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German Pages 281 [282] Year 2015
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 325 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Lena-Maria Möller
Die Golfstaaten auf dem Weg zu einem modernen Recht für die Familie? Zur Kodifikation des Personalstatuts in Bahrain, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten
Mohr Siebeck
Lena-Maria Möller, geboren 1984; Studium der Islam- und Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg und der Columbia University (New York City); 2010–2013 Doktorandin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht (Hamburg); 2014 Promotion (Dr. iur.); seit April 2014 Wissenschaftliche Referentin in der Max-Planck-Forschungsgruppe „Gottes Recht im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“.
e-ISBN 978-3-16-153582-6 ISBN 978-3-16-153581-9 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2015 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als Wissenschaftliche Assistentin in der Max-Planck-Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel: Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“ am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg. Besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater Professor Jürgen Basedow, der meine Promotion in der Rechtswissenschaft angeregt und meine Arbeit stets mit Interesse und Vertrauen begleitet und gefördert hat. Gleichermaßen danke ich Professor Hans-Georg Ebert. Seine Arbeiten zum islamischen und arabischen Recht haben mich bereits in der Frühphase meines Studiums für das Themenfeld begeistert und umso mehr habe ich mich über seine Bereitschaft gefreut, das Zweitgutachten zu meiner Dissertation zu erstellen. Die vorliegende Studie zum Familienrecht Bahrains, Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate wäre ohne Feldforschung in den drei arabischen Golfstaaten nicht denkbar gewesen. Ein besonderer Dank gebührt daher zunächst dem Hamburger Max-Planck-Institut für die Ermöglichung meiner Forschungsreisen in den Jahren 2012 und 2013. Persönlich bedanken möchte ich mich auch bei Bärbel Ellwanger für die umfangreiche Betreuung in der Planung sowie für ihren fortwährenden Beistand in all den kleinen organisatorischen Krisen während meiner Reisen. Für ihre Gesprächsbereitschaft, Unterstützung und die Bereitstellung wichtiger Informationen bin ich zudem der Bahrain Women’s Union, Holger Tillmann stellvertretend für die Deutsche Botschaft in Bahrain, der Qatar University, Rechtsanwalt Ramy Saleh, der emiratischen General Women’s Union, der Bibliothek der Dubai Courts, dem Dubai Women Establishment, dem Regionalprogramm Golf-Staaten der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Middle East Partnership Initiative in Abu Dhabi sowie zahlreichen – auf ihren Wunsch anonym bleibenden – Gesprächspartnern und Freunden vor Ort zu Dank verpflichtet. Ohne sie alle wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ebenfalls verbunden bin ich den Mitarbeitern der Bibliothek des MaxPlanck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. Ich danke
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Vorwort
Professor Holger Knudsen, Iris Kaiser und Elke Halsen-Raffel für den Zugang zu scheinbar unzugänglicher Literatur. Ich freue mich, dass der sehr überschaubare Bestand an Literatur zu den arabischen Golfstaaten in den letzten Jahren beständig gewachsen ist und dass dies im katarischen Zivilgesetzbuch als 500.000. Buch der Institutsbibliothek seinen Ausdruck fand. Schließlich danke ich dem Direktorium des Max-Planck-Instituts und dem Mohr Siebeck Verlag für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ sowie Janina Jentz für ihre nimmermüde Unterstützung bei der Fertigstellung meines Manuskripts. Seit vier Jahren habe ich das große Glück, Teil eines Teams zu sein, das diese Bezeichnung wirklich verdient. Ohne den anregenden und inspirierenden Gedankenaustausch innerhalb unserer Forschungsgruppe wäre diese Arbeit nicht in ihrer jetzigen Form zustande gekommen. Ich danke Nora Alim, Imen Gallala-Arndt, Franziska Birke, Fabian Kritzler, Yasmin Mohammadi und Mohamed Moussa. Besonders hervorheben möchte ich die Unterstützung von Tess Chemnitzer, mit deren Genauigkeit sowie Liebe zum orthografischen Detail ich nicht zu konkurrieren vermag und die wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. In gewisser Weise nahm diese Arbeit ihren Anfang im Herbst 2005, als ich während meines Grundstudiums eine Einführung in das iranische Recht besuchte. Dass ich meine Begeisterung für das islamische Recht inzwischen tagtäglich mit meiner damaligen Dozentin Nadjma Yassari teilen kann, freut mich umso mehr, als ich in dir, Nadjma, nicht nur eine Mentorin und meinen persönlichen Abū Ḥanīfa, sondern auch eine gute Freundin gefunden habe. Zu guter Letzt möchte ich meinen Eltern Monika und Johann-Hinrich Möller danken. Ihr habt den Grundstein für meinen wissenschaftlichen Werdegang gelegt – nicht nur, indem ihr stets meinen Wissensdrang gefördert und gefordert habt, sondern auch, indem ihr mir die Willensstärke vermittelt habt, meine eigenen Wege zu gehen. Gewidmet sei diese Arbeit meinen Großeltern, die ihre Veröffentlichung zwar nicht mehr miterleben können, mich aber auf vielfältige Weise geprägt, inspiriert und jederzeit vorbehaltlos unterstützt haben. Hamburg, August 2014
Lena-Maria Möller
Inhaltsübersicht Vorwort ................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ....................................................................... XVII Hinweise zur Umschrift ...................................................................... XXII
Einleitung A. Anlass und Ziel der Arbeit ................................................................... 1 B. Gegenstand der Untersuchung ............................................................. 7 C. Gang der Untersuchung ....................................................................... 9
Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation A. Grundlagen des islamischen Rechts ................................................... 13 B. Kodifikationsidee und Kodifikation ................................................... 26 C. Zwischenergebnis .............................................................................. 42
Kapitel 2 – Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext A. Entwicklung der politischen Systeme in den Golfstaaten ................... 45 B. Entwicklung der Rechtssysteme in den Golfstaaten ........................... 71 C. Zwischenergebnis .............................................................................. 87
Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess A. Die Rechtslage vor der Kodifikation .................................................. 89 B. Der Kodifikationsprozess in den Golfstaaten ..................................... 94 C. Zwischenergebnis ............................................................................ 117
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Inhaltsübersicht
Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis A. Grundsätzliches ............................................................................... 119 B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren ............................................. 124 C. Regelungen rechtsvergleichender Prägung ....................................... 158 D. Innovative Regelungen .................................................................... 183 E. Ergebnis .......................................................................................... 201
Ergebnisse und Schlussbetrachtung A. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse ................................. 205 B. Ausblick .......................................................................................... 208 C. Schluss ............................................................................................ 214 Anhang ................................................................................................. 215 Quellenverzeichnisse ............................................................................ 223 Sach- und Personenregister ................................................................... 255
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................... V Inhaltsübersicht ...................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis ....................................................................... XVII Hinweise zur Umschrift ...................................................................... XXII
Einleitung A. Anlass und Ziel der Arbeit ................................................................... 1 I. Islamisches Familienrecht und Kodifikation ................................... 3 II. Islamisches Familienrecht und Kodifikation in den arabischen Golfstaaten .................................................................... 5 B. Gegenstand der Untersuchung ............................................................. 7 C. Gang der Untersuchung ....................................................................... 9 I. Islamisches Recht und Kodifikation ............................................... 9 II. Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext ............................ 9 III. Reformbedarf und Kodifikationsprozess ....................................... 10 IV. Gesetzesrecht und Rechtspraxis .................................................... 11
Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation A. Grundlagen des islamischen Rechts ................................................... 13 I. Entstehungs- und Quellengeschichte des islamischen Rechts .......................................................................................... 13 1. Ursprung .................................................................................. 13 2. Rechtsquellen und Methoden ................................................... 16 a) Der Koran ............................................................................ 17 b) Die Sunna des Propheten ..................................................... 17 c) Der Konsens der Rechtsgelehrten ........................................ 18 d) Der Analogieschluss und weitere Schlussverfahren.............. 19 e) Freie Rechtsfindung und ihre Methoden .............................. 20 3. Geltungsgrad in islamischen Ländern der Gegenwart ............... 22 II. Grundzüge des islamischen Familienrechts ................................... 23 1. Grundsätzliches ........................................................................ 23
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Inhaltsverzeichnis
2. Islamisches Familienrechtsverständnis ..................................... 24 B. Kodifikationsidee und Kodifikation ................................................... 26 I. Die Kodifikationsidee in Europa ................................................... 26 1. Grundsätzliches zur europäischen Kodifikationsidee ................ 26 2. Entwicklung der Kodifikationsidee .......................................... 27 a) Kritik am ius commune ........................................................ 27 b) Rahmenbedingungen der Kodifikationsidee ......................... 28 c) Beginn des europäischen Kodifikationszeitalters ................. 30 aa) Die vernunftrechtlichen Kodifikationen ..............................30 bb) Die nationalstaatlichen Kodifikationen ................................32 3. Aktualität der Kodifikationsidee .............................................. 33 II. Die Kodifikationsidee im arabisch-islamischen Raum .................. 33 1. Grundsätzliches zur Kodifikation des islamischen Rechts ........ 33 a) Frühe Kodifikationsbestrebungen ........................................ 33 b) Kodifikation ab dem 19. Jahrhundert ................................... 35 2. Die Entstehung des „ägyptischen Rechtskreises“...................... 36 3. Die Kodifikation des islamischen Familienrechts im arabischen Raum ...................................................................... 38 a) Frühe Kompilationen und Kodifikationen ............................ 38 b) Kodifikation zur Mitte des 20. Jahrhunderts......................... 40 C. Zwischenergebnis .............................................................................. 42
Kapitel 2 – Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext A. Entwicklung der politischen Systeme in den Golfstaaten ................... 45 I. Die Golfscheichtümer als britische Protektorate ........................... 45 1. Frühe Geschichte der Golfscheichtümer ................................... 45 2. Lokale Herrschaftskonzepte in den Golfscheichtümern ............ 47 3. Die Entdeckung der Erdölressourcen ........................................ 48 4. Die Golfscheichtümer auf dem Weg zur Unabhängigkeit ......... 49 II. Die unabhängigen Golfstaaten ...................................................... 50 1. Die staatsrechtlichen Strukturen ............................................... 50 a) Bahrain ................................................................................ 51 b) Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate .................... 52 2. Das demokratische Experiment in Bahrain ............................... 53 3. Die Rentierpolitik der Golfstaaten ............................................ 55 III. Politische Öffnung und Reformen................................................. 58 1. Hintergründe und Rahmenbedingungen der Reformprozesse ....................................................................... 58 a) Gemeinsamkeiten ................................................................ 58 b) Bahrain ................................................................................ 59 c) Katar ................................................................................... 60
Inhaltsverzeichnis
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d) Vereinigte Arabische Emirate .............................................. 60 2. Verfassungsreformen in Bahrain und Katar .............................. 60 a) Katar ................................................................................... 60 b) Bahrain ................................................................................ 62 3. Grenzen der politischen Öffnung in den Golfstaaten ................ 63 4. Zusammenfassung .................................................................... 65 IV. Politische und gesellschaftliche Stellung der Frau in den Golfstaaten......................................................................... 65 1. Weibliche Erwerbstätigkeit ...................................................... 66 2. Bildungschancen und fachliche Qualifikation von Frauen ........ 67 3. Politische Partizipation von Frauen .......................................... 68 4. Neokonservatismus und Islamismus ......................................... 70 5. Zusammenfassung .................................................................... 71 B. Entwicklung der Rechtssysteme in den Golfstaaten ........................... 71 I. Unkodifiziertes Recht und lokale Schiedsgerichte ........................ 71 1. Quellenlage .............................................................................. 71 2. Tribales Gewohnheitsrecht ....................................................... 72 3. Unkodifiziertes islamisches Recht als Hauptquelle der Rechtsprechung ........................................................................ 73 II. Der Einfluss der britischen Foreign Jurisdiction Acts ................... 74 1. Der Beginn britischer exterritorialer Jurisdiktion ..................... 74 2. Die britischen exterritorialen Gerichtssysteme ......................... 75 3. Die lokalen Gerichtssysteme .................................................... 76 4. Erste Rechtsreformen vor Erreichen der Unabhängigkeit ......... 77 III. Die Entwicklung nationaler Rechtsstrukturen in den Golfstaaten ................................................................................... 78 1. Der Einfluss des Civil Law ...................................................... 78 2. Die Gerichtssysteme der unabhängigen Golfstaaten ................. 79 a) Katar ................................................................................... 80 b) Vereinigte Arabische Emirate .............................................. 81 c) Bahrain ................................................................................ 82 3. Zusammenfassung .................................................................... 83 IV. Die gegenwärtigen Rechts- und Gerichtssysteme .......................... 84 1. Katar ........................................................................................ 84 2. Bahrain .................................................................................... 84 3. Vereinigte Arabische Emirate .................................................. 86 4. Zusammenfassung .................................................................... 87 C. Zwischenergebnis .............................................................................. 87
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess A. Die Rechtslage vor der Kodifikation .................................................. 89 I. Ausgangslage der drei Golfstaaten ................................................ 89 II. Bahrain ......................................................................................... 91 III. Katar ............................................................................................ 92 IV. Vereinigte Arabische Emirate ....................................................... 93 V. Zusammenfassung ........................................................................ 94 B. Der Kodifikationsprozess in den Golfstaaten ..................................... 94 I. Grundsätzliches ............................................................................ 94 II. Reformen von unten: Kodifikationsbestrebungen und debatten ........................................................................................ 96 1. Katar und Vereinigte Arabische Emirate .................................. 96 a) Gemeinsamkeiten ................................................................ 96 b) Vereinigte Arabische Emirate .............................................. 97 2. Bahrain .................................................................................... 98 a) Debatten seit den 1980er Jahren........................................... 98 b) Erste Gesetzesinitiativen in den 2000er Jahren..................... 98 c) Missstände und öffentliche Kritik ........................................ 99 d) Lobbyarbeit und öffentlicher Diskurs................................. 101 3. Internationale Verträge als neue Referenzrahmen ................... 102 a) Grundsätzliches ................................................................. 102 b) UN-Kinderrechtskonvention .............................................. 103 c) UN-Frauenrechtskonvention .............................................. 105 aa) Ratifikation und Vorbehalte ...............................................105 bb) Einfluss auf den Kodifikationsprozess ...............................108 (1) Bahrain .................................................................. 108 (a) Staatenbericht ........................................................ 108 (b) Parallelberichte ..................................................... 109 (2) Vereinigte Arabische Emirate ................................ 110 (a) Staatenbericht ........................................................ 110 (b) Parallelbericht ....................................................... 111 4. Zusammenfassung .................................................................. 111 III. Reformen von oben: Der Gesetzgebungsprozess ......................... 112 1. Zusammensetzung der Gesetzgebungsausschüsse ................... 112 a) Katar ................................................................................. 112 b) Vereinigte Arabische Emirate ............................................ 113 c) Bahrain .............................................................................. 113 2. Einbindung von Frauenrechtsorganisationen .......................... 114 a) Katar und Vereinigte Arabische Emirate ............................ 114 b) Bahrain .............................................................................. 114
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3. Sonderfall Bahrain: Kodifikation und konfessionelle Spannungen ........................................................................... 115 C. Zwischenergebnis ............................................................................ 117
Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis A. Grundsätzliches ............................................................................... 119 I. Tendenzen des Familienrechts .................................................... 119 II. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich ........................ 120 III. Rechtspraxis im Familienrecht.................................................... 121 1. Quellenlage ............................................................................ 122 2. Richteramt und Rechtsprechung in den Golfstaaten ................ 123 B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren ............................................. 124 I. Eherecht ..................................................................................... 124 1. Eheschließung ........................................................................ 124 a) Ehevormundschaft ............................................................. 124 aa) Die gesetzlichen Regelungen .............................................124 bb) Der Ehevormund: notwendig oder antiquiert? ...................126 b) Polygynie .......................................................................... 127 aa) Die gesetzlichen Regelungen .............................................127 bb) Polygynie: gelebt oder geduldet? .......................................129 2. Vereinbarung einvernehmlicher Zusatzbedingungen .............. 130 3. Ehewirkung ............................................................................ 132 a) Persönliche Ehewirkungen ................................................. 132 b) Vermögensrechtliche Ehewirkungen .................................. 134 4. Wirksamkeit der Ehe .............................................................. 134 II. Scheidungsrecht ......................................................................... 136 1. Formen der Eheauflösung ...................................................... 136 a) Verstoßungsscheidung: zaghafte Beschränkungen ............. 136 b) Gerichtliche Eheauflösung auf Antrag der Ehefrau ............ 138 aa) Scheidungsgründe malikitischer Prägung ..........................138 bb) Eheauflösung aufgrund von Schädigung und Zerwürfnis ..........................................................................139 (1) Grundsätzliches ..................................................... 139 (2) Schädigung und häusliche Gewalt ......................... 141 (3) Rechtspraxis in den Vereinigten Arabischen Emiraten ................................................................ 142 (a) Oberster Bundesgerichtshof v. 6.4.2002 ............... 143 (b) Bewertung ............................................................. 144 (4) Rechtspraxis in Katar ............................................ 145 (a) Kassationsgericht v. 11.5.2010 ............................. 145 (b) Bewertung ............................................................. 146
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(5) Rechtspraxis Bahrain ............................................. 147 2. Folgen der Eheauflösung ........................................................ 148 a) Persönliche Folgen der Eheauflösung ................................ 148 b) Vermögensrechtliche Folgen der Eheauflösung ................. 148 III. Kindschaftsrecht ......................................................................... 149 1. Sorgerecht .............................................................................. 150 a) Personensorge während bestehender Ehe ........................... 151 b) Betreuungs- und Kindesunterhalt ....................................... 151 2. Abstammung .......................................................................... 152 3. Ausstrahlung der Regelungen über die Abstammung in andere Rechtsbereiche ............................................................ 154 a) Staatsangehörigkeit ............................................................ 154 b) Namensrecht ...................................................................... 155 IV. Zusammenfassung ...................................................................... 156 C. Regelungen rechtsvergleichender Prägung ....................................... 158 I. Eheschließungsrecht: Formalisierung und staatliche Kontrolle .................................................................................... 158 1. Ehemündigkeit ....................................................................... 159 a) Die gesetzlichen Regelungen ............................................. 159 b) Tatsächliches Eheschließungsalter ..................................... 159 2. Registrierung der Ehe............................................................. 161 a) Die gesetzlichen Regelungen ............................................. 161 b) Registrierungspflicht: sinnvoll oder gescheitert? ................ 163 aa) Registrierung im Regelfall .................................................163 bb) Sonderfall misyār-Ehen ......................................................164 II. Scheidungsrecht ......................................................................... 165 1. Ḫulᶜ: Für ein Scheidungsrecht der Frau? ................................ 166 a) Ḫulᶜ-Scheidung im klassischen islamischen Recht ............. 166 b) Ḫulᶜ-Scheidung im geltenden Recht islamischer Länder ............................................................................... 167 c) Die gesetzlichen Regelungen in den Golfstaaten ................ 169 d) Rechtspraxis ...................................................................... 171 aa) Ḫulᶜ-Scheidungen vor der Kodifikation .............................171 bb) Ḫulᶜ-Scheidung seit der Kodifikation ................................173 2. Mutᶜat aṭ-ṭalāq: Wider ein Scheidungsrecht des Mannes? ....... 174 a) Vorbilder aus anderen islamischen Ländern ....................... 174 b) Die gesetzlichen Regelungen in den Golfstaaten ................ 175 c) Rechtspraxis ...................................................................... 176 aa) Kassationsgericht Abu Dhabi v. 3.6.2009 ..........................177 bb) Kassationsgericht Abu Dhabi v. 5.5.2010 ..........................178 cc) Bewertung ..........................................................................179 3. Schädigung und Entschädigung .............................................. 180
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III. Zusammenfassung ...................................................................... 181 D. Innovative Regelungen .................................................................... 183 I. Die emiratische Variante der ḫulᶜ-Scheidung .............................. 183 1. Der Begriff der „angemessenen Abfindung“ .......................... 184 2. Die gerichtliche Beurteilung der angemessenen Abfindung .............................................................................. 184 II. Kindschaftsrecht ......................................................................... 186 1. Stärkung der väterlichen Rechte ............................................. 186 2. Primat des Kindeswohls ......................................................... 187 a) Starre Altersgrenzen oder flexible Einzelfallentscheidung? ..................................................... 188 aa) Die gesetzlichen Regelungen .............................................188 bb) Rechtspraxis in Katar .........................................................189 (1) Kassationsgericht v. 6.6.2006 ................................ 189 (2) Kassationsgericht v. 27.3.2007 .............................. 190 (3) Bewertung ............................................................. 191 cc) Rechtspraxis in den Vereinigten Arabischen Emiraten .............................................................................191 b) Verlust der Personensorge: Das Damoklesschwert der erneuten Heirat .................................................................. 192 aa) Die gesetzlichen Regelungen .............................................192 bb) Rechtspraxis in den Vereinigte Arabischen Emiraten .............................................................................194 (1) Oberster Bundesgerichtshof v. 18.6.2006 .............. 194 (2) Kassationsgericht Abu Dhabi v. 21.4.2010 ............ 195 (3) Bewertung ............................................................. 196 c) Mitbestimmungsrecht des Kindes ...................................... 197 3. Religionsunterschiede: Innovativer Konservatismus ............... 197 4. Bahrain: Einzelfallentscheidung ohne Ermessensspielraum? ............................................................. 199 III. Zusammenfassung ...................................................................... 199 E. Ergebnis .......................................................................................... 201 I. Eherecht ..................................................................................... 202 II. Scheidungsrecht ......................................................................... 203 III. Kindschaftsrecht ......................................................................... 204
Ergebnisse und Schlussbetrachtung A. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse ................................. 205 B. Ausblick .......................................................................................... 208 I. Verbreitung und Bekanntmachung der neuen Gesetzbücher ........ 208 1. Ausbildung der Richterschaft ................................................. 209
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2. Öffentlichkeitskampagnen ...................................................... 209 II. Aktuelle Diskussionen und Reformbedarf................................... 210 1. Kritik an der Verfahrenspraxis ............................................... 211 2. Anhaltende Reformforderungen ............................................. 212 C. Schluss ............................................................................................ 214 Anhang ................................................................................................. 215 Anhang 1: Trauschein Bahrain alt .................................................... 216 Anhang 2: Trauschein Bahrain aktuell ............................................. 217 Anhang 3: Ausgewertete Rechtsprechung ........................................ 218 Quellenverzeichnisse ............................................................................ 223 Literatur .......................................................................................... 223 Internetquellen ................................................................................. 242 Gesetze ............................................................................................ 247 Sach- und Personenregister ................................................................... 255
Abkürzungsverzeichnis Die vollständigen Fundstellen abgekürzt zitierter arabischer Gesetze sind in den Fußnoten und im Gesetzesverzeichnis zu finden. a. a. O. ABGB AcP AED ägypt. ALQ ALR arab. Aufl.
