’. 76 Ibid. 87. 77 Hoffmann wrote that ‘if the Central Powers, who had made peace with the Ukraine for the sake of bread wanted to get bread, they would have to go and fetch it’. He described the Ukrainian representatives as in a desperate position and that they ‘quite openly begged assistance from Germany’. In his opinion, this was a logical next step: ‘(…) after recognizing the government and signing a peace with it, we had therefore to see that the peace we had signed was carried out, and for this purpose the first thing we had to do was to support the Government that had concluded the peace with us’. Hoffmann, Lost Opportunities 230.

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With the expectation that the government might fall any moment, Ludendorff also acknowledged that Germany would provide military assistance, but only if the UPR expressly requested it. The Ukrainians, for their part, very reluctantly accepted their need for German ‘assistance’, but hoped that the Germans would not interfere in the internal affairs of Ukraine. The Austro-Hungarian delegate, Friedrich von Wiesner, advised Sevriuk to turn primarily to Vienna because otherwise the Germans would have the predominant or exclusive role and that would not be in the interests of Ukraine78. Sevriuk conveyed the UPR message to the Central Powers requesting military assistance; later, he, Liubyns’kyi and Levyts’kyi drafted appeals to the ‘freedom-loving peoples of Austria-Hungary and Germany’ not to remain indifferent to their hard struggle for their existence against ‘the enemy of our freedom, having entered our land by force, as it did 254 years ago, to enslave the Ukrainian people by fire and sword’, but ultimately all this proclamation called for was to defend the northern borders of Ukraine79. Sevriuk proposed to the Central Powers that they release Ukrainian prisoners of war from their camps and train and arm them for the ongoing war with Russia. The UPR hoped they could build their own army and hence allow German troops to leave Ukraine as soon as possible. The Ukrainians had to renounce the secret protocol on the Kholm province in exchange for Austro-Hungarian agreement to participate in the occupation80. Austria-Hungary continued to disappoint the Ukrainians; the Reichsrat ultimately failed to ratify the treaty that had been signed with so much fanfare on February 9, whereas the other allies did deliver on their promises: Bulgaria on July 15, followed by Germany on August 24 and Turkey on August 22, 191881. These expectations and hopes would quickly be dashed on all sides by the politics of the occupation, but both sides had very different starting points. The Central Powers were indeed aware that the Ukrainian government, with whose representatives they were negotiating a separate peace, was facing a military offensive from the Soviet Russian government in Petrograd; furthermore, the Central Powers signed the treaty with a Ukrainian government that was already in exile from the Bolshevik bombardment of Kyiv and the reign of terror that the troops under the command of Mikhail Murav’ev unleashed on enemies of various sorts. Two members of the Ukrainian government were killed in the violence, but the rest escaped to Zhytomyr. Against this backdrop, State Secretary Kühlmann, in what was perhaps his most important contribution to the making of the Ukrainian state, offered a fascinating and very profound statement of German policy in signing the treaty with Ukraine in a series of statements to the Reichstag committees that were debating the peace. Several Reichstag deputies had criticized fundamental aspects of the treaty that the Government submitted for discussion. (As further evidence of the entangled character of the history of the treaty, Kühlmann reported to the Reichstag committee that the Austrian Prime Minister, Ernst

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Bihl, Friedensschlüsse von Brest-Litovsk 198. The appeal was drafted by the one Ukrainian delegate left in Brest-Litovsk, Liubyns’kyi. Hornykiewicz (ed.), Ereignisse II 276–290. Bihl, Friedensschlüsse von Brest-Litovsk 126.

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von Seidler, was making a similar set of statements in the Vienna Reichsrat ‘today’82.) Kühlmann chose to address ‘the very difficult question as to the origin of a state, and the special question as to how the German Government arrived at the conclusion that a state had come into existence in Ukraine’. He acknowledged that ‘an absolute rule’ on this matter did not exist, and expressed some hope that the League of Nations (!) would take the matter up. But, in the absence of the ‘absolute rule’, Kühlmann cited the (Fourth) Universal of the Ukrainian People’s Republic of January 24, 1918 as an important foundation. He recalled an important moment of transition after the recent Christmas interval in the negotiations, when a large delegation arrived, headed by Holubovych, and ‘took part in the negotiations as an independent delegation, without any opposition or protest’. Kühlmann recounted his argument with Trotsky, after the Soviet delegation leader had changed his mind about his earlier recognition of the UPR. As evidence of Ukraine’s legitimacy, Kühlmann reminded Trotsky that ‘even Entente States had equally recognized the Ukraine, and have sent diplomatic representatives there (…).’ He noted that Germany had similarly recognized the Finnish Republic as a precedent. A further difficult question concerned the current status of the Ukrainian government, which by the time of the Reichstag discussion was no longer in Kyiv. Kühlmann assured the Reichstag that ‘when the treaty was signed, Kiev was in the hands of the UPR’. He admitted that ‘almost as great chaos exists at present in Ukraine as in Northern Russia’83, but he soberly observed that ‘the uncertainty as to whether a government will be permanent in times such as we are living in now ought not in any case to prevent our concluding peace with it’. Finally, Kühlmann reassured the deputies that no alliance existed between Germany and Ukraine; ‘no such alliance has been suggested by the Ukraine, nor have proposals been either made or received by us in this respect’. In this remarkable defense of the legitimacy of the Ukrainian state, Kühlmann revealed the dilemmas of democratic states, peace, and occupation that have helped determine our most recent wars. 82 See several fascinating documents, including Chancellor von Hertling’s submission of the treaty, speeches by Reichstag deputies, and Kühlmann’s statements; in: Ralph Haswell Lutz (ed.), Fall of the German Empire, 1914–1918, 2 vols. (= Hoover War Library publications 1–2, New York 1969) I 802–828. Kühlmann’s statements, summarized here, are dated February 19 and 20, 1918. See Seidler’s speech, 19 February 1918, Vienna; in: Hornykiewicz (ed.), Ereignisse I 287–290, doc. 116. Seidler’s remarks focused on the grain and other foodstuffs from Ukraine that were the primary gain of the peace and, as had been anticipated, had to answer the protests of the ‘gentlemen of the Polish club’ about the concessions on the Kholm region. In defense of his government’s treaty, however, he reminded the Polish gentlemen that the issue of ethnic border setting would be a matter for a mixed commission at a later date. 83 A report on the situation in Ukraine by Colin Ross, a German reporter who had ‘embedded’ with the front-line troops of the German occupation forces entering Ukraine, was one of many alarming pieces of intelligence that Berlin received. Ross concluded that the Rada government initially depended entirely on the German occupation, but that it was gaining in authority with every day. Nonetheless, he wrote of a complete lack of central government with any meaningful control over the territory, that the Bolsheviks had more support than just their bayonets, and that the Ukrainian national movement had very weak roots. See a Russian translation of the German document: Doklad nachal’niku operatsionnogo otdeleniia Germanskogo vostochnogo fronta o polozhenii del na Ukraine v marte 1918 g. [Report to the Head of the Operational Department of the German Eastern Front]; in: Arkhiv russkoi revoliutsii [Archiv of the Russian Revolution] 22 vols. (Berlin 1922–1937) I (1922) 368–376.

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In a final compliment to the tough Ukrainian negotiators, Kühlmann told the Reichstag deputies: ‘I can assure you quite objectively that the idea that the Ukrainians came like bashful boys, on whom we pressed province after province, is an absolute fiction.’ And in his memorandum submitting the treaty to the Reichstag, Chancellor von Hertling conceded that ‘thanks to the practical attitude of the Ukrainian delegates, an attitude which was not intended for propaganda [understood, here like the Bolsheviks], but directed to the object of a real understanding, it was possible, in a short time, to come to an agreement concerning the large number of, in part, very complex and difficult questions resulting from the first conclusion of peace in the present world war’. Several Reichstag speeches (here Gustav Stresemann and Adolf Groeber) characterized this as ‘the first peace treaty’, and ‘in fact, the preliminary condition, the foundation, for the peace treaties to follow’. Kühlmann himself promoted this idea of the treaty with Ukraine as having ‘a certain significance and importance as a pattern – since experience shows us that in diplomacy instruments already at hand serve more or less as bases for subsequent proceedings – the restoration of legal relations generally is completely secured, and that we can communicate with this important part of the former Russian Empire with complete security of rights, both diplomatical and politico-commercial’84. Along these lines, Chancellor von Hertling reportedly pledged to Ukrainian Prime Minister Holubovych that German troops would be withdrawn as soon as the Ukrainians requested, having fulfilled their mission85. With these hopes and expectations on both sides, the Germans began their advance into Ukraine and against Russia to the north on February 18, 1918. Ludendorff briefly contemplated waging war against the Bolsheviks without their alliance partners, but the Austrians finally began their advance nearly two weeks later at the end of February. However much Ludendorff might have wanted to proceed without the Austrians, the Germans did not have enough troops to secure even the limited occupation they planned for, let alone for the one that they could not have and did not plan for86. Both the Central Powers and the Ukrainians saw it in their interests to present the occupation as a joint campaign for the liberation of Ukraine from Bolshevik terror. The Ukrainians proposed several variants of plans to allow Ukrainian troops, either Galician Ukrainians serving in the Austrian army or Ukrainian prisoners of war (POWs) in German and Austrian captivity, and the Germans agreed to some of the suggestions, including the deployment of 84 Horak summarizes the speeches of the leading party spokesmen in the Reichstag, including: Adolf Groeber (Centrum), Eduard David (Social Democrats), Gustav Stresemann (National Liberals), and Kuno von Westarp (Conservatives), comprising an overwhelming majority in favor of the treaty; and Marian Seyda, representing the Poles, and Georg Lebedour (left-wing Independent Social Democrats) opposing it. See Horak, The First Treaty 91–99. 85 Fedyshyn, Drive to the East 95. See Holubovychs report to Small Rada, 1 February 1918 (already in Zhytomyr) on the peace treaty and the additional convention on military aid with Germany; in: Verstiuk, Ostashko (eds.), Ukrains’ka Tsentral’na Rada [Ukrainian Central Rada] II (1997) 155, doc. 77. Sevriuk reported on the negotiations with the Austrian and German governments about military aid and amendments to the peace agreements. Ibid. 156, doc. 78. 86 For a view of this conflict more sympathetic to Vienna’s positions, see Bihl, Friedensschlüsse von Brest-Litovsk 106–113.

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troops loyal to the Rada, which answered to the Military Secretariat and was nominally independent of German command. The Germans were still eager to transfer as many troops as possible from the Eastern Front, so they were particularly receptive to Ukrainian suggestions to supplement their forces with some kinds of Ukrainian units. The proclamation by the Council of People’s Ministers (the government of the Ukrainian People’s Republic) described the German troops as coming to Ukraine ‘to assist Ukrainian Cossacks, divisions of Ukrainian POWs, the Sharpshooters from Galicia’; they are ‘coming to liquidate confusion and anarchy and to bring peace and order to our land’ to give the Council of People’s Ministers ‘the power to build an independent UPR’. It went on to reassure the citizens of Ukraine that ‘these friendly troops will fight the enemies of the UPR (…) and this is a struggle against violators and plunderers, but these troops have no hostile intentions against us’87. 7. The Occupation and the Limitation of Sovereignty of the Ukrainian State88 The occupation quickly doomed all the good intentions on all sides. Khrystiuk recalled how the Central Rada returned to Kyiv full of determination to implement new laws (above all the land law that was enacted during the Bolshevik siege of Kyiv), but they ‘did not count on the fact of the Austro-German army becoming the decisive factor for the internal policy of the republic’. Moreover, ‘the entire bourgeoisie in Ukraine immediately saw in the reactionary German army its natural allies and their 87 Vidozva Rady Narodnykh Ministriv do hromadian UNR [Appeal of the Council of People’s Ministers to the Citizens of the UPR], 10 February 1918; in: Verstiuk, Ostashko (eds.) Ukrains’ka Tsentral’na Rada [Ukrainian Central Rada] II 160 f., doc. 81. For a different view of the coalition of the occupying forces, see Antonov-Ovseenko, citing a report from military sources: ‘(…) at the front were organized units of haidamaks of mixed composition, large participation of officers, including Russians, Germans, Ukrainians, Austrians, Poles, and Hungarians; behind them came haidamak forces, forward haidamak units, supported by two German regiments.’ See Antonov-Ovseenko, Zapiski [Notes] II 9. 88 This section is based on the long available but largely unknown work by several scholars, including: Xenia Joukoff Eudin, The German Occupation of the Ukraine in 1918; in: The Russian Review I/1 (November 1941) 90–105; Taras Hunczak, The Ukraine Under Hetman Pavlo Skoropadskyi; in: Idem (ed.), The Ukraine 61–81; already mentioned have been the works of Fedyshyn, Drive to the East; Peter Borowsky, Deutsche Ukrainepolitik 1918 unter besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftsfragen (= Historische Studien 416, Lübeck – Hamburg 1970); the memoirs of the German occupation commander, Wilhelm Groener; and two remarkable studies by eyewitness participants in the occupation by AustriaHungary, Gustav Gratz, Richard Schüller, Die äussere Wirtschaftspolitik Oesterreich-Ungarns: Mitteleuropäische Plaene (Wien 1925); engl.: The economic policy of Austria-Hungary during the war in its external relations (= Economic and social history of the World War 4, New Haven 1928); and by the commander of the Austro-Hungarian occupation army in Ukraine, Alfred Krauss, and Franz Klingenbrunner, also formerly in the command of the Eastern Front, the chapter: Die Besetzung der Ukraine 1918; in: Die Militärverwaltung in den von den österreichisch-ungarischen Truppen besetzten Gebieten (= Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges, österreichische und ungarische Serie, herausgegeben von der Carnegie-Stiftung, Wien – New Haven 1928) 359–390. Finally, I have written a chapter about this period in: Mark von Hagen, War in a European Borderland: Occupations and Occupation Plans in Galicia and Ukraine, 1914–1918 (= Donald W. Treadgold Studies on Russia, East Europe, and Central Asia, Seattle – London 2007) 87–104.

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defenders against the “socialist destroyers”’89. The Germans in particular wanted the Rada to re-establish its presence throughout Ukraine and to make clear that the German forces were in Ukraine by invitation of that government and not as an army of conquest and pure occupation90. Besides the ongoing conflict between the German and Austrian alliance partners, Fedyshyn sums up the ‘story of the development and implementation of German plans and policies in the Ukraine during the occupation’ as ‘to a large extent the story of rivalry and cooperation between the Imperial Chancellery and its Foreign Office, on the one hand, and the Supreme Army Command, or more correctly General Ludendorff, on the other’. Secondary roles were played by the Ministries of War, Navy, Treasury, Economy, and Colonies91. One revealing conflict over Ukraine policy pit the German Foreign Office, which wanted to keep some hand in relations with the Ukrainian state, against the High Command it feared was usurping its authority with the occupation. Ludendorff wanted to send a lower-level diplomat not to get in the way of General Wilhelm Groener, but the Foreign Office insisted on and won the nomination of Philipp Alfons Mumm von Schwarzenstein, an experienced, senior diplomat, but one with no prior experience in Eastern Europe or Russia92. The Dual Monarchy also initially wanted to send a lower-level diplomat to Kyiv so as not to cause difficulties back in Vienna, particularly with the Poles. In the end, however, Kyiv also received a full Ambassador, Count János Forgách. These two ambassadorial appointments represented a commitment to respect the sovereignty of the Ukrainian government. The Germans and Austrians agreed to divide the occupation into two zones, but with Kyiv being held jointly. Fedyshyn concludes that this agreement relegated the Dual Monarchy ‘to a secondary position as an occupying power’. It also implied that diplomatic representatives were also destined to play a secondary role to the military occupation authorities93. General Groener was the key official overseeing the occupation in his position as chief-of-staff to the Commander-in-Chief of the German forces in Ukraine, Field Marshal

Khrystiuk, Zamitky [Notes] 156. See Ludendorff’s ‘General Directives of the Administration and Exploitation of the Occupied Eastern regions after the Conclusion of the Peace Treaty’, part B devoted to Ukraine, March 18, 1918, discussed in Fedyshyn, Drive to the East 113 f. 91 Ibid. 108–110. 92 Groener admitted that he, too, knew nothing about Ukraine. Cf. Wilhelm Groener, Lebenserinnerungen: Jugend, Generalstab, Weltkrieg, ed. by Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen (Göttingen 1957) 385 f. He did have two political advisors, both Russian-speaking intelligence experts, Major [Otto] Hasse and Major Walter Jarosch; ‘(…) the two officers were destined to play a much more important role in Ukrainian affairs than their rank and titles would suggest’. Fedyshyn, Drive to the East 108. On Mumm, Paul Rohrbach, who knew Mumm from working together with him at the Foreign Ministry Central Office during the war, said after a visit to Kyiv in 1918: ‘He had no understanding for our reports and wished us to be out of Kiev as soon as possible.’ Elsewhere, he self-deprecatingly brushes off a flattering reference to him by a Russian-Jewish journalist from a Kiev Social Democratic newspaper as ‘Count [sic] Rohrbach, the creator of Ukraine who had come to see his creation’. See Paul Rohrbach, Um des Teufels Handschrift: Zwei Menschenalter erlebter Weltgeschichte (Hamburg 1953) 221. 93 Fedyshyn, Drive to the East 103 ff. 89 90

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Hermann von Eichhorn. Although the commands and orders went out under Eichhorn’s signature, it was Groener who combined responsibility for the war economy and politics. In his own words, his job was ‘to put the Ukrainian government back into the saddle, to lend it the support of the German armed might, and above all, to extract from it grain and other foodstuffs – the more, the better!’94 Groener, whose professional military specialty as a quartermaster inclined him to think in economic terms, came to see the occupation of Ukraine as an important means of countering the deleterious effects of the Allied blockade on the Central Powers’ ability to sustain the war effort. Kühlmann, in his speech to the Reichstag, had hinted at the possible consequences of the occupation and the treaty. He argued that Germany had an interest in maintaining the railroads in Ukraine to ensure the shipment of grain and other foodstuffs, but ‘we shall not go beyond this and shall refrain from all political involvement in that country’. But the economic rationale of Groener and the occupation more broadly led to a ‘mission creep’ whereby the initial plans for going no further east than Kyiv then expanded to include Kharkiv, the Donets Basin to protect the coal from the Bolsheviks, then one third of the Don and into Georgia! The Austro-Hungarian commander in Ukraine, General Alfred Krauss, concluded that this expansive German entry into Ukraine was ‘the surest road to Mesopotamia, Arabia, Baku and Persia’ and that from Kyiv, Ekaterinoslav and Sevastopol, the ‘road leads (…) to Batum and Trapezunt’95. Fedyshyn characterized the German’s ‘impossible situation’. While strengthening the government with which they had made a treaty and which they had promised to support militarily and politically, they were at the same time weakening and undermining it through their extreme demands’. Very soon, General Groener found himself deeply involved in Ukrainian politics, which led to the removal of the Rada and the establishment of a new government in Kyiv on 29 April 1918, that of the Hetmanate of Pavlo Skoropads’kyi. Moreover, as Horak concludes, the Germans in particular were very aware that the UPR that they had overthrown had far more legitimacy, based on the membership of the political parties making up the government, than the Hetman’s cabinet, with its much more limited representation, could claim. He insists that after April 29 Ukraine can ‘best be described as a state with only limited sovereignty making Skoropads’kyi’s regime more a recipient than a holder of political power’96. Almost immediately after the German army restored the Rada to Kyiv, the Germans had begun to consider alternatives to their treaty obligations, including ruling the country under martial law as a German Governor-Generalship, closer in status to a conquered territory or colony97. The Foreign Office prevented this from happening, but General Eichhorn steadily took measures to impose elements of martial law, including the shutting down of protests, strikes, newspapers, and the insistence that German military courts

Groener, Lebenserinnerungen 385, as translated by Fedyshyn, Drive to the East 107. Krauss’ report dated June 13, 1918; in: Hornykiewicz (ed.), Ereignisse III 119. 96 Horak, The First Treaty 107. 97 Hornykiewicz (ed.), Ereignisse III 28 f., 35 ff., 57–60, and elsewhere, cites several cases of Austrian objections to German plans for outright occupation and the removal of the Hetman government. 94 95

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try Ukrainian citizens for an expanding array of violations and crimes. The Germans actually followed the Austrians in their ‘hard approach’ to food requisitioning. Peasant resistance was met with arrests and punitive expeditions. Emperor Karl gave the army a free rein on 1 April 1918. Although Ludendorff initially objected to these methods, on April 6 Eichhorn proclaimed an order on the cultivation of the land, and gave the signal for the restoration of private property and the reversal of the UPR’s recent land reform98. Protests from the UPR ministers were to no avail. A friendly voice for Ukraine was lost when Hoffmann was transferred to Kovno with the headquarters of the Eastern Front. Ambassador Mumm was left as the lone voice advocating a strong Ukrainian state, as Fedyshyn put it, ‘against all those who were prepared to forget diplomatic niceties and international agreements and who urged that Germany simply “help herself to whatever she needs to be able to survive and wage war, through the use of naked force if necessary, and irrespective of the wishes of the Ukrainian government, which could always be replaced by another one, or simply done away with”’99. The Austrian representatives, both in the army and diplomatic corps, were not Mumm’s allies100. Groener lost all confidence in the Rada government, whose administrative apparatus was ‘completely shattered, unreliable, and totally incapable of any serious effort’ and, furthermore, he criticized the German Foreign Office for treating Ukraine ‘as though it were a normal and equal partner’101. Colonel Ulrich von Stolzenberg, German military attaché in Kyiv, was also an important actor and considered very friendly towards the Ukrainians. It was he who suggested that the Germans send some ‘socialist’ deputies to exercise some ‘sobering influence’ on the Rada102.

98 Groener, Lebenserinnerungen 397. For some of the key documents of the ‘hard approach’ see Die deutsche Okkupation; this contains the German-language documents that were collected by Soviet historians M. Gorkii, I. Mintz, R. Eideman (eds.), Krakh germanskoi okkupatsii na Ukraine (po dokumentam okkupantov) [The Collapse of the German Occupation in Ukraine (in the documents of the occupiers)] (Moscow 1936). And for Eichhorn’s order to the German troops, see Hornykiewicz (ed.), Ereignisse III 50 f. 99 Fedyshyn, Drive to the East 112, citing a March 10, 1918, telegram from Bernhard von Bülow in Brest-Litovsk to Berlin. Despite Mumm’s support for the Ukrainian government, he also expressed his frustrations with the ‘pseudo-government’ of the Rada and its ‘communist experiments’. See Die deutsche Okkupation 42, doc. 11. 100 Fedyshyn summarizes the Austro-Hungarian views of Ambassador Count János Forgách, Count Ottokar Czernin and Prince Gottfried zu Hohenlohe-Schillingsfürst as very hostile to Ukraine; ‘The country was to be exploited economically and then abandoned, possibly to be reincorporated into Russia.’ Fedyshyn, Drive to the East 119 f. See the frequent and often lengthy reports of Forgách back to Vienna in Hornykiewicz (ed.), Ereignisse III, docs. 529 (98–106), 550 (138), 552 (139–141), 554 (141–147). 101 Kühlmann, temporarily distracted with negotiations in Bucharest, came to Mumm’s support against his War Ministry and Austrian colleagues. Fedyshyn, Drive to the East 114 f. 102 He suggested that Paul Rohrbach, a Ukraine expert, accompany the Social-Democratic deputies to Kyiv. Fedyshyn reports that Stolzenberg’s military colleagues in Kyiv were openly critical of his ‘softness and undue indulgence’ toward the Ukrainians; cf. Fedyshyn, Drive to the East 135. Rohrbach actually visited Kyiv only after the coup that overthrew the Rada government. See a discussion of his letters from Kyiv in Henry Cord Meyer, Germans in the Ukraine, 1918: Excerpts from Unpublished Letters; in: American Slavic and East European Review 9 (April 1950) 105–115.

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But even Mumm became increasingly exasperated with the UPR government. In another clear statement of the Ukrainian state’s limited sovereignty, Colonel Stolzenberg encouraged Mykola Liubyns’kyi, now the Rada Foreign Secretary, to raise with the Austrians the question as to when their forces might withdraw. When Liubyns’kyi took matters further and posed the same question to the Germans, the reaction was alarm and efforts to avoid a response. The Ukrainians proceeded to draft a ‘status of forces’ agreement that would regulate the behavior of the occupation troops on Ukrainian soil103. Mumm replied two weeks later that ‘without German military assistance none of them would be in power and the withdrawal of German forces from the Ukraine would result in immediate expulsion of the Rada and return to chaos and lawlessness’. Fedyshyn concludes sadly, ‘Thus, the actions of the German and Austrian military forces in the Ukraine counted for more than all the written agreements and other solemnly undertaken commitments put together, although most of them were never openly repudiated’104. As with the peace treaty with Ukraine and the subsequent occupation, so, too, the German involvement with the coup by General Skoropads’kyi against the UPR was largely a response to unexpected circumstances. Groener had ruled out direct Austro–German military rule in large measure because he judged German forces in Ukraine to be inadequate to establish an effective occupation over so large a territory. Instead, he ‘recommended the maintenance of an independent Ukrainian state – which he viewed as a mere cloak to facilitate the continuation of German control and exploitation of the country’105. Skoropads’kyi appeared on the scene relatively recently and agreed to the crippling conditions on Ukrainian sovereignty that the Germans drew up106. The coup provoked protests both in Ukraine and also in Germany. Although Fedyshyn argues that the Reichstag played little role in Ukraine policy by this time, the government, nonetheless, had to respond to criticism there, most notably from Center Party leader Matthias Erzberger, who denounced the ouster of the Rada government as ‘clearly prearranged, and which could only be described as a German coup d’etat carried out by the military’. He objected to the composition of the new government and lamented the regrettable consequences for Germany: ‘A German soldier can no longer show himself unarmed in Kiev. German soldiers have already been shot down. The bitterness against Germany is increasing.’ He concluded, ‘That is not the way to attain the first object of our intervention, namely securing the surplus grain supplies for

103 For the report of the Ukrainian peace delegation to the Rada, 9 March 1918, on the negotiations with the Russians and on the matter of the Austrian and German occupation forces, their numbers and obligations to treat Ukraine as a friendly power, see Verstiuk, Ostashko (eds.), Ukrains’ka Tsentral’na Rada [Ukrainian Central Rada] II 184–188, doc. 99 (Liubyns’kyi, Sevriuk, and Levyts’kyi all address the government). 104 Fedyshyn, Drive to the East 120, 126. 105 Ibid. 137. See further discussions of German attitudes towards the new state and the debates between Groener and Eichhorn, on one hand, and Mumm, on the other, ibid. 148 ff. Hoffmann, too, continued to follow Ukrainian affairs and was troubled by Groener and Eichhorn’s efforts, which he believed were ‘driving Ukraine back into the arms of Great Russia’. 106 Hornykiewicz (ed.), Ereignisse I 400 ff.

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the German people.’ Moreover, with the increasing hatred of Germany and the Russophile elements among the new ministers, ‘a new Great Russia is taking its rise from Kiev under German protection’107. In the last sentence, Erzberger was reacting to a report by Paul Rohrbach, back from his visit to Kyiv, in which he described the Hetman as ‘more Russian than Ukrainian’ wanting ‘to lead Ukraine back to Russia’. Ironically, the Germans in Kyiv found themselves greater advocates of Ukrainian independence than the Hetman himself, who they knew was very comfortable with the Russian nationalists seeking refuge in his Ukraine. Moreover, Russian military officers, members of the Kadet Party, and other Russian national ‘elements’ were streaming into Ukraine from Bolshevik Russia and adding to the considerable pressures on Skoropads’kyi to steer his state towards a ‘Russian’ solution. Mumm pressured both the Hetman and the Ukrainian socialist oppositionists to reconcile their differences and the Ukrainian socialists to join the government. All these efforts were in vain108. By the time Vice-Chancellor Friedrich von Payer answered these parliamentary objections in May 1918, the tone of the Government had changed from its initial defense of the sovereignty of a neutral, Ukrainian state towards a more asymmetrical power relationship with a dependent Ukrainian state. He spoke of ‘the aim of our policy toward the border peoples (…) is to live with them for the future in peace and friendship’. He asserted that it was in Germany’s and the border peoples’ interests ‘that we should draw near to each other in matters of policy, economics, and Kultur, and, so far as is feasible, in military affairs also’. But his special hope was ‘for advantages with regard to the assurance of our food supply, and what is comprised under the general term of colonization’. He went on to express his complete agreement that ‘we should not interfere in the internal affairs of the Ukraine. But that obviously has some limits, firstly, in view of the object of our entry into the Ukraine, viz., the establishment of order; and secondly, in regard to the security of our troops’. Finally, he defended the coup against the Rada and the field-sowing order by Field Marshal von Eichhorn as dictated by the military situation109. The Austrians, though they supported the coup against the Rada, never accepted the legitimacy of the Hetmanate and insisted that is was an ‘unrecognized protectorate’110. So the first peace treaty of the war ended in an occupation supporting a Ukrainian dictatorship, also quite inefficient in doing the occupiers’ bidding, but still preferable, in German eyes, to the previous Rada government. Groener, despite his role in the ultimate ‘unmaking’ of the Ukrainian state, like many of his predecessors who spent time in Kyiv, also cultivated a friendship with the Hetman, 107 Matthias Erzberger, My ‘Offensive’ in the Main Committee, 14 May 1918; in: Lutz (ed.), Fall of the German Empire I 853 ff. For a discussion of Erzberger’s politics at this time, see Klaus Epstein, Matthias Erzberger and the Dilemma of German Democracy (Princeton 1959) 239–244. 108 Forgách, too, frequently noted the pro-Russian orientation of the Hetman’s government and was also part of Mumm’s efforts to get more Ukrainian parties to join the cabinet. See Hornykiewicz (ed.), Ereignisse III 138–141, docs. 550 ff. 109 Speech of Vice-Chancellor Friedrich von Payer in the Main Committee of the Reichstag on the Eastern Questions, 7 May 1918, in: Lutz (ed.) Fall of the German Empire 846–852. 110 Hornykiewicz (ed.), Ereignisse III 74 ff. The Austro-Hungarian Ambassador Forgách described the relationship as ‘eine Art stillschweigendes Protektorat’.

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Skoropads’kyi, that lasted long after Skoropads’kyi sought refuge in Germany after the collapse of his government. Groener arranged what was possibly the crowning moment in Skoropads’kyi’s career as Hetman, namely, a visit to Berlin and Spa for an audience with Kaiser Wilhelm and his brother, as well as with the German High Command at the beginning of September 1918. After the war, General Groener helped the Hetman organize a Ukrainian research institute in Wannsee that promoted his monarchist ideas. Groener strongly opposed the plan to evacuate the east immediately, arguing, ‘it was impossible for us [Germans] to withdraw our protecting hand from the Baltic peoples, the Finns, and the Ukrainians, whom we liberated and whose confidence we had won’111. And Hoffmann, too, confided to his diary, ‘I am sorry for the people whose territory we are handing over to the Bolsheviks.’112 Hoffmann concludes his memoirs with some reflections on the mission of General Groener and the ongoing threat presented by Bolshevik Russia. Hoffmann was revolted by the reports of Bolshevik atrocities and felt that ‘it was impossible, as a respectable man, to stand inactive and allow a whole nation to be butchered’. He argued for renouncing the treaty with the Soviet government, and marching on Moscow to install a ‘better’ Russian government and had entered into negotiations with representatives of the monarchists and Whites113. Prince Maximilian von Baden also explains Groener’s and Hofmann’s attachment to Ukraine: ‘Like General Hoffmann he had long been on outpost duty in the East, protecting and maintaining order, filled with the consciousness of our power and of the responsibility which was laid upon us. These Eastern soldiers had “Ethical Imperialism” in their bones at a time when the politicians were still impervious to it. They felt that not only the nation’s word but their own honour was at stake. They felt it impossible for us to withdraw our protecting hand from the Baltic peoples, the Finns, and the Ukrainians, whom we had liberated and whose confidence we had won.’114 8. Conclusion To return to the ‘new order’ of the original title, in concluding his chapter on the Peace Treaty Fischer describes General Hoffmann’s reply to critics of the treaty he helped to negotiate ‘by pointing out that the Allies technically annulled the German-Russian Treaty at Versailles, but used the situation created by Germany as the basis for their re-organization of Eastern Europe when they set up the ring of states nicknamed the cordon sanitaire’ 115. Paul Rohrbach, one of Germany’s most influential Ukraine experts, 111

274.

Maximilian, Prince of Baden, The Memoirs of Prince Max of Baden, 2 vols. (London 1928) II

Max Hoffmann, War Diaries and Other Papers, 2 vols. (London 1929) I 246. Hoffmann, Lost Opportunities 236. 114 ‘Ethical imperialism’ was von Baden’s answer to modern demands for democracy and national selfdetermination: ‘The wave of democracy threatens to wash away the foundations of all imperialism. This threat is specially dangerous to German imperialism, which does not yet exist and has still to be created. It may therefore be said that if German Imperialism is to withstand the assault of democracy with its claim to a better world it must base itself on ethical principles.’ See Maximilian, Memoirs I 281. 115 Fischer, Germany’s Aims 508: Hoffmann, Lost Opportunities 229. 112 113

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agreed that Hoffmann was one of two people in his experience who understood the tragically lost opportunities with Ukraine. The other was the American Secretary of State under Wilson, Robert Lansing, who wrote that Wilson had discredited the idea of the right to self-determination when many peoples of the Russian Empire, including the Ukrainians, were denied the right to independent states116. Prince Maximilian, who was an early advocate of just and democratic peace, likewise understood Wilson and the Versailles peace to be a betrayal of all the promises made in the Fourteen Points and another of the many lost opportunities of the peace117. Khrystiuk, too, joined the many critics of the Versailles settlements as a new imperial division of the post-war world in favor of the victorious powers. Indeed, he offered his history of the Ukrainian revolutions as part of the story of ‘intensified efforts on the part of oppressed peoples everywhere to throw off the shameful and heavy yoke of national oppression’. He described the behavior of the French diplomats towards the Directory government as little different from that of the German and Bolshevik imperialists and judged that the rhetoric of self-determination was nothing but the mask of the ‘Entente imperialists’118. Those treaties were framed in terms of revenge and punishment and far from the spirit of the first treaty of the war, that of the Central Powers with Ukraine. The powers most hostile to the idea of a Ukrainian state and nation remained the Russians, both the Bolsheviks and the Whites. The Whites were the most resistant to recognizing Ukraine as part of their new order; instead, Anton I. Denikin and his entourage viewed Kyiv as a Russian city and as the launching place for the recovery of a strong, united, and indivisible Russia. The Whites insisted that Ukraine was not real, but referred to it as the historical southwest provinces and New Russia. But the Bolsheviks, by contrast, were obliged by their own state weakness and their own desperate demand for foodstuffs in a starving Petrograd and other parts of Russia to behave as if they took their own rhetoric of national self-determination seriously. Even as they were in the same document recognizing the UPR and also delivering ultimatums and threatening war if the UPR did not in fact subordinate its armed forces and its statehood to Bolshevik Russia, Trotsky and his fellow negotiators at Brest-Litovsk nonetheless did recognize the UPR, in fact several times. And, as several historians, both contemporary and later ones have concluded, this clearly reluctant concession on the part of the Bolsheviks was one whose legacy they continued to struggle with in the debates over the constitution of a future Soviet Union,

116 Rohrbach, Teufels Handschrift 219 f. Robert Lansing, The Peace Negotiations: A Personal Narrative (Boston – New York 1921) 99. 117 ‘I would ask the President of the United States what right he has to put himself forward as judge of the world? (…) President Wilson has no right to do battle in the name of the small nations, since the alien peoples which were threatened with extinction under the Russian tyranny, the Finns, the Poles, the Ukrainians, the Balts, the Lithuanians, have turned to him in vain over and over again.’ Maximilian, Memoirs I 186 f. 118 See Khrystiuk’s chapter on the French-UPR ‘negotiations’; Khrystiuk, Zamitky [Notes] 91–108. For an example of a growing recent literature on the anti-colonial movement and another lost opportunity, the Wilsonian moment, see Erez Manela, The Wilsonian Moment: Self-Determination and the International Origins of Anticolonial Nationalism (Oxford – New York 2007).

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what sorts of state forms to create to accommodate the new situation after formal empire was over, but not the neo-colonial relations of the past. Before that constitution brought the four republics (Russia, Ukraine, Belarus, and the Transcaucasian Federation) into one Union, relations between the Soviet Ukraine that was finally established with Soviet Russia by 1920 were conducted by bilateral treaties. And to return once more to Christopher Clark’s evocation of the First World War as ‘a modern event’ and ‘the most complex of modern times’, we might see the German occupation of Ukraine as a portent of the dilemmas of asymmetrical power relations created out of war and peace that involve a major power in the making of state and nation, while adhering – at least at times and on the part of some of the authorities overseeing the occupation – to international norms of sovereignty and national self-determination and facing political opposition from parliaments and the press at home. Compared to more recent occupations and state-building projects, the German and Austrian occupations were mercifully brief, though not necessarily less devastating for the populations subjected to those occupations. Almost by force of internal logic, wartime occupations assume the character of colonial regimes of exploitation and subordination, as the experience of the Central Powers in Ukraine during 1918 clearly and sadly illustrates.

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I. The Lost Victory: Facts and Fiction by Gianluca Volpi The idea of the so-called ‘Lost Victory’1 was born a few months after the end of the First World War, in the winter of 1919, deeply influencing public opinion with a potent negative myth that was soon adopted by the emerging Fascist movement as one of its favourite propaganda tools. The poet Gabriele D’Annunzio, an outspoken patriot, warmonger and, according to Austrian war propaganda, the unchallenged leader of Italy’s intervention against the former allies of the Triple Alliance, was the creator of the myth. On 24 October 1918, on the eve of the last offensive against the Austro-Hungarian Army, D’Annunzio published a poem entitled ‘Preghiera di Sernaglia’ (‘Sernaglia Prayer’), in which Italians read the words ‘mutilated victory’ for the first time2. 1. Historical Survey The idea of Italy’s erstwhile allies France, Great Britain and the United States to take away the prize of victory from Italy in 1918 has a far more complex background and a further-reaching legacy than D’Annunzio’s poem alone. From the foundation of the nation until the First World War, Italian public and political life was dominated by the awareness of being the ‘last of the Great Powers’ and the ambition to belong among its European counterparts. Strong ambitions led Italy to seek success in foreign policy and military adventures abroad, such as the race for colonies in Africa. A large section of the Italian ruling class, with its politicians traditionally educated in the classics, could not abandon the idea of becoming masters of a new imperial nation, even though they were well aware of the country’s historical backwardness. With almost the entire working class still devoted to agriculture, a lack of strategic raw materials and a very small middle class, the young nation nevertheless was one of the Great Powers in Europe and shared the same cultural and political ambitions as other nations, particularly a specific ‘mania for expansion’, according to the Catholic liberal politician Stefano Jacini3. After the Risorgimento, the turning point in Italian international relations came with the rise to power of the political liberal left. Prime Minister Agostino Depretis Ital. Vittoria Mutilata. Roberto Vivarelli, Storia delle origini del Fascismo: L’Italia dalla Grande Guerra alla Marcia su Roma, 3 vols. (Bologna 1965, 1990, 2012) I (Bologna 21991) 473. 3 Mark Thompson, The White War. Life and Death on the Italian Front 1915–1919 (London 2009) 14. 1 2

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joined Italy to the Triple Alliance with imperial Germany and Austria-Hungary, the initial treaty of which was signed in 1882. Nationalist public opinion hastened to achieve the goals of a Great Power. Outside the long shadow of France, Italy pursued colonial power in the Horn of Africa, but suffered a humiliating defeat against the forces of the Ethiopian Empire in 1896. The Ethiopian adventure showed all the inadequacies of the ruling class from diplomatic, political and military points of view. After the social turmoil following the defeat of Adowa (Adua, Adwa), in the first decade of the twentieth century the new nationalist movement, a minority powerfully supported by the press and by the military-industrial lobbies, was persuaded that the destiny of Italy was to take part in a great European war, which was expected and considered unavoidable. The colonial race was renewed in 1911 by Prime Minister Giovanni Giolitti, a reformer who intended to outflank his nationalist critics with a war against the Ottoman Empire and the Libyan invasion, a gamble that also led to the occupation of Rhodes and the Dodecanese islands. Notwithstanding the deployment of large military forces and the success claimed, the Libyan affair ended in a stalemate, with the Italian Army being unable to crush the resistance of the hostile Libyan tribes. The consequences went further than expected, given that the Libyan campaign encouraged the nationalists of the Balkan states to wage war against the Turks in 1912. 2. The State of the Art The debate on foreign policy in liberal Italy is crucial to understanding Italy’s participation in the First World War and the Peace Conference at Versailles, from disappointment with which the myth of the Lost Victory emerged. The attitude of Italy towards its wartime allies originated from mutual misunderstandings in the decades before the Great War and in the post-war era. Historiography outside Italy has rarely taken Italy’s role in the outbreak of the First World War very seriously. Among the various assessments, there was the opinion that Italian diplomacy was on a lower moral level than that in other countries. It was the famous historian A. J. P. Taylor who implied that Italian foreign policy was essentially dishonest. These views undoubtedly stemmed from a sound leftist who hated Mussolini’s Italy in the 1940s and whose criticism aimed at Fascist foreign policy. Even after the First World War Norman Kogan, an American political scientist, came to the same conclusion as Taylor, according to which Italian foreign policy was different from that in other countries in that it sprang from the ‘amoral familism’ lying at the roots of Italian society4. The work of Austrian professor Alfred Francis Přibram, A. J. P. Taylor’s teacher, is considered to be more influential among those who deeply criticize Italian foreign policy abroad. Přibram considered the Triple Alliance to be nothing but an arrangement that brought gain to Italy and loss to Austria-Hungary, a statement that the Italian point of view cannot deny. Indeed, the Triple Alliance partnered Italy with two Great Powers, offering a good shield against France at a time when Italian relations with Paris 4

Norman Kogan, The Politics of Italian Foreign Policy (London – New York 1963).

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were quite poor. On the other hand, the issue of what Austria-Hungary gained from the Triple Alliance continues to present a valid subject for discussion: it is undeniable that the true alliance was between Germany and Italy, because the two nations were not rivals in the struggle for dominance in Europe. The Australian scholar Richard Bosworth fully reflected the negative attitudes towards Italy in his 1979 essay, ‘Italy, the least of the Great Powers’5. In the preface to ‘Italy and the Approach of the First World War’, edited in 1983, he wrote: ‘Often in the European history courses of Anglo-Saxon universities and in the English-language historiography, Italy has been accorded a minor role. Some acknowledgement of Garibaldi, Cavour and Mazzini, a few bad jokes about Mussolini: and that has been enough.’ Bosworth undoubtedly loved his research topic and endeavoured to demonstrate that Italian history deserves ‘fuller consideration’6. In Italy, scholars have paid no attention either to hostile assessments of Italian foreign policy or to the nationalist myths augmented by Fascism. The writing and study of diplomatic history was often tied to the State, and the links between the State and history-writing did not disappear after the fall of Fascism. After 1945, national historiography faced the cultural and political legacy of Fascism and was divided into supporters and critics of the liberal State and its foreign policy. The conservative liberals, a small group of historians more associated with the great topics of the Risorgimento and the First World War, were all involved in defending liberal Italy from the charge of having been the cauldron from which Fascism erupted. Their approach was developed during a period of a few professorships in contemporary history that lasted until the 1960s, so that international history was usually taught in law faculties, largely dominated by traditional Catholic and liberal culture. Inevitable emphasis was devoted to legalism, with a special attention to treaties. Progressive history-writing, influenced by the political Left (socialists and communists) from different ideological points of view, criticized the foreign policy of both liberal and Fascist governments. The hegemonic influence of Marxist ideology and the political role played by the dominant opposition force, the Italian Communist Party (PCI) in the House of Deputies and the Senate contributed to focusing historical research on domestic policy, including the development of socialism and the struggle against Fascism. These attitudes changed radically after the dramatic collapse of Communism all over Europe in 1989. A new interest spread among European scholars towards critically appraising the First World War and its consequences. In 1993, James H. Burgwyn published his work on the myth of ‘Mutilated victory’7. Italian scholars devoted themselves to studies on foreign policy and international relations as a special branch of contemporary history, separated from the traditional law degree8. The doctoral school on the History of International Relations, with the 5 R[ichard] J. B. Bosworth, Italy – the Least of the Great Powers: Italian Foreign Policy before the First World War (New York 1979). 6 Richard Bosworth, Italy and the Approach of the FirstWorldWar (London – Basingstoke 1983)VIII. 7 James H. Burgwyn, The Legend of the Mutilated Victory. Italy, the Great War and the Paris Peace Conference, 1915–1919 (= Contributions to the study of world history 38, Westport, Conn. 1993). 8 Marina Cattaruzza, L’Italia e il confine orientale 1886–2006 (Bologna 2007); the author gives a complete survey of the Adriatic Question from its origins to the present day. Closely related to the ‘mutilated victory’ is the ultimate collection of sources with a large critical foreword: Marina Cattaruzza, L’Italia e la Questione adriatica Dibattiti parlamentari e panorama internazionale 1918–1926 (Bologna 2014).

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University of Lecce as its head, gathered scholars and students from the best universities all over Italy to introduce a new approach to studies in diplomatic history and the history of international relations, closely linked to cultural and economic history. 3. The Treaty of London and Its Consequences The ambition to become a Great Power and the desire to fulfill this role among nations led to Italy’s decision to enter the Great War in 1915. Italian nationalism was double-faced, forged by a mixture of irredentism and imperialism. Irredentism, the cultural heir of the Risorgimento, spread early in 1866, when Italy failed to capture the port of Trieste before the peace settlement with the Austrians, who had already suffered their decisive defeat by the Prussians in the battle of Königgrätz (Hradec Králové)9. The irredentists aimed to ‘redeem’ South Tyrol, Trieste, Gorizia, Istria and Dalmatia by direct annexation to the Kingdom of Italy. Christian overtones had strongly characterized the political language and propaganda of the patriots during the Risorgimento and were adopted in the final decades of the nineteenth century by the nationalists, whose cause must be considered a secular religion. By 1915, irredentism had become obsolescent and less attractive than modern nationalism, but it remained the basic credo of the Italian ruling classes and an effective argument frequently used by warmongers10. In 1910, Leonida Bissolati, a socialist and later an interventionist, is reported to have declared that ‘no serious person (…) even suggests the plan of a war with Austria in order to regain Italian lands’11. The neutrality proclaimed in August 1914 was undoubtedly the correct decision, given that the war declared by Austria-Hungary against Serbia was not a defensive one according to the Triple Alliance Treaty, whose clauses provided for assistance to a signatory if attacked by two or more Great Powers, and benevolent neutrality if a signatory, having been threatened, was driven to declare war itself. More cynically, in 1909 a left-liberal politician had made a statement on Italy’s membership of the Triple Alliance that properly reflected the feelings of patriots and nationalists: the alliance with Austria had to be preserved until the day Italy was ready for war12. From the very beginning of its neutrality, Italy was divided between neutralists and interventionists, the latter fewer, but stronger because of the powerful support of the press. Italy was driven to war by a minorité agissante, led by Prime Minister Antonio

9 László Bencze, Königgrätz. A testvérháború vége [The End of a Fratricidal War] (Budapest 1991). Bencze pays no attention to the role and the military contribution of the Kingdom of Italy to the Prussian war against the Habsburg Empire. Even bearing in mind that Italy met with a resounding military failure, the Habsburg army was nevertheless obliged to divide its operational forces between a northern (Bohemian) and a southern (Italian) war theatre: that was precisely what they were expected to do according to the strategic visions of the Prussian general staff. 10 Bosworth, Italy and the Approach 57. 11 Brunello Vigezzi, La neutralità italiana del luglio-agosto 1914 e il problema dell’Austria-Ungheria; in: Clio. Rivista di Storia I (Napoli 1965) 54–97, here 84. 12 Francesco Papafava, Dieci anni di vita italiana 1899–1909: cronache, 2 vols. (Bari 1913) II 757.

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Salandra, a right-liberal and a nationalist, and Baron Sidney Sonnino, the newly appointed Minister of Foreign Affairs after the death of Marquis Antonio di San Giuliano. The policy pursued by San Giuliano of keeping Italy neutral must be understood as necessary, considering that public opinion was largely anti-Austrian. San Giuliano launched a twin-track course of diplomacy, which lasted for nine and a half months, in order to join the fight only when victory was certain. The choice to go to war against the former ally of the Triple Alliance, Austria-Hungary, seemed to be the best one in order to achieve all the imperial goals of the nationalists: the annexation of all ‘Italian’ territories still owned by the Habsburg Monarchy, mastery over the Adriatic, a sphere of influence in Albania, the Eastern and Southern Balkans and colonial expansion. The Entente could easily grant the Italians a large prize for entering the war on its side, simply because the British, the French and the Russians would not be forced to pay with their own blood and territories to compensate Italy for its war effort. Since the beginning of secret negotiations with the Entente, the Italian claim to Dalmatia had been the sticking point making it difficult to reach an agreement. Prime Minister Salandra and Minister of Foreign Affairs Sonnino were fully aware that Italy’s vital interests were not at stake: sooner or later Trentino would fall into its hands and Isonzo would become the north-eastern border, whilst a compromise with Austria over Trieste would be possible. Vital interests, however, required mastery of the Adriatic, and from this point of view Trento and Trieste were only the first steps on the road towards Istria, Dalmatia and control over Albania once Cattaro (Kotor), the stronghold of the Austro-Hungarian navy on the southern coast of the Adriatic, had been neutralized. Opposition came from the Russians, who were afraid of a future Balkan war between Italy and Serbia, if the Entente accepted all the Italian claims. These were classical political-territorial goals, pursued by a diplomatic élite well represented by aristocrats like Duke Guiseppe Avarna (Italian Ambassador in Vienna), Marquis Guglielmo Imperiali (Ambassador in London), San Giuliano, and Baron Sonnino13. Their cultural limits were their Euro-centrist mindset. They simply underestimated the USA and did not pay any attention to the growing role of Far Eastern nations in politics and the global economy. When a compromise over Dalmatia was proposed to the Russians on 10 April 1915, according to which the Dalmatian coast south of Split was to be neutral under Serbian rule, Italy’s shift towards the Entente became irreversible. The Treaty of London, signed on 26 April 1915, promised the Italians all the Habsburg territories they had claimed and even more, with the exception of the harbour city

13 Luciano Monzali, Riflessioni sulla cultura della Diplomazia italiana in epoca liberale e fascista; in: Giorgio Petracchi (ed.), Uomini e nazioni. Cultura e politica estera dell’Italia del Novecento (Udine 2008) 24–43, here 29. Count Avarna showed a deeply conservative stance when he claimed the Royal Government’s right and duty to protect national interests among the Great Powers. His attitude was influenced by the deep mistrust of public opinion, which he considered short-sighted and unable to face the problems related to foreign policy; 2. August 1914, the Royal Italian ambassador to Vienna, Count Avarna, to the Minister of Foreign Affairs, Count San Giuliano. Documenti Diplomatici Italiani (DDI), Istituto Poligrafico dello Stato, Roma 1954: V. Serie, vol. I, Nr. 11/ T. Gab. s. 955/97 (5) 7–9, here 8.

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of Fiume. Nationalist historiography in the 1930s considered the Treaty of London to be a diplomatic error inspired by politicians whose ambitions were usually continental, an approach which almost curbed the Mediterranean–African call of Italian imperialism14. On the contrary, modern historiography finds fault with the missed denunciation of the Triple Alliance and underlines the lack of a casus foederis between Austria and Italy15. In May 1915 Italy entered the war against Austria-Hungary alone. That move was the first demonstration that the Italian ruling class intended the war to be their own national war, inspired by ‘sacred egoism’ (sacro egoismo) without any consideration for the general objectives of the Alliance. The London Treaty itself was rigid and no-one tried to adapt foreign policy to the new circumstances created by the war. The legend of ‘mutilated victory’ emerged as a result of the clash between the unchanged clauses of the Treaty and the rapid changes in the international order. 4. Contradiction and Failure: The Italian Delegation at Versailles in 1919 After the victorious end of the war in November 1918, Italian diplomacy and the Italian government made a great political blunder: they failed to recognize the major developments originating from the war itself. In 1915, Italy had joined the Entente in a rather traditional coalition war. The Russian Revolution and the entry of the United States into the war changed the character of the war significantly, transforming it into a crusade for liberal democracy and national self-determination. During the war, Baron Sonnino acted as the minister of a regional power, evincing a strong underestimation of nationalist movements and a complete indifference towards world-wide questions, including the economy16. The Italian Minister of Foreign Affairs failed to understand the revolutionary nature of the Great War. In November 1918, the Italian government did not for a moment consider the Treaty of London to be the limit of its war aims. Prime Minister Vittorio Emanuele Orlando was determined to put an end to the internal political confrontation between legal and actual Italy, a kind of civil war that lasted through the decades of national unification into the nineteenth century. Soon after the truce had been signed with the Austro-Hungarian military delegates at Villa Giusti, Orlando declared that Italy’s victory had to be considered one of the greatest that history had ever recorded, and repeated himself in his address to Parliament, when he claimed that this victory seemed to overshadow all others in recorded history. Victory was undeniable, but had been achieved by huge sacrifices in manpower and the industrial mobilization of resources. 14 Mario Toscano, Il Patto di Londra. Storia diplomatica dell’intervento italiano 1914–1915 (Bologna 1934). 15 Giorgio Petracchi, L’Italia nella politica internazionale dalla Grande Guerra alla Grande Depressione; in: Federico Romero, Antonio Varsori (eds.), Nazione, interdipendenza, integrazione: la relazioni internazionali dell’Italia 1917–1989, 2 vols. (Roma 2005, 2006) I (2005) 27–57. 16 Roberto De Quirico, Italy and the Economic Penetration Policy in Central-Eastern Europe during the Early First Post-War Period; in: The Journal of European Economic History 30/2 (2001) 291–318, here 303 f.

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The Prime Minister’s words were intended to prime the country to demand even more. This way, Orlando took his first step towards raising public hopes that were already running high. The other side of the question was what might happen if the nation were denied the fruits of such an achievement. The democratic interventionist Bissolati was the only member of the cabinet to propose that Italy should renounce all the elements of the Treaty of London that clashed with President Woodrow Wilson’s Ninth Point – ‘A readjustment of the frontiers of Italy should be effected along clearly recognizable lines of nationality’. Specifically, Italy should not demand German-speaking South Tyrol and Dalmatia with its Croat majority. Nationalists all over Italy soon forced Bissolati to resign, along with three other ministers: they could not accept the idea of a peace settlement based upon a new international order and the League of Nations and the decline of the old diplomacy facing the new foreign policy pursued by President Wilson and the Bolshevik revolutionaries. The Italian borders with the Kingdom of Serbs, Croats and Slovenes were not to reflect nationality, but rather the new balance of power in the Adriatic. The government was trying to excite public opinion against the principle of national self-government because Orlando and Sonnino were afraid that Wilson might bury the ancient concert of the European Great Powers at the very moment Italy could finally become part of it. Having defeated its ancient enemy, the nation could at last recover from the ‘Custoza and Adowa complex’: the deep sense of inferiority and national frustration enduring from the humiliating defeats of 1866 and 1896. This was the reason why they supported the idea of diminishing the power and territorial size of AustriaHungary without destroying the monarchy. When the Peace Conference opened its gates, the Italian delegation paid little attention to the creation of a new world with new principles in foreign relations. Even though Prime Minister Orlando was ready to recognize that events had overtaken the Treaty of London and a realistic settlement for the eastern Adriatic could not ignore nationality, he accommodated his Minister of Foreign Affairs, who seemed to be interested only in gaining all the territories the Treaty of London had foreseen with the addition of Fiume, whose Italian population had proclaimed annexation to Italy at the very end of the war17. Such an attitude clashed with the new situation in Central-Eastern Europe and met the opposition of President Wilson, who was hostile to clandestine diplomatic agreements like the London Treaty. Wilson himself had warned the Italians that their Adriatic claims were unacceptable at their first meeting in Paris on 21 December 191818. Orlando had reacted accordingly, but was by no means disposed to disclose the truth about President Wilson’s opposition to Italian demands, while Sonnino, ‘the evil genius’ among the Italian delegates19 according to Harold G. Nicolson, stubbornly refused to hammer out a compromise. In 17 This opinion was also shared by Henry Kissinger, L’arte della diplomazia (Milano 2004) 170; engl.: Diplomacy (New York – London – Toronto – Sydney 1994). 18 Maria Grazia Melchionni, La vittoria mutilata. Problemi ed incertezze della politica estera italiana sul finire della Grande Guerra: ottobre 1918 – gennaio 1919 (= Edizioni di Storia e di Letteratura, Roma 1981) 165 f. 19 Margaret MacMillan, Peacemakers: The Paris Conference of 1919 and its Attempt to End War (London 2001) 388–414.

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April 1919, the Conference addressed the Adriatic question. From the very beginning of the settlement, the Italian Prime Minister justifiably presented the losses his countrymen had suffered, 689,000 soldiers out of a population of 35 million20, as compared with Great Britain’s 662,000 casualties out of a population of 46 million. All of this was instrumental to the rendering of accounts. The north-eastern border was to extend beyond the Isonzo Valley, the Julian Alps, the Carso, Trieste and Istria to a depth of 40 kilometers from the coast. This would give Italy even more Slovene territory than had been promised in 1915. Fiume was claimed in the name of self-determination and the promised segment of Dalmatia in the name of Italy’s strategic security: almost a million non-Italians (including the German-speakers of South Tyrol) would be trapped inside the Italian kingdom. It is noteworthy that the Italians did not agree with Wilson about the principle of collective security21 nor with the French about the comparison between their Eastern questions: the Rhine line for France and the Adriatic for Italy. Acting this way, they brought themselves to a dead end: on the one hand, there were the Allies, who could not accept all the Italian claims, and, on the other, over-excited Italian public opinion, fed with illusions and assumptions. Wilson made it clear that parts of Istria, Dalmatia and Fiume all had to go to the Yugoslavian kingdom. The answer of the Italian Prime Minister was theatrical, arguing that nothing would be more fatal to the peace of the world than denying him Fiume. The crux of the issue was that it was impossible for Italy to have both the Treaty of London and other territories as well. When President Wilson appealed directly to the Italian people22, the Italian delegates left the peace conference in order to reinforce their authority in front of Parliament and public opinion, thus making their second huge diplomatic and political blunder. Orlando and Sonnino resolved at last to return to Paris, but they realized that the allied attitude towards Italy had worsened: the role of Italy had become less influential than ever. This ultimate step in the creation of the myth of ‘mutilated victory’ resulted from the politicians’ inability to reach a satisfactory compromise between Italy’s maximum national claims and the good-will of the allies. When the Italian delegates saw that Italy could not have everything that it desired, they found it more convenient to support public opinion at home in thinking that the allies had shown themselves to be selfish and ungrateful to a nation that had made enormous sacrifices, suffering the greatest human losses for common victory.

20 The actual figures of Italian casualties from May 1915 to November 1918 did not reach the height of 600,000, according to the most recent research of the Department of Economics and Statistics (DIES) of the University of Udine. See Alessio Fornasin, Corrado Gini’s contribution to estimates of Italian military deaths in the First World War; in: Genus. Rivista di Demografia LXXI/ 2–3 (2015) 73–79. 21 Italo Garzia, L’Italia e l’origine della Società delle Nazioni (Roma 1995) 98. 22 During his visit to Rome on 3 January 1919, Wilson had been given no opportunity to address the crowds. The Italians did not know how deeply Wilson believed in his mission of peace. On the one hand, the president, well informed about Italian claims, carefully avoided any approach to the Adriatic Question, on the other, no attempt was made by the Italians to negotiate with their guest about Italy’s eastern border. See Daniela Rossini, Wilson e il Patto di Londra nel 1917–1918; in: Storia Contemporanea XXII/3 (June 1991) 473–512, here 506.

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5. A Hard Myth to Eradicate The legend of the ‘lost victory’ originated from the deep sense of frustration the Italians felt in 1919 faced by the Great Powers at the Peace Conference: it was a frustration that derived from the exaggerated expectations that the Great Powers failed to meet in the view of the majority of Italian politicians and patriots. The myth’s origins should be recognized in the historical weakness of the new nation. Paradoxically, the negative myth of the ‘mutilated victory’ was built on the foundation of an undeniable victory by a ruling class who won the war, but lost the peace, showing itself inadequate and short-sighted in building up a new order in Europe. The most perceptive critic of Orlando and Sonnino’s behaviour is considered to be Count Carlo Sforza, who as foreign minister in 1920 negotiated a more equitable solution to the eastern Adriatic dilemma. The consequences of the Italian attitude at the Peace Conference in Paris were far greater than supposed: Italian strategy dealt a fatal blow to Italy’s liberal system, already badly mauled by the enormous wartime efforts. By stoking the appetite for unattainable claims, Orlando and Sonnino encouraged Italians to despise their victory unless it led to the annexation of a small port on the other side of the Adriatic with no historical connections to the motherland. The sense of jeopardized identity and wounded pride finally produced an explosive compound. In truth, victory was mutilated by Italy’s own leaders. The further exploitation of the myth by Fascism became the rallying cry leading to the Second World War and lasting until the end of the Cold War.

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III. Das Neue Europa A. The Democratization of Central and Eastern Europe as a British Strategic Objective, 1918–1925 by B.J.C. McKercher It was pointed out that, in the absence of some provision, there was every prospect that within the next few months Austria would in all probability break up, and that there would be a general scramble among the neighbouring States for her remains. Cabinet Conclusion, December 19201

British policy towards the former Habsburg lands of Central and Eastern Europe from late in the Great War to the negotiation of the 1925 Locarno Treaty looked to foster democracy to provide regional stability within the balance of power. Its genesis lay in the war and, until the final phase of that struggle, British war aims did not entertain the break-up of the Habsburg Empire. Rather, they sought to detach AustriaHungary from Germany: a reformed Dual Monarchy might continue to exist, allowing its subjects greater say in their own governance. But British policy changed in the last year of combat – was forced to change – by the vagaries of Central and Eastern European nationalism fanned by the mesmerising notion of ‘national self-determination’. At the Paris Peace Conference, given that the Austro-Hungarian, German, and Tsarist Russian empires had collapsed as a result of military defeat, revolution, and the rise of successor states from their ashes, British policy adjusted to bolster separate Austria and Hungary. Along the same lines, new regional polities – especially Poland, Czechoslovakia, and a union of the southern Slavs – and older ones – chiefly Bulgaria and Romania – were part of the new Europe that faced modified British foreign policy. At Paris and afterwards, British strategic thinking comprised two elements: realize continental stability and contain Germany and Russia. Overall, it meant finding diplomatic material to re-assert the continental balance of power as the best means of guaranteeing British security and the revival of trade. With respect to former Habsburg lands, given the limits of its military power, until 1925 Britain’s strategy supported democratizing Central and Eastern Europe as the best way to ensure regional stability. 1 CC 80(20)6, 30 December 1920; in: Cabinet Archives, National Archives, Kew (hereafter CAB) 23/23.

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1. The War and War Aims Drafting British war aims occurred haphazardly after August 1914. Britain entered the Great War ostensibly to preserve Belgium but, in reality, to support its French and Russian Entente partners and prevent Wilhelmine Germany’s hegemony over continental Europe. Despite some domestic opposition to going to war, the Cabinet’s motive was simple2. Britain could not acquiesce in other Powers re-arranging the European balance: if Germany won the war, a major threat to British security would result; if France and Russia triumphed, the same outcome would arise, as Britain’s two Entente partners would probably look unkindly on British isolation from an obvious struggle for national survival. In either case, the British Empire might weaken once peace returned as troops and resources committed in the wider world would require re-deployment closer home to safeguard Britain from a hostile continent. The main reason for this aimlessness involved the supposition that the anticipated war of movement and mobility would be of short duration3. This belief proved hollow as the advent of trench warfare by late October 1914 in Western Europe and a fluid Eastern Front – plus fighting in the Balkans, the Near East, Africa, East Asia, and on the high seas – led to a long-term struggle of attrition. As the war dragged on, the articulation of British war aims gradually assumed greater importance. In this process, Austria-Hungary, Germany’s Central Power confederate, became increasingly important in British thinking. By mid-September 1914, Sir George Buchanan, the ambassador at St. Petersburg, informed London that the Russians looked to a post-war order where along with returning Alsace-Lorraine to France and resurrecting Belgium, Poland would be re-created and a large southern Slav state would emerge in the Balkans4. The latter two aims would have a direct impact on Austria-Hungary, given its Polish and Balkan territories and the fact that Russia would see the new states as its protégés. Sir Edward Grey, the British foreign secretary, seems to have acquiesced in these proposals, as he and his Cabinet colleagues concentrated on defeating the Central Powers on land and at sea. Consideration of British war aims languished until summer 1916; apart from the obvious cost of fighting the war in terms of blood and treasure that put domestic pressure on the government to achieve victory, London faced additional urging to define its war objectives. In January, the American president, Woodrow Wilson, sent an envoy,

2 Michael G. Ekstein, Zara Steiner, The Sarajevo Crisis; in: Francis H. Hinsley (ed.), British Foreign Policy under Sir Edward Grey (Cambridge 1977) 397–410; Max Hastings, Catastrophe 1914: Europe Goes to War (London 2013) 85–102; John W. Young, Conservative Leaders, Coalition, and Britain’s Decision for War in 1914; in: Diplomacy & Statecraft 25/2 (2014) 214–239. 3 Cf. Robert T. Foley, German Strategy and the Path to Verdun: Erich von Falkenhayn and the Development of Attrition, 1870–1916 (= Cambridge Military Histories, Cambridge 2005) 56–81; David Stevenson, The Politics of the Two Alliances; in: Jay Winter, Geoffrey Parker, Mary R. Habeck (eds.), The Great War and the Twentieth Century (New Haven 2000) 69–96. 4 Buchanan to Arthur Nicolson (Foreign Office permanent under-secretary), 13 September 1914; in: Foreign Office (hereafter FO) Private MSS, National Archives, Kew, 800/375; cf. Viscount Grey of Fallodon, Twenty-Five Years, 1892–1916, 3 vols. (London 1928) II 160 f.

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Colonel Edward House, to Europe to arrange a peace agreement. Holding perfunctory talks in Paris and Berlin, House devoted most of his efforts in London. Grey learnt that Wilson sought to convene a peace conference and, should the Germans either demur attending or refuse a ‘reasonable’ settlement, the United States might enter the war in support of the Allies. On 22 February 1916, although initialling a memorandum embodying the plan, Grey specified that in agreement with the French, the British should decide when the so-called House-Grey Memorandum would be implemented5. This American effort came to nought because the British, French, and Russians did not intend to negotiate a peace agreement at this time – and House seems also to have over-stepped his instructions from Wilson about an American offer to go to war. The bloody battles of 1916 in the West – Verdun and the Somme – hardened British and French attitudes. Nonetheless, by summer 1916, with the Allies seemingly having the initiative in their offensives in the West and East, Romania joining the Entente Powers, and Grey warning of another American intervention, the British premier, Herbert Henry Asquith, asked for ideas on peace terms6. Reckoning the French advanced in determining their proposals, London was not to surrender any advantage to them. Accordingly, the first lord of the Admiralty – and a former prime minister – Arthur Balfour, the chief of the Imperial General Staff, General Sir William Robertson, and Grey submitted memoranda. At this point, Austria-Hungary’s fate entered British post-war calculations. Amongst other goals in the wider world like retaining captured German colonies, Balfour opposed breaking up Wilhelmine Germany and the Dual Monarchy, decried a negotiated settlement, sought the destruction of the German fleet and the closure of the Kiel Canal, and supported Alsace-Lorraine’s return to France7. He also argued that ‘the principle of nationality’ should govern ‘rearranging the map of Europe’ to enervate the Central Powers and re-establish the European balance of power. Robertson’s plan, in one view, came ‘straight out of the eighteenth century’8. Britain should ensure its naval pre-eminence, keep Germany out of the Low Countries, and revive the European balance. To achieve the latter, after ensuring the German fleet’s destruction, both Central Powers were to remain largely intact to limit ‘the power of Russia and the Slav States’. Although Robertson remained subdued about unnecessarily dismantling the Habsburg Empire, the balance of power might also result if Germany absorbed a smaller Austria-Hungary.