am angegebenen Ort (österreichisches) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Archiv für die civilistische Praxis emirat. Dirham (Währung) ägyptisch Arab Law Quarterly (preußisches) Allgemeines Landrecht arabisch Auflage
bahr. Bd. bearb. BGB BGBl. BOIC BrautgabeG VAE
bahrainisch Band bearbeitet Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bahrain Order in Council Bundesgesetz über die Begrenzung der Höhe der Brautgabe und der Ausgaben für die Eheschließung v. 21.12.1997, GBl. Nr. 312 bahr. Frauenverband (Bahrain Women’s Union, al-Ittiḥād anNisāᵓī al-Baḥraynī) beziehungsweise
BWU bzw. ca. CEDAW CEDAW-Komitee Ch. CO CRC
circa UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, BGBl. II 1985 Committee on the Elimination of Discrimination against Women Chapter Colorado UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl. II 1992
d. h. dt.
das heißt deutsch
ebd.
ebenda
XVIII EheG Katar
Abkürzungsverzeichnis
erw. etc.
Gesetz über die Ehe mit Ausländern v. 25.12.1989, GBl. Nr. 16 The Encyclopedia of Islam, Vol. II Einführungsgesetz zum FamGB Bahrain emiratisch englisch emirat. Entwurf eines Bundesgesetzes über das Personalstatut v. 1979 erweitert et cetera
f., ff. FamGB Bahrain FamGB Katar FAZ Fn. FS
folgende, die folgenden Familiengesetzbuch (erster Teil) v. 27.5.2009, GBl. Nr. 2898 Familiengesetzbuch v. 29.6.2006, GBl. Nr. 8 Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Festschrift
GBl. GerichtsVerfG Bahrain 2002 GerichtsVerfG Dubai
Gesetzblatt Gesetz über die richterliche Gewalt v. 20.10.2002, GBl. Nr. 2553 Gesetz über die Bildung der Gerichte im Emirat Dubai v. 17.5.1992, GBl. Dubai Nr. 196 Gesetz über das System der ᶜadlīya-Gerichte v. 25.8.1971, GBl. Nr. 7 Gesetz über die richterliche Gewalt v. 12.8.2003, GBl. Nr. 9
EI2 EinfG FamGB Bahrain emirat. engl. Entwurf v. 1979
GerichtsVerfG Katar 1971 GerichtsVerfG Katar 2003 Gesch.-Z. Gesetz Nr. 1/2000 gest. GesundPrüfG Bahrain GWU Hawwa
Geschäftszeichen ägypt. Gesetz Nr. 1/2000 zur Regelung einiger Grundsätze und Maßnahmen der Prozessführung in Angelegenheiten des Personalstatuts gestorben Gesetz über die gesundheitliche Prüfung von Heiratswilligen beider Geschlechter v. 22.1.2004, GBl. Nr. 2640 emirat. Allgemeiner Frauenverband (General Women’s Union, al-Ittiḥād an-Nisāᵓī al-ᶜĀmm)
Hg. HS
Hawwa – Journal of Women of the Middle East and the Islamic World Herausgeber Halbsatz
ICLQ i. d. F. i. d. R. i.e. IJMES ILS IPRax i. V. m.
The International and Comparative Law Quarterly in der Fassung in der Regel id est International Journal of Middle East Studies Islamic Law and Society Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts in Verbindung mit
Abkürzungsverzeichnis
XIX
Jg.
Jahrgang
katar.
katarisch
lit.
littera (Buchstabe)
M.A. MA Mag. Mağalla MEJ MEPI MES Mudawwana 1957/58
Maskat Dokument m. w. N.
Master of Arts Massachusetts Magister, Magisterarbeit tun. Personalstatutsgesetz v. 13.8.1956, GBl. Nr. 66 The Middle East Journal The US-Middle East Partnership Initiative Middle Eastern Studies marokkanisches Personalstatutsgesetz v. 22.11.1957, GBl. Nr. 2354 marokkanisches Familiengesetzbuch v. 3.2.2004, GBl. Nr. 5184 Personalstatutssystem des Golfkooperationsrates von 1997 mit weiteren Nachweisen
n. Chr. No. Nr. N.Y.
nach Christus Number Nummer New York
o. Hg. OIC
ohne Herausgeber Organisation of Islamic Conference, Organisation der Islamischen Konferenz ohne Jahr bahr. Verordnung über die Organisation von Maßnahmen in Bezug auf Klagen zum Erwerb oder zur Änderung von Namen und Familiennamen v. 15.10.2000, GBl. Nr. 2447 bahr. Verordnung über die Ordnung der gesetzlich Bevollmächtigten zur Eheschließung und die Bestimmungen über die Beurkundung von Dokumenten im Zusammenhang mit dem Personalstatut v. 23.9.2007, GBl. Nr. 2812 Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur des Orients ohne Seite osmanisch osm. Familiengesetzbuch v. 1917
Mudawwana 2004
o. J. Ordnung v. 2000 Ordnung v. 2007
Orient o. S. osm. OsmFamGB pers. PersStG Jordanien PersStG Kuwait PersStG Oman PersStG VAE
persisch (temporäres) Personalstatutsgesetz v. 26.9.2010, GBl. 5061 Personalstatutsgesetz v. 7.7.1984, GBl. Nr. 1570 Personalstatutsgesetz v. 4.6.1997, GBl. Nr. 601 Bundesgesetz über das Personalstatut v. 19.11.2005, GBl. Nr. 439
QOIC QR
Qatar Order in Council katar. Riyal (Währung)
XX RabelsZ RegistrierungsG Katar Rn. S SCFA
Abkürzungsverzeichnis Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Gesetz über die Organisation bei der Registrierung von Geburten und Todesfällen v. 9.3.1982, GBl. Nr. 3 Randnummer
Sing. sog. StAG Bahrain StAG Katar StAG VAE StAZ StGB Katar StGB VAE Suppl. SZ
Satz katar. Oberster Rat für Familienangelegenheiten (Supreme Council for Family Affairs, al-Mağlis al-Aᶜlā li-Šuᵓūn al-Usra) bahr. Oberster Frauenrat (Supreme Council for Women, alMağlis al-Aᶜlā li-l-Marᵓa) Singular sogenannt Staatsangehörigkeitsgesetz v. 16.9.1963, GBl. Nr. 534 Staatsangehörigkeitsgesetz v. 30.10.2005, GBl. Nr. 12 Staatsangehörigkeitsgesetz v. 18.11.1972, GBl. Nr. 7 Das Standesamt – Zeitschrift für Standesamtswesen Strafgesetzbuch Katar v. 25.8.1971, GBl. Nr. 7 Strafgesetzbuch VAE v. 8.12.1978, GBl. Nr. 182 Supplement/Anhang (zu einem GBl.) Süddeutsche Zeitung
TSOIC tun.
Trucial States Order in Council tunesisch
u. a. UAE überarb. Übers., übers. UN Univ. US, USA
unter anderem, und andere United Arab Emirates überarbeitet Übersetzer, übersetzt Vereinte Nationen Universität Vereinigte Staaten von Amerika
v. v. a. VAE Verf. Bahrain 1973 Verf. Bahrain 2002
vgl. Vol.
vom vor allem Vereinigte Arabische Emirate Verfassung des Staates Bahrain v. 6.12.1973, GBl. Nr. 1049 Verfassung des Königreiches Bahrain v. 14.2.2002, GBl. Nr. 2517 geändertes provisorisches Grundgesetz des Staates Katar v. 19.4.1972, GBl. Nr. 5 permanente Verfassung des Staates Katar v. 8.6.2004, GBl. Nr. 6 provisorische Verfassung der Vereinigten Arabischen Emirate v. 18.7.1971, GBl. Nr. 1 vergleiche Volume
WPC
Women’s Petition Committee (Lağnat al-ᶜArīḍa an-Nisāᵓīya)
SCW
Verf. Katar 1972 Verf. Katar 2005 Verf. VAE 1971
Abkürzungsverzeichnis
XXI
WVK
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, BGBl. II 1985
YIMEL
Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law
z. B. ZEuP ZGB ZPO ZVglRWiss
zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zivilgesetzbuch Zivilprozessordnung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
Hinweise zur Umschrift Die Umschrift arabischer Fachtermini orientiert sich in der vorliegenden Arbeit am System der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG). Zugunsten eines besseren Leseflusses wurde bei in der deutschen Fachsprache geläufigen Termini (z. B. Koran, Scharia, Sunna) auf eine Transkription verzichtet. Dies gilt ebenso für arabische Eigennamen und Ortsbezeichnungen, deren korrekte Umschrift jedoch zum Teil in Klammern oder Fußnoten angegeben wird. Längere arabischsprachige Textpassagen wurden ins Deutsche übertragen. Die Titel arabischsprachiger Sekundärliteratur wurden sowohl transkribiert als auch in deutscher Übersetzung in das Literaturverzeichnis aufgenommen. Die Namen arabischer Autoren wurden für die Aufnahme in das Literaturverzeichnis und in die Fußnoten transkribiert, um die Wiederauffindbarkeit zu erhöhen.
Einleitung A. Anlass und Ziel der Arbeit Was ist ein modernes Recht für die Familie? Welche Anforderungen muss Familienrecht erfüllen, um zeitgemäß zu sein? Der Duden definiert modern als „an der Gegenwart, ihren Problemen und Auffassungen orientiert“ und „in die jetzige Zeit passend“.1 Dieser Begriffsbestimmung folgend müsste modernes Familienrecht vor allem den aktuellen Regelungserfordernissen von Familienkonzepten gerecht werden, wie sie eine Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort definiert. Solche Familienkonzepte können räumlich und zeitlich variieren.2 In Deutschland beispielsweise wird gegenwärtig über die umfassende Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften und ihrer Kinder diskutiert.3 In mehrheitlich muslimischen Gesellschaften wiederum dominieren andere Fragen, so beispielsweise nach gleichen, geschlechterunabhängigen ehelichen Rechten und Pflichten oder nach der Ausstrahlung der Ehe auf die Rechtsstellung von Kindern, u. a. mit Blick auf ihre Abstammung von beiden Elternteilen. In der islamischen Welt4 ist die Besonderheit der Dis1 Siehe Eintrag „modern“, in Duden online, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 2 Siehe hierzu u. a. die Diskussion bei Boele-Woelki, in Boele-Woelki, Debates, 24 ff. und de Oliveira, in Verbeke u. a., FS Pintens, 401 ff. 3 Hierzu FAZ online v. 9.6.2013, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; Spiegel online v. 6.6.2013, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; SZ online v. 9.6.2013, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 4 Wenn im Folgenden von „islamischer Welt“ die Rede ist, so ist das Verbreitungsgebiet der islamischen Religion, mithin jene Nationalstaaten mit signifikantem muslimischen Bevölkerungsteil gemeint, vgl. Heine/Spielhaus, in Ende/Steinbach, Islam in der Gegenwart, 128–148. Der Begriff „islamische/islamisch geprägte/muslimische Staaten/Länder“ bezeichnet zudem sämtliche Mitgliedstaaten der Organisation der Islamischen Konferenz (Organisation of Islamic Conference, OIC) und wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit synonym verwandt. Die Definition als muslimischer Staat über die Mitgliedschaft in der OIC beruht auf der Präambel der OIC-Charta, in welcher die
2
Einleitung
kussion über ein modernes, zeitgemäßes Familienrecht zudem die enge Verknüpfung dieses Rechtsbereichs mit dem religiösen Recht. Aufgrund der hohen Regelungsdichte in den Primärquellen ist das klassische islamische Recht auch weiterhin zentraler Bezugspunkt des Familienrechts in der überwiegenden Mehrheit islamischer Länder.5 Religiösem Recht haftet – ob seines Offenbarungscharakters – das Merkmal der Unwandelbarkeit an. Auch das klassische islamische Recht ist zunächst einmal rückwärtsgewandt, bezieht es sich doch auf jahrhundertealtes Quellenmaterial und dessen Interpretationen. Islamisches Recht wird dadurch oftmals als starr und entwicklungsunfähig wahrgenommen. Kann es ein modernes Recht für die Familie in islamischen Ländern also überhaupt geben? Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die jüngsten familienrechtlichen Kodifikationen in der islamischen Welt, namentlich die Personalstatutsgesetze der arabischen Golfstaaten Bahrain, Katar und Vereinigte Arabische Emirate (VAE). Die Kodifikation des Familienrechts hat in der islamischen Welt eine vergleichsweise kurze Geschichte. Zwar kodifizierten zahlreiche islamische Länder seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Mehrheit der Rechtsgebiete nach europäischem Vorbild, auf dem Gebiet des Familienrechts folgte eine solche Entwicklung jedoch erst deutlich später. Besonders die kleinen arabischen Golfstaaten, die im Zentrum dieser Arbeit stehen, verfügten bis in das 21. Jahrhundert hinein über kein staatlich gesetztes Familienrecht. Insofern hat das Familienrecht Bahrains, Katars und der VAE auch in der Forschung bislang vergleichsweise geringe Beachtung gefunden. Überdies war Quellenmaterial aus der Region lange Zeit nur schwer zugänglich. Die vorliegende Arbeit betrachtet zum einen den rechtspolitischen und rechtshistorischen Hintergrund, vor dem die neuen Gesetzbücher zu verstehen sind. Hierauf aufbauend werden sodann das reformierte Familienrecht der drei Golfmonarchien und dessen gerichtliche Anwendung vergleichend untersucht. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt somit auf der Auswertung der neuen gesetzlichen Bestimmungen sowie ihrer gerichtlichen Anwendung und etwaigen Fortbildung in den arabischen Golfstaaten. Hierdurch soll eine regionale Lücke in der Forschung zum Familienrecht islamischer Länder geschlossen und die Frage beantwortet werden, inwieweit das neukodifizierte Familienrecht der arabischen Golfstaaten aktuellen Regelungserfordernissen gerecht wird.
Mitgliedstaaten ihre Entschlossenheit bekräftigen, islamische spirituelle, ethische, soziale und wirtschaftliche Werte zu wahren. Für eine abschließende Übersicht aller Mitgliedstaaten und für die Charta der OIC siehe , letzter Zugriff: 3.2.2014. 5 Hierzu ausführlich Kapitel 1.
A. Anlass und Ziel der Arbeit
I.