5 Grey to War Committee, 22 February 1916; in: CAB 42/9/3, cf. House diary, 6 March 1916; Arthur S. Link (ed.), The Papers of Woodrow Wilson (hereafter PWW) 69 vols. (Princeton 1966–1994) XXXVI (Princeton 1981) 262 f.; Nicholas Ferns, Loyal Advisor? Colonel Edward House’s Confidential Trips to Europe, 1913–1917; in: Diplomacy and Statecraft 24/3 (2013) 365–382. 6 David Stevenson, The First World War and International Politics (Oxford 2001) 111. 7 Balfour memorandum, ‘The Peace Settlement in Europe’, 4 October 1916, CAB 37/157/7, cf. Henry Jackson (First Sea Lord) memorandum, ‘Note on the Possible Terms of Peace’, 12 October 1916, CAB 42/21/8. 8 Robertson memorandum, 31 August 1916, CAB 42/18/10. The comment is in Cedric J. Lowe, Michael L. Dockrill, The Mirage of Power, 3 vols. (= Foreign Policies of the Great Powers, London 1972) II: British Foreign Policy, 1914–1922, 242.

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The Foreign Office assessment came from two senior officials: Sir Ralph Paget, an assistant under-secretary who was minister to Serbia from 1910 to 1913, and Sir William Tyrrell, a senior mandarin9. A peace settlement ‘would be applied subject to economic factors, treaty obligations, Allied war aims, and above all, British interests’10, and it ought to give structure to the disparate views of representatives of Habsburg subject minorities who, since 1914, had been lobbying the British, their Entente partners, and the Americans about fashioning new states out of Austria-Hungary, Germany, and Russia. Hence, unlike the Admiralty and the Imperial General Staff, the Foreign Office recommended dismantling Austria-Hungary, ‘His Majesty’s Government [having] announced that one of their chief objects in the present war is to ensure that all the States of Europe, great and small, shall in the future be in a position to achieve their national development in freedom and security’. The goal involved weakening Germany by eliminating its principal ally and, with new states arising from Habsburg domains, better safeguarding the postwar balance. Paget and Tyrrell thus suggested that along with a federation of Southern Slavs, ‘let German provinces of Austria be incorporated in the German Empire; let Bohemia be linked up to Poland [one acceptable to Russia]; and let Hungary be formed of the purely Magyar portions of the country into an independent State with the fully secured commercial outlets to the Adriatic at Fiume, and by means of the Danube to the Black Sea’. The result would underwrite post-war European stability, ‘(…) this conglomeration of States would prove an efficient barrier against Russian preponderance in Europe and German extension towards the Near East, because these states would be happy and contented in the realisation of their national aspirations, and strong as regards their economic future, which would be secured by the possession of their natural commercial outlet to the sea.’ The Foreign Office probably held over-sanguine views and certainly under-played nationalist animosities amongst Austria-Hungary’s subject peoples, but a strong British voice now existed for dismantling the Dual Monarchy. Nonetheless, despite the best intentions, the enunciation of clear British war aims still languished for more than a year. Asquith fell from power in early December, replaced by the energetic Liberal, David Lloyd George, who headed a new Liberal-conservative Unionist coalition government. Wilson launched another peace initiative the same month11. But deteriorating German-American relations caused by Berlin’s proclamation of unrestricted submarine warfare in January 1917 and its puerile and fruitless effort to tempt Mexico into declaring war on the United States, which became public in late February, led Wilson to declare war on Germany on the Allied side on 6 April12. 9 Except where otherwise noted, this and the next paragraph are based on Tyrrell and Paget memorandum, ‘Suggested Basis for a Territorial Settlement in Europe’, 7 August 1916, CAB 42/17/4. 10 Kenneth J. Calder, Britain and the Origins of the New Europe 1914–1918 (Cambridge – London – New York – Melbourne 1976) 94, and a full analysis in Ibid. 94–97; cf. Čedomir Antić, Ralph Paget. A Diplomat in Serbia (Belgrade 2006) 105 f. 11 For the full text of the note, see Papers Relating to the Foreign Relations of the United States: The World War, 1917, Supplement 1 (Washington 1931) 97 ff. 12 On unrestricted submarine warfare, cf. Rodney Carlisle, Sovereignty at Sea. U.S. Merchant Ships and American Entry into World War I (= New perspectives on maritime history and nautical archaeology,

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After the bloody battles of 1916 that accomplished very little, Lloyd George endeavoured to invigorate Britain’s war effort. That does not mean that consideration of war aims did not occur – it did. Lloyd George’s War Cabinet looked at territorial and non-territorial desiderata13. One of Wilson’s preoccupations before and after the United States joined the war centred on creating a post-war grouping of Powers to safeguard international peace and security. In this context, London moved to ensure that an eventual ‘League of Nations’ would not impinge on British interests. Beginning in late 1916, a senior committee discussed the question and, by March 1918, Lloyd George’s government had a blueprint for the League that could – and did – serve as the basis of the international organization created at the Paris Peace Conference14. Meanwhile, there had been barren initiatives launched by the Vatican and the new Habsburg Emperor, Karl I, to find a negotiated settlement15. More important, the Russian Revolution in March 1917 and the subsequent Bolshevik coup d’ état in November changed the complexion of the war, forcing a public enunciation of British war aims. The Bolsheviks published secret Tsarist treaties, including the cynical 1915 Treaty of London with Britain, France, and Italy on annexing Ottoman and Austrian territory16. Contrary to the new internationalism propounded by Wilson, centring on the League and ‘open diplomacy’, the Bolsheviks promoted a proletarian variant17. London needed to indicate publicly, particularly to its war-weary citizens and American allies, that Britain had moral reasons for fighting. Thus, on 5 January 1918, Lloyd George spoke before the socialist Trade Union Congress (TUC) in London to outline British war aims. In essence, he committed Britain to help create an international organization to settle international disputes, respect the sanctity of treaties, and fashion a just peace based on national self-determination18. The implications of the last point were Gainesville 2009); L[ancelot] L. Farrar, The Strategy of the Central Powers, 1914–1917; in: Hew Strachan (ed.), The Oxford Illustrated History of the First World War (Oxford 1998) 26–38, here 37 f. On Mexico see Thomas Boghardt, The Zimmermann Telegram: Intelligence, Diplomacy, and America’s Entry into World War I (Annapolis 2012). On American entry to the war, cf. Justus D. Doenecke, Nothing Less than War: A New History of America’s Entry into World War I (Lexington 2011); Robert W. Tucker, Woodrow Wilson and the Great War: Reconsidering America’s Neutrality, 1914–1917 (Charlottesville 2007) 188–214. 13 [Alfred] Milner Committee report on non-territorial desiderata (P15), 24 April 1917, CAB 21/77; [George] Curzon Committee Report on territorial issues (P16), 28 April 1917, CAB 21/71. 14 Lord Walter Phillimore headed the committee; its records are in FO, General Correspondence, National Archives, Kew, 371 3439/53848/13675. See its final report (P26), 3 July 1918, CAB 29/1. 15 Antoine Fleury, Le Saint-Siège et les negociations de 1917; in: Guerres Mondiales et Conflits Contemporains 170 (1993) 17–29; Edward P. Keleher, Emperor Karl and the Sixtus affair: Politico-Nationalist Repercussions in the Reich German and Austro-German Camps, and the Disintegration of Habsburg Austria, 1916–1918; in: East European Quarterly 26/2 (1992) 163–184. 16 James Bunyan, Harold H. Fisher, The Bolshevik Revolution 1917–1918: Documents and Materials (= Hoover War Library publications 3, Standford 1934) 242–244. 17 Ateik K. Azizyan, V. I. Lenin on Proletarian Internationalism (Moscow 1964); Robert Craig Nation, War on War: Lenin, the Zimmerwald Left, and the Origins of Communist Internationalism (Duke 1989). 18 David Lloyd George, War Memoirs, 2 vols. (London 1938) II 1478–1489; cf. David R. Woodward, The Origins and Intent of David Lloyd George’s January 5 War Aims Speech; in: The Historian 34/1 (1971) 22–39.

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less than positive for a united Habsburg Empire. Three days later, Wilson proclaimed his ‘Fourteen Points’ to under-pin his brand of internationalism and shape the eventual peace process. He spoke specifically about re-establishing Poland and said ‘The people of Austria-Hungary, whose place among the nations we wish to see safeguarded and assured, should be accorded the freest opportunity to autonomous development.’19 As the war entered its final phase, events in Eastern and Central Europe slipped away from Britain and the Allied Powers20. When General Erich Ludendorff’s offensive launched in March 1918 crumbled in the summer, the Central Powers faced military defeat; in Austria-Hungary, emboldened by these events, subject minorities took advantage of the weakening Habsburg army and Vienna’s waning political authority to push for independence. Within the Monarchy, the Slav minorities had demonstrated minimal anti-Habsburg sentiment before the Russian Tsar fell in March 1917 – outside, of course, nationalist groups had long lobbied the British, French, and Americans to support their liberation21. But in May, with Russia stumbling, the Czechoslovak National Council endorsed independence. The November Bolshevik coup and Wilson’s ‘Fourteen Points’ two months later served to embolden both nationalism and socialism within the Habsburg monarchy22. By 3 September 1918, London and Washington had recognized an independent Czechoslovakia23. When Vienna then called for a peace conference, Wilson’s Administration rejected it: the Fourteen Points underlined American policy. In that same month, the success of Allied forces in Macedonia saw Bulgaria sue for peace. Now events moved beyond Habsburg control.

19 President Woodrow Wilson’s Fourteen Points, 8 January 1918, Avalon Project: http://avalon.law. yale.edu/20th_century/wilson14.asp. Cf. Trygve Throntveit, The Fable of the Fourteen Points: Woodrow Wilson and National Self-Determination; in: Diplomatic History 35/3 (2011) 445–481. 20 Except where otherwise noted, the next three paragraphs are based on Mark Cornwall, The Undermining of Austria-Hungary: The Battle for Hearts and Minds (New York – Basingstoke 2000); Manfred Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918 (Wien – Köln – Weimar 2013); Max Schiavon, L’Autriche-Hongrie dans la Première Guerre Mondiale: la fin d’un empire (Paris 2011); then cf. Elisabeth Haid, Nationalitätenpolitik und Kriegspropaganda. Die galizischen Ruthenen aus der Perspektive Österreich-Ungarns und Russlands; in: Wolfram Dornik, Julia Walleczek, Stefan Wedrac (eds.), Frontwechsel: Österreich-Ungarns „Großer Krieg“ im Vergleich (Wien – Köln – Weimar 2014) 259–282; Andreas Gottsmann, Karl I. (IV). Der Erste Weltkrieg und das Ende der Donaumonarchie (Wien 2007); Helmut Rumpler, Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918. Letzter Versuch zur Rettung des Habsburgerreiches (= Österreich Archiv, Wien 1966). 21 For Poland, see M[ieczysław] B. B. Biskupski, The United States and the Rebirth of Poland, 1914–1918 (= History of International Relations, Diplomacy, and Intelligence 21, Dortrecht 2012); the still-reliable Calder, Britain and the Origins 145–174; Jeffrey Mankoff, The Future of Poland, 1914– 1917: France and Great Britain in the Triple Entente; in: International History Review 30 (2008) 743–767. 22 Cf. Wolfdieter Bihl, Österreich-Ungarn und die Friedensschlüsse von Brest-Litovsk (= Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 8, Wien – Köln – Graz 1970) 12–30; Borislav Chernev, Beyond Annexationism: The Central Powers’ Ostpolitik as Structural Transformation, 1917–18; in: International History Review 35/4 (2013) 723–743; Betty Miller Unterberger, The United States, Revolutionary Russia, and the Rise of Czechoslovakia (Chapel Hill – London 1989). 23 Declaration, 2 August 1918, FO 371/3135/135903; Wilson to Lansing (secretary of state), 2 September 1918, three letters; in: PWW XLIX (Princeton 1985) 415–417.

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With the Bulgarian collapse, on 4 October Vienna appealed for an armistice based on the ‘Fourteen Points’; waiting two weeks, Washington indicated its commitment to the Czechoslovaks and South Slavs, each of whom might be dissatisfied with Habsburg offers of ‘autonomy’24. On 16 October 1918, Karl granted ‘autonomy’ to the Austrian half of his Empire – but not Hungary. Concessions were too late: the Czechoslovaks and South Slavs had already set up political organs in their nascent countries. Under the shadow of an Italian offensive in the south on 24 October, a National Council at Budapest advised peace and severing Hungarian ties to Austria. Four days later, a Polish committee emerged in Kraków, wishing to place Galicia and Austrian Silesia in a re-born Poland, and the Czechoslovak National Council in Prague declared an independent state. On October 29, with Austria seeking an armistice with Italy, the Croats declared Slavonia, Croatia, and Dalmatia independent, pending a national Yugoslav state. Bowing to the inevitable, the German members of the Habsburg Reichsrat proclaimed a sovereign German Austria the next day25. An Austrian armistice came on 3 November 1918. Amongst other things, Imperial forces were to evacuate all the territories taken after August 1914, plus South Tyrol and several Balkan countries. Hungary attempted futilely to distance itself from Austria, partly to secure a separate cease-fire. Germany capitulated on 11 November and, facing revolution in Vienna and Budapest, Emperor Karl ‘relinquish[ed] every participation in the administration’ of Austria the same day; on 13 November 1918 a similar proclamation was issued for Hungary (the word ‘abdication’ was never mentioned in either proclamation). The Habsburg Empire disappeared, replaced by a new constellation of power in Central and Eastern Europe shaped from the political, social, and economic debris of four years of total war. For Britain, although not immediately clear, it meant a different approach to the balance of power in the region. 2. Britain, Central Europe, and the Peace Settlement The leading victorious Powers – Britain, France, the United States, and Italy – sought to arrange a peace settlement at a post-war conference that met at Paris for almost two years, beginning in January 1919. Five separate treaties emerged with the defeated belligerents: Germany, Bulgaria, and Turkey, and, in a decision reflecting the reality of the new Europe, Austria and Hungary. Furthermore, in an intra-Allied decision mirroring the strong anti-Central Power sentiments of Allied public opinion and a desire to create a peace settlement in the interests of the victorious Powers, there would be no negotiations with Germany and its former associates. In the British General Election of December 1918 that renewed Lloyd George’s coalition government, for instance, vengeful slogans like ‘Hang the Kaiser’ found a favourable chord with the 24 Foreign Office memorandum (GT 5976), ‘The Diplomatic Situation Created by the German Request for an Armistice and Negotiations of the 4th October 1918’, 26 October 1918, CAB 24/66. 25 ‘Armistice with Austria-Hungary. Military agreement regarding execution of certain clauses’ (GT 6256), 7 November 1918, CAB 24/69. Cf. David French, The Strategy of the Lloyd George Coalition, 1916–1918 (Oxford 1995) 282 f.

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electorate26. Through a series of commissions formed in Paris to examine territorial and economic issues, disarmament, the creation of the League, and more, the victorious Powers negotiated amongst themselves. In this process, the four Great Power leaders – Lloyd George, Woodrow Wilson, Georges Clemenceau, the French premier, and Vittorio Orlando, the Italian prime minister – listened to representatives of the lesser and emerging Powers, entreaties from nationalist groups recognized as legal entities like the Polish National Committee, and Allied experts in Paris and those sent to Central and Eastern Europe. The course of these negotiations – at times, vociferous and heated –, is well documented27. They produced treaties named after the Parisian suburbs in which they had been negotiated and gave political and economic structure to the sub-continent shaped by the war. As Germany stood as the most important hostile Power, its settlement – the Treaty of Versailles – came first; and whilst unsurprisingly decried as a ‘diktat’ by the new republican German government and German people28, it set the tone for the four subsequent peace agreements, especially those for Austria and Hungary. Apart from losing its overseas empire, Germany ceded territories in the west and east to France, Belgium, and the new Poland. It was forced to disarm – a 100,000-man army with no conscription; no air force; a small navy; restricted weapons; and a demilitarized Rhineland. Most notorious, it had to acknowledge its ‘guilt’ for starting the conflict with the resultant burden of paying heavy reparations to the victors. Lloyd George had a strong voice in these decisions – some historians argue that he proved the most successful of the Big Four in achieving his Power’s foreign policy ambitions29. Along these lines, the Cabinet and Foreign Office had undertaken major efforts after his TUC speech: they looked for Britain to benefit territorially from the German overseas and Ottoman empires; in Europe, they wanted Germany to be punished territorially, to pay reparations, and its military capacity to be enfeebled30. At the same time, the new Germany had 26 Stuart Ball, Portrait of a Party: The Conservative Party in Britain 1918–1945 (Oxford 2013) 127 f.; Martin Farr, Waging Democracy: The British General Election of 1918 Reconsidered; in: Cercles 21 (2011) 65–94. 27 Patrick de Gmeline, Versailles 1919. Chronique d’une fausse paix (Paris 2001); Hans Kempe, Der Vertrag von Versailles und seine Folgen (Mannheim 2005); Alan Sharp, The Versailles Settlement: Peacemaking after the First World War, 1919–1923 (Basingstoke – New York 2008). 28 Start with Hugo Grothe (ed.), Die Schuldlüge und das Diktat von Versailles im Urteil führender Geister Deutschlands und des Auslandes (Berlin 1923); then cf. Manfred F. Boemeke, Gerald D. Feldman, Elisabeth Glaser (eds.), The Treaty of Versailles: A Reassessment after 75 Years (= Publications of the German Historical Institute, Washington DC – Cambridge – New York 1998); Eberhard Kolb, Der Frieden von Versailles (= Beck’sche Reihe 2375, München 2005); Thomas Lorenz, „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht!“ Der Versailler Vertrag in Diskurs und Zeitgeist der Weimarer Republik (= Campus Forschung 914, Frankfurt/Main – New York 2008). 29 Cf. Michael Graham Fry, And Fortune Fled. David Lloyd George, the First Democratic Statesman, 1916–1922 (= Studies in International Relations 3, New York – Washington DC/Baltimore – Bern – Frankfurt – Berlin – Brussels – Vienna – Oxford 2011) 193–294. 30 Erik Goldstein, Winning the Peace: British Diplomatic Strategy, Peace Planning, and the Paris Peace Conference, 1916–1920 (Oxford 1991). Cf. Charles Hardinge to Esme Howard (British minister, Stockholm), enclosing Hardinge’s memorandum: ‘Preparations for the Peace Conference’, 8 November

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to be strong enough domestically to ensure its economic and political stability, whilst it stood as a crucial component of the post-war balance of power against France and Bolshevik Russia. Such objectives underscored Lloyd George’s ‘Fontainebleau memorandum’ of mid-March 1919, when excessive French demands threatened to scupper the treaty with Germany31. Negotiated next, the Austrian and Hungarian treaties followed the general outlines of the German settlement. The former, the Treaty of Saint-Germain signed on 10 September 1919, prohibited the new Austrian state from entering into any political union with Germany to avoid strengthening the latter – a condition echoed in the Versailles Treaty32. To underscore a separate and autonomous Austria, the Allies disallowed the new republic’s desire to be called Deutschösterreich in favour of simply ‘Österreich’ – though they conceded that Austria could join the League once Vienna had signed the treaty. Austria’s armed forces were limited to a 30,000-man army with no conscription and no air force. Now, without access to the sea, a navy was impossible. Economically, apart from transferring control of railways in its former lands to the successor regimes and the Danube becoming an international waterway, Austria found itself saddled with reparations for Habsburg ‘war guilt’. Most grievous to German-Austrian amour-propre, despite acquiring the German-speaking Burgenland from Hungary, Saint-Germain forced Vienna to acknowledge the permanent loss of huge swaths of former Habsburg lands by recognizing independent Czechoslovakia, Hungary, the Kingdom of Serbs, Croats and Slovenes, and Poland, and surrendering Alpine and Balkan territory to Italy. For Britain, however, this settlement endeavoured to augment the post-war balance in Central and Eastern Europe. As Sir James Headlam-Morley, a Foreign Office official, minuted: ‘We do not wish to encourage the growth of these large units of Government on the Continent and we wish to use the League of Nations to maintain the existence of the smaller multi-national states (…) Quite apart from the balance of power, we have enough nationalism and we want the tide flowing in the other direction.’33

1918, in: Howard Papers, Cumbria County Record Office, Carlisle 9/29; Jan Smuts (War Cabinet) memorandum, 14 March 1918, LG; in: Lloyd George MSS, Parliamentary Archives, London F/45/9/10; Memorandum: ‘War Aims and Military Policy’, 15 June 1918, Balfour MSS FO 800/220; CC 1(490), 24 October 1918, CAB 23/6. 31 In David Lloyd George, The Truth about the Peace Treaties, 2 vols. (1938) I 404–416. 32 Nina Almond, Lutz Ralph Haswell (eds.), The Treaty of St. Germain: A Documentary History of its Territorial and Political Clauses; with a Survey of the Documents of the Supreme Council of the Paris Peace Conference (= Hoover War Library 5, Palo Alto – Oxford 1935); cf. Manfred Bansleben, Das österreichische Reparationsproblem auf der Pariser Friedenskonferenz (Wien – Köln – Graz 1988); Bruno Hamard, Le transfert du Burgenland à l’Autriche 1918–1922, un arbitrage international de l’aprèsguerre; in: Revue Historique 596/3 (1995) 285–305; Gerald Stourzh, Zur Genese des Anschlußverbots in den Verträgen von Versailles, St-German und Trianon; in: Isabella Ackerl, Rudolf Neck (eds.), SaintGermain 1919. Protokoll des Symposiums am 29. und 30. Mai 1979 in Wien (= Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Geschichte der Republik Österreich 11, Wien 1989) 41–53. 33 Headlam-Morley minute, 18 March 1919, FO, Peace Conference Papers, National Archives Kew, 608/9.

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Hungary’s settlement – the Treaty of Trianon signed on 4 June 1920 – deprived it of two-thirds of its former territory and population34. Together with losing the Burgenland to Austria, its Slovakian territory, sub-Carpathian Ruthenia, and the region of Bratislava went to Czechoslovakia. The emerging southern Slav state acquired Croatia, Slavonia, and a slice of the Banat. The remainder of the Banat went to Romania, which also took resource-rich Transylvania. The Adriatic port of Fiume and its hinterland fell to Italy. Following the German model, the new Hungarian army was limited to 35,000 men, restricted weapons, and no conscription; and supposedly equally guilty for starting the war, Hungary was to pay reparations. Romania and the new successor states assimilated a sizeable number of ethnic Magyars in contradistinction to Anglo-American notions of self-determination. Actually, a crisis in Hungary delayed the conclusion of Trianon, and it presaged the problems the British faced in Central and Eastern Europe after the peace conference: a Bolshevik regime seized power in Budapest in March 1919. Little doubt exists that its leader, Béla Kun, handled this revolution poorly, alienating all the elements of Hungarian society – including the peasantry with ill-conceived land reform – and embarking on a ‘red terror’ to bring the country to heel35. Romanian-Hungarian hostilities began almost immediately after Kun’s coup; persuading the other Allied Powers that an accommodation might be possible, Lloyd George had one of his closest advisors, the South African general, Jan Smuts, despatched to Hungary to probe the possibilities of a cease-fire36. But Kun remained intransigent. Smuts departed and Kun’s forces suffered a series of defeats at Romanian hands. Promised Bolshevik Russian support fizzled out because the Red Army was having difficulties against counter-revolutionary forces in the Ukraine. With the French viewing Bucharest as supportive of their interests, the Romanians advanced, took Budapest, crushed Kun’s regime, and by 1 August 1919 the Budapest Workers’ and Soldiers’ Soviet requested Gyula Peidl, the leader of the trade union, to form a Social Democratic government in Hungary. Three British lessons were derived from the advent of the new Central and Eastern Europe37. The strongly nationalist successor states that included former enemy Powers

34 Ignác Romsics, The Dismantling of Historic Hungary: The Peace Treaty of Trianon, 1920 (Boulder, Col. 2002); cf. József Botlik, The Fate of Western Hungary, 1918–1921 (Buffalo 2012); Marián Hronský, The Struggle for Slovakia and the Treaty of Trianon 1918–1920 (Bratislava 2001); Peter Pastor, Major Trends in Hungarian Foreign Policy from the Collapse of the Monarchy to the Peace Treaty of Trianon; in: Hungarian Studies 17/1 (2003) 3–13. 35 Béla Kirschner, Béla Kun und die ungarische Revolution, I. Teil; in: Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis de Rolando Eötvös Nominatae. Section historica 25 (1987) 167–185; Rudolf L. Tőkés, Béla Kun and the Hungarian Soviet Republic: The Origins and Role of the Communist Party of Hungary in the Revolutions of 1918–1919 (New York – Stanford 1967). 36 Smuts, ‘The Mission to Austria-Hungary’, 9 April 1919, LG F/197/2/2; then see Miklos Lojko, Missions impossible: General Smuts, Sir George Clerk, and British Diplomacy in Central Europe in 1919; in: Michael Dockrill, John Fisher (eds.), The Paris Peace Conference, 1919. Peace Without Victory? (Houndmills – Basingstoke – Hampshire 2001) 115–139. 37 Cf. David R. Beatty (First Sea Lord) memorandum (CP 60), 4 November 1919, CAB 24/92; William Twiss (British Army) memorandum, ‘Report on Visit to Germany, 3rd to 17th December 1919’

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were mutually hostile, especially over territorial issues. All Central and Eastern Powers required stable pro-western – that is, democratic and anti-Bolshevik – governments. Whilst Britain lacked the military capacity to intervene effectively in the region, Paris seemed determined to build a cordon sanitaire against Russia and Germany with support from successor states like Romania. Thus, in moving to re-establish the balance of power in Europe after 1919–1920, the interplay of Germany, Bolshevik Russia, and the successor states in Central and Eastern Europe – suffused with competing nationalisms and national interests – permeated British considerations. However, British diplomatists in subsequent governments and the Foreign Office inherited a nettled situation because of Lloyd George. Having little understanding of the strategy of the balance – an outcome of his lower middle-class bigotry towards the supposedly aristocratic Foreign Office and Diplomatic Corps – he approached peacemaking at Paris the same way he did domestic British politics. He had made his career by doing deals – with his Liberal Party colleagues, political opponents, and powerful extra-parliamentary newspaper, business, and trade union leaders. With a small coterie of advisors like Smuts and Maurice Hankey, the Cabinet secretary, and with his own prejudices, he merely continued in this vein in bargaining with Wilson, Clemenceau, and Orlando in Paris. In doing so, he often ignored specialist advice from Foreign Office experts and those from other ministries and the armed forces. Pre-occupied with German territorial, disarmament, and reparations issues and endeavouring to improve Anglo-Russian relations, he cared little about Eastern and Central Europe, except for Poland38 – containing as it did former German, Russian, and Habsburg provinces. Indeed, the prime minister held strong anti-Polish attitudes: ‘one might as well “give a clock to a monkey as Upper Silesia to the Poles”’39. Infuriated by what he saw as Warsaw’s territorial greed, he overrode the advice of his Polish expert, Esme Howard, who, after visiting the new state and assessing its condition, advocated a large Poland to offset Germany and Russia. Howard’s American counterpart, Robert Lord, concurred40. But with biases clouding his judgement, and seeking to ensure his view of a viable Germany and mend Anglo-Russian relations sometime in the misty distant future, as he had tried with Kun’s brief regime, Lloyd George overrode Howard, (CP 381), Part A, Paragraph 6(a), 20 December 1919, CAB 24/95; CC 7(20)1(a), 29 January 1920, CAB 23/20; George Curzon (Foreign Secretary), ‘Foreign Affairs. Summary of Statement made to the Cabinet’, 1 November 1922, CAB 23/32. 38 Michael L. Dockrill, J. Douglas Goold, Peace without Promise. Britain and the Peace Conferences, 1919–1923 (London 1981) 256–257. 39 Patricia A. Gajda, Postscript to Victory: British Policy and the German-Polish Borderlands, 1919–1925 (Washington, DC – 1982) 19. 40 B[rian] J.C. McKercher, Esme Howard: A Diplomatic Biography (Cambridge – New York – Melbourne – Sydney 1989) 197–233; idem., The Paths of Reason and Peace: Esme Howard’s Unpublished Manuscript on ‘Paderewski. Musician, Patriot, Statesman’; in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas N. F. 41 (1993) 81–100; cf. Kay Lundgreen-Nielsen, The Polish Problem at the Paris Peace Conference: A Study of the Policies of the Great Powers and the Poles, 1918–1919 (= Odense University studies in history and social sciences 59, Odense 1979).

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argued with Clemenceau and Wilson, who both echoed Howard’s advice, and largely got his way. As one Foreign Office supporter of Howard, Eric Drummond, observed, ‘the Germans are bent on pursuing the policy of securing compensation in the East for any losses they may suffer in the West (…) The Allies must help Poland to form a solid national barrier against Germany on one side and Bolshevism on the other’41. What was so for Poland remained so for the other successor states. However, returning to London after the German settlement and leaving a senior Foreign Office official, Eyre Crowe, as Britain’s representative on the Supreme Council, Lloyd George’s obstinacy in fashioning the Versailles Treaty had left a flawed settlement in Eastern and Central Europe. Blind to anything but determining the new shape of Germany, he cared about little else. As Hankey confessed about Lloyd George’s attitude in his diary, ‘he alluded to our traditional policy of aloofness from the affairs of central Europe, only intervening at long intervals when our safety compelled it, as in the late war and in the Napoleonic wars’42. 3. Pursuing the Balance of Power in Central Europe, 1919–1922 Stretching back several centuries for the British, the continental balance never devolved from hard and fast rules43. Interpreted by its makers at the time they held office, their reading of its history generally influenced their strategic conceptions when seeking to influence it in Britain’s favour44. Nevertheless, despite its slight variances over time, the best definition came from Crowe in 1907: ‘The only check on the abuse of political predominance derived from [the momentary predominance of a neighbouring State] has always consisted in the opposition of an equally formidable rival, or of a combination of several countries forming leagues of defence. The equilibrium established by such a grouping of forces is technically known as the balance of power, and it has become almost an historical truism to identify England’s secular policy with the maintenance of this balance by throwing her weight now in this scale and now in that, but ever on the side opposed to the political dictatorship of the strongest single State or group at a given time.’45 41 Drummond to Philip Kerr (Lloyd George’s private secretary), 18 January 1919, Lothian; in: Marquess of Lothian MSS, National Library of Scotland, Edinburgh, GD 40/17/15. 42 Hankey diary, 31 December 1920; cf. Stephen Roskill, Hankey. Man of Secrets, 3 vols. (London 1971–1974) II 1919–1931 (1972) 209. 43 See M[ichael] L. Roi, B[rian] J.C. McKercher, ‘Ideal’ and ‘Punch-Bag’: Conflicting Views of the Balance of Power and Their Influence on Interwar British Foreign Policy; in: Diplomacy & Statecraft 12/2 (2001) 47–78. 44 For examinations of the balance and Britain in different geopolitical ‘Europes’, cf. David Brown, Palmerston and the Politics of Foreign Policy 1846–55 (Manchester 2003) 74–100; C[edric] J[ames] Lowe, Salisbury and the Mediterranean 1886–1896 (= Studies in Political History, London – Toronto 1965) 54–72; Paul W. Schroeder, The Transformation of European Politics 1763–1848 (Oxford 1994) 5–19. 45 Crowe, ‘Memorandum on the Present State of British Relations with France and Germany’, 1 January 1907, FO 881/8882X. The copy in this file was printed for use in the Foreign Office in May 1918.

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Since the re-arrangement of the European balance after Germany’s unification in 1871, British diplomatists in the Cabinet and Foreign Office had tended to see it and its important derivative, stability, as deriving from sustaining the status quo. Following from this belief in the decade before 1914, with officials like Crowe, Grey shared the notion that the European balance did not involve individual Powers. Instead, it resulted from the two coalitions, the Dual and Triple alliances, remaining in equilibrium46. Therefore, when the ‘July crisis’ erupted, the British joined the war with Russia and France to ensure that Germany did not eradicate the balance47. With the exceptions of Paget and Tyrrell until late in the war, a desire to re-establish the old balance underlay British war aims. As pre-war German, Russian, and Austro-Hungarian control of Central and Eastern Europe gave stability to that region, British policy-makers naturally sought war aims to warrant that the three Powers might revive the balance there – although Germany and Austria-Hungary would weaken. War, revolution, and nationalism put paid to these ambitions, and the Paris settlement looked to provide stability within a new regional status quo. The essence was to do so with liberal democratic states. But, as the ink dried on Versailles, Saint-Germain, and Trianon, and with their limited influence in Central and Eastern Europe as a result of Lloyd George, those responsible for Britain’s day-to-day relations with the successor states had to find diplomatic material to influence the balance amongst them, limit German and Russian in-roads, and help achieve stability. Almost immediately, the situation in Austria, Hungary, and Bulgaria provided this material. Domestic political uncertainty occasioned by defeat, food shortages, unemployment, hyper-inflation, the loss of territory, and the disappearance of the essentially large Central European free trade zone embodied by the pre-war Dual Monarchy had sundered the economies of each these former enemy Powers. The burden of reparations would only exacerbate their economic feebleness. In turn, these weakening economies meant that their fragile emerging democratic governments might succumb to possible Bolshevik revolutions. For Britain, with its own difficulties tied to high unemployment and the dislocation of trade48 – the latter the life-blood of its economy – stability in Central and Eastern Europe had important foreign and domestic policy relevance. Suffused by very public and compelling arguments in Britain about the ‘economic consequences’ of ill-conceived reparations policies and ancillary issues like the forced dissolution of established financial institutions like the Austro-Hungarian Bank, a different 46

31695.

For instance, Grey minute, undated (late August 1909 from internal evidence), FO 371 675/31696/

47 Note 2 above; cf. criticism of Grey in T[homas] G. Otte, ‘Almost a Law of Nature?’ Sir Edward Grey, the Foreign Office, and the Balance of Power in Europe, 1905–12; in: Diplomacy & Statecraft 14/2 (2003) 77–118. 48 For example, Christopher Addison (Minister of Health), ‘National Health Insurance’ (CP 316), 18 December 1919, CAB 24/95; Ministry of Labour, ‘The Labour Situation’ (CP 450), 14 January 1920, CAB 23/96; Board of Trade, ‘Report XVII on the General Industrial Position’ (CP 564), 23 January 1920, CAB 24/97. Cf. Paul Barton Johnson, Land Fit for Heroes: The Planning of British Reconstruction, 1916–1919 (Chicago 1968); Chris Wrigley, Lloyd George and the Challenge of Labour: The Post-War Coalition 1918–1922 (New York 1990).

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diplomatic approach was required49. As the Cabinet learnt about Austria in December 1919, ‘“Workers” Councils are doing their utmost to precipitate an economic crisis by stopping the movement of commodities from one district to another. They up trucks destined for Vienna and the contents. A probable change of Government, either a Monarchy or a Soviet Republic, openly discussed’50. With the exception of Romania, the condition in the rest of Central and Eastern Europe remained equally bleak. Indeed, to a large degree, the handling of the Austrian question proved fundamentally important for British policy in all of Central and Eastern Europe – as Lloyd George’s Cabinet understood, ‘Vienna had long been the banking centre of Southern Central Europe, and any collapse on a large scale must have widespread effects’51. Crucially, this diplomacy did not involve unilateral initiatives by London52. Conforming to pre-war notions about the balance, it entailed ensuring that the successor states could balance amongst themselves and against Germany and Russia. It also meant working through post-war structures like the League and with other Powers like the United States and France – now dominant on the continent and taking Germany’s place in British thinking as the leading continental Power and a potential threat to the balance53. In line with Versailles, Saint-Germain, and Trianon, the Supreme Council established a Reparations Commission in April 1920, in which an Austrian section emerged. It was to report in May the following year. Whilst it was deliberating, the economic and financial situation in Central and Eastern Europe, especially Austria, deteriorated even more. The new Austrian government’s answer to these difficulties entailed large public expenditures for food and unemployment relief. Moreover, seeking to minimize taxes and prices, and allowing its railroads and other monopolies to run deficits,

49 John Maynard Keynes, The Economic Consequences of the Peace (London 1919); idem, A Revision of the Treaty (London 1921); cf. David R. Andrews, Keynes and the British Humanist Tradition: The Moral Purpose of the Market (= Routledge Studies in the History of Economics 109, London – New York 2010); Donald Markwell, John Maynard Keynes and International Relations: Economic Paths to War and Peace (Oxford 2006). 50 This and the next sentence are from Directorate of Intelligence, ‘A Monthly Review of Revolutionary Movements in Foreign Countries’ (CP 308), December 1919, CAB 24/95. For Austria, cf. Peter Loewenberg, Austria 1918: Coming to Terms with the National Trauma of Defeat and Fragmentation; in Karl Müller, Hans Wagener (eds.), Österreich 1918 und die Folgen: Geschichte, Literatur und Film (Wien – Köln – Weimar 2009) 11–24; Wolfgang Müller, Die österreichische „Lebensfähigkeitsproblematik“ in ihrem politischen und wirtschaftlichen Umfeld in den Jahren 1918–1922 (Diplomarbeit, Wien 1990); John C. Swanson, The Remnants of the Habsburg Monarchy: The Shaping of Modern Austria and Hungary, 1918–1922 (= East European Monographs 568, Boulder – New York 2001) Chapter 7. 51 CC 80(20)6, 30 December 1920, CAB 23/23. 52 See Anne Orde, British Policy and European Reconstruction after the First World War (Cambridge – New York – Melbourne – Sydney 1990) 109–130; Zara Steiner, The Lights that Failed: European International History 1919–1933 (Oxford – New York 2005) 279–285; cf. League of Nations Council, Financial Reconstitution of Austria. Report of the Financial Committee of the Council (London 1921); League of Nations, The Restoration of Austria. Agreements Arranged by the League of Nations and Signed at Geneva on October 4th, 1922 (Lausanne 1922). 53 Cf. Balfour (Foreign Secretary) to Lloyd George, 29 November 1918, LG F/3/4/45; Curzon (Foreign Secretary) memorandum, 1 May 1920, CAB 21/171.

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Vienna’s limited public revenues failed to meet expenditures, thus producing sizeable deficits as of 1919. By early 1920, the British government looked to selected responses to help mitigate the crisis, for instance, by providing meat supplies at reduced prices and ultimately providing a relief loan54. However, this approach did not resolve deep structural problems that could only be resolved by loans, bartering raw materials for industrialized commodities, and, perhaps, credits. In a telling development, although the Americans had been involved in food relief in Eastern and Central Europe after the armistices, Washington seemed increasingly reluctant to support loaning private money directly to Vienna or through the medium of the British and French governments. An isolationist Republican, Warren Harding, succeeded Wilson in November 192055. Later that month, although alarmed about Austrian political and economic stability, Sir Austen Chamberlain, the Chancellor of the Exchequer, advised the Cabinet that the other Powers seemed more than willing to allow Britain to take the lead in underwriting Austrian recovery. To do so would be folly: ‘the time had come when His Majesty’s Government must, in the interests of the people at home, resist these constant appeals to assume external financial burdens the greater proportion of which our Allies endeavoured to throw upon this country’56. But within weeks, Austria’s situation became more parlous: ‘The evidence before the Cabinet was to the effect that Austria was on the verge of complete economic collapse, and in the absence of some assistance would probably fall into a state of dissolution. This might lead to either the whole or a part linking itself to Germany, a contingency which the French viewed with the utmost misgivings, but on which no decided views were expressed at the Cabinet.’57 Something had to be done, and based on policy proposals by Sir William Goode, the British president of the Austrian Section of the Reparations Commission – which included a $250 million American loan guaranteed by London and Paris – and deft handling by Chamberlain, Lloyd George’s Cabinet made some important decisions58. Whilst ‘any further monetary contribution to the Government of Austria’ was impossible, unspent relief loan funds already granted – approximately £1,100,000 – were to be employed to stimulate Austrian trade. And, as surplus supplies existed in Britain,

54 For example, on meat supplies, see CC 8(20)5, 4 February 1920, with Appendix III, Conclusion 1, 27 January 1920, CAB 23/20; CC 7(d), 6 May 1920, CAB 23/21. 55 On Herbert Hoover, see Murray N. Rothbard, Hoover’s 1919 Food Diplomacy in Retrospect; in: Lawrence E. Gelfand (ed.), Herbert Hoover – The Great War and its Aftermath, 1914–23 (Iowa City 1979) 89–110. On the loans issue, see Orde, British Policy 113 f. 56 CC 66(20), Appendix 1(3), 25 November 1920, CAB 23/23. 57 Ibid CC 72(20)4, (day obscured) December 1920. 58 Chamberlain memorandum (CP 2139), ‘Financial Situation in Austria’, 23 November 1920, with Austrian Section of the Reparation Commission report, ‘Financial and Economic Position of Austria and Recommendations as to Measures Immediately Necessary’, 1 November 1920, Goode note, ‘Consequences of a Refusal of Direct Aid to German-Austria’, 22 November 1920, and ‘Note of Conversation (CP 2157), Reparation (1) The Brussels Meeting, (2) The Condition of Austria’, 24 November 1920, all CAB 24/115. For the Cabinet decisions, see CC 72(20)4, (day obscured) December 1920, CAB 23/23.

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including fish, Austria and other Central European Powers could acquire them by receiving long-term credits. With cautionary advice from the Treasury and Goode in the background59, a British delegation met with other Allied representatives in Paris at the end of January 1921. Its report was firm: ‘we have concentrated our attention primarily on the recuperation of Austria, and have considered the much less serious position of the “Successor States” solely in relation to the problem of Austria, because this problem is the only one which appeared to us sufficiently acute and urgent to demand special consideration by the Supreme Council’60. Thus, the Allies and other Powers like the United States could either abandon or postpone their liens against Austria – for occupation forces, relief credits, and reparations. Building on this action, a conference of the Allied Powers, Austria, and the successor states might boost communications and freer trade within the territories of both former Austria-Hungary and the successor states. For its part, Austria would be obliged to cut its public services and use ‘redundant employees in productive work’. With Allied approval, Vienna would also better control its public finances, including issuing paper currency. Relying on private ‘capitalist groups’ rather than governments, a French scheme to create ‘an Industrial Commercial and Banking company’ was to assist in Austria’s economic revival. Finally, Austria was to participate in any existing or contemplated national or international credit schemes. The Allied conference actually attempted to paper over divisions regarding how the economic situation in Austria and, hence, in Central and Eastern Europe, was to be structured to promote capitalist-based political – that is, democratic – stability61. As the Cabinet decided in December 1920, partly founded on Goode’s ideas, the British really wanted to substitute private for public money in reconstructing Austria. Here, stronger Anglo-American sources would probably dominate. Based on financial orthodoxy, the Austrians would need greater authority in handling their own affairs. This ran counter to French ideas supported by the Czech, Polish, Romanian, and Yugoslav members of the Austrian Section of the Reparations Commission. With Germany in the background, Paris did not want to mitigate the strict application of any peace treaty provisions with the defeated Powers. For the successor states, Goode’s prescription would diminish their authority over Austria and enhance that of Britain. Since the Austrian Section could not agree, the January Allied Conference had to make the decisions about foregoing liens and the rest.

59 Cf. Treasury to Foreign Office, 7 November 1920, FO 371/3527/15042; Goode memorandum (CP 2813), ‘The Importance to British Trade and Industry of Granting Credits to Austria’, 12 November 1920, CAB 24/1. 60 ‘Report of the Committee on Austria’. Approved in principle by the Allied Conference in Paris on 29 January, 1921 (CP 2410), CAB 24/119. 61 Except where otherwise noted, this paragraph is based on Philip L. Cottrell, Austrian Reconstruction, 1920–1921: A Matter for Private Business or the League of Nations?; in: Hartmut Berghoff, Jürgen Kocka, Dieter Ziegler (eds.), Business in the Age of Extremes. Essays in Modern German and Austrian Economic History (= Publications of the German Historical Institute, Cambridge – New York – Melbourne 2013) 59–75, here 62–65.

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These results brought the issue before the Provisional Economic and Financial Committee of the League in mid-March 1921. Austria joined the international organization in December 192062. To emphasise the importance it placed on the situation, London would forfeit its Austrian liens, including reparations, if the Allies, the Americans, and others providing relief credits to Vienna followed suit63. Moreover, just days before becoming leader of the Unionist Party and the second most powerful member of the Lloyd George coalition, Chamberlain served as Chairman. Accordingly, whilst having Austria reform its financial system and allow for the security of non-governmental loans, this committee agreed on a twenty-year moratorium for all Austrian liens tied to a new loan. Although this plan came before the League Council on 3 June 1921, the sluggish United States legislative process saw it fail64. Still, although the Austrian and, thus, the Central and Eastern European situation remained precarious, this process underscored a British strategic success in that several Powers were now tied to the Austrian settlement, and London could utilize this situation essentially to arbitrate decisions to maintain an economic and financial balance. It took more than a year to do so65. The principal reason for delay derived from two unproductive Allied conferences at Cannes (January 1922) and Genoa (April–May 1922) to resolve German reparations and security issues and, Lloyd George’s ambition, consider a general economic conference that would include Bolshevik Russia66. In August 1922, with possible German default on its reparations payments in the background, Britain, France, Italy, Germany, Austria, and other interested Powers met at London to discuss war debts and reparations. An unofficial American observer also attended. Although the German question dominated discussions, Austrian financial issues moved towards resolution. On 15 August, Lloyd George, Raymond Poincaré, the French premier, and other leaders conferred with the Austrian chancellor, Ignaz Seipel. Seipel learnt that international control of the Austrian economy might be necessary – the Italians were pressing for the leadership of any Austrian control commission, and the League would be salient to any settlement involving new loans. Austria had reached a crossroads – it needed to consider its future as a sovereign Central European state. The London talks were then suspended. Seipel travelled to Italy, Czechoslovakia, and Germany – which officially abjured Anschluss – to discover that his options were limited. 62 Except where otherwise noted, this paragraph is based on ‘Relief of Austria’: Reports presented by the Committee in September 1921 together with the Proceedings of the Assembly and the Council upon such Reports (1922) 8–9: C.92.M.47.1922 II; in: League of Nations Archives, Geneva. 63 Curzon to various Powers, 3 March 1921, FO 371/5739/3916. 64 CC 56(21)3, 30 Jun e 1921, CAB 23/26. 65 Except where otherwise noted, the next three paragraphs are based on Patricia Clavin, Securing the World Economy: The Reinvention of the League of Nations, 1920–1946 (Oxford 2013) 27–30; Orde, British Policy 130–145; Emily S. Rosenberg, Financial Missionaries to the World: The Politics and Culture of Dollar Diplomacy, 1900–1930 (Durham 2003) 167 ff. 66 Curzon memorandum (CP 3987), ‘Attitude of French Government in the event of the failure by Germany to meet her reparation obligations’, 23 May 1922, CAB 24/136. Cf. Carole Fink, The Genoa Conference: European Diplomacy, 1921–1922 (Chapel Hill – London 1984); Stephen White, The Origins of Detente: The Genoa Conference and Soviet-Western relations, 1921–1922 (= Soviet and East European studies 50, Cambridge – London – New York – Sydney 1985).

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Essential in this diplomacy from a British perspective – and shared by other subscribers to any Austrian loan – involved maintaining Austrian independence; for instance, in the event of Anschluss, Germany might seize foreign investments in Austria without providing any compensation. The turning point in this diplomacy came with Balfour’s appointment as British delegate to the League Council from 31 August to 4 October 1922. Confronting a series of domestic and foreign policy difficulties – especially the domestic reaction to his Irish policies and the unravelling of the Treaty of Sèvres with the Ottomans – Lloyd George needed some success to brandish before voters in the next general election. As a former premier, foreign secretary, and first lord of the Admiralty, Balfour possessed the political gravitas to find an international solution. Over the month of September, as Britain’s chief League delegate, and with Foreign Office, Treasury, and Bank of England support67, Balfour manoeuvred amongst the other Powers. He stymied Italian pretensions to lead a control commission, won support from the Czechs who, having secured their own loan and the creation of the Anglo-Czechoslovakian Bank, wanted stability in Central Europe, and gained Cabinet approval for Britain to cover 20 percent of a new Austrian loan, with Czechoslovakia, France, and Italy assuming equal shares. On 4 October 1922, British, French, Italian, Czechoslovak, and Austrian delegates met at Geneva and signed three protocols concerning Austrian sovereignty68. In the first, in return for the other Powers recognizing its ‘territorial integrity’ – mainly Italy and Czechoslovakia – Austria re-stated its pledge to maintain its independence. Given the London discussions, and where St. Germain only forbade political union with Germany, this protocol ensured no economic or financial Anschluss. The second protocol outlined Austria’s commitments for a League loan. Vienna would pay interest to Britain, the United States, France, Italy, and Czechoslovakia; it would secure this interest with its customs and tobacco monopoly; and without permission from Britain and other creditors to avoid burdening itself with additional debt and its capacity to repay, it would not seek further loans from any other country. The final protocol provided for League control of Austrian finances for two years and saw Seipel agree to various financial reforms in Austria: a balanced budget, control of the money supply, and increased postal, railway, and telephone taxes. The London discussions in August had sought limited League financial powers over Austria; now Geneva could appoint commissioners to monitor, observe, and make certain the reforms occurred. And each creditor nation, like Britain and the United States, established a committee to oversee its interests. In essence, the October protocols mandated foreign supervision and set conditions for subsequent loans. 67 For example, Miles Lampson (Head, Foreign Office Central Department) memorandum, 12 September 1922, FO 371/7340/12999/74/3; Basil Blackett (Treasury advisor to Balfour) to Otto E. Niemeyer (Treasury), 12 September 1922, T 160/584/2073/012; Balfour to Cabinet (CP 4225), 25 September 1922, CAB 24/139. 68 ‘Austria. Resolution adopted by the Council on Wednesday, October 4th, 1922’ (CP 4280), with Protocols, CAB 24/139. Cf. Juan H. Flores, Yann Decorzant, Public borrowing in harsh times: The League of Nations Loans revisited (= Université de Genève, Working Papers series, WPS 12091, Geneva 2012).

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When the London discussions resumed in December – and they again failed to resolve the issue of German reparations – the Powers did reach agreement for a League-administered Austrian loan of $126 million largely funded by American and British lenders – the Bank of England won support from American banking houses like J. P. Morgan. An economic balance thus emerged in Austria by the end of 1922. In addition, although a Dutch politician would serve as the League’s commissioner-general in Vienna, the British would maintain a major role in overseeing Austrian stabilization through Treasury and Bank of England officials on the League Financial Committee. A key condition of the loan would have the Financial Committee enforce strict rules on Austria’s budget, tax collection, and spending, plus create a politically independent national bank employing foreign advisers. Some diplomatic subterfuge existed concerning successor states like Czechoslovakia. The Czechs were allowed to hope that if Austria’s reconstruction succeeded, they might see payment of some reparations owed them. But this did not happen. Nonetheless, from the minute of securing the loan, Austria’s currency stabilized, financial confidence in the new republic rapidly returned, and its goods and services revalorized upwards. With Berlin having eschewed Anschluss to Seipel and the Bolsheviks being disorganized in Central Europe, the achievements flowing from the Austrian settlement quickly surpassed British expectations69. 4. The Pursuit of Security, 1922–1925 By the end of 1922, the Austrian settlement largely conformed to British notions of European stability: it aided the successor states in balancing amongst themselves and against Germany and Russia. The Czech loan and one contemplated for the Hungarians along the Austrian model added to this result70. It also meant that working through post-war structures like the League and with other influential financial Powers like the United States, the British were helping in the financial reconstruction of Central and Eastern Europe and in a way that allowed for their continuing influence over its shape and democratic – that is capitalist – structure. Now, however, London’s efforts to help to reconstruct continental economic life to underpin their strategic interests began to face the stark fact that the new Eastern and Central Europe increasingly lay beyond British political and military influence. The Franco-German ‘cold war’ simmering since the signature of Versailles entered a dangerous phase on 11 January 1923: after Berlin defaulted on reparations payments, the French with Belgian assistance occupied Germany’s industrial Ruhr Valley. Engineered 69 On financial issues, cf. comment by John Baring (British banker), ‘March Meeting of Board of Trade Advisory Council’, in Philip Lloyd-Greame (President, Board of Trade) memorandum, ‘Trade Prospects’ (CP 156), 19 March 1923, CAB 24/159, 7; Robert Cecil (Lord Privy Seal) memorandum, ‘Reparations Policy’ (CP 376), 4 August 1923, CAB 24/161, 6. From a document intercepted by British intelligence, the Bolshevik leader, Grigory Zinoviev, indicated in mid–1923 that ‘in Central Europe the former disorganisation prevails (…).’ Cf. ‘Communists in Session in Moscow’, in Scotland Yard Special Branch, ‘Report on Revolutionary Organisations in the United Kingdom’ (CP 291), 5 July 1923, CAB 24/160. 70 See Cecil memorandum, ‘Proceedings of the Recent Meeting of the Council of the League of Nations’ (CP 482), 27 December 1923, CAB 24/162, 5–7.

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by Poincaré, the ostensible purpose involved siphoning off German production in lieu of cash reparations until Berlin agreed to renew payments. Although various interpretations exist to explain French policy – Poincaré assuredly wanted to assert French hegemony on the continent – the British saw it as a threat to the continental balance71. Coming less than three months after Lloyd George’s fall from power – Conservative junior ministers and most of the parliamentary caucus rebelled against continuing in coalition with the Liberals – a new ‘Conservative’ ministry – the Conservatives jettisoned the name ‘Unionist’ – reckoned that the Ruhr occupation undermined continental political stability and, not surprisingly, threatened its fragile economic and financial fabric. Since Lloyd George – as Hankey said – ensured that Britain remained aloof from Central European power politics after Versailles, the British watched from the sidelines as the French built a series of alliances after 1919 in Central and Eastern Europe with the successor states to contain German and Russian power. A Russo-Polish war had been waged over the western Ukraine and Byelorussia between February 1919 and March 1921 – it origins lay with the Polish leader’s, Józef Piłsudski’s, desire to expand Poland to the east and create a Warsaw-led bloc of Eastern and Central European Powers as a glacis against expansionist Germany and Russia72. Given Lloyd George’s proclivities, Britain provided minimal support for Poland, the more so as pro-Bolshevik British dockers refused to load shipments of arms and other war materiel destined for Poland73. Lord Curzon, the foreign secretary, however, did play a minor role. He signed a document on behalf of the Supreme Council in Paris in December 1919 recommending a frontier demarcation between the two sides; but the Poles and Russians each ignored it when militarily successful; and when the war ended, the ascendant Poles took more than 130,000 square kilometres of territory east of the ‘Curzon Line’74. The French, of course, supported Piłsudski with arms, money, and advisors, largely because the Bolsheviks would not honour Tsarist debts to pre-war French bondholders. Paris’ strategic profit came on the eve of the final Russo-Polish peace agreement: the conclusion of a Franco-Polish alliance on 19 February 1921. Each side guaranteed the other in the event of ‘unprovoked’ attack; and the agreement implied common foreign policy objectives, bilateral economic exchanges, and consultations over any new pacts affecting 71 See Christoph Cornelissen, Vom „Ruhrkampf“ zur „Ruhrkrise“. Die Historiografie der Ruhrbesetzung; in: Gerd Krumeich, Joachim Schröder (eds.), Der Schatten des Weltkrieges. Die Ruhrbesetzung 1923 (Essen 2004) 25–45. Cf. Conan Fischer, The Ruhr Crisis, 1923–1924 (Oxford – New York 2003); Anna-Monika Lauter, Sicherheit und Reparationen: Die französische Öffentlichkeit, der Rhein und die Ruhr 1919–1923 (Essen 2006). 72 Jerzy Borzęcki, The Soviet-Polish Peace of 1921 and the Creation of Interwar Europe (New Haven – London 2008); Norman Davies, White Eagle – Red Star: The Polish-Soviet War 1919–20 (London – New York 1972). Cf. Józef Piłsudski, Year 1920 and its Climax: Battle of Warsaw during the Polish-Soviet War 1919–1920 (London – New York 1972). 73 Travis L. Crosby, The Unknown Lloyd George: A Statesman in Conflict (London – New York 2014) 275–278. 74 Piotr Eberhardt, The Curzon Line as the eastern boundary of Poland: The Origins and the Political Background; in: Geographia Polonica 85/1 (2012) 5–21.

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Central and Eastern Europe. Such a pact was already emerging. Concerned about Hungarian revisionism, the Czechs, Romanians, and Yugoslavs concluded a series of bilateral defensive agreements between April 1921 and August 1922. Supported by Paris, these Powers – collectively the ‘Little Entente’ – with Poland gave France pronounced political and military strategic advantages in Central and Eastern Europe75. When the French and Belgians occupied the Ruhr, Poland and the Little Entente supported French policy unblinkingly. The British had initially thought that the Little Entente could expand to include Austria and Hungary76. Now, the further weakening of Germany would provide France with unhindered primacy in Europe inimical to any balance of power. The initial British response to the Ruhr crisis proved tentative. With Chamberlain having resigned as Conservative leader because he supported Lloyd George, the new purely Conservative government led by Andrew Bonar Law looked first to avoid a major division with either France or Germany – Britain sought a middle path of ‘benevolent neutrality’77. A subsequent charge – a ‘lack of direction and confusion of British policy’ existed until autumn 1923 undermined ‘traditional interpretations of Britain as consistent, positive and rational throughout this period’ – is wide of the mark78. Much of this hesitancy resulted from re-establishing domestic political harmony after the fall of the divisive Lloyd George. First, Bonar Law was a stopgap leader; dying, he resigned in April, succeeded by Stanley Baldwin79. Second, there were equally important external problems. Complicated diplomacy to replace the ill-fated Treaty of Sèvres with a new settlement engaged Curzon, still foreign secretary. The disposition of Ottoman lands in the Levant compounded strained Anglo-French relations and, in July, led to the Treaty of Lausanne by which Britain’s Middle Eastern vision triumphed80. Finally, through Curzon and Crowe, who had become permanent under-secretary in October 1920, there occurred a decided effort by the Foreign Office to re-capture its leading position in making and executing foreign policy that had been undermined by Lloyd George and by which the Treasury and other ministries had increasingly vociferous voices81. 75 Magda Ádám, Complete Encirclement: The Establishment of the Little Entente; in: Ferenc Glatz (ed.), Hungarians and their Neighbors in Modern Times, 1867–1950 (= East European Monographs 419, Boulder, Colo. – New York 1995) 143–151; Piotr S. Wandycz, France and her Eastern Allies, 1919–1925: French-Czechoslovak-Polish Relations from the Paris Peace Conference to Locarno (Minneapolis 1962) 3–26. 76 Marie-Luise Recker, England und der Donauraum 1919–1929. Probleme einer europäischen Nachkriegsordnung (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 3, Stuttgart, 1976) 42 f. 77 CC 1(23)3, 11 January 1923, CAB 23/45; Foreign Office memorandum for French ambassador, 20 March 1923, FO 371/8724/5302/13. 78 See Elspeth O’Riordan, British Policy and the Ruhr Crisis 1922–24; in: Diplomacy & Statecraft 15 (2004) 221–251, here 223. 79 Andrew Taylor, Bonar Law (= The 20 British Prime Ministers of the 20th Century, London 2006) 119–130. 80 Cf. Dockrill, Goold, Peace Without Promise 81–252; David Gilmour, Curzon: Imperial Statesman (London 2003) 549–567. 81 Brian J. C. McKercher, Old Diplomacy and New: The Foreign Office in the Interwar Period; in: Michael L. Dockrill, Brian J. C. McKercher (eds.), Diplomacy and World Power: Studies in British Foreign Policy, 1890–1951 (Cambridge 1996) 79–114.

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Poincaré’s action produced a French diplomatic, economic, military, and political debacle of the first order82. The Germans did not buckle. London and Washington ultimately disparaged the economic and political instability created in Europe as a whole – they used their control of international gold supplies to put pressure on the franc as a means to get France to relent; and the French recouping of the financial cost of the occupation, let alone reparations payments, was a bust. The obvious problem was that despite the security offered by the League Covenant and their emerging alliance system in Central and Eastern Europe, the French remained alarmed about revanchist Germany. Ultimately, Baldwin’s government supported two initiatives to bring stability to Europe: a new reparations agreement and pursuit of a security regime. Re-casting reparations centred on the need to restructure the German economy and, in this effort, relative unity of opinion existed between the British and American governments as well as the City of London and Wall Street. Accordingly, with the political backing of their governments, a group of international bankers convened in late 1923; a Chicago banker, Charles Dawes, assisted by a British industrialist, Josiah Stamp, chaired them. Private capital rather than public money, it proposed, would be made available to the Germans – as occurred over the Austrian loans – and the Ruhr evacuated. In return, the Germans would introduce a new currency, re-organize the Reichsbank, and accept political control of the German economy through a series of commissions83. Concerning reparations, annual disbursements were to commence at one billion gold marks, rising to 2.5 billion after five years, as the German economy improved. Although Baldwin’s Conservative government lost power in a General Election in December 1923, its minority socialist Labour Party successor led by James Ramsay MacDonald continued to support the Dawes Committee. Dawes’ final Report came in August 1924 and, the next month, with relatively little difficulty, the Powers endorsed it, including France. For different reasons, the British and Americans united to resolve Germany’s economic and financial plight. London looked to revive British trade with Germany and bring stability to postwar Europe; Washington saw German financial stability as the basis for ensuring reparations to the former Allies that, in turn, would help underwrite Allied war debt payments to the United States. France found itself left in the lurch. Baldwin government’s support for a security regime for Europe balanced that for the financial one being fashioned by the Dawes Committee. In 1923, chaired by Edvard Beneš, the Czech foreign minister, the League Commission on Armaments was examining arms limitation and international security. The British minister for League affairs,

82 Cf. Patrick O. Cohrs, The Unfinished Peace after World War I: America, Britain and the Stabilisation of Europe 1919–1932 (New York 2006) 100–115. Stanislas Jeannesson, Poincaré, la France et la Ruhr (1922–1924): Histore d’une occupation (= Le mondes germaniques, Strasbourg 1998). 83 See William Joynson-Hicks (Treasury) memorandum, ‘Reparations and Allied Debts’ (CP 358), 30 July 1923, CAB 24/161; cf. Max Sering, Germany under the Dawes Plan: Origin, Legal Foundations, and Economic Effects of the Reparation Payments (London 1929); Orde, British Policy 227–265; Stephen A. Schuker, The End of French Predominance in Europe: The Financial Crisis of 1924 and the Adoption of the Dawes Plan (Chapel Hill 21988) 171–231.

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Lord Robert Cecil, proved a leading supporter of its efforts. At the September Assembly, Beneš’ commission proposed a draft ‘Treaty of Mutual Assistance’ that sought to make wars of aggression illegal and compel League members to commit troops to defend attacked Powers. However, backed by the British dominions, Baldwin’s Cabinet – over Cecil’s remonstrance – opposed the Treaty’s universal application because of Britain’s Imperial military obligations and desire to limit any continental commitment. The matter fell into abeyance84. The advent of the MacDonald government produced a new security initiative: the ‘Geneva Protocol’. Labour did not intend to revise a proposal even considered by its Conservative predecessor. Laid before the League in September 1924 by MacDonald and Édouard Herriot, the French premier, the Protocol proposed a general disarmament conference, the compulsory arbitration of crises, and legal means to define aggressors – quite simply, any Power failing to submit disputes to the World Court85. Powers suffering aggression would receive immediate assistance from all League members. The MacDonald–Herriot plan implied that League-defined security priorities would limit its members’ sovereignty and, whilst all League Powers voted in favour of the scheme in early October 1924, MacDonald’s minority ministry fell before Parliament could ratify it. In the General Election of 29 October, Baldwin’s Conservatives returned to power with a majority. The Conservatives would have to carry the Protocol forward. Not surprisingly, Baldwin’s government rejected it: it resulted from Labour and, for Conservative ministers other than Cecil, its universal application would involve military commitments beyond defending narrow British interests86. Wanting to provide security to France and end the Franco-German cold war, Chamberlain, the new foreign secretary, inherited the problem of finding means to achieve European political security. Importantly, subsequent consideration of British policy that led to a successful security regime – the Locarno treaty – saw Central and Eastern Europe cease to be a major British strategic concern. Working with Crowe and recognizing that challenging tasks confronted Britain, he immersed himself in the problems confronting British diplomacy. The most important briefings and memoranda dealt with the Franco-German question, specifically with the Dawes Plan, German disarmament, and the continuing occupation of the Ruhr87. These submissions emphasized the broader strategic 84 CC 46(23)3, 26 September 1923, CAB 23/46; Salisbury (James Gascoyne-Cecil, 4th Marquess of Salisbury; Lord President), ‘The Discussions on Foreign Affairs in the Imperial Conference, October 8th, 1923’ (CP 408), 10 October 1923, CAB 24/162. Cf. Gaynor Johnson, Lord Robert Cecil. Politician and Internationalist (Farnham 2013) 129–142; Peter J. Yearwood, Guarantee of Peace: The League of Nations in British Policy 1914–1925 (Oxford 2009) 211–250. 85 League of Nations, The Covenant of the League of Nations and the Geneva Protocol with a brief explanatory Introduction (London 1924); Cf. Richard S. Grayson, Austen Chamberlain and the Commitment to Europe: British Foreign Policy, 1924–29 (London – New York 1997) 31–43. 86 Committee of Imperial Defence 190th meeting, 4 December 1924, CAB 2/4. 87 For examples of assessments prepared on various facets of these issues, see Central Department memoranda, ‘The Evacuation of the Cologne Zone’, ‘Commercial Treaty with Germany’, ‘Entry of Germany into the League of Nations’, ‘Financial Questions between the Allies’, ‘German Disarmament’, ‘Current Events’, all 7 November 1924, all FO 371/9803/16848/37. New materials supplemented them over the

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difficulty of re-establishing continental stability. Given Crowe’s long-held views about European equilibrium, the advice reaching Chamberlain centred on building a balance between France and Germany in Western Europe and ignoring its central and eastern reaches. Chamberlain’s role in the second Baldwin government’s efforts to bring stability to continental Europe is well known88. He originally held Berlin responsible for European insecurity. Troubles existed, for example, concerning ending by January 1925 the Allied occupation of the Rhineland region centred on Cologne – authorized in 1919, providing that Germany honoured the commitments enacted by Versailles. But with Berlin skirting the treaty’s disarmament strictures, Chamberlain charged, the ‘Germans have played the fool as usual about Cologne’89. Hence, seeking better relations with France – even meeting Herriot on 5 December to do so – he told Lord Crewe, his ambassador in Paris, that he was ‘the most pro-French member of the Government’90. However, Chamberlain was pragmatic. Lloyd George’s legacy of ‘aloofness from the affairs of central Europe’ left little diplomatic material there that Chamberlain could utilize. In finding an alternative to the Protocol, he therefore looked to the West, first considering an Anglo-French alliance: such means could restrain France from hazardous actions like the Ruhr occupation91. However, the Cabinet remained unconvinced; moreover, an Anglo–French alliance would alienate Germany92. Chamberlain’s realism emerged when, in these circumstances, he saw the value of a proposal in January 1925 by the German foreign minister, Gustav Stresemann, for a ‘Rhineland pact’; a guarantee of the inviolability of the Franco-German border as defined by Versailles. In such a diplomatic arrangement, Chamberlain understood immediately, Britain could next six weeks, for instance, Central Department ‘Memorandum on the Evacuation of the Rhineland’, 29 November 1924, FO 371/9833/17469/4736. See also Harold Nicolson minute, 6 November 1924, Crowe minute, 7 November 1924, Chamberlain minute, 9 November 1924, all FO 371/9803/16848/37. 88 Cf. Christian Baechler, Gustave Stresemann (1878–1929). De l’impérialism à la sécurité collective (Strasbourg 1996) 583–650; Cohrs, Unfinished Peace 201–219; John Robert Ferris, Men, Money, and Diplomacy: The Evolution of British Strategic Policy, 1919–1926 (= Cornell studies in security affairs, Ithaca NY 1989); Jon Jacobson, Locarno, Britain, and the Security of Europe; in: Gaynor Johnson (ed.), Locarno Revisited: European Diplomacy, 1920–1929 (London – New York 2004) 8–22. 89 Chamberlain to Ida, his sister, 28 December 1924, AC (Chamberlain MSS, Birmingham University Library, Birmingham) 5/1/343. On German violations, Warburton (War Office) to Baxter (Foreign Office), 12 November 1924, enclosing General Staff memorandum on ‘Appreciation of the Probable Future Course of Action Respecting Military Control in Germany’, 12 November 1924, FO 371/9728/17183/9; Crowe minute, 16 December 1924, FO 371/9833/18489/4736; Crowe and Chamberlain minutes, 24 December 1924, both FO 371/ 833/19106/4736. 90 ‘Memorandum of a conversation between Mr. Chamberlain and M. Herriot’, 5 December 1924, CAB 21/289; Chamberlain to Crewe [Robert Crewe-Milner, 1st Marquess of Crewe], 20 February 1925, AC 52/91. 91 ‘I had myself earlier observed to [Herriot] that national friendship could not be kept in watertight compartments, and that we could not really work cordially in Europe if our agents were quarrelling elsewhere.’ Cf. ‘Memorandum of a conversation between Mr. Chamberlain and Mr. Herriot’, 5 December 1924, CAB 21/289. 92 For instance, Cecil to Hankey, 8 December 1924, CAB 21/289; Winston Churchill (Chancellor of the Exchequer) to Chamberlain, 23/25 February 1925, with enclosure, Chamberlain MSS FO 800/257.