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Islamisches Familienrecht und Kodifikation
Unter Einfluss des europäischen Kodifikationszeitalters wurde im Osmanischen Reich zwischen 1840 und 1917 die Mehrzahl der Rechtsgebiete vereinheitlicht, kodifiziert und mithin unter staatliche Kontrolle gestellt.6 Das Familienrecht, welches zuvor auf den klassischen fiqh-Werken, den Sammlungen von Debatten, Auslegungen und Interpretationen der Primärquellen des islamischen Rechts, basierte, fand seine erstmalige Kodifikation 1917 im Osmanischen Familiengesetzbuch (OsmFamGB). Das OsmFamGB gilt als Vorreiter der Kodifikation des Personalstatuts (alaḥwāl aš-šaḫṣīya)7 in der islamischen Welt und als Beginn einer ersten „Kodifikationswelle“ im Familienrecht islamischer Länder.8 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts folgte eine zweite Phase familienrechtlicher Kodifikation in der Mehrheit der durch Unabhängigkeit neu entstandenen Nationalstaaten des Maschreks und Maghrebs.9 Im Lichte sich wandelnder gesellschaftlicher Anforderungen und der steigenden Tendenz zur Kodifikation des Familien- und Erbrechts10 wurden Mechanismen der islamischen Rechtslehre wiederbelebt, welche eine Einbeziehung des klassischen islamischen Rechts gewährleisteten und gleichzeitig den Ansprüchen einer modernen Gesellschaft Rechnung tragen sollten. Die bereits in der Abbasiden-Dynastie (ca. 750–1258) formulierte Theorie der siyāsa šarᶜīya11 (Scharia-konforme Politik) beispielsweise lieferte politischen Herrschern die nötige Legitimation, im Rahmen des islamischen Rechts gesetzgeberisch tätig zu werden. Dies wiederum kann auch in der Gegenwart die Rechtssetzungskompetenz der Regierungen islamischer Länder begründen.12 In der Mehrheit dieser Länder werden inzwischen – im Rahmen der siyāsa šarᶜīya – Methoden angewandt, die Peters, in Roberson, Islamic reformation, 87 f. Der inzwischen gebräuchliche arabische Terminus „al-aḥwāl aš-saḫṣīya“, unter welchem das Familienrecht und bisweilen auch das gesamte Personalstatut subsumiert wird, ist keineswegs ein dem traditionellen islamischen Rechtsverständnis entsprungener Begriff, sondern wurde erst im späten 19. Jahrhundert durch die Arbeiten des damaligen ägypt. Justizministers Muhammad Qadri Pascha (Muḥammad Qadrī Bāšā, gest. 1888) geprägt. Einige islamische Rechtswissenschaftler bevorzugen daher den Begriff „qānūn al-usra“, wenn sie sich auf das kodifizierte Familienrecht beziehen, welches im klassischen islamischen Recht mit den Begriffen „munākaḥāt“ (Eherecht) und „ᶜilm alfarāᵓiḍ“ (Erbrecht) beschrieben wird, hierzu Ebert, Personalstatut, 11 f.; Nasir, Personal status, 34 f. mit der Definition des Terminus „al-aḥwāl aš-šaḫṣīya“ des ägypt. Kassationsgerichts v. 21.6.1934 (Appeal No. 40J). Im Folgenden werden die Begriffe „Personalstatutsgesetz“ und „Familiengesetzbuch“ synonym verwandt. 8 Tucker, Women and gender, 20; Welchman, Muslim family laws, 12. 9 Welchman, a. a. O., 13. 10 Hierzu ausführlich Kapitel 1 B.II.3. 11 EI2, Bd. IX, Eintrag SIYĀSA, 693. 12 Ebert, Orient 43.3(2002), 367; Layish, MES 14.3(1978), 264. 6 7
4
Einleitung
eine Fortbildung des islamischen Rechts ermöglichen, ohne dabei die (indes nicht einheitlich definierte) Substanz der Scharia anzutasten. Die islamischen Rechtsschulen13 sind inzwischen regional unterschiedlich stark verbreitet. Gleichzeitig gibt es nahezu kein islamisches Land, welches sein Recht strikt gemäß der dominierenden Rechtsschule setzt. So werden zur Rechtsreform und -fortbildung u. a. die Methoden taḫayyur (Auswahl) und talfīq (Kombination) genutzt. Diese ermöglichen eine Auswahl innerhalb sowie Verbindung der Lehrmeinungen verschiedener Rechtsschulen, um neuen Regelungserfordernissen gerecht zu werden. Auf diesem Wege kann beispielsweise das hanafitische Scheidungsrecht um Regelungen aus der malikitischen Rechtsschule ergänzt werden, um die Aussichten der Frau, eine Scheidung zu erwirken, zu erweitern.14 Überdies können Reformen auf dem Gebiet des Verfahrensrechts – ein oft als „werteneutral“ wahrgenommenes Rechtsgebiet – dazu dienen, materiellrechtliche Reformen herbeizuführen oder unerwünschte Auswirkungen des materiellen Rechts aufzufangen.15 Auch das Prinzip des Gemeinwohls (maṣlaḥa) sowie eine Neuinterpretation der Primärquellen können dem Ge-
13 Der Islam ist in zwei große Konfessionen gespalten, die Sunniten (Sunna) und die Schiiten (Šīᶜa). Die Sunna umfasst die vier Rechtsschulen (maḏāhib, Sing. maḏhab) der Hanafiten (Ḥanafīya), Hanbaliten (Ḥanbalīya), Malikiten (Mālikīya) und Schafiiten (Šāfiᶜīya); die größten schiitischen Rechtsschulen sind die Zwölferschia (Ğaᶜfarīya) und die Zaiditen (Zaydīya). 14 Die hanafitische Rechtsschule räumt der Frau nur unter zwei Bedingungen die Möglichkeit zur gerichtlichen Scheidung ein: Der Mann ist nachgewiesenermaßen nicht in der Lage, die Ehe zu vollziehen (z. B. aufgrund von Impotenz), oder ein über neunzig Jahre alter Ehemann verlässt die Ehefrau ohne Angabe seines Verbleibs (im Prinzip wird er dann durch einen Richter für tot erklärt, was die Ehe automatisch beendet); die malikitische Rechtsschule formuliert demgegenüber sehr weitreichende Gründe für eine gerichtliche Eheauflösung: 1.) eine durch den Ehemann bei Aufsetzen des Ehevertrages verschwiegene, schwerwiegende körperliche oder geistige Krankheit oder Impotenz; 2.) eine langfristige Abwesenheit des Ehemannes ohne ersichtlichen Grund – diese Abwesenheit muss, abhängig von den genaueren Umständen, zwischen ein bis vier Jahren andauern (ist gleichwohl unabhängig vom Alter des Mannes); 3.) das Nichtzahlen von Unterhalt entweder für die Ehefrau oder die gemeinsamen Kinder, obwohl der Ehemann über ausreichende finanzielle Mittel verfügt; 4.) körperliche oder seelische Schädigung (ḍarar) der Ehefrau durch den Ehemann; vgl. Nachweise unter Fn. 112 sowie Ebert, Orient 43.3(2002), 369 f. 15 Mehrere islamische Staaten, so u. a. Ägypten, haben beispielsweise ein Mindestalter für die Registrierung der Eheschließung eingeführt. Diese Altersgrenzen sind zwar im Verfahrensrecht „versteckt“, berühren aber gleichzeitig das materielle Recht, ohne dieses direkt zu modifizieren, hierzu Anderson, ICLQ 20.1(1971), 13; Layish, MES 14.3 (1978), 269; für Reformen des formellen Rechts ohne direkten Eingriff in das materielle Familienrecht siehe überdies Ebert, a. a. O., 371 ff.
A. Anlass und Ziel der Arbeit
5
setzgeber dazu verhelfen, innovative Rechtsnormen zu entwickeln, ohne dabei den Rückbezug auf das islamische Recht zu verlieren.16 Im Zuge der erstmaligen Kodifikation des Personalstatuts haben die Gesetzgeber Bahrains, Katars und der VAE die gesamte Bandbreite dieser Methoden zur Fortentwicklung des islamischen Rechts genutzt. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die zuvor genannten Methoden daher an konkreten Beispielen aus den drei Golfstaaten genauer zu untersuchen sein. II. Islamisches Familienrecht und Kodifikation in den arabischen Golfstaaten Die arabischen Golfstaaten wurden von den ersten Kodifikationswellen in islamischen Ländern nicht erfasst. Vor der Präsenz Großbritanniens in der Golfregion im frühen 20. Jahrhundert waren Verwaltungsstrukturen in den dortigen Scheichtümern „virtually non-existent“;17 von traditionellen Stammesräten und religiösen Schiedsgerichten abgesehen, gab es weder institutionalisierte Regierungs- oder Gerichtswesen noch kodifiziertes Recht. Familienrechtsstreitigkeiten wurden von islamischen Rechtsgelehrten, die als Richter (Sing. qāḍin) fungierten, auf Basis des klassischen islamischen Rechts entschieden.18 Die einzelnen Verträge, die Großbritannien als Schutzmacht in der Golfregion etablierten, enthielten zunächst keine Bestimmungen hinsichtlich der legislativen und judikativen Kompetenzen der Briten. Jedoch wurde alsbald deutlich, dass zumindest mit Blick auf ausländische, vornehmlich britische Staatsangehörige ein leichter verständliches Rechtssystem zu entwickeln war. Sämtliche Streitigkeiten mit ausschließlicher Beteiligung britischer Staatsbürger wurden ab Beginn des 20. Jahrhunderts sukzessive in die Zuständigkeit der Schutzmacht und ihrer Vertreter in der Region überführt. Dabei wandten die britischen Gerichte im Rahmen ihrer exterritorialen Jurisdiktion das britisch-indische Recht des 19. Jahrhunderts sowie britisches Common Law an. Auf die autochthone Bevölkerung fand dieses Recht gleichwohl keine Anwendung. Streitigkeiten ohne ausländische Beteiligung, so u. a. im Bereich des Familien- und Erbrechts, wurden auch weiterhin von religiösen Richtern auf Basis des unkodifizierten islamischen Rechts entschieden.19 16 Zu den Methoden der Rechtsfortbildung im islamischen Recht allgemein siehe Anderson, RabelsZ 30(1966), 248 f.; Anderson, a. a. O., 12 ff.; Ebert, a. a. O., 365–381; Layish, a. a. O., 264 ff. 17 So für die VAE Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 121; siehe außerdem Brown, Rule of law, 130. 18 Brown, a. a. O., 130; Khuri, Tribe and state, 35, 68. 19 Amin, Legal systems, 21, 299 f., 394 f.; Brown, a. a. O., 131 ff.; für Katar siehe außerdem Hamzeh, MES 30.1(1994), 82.
6
Einleitung
Der durch die Entdeckung und Förderung großer Ölreserven ausgelöste rasante wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel ab den 1960er Jahren und die Ankündigung Großbritanniens, sich bis 1971 aus der Golfregion zurückziehen zu wollen, markierten eine wichtige Zäsur für die Golfscheichtümer. Den Herrschern der neu entstandenen Nationalstaaten war bewusst, dass sie fortan die Verwaltungsaufgaben und Rechtssetzungskompetenzen, die die Briten zuvor ausübten, übernehmen mussten.20 Mithin bestand ein großer Bedarf an kodifiziertem Recht sowie an juristischem Personal und Gerichten, die diese Gesetze anwenden würden. In Ermangelung ausreichend qualifizierter, einheimischer Juristen, die diese Aufgabe zu übernehmen in der Lage gewesen wären, holten die Regierungen Rechtswissenschaftler und Rechtspraktiker aus anderen arabischen Staaten, vornehmlich aus Ägypten, Jordanien und dem Sudan, in die Golfregion.21 Diese „importierten“ Juristen übten vor allem im Bereich des Zivil- und Handelsrechts enormem Einfluss auf die Rechtssysteme der modernen Golfstaaten aus. Während die Mehrzahl der Rechtsgebiete bis Mitte der 1980er Jahre abschließend normiert wurde, fand in den Golfstaaten – auch ungeachtet der bereits vollzogenen Familienrechtsreformen anderer islamischer Länder – keine Kodifikation des Familienrechts statt. Entscheidungsgrundlage für Fragen des muslimischen Personalstatuts blieben weiterhin die klassischen fiqh-Werke. Erst 1997 entwickelte der Golfkooperationsrat, ein Staatenbund der sechs Staaten der arabischen Halbinsel,22 den ersten Entwurf eines Familiengesetzbuches (inklusive erbrechtlicher Regelungen) als unverbindliche Richtschnur für die Kodifikation des Personalstatuts in den Mitgliedstaaten.23 Mit Ausnahme Kuwaits24 und Omans25 hatte bis zur
Al-Muhairi, in Kritzer, Legal systems, Vol. IV, 1691. Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 128; Brown, Rule of law, 137; hierzu ausführlich Kapitel 2. 22 Die Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates (Mağlis Taᶜāwun li-Duwal al-Ḫalīğ al-ᶜArabīya, engl. Gulf Cooperation Council, GCC) sind Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die VAE (Stand: Februar 2014). Seit 2011 wird ebenfalls die Aufnahme der arabischen Monarchien Jordanien und Marokko diskutiert. Die Aufnahme dieser ressourcenarmen Nicht-Golfstaaten muss in erster Linie vor dem Hintergrund der Umbrüche in der arabischen Welt im Jahre 2011 und dem Interesse der Golfstaaten, einen antimonarchischen Dominoeffekt zu verhindern, verstanden werden, hierzu Richter, GIGA Focus Nahost 5(2011). Der Golfkooperationsrat hat die Zusammenarbeit seiner Mitglieder in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Förderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedern zum Ziel. 23 Personalstatutssystem des Golfkooperationsrates von 1997 [An-niẓām (al-qānūn) al-muwaḥḥad li-l-aḥwāl aš-šaḫṣīya li-duwal Mağlis al-Taᶜāwun li-Duwal al-Ḫalīğ alᶜArabīya], online abrufbar unter: Middle East Partnership Initiative, , letzter Zugriff: 3.2.2014. 20 21
B. Gegenstand der Untersuchung
7
Verabschiedung dieses sogenannten „Maskat Dokumentes“ kein Staat der Region eine umfangreiche Kodifikation des Personalstatuts verabschiedet. Im vergangenen Jahrzehnt kam es jedoch in kurzen zeitlichen Abständen zu einer dritten Phase der Kodifikation im Familienrecht islamischer Länder. 2005 erließen die VAE ein umfassendes Personalstatutsgesetz,26 das sowohl familien- als auch erbrechtliche Bestimmungen enthält, 2006 folgte Katar mit einem Familiengesetzbuch (ebenfalls inklusive Erbrecht)27 und im Jahre 2009 erließ die bahrainische Regierung den ersten Teil eines Gesetzbuches,28 welches Bestimmungen zum Ehe- und Scheidungsrecht sowie zur Personensorge enthält. Saudi-Arabien verbleibt damit als einziges Mitglied des Golfkooperationsrates ohne kodifiziertes Personalstatut.29
B. Gegenstand der Untersuchung Nicht nur ihre zeitliche Nähe macht die erstmaligen familienrechtlichen Kodifikationen Bahrains, Katars und der VAE zu geeigneten Objekten einer rechtsvergleichenden Studie zum Ehe-, Scheidungs- und Kindschaftsrecht islamischer Länder. Die drei arabischen Golfstaaten weisen überdies eine Reihe interessanter Gemeinsamkeiten auf. So erlangten Bahrain, Gesetz Nr. 51/1984 über das Personalstatut [Qānūn fī šaᵓn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 7.7.1984/8.10.1404, GBl. Nr. 1570 v. 23.7.1984/24.10.1404, 2–33. 25 Personalstatutsgesetz [Qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 4.6.1997/28.1.1418, GBl. Nr. 601 v. 15.6.1997/9.2.1418, 7–56, in Kraft getreten durch Königliche Verordnung Nr. 32/1997 zur Verkündung des Personalstatutsgesetzes [Marsūm sulṭānī bi-iṣdār qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 4.6.1997/28.1.1418, GBl. Nr. 601 v. 15.6.1997/9.2.1418, 6. 26 Bundesgesetz Nr. 28/2005 über das Personalstatut [Qānūn ittiḥādī fī šaᵓn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 19.11.2005/17.10.1426, GBl. Nr. 439 v. 30.11.2005/28.10.1426, 9–118; Erklärendes Memorandum zum PersStG [Al-muḏakkira al-īḍāḥīya li-qānūn al-aḥwāl aššaḫṣīya], a. a. O., 119–478. 27 Familiengesetzbuch [Qānūn al-usra] v. 29.6.2006/3.6.1427, GBl. Nr. 8 v. 28.8.2006/ 4.8.1427, 32–99, in Kraft getreten durch Einführungsgesetz Nr. 22/2006 zum Familiengesetzbuch [Qānūn bi-iṣdār qānūn al-usra] v. 29.6.2006/3.6.1427, GBl. Nr. 8 v. 28.8.2006/ 4.8.1427, 31. 28 Familiengesetzbuch (erster Teil) [Qānūn aḥkām al-usra (al-qism al-awwal)] v. 27.5.2009/3.6.1430, GBl. Nr. 2898 v. 4.6.2009/11.6.1430, 7–30, in Kraft getreten durch Einführungsgesetz Nr. 19/2009 zum Familiengesetzbuch (erster Teil) [Qānūn biiṣdār qānūn aḥkām al-usra (al-qism al-awwal)] v. 27.5.2009/3.6.1430, GBl. Nr. 2898 v. 4.6.2009/11.6.1430, 5–6; das Gesetzbuch gilt für die sunnitische Bevölkerung. Ein zweiter Teil für die schiitische Bevölkerungsmehrheit Bahrains lag als Entwurf ebenfalls vor, wurde bislang jedoch nicht verabschiedet, hierzu ausführlich Kapitel 3 B.III.3. 29 Aber auch in Saudi-Arabien diskutiert der Konsultativrat (Mağlis aš-Šūrā) gegenwärtig (Februar 2014) über eine mögliche Kodifikation des Familienrechts, siehe hierzu al-Sahlī, Al Jazeera v. 28.12.2013, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 24
8
Einleitung
Katar und die VAE im Jahre 1971 ihre Unabhängigkeit von Großbritannien und hatten somit – anders als beispielsweise Kuwait, welches bereits 1961 unabhängig wurde – den gleichen Zeitrahmen, um eigenständige, nationale Rechtssysteme zu entwickeln. Auch wurden die Scheichtümer, aus welchen die Nationalstaaten Bahrain, Katar und die VAE hervorgehen sollten, zusammen mit Kuwait, von der britischen Schutzmacht als regionale Einheit empfunden, die der britischen exterritorialen Jurisdiktion unterlag und von dieser beeinflusst wurde.30 Überdies bestimmen die Verfassungen der drei Staaten den Islam als offizielle Religion bzw. Staatsreligion, was der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung in Bahrain, Katar und den VAE entspricht.31 Alle drei Verfassungen erheben die Scharia ferner zu einer Hauptquelle der Gesetzgebung (maṣdar raᵓīsī li-t-tašrīᶜ).32 Gleichzeitig weisen Bahrain, Katar und die VAE auch einige interessante Unterschiede, vor allem hinsichtlich der Denomination ihrer Bevölkerungen, auf. Katar und die VAE sind mehrheitlich sunnitische Staaten. Sowohl in Katar als auch in fünf der sieben Emirate,33 die die VAE bilden, dominiert die hanbalitische Rechtsschule. In den Emiraten Abu Dhabi und Dubai dominiert die malikitische Rechtsschule. Auch die bahrainischen Sunniten sind mehrheitlich Malikiten. Gleichwohl stellen sie die Minderheit der bahrainischen Gesamtbevölkerung. Um die 70 % aller Bahrainer sind Schiiten,34 die der Zwölferschia zuzuordnen sind.35 Diese konfessionellen Unterschiede zwischen den drei Golfstaaten hatten vor der Kodifikation des Personalstatuts direkte Auswirkungen auf die Rechtsprechung, die sich an der jeweils dominierenden Rechtsschule orientierte. Da das islamische Recht zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Al Baharna, British jurisdiction, 1 f; Parsons, in Pridham, Arab Gulf, 38 ff. Art. 2 Verf. Bahrain 2002 bestimmt den Islam zur Staatsreligion (dīn ad-dawla), Art. 1 Verf. Katar 2005 spricht vom Islam als Religion des Staates Katar („dīnhā lislām“), Art. 7 Verf. VAE 1973 nennt den Islam die offizielle Religion der Föderation (ad-dīn ar-rasmī li-l-ittiḥād ). 32 Art. 2 Verf. Bahrain; Art. 1 Verf. Katar; Art. 7 Verf. VAE; grundsätzlich hierzu Ebert, Zeitschrift für Religionswissenschaft 6.1(1998), 3–21; Lombardi, American University International Law Review 28.3(2013), 733–774. 33 Die VAE sind eine Föderation der folgenden sieben Emirate: Abu Dhabi (Abū Ẓabī), Adschman (ᶜAğmān), Dubai (Dubayy), Fudschaira (Fuğayra), Ra‘s al-Chaima (Raᵓs al-Ḫayma), Schardscha (aš-Šāriqa) und Umm alQaiwain (Umm al-Qaywayn). 34 Bergmann/Ferid/Henrich(-Ebert/Hefny), Ehe- und Kindschaftsrecht, Bahrain, 4; Niethammer, in Lust-Okar/Zerhouni, Political participation, 145; andere Quellen sprechen von lediglich 53–62 %, was vorrangig auf eine pro-sunnitische Einbürgerungspolitik der Regierung zurückzuführen sei, so Gengler, Journal of Arabian Studies 3.1(2013), 69; siehe hierzu auch die Diskussion bei Gengler, Religion and Politics in Bahrain, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 35 El Alami/Hinchcliffe, Islamic marriage, 4. 30 31
C. Gang der Untersuchung
9
Rechtsschulen aufweist, war das in Bahrain, Katar und den VAE praktizierte islamische Familien- und Erbrecht keinesfalls einheitlich. Auf die einzelnen Unterschiede zwischen den Rechtsschulen wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch genauer einzugehen sein.