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maintain the Franco-German balance. Stresemann’s proposal initiated nine months of negotiations that produced Locarno and an effective European security structure based on Great Power co-operation. Chamberlain played the central role in this process by, first, getting Baldwin’s Cabinet to support the ‘Rhineland Pact’ and, then, removing Franco– German points of contention. Locarno brought a system of security to Europe because Britain agreed in partnership with Italy to guarantee the Franco-German border. And by enticing Italy as a co-guarantor, Chamberlain ensured that the four European Great Powers on the League Council would share joint responsibility for continental security – in the West and in the East. He told his sister after returning from Locarno: ‘I secured the Eastern settlement & (…) I have taught Germany or at least her wisest statesmen that her security lies in our friendship with France not in dividing France & us.’93 Chamberlain’s strategic ideas about European security had firmed after January 1925 following meetings with senior Foreign Office officials94. An important memorandum from Headlam-Morley scrutinized European security after the Congress of Vienna95. In 1925, Germany remained the key. Just as the British had striven in 1814–1815 to produce a Concert of Europe that included a France cleansed of aggressiveness, the same process devolved in 1919 to let Germany, eventually, re-assume its position as a Great Power. ‘Germany of the present day’, Headlam-Morley observed, ‘or Germany of any near future is not even the Germany of 1870.’ Allowing that ‘German ambitions need not alarm us so long as we see to it that Germany is confined within her present limits’, in 1925 Germany was a Power with which Britain could do business. And importantly, as Britain had consistently pursued a continental-wide balance, the ‘successor states’, where the Habsburg, Hohenzollern, and Romanov borderlands had intersected, had to be considered as much as Germany and France to ensure peace. Chamberlain’s strategic ideas differed in one crucial way: ‘I draw a far sharper distinction than [Headlam-Morley] between the nature of our interests in the West & East of Europe & between the character of the influence or intervention which we should seek to exercise in these two spheres. I would say broadly that in Western Europe we are all a partner; that, comparatively speaking, in Eastern Europe, our role should be rather that of a disinterested amicus curiae. Our safety in certain circumstances is bound up with that of France or Belgium or Holland. If this be secured, I do not believe that it is bound up with Roumania for example; &, if I rightly apprehend him, I could not contemplate linking our fortunes so closely with the Eastern States as he would do.’96 For Chamberlain, European security in toto devolved from stability in its western marches; British ‘influence or intervention’ should focus there. As Central and Eastern Chamberlain to Ida, 31 October 1925, AC 5/1/367. Chamberlain minute, 4 January 1925, FO 371/11064/362/9. The decision to call the meeting came before Stresemann’s proposal. The meeting and several memoranda received by Chamberlain came afterwards. 95 Headlam-Morley ‘Memorandum on the History of British Policy and the Geneva Protocol’, 12 February 1925, with Crowe minute, 18 February 1925, FO 371/11064/1252/9. 96 This and the next paragraph based on Chamberlain minute, 21 February 1925, FO 371/11064/1252/9. 93 94

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European states lacked an ability to endanger continental security, Britain could avoid commitments there. And Russia posed no threat to a Germany secure in the West – it remained frail, ‘an imponderable factor, curiously enough as frightened of other people as other people are of her’. Whilst British security remained ‘bound up with that of France or Belgium or Holland’, Germany held a central place in the evolving constellation of European power: ‘the more ambitious peacemakers of Versailles when they framed the Covenant, still left a gap which only a new Concert of Europe can fill. For this reason, amongst others, & because their very hesitation shows that the Germans recognise the full implications of the step, I should rejoice to see Germany join the League & take her seat at the Council.’ In place of his earlier surmise about an Anglo-French alliance safeguarding the balance – deducing that Germany threatened it – Chamberlain now concluded that Britain could have more influence in Europe by brokering between Paris and Berlin. Looking to the future, or at least after engineering the Rhineland pact, the League, with German membership, would offer the means to do so. His assessment of the continental Powers showed cold realism – his portrayal of ‘Russia’, for example, avoided the adjective ‘Bolshevik’. Calculating Moscow to be so weak that it would be incapable of upsetting the continental balance for some time – that is in Central and Eastern Europe – a Berlin with western partners would push potential Russian threats even further into the future. Linked to the League, a Rhineland pact stood as the best means to ensure continental stability. Chamberlain’s concept of the balance might be narrowly defined – restricted to the Franco-German border and avoiding Central and Eastern Europe – but it was realistic. A Czech–Polish border dispute would not spur a major continental crisis in 1925 or in the near future; a Franco–German one would. Britain, accordingly, had to focus on Western Europe where Locarno enjoined four Great Powers – Britain, France, Germany, and Italy; and with Japan, these Powers comprised the permanent members of the League Council. Importantly, for problems beyond Europe’s frontiers, the League could serve as a political instrument to ensure stability. Accordingly, in mid-October 1925, Chamberlain played a decisive role in concluding the Locarno treaties: Britain and Italy guaranteed the Versailles-defined Franco–Belgian–German border; Germany was to join the League and take one of the coveted permanent seats on the Council97. With pressure from Poland and the Little Entente concerning their frontiers with Germany, arbitration treaties between Germany and its eastern neighbours would handle Central and Eastern European frontier disputes98. The French acquired a system of 97 See Jon Jacobson, Locarno Diplomacy. Germany and the West, 1925–1929 (Princeton, NJ – 1972) 3–67; then League of Nations Union, The Locarno Agreements: Unofficial Translations of the Text of the Final Protocol of the Locarno Conference, the Text of the Treaty of Mutual Guarantee (commonly called the Security Pact) and the Text of the Other Documents initialled at Locarno, Oct. 16th, 1925 (= League of Nations Union 185, London 1925). 98 For instance, Manfred Alexander, Der deutsch-tschechoslowakische Schiedsvertrag von 1925 im Rahmen der Locarno-Verträge (München – Wien 1970); Radko Břach, Die Tschechoslowakei und Locarno: Europäische Variationen (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 81, München 2011).

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political and military security to balance Dawes; Germany saw the possibility of future Ruhr occupations removed and a strengthening of its recovering economy. Until at least the ‘hinge years of the Great Depression of 1929–1933’, Locarno brought about an era of relative co-operation and little crisis in Western Europe99. Franco–German relations improved; Europe’s economy revived; further revision of reparations occurred; and serious attempts at arms limitation began. In much of this until 1933, when the advent of Nazi Germany changed British strategic calculations, Chamberlain and his successors had influential roles. 5. Conclusion Crucially, however, the arbitration treaties in 1925 suggested that Germany’s eastern frontiers were mutable – and the implication held that the frontiers between the successor states were also flexible and subject to possible restructuring. Not always easy given the mutual distrust of the Powers in the region, Paris had now to contend with ensuring Central and Eastern stability through its alliance system100. For London, on the other hand, Western Europe lay at the centre of the continental balance. Britain washed its strategic hands of encouraging a democratic Central and Eastern Europe, a region that for the first time since the beginning of the Great War now lay beyond its perceived national interests. Loans might still occur on an ad hoc basis; whispers of Austro–German Anschluss might still present problems; and potential border and other political disputes might arise now and then. However, in British strategic thinking, stability in the West would rebound successfully further East. In a larger sense, by 1925 British leaders had finally answered the question of the Habsburg Empire and its successors; quite simply, it was an answer that did not accord necessarily with the visions of a democratic Central and Eastern Europe that had developed during the war and the first years of peace.

99 Steiner, Lights that Failed 387–601; cf. Jon Jacobson, The Conduct of Locarno Diplomacy; in: The Review of Politics 34/1 (1972) 67–81. 100 Piotr S. Wandycz, The Twilight of French Eastern Alliances, 1926–1936: French-Czechoslovak-Polish Relations from Locarno to the Remilitarization of the Rhineland (Princeton 1988).

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B. Das neue Gleichgewicht in Mitteleuropa unter Frankreichs Patronat von Catherine Horel Das französische Verständnis von „Mitteleuropa“ beruht in erster Linie auf den Arbeiten der Osteuropahistoriker und Slawisten Ernest Denis und Louis Léger und des Juristen und Historikers der Habsburgermonarchie Louis Eisenmann sowie auf jenen der Geographen Élisée Reclus und vor allem Emmanuel de Martonne, deren Einfluss in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg beträchtlich war1. Der Begriff Mitteleuropa erschien zunächst 1876 in den Schriften des Geographen Auguste Himly2 und wurde 1924 erneut von Étienne Fournol einer theoretischen Analyse unterzogen3. Der Geograph Emmanuel de Martonne ordnete 1931 in der Einleitung zu seiner Universal-Geographie4 Deutschland (dem ein Band gewidmet war), die Schweiz, Österreich, Ungarn, die Tschechoslowakei, Polen und Rumänien Mitteleuropa zu. Den Balkan behandelte er gemeinsam mit dem Mittelmeerraum. Diese Konzeption wurde von André Tardieu übernommen, der den Begriff Mitteleuropa in Band IV der Universalgeographie von Vidal de la Blache wie folgt beschrieb: „L’Europe centrale n’est pas un mot. Nous y reconnaissons une partie de notre continent, moins massive que l’Europe de l’Est, moins divisée que l’Europe péninsulaire et périphérique; moins précoce dans son développement que celle-ci, plus avancée incontestablement que celle-là; pays d’instabilité politique prolongée, répondant à une instabilité ethnique, lieu de rencontre d’influences, qui se fondent plus harmonieusement dans l’Europe océanique, qui s’étalent plus largement dans l’Europe continentale de l’Est; région de contrastes violents de relief et de climat, où les individualités locales, basées sur la race et le milieu, sont plus conscientes que dans l’Europe orientale, plus persistantes que dans l’Europe péninsulaire.“5

1 Catherine Horel, Cette Europe qu’on dit centrale. Des Habsbourg à l’intégration européenne (1815–2004) (Paris 2009) 12 f. 2 Auguste Himly, Histoire de la formation territoriale des États de l’Europe centrale (Paris 21894). 3 Vgl. Louis Eisenmann, Émile Bourgeois, Étienne Fournol et. al. (Hgg.), Les problèmes de l’Europe centrale [Texte imprimé] : conférences organisées par la Société des anciens élèves et élèves de l’Ecole libre des sciences politiques (Paris 1923); Étienne Fournol, De la Succession d’Autriche, essai sur le régime des pays autrichiens avant, pendant et après la guerre (Paris 1918). 4 Emmanuel de Martonne, Paul Vidal de la Blache (Hgg.), Géographie universelle IV/2: Europe centrale: Suisse – Autriche-Hongrie – Tchécoslovaquie – Pologne – Roumanie (Paris 1931). 5 Zit. nach Antoine Marès, La vision française de l’Europe centrale, d’un prisme à l’autre, du XIXe au XXe siècle; in: Gérard Beauprêtre (Hg.), L’Europe centrale. Réalité, mythe, enjeu, XVIIIe–XXe siècles. Editions de l’Université de Varsovie (= Cahier de Varsovie 22, Varsovie 1991) 377–390, hier 387.

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Fünf Jahre später formulierte Jacques Ancel eine engere Vision des Donauraums. Er nennt ihn ein „geographisches“ Konzept, das verwendet wurde, um eine eher geopolitische Einheit zu bezeichnen, nämlich Österreich-Ungarn, das er als „Habsbourgie“ definierte6. Seiner Meinung nach umfasst somit das neue Mitteleuropa Österreich, Ungarn, die Tschechoslowakei, Rumänien und Jugoslawien. Er folgt in diesem Sinne Martonne, welcher die „Auferstehung der mitteleuropäischen Völker“ gegen den Pangermanismus und das deutsche Mitteleuropa feiert7. Allgemein teilen die französischen Geographen Europa in vier bzw. fünf Regionen: das skandinavische bzw. finnische Nordeuropa, das riesige russisch-asiatische Territorium, die Mittelmeer-Halbinseln, Westeuropa und Mitteleuropa. Letzteres besteht demnach aus drei von Nord-Westen nach Süd-Osten sich parallel erstreckenden Zonen: die große Ebene zwischen Deutschland und Polen, die Mittelgebirge und Becken der herzynischen Einheit, die hohen Berge und tiefen Täler der alpinen Ketten sowie der Karpaten. Der Übergang zum Südosten wird durch Siebenbürgen erreicht, das Mitteleuropa in dieser Richtung abschließt. Des Weiteren unterscheiden die Geographen in Mitteleuropa zwei Räume: jenen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, und jenen Polens, der tschechischen Länder und Ungarns. Diesen Raum charakterisiert aber eher eine große Heterogenität, und er weist weder eine wirkliche Einheit auf, noch klare Grenzen. Mitteleuropa wäre demnach aus französischer Sicht eher ein kulturelles und geschichtliches Konzept. Ab den 1920er Jahren wurde „Mitteleuropa“ ein wesentlicher Bestandteil der französischen Politik gegenüber Deutschland und lag als Konzept den geopolitischen Überlegungen Frankreichs sowie dessen diplomatischem Handeln zugrunde. Die Experten debattierten die Föderalisierung des Gebietes der ehemaligen Habsburgermonarchie. Bertrand Auerbach, der Geograph Jean Brunhes sowie der Historiker Jacques Bainville sprachen sich gegen die von Denis und Eisenmann favorisierte Option einer Bildung von Nationalstaaten aus, die letztere auch durch die Siegermächte und ihre Alliierten legitimiert sahen. Für Eisenmann bedeutete Mitteleuropa im Wesentlichen den Donauraum, dessen ethnische Vielfalt eine Region definierte, in der kleine und mittlere Nationen existieren; er schloss Deutschland daher bewusst aus. Somit wurde die französische Konzeption zum Programm erhoben8. Für Frankreich bildete dieTschechoslowakei das Herz Mitteleuropas, Prag ersetzte nun Wien. Hier zeichnet sich schon die Brücken-Funktion zwischen Ost und West ab, sowie jene eines mitteleuropäischen Blocks unter der Führung Prags, gegen den deutschen Revanchismus bzw. gegen den Bolschewismus. Das Hauptziel Frankreichs war es, Mitteleuropa – einschließlich jener Länder, die nicht seine unmittelbaren Verbündeten waren – dem deutschen Einflussbereich zu entziehen. Somit sollten Polen, Rumänien, die Tsche-

Jacques Ancel, Manuel géographique de politique européenne I: l’Europe centrale (Paris 1936). Vgl. Michel Foucher, L’Europe centrale. Actualité d’une représentation à géométrie variable; in: Le Débat: histoire, politique, société 63/1 (1991) 36–41. 8 Horel, Cette Europe 302. 6 7

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choslowakei und Jugoslawien „die Rheingrenze verteidigen“9. Die Vorschläge von Emmanuel de Martonne stimmten mit diesen Gedanken überein. Er empfahl die Bildung eines „größeren Österreichs“, um die Grundlagen für eine anti-deutsche Vereinbarung zu schaffen. Sein „Mitteleuropa“ ist absichtlich sehr breit angelegt, da es sich nach Osten bis Rumänien und nach Westen bis in die Schweiz erstreckt. Sein Projekt veranlasste den Österreicher Johann Sölch zu der ironischen Bemerkung: „Was ist mit der französischen Geographie? Hört sie nicht auf, eine Wissenschaft zu sein, sobald es sich um politische Probleme handelt?“10 Die französische Mitteleuropa-Vorstellung sagt letztlich mehr über die strategischen Imperative und die Außenpolitik Frankreichs aus, als über die Region selbst. Diese Vorstellung bewegt sich periodisch zwischen einem binären Konzept von West- und Osteuropa, in welchem Mitteleuropa zu finden ist, und einem fragmentierten, rein staatlichen Konzept, das ein Ergebnis der Friedensverträge ist11. Diese semantische Abweichung verweist auf eine schwankende und problematische Identitätsfrage jener Region, die zu begreifen eine besondere Herausforderung für Frankreichs Politiker darstellte. 1. Frankreich und seine Alliierten Im Hinblick auf die Absichten der Alliierten und Assoziierten Mächte – vor allem Großbritanniens und der USA –, irredentistische Konflikte in den neuen Ländern künftig zu verhindern, besetzten nach dem Krieg serbische, rumänische und tschechische Truppen die von ihren jeweiligen Staaten beanspruchten Gebiete Ungarns, um vor der Eröffnung der Friedenskonferenz ein „fait accompli“ zu schaffen. Diese Taktik erwies sich letztlich als erfolgreich. Die von den genannten Armeen gezogenen Linien bildeten tatsächlich die neuen Grenzen. Nach dem Sturz der Räterepublik in Ungarn (August 1919) versuchte die Tschechoslowakei eine Annäherung an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Königreich, ab Oktober 1929 Jugoslawien). Diese Strategie war selbstverständlich gegen Ungarn gerichtet, aber auch gegen Rumänien. Beide Protagonisten, die Tschechoslowakei und „Jugoslawien“, betrachteten die jüngste Unterstützung Rumäniens seitens Frankreichs mit Argwohn und beschuldigten beide Länder, die von ihnen gefürchtete Reaktion in Ungarn gefördert zu haben. Die Regierungen der Tschechoslowakei und „Jugoslawiens“ setzten im Hinblick auf die künftige Neuordnung der Region nicht auf Frankreich sondern auf Großbritannien und die USA. Die Ankunft der ungarischen Delegation auf der Pariser Friedenskonferenz im Jänner 1920 führte zu einer Annäherung der drei Staaten, die bisher gesonderte

9 Bernard Barbier, L’Europe centrale. Une définition géographique; in: Beauprêtre (Hg.), L’Europe centrale 21–35, hier 33. 10 Zit. nach Michel Korinman, Naissance et renaissance d’un projet politique; in: Hérodote 48 (1988) 19–35, hier 31. Vgl. Johann Sölch, Der zweite Band von E. de Martonne’s Mittel-Europa; in: Geographische Zeitschrift 39/3 (1933) 235–242, hier 238 f. 11 Vgl. Les conséquences des traités de paix de 1919–1920 en Europe centrale et sud-orientale (= Association des publications près les universités de Strasbourg, Strasbourg 1987).

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Wege gegangen waren. Edvard Beneš wandte sich an die Regierungen in Belgrad und Bukarest mit dem Vorschlag, die Aktionen ihrer Staaten abzustimmen12. In einem gemeinsamen Memorandum hielten sie ihre Forderungen gegenüber Ungarn fest und antworteten gemeinsam auf die Eingabe der ungarischen Regierung betreffs des Friedens von Trianon13. Die Interessen Frankreichs bestanden in erster Linie darin, „die Allianz des Krieges in den Frieden hinüberzuretten“14. Daher strebte man nach einer fortdauernden politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Haupt-Siegermächte Frankreich, Großbritannien und der USA. Diese schien die beste Lösung für die französische Position im internationalen System, indem sie die Absicherung und Kontrolle gegenüber Deutschland garantiert, die dominierende Rolle Frankreichs in Kontinentaleuropa gewährleistet und der französischen Regierung eine Beteiligung an allen wichtigen weltpolitischen Fragen gesichert hätte15. Diesem Ziel dienten auch die zwischen Frankreich, Großbritannien und der USA am 28. Juni 1919 abgeschlossenen Garantieverträge. Die Tatsache, dass der amerikanische Kongress den Vertrag von Versailles nicht ratifizierte, hatte letztlich zur Folge, dass auch der französisch-amerikanische Garantievertrag hinfällig wurde; der britischfranzösische Garantievertrag löste sich, weil sein Inkrafttreten von der Ratifizierung des amerikanischen Vertrags abhing, ebenfalls auf. Ende des Jahres 1919 sah sich Frankreich „in der paradoxen Situation, dass es auf Dauer zu schwach war, Deutschland allein an einem Wiedererstarken zu hindern, und zu stark, als dass es Deutschland hätte entgegenkommen können“16. Großbritannien blieb auch weiterhin der wichtigste außenpolitische Bezugspunkt für Frankreich, auch wenn die bilateralen Beziehungen durch vielerlei Probleme belastet waren. „London glaubte, die Ambitionen Polens, des wichtigsten Verbündeten Frankreichs im Osten, destabilisiere [sic!] die Lage gerade dort, wo sie am prekärsten in Europa sei. In den übrigen Staaten Osteuropas kollidierten vor allem die wirtschaft12 Zur Einschätzung der Persönlichkeit von Beneš vgl. Ota Konrád, René Küpper (Hgg.), Edvard Beneš: Vorbild und Feindbild. Politische, historiographische und mediale Deutungen (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 129, München 2013); Antoine Mares, Edvard Beneš. Un drame entre Hitler et Staline (Paris 2015). 13 Magda Ádam, Richtung Selbstvernichtung. Die Kleine Entente 1920–1938 (Budapest – Wien 1989) 22. „Der Name Kleine Entente wurde in jenen Tagen geboren, obwohl es zu der Zeit – trotz Beneš’ Bemühungen – noch nicht zum Abschluß des Bündnisses kam.“ 14 Manfred Alexander, Die französische Politik gegenüber Polen und der Tschechoslowakei nach 1918; in: Ferdinand Seibt, Michael Neumüller (Hg.), Frankreich und die böhmischen Länder im 19. und 20. Jahrhundert. Beiträge zum französischen Einfluß in Ostmitteleuropa (= Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 15, München 1990) 197–208, hier 198. 15 Vgl. dazu Peter Krüger, Frankreichs internationale Stellung in der Zwischenkriegszeit; in: Wolf D. Gruner, Klaus-Jürgen Müller (Hgg.), Über Frankreich nach Europa. Frankreich in Geschichte und Gegenwart (= Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte, Hamburg 1996) 279–418, hier 393. Siehe auch ders., Das internationale System und Ostmitteleuropa nach dem Ersten Weltkrieg; in: Hans Lemberg (Hg.), Ostmitteleuropa zwischen den beiden Weltkriegen (1918–1939). Stärke und Schwäche der neuen Staaten, nationale Minderheiten (= Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 3, Marburg 1997) 13–30. 16 Alexander, Die französische Politik 199.

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lichen Interessen Londons und Paris’“17. Das Verhältnis Frankreichs zu den USA war vor allem durch die Nichtratifizierung des Versailler Vertrages durch den amerikanischen Kongress sowie des damit verbundenen Beistandsabkommens belastet und ließ Frankreichs Bedürfnis nach Sicherheit gegenüber Deutschland ungestillt. Außerdem bestand Washington auf der Rückzahlung der Kriegsschulden und strikter Trennung von „politischen“ Reparations- und „kommerziellen“ Kriegsschulden. Frankreich beharrte darauf, dass ohne deutsche Reparationen die Rückzahlung der französischen Schulden undenkbar sei. Des Weiteren wollte Washington nicht in die europäischen Querelen hineingezogen werden, vielmehr eine „französische Hegemonie in Europa (…) verhindern“18. Die nach dem Krieg entstandenen osteuropäischen Staaten, von Polen bis Rumänien, sollten in der Folge sowohl für Frankreich als auch für Deutschland ein wichtiges diplomatisches Betätigungsfeld werden. Nach den französischen Wahlen vom Jänner 1920 löste Alexandre Millerand Georges Clemenceau als französischen Ministerpräsidenten ab, nach dem Rücktritt von Paul Deschanel im September 1920 wurde er Präsident der Republik. Millerand und insbesondere der Generalsekretär des Außenministeriums Maurice Paléologue traten für die Schaffung einer lebensfähigen und starken wirtschaftlichen Einheit auf dem Gebiet der ehemaligen Habsburgermonarchie ein, um auf diese Weise Deutschland und das bolschewistische Russland in Schach zu halten19. Paléologues Bestrebungen zielten darauf ab, Ungarn mit seinen Nachbarn zu versöhnen, weil dies die Voraussetzung für den geplanten Staatenbund war. Eine „barrière de l’Est“, welche nur aus Polen und der Tschechoslowakei bestanden hätte, wäre nicht in der Lage gewesen, die deutsche und russische Gefahr fern zu halten. Die Schwächen dieser Konstruktion hatten sich schon während des russisch-polnischen Krieges gezeigt20. Der Plan wurde mit allgemeiner Feindseligkeit abgelehnt: aus naheliegenden Gründen seitens der Siegerstaaten mit politischen sowie wirtschaftlichen Argumenten, da Jugoslawien und Rumänien die Konkurrenz der ungarischen Landwirtschaft fürchteten; aber auch Österreich wollte nicht in eine Allianz schwacher Partner eintreten, da zu diesem Zeitpunkt sein Interesse einer Annäherung, wenn nicht einem Anschluss, an Deutschland galt; schließlich wäre nur Ungarn für den Plan von Paléologue zu gewinnen gewesen, da es im Zentrum des geplanten Bundes lag und somit Ungarns Rückkehr in das diplomatische Spiel ermöglicht hätte21. Die französisch-ungarischen 17 Ralph Blessing, Der mögliche Frieden. Die Modernisierung der Außenpolitik und die deutschfranzösischen Beziehungen 1923–1929 (= Pariser Historische Studien 76, München 2008) 31. Blessing verweist darauf, dass die Liste der Streitpunkte zwischen London und Paris wesentlich länger war als jene zwischen London und Berlin. 18 Ebd. 33. 19 Ádam, Selbstvernichtung 23. 20 Piotr S. Wandycz, France and her Eastern Allies 1919–1925. French-Czechoslovak-Polish relations from the Paris Peace Conference to Locarno (Minneapolis 1962) 186. Die Bezeichnung „barrière de l’est“ wurde zuletzt im Quai d’Orsay formuliert, als es galt, einerseits Polen und den Westen gegen den Bolschewismus zu schützen, andererseits gegen Deutschland zu stärken. Ebd. 22. Es kam jedoch bald zu Problemen, als Frankreich diese „barrière“ um die Tschechoslowakei ergänzen wollte. 21 Kalervo Hovi, Cordon sanitaire or barrière de l’Est? The emergence of the new French Eastern European alliance policy 1917–1919 (Turku 1975) 197 f.

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Verhandlungen scheiterten jedoch an den Forderungen Ungarns; Außenminister Pál Teleki forderte die Wiederherstellung der historischen Grenzen Ungarns22. Die potentielle aber eher unwahrscheinliche Gefahr von Seiten Ungarns führte schließlich zu einer Allianz zwischen der Tschechoslowakei und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, der sich nach einigem Zögern auch Rumänien anschloss. Diese Konstruktion konterkarierte die eher illusorischen französischen Projekte der Bildung einer Donauföderation23. Ungarn blieb zunächst das „zentrale Kettenglied“ der französischen Donaupolitik24. Als Alexandre Millerand im September 1920 Staatspräsident wurde, kam es auch zu einer Veränderung im Quai d’Orsay, wo Philippe Berthelot Paléologue als Generalsekretär ablöste. In der Zwischenzeit stärkten die Tschechoslowakei, „Jugoslawien“ und Rumänien die gegenseitigen Beziehungen. Am 14. August 1920 wurde in Belgrad der tschechoslowakisch-jugoslawische Bündnisvertrag unterzeichnet, der die Grundlage der Kleinen Entente bildete. Ziel des Abkommens war es, die durch den Frieden von Trianon festgelegte Ordnung zu bewahren. Die beiden Länder verpflichteten sich im Falle eines Angriffes von Seiten Ungarns zum gegenseitigen Beistand. Frankreich missbilligte zunächst diese Vereinbarung, die sich offensichtlich gegen die französische Ostpolitik richtete und auch vom Foreign Office unterstützt wurde. Beneš reiste von Belgrad aus direkt nach Bukarest, wo er jedoch bei Außenminister Take Ionescu vorerst auf Zurückhaltung stieß. In Bezug auf Rumänien gelang Beneš zunächst nur eine mündliche Vereinbarung. In Bukarest konnte man Frankreichs Auftreten gegen die Kleine Entente nicht ignorieren, da Frankreich Rumäniens stärkste Stütze in seinem diplomatischen Ringen um die Anerkennung seiner Annexion Bessarabiens bildete. Mit Philippe Berthelot – einem persönlichen Freund Beneš’–, war mittlerweile eine Änderung der französischen Außenpolitik eingetreten. Berthelot befürwortete die Schaffung der Kleinen Entente und versuchte auch Polen und Rumänien für das Bündnis zu gewinnen. Rumänien stellte sich aber weiterhin auf den Standpunkt „wait and see“, auch nachdem die Großmächte das Pariser Protokoll unterzeichnet hatten, das die Besetzung Bessarabiens sanktionierte25. Rumänien änderte seine Haltung erst, als die „ungarische Gefahr“ im Zusammenhang mit dem ersten Königsputsch wieder akut wurde. Die beiden Restaurationsversuche König Karls in Ungarn im März und Oktober 1921 führten zu einer Neuausrichtung der französischen Außenpolitik auch gegenüber Ungarn26. Bereits der erste Versuch Karls, den ungarischen Thron zu besteigen, hatte

22 Zu den Verhandlungen und dem Memorandum von Graf István Bethlen vom März 1920 vgl. Ádam, Selbstvernichtung 25. 23 Horel, Cette Europe 94. 24 Vgl. Ádám, Selbstvernichtung 24. 25 Vgl. dazu Ádám, Selbstvernichtung 30 f. Das Dokument wurde jedoch nicht ratifiziert. Die Großmächte wollten sich damit die Möglichkeit vorbehalten, mit Hilfe der bessarabischen Frage Druck auf Rumänien auszuüben. 26 Zu den beiden Restaurationsversuchen siehe Catherine Horel, L’amiral Horthy, régent de Hongrie (Paris 2014) 143–159. Die „passive und sehr diskrete Unterstützung Briands für den ersten habsburgi-

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auch auf Seiten Rumäniens zu einem Umdenken geführt. Am 23. April 1921 unterzeichnete Take Ionescu mit der Tschechoslowakei einen Beistandsvertrag, dem am 7. Juni der Beistandsvertrag mit „Jugoslawien“ folgte. Die Kleine Entente bestand somit aus drei bilateralen, später vereinheitlichten Verträgen zur Aufrechterhaltung des durch den Friedensvertrag von Trianon geschaffenen Status quo und bot somit eine Sicherung gegen den ungarischen Revisionismus, aber auch gegen Bulgarien, mit Hilfe von militärischen Beistandsverpflichtungen und Konsultationen. Frankreich unterstützte darüber hinaus die Pläne Ionescus, Polen in das Bündnis einzubeziehen27. Die Versuche, Polen als vierten Partner zu gewinnen, scheiterten jedoch am Widerstand Beneš’, der die „antisowjetische Stoßrichtung“ ablehnte, die das Bündnis damit erhalten hätte28. Das Allianzsystem, dem Defensiv- und Freundschaftsverträge Frankreichs mit Polen (Februar 1921) sowie der Tschechoslowakei (November 1924) folgten, war prekär, da die vielfältigen Rivalitäten zwischen den osteuropäischen Staaten keine stabile Zusammenarbeit erlaubten. Die Kleine Entente war zwar „keine Totgeburt“, aber doch von Anfang an eine „schwächliche Kreatur“: „Der Kitt, der sie zusammenhielt, war in erster Linie die Angst der Tschechoslowakei, Rumäniens und Jugoslawiens vor der ‚ungarischen Gefahr‘“29. Zugleich belasteten Minderheitenprobleme und Grenzstreitigkeiten das Verhältnis der Staaten untereinander, was die Stabilität der Kleinen Entente untergrub und damit den Wert dieser Staaten als Bündnispartner für Frankreich schmälerte. Die Verflechtung der disparaten Interessen wurde bereits beim Abschluss des Freundschaftsvertrags mit der Tschechoslowakei sichtbar, als Frankreich erkennen musste, dass Beneš – der diesen initiiert hatte – die Aufnahme jedweden, gegen eine deutsche Aggression gerichteten Artikels ablehnte30. Hinzu kam, dass anders als für Frankreich der eigentliche Hauptgegner der Kleinen Entente nicht Deutschland sondern Ungarn war und sich diese daher nur bedingt gegen Deutschland mobilisieren ließ31. Nach dem Abkommen mit der Tschechoslowakei strebte Frankreich einen ähnlichen Vertrag auch mit Rumänien und „Jugoslawien“ an, deren Regierungen jedoch

schen Restaurationsversuch im Frühjahr 1921 und für die Wiedererrichtung einer Großmacht im Donauraum blieb“, wie Sundhaussen feststellt, „eine Episode und hat das Zusammenrücken der drei Staaten lediglich beschleunigt.“ Vgl. Holm Sundhaussen, Die Rolle der Kleinen Entente bei der Stabilisierung und Destabilisierung des Friedens im Donau-Balkan-Raum; in: Mathias Bernath, Karl Nehring (Hgg.), Friedenssicherung in Südosteuropa. Föderationsprojekte und Allianzen seit dem Beginn der nationalen Eigenstaatlichkeit (Neuried 1985) 139–153, hier 141. 27 Horel, Horthy 95; Vgl. auch Krüger, Das internationale System 25. 28 Hans Lemberg, Die Tschechoslowakei in der Kleinen Entente; in: Karl Bosl (Hg.), Gleichgewicht – Revision – Restauration. Die Außenpolitik der Ersten Tschechoslowakischen Republik im Europasystem der Pariser Vororteverträge. Vorträge der Tagungen des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 27. November 1975 und vom 22. bis 25. April 1976 (München – Wien 1976) 265–276, hier 268. 29 Blessing, Der mögliche Frieden 36. 30 Zum Französisch-Tschechoslowakischen Freundschaftsvertrag siehe die Untersuchung von Peter Claus Hartmann, Ein Aspekt der französisch-tschechoslowakischen Beziehungen von 1919 bis 1938: Der Vertrag von 1924; in: Bosl (Hg.), Gleichgewicht 61–84; im Anhang auch der Text des Vertrages. 31 Blessing, Der mögliche Frieden 36.

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Bedenken wegen Italien und Großbritannien hatten. Letzteres hatte bereits den tschechoslowakisch-französischen Freundschaftsvertrag mit „Missvergnügen“ zur Kenntnis genommen und hinter dem Allianzvertrag eine geheime Militärkonvention vermutet. Nach Einschätzung von Magda Ádam galt das Monate dauernde „diplomatische Gezeter“ rund um den Vertrag – vor allem die deutsche und italienische Presse schrieben wochenlang von einem geheimen Militärabkommen – nicht in erster Linie dem französisch-tschechoslowakischen Bündnisvertrag, sondern zielte eher darauf ab, ein ähnliches Abkommen Frankreichs mit Rumänien und „Jugoslawien“ zu verhindern32. Mit Rücksicht auf Italien und Großbritannien verhielten sich Rumänien und „Jugoslawien“ daher zunächst reserviert. Rumänien sorgte sich auch um seine Beziehungen zur Sowjetunion und wollte sich nicht zu sehr an Frankreich binden. Gleichzeitig war man in Paris durch die Initiativen Benito Mussolinis beunruhigt, der die beiden Staaten vertraglich an Italien binden wollte. Raymond Poincaré war darüber informiert, dass König Alexander I, Ministerpräsident Nikola Pašić und Außenminister Momčilo Ninčić versuchten, mit Italien zu einer Übereinkunft zu kommen. Tatsächlich hatte die Machtübernahme der faschistischen Partei die Beziehungen zwischen Italien und seinen Nachbarn verändert. Trotz der potenziellen Rivalität mit Rom auf dem Balkan neigten König Alexander, Ministerpräsident Pašić und Außenminister Ninčić zu Italien und stellten die Annäherung an Frankreich zunächst zurück. Im Jänner 1924 kam es in Rom zu Verhandlungen zwischen Frankreich, Italien und „Jugoslawien“. Paris musste schließlich die Idee aufgeben, den französisch-jugoslawischen Vertrag vor dem jugoslawisch-italienischen abzuschließen. Am 27. Jänner 1924 wurde in Rom der Vertrag zwischen Italien und „Jugoslawien“ unterzeichnet. Dies bedeutete eindeutig eine diplomatische Niederlage für Frankreich bzw. die Diplomatie Poincarés, der nun mit der schnellen Annahme eines jugoslawisch-rumänischen Vertrags nachziehen wollte, um Mussolini zuvorzukommen. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen Mussolinis mit der Sowjetunion im Jänner 1924 stoppte zunächst die rumänisch-italienischen Verhandlungen, zu einem Abkommen zwischen Frankreich und Rumänien kam es aber nicht, da Rumänien darauf bestand, dass Bessarabien in dem Abkommen ausdrücklich erwähnt werden müsse, was bedeutet hätte, dass der Vertrag auch die Sowjetunion betroffen hätte; Paris lehnte das ab. Nachdem im April 1924 die Tschechoslowakei einen Freundschaftsvertrag mit Italien abschloss, war das Scheitern Poincarés offensichtlich: „Frankreich war isoliert, sein Verhältnis zu Großbritannien und Italien verschlechterte sich.“33 Zusätzlich hatte sich das Verhältnis zu Deutschland durch die Ruhrbesetzung extrem verschärft.

32 Dazu und zum Folgenden siehe Ádam, Selbstvernichtung 61 f. Selbst Beneš hatte hinsichtlich der französischen Bündnisbestrebungen in Bezug auf „Jugoslawien“ und Rumänien Bedenken und argumentierte, dass ein französisch-jugoslawisches Abkommen „die Sensibilität Italiens verletzten“, ein französischrumänisches Bündnis auch die „russische Frage“ nach sich ziehen würde. 33 Ebd. 63

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Bei den folgenden Wahlen vom 11. Mai 1924 wurde Poincaré abgewählt34. Danach übernahm eine neue Generation unter Führung von Édouard Herriot die Regierungsgeschäfte. Wie seine Vorgänger seit Clemenceau übernahm auch er selbst das Außenministerium. Vor allem auf dem Gebiet der Außenpolitik zeigte die Linke ihre Entschlossenheit mit der Politik der früheren Mehrheit zu brechen. Im Vordergrund stand vor allem die Verbesserung der durch die Ruhrbesetzung abgekühlten Beziehungen zu Großbritannien. Die von Radikalsozialisten und Sozialisten gebildete neue Regierung Herriot stellte den Ausbau des Bündnissystems im Osten vorläufig zurück und bemühte sich um eine Verbesserung der Beziehungen zu Großbritannien. Die Verträge mit Rumänien und „Jugoslawien“ wurden erst in den Jahren 1926 und 1927 abgeschlossen. Das von Frankreich aufgebaute Bündnissystem im Osten litt einerseits daran, dass es nicht darauf angelegt war, die Spannungen der Bündnispartner untereinander abzubauen. „Von einem belastbar strukturierten System war die zögerliche französische Bündnispolitik weit entfernt“, und die Tatsache, dass sich „weder Großbritannien noch die USA in substantieller Weise daran beteiligten, die neue Ordnung dauerhaft abzusichern, stellte deren Stabilität zusätzlich in Frage“35. Die Kleine Entente war somit kein adäquater Ersatz für die früheren Verbündeten – nicht nur im Hinblick auf Russland. Sie konnte auch die Distanzierung der USA und Großbritanniens nicht ausgleichen: „Mehr noch: Indem sie die britischen Südosteuropa-Aktivitäten bisweilen empfindlich störte, trug sie sogar zusätzlich zur Entfremdung zwischen Frankreich und Großbritannien bei“36. Frankreich war allein nicht in der Lage das Bündnissystem zu stützen. Es fehlte vor allem an der „wirtschaftlichen Untermauerung“ der Allianz, deren Mitglieder vor allem wirtschaftlicher Hilfe seitens Frankreichs bedurft hätten37. Zwar versuchte die französische Regierung, Kapital in diese Region zu lenken, doch die französischen Anleger blieben, nach dem Verlust des vor dem Krieg in Russland angelegten Kapitals, mit Investitionen zurückhaltend. Zudem war der französische Staat – durch Wiederaufbau, Kriegsschulden und Inflation belastet – nur beschränkt in der Lage einzuspringen. „Der Warenverkehr dieser Staaten wurde aber weiterhin zum großen Teil mit dem geographisch günstiger gelegenen Deutschland abgewickelt, so dass Frankreich seine Marktanteile in dieser Region kaum vergrößern konnte.“38

34 Die Ruhrbesetzung war nach Ansicht René Rémonds zwar technisch gesehen ein Erfolg, der diplomatische Erfolg hingegen sei fragwürdig gewesen, da sich keiner der Alliierten mit Ausnahme Belgiens an dieser Aktion beteiligte. Vgl. René Rémond, Frankreich im 20. Jahrhundert I: 1918–1958 (= Geschichte Frankreichs VI, Stuttgart 1994) 95. 35 Joachim von Puttkamer, Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte 38, München 2010) 83. 36 Wilfried Loth, Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert (Frankfurt am Main 1992) 65. 37 Krüger, Frankreichs internationale Stellung 400. 38 Blessing, Der mögliche Frieden 37.

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Nach dem Sturz Herriots, dem es nicht gelang, die Währung zu stabilisieren, übernahm Aristide Briand wieder das Außenministerium39. Briand wurde „zum Hauptarchitekten des neuen, auf Einbindung der Deutschen durch Verständigung und Stärkung der kollektiven Sicherheitsmechanismen zielenden Kurses der französischen Außenpolitik“40. Der Vertrag von Locarno (Oktober 1925), den Briand gemeinsam mit dem deutschen Außenminister Gustav Stresemann und dem britischen Außenminister Joseph Austen Chamberlain erarbeitete, bildete die Krönung jener Bestrebungen. Die Unterschriften Großbritanniens, Italiens und Belgiens erbrachten für Frankreich jene Sicherheitsgarantien, die es in den Jahren 1919/1920 nicht erhalten hatte41. Deutschland hatte seine Niederlage anerkannt, im Vertrag von Locarno freiwillig die neuen Westgrenzen bestätigt und auf alle Ansprüche auf Elsass-Lothringen verzichtet. Durch den Dawes-Plan (August 1924), ergänzt durch den Young-Plan (Mai 1930), war auch das Problem der Reparationen gelöst. Aus der Sicht Frankreichs waren mit den Verträgen von Locarno drei wichtige Ergebnisse verbunden42: Erstens hatte man eine wichtige Sicherheitsgarantie von Großbritannien im Falle einer deutschen Aggression erhalten; zweitens würde der Rheinpakt ein Bündnis mit Großbritannien eher erleichtern; drittens wurden in Locarno die Ostschiedsverträge mit den Völkerbundmechanismen gekoppelt, womit Frankreich ein wichtiges Ziel, das es schon mit dem Genfer Protokoll verfolgt hatte, erreichte. Locarno bedeutete für Frankreich zwar einen Fortschritt, „beileibe aber noch nicht das angestrebte Ende der französischen Sicherheitspolitik“43. Zur Erreichung des Ziels – eine dauerhafte Gewährung von Sicherheit gegenüber Deutschland – war es notwendig, die Grundlagen, die in Locarno gelegt worden waren, durch wirksame Mechanismen zu ergänzen, d.h. Ausbau der Sicherheitsgarantie des Rheinpakts durch ein französisch-britisches Bündnis (oder eine trilaterale Allianz unter Einschluss Belgiens) und den Ausbau des Schiedssystems in Osteuropa unter der Ägide des Völkerbunds. Dennoch wurden in den Jahren zwischen 1923/24 und 1929 bezüglich der Schaffung kollektiver Sicherheitsstrukturen erhebliche Erfolge erzielt. Neben den LocarnoVerträgen ist der Beitritt Deutschlands zum Völkerbund (1926) zu nennen. Mit dem Kriegsächtungspakt (Briand–Kellogg Pakt 1928), der den Krieg als Mittel der Politik erstmals grundsätzlich verurteilte, wurde ein wichtiges Element der außenpolitischen 39 Briand war bereits Außenminister in der Regierung Poincaré in den Jahren 1915–1917; 1925–1929 war er erneut Außenminister der Regierung Poincaré und ebenso in den nächsten 13 Regierungen, in denen er sich für eine friedliche Politik, Abrüstung, die Annäherung an Deutschland und internationale Zusammenarbeit einsetzte. 40 Loth, Geschichte Frankreichs 70. 41 Im östlichen Mitteleuropa sorgte der Vertrag für Unruhe, denn „die offene Weigerung der Vertragspartner, die östlichen Grenzen Deutschlands in gleicher Weise wie die Westgrenze international zu garantieren, ließ trotz der Schiedsverträge mit Polen und der Tschechoslowakei eine Preisgabe dieser Länder an deutsche Revisionsbemühungen befürchten.“ Vor allem in Polen hegte man die Sorge, dass durch den Ausgleich Frankreichs mit Deutschland das östliche Mitteleuropa künftig auf sich allein gestellt sein werde. Vgl. Puttkamer, Ostmitteleuropa 83. 42 Vgl. zum Folgenden Blessing, Der mögliche Frieden 250 ff. 43 Ebd. 251.

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Mobilisierung erzielt. Zudem kam es auch zu einer Liberalisierung der Wirtschaftsbeziehungen, etwa durch den deutsch-französischen Handelsvertrag vom 17. August 1927. Blessing verweist auf eine erstaunliche Vielfalt deutsch-französischer Kontakte, die im Umfeld von Locarno entstanden44. Im August 1929 wurde auf einer internationalen Konferenz in Den Haag der sogenannte „Young Plan“ vereinbart, demzufolge Deutschland bis zur Erledigung seiner Reparationsschulden jährlich etwas über zwei Milliarden Mark zahlen sollte. Als Gegenleistung gestanden die Alliierten eine Räumung der beiden restlichen Besatzungszonen bis Mitte 1930 zu – fünf Jahre vor dem in Versailles festgelegten Termin. Nachdem die Folgeprobleme des Versailler Vertrages gelöst waren, stellte sich die Frage, welche grundsätzlichen Ziele die französische und die deutsche Außenpolitik verfolgen sollten; es ging um eine prinzipielle Festlegung des Verhältnisses von Zielen und Methoden. In dieser Situation schlug Aristide Briand in einer spektakulären Rede vor dem Völkerbund am 5. September 1929 die Schaffung „einer Art föderativen Verbindung“ (lien fédéral) der europäischen Staaten vor45. Briand würdigte das Werk der Haager Konferenz vom August 1929 und stellte in seiner Rede das Prinzip der Notwendigkeit eines europäischen Zusammenschlusses zur Debatte46. Die „Assoziation“ sollte sich vor allem „auf wirtschaftlichem Gebiete“ betätigen, da dies das „dringendste Problem“ sei; doch sei „auch vom politischen und sozialen Standpunkt gesehen eine föderative Verbindung“ nötig47. Trotz der skeptischen Aufnahme der Rede Briands seitens Deutschlands und Großbritanniens wurde die französische Regierung von der Vollversammlung aufgefordert, ein Memorandum zur Europafrage vorzulegen. Am 17. Mai 1930, dem Tag, an dem die Räumung der letzten Besatzungszone im Rheinland angekündigt wurde, erfolgte die Übergabe des „EuropaMemorandums“ an die Regierungen der europäischen Mitgliedstaaten des Völkerbundes. Als das Memorandum vorgelegt wurde, war Stresemann, mit dem Briand die deutschfranzösische Annäherung eingeleitet hatte, gestorben, und die Regierung Heinrich Brüning/Julius Curtius lehnte die „zugemutete Selbstbeschränkung“ strikt ab und setzte alles daran, „die wirtschaftliche Potenz des Reiches sowohl zur Befreiung von den Reparationsverpflichtungen als auch zur Verdrängung Frankreichs aus seinem ost- und südost-

44 Dazu gehörte unter anderem das Deutsch-Französische Studienkomitee (Comité franco-allemand d’information et de documentation), das durch Einwirkung auf die Presse dazu beitragen sollte, Missverständnisse und falsche Darstellungen über das jeweils andere Land auszuräumen. Das Komitee erhielt sowohl vom Quai d’Orsay als auch vom Auswärtigen Amt Unterstützung. Dennoch ist festzuhalten, dass es sich bei diesen, auch zivilgesellschaftlichen Initiativen, um keine Massenorganisationen handelte. Ebd. 441–444. 45 Vgl. Loth, Geschichte Frankreichs 73. 46 Vgl. dazu Walter Lipgens, Europäische Einigungsidee 1923–1930 und Briands Europaplan im Urteil der deutschen Akten; in: Historische Zeitschrift 303/1 (1966) 46–89, hier 78 f.; Robert W. D. Boyce, Britain‘s First ‚No‘ to Europe: Britain and the Briand Plan, 1929–1930; in: European Studies Review 10 (1980) 17–45, hier 23. 47 Zitiert nach Lipgens, Europäische Einigungsidee 79. Für die meisten Mitglieder des Foreign Office war Briands Plan „a more subtle manifestation of the French desire for permanent hegemony on the continent (…)“. Vgl. Boyce, Britain and the Briand Plan 26.

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europäischen Einflussgebiet zu nutzen“48. Im Januar 1932 gab Briand die Leitung des Außenministeriums ab – zu diesem Zeitpunkt stand Frankreich dem Wiederaufstieg Deutschlands schon „ziemlich hilflos“49 gegenüber. 2. Weltwirtschaftskrise und französische Pläne zur Neuordnung des Donauraumes Die Wirtschaftskrise, die, von den Vereinigten Staaten 1929 ausgehend, auf Europa überging machte zunächst „einen Bogen um Frankreich“. Frankreich erschien in den Jahren 1929 und 193050 als eine „Insel des Wohlstandes in einem Meer der Zusammenbrüche“ und wurde erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1931 von der Weltwirtschaftskrise erfasst. Das von Frankreich entwickelte Bündnissystem im Osten sowie das gesamte französische Sicherheitskonzept wurden gestört, „als in der Weltwirtschaftskrise lebensnotwendige und miteinander konkurrierende ökonomische Faktoren die politischen Fronten durchkreuzten“51. Die Agrarstaaten des Donau-Balkan-Raumes – revisionistische ebenso wie antirevisionistische – waren auf Absatzmärkte für ihre landwirtschaftlichen Überschüsse ebenso angewiesen, wie auf leistungsfähige Kapitalmärkte. Aufgrund der Absatzkrise für ihre landwirtschaftlichen Produkte waren z. B. Rumänien und Jugoslawien an einer engeren Zusammenarbeit mit Deutschland interessiert, mussten bei dieser Annäherung aber auf Paris Rücksicht nehmen, während Österreich und Ungarn Kreditangebote Frankreichs „aus Furcht vor einem Staatsbankrott nicht rundweg ausschlagen [konnten], auch wenn diese mit Forderungen nach politischen Garantien zur Erhaltung des Status quo verbunden waren“52. Aufgrund der Einschränkung der Exportmöglichkeiten für ihre landwirtschaftlichen Produkte wuchs bei den Agrarländern Ostmittel- und Südosteuropas die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Dabei dachte man in erster Linie an Erweiterungspläne der Kleinen Entente in Richtung Ungarn und Österreich einerseits bzw. Polens andererseits. Solche Initiativen erregten aber nicht nur in Prag Bedenken, sondern auch in Budapest, wo man Polen lieber als einen Vermittler sehen wollte, um es zu einem privilegierten Partner Ungarns zu machen53. Loth, Geschichte Frankreichs 73. Ebd. 50 Rémond verwendet für das Jahr 1930 den Begriff „Glanzjahr“: „Der Wiederaufbau war praktisch abgeschlossen; die Stabilisierung des Franc hatte das Vertrauen wiederhergestellt und dem Land eine weltweit geschätzte Währung beschert. Aus der ganzen Welt flossen die Kapitalströme auf der Suche nach sicheren und gutverzinslichen Anlagemöglichkeiten ins Land (…) der Staatshaushalt wies einen Überschuss von 4 Milliarden Francs aus.“ Rémond, Frankreich 156. Vgl. auch Loth, Geschichte Frankreichs 74–77. 51 Holm Sundhaussen, Die Weltwirtschaftskrise im Donau-Balkan-Raum und ihre Bedeutung für den Wandel der deutschen Außenpolitik unter Brüning; in: Wolfgang Benz, Hermann Graml (Hgg.), Aspekte deutscher Außenpolitik im 20. Jahrhundert (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte / Sondernummer, Stuttgart 1976) 121–163, hier 122 f. 52 Ebd. 124. 53 Piotr S. Wandycz, The Twilight of French Eastern Alliances 1926–1936: French-Czechoslovak-Polish Relations from Locarno to the Remilitarization of the Rhineland (Princeton 1988) 136. 48 49

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Die ungarische Regierung hatte unter der Führung von Graf István Bethlen seit 1928 eine Politik der schrittweisen Annäherung an Frankreich eingeleitet, um die Isolierung Ungarns zu beenden und die außenpolitische Orientierung zu diversifizieren. Damit sollte ein Gegengewicht zur deutschen und italienischen Option hergestellt, aber auch eine kommerzielle und finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau der ungarischen Wirtschaft erreicht werden. Das französisch-ungarische Handelsabkommen des Jahres 1925 hatte bereits die erste Etappe dieses Prozesses gebildet54. Die Kontakte blieben zunächst auf den kulturellen und wirtschaftlichen Bereich beschränkt; Bethlens Besuch in Paris im Juni 1929 verfolgte vor allem den Zweck französisches Kapital nach Ungarn zu holen, um dort den deutschen Einfluss zu bremsen. Die von Bethlen eingeleitete Politik zielte vor allem darauf ab, Ungarn mehrere Optionen zu eröffnen, wobei das angestrebte Ziel – die Revision des Vertrags von Trianon – nicht aus den Augen verloren wurde. Auf diese Weise wollte Bethlen die Isolierung Ungarns beenden und potentielle Verbündete gewinnen, die seine Revisionsbestrebungen unterstützten. Bethlen wiederholte mehrfach den Wunsch, im Donaubecken durch eine parallel zur Kleinen Entente gebildete Organisation ein Gleichgewicht herzustellen. Seine Vorbehalte gegen die österreichisch-deutsche Zollunion stießen auf Frankreichs Interesse und wurden im Quai d’Orsay als Opposition zu und als Widerstand gegen die wirtschaftliche Dominanz Deutschlands in der Region aufgefasst55. Dennoch war die französische Regierung noch nicht bereit, sich verstärkt für Ungarn einzusetzen und begnügte sich damit, Ungarn im Sommer 1931 eine Anleihe zu gewähren. Diese bildete den ersten Schritt für eine größere Anleihe, die im folgenden Herbst gewährt wurde und der ungarischen Wirtschaft endlich mehr Spielraum geben sollte56. Im Gegenzug erklärte sich die ungarische Regierung bereit, im diplomatischen Bereich ihre Ansprüche im Hinblick auf ein Gleichgewicht im Donauraum zurückzustellen. Der deutsche Gesandte in Budapest wies in einem Bericht vom September 1931 an das Auswärtige Amt darauf hin, dass in Budapest zwar nach wie vor großes Interesse an einem guten Verhältnis zu Deutschland bestehe, doch gäbe es zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten, die der Regierung empfahlen, „jenen Kräften im Lande zu folgen, die wie der ehemalige Staatssekretär Hantos für die Schaffung einer ungarisch-tschechisch-österreichischen Zollunion plädierten“57. Der Finanzexperte Elemér Hantos (1881–1942) war ein Anhänger der

Charles Lortsch, La Hongrie économique et les intérêts français en Hongrie (Paris 1927) 139. Joachim Kühl, Föderationspläne im Donauraum und Ostmitteleuropa (= Untersuchungen zur Gegenwartskunde Südosteuropas 2, München 1958) 43. 56 Der deutsche Gesandte in Budapest, Hans von Schoen, meldete im September 1931 nach Berlin, dass aufgrund der Kapitalknappheit Ungarns „mit einer vorsichtigen Annäherung an Frankreich zu rechnen sei“ und eine Unterredung mit Regierungsmitgliedern ergeben hätte, dass aufgrund von bestehenden Verpflichtungen nicht nur „eine Veräußerung größerer Vermögensteile des ungarischen Staates unvermeidlich sein werde, sondern zusätzlicher Kredit auf dem französischen Geldmarkt aufgenommen werden müsse“. Vgl. Jürgen Elvert, Mitteleuropa! Deutsche Pläne zur europäischen Neuordnung (1918–1945) (= Historische Mitteilungen. Beiheft 35, Stuttgart 1999) 173. 57 Ebd. 173; Catherine Horel, La Hongrie et le plan Tardieu; in: Revue d’Europe centrale V/2 (Straßburg 1997) 73–85. 54 55

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Gewährung von Handels- und Zollpräferenzen zwischen den Donaustaaten58. Er hatte bereits die „Mitteleuropäische Wirtschafstagung“ in Wien gegründet und verkehrte in den Genfer Kreisen. Hantos befürwortete eine mitteleuropäische Wirtschaftsunion zur Lösung der durch den Zerfall der Habsburgermonarchie entstandenen Probleme. Seine Ideen waren in Genf auf offene Ohren gestoßen und sein Einfluss reichte bis in die diplomatischen Kanzleien, so dass man sie in praktisch allen Neuordnungsplänen der 1930er Jahre deutlich erkennen kann, darunter auch im Tardieu-Plan59. Das Quai d’Orsay kannte seine Ideen nicht nur durch seine vielen Bücher, sondern auch durch die Berichte seiner Diplomaten in den Hauptstädten Mitteleuropas, wo der ungarische Ökonom zahlreiche Gastvorträge hielt. Es ist zu vermuten, dass einige Elemente der von Hantos befürworteten wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Donauraum von den französischen Entscheidungsträgern aufgenommen wurden. Ein Beweis dafür ist der Verzicht Frankreichs auf dem Begriff „Donaukonföderation“, der sowohl für Wien als auch für Budapest unannehmbar war. Der französische Gesandte in Wien, Bertrand Clauzel, berichtete über die Gespräche zwischen Hantos und Beneš in Genf im Oktober 1931 und ihre Auswirkungen in Wien, und bezeichnet jenes Konzept als „une formule périmée“60. Einige Zeit später, anlässlich eines am 2. Dezember 1931 gehaltenen Vortrag Hantos’ im Kreis „Přítomnost“ [Gegenwart] in Prag, betonte der französische Gesandte François Charles-Roux das Wohlwollen des Publikums gegenüber dem Referenten, sowie die positive Aufnahme seiner Vorschläge durch wichtige Persönlichkeiten der tschechoslowakischen politischen und wirtschaftlichen Szene61. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Konzeptionen von Hantos in einer Notiz des Tardieu-Nachlasses auftauchen, wo die Kontakte zwischen Hantos und Beneš ebenfalls erwähnt werden: „M. Benes est même allé jusqu’à envisager de grouper, au moyen d’un pacte régional, les cinq pays en question sous la forme d’une sorte de S.D.N. en miniature, avec un conseil et une conférence annuelle. Cette conception, qui coïncide avec celle de M. Hantos, ancien ministre hongrois, ardent propagandiste d’un rapprochement des États danubiens, est basée sur la constatation qu’il y a quelque chose de fondé et de justifié dans la communauté qui a si longtemps groupé les territoires jadis unis sous le sceptre des Habsbourg.“62

Kurz vor dem Amtsantritt von André Tardieu als Außenminister (20. Februar) – am 11. Februar 1932 –, war eine Note für den damaligen Außenminister Pierre Laval63 verfasst worden. Diese befindet sich heute im Tardieu-Nachlass und bildete die

Kühl, Föderationspläne 54 ff. Jacques Bariéty, Der Tardieu-Plan zur Sanierung des Donauraums (Februar – Mai 1932); in: Josef Becker, Klaus Hildebrand (Hgg.), Internationale Beziehungen in der Weltwirtschaftskrise 1929– 1933 (= Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg 18, München 1980) 361–387. 60 Clauzel an Laval, 16. Oktober 1931, in: Archiv des französischen Aussenministeriums (AMAE). Série Z Europe, Autriche 1930–1940, Bd. 206: Rapprochement politique et économique des pays danubiens octobre 1931–juin 1932, fol. 22 ff. 61 Ebd. fol. 33–39. 62 AMAE, Papiers d’agent, AP 166. Tardieu, dossier 516, fol. 52. 63 Das von Pierre-Etienne Flandin geleitete Finanzministerium trat dafür ein, die Währungen Österreichs und Ungarns mit Hilfe eines ausländischen Kredites zu retten, die Notenbanken einer ausländischen 58 59

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Grundlage für die Politik des neuen Ministerpräsidenten und Außenministers. Im Gegensatz zu anderen Quellen, welche vor allem die Situation in Österreich als besonders besorgniserregend darstellen, wurde darin die Aufmerksamkeit auf Ungarn gerichtet und darauf hingewiesen, dass sich das Land in einem alarmierend schlechten Zustand befinde, zu dessen Verbesserung Lösungsvorschläge unterbreitet wurden: „Cette formule d’un groupement s’étendant en premier lieu aux parties de l’ancien empire austrohongrois dont les économies sont complémentaires a l’avantage de répondre à des nécessités pratiques et de ne pas s’embarrasser de considérations politiques. […] Du côté hongrois, si on fait abstraction de l’opposition encore peu influente, l’attitude adoptée par les milieux officiels consiste à subordonner tout rapprochement économique à une révision du Traité de Trianon. Il y a là de quoi faire renoncer à toute entente le Gouvernement tchécoslovaque qui a déjà à compter avec les intérêts particuliers des agriculteurs et des industriels. Ceux-ci n’ont sans doute pas été étrangers aux motifs qui ont retardé jusqu’à présent l’aboutissement des négociations commerciales en cours entre Prague et Budapest, négociations que le Gouvernement français s’est employé pour sa part, à faire accélérer autant qu’il était possible.“64

Auch Österreich war von einer katastrophalen Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen. Im September 1931 war der deutsch-österreichische Zollunionsplan endgültig gescheitert. Bereits im Sommer 1931 hatte sich Bundeskanzler Karl Buresch mit der Bitte um Einleitung einer internationalen Kreditaktion an den Völkerbund gewandt, der den Appell an das zuständige Finanzkomitee weiterleitete65. Am 17. September gab Buresch vor dem Finanzkomitee des Völkerbundes in Genf eine Erklärung ab, die die Grundlage der österreichischen Budgetsanierungspolitik in den folgenden Jahren bilden sollte. Trotz wohlwollender Aufnahme zogen sich die Verhandlungen bis zum Jahr 1932 hin. Nachdem mit dem Ausscheiden Johannes Schobers das Haupthindernis der französischen Kredithilfe beseitigt schien, suchte Österreich in Paris neuerlich um Gewährung eines Kredites an, „was aber von Frankreich – bereits wenige Wochen vor der Bekanntgabe des sogenannten ‘Tardieu-Planes’ – mit einem umfassenden Donauraumprojekt junktimiert wurde“66. Die französischen Vertreter im Finanzkomitee forderten Österreich auf, eine wirtschaftliche Annäherung an die Nachfolgestaaten der Monarchie zu suchen. Buresch wandte sich Mitte Februar 1932 direkt an Frankreich, England, Italien und Deutschland indem er den Gesandten dieser Länder eine Erklärung übergab, in der die Wiener Regierung „nun ihrerseits eine Ausdehnung des österreichischen Wirtschaftsraumes auf alle Nachbarstaaten forderte“67. Damit war es

Kontrolle zu unterstellen und eine Donauföderation (Fédération danubienne) zu bilden. Vgl. Andreas Gémes, Der Tardieu-Plan und Österreich. Politische und wirtschaftliche Aspekte eines mitteleuropäischen Integrationsversuches; in: Zeitgeschichte 5/33 (2006) 261–286, hier 265. 64 AMAE, Papiers d’agent, AP 166. Tardieu, dossier fol. 39. 65 Vgl. zum Folgenden Klaus Koch, Österreich im Zentrum der Mitteleuropapläne; in: Ders., Walter Rauscher, Arnold Suppan, Elisabeth Vyslonzil (Hgg.), Außenpolitische Dokumente der Republik Österreich 1918–1938 (ADÖ) VIII: Österreich im Zentrum der Mitteleuropapläne 12. September 1931 bis 23. Februar 1933 (Wien 2009) 11–34; vgl. auch Gémes, Der Tardieu-Plan. 66 Koch, Österreich 13. 67 Ebd.

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Buresch gelungen, die Behandlung der Finanzmisere Österreichs auf eine höhere Ebene zu verlagern. In der Folge wurden unterschiedliche europäische Wirtschaftmodelle entwickelt. In diesem Sinne bedeutete der Tardieu-Plan tatsächlich eine „Internationalisierung“ der Donauraumfrage68. Der Tardieu-Plan vom 2. März 1932 ist vor dem Hintergrund der Verschlechterung der politischen und wirtschaftlichen Lage der Donauländer sowie der internationalen politischen Lage des Jahres 1932 zu sehen. Die Krise, die die agrarischen Donauländer, allen voran Ungarn, Rumänien und Jugoslawien, bereits in der Erntezeit des Jahres 1929 zu spüren bekamen, veranlasste zahlreiche Beobachter, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um Abhilfe zu schaffen. Eine wichtige Rolle spielte dabei Jacques Rueff, der 1929 Finanzattaché an der französischen Botschaft in London war und bereits im Dezember 1929 eine Note verfasst hatte, in der er den „Kult der Meistbegünstigungsklausel“ angriff, der die europäischen Handelsbeziehungen beherrsche69. Rueff empfahl, dass sich die europäischen Staaten in den zwischen ihnen geschlossenen Handelsabkommen „Vergünstigungen“ einräumen sollten, von denen Drittländer ausgeschlossen bleiben sollten. Im Jänner 1932 ergriff zunächst Großbritannien die Initiative. Der britische Botschafter trat mit dem Vorschlag seiner Regierung zur Bildung einer Zollunion der Donaustaaten hervor70. Wie Sir Horace Rumbold ausführte, sei der Bestand Österreichs und Ungarns durch die Krise bedroht. Es sei offensichtlich, dass die beiden Staaten nicht lebensfähig seien, es sei denn, durch fremde Kredithilfe, für die zur Zeit aber kein Markt bestehe: „This constant threat to the economic structure of Europe was no longer tolerable; only a customs union between the Danubian states would provide a solution.“ Er betonte, dass Großbritannien nur einer Zollunion zustimmen würde, nicht jedoch „to a system of preferences“71. Die britische Regierung beabsichtigte somit die Bildung einer Zollunion der fünf bzw. sechs Donaustaaten72 und nicht ein System von Präferenzen. Die deutsche Regierung, die vermutete, dass der Plan von französischer und tschechoslowakischer Seite lanciert worden sei – eine Vermutung, die auch die italienische Regierung teilte – lehnte den Plan entschieden ab. Staatssekretär Bernhard Wilhelm von Bülow erklärte, dass „wir eine Zollunion ohne uns als eine solche gegen uns“ betrachten würden73. Der Plan wurde schließlich fallen gelassen, was, wie Sundhaussen vermutet, auch darauf zurückzuführen ist, dass der neue 68 Barbara Kronsteiner, L’Autriche et le plan Tardieu, in: Revue d’Europe centrale V/2 (Straßburg 1997) 63–72, hier 68. 69 Bariéty, Tardieu-Plan 365. 70 Der britische Vorschlag sollte zugleich eine Alternative zu dem gescheiterten deutsch-österreichischen Zollunionsprojekt bieten. Vgl. Sundhaussen, Weltwirtschaftskrise 144, Anm. 153. 71 F. G. Stambrook, A British Proposal for the Danubian States: the Customs Union Project of 1932; in: The Slavonic and East European Review 42/98 (Dezember 1963) 64–88, hier 65. 72 Ursprünglich nannte Rumbold: Österreich, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien und auch Bulgarien; den Einschluss Bulgariens ließ man jedoch offen. Ebd. 67. 73 Dabei spielten neben wirtschaftlichen Fragen – die ökonomische Expansion nach Südost-Europa – auch politische Fragen eine Rolle, da der wirtschaftliche Zusammenschluss der Donaustaaten ein Hindernis für den von Deutschland verfolgten engeren Zusammenschluss mit Österreich dargestellt hätte. Vgl. Sundhaussen, Weltwirtschaftskrise 144 f.; Stambrook, British Proposal 81.

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französische Ministerpräsident André Tardieu den britischen Außenminister John Simon davon überzeugen konnte, dass eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit der Donaustaaten nur auf dem Weg von Präferenzvereinbarungen möglich sei74. Wie erwähnt bildete nach dem Sturz des Kabinetts Laval André Tardieu am 20. Februar 1932 eine Regierung, in der er selbst das Außenministerium übernahm. Nach seiner Rückkehr aus Genf, wo Tardieu Ende Februar unter anderem mit Edvard Beneš sowie John Simon Gespräche über die Donauangelegenheiten geführt hatte, redigierte Tardieu eine mit 2. März datierte Note mit dem Titel „Memorandum zur Lage der Donaustaaten“ und sandte sie zunächst nach London und Rom, nicht jedoch Berlin75. Der Plan Tardieus sah die Errichtung eines fünf Länder umfassenden Zollpräferenzsystems vor (Österreich, Ungarn, die Tschechoslowakei, Rumänien und Jugoslawien). Dabei sollten die Verhandlungen zunächst unter den fünf genannten Ländern stattfinden, die Großmächte und der Völkerbund sollten erst nach der Übereinkunft der Donaustaaten involviert werden. Tardieu wünschte aber eine französisch-englisch-italienische Übereinkunft, um die fünf Donauländer unter Druck zu setzen und zu einer Harmonisierung ihrer Handelspolitik mittels Zollabbaus zu bewegen. Bariéty vermutet, dass der französische Plan ursprünglich Deutschland aus der Kombination ausschloss und erst aufgrund einer Indiskretion der Zeitung Le Temps öffentlich wurde, was zu sofortigen Protesten in der deutschen Presse führte. Der Plan löste in Berlin wesentlich größere Unruhe aus als der britische Vorschlag vom Jänner. Nicht nur war er konkreter und realistischer, er wurde zudem auch von einem Land propagiert, das unvergleichlich stärkere politische Interessen in Südosteuropa hatte als Großbritannien. Zwar wollte man einen offenen Konflikt vermeiden, dennoch „sollte aber alles unternommen werden, um den Tardieu-Plan zu Fall zu bringen“76. Die Schaffung einer solchen Donauföderation hätte einen großen außenpolitischen Erfolg Frankreichs bedeutet, da sie sowohl die Anschlussfrage als auch den ungarischen Revisionismus aus der Diskussion genommen hätte; darüber hinaus wäre dadurch auch Frankreichs Stellung als hegemoniale Macht im Donauraum gesichert gewesen. „Aus deutscher Sicht bedeutete die Donaukonföderation eine wirtschaftliche – und damit zwar unausgesprochene, aber trotzdem implizit auch politische – Bedrohung.“77 Für das Deutsche Reich bedeutete dies, dass alle Anstrengungen unternommen werden mussten, um den Tardieu-Plan zu verhindern. In diesem Zusammenhang rückte vor allem Ungarn in den Blickpunkt.

Sundhaussen, Weltwirtschaftskrise 145. Am 5. und 6. März 1932 wurde der Plan offiziell Wien, Prag, Bukarest, Budapest und Belgrad sowie Warschau mitgeteilt. Zum Folgenden siehe Bariéty, Tardieu-Plan 376–379. 76 Sundhaussen, Weltwirtschaftskrise 146. 77 Vgl. Elvert, Mitteleuropa 180. Staatssekretär von Bülow beauftragte die Gesandten des Reiches in den Staaten der Region, die jeweiligen Regierungen darauf hinzuweisen, „dass sie ohne den deutschen Absatzmarkt für ihr Getreide existentiell aufs Höchste gefährdet wären. Sie sollten sich entscheiden zwischen einer Donaukonföderation westeuropäischer Provenienz mit völlig unzureichenden Absatzmöglichkeiten einerseits oder einer ökonomischen Konsolidierung in Folge einer Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland.“ Es sollte kein Zweifel daran gelassen werden, dass das Reich jeden Zusammenschluss im Donauraum, ohne Einbezug Deutschlands, bekämpfen werde. 74 75

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3. Französisch-ungarische Beziehungen und der Tardieu-Plan Die ungarische Regierung kam nach einer Analyse der möglichen ökonomischen Auswirkungen des Plans zur Erkenntnis, dass Ungarn als Transitland in der Föderation möglicherweise großen Nutzen aus dem Tardieu-Plan ziehen konnte. Zwar kommentierte der ungarische Gesandte in Paris den Vorstoß Tardieus mit der Bemerkung, dass Frankreich hinsichtlich seiner hegemonialen Bestrebungen schon bisher keinerlei Zweifel hätte aufkommen lassen; diese wären nun erstmals öffentlich und amtlich dokumentiert. Experten wie Hantos vermuteten, hinter dem Projekt könnte ein Wahlmanöver Tardieus angesichts der bevorstehenden Wahlen vom Mai 1932 stecken78. Dennoch traten die politischen Vorbehalte „gegenüber dem immer dringender werdenden Bedürfnis nach französischer Kredithilfe vorübergehend in den Hintergrund“79. Dies führte letztlich zu einer Annäherung zwischen Frankreich und Ungarn und die französische Regierung gewährte – auf Vorschlag Beneš’ – auch der ungarischen Regierung eine bedeutende Anleihe80. Wie Ádam schreibt, war es die „nüchterne Abwägung“ der Interessen, die die ungarische Regierung zwang, die Gegensätze auszuklammern und die angebotene wirtschaftliche Zusammenarbeit ohne politische Bedingungen anzunehmen“, wobei Ungarn, ähnlich wie Jugoslawien und Rumänien, an der Einbeziehung Deutschlands und Italiens festhielt81. An der Spitze der Befürworter einer Wirtschaftsunion der Donauländer stand in Ungarn der damalige Ministerpräsident, Graf Gyula Károlyi, der ausgesprochen frankophil war, sowie Außenminister Lajos Walkó. Diesem gelang es auch, die sogenannte „Kommission der Dreiunddreißig“, ein parlamentarisches Gremium zur Prüfung und Erörterung der wirtschaftlichen und finanziellen Pläne der Regierung, für diese Haltung zu gewinnen. Alle stimmten darin überein, dass das Hauptanliegen die Beendigung der Krise sein sollte. Außenminister Walkó sprach sich in einer Sitzung vom 23. März 1932 für die Annahme des Tardieu-Plans aus. Dabei betonte er, dass das französische Projekt drei wichtigen Bereiche der ungarischen Wirtschaft betreffe: den Handel, den Transit von Waren sowie die Finanzen82. Gleichzeitig diente der Tardieu-Plan der ungarischen Regierung dazu, Unterstützung von Italien zu erhalten. Die italienische Zurückhaltung hatte sich nach dem 78 Elemér Hantos, Der Weg zum neuen Mitteleuropa (Berlin 1933) 89. Diese Meinung teilt auch Wandycz, Twilight 223. 79 Sundhaussen, Weltwirtschaftskrise 148. 80 Um die Frankophilie des neuen Ministerpräsidenten Gyula Károlyi zu balancieren, befürwortete Reichsverweser Miklós Horthy eine wirtschaftliche Annäherung der „Viererunion“, das heißt, des Deutschen Reiches, Italiens, Ungarns und Österreichs, da er einen allzu starken Einfluss Frankreichs als Folge der erneuten Kreditaufnahme befürchtete, wodurch er die Fortsetzung der ungarischen Revisionspolitik gefährdet sah. Vgl. Elvert, Mitteleuropa 175–178. 81 Ádam, Selbstvernichtung 89. Es kam auch zu einer Annäherung zwischen der Tschechoslowakei und Ungarn. Inoffizielle ungarische Persönlichkeiten, darunter Elemér Hantos suchten Beneš auf, und dieser erklärte sich bereit, mit dem ungarischen Außenminister Walkó zusammenzutreffen um über eine Annäherung der beiden Länder und ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verhandeln. 82 Wochenbulletin der ungarischen Presse, 21. 3. 1932–14. 5. 1932, datiert von 6. Juni bis 8. Juni 1932; in: AMAE Série Z Europe, Hongrie 1930–140, dossier 100; Kühl, Föderationspläne 48.

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Besuch Walkós in Rom deutlich gezeigt. Vor seiner Abreise hatte Außenminister Walkó zunächst gegen die negative Einstellung des Reichsverwesers Horthy gegenüber dem Tardieu-Plan ankämpfen müssen. Überdies hatte Graf István Bethlen hinter seinem Rücken agiert, um die Regierung dazu zu bringen, den französischen Vorschlag nicht blind anzunehmen. Die ungarische Außenpolitik erweckte Anfang der 1930er Jahre oft den Eindruck eines „Fähnchens im Wind“. Letztlich war sie aber ziemlich vorhersehbar; sie stand vor zwei unlösbaren Problemen: der Wirtschaftskrise auf der einen Seite und der Frage der Revision auf der anderen Seite. Der Tardieu-Plan konnte das erste Problem teilweise lösen, und stieß deshalb auf Zustimmung, weil seine Bedingungen mit keinen politischen Verpflichtungen verbunden waren. Andererseits war eine Revision der Grenzen aber nur mit der Unterstützung Italiens und des Deutschen Reiches denkbar; außerdem waren die ungarischen Regierungsmitglieder – gemeinsam mit Graf Bethlen, der auch nach seinem Sturz im August 1931 hinter den Kulissen noch eine große Rolle spielte – davon überzeugt, dass Deutschland die künftige Wirtschaftsmacht der Region sein werde, und Ungarn den Plan nicht gegen Deutschland durchsetzen konnte. Ungarns Nachbar Österreich zeigte sich „freundlich reserviert“, da es sich mit Rücksicht auf die dringenden Kreditwünsche nicht leisten konnte, „Paris offen vor den Kopf zu stoßen“83. Zwischen März und Mai 1932 hatte es den Anschein, dass die ungarische Regierung von der Bethlen-Linie abweichen und auf Frankreich setzen würde. Dieser Umschwung war aber nur von kurzer Dauer und überlebte auch das Scheitern des Tardieu-Plans nicht. Bereits Anfang Mai bezweifelte Graf Bethlen das Zustandekommen des Tardieu-Plans. Er kehrte nach Monaten wieder ins Parlament zurück, und wählte bewusst die Sitzung zur Budgetdebatte: „Le plan Tardieu avait de grands mérites. Il avait posé le problème d’une manière telle qu’on ne pouvait plus l’éluder. Il préconisait la préférence et conjuguait la reconstruction économique et financière. Mais il avait le tort d’avoir négligé les vœux, émis par la Conférence de Bucarest, qui visaient tous les ‘marchés naturels des États participants, et notamment ceux d’Italie, de Suisse, d’Allemagne et de France’. La Hongrie avait besoin de ces derniers marchés comme de ceux de Tchécoslovaquie et d’Autriche. En envisageant solidairement les cinq États danubiens, le plan „avait un goût de Confédération danubienne ; la préférence qu’il offrait pourrait coûter un peu cher“84.

Nachdem im September 1932 die Regierung Gyula Károlyis durch Gyula Gömbös abgelöst wurde, veränderte sich die außenpolitische Konzeption Ungarns. Gömbös „verschloß sich einer Kooperation mit den Staaten der Kleinen Entente, verwarf das

83 „So waren zwar die österreichischen Industriellen für eine Präferenzierung in Südosteuropa zu gewinnen, fürchteten aber gleichzeitig den tschechischen Import und eine Beeinträchtigung des Exports nach Deutschland. Keine Zustimmung konnte ein Donauföderationsplan angesichts des südosteuropäischen Agrarüberschusses naturgemäß bei der heimischen Landwirtschaft finden. Rein politisch war die französische Initiative zudem in weiten Kreisen der anschlussfreundlich gesinnten Bevölkerung Österreichs denkbar unpopulär.“ Koch, Österreich 23 f. 84 Vienne an Tardieu, Telegramm des 6. Mai 1932; in: AMAE Série Z Europe, Hongrie 1930–1940 (116) 156.

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Bestreben nach regionaler Einheit und hielt einzig und allein den Ausbau bilateraler Wirtschaftsbeziehungen für akzeptabel“85. Die Mitglieder der Kleinen Entente hatten sich bereits anlässlich einer Tagung im Mai 1932 gegen jede Form einer „Wiedervereinigung“ Mitteleuropas ausgesprochen86. 4. Das Scheitern der französischen Bündnispolitik und das Ende der Versailler Ordnung Zur Beratung des Tardieu-Plans wurde vom 6. bis 8. April 1932 in London eine Viermächtekonferenz abgehalten, an der Deutschland, Italien, Großbritannien und Frankreich teilnahmen. Großbritannien wies den Plan zwar nicht zurück, trat jedoch auch nicht dafür ein, was letztlich dessen Scheitern bedeutete. Magda Ádám führt das Scheitern vor allem auf die mangelnde Berücksichtigung der realen Situation zurück. „[Der Tardieu-Plan] ließ nämlich außer acht [sic!], dass sich die Positionen Deutschlands und Italiens, die an einer Integration Mitteleuropas kein Interesse hatten, in diesem Raum bedeutend gefestigt hatten und die Donaustaaten an der Aufrechterhaltung ihrer Beziehungen zu Deutschland und Italien wirtschaftlich interessiert waren.“ Gleichzeitig bedeutete das Scheitern der Integrationsversuche einen Sieg Deutschlands, das nicht gezögert habe, „die Franzosen aus dem Donauraum zu verdrängen. Jeder einzelne Erfolg Deutschlands trug dazu bei, das Europa der Pariser Friedensverträge zunehmend ins Wanken zu bringen“87. Die französische Politik dieser Jahre bietet „ein Musterbeispiel dafür, wie direkt sozialökonomische und innenpolitische Strukturen und Entwicklungen außenpolitische Prozesse beeinflussen“88. Die Erschütterung der internationalen Position Frankreichs in den dreißiger Jahren war im Wesentlichen das Ergebnis einer dreifachen inneren Krise – einer gesellschaftlichen, einer ökonomischen sowie einer Krise des politischen Systems. Hinzu kamen die internationalen Rahmenbedingungen, die die französische Außenpolitik der dreißiger Jahre bestimmten: „Niemand bedrohte die im wesentlichen von Frankreich gestaltete und getragene internationale Nachkriegsordnung nachhaltiger und unmittelbarer als die nationalsozialistische Politik mit ihrer radikalen Kampfansage an das ‚Versailler System‘.“89 Daher muss die französische Außenpolitik der Jahre ab 1933 in unmittelbarem Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Bedrohung betrachten werden. Der Optimismus des Jahres 1930 war, wie Rémond feststellt, im Jahre 1933 verflogen, die Wirtschaftskrise hatte nun auch Ádám, Selbstvernichtung 89. Bernard Michel, La Petite Entente et les crises internationales des années 1930; in: Revue d’histoire de la Deuxième Guerre mondiale 20 (1970) 15–24, hier 18. 87 Ádam, Selbstvernichtung 90. 88 Vgl. dazu Gerhard Kiersch, unter Mitarbeit von Roland A. Höhne, Frankreich – Innerer und äußerer Machtverfall einer bürgerlichen Demokratie; in: Erhard Forndran, Franz Golczewski, Dieter Riesenberger (Hgg.), Innen- und Außenpolitik unter nationalsozialistischer Bedrohung. Determinanten internationaler Beziehungen in historischen Fallstudien (Opladen 1977) 32–57, hier 32. 89 Ebd. 85 86

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Frankreich voll erfasst und der innere Frieden war nach dem Wiederaufbrechen der politischen Gegensätze am Ende90. Den „energischsten Anlauf“ zur Eindämmung der nationalsozialistischen Bedrohung unternahm Louis Barthou, der Außenminister der nach dem 6. Februar 1934 gebildeten Regierung unter Gaston Doumergue91. Barthou vertrat die Ansicht, dass Hitler von seinen Aggressionsplänen nur dann abzubringen sei, wenn man eine gemeinsame Abwehrfront aller übrigen europäischen Mächte gegen ihn aufbaute. Barthou verkörperte die Machtpolitik der alten außenpolitischen Tradition und trat für einen aktiven Widerstand gegenüber dem Deutschen Reich ein; das Ziel war die Aufrechterhaltung des Status quo, der französischen Nachkriegsordnung, „notfalls mit Gewalt“92. Zur Erreichung dieses Ziels sollten zunächst die Bindungen an die Länder der Kleinen Entente gefestigt werden93. Von Großbritannien erhoffte man sich einen direkten Beitrag zu den französischen Rüstungsanstrengungen. Außerdem drängte Barthou im Frühjahr 1934 auch auf eine Annäherung an die Sowjetunion und wollte ebenfalls das faschistische Italien in den antideutschen Block miteinbeziehen. In Verfolgung dieses Zieles besuchte Barthou im Sommer 1934 die verschiedenen osteuropäischen Länder und versuchte dort die Zustimmung für sein Konzept eines umfassenden kollektiven osteuropäischen Sicherheitssystems („Ost-Locarno“) zu gewinnen, das zusätzlich durch den sowjetisch-französischen Beistandspakt mit dem westeuropäischen Sicherheitssystem verklammert werden sollte. Vor allem Deutschland und Polen widersetzten sich dem Plan Barthous, die Sowjetunion in die europäische Kombination einzubeziehen. Barthou gelang es nicht, Polen umzustimmen; Polen hatte im Jänner 1934 mit Deutschland einen Nichtangriffsvertrag geschlossen. Dieser Vertrag war der erste große Erfolg des nationalsozialistischen Deutschland; damit war es gelungen, einen „Keil in das System von Mittel-, Ost- und Südosteuropa“ zu treiben und so den Einfluss Deutschlands in diesem Raum zu steigern94. Die Tatsache, dass sich die ungarische Außenpolitik unter Gyula Gömbös dem faschistischen Italien annäherte, bedeutete nicht, dass Frankreich seine Hoffnung auf eine Wende in Ungarn definitiv aufgab. Das Wachsen der faschistischen Gefahr bot den Anlass dazu, sich Gedanken über die Rolle Ungarns bei der Schaffung eines neuen Gleichgewichts in der Region zu machen. Die Befürchtungen Frankreichs waren vielfältig; sie bezogen sich auf die Erhaltung der Integrität Österreichs, den Kampf gegen den italienischen Einfluss in Südosteuropa sowie die wirtschaftliche Sanierung Mitteleuropas. Das Ziel war jedoch in erster Linie die Behauptung des französischen Einflusses in der Region und gleichzeitig die Zurückdrängung der deutschen Ambitionen.

Rémond, Frankreich 159, 161. Loth, Geschichte Frankreichs 101 f. 92 Kiersch, Frankreich 42 f. 93 Catherine Horel, La Hongrie et la France en 1934: des positions inconciliables; in: Revue d’Europe centrale VII/2 (Straßburg 1999) 133–145. 94 Ádam, Selbstvernichtung 95. 90 91

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Barthou versuchte auch das durch die österreichische Frage belastete Verhältnis Deutschlands und Italiens auszunutzen und Italien in einen antideutschen Block einzubinden95. Die Bildung der „Balkan-Entente“ im Februar 1934 veranlasste Mussolini, der das Bündnis als gegen Italien gerichtet betrachtete, zur Schaffung eines Gegenblocks; am 17. März 1934 unterzeichnete er mit Österreich und Ungarn die Römischen Protokolle, in denen sich die drei Staaten zur politischen Zusammenarbeit verpflichteten. Zwischen Ungarn und Frankreich hatte sich unterdessen eine Entspannung des Verhältnisses ergeben. Diese hatte sich schon anlässlich der ersten Gespräche des neuen ungarischen Gesandten in Paris, Graf Sándor Khuen-Héderváry, mit Außenminister Joseph Paul-Boncour am 17. Jänner und mit Louis Barthou und Gaston Doumergue jeweils am 16. Februar und 6. März 193496 gezeigt. Das Hauptgesprächsthema bildeten dabei die zu dieser Zeit laufenden Verhandlungen über die Römischen Protokolle. Bei diesen Gesprächen war es vor allem Barthou, der das Interesse Frankreichs an einer Normalisierung der in erster Linie wirtschaftlichen Beziehungen im Donauraum signalisierte. Diese Entspannung sollte jedoch nur einige Monate anhalten. Schon Mitte Mai 1934 zeigte sich die ungarische Regierung von den Aktivitäten Barthous irritiert, die letztlich auf eine Konsolidierung der bestehenden Allianzen, vor allem der Kleinen Entente, abzielten. Zudem erregten die Kontakte Barthous mit den Staaten der Kleinen Entente das Missfallen Ungarns. Barthou war es im Laufe seiner Ende Juni 1934 in Bukarest und Belgrad geführten Verhandlungen gelungen, die beiden Staaten für den Plan eines „OstLocarno“ zu gewinnen. Während seines Aufenthalts in Rumänien und Jugoslawien hatte er in öffentlichen Erklärungen den Status quo in Mitteleuropa verteidigt97. Der ungarische Gesandte Khuen-Héderváry zog daraus den Schluss, dass Frankreich zweifellos den größten Wert auf seine Beziehung zur Kleinen Entente lege und Ungarn daher nichts Positives von dieser Seite erwarten könne98. Ungarn fürchtete darüber hinaus die französische Konkurrenz, vor allem gegenüber Polen. Tatsächlich besuchte Barthou am 23. April 1934 Warschau, um die polnisch-tschechischen Beziehungen zu beleben und um infolge der Unterzeichnung des deutschpolnischen Nichtangriffspaktes vom 26. Jänner 1934 Garantien zu erhalten. Dieses Abkommen hatte bei der französischen Regierung große Bedenken ausgelöst, da sie die Hoffnung, Polen doch noch in die Kleinen Entente integrieren zu können, noch

95 Damit löste er in Belgrad Befürchtungen aus, Frankreich könnte bereit sein, die Interessen Jugoslawiens zu opfern, nur um Italiens Unterstützung zu erhalten. Belgrad sah sich daher nach anderen Sicherheitsgarantien um, die am 9. Februar 1934 zum Abschluss des Balkanpaktes führten, an dem Jugoslawien, Rumänien, die Türkei und Griechenland beteiligt waren. Ebd. 96. 96 Khuen-Héderváry an Kálmán Kánya, 17. Jänner 1934, in: Magyar Országos levéltár [Ungarisches Nationalarchiv] (MOL), Külügyminisztérium [Außenministerium], Külképviselétek (KK). K63, Politikai Osztály (PO) 1919–1945. Karton 92/11. Bogen 11/7, fol. 78–80; Khuen-Héderváry an Kánya, 16. Februar 1934, fol. 28; Khuen-Héderváry an Kánya, 6. März 1934, fol. 30. 97 Ádam, Selbstvernichtung 96 f. 98 Khuen-Héderváry an Kánya, 17. Mai 1934, in: MOL, KK, K63, PO 1919–1945. Karton 92/11. Bogen 11/7, fol. 46–47.

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nicht aufgegeben hatte. Gleichzeitig versuchte aber auch Ungarn die Animositäten zwischen Warschau und Prag auszunützen, um Polen in sein Lager zu holen. Die Reise Louis Barthous nach Bukarest brachte schließlich den Tiefpunkt der Beziehungen zwischen Frankreich und Ungarn. Im Sommer 1934 arbeiteten Frankreich und die Sowjetunion weiter an der Schaffung des „Ost-Locarnopaktes“, doch beschränkte sich der Erfolg dieser Bemühungen zunächst auf die Aufnahme der Sowjetunion in den Völkerbund im September 1934. Die deutsch-polnische Verständigung (Nichtangriffspakt vom Jänner 1934) hatte seitens der Sowjetunion zu einer Neubewertung der Nachkriegsordnung geführt. Sie entwickelte ihr eigenes Konzept der kollektiven Sicherheit und war somit bereit, die französischen Pläne zu bewilligen. Mittlerweile war es Italien gelungen, auch Ungarn – trotz Horthys heftigen Antikommunismus – zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion zu bewegen99. Die Tschechoslowakei folgte einer ähnlichen Agenda, was Frankreich als eine wichtige Etappe auf dem Weg zum Ostpakt begrüßte100. Nachdem im Herbst 1934 deutlich wurde, dass der Ostpakt ohne Deutschland und Polen auskommen musste, belebten Frankreich und die Sowjetunion wieder den ursprünglichen Plan eines französisch-sowjetischen Beistandspaktes, der am 2. Mai 1935 unterzeichnet wurde. Als Barthou am 9. Oktober 1934 gemeinsam mit König Alexander I. von Jugoslawien einem Attentat zum Opfer gefallen war stand Pierre Laval zunächst als Außenminister und nach dem 7. Juli 1935 bis Jänner 1936 zugleich als Ministerpräsident an der Spitze der französischen Außenpolitik. Laval war Zeit seines Lebens davon überzeugt, dass eine Verständigung mit Deutschland eine geopolitische Notwendigkeit sei. Er leitete fünfzehn Monate die Geschicke der französischen Außenpolitik – von Oktober 1934 bis Januar 1936. In diese Zeit fielen der Anschluss des Saarlandes an das Deutsche Reich, die einseitige Aufkündigung der Militärklauseln des Versailler Vertrags durch Deutschland, der Beginn des Abessinienkrieges sowie der Streit über die Sanktionen gegen Italien. Im Mai 1935 reiste Laval nach Moskau und schloss einen Beistandspakt mit Stalin ab. Parallel dazu vertiefte er die Beziehungen zu Mussolini, um sich dessen Unterstützung gegen den Anschluss Österreichs an Deutschland zu versichern. Er setzte die Politik Barthous „zwar formal fort, erfüllte sie aber mit einem Geist, der eine andere Variante der französischen Außenpolitik verkörperte. Die zaghafte Annäherung an Deutschland, das Arrangement mit Hitler, implizierten tendenziell die Änderung des Status quo, die Vernachlässigung der osteuropäischen Bündnispartner, das stillschweigende Einverständnis mit einer deutschen Expansionspolitik, vorausgesetzt, dass sie sich nicht gegen Westeuropa richtete“101. Im April 1935 gelang es Laval mit der „Stresafront“ Frankreich, Italien und Großbritannien zu einer einheitlichen Haltung gegen jede einseitige Aufkündigung von

99 Mihály Fülöp, Péter Sipos, Magyarország külpolitikája a XX. században [Ungarns Außenpolitik im 20. Jahrhundert] (Budapest 1998) 190. 100 Zum Ostpakt vgl. Wandycz, Twilight 356–369. 101 Vgl. Kiersch, Frankreich 43 f.

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Verträgen, die den Frieden in Europa gefährden könnten, zu bringen. Wie brüchig diese Front war, sollte sich im Zusammenhang mit Mussolinis Angriff auf Abessinien im Oktober 1935 zeigen. Obwohl Frankreich zum Ärger Großbritanniens zwischen den britischen und italienischen Interessen lavierte, hielt dies Mussolini nicht davon ab, im Dezember die französisch-italienischen Vereinbarungen vom Jänner sowie die „Stresafront“ aufzukündigen. Damit war das französische Konzept der europäischen Sicherheit gescheitert. Als der Sozialist Léon Blum 1936 die Regierungsgeschäfte aufnahm, war die außenpolitische Konstellation äußerst brisant. Italien hatte die „Stresafront“ verlassen und Mussolini näherte sich Hitler an. Nachdem Hitler im März 1936 die entmilitarisierte Zone des Rheinlandes besetzt und damit die letzte Sperrklausel des Versailler Vertrages gebrochen hatte, sah sich Frankreich „der Gefahr eines Zweifrontenkrieges in den Alpen und am Rhein ausgesetzt“102. Den vom damaligen Ministerpräsidenten angekündigten Konsequenzen folgten keine praktischen Maßnahmen. Nach Ansicht Rémonds war der 7. März 1936 „wahrscheinlich die letzte Gelegenheit gewesen, um die vom Dritten Reich betriebene Politik der vollendeten Tatsachen gewaltsam zu stoppen“103. Die Tatenlosigkeit Frankreichs sei nur die fatale Konsequenz der bisherigen französischen Außenpolitik gewesen. Hinzu kam die bereits seit 1932 verstärkt auftretende chronische Instabilität der Regierungen. Zwischen den Maiwahlen 1932 und der Bildung der Regierung Édouard Daladier im April 1938 erlebte Frankreich fünfzehn Regierungskrisen; keine Regierung konnte sich länger als ein Jahr halten und die durchschnittliche Amtsdauer betrug nicht mehr als ein halbes Jahr. Der Handlungsspielraum der Regierung nach innen und außen wurde immer enger. Dies zeigt sich auch an der Entwicklung der französisch-sowjetischen Beziehungen 1936/37. Die Sowjetregierung drängte auf eine Ergänzung des französisch-sowjetischen Beistandspaktes durch eine Militärkonvention. Trotz der Bemühungen Léon Blums gelang es ihm nicht, sich gegenüber der hinhaltenden Taktik der französischen Militärspitze durchzusetzen. Auch Polen und Rumänien waren nicht dazu zu bewegen, den sowjetischen Truppen im Ernstfall das Recht des Durchmarsches durch ihre Länder zu gewähren. Seit der nationalsozialistischen Machtübernahme hatte sich das Mächtegefüge in Ostmitteleuropa von Grund auf geändert. Der deutsch-polnische Nichtangriffspakt vom Jänner 1934 machte Hitler den Rücken frei für eine fordernde Revisionspolitik gegenüber den Westmächten. „Polen hingegen schien der Vertrag mit Deutschland endlich jene Garantie der Westgrenze zu geben, die ihm in Locarno vorenthalten worden war“104. In Rumänien wurde Nicolae Titulescu, „der entschiedenste Vertreter einer Politik der kollektiven Sicherheit“105, als Außenminister abgesetzt. Die Furcht vor der

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Sowjetunion und die Verbitterung über das Ausbleiben französischer Waffenlieferungen führten zu einer Annäherung an das Deutsche Reich. Nachdem England und Frankreich die Rückkehr Deutschlands zur Wehrpflicht sowie die Besetzung des Rheinlands tatenlos hingenommen hatten, „musste den ostmitteleuropäischen Regierungen klar werden, dass die Westmächte den Ansprüchen Deutschlands nicht entschieden entgegentreten würden“106. Relativ intakt blieb nur mehr das Verhältnis zur Tschechoslowakei, dessen Lage nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 ebenfalls prekär wurde. In der Erwartung, durch ein weiteres Zugeständnis einen europäischen Krieg vermeiden zu können, gaben die Westalliierten im September 1938 die Tschechoslowakei preis. Durch das euphemistisch als (Erster) Wiener Schiedsspruch genannte Diktat vom November 1938 wurden die magyarischen Gebiete der südlichen Slowakei an Ungarn abgetreten. Damit war die Staatenordnung Ostmitteleuropas, wie sie in der Versailler Ordnung festgelegt worden war, nach kaum mehr als zwei Jahrzehnten zusammengebrochen, das französische Bündnissystem endgültig zerfallen.

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C. ‘Wilson versus Lenin’: The New Diplomacy and Global Echoes of Austria-Hungary’s Dissolution by Pieter M. Judson The editors of this volume have invited me to summarize the more important trends in the historiography of the so-called ‘new diplomacy’ at Versailles, and to consider it in a more global context than is usually the case. Although historians of Central Europe have not often realized it, the collapse of the Habsburg Monarchy in fact created specific ideological challenges to the peacemakers that extended well beyond the problems they encountered in redrawing the borders of Central Europe, often to other parts of the world. What allegedly made the diplomacy of 1919 a ‘new diplomacy’ can be summarized generally, first in terms of the widely trumpeted transparency of its practices, secondly, in its alleged attention to democratic practice, and thirdly, in its concern to anchor statehood in the national self-determination of populations. The application of these principles, however, was not limited to the creation – or ratification – of the self-styled democratic nation states of Central and Eastern Europe. The underlying logic of these principles could also be found at work in the creation of the League of Nations itself, as well as in debates over the creation of British, French, Italian, and Japanese mandates in Asia, Africa, and the Middle East. Many nationalists and anti-colonial activists in Asia, Africa, and the Middle East made use of the logic underlying the decisions taken in Central Europe to argue for their own emancipation from Imperial rule. At the same time, what is perhaps less well understood is the way in which the same logic often relegated Central, Eastern, and Southern Europeans themselves to positions of inferiority in a global hierarchy that rendered them somehow less ready to assume the mature responsibilities of democracy and, in the long run, a bit less ‘white’ than their British or French counterparts. If colonized peoples used the language of the new diplomacy to stake their claims, the practitioners of that diplomacy were not above using the same logic to relegate some Europeans to the status of mandatees. This article’s title ‘Wilson versus Lenin’ refers specifically to the 1963 edition of an influential book by historian Arno J. Mayer that had very little to do with the global resonances of the dissolution of Austria-Hungary or Versailles diplomacy1. Instead, the book analyzed the emergence of what Mayer termed a ‘new diplomacy’ in the final years of the War. In particular, Mayer focused on the new war aims articulated by the 1 Arno J. Mayer, Wilson vs. Lenin. Political Origins of the New Diplomacy, 1917–1918 (= Meridian books 175, Cleveland – New York 1963).

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combatants in the final eighteen months of the War, after the first Russian Revolution of 1917 and the entry of the United States into the War had changed the dynamics of wartime propaganda. The rhetoric of this new diplomacy, which he located in the claims and counter-claims made by these war aims, shaped the discourses that dominated the Paris Peace Treaties of 1919–1921. According to Mayer, Woodrow Wilson and Vladimir I. Lenin largely produced the new diplomacy as each sought to shore up world opinion for his specific agenda. For Wilson, this meant re-stabilizing the world order, and for Lenin it ultimately meant world revolution. In both cases, however, the new diplomacy differed radically from pre-war norms of diplomacy. In part, Mayer argued, a main difference between the new and old diplomacy consisted of the ways that the new diplomacy sought to appeal to a mass audience. Rather than existing in a secretive realm of elite negotiations, the new diplomacy would function openly on the basis of agreed-upon principles originating from democratic politics. Over the last three decades, a new historiography of international relations, international institutions and international law has radically expanded and transformed Mayer’s thesis. Historians have extended the definition of Mayer’s ‘new diplomacy’ to locate its origins well before the interventions of Lenin or Wilson documented by Mayer. More importantly, today we also recognize that the world order based increasingly on the nation state idea and justified by a confident rhetoric of self-determination in fact created highly paradoxical outcomes. On the one hand, the same popular rhetoric of national self-determination that underlay the assumptions of this new diplomacy later justified unprecedented levels of ethnic violence in twentieth-century Europe. On the other hand, the very same rhetoric also led to the creation of international institutions based on values of humanitarianism and charity towards victimized populations. The rise of organized international humanitarianism in the twentieth-century was not a mere reaction to the fates suffered by all kinds of minorities in Europe at the hands of ethnic cleansers realizing national self-determination through violent means. There is no simple cause and effect relationship between these two phenomena, violence and humanitarianism. Instead, the two developments – humanitarianism and ethnic violence – mutually constituted each other, as highly interdependent and as simultaneous products of the same sets of ideas. Both phenomena rested ultimately on the ideological relationship between concepts of national homogeneity, on the one hand, and those of political democracy, on the other. The very idea of legislating the international protection of minorities, for example, only made sense in a world where states were to be organized as homogeneous ethnic units in the first place. The same idea – that homogeneous ethnic units best reflected the democratic will of the people – could easily justify the terrible logic of population transfers, expulsions, ethnic cleansing, and even genocide. This idea also created and justified the need for humanitarian organizations dedicated to aiding those whom it was necessary to uproot or remove.

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1. Ready for Independence? During the First World War, nationalist activists around the world helped to promote this presumed link between a concept of national self-determination and its basis in a general acceptance of democratic values. They did so largely by associating empire as a political structure with coercion, oppression, and the absence of democratic values. In December 1918, for example, Thomas Garrigue Masaryk, President of the newly created Czechoslovakia, chose the following words to proclaim this dual triumph of democracy and nationhood: ‘On the whole,’ he said, ‘great multinational empires are an institution of the past, of a time when material force was held high and the principle of nationality had not yet been recognized, because democracy had not been recognized.’2 This view presumed that great empires could only be held together by oppressive force. The age of such empires was over, Masaryk believed, precisely because the global triumph of democracy had made them impossible. Given an opportunity to choose, the populations of these empires would seek to be organized into nation states. It was the principle of democracy that legitimated national self-determination as the future basis for the organization of states. By explaining the birth of Czechoslovakia in this particular way, Masaryk asserted a powerful link between the ideas of democracy and nationhood that often justified the new state system created at Paris. Masaryk and other Central European nationalists frequently linked their new autonomous status to the idea that their peoples had somehow been emancipated from a state of imperial servitude under the Habsburg, Romanov, Ottoman, or Hohenzollern empires. Their rhetoric did not go unnoticed by nationalist and anti-colonial activists in other parts of the world, who also hoped that the post-war momentum would bring about a change in their status as peoples colonized by the victorious states (Britain, France, Japan, and the United States). This caused problems for both the victors as well as for some of the new states they created. It also reminds us of how critical the dissolution of Austria-Hungary was to global constructions of concepts of self-determination and nationhood. For their proponents, the triumphant emergence of Czechoslovakia, Poland, or Yugoslavia as new states aligned them automatically with the forces of democracy, especially as embodied in the pronouncements by the United States President Woodrow Wilson. In this sense, their creation symbolized the victory of national self-determination and democracy over empire. Yet Masaryk’s statement also made a very different and less comfortable comparison possible: that of the newly-liberated nations in Eastern Europe to the still colonized peoples of the Middle East, Asia, and Africa, many of whom were subjects of the British, French, American, Dutch, and Belgian empires. If the nations of Eastern-Central Europe had suffered under Habsburg oppression for close to five hundred years, they also suffered from the stigma of political immaturity, the stigma that victorious empires often cited to legitimate continuing their so-called 2 Thomas Garrigue Masaryk, The Problem of Small Nations and States, the Federation of Small Nations [1918]; in: Zdenka Munzer, Jan Munzer (eds.), We Were and We Shall Be. The Czechoslovak Spirit through the Centuries (New York 1941) 152–158, here 153.

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civilizing regime. This was particularly the case for those peoples in the Middle East whom the Peace Conference subjected to mandate status. They were not deemed mature enough for complete self-rule. They required the benevolent control of European powers to help steer them on a path to eventual independence. The power of this comparison between Eastern Europeans and Middle-Easterners is evident from the ways that the victors interfered in the domestic practices of the Eastern European states. As a price for their independence or territorial aggrandizement, they had to sign treaties that subjected their promise to protect national minorities within their borders to external scrutiny by a League of Nations Committee3. According to Mark Mazower, these treaties represented ‘the most intrusive intervention by international law yet sanctioned in the domestic affairs of sovereign states – so intrusive that the great powers ruled out applying the same kind of regime to themselves’, as we will see below4. Having only recently emerged from what their own politicians liked to characterize as ‘colonial domination’ by an oppressive Habsburg or Romanov Empire, Central and Eastern Europeans could not be considered completely prepared for independence by the victorious powers. On the other hand, Italy did not have to sign a treaty guaranteeing rights to the substantial German or Slovene minorities it had gained along with substantial new territories in the north and east. Nor did France sign a treaty guaranteeing rights to the German speakers of Alsace and Lorraine. Instead, two hundred thousand of them were brutally and swiftly expelled by an army of occupation in an early, and largely forgotten, example of ethnic cleansing5. Historians such as Mazower or Erez Manela, who study diplomacy and international institutions in the first half of the twentieth century, have made this implicit comparison between Eastern Europeans and peoples of the Middle East or Asia more explicit. By extending our understanding of the consequences of the ‘new diplomacy’ to the rest of the globe, they demonstrate that the application of concepts such as ‘national self-determination’ to Central and Eastern Europe cannot be separated from their application – or non-application – to locations in the Middle East, Asia, and Africa. Doing this work requires making a more complex analysis than simply accusing the victors of hypocrisy in their dealings with Ireland, Libya, the Philippines, or in their disposal of former German and Ottoman colonies. Today, historians see the settlement less as a product of hypocrisy and more in terms of the basic logic of the new diplomacy. Like the logic behind the creation of mandates, the rationale behind the Minority Treaties was based on a broader mistrust by the victors of both Eastern European and non-European peoples.

3 On the treaties, see references in Eric Weitz, From the Vienna to the Paris System: International Politics and the Entangled Histories of Human Rights, Forced Deportations, and Civilizing Missions; in: American Historical Review 113/5 (December 2008) 1313–1343, here 1332. 4 Mark Mazower, No Enchanted Palace. The End of Empire and the Ideological Origins of the United Nations (Princeton – Oxford 2009) 108. 5 Tara Zahra, The Minority Problem and National Classification in the French and Czechoslovak Borderlands; in: Contemporary European History 17/2 (2008) 137–165; Laird Boswell, From Liberation to Purge Trials in the ‘Mythic Provinces’: Recasting French Identities in Alsace and Lorraine 1918–1920; in: French Historical Studies 23/1 (2000) 129–162, here 141.

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Indeed, the architects of Versailles invented the mandate system in the first place in part to pay lip service to Wilson’s idealism, while protecting the fundamental principles of empire in Africa, Asia, and the Middle East. But these principles could theoretically be applied to the peoples of Eastern or Southern Europe as well. One of the most influential players at Versailles, Jan Smuts of South Africa, had actually argued that a mandate system applied to Europe could function to train Eastern Europeans for full sovereignty6. ‘The peoples left behind by the decomposition of Russia, Austria, and Turkey are mostly untrained politically; many of them are either incapable or deficient in the power of selfgovernment (…).’7 In other words, the same principle that imposed the minority protection treaties also produced the system of colonial mandates, especially in the Middle East. New states there (Lebanon, Iraq) were placed under the tutelage of the victorious powers, again allegedly because their peoples were not deemed ready for complete self-rule. Not coincidentally, it was Committees of the League of Nations that were charged with overseeing both the implementation of the mandates and of the minority rights treaties. The argument of historians today is not simply that the victors treated all these societies – from Transylvania to Damascus – the same way. Rather, they argue that the Paris Treaties ensured differing degrees of control over all of them, according to their degree of imagined civilization, and usually through institutions of the new League of Nations8. To my knowledge, most (but not all) of this recent historiography derives from the Anglo-American academic world, and focuses either on international law or on international institutions. These include works by Holly Case, Carole Fink, Isabel Hull, Erez Manela, Mark Mazower, Samuel Moyn, Susan Pedersen, Nicole Phelps, Naoko Shimazu, Eric Weitz and Tara Zahra9. Some of these authors specifically interrogate the principles of the new diplomacy. Others examine global transfers of its ideas and

6 Mazower, No Enchanted Palace 45. Mazower argues that the ability of the new Eastern European states to frame their existence as a necessary and useful strategic buffer against Bolshevism diminished the attractiveness of applying a mandate system to them. 7 Quoted in Margaret MacMillan, Paris 1919. Six Months That Changed the World (New York 2001) 99. 8 On the mandate system, its origins and workings, Susan Pedersen, The Guardians. The League of Nations and the Crisis of Empire (Oxford – New York 2015) 9 See Mazower, No Enchanted Palace; Idem, Dark Continent: Europe’s Twentieth Century (New York 1998); Nicole Phelps, U.S. – Habsburg Relations from 1815 to the Paris Peace Conference. Sovereignty Transformed (Cambridge – New York 2014); Erez Manela, The Wilsonian Moment: Self-Determination and the International Origins of Anticolonial Nationalism (Oxford – New York 2007); Tara Zahra, Kidnapped Souls. National Indifference and the Battle for Children in the Bohemian Lands, 1900–1948 (Ithaca, NY 2006); Idem, Minority Problem; Isabel Hull, Absolute Destruction. Military Culture and the Practices of War in Imperial Germany (Ithaca, NY 2005); Idem, A Scrap of Paper: Breaking and Making International Law During the Great War (Ithaca, NY 2014); Holly Case, Between States: The Transylvanian Question and the European Idea During World War II (= Stanford Studies on Central and Eastern Europe, Stanford 2009); Carole Fink, Defending the Rights of Others: The Great Powers, the Jews, and International Minority Protection, 1878–1938 (Cambridge 2004); Pedersen, The Guardians; Naoko Shimazu, Japan, Race, and Equality: The Racial Equality Proposal of 1919 (Oxford – New York 1998); Weitz, Vienna to Paris; Samuel Moyn, The Last Utopia. Human Rights in History (Cambridge, MA 2010); Idem, Human Rights and the Uses of History (London 2014).

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principles, often showing how the new states and their leaders shaped their international policies and propaganda to take advantage of the principles articulated by the new diplomacy. Still others have examined the creation of international institutions like the League of Nations, the United Nations, and several non-governmental organizations. Altogether, these works also offer us complex genealogies of concepts such as human rights, genocide, and self-determination. Taken together, these works offer a new portrait of Central Europe in a global context in 1918. 2. Wilson versus Lenin Almost simultaneously when revolution toppled the Tsarist regime in Russia, the United States entered the war on the Entente side. Just before the United States entered the war, Lenin had asserted that a Bolshevik peace plan would include ‘the liberation of all colonies’ and of ‘all dependent, oppressed, and unequal nations’. Under pressure from the Petrograd Soviet, the Russian Provisional Government soon joined the Bolsheviks in calling for a peace settlement based on the ‘self-determination of peoples’. In his own 1917 speeches, Wilson argued that the peace should be based on what he called ‘the consent of the governed’10. Both Lenin’s and Wilson’s statements gained immediate popularity in all the combatant societies, especially among the parties of the left. As Mayer showed long ago, the arguments put forward by Wilson and Lenin in 1917 forced the British and French governments to articulate new war aims taking the popularity of these ideas into account. Erez Manela points out that David Lloyd George’s famous January 1918 war aims speech actually merged Lenin’s and Wilson’s rhetoric into a single discourse. The British leader deliberately equated the Bolshevik call for the ‘national self-determination’ of ethnic minorities and colonized peoples with Wilson’s notion of a peace based on the popular consent of the governed. According to Manela, this rhetorical trick of equation sought to veil the considerable differences that separated a revolutionary Bolshevik agenda from a liberal reformist American one, in order both to limit the appeal of Bolshevism and to regain the peace initiative for Britain and France. Wilson increasingly adopted the new term ‘self-determination’ in 1918. As Manela also demonstrates, in a speech in February of that year Wilson himself appeared to conflate nationalist discourse with democratic rhetoric when he argued that ‘national aspirations must be respected; people may now be dominated and governed only by their own consent’11. Both Mayer and later historians have noted that Wilson’s concept of self-determination remained far less clear in content than Lenin’s. Bolshevik rhetoric applied self-determination to specific exemplary locations both inside and outside Europe. For the Bolsheviks, the term constituted an explicit call to subject peoples to overthrow 10 Quoted in Erez Manela, Imagining Woodrow Wilson in Asia: Dreams of East-West Harmony and the Revolt Against Empire in 1919; in: American Historical Review 111/5 (December 2006) 1327– 1351, here 1331. 11 Ibid. 1332 f.

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imperialist rule. Wilson, however, rarely applied the term ‘self-determination’ to specific situations, and although he treated it as a universal principle, in fact he only applied it to a European settlement. Clearly, the rhetorical differences between Wilson and Lenin resulted largely from their very different aims. Wilson hoped primarily to guarantee post-war European stability. For him, self-determination would not necessarily result in a state for every nation. Rather, the idea of self-determination was somehow to prevent the collapse of Europe into revolutionary anarchy. As most recent historians have pointed out, with regard to the Habsburg Monarchy, Wilson preferred to think in terms of autonomy rather than political independence for Austria-Hungary’s different ethnicities. Lenin, by contrast, sought a revolutionary outcome that would destroy the existing European order completely. He endeavoured to utilize the instability caused by war to achieve a global revolution. Unlike Wilson, Lenin applied issues of self-determination to non-European settings, thus placing the British, French and United States on an uncomfortably comparable footing with the empires of Central and Eastern Europe. Once the Bolsheviks had taken control of the revolution in November, Trotsky demanded that the allied powers ‘give the right of self-determination to the peoples of Ireland, Egypt, India, Madagascar, Indochina, etc.’12. Otherwise, he said, the allied claim to be fighting for the freedom of small nations would be revealed as a cynical form of imperialism. For both Mayer and later historians, it seems clear that the symbolic struggle between Wilson and Lenin constituted not so much a clash of opposing ideas, but rather a struggle for political control of the meanings of a single term: ‘self-determination’. But how new was this term in actually, and what exactly did it imply for the new order? 3. Peoples not States: Self-Determination in Europe In a 2008 article, historian Eric Weitz summarized the work of several scholars in this field who have demonstrated that a new international order organized around the concept of ethnic self-determination was visible long before the outbreak of the First World War13. For Weitz, the most important transformation of the nineteenth century, what he called the transition from the ‘Vienna system’ to the ‘Paris system’, was the replacement of states and dynasties as the fundamental units of organization by peoples, defined nationally or ethnically. Under this new system, ethnic or national groups were not merely to gain rights as such, but were also to become the legitimate source of state sovereignty. As early as the London Treaty of 1830, the Great Powers justified the creation of a new state – Greece – on the basis of a purely ethnic argument. And precisely because they defined this new state in ethnic terms, the signatories of the London Treaty also found it necessary to guarantee the rights of the Muslim minority in Greece and the rights of Christians in the Ottoman Empire. This guarantee, of course, would

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Quoted in ibid. 1331. Weitz, Vienna to Paris.

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not have been necessary if the new state had been organized according to dynastic or historical/territorial principles. With the Austro-Hungarian Settlement (Ausgleich) in 1867 and the unifications of Italy and Germany, population-based politics became more critical at the international level. The Berlin Congress of 1878 continued the trend by promising rights to those religious and national minorities in the Balkans that ended up in the ‘wrong’ nation state. European leaders associated this trend with another important development: the emerging idea that colonialism could be legitimated as a European civilizing mission to peoples (not to states!) outside Europe. Signatories of colonial agreements in the 1870s and 1880s regularly promised to suppress local forms of slavery, to limit alcohol, promote religious toleration, and to uplift native populations14. It was often nationalist actors in the Balkans who increasingly asserted that a successful state required a homogenous population, as they grabbed territory from the Ottoman Empire in retreat. The Ottoman expulsion from the Balkans produced forced deportations and migrations of hundreds of thousands of Muslims from the new Balkan nation states to Anatolia. Creating an ethnically homogeneous population also became a key strategy of wartime combatants during the Balkan Wars of 1912–1913. As one army gained new territory, paramilitary groups would enter the territory and use violence to make that territory ethnically more acceptable to its new rulers. So-called population exchanges in the Caucasus between Russia and the Ottoman Empire had also already taken place in the 1880s purely on the basis of ethnicity15. This suggests that much of the new diplomacy of 1919 was really not all that new. It had already been practised decades earlier, although in regions usually considered marginal to Europe. During the First World War, the same considerations often became the basis for occupation policies towards civilians. Inconvenient populations (such as the Jews of Galicia under Russian occupation) might forcefully be deported to the hinterland, or like the Armenian population of Anatolia, brutally murdered. Many recent historians – notably Isabel Hull and Jonathan Gumz – have complicated the question by pointing to other, non-ethnic reasons for other policies of wartime occupation16. After the war, as Weitz reminds us, the treaties – ending with the often forgotten Lausanne Treaty – made the world safe, not for democracy, but actually for national and racial politics. Here, I want to emphasize again the crucial elision that is still often overlooked in the historiography of the successor states. At the end of 1918 and certainly throughout the drawn-out Paris negotiations, almost every actor equated the concept of national self-determination with a necessary democratization of European society. As we saw with the Masaryk quotation cited earlier in this essay, nationalist leaders in the successor

Ibid. 1317, 1319 f.; also Fink, Defending the Rights. Peter Holquist, To Count, to Extract, and to Exterminate: Population Statistics and Population Politics in Late Imperial and Soviet Russia; in: Ronald Grigor Suny, Terry Martin (eds.), A State of Nations: Empire and Nation-Making in the Age of Lenin and Stalin (New York 2011) 111–144; Weitz, Vienna to Paris 1322. 16 Hull, Absolute Destruction; also Jonathan Gumz, The Resurrection and Collapse of Empire in Habsburg Serbia, 1914–1918 (= Cambridge Military Histories 1, Cambridge – New York 2009). 14 15

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states saw their triumph as the victory of democracy over a kind of internal European colonialism. As Hannah Arendt would write of this moment decades later, the world seemed convinced that ‘true popular sovereignty could be attained only with full national emancipation (…) people without their own national government were deprived of human rights’17. Yet it is important to continue to ask, who was the self that benefitted from self-determination? Certainly, not real individuals in Central and Eastern Europe, who were rarely asked to give their opinions (even in the few plebiscites actually held), but usually nationalist groups and their activist leaders. In very un-democratic fashion, one could argue, the Paris system legitimated the power of the group at the expense of the individual. Wilson apparently never considered the difficulty of reconciling individual and group rights. After 1919, however, nationalist activists of all kinds – but especially in the enlarged and successor states – were only too glad to proclaim that their visions fulfilled democratic values. This is why so many nationalist scholars, observers, and politicians have since blamed the general failure of the system on some incorrect application of the principle to individual cases (a border drawn wrong here, a population left in the wrong place there). In fact, as historiography shows, the problem lay with the fundamental principles, not with their application. 4. Global Dimensions of the New Politics The nationalists who justified their territorial and political gains by telling the story that they had previously been colonized by aggressive imperial powers paid a price – if ultimately not a stiff one – for engaging in this rhetoric. As I have suggested, their own proclamations unintentionally confirmed the victors’ beliefs that the victors alone stood at the pinnacle of civilization, and that the Eastern Europeans, so long subjected to tyranny, had yet to reach that point. One price they paid for their new nation-state status was their continued tutelage at the hands of the victors. Despite vigorous protests from Central and Eastern European politicians and many of the people they represented, the victors imposed minority protection treaties on them. In real terms, this price turned out not to be terribly high. Ultimately, the League almost never interfered in the domestic affairs of the new states. However, the victors’ attitudes toward their new clients created other difficulties for the new states and their populations. Soon after Wilson gave the peoples of Eastern Europe self-determination, the United States legislated limits on immigration by Southern and Eastern Europeans because of the deleterious effect those Europeans – so recently oppressed by imperial tyrannies – might have on America’s democratic values and its so-called racial stock. This act also ironically closed off one crucial means that Eastern European societies might have used to rid themselves of unwanted ethnic minorities, especially when it came to the Jews, who no one wanted after 1918. In their efforts to achieve the ethnic homogeneity that would justify their 17 Hannah Arendt, Origins of Totalitarianism (New York 1951) 152, quoted in Zahra, Kidnapped Souls 140.

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claims to be nation states in the first place, all Eastern European governments turned to harsher measures to reduce the presence of minorities within their borders. Moreover, the Treaty of Lausanne (1923) that ended the war between Greece and Turkey (and revised the earlier Treaty of Sèvres, 1920) oversaw – and thus normalized – a massive population exchange between those two states involving hundreds of thousands of ethnic Greeks and Turks, Christians and Muslims. Behind the sanitized term ‘population exchange’, there lurked the terrible reality of brutal and enforced deportation. Those who were deported certainly had no voice in determining their fate. The alleged success of this so-called ‘exchange’ created a large-scale precedent and ideological legitimation for future deportations and enforced population movements, even though it could not help populations like Armenians, Jews, or Roma, those who had no nation state to which they might be ‘exchanged’. The victorious powers also faced other consequences as they tried to create stability with policies of national self-determination. As Erez Manela has argued, newspaper and wireless media made Wilson’s (and Lenin’s) ideas into a global phenomenon. Editorials in Indian and Chinese newspapers, for example, had given voice to hopes that colonized peoples throughout the world would gain a fair hearing at the Paris peace conference18. The victors utterly dashed this hope. They had no intention of diminishing their own empires; quite the contrary. Indian nationalists, who had hoped to participate in the conference, were explicitly excluded from Paris. And when Britain subsequently extended its government’s wartime powers in India, former supporters of the empire at war, like Mahatma Gandhi, called for a national campaign of passive resistance. The British responded violently to this campaign, and on 13 April 1919 massacred nearly four hundred protesters in the city of Amritsar. China’s delegates, who hoped to end the colonial system of unequal treaties, were shocked when the conference maintained them and even awarded Germany’s colonial concessions in Shandong to Japan. Hearing this news, students in Beijing took to the streets, igniting protests and strikes that became known as the so-called May Fourth Movement. They denounced Wilson as an imperialist liar. Wilson swiftly lost his global cult-like status, while Lenin and his ideas gained more adherents19. Mazower, Manela, and Weitz also emphasize the similarities between the European settlements – with their minority rights provisions – and the system of mandates invented at Paris for the Middle-Eastern territories taken from the Ottoman Empire. In every case, the victors sought to create new political entities, usually based on allegedly ethnically homogenized nations, and in no case could these nations be fully trusted to rule themselves. This is made painfully clear in a ludicrous example of circular reasoning cited by Zahra in an article in which she compared French ethnic cleansing practices in post-war Alsace with nationalist minority policies in interwar Czechoslovakia. When in 1922 Lithuania proposed that all member states of the League of Nations adopt universal standards of minority protection, a French delegate responded that ‘France

18 19

Manela, Imagining Woodrow Wilson 1334–1343. Ibid. 1348 f.

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has no minorities’. When a Romanian delegate argued that an ethnographic map of France suggested otherwise, the answer came back: ‘Minorities only exist where there is a Treaty’20. Despite what Irish or Alsatian nationalists might assert, and despite what ethnographers and linguists might have to say, minorities were evidently a phenomenon defined legally only by the existence of a treaty. According to this contemporary logic, no-one in Britain, France, or the United States needed any form of protection because those societies were allegedly fully civilized and fully democratized. 5. Conclusion Not until recent decades have scholars seriously analyzed the specifically global resonance of First World War concepts such as ‘self-determination’. It is also only recently that they have more carefully investigated Wilson’s domestic policies to understand specifically the limits of what he meant by ‘self-determination’ or the locations where he thought to apply it. Not surprisingly, both Wilson’s notorious ideas about race as well as his long-term aims for the United States’ colony in the Philippines demonstrated a clear belief in civilizational hierarchies that sought to protect many peoples from gaining full self-determination. In the Philippines, Wilson’s goal was to reform United States colonial administration in order to teach colonized peoples how to rule themselves, so that at some much later date they might gain more self-determination. Similarly, Wilson strongly opposed any reform of the harsh Jim Crow laws in the United States that maintained strict legal racial segregation, both for pragmatic political reasons, but also due to his own background and experience21. The system of mandates in Africa, Asia, and the Middle East as well as the imposition of minority treaties on the new and enlarged states of Central and Eastern Europe produced by the Paris Treaties together reflect much of Wilson’s thinking. Colonialism would now be maintained under the guise of a civilizing mission that deferred native rights indefinitely. As many historians now argue, the histories of these different regions, always told separately – Central and Eastern Europe, the Middle East, and colonized Africa and Asia – are in fact powerfully linked, a fact of which the leaders in Paris in 1919 were fully aware. This leads me to a final conclusion. The collapse of Austria-Hungary is not incidental to this global story – it is utterly central. For without the collapse of the Habsburg Monarchy, Wilson and his allies would not have needed to justify the ways in which they redrew the map of Europe, and their promises of national self-determination could have remained comfortably vague. Anti-colonial activists around the world might not have been able to imagine the end of empire as even possible. As it happened, the collapse of Austria-Hungary demanded a full-scale application of the principles of the new diplomacy – the logic of peoples rather than states. Given the radical nature of the redrawing of the central European map, and the alleged principles that stood behind 20 21

1344.

Zahra, Minority Problem 138. On the Philippines question and on Wilson’s racism, see Manela, Imagining Woodrow Wilson

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it, the policies of the victors appeared all the more problematic to a global audience. At the same time, the new and newly enlarged states competed to apply ever more radical measures to achieve national homogeneity. Humanitarian institutions quickly stepped in, generally supporting the very same measures, but offering to mitigate their technical side effects that displaced and dispossessed thousands of people. Even they, however, could give little hope to all those denied membership in the brave new world of national societies.

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D. Die russische Historiographie zum Untergang der Habsburgermonarchie von Alexander Medyakov 1. Die Historiographie der Zarenzeit Es ist keine einfache Aufgabe darzulegen, wie einzelne Aspekte der Geschichte der Habsburgermonarchie in der russischen Historiographie dargestellt werden, nicht zuletzt dann, wenn es sich um ein so großes Thema wie den Untergang des Habsburgerreiches selbst handelt. Die Schwierigkeit besteht in diesem Fall jedoch nicht – wie so oft – in der Überfülle der Literatur zu dieser Thematik, sondern eher im Fehlen derselben. Bereits vor hundert Jahren schrieb Pavel Mitrofanov, der große Kenner der österreichischen Geschichte des 18. Jahrhunderts, „Österreich [sei] das Aschenputtel der russischen Geschichtswissenschaft“1. Es hat den Anschein, dass sich an diesem Sachverhalt seither nicht viel geändert hat. Dennoch konnte man ein so schwerwiegendes und folgenreiches Ereignis, wie es der Untergang der Habsburgermonarchie war, nicht völlig außer Acht lassen. Das Ziel dieses Beitrages ist es, die russische Historiographie zum Untergang der Habsburgermonarchie darzulegen, ihre Kontinuitäten und Zäsuren aufzuzeigen und nach deren Ursachen und Hintergründen zu fragen. Da die Donaumonarchie in einem Zeitpunkt zerfiel, als die Bolschewiken bereits an die Macht gekommen waren, wird im Folgenden in erster Linie von der sowjetischen und post-sowjetischen Geschichtsschreibung die Rede sein. Dabei scheint es zunächst nützlich zu sein, den Blick auf die Zarenzeit zu richten und die Traditionen des russischen Österreich-Bildes aufzuzeigen, auf welche sich die sowjetische Historiographie dann später stützen konnte. Aus dieser Perspektive ist die Feststellung Mitrofanovs von der ungenügenden Forschungslage hinsichtlich der Geschichte Österreichs von Bedeutung. Das auffallende Desinteresse der russischen Historiker/Historikerinnen an der Geschichte der Habsburgermonarchie lässt sich kaum erklären, war die Habsburgermonarchie doch ein Nachbarland und in vielerlei Hinsicht eng mit Russland verbunden, ja „verwandt“, wie ein anderer namhafter Wissenschaftler, der Slawist Konstantin Grot in seiner Studie zu ÖsterreichUngarn in der russischen Geschichtsschreibung am Vorabend des Ersten Weltkrieges 1 П М , Австрийская историография и книга проф. Вертгеймера о графе Андраши [Pavel Mitrofanov, Österreichische Historiographie und das Buch Professor Wertheimers über den Grafen Andrássy]; in: Журнал министерства народного просвещения [Zeitschrift des Ministeriums für

Volksbildung] XLXI 8 (1913) 343–349, hier 343.

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nachdrücklich betonte2. Diese Vernachlässigung des Studiums der österreichischen Geschichte versuchte Mitrofanov zunächst mit „technischen“ Gründen zu erklären, etwa damit, dass die Erforschung der Geschichte der Habsburgermonarchie das Erlernen der Vielzahl der Sprachen ihrer Völker voraussetze und zudem die dazu notwenigen Quellen auf viele Archive zerstreut seien3. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Dennoch liegt die Hauptursache meines Erachtens aber tiefer. Das Habsburgerreich wurde nicht ohne weiteres als ein politisches Ganzes wahrgenommen. Auf politischen Landkarten durchaus existent, war es auf den mentalen Landkarten der russischen Intelligenzija des 19. Jahrhunderts nicht so selbstverständlich zu finden. Oft wurde Österreich-Ungarn weniger als eine politische Einheit, sondern vielmehr als ein bloßer Aufenthaltsort seiner Völker aufgefasst. Am prägnantesten brachte diese Einstellung der berühmte russische politische Schriftsteller Alexandr Herzen zum Ausdruck. Ihm zufolge war Österreich-Ungarn nichts anderes, als eine „Ungereimtheit, aus Fetzen durch Kongresse zusammengenäht“: „Es lehnt sich an nichts Lebendiges an, es beruht nicht auf sich selbst, es ist ohne seine Teile nicht da, es ist das größte historische Phantom das jemals existierte.“4 Diese Auffassung ist ein wesentlicher Grund für das öffentliche, aber auch für das wissenschaftliche Desinteresse: Phantome werden nicht untersucht. Wenn nur Teile lebendig sind, so konzentriert sich die Forschung eben auf diese. Selbstverständlich standen dabei die österreichischen Slawen im Mittelpunkt, nach dem Motto der so genannten „slawischen Gegenseitigkeit“; auch war seit 1884 der Kursus der slawischen Geschichte an den historisch-philologischen Fakultäten der russischen Universitäten obligatorisch5. Wissenschaftlich wurde also Österreich-Ungarn von den russischen Historikern der Vorkriegszeit kaum in seiner Gesamtheit untersucht. Das erklärt sich unter anderem auch daraus, dass für die russische öffentliche Meinung die Habsburgermonarchie auch ideologisch wenig Anziehungskraft besaß. Für die Liberalen war sie nicht liberal genug, sie nahmen eher England zum Maßstab. Unter den Konservativen hingegen gab es viele Neo-Slawophile, die antiösterreichisch gesinnt waren. Manche von ihnen waren gleicherweise germanophil, aber auch das änderte kaum etwas an ihrer grundsätzlich negativen Einstellung gegenüber Österreich-Ungarn. Im Gegensatz zum Deutschen Reich betrachtete man die Habsburgermonarchie als etwas Unnatürliches und Vorübergehendes. Das gleiche gilt auch für das Österreich-Bild der russischen

2 К Г , Австро-Венгрия или Карпато-Дунайские земли в судьбах славянства и русских исторических изучениях [Konstantin Grot, Österreich-Ungarn oder das Schicksal des Slawentums im Karpaten-Donauraum in den russischen historischen Studien] (Петроград [Petrograd] 1914)

110.

Mitrofanov, Österreichische Historiographie 343 f. А Г , Россия и Польша [Alexandr Herzen, Russland und Polen]; in: Собрание сочинений в 30 т. [Gesammelte Werke, 30 Bde.] (Москва 1958) XIV 7–59, hier 19. 5 Näheres dazu in: Д М ,В Д (Hgg.) Славяноведение в дореволюционной России. Изучение южных и западных славян [Dmitrij Markov, Vladimir Djakov (Hgg.), Slawenkunde im vorrevolutionären Russland] (Москва 1988). 3 4

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Öffentlichkeit im Allgemeinen. Ausdrücke wie etwa „Fetzen- oder Flickendecke“ waren Bezeichnungen, die keiner weiteren Erklärungen bedurften6. Es gab aber dennoch einen Bereich, in dem Österreich-Ungarn von der russischen Geschichtsschreibung wie auch von der russischen öffentlichen Meinung als etwas Einheitliches und Geschlossenes wahrgenommen wurde, und zwar auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen. Die aktuelle politische Rivalität auf dem Balkan führte jedoch gleichzeitig zu einer negativen Wahrnehmung, die auch in der historischen Forschung einen deutlichen Niederschlag fand7. Das trifft zum Beispiel auch auf Mitrofanov zu, der faktisch als der eigentliche Begründer der Österreich-Forschung in Russland gelten kann. In einem „offenen Brief“ an seinen ehemaligen Lehrer Hans Delbrück stellte Mitrofanov Österreich-Ungarn als die eigentliche Ursache für die Verschlechterung der deutsch–russischen Beziehungen dar: „Das deutsch–österreichische Bündnis machte jetzt das Deutsche Reich zum prinzipiellen Gegner Russlands (…) Überall und bei jeder Gelegenheit, wenn es sich um den Balkan handelte, fanden die Russen Österreich auf ihrem Wege.“8 Neben der politischen Machtrivalität zwischen den beiden Ländern betonte man zugleich die emanzipatorische Rolle Russlands auf dem Balkan, während die Rolle ÖsterreichUngarns fast ausschließlich als antislawisch und aggressiv beschrieben wurde. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurden die Probleme der österreichischen Vergangenheit und Gegenwart begreiflicherweise weniger in der historischen Forschung, sondern vielmehr in der Publizistik behandelt. Dort finden sich diejenigen Fragestellungen, die auch für die spätere historische Literatur zum Zerfall des Habsburgerreiches von Bedeutung sein sollten. Dabei handelt es sich um Fragen der Wechselbeziehungen zwischen dem Nationalitätenproblem innerhalb der Habsburgermonarchie und der Entscheidung zum Krieg einerseits sowie zwischen dem Weltkrieg und dem möglicherweise daraus resultierenden Untergang des Habsburgerreiches andererseits. In der historischen Literatur wird unter anderem die These vertreten, dass der Krieg für Österreich-Ungarn angesichts seiner inneren Schwierigkeiten als eine Art Notbehelf diente9. Der Krieg wurde aber auch als eine Art welthistorisches Gericht über die „vom slawischen Blut genährte Alte Wölfin“ gedeutet, die immer und überall die nationale Freiheit bekämpfte und als vormodernes Staatsgebilde historisch längst überholt gewesen sei10.

6

А

У

, Лоскутная империя: Очерк Австрийской империи [Alexeij Uljanov, Fet-

zenreich: Grundriss des Kaisertums Österreich] (Москва 1914).