C. Gang der Untersuchung I.
Islamisches Recht und Kodifikation
Zu Beginn der vorliegenden Arbeit soll zunächst das Zusammenspiel von klassischem islamischen Recht und der kontinentaleuropäischen Kodifikationsidee betrachtet werden. Dabei werden sowohl Ursprung und Quellengeschichte des islamischen Rechts im Allgemeinen, als auch das dem islamischen Familienrecht zugrunde liegende Rechtsverständnis im Besonderen dargestellt. Auf einer Diskussion der Entstehung und Aktualität der Kodifikationsidee im europäischen Privatrecht aufbauend, soll ihre Umsetzung im arabisch-islamischen Raum genauer betrachtet werden. In diesem Zusammenhang wird in besonderem Maße auf die Problematik eines staatlichen Zugriffs auf das islamische Familien- und Erbrecht eingegangen, welches traditionell als Monopol der islamischen Rechtsgelehrten verstanden wurde. II. Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext In einem zweiten Schritt sollen die politische Entwicklung der arabischen Golfstaaten sowie die ihrer Rechtssysteme seit Beginn der britischen Präsenz nachgezeichnet werden, um die neuen Gesetzbücher Bahrains, Katars und der VAE in ihren rechtspolitischen und rechtshistorischen Kontext zu rücken. Wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, war die Kodifikation des Familienrechts in islamisch geprägten Staaten integraler Bestandteil des Prozesses der Nationenbildung. Reformen in diesem Rechtsbereich verfolgten auch das Ziel, bestehende gesellschaftliche Strukturen aufzubrechen und neu zu ordnen. Aus diesem Grund ist es von besonderem Interesse zu untersuchen, warum Bahrain, Katar und die VAE gerade in den 2000er Jahren ihr Personalstatut erstmalig kodifizierten. Während die Mehrheit der arabischen Staaten bereits im Zuge der Unabhängigkeit von europäischen Mächten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Familiengesetzbücher erließ, verstrichen in den arabischen Golfstaaten mehr als dreißig Jahre zwischen Rückzug der britischen Schutzmacht und Kodifikation des Personalstatuts. Den drei Rechtssystemen Bahrains, Katars und der VAE gemein ist die Dualität von säkularem und religiösem Recht, welche ihren Ausdruck auch
10
Einleitung
in der Gerichtsbarkeit der drei Staaten findet. So waren Familien- und Erbrechtsstreitigkeiten von Muslimen lange Zeit nicht der Zivilgerichtsbarkeit unterworfen. Bis heute halten die kleinen arabischen Golfmonarchien – wenngleich in unterschiedlichem Maße – weiterhin an Gerichtssystemen mit separaten Scharia-Gerichten oder Scharia-Kammern, die vornehmlich in Angelegenheiten des muslimischen Personalstatuts urteilen, fest. III. Reformbedarf und Kodifikationsprozess Die Analyse der Kodifikationsprozesse in Bahrain, Katar und den VAE wird sodann die Argumentationsstränge von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren für und wider eine Kodifikation des muslimischen Personalstatuts sowie den etwaigen Einfluss innerislamischer und/oder innerarabischer rechtsvergleichender Vorarbeiten auf die Kodifikation untersuchen. Diese Untersuchung erfolgt vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtslage, die vor allem Ausdruck bruchstückhafter Reaktionen der drei Gesetzgeber auf gesellschaftliche Regelungserfordernisse innerhalb des religiös geprägten Familienrechtsgefüges ist. Das Personalstatut verfügt in der islamischen Welt über einen identitätsstiftenden Charakter und hat enorme Polarisierungskraft. Als oftmals „letzte Bastion“ islamischen Rechts innerhalb der weitestgehend nach europäischen Modellen organisierten, säkularen Rechtssysteme, wird dessen positiv-rechtliche Gestaltung zum Beweis für religiöse Legitimität und Autorität stilisiert.36 Aus diesem Grund ist eine Reform des Personalstatuts auch eine Kraftprobe zwischen weltlicher Regierung und Geistlichkeit. Besonders deutlich wurde diese Auseinandersetzung zwischen Regierung und islamischen Rechtsgelehrten (ᶜulamāᵓ, Sing. ᶜālim) in Bahrain. Dort gelang es den schiitischen ᶜulamāᵓ, die Verabschiedung des zweiten Teils eines Familiengesetzbuches für den schiitischen Bevölkerungsteil zu verhindern.37 Das bahrainische Beispiel verdeutlicht, dass die Kodifikationsprozesse und -debatten für die Bewertung der neuen Familiengesetzbücher von besonderer Bedeutung sind. Widerstand der religiösen Opposition mag dazu führen, dass ein Gesetzbuch entsteht, welches vielmehr dem Wunsch der jeweiligen Machthaber nach einer islamischen Legitimationsbasis als den Regelungserfordernissen einer modernen Gesellschaft Rechnung trägt. Gleichzeitig haben sich die in islamischen Ländern an den Debatten über das Personalstatut beteiligten Akteure seit den 1990er Jahren gewandelt. Inzwischen werden Familienrechtsreformen nicht mehr allein zwischen Regierung und religiösen Rechtsgelehrten ausgehandelt, sondern finden auch unter Beteiligung von, oftmals international vernetzten, Frau36 37
Buskens, ILS 10.1(2003), 122. Hierzu ausführlich Kapitel 3 B.III.3.
C. Gang der Untersuchung
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enrechtsaktivisten statt. Der Einfluss jener staatlichen und nichtstaatlichen Frauenrechtsorganisationen soll auch für die drei arabischen Golfstaaten untersucht werden. IV. Gesetzesrecht und Rechtspraxis Den Kern der Arbeit bildet die Analyse der neuen Familiengesetzbücher, ihrer gerichtlichen Anwendung und etwaigen Fortbildung. Zum einem soll beleuchtet werden, ob und inwieweit Abweichungen von den klassischen islamrechtlichen Bestimmungen zum Ehe-, Scheidungs- und Kindschaftsrecht vorgenommen wurden und wie sich derartige Abweichungen auswirken. Zum anderen werden die drei Gesetzbücher ausgewählten Personalstatutsgesetzen aus anderen arabisch-islamischen Ländern gegenübergestellt, um den Grad rechtsvergleichender Vorarbeiten und ihrer etwaigen Auswirkungen auf die Kodifikation des Personalstatuts zu erörtern. Zudem sollen innovative Regelungen in den drei neuen Kodifikation ausgemacht werden, die jüngste Entwicklungen im Familienrecht islamischer Länder widerspiegeln oder für die arabischen Golfstaaten charakteristisch sind. In den vergangenen Jahren wurde die Kodifikation des Personalstatuts zu einem zentralen Anliegen von Frauenrechtsorganisationen in den Golfstaaten. Wie in zahlreichen anderen islamischen Ländern zuvor, sollte auch in Bahrain, Katar und den VAE durch staatliche Kodifikation größere Rechtssicherheit vor allem für Frauen und ihre Kinder erzielt werden.38 Der tatsächliche Nutzen familienrechtlicher Kodifikation für den rechtlichen Status der Frau in islamischen Ländern ist indes nicht unumstritten. So argumentieren beispielsweise Tucker und Sonbol, dass unkodifiziertes islamisches Familienrecht den Richtern einen großen Ermessensspielraum und eine wertvolle Flexibilität einräumte. Eine Flexibilität, die Richter auch dazu nutzten, eine für die schwächere Partei eines Rechtsstreites (mehrheitlich Frauen und Kinder) vorteilhaftere Lösung herbeizuführen.39 Die Entscheidung für eine Kodifikation des Familienrechts lässt annehmen, dass die drei Gesetzgeber der Auffassung waren, das klassische islamische Familienrecht werde den sich wandelnden gesellschaftlichen Bedingungen der Golfstaaten, so beispielsweise der kontinuierlich steigenden Quote berufstätiger Frauen,40 nicht gerecht. Insofern gilt es zu überprüfen, inwieweit das neu kodifizierte Recht sozioökonomische Veränderungen auch tatsächlich abbildet. Sollte es indes lediglich die Bestimmungen des klassischen islamischen Familienrechts wiedergeben, besteht die Möglichkeit, dass durch staatliche Kodifikation vor allem der richterliche ErmesHierzu grundsätzlich Tucker, Women and gender, 20 f. Tucker, House of law; Sonbol, in Anwar, Wanted, 179–207; siehe außerdem den Forschungsüberblick von Moors, in Meriwether/Tucker, Social history, 141–175. 40 Hierzu ausführlich Kapitel 2 A.IV.1. 38 39
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Einleitung
sensspielraum eingeschränkt und die Stellung der Frau de jure verschlechtert wurde. Ergänzend zu der Darstellung des Gesetzesrechts soll die Rolle, welche die neuen Kodifikationen den Gerichten zuweisen, in die Untersuchung einfließen. Es gilt zu erörtern, welche Fortbildung die Gesetzbücher durch die Rechtsprechung in Bahrain, Katar und den VAE erfahren. Ungeachtet der Grenzen, die ein kodifiziertes Familienrecht der richterlichen Flexibilität setzt, enthalten alle drei Gesetzbücher weiterhin zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe sowie Lücken, die von Familienrichtern unter Rückgriff auf die klassischen islamrechtlichen Quellen zu schließen sind. Außerdem räumen die neuen Gesetzbücher den Gerichten in einzelnen Bereichen, so u. a. im Recht der Personensorge, einen erheblichen Ermessensspielraum ein. Aus diesem Grund ist es von besonderem Interesse zu untersuchen, ob das neu kodifizierte Recht von den Gerichten konservativ oder progressiv ausgelegt wird und ob auf diesem Wege in Bahrain, Katar und den VAE auch eine Fortbildung des Familienrechts erfolgt.
Kapitel 1
Islamisches Recht und Kodifikation “It also appears likely that every branch of the law will be codified. In the civil and criminal law these codes will probably continue to be based, to a considerable extent, on Western law – some of which will run counter to the Sharīᶜa […]. The family law, on the other hand, is likely to remain for the foreseeable future in a form which can be claimed distinctively Islamic […].” Anderson, RabelsZ 30(1966), 253.
A. Grundlagen des islamischen Rechts Die vorliegende Arbeit wird das Familienrecht der drei Golfstaaten Bahrain, Katar und der VAE nicht nur rechtsvergleichend untersuchen, sondern zugleich die neu kodifizierten Personalstatutsgesetze ihrem Vorgänger, dem unkodifizierten, klassischen islamischen Familienrecht, gegenüberstellen. Auf diesem Wege sollen Abweichungen und mithin der Grad der Reformbereitschaft der drei Gesetzgeber aufgezeigt werden. Ein solches Vorhaben wäre ohne einen kurzen Überblick über das islamische Recht im Allgemeinen und das islamische Familienrecht im Besonderen nicht möglich. Ein Merkmal von religiösem Recht ist seine enge Verbundenheit mit der dogmatischen Entstehungsgeschichte der jeweiligen Religion. Auch das islamische Recht wird als ein von Gott offenbartes Recht verstanden. Es ist menschlichen Eingriffen daher grundsätzlich entzogen. Gleichwohl blickt die islamische Welt auf eine lange rechtswissenschaftliche Tradition zurück, die Methoden für eine gesetzgeberische Tätigkeit des Staates hervorgebracht hat. Gerade für das Familienrecht spielen die Methoden der islamischen Rechtswissenschaft bis in die heutige Zeit hinein eine entscheidende Rolle. So eröffnen sie den Regierungen mehrheitlich muslimischer Nationalstaaten eine Möglichkeit, auf dem Gebiet des Familienrechts gesetzgeberisch tätig zu werden. I.
Entstehungs- und Quellengeschichte des islamischen Rechts
1. Ursprung Die Auswanderung (hiğra) des Propheten Muhammad von Mekka nach Medina (damals noch unter dem Namen Yaṯrib bekannt) im Jahre 622 n. Chr.
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
markiert nicht nur den Beginn der islamischen Zeitrechnung, sondern vielmehr noch den Ursprung eines neuen Staats- und Rechtswesens auf der arabischen Halbinsel. Als jüngste monotheistische Religion erhob der Islam den Anspruch, das Juden- und Christum in einer reineren Form fortzusetzen und mit den Bräuchen der arabischen Naturreligionen zu brechen.41 Über das Recht auf der arabischen Halbinsel vor dem Islam ist wenig bekannt.42 Christliche und die zahlreichen jüdischen Gemeinden übten ihre eigenen religiösen Rechte aus.43 Die zumeist beduinischen Araber verfügten zwar nicht über ein umfangreiches und systematisches Recht, wohl aber über Normen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens, die in erster Linie auf geerbten Traditionen beruhten und deren Kontrollmechanismus die tribale Gemeinde selbst war.44 Die von Gott offenbarten und durch den Propheten Muhammad verkündeten islamischen Lehren beinhalteten sowohl radikale Brüche mit der vorislamischen Tradition als auch eine Übernahme ausgewählter tribaler Bräuche und Riten. Rohe bezeichnet die Übernahme von vorislamischem Gewohnheitsrecht (ᶜurf, ᶜāda) als Erklärung für die „Erfolgsgeschichte des Islam [sic!]“.45 So basiert beispielsweise ein Großteil des islamischen Strafrechts auf vorislamischen, tribalen Vorstellungen von Entschädigung und Buße, wie der Talionsstrafe und der Zahlung von Blutgeld.46 Manche der bereits in vorislamischer Zeit bekannten, gewohnheitsrechtlichen Praktiken wandelte die islamische Lehre lediglich ab. Auch unter den arabischen Beduinen war beispielsweise die Zahlung einer Brautgabe (mahr) bei Eheschließung bekannt. Diese erhielt in der patriarchal und patrilineal organisierten Stammesgesellschaft jedoch mehrheitlich der Vater der Braut als Ausgleich für den Übergang der Tochter in die Familie ihres Ehemannes. Die Ehefrau selbst hatte indes keinen Anspruch auf die Brautgabe.47 Demgegenüber bestimmen die vom Propheten verkündeten koranischen Regelungen explizit die Ehefrau als Empfängerin der Brautgabe.48 Hallaq, Origins, 19; Menski, Comparative law, 282; Yassari, ZVglRWiss 103 (2004), 105. 42 Motzki, in Noth/Paul, Islamischer Orient, 151. 43 Glenn, Legal traditions, 170 m. w. N. 44 Coulson, History, 10; Motzki, in Noth/Paul, Islamischer Orient, 152 f.; Schacht, Introduction, 6 f. 45 So Rohe, Das islamische Recht, 22. 46 Coulson, History, 18; Mallat, Middle Eastern law, 18 f.; Motzki, in Noth/Paul, Islamischer Orient, 153; Hallaq, Sharīᶜa, 30; siehe auch Young, Pre-Islamic origins. 47 Anderson, in Chloros/Rheinstein/Glendon, International encyclopedia, Vol. IV, 57; Coulson, History, 14; Stol, Journal of the Economic and Social History of the Orient, 38.2(1995), 125 ff.; Wurmnest, RabelsZ 71(2007), 532 ff. 48 Statt vieler Nasir, Personal status, 83; außerdem Koran Sure 4, Vers 4: „Und gebt den Frauen ihre Morgengabe [richtig: Brautgabe] als Geschenk (so dass sie frei darüber 41
A. Grundlagen des islamischen Rechts
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Diese Abwandlung entspricht der allgemeinen Tendenz des Islams, die im 6. und 7. Jahrhundert auf der arabischen Halbinsel herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse neu zu ordnen. Der gemeinsame Glaube löste durch Einführung des Islams die patrilineale ᶜaṣabīya49 als Bindeglied der neu entstandenen Gemeinschaft ab. Innerhalb der Gemeinschaft der Muslime (ummat al-muᵓminīn, kurz umma) verblieb somit, zumindest theoretisch, kein Raum für tribale Verbindungen und Stammesloyalitäten.50 Dieses neue gesellschaftliche Verständnis fand seinen Niederschlag in einer Vielzahl rechtlicher Neuerungen, die zum Teil deutlich mit dem tribalen Gewohnheitsrecht der vorislamischen Zeit brachen. So schaffte der Islam rückwirkend die Adoption ab und führte das Erbrecht für weibliche Angehörige ein.51 Das Scheidungsrecht wurde um das Institut der Wartezeit (ᶜidda) für die Ehefrau ergänzt. Fortan konnte binnen eines Zeitraumes von drei Menstruationszyklen sowohl eine etwaige Schwangerschaft festgestellt als auch eine Versöhnung der Ehepartner ermöglicht werden.52 Nach Muhammads Ankunft in Medina fungierte er nicht nur als spirituelles und politisches Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft, sondern auch als Schlichter (ḥakam) zwischen den dort bereits ansässigen Stämmen.53 Motzki bezeichnet ihn als „Bezugsperson par excellence für Ratund Rechtssuchende“54. Es galt, sowohl die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen neu zu ordnen als auch, das Verhältnis zwischen der umma und externen Gemeinden zu regeln. Der Islam entstand daher als eine „Staats- und Gesetzesreligion“55. Nach dem Tod des Propheten Muhammad im Jahre 632 n. Chr. übernahmen zunächst seine direkten Nachfolger, die ersten vier Kalifen56 die Aufgabe, das göttlich offenbarte Recht auszubauen und fortzuentwickeln. Sie übernahmen die exekutive und judikative Funktion des Propheten, verfügen können)!“; sämtliche Übersetzungen des Korans in dieser Arbeit stammen aus Paret, Koran. 49 Der Begriff der ᶜaṣabīya beschreibt die tribalen Verwandtschaftsbeziehungen von Männern in männlicher Linie. Der Islam brach mit der Vorstellung von agnatischer Verwandtschaft als einzigem gesellschaftlichen Bindeglied; vgl. EI 2, Bd. I, Eintrag ᶜAṢABĪYA, 620. 50 Esposito, Women, 14; Hallaq, Sharīᶜa, 32; Schacht, in Khadduri/Liebesny, Law, 32; Yassari, ZVglRWiss 103(2004), 105. 51 Motzki, in Noth/Paul, Islamischer Orient, 156 f. 52 Hallaq, Origins, 23; Nasir, Personal status, 137 ff. 53 Rohe, Das islamische Recht, 21; Schacht, in Khadduri/Liebesny, Law, 30. 54 Motzki, in Noth/Paul, Islamischer Orient, 159; vgl. auch Coulson, History, 22: „Muḥammad had been elevated to the position of judge supreme“. 55 So Ebert, Zeitschrift für Religionswissenschaft 6.1(1998), 3, und Ebert, in Ende/ Steinbach, Islam in der Gegenwart, 200. 56 Al-ḫulafāᵓ ar-rāšidūn, die “rechtgeleiteten Kalifen”.