7 О Б ,И Ж , Австроведческая новистика в России: зарождение и основные этапы развития [Olga Barbašina, Igor Žširjakov, Das Studium der österreichischen NeuzeitGeschichte in Russland: Anfänge und Etappen] (Москва 2000) 44 f.

8 Pavel Mitrofanov, Offener Brief über das Verhältnis von Rußland und Deutschland; in: Preussische Jahrbücher (April 1914) 385–398, hier 392 f. 9 А Ш , Итоги первого года войны [Anatolj Šemanskij, Ergebnisse des ersten Kriegsjahres]; in: Великая война в образах и картинах [Der Große Krieg in Darstellungen und Bildern] 8 (1915) 353–356, hier 353. 10 В Р , Война 1914 г. и русское возрождение [Vasilij Rožanov, Der Krieg 1914 Л , Герцен в Австрии [Michail Lev, und Russlands Wiedergeburt] (Петроград 1914) 30; М Herzen in Österreich]; in: Вторая Отечественная война [Der zweite vaterländische Krieg] 4 (1914) 53–55.

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Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Hinblick auf die Habsburgermonarchie bereits während der Zarenzeit in der russischen Geschichtsschreibung wie auch in der öffentlichen Meinung jene Traditionen begründet worden waren, die später in den Interpretationen ihres Zerfalls nachwirkten. Die Habsburgermonarchie wurde weniger in ihrer Einheit und Gesamtheit begriffen und beschrieben, sondern vielmehr als eine anachronistische Anhäufung von Nationalitäten, die als eigentliche Objekte des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Interesses fungierten. Dagegen erschien ÖsterreichUngarn außenpolitisch ohne jede Differenzierung als Unterdrücker der Freiheitsbestrebungen der Balkanvölker und als Gegner Russlands. Ob man Österreich-Ungarn von innen oder von außen her betrachtete, beide Sichtweisen liefen auf eine Gesamtwahrnehmung hinaus: Der Zerfall des Habsburgerstaates sei historisch gesetzmäßig, politisch notwendig und moralisch gerechtfertigt. 2. Die Historiographie der Zwischenkriegszeit Der Untergang des Habsburgerreiches 1918 kam somit für die russischen Historiker und Historikerinnen nicht etwa wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern war längst vorausgesehen, ja heraufbeschworen worden. Trotzdem fügte die vollendete Tatsache des Zerfalls Österreich-Ungarns dem bestehenden Bild neue Aspekte hinzu. Einige davon wirken auch heute noch fort. Ich möchte drei davon nennen. Einerseits bürgerte sich ein gewissermaßen teleologischer Ansatz ein: Das Faktum des Zerfalls der Monarchie zwang und zwingt dazu, gezielt nach dessen Ursachen zu suchen, die manchmal auch überbetont bzw. überinterpretiert werden. Die zweite Tendenz resultiert aus der Tatsache, dass Österreich-Ungarn keinen wirklichen Nachfolgestaat hatte. Das macht aber auch seine Geschichte weniger attraktiv; zumindest lässt sich das auch heute noch bei Studenten und Nachwuchswissenschaftlern feststellen. Gegenwärtig werden diese in erster Linie von pragmatischen Gründen geleitet; während der Sowjetzeit war die Geschichte Österreichs auch politisch nicht relevant: „Für die Obrigkeiten war die Geschichte dieses kleinen Landes nicht interessant“ – erinnert sich etwa eine Zeitgenossin11. Aus verständlichen Gründen war man beispielsweise bereit, die Ursprünge des deutschen Militarismus bis in die Germanenzeit zu verfolgen, während das moderne Österreich keinen vergleichbaren Anlass zur Erforschung seiner älteren Geschichte bot. Diese beiden Sichtweisen des Zerfalls der Habsburgermonarchie führten oft dazu, dass man nicht der eigentlichen Sache nachging, sondern allzu bereit war, negative Urteile in Bezug auf die Habsburgermonarchie zu artikulieren. Die dritte Konsequenz des Unterganges der Donaumonarchie liegt auf der Hand – man musste eine Erklärung dafür finden. Bereits in den zwanziger Jahren tauchen die zum Teil bis in die Gegenwart reichenden Fragestellungen nach dem Anteil innerer und äußerer Faktoren an der Auflösung Österreich-Ungarns und deren Folgen auf. Methodisch und politisch entsprach das Studium der österreichischen Geschichte den 11 К А , В. М. Турок (к 90-летию со дня рождения) [Koka Antonova, V. M. Turok (zum 90. Geburtstag)]; in: Славяноведение [Slawenkunde] 1 (1995) 92–105, hier 96.

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allgemeineren Tendenzen der sowjetischen Historiographie, die sich in relativ deutlich abgegrenzte Perioden aufteilen lässt. Die erste Periode bilden die zwanziger Jahre. Die bolschewistische Machtergreifung hatte für die Geschichtswissenschaft in Sowjetrussland schwerwiegende Folgen. Es wurde ein ideologischer Druck auf alle Geisteswissenschaften ausgeübt12. Andererseits war es die Zeit der Koexistenz von „alter“ und „neuer“, bolschewistischer Geschichtsschreibung, die mit einer gewissen wissenschaftlichen Freizügigkeit verbunden war. Auch in der Beurteilung des Zusammenbruchs der Habsburgermonarchie machte sich diese Koexistenz bemerkbar. So wurde im Jahr 1922 das Buch des namhaften liberalen Historikers Sergej Kotljarewskij „Österreich-Ungarn in den Jahren des Weltkrieges“ veröffentlicht, das keine Spur der bolschewistischen Methodologie aufwies und den Untergang der Habsburgermonarchie durch ihre unzulänglichen Vorbereitungen auf den Krieg, nationale Gegensätze und militärische Niederlagen erklärte13. Darin lässt sich sogar ein gewisses Mitgefühl mit Rest-Österreich und insbesondere mit Wien feststellen: „Für diesen kleinen und armen Staat, gegen welchen die Entente-Mächte so erbarmungslos vorgegangen waren, ist diese Hauptstadt (…) unerschwinglicher Luxus“, sein Verfall sei unumgänglich14. Derartige sachliche Studien waren aber eine klare Ausnahme, in der die negative vorrevolutionäre Tradition noch nachwirkte. So behandelte etwa Boris Šapošnikov in seinem militärhistorischen Werk dieses Problem ohne jede Bezugnahme auf den so genannten Klassenansatz. Für ihn war Österreich nichts als ein „dynastisches Zwangskonglomerat der zentrifugalen nationalen Bruchstücke“, das sich seinem vorbestimmten Schicksal durch eine aktive Außenpolitik und einen Krieg vergeblich zu entziehen versuchte. Die Menschheit verlöre wenig durch das Verschwinden dieses „Überrest[es] des finsteren Mittelalters“15. Die eigentliche bolschewistische Historiographie stützte sich vor allem auf die vorrevolutionären Stellungnahmen Vladimir I. Lenins, der allerdings die Problematik Österreich-Ungarns nie speziell und systematisch untersucht hat16. Aus seinen verstreuten Äußerungen ergibt sich ein Bild, das insbesondere drei Hauptmerkmale aufweist. Zum einen handelte es sich um einen ständigen Vergleich der zwei multinationalen Reiche

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Ю

К

, А

Д

, Изгнание науки: российская историография в

20-х начале 30-х гг. XX в. [Yurij Krivočeev, Andrej Dvorničenko, Die Vertreibung der Wissenschaft: Die russische Historiographie in den 20er und Anfang 30er Jahren]; in: Отечественная история [Vaterländische Geschichte] 3 (1994) 143–158. 13 С К , Австро-Венгрия в годы Мировой войны [Sergej Kotljarevskij, Österreich-Ungarn während des Weltkrieges] (Москва 1922) 4–9, 99–103. 14 Ebd. 109. 15 Б Ш , Мозг армии [Boris Šapošnikov, Das Gehirn der Armee] (Москва 1927) 21–26. 16 Zur Einstellung der russischen Sozialdemokraten gegenüber der Habsburgermonarchie im Allgemeinen vgl. С Р , Лидеры российской социал-демократии об Австро-Венгрии в период Первой мировой войны [Sergej Romanenko, Die Führer der russischen Sozialdemokratie über Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkrieges]; in: Труды Института Российской истории [Arbeiten des Instituts für Russische Geschichte] 10 (2012) 359–396.

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Österreich-Ungarn und Russland. Das war nicht sehr typisch für die Forschung und die Publizistik der Vorkriegszeit, da sie von ihrem Selbstverständnis her Russland als russischen bzw. slawischen Staat begriff. Für Lenin gehörten die beiden Reiche zur unterentwickelten Osteuropa-Region, in der Monarchen „in ihrem dynastischen Interesse Staaten aus den Fetzen verschiedener Nationalitäten zusammenstellen“17. Da für Lenin die russische Monarchie der Hauptgegner war, fiel sein Urteil bezüglich Österreich-Ungarn etwas milder aus, was am Kern der Sache allerdings nichts änderte – die beiden Überreste von Absolutismus und Feudalismus mussten zerstört werden. Als eines der Werkzeuge dieser Zerstörung – und das wäre die zweite These – sollte das Selbstbestimmungsrecht der Nationen dienen. Das war vielleicht das Entscheidende für die Beurteilung des Zerfalls der Habsburgermonarchie im Werk Lenins und dementsprechend auch in der frühen sowjetischen Historiographie. Nicht nur deshalb, weil die Habsburgermonarchie für dieses revolutionäre Prinzip besonders anfällig war, sondern auch wegen der diesbezüglichen Diskussionen zwischen Lenin, den Austromarxisten und Rosa Luxemburg. Der Zerfall des Habsburgerstaates wurde nicht nur als ein Triumph des Selbstbestimmungsrechts der Nationen gedeutet, sondern auch als ein Sieg Lenins in diesem theoretischen Kampf. Lenins (und Josef V. Stalins) Ressentiment gegenüber den österreichischen Sozialdemokraten wirkte sich in mancher Hinsicht auch negativ auf das Gesamtbild Österreich-Ungarns – der Heimat des Austromarxismus – aus. Noch Jahrzehnte nach der Auflösung der Donaumonarchie fühlten sich sowjetische Historiker dazu berufen, auf dem nicht mehr existierenden Terrain gegen den nicht mehr anrückenden Feind theoretische Rückzugsgefechte zu führen. Der dritte Ansatz von Lenins Analyse der Habsburgermonarchie, der später von der sowjetischen Geschichtsschreibung aufgegriffen wurde, betraf die Rolle des Krieges als Katalysator der Auflösung von multinationalen Reichen. Schon 1913 schrieb Lenin an Maxim Gorkij, dass „ein Krieg zwischen Österreich und Russland eine sehr nützliche Sache für die Revolution [in ganz Osteuropa] sein würde“18. Wie auch Rosa Luxemburg war er 1916 der Meinung, dass die „Liquidierung Österreich-Ungarns (…) ein Erfordernis der geschichtlichen Entwicklung“ sei, betonte aber zugleich, dass die Erschöpfung der Großmächte im Kriege oder aber die siegreiche Revolution in Russland dazu entscheidend beitragen könnten19. Die letztere These über die entscheidende Rolle der russischen Revolution für die Geschicke Österreich-Ungarns wurde in der russischen Geschichtsschreibung auch breit rezipiert. Die anderen bolschewistischen Führer stimmten Lenin in seiner negativen Beurteilung der Habsburgermonarchie im Großen und Ganzen zu. So waren für Leo Trotzki Österreich und Russland nichts anderes als „Zwangsstaaten aus Nationalitäten und 17 В Л , Ко всем гражданам России! [Vladimir Lenin, An alle Bürger Russlands]; in: Собрание сочинений [Gesammelte Werke], 55 Bde. (Москва 1968) XXII 135–139, hier 136. 18 В Л , Ленин Горькому, Краков, январь 1913 [Vladimir Lenin, Lenin an Gorkij, Januar 1913]; in: Собрание сочинений [Gesammelte Werke] 55 Bde. (Москва 1970) XLVIII 152–155, hier

155.

19 В Л , О Брошюре Юниуса [Vladimir Lenin, Über die Junius-Broschüre]; in: Собрание сочинений [Gesammelte Werke] 55 Bde. (Москва 1973) XXX 1–16, hier 8.

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nationalen Bruchstücken“, in welchen die nationale Feindschaft den Klassenkampf des Proletariats und somit den historischen Fortschritt lähmte20. Stalin verband einen der Schwerpunkte seines berühmten Artikels „Marxismus und nationale Frage“ mit einer Kritik der Kulturautonomie Otto Bauers und Karl Renners21. Mit dem Namen eines anderen bolschewistischen Führers, Grigorij Sinovjev, wird der Anfang der sowjetischen Historiographie zur Geschichte des Habsburgerreiches im engsten Sinn des Wortes verbunden, da in seiner Studie aus dem Jahr 1918 Österreich als der eigentliche Gegenstand der Untersuchung fungierte22. Sinovjevs Buch wurde bereits 1916 geschrieben und war somit ein Teil der bolschewistischen Kriegspublizistik. Einen höheren wissenschaftlichen Anspruch findet man in einer Publikation von Fedor Kapeljuš, obwohl auch diese eher populär und publizistisch ausgerichtet war23. Dennoch führte größere historische Distanz den Verfasser zu Erklärungsversuchen, die auch in der späteren Geschichtsschreibung Anklang fanden. Kapeljuš nahm die auf Marx zurückführende Tradition der Darstellung Österreich-Ungarns als „Bollwerk“ gegen den Zarismus auf und verlängerte sie bis in den Ersten Weltkrieg – obwohl für Lenin der Zarismus im Zeitalter des Imperialismus „offenkundig und unbestreitbar aufhörte, die Hauptstütze der Reaktion zu sein“24 – : „In den Karpaten spielte die österreichische Armee zum letzten Mal ihre Rolle als Bollwerk gegen das zaristische Russland. Die Februar- und Oktoberrevolutionen beraubten Österreich-Ungarn selbst dieses historischen Sinnes seiner Existenz.“25 Die zweite raison d‘être für Österreich-Ungarn bestand nach Kapeljuš darin, dass es nicht nur ein „Werkzeug des deutschen Imperialismus“, sondern für dessen Völker, die selbst während des Weltkrieges keine Abspaltung von Österreich gewollt hätten, auch ein Schutzdach gegen den deutschen Imperialismus gewesen sei. Erst die russische Revolution habe die weitere Existenz der Doppelmonarchie nutzlos gemacht26. Diese These von der entscheidenden Rolle der russischen Oktoberrevolution wurde in der russischen Historiographie zu dem meist verbreiteten Erklärungsmuster für den Zerfall ÖsterreichUngarns. Das Echo der Polemik gegen die Austromarxisten war in den Studien der zwanziger und dreißiger Jahre besonders deutlich zu vernehmen. Den Hauptgedanken hatte bereits Sinovjev zum Ausdruck gebracht, indem er feststellte, dass die österreichische Sozialdemokratie ihre ganze politische Tätigkeit dem Interesse der Erhaltung der Habs-

20 Л Т , Нация и хозяйство [Lev Trockij, Nation und Wirtschaft]; in: Сочинения [Werke] 21 Bde. (Москва-Ленинград 1927) IX 209–216, hier 210. 21 И С , Марксизм и национальный вопрос [Josef Stalin, Marxismus und nationale Frage]; in: Сочинения [Gesammelte Werke] 18 Bde. (Москва 1946) II 290–367. 22 Г З , Австрия и мировая война [Grigorij Sinovjev, Österreich und der Weltkrieg] (Петроград 1918); Barbašina, Žirjakov, Studium 63. 23 Ф К , Австрия [Fedor Kapeljuš, Österreich] (Москва-Ленинград 1929). 24 В Л , Итоги дискуссии о самоопределении [Vladimir Lenin, Ergebnisse der Diskussion über das Selbstbestimmungsrecht]; in: Собрание сочинений [Gesammelte Werke] 55 Bde. (Москва 1973) XXX 17–58, hier 30, 39. 25 Kapeljuš, Österreich 16. 26 Ebd. 16, 34 f.

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burgermonarchie untergeordnet habe27. Für Kapeljuš waren die österreichischen Sozialdemokraten die „wertvollen Gehilfen der Regierung“, was sie mit dem schönen Wort von der nationalen Autonomie vergeblich zu verschleiern trachteten28. Insgesamt wurden die Austromarxisten als eine der Stützen der historisch überholten Habsburgermonarchie betrachtet; der Zusammenbruch derselben und das Versagen der österreichischen Sozialdemokratie gehörten somit zusammen. Wie bereits erwähnt, stand die Geschichte Österreichs als solche sehr selten im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Aber auch andere Zusammenhänge, in welchen der Untergang der Donaumonarchie untersucht werden konnte, wurden von der sowjetischen Historiographie oft ausgeklammert. Das trifft vor allem auf den Ersten Weltkrieg als den nächstliegenden und offenkundigsten Kontext dieses Ereignisses zu. Bis zuletzt war die sowjetische bzw. russische Historiographie durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass im Unterschied zu allen anderen kriegsführenden Ländern das große Thema des Weltkrieges kaum erforscht wurde. Zum einen erklärt sich dies aus der Tatsache, dass für die Zeitgenossen die Katastrophe des Ersten Weltkrieges von der noch größeren Katastrophe der Revolution und des Bürgerkrieges überschattet wurde, zum anderen aber auch aus der Geschichtspolitik der Bolschewiken, die den „imperialistischen Krieg“ als bloße Voraussetzung der Revolution bewusst bagatellisierten. Es gab jedoch Ausnahmen. Dazu zählt zum Beispiel Nikolaj Poletika. In seinem Buch über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erklärte er die Krisenerscheinungen innerhalb der „Fetzenmonarchie“ einerseits dadurch, dass das Deutsche Reich jeden Föderalisierungsversuch blockierte, andererseits durch die Machtrivalität auf dem Balkan und die subversive Tätigkeit Serbiens29. Interessant ist dabei, dass er in seinem im Frühling 1929 abgeschlossenen Werk nicht etwa Lenin oder Stalin, sondern durchgehend Trotzki zitierte, der zu diesem Zeitpunkt bereits verbannt worden war. In den nachfolgenden drei bis fünf Jahren wäre dies nicht mehr möglich gewesen. 3. Die „Pokrovskij-Schule“ Damit ist die zweite Periode in der Entwicklung der russischen Geschichtsschreibung angedeutet. Die Zeit der Koexistenz von „alter“ und bolschewistischer Geschichtsschreibung, die mit einer gewissen wissenschaftlichen Freiheit verbunden war, kam zu einem Ende. Zum Teil war das mit dem Sieg der „Pokrovskij-Schule“ verbunden, deren Namensgeber Mihail N. Pokrovskij als Begründer der sowjetischen Geschichtswissenschaft gilt30. Ein Jahrzehnt lang hatte er beinahe sämtliche adminis-

27 28

Sinowjew, Österreich 59. Kapeljuš, Österreich 26–28.

29 Н П , Сараевское убийство [Nikolaj Poletika, Der Mord von Sarajevo] (Ленинград [Leningrad] 1930) 58–63. 30 Siehe А Ч , „Профессор с пикой“, или три жизни историка М. Н. Покровского (Москва 1992) [Anatolij Černobajev, „Professor mit der Pike“, oder die drei Leben des Historikers M. N. Pokrovskij] (Москва 1992); А А , М. Н. Покровский: финал карьеры успех или

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trativen Führungsstellen in Wissenschaft und Bildung inne und wurde zu einer der Schlüsselfiguren in der so genannten „Kulturrevolution“ mit ihrer Ideologisierung und ihrem rücksichtslosen Kampf gegen Historiker und Historikerinnen der „alten Schule“. Die „Pokrovskij-Schule“ hinterließ keine nennenswerten Studien zum Zerfall des Habsburgerreiches. Ihre Bedeutung lag vielmehr darin, dass sich mit ihr die neue bolschewistische Historiographie endgültig durchgesetzt hatte. Und so begann die zweite Periode der sowjetischen Geschichtsschreibung, die von der Mitte der dreißiger Jahre bis in die fünfziger Jahre andauerte. Diese Periode war in erster Linie durch eine totale staatliche Kontrolle der Geschichtswissenschaft und durch den persönlichen Einfluss Stalins gekennzeichnet. Das entsprach dem breiteren politischen Kurswechsel. Die Hoffnungen auf die „Weltrevolution“ wurden endgültig zugunsten des „Aufbaus des Sozialismus in einem Land“ aufgegeben. Demzufolge musste das Hauptgewicht in der Geschichtsforschung bzw. im Geschichtsunterricht vom Internationalismus auf den Patriotismus verlagert werden. 1934 schrieb Stalin an das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei einen Brief betreffend den Artikel Friedrich Engels’ „Die Außenpolitik des russischen Zarismus“, in dem er persönlich neue ideologische Weichen stellte31. Stalin betonte, dass Engels die Aggressivität der russischen Außenpolitik stark übertrieben habe und wies darauf hin, dass die Außenpolitik der anderen Länder Europas nicht minder aggressiv gewesen sei. Die „Pokrovskij-Schule“ entwickelte jedoch eine äußerst kritische Auffassung hinsichtlich der Außenpolitik des Zarismus, wobei sie sich auf die russlandfeindlichen Äußerungen von Karl Marx und Engels stützte. So begann eine Kampagne gegen den damals schon verstorbenen Historiker und seine „antimarxistische Schule“32. Mehrere abgesetzte „alte Historiker“ wurden wieder eingestellt und mit ihnen auch einige Traditionen der vorrevolutionären Geschichtsschreibung rehabilitiert. All das betraf auch die Auffassungen hinsichtlich Österreich-Ungarns. Man warf nun Pokrovskij vor, dass er die antirussischen Äußerungen von Marx aus den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts unkritisch auf spätere Zeiten extrapoliert habe, als die Politik Österreich-Ungarns im Zeichen des „Dranges nach Osten“ immer aggressiveren Charakter annahm. Dagegen erhob Russland wegen seiner aufstrebenden Arbeiterklasse einen höheren Anspruch auf Progressivität33. So setzte allmählich eine Rückkehr zur Rechtfertigung der russischen Balkanpolitik ein, wenn auch im Gewande des so genannten Klassenansatzes. Ähnlich wie vor 1917 erschien die Habsburgermonarchie, die

поражение? [Andrej Artisov, M. N. Pokrovskij: Das Karrierefinale – Erfolg oder Niederlage?]; in: Вопросы истории [Fragen der Geschichte] 2 (1998) 77–96. 31 И С , О статье Энгельса «Внешняя политика русского царизма». Письмо членам Политбюро ЦК ВКП (б) 19 июля 1934 г. [Josef Stalin, Über Engels’ Artikel „Die auswärtige Politik des russischen Zarentums“; in: Сочинения [Werke] 14 (Москва 1997) 18–22. 32 П М. Н. П [Gegen die historische Konzeption von Pokrovskij] (Москва – Ленинград 1939). 33 А П , Внешняя политика самодержавия в XIX в. [Alexandr Popov, Die Außenpolitik der Autokratie im XIX. Jahrhundert]; in: Против антимарксистской концепции М. Н. Покровского. Сборник статей. [Gegen die antimarxistischen Konzeption von Pokrovskij. Artikelsammlung] 2 (Москва – Ленинград 1939/1940) 210–390, hier 286 f., 325.

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ihre eigenen Völker unterdrückte und letztendlich und gesetzmäßig deren Widerstand unterlag, als Gegner der „Befreiungsmission Russlands“ auf dem Balkan 34. Der Zweite Weltkrieg leistete dieser Wende einen mächtigen Vorschub, wobei von einer wirklichen wissenschaftlichen Forschung kaum gesprochen werden kann, da auch die historische Forschung in erster Linie darauf abzielte, die Gesellschaft gegen den Feind zu mobilisieren. Das traf auch auf die Beschäftigung mit dem Untergang der Habsburgermonarchie zu. So schrieb zum Beispiel das Mitglied der Akademie Nikolaj Deržavin in seinem Buch mit dem charakteristischen Titel „Der jahrhundertelange Kampf der Slawen gegen die deutschen Eroberer“, dass die Tschechen 1918 durch die Revolution das österreichisch-ungarische Joch abgeschüttelt hätten35. In den vierziger Jahren wurden auch Studien veröffentlicht, die speziell dem Zerfall der Habsburgermonarchie gewidmet waren. Evgenija Rubinštejn gehörte zu den ganz wenigen sowjetischen Historikern/Historikerinnen, die als Fachleute speziell für die Geschichte Österreich-Ungarns galten. 1940 erschien ihr Beitrag „Der Zerfall der Habsburgermonarchie 1918“, in welchem sie feststellte, dass der jahrhundertelang bestehende „Völkerkerker“ zu existieren aufhörte, weil er „durch die sich erhebenden Völker gestürzt und durch seine imperialistischen Gegner zerschlagen“ wurde36. Ganz besonderes Gewicht legte sie auf den Einfluss der russischen Revolution. Die Februarrevolution 1917, so die Autorin, habe die österreichische Regierung und Propaganda des Argumentes beraubt, dass der Krieg gegen den „barbarischen Zarismus“ geführt werde. Die Oktoberrevolution habe die Geschehnisse in der Donaumonarchie durch die bolschewistische „Deklaration der Rechte der Völker Russlands“, die auf dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen basierte, beeinflusst37. Das unter dem Titel „Nationale Gegensätze in Österreich-Ungarn und sein Zerfall“ im Jahr 1947 erschienene Buch von Ilja Trainin fasste die Auffassungen der späten Stalin-Ära betreffend die Habsburgermonarchie zusammen: Die „Fetzenmonarchie“ war demnach Produkt der Eroberungspolitik und Hort der Reaktion; trotz permanenter innerer Krisen hielt sie, dank des geschickten Lavierens der herrschenden Klassen zwischen den verschiedenen Nationalitäten, zunächst stand; dem Untergang bereits geweiht, zerfiel der Habsburgerstaat unter dem Einfluss des Ersten Weltkrieges und der russischen Revolution38. Diese habe nämlich die Angst der österreichischen 34 И Г , Австро-Венгрия (1867–1914) [Ilja Galkin, Österreich-Ungarn] (Москва 1940); И К , Австро-Венгрия и славянский мир в советской/российской историографической традиции (1917–2000 гг.) [Igor Krjučkov, Österreich-Ungarn und die slawische Welt in der sowjetischen/russischen historiographischen Tradition]; in: Харкiвський iсторiографiчний збiрник [Charkover historiographischer Sammelband] 8 (Харкiв 2006) 94–104, hier 94. 35 Н Д , Вековая борьба славян с немецкими захватчиками [Nikolaj Deržavin, Der jahrhundertelange Kampf der Slawen gegen die deutschen Eroberer] (Москва 1943) 5. 36 Е Р , Распад Габсбургской монархии в 1918 г. [Evgenija Rubinštejn, Der Zerfall der Habsburgermonarchie 1918]; in: Историк-марксист [Der Historiker-Marxist] 7 (1940) 14–34,

hier 34. 37

Rubinštejn, Zerfall 14, 21.

И Т , Национальные противоречия в Австро-Венгрии и ее распад [Ilja Trajnin, Nationale Gegensätze in Österreich-Ungarn und sein Zerfall] (Москва – Ленинград 1947) 5–17. 38

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Nationalitäten vor der noch schlimmeren Unterdrückung durch das Zarenreich beseitigt und somit die Habsburgermonarchie überflüssig gemacht. Trainin zollte auch der unumgänglichen Polemik gegen die Austromarxisten seinen Tribut, indem er behauptete, dass das Faktum des Zerfalls Österreich-Ungarns und des Entstehens des Vielvölkerstaates Sowjetunion den besten Beweis für die Überlegenheit der leninistisch-stalinistischen Nationalitätentheorie gegenüber den Konstruktionen der Austromarxisten liefere39. Sich auf Zitate von Stalin stützend, erklärte der Verfasser weiter, dass beim Aufbau der Sowjetunion die negativen Erfahrungen des Habsburgerstaates berücksichtigt worden seien40. Im gleichen Sinne betonte Anna Pankratova, Historikerin und Parteifunktionärin, dass die herrschenden Kreise Österreichs die nationalen Gegensätze schürten, um die eigene Macht zu sichern. Nachdem aber die nationalen Bourgeoisien der österreichischen Völker „reif“ geworden seien, hätten diese die „Fetzenmonarchie“ nicht mehr geduldet, während das an sich internationalistisch eingestellte Proletariat, durch die Politik der österreichischen Sozialdemokratie in „nationale Behausungen“ auseinanderdividiert worden sei, wie Stalin es formuliert hatte. Als Vielvölkerstaat sei die Sowjetunion anders aufgebaut und organisiert, es gebe hier keine Bourgeoisie und dementsprechend auch keine Gefahr einer Auflösung41. Eine weitere politische Entwicklung der vierziger Jahre war für die Erforschung der Geschichte Österreich-Ungarns von ganz besonderer Bedeutung, und zwar die Rehabilitierung der Slawenkunde (Slawjanowedenie) und damit einer weiteren Tradition der vorrevolutionären Geschichtsschreibung. Noch in den zwanziger und dreißiger Jahren wurde die Slawenkunde durch Pokrovskij verfolgt und sogar als faschistisch apostrophiert42. Während des Zweiten Weltkrieges begann man wieder Gemeinsamkeiten der slawischen Völker hervorzuheben, und Slawisten bekamen nunmehr staatliche Unterstützung. Getragen zunächst von der Solidarität im Kampf gegen den Hitlerismus, wurde diese Tendenz des Weiteren gestärkt durch das Entstehen der slawischen „Länder der Volksdemokratie“ nach dem Krieg. Die Slawenkunde erhielt dadurch eine politische Aktualität ersten Ranges, was sich akademisch in der Gründung des Instituts für Slawenkunde der sowjetischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 1946 niederschlug. Für die Erforschung der Geschichte Österreich-Ungarns und speziell dessen Untergang hatte dies ambivalente Folgen. Zum einen entstand dadurch ein institutioneller

39 40 41

Ebd. 22 f. Ebd. 19. А

П

, СССР – образец многонационального социалистического государства

[Anna Pankratova, UdSSR – das Musterbild eines Vielvölkerstaates]; in: Советское социалистическое государство. Сборник статей [Der sowjetisch sozialistische Staat. Aufsatzsammlung (Москва 1948) 98–132, hier 101–104. 42 М Д , Как Феникс из пепла… (отечественное славяноведение в период Второй мировой войны и первые послевоенные годы) [Marina Dostal, Wie ein Phönix aus der Asche… Vaterländische Slawenkunde während des Zweiten Weltkrieges und in den Jahren danach] (Москва 2009) 47; С Б , Трагическая страница из истории славянской филологии (30-е годы XX века) [Samuil Bernštejn, Die tragische Seite in der Geschichte der slawischen Philologie (30-er Jahre des XX. Jhdts.]; in: Советское славяноведение [Sowjetische Slawenkunde]1 (1989) 77–82, hier 78.

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Rahmen, innerhalb dessen sich die Österreich-Forschung in der Folgezeit konzentrierte. Zum anderen bekam diese Forschung eine sehr spezifische Ausrichtung. Einerseits hielt die bereits genannte Tendenz zur Rechtfertigung der russischen Politik an, wenn auch nicht ohne Widerstand. Der oben erwähnte Nikolaj Deržavin erachtete es zum Beispiel als unzulässig, die nationale Unterdrückung allein in der Politik der Habsburgermonarchie zu unterstreichen, nicht jedoch in der Russlands43. Das Wesentlichste war jedoch, dass eine derart institutionell fixierte „Slawisierung“ von Ost- und Mitteleuropa zur Fragmentierung der wissenschaftlichen Fragestellungen führte – zuungunsten der österreichisch-ungarischen Geschichte. Aus einer vor der Revolution bestehenden Tendenz wurden nunmehr Fächer und Institutionen. Man kann fast sagen, dass Österreich-Ungarn zum zweiten Mal zerfiel – diesmal jedoch nicht politisch, sondern historiographisch. Diese Entwicklung wurde durch einen neuen Faktor noch verstärkt, nämlich die Beeinflussung der sowjetischen Geschichtsschreibung durch die historiographischen Schulen der sozialistischen „Bruderländer“. Man lehrte sie Marxismus-Leninismus und lernte gleichzeitig von ihnen ihre spezifischen nationalen Standpunkte und antiösterreichischen Stereotype44. Für sie war der Zerfall Österreich-Ungarns gleichsam die Geburtsstunde des Nationalstaates, von dem ihrer Ansicht nach die Geschichte des jeweiligen Volkes ihren Ausgang nahm. Diesen Gedankengang machte sich die sowjetische Geschichtsschreibung teilweise zu Eigen. 4. Von Chruščëv zur Perestroika Mit dem „Tauwetter“ unter Nikita S. Chruščëv begann Mitte der fünfziger Jahre die dritte Periode der sowjetischen Erforschung der Geschichte Österreich-Ungarns, die bis zum Zerfall der UdSSR andauerte. Der ideologische Druck ließ vorübergehend nach und erstarkte dann im Zeichen des Kalten Krieges wieder, erreichte jedoch nicht mehr das Ausmaß der Stalin-Zeit. Auch in diesem Zeitraum stand die Geschichte Österreich-Ungarns eher am Rande des Interesses der sowjetischen Historiker/Historikerinnen. Sie wurde weniger als solche untersucht, sondern vielmehr in drei anderen Zusammenhängen: hinsichtlich nationaler Bewegungen, Revolutionen und internationaler Beziehungen. Bei der Erforschung der nationalen Bewegungen standen die Slawen der Donaumonarchie und insbesondere die deutsch-slawischen Gegensätze im Fokus. Dabei stellte man die Habsburgermonarchie als einen rein „deutschen Staat“ dar und ließ jeglichen positiven Aspekt der Wechselbeziehungen der Slawen mit dem Reich außer

43 44

Dostal, Phönix 178.

Т И , Конец среднеевропейской империи. Размышления относительно места и роли империи Габсбургов в истории [Tofik Islamov, Das Ende des mitteleuropäischen Reiches. Gedanken über den Platz und die Rolle des Habsburgerreiches in der Geschichte]; in: Т И , А М (ред.), Австро-Венгрия: опыт многонационального государства [Ders., Aleksej Miller (Red.), Österreich-Ungarn: Die Erfahrung eines multinationalen Staates] (Москва 1995) 25–47,

hier 31.

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Acht45. Aus der Perspektive der Befreiungsbewegungen der südslawischen Völker betrachtete beispielsweise Jurij Pisarev, einer der führenden Fachleute auf diesem Gebiet, die Problematik des Habsburgerreiches: „Die multinationale Habsburgermonarchie, entstanden als Resultat von Eroberungskriegen (…) betrieb eine Politik der nationalen Unterdrückung und wurde zu Recht ein ‚Völkerkerker‘ genannt“46. Der Gang der Geschichte selbst hätte die Aufgabe der Liquidierung dieses Staates gestellt, zumal der Imperialismus die Entwicklung des Kapitalismus und dadurch verstärkt den Kampf gegen die nationale Unterdrückung beschleunigt habe47. Die deutsch-slawischen Beziehungen wurden aus dem Blickwinkel des „Pangermanismus“ und des „Dranges nach Osten“ untersucht. Eine zusätzliche Anregung dafür gaben Untersuchungen westlicher Historiker/Historikerinnen, unter anderem jene von Hugo Hantsch. Man wehrte sich gegen die „Idealisierung des österreichischen Völkerkerkers“ und die Versuche, die Habsburgermonarchie als gelungenes Integrationsmodell darzustellen48. Pangermanische Strömungen in Österreich dienten als beste Widerlegung solcher Ansichten und als Beweis der tiefen nationalen und sozialen Krise, die letztendlich zum Zerfall der Monarchie geführt habe. Dabei blieb für die Beurteilung des Zerfalls Österreich-Ungarns die Perspektive der Bildung der späteren „Volksrepubliken“ dominierend: „Die Zerstörung dieser mittelalterlichen Bastion war eine wichtige Etappe auf dem Weg zu ihrer sozialistischen Gegenwart.“49 Die These vom entscheidenden Einfluss der Oktoberrevolution auf den Zusammenbruch Österreich-Ungarns wurde mittlerweile zur klassischen in der sowjetischen Geschichtsschreibung. Das Entstehen der sozialistischen Länder in Zentraleuropa und auf dem Balkan verlieh ihr eine zusätzliche Aktualität. Man vertrat die Ansicht, dass erst die Oktoberrevolution von 1917 die langfristigen Voraussetzungen für deren sozialistische Gegenwart geschaffen habe. Die international angespannte Lage führte auch dazu, dass man die Stellungnahme der Bolschewiken und ihr Eintreten für das Prinzip

45 Т И , Изучение новой истории стран Средней Европы в Институте славяноведения и балканистики РАН [Tofik Islamov, Das Studium der neuzeitlichen Geschichte Mitteleuropas am Institut für Slawistik und Balkanistik]; in: Новая и новейшая история [Neue und Neueste Geschichte] 5

(1996) 19–39, hier 23 f.

46 Ю П , Освободительное движение югославянских народов Австро-Венгрии 190 – 1914 [Yurij Pisarev, Die Befreiungsbewegung der südslawischen Völker Österreich-Ungarns 1905–1914] (Москва 1962) 9. 47

Ebd. 3, 9.

В Т , Некоторые проблемы истории Австро-Венгрии [Vladimir Turok, Einige Probleme der Geschichte Österreich-Ungarns]; in: Советское славяноведение [Sowjetische Slawenkunde] 4 (1965) 17–27. 49 Н Р , Австрийский пангерманизм и славянские народы Австрии [Nadežda Ratner, Der österreichische Pangermanismus und die slawischen Völker Österreichs]; in: Советское славяноведение [Sowjetische Slawenkunde] 4 (1965) 40–49, hier 49; Dies., Возникновение пангерманизма в Австрии [Die Entstehung des Pangermanismus]; in: А -В [Österreich-Ungarn und die slawisch–deutschen Beziehungen] (Москва 1965) 88– 144. 48

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des Selbstbestimmungsrechtes gegenüber den Versuchen der USA, Österreich-Ungarn doch noch zu erhalten, stärker herausstrich50. Die Problematik der Habsburgermonarchie wurde von den sowjetischen Historikern/Historikerinnen auch in Verbindung mit der Geschichte der internationalen Beziehungen behandelt. So konnte man lesen, dass sich die „habsburgische Fetzenmonarchie schon durch ihre bloße Existenz den nationalen Bestrebungen der Balkanvölker widersetzte“ und imperialistische Ziele verfolgte, die nicht zuletzt am Widerstand Russland gescheitert seien51. Man konstatierte einen engen Zusammenhang zwischen den nationalen Problemen der Donaumonarchie und dem Beginn des Ersten Weltkrieges – vom inneren Zerfall bedroht, habe Österreich-Ungarn den Krieg entfesselt, um seine Existenz zumindest zu verlängern52. Wie bereits erwähnt waren Spezialstudien zur Geschichte der Habsburgermonarchie eher eine Ausnahme. So ließ Rubinštejn ihrem Artikel über den Zerfall der Habsburgermonarchie 1963 das Buch „Der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie“ folgen. Darin beschrieb sie den Zerfall des Habsburgerreiches als eine Folge der bürgerlich-demokratischen Revolution und ließ sich auch auf die Polemik gegen die „Rehabilitierungsversuche“ der „reaktionären Monarchie“ seitens westlicher Historiker/ Historikerinnen ein. Rubinštejn betonte den Einfluss der Oktoberrevolution auf die Bildung der neuen mitteleuropäischen Staaten, während deren Unterstützung durch die Entente und die USA nur eine notgedrungene gewesen sei53. Den institutionellen Rahmen für die Erforschung der Geschichte Österreich-Ungarns bildete nach wie vor das Institut für Slawistik, welches 1968 den Zusatz „und 50 А М , Октябрьская революция и зарубежные славянские народы [Aleksandr Manusevič, Die Oktoberrevolution und die ausländischen slawischen Völker]; in: Советское славяноведение [Sowjetische Slawenkunde] 5 (1967) 5–11; Ю П , Борьба монархии Габсбургов против революционной пропаганды в армии и югославянских землях в 1914–1918 гг. [Yurij Pisarev, Der Kampf der Habsburgermonarchie gegen die revolutionäre Propaganda in der Armee und in den südslawischen Ländern 1914–1918]; in: М Ц В [Internationale Beziehungen in Zentral- und Osteuropa und ihre Е Historiographie] (Москва 1966) 75–90; В В (ред.), «Дранг нах Остен» и народы Центральной, Восточной и Юго-Восточной Европы 1871–1918 [Vladimir Volkov (Red.), „Der Drang nach Osten“ und die Völker Ost-und Südosteuropas 1871–1918] (Москва 1977) 206–281; П Г (ред.), Исторический опыт трех российских революций [Pavel Golub (Red.), Die historische Erfahrung dreier russischer Revolutionen] (Москва 1986) 3, 385 f. 51 П Ж , Дипломатия Германии и Австро-Венгрии и первая Балканская война 1912– 1913 гг. [Pavel Žogov, Die Diplomatie Deutschlands und Österreich-Ungarns und der erste Balkankrieg 1912–1913] (Москва 1969) 69; В Г , Общие тенденции балканской политики великих держав в конце XIX – начале XX века [Vladimir Glebov, Allgemeine Tendenzen der Balkanpolitik der Großmächte Ende des XIX. / Anfang des XX. Jhdts.]; in: Советское славяноведение [Sowjetische Slawen-

kunde] 4 (1973) 12–26, hier 12 f.

52 М А ,П К , Первая мировая империалистическая война 1914–1918 гг. [Michail Ajrapetjan, Pavel Kabanov, Der erste imperialistische Krieg 1914–1918] (Москва 1964) 8; И Р (Ред.) История первой мировой войны 1914–1918. [Ivan Rostunov (Red.), Die Geschichte des Ersten Weltkrieges 1914–1918] (Москва 1975) 1, 77. 53 Е Р , Крушение Австро-Венгерской монархии [Evgenija Rubinštejn, Der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie] (Москва 1963) 386–391.

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Balkanistik“ bekam, was auch der Erweiterung der Themenfelder auf Ungarn und Rumänien entsprach. Das Forschungsgebiet des Instituts erstreckte sich nunmehr praktisch auf das gesamte Territorium der ehemaligen Donaumonarchie mit der formellen Ausnahme der Republik Österreich, die als „kapitalistischer Staat“ in diesem Bunde von „Volksrepubliken“ keinen Platz hatte54. Doch ganz ignorieren konnte man die historischen Gegebenheiten nicht, und es gab immer wieder Versuche, die Problematik der Gesamtmonarchie auf die Tagesordnung zu setzen. In diesem Zusammenhang war die Tätigkeit einiger weniger Historiker und Historikerinnen von besonderer Bedeutung, die diese Fachrichtung praktisch persönlich verkörperten und für Traditionen dieser Art standen, wie es etwa auf Vladimir Turok zutrifft. In seinem Hauptwerk „Grundrisse der Geschichte Österreichs“ charakterisierte Turok die Voraussetzungen des Untergangs der Habsburgermonarchie ganz im Sinne der damaligen Historiographie: „Der österreichische multinationale Staat war ein Völkerkerker. Er hinderte die Bildung von Nationalstaaten in Südosteuropa und bremste eine rasche Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse“55. Daraus resultierte eine permanente innere Krise, die sich unter Einwirkung des Krieges und der russischen Revolution vertieft und schließlich zum Zusammenbruch geführt habe. Es ist wichtig, die politischen Umstände und sonstigen Lebensverhältnisse nicht außer Acht zu lassen, unter welchen sowjetische Historiker/Historikerinnen wirkten, und Turoks Buch liefert ein anschauliches Beispiel dafür. Als das Buch 1952 abgeschlossen war, drohte dem Verfasser die Entlassung. Damals lief eine antisemitische „Kampagne gegen den Kosmopolitismus“. Eigentlich war Turok kein Jude, doch sein Name klang für seine Vorgesetzten nicht russisch genug. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, in seinen Schriften Lenin zu wenig zitiert zu haben. Das Buch wurde veröffentlicht und Turok behielt seine Stelle nur dank Stalins Tod (März 1953)56. In den fünfziger und sechziger Jahren wurde Turok zum „Führer der Austro-Hungaristik in der Sowjetunion“ und modifizierte auch seinen Standpunkt in Bezug auf den Zerfall der Habsburgermonarchie. Auf einer internationalen Konferenz in Budapest 1965 sorgte er praktisch für eine Sensation, indem er die Unvermeidbarkeit der Auflösung der Monarchie und somit indirekt auch die These vom entscheidenden Einfluss der Oktoberrevolution darauf in Zweifel zog57. Hingegen vertrat er in seinen Artikeln aus dieser Zeit völlig traditionelle Ansichten58. Als Zwischenbilanz lässt sich Folgendes feststellen: Indem sich die sowjetischen Historiker und Historikerinnen auf die nationalen Bewegungen in Österreich-Ungarn konzentrierten, verloren sie oft die Problematik des Gesamtstaates aus den Augen. Sie behandelten den Zerfall der Habsburgermonarchie als eine gesetzmäßige Notwendig-

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Islamov, Studium 19–39.

В Т , Очерки истории Австрии 1918–1929 [Vladimir Turok, Grundrisse der Geschichte Österreichs 1918–1929] (Москва 1955) 11. 56 Antonova, W. M. Turok 98 f. 57 Т И , „В.М. доктор Турок“ [Tofik Islamov, „V. M. Doktor Turok“]; in: Славяноведение [Slawenkunde] 1 (1995) 89–91; Krjutschkow, Österreich-Ungarn 95. 58 Turok, Probleme 17–27. 55

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keit, ohne jede Beachtung der positiven Erfahrungen der Monarchie als eines multinationalen Staates59. Gerade das änderte sich in der nächsten Periode der russischen Geschichtsschreibung ab den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts. 5. Von der Perestroika zur Gegenwart Zwei politische Vorgänge dieser Zeit waren für die Erforschung der Geschichte der Habsburgermonarchie von entscheidender Bedeutung – die Perestroika und der Zerfall der Sowjetunion sowie die politischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa. Die Perestroika initiierte einen allgemeinen Prozess der kritischen Überprüfung früherer historischer und politischer Ansichten, im konkreten Fall auch in Bezug auf Österreich-Ungarn. Bereits 1989 formulierte man programmatisch als Agenda einer Konferenz, „die Einseitigkeit früherer Vorstellungen von den nationalen Prozessen in der Donaumonarchie“ zu beseitigen60. Andererseits aktualisierten die Ereignisse in Mitteleuropa und auf dem Balkan die historische Erfahrung Österreich-Ungarns in einem noch nie da gewesenen Maße. Schon im Vorfeld des internationalen Historikerstreits auf den Welthistorikerkongressen 1960 und 1965 haben sich die Historiker der sozialistischen Bruderländer mit der nationalen Frage in Mittel- und Osteuropa befasst. Damals beteiligten sich russische Historiker nur am Rande, Turok und Vinogradov steuerten Diskussionsbeiträge bei61. Erst 1993 fand in Moskau eine Konferenz unter dem Titel „Österreich-Ungarn: Die Erfahrung eines Vielvölkerstaates“62 statt. Man betrachtete also die Donaumonarchie explizit als etwas Ganzes und fragte nach dem Positiven – nämlich nach der Erfahrung aus deren Geschichte. Dies änderte natürlich auch die Fragestellungen in Bezug auf den Untergang der Habsburgermonarchie. Sobald man sie nicht mehr als einen historisch verurteilten Anachronismus betrachtete, entstanden auch Fragen nach Alternativen in ihrer Entwicklung und nach dem Verhältnis der endogenen und exogenen Faktoren, die zu ihrem Zerfall führten. So schrieb Sergej Romanenko bereits 1991: „Gerade der Erste Weltkrieg und seine Folgen waren es, die (…) zum Zerfall des Staates führten. Man 59

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П

, История Австрии. Пути государственного и национального развития

[Moisej Poltavskij, Geschichte Österreichs. Wege der staatlichen und nationalen Entwicklung] (Москва 1992) 2, 293–325. 60 Т И (ред.), Нации и национальный вопрос в странах Центральной и Юго-Восточной Европы во второй половине XIХ – начале ХХ вв. [Tofik Islamov (Red.), Nationen und nationale

Frage in den Ländern Mittel- und Südosteuropas in der zweiten Hälfte des XIX. – Anfang des XX. Jhdts.] (Москва 1991) 6. 61 Zu den zahlreichen Konferenzen der Historiker der sozialistischen Bruderländer von 1955 (Prag) bis 1966 vgl. Péter Hanák, Zoltán Szász (Hgg.), Die nationale Frage in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1900–1918 (Budapest 1966); vgl. ebd. 307–310 und 339 f. die Diskussionsbeiträge von V. M. Turok und K. B. Vinogradov. 62 Vgl. dazu: Т И ,А М (ред.), Австро-Венгрия: опыт многонационального государства [Tofik Islamov, Alexej Miller (Red.)], Österreich-Ungarn: Die Erfahrung eines multinationalen Staates (Москва 1995).

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kann mit Sicherheit in den 1900–1910er Jahren das Vorhandensein von mehreren Varianten der Entwicklung dieses Vielvölkerstaates konstatieren“63. Die Neubewertung, von welcher hier die Rede ist, war in erster Linie auf Tofik Islamov zurückzuführen, der sich sein ganzes Leben lang darum bemühte, die Geschichte Österreich-Ungarns in Russland heimisch zu machen. Organisatorisch war er die treibende Kraft praktisch aller Konferenzen der neunziger Jahre, auf welchen diese Neubewertung in Vielem stattfand. Er versuchte die Erforschung der österreichischen Geschichte zum ersten Mal auch institutionell zu verankern und begründete am Institut für Slawenkunde ein Zentrum der österreichischen Geschichte. Leider existierte es nicht lange. Im Unterschied zu seinen Vorgängern, die als Österreich-Historiker meistens Einzelerscheinungen blieben, hinterließ Islamov viele Schüler, zu denen auch der Autor gehört64. Islamov idealisierte die Donaumonarchie keineswegs. Ihm ging es vielmehr darum, ihr „vereinfachtes Schwarz-Weiß-Bild durch ein mehrfarbiges und multidimensionales zu ersetzen“65. In vielen seiner Abhandlungen bestand er darauf, dass die nationalen Bewegungen in der Habsburgermonarchie und ihr Verhältnis zueinander und zum Reich stark vereinfacht und überinterpretiert würden66. Die heutige Auffassung vom Zerfall Österreich-Ungarns unterscheidet sich von früheren gerade in der Weise, wie Islamov sie propagierte – sie ist nicht mehr schwarzweiß, sondern polychrom. Einige Historiker/Historikerinnen vertreten die Meinung, dass der Zusammenbruch durch den Ersten Weltkrieg nur beschleunigt wurde, während seine wirklichen Ursachen im konservativen politischen System und im Dualismus zu suchen seien67. Andere bestehen nach wie vor auf der wichtigen Rolle der russischen Revolutionen68. Arutjun Ayrapetov betont sogar, dass erst der Weltkrieg die Chance 63 С Р , Югославянский вопрос во взглядах социал-демократов АвстроВенгрии [Sergej Romanenko, Die Südslawische Frage nach den Ansichten der Sozialdemokraten Österreich-Ungarns]; in: Islamov (Red.), Nationen und nationale Frage 279–292, hier 288 f.; С Р , Австро-Венгрия или Югославия? [Sergej Romanenko, Österreich-Ungarn oder Jugosla, М (ред.) [Islamov, Miller (Red.)], Австро-Венгрия [Österreich-Ungarn] wien?]; in: И

89–105, hier 102.

64 А С , Тофик Муслимович Исламов (1927–2004) [Aleksandr Stykalin, Tofik Muslimovič Islamov (1927–2004)]; in: Новая и новейшая история [Neue und neueste Geschichte] 5 (2009) 219–233. 65 Т И , Предисловие [Tofik Islamov, Vorwort]; in: О Х ( . .) Австро-Венгрия: интеграционые процессы и нац специфика [Olga Chavanova (Red.), ÖsterreichUngarn: Integrationsprozesse und nationale Spezifika] (Москва 1997) 4. 66

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И

, С

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, Средняя Европа в Новое время (X III в. – 1918)

[Tofik Islamov, Swetlana Falkovič, Mitteleuropa in der Neuzeit]; in: Институт славяноведения и балканистики. 0 лет. [50 Jahre Institut für Slawenkunde und Balkanistik] (Москва 1996) 80–94; vgl auch Islamov, Ende des mitteleuropäischen Reiches. 67 А С , Центральная Европа как регион. Проблемы изучения [Aleksandr С (ред.) ЦентральStykalin, Mitteleuropa als Region. Forschungsprobleme]; in: А ная Европа в новое и новейшее время (сборник к 70-летию Т.М.Исламова) [Aleksandr Stykalin (Red.), Zentraleuropa in neuerer und neuester Zeit (Sammelband zum 70. Geburtstag von T. M. Islamov)] (Москва 1998) 6–19, hier 12.

68 С Ф , О некоторых особенностях формирования национальных государств в Центральной Европе [Swetlana Falkovič, Zu einigen Besonderheiten der Formierung von National-

staaten in Mitteleuropa]; in: Stykalin, Zentraleuropa 113–123, hier 123.

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einer Reformierung der Monarchie durchkreuzt habe69. Alexandr Vatlin konstatiert eine tiefe innere Krise der „Fetzenmonarchie“, aus der man einen Ausweg über die Außenpolitik suchte. Viel positiver bewertet er die Ideen der Austroslawisten wie auch den Trialismus-Gedanken Franz Ferdinands, der eine kleine Chance für eine Erneuerung der Monarchie geboten hätte70. Als Hauptursache des Untergangs des Habsburgerreiches nennt Jaroslav Šimov den Widerspruch zwischen der veralteten staatlichen Form eines Imperiums und dem postimperialen Inhalt. Es wäre notwendig gewesen, den Staat auf föderalistischer oder konföderalistischer Grundlage umzubauen; dies habe man jedoch, nicht zuletzt aufgrund des Konservativismus der Dynastie, unterlassen. Es lasse sich aber niemals mit letzter Bestimmtheit feststellen, ob der Untergang unvermeidlich gewesen sei oder nicht. Šimov unterstrich auch die negative Rolle Ungarns, das bis zum Ende der Monarchie jeden Versuch ihrer Umgestaltung – das „Völkermanifest“ vom 16. Oktober 1918 eingeschlossen – blockiert habe71. Alexej Miller schlägt eine neue Fragestellung vor: Zunächst müsse festgestellt werden, was mehr zum Zusammenbruch der multinationalen Reiche beigetragen habe: die nationalen Bewegungen als solche oder deren Instrumentalisierung für den Krieg durch dieselben Reiche. Daraus ließe sich die Lebenskraft der Donaumonarchie wie auch des Zarenreiches neu bewerten und erst dann könne entschieden werden, „ob der Weltkrieg den letzten Nagel in den Sarg dieser Reiche geschlagen hat oder ob er eine gigantische Erschütterung war, die sie zerstört hätte, unabhängig davon, ob sie damals unheilbar krank waren oder nicht“72. Auch die Folgen des Zerfalls des Habsburgerreiches für Ost- und Mitteleuropa werden nun differenzierter beurteilt, indem darauf hingewiesen wird, dass dieser nur die Struktur der nationalen Konflikte verändert, diese jedoch nicht beseitigt habe. Die nationalen Gegensätze seien vielmehr zu zwischenstaatlichen geworden73. Andererseits hielten auch ältere Traditionen an. Nach wie vor bleibt Österreich oft nicht im Fokus, wenn von Mitteleuropa gesprochen wird74. Man kann auch konstatieren, dass jene Historiker und Historikerinnen, die die Geschichte Österreich-Ungarns

69 А А , Историческая судьба Австро-Венгрии [Arutjun Ajrapetov, Das historische Schicksal Österreich-Ungarns]; in: Вопросы истории [Fragen der Geschichte] 1 (1999) 137– 144, hier 142. 70 А В , Австрия в XX веке [Aleksandr Vatlin, Österreich im XX. Jahrhundert] (Москва 2006) 29–33. 71 Я Ш , Австро-Венгерская империя [Jaroslav Šimov, Das österreichisch-ungarische Kaiserreich] (Москва 2003) 1, 555 f. 72 А М , На границах Европы: ансамбль континентальных империй [Alexei MilС (отв. ред.) ler, An Europas Grenzen: ein Ensemble von Kontinentalreichen]; in: А Средняя Европа. Проблемы международных и межнациональных отношений XII–XX вв. [Aleksandr Stykalin (Red.), Mitteleuropa. Probleme der internationalen und transnationalen Beziehungen vom XII. bis zum XX. Jahrhundert] (Санкт-Петербург 2009) 27–35, hier 35. 73 Ebd. 14. 74 So zum Beispiel in А Ш (отв. ред.), До и после Версаля. Политические лидеры и идея национального государства в Центральной и Юго-Восточной Европе [Andrej Šemjakin (Red.), Vor und nach Versailles. Politische Führer und die Nationalstaatsidee in Mittel-und Südosteuropa] (Москва 2009).

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nicht speziell, sondern in irgendeinem allgemeineren Zusammenhang untersuchen, eher ältere Sichtweisen vertreten. So kann man nach wie vor lesen, dass die Habsburgermonarchie nur solange existierte, solange sie ihre Völker gegeneinander ausspielen konnte75, oder die Völker des Habsburgerreiches werden als „Krebse im Korb [beschrieben], die einander etwas geheimnisvoll zuflüsterten und herauskrochen (…). Die ‚Fetzendecke‘ konnte jeden Augenblick aus den Nähten platzen“76. Für manche Autoren bleibt Österreich-Ungarn „der reaktionärste Staat Europas“, der im Inneren die slawischen Völker mit Härte unterdrückte, nach außen praktisch mit allen Nachbarländern im Konflikt stand und diesem Zweifrontenkampf schließlich unterlag77. Doch angesichts der historischen Erfahrung des 20. Jahrhunderts mit seinen Gegenpolen von Konflikten und Integration sieht man jetzt die Habsburgermonarchie in Russland vorwiegend, wenn schon nicht als ein Modell, so doch als einen Versuch der übernationalen Integration und des Zusammenlebens verschiedener Völker. Als erster hat diese Perspektive der eingangs erwähnte Sergej Kotljarevskij erkannt. 1922, gerade erst aus bolschewistischer Haft befreit, schrieb er über die „Balkanisierung Europas“ als Folge des Zerfalls des Habsburgerstaates, gleichzeitig gab er aber der Hoffnung Ausdruck, dass nicht die Balkanisierung, sondern „das Streben nach einer allgemeinen, zufällige historische Grenzen übergreifenden Organisation der Völker“ zukunftsträchtig sein werde und dass „die Bruchstücke des alten Österreich-Ungarn (…) die Basis für ein neues politisches Gebilde von unvergleichbar breiterem wirtschaftlichen und kulturellen Ausmaße darstellen“ würden78.

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, Пороховой погреб Европы [Aleksandr Zadochin,

Andrej Nisovskij, Pulverfass Europa] (Москва 2000) 22.

76 Е С , Народы Австро-Венгрии в Первой мировой войне глазами русского противника [Elena Senjavskaja, Die Völker Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg aus der Sicht ihres russischen Gegners]; in: Вестник РУДН. Серия «История» [Der Bote RUDN (= Russische Universität der

Völkerfreundschaft) Serie Geschichte] 4 (2009) 111–127, hier 111. 77 И Ч , Гибель империи [Ivan Černikov, Der Untergang des Kaiserreiches] (Москва 2002) 544–556. 78 Kotljarevkij, Österreich-Ungarn 109 f.

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E. Der Nahe Osten als Krisenerbe des Osmanischen Reiches von Raoul Motika Die Bürgerkriege in Syrien und im Irak mit ihren grenzübergreifenden Implikationen und dem Gründungsversuch eines radikalislamischen Staates, der nicht enden wollende Konflikt um Palästina/Israel, der Libanon am Rande einer Katastrophe, die bis auf den heutigen Tag ungelöste Armenier- und Kurdenfrage sowie die umstrittenen Grenzen im Kaukasus werfen nur einige Schlaglichter auf den derzeit äußerst instabilen Vorderen Orient. All diese Konflikte könnte man als Nachwehen des Ersten Weltkrieges und als Auflösungserscheinungen der in seinem Gefolge entstandenen Nachkriegsordnung interpretieren. Selbstverständlich sind ihre Ursachen und ihr Verlauf nicht allein auf den Ersten Weltkrieg zurückzuführen, allerdings wären sie ohne ihn nicht in ihrer derzeitigen Form denkbar. Letztlich ist der aktuelle Zerfall des nahöstlichen Staatengefüges jedoch auch eine – teilweise verzögert eingetretene – Folge des Endes der bipolaren Weltordnung, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Die Lagerbildung des Kalten Krieges hatte dafür gesorgt, dass die potentiell sehr instabilen Verhältnisse größtenteils eingefroren blieben, sich ihre Virulenz nach dem Zerfall der Lager aber rasch zeigte. Der Konnex zum Ersten Weltkrieg soll im Folgenden anhand von drei Themenbereichen herausgearbeitet werden: 1. der unterschiedlichen Chronologie des Krieges in Westeuropa und im Vorderen Orient, 2. der von den Siegermächten geplanten und durchgesetzten Nachkriegsordnung und deren Folgen sowie 3. anhand der strukturellen Veränderungen, die durch den Krieg ausgelöst wurden und die damit verbundene Frage nach Brüchen und Kontinuitäten. 1. Die Vorgeschichte des Großen Krieges und seine Chronologie Ein Großteil der aktuellen Konflikte im Vorderen Orient wie auch auf dem Balkan wurzelt letztlich im Zerfallsprozess des Osmanischen Reiches und in den mit seinem Zusammenbruch verbundenen Konflikten. Deutlich wird dies, wenn man sich die letzten Jahrzehnte des Reiches und das Ringen der Staatsführung um eine stabile Neuordnung samt der Politik der damaligen imperialistischen Staaten Europas und des Russischen Reiches vor Augen führt. Dazu einige skizzenhafte Ausführungen: Die Osmanen

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herrschten, formalrechtlich gesehen, selbst 1907 noch über ein Territorium, das sich im Süden und Westen vom Jemen über weite Teile der Arabischen Halbinsel, Großsyrien und Ägypten sowie den östlichen Mittelmeerraum und Libyen und im Norden mit seinen balkanischen Besitzungen bis in die Herzegowina erstreckte. Die ethno-religiöse Vielfalt, die sich stark voneinander unterscheidenden Lebens- und Wirtschaftsformen und die wirtschaftlichen und kulturellen Disparitäten konnten angesichts eines massiven Mangels an finanziellen Ressourcen, eines trotz aller Zentralisierungs- und Reformbemühungen immer noch ineffektiven Staatsapparats und einer zurückgebliebenen Wirtschaft von der Staatsführung mit den tradierten und auch den neu angeeigneten Formen der Herrschaftssicherung nicht mehr überbrückt werden. Eine gesamtstaatliche Handlungsfähigkeit gegenüber der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Dominanz der industrialisierten europäischen Mächte und der russischen Bedrohung existierte nicht mehr, das Reich war nur noch ein Schatten seiner einstigen Macht und Größe. Versuche der Neuordnung waren aus einer Vielzahl von Gründen weitgehend gescheitert, die Nationalismen befeuerten sich gegenseitig und die Zentrifugalkräfte wuchsen rasch, was häufig mit regionalen Konflikten einherging. Wenn auch die meisten europäischen Mächte das Osmanische Reich erhalten wollten, nicht zuletzt um ein weiteres Vordringen Russlands einzudämmen, so wollten zumindest die Großmächte Deutschland, Österreich-Ungarn, Frankreich und Großbritannien auch ihren wirtschaftlichen Anteil am osmanischen Kuchen oder – wie Italien – territorial auf Kosten des Osmanischen Reiches expandieren. Daher fällt es aus osmanischer Sicht schwer, Anfang und Ende des Großen Krieges chronologisch klar einzugrenzen. Aber zweifellos ist die Feststellung zutreffend, dass sich die Chronologie des Krieges für das Osmanische Reich deutlich von jener für Westeuropa unterscheidet1. Beginnend mit den Balkankriegen 1912/1913 bzw. bereits 1911 mit dem Konflikt um Tripolitanien und in Bezug auf Anatolien erst mit der erfolgreichen Gründung der Türkischen Republik 1922/1923 endend, befand sich das Land für mindestens zehn Jahre kontinuierlich im Krieg. Und selbst nach 1922 schwelten mit den Territorialstreitigkeiten um das Gebiet Hatay im Südosten der Türkei und um die Region Mosul im heutigen Irak noch potentielle Konfliktherde; diese konnten erst im Laufe der dreißiger Jahre weitgehend beigelegt werden, wobei insbesondere der Konfliktfall Mosul neuerlich ins Blickfeld geriet, der auf türkischer Seite bis heute regelmäßig Anlass für irredentistische Rhetorik bietet. Selbst wenn man die begrenzten, aber dennoch blutigen Konflikte und Gebietsverluste des Osmanischen Reiches im Jemen (1891–1911), in Albanien (1912), Kreta (1898 bzw. 1913), Bosnien-Herzegowina (1878 bzw. 1908) und Bulgarien (1908) noch nicht zum Großen Krieg zählen will, so waren der verlorene Tripolitanien-Krieg gegen Italien 1911 und der folgende Verlust „Libyens“ und des Dodekanes sicherlich Vorboten der folgenden Katastrophe. Als weit folgenreicher für die Kerngebiete des Reiches sollten sich aber die Balkankriege erweisen, die mit der weitgehenden Zurückdrängung der 1 Vgl. dazu Erik Jan Zürcher, What was Different About the Ottoman War?; in: Pera-Blätter 27 (2014) 1–20, hier 3–6.

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Osmanen aus ihren balkanischen Kernlanden endeten. Zeitweise war selbst die frühere Reichshauptstadt Edirne/Adrianopel verloren gegangen. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass der Verlust Rumeliens – also der osmanische Balkan – das gemeinsam mit Anatolien aus Sicht der Osmanen ein Kernland des Reiches bildete, als Menetekel für ein mögliches Ende des Reiches perzipiert wurde. Auch trug der extrem gewalttätige und verlustreiche Verlauf der beiden Balkankriege wie schon jener des Jemenkrieges sicherlich zur späteren Brutalisierung der Kriegsführung und des gewaltsamen Umgangs der jungtürkischen Staatsführung und seines Heeres mit Zivilisten und Teilen der eigenen Bevölkerung bei. Ein Großteil der späteren jungtürkischen Elite hatte auf dem Balkan wie auch schon zuvor im Jemen und in Tripolitanien Dienst geleistet, sie hatte den Verlust Salonikis, ihres jahrelangen Dienst- und Wohnortes, nie verwunden. Mehr als zwei Drittel des europäischen Territoriums und ein knappes Drittel des gesamten Reichsgebietes gingen in wenigen Jahren verloren. Ethnisch-religiöse Pluralität wurde nun nicht nur als einer der Kriegsgründe, sondern auch als Ursache für einen möglichen Untergang des Reiches angesehen. Dieser Perspektivenwechsel und die knapp 400.000 brutal aus ihrer Heimat vertriebenen Balkanmuslime sollten mit den bereits zuvor unter den Jungtürken breit diskutierten sozialdarwinistischen Vorstellungen einem exklusiven türkischen Ethno-Nationalismus zur Dominanz verhelfen2, der im Verlauf des Ersten Weltkrieges selbst die muslimischen Araber dem Reich entfremden sollte. Insbesondere schaffte er aber die massenpsychologischen und ideologischen Grundlagen für die ethno-religiöse Neuordnung Anatoliens durch das regierende „Komitee für Einheit und Fortschritt“ und die spätere republikanische Elite3. Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren bis zu 700.000 Menschen, zumeist sunnitische Muslime, aus den russisch besetzten Gebieten Kaukasiens in das Osmanische Reich geflohen oder waren vertrieben worden. Wenn sie vor ihrer Flucht noch keine Muslime waren, so hatten sie spätestens bei ihrer Ankunft auf osmanischem Territorium eine islamisch-sunnitische Identität anzunehmen. Diese zahlenmäßig große kaukasisch-muslimische Diaspora sollte, über ganz Anatolien und Großsyrien verteilt, die regionale Bevölkerungszusammensetzung zuungunsten der christlichen Bevölkerungsgruppen ändern und gemäß dem Prinzip des „Teile und Herrsche“ die sultanische Herrschaft sichern helfen. Aber selbst diese ursprüngliche Absicht konnte 2 Zum militärischen Verlauf der Balkankriege siehe Edward J. Erickson, Defeat in Detail. The Ottoman Army in the Balkans 1912–1913 (Westport, CT 2003); zum Einfluss der Niederlage auf die Stimmung, insbesondere unter den muslimischen und türkischen Bevölkerungsteilen im Kontext des osmanischen Eintritts in den Ersten Weltkrieg vgl. Mehmet Beşikçi, The Ottoman Mobilization of Manpower in the First World War. Between Voluntarism and Resistance (= The Ottoman Empire and its Heritage 52, Leiden – Boston 2012) 56–63. Zu den Vertreibungen der Balkanmuslime siehe das in Teilen auch kritisch rezipierte Werk von Justin McCarthy, Death and Exile. The Ethnic Cleansing of Ottoman Muslims 1821–1922 (Princeton – New Jersey 21996). 3 Zur Geschichte der Jungtürken und deren Ideologie siehe Erik Jan Zürcher, The Unionist Factor. The Role of the Committee of Union and Progress in the Turkish National Movement, 1905–1926 (Leiden 1984) und insbesondere M. Şükrü Hanioğlu, The Young Turks in Opposition (= Studies in Middle Eastern history, New York – Oxford 1995); ders. Preparation for a Revolution: The Young Turks, 1902–1908 (= Studies in Middle Eastern history, Oxford – New York 2001).