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
konnten jedoch in Ermangelung seiner „prophetischen Gabe“57 seine rechtsschöpferische Tätigkeit nicht ersetzen.58 Parallel zum wachsenden zeitlichen Abstand zu der Wirkungsphase Muhammads und aufgrund der rasanten territorialen Erweiterung des muslimischen Reichs wuchs alsbald die Notwendigkeit einer objektivierten Entscheidungsgrundlage in Fragen des islamischen Rechts. Der Übergang in den Lehrbetrieb zur Mitte des 7. Jahrhunderts markiert den Beginn der Entwicklung einer Rechtsquellenund Methodenlehre im islamischen Recht. 2. Rechtsquellen und Methoden Unter der ersten islamischen Dynastie, den Umayyaden (ca. 660– 750 n. Chr.), entstanden in den Städten Mekka und Medina sowie Kufa und Basra im heutigen Irak erste Lehrbetriebe des islamischen Rechts. In Mekka/Medina und Kufa/Basra herrschten jedoch unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Methoden der Rechtsfindung. Die Lehrmeinung in Mekka/Medina ging von einer absoluten Autorität der Primärquellen, des Korans und der überlieferten Traditionen des Propheten, aus. Die Schule von Kufa/Basra betonte hingegen die Bedeutung logischen Denkens und persönlicher Rechtsfindung in Abwesenheit eindeutiger Regelungen in den Primärquellen.59 Aus diesen zwei regionalen Lehrbetrieben sollten im folgenden Jahrhundert die vier auch heute noch weit verbreiteten Rechtsschulen des sunnitischen Islams hervorgehen.60 Der Rechtsgelehrte und Begründer der schafiitischen Rechtsschule, Muhammad al-Schafiᶜi (Muḥammad b. Idrīs aš-Šāfiᶜī, 767–820 n. Chr.), studierte sowohl unter malikitischen Lehrern in Medina als auch unter Hanafiten in Bagdad. Er verband somit die Lehren der Traditionalisten und der Rationalisten61 und entwickelte die Theorie von den „Wurzeln des fiqh“ (uṣūl al-fiqh), welche die einschlägigen Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen des islamischen Rechts bestimmte.62 Die Lehre der uṣūl al-fiqh wird auch heute noch – mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung – von
So Motzki, in Noth/Paul, Islamischer Orient, 161. Coulson, History, 26; Hallaq, Sharīᶜa, 38 f.; Schacht, Introduction, 15. 59 Statt vieler Kamali, in Esposito, Oxford history, 112. 60 Der Wandel von den sog. „regionalen” zu den „persönlichen” Rechtsschulen ist in der islamwissenschaftlichen Forschung gleichwohl nicht unumstritten, hierzu Schacht, Origins, 6 ff.; Melchert, ILS 6.3(1999), 318–347; demgegenüber Hallaq, ILS 8.1(2001), 1–26. 61 Kamali, in Esposito, Oxford history, 127 f.; Zubaida, Law and power, 22. 62 Dass man Schafiᶜi deshalb – so Coulson, History, 53 ff. – als „master architect“ des islamischen Rechts ansehen muss, wird von Hallaq indes in Frage gestellt, IJMES 25.4(1993), 587–605. 57 58
A. Grundlagen des islamischen Rechts
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allen islamischen Rechtsschulen anerkannt.63 Primärquellen des islamischen Rechts sind demnach der Koran als das offenbarte Wort Gottes und die Sunna, die überlieferten Aussprüche und Handlungsweisen des Propheten. Als sekundäre Quellen sind der Konsens (iğmāᶜ) der Rechtsgelehrten und juristische Schlussverfahren, u. a. explizit der Analogieschluss (qiyās) bzw. im schiitischen Recht die Logik (ᶜaql) anerkannt.64 a) Der Koran Vorrangige Rechtsquelle des islamischen Rechts ist der unter dem dritten Kalifen Uthman (ᶜUṯmān) editierte Koran.65 Er ist das heilige Buch der Muslime, kann jedoch bei weitem nicht als Gesetzbuch bezeichnet werden. Von den über 6.200 Versen haben geschätzte 500 einen rechtlichen Gehalt, wobei die Mehrzahl dieser Verse rituelle Pflichten (ᶜibādāt) behandelt.66 Nur etwa 80 Verse beziehen sich auf das zwischenmenschliche Zusammenleben (muᶜāmalāt) und damit auf das Recht im engeren Sinne. Der Großteil hiervon entfällt wiederum auf Regelungen, die nach heutigem Verständnis dem Familien- und Erbrecht zuzuordnen wären.67 Da auch die im Koran selbst enthaltenen Regelungen sich zum Teil widersprechen, hat sich zur Lösung einer solchen Konkurrenzfrage die Doktrin etabliert, dass frühere Verse durch spätere, gegensätzliche Verse verdrängt werden.68 b) Die Sunna des Propheten Die vorbildlichen Aussprüche und Handlungsweisen des Propheten Muhammad bilden die zweite Primärquelle des islamischen Rechts. Ihre 63 Gleichwohl wird die mangelnde Fruchtbarmachung der Wurzeln des fiqh in der Gesetzgebungspraxis moderner islamischer Nationalstaaten kritisiert, siehe hierzu Kamali, Principles, 517 ff. 64 Für eine allgemeine Darstellung der Rechtsquellen des islamischen Rechts siehe u. a. Badrān, Uṣūl al-fiqh al-islāmīya; Burton, Sources of Islamic law; Kamali, Principles; Owsia, ALQ 6.1(1991), 33–67; Yassari, Zeitschrift für Rechtsvergleichung 40.3 (1999), 103–109. 65 Statt vieler, Bobzin, Koran. 66 Hallaq, Legal theories, 3 f.; Löschner, Die dogmatischen Grundlagen, 74 f.; Rohe, Das islamische Recht, 48; Yassari, ZVglRWiss 103(2004), 108; andere Zahlen bei Kamali, in Esposito, Oxford history, 120. 67 Motzki, in Noth/Paul, Islamischer Orient, 157; Rohe, Das islamische Recht, 48; Krawietz spricht von etwa 70 Koranversen, die dem Familienrecht zuzuordnen sind, sowie von etwa 70 Versen zu zivilrechtlichen Fragen, 30 Versen zu strafrechtlichen Fragen und 13 Versen, die das Prozessrecht behandeln, Krawietz, Rechtsquellen, 113 f. 68 So beispielsweise bei der Bestimmung der ᶜidda von Witwen, Rohe, a. a. O., 51; für die Lösung von Konkurrenzfragen zwischen dem Koran und den Prophetentraditionen sowie allgemein zur Abrogation im islamischem Recht siehe Hallaq, Legal theories, 68 ff.; Hallaq, Origins, 136 ff.; Kamali, Principles, 202 ff.
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
Aufzeichnung erfolgt in aḥādīṯ (Sing. ḥadīṯ). Durch Schafiᶜi wurde der Begriff der Sunna, zumindest als Rechtsquelle, auf die Propheten-Sunna (sunnat an-nabīy) beschränkt.69 Zuvor wurde auch den Aussprüchen und Handlungsweisen der ersten vier Kalifen eine große Autorität beigemessen. Der schiitische Islam erkennt auch die Sunna ihrer Imame als autoritativ an.70 Eine Sunna des Propheten gilt dann als normativ, wenn sie durch eine gesicherte Kette von Gewährsmännern tradiert wurde. Ein ḥadīṯ enthält somit immer die Gewährsmännerkette (isnād) und den eigentlichen Text (matn) der Sunna. Die Authentizität eines ḥadīṯ wird am schwächsten Glied seiner Gewährsmännerkette gemessen.71 Die rechtlich relevanten aḥādiṯ enthalten eine Vielzahl an Regelungen, die dem Bereich des Familien- und Erbrechts zuzuordnen sind.72 c) Der Konsens der Rechtsgelehrten Der Konsens der Rechtsgelehrten, iğmāᶜ, ist eine Sekundärquelle73 des islamischen Rechts, die aufgrund mangelndem göttlichen bzw. prophetischen Ursprungs nicht über die gleiche Autorität wie Koran und Sunna verfügen kann.74 Iğmāᶜ wird als einhelliger Konsens der Rechtsgelehrten der muslimischen Gemeinde zu einer bestimmten religiösen oder islamrechtlichen Frage definiert.75 Der Konsens als Rechtsquelle wird durch Koran, aḥādīṯ und die Praxis der Prophetengefährten belegt.76 Da die Schiiten jedoch bereits die Ernennung des ersten Kalifen nicht als richtige – da nicht einvernehmliche – Entscheidung ansehen, haben sie ihre eigene De69 Coulson, History, 56 f.; Crone/Hinds, God’s Caliph, 90; Esposito, Women, 138; demgegenüber geht Rohe davon aus, dass Sunniten unter Sunna “oft auch die beständigende Praxis der Genossen (ṣaḥāba) sowie der Nachfolger Muhammads” verstehen, Rohe, Das islamische Recht, 53. 70 Löschner, Die dogmatischen Grundlagen, 86 f.; die schiitischen Imame sind die direkten Nachfolger des Propheten gemäß dem schiitischen Verständnis legitimer Nachfolge Muhammads, dies schließt von den vier rechtgeleiteten Kalifen nur den vierten Kalifen ᶜAlī ein, hierzu Halm, Der schiitische Islam; Momen, Shi’i Islam. 71 Pearl, Textbook, 4 f.; allgemein siehe Burton, Ḥadith, 106 ff.; Shabbir, Authority and authenticity. 72 Siehe hierzu Rohe, Das islamische Recht, 52 ff. mit zahlreichen Beispielen. 73 Kritisch Krawietz, Rechtsquellen, 182 f. 74 Siehe allgemein Hasan, Ijmaᶜ. 75 „Ijmāᶜ is defined as the unanimous agreement of the mujtahidūn of the Muslim community […] on any matter“, so Kamali, Principles, 230; Badrān beschreibt iğmāᶜ als „Einigkeit (ittifāq) aller Muğtahids aus der Gemeinde (umma) Muḥammads in einem Zeitalter (ᶜuṣūr) nach dem Tode des Gesandten bezüglich einer schariatrechtlichen iğtihād-Bestimmung (ḥukm šarᶜī iğtihādī)“, zitiert in Krawietz, Rechtsquellen, 193. 76 Hallaq, Legal theories, 75; Krawietz, a. a. O., 193 f.; Rohe, Das islamische Recht, 58.
A. Grundlagen des islamischen Rechts
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finition von iğmāᶜ entwickelt. Demnach darf sich der Konsens nicht gegen die Auffassungen der schiitischen Imame richten.77 Bereits aufgrund der großen Differenzen zwischen Sunniten und Schiiten hinsichtlich des Konsenses der Rechtsgelehrten ist iğmāᶜ die umstrittenste Rechtsquelle des islamischen Rechts. Auch innerhalb der sunnitischen Rechtsschulen wird sie unterschiedlich definiert.78 So besteht kein Einvernehmen über die am Prozess der Konsensbildung beteiligten Rechtsgelehrten und über die Verbindlichkeit der Konsensentscheidungen. Einvernehmen besteht jedoch darüber, dass der Konsens seine Basis in den Primärquellen des islamischen Rechts finden muss und sich so von einer einfachen Meinung (raᵓy) abgrenzt.79 Koran und Sunna geben stets den thematischen Rahmen des Konsenses vor. d) Der Analogieschluss und weitere Schlussverfahren Der Analogieschluss gilt als das wohl wichtigste juristische Schlussverfahren, das unter dem Oberbegriff „qiyās“80 subsumiert wird.81 Gleichwohl umfasst qiyās eigentlich eine Vielzahl solcher Verfahren.82 Insofern ist qiyās nach westlichem Rechtsverständnis als Methode und nicht als Rechtsquelle zu qualifizieren.83 Unter dem Begriff des qiyās sind zusätzlich die Argumente a minore ad maius, a maiore ad minus, a fortiori und e contrario zu fassen.84 Das Verfahren des qiyās besteht aus vier Elementen: 1.) Ein bestimmter Fall (aṣl) ist in den Texten der Primärquellen geregelt; 2.) ein neuer Fall (farᶜ) bedarf einer juristischen Lösung; 3.) um diese Lösung zu finden, muss nun zunächst die ratio legis (ᶜilla), das den beiden Fällen inhärente Merkmal, gefunden werden, um dann 4.) die Regel, die auf den ersten Fall zutrifft (ḥukm al-aṣl), auch auf den neuen Fall zu übertragen.85 Eine Vielzahl ritueller und islamrechtlicher Bestimmungen sind so durch den qiyās entwickelt worden. So beispielsweise das Verbot des Verzehrs von jeglichem Schweinefleisch und Alkohol.86 Auch erbrechtliche Regelungen, wie Coulson, History, 107 f.; für die schiitische Auffassung von iğmāᶜ siehe Löschner, Die dogmatischen Grundlagen, 117 ff. 78 Löschner, Die dogmatischen Grundlagen, 114; Rohe, Das islamische Recht, 59, mit dem zutreffenden Zitat von Benjamin Jokisch: “There is no ijmaᶜ about ijmaᶜ”. 79 Kamali, Principles, 252. 80 Siehe allgemein Hasan, Analogical reasoning. 81 Hallaq, Legal theories, 83. 82 Rohe, Das islamische Recht, 62. 83 Yassari, Zeitschrift für Rechtsvergleichung 40.3(1999), 107. 84 Statt vieler Hallaq, Arabica 36.3(1989), 286–306. 85 Hasan, Analogical reasoning, 16. 86 Hallaq, Legal theories, 96; Yassari, ZVglRWiss 103(2004), 110 f. 77
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
das gegenüber Seitenverhältnissen (Kognaten) stärkere Erbrecht agnatischer Verwandter, finden ihren Ursprung im qiyās.87 e) Freie Rechtsfindung und ihre Methoden Eine zentrale und mit Blick auf ihre historische Entwicklung sowie aktuelle Relevanz vielfach diskutierte Methode des islamischen Rechts ist iğtihād, die freie Rechtsfindung muslimischer Rechtsgelehrter. Im Folgenden ist iğtihād als die Gesamtheit der Methoden zur Rechtsfindung und Rechtsfortbildung zu definieren. Iğtihād umfasst mithin sämtliche Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen sowie Methoden des islamischen Rechts, mit Ausnahme des Korans und der Sunna.88 Iğtihād muss als die logische Konsequenz auf den – ob ihres Offenbarungscharakters – begrenzten Regelungsumfang der Primärquellen des islamischen Rechts verstanden werden. So erlaubt die freie Rechtsfindung beispielsweise, eine in den Primärquellen enthaltene Regelung mit Hilfe von qiyās auf einen neuen Sachverhalt zu übertragen. Iğtihād steht indes nicht jedem Gläubigen offen, vielmehr besteht ein „iğtihād-Monopol der Gelehrten“.89 Der zum iğtihād berechtigte islamische Rechtsgelehrte, der sogenannte muğtahid, muss eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Neben Koran und Sunna müssen ihm auch die allgemein anerkannten Konsensentscheidungen der Gelehrten bekannt sein, so dass er keine Rechtsfortbildung auf einem bereits abschließend durchdrungenen Rechtsgebiet betreibt.90 Die außerislamische („westliche“) Forschung hat die vermeintliche Starre und Wandlungsunfähigkeit des islamischen Rechts häufig auf seine historische Entwicklung ab dem 10. Jahrhundert zurückgeführt. Demnach kam es zu etwa diesem Zeitpunkt zu der sogenannten „Schließung des Tores des iğtihād“91. Eine unabhängige, selbstständige Rechtsfindung einzelner Gelehrter sei fortan als nicht mehr zulässig erachtet worden, so dass in offenen Rechtsfragen Konformismus (taqlīd) praktiziert wurde.92 Auf dieser Annahme basierend hat sich in der Forschung zum islamischen Recht der Begriff des sogenannten „neo-iğtihād“ etabliert.93 Hierunter sind zum einen die Rechtsgutachten (Sing. fatwā) muslimischer Rechtsgelehrter, die mitunter nicht die Qualifikation eines klassischen muğtahid erfüllen, zu versteRohe, Das islamische Recht, 63. Vgl. Kamali, Principles, 468 f. 89 So Krawietz, Rechtsquellen, 353. 90 Kamali, Principles, 476 ff. 91 „Closure of the door of ijtihād “, so z. B. Coulson, History, 202. 92 So u. a. Anderson, Islamic law, 14; Coulson, a. a. O., 72 f., 81; Schacht, Introduction, 69 ff. 93 Begriff geprägt durch Coulson, a. a. O., 202 ff.; siehe auch Yilmaz, in Bearman/ Peters/Vogel, Islamic school of law, 191–206. 87 88
A. Grundlagen des islamischen Rechts
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hen.94 Zum anderen beschreibt neo-iğtihād auch die Neuinterpretation der Primärquellen des islamischen Rechts durch die Gesetzgeber moderner islamischer Nationalstaaten, die in erster Linie eine Reform des Rechts und Anpassung an gesellschaftlichen Wandel ermöglichen soll.95 Die These von der „Schließung des Tores des iğtihād“ wurde in den 1980er Jahren von Hallaq bereits überzeugend widerlegt.96 Hallaq zeigt auf, dass der iğtihād in der Geschichte des islamischen Rechts stets eine zentrale Funktion in der Rechtsfortbildung und -auslegung übernahm. Nur mit Hilfe von iğtihād konnten sowohl die sich wandelnden gesellschaftlichen und politischen Umstände als auch die Handlungsweisen einzelner Gläubiger auf ihre Vereinbarkeit mit den göttlichen Geboten hin überprüft werden.97 Aus diesem Grund existierten zum iğtihād berechtigte islamische Rechtsgelehrte – wenngleich in unterschiedlicher Quantität – in jeder Phase des islamischen Rechts.98 Lediglich die explizite Bezeichnung der freien Rechtsfindung als „iğtihād“ nahm ab dem 16./17. Jahrhundert ab. Iğtihād wurde indes auch weiterhin genutzt, um das islamische Recht fortzuentwickeln.99 Von den zahlreichen Methoden, die im Rahmen der freien Rechtsfindung zu beachten sind,100 seien an dieser Stelle die islamrechtlich „nicht ausdrücklich geschützten Interessen“101 und Belange des Gemeinwohls (maṣlaḥa mursala)102 beispielhaft hervorgehoben. Unter „islamrechtlich nicht ausdrücklich geschützt“ sind all jene Interessen und Belange zu verstehen, die in den Primärquellen nicht explizit als schützenswert bezeichnet werden und deren Beachtung im Rahmen der Rechtsfortbildung von einzelnen Rechtsgelehrten bestimmt wurde.103 Die Methode des istiṣlāḥ begründet sodann die Fortbildung des islamischen Rechts im Interesse des Gemeinwohls, ohne dabei dem Ziel und Zweck der Scharia (maqāsid aššarīᶜa) zuwiderzulaufen.104 Über die Doktrin von der Berücksichtigung des maṣlaḥa mursala können islamrechtliche Bestimmungen den modernen So z. B. bei Yilmaz, in Bearman/Peters/Vogel, Islamic school of law, 191–206. So bei Coulson, History, 202 ff. 96 Hallaq, IJMES 16.1(1984), 3–41. 97 Hallaq, a. a. O., 4, 31 ff. 98 Hallaq, a. a. O., 22 ff. 99 Hallaq, a. a. O., 32. 100 Für eine Übersicht siehe Badrān, Uṣūl al-fiqh al-islāmīya, 264 ff.; Kamali, Principles, 323 ff. 101 So Krawietz, Rechtsquellen, 242. 102 Allgemein zu maṣlaḥa siehe Kamali, Islamic Studies 27.4(1988), 287–303; Kamali, Principles, 356 ff.; Krawietz, a. a. O., 224 ff.; Khadduri, NYU Journal of International Law and Politics 12.2(1979–80), 216; Opwis, Maṣlaḥa; Opwis, ILS 12.2(2005), 182–223. 103 Kamali, Principles, 350; Krawietz, a. a. O., 242 f. 104 Kamali, a. a. O., 351; Layish, MES 14.3(1978), 266. 94 95
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
Regelungserfordernissen einer sich wandelnden Gesellschaft angepasst werden.105 Die weiteste Anerkennung findet istiṣlāḥ als Methode der Rechtsfortbildung in der malikitischen Rechtsschule.106 Gleichwohl haben alle vier sunnitischen Rechtsschulen Methoden entwickelt, mit Hilfe derer auch nicht ausdrücklich geschützte Interessen und Belange Berücksichtigung finden.107 3. Geltungsgrad in islamischen Ländern der Gegenwart Islamisches Recht ist als „Juristen-Recht“108 entstanden und fortentwickelt worden. Fiqh, die islamische Jurisprudenz, war zumindest bis zum 19. Jahrhundert das Monopol der religiösen Rechtsgelehrten. Ihre Debatten, Auslegungen und Interpretationen formten das islamische Recht. Da es jedoch gleichzeitig der Obrigkeit oblag, Recht zu vollstrecken, sahen sich bereits die Kalifen der Abbasiden-Dynastie der Frage gegenübergestellt, wie der Korpus des fiqh, innerhalb dessen sich einander teils ausschließende Meinungen keine Seltenheit darstellten, als positives Recht fungieren könne.109 Um einen gewissen Einfluss auf die Rechtsetzung und Rechtsvollstreckung zu gewinnen, ohne dabei den Schritt zu wagen, den ᶜulamāᵓ das Vorrecht auf die Rechtswissenschaft abzuerkennen, versuchten die Abbasiden-Kalifen, religiöse Rechtsgelehrte in den Regierungsapparat einund an sich zu binden.110 Es sollte allerdings bis zum 19. Jahrhundert dauern, dass nationalstaatliche Regierungen in sämtlichen Bereichen des Rechtswesens Zuständigkeit ausübten und der Einfluss der religiösen Rechtsgelehrten innerhalb des Staatswesens schwand. Aufgrund des seit dem frühen 19. Jahrhundert fortschreitenden Kodifikationstrends und der Präsenz europäischer Mächte im Nahen und Mittleren Osten sind die heutigen Rechtssysteme der meisten islamisch geprägten Staaten europäischen Modellen nachempfunden. Hinsichtlich des Geltungsgrades des islamischen Rechts innerhalb der nationalen Rechtssysteme weisen mehrheitlich muslimische Staaten indes enorme Unterschiede auf, wobei sich vier verschiedene Kategorien ausmachen lassen: 1.) Staaten, in denen islamisches Recht keine Quelle der Gesetzgebung ist, 105 Kamali, a. a. O., 352; Khadduri, NYU Journal of International Law and Politics 12.2(1979–80), 213–217; Layish, a. a. O., 266; Opwis, ILS 12.2(2005), 198 ff.; zum Nutzen der Beachtung von maṣlaḥa in der Harmonisierung von islamisch geprägtem Recht und internationalen Menschenrechtsstandards siehe Baderin, Human rights, 43 f. 106 Krawietz, Rechtsquellen, 244. 107 Kamali, Principles, 365. 108 „Jurists’ law“, vgl. Johansen, in Masud/Peters/Powers, Dispensing justice, 169; Mayer, in Heer, FS Ziadeh, 179; Peters, in Roberson, Islamic reformation, 84. 109 Peters, in Roberson, Islamic reformation, 86 f. 110 Beispielsweise durch die Institutionalisierung des Richteramtes, hierzu AbramskiBligh, Journal of the Economic and Social History of the Orient 35.1(1992), 40–71.
A. Grundlagen des islamischen Rechts
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so etwa das säkularisierte Rechtswesen der Türkei; 2.) Staaten, deren Rechtswesen vom islamischen Recht dominiert werden, wie beispielsweise in Saudi-Arabien; 3.) Staaten, in denen eine Re-Islamisierung des Rechtssystems stattgefunden hat, so etwa im Iran und in Pakistan und 4.) die Mehrheit der muslimischen Staaten, in welchen ein dem westlichen Vorbild nachempfundenes Rechtssystem existiert, und als dessen einzige Ausnahme das Familien- und Erbrecht an die traditionellen Regelungen des islamischen Rechts angelehnt ist.111 Die Golfstaaten Bahrain, Katar und die VAE können hinsichtlich des Geltungsgrades des islamischen Rechts innerhalb ihrer Rechtssysteme zu der letzten Kategorie gezählt werden. II. Grundzüge des islamischen Familienrechts 1. Grundsätzliches Der folgende Abschnitt erhebt nicht den Anspruch, das klassische islamische Familienrecht und/oder das Familienrecht islamischer Länder in ihrer Gesamtheit darzustellen.112 Ausgewählte Regelungen des klassischen islamischen Familienrechts werden im Zuge der Auswertung der neuen Familiengesetzbücher Bahrains, Katars und der VAE rechtsvergleichend erörtert. Im Folgenden sollen lediglich der Stellenwert des Familienrechts innerhalb des islamischen Rechts sowie das islamische „Familienrechtsverständnis“ beleuchtet werden.113 Das Familien- und Erbrecht wird in den Primär- und Sekundärquellen des islamischen Rechts vergleichsweise intensiv und detailliert behandelt. Diese hohe Regelungsdichte spiegelt sich auch in den Lehrbüchern des klassischen islamischen Rechts wider.114 Dementsprechend vielseitig und zum Teil widersprüchlich sind die Regelungen in diesem Rechtsbereich. Abgesehen vom kategorischen Verbot der Polyandrie, gibt es kaum Regelungen, über welche nicht Uneinigkeit zwischen den islamischen RechtsVgl. Abiad, Muslim states, 32 ff.; Masud/Peters/Powers, in Masud/Peters/Powers, Dispensing justice, 41 ff.; Möller, Vorbehalte, 15; Peters, in Roberson, Islamic reformation, 91 f. 112 Die folgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf den Standardwerken zum klassischen islamischen Familienrecht in englischer Sprache, u. a. Abu Zahra, in Khadduri/Liebesny, Law, 132–178; Ali, in Quraishi/Vogel, Marriage contract, 11–45; Anderson, in Chloros/Rheinstein/Glendon, International encyclopedia, Vol. IV, 55–79; El Alami/Hinchcliffe, Islamic marriage; Esposito, Women; Pearl/Menski, Muslim family law; Nasir, Personal status; sowie auf folgenden Werken in arabischer Sprache: Abū Raḫīya/Ğabūrī, Fiqh az-zawāğ wa-ṭ-ṭalāq; Abū Zahra, Al-aḥwāl aš-šaḫṣīya; Ašqar, Aḥkām az-zawāğ; Imām, Az-zawāğ wa-ṭ-ṭalāq. 113 Für die Definition und Verwendung der Begriffe „Personalstatut“, „Familienrecht“, „Eherecht“ und „Scheidungsrecht“ etc. sei auf die Ausführungen in Fn. 7 verwiesen. 114 Rohe, Das islamische Recht, 77. 111
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
schulen (und selbst innerhalb dieser) besteht. Insofern ist das islamische Familienrecht äußerst vielschichtig und mithin flexibel. Mit dem Aufkommen des Islams wurden die gesellschaftlichen Verhältnisse auf der arabischen Halbinsel neu geordnet. Das zentrale Bindeglied der Gemeinschaft war fortan der gemeinsame Glaube. Der Kernfamilie, bestehend aus Eltern und Kindern, kam eine Bedeutung zu, die sie in der oftmals patrilineal organisierten vorislamischen Stammesgesellschaft Arabiens nicht erreichen konnte. Zumindest aus Sicht der muslimischen Geschichtsschreibung wurde die Stellung der Frau in der arabischen Gesellschaft durch die Einführung der neuen islamrechtlichen Regelungen im Bereich des Familien- und Erbrechts verbessert.115 So wurden die Wartezeit der Frau nach einer Eheauflösung und ein (gleichwohl eingeschränktes) Erbrecht für weibliche Angehörige eingeführt, die Polygynie durch den Koran begrenzt,116 die Ehefrau als Anspruchsberechtigte ihrer Brautgabe bestimmt und die Verstoßungsscheidung durch den Ehemann eingeschränkt. 2. Islamisches Familienrechtsverständnis Die vermeintliche Verbesserung der gesellschaftlichen und rechtlichen Stellung der Frau durch den Islam vermag indes nicht darüber hinwegzutäuschen, dass das islamische Familienrecht auf der Vorstellung von einer quasi gottgegebenen Ungleichheit zwischen Mann und Frau und daraus resultierenden komplementären Rechten der beiden Geschlechter basiert.117 Für Tucker ist islamisches Recht „a strongly gendered law, in the sense that many, though not all, legal rights and obligations are informed by the sexual identity of the individual“.118 Dieses unterschiedliche Rollenverständnis sei, so Tucker, vor allem im Ehe- und Scheidungsrecht zu erkennen, denn Männer und Frauen „are constructed as different entities under the law, particularly in the sphere of family relations, where male privilege is undeniable“.119 115 Allgemein Rohe, a. a. O., 80; Mayer, Islam and human rights, 114; Moghadam, Modernizing women, 121; zum Eherecht Anderson, in Chloros/Rheinstein/Glendon, International encyclopedia, Vol. IV, 57; Esposito, Women, 12 ff.; weiterführend Marsot, in Sonbol, Islamic history, 39–44; kritisch Ahmed, Women & gender, 11–63. 116 Koran Sure 4, Vers 3: „Und wenn ihr fürchtet, in Sachen der (eurer Obhut anvertrauten weiblichen) Waisen nicht recht zu tun, dann heiratet, was euch an Frauen gut ansteht/beliebt, (ein jeder) zwei, drei oder vier. Und wenn ihr fürchtet, (so viele) nicht gerecht zu behandeln, dann (nur) eine, oder was ihr (an Sklavinnen) besitzt! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun.“ 117 Mayer, Islam and human rights, 99 f.; Stowasser, in Sonbol, Islamic history, 32 ff.; Tucker, Women and gender, 24 ff.; Tucker, ILS 1.3(1994), 265 ff. 118 Tucker, House of law, 185. 119 Ebd.
A. Grundlagen des islamischen Rechts
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Das islamische Recht zeichnet sich zunächst durch eine auffällige „Ehefreundlichkeit“ aus. Die islamische Ehe (zawāğ, nikāḥ) ist grundsätzlich eine einem jedem Muslim obliegende religiöse Pflicht, soweit finanzielle und körperliche Hindernisse einem Eheleben nicht entgegenstehen. Gleichzeitig kommt die islamische Ehe nicht als Sakrament, sondern als zivilrechtlicher Vertrag (ᶜaqd ) zustande. Grundelemente (arkān) der Eheschließung sind, wie bei jedem Vertragsschluss, das Angebot (īğāb) und die Annahme (qabūl ), es bedarf keines Eheschließungsbeamten oder Geistlichen. Die Mehrheit der Rechtsschulen fordert jedoch die Anwesenheit zweier männlicher, muslimischer Zeugen bzw. eines männlichen und zweier weiblicher Zeugen sowie das Mitwirken des Ehevormundes (walī ), welcher die Ehefrau bei der Eheschließung vertritt. Die islamrechtliche Eheschließung ist kein höchstpersönliches Recht. Beide Nupturienten können Vertreter (Sing. wakīl ) ernennen, die sie in der Eheschließung vertreten. Übergeordneter Zweck der Ehe ist die Geschlechtsgemeinschaft und die Zeugung von Nachkommen. Die Rechtsfolgen der Eheschließung sind für Mann und Frau unterschiedlich und spiegeln das bereits erwähnte Verhältnis komplementärer Rechte und Pflichten wider. So steht der Anspruch der Ehefrau auf Unterhalt (nafaqa) von ihrem Ehemann in direkter Abhängigkeit zu ihrer Gehorsamspflicht (ṭāᶜa). Die Eheauflösung wird im islamischen Recht als verwerflich und gegen Gottes Willen angesehen. Gleichwohl handelt es sich bei der Ehe um einen zivilrechtlichen Vertrag. Aus diesem Grund formuliert das islamische Recht auch Regelungen für die Auflösung der Ehe. Dabei steht das nahezu uneingeschränkte Recht der einseitigen Verstoßung (ṭalāq) des Ehemannes im deutlichen Kontrast zu den limitierten Möglichkeiten einer (vom Ehemann) delegierten oder gerichtlichen Scheidung der Ehefrau. Mit der Eheauflösung und dem Ablauf der Wartezeit der Ehefrau enden das gegenseitige Erbrecht der geschiedenen Partner und der Anspruch der Frau auf Unterhalt. Das klassische islamische Familienrecht kennt keinen nachehelichen Unterhalt. Das Geschlechterverständnis, welches dem islamischen Familienrecht zugrunde liegt, hat die frühe islam- und rechtswissenschaftliche Forschung dazu verleitet, das Bild von einem statischen, patriarchalischen und geschlechterdiskriminierenden islamischen Familienrecht zu zeichnen, welches erst durch die Rechtsreformen des frühen 20. Jahrhunderts aufgebrochen wurde.120 Spätere rechtshistorische und ethnographische Studien, die sich verstärkt auf die soziale Praxis des Rechts konzentrierten, haben dieses Bild des islamischen Familienrechts ab den 1970er Jahren jedoch zum Teil entzerrt.121 Diese Studien erweitern das Bild um verschiedene 120 121
So u. a. von Anderson, in Anderson, Family law, 221–234. Moors, in Meriwether/Tucker, Social history, 142, 149.
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
Instrumente der Rechtsgestaltung; insbesondere deuten sie auf einen weitreichenden richterlichen Ermessensspielraum hin, den Frauen effektiv zu nutzen wussten, um ihre Rechte durchzusetzen.122 Ein für das Familienrecht in nahezu allen modernen Nationalstaaten der islamischen Welt charakteristisches Merkmal ist die religiöse Spaltung dieses Rechtsgebietes und mithin die (fast) ausschließliche Anwendung islamisch geprägten Rechts auf muslimische Bürger. Die Türkei und Tunesien bilden in diesem Zusammenhang die bekanntesten Ausnahmen. In der Mehrheit der muslimischen Länder können nichtmuslimische Gemeinden (vor allem Juden und Christen) ihre Rechtsbeziehungen weitestgehend autonom gestalten. Nicht die staatliche, sondern die religiöse Identität steht in diesem Zusammenhang auch weiterhin im Vordergrund.123 Als Juristen-Recht entstanden und fortentwickelt, wurde das islamische Recht traditionell als das Monopol der religiösen Rechtsgelehrten verstanden. Dennoch folgten auch zahlreiche muslimische Länder der Kodifikationsidee, indem sie seit dem 19. Jahrhundert verstärkt die Regelungen einzelner Rechtsgebiete systematisch in Gesetzbüchern aufzeichneten. Im Folgenden gilt es daher, den Einfluss der kontinentaleuropäischen Kodifikationsidee auf den arabisch-islamischen Raum sowie ihre dortige Umsetzung zu untersuchen.