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die meist als „Tscherkessen“ bezeichneten Flüchtlinge nicht davor bewahren, in der Türkischen Republik selbst zu Opfern von Zwangsassimilation zu werden4. Ignoriert werden darf dabei auch nicht die Islamisierungspolitik von Sultan Abdülhamid II. (1876–1909), die nicht nur Christen gegenüber, sondern beispielsweise auch gegen die Aleviten verfolgt wurde5. Letztlich sollten diese Homogenisierungsbestrebungen die Modernisierungspolitik des Sultan-Kalifen absichern helfen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges war aus osmanischer Sicht also der zumindest dritte Krieg in unmittelbarer Folge und er beendete – anders als in Westeuropa – auch keine lange Phase des Friedens und des steigendem Wohlstandes aufgrund einer ständig wachsenden, modernen Wirtschaft. Die im Westen vorherrschende Dichotomie von Frieden und Krieg existierte hier nicht und nur wenige begrüßten den Krieg enthusiastisch als Chance für die Rückgewinnung verloren gegangener Territorien. Auch wenn auf den Kriegsverlauf selbst hier nicht weiter eingegangen werden soll, so müssen doch drei wichtige Schlachten genannt werden, von denen zwei bis heute die türkische Wahrnehmung des Krieges prägen6: erstens, die schreckliche Niederlage in Ostanatolien, in Sarıkamış, gegen die russische Armee, bei der von 90.000 Soldaten nur 12.000 überlebten, wobei die meisten aufgrund schlechter Ausrüstung und Organisation an Hunger und Kälte starben. Die Verantwortung dafür trug der Kriegsminister Enver Pascha, was im Nachhinein betrachtet, der jungen Republik zupass kam, da man so dem während der Kriegsjahre despotisch herrschenden „Komitee für Einheit und Fortschritt“ die Verantwortung für die Katastrophe zuweisen konnte. Die zweite und zumindest bis heute die offizielle und offiziöse türkische Historiographie dominierende Schlacht ist natürlich die siegreiche Schlacht an den Dardanellen, in der Mustafa Kemal Pascha eine entscheidende Rolle spielte. Dieser Sieg, an dem weitere osmanische Offiziere und auch die Deutschen mit Liman von Sanders als Oberbefehlshaber der gesamten Front einen heute weitgehend ignorierten Anteil hatten, schuf den Mythos, der den späteren Aufstieg Mustafa Kemals zum Führer der Aufständischen in Anatolien und schließlich zum Präsidenten der neu gegründeten Republik ermöglichen sollte7. Neben dem siegreichen Unabhängigkeitskrieg bildet dieser Sieg den zentralen Grün-

4 Zur muslimischen (Zwangs-)Migration ins Osmanische Reich vgl. McCarthy, Death and Exile; zum Schicksal der muslimischen Kaukasier Arsen Avagyan, Osmanlı İmparatorluğu ve Kemalist Türkiye’nin devlet-iktidar sisteminde Çerkesler [Die Tscherkessen im Staats- und Herrschaftssystem des Osmanischen Reiches und der kemalistischen Türkei] (Istanbul 2004). 5 Zu den Aleviten und ihrer Geschichte siehe Markus Dressler, Alevis; in: Kate Fleet, Gudrun Krämer, Everett Rowson, Denis Matringe, John Nawas (Hgg.), Encyclopaedia of Islam, Three [2016/2] (Leiden – Boston 32016). 6 Dazu u. a. Edward J. Erickson, Ordered to Die. A History of the Ottoman Army in the First World War (= Contributions in Military Studies 201, Westport, CT 2001); zu Sarıkamış ebd. 52–65 und 59 f.; zu Gallipoli ebd. 76–95; zur zweiten Schlacht von Qut al-Amâra ebd. 164 ff. 7 Siehe dazu M. Şükrü Hanioğlu, Atatürk. Visionär einer modernen Türkei (überarbeitete deutsche Übersetzung, Darmstadt 2015; engl. Ausgabe unter dem Titel: Atatürk: An Intellectual Biography, Princeton 2011); Klaus Kreiser, Atatürk. Eine Biographie (München 2008); George G. Gawrych, The Young Atatürk. From Ottoman Soldier to Statesman of Turkey (London – New York 2013).

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dungsmythos der Republik, mit dessen Hilfe 2015 auch das zeitgleiche Gedenken an den armenischen Genozid neutralisiert werden sollte8. Bei der dritten Schlacht handelt es sich um die Schlacht von Qut al-Amâra südlich von Bagdad im Juli 1916, die erst in den letzten Jahren aufgrund der gewachsenen Beziehungen mit der arabischen Welt wieder der Vergessenheit entrissen wurde. Zuvor hatte sie in der türkischen Historiographie und der öffentlichen Erinnerung keine Rolle gespielt, was ein weiterer deutlicher Hinweis auf den nationalistischen Charakter der türkischen Erinnerungspolitik und Kriegshistoriographie ist, in der Regionen jenseits der heutigen Landesgrenzen bis vor wenigen Jahren kaum eine Rolle spielten. Aber darin unterscheidet sich die Türkei ja kaum von den meisten anderen kriegführenden Staaten. Diese Schlacht stellt aber neben der Schlacht an den Dardanellen den größten Erfolg der osmanischen Truppen während des Ersten Weltkrieges dar und war bemerkenswerterweise auch eine Verteidigungsschlacht. Offensivschlachten hingegen gingen zumeist verloren. Immerhin konnten diese Abwehrschlachten im Irak und Großsyrien entscheidende Kräfte der Entente, insbesondere der Briten und Franzosen, binden, die ihnen auf den westlichen Kriegsschauplätzen fehlen sollten. Damit realisierte sich aber zumindest eine der Erwartungen, derentwegen das Deutsche Reich einen osmanischen Kriegseintritt unterstützt hatte. Neben dem unmittelbaren Kriegsverlauf und seinen Folgen sollte aber das jungtürkische Projekt der Schaffung eines türkisch-muslimischen, anstelle eines multiethnischen und multireligiösen, Anatoliens von zentraler Bedeutung für die zukünftige Gestalt des Landes sein. Die ursprünglich ethnisch und religiös heterogene Zusammensetzung des „Komitees für Einheit und Fortschritt“ hatte sich bereits lange vor dem Krieg zugunsten einer in erster Linie türkisch-muslimischen verändert. Die wenigen verbliebenen arabischen Mitglieder zogen sich dann während des Krieges zurück. Aus Europa hatten die Jungtürken sozialdarwinistische Vorstellungen übernommen, die sie mit den Erfahrungen der Aufstände und Staatsgründungen von nicht-muslimischen und nicht-türkischen Volksgruppen wie den Griechen, Bulgaren und schließlich selbst den mehrheitlich muslimischen Albanern korrelierten. Das Heil sahen sie in einem türkisch beherrschten Osmanischen Reich, dessen Zentrum ein türkisches Anatolien sein sollte. In der selbst unter Kriegsbedingungen forciert betriebenen Politik eines Ethnic Engineering, die später von der Elite der Türkischen Republik fortgesetzt werden sollte, kam es zur Auslöschung des anatolischen Armeniertums, aber auch zur zwangsweisen

8 Vgl. dazu Alexandre Toumarkine, La Turquie d’aujourd’hui et la Grande Guerre; in: Matériaux pour l’histoire de notre temps 113/114 (2014) 32–41; Thomas Seibert, Vor dem 100. Jahrestag der Massaker. Die neue Armenien-Strategie der Türkei; in: Der Tagesspiegel,14. Februar 2015; vgl. http://www.tagesspiegel.de/politik/vor-dem–100-jahrestag-der-massaker-die-neue-armenien-strategie-der-tuerkei/11359666. html (20. 2. 2015). Einen hervorragenden Überblick über die türkische Historiographie zum Ersten Weltkrieg gibt Alexandre Toumarkine, Historiographie turque de la Première Guerre mondiale sur les fronts ottomans: problèmes, enjeux et tendances; in: Histoire@Politique. Politique, culture, société 22 (janvier– avril 2014) 194–214.

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Umsiedlung von zehntausenden von Kurden und anderen Muslimen, um deren Assimilation in das neue „Türkentum“ voranzutreiben9. Die Grausamkeit der Balkankriege und die mit ihnen verbundenen ethnisch-religiös begründeten Vertreibungen der muslimischen Bevölkerung förderten diese Vorstellungen massiv. Nach dem gewonnenen Unabhängigkeitskrieg, dessen siegreicher Verlauf einer Allianz von Türken, eines Teils der Kurden und von „Tscherkessen“, von „Muhacir“ (muslimische Einwanderer vom Balkan) sowie von säkularen Städtern, Militärs und Verwaltungsbeamten mit religiösen Netzwerken, insbesondere der islamischen Orden in Ostanatolien, zu verdanken war, wurde diese Politik als quasi innere Kolonisierung Anatoliens betrieben. Ein deutliches Beispiel dafür ist die Eroberung der unter osmanischer Herrschaft semi-autonomen ostanatolischen Provinz Dersim (heute Tunceli) mit ihrer mehrheitlich alevitischen Zazabevölkerung bzw. alevitischen Kurden. Die Griechen, die, unterstützt von den Entente-Mächten, in Westanatolien einmarschiert waren, verloren ihren Eroberungskrieg und vereinbarten schließlich den sogenannten „Bevölkerungsaustausch“, der 1,2 Millionen Griechisch-Orthodoxe aus der Türkei und 400.000 Muslime aus Griechenland zwangsweise ihrer Heimat berauben sollte. Begonnen hatte die Vertreibung der Griechen aber bereits im Mai 1914, also noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als über 160.000 Griechisch-Orthodoxe aus Thrakien und den Ägäis-Gebieten ausgewiesen worden bzw. vor organisierter Gewalt geflohen waren10. Die Opferzahlen des Genozids an den Armeniern sind zwar umstritten, bei vorsichtiger Interpretation der unterschiedlichen Quellen dürften aber mindestens 800.000 armenische Zivilisten ihr Leben verloren haben. Nicht zu vergessen sind auch die Massaker und Vertreibungen der christlichen Aramäer in der Südosttürkei, die von diesen ebenfalls als Genozid angesehen werden. Zum sogenannten Bevölkerungsaustausch entstanden bisher nur wenige türkische Arbeiten, die aufgrund des bilateral vereinbarten rechtlichen Rahmens auch erst in den letzten Jahren allmählich einen kritischeren Charakter annehmen und das Leiden der Opfer einbeziehen11. Grundsätzlich fehlt hier trotz der griechischen Aggression ein revanchistischer Unterton weitgehend, und es wurde auf eine Privatinitiative hin inzwischen sogar ein Museum gegründet,

9 Fuat Dündar, Modern Türkiye´nin Etnik Şifresi: İttihat ve Terakki´nin Etnisite Mühendisliği 1913–1918 [Die ethnische Verschlüsselung der modernen Türkei: Das Ethno-Engineering von İttihat ve Terakki 1913–1918] (Istanbul 32008). 10 Emre Erol, „Macedonian Question“ in Western Anatolia: The Ousting of the Ottoman Greeks Before World War I; in: Hans-Lukas Kieser, Kerem Öktem, Maurus Reinkowski (Hgg.), World War I and the End of the Ottomans. From the Balkan Wars to the Armenian Genocide (London – New York 2015) 103–127. Zu den Zahlen vgl. ebd. 122, Anmerkungen 2 und 3. Hintergrund der Vertreibungen waren nicht unbegründete Befürchtungen vor irredentistischen Strömungen unter der lokalen griechischen Bevölkerung und die Balkankriege. Muslimische Flüchtlinge vom Balkan wurden häufig in den Häusern der Vertriebenen angesiedelt. 11 Vgl. z. B. die Arbeiten von Kemal Arı, Büyük Mübadele: Türkiye’ye Zorunlu Göç, 1923–1925 [Der große Bevölkerungsaustausch: Zwangsmigration in die Türkei 1923–1925] (Istanbul 1995); Onur Yıldırım, Diplomacy and Displacement: Reconsidering the Turco-Greek Exchange of Population, 1922– 1934 (New York – London 2006); Ellinor Morack, The Dowry of the State? The Politics of Abandoned Property and the Population Exchange in Turkey, 1921–1945 (Bamberg 2017).

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das beide Seiten zu Wort kommen lässt12. Ganz anders liegt dies im Fall des armenischen Genozids, wo sich die offizielle und mehrheitlich nationalistische türkische Historiographie im scharfen Gegensatz zur großen Mehrheit der internationalen Wissenschaft und natürlich zu den armenischen Wissenschaftlern positioniert. Etwas pointiert könnte man die „offizielle“ türkische Position wie folgt zusammenfassen: 100.000 bis 200.000 Armenier kamen aufgrund der allgemein schlechten Bedingungen und der Überfälle von Kurden bei ihrer kriegsnotwendigen Umsiedlung nach Syrien ums Leben. Einen Genozid gab es nicht, und wenn es ihn denn gegeben hätte, dann hätten die Armenier ihn aufgrund des Verrats an ihrem eigenen Staat, dem osmanischen, verdient. Den eigentlichen Genozid hätten zu jener Zeit Türken und Muslime erlitten, da sie zu Hunderttausenden von armenischen Banden hingemetzelt oder Opfer des von den Armeniern unterstützten russischen Vormarsches geworden wären. Da in diesem Beitrag nicht der Platz für eine inhaltliche Diskussion dieser Frage ist, möge diese Kurzdarstellung genügen. Eine einfache Recherche reicht aus, um zahlreiche, mehr oder weniger wissenschaftliche Publikationen zu dieser Frage zu finden13. Allerdings, und das ist das eigentlich Interessante im Rahmen der Diskussion um den Ersten Weltkrieg, brechen die klaren Fronten inzwischen doch allmählich auf! Hatte die erste „Armenier-Konferenz“, veranstaltet von Historikern und Historikerinnen dreier führender Istanbuler Universitäten, 2005 noch für massiven Aufruhr gesorgt, so konnten im April 2014 vor Hunderten von Teilnehmern während einer internationalen Konferenz zum Ersten Weltkrieg schon Einzelfragen wie Deutschlands Rolle beim armenischen Genozid in einem eigenen Panel problemlos diskutiert werden. Sicherlich hatte die Beileidsbekundung an die Nachfahren der umgekommenen Armenier, wenn auch ohne Angabe der Ursachen, durch den damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan im selben Monat vielfältige Gründe, sie stellt aber doch einen gewissen Bruch mit der bisherigen Position des türkischen Staates dar. Nach dem Sieg über die Griechen und dem Abzug der Alliierten im Herbst 1922 fand der lange Krieg endlich seinen Abschluss. Anatolien war weitgehend zerstört und die Wirtschaft vernichtet, auch weil die bisher wirtschaftlich in vielen Regionen und Sektoren dominierenden Nichtmuslime getötet und vertrieben worden waren oder sich auf der Flucht befanden. Außerdem hatten Seuchen wie die Spanische Grippe14 und 12 Zu einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich mit der Geschichte des Bevölkerungsaustausches beschäftigt und in der auch Nachfahren von Zwangsumgesiedelten aktiv sind, siehe die Webseite: http://www.lozanmubadilleri.org.tr/ (10. 2. 2015). 13 Für eine kritische Sammelrezension zahlreicher neuerer Werke zum Genozid und auch der türkischen Position siehe Hans-Lukas Kieser, Der Völkermord an den Armeniern, 1915–16: neueste Publikationen; in: Sehepunkte. Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften (7. März 2007); im Internet abrufbar unter http://sehepunkte.de/2007/03/10400.html. Einen guten Überblick geordnet nach Provinzen gibt Raymond H. Kevorkian, La génocide des Arméniens (Paris 2006). Das circa tausendseitige Werk ist 2010 ins Englische und 2015 ins Türkische übersetzt worden. 14 Berna Arda, Ahmet Acıduman, Last Tango of the „Sick Man of Europe“ with the Spanish Lady (…); in: Ankara Üniversitesi Tıp Fakültesi Mecmuası / Journal of Ankara University Faculty of Medicine 65/1 (2012) 1–9. Murat Yolun, Metin Kopar, The Impact of the Spanish Influenza on the Ottoman Empire; in: Belleten LXXIX/286 (2015) 1099–1120.

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der Hunger noch Hunderttausende von Opfern gefordert, so dass die Bevölkerungszahl Anatoliens insgesamt um ca. 20 % zurückgegangen war. Dies war ein wesentlich höherer Prozentsatz als in allen europäischen Staaten. Deutlich wird dies auch schon dadurch, dass die prozentualen Opferzahlen der osmanischen Armee nach den serbischen die zweithöchsten während des Krieges waren, wobei der Großteil an Hunger und Krankheiten und nicht etwa durch Kriegshandlungen verstarb. In dieser extremen Form traf dies zwar nicht für alle ehemaligen Reichsgebiete zu, aber auch die Opferzahlen in Syrien durch die osmanische Politik, eine enorme Heuschreckenplage und die britisch-französische Blockade 1916 waren dramatisch. So starben 300.000 bis 500.000 Menschen an Hunger und seinen Folgen, ganze Landstriche waren entvölkert15. Daher ist auch hier der Krieg in dramatischer Erinnerung geblieben. 2. Die Nachkriegsordnung und ihre Folgen Die Auswirkungen der damaligen Friedensverträge, selbst der nie in Kraft getretene Vertrag von Sèvres, aber besonders der ihn ersetzende Vertrag von Lausanne bestimmen bis auf den heutigen Tag das geopolitische Bild des Nahen Ostens. Beispielsweise gehören sowohl die „Armenierfrage“, wie auch der Kurdenkonflikt und das Verhältnis zwischen der Türkei und der arabischen Welt zu jenen Konstanten der türkischen Innen- und Außenpolitik, die auf dem Verlauf und den Ergebnissen des Ersten Weltkrieges und auch auf den Friedensverträgen basieren. Aber auch strukturelle Unterschiede einiger nahöstlicher Staaten gegenüber westeuropäischen Ordnungsvorstellungen, wie etwa auf religiösen Gruppenzugehörigkeiten begründete politische Systeme (beispielsweise im Libanon), sind ohne das osmanische Erbe nicht denkbar16. Allerdings kommen hier die Nachkriegspläne der Kolonial- und Großmächte als weiterer, entscheidender Faktor ins Spiel. Allein die drei konkurrierenden Pläne der Briten für die Levante und Palästina, namentlich das Sykes-Picot-Abkommen (1916), die Balfour Deklaration (1917) und das Versprechen eines großarabischen Nationalstaates durch die Briten17 sollten sich in der Folge als Ursache für bis heute andauernde Konflikte herausstellen, insbesondere für den Israel-Palästina-Konflikt. Aber auch die Gründung von Staaten wie Syrien, Jordanien und Irak waren eine Folge der Friedensverträge – Staaten, die in dieser Form zuvor nie existiert hatten und in der Gegenwart anscheinend wieder zur Disposition stehen. Teilweise beruhen sie aber auf der Kombination osmanischer 15 Eugene Rogan, The Fall of the Ottomans: The Great War in the Middle East, 1914–1920 (London 2015) 289 ff. 16 Grundlage des libanesischen, konfessionell basierten politischen Systems ist, zumindest in seinen Grundgedanken, das osmanische „Millet-System“, das die Untertanen, basierend auf islamischen Rechtsvorstellungen, nach religiöser Gruppenzugehörigkeit einteilte und so politische Herrschaft organisierte. Auch in der osmanischen Verfassung von 1876/1877 spielten, trotz des deklarierten Gleichheitsgrundsatzes, religiös-islamische Prinzipien noch eine zentrale Rolle, was wiederum große Auswirkungen auf das Wahlsystem für das Parlament haben und die religiösen Gruppengegensätze verstärken sollte. 17 Zu den Plänen und der Politik Großbritanniens in der Region siehe die detaillierte Darstellung von David Fromkin, A Peace to End All Peace. The Fall of the Ottoman Empire and the Creation of the Modern Middle East (London 2000), insbesondere 173–199 und zur Balfour Deklaration 270–301.

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Provinzen (vilâyet), im Fall des Irak etwa der Vilâyets von Bagdad, Basra und Mosul. Aber auch der ägyptische Nationalstaat in seiner zentralistischen Form, basierend auf einem bis heute wirkmächtigen Nationalismus, ist ein direkter Ausfluss britischer Kolonialpolitik und der aus den Kriegsnotwendigkeiten erwachsenden Herrschaftspraxis. Als Folge des Krieges kam es durch die Mobilisierung der ökonomischen Ressourcen zu einem neuen Kolonialisierungsschub in Ägypten wie auch in Algerien. Bereits am 18. Dezember 1914 war Ägypten zu einem britischen Protektorat erklärt worden und somit – nach der bereits 1882 erfolgten Besetzung des Landes – auch de jure vom Osmanischen Reich getrennt geworden. Von zentraler Bedeutung für die weitere Geschichte Ägyptens ist auch, dass die Briten mit ihrer neu aufgebauten Parallelverwaltung erstmals in der ägyptischen Geschichte eine weitgehende Zentralisierung des Landes erreicht hatten. Damit wurde Ägypten auch aus der Sicht der einheimischen Eliten zu einem geschlossenen Ganzen. Ein Wirtschaftsraum wurde geschaffen, dessen Strukturen allerdings fast ausschließlich auf die militärische Versorgung der Kolonialherren ausgerichtet waren. Die Erfahrung eines starken und handlungsfähigen Staates in einem klar umrissenen ägyptischen Territorium wurde nun aber zum Bezugsrahmen des ägyptischen Nationalismus mit seinem Etatismusdenken18, das in der Folge noch verstärkt durch staatssozialistische Diskurse bis heute eine zentrale Rolle in der ägyptischen Innen– und Wirtschaftspolitik spielen sollte. Diese Erfahrungen können auch auf die späteren Staatsgründungen Syrien und Irak übertragen werden. So hat sich der Kolonialismus nicht nur selbst seinen Gegner, den jeweiligen Nationalismus, geschaffen, sondern durch seine Vorbildfunktion zugleich auch dessen Ordnungsvorstellungen mit Zentralstaatsorientierung und Etatismus in Wirtschaft und gesellschaftlicher Organisation. Aber nun kurz zurück zu den Friedensverträgen von Sèvres und Lausanne, die gemeinsam mit einigen weiteren Vertragswerken das politische Schicksal des Osmanischen Reiches und seiner Nachfolgestaaten bestimmen sollten19. Offenkundig stand der Vertrag von Sèvres in einer Linie mit dem Versailler Vertrag: er sollte das Osmanische Reich nicht nur als Staat auslöschen, sondern auch die „Türken“ bestrafen. Durch die Ausweitung der Territorien, die von den Siegermächten kontrolliert wurden, sollten – wie im Falle der Versailler Verträge mit Deutschland – ihre Kriegskosten teilweise kompensiert und auch ihre Macht- und Kolonialansprüche bedient werden. Demzufolge gingen alle Reichsgebiete jenseits von Anatolien unter direkte oder indirekte britische und französische Herrschaft, aber auch ein beträchtlicher Teil Anatoliens sollte unter den Siegermächten Großbritannien, Frankreich, Italien und Griechenland aufgeteilt werden, wobei der Rechtsstatus der verschiedenen Gebiete zwischen den Extremen

18 Reinhard Schulze, Geschichte der islamischen Welt im 20. Jahrhundert (aktualisierte und erw. Fassung, München 22002) 60–65, 75 f. 19 Details zum Verlauf der Friedensverhandlungen und den Friedensverträgen sind ausführlich nachzulesen in der Arbeit von Roland Banken, Die Verträge von Sèvres 1920 und Lausanne 1923. Eine völkerrechtliche Untersuchung zur Beendigung des Ersten Weltkrieges und zur Auflösung der sogenannten „Orientalischen Frage“ durch die Friedensverträge zwischen den alliierten Mächten und der Türkei (= Geschichte der internationalen Beziehungen im 20. Jahrhundert 5, Berlin 2014).

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„Einflusszone“ und Annexion variieren sollte. Ferner beabsichtigte man in Ostanatolien einen armenischen Staat zuzulassen, anfangs eventuell als Völkerbundmandat; außerdem war man zu Beginn der Verhandlungen auch geneigt, den Kurden noch ein Autonomiegebiet mit der Möglichkeit einer späteren Unabhängigkeit einzuräumen20. Den „Türken“ sollte nur ein Rumpfgebiet in Zentralanatolien verbleiben, über das sich die EntenteMächte letztlich aber auch gewisse Kontrollrechte vorbehalten wollten. Die Grundlage für die den Armeniern und Griechen zugeschlagenen Territorien bildete die 14-Punkte Erklärung des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, wobei die genannten beiden Volksgruppen in den betreffenden Gebieten auch vor dem Krieg nur in einzelnen Subregionen eine absolute Mehrheit gebildet hatten. Die Wünsche anderer Gruppen wie der Aramäer und arabischer Delegationen, letztlich aber auch der Kurden, wurden völlig ignoriert. Das Ziel, eine stabile Nachkriegsordnung zu schaffen, wurde auf diese Weise, wie auch in Mitteleuropa, ad absurdum geführt! Allerdings konnte das Vertragswerk nicht umgesetzt werden, da sich in kürzester Zeit in Anatolien eine Widerstandsbewegung entwickelte, die nach blutigen Kämpfen mit der Rückeroberung Izmirs am 9. September 1922 schließlich ihren erfolgreichen Abschluss fand21. Auf die Folgen für die ethno-religiöse Landkarte Anatoliens wurde bereits hingewiesen. Mit dem Friedensvertrag von Lausanne am 24. Juli 1923 trugen die Entente-Mächte den neuen Realitäten Rechnung, revidierten die Bestimmungen des Vertrages von Sèvres und sprachen der neu gegründeten Republik Türkei ein Gebiet zu, das weitgehend den heutigen Grenzen des Landes entsprach. Konfliktpotential bargen aber noch die Gebiete Hatay im Südosten, in der Grenzregion zwischen der Türkei und Syrien gelegen, sowie im Osten das ehemalige Vilâyet Mosul. Das Gebiet Hatay hatte erst zum französischen Mandatsgebiet gehört und wurde nach einem kurzen Intermezzo als unabhängiger „türkischer“ Staat Hatay unter dem Widerspruch der syrischen Nationalisten 1939 in die Türkei integriert. Mosul hingegen wollten die Briten ihrem Mandatsgebiet Irak zuschlagen, in erster Linie wegen der dortigen Ölvorkommen. Alle Seiten argumentierten mit dem auf Wilson zurückgehenden Prinzip des antizipierten „Willens“ der jeweiligen Bevölkerungsmehrheit, wobei die Zahl der Türken bzw. Turkmenen in der Provinz Mosul stark übertrieben wurde. Die Türkei argumentierte aber auch legalistisch, da die Osmanen Mosul nicht im Krieg verloren, sondern dieses erst nach dem Waffenstillstand kampflos an die Briten übergeben hatten. 1926 fiel das Gebiet schließlich per Beschluss des Völkerbundrates dem neuen irakischen Staat zu, der, wenngleich noch als Mandatsgebiet, auch Vertragspartner im türkisch-irakisch-britischen Vertrag vom 5. Juni 1926 war. Durch ihn hatte auch die Türkei die bis heute gültige Grenzziehung zum Irak anerkannt22. Syrien sollte noch bis zum 17. April 1946, also erst nach dem Libanon, der 1943 seine Loslösung von Frankreich erklärt hatte, als Mandatsgebiet des Völkerbundes

Vgl. die detaillierte Darstellung ebd. 217–227. Erik Jan Zürcher, Turkey. A Modern History (London – New York 32004) 165. 22 Siehe die detaillierte Darstellung Banken, Die Verträge von Sèvres 433 f. (zu Hatay), 435–444 (zur Mosul- und Kurdenfrage), 440 (zu den differierenden Zahlenangaben). 20 21

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unter französischer Herrschaft bleiben. 1920 löste Großbritannien die Vilâyets Bagdad, Mosul und Basra aus dem früheren osmanischen Territorium heraus und verschmolz sie zum heutigen Irak. Der Völkerbund übertrug Großbritannien das Mandat über das neue Land. Obgleich am 23. August 1921 Faisal I., der Sohn des Scherifen Hussein von Mekka, zum König proklamiert und das Königreich am 3. Oktober 1932 in den Völkerbund aufgenommen wurde, dominierte Großbritannien den Irak noch bis zum Sturz der Monarchie 195823. Ursprünglich hatten die Franzosen für die Zeit nach dem Ablauf ihrer Mandatsherrschaft über Syrien dort keinen Nationalstaat geplant, sondern vier anhand konfessionellethnischer Grenzen geschaffene Kleinstaaten. Ob nach dem gegenwärtigen Bürgerkrieg in Syrien noch ein Staat dieses Namens existieren wird, scheint derzeit äußerst zweifelhaft. Nach einer noch nicht absehbaren Beruhigung der bewaffneten Konflikte könnte ein zumindest vorläufiger Kompromiss zwischen den Kriegsparteien eine Neuordnung des Landes auf kantonaler Basis sein. Dabei könnte sich ein kurdisches Gebilde im Norden neben einem von Damaskus bis an die Küstenregionen reichenden alawitischen24 Kanton sowie sunnitisch beherrschten Kantonen im Rest des Landes herausbilden. Letztlich wurde das britische Versprechen an die Araber, ihnen als Gegenleistung für die Unterstützung gegen die Osmanen einen großen arabischen Nationalstaat zu gewähren, schmählich gebrochen. Die Balfour Deklaration hingegen wurde zwar nicht unmittelbar nach dem Krieg, sondern letztlich unter vielen Opfern mit der Staatsgründung Israels erst nach dem Zweiten Weltkrieg doch noch realisiert. Das Sykes-Picot-Abkommen hingegen wurde in modifizierter Form weitgehend umgesetzt und sollte dann die politische Landkarte des Vorderen Orients für Jahrzehnte prägen. Zu den großen Verlierern des Krieges gehörten aber auch die Kurden, deren noch junge nationalistische Bewegung sich einen eigenen Staat erträumt hatte, der nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der Heterogenität der verschiedenen kurdischen Volksgruppen und ihrer Sozialorganisation damals sicherlich nur schwer realisierbar gewesen wäre. Als dauerhafte Hypothek der Nachkriegsordnung spielt die Kurdenfrage heute aber eine zentrale Rolle bei der Neuordnung des anatolisch-mesopotamischen Raums und der Lösung der regionalen Konflikte. Es bedarf nur geringer Phantasie um sich vorzustellen, welche Spuren diese gebrochenen Versprechen der Alliierten, insbesondere der Briten, sowie die Teilungspläne des Vertrags von Sèvres für Anatolien und der aus der Furcht vor einem neuerlichen Krieg gegen die Türken herrührende „Verrat“ an den anatolischen Griechen, Kurden und Armeniern in der Erinnerung der nahöstlichen Völker und der Türkei hinterlassen hat. Regelmäßig aufflackernde irredentistische Forderungen sowie die Externalisierung selbst zu verantwortender innenpolitischer

Rogan, Fall of the Ottomans 403 ff. Die arabischsprachigen Alawiten oder Nusairi sind religionsgeschichtlich doktrinär und in ihrer religiösen Praxis eine klar von den türkischen und kurdischen Aleviten zu unterscheidende Gruppe, die traditionellerweise in der Türkei in der Provinz Hatay und der Region Adana sowie vor allem in Syrien lebt. Zu ihnen siehe Heinz Halm, Nusayriyya; in: C. E. Bosworth, E. van Donzel, W. P. Heinrichs, G. Lecomte (Hgg.), Encyclopaedia of Islam (= New Edition VIII, Leiden 21995) 145–148. 23 24

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Konflikte und wirtschaftlicher Fehlentwicklungen zählen neben den oft problematischen Grenzziehungen zu den wichtigsten Folgen der Nachkriegsordnung. 3. Strukturelle Veränderungen als Folge des Ersten Weltkrieges Welche strukturellen Veränderungen in den Nachfolgestaaten des Osmanischen Reichs ergaben sich ursächlich durch den Ersten Weltkrieg auf dem Weg von einem islamisch basierten Weltreich zu den meist säkularen und republikanisch verfassten Nationalstaaten? Der osmanische Staat war zuletzt, formalrechtlich betrachtet, eine konstitutionelle Monarchie, die über eine multiethnische und multireligiöse Gesellschaft herrschte. Die Nachfolgestaaten waren zwar nicht de facto aber laut Staatsideologie unitäre, monoethnische und formal zwar säkulare, tatsächlich aber stark islamisch grundierte Staaten. Arabertum oder Türkentum galten als Grundlage des Staatswesens, ungeachtet der zwar deutlich gesunkenen, aber immer noch multiethnischen und multireligiösen Zusammensetzung der Bevölkerung. Die aus Europa übernommenen Nationalstaatsideen waren mitverantwortlich für Jahrzehnte ethnischer und religiöser Unterdrückung, die bis heute Ursache zahlreicher Konflikte in der Region ist. Das in Europa so erfolgreich scheinende Nationalstaatsmodell, das ja selbst Produkt einer äußerst gewalttätigen Geschichte ist, wurde in den Nachfolgegebieten durch die teilweise Anwendung und Propagierung der Wilson’schen Vorstellungen vom Selbstbestimmungsrecht als zentrales Ordnungsprinzip betrachtet. Daher dienen beispielsweise turkmenische Volksgruppen im Irak und in Syrien, trotz deren großer religiöser und struktureller Heterogenität, bis heute zur Legitimation militärischer Einmischung der Türkei in den beiden Ländern. Die Kriegs- und Kolonial- bzw. die Mandatszeit beeinflussen also bis in die Gegenwart in vielerlei Hinsicht das politische Klima sowie die politischen Systeme. Dabei sind strukturelle Brüche wie auch Kontinuitäten zu beobachten, die sich auch in den politischen Mentalitäten und Kulturen der Nachfolgestaaten widerspiegeln. Eine bis heute andauernde Konstante, die der Erste Weltkrieg und seine Nachwehen im Vorderen Orient noch verstärkten, ist das konfliktreiche Zusammenleben der verschieden ethnisch-religiösen Gruppen. Schon vor dem Krieg hatte die Modernisierung des Osmanische Reiches, seine zunehmende Einbeziehung in die Weltwirtschaft und die kulturpolitischen wie auch religiösen Aktivitäten der europäischen Mächte und der USA die Situation der nicht-muslimischen Minderheiten in vielerlei Hinsicht beeinflusst. Häufig waren es osmanische Christen oder Juden, die in den modernen Einrichtungen wie den Banken oder bei der Eisenbahn arbeiteten und als örtliche Vertreter ausländischer Handelsunternehmungen tätig waren. Dies, zusammen mit ihrem gegenüber den meisten Muslimen steigenden Bildungsniveau und Wohlstand, ließ sie in den Augen der Muslime zu Agenten eines als feindlich angesehenen Westens werden, der schon aus religiösen Gründen von konservativen Teilen der Elite und der Bevölkerung abgelehnt wurde. Teilweise hatte dies aber auch ganz unmittelbare materielle Hintergründe: Die Ersetzung des traditionellen islamischen Bildungs- und Justizwesens durch moderne Schulen und Gerichtshöfe nach westlichem Vorbild führte zur

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Entwertung traditionellen Wissens und zum Verlust von Positionen. Dieser Prozess hatte allerdings schon im neunzehnten Jahrhundert begonnen und trug mit zum sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg von Nichtmuslimen bei. Allerdings hatte sich deren Position als Reaktion auf die neuen nationalistischen Bewegungen, aber auch durch die dezidiert islamische Politik Sultan Abdülhamids II. (1876–1909) im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, mancherorts deutlich verschlechtert. Während des Krieges und der anschließenden Mandatszeit kooperierten vor Ort häufig Nichtmuslime oder religiöse Gruppen außerhalb des sunnitischen Islams, wie die Drusen oder Alawiten, mit den Kolonial- oder Mandatsmächten, um nun endlich auch Zugang zu den Ressourcen zu erhalten und ihre frühere Benachteiligung auszugleichen. Nach der Etablierung der neuen Staaten hatte dies zur Folge, dass sie bei jeder Krise und bei jedem außen- wie innenpolitischen Konflikt als Sündenböcke und potentielle Verräter gelten sollten. Die seit Jahrzehnten immer wieder stattfindenden Pogrome und Vertreibungen – wie aktuell im Irak, Syrien und Ägypten sowie schon nach der Gründung der Republik in der Türkei – sind traurige Beispiele dafür. Auch wird jeder Versuch Europas oder der USA, auf die Situation der Minderheiten verbessernd einzuwirken, meist als getarnte Teilungsabsicht der imperialistischen Mächte interpretiert. Selbstverständlich wissen auch die meisten politischen Akteure, beispielsweise in der Türkei, dass die Europäische Union schon aus Stabilitätsgründen kein Interesse an einer Aufteilung der Türkei in kurdisch und armenisch beherrschte Gebiete hat. Dennoch hat die jahrzehntelange Propaganda der staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten, basierend auf realen historischen Erfahrungen, immerhin ihre Spuren hinterlassen, so dass diese Argumentationsmuster zum festen Bestandteil der politischen Kultur der jeweiligen Länder geworden sind. Ein Paradebeispiel für die Wirkmächtigkeit historisch basierter Denkmuster in der Region ist auch die Instrumentalisierung Israels zur Legitimation der eigenen Herrschaft bzw. dazu, die Verantwortung für eigenes Regierungshandeln und gesellschaftliches Versagen zu externalisieren. Außerdem dienen sowohl Israel als auch die jeweiligen Minderheiten immer wieder als beliebtes Mittel um gesellschaftliche Aggressionen gegen die Herrschenden zu neutralisieren und umzulenken. Ein weiteres Erbe des Krieges und des Prozesses der De-Kolonialisierung ist die wichtige, wenn nicht sogar dominierende Rolle des Militärs in den nahöstlichen Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches. Entweder war es – wie im Fall der Türkei – entscheidend im Kampf um die Unabhängigkeit oder es war – wie im Irak – die einzige Ordnungsmacht, die die Mandatsmächte in den von ihnen beherrschten Territorien neben ihren eigenen Strukturen geschaffen hatten. In der Türkei herrschte das Militär bis zu seiner Entmachtung unter der derzeitigen AKP-Regierung („Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“) direkt oder übte zumindest entscheidenden Einfluss auf die Politik aus, in Iran löste mit Reza Khan ein Militär die Kadscharendynastie ab und rief sich in der Folge selbst zum Kaiser aus. Im Irak und Syrien war die bis vor kurzem herrschende „Arabisch Sozialistische Baath-Partei“ stets eng mit dem Militär verbunden und mit dem Luftwaffenoffizier Hafiz al-Assad bis zur Machtübernahme durch seinen Sohn unmittelbar an der Macht beteiligt.

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Entscheidend ist aber, dass der administrative und wirtschaftliche Rahmen mit dem die Mandatsmächte die osmanischen Strukturen ersetzt hatten, die Nationalstaatsgründungen erst ermöglichte – wie im Falle Syriens und des Iraks. Allerdings konnte, wie die jüngsten Kriege zeigen, ein nationalstaatliches Bewusstsein religiöse und ethnische Loyalitätsgruppen nur zeitweise verdrängen. Dies liegt sicherlich auch in den defizitären und autokratischen Staatsstrukturen begründet, die die Bedeutung primordialer Bindungen für das eigene Überleben nicht ersetzen konnten. Welche staatlichen oder halbstaatlichen Gebilde die durch den Ersten Weltkrieg geschaffene Ordnung im Vorderen Orient in Zukunft ersetzen werden, bleibt offen. Es ist aber kein Zufall, dass die derzeitigen Neuordnungsprozesse mindestens genauso blutig verlaufen wie der Zerfallsprozess des Osmanischen Reiches.

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F. Ein Reich ohne Eigenschaften? Das Erbe föderaler Ideen in den „Nachfolgestaaten“ der Habsburgermonarchie von Jana Osterkamp Eine Föderalismusgeschichte zur Habsburgermonarchie ist die Geschichte eines hochkomplexen politischen Wirklichkeitsraums und zugleich die Geschichte eines nicht minder komplexen Möglichkeitsraums. Dieser Möglichkeitsraum wurde abgesteckt durch politische Debatten, Streitschriften, Manifeste, Regierungsentwürfe und Korrespondenzen. Denn der mehrstufige, föderativ-föderale Wirklichkeitsraum, die gesamtstaatliche Verfassung und Verwaltung Österreich-Ungarns, geriet den Zeitgenossen vor dem Hintergrund nationaler, sozialer, wirtschaftlicher und außenpolitischer Spannungen immer wieder als dysfunktional und reformbedürftig in den Blick. Die seit der Zeit um 1848 bis in den Herbst 1918 hinein geführten Reformdebatten kennzeichnete ein ständiges Schwanken zwischen föderalistischen und zentralistischen Lösungsvorschlägen1. Das letzte imperiale Föderalisierungsangebot machte Kaiser Karl I. mit seinem Völkermanifest vom 16. Oktober 1918 (Teil 1). Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns wurde ein demokratischer Föderalismus nur in der Republik Österreich umgesetzt. In den anderen Nachfolgestaaten waren föderale Ordnungen kurzlebig. Dennoch blieb der Föderalismus auch dort als Möglichkeit politisch gegenwärtig. In Ländern wie der Tschechoslowakei, Rumänien und Jugoslawien wurde allerdings nach 1918 Föderalismus eng mit dem Nationalitätenproblem verknüpft. Diese diskursive Verknüpfung hatte bereits die Auseinandersetzungen um den Föderalismus in der späten Habsburgermonarchie beherrscht und prägt die nachträgliche Bewertung Österreich-Ungarns bis heute. Kürzlich wurde für Ostmitteleuropa von 1 Vgl. für einen Überblick Robert A. Kann, Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918, 2 Bde. (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Ost 4, Graz – Köln 21964); Rudolf Wierer, Der Föderalismus im Donauraum (= Schriftenreihe des Forschungsinstituts für den Donauraum 1, Graz – Köln 1960); Joachim Kühl, Föderationspläne im Donauraum und in Ostmitteleuropa (= Untersuchungen zur Gegenwartskunde Südosteuropas, München 1958); Rudolf Schlesinger, Federalism in Central and Eastern Europe (New York – London 1945); Oscár Jászi, The Dissolution of the Habsburg Monarchy (Chicago 1929). Vgl. auch Mark Cornwall (Hg.), The Last Years of Austria-Hungary: A MultiNational Experiment in Early Twentieth-Century Europe (= Exeter studies in history, Exeter 2002); Alina Teslaru-Born, Ideen und Projekte zur Föderalisierung des Habsburgischen Reiches mit besonderer Berücksichtigung Siebenbürgens: 1848–1918, Univ. Diss. (Frankfurt/Main 2005) und Richard G. Plaschka, Karlheinz Mack (Hgg.), Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (= Schriftenreihe des österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 3, Wien 1970).

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der „einen gemeinsamen Wurzel“ von Nationalismus und Föderalismus gesprochen2. Auch wenn die nationale Frage in der Zwischenkriegszeit tatsächlich den Diskurs über föderale Möglichkeiten dominierte, entwickelte sich jedenfalls in Österreich ein föderaler Wirklichkeitsraum, der nicht auf das Nationale bezogen war. Im neuen Staat Österreich war die föderale Integration gerade auf nicht-nationale, namentlich historische, wirtschaftlich-soziale, konfessionell-weltanschauliche und regionale Unterschiede ausgerichtet. Dabei machte man sich die gemeinsame Geschichte institutioneller Kooperation der ehemaligen Kronländer zunutze (Teil 2). Für die anderen Nachfolgestaaten bedeutete die enge diskursive Verflechtung von Föderalismus und Nationalitätenproblem, dass der radikale Nationalismus der späten 1930er Jahre das föderale Denken fast ungehindert vereinnahmen konnte. Die „Föderalisierungen“ 1938 und 1939 in der Tschecho-Slowakei und Jugoslawien kamen dem nationalistischen Anliegen jeweils nur einer ethnischen Gruppe zugute und schufen asymmetrische Gebilde. Diese waren Vorstufe zur Separation der Slowakei und Kroatiens und zu deren Eingliederung in den deutsch–italienischen, nationalsozialistisch–faschistischen Machtbereich (Teil 3). Nach 1945 korrespondierte der innenpolitische Ethnoföderalismus der Sowjetunion keineswegs mit günstigen Bedingungen für eine Föderalisierung der staatssozialistischen Länder auf dem Gebiet des ehemaligen Österreich-Ungarns. Das Schicksal der gescheiterten Föderalisierungsforderungen des „Prager Frühlings“ war die Regel. Eine Ausnahme bildete lediglich der Föderalismus Jugoslawiens (Teil 4). 1. Endpunkt und Ausgangspunkt: Gerüchte über eine Föderalisierung unter Kaiser Karl 1917–1918 Eine Geschichte der föderalen Ideen in der Habsburgermonarchie kann am historischen Nullpunkt ansetzen, an dem Zeitpunkt, als Österreich-Ungarn zerfiel und zugleich dessen Historisierung begann. Bis kurz vor dem Ende blieben dem imperialen Staatswesen die beiden Optionen eingeschrieben: Zusammenhalt oder Zerfall. Im Oktober 1918 versuchte der Wiener Hof diese Option noch einmal verzweifelt für sich zu entscheiden. Das Manifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918 sollte für die österreichische Reichshälfte eine bundesstaatliche Verfassungsreform einleiten3. Die zentrale Passage des zuerst in einer Sonderausgabe der Wiener Zeitung veröffentlichten Mani2 Diese These stellt Holly Case ins Zentrum ihrer Überlegungen. Vgl. Holly Case, The Strange Politics of Federative Ideas in East-Central Europe; in: The Journal of Modern History 85 (2013) 833–866, hier 834. 3 Zur Entstehung dieses Manifests umfassend Helmut Rumpler, Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918. Letzter Versuch zur Rettung des Habsburgerreiches (= Schriftenreihe des Instituts für Österreichkunde, Wien 1966); siehe dazu auch Reinhold Lorenz, Kaiser Karl und der Untergang der Donaumonarchie (Graz – Wien – Köln 1959) 479–514. Zur Geschichte der früheren Reformpläne Karls nun ausführlich Christopher Brennan, Reforming Austria-Hungary: Beyond his control or beyond his capacity? The domestic policies of Emperor Karl I, November 1916 – May 1917, phil. Diss. (London 2012) 304.

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fests lautete: „Österreich soll dem Willen seiner Völker gemäß zu einem Bundesstaate werden, in dem jeder Volksstamm auf seinem Siedlungsgebiet sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet. (…) Diese Umgestaltung, durch welche die Integrität der Länder der heiligen ungarischen Krone in keiner Weise berührt wird, soll jedem nationalen Einzelstaate seine Selbständigkeit gewährleisten. (…) Bis diese Umgestaltung auf gesetzlichem Wege vollendet ist, bleiben die bestehenden Einrichtungen zur Wahrung der allgemeinen Interessen unverändert aufrecht.“4 Das Manifest bildete den Schlusspunkt einer öffentlichen Auseinandersetzung über die Föderalisierung Österreich-Ungarns. Die drei zitierten Sätze des Manifests standen für die drei zentralen Streitpunkte: die Aufrechterhaltung des Dualismus zwischen Österreich und Ungarn, die Gleichberechtigung aller Nationalitäten mit deren Wunsch nach Eigenständigkeit sowie die im Gemeininteresse erforderlichen Institutionen. Den Auftakt zu dieser letzten großen Föderalismusdebatte mit einem breiten Presseecho gab die Thronrede Kaiser Karls I. vor dem wiedereröffneten Reichsrat am 31. Mai 19175. Die Thronrede stellte für Cisleithanien nur vage eine Verfassungs- und Verwaltungsreform und die freie nationale und kulturelle Entwicklung aller Völker der Monarchie in Aussicht. Sie blieb weit hinter den an sie gerichteten Erwartungen zurück, die umso höher ausfielen, weil die slawischen Nationalitäten im Reichsrat tags zuvor weitreichende Deklarationen abgegeben hatten. Diese Deklarationen bildeten fortan einen festen nationalen Referenzpunkt auf politischen Massendemonstrationen und in den öffentlichen Reformdebatten6. Medial geriet die Thronrede vollkommen in den Schatten dieser Nationalitätenforderungen, die zu dieser Zeit noch mehrheitlich in Richtung Föderalisierung tendierten. In ihren Zielvorstellungen unterschieden sich die parlamentarischen Deklarationen der Nationalitäten erheblich7. Ein Teil der Parlamentarier setzte auf föderale Integration und wollte den institutionellen Rahmen des Dualismus mit einem radikalen Schnitt hinter sich lassen. In der Deklaration der tschechischen Abgeordneten forderte František Staněk die Umwandlung Österreich-Ungarns in einen Bundesstaat freier und gleicher Völker sowie die Vereinigung der Tschechen und Slowaken in einem gemeinsamen Teilstaat. Er machte den Dualismus für die gesellschaftliche Kluft zwischen dominierenden und dominierten Völkern verantwortlich. Für den gerade neu ins Leben gerufenen südslawischen oder jugoslawischen Klub forderte dessen Obmann Anton Korošec die Vereinigung aller Siedlungsgebiete der Serben, Kroaten und Slowenen zu einem demokratischen und autonomen Teilstaat unter der habsburgisch-

Vgl. Extra-Ausgabe der Wiener Zeitung vom 17. Oktober 1918. Vgl. hierzu das umfangreiche, bislang nicht ausgewertete Pressearchiv; in: Österreichisches Staatsarchiv (fortan ÖStA), Haus-, Hof- und Staatsarchiv (fortan HHStA), Ministerium des Äußeren (MdÄ), Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest des Kaisers Karl zur Neugestaltung Österreichs in einen Bundesstaat, Forderung und Frage der Verfassungsreform, Föderalisierungsgerüchte 1917–1918. 6 Hierzu und zum Folgenden vgl. Brennan, Reforming Austria-Hungary 299 f. 7 Die Deklarationen wurden zum Teil spontan vorgetragen, vgl. Stenographische Protokolle über die Sitzungen der Abgeordneten des österreichischen Reichsrathes (fortan Sten. Prot. AH), Eröffnungssitzung der XXII. Session am 30. Mai 1917, 34–37. 4 5

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lothringischen Krone8. Ein anderer Teil der Abgeordneten nahm auf Bestand oder Nichtbestand der Monarchie weit weniger Rücksicht und tendierte eher in Richtung Abspaltung und territorialer Neuordnung. Die Polen deklarierten über ihre Abgeordneten Stanisław Łazarski und Jan Stapiński den Wunsch nach einem vereinigten, freien polnischen Staat9. Der ruthenische Nationaldemokrat Jevhen Petruševyč sprach von der Künstlichkeit der Kronlandgrenzen Galiziens und erhoffte sich für alle Ukrainer des Habsburger- und des Russländischen Reiches eine Vereinigung in einem gemeinsamen Staat in den Grenzen des ukrainischen Staatsrechts; er verwahrte sich dagegen, ukrainische Gebiete einem neuen polnischen Staat zuzuschlagen10. Als Minderheit unter den Tschechen sprachen sich die beiden Abgeordneten Antonín Kalina und Václav Prunar für die völlige staatsrechtliche Selbstständigkeit der böhmischen Länder aus. Beide Reden wurden von der Zensur in der zeitgenössischen Presse unterdrückt11. Bis zum Untergang der Habsburgermonarchie verschwand die Frage nach einer Verfassungs- und Verwaltungsreform nicht mehr von der Tagesordnung. Dies hatte nicht zuletzt außenpolitische Gründe12. So schrieb die alttschechische Moravská orlice [Mährischer Adler] am 10. Juli 1917, dass sich „an den maßgebenden Stellen“ die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass die Monarchie am künftigen Friedenskongress nicht „mit dem erdrückenden Bleigewichte ihrer ungeregelten Verwaltungs- und Verfassungsverhältnisse“ erscheinen dürfe13. Im Vordergrund der Regierungsbemühungen um eine Verfassungsreform standen zunächst die sogenannte tschechische und später die südslawische Frage14. Die Vertreter dieser Nationalitäten hatten sich im Reichsrat im Mai 1917 noch für eine Föderalisierung der Gesamtmonarchie ausgesprochen. Allerdings blieben der weitere Kriegsverlauf und die Forderungen der Polen und Ukrainer nach Eigenstaatlichkeit nicht ohne Wirkung. Die vielstimmige Debatte in der tschechischen Presse über die Frage, ob sich der tschechische Klub an den Verhandlungen über die Verfassungsreform beteiligen solle oder nicht, illustriert diesen radikalen Stim-

8 Ebd. 34; Janko Pleterski, „The Southern Slav Question“; in: Cornwall (Hg.), Last Years 119– 148; Arnold Suppan, Hitler – Beneš – Tito: Konflikt, Krieg und Völkermord in Ostmittel- und Südosteuropa, 3 Bde. (= Internationale Geschichte 1, Wien 2014) I 326. 9 Sten. Prot. AH, 30. Mai 1917, 38. Zu diesem Zeitpunkt standen neben der Eigenstaatlichkeit die Alternativen Königreich Polen in Personalunion mit Österreich oder Österreich-Ungarn bzw. eine staatenbündische Lösung im Raum; vgl. Lothar Höbelt, Die austropolnische Lösung – eine unendliche Geschichte; in: Heeresgeschichtliches Museum Wien (Hg.), Der Erste Weltkrieg und der Vielvölkerstaat (= Acta Austro-Polonica 4, Wien 2011) 35–54. 10 Sten. Prot. AH, 30. Mai 1917, 36. Zu den verschiedenen politischen Strömungen vgl. Wolfram Dornik (Hg.), Die Ukraine zwischen Selbstbestimmung und Fremdherrschaft 1917–1922 (= Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung 13, Graz 2011). 11 Sten. Prot. AH, 30. Mai 1917, 34 ff. Vgl. Nachruf auf Antonín Kalina; in: Národní listy, 18. Dezember 1922, 1. 12 Siehe dazu auch Rumpler, Völkermanifest 47, 63. 13 Moravská orlice vom 10. Juli 1917, übersetzt und zusammengefasst in: ÖStA, HHStA, MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest des Kaiser Karl zur Neugestaltung Österreichs, o. fol. 14 Rumpler, Völkermanifest 11.

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mungswandel15. In den bürgerlichen Parteien ging man von den Föderalisierungsplänen ab und forderte einen eigenständigen tschechoslowakischen Staat16. Vermehrt tauchte nun das Argument auf, man könne und solle noch bis zum Kriegsende abwarten17, da man von den internationalen Friedenskonferenzen einen größeren Gewinn für die eigene Stellung erwartete als von den Verhandlungen mit Wien. Seit der Berufung des Deutschnationalen Ernst von Seidler zum österreichischen Ministerpräsidenten im Juni 1917 verfolgte man dort einen „deutschen Kurs“18. Ein ähnlicher Radikalisierungsprozess spielte sich unter den Südslawen ab19. Dieser Einbruch der Außenpolitik in das Feld der Verfassungspläne folgte einer realpolitischen Logik. In Österreich-Ungarn trug die staatliche Neuordnung im Spannungsfeld von Zentralismus und Föderalismus immer schon die Züge eines politischen Machtkampfes zwischen den politisch privilegierten Deutschen und Magyaren mit den anderen Nationalitäten. Mit der für das Kriegsende erwarteten Neuordnung erfuhr dieser Machtkampf nun eine Ausweitung und Neuausrichtung. Die innenpolitischen Forderungen der Nationalitäten bemaßen sich fortan auch daran, was diese sich auf dem außenpolitischen Parkett von einem Sieg der Ententemächte versprachen20. Ein Jahr später im Sommer 1918 hatte sich das Blatt außen- und innenpolitisch gewendet. Seit Mitte August 1918 kamen in den österreichischen und europäischen Zeitungen konkrete Föderalisierungsgerüchte auf, die ein Abgehen vom „deutschen Kurs“ ankündigten. Diese Pressekampagne nahm von tschechisch-klerikalen Blättern wie Čech [Der Tscheche] und Mír [Friede] ihren Ausgang21. Bald zitierten die einschlägigen Wiener und Budapester Blätter diese Meldungen. Ein „anonymes Vertrauensmännerkommitee“ – berichtete das Neue Wiener Tagblatt –, zusammengesetzt aus „der Rechten des Herrenhauses“ und „hervorragenden Persönlichkeiten aller Nationen“, stehe Ministerpräsident Max Hussarek von Heinlein bei der Föderalisierung der Gesamtmonarchie beratend zur Seite22. Geplant sei die „Umwandlung Österreich15 Vgl. dazu die Vielzahl der tschechischen Zeitungsartikel vom Juli 1917; in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest o. fol. 16 Für einen Überblick siehe Luboš Velek, Die tschechischen bürgerlichen Parteien im Weltkrieg 1914–1918; in: Heeresgeschichtliches Museum Wien (Hg.), Weltkrieg und Vielvölkerstaat 165–178. 17 Vgl. dazu das sozialdemokratische Blatt Právo lidu [Volksrecht] vom 11. Juli 1917 und die nationalsoziale Zeitung Česká demokracie [Tschechische Demokratie] vom 21. Juli 1917, übersetzt und zusammengefasst in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest, o. fol. 18 Helmut Rumpler, Kaiser Karl, die Friedensprojekte und das deutsch-österreichische Bündnis; in: Andreas Gottsmann (Hg.), Karl I. (IV.), der Erste Weltkrieg und das Ende der Donaumonarchie (= Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturforum in Rom, Abhandlungen 14, Wien 2007) 13–22, hier 22; siehe auch Brennan, Reforming Austria-Hungary 305. 19 Vgl. Pleterski, Southern Slav Question; Ders., Der Trialismus bei den Slowenen und die jugoslawische Einigung; in: Plaschka, Mack (Hgg.), Auflösung 195–202, hier 201. 20 Vgl. in Hinblick auf die südslawische Frage etwa die Česká demokracie vom 21. Juli 1917, übersetzt und zusammengefasst in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest o. fol. Dazu auch Walter Lukan, Die slowenische Politik und Kaiser Karl; in: Gottsmann (Hg.), Karl I. (IV.) 159–186, hier 161. 21 Mír vom 26. August 1918; Čech vom 26. August 1918, übersetzt und zusammengefasst in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest, o. fol. 22 Neues Wiener Tagblatt vom 15. August 1918, in: Ebd.

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Ungarns in eine Konföderation nationaler Staaten: eines deutschen, eines tschechischen, eines polnischen, eines südslawischen und eines ungarischen“; dieser Plan habe das Wohlwollen der Krone und der führenden militärischen Kreise23. Josef Redlich bezeichnete diese Nachrichten als Versuchsballon, als einen „ballon d‘essai gewisser Regierungs- und Hofkreise“, um im Reich die Konsensfähigkeit einer föderalistischen Lösung zu prüfen24. In den tschechischen Blättern ernteten diese Pläne Hohn und Spott. Die Brünner Lidové noviny [Volkszeitung] fragte ironisch-erstaunt, warum man im Tschechischen Nationalausschuss von diesen „Vertrauensmännern“ des tschechischen Volkes nichts wisse25. Das katholisch-nationale Blatt Hlas [Stimme] sprach von Intrigen26. Der agrarische Venkov [Land] misstraute den Plänen von Regierung und Krone, erinnerte an die neue Kreiseinteilung Böhmens, die von Kaiser Karl im Mai 1918 unter Umgehung des Parlaments zugunsten der Deutschen dekretiert worden war, und vermutete, dass auf diese alten Sünden gegen die Verfassung und gegen das Parlament nun eine neue folgen würde27. Auch das sozialdemokratische Blatt Právo lidu [Volksrecht] schrieb, man könne nicht von einer Verfassungsreform, sondern nur von einem „Verfassungskriegsersatz“ sprechen28. Führende tschechische Politiker unter Václav Klofáč lehnten Verhandlungen mit der österreichischen Regierung weiterhin ab, sollte die tschechische Deklaration vom 30. Mai 1917, insbesondere der territoriale Zusammenschluss mit den Slowaken, nicht deren Grundlage bilden29. In Ungarn schwankten die Reaktionen auf die Föderalisierungsgerüchte zwischen Alarmschlagen und abwartender Ironie sowie Kritik von Seiten der Opposition. Mit Drohgebärden wurde in verschiedenen Budapester Zeitungen das Junktim formuliert, dass man sich an den Dualismus und den gemeinsamen Staatsverband dann nicht mehr gebunden fühle, wenn Österreich seine Verfassung aufgebe30. Mit der gleichen Stoßrichtung und scheinbarer Gelassenheit schrieb der Pester Lloyd: „Man will uns sugge-

Ebd. Als Protagonisten nennt Redlich in seinem Tagebuch Heinrich Lammasch, Benno Karpeles und Ignaz Seipel. Vgl. Fritz Fellner, Doris A. Corradini (Hgg.), Schicksalsjahre Österreichs. Die Erinnerungen und Tagebücher Josef Redlichs 1869–1936, 3 Bde. (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 105, Wien 2011) II 428, 430 f. 25 Lidové noviny vom 27. August 1918, übersetzt und zusammengefasst in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest, o. fol. 26 Hlas vom 26. August 1918, übersetzt und zusammengefasst in: Ebd. 27 Siehe die Presseberichte in Neue Freie Presse (Morgenblatt) vom 28. August 1918, 6 sowie ferner im Abendblatt vom 29. August 1918, 3. In ähnlicher Weise schrieben Národní Politika [Nationalpolitik] vom 29. August 1918; Čech vom 29. August 1918, übersetzt und zusammengefasst in: Ebd. 28 Právo lidu vom 29. August 1918, übersetzt und zusammengefasst in: Ebd. 29 Vídeňský deník [Wiener Tagblatt] vom 1. September 1918; Český socialista [Der tschechische Sozialist] vom 5. September 1918; ferner Neues Wiener Tagblatt vom 24. September 1918, übersetzt und zusammengefasst in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest, o. fol. 30 Vgl. Neue Freie Presse vom 29. August 1918 (Abendblatt) 1 f.; ferner: „Die Gerüchte über eine neue Staatsform in Österreich – Die Stimme eines ungarischen Staatsmannes“; in: Neue Freie Presse vom 31. August 1918 (Morgenblatt) 5; ferner: Neues Pester Journal vom 29. August 1918, in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest o. fol. 23 24

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rieren, das föderalistische Gespenst gehe jenseits der Leitha am hellichten Tage wieder um und der Dualismus schwebe in Gefahr. (…) Wir glauben aber nicht an die föderalistische Gefahr. Herr von Hussarek mag dergleichen im Schilde führen; jedenfalls schließt die halbamtliche Erklärung, mit der die bezüglichen Gerüchte tschechischer Blätter dementiert werden, solches durchaus nicht aus.“ Der Artikel schloss mit der Feststellung, dass die ungarische Regierung zur österreichischen Verfassungsreform erst Stellung nehmen werde, wenn es konkrete Anzeichen für einen Staatsumbau gebe, um dann die Vereinbarkeit mit den Ausgleichsvereinbarungen von 1867 zu prüfen und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen31. Neben diesen Verlautbarungen seitens der ungarischen Regierung gab es allerdings auch innerhalb Ungarns Kritiker des Dualismus. So war es zum einen das sozialdemokratische Organ Népszava [Volksstimme], das bereits im März 1918 eine Verfassungsreform in Österreich mit größeren Rechten für die Nationalitäten begrüßte und bei diesem Anlass zugleich die Nationalitätenpolitik und den autoritären Regierungsstil der Tisza-Partei in Ungarn kritisierte32. Kritik wurde zum anderen aber auch aus den Reihen der Kroaten laut. Im bosnisch-kroatischen Blatt Hrvatski dnevnik [Kroatische Tageszeitung] hieß es, die geplante Verfassungsreform verhindere eine Vereinigung der Kroaten in einem Kronland und die Kroaten müssten weiterhin auf Österreich, Ungarn und das annektierte Bosnien-Herzegowina verteilt leben; notwendig sei eine „Änderung der gesamten Staatsverfassung“33. Die Deutschradikalen um Oskar Teufel und Ferdinand Pantz forderten schließlich das Recht der Deutschen in Ungarn, sich für einen „Anschluss an Deutschösterreich“ zu entscheiden34. Die zitierten Presseartikel lassen sich als Indikatoren für eine kommende Abspaltung lesen. Die loyale Verbindung zum Gesamtstaat hatte sich im Sommer 1918 erheblich gelockert35. Im zeitlichen Umfeld des Völkermanifests Kaiser Karls meldeten sich in der Presse nur wenige Stimmen zu Wort, die an der Umgestaltung Österreich-Ungarns in einen Nationalitätenbundesstaat dezidiert festhielten. Die prominenteste und zahlreichste Gruppe unter diesen waren Vertreter der Juden. Die Reichskonferenz der Zionisten in Österreich wiederholte im Oktober 1918 nicht nur ihre Forderung nach einem eigenen Staat in Palästina, sondern forderte zugleich für Österreich die „gesetzliche Anerkennung der Juden als Nation, der alle Rechte zu gewähren sind, wie den anderen Völkern des künftigen Föderativstaates“36. Repräsentanten der Zionisten wie Benno Straucher, 31

fol.

Pester Lloyd vom 31. August 1918; zusammengefasst in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest o.

Népszava vom 9. März 1918, übersetzt in: Ebd. Hrvatski Dnevnik vom 5. März 1918, übersetzt in: Ebd. 34 Fremden-Blatt (Morgen-Ausgabe) vom 12. Oktober 1918, 3. 35 Vgl. zu Loyalitätspraktiken im späten Habsburgerreich: Laurence Cole, Daniel L. Unowsky (Hgg.), The Limits of Loyalty: Imperial Symbolism, Popular Allegiances, and State Patriotism in the Late Habsburg Monarchy (= Austrian and Habsburg Studies 9, New York – Oxford 2009). 36 Fremden-Blatt (Morgen-Ausgabe) vom 12. Oktober 1918, 3. Am 20. Oktober 1918 wurde auf der Reichskonferenz der Zionisten der Beschluss gefasst, einen jüdischen Nationalrat zu gründen. Siehe dazu Bettina Riedmann, „Ich bin Jude, Österreicher, Deutscher“: Judentum in Arthur Schnitzlers Tagebüchern und Briefen (= Conditio Judaica 36, Tübingen 2002) 99. 32 33

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Adolf Stand und Robert Stricker wollten eine Abkehr von der bisherigen Rechtspraxis erreichen, die Juden als religiöse, nicht aber als nationale Gemeinschaft anerkannte, und ihnen die damit einhergehenden Rechte auf sprachliche Autonomie im Bildungsbereich und im öffentlichen Raum verweigerte37. Sie wollten an den Friedensverhandlungen bei Kriegsende und an den Verhandlungen über den Umbau Österreichs gleichberechtigt teilnehmen38. Inmitten dieser Krisenstimmung und im Zusammenhang mit mal lancierten, mal dementierten Föderalisierungsgerüchten erschien am 16. Oktober 1918 das Völkermanifest von Kaiser Karl. Zeitgenossen und Historiker haben das Manifest als Katalysator des Reichszerfalls gedeutet. Entgegen den Intentionen Kaiser Karls entfaltete es keine integrativen Wirkungen mehr. Zu dieser Entwicklung trug sicherlich die Tatsache bei, dass der eigentliche Umbauplan auch nach der Verkündung des Völkermanifests unklar blieb. Unübersehbar war das Manifest auf die kommenden Friedensverhandlungen hin gemünzt und fixierte keine bestimmte föderale Ordnung. Ministerpräsident Hussarek ließ gegenüber den parlamentarischen Parteiführern nicht nur offen, ob ein Bundesstaat oder ein Staatenbund beabsichtigt sei, sondern auch die konkrete föderale Komposition. Er erklärte, dass die Regierung an einen deutschösterreichischen, einen tschecho-slawischen, einen südslawischen und ukrainischen Staat gedacht habe, eventuell auch an einen italienischen und rumänischen39. Es waren die durch das Manifest nicht ausgeräumten Unklarheiten, gepaart mit den mittlerweile getroffenen Abmachungen auf internationaler Ebene, die den Zerfall beschleunigten. Die den Nationalitäten im Manifest gewährte Freiheit, sich als „nationale Einzelstaaten“ zu einem Bundesstaat Österreich zusammenzuschließen, wurde von vielen nationalen Gruppen stattdessen als Chance für die eigene staatliche Unabhängigkeit begriffen. Die Zeichen standen von nun an auf Separation. Über ihren Reichsratsabgeordneten Jevhen Petruševyč proklamierten die Ukrainer am 18. Oktober 1918 in Lemberg (Lwów, L’viv) die „Konstituierung des ukrainischen Staates auf allen ethnographisch-ukrainischen Gebieten Österreichs und Ungarns“40. Mit dieser Deklaration traten die Ukrainer zugleich Vor37 Siehe dazu Gerald Stourzh, Galten die Juden als Nationalität Altösterreichs? Ein Beitrag zur Geschichte des cisleithanischen Nationalitätenrechts; in: Anna. M. Drabek, Mordechai Eliav, Gerald Stourzh (Hgg.), Prag – Czernowitz – Jerusalem. Der österreichische Staat und die Juden vom Zeitalter des Absolutismus bis zum Ende der Monarchie (= Studia Judaica Austriaca 10, Eisenstadt 1984) 73–117. 38 Der Morgen vom 21. Oktober 1918; Neues Wiener Tagblatt vom 15. Oktober 1918, in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest, o. fol. 39 Neues Wiener Tagblatt vom 17. Oktober 1918, in: Ebd. Zu Hussareks Auffassung über den Umfang dessen, was er unter Föderalismus verstand, vgl. Helmut Rumpler, Max Hussarek. Nationalitäten und Nationalitätenpolitik in Österreich im Sommer des Jahres 1918 (= Studien zur Geschichte der österreichischungarischen Monarchie 4, Graz – Köln 1964) 103: Hussarek wollte das Prinzip der „nationalen Autonomie“ keineswegs in dem Sinne ausgelegt wissen, dass „eigene nationale Staatsgebilde“ innerhalb der Monarchie errichtet werden sollten. Diese Auffassung, „die sich wesentlich von der Idee des Manifestes unterschied“, an dessen Zustandekommen er, wie Rumpler schreibt, „in keiner Weise beteiligt war“, hatte Hussarek am 7. Oktober im Ministerrat noch einmal bekräftigt. 40 Neues Wiener Tagblatt vom 22. Oktober 1918 und vom 24. Oktober 1918, in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest, o. fol. Vgl. dazu auch Rudolf A. Mark, Die gescheiterten Staatsversuche; in: Frank Golczewski (Hg.), Geschichte der Ukraine (Göttingen 1993) 172–201, hier 189.

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stellungen in Warschau (Warszawa) und in Wien entgegen, Ostgalizien „dem neuen ukrainischen Bundesstaat in Österreich“ zu überlassen41. Die Tschechen blieben demonstrativ der Sitzung der parlamentarischen Parteiführer fern, auf der Hussarek das Regierungsprogramm für den Reichsumbau vorgestellt hatte42. Sie teilten Hussarek „schriftlich mit, daß sie die ‚Proklamierung Österreichs als Bundesstaat der Nationalitäten ablehnen müssten‘“43 und proklamierten zwei Tage später ihren eigenen unabhängigen Staat; die entsprechende Washingtoner Deklaration trat am 28. Oktober 1918 in Kraft. Der südslawische Nationalrat lehnte das Manifest ebenfalls ab und löste am 29. Oktober im kroatisch-slawonischen Landtag, dem Sabor, alle staatsrechtlichen Bande mit ÖsterreichUngarn. Stattdessen wurde die Eigenstaatlichkeit und der Zusammenschluss mit dem nationalen Territorium aller Slowenen, Kroaten und Serben erklärt44. Die Rumänen verkündeten bald darauf ebenfalls ihren eigenen Staat und bekundeten ihren Wunsch nach einem „Donaustaatenbund“, der auch das Königreich Rumänien umfassen und dabei Szeklern und Siebenbürger Sachsen eine „weitestgehende Autonomie“ einräumen sollte45. Auch die Italiener vollzogen die endgültige Abkehr vom Reich. Am 25. Oktober 1918 erklärte Enrico Conci namens des „Faszio nazionale“, der als überparteilicher Zusammenschluss die Trentiner „populari“ sowie liberale Abgeordnete aus dem Trentino, Görz-Gradisca und von der Adriaküste repräsentierte, das Ausscheiden der italienischen Gebiete aus dem Reich46. Die Deutschen Böhmens, aber auch die Deutschradikalen in Österreich forderten den Zusammenschluss zu einem deutschen Siedlungsgebiet47. Politiker aus der Steiermark und aus Kärnten behielten sich den Anschluss an das Deutsche Reich vor48. Tirol und Vorarlberg liebäugelten mit einer Eingliederung in die Schweiz. Die ungarische Regierung erklärte den Dualismus für beendet49. Es ist keineswegs gesagt, dass es zu einer Föderalisierung gekommen wäre, hätte das Imperium weiterbestanden. Denn ungeachtet aller späteren Idealisierungen und (Selbst)Stilisierungen war Kaiser Karl ebenso wenig ein eingefleischter Föderalist wie der vormalige Thronfolger Franz Ferdinand50. Beide repräsentierten die Monarchie, deren 41 Vgl. Die Zeit vom 25. Oktober 1918, in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest, o. fol.; Rumpler, Völkermanifest 60. 42 Neue Freie Presse (Morgenblatt) vom 17. Oktober 1918, 2. 43 Rumpler, Völkermanifest 62. 44 Suppan, Hitler – Beneš –Tito I 328. 45 Az Est [Der Abend] vom 26. Oktober 1918, übersetzt in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest o. fol.; vgl. auch Teslaru-Born, Ideen und Projekte 356 f. 46 Vgl. Sten. Prot. AH XXII. Session vom 25. Oktober 1918, 4680 f.; Michael Völkl, Das Deutschenbild Alcide De Gasperis (1881–1945). Ein Beitrag zur Geschichte der italienischen Deutschenwahrnehmung, phil. Diss. (München 2004) 148. 47 Neues Wiener Tagblatt vom 16. Oktober 1918, in: MdÄ Zeitungsarchiv K. 113–3: Manifest des Kaiser Karl zur Neugestaltung Österreichs, o. fol.; Neue Freie Presse (Morgenblatt) vom 17. Oktober 1918, 1 f. 48 Fremden-Blatt (Morgen-Ausgabe) vom 20. Oktober 1918, 4. 49 Pester Lloyd vom 19. Oktober 1918, zusammengefasst in: Ebd; siehe auch Neues Wiener Tagblatt vom 17. Oktober 1918, in: Ebd. 50 Brennan, Reforming Austria-Hungary 304 f.; Lukan, Slowenische Politik 165. Zu Franz Ferdinands schwankenden Reformplänen vgl. Alma Hannig, Franz Ferdinand. Die Biografie (Wien 2013)

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dynastische Grundlagen im Widerstreit mit einem ethnisch-territorialen Föderalismus standen. Die Dynastie bezog ihre Legitimation in Hinblick auf das historische Staatsrecht und die historischen Länder. Dadurch erhielten die historischen Grenzen des Imperiums ein politisches Eigengewicht. Gleichberechtigung und Ungleichheit der Kronländer (und der Nationalitäten untereinander) waren in der fein gestaffelten Hierarchie der historischen Staatsrechte der Königreiche, Grafschaften, gefürsteten Landschaften etc. angelegt. Diese Ungleichheiten wurden durch Verrechtlichung und Rechtsstaatlichkeit innerhalb der cisleithanischen Hälfte der Habsburgermonarchie abgeschwächt, aber niemals vollständig nivelliert. Ein auf nationaler Gleichheit gegründeter Föderalismus stellte diese dynastische Legitimation infrage. Das Völkermanifest Kaiser Karls spiegelte den Widerstreit zwischen einer imperialen und föderal-egalitären Legitimationsgrundlage wider. Der Brückenschlag zwischen einem Bundesstaat auf ethnisch-territorialer Grundlage, der die Freiheit und Gleichheit aller Nationalitäten garantieren sollte, und der versprochenen „Integrität der Länder der heiligen ungarischen Krone“, welche den staatsrechtlichen Dualismus mitsamt der Sonderstellung Ungarns unangetastet ließ, war gewagt. Das bisherige Zusammenspiel mehrerer politischer Ebenen wurde dadurch fortgeschrieben: die föderative Asymmetrie Österreich-Ungarns zugunsten der Magyaren auf der einen Seite, die föderale Symmetrie innerhalb der österreichischen Lande mit einer Gleichheit ausgewählter Nationalitäten auf der anderen Seite. Die föderale Idee nationaler Gleichberechtigung verband das Manifest mit den hergebrachten dynastisch-historischen Ungleichheiten. Die desintegrative Sprengkraft lag darin, dass nicht alle elf anerkannten Nationalitäten gleichmäßig bedacht wurden. Aus diesem Grund ist es ebenfalls zweifelhaft, ob Hussareks Alternative, ein föderaler „Quadralismus“ zugunsten der Deutschen, Ungarn, Tschechen und Südslawen, der das dualistische System überwunden hätte, langfristig erfolgreicher hätte sein können51. 2. Das Föderalismusparadox nach 1918: Der föderale Wirklichkeits- und Möglichkeitsraum lebt fort Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns zeigt sich dem Betrachter des politischen Wirklichkeitsraums in den Nachfolgestaaten ein Föderalismusparadox. In den deutschösterreichischen Kronländern, deren Politiker in der Habsburgermonarchie entlang einer zentralistischen Linie argumentiert hatten, kam es zu einer Föderalisierung. In den Kronländern der westlichen Reichshälfte, die vor 1918 als Hort föderalistischer Bestrebungen gegolten hatten, wurden hingegen Einheitsstaaten errichtet52; so in der Tschechoslowakei, die politisch von den Tschechen dominiert wurde. Schnell verabschiedete sich auch das provisorische Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen von seiner rudimentär-föderalen Ausrichtung. Die Verfassung von 1921 war zentralistisch mit einem 99–103; Jean-Paul Bled, Franz Ferdinand. Der eigensinnige Thronfolger (Wien – Köln – Weimar 2013) 208–222; Vladimir Dedijer, The Road to Sarajevo (London 1967) 118–141. 51 So etwa Rumpler, Völkermanifest 64. 52 Wierer, Föderalismus 159–167.

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gewissen Grad an administrativer Selbstverwaltung. Rumänien, das Land des Autors der „Vereinigten Staaten von Groß-Österreich“53, konstituierte sich ebenfalls einheitsstaatlich, nachdem der Landesrat von Bessarabien seine föderalen Bedingungen bei einer Vereinigung mit Rumänien annulliert hatte. Da die Einheitsstaatlichkeit die gesellschaftliche Vielfalt der Nachfolgestaaten nicht hinreichend einhegen, befrieden und abbilden konnte, blieb der föderale Ideenkosmos aber auch in diesen Ländern als ein omnipräsenter Möglichkeitsraum bestehen. In den Debatten dieser „new empires“54 wurden Föderalismus und Nationalitätenproblem eng verknüpft. Vor diesem Hintergrund der erneuerten Nachkriegsordnung veränderte sich die Wahrnehmung der Föderalismusgeschichte. Die Geschichte der föderalen Ideen nach 1918 knüpfte einerseits an den Wirklichkeitsraum der Habsburgermonarchie an, der die föderalen Ideen produziert hatte, also vor allem an die nationalen Unterschiede sowie außenpolitischen Zwänge. Denn die Nachfolgestaaten erschienen manchen Beobachtern nunmehr lediglich als ein verkleinertes Abbild der Habsburgermonarchie. Die Nachgeschichte bezog sich andererseits auf den Möglichkeitsraum dieser föderalen Ordnungsideen, also hypothetisch darauf, wie eine zukünftige Ordnung in Österreich-Ungarn ausgesehen hätte. Beide Perspektiven verschwammen oft ineinander. Im Rückblick entstand deswegen verschiedentlich der Eindruck, die Habsburgermonarchie sei ein „Reich ohne Eigenschaften“ gewesen: für die einen der zentralistische, illiberale und klerikale „Völkerkerker“, dessen Zerfall unabdingbar war, für die anderen aufgrund der gelebten quasi-föderalen gesellschaftlichen Vielfalt geradezu modellhaft für ein geglücktes Zusammenleben55. So brachte etwa der slowakische rechtskonservative Exilpolitiker Ferdinand Durčanský im Jahr 1962 seine Enttäuschung über die Weltkriegspolitik von Edvard Beneš und Tomáš G. Masaryk zum Ausdruck, indem er auf den politischen Möglichkeitsraum des Habsburgerreiches wie auf eine Wirklichkeit verwies: „Um die Auflösung der Donau-Monarchie moralisch zu rechtfertigen, haben Masaryk und Benesch dieses Reich mit allen damaligen Propagandamitteln als einen ‚Völkerkerker‘ hingestellt. (…) So konnten sie erfolgreich werden, wenn auch die Wirklichkeit weitgehend dagegen sprach. Denn im österreichischen Teil der Monarchie war eine Entwicklung im Gange, die die Interessen und Wünsche der dort lebenden Völker bei der Organisation des Staates immer mehr berücksichtigte.“ Er ergänzt: „Es war Ausdruck der Psychose, die sie beherrschte, daß sie sogar föderalistische Lösungen zugunsten der zur Hälfte nicht-tschechischen Bevölkerung des Staates ablehnten, wie die Tschechen sie selbst in Österreich genossen (…) hatten.“56

53 Aurel C. Popovici, Die Vereinigten Staaten von Groß-Österreich. Politische Studien zur Lösung der nationalen Fragen und staatsrechtlichen Krisen in Österreich-Ungarn (Leipzig 1906). 54 Zur provokanten, gleichwohl überzeugenden These von den Nachfolgestaaten als „neuen Reichen“: Pieter M. Judson, The Habsburg Empire. A New History (Cambridge, Mass. – London 2016) 442–452. 55 Christopher Clark, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog (München 2013; engl. Originalausgabe unter dem Titel: The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914, London – New York 2012) 100. 56 Ferdinand Durčanský, Benesch: Detruisez l‘Autriche-Hongrie! – und die Folgen; in: Der Donauraum 7/4 (1962) 271–281, hier 271 f., 274.

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3. Vom imperialen Reich zur Nationalstaatlichkeit: Neukodierung des föderalen Möglichkeitsraums 1918 In der Historiographie wurde viel Energie darauf verwandt, die zentralstaatliche Wirklichkeit in den Nachfolgestaaten, wie der Tschechoslowakei, mit der Vielfalt der föderalen Möglichkeiten, die man von Österreich-Ungarn geerbt hatte, in eine Beziehung zu setzen. So ist es eine häufig tradierte Erzählung, dass Beneš in der tschechoslowakischen Republik nach 1920 als zentralistischer Hardliner agiert habe, nachdem er noch in seiner rechtswissenschaftlichen Dissertation an der Pariser Sorbonne eine demokratische Föderalisierung Österreich-Ungarns empfohlen hatte. Auch in seinem bekannten Mémorandum III bei den Pariser Friedensverhandlungen propagierte er für die Tschechoslowakei „eine Art Schweiz“. Dieser Wandel wurde oftmals als moralischer Verrat konstruiert und es wurde implizit geschlussfolgert, dass eine föderale Ordnung für die Tschechoslowakei die bessere Lösung gewesen wäre57. In der Tat entwarf Beneš noch im Jahr 1909 in einer seiner ersten politischen Reden, „Otázka národnostní [Die Nationalitätenfrage]“58, für Österreich-Ungarn einen föderalen Möglichkeitsraum. Dies begründete er nicht zuletzt mit der „moderne[n] Tendenz zur Bildung von großen Nationalitätenbundesstaaten“, in denen sich der nationale Gegensatz auflösen werde59. Nach seiner Einschätzung überwog „gegenüber dem Verlangen nach nationaler Einigung“ der „Kosmopolitismus, das Verlangen nach einem internationalen Zusammenschluss und die Tendenz zur Bildung großräumiger staatlicher und politischer Einheiten“60. Als einen der wesentlichen Gründe führte Beneš an, dass sich in politischen Großräumen Demokratie nur durchführen lasse, wenn sie mit Föderalisierung einhergehe61. Nach 1918 wurde der politische Raum des alten Österreich-Ungarn neu kodiert. Das politische Großraumdenken hatte sich vorläufig erledigt, die Auflösung der europäischen Großreiche und Imperien setzte ein62. Die Legitimationsgrundlage der 57 Dazu Michael Havlin, Die Rede von der Schweiz. Ein medial-politischer Nationalitätendiskurs in der Tschechoslowakei 1918–1938 (= Die Deutschen und das östliche Europa. Studien und Quellen 8, Frankfurt/Main – Berlin – Bern – New York – Wien 2011). Vgl. ergänzend zu Masaryks föderaler bzw. nationalstaatlicher Ideenwelt Peter Zenkl, T. G. Masaryk and the Idea of European and World Federation (Chicago 1955). 58 Jindřich Dejmek, Edvard Beneš: politická biografie českého demokrata I: revolucionář a diplomat: 1884–1935 [Edvard Beneš: Politische Biographie eines tschechischen Demokraten I: Revolutionär und Diplomat: 1884–1935] (Prag 2006) 58 ff. 59 Edvard Beneš, Otázka národnostní [Die Nationalitätenfrage]; in: Politické čtení 3 (1909) 22–23. 60 Ebd. 21. 61 Ebd. 18, 22. Beneš steht hier in einer internationalistischen Denktradition, die die Aufhebung nationaler Gegensätze propagiert. Anders dazu die Bewertung bei Case, Federative Ideas 839 f. 62 Vgl. Jörn Leonhard, Ulrike von Hirschhausen, Beyond Rise, Decline, and Fall – Comparing Multi-Ethnic Empires in the Long Nineteenth Century; in: Dies. (Hgg.), Comparing Empires, Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century (= Schriftenreihe der FRIAS School of History 1, Göttingen 2011) 9–34; Andrea Komlosy, Habsburgermonarchie, Osmanisches Reich und Britisches Empire – Erweiterung, Zusammenhalt und Zerfall im Vergleich; in: Zeitschrift für Weltgeschichte 9/2 (2008) 9–62; Alexander J. Motyl, Imperial Ends. The Decay, Collapse, and Revival of Empires (New York 2001); Alan Sked, The Decline and Fall of the Habsburg Empire 1815–1918 (London – New York 1989); Jaszi, Dissolution.

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Großreiche, fußend auf dynastischer Legitimation, Religion, Besitz, Territorium und Region sowie (Multi-)Ethnizität, wurde abgelöst von den Legitimationsgrundlagen der neuen Nationalstaaten. Unter den Schlagworten nationale und demokratisch-individuelle Selbstbestimmung stützten sich diese zum einen auf ein seit dem 19. Jahrhundert entwickeltes Verständnis von nationaler Loyalität und ethnischer Homogenität, zum anderen auf die sozialen Kategorien der Industriegesellschaft mit dem Anspruch auf individuelle Chancengleichheit und demokratische Mitbestimmung. Anstatt einer „Donauföderation“ setzte sich bei den Pariser Friedensverhandlungen die vielteilige nationalstaatliche Lösung durch. Beneš passte seine politische Strategie dementsprechend an. Zur Rechtfertigung der tschechoslowakischen Einheitsstaatlichkeit gegenüber Föderalisierungsforderungen von slowakischer oder sudetendeutscher Seite wurde von Regierungsseite ein bewusster Kontrast zwischen dem Großraum Österreich-Ungarn, dessen Föderalisierung wünschbar und möglich gewesen wäre, und der Tschechoslowakei, die hierfür zu kleinräumig sowie national und wirtschaftlich zu vielgestaltig sei, aufgebaut. In der Außenpolitik wurde für konföderative Gebilde wie die Kleine Entente geworben63, innenpolitisch wurden Föderalisierungsforderungen als nationalistisches Gedankengut abgelehnt. Angesichts des zentralistischen Nationalstaatsparadigmas der Nachkriegszeit ist die Föderalisierung der Republik Österreich die Kehrseite des Föderalismusparadoxes. Das Beispiel Österreich steht für jene Legitimationsgrundlagen des Föderalismus, die nicht auf ethnisch-nationale Vielfalt hin orientiert waren. Jenseits der engen Verknüpfung von Föderalismus und Nationalismus trat Österreich ein anderes föderales Erbe an. Das Land war national relativ homogen, jedoch sozial, wirtschaftlich und konfessionell bzw. weltanschaulich geteilt. Zudem spielte die staatsrechtlich-regionale Tradition der einzelnen Länder eine große Rolle64. Diese spiegelte sich auch innerhalb der Parteien wider; so hieß es vonseiten der Sozialdemokraten über die Christlichsozialen: „Diese Partei erschien in Wien gemäßigt zentralistisch (…), in Niederösterreich (…) jedoch gemäßigt autonomistisch, in Oberösterreich und Steiermark entschlossen autonomistisch, in Kärnten und Salzburg föderalistisch, in Tirol separatistisch und in Vorarlberg direkt abfallbereit.“65 Rudolf Schlesinger machte in seiner Pionierstudie zum Föderalismus in Mittel- und Osteuropa als wesentliche Unterschiede, die in Österreich föderativ ausgeglichen werden sollten und mussten, jene zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen Sozialismus in seiner spezifisch agnostischen, mitteleuropäischen Ausrichtung und dem politischen Katholizismus sowie jene zwischen Stadt und Land aus66. Zugleich hob er Zu den geopolitischen Implikationen der Kleinen Entente umfassend Case, Federative Ideas. Vgl. dazu Nicole Felder, Die historische Identität der österreichischen Bundesländer (Innsbruck – Wien – München 2002). 65 Das Ergebnis der Vereinbarungen über die österreichische Bundesverfassung, Wien o. D., S. II; in: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung (VGA), Parlamentsklub, Materialien, K. 79 Mappe 1 Verfassungsreform. 66 Schlesinger, Federalism 250. Diese Gegensätze schwächten sich erst nach 1955 ab; vgl. dazu Theo Öhlinger, Geschichte, Struktur und Zukunftsperspektiven des kooperativen Bundesstaates in Österreich; in: Peter Bussjäger, Daniela Larch (Hgg.), Die Neugestaltung des föderalen Systems vor dem Hintergrund des Österreich-Konvents (= Föderalismus Dokumente [FÖDOK] 20, Innsbruck 2004) 25–61, hier 31 ff. 63 64

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die politischen Außenbeziehungen der Kronländer als Grund für eine Föderalisierung hervor. Wie im Zitat eben angeklungen, waren unter den Ländern zwei, die im Jahr 1919 eine Sezession anstrebten: Tirol und Vorarlberg. Für die Abspaltung Tirols wurde die von Wien geforderte Garantie der Alliierten nicht gegeben, im Fall Vorarlbergs wollte die Schweiz das Land nicht in ihre Föderation aufnehmen67. Schlesinger zufolge war in der Bundesrepublik Österreich deshalb nicht zuletzt der „Separatismus der Vater des föderalen Kompromisses“. 4. Das Erbe des föderalen Wirklichkeitsraums: Die Bedeutung kooperativer Praktiken für die föderale Integration Es war nicht die Vielfalt, die die föderale Ordnung in Österreich zunächst zusammenhielt. Als Motiv für die Föderalisierung der österreichischen Republik müssen die von Schlesinger hervorgehobenen sozialen, politischen, wirtschaftlichen und konfessionell-weltanschaulichen Unterschiede und die außenpolitischen Separationsmomente ernst genommen werden. Sie erklären, warum Deutschösterreich nach 1918 auf der föderalen Seite des Föderalismusparadoxes zu finden ist. Für die Integration der Bundesländer in die Republik ist ein anderes Erbe aus den Zeiten der Habsburgermonarchie entscheidend, das bislang oft vernachlässigt worden ist: die Geschichte der politischen Kooperation der Kronländer68. Die Kronländer bzw. die späteren Bundesländer in Österreich waren über länderübergreifende politische Projekte und einen gemeinsamen institutionellen Rahmen miteinander verbunden. Für das Funktionieren des föderativen Regierens im österreichischen Bundesstaat nach 1918 kann die Bedeutung dieser kooperativen Praktiken, die in die Zeit der Monarchie zurückreichen, nicht überschätzt werden. In den letzten Jahrzehnten Österreich-Ungarns hatte sich in den Länderverwaltungen der westlichen Reichshälfte ein hoher Grad an Dezentralisation69 eingespielt, der in einem Gegensatz zum theoretischen Unitarismus70 der Monarchie stand. Die Länder investierten bedeutende Summen in Volksbildung, Sozialfürsorge und Infrastruktur und regelten viele dieser Bereiche eigenständig. Nicht umsonst ist oft von der „Verländerung“ Schlesinger, Federalism 251 f. Jana Osterkamp (Hg.), Kooperatives Imperium. Politische Zusammenarbeit in der späten Habsburgermonarchie. Vorträge der gemeinsamen Tagung des Collegium Carolinum und des Masarykův ústav a Archiv AV ČRin Bad Wiessee vom 10. – 13. November 2016 (= Bad Wiesseer Tagungen 39, Göttingen 2018). 69 Karl Renner, Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen in besonderer Anwendung auf Österreich (Wien – Leipzig 1918) 238; Theo Öhlinger, Zur Entstehung, Begründung und zu Entwicklungsmöglichkeiten des österreichischen Föderalismus; in: Aus Österreichs Rechtsleben in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Ernst C. Hellbling zum 80. Geburtstag (Berlin 1981) 313–341, hier 315. 70 Zu diesem theoretischen Unitarismus und zur juristischen Bewertung siehe Wilhelm Brauneder, Die Habsburgermonarchie als zusammengesetzter Staat; in: Hans-Jürgen Becker (Hg.), Zusammengesetzte Staatlichkeit in der europäischen Verfassungsgeschichte. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar vom 19. 3. – 21. 3. 2001 (= Beihefte zu „Der Staat“ 16, Berlin 2006) 197–236; Ders., Deutschösterreich 1918. Die Republik entsteht (Wien 2000) 86–89. Vgl. auch die Beiträge in Willibald Rosner, Reinelde Motz-Linhart (Hgg.), 1861 und die Folgen. Region und Parlamentarismus (= Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 56, St. Pölten 2013). 67 68

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der Verwaltung bzw. von den Kronländern als „Staatsfragmenten“71 die Rede gewesen. Dieses Eigengewicht der Kronländer drückte sich nach 1918 darin aus, dass einige Ländervertreter unter Berufung auf die Pragmatische Sanktion ein Wiederaufleben der Ländersouveränität behaupteten72. Unabhängig von der juristischen Frage, ob der dezentralisierte Bundesstaat Österreich durch die Abgabe der Souveränität der Länder an den Bundesstaat oder, umgekehrt, durch die Delegation souveräner Gewalt vom Einheitsstaat auf die Länder entstanden sei, lässt sich eine politische Einhelligkeit und Einmütigkeit feststellen, den Ländern ihre Stellung nach dem faktischen Modell der späten dezentralisierten Monarchie zu belassen73. Dieses „Modell“ der späten Habsburgermonarchie trug kooperative Züge. Die Kronländer agierten nicht nur unabhängig vom Zentrum, also dezentralisiert, sondern arbeiteten in einigen wichtigen, allerdings vergleichsweise wenigen politischen Fragen eng zusammen. Eine die autonomen Landesverwaltungen überwölbende Ländergemeinschaft existierte zumindest in Ansätzen. Ein Beispiel ist die Neuregelung der Landesfinanzen74. Aufgrund ihres konzertierten Vorgehens konnten die Kronländer der westlichen Reichshälfte, nach einer Reihe sogenannter Länderkonferenzen, die Aufteilung des Steueraufkommens vom Reich auf die Länder zu ihren Gunsten verbessern. Wie Hans Peter Hye betont hat, lag hier das Potential zu einem Herrschaftswandel, zu mehr Kooperation zwischen den Kronländern75. Aufgrund dieser Kooperationserfahrungen konnten die Länder nach 1918 trotz der Separationspläne von Tirol und Vorarlberg rasch an ihre frühere Zusammenarbeit in Cisleithanien anknüpfen. Theo Öhlinger hat darauf hingewiesen, dass die föderale Gliederung in Bundesländer nach 1918 langfristig ein wirkungsvolles Gegengewicht zu parteipolitischen Lagerbildungen darstellte76. Länder wie die Tschechoslowakei, Jugoslawien oder Rumänien hingegen hatten nicht nur wie Deutschösterreich soziale, wirtschaftliche, weltanschauliche und regionale Unterschiede zu bewältigen, sie mussten zusätzlich die inneren Nationalitätengegensätze überbrücken. Anders als Deutschösterreich konnten diese Länder außerdem nicht auf die Geschichte einer gemeinsamen institutionellen Kooperation und auf gemeinsame institutionelle Ausgangsbedingungen zurückgreifen, die desintegrative Tendenzen ausgeglichen hätten. Dies führte zu weiteren Verwerfungen und Dysfunktionalitäten. Die Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien setzten sich jeweils aus historisch ganz unterschied-

71 Vgl. zu dieser Kategorisierung und der Übertragung auf die Habsburgermonarchie Jens Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatsrechtslehre (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 28, Tübingen 2000) 262; Georg Jellinek, Über Staatsfragmente (Heidelberg 1896). 72 Dazu Öhlinger, Österreichischer Föderalismus 315. 73 Ders., Geschichte 29. 74 Jana Osterkamp, „Kooperatives Imperium“. Loyalitätsgefüge und Reich–Länder-Finanzausgleich in der späten Habsburgermonarchie; in: Geschichte und Gesellschaft 42/4 (2016) 592–620. 75 Hans Peter Hye, Die „Länderkonferenz“ (1905–1907) – Ein Versuch gemeinsamer politischer Willensfindung der politischen Eliten der Länder; in: Jan Janák (Hg.), Ústřední moc a regionální samospráva [Zentralmacht und regionale Selbstverwaltung] (= XXX Mukulovské sympozium 1993, Brno 1995) 281–289, hier 281 f. 76 Öhlinger, Österreichischer Föderalismus 316 ff.

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lichen Herrschaftsverbänden zusammen. Dies galt selbst für die Tschechoslowakei, auf deren Territorium die beiden Teilstaaten Österreich (für die böhmischen Länder) und Ungarn (für die Slowakei) eher gegeneinander als miteinander agiert hatten. Für diese Nachfolgestaaten galt viel mehr als für Deutschösterreich, dass Institutionen und Rechtssysteme erst aufeinander abgestimmt und kooperative Praktiken eingeübt werden mussten. In der Praxis bildeten sich dabei institutionelle Asymmetrien heraus. In der Tschechoslowakei wurde das Rechts- und Verwaltungssystem der Länder der böhmischen Krone weitgehend auf die Slowakei ausgedehnt und regionale Traditionen überschrieben77. Auch in Jugoslawien wurde das Verwaltungssystem faktisch von Belgrad und vom ehemaligen Königreich Serbien aus auf die anderen Territorien ausgeweitet78. Gleiches galt für Rumänien79. Diese vereinheitlichenden Maßnahmen wurden nicht integrativ genutzt. Das Überschreiben von regionalen Traditionen und die Überrepräsentation der serbischen Serben, böhmischen Tschechen und Bukarester Rumänen im jeweiligen bürokratischen Apparat, verschiedentlich gepaart mit Korruption und Missmanagement, wurden von den anderen Nationalitäten bzw. in Rumänien von den lokalen Gruppen als überhebliche, wenn nicht koloniale Attitüde aufgefasst80. 5. Gegenprojekte zur Einheitsstaatlichkeit: Radikale Autonomie- und Föderalisierungsprogramme in den späten 1930er Jahren Die Einheitsstaatlichkeit in Ländern wie der Tschechoslowakei, Jugoslawien oder Rumänien wurde in der politischen Öffentlichkeit mit einer Gleichsetzung von Einheitsstaat und Nationalstaat legitimiert. Die diskursive Verflechtung von Einheits- und Nationalstaatlichkeit mit der Idee des „Tschechoslowakismus“ oder „Jugoslawismus“ erschwerte die Kritik. Vertreter einer Föderalisierung oder Dezentralisierung gerieten schnell in Verdacht, die gesamtstaatliche Idee zu verraten. Dennoch blieb die Föderalisierung im politischen Möglichkeitsraum nach 1918 präsent. In allen drei Staaten waren es, abgesehen von den Repräsentanten der nach wie vor zahlreichen Minderheiten, Vertreter der katholischen Bauernparteien, die dezentralistische oder föderalistische Programme propagierten81. In der Tschechoslowakei forderten neben sudetendeutschen Politikern vor allem Politiker der slowakischen, katholisch-autonomistischen Volkspartei eine Föderalisierung ein. Der föderale Möglichkeitsraum der slowakischen Klerikalen changierte zwischen den Polen einer kulturellen, religiösen und sprachlichen Autonomie, einer losen Konföderation nach dem Vorbild des österreichisch-ungarischen Dualismus und einer Föderalisierung 77 Ladislav Lipscher, Verfassung und politische Verwaltung in der Tschechoslowakei 1918–1939 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 34, München 1979) 27, 30. 78 Barbara Jelavich, History of the Balkans, 2 Bde. (Cambridge 1983) II 147. 79 Vgl. dazu Florian Kührer-Wielach, Siebenbürgen ohne Siebenbürger? Staatliche Integration und neue Identifikationsangebote zwischen Regionalismus und nationalem Einheitsdogma im Diskurs der Siebenbürger Rumänen 1918–1938, phil. Diss. (Wien 2013). 80 Vgl. Jelavich, Balkans II 163. 81 Dazu Schlesinger, Federalism 437–441.

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der Tschechoslowakei in einen tschechischen und slowakischen Teil mit weitreichenden legislativen Befugnissen82. Symbolischer Bezugspunkt war das Pittsburger Abkommen vom 31. Mai 1918 zwischen Tomáš G. Masaryk und slowakischen Exilvertretern, das der Slowakei Autonomie und Eigenständigkeit zugesichert hatte. Theoretisches Fundament war die katholische Soziallehre, wonach der Staat „angefangen von der Gemeinde und den einzelnen Menschen, über die Bezirke, die Hauptstadt und das Land, bis hin zum höchsten Staatsorgan“ aufgebaut werden sollte83. Nach diesem Prinzip der Subsidiarität sollten an die zwischen Gesellschaft und Staat vermittelnden höheren Ebenen Regelungskompetenzen nur soweit abgegeben werden, als dies erforderlich war. Diese katholische Grundierung bildete für große Teile der slowakischen Bevölkerung ein wichtiges emotionales Abgrenzungskriterium gegenüber dem als areligiös wahrgenommenen Nationalismus der Tschechen84. Gegenwind erhielten diese Forderungen von dem mehrmaligen Minister und Politiker der Tschechoslowakischen Partei in der Slowakei Milan Hodža, der gegen eine Fragmentierung der gesamtstaatlichen Souveränität durch eine territorial-legislative Föderalisierung polemisierte und sich lediglich für größere Selbstverwaltungsrechte aussprach85. So differenziert dieser föderale Möglichkeitsraum auch war, so beschränkt war der föderale Wirklichkeitsraum: Die Gesetzesanträge der Slowakischen Volkspartei [Slovenská l’udová strana; später: Hlinkova slovenská l’udová strana] für eine größere Landesautonomie in den Jahren 1922, 1930 und 1938 scheiterten bereits an der Schwelle des parlamentarischen Initiativausschusses und wurden im Abgeordnetenhaus nicht einmal diskutiert86. 82 Siehe Jörg K. Hoensch (Hg.) unter Mitarbeit von Gerhard Ames, Dokumente zur Autonomiepolitik der Slowakischen Volkspartei Hlinkas (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 44, München – Wien – Oldenburg 1984); Ders., Tschechoslowakismus oder Autonomie. Die Auseinandersetzungen um die Eingliederung der Slowakei in die Tschechoslowakische Republik; in: Hans Lemberg, Peter Heumos (Hgg.), Das Jahr 1919 in der Tschechoslowakei und in Ostmitteleuropa. Vorträge der Tagung des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 24. bis 26. November 1989 (= Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 17, München 1993) 129–158; Elisabeth Bakke, Doomed to Failure? The Czechoslovak Nation Project and the Slovak Autonomist Reaction 1918–38 (Oslo 1999); Emilia Hrabovec, Der Heilige Stuhl und die Slowakei 1918–1922 im Kontext internationaler Beziehungen (= Wiener Osteuropa-Studien 15, Frankfurt/Main – Berlin – Bern – New York – Oxford – Wien 2002); Bartholomäus Feldinger, Föderalismus in der Tschechoslowakei. Eine Analyse der slowakischen Frage unter besonderer Berücksichtigung außenpolitischer Akte der Republik Österreich für die Jahre 1919/20 und 1968/69, Diplomarbeit (Wien 2008); Xénia Šuchová, Idea československého štátu na Slovensku 1918–1939: protagonisti, nositelia, oponenti [Die Idee des tschechoslowakischen Staates in der Slowakei 1918–1939: Protagonisten, Träger, Gegner] (Bratislava 2011). 83 Vgl. die Rede von Ferdiš Juriga in der tschechoslowakischen Nationalversammlung vom 23. Jänner 1920, übersetzt in: Hoensch (Hg.), Dokumente 129. 84 Vgl. Feldinger, Föderalismus 9, 18. 85 Šuchova, Idea [Idee] 80. Wie Beneš rückte auch Milan Hodža unter den neuen politischen Vorzeichen von seinen noch für Österreich-Ungarn verfassten Autonomieplänen teilweise ab. Vgl. Milan Hodža, Memorandum für Franz Ferdinand, 1911; in: ÖStA, HHStA, Nl. Franz Ferdinand K. 114 Denkschriften; vgl. dazu auch seine Memoiren: Ders., Schicksal Donauraum. Erinnerungen. Mit einem Geleitwort von Otto von Habsburg (Wien – München – Berlin 1995; engl. Ausgabe unter dem Titel: Federation in Central Europe: Reflections and Reminiscences, London 1942). 86 Bakke, Doomed to Failure 475 f.

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Die Deutschen in der Tschechoslowakei entfalteten einen föderalen Möglichkeitsraum, der den slowakischen Vorstellungen in vielen Aspekten ähnelte. Auch dieser umfasste die Optionen Autonomie und Föderalisierung87. Der von den Deutschböhmen im Jahr 1918 geforderte Zusammenschluss der von ihnen mehrheitlich bewohnten Territorien mit Deutschland oder mit Österreich war auf den Friedenskonferenzen gescheitert – wie auch der in Wien von vielen Seiten befürwortete „Anschluss“ Österreichs an Deutschland88. Die Kantonisierung der Tschechoslowakei nach Schweizer Muster wurde trotz des Memorandums III von Beneš auf den Pariser Friedenskonferenzen, dessen Bewertung in der Historiographie zwischen einem völkerrechtlichen Versprechen und einem unverbindlichen „promise of good intent“ schwankt, in den 1920er Jahren nicht weiter ernsthaft verfolgt89. Im föderalen Möglichkeitsraum der Deutschen in der Tschechoslowakei entstand eine wichtige andere Option. Da die Deutschen über kein „geschlossenes Siedlungsgebiet“ verfügten, machte sich im Laufe der 1930er Jahre die Sudetendeutsche Partei unter der Führung Konrad Henleins frühere Ideen der österreichischen Sozialdemokratie zu eigen und entwickelte deren Konzept eines nicht-territorialen, personellen Föderalismus in einer rechtskonservativen Richtung90. Durch parlamentarische Kurien, nationale Kataster, ein nationales Bildungssystem sowie einen staatlich sanktionierten Wirtschaftsnationalismus sollte das öffentliche kulturelle, soziale und wirtschaftliche Leben national segmentiert werden. Gegen diese Konzepte regte sich erheblicher Widerstand unter anderen deutschen Politikern, vor allem unter Sozialdemokraten und Agrariern. Ihre weitaus moderateren Forderungen nach größerer Verwaltungsautonomie fanden allerdings wenig Gehör, auch wenn sie seit dem Ende der 1920er Jahre die tschechoslowakische Regierung unterstützten und einzelne Minister stellten. Der Führer der sudetendeutschen Partei Konrad Henlein hingegen entzog sich der parlamentarischen Diskussion. Stattdessen 87 Detlef Brandes, Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 107, München 22010); Václav Kural, Konflikt místo společenství? Češi a němci v československém státě (1918–1938) (Praha 1993; dt. Ausgabe unter dem Titel: Konflikt anstatt Gemeinschaft? Tschechen und Deutsche im Tschechoslowakischen Staat [1918–1938], Praha 2001); Ladislav Lipscher, Die parteipolitische Struktur der Minderheiten und ihre staatsrechtlichen Vorstellungen zur Lösung der nationalen Frage in der Tschechoslowakei (1918–1930); in: Bohemia 22/2 (1981) 342–380; Vladimír Goněc, Centralismus a autonomismus v politickém životě meziválečného Československa. K opomíjem rozmĕrům problému [Zentralismus und Autonomismus im politischen Leben der Tschechoslowakei während der Zwischenkriegszeit. Zu vernachlässigten Aspekten des Problems]; in: Časopis matice moravské 116/1 (1997) 233–244; Jaroslav Valenta, Emil Voráček, Josef Harna (Hgg.), Československo 1918–1938. Osudy demokracie ve střední Evropě [Die Tschechoslowakei 1918–1938. Das Schicksal der Demokratie in Mitteleuropa], 2 Bde. (Praha 1999). 88 Margaret MacMillan, Paris 1919. Six Months That Changed the World (New York 2003) 243– 256. 89 Michael Havlin beleuchtet die unterschiedlichen Inhalte des Schweiz-Begriffs und die korrespondierende Debatte in den Geschichtswissenschaften; siehe Havlin, Rede von der Schweiz 121–135. 90 Zu den Quellen aus dem Umfeld der Sudetendeutschen Partei vgl. die Zusammenstellung bei Jana Osterkamp, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Tschechoslowakei (1920–1939). Verfassungsidee – Demokratieverständnis – Nationalitätenproblem (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 243, Frankfurt/ Main 2009) 203–242.

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instrumentalisierte er die Föderalismus- und Autonomiefrage als außenpolitische Spielkarte. Für ihren Autonomiegewinn rechnete die Sudetendeutsche Partei in der Tschechoslowakei von vornherein mit dem wachsenden politischen Druck von außen. In Jugoslawien gab es unter den staatstragenden Völkern, den Serben, Kroaten, bosnischen Muslimen und Slowenen, in der Zwischenkriegszeit eine ähnlich klare Verteilung von föderalen und zentralistischen Präferenzen wie in der Tschechoslowakei. Die Zentralisierung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen im Juni 1921 nach dem Vorbild des bereits zuvor existierenden serbischen Nationalstaates folgte serbischen Interessen, ebenso die administrative Neuordnung in Departements im Jahr 1929, welche die historischen Provinzen abschaffte91. Die stärkste Opposition gegen den Zentralismus ging von der 1904 gegründeten Kroatischen Bauernpartei [Hrvatska pučka seljačka stranka] unter der Führung des 1928 ermordeten Stjepan Radič aus92. Allerdings verhielten sich auch die anderen kroatischen Parteien und die nicht-serbischen Nationalitäten ablehnend. Der Staatsaufbau blieb aus ihrer Sicht hinter ihren Autonomierechten im Habsburgischen oder Osmanischen Reich weit zurück, aus Sicht der Serben war er durch die militärischen Erfolge Serbiens in den Balkankriegen gerechtfertigt93. Wie in der tschechoslowakischen Slowakei, kam es auch in Jugoslawien zu Inhaftierungen namhafter Politiker der autonomistischen Parteien. Hochverratsvorwürfe wurden für bloße Kritik am serbischen Zentralismus erhoben94. Wie die Sudetendeutsche Partei in der Tschechoslowakei, so suchte die Kroatische Bauernpartei Unterstützung im Ausland für die innenpolitische Durchsetzung ihrer autonomistischen Ziele. Die Kroatische Bauernpartei ging zunächst eine Allianz mit der sogenannten Kommunistischen Bauerninternationale in der Sowjetunion ein und wurde daraufhin verboten. Aus der Haft versprach Radič die Unterstützung der Regierung, ein klarer Akt der „Unterwerfung“95. Wenige Jahre später arbeiteten die Kroatische Bauernpartei und serbische Demokraten ein föderalistisches Regierungsprogramm aus. Ein neuer föderaler Möglichkeitsraum an der Schwelle zum föderalen Wirklichkeitsraum entstand und wurde gleich wieder zerstört: Am 6. Januar 1929 suspendierte König Alexander I. die Verfassung, löste das Parlament auf und führte die Königsdiktatur ein96. In Rumänien organisierten Székler und Siebenbürger kaum Widerstand gegen den staatlichen Zentralismus97. Wie in der Tschechoslowakei und Jugoslawien standen zwar auch am Beginn des rumänischen Staates die Forderung und das Versprechen eines föderalen Staatsaufbaus, am prominentesten vertreten von den politischen Führern Sieben-

91 Zur politischen Aushandlung dieser Fragen siehe Dejan Djokič, Elusive Compromise. A History of Interwar Yugoslavia (London 2007). 92 Dazu Mark Biondich, Stjepan Radić, the Croat Peasant Party, and the Politics of Mass Mobilization, 1904–1928 (Toronto 2000). 93 Jelavich, Balkans II 151. 94 Ebd. 151, 155. 95 Holm Sundhaussen, Geschichte Jugoslawiens 1918–1980 (Stuttgart – Berlin – Köln – Mainz 1982) 66. 96 Jelavich, Balkans II 156 f. 97 Wierer, Föderalismus 166 f.

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bürgens und Bessarabiens98. Bessarabien stellte seinen Beitritt unter die Bedingung, dass die Autonomie des Landes in einem föderalen Staatsgebilde weiterbestehe. Die siebenbürgisch-rumänische Nationalversammlung verlangte mit den Karlsburger Beschlüssen, anknüpfend an die Forderungen der Siebenbürger in Ungarn, ebenfalls Autonomie99. Die von den rumänischen Liberalen durchgesetzte Verfassung von 1923 verfolgte jedoch eine rein zentralistische Richtung100. Wie Serbien für Jugoslawien, so wurde das rumänische „Altreich“ zum Muster für den Staatsaufbau Rumäniens. Rechtsordnung, Schul- und Bildungswesen, Wirtschaftsverfassung, Steuersystem und vor allem die Zentralverwaltung wurden für alle neu hinzugekommenen Regionen übernommen101. Kritik an dieser zentralistischen Linie mündete nur selten in echte Föderalisierungsforderungen. Dies lag auch daran, dass ein Ethnoföderalismus für Rumänien ausschied. Zwar betrug der Anteil der nationalen Minderheiten fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Diese bildeten jeweils für sich genommen jedoch keine zahlenstarke Gruppe und waren politisch unzureichend organisiert, nicht zuletzt wegen der zahlreichen rechtlichen und administrativen Schwierigkeiten, die solchen Organisationen in den Weg gelegt wurden102. Von den größeren Minderheiten, den Ungarn, Deutschen und Juden, akzeptierten die Deutschen und Juden ihre Stellung im neuen Staat. Für die mit ihrer Lage unzufriedenen Ungarn bot sich aufgrund ihrer Siedlungslage keine föderale ethnisch-territoriale Grenzziehung an, die versprochenen autonomen Strukturen wurden ihnen nicht gewährt103. Unter den ethnischen Rumänen gab es zwar zum Teil ebenfalls Unmut über die von Bukarest ausgehende Zentralisierung, dieser produzierte jedoch keine alternativen föderalen Ideen. Das föderalistische Erbe Popovicis war unpopulär, und auch verwandte Ideen sahen sich dem Vorwurf des Separatismus ausgesetzt104. Die politische Entwicklung ging in eine Richtung, die stattdessen auf Dezentralisierung und Regionalisierung der Verwaltung setzte. So entwarf die Koalitionsregierung aus Rumänischer Nationaler Partei aus Siebenbürgen [Partidul Național Român] und der Bauernpartei aus Bessarabien [Partidul Țărănesc] mit Ministerpräsident Alexandru Vaida-Voevod an der Spitze das Programm für eine Agrarreform und dezentralisierte Verwaltung. Ungeachtet solcher Intentionen führte das Gesetz zur öffentlichen Verwaltung aus dem Jahr 1925 jedoch zu einer weiteren Zentralisierung und Ausrichtung auf Bukarest105. Erst der rumänische Nationalpolitiker aus Siebenbürgen Iuliu Maniu nahm Ende der 1920er Vgl. dazu Kührer-Wielach, Siebenbürgen 200–213. Zur Autonomie Siebenbürgens als Bestandteil von Föderalisierungsprojekten vgl. Teslaru-Born, Ideen und Projekte 272–298; vgl. auch Harald Roth, Der „Deutsch-sächsische Nationalrat für Siebenbürgen“ 1918/1919 (= Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks: Reihe B, Wissenschaftliche Arbeiten 63, München 1993) 62. 100 Kührer-Wielach, Siebenbürgen 212–221. 101 Ekkehard Völkl, Rumänien. Vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart (Regensburg 1995) 90 f. Die Rechtsvereinheitlichung sollte sich allerdings mehrere Jahrzehnte hinziehen. 102 Völkl, Rumänien 112–115. 103 Teslaru-Born, Ideen und Projekte 358. 104 Föderalisierungspläne für Siebenbürgen galten als destabilisierend und wurden zum Teil abgestritten. Vgl. Kührer-Wielach, Siebenbürgen 49–52, 238, 315 f. 105 Jelavich, Balkans II 162. 98 99

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Jahre diese Ideen wieder auf und richtete sieben Verwaltungseinheiten entlang der historischen Grenzen (Ministerialdirektorate) ein106. Aufgrund seines Rücktritts 1930 und der folgenden faktischen Königsdiktatur wurde dieses Programm zurückgenommen. 6. Im Schatten der Großraumpolitik des Dritten Reiches: Föderalisierung und die Diskreditierung föderaler Ideen In den Jahren 1938 und 1939 kam es sowohl in der Tschechoslowakei als auch in Jugoslawien zu quasi-föderalen Reformen. Sowohl der tschechisch–slowakische Gegensatz als auch der Widerstand der Kroaten gegenüber der serbischen Dominanz ließen die zentralstaatlichen Systeme als überholt erscheinen. Auch die Verschiebungen im außenpolitischen Gefüge trugen dazu bei, dass die Proponenten des Einheitsstaats an Gewicht verloren. In beiden Fällen warf die Großmachtdynamik des Deutschen Reiches ihre Schatten voraus. Kurz nach der Föderalisierung wurden sowohl die Slowakei als auch Kroatien zu Vasallenstaaten des nationalsozialistischen Deutschland. Die strategische Handels- und Wirtschaftspolitik Deutschlands, die darauf abzielte, Jugoslawien und Rumänien, später auch die Slowakei, außenwirtschaftlich vom Deutschen Reich abhängig zu machen, präfigurierte die spätere außenpolitische Neuorientierung dieser Staaten107. Mit der tschechoslowakischen Verfassungsreform im November 1938, nach „München“ und vor dem Einmarsch der deutschen Truppen im März 1939, wurde der Slowakei und dem östlichen Landesteil, der Karpathenukraine, eine weitgehende föderale Selbstbestimmung gewährt108. Diese umfasste alle Fragen, mit Ausnahme der Außenpolitik, Wirtschaft, Finanzen, Kommunikation und Verteidigung. Der neue Bundesstaat, die Tschecho-Slowakei, war asymmetrisch. Dies zeigt schon ein kurzer Blick auf die Verwaltungsstruktur. Neue Behörden auf der Ebene der Gliedstaaten wurden lediglich für die Slowakei eingerichtet, für den tschechischen Landesteil übernahmen die „Zentralbehörden“ diese Aufgabe. Ein föderalisierter Staat existierte also nur im slowakischen Landesteil. Diese strukturelle Einseitigkeit, das Bestehen eines föderalen slowakischen Gliedstaats im tschecho-slowakischen Einheitsstaat, ging auf die Entstehungsgeschichte der Verfassungsreform zurück. Die Verfassungsrevision übernahm einen Autonomiegesetzentwurf der Slowakischen Volkspartei, der – damals noch in enger Abstimmung mit der Sudetendeutschen Partei – bereits im Juni 1938 in deren Parteiorgan Slovák [Der Slowake] veröffentlicht worden war. In einer Zeit der außenpolitischen Demütigung der Prager Eliten, der Unsicherheit und Resignation, stellte die Föderalisierung nicht das Ergebnis eines gleichberechtigten politischen Aushandlungsprozesses zwischen Tschechen, 106 Kurt Scharr, Rudolf Gräf, Rumänien. Geschichte und Geographie (Wien – Köln – Weimar 2008) 61. 107 Völkl, Rumänien 102; Holm Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im nationalsozialistischen Großraum 1941–1945. Das Scheitern einer Ausbeutungsstrategie (= Studien zur Zeitgeschichte 23, Stuttgart 1983) 20. 108 Vojtech Mastny: The historical experience of federalism in East Central Europe; in: East European Politics and Societies 14/1 (2000) 64–96.

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Slowaken und den anderen verbliebenen Nationalitäten dar, sondern glich eher einem Diktat. Die Politiker der Karpathenukraine übernahmen die slowakischen Forderungen wortwörtlich. Noch wenige Tage vor dem Einmarsch deutscher Truppen und der Ausrufung des „Protektorats Böhmen und Mähren“ erklärten die Slowakei und die Karpathenukraine ihre Unabhängigkeit. Die Slowakei wurde ein Staat von Hitlers Gnaden, die Karpathenukraine wurde mit deutscher Duldung von ungarischen Truppen besetzt. In Jugoslawien sollte die Bildung einer autonomen Banschaft „Kroatien“ die Wünsche der Bauernpartei befriedigen. Das Abkommen vom 26. August 1939 zwischen dem neuen Ministerpräsidenten Dragiša Cvetković mit dem Führer der Bauernpartei Vladko Maček entwarf keinen föderal-integrativen Plan für eine nationale Gleichberechtigung der vielen Völker Jugoslawiens, sondern stattete ausschließlich die Kroaten mit weitgehenden Autonomierechten und einem Verwaltungsterritorium aus, das große Teile Kroatiens, Dalmatiens und Bosnien-Herzegowinas umfasste109. Ähnlich wie in der TschechoSlowakei fiel die Föderalisierung einseitig aus und enthielt kein Integrationsangebot für alle Nationalitäten. Auch hier sollten Verteidigung, Außenpolitik, Verkehr und Finanzen gemeinsame Angelegenheiten bleiben, die Bereiche Wirtschaft, Inneres, Bildung und Justiz gehörten zur kroatischen Selbstverwaltung. Die Außenpolitik stand dabei Pate. Dass die Slowakei ihre Eigenstaatlichkeit kurz zuvor mit Hitlers Unterstützung erlangt hatte, führte den Regierungskreisen die Gefahr einer südslawischen Parallelaktion vor Augen110. Innenpolitisch löste die Vereinbarung eine Welle ähnlicher Forderungen von Seiten der Serben, Slowenen und bosnischen Muslime aus. Letztere protestierten insbesondere dagegen, dass ein Teil der historischen bosnisch-herzegowinischen Region ungefragt den Kroaten zugeschlagen worden war. Aber selbst die Kroaten zeigten sich mit dem Ausgleich nicht zufrieden111. Mit Ausbruch des Krieges und dem drohenden Einmarsch italienischer Truppen gab Jugoslawien seinen Neutralitätskurs auf und trat dem deutsch– italienisch–japanischen Dreimächtepakt bei. Die territoriale Integrität Jugoslawiens wurde von Hitler zugesichert. Wenige Tage später startete er jedoch eine Aggression gegen Belgrad, die Jugoslawien binnen elf Tagen zur Aufgabe zwang. 109 Jan Gebhart, Jan Kuklík, Druhá republika 1938–1939. Svár demokracie a totality v politickém, společenském a kulturním životě [Die Zweite Republik 1938–1939. Der Streit zwischen Demokratie und Totalitarismus im politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben] (Praha 2004); Peter Švorc, Zakletá zem. Podkarpatská Rus [Verwünschtes Land. Die Karpathoukraine] 1918–1946 (Prag 2007); Jörg K. Hoensch, Tschechoslowakismus oder Autonomie. Die Auseinandersetzung um die Eingliederung der Slowakei in die Tschechoslowakische Republik; in: Hans Lemberg, Michaela Marek, Horst Förster, Franz Machilek, Ferdinand Seibt (Hgg.), Studia Slovaca. Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei von Jörg K. Hoensch. Festgabe zu seinem 65. Geburtstag (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 93, München 2000) 71–106; Eduard Nižňanský, Die Machtübernahme von Hlinkas Slowakischer Volkspartei in der Slowakei im Jahre 1938/39 mit einem Vergleich zur nationalsozialistischen Machtergreifung 1933/34 in Deutschland; in: Monika Glettler, L’ubomír Lipták, Alena Míšková (Hgg.), Geteilt, besetzt, beherrscht. Die Tschechoslowakei 1938–1945: Reichsgau Sudetenland, Protektorat Böhmen und Mähren, Slowakei (= Veröffentlichungen des Instituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa 25, Essen 2004) 249–287. Zeitgenössisch siehe Rudolf Schranil, Der Versuch eines staatsrechtlichen Umbaus der Tschecho-Slowakei und ihr Ende; in: Zeitschrift für Ostrecht 5 (1939) 541–567. 110 Siehe Tvrtko P. Sojčić, Die „Lösung“ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945. Kalküle und Illusionen (= Historische Mitteilungen, Beiheft 71, Stuttgart 2008) 53. 111 Marie-Janine Calic, Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert (München 2010) 133.

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Die Achsenmächte Deutschland und Italien etablierten in Mittel- und Südosteuropa eine neue Ordnung, ein System gestufter Abhängigkeiten, einen politischen „Großraum“. Der Völkerrechtler Carl Schmitt, der die Rede vom Großraum wie kein anderer prägte, nahm in seiner Schrift „Völkerrechtliche Großraumordnung“ eine vielsagende völkerrechtliche Begriffsbestimmung vor112. Die Vorstellungen von (National)Staatlichkeit seien überholt, denn die Idee von klaren territorialen Grenzen werde vom Prinzip des Großraums überlagert. Statt der Nationalstaaten seien die Reiche die führenden und tragenden Mächte, deren politische Idee in einen bestimmten Großraum ausstrahle und die für diesen Großraum die Interventionen fremdräumiger Mächte ausschließen würden113. Diese zusammengesetzte „Reichs“-Ordnung des nationalsozialistischen Großraums gründete auf einer „historischen und natürlichen Hierarchie der Völker“ und stellte deren Volkswirtschaften in den Dienst Deutschlands und Italiens. Hitlers „Neue Ordnung“ ging in den Ländern allerdings mit einer gewaltsamen „Neuen Unordnung“ einher, geprägt vom Terror der Besatzer, aber auch von Bürgerkriegen sowie ethnischen und religiösen Konflikten114. Sowohl Deutschland als auch Italien waren im Inneren straff zentralistisch aufgebaut. Der „Großraum“ der Achsenmächte in Mittel- und Südosteuropa unterlag diesem zentralistischen Anspruch nicht. Um besser beherrschbar zu sein, setzte sich dieser aus kleinen, von Italien oder Deutschland abhängigen Teilen zusammen. Dieses abgestufte Abhängigkeitssystem umfasste viele Gebiete des alten Österreich-Ungarns. Dieser „Großraum“ bestand aus dem annektierten Slowenien, besetzten Ländern wie Serbien, dem Banat, Dalmatien, Montenegro und Griechenland, dem „Protektorat Böhmen und Mähren“, Vasallenstaaten wie der Slowakei und Kroatien sowie den Verbündeten Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Dem Machtkalkül wurden dabei nicht nur historische, sondern auch nationale Grenzziehungen geopfert. Die Ordnungseinheiten waren weder gegenüber den Achsenmächten noch untereinander gleichberechtigt. Dass zwei „Reiche“ einen Großraum kontrollierten, führte zu ständigen Konflikten – in Südosteuropa zumeist auf Kosten Italiens115. Es war zynisch, wenn Joachim von Ribbentrop im Jahr 1943 dieser Ordnung der Ungleichberechtigten das Label der „Vereinigten Staaten von Europa“ verpassen wollte116. Wirkliche Föderalisierung war unter diesen Umständen unmöglich. Lag der föderalen Idee die gleichberechtigte Repräsentation von nationaler Vielfalt in der Einheit zugrunde, so wurde dies von der hierarchischen Logik des „Großraums“ und der Hybris der Rassenideologie per se ausgeschlossen. Auch innerhalb der politischen Einheiten des Großraums stand aufgrund der klaren zentralistischen Vorgaben eine Föderalisierung nicht zur Diskussion. Ebd. 134. Dazu und zum Folgenden Carl Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht (= Schriften des Instituts für Politik und internationales Recht an der Universität Kiel N. F. 7, Berlin – Wien 1939) 70. Ein Überblick bei Rüdiger Voigt (Hg.), Großraum-Denken. Carl Schmitts Kategorie der Großraumordnung (= Staatsdiskurse 3, Stuttgart 2008). 114 Schmitt, Großraumordnung 69. 115 Vgl. dazu Stevan K. Pavlowitch, Hitler’s new disorder. The Second World War in Yugoslavia (New York 2008). 116 Calic, Geschichte Jugoslawiens 141. 112 113

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7. Staatssozialismus und föderales Erbe: Einheitsstaatlichkeit als pragmatische Herrschaftspolitik Im Exil entwickelten sich die Ideen für eine föderale Ordnung während des Zweiten Weltkrieges umso vielfältiger117. Diese Vorstellungen rechneten für das östliche Nachkriegseuropa auf die politische Unabhängigkeit der Einzelstaaten und waren gegen die Ausweitung des Staatssozialismus unter sowjetischer Ägide gerichtet118. Der Kalte Krieg änderte die Bedingungen politischer Ordnung. In den nach 1945 wieder auflebenden Staaten wie der Tschechoslowakei, Jugoslawien, Österreich und Rumänien setzte sich eine Föderalisierung nur durch, wenn diese Länder sich dem politischen Gravitationszentrum Moskau vollständig, wie etwa in Österreich, zu einem erheblichen Teil, wie in Jugoslawien, oder zumindest vorübergehend, wie in der Tschechoslowakei, entziehen konnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstruierte sich die Tschechoslowakei als Einheitsstaat, Jugoslawien wurde als Föderativstaat verfasst. In beiden Fällen war der Ruf nach föderalen Reformen aber nicht verstummt. In der Tschechoslowakei bestand der slowakische Wunsch nach einer föderalen Lösung fort, während umgekehrt auf tschechischer Seite Föderalisierungsforderungen oft als ein ausschließlich slowakisches Problem wahrgenommen wurden119. Und da Jugoslawien lediglich formell die Eigenständigkeit der sechs Teilrepubliken betonte, die konkreten Politikfelder jedoch stark unitarisch ausrichtete, blieb auch hier die Forderung nach mehr föderaler Selbstbestimmung z. B. unter Kroaten und später den Bosniern virulent. So wie der „Prager Frühling“ in der Tschechoslowakei, so stieß auch der „Kroatische Frühling“ in Jugoslawien Ende der 1960er Jahre Verfassungsreformen mit mehr föderalen Rechten der Teilstaaten an. Bis in die 1980er Jahre hinein gewannen die jugoslawischen Teilrepubliken kontinuierlich an Autonomie, in vielen politischen Fragen verlagerte sich die Entscheidungsfindung in die jugoslawischen Landeshauptstädte. Auch in der Tschechoslowakei konnte noch im Oktober 1968, ein Vierteljahr nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Paktes, eine neue Bundesstaatsverfassung verabschiedet werden. Diese enthielt moderne rechtsstaatliche Garantien für die föderalen Kompetenzen der beiden Länder120. Dazu auch Case, Federative Ideas 845. Dazu Schlesinger, Federalism 477–484. Hier kann nur eine Auswahl genannt werden. Vgl. Milan Hodža, Federation in Central Europe. Reflections and Reminiscences (London 1942); Eduard Táborský, The Polish-Czechoslovak Confederation. A Story of the First Soviet Veto; in: Journal of Central European Affairs 9/4 (1950) 379–395. Einige Schriften zielten dabei auch auf die Föderalisierung ganz Europas, vgl. George Young, Federalism and Freedom: Or, Plan the Peace to Win the War (London – Oxford 1941); Peter Jordan, Central Union of Europe (New York 1944). Weitere Hinweise bei Case, Federative ideas 834 f. 119 Überblick bei Hubert Ripka, A federation of Central Europe (New York 1953); siehe auch Oskár Jászi, Danubia: Old and New; in: Proceedings of the American Philosophical Society 93/1 (1949) 1–31, hier 26 f.; Piotr Stefan Wandycz, Czechoslovak-Polish Confederation and the Great Powers 1940–43 (= Indiana University publications. Slavic and East European series 3, Bloomington 1956). 120 Scott A. Brown, Socialism with a Slovak face: The Slovak question in the 1960s, phil. Diss. (Washington 2010). 117 118

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Wichtiger war, dass sie ostentativ die staatsrechtliche und politische Gleichstellung von Tschechen und Slowaken betonte und somit ein politisches Integrationsangebot enthielt. Die Zeit der sogenannten Normalisierung verhinderte jedoch eine politische Verwirklichung dieser föderalen Verfassungsideale, nicht zuletzt mit Blick auf Moskau121. Ein Blick auf die innenpolitische föderale Ordnung der Sowjetunion zeigt allerdings, dass die Abstoßungskräfte zwischen Föderalismus und Staatssozialismus geringer waren als man annehmen könnte. Die sozialistische Staatsidee in sowjetischer Lesart war ambivalent gegenüber (ethno)föderalen Ordnungen. In der Theorie galt Föderalismus als bourgeoises Ordnungsideal, das eine andere bourgeoise Ordnungseinheit, die Nation, konserviere und damit eine Hemmschwelle auf dem Weg zu einer universalistischen sozialistischen Weltordnung darstelle. Dieser Linie folgte auch die Ablehnung eines Nationalitätenbundesstaates nach dem Modell der Austromarxisten durch Lenin und Stalin. In der Praxis jedoch wurde die frühe Sowjetunion in kleine territoriale Einheiten mit Autonomie für bestimmte Ethnizitäten und personale Netzwerke mit Kulturautonomie für eine zerstreut lebende Bevölkerung zergliedert. Wie es Yuri Slezkine formuliert hat, gab es in der großen sowjetischen Gemeindewohnung Zimmer für alle Ethnizitäten122. Dieses von Lenin inaugurierte, zunächst als transitorisch verstandene Modell überdauerte in seinen Grundzügen die Zeit bis zum Zerfall der Sowjetunion. Dabei verstärkte sich in der Sowjetunion der 1980er Jahre der Trend in Richtung eines Ethnoföderalismus, bei dem sich Nationalismus und Föderalismus gegenseitig verstärkten123. In Hinblick auf den Verfassungsaufbau der Blockstaaten ließ sich die Sowjetunion ebenfalls von einer pragmatischen Herrschaftspolitik leiten. Die Vorliebe für die Einheitsstaatlichkeit war nicht allein der staatssozialistischen Ideenwelt geschuldet. Diese fußte wohl zugleich auf dem Kalkül, dass sich der politische Einfluss der Sowjetunion besser geltend mache, wenn sich Moskau jeweils an die Spitze der zentralistischen Staatspyramide ihrer Satellitenstaaten stellen könne. Zugleich herrschte die Befürchtung, dass eine weitere Föderalisierung an den Rändern des sowjetischen Staatsgebildes, wie etwa 1968 und 1969 in der Tschechoslowakei, föderalistische Tendenzen innerhalb der Sowjetunion, in diesem Fall in der Ukraine, befördern und destabilisierend wirken könne124. Der „Frühlingsföderalismus“ der 1960er Jahre in der Tschechoslowakei und in Jugoslawien währte nicht viel länger als eine Saison. In der Tschechoslowakei stand er nur

121 Jozef Žatkuliak (Hg.), Federalizácia československého štátu [Die Föderalisierung des tschechoslowakischen Staates] 1968–1970 (= Prameny k dějinám československé krize 5 [Quellen zur Geschichte der tschechoslowakischen Krise 5] 1967–1970) (Brno 1996). 122 Ders., Deformácia ústavneho zákona o československej federacii po oktobri 1968 [Die Deformation des Verfassungsgesetzes über die tschechoslowakische Föderation nach dem Oktober 1968]; in: Historický časopis [Historische Zeitschrift] 40/4 (1992) 473–485. 123 Yuri Slezkine, The USSR as a Communal Apartment, or How a Socialist State Promoted Ethnic Particularism; in: Slavic Review 53/2 (1994) 414–452. 124 Vgl. Gregory Gleason, Federalism and Nationalism: The Struggle for Republican Rights in the USSR (Boulder 1990); siehe auch Philip G. Roeder, Soviet Federalism and Ethnic Mobilization; in: World Politics 43/2 (1991) 196–232; ders. Ethnofederalism and the Mismanagement of Conflicting Nationalisms; in: Regional & Federal Studies 19/2 (2009) 203–219.