B. Kodifikationsidee und Kodifikation I.
Die Kodifikationsidee in Europa
1. Grundsätzliches zur europäischen Kodifikationsidee Kodifikation bezeichnet „die systematische und vollständige Aufzeichnung des Rechtsstoffes eines bestimmten Sachgebiets in einem Gesetzbuch“,124 das durch staatlichen Hoheitsakt in Kraft gesetzt wird.125 Dabei kann eine Kodifikation dazu dienen, das bestehende Recht lediglich zu rationalisieren und zu systematisieren, ohne dass eine nennenswerte Veränderung oder gar Umwälzung bestehender Verhältnisse erzielt werden soll. Eine 122 Siehe u. a. die Studien von Agmon, in Sonbol, Islamic history, 126–140; Agmon, Family and court; Ivanova, in Sonbol, Islamic history, 112–125; Sonbol, in Anwar, Wanted; Tucker, House of law; Zilfi, in Zilfi, Women, 264–296. 123 Ebert, in Ende/Steinbach, Islam in der Gegenwart, 216. 124 So Schmidt, in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. II, 986. 125 Zimmermann, European Review of Private Law 3.1(1995), 96; Gleichwohl gibt es inzwischen auch Texte, die einen bestimmten Rechtsbereich systematisch aufarbeiten, aber von privaten Gruppen oder Institutionen entworfen wurden. Da es diesen Texten am staatlichen Element mangelt, können sie bestenfalls als „kodifikationsähnlich“ oder „Privatkodifikationen“ bezeichnet werden, hierzu Schmidt, Brasilien, 136.
B. Kodifikationsidee und Kodifikation
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Kodifikation kann aber auch die Regeln eines neuen politischen Systems abschließend formulieren, um die Kenntnis des Bürgers von seinen Rechten und Pflichten zu gewährleisten.126 Obgleich die großen Kodifikationswerke inzwischen selbstverständlich als Merkmale des Civil Law Rechtskreises und des kontinentaleuropäischen Rechtssystems gelten, ist ihre Entstehungsgeschichte relativ jung.127 Mit dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 und vor allem mit dem französischen Code civil von 1804 wurde in Europa das Rechtsquellensystem des römisch-kanonischen ius commune abgelöst, indem die ersten Kodifikationen im modernen Sinne in Kraft traten.128 So bedeutend wie die Kodifikationsidee – der das „Bündnis des Vernunftrechts mit der Aufklärung“129 zu ihrem Durchbruch verhalf – für die Entwicklung der europäischen Rechtskultur war, so kontrovers wurde sie von Beginn an diskutiert. Aus diesem Grund ist auch die gegenwärtige Debatte über die „Krise der Kodifikationsidee“130 und das „Zeitalter der Dekodifikation“131 keinesfalls eine Besonderheit der Anforderungen eines immer komplexeren Gesellschaftswesens an das Recht. Die rechtspolitische Diskussion um die Kodifikation zwischen dem Kodifikationsbefürworter Thibaut und dem kritischeren Savigny war nicht nur prägend für die Entwicklung der Kodifikationsidee im 19. Jahrhundert, sondern gewinnt im Lichte der aktuellen Debatte um das „Zeitalter der Dekodifikation“ erneut an Aktualität.132 2. Entwicklung der Kodifikationsidee a) Kritik am ius commune Das historische Umfeld, in welchem die Kodifikationsidee ab dem 16. Jahrhundert als Ausdruck des Wunsches nach klarer und widerspruchsfreier Gesetzgebung erstmals formuliert wurde, war geprägt durch das ius commune, das „gemeine Recht“.133 Das ius commune verband die weltlich-römische mit der kirchlichen Rechtsordnung und wurde im 12. Jahrhundert zum gemeinsamen Gegenstand der europäischen RechtsHarmathy, U.C. Davis Law Review 31.3(1997–98), 788. Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 7; Watson, Making of civil law, 3. 128 Caroni, Gesetz, 9. 129 So Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 322. 130 Ausführlich Wieacker, in FS Boehmer, 47 ff. 131 Schlagwort geprägt durch Irti, L’età della decodificazione. Unter Dekodifikation werden die Auslagerung privatrechtlicher Materien aus den Zivilgesetzbüchern und die Neuordnung dieser Materien in Spezialgesetzen verstanden, vgl. Genner, Dekodifikation, 1. 132 Für die Schriften Thibauts und Savignys siehe den kommentierten Nachdruck von Stern, Thibaut und Savigny. 133 Caroni, Gesetz, 37 ff. 126 127
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
wissenschaft.134 Hauptquellen des römisch-kanonischen ius commune waren das kanonische Recht der katholischen Kirche im Corpus Iuris Canonici und das römische Recht im, ab dem späten 11. Jahrhundert „wiederentdeckten“135, Corpus Iuris Civilis des Kaisers Justinian (527–565).136 Das ius commune war Juristen-Recht und mithin das Monopol der gesamteuropäischen Jurisprudenz, nicht etwa einer staatlichen Autorität.137 Überdies war das Corpus Iuris Civilis kein kodifiziertes Gesetzbuch im technischen Sinne, sondern eine aus drei Teilen bestehende Rechtssammlung: Institutionen (eine Art amtliches Einführungslehrbuch des römischen Privat- und Zivilprozessrechts), Digesten (griech. Pandekten, Auszüge aus der Literatur des klassischen römischen Rechts) und der Codex Iustinianus (die Sammlung der Kaisergesetze und seiner Fallentscheidungen).138 Ab dem 16. Jahrhundert übte der juristische Humanismus verstärkt Kritik am Geltungsanspruch des ius commune.139 Hauptpunkte dieser Kritik waren die Lücken, Unklarheiten und Widersprüche des Corpus Iuris Civilis und die hieraus resultierende Rechtsunsicherheit. Auch wurden die im Corpus Iuris Civilis enthaltenen Fallentscheidungen beanstandet, die zugunsten abstrakter Normen zu streichen seien.140 Der Wunsch des juristischen Humanismus nach einem neuen Recht, das den Bedürfnissen einer sich wandelnden Gesellschaft entsprach, legte somit den Grundstein für die Kodifikationsidee im europäischen Privatrecht.141 b) Rahmenbedingungen der Kodifikationsidee Auf der Kritik des juristischen Humanismus am ius commune aufbauend wurden im 17. und 18. Jahrhundert – der Epoche des Naturrechts – vernunftrechtliche Theorien entwickelt, die zur Basis der Kodifikationsidee werden sollten.142 Das von Grotius begründete Vernunftrecht brachte zum einen ein neues Verständnis von Staat und Gesellschaft hervor, gemäß welchem mittels eines sozialen Vertrages aller Individuen die Freiheit des Einzelnen gesichert werden sollte. Der Gesetzgebung oblag dabei zugleich die Aufgabe, diese Freiheit durch klar und einfach formulierte Regeln zu 134 Jansen, in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. I, 916 f.; Watson, Sources of law, 25. 135 So Wieacker, in FS Boehmer, 37. 136 Schlosser, Grundzüge, 1. 137 Caroni, Gesetz, 40. 138 Zimmermann, in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. I, 286 f. 139 Mayer-Maly, Rechtstheorie Beiheft 4(1982), 205. 140 Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 8; Watson, Sources of law, 56 f. 141 Für die Grundlagen der Kodifikationsidee in außereuropäischen Rechtskreisen siehe u. a. Glenn, U.C. Davis Law Review 31.3(1997–98), 765–782. 142 K. Schmidt, Kodifikationsidee, 31.
B. Kodifikationsidee und Kodifikation
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begrenzen.143 Zum anderen leisteten die rechtsmethodischen Erkenntnisse des Vernunftrechts einen wichtigen Beitrag zur Herausbildung der Kodifikationsidee. Namhafte Vertreter des Vernunftrechts wie der Staats- und Völkerrechtler von Pufendorf und der Mathematiker und Naturrechtler Wolff betonten die Notwendigkeit einer mathematikgleichen Systematisierung des Rechts.144 Die Forderung der europäischen Naturrechtslehre nach einem rational begründeten und geordneten Rechtssystem befreite das Recht endgültig von jeglicher Notwendigkeit einer theologischen Legitimation.145 Ungeachtet der geistigen Errungenschaften des Humanismus und des Vernunftrechts war es die radikale Erneuerung der Aufklärung, die der Kodifikationsidee zu ihrem endgültigen Durchbruch verhalf.146 Die mitteleuropäischen Monarchen waren aufgeklärte Absolutisten, die ihre Macht dazu nutzten, das Gemeinwohl zu fördern, indem sie ein rationalisiertes, zentralisiertes und verständliches Recht schufen. Die Kodifikation des Rechts bot ihnen hierfür die geeignetste Methode. Auf diese Weise konnten sie nicht nur konkurrierende Rechtsquellen verdrängen, sondern gleichzeitig ihre Autorität auf dem Gebiet der Rechtsetzung betonen.147 Um der Zielsetzung eines rationalisierten, zentralisierten und verständlichen Rechts Rechnung tragen zu können, mussten folgende formelle und inhaltliche Anforderungen an die Privatrechtskodifikationen erfüllt werden:148 1.) Die Kodifikation musste umfassend und abschließend sein. Sie sollte keine Lücken enthalten und nicht durch andere Rechtsquellen ergänzt werden müssen. Gleichzeitig sollte sie keine Fallentscheidungen und Gelegenheitsregeln enthalten, die lediglich auf bestimmte vorübergehende Zustände Anwendung fänden. Eine Kodifikation sollte mithin diejenigen Rechtsbeziehungen regeln, die über ein unveränderliches Element verfügen; 2.) Die Kodifikation sollte klar und einfach formuliert sein. Sie sollte jedem Bürger die Möglichkeit eröffnen, seine Rechte und Pflichten zu kennen; 3.) Die Kenntnis des Bürgers von seinen Rechten musste durch eine ausreichende Publizität der Kodifikation gewährleistet werden. Diese im 18. und 19. Jahrhundert formulierten Anforderungen an eine Kodifikation bestehen auch im modernen Rechtsleben des 20. und 21. Jahrhunderts fort und bedingen so die Diskussion um die Aktualität der Schmidt, in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. II, 986. Wieacker, in FS Boehmer, 40. 145 Schlosser, Grundzüge, 81 f., 88 f. 146 Caroni, Gesetz, 18; Schmidt, Brasilien, 138. 147 Zimmermann, European Review of Private Law 3.1(1995), 99 f. 148 Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 8 f.; Schmidt, Brasilien, 139 f.; Zimmermann, European Review of Private Law 3.1(1995), 96 f., mit unterschiedlichen Schwerpunkten; ausführlich zu den Funktionen der Kodifikation Basedow, AcP 200 (2000), 467 ff. 143 144
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
Kodifikationsidee. K. Schmidt spricht in diesem Zusammenhang von „falschen Kodifikationsidealen“, die es „auf ein realistisches Maß zuzuschneiden“ gelte.149 Die Publizität des Rechts zu gewährleisten, stellt sicherlich keine unrealistische Anforderung an den modernen Rechtsstaat. Die Formulierung eines umfassenden, aber gleichzeitig einfach verständlichen Gesetzbuches präsentierte sich hingegen bereits für die Gesetzgeber der ersten großen europäischen Kodifikationen als „Zielkonflikt“.150 Mit der nationalstaatlichen Konsolidierung in Europa erreichte die Kodifikationsidee ihre Blütezeit.151 Durch die Verbindung des nationalstaatlichen Gedankens mit dem der Kodifikation entstanden sogleich auch der Rechtskreis des Civil Law und die gegenwärtige formelle Struktur des europäischen Privatrechts.152 Dem Wunsch nach einer geeinten Nation trug die Kodifikationsidee, die nationale Gesetzbücher und mithin Rechtsvereinheitlichung ermöglichte, in vorbildlicher Weise Rechnung.153 Gleichzeitig hatte sie auch praktische Vorteile, indem sie „der Entwicklung größerer einheitlicher Märkte [entsprach]“.154 Das Inkrafttreten eines gesamtdeutschen Handelsgesetzbuches noch vor einem einheitlichen Zivilgesetzbuch liegt in eben jenem Streben nach wirtschaftlicher Einheit begründet.155 c) Beginn des europäischen Kodifikationszeitalters aa) Die vernunftrechtlichen Kodifikationen Mit den sogenannten „vernunftrechtlichen Kodifikationen“ begann das Kodifikationszeitalter in Europa. Die Bezeichnung beruht auf der engen inhaltlichen Verknüpfung der drei Gesetzbücher mit der vernunftrechtlichen Vorstellung einer „umfassenden Gesellschaftsplanung durch staatliche Gesetzgebung“.156 Als vernunftrechtliche Kodifikationen werden gemeinhin das preußische ALR (1794), der französische Code civil (1804) und das österreichische ABGB (1812) bezeichnet. Das aufgrund seiner politischen Rahmenbedingungen, aber auch aufgrund seiner Ausstrahlung über Europa hinaus historisch wohl bedeutsamste Gesetzbuch ist der französische Code civil.157 149 150 151 152 153 154 155 156 157
So K. Schmidt, Kodifikationsidee, 17. So Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 9. K. Schmidt, Kodifikationsidee, 32; ausführlich Wieacker, in FS Boehmer, 45 ff. Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 15. Schmidt, in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. II, 987. So Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 16. K. Schmidt, Kodifikationsidee, 33. So Schmidt, in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. II, 987. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 84.
B. Kodifikationsidee und Kodifikation
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Während das preußische und das österreichische Gesetzbuch von aufgeklärten Monarchen verfügt wurden, war der Code civil das Ergebnis des revolutionären Umsturzes des Ancien Régime durch das Bürgertum. Im Zuge der Errichtung eines egalitären und freiheitlichen Staates wurde sodann ein Gesetzbuch erlassen, das diesen Forderungen Rechnung trug.158 Die Autoren des Code civil hatten gegenüber ihren mitteleuropäischen Kollegen insofern einen Vorteil, als Frankreich im 18. Jahrhundert bereits eine juristische Sprache entwickelt hatte und daher im Zuge der Kodifikation auf existierende Fachliteratur zurückgegriffen werden konnte.159 Demgegenüber mussten in Preußen, wo zuvor das Lateinische die Juristensprache war, die passenden Fachausdrücke für ein allgemeines Privatrecht erst noch gefunden werden.160 Der Code civil trat für das gesamte direkte und indirekte Herrschaftsgebiet Napoleon Bonapartes in Kraft. Seine „Sprache, Stil und Gradlinigkeit im Sachlichen“161 machten das Gesetzbuch darüber hinaus zum idealen Vorbild für nachfolgende europäische Zivilrechtskodifikationen im 19. Jahrhundert, so beispielsweise das niederländische Bürgerliche Gesetzbuch von 1838 und die belgische Variante des französischen Code civil von 1830.162 Auf diesem Wege entstand in Europa der französische bzw. romanische Rechtskreis, der sich durch die Übernahme des Code civil in den neu entstandenen europäischen Staaten des 19. Jahrhunderts zusätzlich erweiterte.163 Auch über die Grenzen Europas hinaus bewies das französische Gesetzbuch eine starke Ausstrahlungskraft. Bis heute gilt es im US-Bundesstaat Louisiana sowie in der kanadischen Provinz Québec fort. In Süd- und Mittelamerika diente der Code civil der Mehrheit der Staaten als Vorbild und Richtschnur für eigene nationalstaatliche Kodifikationen.164 In den ehemaligen französischen Kolonien des Maghreb blieb das französische Zivilund Handelsrecht auch nach Erreichen der Unabhängigkeit in den 1950er Jahren in Kraft und wurde lediglich entsprechend der sich wandelnden gesellschaftlichen Bedürfnisse angepasst.165 Damit blieben die Maghreb-
Zweigert/Kötz, a. a. O., 85. Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 12. 160 Coing, a. a. O., 10. 161 So Schlosser, Grundzüge, 108. 162 Schlosser, a. a. O., 108 ff. 163 Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 13. 164 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 112 ff.; für das brasilianische ZGB von 1916 siehe Schmidt, Brasilien, 48 ff. 165 Zweigert/Kötz, a. a. O., 110. 158 159
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
Staaten vom ägyptischen ZGB, das von der Mehrheit der arabischen Staaten übernommen wurde, weitestgehend unbeeinflusst.166 bb) Die nationalstaatlichen Kodifikationen Die Gesetzbücher der zweiten Kodifikationswelle entstanden im Zuge der neuen Staatengründungen in Europa und trugen in erster Linie dem Wunsch nach nationaler Rechtsvereinheitlichung Rechnung.167 Sie werden daher als nationalstaatliche Kodifikationen bezeichnet. Von den zahlreichen nationalstaatlichen Gesetzbüchern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts sollen an dieser Stelle das deutsche BGB und das schweizerische ZGB beispielhaft hervorgehoben werden. Aufgrund der zunächst noch fehlenden Bundeskompetenz wurden beide Privatrechtskodifikationen im europäischen Vergleich spät verfasst. Gleichzeitig hatten ihre Verfasser dadurch die Möglichkeit sorgfältiger rechtsvergleichender Vorarbeiten und konnten auf die Erfahrungswerte anderer Staaten und ihrer Kodifikationen zurückgreifen.168 Aufgrund ihrer aufwändigen Ausarbeitung konnten beide Gesetzbücher schnell mit dem französischen Code civil um Anerkennung und Rezeption innerhalb und außerhalb Europas konkurrieren.169 Die Totalrezeption des schweizerischen ZGB in der 1922 ausgerufenen Republik Türkei ist in diesem Zusammenhang das wohl bekannteste Beispiel.170 Das deutsche BGB und das schweizerische ZGB weisen deutliche Unterschiede auf, teilweise werden sie sogar als Gegenbilder zueinander bezeichnet.171 So ist das deutsche BGB weitaus umfassender und abschließender als das schweizerische ZGB, welches sich vornehmlich auf die Fixierung allgemeiner Regeln und Rechtsprinzipien beschränkt und den Gerichten einen weitaus größeren Ermessensspielraum als das deutsche BGB einräumt.172 Ungeachtet dessen werden das schweizerische ZGB, das deutsche BGB und das zwischen 1914 und 1916 nach deutschem Vorbild novellierte österreichische ABGB in der Rechtswissenschaft als deutscher Rechtskreis zusammengefasst.173
166 Dies gilt indes nicht für Algerien, dessen Zivilrechtsreform zur Mitte der 1970er Jahre sich ebenfalls am ägyptischen Modell orientierte, siehe hierzu Krüger, in Heckel, Rechtstransfer, 14 f.; 21. 167 Schmidt, in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. II, 987. 168 Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, 20 ff.; für das schweizerische ZGB siehe Caroni, Gesetz, 77 f. 169 Wieacker, in FS Boehmer, 47. 170 Schlosser, Grundzüge, 177 ff., m. w. N. 171 So von Caroni, Gesetz, 78. 172 Schlosser, Grundzüge, 174. 173 Siehe hierzu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 130 ff.