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auf dem Papier, sodass im Jahr 1990 noch einmal „richtig“ föderalisiert wurde. In Jugoslawien waren die Landesautonomien institutionell viel stärker ausgeprägt, dennoch erfüllten sich die Wünsche nach einer föderalen Einhegung der inneren Konflikte nicht. Während das tschechoslowakische Parlament 1992 ohne Volksbefragung die Auflösung des Staates und eine Trennung in einen tschechischen und in einen slowakischen Teil beschloss, kam es in Jugoslawien zum Bürgerkrieg und zur gewaltsamen Aufspaltung des Landes. 8. Viel Erbe und viele Erben In der Geschichte der Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie blieben föderale Pläne ein konstitutiver Teil des politischen Möglichkeits- und des politischen Wirklichkeitsraums. In politischen Krisen- und Umbruchzeiten, sei es 1938, 1968 oder 1989, kehrte der föderale Gedanke immer wieder prominent zurück. Es wäre allerdings zu einfach, darin ausschließlich das föderale Erbe der Habsburgermonarchie zu erblicken. Längst webten sich in die Geschichte der Nachfolgestaaten andere Stränge und Einflüsse ein. Zugespitzt könnte man sagen, es gab in Hinblick auf den Föderalismus in der Habsburgermonarchie weder das Erbe noch den Erben, sondern viel Erbe und viele Erben. Es kam zu einer regionalen „Erbteilung“, verteilt auf die Nachfolgestaaten Tschechoslowakei, Jugoslawien, Rumänien oder Österreich. Politisch-ideell wurde das „föderale Erbe“ von den Akteuren vor Ort umgedeutet und umgeschrieben: Der Föderalismus erhielt über die letzten fast hundert Jahre hinweg demokratisch–republikanische, monarchische, katholische, ständestaatlich–korporatistische und staatssozialistische Prägungen. Diese Vielfalt föderaler Ideenwelten war bereits in der Habsburgermonarchie angelegt. Der Föderalismus wurde schon vor 1918 katholisch–konservativ, sozialdemokratisch–austromarxistisch, ethnisch–national oder ethnoreligiös interpretiert. Daraus bezog die föderale Idee ihre hohe Attraktivität. Sie bot die Möglichkeit, nationale und ethnische, konfessionelle und kulturelle, wirtschaftliche und soziale Unterschiede zu ordnen und mit einem politischen Programm, das sehr unterschiedlich ausfallen konnte, zu verbinden. Darin liegt ein wichtiges Erbe der Habsburgermonarchie: Föderalismus als Ordnung von Vielfalt zu verstehen. Dass manche föderalistischen Projekte langfristig erfolgreicher waren als andere, führt zugleich die herrschaftssoziologische Ambivalenz der föderalen Idee vor Augen. Der Föderalismus hält die Alternativen Integration oder Separation, Zusammenhalt oder Zerfall in der Schwebe. Er führt weder notwendigerweise zu einer erfolgreichen Integration gesellschaftlicher Vielfalt, noch notwendigerweise zur Aufspaltung in Teilstaaten. Ein auf Integration angelegter Föderalismus bietet lediglich die Chance, ein Zusammenleben in Vielfalt zu ermöglichen. Dies funktioniert nachhaltig vor allem dann, wenn ein Bewusstsein für die das föderale Gemeinwesen verbindenden Gemeinsamkeiten gegeben ist oder geschaffen wird. Kooperativen Praktiken zwischen Institutionen und zwischen föderalen Gliedstaaten kommt dabei eine hohe Bedeutung zu. Wird die rechtlich garantierte, sei es national–ethnische, religiöse, soziale oder regio-

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Ein Reich ohne Eigenschaften?

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nale Vielfalt hingegen als ein Mittel gegen die staatliche Einheit eingesetzt, so wirkt Föderalismus separierend in Richtung Sezession125. Zu den Bedingungen, die das föderale Erbe der Habsburgermonarchie veränderten, gehörte nicht zuletzt der Wandel der politischen Raumordnungen. Der Übergang der imperialen Großräume in die kleinteiligere Nationalstaatlichkeit nach 1918, die Wiederkehr des Großraumdenkens durch den Expansionismus des Dritten Reiches und Italiens in den 1930er Jahren sowie der ideologische und faktische Einfluss des Staatssozialismus nach 1945 und die Neukodierung des politischen Raums in der Transformationszeit nach 1989 stehen für die räumliche Bedingtheit föderalen Denkens. Trotz des sich wandelnden Raum- und Herrschaftsdenken in der post-habsburgischen Region hat sich allerdings die zentrale Attraktivität des Föderalismus erhalten: Föderalismus war und ist eine der wichtigsten Ordnungsideen zur Integration gesellschaftlicher Vielfalt.

125 Insofern ließen sich zahlreiche Bezüge zu neueren politikwissenschaftlichen Föderalismusstudien herstellen. Vgl. etwa Will Kymlicka, Is Federalism a Viable Alternative to Secession?; in: Percy B. Lehning (Hg.), Theories of Secession (= European political science series, London – New York 1998) 109–148. Zum Problem von Separation, (Ethno)Föderalismus und Institutionengefüge umfassend Andreas Heinemann-Grüder, Föderalismus als Konfliktregelung. Indien, Russland, Spanien und Nigeria im Vergleich (Opladen – Berlin – Toronto 2011).

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Verzeichnis der Abkürzungen AC AD AMAE AOK BBC BC BEF Bd./Bde. bzw. CAB Cf. ČSR DDP DDI ders. d.h. DNVP DVP ebd. ed./eds. et. al. FBI FÖDOK f./ff. fol. FO FRIAS GAČR Hg.(Hgg.) hg (hgg.) HHStA Ibid. KA KPD KPÖ KSČ/KPČ k.u.k. LSE MdÄ MOL NARA NATO NEP NGO’s

Chamberlain Manuskripts Birmingham University Library Anno Domini Archiv Ministère des Affairs Etragères Armeeoberkommando British Broadcasting Corporation before Christ British Expeditionary Force Band/Bände beziehungsweise Cabinet Archives confer Česka Slovenska Republika Deutsche Demokratische Partei Documenti Diplomatici Italiani derselbe das heißt Deutschnationale Volkspartei Deutsche Volkspartei ebenda editor/editors et alias Federation of British Industries Föderalismus Dokumente following/folgende Folio Foreign Office Freiburg Institute for Advanced Studies Grantová Agentura České republiky [Tschechische Forschungsagentur] Herausgeber herausgegeben Haus-, Hof- und Staatsarchiv ibidem Kriegsarchiv (Wien) Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei Österreichs Komunistická strana Československa [Kommunistische Partei der Tschechoslowakei] kaiserlich und königlich London School of Economics and Political Science (öst.-ung.) Ministerium des Äußeren Magyar Országos Levéltár [Ungarisches Nationalarchiv] National Archives and Records Administration (United States) North Atlantic Treaty Organization New Economic Policy Non-Governmental-Organisations

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Verzeichnis der Abkürzungen

Nl. Nr./No. NSDAP N.N. ÖVP ÖStA OSI PA POS-US. PRO CAB PWW Red. /red. Res. S. I. E. Slg. SPÖ SRs Sten. Prot. AH

Nachlass Nummer, Numero Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nomen nescio Österreichische Volkspartei Österreichisches Staatsarchiv Österreichisches Ost- und Südosteuropa-Institut Politisches Archiv Position United States Public Record Office London, Cabinet (The) Papers of Woodrow Wilson Redaktion/redigiert Reservatakten Serviciului de Informaţii Externe (Foreign Intelligence Service) Sammlung Sozialistische Partei Österreichs/Sozialdemokratische Partei Österreichs (Ukrainian) Socialist Revolutionaries Stenographische Protokolle über die Sitzungen der Abgeordneten des österreichischen Reichsrathes Sten. Ber. NV Stenographische Berichte über die Verhandlungen der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung Sten. Ber. RT Stenographische Berichte über die Verhandlungen des [deutschen] Reichstags TV Television UPR Ukrainian People’s Republic/Ukrainische Volksrepublik [Ukraïns’ka Narodna Respublika/UNR] USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands VGA Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung vgl. vergleiche vol. volume zit. zitiert z.Zt. zur Zeit

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Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur

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Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur

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Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur

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Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur

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Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur

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Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur

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Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur

tin Scheutz, (Hgg.), Glanz – Gewalt – Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie (1800 bis 1918) (= Frieden und Krieg. Beiträge zur historischen Friedensforschung 18, Essen 2011) 199–220. Zürcher, Erik Jan, Turkey. A Modern History (London – New York 32004). Zürcher, Jan Erik, The Unionist Factor. The Role of the Committee of Union and Progress in the Turkish National Movement, 1905–1926 (Leiden 1984). Zürcher, Erik Jan, What was Different About the Ottoman War?; in: Pera-Blätter 27 (2014) 1–20. Županič, Jan, Rakousko-Uhersko a polská otázka za první světové války [Österreich-Ungarn und die polnische Frage nach dem Ersten Weltkrieg] (Praha 2006). Županič, Jan, Václav Horčička, Hana Králová, Na rozcestí: rakousko-uherská zahraniční služba v posledních letech existence monarchie [Am Scheideweg: der österreichisch-ungarische auswärtige Dienst in den letzten Jahren des Bestandes der Monarchie] (Praha 2009). Zweig, Stefan, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers ([Stockholm 1942], Berlin 2015). Zwitter, Fran, Jaroslav Šidak, Vaso Bogdanov (Hgg.), Les problèmes nationaux dans la monarchie des Habsbourg (Beograd 1960).

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Personenregister Abdülhamid II., Sultan des Osmanischen Reiches 420, 429 Ablonczy, Balázs 182 Ádam, Magda 366, 376, 378 Addison, Christopher 343 Adenauer, Konrad 6, 22 Adler, Friedrich 68, 154 f. Adler, Victor 154 Afflerbach, Holger 31 Ajrapetov, Arutjun 413 Albertini, Luigi 5 (Anm. 16) Alexandrescu, Raoul 266 (Anm. 70) Alexander der Große/Alexander the Great 29 Alexander I. Karađorđević (Karadjordjević), König von Jugoslawien 234 f., 366, 381, 449 Allmayer-Beck, Johann Christoph 11 (Anm. 59) Almaş, Dumitru [Pseud.] (=Alincăi Dumitru) 264, 266 (Anm. 72) Ancel, Jacques 360 Anderson, Benedict 17 Andrássy, Gyula d. Ä. 164 (Anm. 2) Andrássy, Gyula d. J. 63 f. Andrian-Werburg, Leopold von 148 Andrić, Ivo 234 Antonescu, Ion 256 (Anm. 8), 259 Antonov-Ovseenko, Vladimir 294, 304, 311 (Anm. 87) Apponyi, Albert 51, 181 (Anm. 53) Ardelt, Rudolf 154 Arendt, Hannah 393 Asquith, Herbert Henry 46, 333 f. Atatürk (Mustafa Kemal Pascha) 420 Auerbach, Bertrand 360 Avarna, Giuseppe 325 Averescu, Alexandru 271 (Anm. 93), 272 Badea, Daniel 272 Bainville, Jacques 360 Bakinsky, Sergei 292 Baldwin, Stanley 351–355 Balfour, Arthur 44, 78 (Anm. 149), 137 (Anm. 128), 333, 344 (Anm. 53), 348, 424, 427 Bang, Paul 122 (Anm. 52) Bariéty, Jacques 375

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Baring, John 349 (Anm. 69) Bârseanu, Andrei 265 (Anm. 66), 268 Barthou, Louis 379–381 Bataković, Dušan 238 Batthyány, Lajos 166 Baudelaire, Charles 278 Bauer, Franz 147 Bauer, Otto 39, 57, 66–69, 152, 154 f., 157, 403 Beatty, David R. 340 (Anm. 37) Bednarik, Ignat 258 (Anm. 23), 274, 276 Bencze, László 324 Benedikt, Heinrich 11 (Anm. 59) Beneš, Edvard 5, 189 f., 193, 195 f., 198, 203 f., 206, 222 (Anm. 92), 226, 352 f., 362, 364– 366 (Anm. 32), 372, 375 f., 441–443, 447 f. (Anm. 85) Beneš, Hana 222 (Anm. 92) Beneš, Jakub 226 Berchtold, Leopold 98 f. (Anm. 3) Berghahn, Volker R. 128 Berndt, Emil 120 Berthelot, Philippe 364 Bethlen, István 364 (Anm. 22), 371, 377 Bethmann Hollweg, Theobald von 126 f., 136 f., 285 Bhopal, Begum of (Kaikhusrau Jahan) 41 Bianco, Carlo Angelo, Graf von Saint Jorioz 101 Bihl, Wolfdieter 286 Biliński, Leon Ritter von 236 f. Bismarck, Otto von 8, 31 f., 59 (Anm. 48) Bissolati, Leonida 324, 327 Bjelajac, Mile 236, 238 f. Blackett, Basil 348 (Anm. 67) Bled, Jean Paul 13 Blessing, Ralph 363, 369 Blobaum, Robert 248 f. Blum, Léon 382 Bogdan, Rareș 256 Bogdanov, Vaso 8 Bogoliubskiy, Andrew 305 (Anm. 71) Boia, Lucian 255–259, 271 f., 281 Bonar Law, Andrew 351 Borodziej, Włodzimierz 172 (Anm. 23) Bosworth, Richard 323 Bourne, John M. 22 f.

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Personenregister

Boyce, Robert 33 Boyer, John 92 f. Brandt, Alfred 99 Brandt, Friedrich 97–99 Brătianu, Ion (Ionel) I. C. 264 (Anm. 59) Briand, Aristide 40, 71, 368–370 Bridge, Francis Roy 73, 76 f. Brix, Emil 91 (Anm. 216) Brooke, Rupert 27 Bruckmüller, Ernst 153 Brunhes, Jean 360 Brüning, Heinrich 369 Brunner, Otto 60 f. Buchanan, George 332 Bulei, Ion 281 (Anm. 149) Bülow, Bernhard von 314 (Anm. 99), 374 Buresch, Karl 373 f. Burger, Hannelore 91 (Anm. 216) Burgwyn, James H. 323 Burke, Edmund 32 Butler, Herminio Frederick 97 Buzatu, Gheorghe 256 (Anm. 8) Cabanes, Bruno 44 f. Calder, Kenneth 72 Calliard, Vincent 117 (Anm. 33) Camilar, Eusebiu 261 (Anm. 37) Canis, Konrad 143 Cantacuzino, Mihail G. 275 Cantacuzino, Maruca siehe Maria Rosetti-Tescanu Carol II., König von Rumänien 277 (Anm. 128) Carroll, David 280 Case, Holly 389, 432 Castiglioni, Camillo 153 Catherine II of Russia/Katharina II. von Russland 293 Cavour, Camillo Benso di 323 Ceauşescu, Elena 271 Ceauşescu, Nicolae 262–264, 266, 269 (Anm. 87), 271 Cecil, Robert 72 (Anm. 113), 76 (Anm. 138), 78 (Anm. 149), 349 (Anm. 69, 70), 353 f. (Anm. 92) Chamberlain, Ida 354 f. (Anm. 89) Chamberlain, Joseph Austen 345, 347, 351, 353– 357, 368 Charles-Roux, François 372 Charmley, John 21, 43 Chernev, Borislav 286, 296 (Anm. 40), 298, 300 (Anm. 52), 301 Chicherin, Georgy 302 (Anm. 56) Chickering, Roger 36

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Chitac, Marcel 259 (Anm. 28) Chruščëv, Nikita S. 261 (Anm. 38), 264 (Anm. 55), 408 Churchill, Winston 6, 25, 37, 244, 246, 354 Chwalba, Andrzej 252 Clam-Martinic, Heinrich 62, 191 (Anm. 6) Clark, Christopher 17, 97, 105, 107 (Anm. 37), 134–143, 288 f., 296 (Anm. 40), 319 Clausewitz, Carl von 103 Clauzel, Bertrand 372 Clemenceau, Georges 35, 75, 125, 338, 341 f., 363, 367 Codreanu, Corneliu Zelea 256 (Anm. 8), 273 Cohen, Gary B. 84, 93 Conci, Enrico 439 Conrad von Hötzendorf, Franz 236 Constantiniu, Florin 257 (Anm. 14) Constin, Miron 264 (Anm. 55) Coolidge, Archibald Cary 5 Cornelißen, Christoph 110 Ćorović, Vladimir 235, 238 Craig, Gordon A. 26 Crainic, Nichifor [Pseud.] (= Ion Dobre) 274 Crankshaw, Edward 70 Crewe-Milnes, Robert (1st Marquess of Crewe) 354 Crnjanski, Miloš 228 Crow, Jim 395 Crowe, Eyre 342 f., 351, 353–355 Csáky, Moritz 91 (Anm. 216) Curinaldi, Aloisius 228 f. Curtius, Julius 369 Curzon, George 341 (Anm. 37), 344 (Anm. 53), 347 (Anm. 66), 350 f. Cvetković, Dragiša 452 Cvijić, Jovan 230, 240 Czernin, Ottokar 2 (Anm. 4), 75, 196, 284, 290, 296, 297 (Anm. 44), 298 f., 301–303, 306 f. Daladier Édouard 382 Damo, Andrei 259 (Anm. 28) D’Annunzio, Gabriele 321 Darwin, John 42 Daudet, Léon 35 David, Eduard 310 (Anm. 84) Davies, Norman 254 Dawes, Charles 352 f., 357, 368 De Gaulle, Charles 6, 107 De Vauban, Sébastien Le Prestre 32 Deák, Ferenc 54 Deák, István 84–86 Deak, John 78, 83 (Anm. 173), 93 f.

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Personenregister Dedijer, Vladimir 238 Delbrück, Hans 399 Denikin, Anton I. 318 Denis, Ernest 359 f. Depretis, Agostino 321 Deržavin, Nikolaj 406, 408 Deschanel, Paul 363 Dieckhoff, Hans Heinrich 98 Dimitrijević-Apis, Dragutin 231 Dimter, August 147 f. Diószegi, István 177 Dmowski, Roman 251 Dodik, Milorad 233–235 Dollfuß, Engelbert 158 f. Doroshenko, Dmytro 290, 304 f. (Anm. 71) Douhet, Giulio 103 f. (Anm. 26) Doumergue, Gaston 379 f. Draghici, Ion 259 (Anm. 28) Dreyfus, Alfred 32 Drimmel, Heinrich 12 Drummond, Eric 342 Dschingis Khan/Genghis Khan 28 f. Dunikowski, Xawery 248 Durčanský, Ferdinand 441 Eichhorn, Hermann von 313–316 (Anm. 105) Eisenhower, Dwight D. 6 Eisenmann, Louis 359 f. Elena/Helene von Griechenland 277 (Anm. 128) Engel-Janosi, Friedrich 11 (Anm. 59), 81 Engels, Friedrich 266, 405 Eötvös, József 54 Erdmann, Karl Dietrich 10, 128, 131 Erdoğan, Recep Tayyip 423 Erzberger, Matthias 315 f. Evans, Richard 24 Faisal I., König des Irak 427 Fasora, Lukáš 223 Fay, Sidney Bradshaw 122 f., 138 Fedyshyn, Oleh S. 284 (Anm. 5), 286, 295 f. (Anm. 40), 301 f., 307 (Anm. 74), 312–315 Fein, Elke 110 Fellner, Fritz 11, 69, 157 Ferdinand I., König von Rumänien 277 (Anm. 128) Ferdinand I., König von Böhmen und Ungarn, röm.-dt. König und Kaiser 163 (Anm. 2), 165 Ferenc II. Rákóczi 164 (Anm. 2) Ferguson, Niall 21 f., 34, 133 f. Ficke, Carl 97 (Anm. 1)

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Figl, Leopold 161 Fink, Carole 389 Fischer, Fritz 8, 31, 34, 125–130, 132 f., 135, 138, 142 f., 228, 238, 285 f., 307, 317 Fitzgerald, F. Scott 23 Flandin, Pierre-Etienne 372 (Anm. 63) Foerster, Friedrich Wilhelm 1 f (Anm. 1), 4 Forgách, János/Johann 312, 314 (Anm. 100), 316 (Anm. 108, 110) Fournol, Étienne 359 Franz II. (I.), röm.-dt. Kaiser (österreichischer Kaiser) 80 Franz Ferdinand von Österreich-Este 104, 123, 228, 233, 237 f., 240, 414, 439 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn 13, 50, 54, 60, 65, 85, 153, 163 Freud, Sigmund 27 f., 46 Freytagh-Loringhoven, Axel von 122 (Anm. 52) Friedrich II. von Preußen/Frederick (the Great) II., King of Prussia 28, 32, 34, 47 Friedrich, Carl J. 26 Fritsch, Gerhard 10 Fučík, Josef 219 Fürstenberg, Karl Emil zu 98 Gadei, Catalin 259 (Anm. 28) Galandauer, Jan 215–217, 223 Gandhi, Mahatma 42 f., 394 Gane, Nicolae 261 (Anm. 37) Garašanin, Ilija 230 Garibaldi, Giuseppe 323 Gascoyne-Cecil, James, 4th Marquess of Salisbury 353 (Anm. 84) Gasser, Adolf 128 Gavrilović, Miroslav (= Patriarch Irinej von Niš) 234 Geiss, Imanuel 129 Gellner, Ernest 17 Georgescu Titu 266 (Anm. 72) Georges-Picot, François 40, 424, 427 Gerő, András 165 Gerwarth, Robert 36 f., 44 Gienow-Hecht, Jessica C. E. 31 Giolitti, Giovanni 322 Glaise-Horstenau, Edmund 63 Goebbels, Joseph 35 Goga, Octavian 277–279 Gömbös, Gyula 377, 379 Good, David 88 Goode, William 345 f. Gorkij, Maxim 402 Gottwald, Klement 208

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Personenregister

Gratz, Gusztáv 176 Grey, Edward 123, 332 f., 343 Grigorescu, George 259 (Anm. 28) Groeber, Adolf 310 Groener, Wilhelm 311 (Anm. 88), 312–317 Grot, Konstantin 397 Gumz, Jonathan 392 Gutschke, Willibald 133 Gyáni, Gábor 178 Habsburg, Otto von 85, 155, 158 Hafiz al-Assad 429 Haig, Douglas 22 f. Hajdu, Tibor 177 Hájková, Dagmar 222 (Anm. 92) Hanak, Harry 72 Hanák, Péter 53, 55 f., 172, 177, 182 Hanisch, Ernst 68 Hankey, Maurice 341 f., 350, 354 (Anm. 92) Hannig, Alma 237 (Anm. 34) Hanotaux, Gabriel 5 Hantos, Elemér 371 f., 376 Hantsch, Hugo 11, 409 Harding, Warren 345 Hardinge, Charles 338 (Anm. 30) Harris, Arthur T. 103 Harrison Thomson, S[amuel] 11 (Anm. 57) Haslinger, Peter 91 (Anm. 216) Hasse, Otto 312 (Anm. 92) Hastings, Max 21 Havlíček, Karel 198 Havlin, Michael 448 (Anm. 89) Haydn, Joseph 157, 159 Hayek, Friedrich August von 152 Hayes, Carlton J. H. 5 Headlam-Morley, James 339, 355 Healy, Maureen 224 (Anm. 101) Heeren, Arnold Herrmann Ludwig 113 f. Heilig, Konrad Josef 159 Heinrich V., König von England/Henry V of England 29 Henlein, Konrad 448 Herriot, Édouard 353 f. (Anm. 90, 91), 367 f. Herrnritt, Rudolf von 84 Herron, David George 2 Hertling, Georg von 127, 136 f. (Anm. 131), 139 (Anm. 140), 302 (Anm. 56), 303 (Anm. 60), 309 f. (Anm. 82) Herzen, Alexandr 398 Hildebrand, Dietrich von 159 Hildebrand, Klaus 131, 133 Hilferding, Rudolf 39 f.

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Hillgruber, Andreas 131, 133 Himly, Auguste 359 Hindenburg, Paul von 32 Hirschfeld, Charles 26 Hirshman, Albert 197 Hitler, Adolf 22, 35, 38, 44, 47, 50, 144, 160, 231, 278, 285, 379, 382, 452 f. Hobsbawm, Eric 17, 142 Hobson, John A. 39 Hockerts, Hans Günther 109 Hodža, Milan 447 Hoffmann, Max 287, 290, 298, 302, 307 (Anm. 74), 314 f. (Anm. 105), 317 f. Hoffmannsthal, Hugo von 157 Hohenlohe-Schillingsfürst, Gottfried zu 99 (Anm. 9), 314 (Anm. 100) Holubovych, Vsevolod 298, 309 f. Holzer, Jerzy 250 Hölzle, Erwin 126, 131 Hoover, Herbert 248, 345 (Anm. 55) Hope, Victor, Marquess of Linlithgow 43 Horak, Stephan M. 284 (Anm. 5), 286, 310, 313 Horne, John 24 (Anm. 16), 36 Horthy, Miklós 176, 182, 376 f. (Anm. 80), 381 House, Edward 333 Howard, Esme 338, 341 f. Howard, Michael 22–26, 30–32, 39, 47 Hrushevsky, Mykhailo 284 (Anm. 5), 298 (Anm. 49), 305 Hull, Isabel 389, 392 Hussarek von Heinlein, Max 1 f., 74, 435, 437– 440 Hussein ibn Ali, Scherif von Mekka 427 Hutečka, Jiří 223 f. Hye, Hans Peter 445 Imperiali, Guglielmo 325 Ionescu, Take 364 f. Iorga, Nicolae 265, 275, 280 Irinej von Niš, Patriarch siehe Gavrilović, Miroslav Islamov, Tofik 413 Jacini, Stefano 321 Jackson, Henry 333 (Anm. 7) Jarosch, Walter 312 (Anm. 92) Jászi, Oscar/Oszkár 49, 52 f., 55–58, 61, 79, 81, 86 (Anm. 185), 167, 176 Jelavich, Charles 11 (Anm. 57) Jenkins, Douglas 291, 304 (Anm. 66) Jeszenszky, Géza 169 Jindra, Zdeněk 216 f., 220 Jinnah, Muhammad Ali 43

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Personenregister Joffe, Adolph/Adolf 297 Joll, James 130 f. Joseph II., römischer Kaiser 79 Joynson-Hicks, William 352 (Anm. 83) Judson, Pieter 82 (Anm. 169), 83 (Anm. 173), 91, 93–95 (Anm. 230), 151 f. Judson, William V. 291 Jünger, Ernst 35 Juriga, Ferdiš 447 (Anm. 83) Kaczmarek, Ryszard 252 Kádár, János 181–183 Kaledin, Alexei 293 f. Kalina, Antonín 434 Kálnoky, Gustav 88 Kann, Robert A. 7 f., 11 (Anm. 57), 12, 66, 80– 82, 85 f. (Anm. 185), 91 (Anm. 216) Kapeljuš, Fedor 403 f. Karadžić, Vuk 230 Karl I. (IV.) (Carl Franz Joseph), Kaiser von Österreich/König von Ungarn 2, 13 f., 50, 60, 63 f., 75, 80, 100, 153, 163 (Anm. 3), 166, 296, 307, 314, 335, 337, 364, 431–433, 436– 440 Karl II. Wilhelm Ferdinand von Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel (Duke of Brunswick) 32 Karl VI. (Karl III. von Spanien), röm.-dt. Kaiser 163 Kárník, Zdeněk 211 f. Károlyi, Gyula 376 f. Károlyi, Mihály 53, 164 (Anm. 3), 167 f. (Anm. 12), 174 (Anm. 30), 180, 184 f. Karpeles, Benno 436 Katus, László 169 Kautsky, Karl 39 Keegan, John 134 Kell, Joseph 98 Kellogg, Frank B. 368 Kelsen, Hans 155 Kennan, George F. 8, 25 f., 38 f., 44, 46, 71, 86, 172 (Anm. 23) Kennedy Paul M. 139 Kerenski/Kerensky, Alexander F. 39, 184 Kerner, Robert J. 5 Kernstock, Ottokar 157, 159 Kerr, Philip 72 (Anm. 113), 342 (Anm. 41) Keynes, John Maynard 32, 34 Khrushchev Nikita siehe Chruščëv, Nikita Khrystiuk, Pavlo 284 f. (Anm. 5), 286, 290, 293 (Anm. 32), 306, 311, 318 Khuen-Héderváry, Sándor 380 Kienzl, Wilhelm 156 f.

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Kiriţescu, Constantin 276 Klahr, Alfred 10 Kleinwächter, Friedrich G. 58 f., 69 Klepl, J. 209 (Anm. 32) Klípa, Bohumír 218 Klofáč, Václav 436 Knox, Alfred 291 Koch, Hans 12 Kocka, Jürgen 130, 133 Kogan, Arthur 76 Kogan, Norman 322 Kohn, Hans 11, 17, 26, 59, 86 (Anm. 185) Kolb, Ernst 12 Komlos, John 88 Komorowski, Bronisław 243 Kopecký, Václav 209 (Anm. 33) Korošec, Anton 433 Kosáry, Domokos 182 Koselleck, Reinhart 141 Kossuth, Lajos 54, 72, 163 (Anm. 2), 166 Kotljarewskij, Sergej 401, 415 Kotsiubynskyi, Yuri 305 (Anm. 71) Kovalevs’kyi, Mykola 294 Kozári, Mónika 170 Král, Václav 215 Krallert, Wilfried 12 Kramář, Karel 189 f. Kramer, Alan 36 Kraus, Karl 11, 153 Krauss, Alfred 313 Kreisky, Bruno 155 Křen, Jan 215, 220 f. Křížek, Jaroslav 209, 212 f., 216 Kromer, Bela 259 (Anm. 28) Krylenko, Nikolai V. 293 Kubů, Eduard 222 Kučera, Rudolf 223 (Anm. 97), 225 f. Kühlmann, Richard von 290, 299, 302 f. (Anm. 58) 307–310, 313 f. (Anm. 101) Kun, Béla 180 (Anm. 51), 340 f. Kusturica, Emir 233 f., 237 Kuzmanović, Zoran 233 LaFeber, Walter 107 Lambrino, Ioana 277 (Anm. 128) Lammasch, Heinrich 2, 436 Lampson, Miles 348 (Anm. 67) Lansing, Robert 71, 75 f., 318, 336 (Anm. 23) Lapchinskyi, Georgii 304 f. Laqueur, Walter 20 Laval, Pierre 372, 375, 381 Łazarski, Stanisław 434

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Personenregister

Lebedour, Georg 310 (Anm. 84) Léger, Louis Paul 359 Lemberg, Eugen 17 Lenin, Wladimir I./Vladimir I. 39 f., 262, 266, 269 (Anm. 87), 283, 286, 294, 297, 302, 304 f., 385 f., 390 f., 394, 401–404, 411, 455 Leonhard, Jörn 141 f., 144, 189, 194 Leopold II., Kaiser, König von Böhmen und Ungarn (Großherzog der Toskana) 79 f., 163 (Anm. 2) Leopold von Bayern/Leopold of Bavaria 303 Leopoldi, Hermann 159 Lerchenfeld, Hugo von und zu 136 f., 139 (Anm. 140) Leser, Norbert 67 Levyts’kyi, Mykola 298, 308, 315 (Anm. 103) Liddell Hart, Basil H. 30 Liiceanu, Gabriel 257 Link, Arthur 5 Lippmann, Walter 5 Liubyns’kyi, Mykola 298 f., 303, 308, 315 Ljubibratić, Dragoslav 232 Lloyd George, David 33, 42, 46, 71, 73, 125, 334 f., 337–345, 347 f., 350 f., 354, 390 Lloyd-Greame, Philip 349 (Anm. 69) Lord, Robert 341 Lotots’kyi, Oleksander 290 Ludendorff, Erich 24, 32, 35, 76, 102, 298, 307 f., 312, 314, 336 Ludwig XIV, König von Frankreich/Louis XIV 32, 47 Lueger, Karl 278 Luxemburg, Rosa 39, 402 Macarie, Valentin 259 Macartney, Carlile A. 6, 56, 79, 85 MacDonald, James Ramsay 352 f. Maček, Vladko 452 Mamatey, Victor S. 5, 71, 75 f. Manela, Erez 43 f., 388–390, 394 Maniu, Iuliu 261, 450 Mann, Thomas 113, 145 Mantoux, Paul 180 (Anm. 50) Mao Zedong 261 (Anm. 38) Marek, Jindřich 219 Maria Theresia, Königin von Böhmen und Ungarn und Erzherzogin von Österreich 163 (Anm. 2) Marghiloman, Alexandru 271 (Anm. 93) Martens, Friedrich Fromhold 101 Martonne, Emmanuel de 359–361 Marx, Karl 33, 266, 405

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Masaryk, Tomáš (Thomas) Garrigue 5, 73, 189 f., 193–199, 203 f., 206, 208–212, 222, 292, 387, 392, 441 f. (Anm. 57), 447 Maulnier, Thierry 280 (Anm. 145) Max(imilian) von Baden 317 May, Arthur J. 6, 50, 52, 70, 75 Mayer, Arno J. 385 f., 390 f. Mazower, Mark 388 f., 394 Mazzini, Giuseppe 323 McLynn, Frank 23 Medek, Rudolf 204 Medvedev, Efim 299 Meinl, Julius 2 Metternich(-Winneburg), Clemens Wenzel Lothar von 19 Michael I./Mihai I. von Rumänien 277 Miller, Alexej 414 Millerand, Alexandre 363 f. Milner, Alfred 42 f., 335 (Anm. 13) Mirbach-Harff, Wilhelm von 301, 302 (Anm. 56) Mises, Ludwig von 152 Missong, Alfred 157, 161, Mitrofanov, Pavel 397–399 Mitrović, Andrej 238 Mittelmann, Norbert 98 Molenda, Jan 250 Moltke, Helmuth von 139 Mombauer, Annika 24, 31 Mommsen, Wolfgang Justus 129–131 Morelon, Claire 224 (Anm. 101) Mosier, John 22 f. Motyl, Alexander 89 Moyn, Samuel 389 Mueller, John 28–30, 36, 45 f. Muhammad, Husayn Haykal 43 f. Mulligan, William 44 f. Mumm von Schwarzenstein, Philipp Alfons 312, 314–316 Münkler, Herfried 139–143 Murav’ev, Mikhail 304 f., 308 Musil, Robert 20 Mussolini, Benito 38, 153, 322 f., 366, 380–382 Namier, Lewis 73 f., 78 Napoleon I. Bonaparte 29, 32, 47, 101 Nedorost, Libor 219 (Anm. 78) Nehru, Jawaharlal 43 Neniţescu, Ioan 264 (Anm. 55) Nenning, Günther 155 Nicolson, Arthur 332 Nicolson, Harold G. 327, 354 (Anm. 87) Niemeyer, Otte E. 348 (Anm. 67)

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Personenregister Niessen, James P. 268 (Anm. 85) Nikolaus II., Zar von Russland 71, 234 Nikolaus von Rumänien/Nicolae de nia 277 (Anm. 128) Ninčić, Momčilo 366 Nolte, Ernst 107 Northcliffe, Alfred 78 Öhlinger, Theo

Româ-

445

Opočenský, Jan 70, 199, 206 Orlando, Vittorio Emanuele 125, 326–329, 338, 341 Ormos, Mária 175, 177, 182 Otáhal, Milan 220 Oţetea, Andrei 263 Otto III., röm.-dt. König und Kaiser 165 Paget, Ralph 334 Pająks, Jerzy Z. 251, 253 Pajewski, Janusz 250, 252 Palacký, František 58–60, 197 f. Paléologue, Maurice 363 f. Pankratova, Anna 407 Pascha, Enver 420 Pascha, Mustafa Kemal, siehe Atatürk Pascu, Ştefan 271, 272 (Anm. 99, 101) Pašić, Nikola 235 f., 238, 240, 366 Paul, Cedar 116 (Anm. 29) Paul, Eden 116 (Anm. 29) Paul-Boncour, Joseph 380 Paulová, Milada 206, 212 (Anm. 43) Paulovic, Nadine 161 Payer, Friedrich von 303 (Anm. 60), 316 Pecican, Ovidiu 256 (Anm. 9) Pedersen, Susan 389 Peidl, Gyula 340 Peroutka, Ferdinand 199, 206 f. Petar II. Petrović-Njegoš 234 Petliura, Symon 292 Petráň, Josef 225 Petrascu, Costin 259 (Anm. 28) Petrescu, Cristina 255 Petrescu, Dragoş 255 Petruševyč, Jevhen 438 Phelps, Nicole 389 Phillimore, Walter 335 (Anm. 14) Pichlík, Karel 210, 212, 218 Picot, François, siehe Georges-Picot Pidhainy Oleh S. 284 f. (Anm. 5, 7), 304 (Anm. 66) Piffl-Perćević, Theodor 12

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Piłsudski, Józef 246, 250 f., 350 Pisarev, Jurij A. 409 Pithart, Petr 220 Plaschka, Richard Georg 11 (Anm. 59), 91 (Anm. 216), 221 (Anm. 86) Plener, Ernst 63 Podewils-Dürniz, Clemens von 303 (Anm. 60) Poincaré, Raymond 5, 347, 350, 352, 366–368 (Anm. 39) Pokrovskij, Mihail N. 404 f., 407 Poletika, Nikolaj 404 Polozov, Mykhailo 298 Polsakiewicz, Marta 251 Polzer-Hoditz, Arthur 63 Pop, Ioan-Aurel 256 f. Popély, Gyula 175 Popov, Hristo 300 (Anm. 52) Popovici, Aurel C. 280, 450 Popper, Karl Raimund 152 Porsh, Symon 292 Porumbescu, Ciprian 265 (Anm. 66) Potiorek, Oskar 236 f. Přibram, Alfred Francis 322 Priester, Eva 13 Příhoda, Petr 220 Princip, Gavrilo 228–236, 238, 240 Protić, Jovan 233 (Anm. 18) Protić, Zorka 233 (Anm. 18) Prunar, Václav 434 Przeniosło, Marek 251 Quaatz, Reinhold Georg

122 (Anm. 52)

Radič, Stjepan 449 Radmanović, Nebojša 233 f. Radoslavov, Vasil 300 (Anm. 52) Raffay, Ernő 175 Rákóczi, Ferenc II., siehe Ferenc II Randák, Jan 223 (Anm. 96) Râpeanu, Valeriu 277 (Anm. 127) Rašín, Alois 190 Rath, R. John 11, 86 (Anm. 185) Rauchensteiner Manfred 31 Răutu, Leonte 260 Reclus, Élisée 359 Redlich, Josef 64 f., 148, 436 Reiman, Pavel 207 Reiners, Ludwig 125 Remak, Joachim 52, 95 Rémond, René 367 (Anm. 34), 378, 382 Renan, Ernest 17 Renner, Karl 66, 68 (Anm. 94), 156, 403

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Personenregister

Ressu, Camil 259 (Anm. 28) Reynolds, David 25, 46 Reza Khan (Reza Schah Pahlavi), Schah von Persien 429 Ribbentrop, Joachim von 453 Ribot, Alexandre 73 Riezler, Kurt 127 f. Ringel, Erwin 9 Ritter, Gerhard 126 f., 131 Robertson, William 333 Rohrbach, Paul 302, 312 (Anm. 92), 314 (Anm. 102), 316 f. Roller, Mihail 260–262, 264 f. (Anm. 61), 272 (Anm. 106) Romanenko, Sergej 412 Romsics Ignác 165 (Anm. 3), 174 (Anm, 30), 182, 186 Roncea, Victor 256 (Anm. 8) Roosevelt, Franklin D. 38 Rosetti-Tescanu, Maria (= Maruca/Maria Cantacuzino) 275 f. (Anm. 120) Roskill, Stephen 72 Ross, Colin 309 (Anm. 83) Roth, Jack R. 26 Rothwell, Victor Howard 72 (Anm. 113), 78 (Anm. 149) Rozenblit, Marsha L. 147 Rubinštejn, Evgenija 406, 410 Rudolph, Richard 88 Rueff, Jacques 374 Rumbold, Horace 374, Rumpler, Helmut 11 (Anm. 59), 60 f., 91 (Anm. 216), 148, 438 (Anm. 39) Rusinow, Dennison 89 f. Russel, Bertrand 29 Salandra, Antonio 325 Salewski, Michael 238 San Giuliano, Antonio di 325 Sanders, Liman von 420 Šapošnikov, Boris 401 Savich, Carl 234 Scheer, Tamara 99, 102 Scheidemann, Philipp 117–119, 121 Schlesinger, Rudolf 443 f. Schmid, Ferdinand 237 (Anm. 33) Schmitt, Bernadotte E. 123 f. Schmitt, Carl 35, 453 Schmitz, Oskar A. 157 Schnee, Heinrich 122 Schnitzler, Arthur 4 Schober, Johannes 373

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Schoen, Hans von 371 (Anm. 56) Schönerer, Georg von 278 Schorske, Carl 277 f. Schroeder, Paul 73 Schultz, Georg 118 Schuschnigg, Kurt 160 Schwarz, Hans Peter 111 Šedivý, Ivan 221 f. Segesser, Daniel Marc 104 Seidler, Ernst von 308 f., 435 Seipel, Ignaz 150, 156, 347–349, 436 Seitz, Karl 67 Sergeev, Fedor A. (Pseudonym: Artem) 294 Seton-Watson, Hugh 54 f. Seton-Watson, Robert William 5, 54, 78 f., 169 Sevriuk, Oleksandr 298 f., 303, 308, 310 (Anm. 85), 315 (Anm. 103) Seyda, Marian 310 (Anm. 84) Sforza, Carlo 329 Shakhrai, Vasyl’ 294 Shanafelt, Gary W. 76 Sheffield, Gary 22 f. Shimazu, Naoko 389 Shotwell, James T. 5 Shul’hyn, Oleksandr 291 f., 295 (Anm. 39) Šidak, Jaroslav 8 Sierakowska, Katarzyna 253 Simon, John 375 Šimov, Jaroslav 414 Sinovjev, Grigorij 403 Sked, Alan 77 f., 87 f. Skoropads’kyi, Pavlo 291 (Anm. 28), 313, 315– 317 Skřivan, Aleš 219 Slánský, Rudolf 208 Slavici, Ioan 280 Slezkine, Yuri 455 Słoński, Edward 245 (Anm. 4) Šmeral, Bohumír 211, 216 Šmidrkal, Václav 226 Smuts, Jan 339–341 (Anm. 30), 389 Sölch, Johann 361 Solf, Wilhelm 76 Somogyi, Éva 170 Sonnino, Sidney 325–329 Sösemann, Bernd 128 Šouša, Jiří 222 Spalajković, Miroslav 229 Spătaru, Neculai Milescu 264 (Anm. 55) Spiel, Hilde 153 Stalin, Josef/Joseph 35, 38, 50, 160, 262, 292– 294, 381, 402–408, 411, 455

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Personenregister Stamp, Josiah 352 Stand, Adolf 438 Staněk, František 433 Stanescu, Albin 259 (Anm. 28) Stanomir, Ioan 281 (Anm. 149) Stapiński, Jan 434 Steed, Henry Wickham 5, 78 f., 169 Štefánik, Milan Rastislav 206 Stempin, Arkadiusz 251 Stephan (István) I., der Heilige 165 Stevenson, David 31 Stiefel, Dieter 153 Stojadinović, Milan 235 Stolzenberg, Ulrich von 314 f. Stourzh, Gerald 11 (Anm. 59), 60, 80, 83 f., 90 f. Strachan, Hew 29 f., 36, 105 (Anm. 29) Straucher, Benno 437 Stresemann, Gustav 118, 121, 310, 354 f., 368 f. Stricker, Robert 438 Stürgkh, Karl 1, 154 Subhas/Subhash Candra Bose 43 Subotić, Vojislav 227 Sugar, Peter F. 54 Sun Yat-sen 43 Sundhaussen, Holm 365 (Anm. 26), 374 Sutter, Berthold 56 Suttner, Bertha von 2 Svrakić, Emin 234 Sybel, Heinrich von 116 Sykes, Mark 40, 424, 427 Szabó, Miroslav 226 Szekfű, Gyula 166, 170, 174 (Anm. 29), 176, 182 Szlanta, Piotr 251

Vácha, Dalibor 224 Vaida-Voevod, Alexandru 450 Valjavec, Fritz 12 Valliani, Leo 6 Van de Ven, Hans 34 Vasyl’ko, Mykola 301 Vatlin, Alexandr 414 Vávra, Vlastimil 212 Verdery, Katherine 263, 267, 272 Vidal de la Blanche, Paul 359 Vienne, Louis de 377 (Anm. 84) Vinogradov, K. B. 412 Vlad, Laurenţiu 281 (Anm. 149) Vogelsang, Carl von 150 Vučić, Aleksandar 234 Vucinich, Wayne S. 11 (Anm. 57) Vynnychenko, Volodymyr 290

Tabouis, Georges 291 Talleyrand-Périgord, Charles-Maurice de 32 Tanase, Valentin 259 (Anm. 28) Tapié, Victor-Lucien 6 Tardieu, André 359, 372–378 Tarnowski, Adam 75 f. Taylor, A[lan] J. P. 6, 13, 72 f., 77, 82 f., 93, 322 Teleki, Pál 364 Teodoroiu, Ecaterina 265 Teufel, Oskar 437 Tezner, Friedrich 60 Thukydides/Thucydides 28 Tisza, István 164 (Anm. 2), 184 Tisza, Koloman/Kálmán 56 Titulescu, Nicolae 382 Tooze, Adam 141 Tormay Cécile 168 Trainin, Ilja 406

Wagner, Hans Ludwig von 97 f. Wagner, Karel 205 (Anm. 14) Walkó, Lajos 376 f. Wandruszka, Adam 11 (Anm. 59), 79 f. Wandycz, Piotr S. 11 (Anm. 57) Wank, Solomon 77, 85, 88 f. Watts, Larry 267 Wawro, Geoffrey 35 Wedel, Botho von 76 Wedgwood, Cicely Veronica 29 Wegerer, Alfred von 122 Wehler, Hans-Ulrich 130, 133, 161 Weitz, Eric 389, 391 f., 394 Westarp, Kuno von 310 (Anm. 84) Wheeler-Bennett, John 284, 287 White, Hayden 257 (Anm. 11) Wiesner, Friedrich von 308 Wildgans, Anton 157

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Treitschke, Heinrich von 116 Trenchard, Hugh 103 f. (Anm. 26) Trotsky, Leon/Trotzki, Leo 290, 293, 296–300, 302, 304, 309, 318, 391, 402, 404 Truman Harry S. 6 Tuchman, Barbara W. 253 (Anm. 29) Ţurcanu, Florin 258 Turok, Vladimir M. 411 f. Tutoveanu, Ion 262 Twiss, William 340 (Anm. 37) Tyrrell, William 334 Ullrich, Volker 126, 141, 143 Urban, Otto 217 Urbanitsch, Peter 11 (Anm. 59)

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Personenregister

Wilhelm II, deutscher Kaiser und König von Preußen 137 (Anm. 128), 195 f., 317 Wilson, Trevor 23 Wilson, Woodrow 5, 37, 43 f., 46, 63, 70 f., 75, 79, 125, 150, 153, 196 f., 283, 286, 291, 297, 318, 327 f., 332–336, 338, 342, 345, 385– 387, 389–391, 393–395, 426 f. Winkelbauer, Thomas 91 (Anm. 216) Winkler, Heinrich August 144 Winter, Ernst Karl 10, 157 Wodak, Ruth 149 Woods, Roger 281

Zabloudilová, Jitka 218 Zaharia, Gheorghe 268 (Anm. 82) Zahra, Tara 91, 389, 394 Zalizniak, Mykola 301 Zechlin, Egmont 126 f., 131 Zeßner-Spitzenberg, Hans Karl von 157 Zieliński, Konrad 251 Zinoviev, Grigory 349 (Anm. 69) Zöllner, Erich 11 (Anm. 59) Zweig, Stefan 4, 11 Zwitter, Fran 8

Yefremov, Serhiy O. 305 Young, Owen D. 368 f.

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Ortsregister (Schreibung nach Beitragstexten, ergänzt um Varianten. Beifügung der heutigen Namensform, wenn sie von der Textschreibung abweicht. Unberücksichtigt bleiben die Nennungen in Literaturtiteln) Adowa (Adwa, Adua) 322, 327 Alba Iulia (Karlsburg, Gyulafehérvár) (Anm. 21) 261, 269, 450 Amritsar 394 Andrićgrad 233 Atlanta 29 Auschwitz (Oświeçim) 26

258 f.

Bačka Palanka (Palánka) 233 Bagdad/Baghdad 39, 193, 421, 425, 427 Baku 313 Banja Luka 233 Basra 425, 427 Batum 313 Beijing/Peking 394 Belgrad (Beograd) 135, 168 (Anm. 12), 227, 229, 233–236, 238 f., 362, 364, 446 Berlin 3, 6, 38, 135, 193, 195 f., 227, 231, 236, 246, 289, 296–298, 300 f., 303 (Anm. 60), 307, 309 (Anm. 83), 314 (Anm. 99), 317, 333, 349 f., 354, 356, 363 (Anm. 17), 371 (Anm. 56), 375 (Anm. 75), 380, 392, 452 Bern 63 Bloomington 11, 13 Bolimów 244 Bosanska Gradiška 233 Bratislava (Pozsony, Preßburg, Prešporok) 182 (Anm. 23), 340 Braunschweig 112 Brest-Litowsk (Brest-Litovsk, Brest) 120, 253 f., 284–288, 290 f. (Anm. 28), 295–303 (Anm. 60), 306–308 (Anm. 79), 314 (Anm. 99), 318 Bristol 78 Brünn (Brno) 66 f. Brüssel (Brüxelles) 3, 135 (Anm. 121), 145 Buda (Ofen) 166 Budapest 2, 8, 85, 151, 163, 172 (Anm. 23), 184, 198, 337, 340, 370–372, 375 (Anm. 75) Bukarest/Bucharest (Bucureşti) 120, 172 (Anm. 23), 259 (Anm. 28), 270 (Anm. 88, 93) 274 (Anm. 116), 277, 280, 314 (Anm. 101), 340, 362, 364, 375 (Anm. 75), 380 f., 411, 450

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Cairo (Kairo) 42 Calais 168 (Anm. 12) Cannes 347 Carthage (Karthago) 28 Casablanca 97 Cattaro (Kotor) 325 Chernihiv/Tschernihiw 304 Cluj (Klausenburg, Kolozsvár, Cluj-Napoca) 166 Cologne/Köln 354 Constantinople (Konstantinopel, Istanbul) 28, 135 Custoza (Custozza) 327 Damascus (Damaskus) 437 Debir 28 Delhi 41 Den Haag 135 (Anm. 121), 369 Düppel 112 Edirne (Adrianopel) 419 Ekaterinoslav (Yekaterinoslav) Fiume (Rieka, Reka, Rijeka) Fontainebleau 339

313 326–328

Genf/Geneva 156, 348, 368, 372 f., 375 Genoa (Genova) 347 Gibeon 28 Gorlice 243 Graz 2, 100 Hannover 112 Hazor 28 Hebron 28 Helsinki 172 (Anm. 23) Hiroshima 26 Jassy (Iaşi) 273, 275 f. Jericho 28 Karlsburg siehe Alba Iulia Kaunas/Kovno 244, 314 Kharkiv (Charkow, Charkiw)

294, 299, 304, 313

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Ortsregister

Khartoum (Khartum) 41 Kholm/Cholm 306 f. (Anm. 82) Kishinev/Kischinau (Kishinjov, Chişinău) 258, 274 (Anm. 116) Königgrätz (Hradec Králové) 324 Kolozsvár siehe Cluj Krakau (Kraków) 337 Kremsier (Kroméříž) 80 Kyiv/Kiew (Kjiw) 286, 289–295, 297, 299–302, 305, 308 f., 311–316, 318 Langemark 145 Lausanne 35, 351, 392, 394, 424–426 Lashisk 28 Lecce 324 Leipzig 29 Libnah (Lobna) 28 Limanowa (Ilmenau, Limanova) 243 Linz 80 Ljubljana/Laibach 8, 172 (Anm. 23) Locarno 42, 45, 331, 353, 355–357, 368, 380, 382 Łódź (Lodz) 243 London 3, 29 (Anm. 30), 71, 78, 135, 190, 246, 324–328, 332 f., 335 f., 342, 345, 347–349, 352, 357, 363 (Anm. 17), 374 f., 378, 391 Lviv/Lemberg (Lwów, Lwiw) 300, 438 Magdeburg 29 Mărăşeşti (Marasesti) 259, 262, 264, 266, 268 f., 277 Mărăşti (Marasti) 264, 269 Melos 28 Milan (Mailand, Milano) 258 (Anm. 21) Mönichkirchen 231 Mohács 165 Moscow/Moskau 8, 29, 260, 261–263 (Anm. 46), 298 (Anm. 49), 301, 317, 356, 381, 454 f. Mostar 235, 412 Mosul 418, 425–427 München/Munich 1, 12, 151, 201 New York 51 Niš 234 Nowogeorgijewsk

244

Odessa 277 (Anm. 128), 294 Oituz 264, 269 Orşova (Orsowa, Orsova) 274 (Anm. 114), Ostrava (Ostrau) 224 Ouběnice 225

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Padua 168 (Anm. 12) Pale 233 Palermo 98 Paris 3 f., 24, 35, 43, 71, 74, 135, 186, 190, 274 (Anm. 114), 277 (Anm. 128), 291 (Anm. 28), 322, 328, 331, 333, 335, 337 f., 341, 343, 345 f., 350 f., 354, 356 f., 363 (Anm. 17), 366, 370 f., 373, 376 f., 380, 386 f., 389, 392–395, 442 f. Passchendaele (Passendale) 23, 295 Petrograd (Leningrad, St. Petersburg) 135, 286, 290–295, 297 f., 301–304, 308, 318, 332 Pittsburg 447 Prague/Prag (Praha) 2, 8, 86 (Anm. 185), 140, 172 (Anm. 23), 195, 199, 216, 360, 370, 372, 375 (Anm. 75), 381 Predeal 266 (Anm. 70) Przemyśl 243 Putna 280 Reichenberg (Liberec) 2 Rome/Rom (Roma) 28, 38, 76 (Anm. 136), 135, 366, 375, 377 Saloniki (Thessaloniki) 419 Salzburg 12 Sarajevo (Sarajewo) 97, 104, 123, 138, 228, 231, 232–236, 238 f. Sarıkamiş 420 Sebdou 98 Sevastopol (Sewastopol) 313 Sèvres 44, 348, 351, 394, 424–427 Sibiu (Hermannstadt, Nagyszeben) 166, 280 Sofia 135, 286 (Anm. 13) Spa 75, 317 St. Germain 152, 339, 343 f., 348 St. Petersburg, siehe Petrograd Stalingrad (Wolgograd) 259 Stettin (Szczecin) 244, 246 Stockholm 13 Straßburg (Strasbourg) 145 Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) 165 Tanger 97 Tannenberg (Allenstein, Sęebark) 72, 244 Thaya 147 Theresienstadt (Terezín) 100 (Anm. 16) Tilsit (Sovetsk) 29 (Anm. 30) Tovariševo 233 Trapezunt (Trabzon) 313 Trianon 51, 172 (Anm. 24), 174 (Anm. 30), 176, 180–183, 185–187, 340, 343 f., 364 f., 371

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Ortsregister Triest (Trieste/Trst)

2, 6, 244, 246, 324 f., 328

Verdun 26, 29, 142, 145, 333 Versailles 209 (Anm. 30), 283 f., 288, 317 f., 322, 338 f., 342–344, 349 f., 354, 356, 362 f., 369, 378, 381 f., 385, 389, 425 Višegrad 233 Warsaw/Warschau (Waszava) 140, 172 (Anm. 23), 248, 341, 350, 375 (Anm. 75), 380 f., 439 Wien/Vienna 1 f., 7 f., 12 f., 17, 73, 75, 78 (Anm. 149), 85, 125, 127, 135, 196, 198, 214, 223, (Anm. 54), 228, 236, 286 (Anm. 13), 289, 297 f., 300 f., 303, 307, 312, 314 (Anm. 100), 325, 336 f., 339, 344–346, 348 f., 372, 375 (Anm. 75), 444, 448

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Wiener Neustadt 231 Washington 42, 45, 190, 336 f., 345, 352, 363 Waterloo 29 f. Yanovka 304 Ypern 142, 145, 244 Zadar 2 Zagreb (Agram) 2, 166, 235 Zborów/Zborov (Sboriw) 208, 218 Zhytomyr 308, 310 (Anm. 85) Zürich 2

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Borodziej, Włodzimierz, Prof. Doz. Dr. Professor am Instytut Historyczny Uniwersytetu Warszawskiego, 2010–2016 Co-Direktor des Imre Kertész Kollegs an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des entstehenden Hauses der Europäischen Geschichte in Brüssel. Chef-Herausgeber der Polskie Dokumenty Dyplomatyczne (Akten zur polnischen Außenpolitik im 20. Jahrhundert). Neueste Publikationen: Geschichte Polens im 20. Jahrhundert (mit Maciej Górny) (München 2010), Nasza wojna. Imperia 1912–1916 [Unser Krieg. Die Imperien, 1912–1916] (Warszawa 2014). Górny, Maciej, Prof. Dr. 2006: wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften; 2006–2010 am Zentrum für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin; Januar–Juni 2014: Gastforscher am Deutschen Historischen Institut Warschau; seit 1. November 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut Warschau (DHI). Forschungsschwerpunkte: Historiographie-Geschichte, Erster Weltkrieg in Ostmitteleuropa und auf dem Balkan, Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas im 19. und 20. Jahrhundert. Ausgewählte Publikationen: Die Wahrheit ist auf unserer Seite. Nation, Marxismus und Geschichte im Ostblock (Köln – Weimar – Wien 2011), Wielka Wojna profesorów. Nauki o człowieku (1912–1923) (Warszawa 2014), (gemeinsam mit Włodzimierz Borodziej) Nasza wojna, t. I: Imperia (Warszawa 2014). Gruner, Wolf D., Dr. phil., em. Univ.-Prof. 1973–1981 Assistenzprofessor für Neuere und Zeitgeschichte, Universität der Bundeswehr München, 1981/82 Vertretungsprofessor an der Julius-Maximilians Universität Würzburg, 1982–1996 Professor für Europäische Geschichte und seit 1991 Jean Monnet Professor für Europäische Integrationsgeschichte der Universität Hamburg, 1996–2009 Professor für Europäische Geschichte und Jean Monnet Professor für Europäische Integrationsgeschichte an der Universität Rostock; Gastprofessuren in Europa, USA und Japan. Forschungsschwerpunkte: Die deutsche Frage in Geschichte und Gegenwart, Geschichte des Deutschen Bundes, deutsche Verfassungsgeschichte seit 1800, Europäische Integration nach dem Zweiten Weltkrieg, Europapläne und Europaideen seit dem Mittelalter, Europa und seine Regionen in der historischen Kartographie, Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik und deutsche Länder seit 1945/49.

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Hagen, Mark von, Univ.-Prof. Professor of History and Global Studies, Arizona State University (School of International Letters and Cultures); formerly, Columbia University, Bakhmeteff Professor of Russian and East European Studies; Director, Harriman Institute; Chair, History Department (Columbia). Ph.D Stanford University in History and Humanities; spokesperson of „Internationaler Beirat der Deutsch-Ukrainischen Historikerkommission (DUHK)“. Publications: Soldiers in the Proletarian Dictatorship: The Red Army and the Soviet Socialist State, 1917–1930 (Cornell); War in a European Borderland: Occupations and Occupation Plans in Galicia and Ukraine, 1914–1918. Research/teaching focus; modern Russian, Eurasian, East European history; Empires, War, Nation-building. Hanisch, Ernst, Dr. phil. em. Univ.-Prof. 1979–2005 Professor für Neue Österreichische Geschichte an der Universität Salzburg, korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Forschungsschwerpunkt: Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Harmat, Ulrike, Mag. Dr. Studium der Geschichte und Philosophie an der Universität Wien. Seit 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie (seit 2013: Institut für Neuzeit und Zeitgeschichtsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften); Redakteurin, Autorin und Mitherausgeberin der Reihe: „Die Habsburgermonarchie 1848–1918“. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Habsburgermonarchie im 19. und 20. Jahrhundert, Rechtsgeschichte, Sozialgeschichte, Sozialstatistik. Horel, Catherine, Prof. Dr. Forschungsleiterin am Centre National de la Recherche Scientifique, CNRS (SIRICE, Universität Paris I Panthéon-Sorbonne), Generalsekretärin des International Committee for Historical Sciences (ICHS/CISH). Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Habsburgermonarchie bzw. Ungarns; Militärgeschichte; jüdische Geschichte Mitteleuropas (19./20. Jahrhundert); Stadtgeschichte; Zeitgeschichte Mitteleuropas; internationale Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Judson, Pieter M., Univ.-Prof. Professor and Chair of the Department of History and Civilisation at the European University Institute, Florence. 2011–2014: Isaac H. Clothier Professor of History and International Affairs at Swarthmore College. His most recent book, ‘The Habsburg Empire: A New History’ (Harvard 2016) is appearing in Croatian, German, Italian, Polish and Slovene translations. Main Research Areas: history of the Habsburg Monarchy and successor states, Nationalism and Indifference, Borderlands, the First World War, Gender and Sexuality studies.

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

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Konrád, Ota, Doz. Dr. Seit 2012 Leiter des Lehrstuhls für Deutsche und Österreichische Studien an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Karlsuniversität Prag; Mitglied der „Ständige[n] Konferenz österreichischer und tschechischer Historiker zum gemeinsamen kulturellen Erbe (SKÖTH)“. Forschungsschwerpunkte: Vergleichende Geschichte Mitteleuropas, Geschichte der Außenpolitik, Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Medyakov, Alexander, Dr., Univ.-Doz. Dozent am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der historischen Fakultät der Lomonossov-Universität. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der internationalen Beziehungen im 19. Jahrhundert, Geschichte der deutsch-russischen und österreichisch-russischen Beziehungen; Untersuchung der Rolle gegenseitiger Wahrnehmung und Propaganda in den internationalen Beziehungen, speziell den deutsch-russischen; visuelle Propaganda, Fremd- und Feindbilder in den deutsch-russischen Beziehungen; Postkarte als Medium von Propaganda und als Mentalitätszeugnis. McKercher, B.J.C., BA (Hons), MA, PhD, FRHistS, Univ.-Prof. Seit 1995 Professor für internationale Geschichte an der Universität von Victoria/Victoria, British Columbia; Fellow der Königlichen Historischen Gesellschaft, Herausgeber der Zeitschrift Diplomacy & Statecraft. Forschungsschwerpunkte: Britische Außenpolitik 1895–1945, Beziehungen zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert, Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland 1900–1939. Motika, Raoul. M.A., Dr. phil., Univ.-Prof. 2005–2006 Assistenzprofessor für Islamwissenschaft an der Universität Bern, 2006– gegenwärtig Universitätsprofessor für Turkologie an der Universität Hamburg, 2010– 2020 Direktor des Orient-Instituts Istanbul der Max Weber Stiftung; stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Turkologie, Osmanistik und Türkeiforschung e.V.; stellvertretender Sprecher des Türkei-Europa-Zentrums an der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Neuere Geschichte des Osmanischen Reichs und Irans, religiöse Entwicklungen im turko-iranischen Raum und Europa, Zeitgeschichte der Republik Türkei, Forschung zum Alevitentum, Manuskriptforschung. Osterkamp, Jana, Dr. jur. Seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Collegium Carolinum e.V., Forschungsinstitut für die Geschichte Tschechiens und der Slowakei, München; seit 2012 daselbst Leiterin einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe „Vielfalt ordnen. Föderale Ordnungsmodelle in der Habsburgermonarchie und ihren Nachfolgestaaten“; 2014 von der Alexander von HumboldtStiftung geförderte Feodor Lynen-Stipendiatin an der Universität Wien; 2016/2017

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Professorin für die Geschichte Ost- und Südosteuropas an der Ludwig-MaximiliansUniversität München (Vertretung). Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Habsburgermonarchie, Geschichte der böhmischen Länder und der Tschechoslowakei im 19./20. Jahrhundert, Politische und Verfassungsgeschichte, Imperien-Geschichte und Imperien-Vergleich. Părâianu, Răzvan, PhD., Dozent. Dozent am Institut für Geschichte und internationale Beziehungen der Petru Maior Universität in Târgu Mureş. Forschungsschwerpunkte: Europäische Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Kultur- und Ideengeschichte. Rumpler, Helmut, Mag. phil., Dr. phil., em. Univ.-Prof. 1975–2003 o. Professor für Neuere und Österreichische Geschichte an der Alpen AdriaUniversität Klagenfurt, Mitglied der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1996–2013 Obmann der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Habsburgermonarchie, Beziehungen Österreich-Deutschland 19./20. Jahrhundert, Geschichte des Alpen-Adria-Raumes, österreichische Zeitgeschichte, Historische Kartographie. Schmidl, Erwin A., Dr. phil., Univ.-Doz. Leiter des Fachbereichs Zeitgeschichte des Instituts für Strategie und Sicherheitspolitik an der Landesverteidigungsakademie Wien, Dozent für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck. Forschungsschwerpunkte: Militär- und politische Geschichte, insbesondere des 19. und 20. Jahrhunderts, Entwicklung internationaler Friedensoperationen, österreichische sowie europäische Sicherheitspolitik nach 1945. Schulze Wessel, Martin, Prof. Dr. Seit 2002 Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas an der LMU München, Erster Vorsitzender des Collegium Carolinum, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 2012–2016 Vorsitzender des Verbands der Historiker und Historikerinnen Deutschlands. Forschungsschwerpunkte: Internationale Geschichte Osteuropas, Religionsgeschichte, Geschichte von Loyalität, Erinnerungskulturen im östlichen Europa. Sked, Alan, Emeritus Professor of International History at LSE. 1972–2015: Professor at the International History Department/LSE. 1980–1990: Convenor of the LSE’s postgraduate European Studies programme. His main published work concentrates on the history of the Habsburg Monarchy although he has written three books on British history and articles on US history. His interests include political, diplomatic, military and intellectual history.

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Sundhaussen, Holm † (1942 –2015), Univ. Prof. Von 1988 bis zu seiner Emeritierung 2007: Professor für Südosteuropäische Geschichte am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin und von 1998 bis 2008 Co-Direktor des Berliner Kollegs für vergleichende Geschichte Europas; außerdem Mitglied von wissenschaftlichen Beiräten mehrerer Institutionen, darunter des Centre for the Study of the Balkans sowie der Balkan-Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Forschungsschwerpunkte: Geschichte Südosteuropas (Schwerpunkt 19./20. Jahrhundert), insbesondere Nationsbildung und Nationalismus, ethnische Konflikte, Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte. Szarka, Lászlo, Univ. Doz. Von 1981–1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Historischen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. 1997–2010: Direktor des Forschungsinstituts für Minderheiten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. 2008–2010: Dekan der Pädagogischen Fakultät der János-Selye-Universität in Komárno (Komorn); ab 2011 Abteilungsleiter der „Forschungsgruppe der Zwischenkriegszeit“ des Historischen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. 2001–2015: Vorsitzender der ungarischen Sektion der Ungarisch–Slowakischen Historikerkommission. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Nationalitätenfrage in der Zeit des Dualismus und der Zwischenkriegszeit; Beziehungen Ungarn–Tschechoslowakei im 20. Jahrhundert; Geschichte der Slowakei; Geschichte der ungarischen Minderheiten im 20. Jahrhundert. Volpi, Gianluca, Dr. PhD. Dozent für Neuere und Ost-Europäische Geschichte an der Universität Udine, Mitglied des CISUECO (Centro Interuniversitario di Studi Ungheresi e dell‘Europa Centro-Orientale). Forschungsschwerpunkte: Geschichte des Donauraumes, Geschichte Ungarns in der Habsburgermonarchie, Ungarn zur Zeit der Regierung Horthys, Nationalbewusstsein und jüdische Frage im Donauraum, Militärgeschichte, Beziehungen Ungarn–Italien im 19./20. Jahrhundert.

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