B. Kodifikationsidee und Kodifikation
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3. Aktualität der Kodifikationsidee Dass bereits Mitte des 20. Jahrhunderts, während die Mehrheit der außereuropäischen Staaten ihr Privatrecht erstmals umfassend kodifizierte,174 in Europa bereits von einer „Krise der Kodifikationsidee“175 gesprochen wurde, ist ein historischer Widerspruch. Bereits 1954 hinterfragte Wieacker kritisch, in welcher Weise der im 20. Jahrhundert zu einem sozialen Wohlfahrtsstaat gewandelte Staat die großen Zivilgesetzbücher bewahren könne.176 Auch im 21. Jahrhundert sind die Funktionen und die Aktualität der Kodifikationsidee nicht unumstritten. So hat die Zersplitterung des Rechts in eine Flut an spezialgesetzlichen Regelungen und Nebengesetzen Rechtswissenschaftler dazu bewegt, von dem „Zeitalter der Dekodifikation“ zu sprechen.177 Ein Blick über die Grenzen Kontinentaleuropas hinaus verdeutlicht indes die fortwährende Aktualität der Kodifikationsidee im Privatrecht.178 Die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Lateinamerikas haben ihr Privatrecht oftmals erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts, in Bahrain sogar erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts, erstmalig kodifiziert und im vergangenen Jahrzehnt teilweise umfassend novelliert, wie das Beispiel Katar zeigt. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden die Ausstrahlungskraft der Kodifikationsidee in den arabischen Raum und die Besonderheiten der Kodifikation des islamischen Rechts betrachtet werden. II. Die Kodifikationsidee im arabisch-islamischen Raum 1. Grundsätzliches zur Kodifikation des islamischen Rechts a) Frühe Kodifikationsbestrebungen Die Redaktion des Korans unter dem dritten Kalifen Uthman kann als erste kodifikationsähnliche Tätigkeit auf dem Gebiet des islamischen Rechts bezeichnet werden. Zwar handelte es sich bei der Niederschrift des Korans nicht um die systematische Aufzeichnung eines bestimmten Sachgebiets, aber die Redaktion des heiligen Buches der Muslime diente zumindest der Vereinheitlichung der autoritativen göttlichen Offenbarungen. So ließ Uthman nach Abschluss der Redaktionsarbeiten abweichende Textformen des Korans vernichten und erklärte seine Fassung zur verbindlichen Lesart.179
Für die arabischen Staaten siehe die Auflistung bei Klaiber/Krüger, IPRax 2007, 149 in Fn. 17 ff., m. w. N.; für die Staaten Lateinamerikas siehe Schmidt, Brasilien, 145. 175 So Wieacker, in FS Boehmer. 176 Wieacker, a. a. O., 48 f. 177 Basedow, AcP 200(2000), 465 f.; Schmidt, Brasilien, 146 ff., m. w. N. 178 Vgl. Basedow, a. a. O., 466. 179 Bobzin, Koran, 102 f. 174
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
Die Tatsache, dass islamisches Recht traditionell als Monopol der ᶜulamāᵓ und mithin als Juristen-Recht verstanden wurde, stellte bereits die politischen Herrscher der ersten islamischen Dynastien mit Blick auf ihre Rechtsetzungskompetenzen vor große praktische Probleme. Etwa im Jahre 757 n. Chr. empfahl der persische Bürokrat und muslimische Konvertit Ibn al-Muqaffa (ᶜAbd Allāh b. al-Muqaffaᶜ) dem zweiten Abbasiden-Kalifen al-Manṣūr die Kodifikation des islamischen Rechts.180 In seiner Abhandlung „Risāla fī ṣ-ṣaḥāba“ (dt. Abhandlung über die Gefährten) wies Ibn al-Muqaffa auf die Problematik von sowohl Differenzen in der Rechtsprechung zwischen einzelnen großen Städten (und sogar zwischen ihren Stadtteilen) wie auch zwischen den Rechtsauffassungen der einzelnen regionalen Rechtsschulen hin.181 Diese Differenzen lägen, so Ibn al-Muqaffa, entweder in unterschiedlichen regionalen Rechtstraditionen und Präzedenzfällen begründet oder aber resultierten aus individuellem logischen Denken (raᵓy), welches fehlerhaft gewesen sei.182 Im Interesse der Uniformität des Rechts schlug Ibn al-Muqaffa dem Abbasiden-Kalifen daher vor, die unterschiedlichen Lehrmeinungen und Rechtsauffassungen zu überprüfen, um dann die von ihm ausgewählten Doktrinen in einem uniformen und für sämtliche Rechtsanwender verbindlichen Kodex (kitāb ğāmiᶜ) zusammenzufassen. Solch ein Kodex müsse sodann von nachfolgenden Herrschern in regelmäßigen Abständen kontrolliert und gegebenenfalls überarbeitet werden. Jegliche Rechtsentscheidungen, die im Widerspruch zu dem offiziellen Kodex des Kalifen stünden, wären fortan nichtig.183 Ibn al-Muqaffas Idee eines uniformen Kodexes, der die verbindlichen Regelungen des islamischen Rechts systematisiert, ist sehr nah an der europäischen Kodifikationsidee des 17. Jahrhunderts. In einem Umfeld, in dem die religiöse Autorität des Kalifen durch die ᶜulamāᵓ deutlich begrenzt war, stellten Ibn al-Muqaffas Empfehlungen an den Kalifen ein absolutes Novum dar. Dennoch gibt es Berichte, denen zufolge al-Manṣūr die Muwaṭṭaᵓ des medinensischen Juristen und Rechtsschulbegründers Malik b. Anas (Mālik b. Anas) tatsächlich als verbindlichen Kodex für das gesamte Abbasiden-Reich erlassen wollte. Dieser lehnte den Vorschlag des Kalifen jedoch ab, so dass Ibn al-Muqaffas Empfehlungen letztendlich nie umgesetzt wurden.184 180 Anderson, RabelsZ 30(1966), 243; Mayer, in Heer, FS Ziadeh, 179; Schacht, Origins, 95. 181 Ibn al-Muqaffaᶜ, Risāla, § 34, 35. 182 Ibn al-Muqaffaᶜ, a. a. O., § 37, 38. 183 Ibn al-Muqaffaᶜ, a. a. O., § 36. 184 Anderson, RabelsZ 30(1966), 243; Crone/Hinds, God’s caliph, 86 f.; Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 27; Zaman, Religion and Politics, 84 f.; für die Muwaṭṭāᵓ siehe Calder, Studies, 20 ff.
B. Kodifikationsidee und Kodifikation
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b) Kodifikation ab dem 19. Jahrhundert Nach Ibn al-Muqaffas Vorstoß ruhte die Kodifikationsidee im arabischislamischen Raum zunächst für mehrere hundert Jahre. Erst ab dem frühen 19. Jahrhundert wurde die Reform und Kodifikation (taqnīn) des islamischen Rechts im Osmanischen Reich diskutiert. Die Tanẓīmāt-Reformen185 zielten ab dem Jahre 1839 u. a. auf eine Modernisierung der Wirtschaft, der Verwaltung und des Rechtswesens ab, um die Rückständigkeit des Osmanischen Reiches gegenüber den industrialisierten Mächten Europas zu beenden und den Niedergang des „kranken Mannes am Bosporus“ aufzuhalten.186 Zuvor wurden im Osmanischen Reich lediglich im Rahmen der siyāsa šarᶜīya Einzelgesetze (osm. qānūn nāme) in jenen Bereichen erlassen, für die das islamische Recht keine umfassenden Regelungen bereithielt.187 Das islamische Recht anzutasten, indem es entweder reformiert oder durch staatlich bestimmtes Recht ersetzt würde, wagten die osmanischen Sultane hingegen nicht. Diese Situation änderte sich mit der Kodifikation des osmanischen Handelsrechts im Jahre 1850 grundlegend. Dem Handelsgesetzbuch folgten das Strafgesetzbuch von 1858, die Handelsprozessordnung von 1861 und das Gesetz über den Seehandel von 1863. All diese Gesetzbücher basierten in weiten Teilen auf französischem Recht. Ihre Anwendung oblag neu geschaffenen staatlichen Zivilgerichten.188 Eine vergleichbare Entwicklung – gleichwohl stärker vom britischen Common Law beeinflusst – war außerhalb des arabischen Raums zur selben Zeit in Britisch-Indien zu erkennen.189 Interessanterweise war der Widerstand der ᶜulamāᵓ gegen die Übernahme des säkularen, europäischen Rechts gering. Die Mehrheit der islamischen Rechtsgelehrten bevorzugte die Anwendung von rezipiertem europäischen Recht gegenüber einer Verstaatlichung von reformiertem, und mithin neuinterpretiertem islamischen Recht.190 Hinzu kam, dass auch den ᶜulamāᵓ die Notwendigkeit von Rechtsreformen bewusst war oder, wie Anderson es
EI2, Bd. X, Eintrag T ANẒĪMĀT, 200. „The impulse behind these reforms was, firstly, the desire to modernise the Empire, so that it could rival the power of the West, and secondly, to convince foreign opinion that the „sick man of Europe“ was awaking from his slumber.“ So Anderson, RabelsZ 30(1966), 244. 187 Mayer, in Heer, FS Ziadeh, 180; Peters, in Roberson, Islamic reformation, 87 f.; Schacht, Studia Islamica 12(1960), 103. 188 Anderson, ICLQ 20.1(1971), 2; Bonderman, Harvard Law Review 81.6(1968), 1177; Hill, The American Journal of Comparative Law 26(1977), 286 f. 189 Anderson, RabelsZ 30(1966), 244; Schacht, Studia Islamica 12(1960), 112. 190 Anderson, a. a. O., 245, 249 f.; Anderson, ICLQ 20.1(1971), 4, 20. 185 186
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
beschreibt, „[…] it dawned on them that they must either move with the times or largely lose both their influence and their vested interests“.191 Für zwei Rechtsgebiete setzte sich eine reine Rezeption des säkularen europäischen Rechts hingegen nicht durch. Für das Schuldvertragsrecht sowie das Familien- und Erbrecht weist bereits das klassische islamische Recht eine hohe Regelungsdichte auf. Beide Rechtsgebiete wurden im Osmanischen Reich daher nicht durch eine reine Rezeption des französischen Rechts reformiert. So basieren die Regelungen des Schuldvertragsrechts des osmanischen ZGB von 1869–1876, der sogenannten Mağalla192, sowie das dazugehörige Prozessrecht auf dem klassischen islamischen Recht der hanafitischen Rechtsschule. Diese Regelungen stellen somit erstmalig eine – nach kontinentaleuropäischem Vorbild – systematische Erfassung und Kodifikation des klassischen islamischen Rechts der hanafitischen Rechtsschule unter Beachtung ihrer Minderheitsmeinungen dar.193 Bis zur erstmaligen Kodifikation des islamischen Familienrechts im Osmanischen Reich sollte es weitere vier Jahrzehnte dauern. Durch die Fruchtbarmachung der europäischen Kodifikationsidee entstanden im arabischen Raum zwei parallele Rechtssysteme. Das kontinentaleuropäische Civil Law dominierte das Handels-, Straf- und Verwaltungsrecht, so dass es fortan allein dem Staat oblag, in diesen Bereichen Recht zu setzen und dessen Einhaltung zu kontrollieren. Für das Schuldvertragsrecht sowie des Familien- und Erbrecht hingegen bestand der Einfluss der ᶜulamāᵓ weiterhin fort. Hier benötigte der Staat die Legitimation der islamischen Rechtsgelehrten, um gesetzgeberisch tätig werden zu können.194 Im Folgenden soll die Ausstrahlungskraft der Kodifikationsidee auf das Schuldvertragsrecht sowie auf das Familien- und Erbrecht daher genauer untersucht werden. 2. Die Entstehung des „ägyptischen Rechtskreises“ Das osmanische ZGB trat lediglich in der osmanischen Levante, mithin auf dem Gebiet der heutigen Nationalstaaten Türkei, Syrien, Libanon, Israel, Jordanien, sowie im Irak in Kraft. In Ägypten hingegen war bereits 1873 Anderson, ICLQ 20.1(1971), 20; siehe auch Brown, IJMES 29.3(1997), 360 f. Die einzelnen Bücher des osm. ZGB wurden in den Jahren 1869–1876 durch sultanischen Erlass in Kraft gesetzt, das vollständige osm. ZGB trat 1876 in Kraft, hierzu Krüger, in Krüger/Mansel, FS Kegel, 44, 49. 193 Anderson, RabelsZ 30(1966), 245; Bonderman, Harvard Law Review 81.6(1968), 1177; Mayer, in Heer, FS Ziadeh, 181; Krüger hingegen hält es für fraglich, ob es sich bei dem osm. ZGB um „ein Gesetz im heutigen Sinne oder lediglich um ein ‚Restatement‘ des im Osmanischen Reich geltenden Rechts handelt“, Krüger, Fetwa und Siyar, 43 in Fn. 103; vgl. auch Krüger, in Krüger/Mansel, FS Kegel, 48 f. 194 Peters, in Roberson, Islamic reformation, 90. 191 192
B. Kodifikationsidee und Kodifikation
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ein vom Osmanischen Reich unabhängiges Rechtswesen entstanden. Seit 1875 bzw. 1883 verfügte Ägypten über ein kodifiziertes Zivilrecht für die sogenannten „Gemischten Gerichte“ (maḥākim muḫtaliṭa)195 und für die nationalen ägyptischen Gerichte. Diese Kodifikationen waren in weiten Teilen an den französischen Code civil angelehnt.196 Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches im Jahre 1922 galt das osmanische ZGB in der Levante zunächst fort. Eine Ausnahme bildete die laizistische Türkei, die das schweizerische ZGB rezipierte. Das osmanische ZGB gehört zu einer der zwei großen Privatrechtskodifikationen des arabischen Raums.197 Die zweite große arabische Privatrechtskodifikation trat 1949 in Ägypten in Kraft. Das ägyptische ZGB, das maßgeblich auf die Arbeit des Juristen Sanhuri (ᶜAbd ar-Razzāq as-Sanhūrī) zurückgeht, begründete durch seine zahlreichen Rezeptionen in der arabischen Welt den sogenannten „ägyptischen Rechtskreis“198. Das ägyptische ZGB entspricht in seiner Form den großen kontinentaleuropäischen Zivilrechtskodifikationen. Grundlage waren umfangreiche rechtsvergleichende Vorarbeiten. Das Gesetzbuch enthält Elemente des französischen Rechts, vorheriger ägyptischer Zivilgesetzgebung, ägyptischer Rechtsprechung sowie islamrechtlicher Prinzipien.199 Gemäß Art. 1 Abs. 2 ägypt. ZGB ist zur Lückenfüllung auf Gewohnheitsrecht und islamisches Recht zurückzugreifen.200 Die Entstehung und rasante Ausweitung des ägyptischen Rechtskreises durch die Rezeption des ägyptischen ZGB201 liegt zum einen in der Qualität der umfangreichen Arbeit, zum anderen aber auch in den historischen Umständen der arabischen Welt zur Mitte des 20. Jahrhunderts begründet. Nachdem die Mehrheit der arabischen Staaten von Frankreich und Groß195 Hierzu Ebert, Personalstatut, 59 f.; für die ägypt. Gemischten Gerichte grundsätzlich siehe u. a. Brinton, Mixed courts; Cannon, Politics of law, 65–88; Hoyle, Mixed courts. 196 Anderson, ICLQ 20.1(1971), 2 f.; Mallat, Middle Eastern law, 261. 197 Zur Struktur und zum Verbreitungsgebiet des osm. ZGB siehe Mallat, Middle Eastern law, 249 ff.; zum zeitlich-räumlichen Geltungsbereich des osm. ZGB siehe Krüger, in Krüger/Mansel, FS Kegel, 43–63. 198 Begriff geprägt von Krüger, Recht van de Islam 5(1987), 98–168; für die Rezeption ägypt. Zivilrechts in der arabischen Welt und die Arbeit Sanhuris siehe Krüger, in Heckel, Rechtstransfer, 9–21. 199 Anderson, RabelsZ 30(1966), 250; Mallat, Middle Eastern law, 263 ff.; Rohe, Das islamische Recht, 183; für die Entstehungsgeschichte des ägypt. ZGB siehe außerdem Bechor, Sanhuri Code, und Bälz, ZEuP 8.1(2000), 51–76; zum Leben und Wirken Sanhuris allgemein siehe Arabi, in Arabi/Powers/Spectorsky, Legal thought, 491–512; Hill, ALQ 3.1(1988), 33–64, sowie Hill, ALQ 3.2(1988), 182–218. 200 Bälz, ZEuP 8.1(2000), 60; Saleh, ALQ 8.2(1993), 162. 201 Rezipiert in: Syrien (1949), Irak (1951/53), Libyen (1953), Kuwait (1980/81), Katar (1971, 2004), Sudan (1971, 1984), Somalia (1973), Algerien (1975), Jordanien (1976), VAE (1985), Jemen (1992, 2002), Bahrain (2002) und zuletzt Oman (2013); für eine Bewertung der Rezeptionen bis 2011 siehe Krüger, in Heckel, Rechtstransfer, 9–21.
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
britannien unabhängig wurde, erwuchs ein großer Bedarf an nationaler Gesetzgebung, ohne dass in den Ländern ausreichend qualifizierte Juristen zur Verfügung standen.202 Für die arabischen Golfstaaten soll diese Entwicklung im folgenden Kapitel noch genauer dargestellt werden. Zur Auslegung der Regelungen des ägyptischen ZGB wird der Großkommentar Sanhuris, al-Wasīṭ 203, herangezogen, der „faktisch den Rang einer Rechtsquelle“204 hat. Der umfangreiche Kommentar wird nicht nur von ägyptischen Juristen, sondern von Juristen aller arabischen Länder genutzt, die das ägyptische ZGB seit 1949 rezipiert haben. Darüber hinaus wirkte Sanhuri aktiv an der Erarbeitung einiger dieser Rezeptionen mit, so beispielsweise dem irakischen ZGB von 1951 und dem libyschen ZGB von 1953.205 Dabei kopierte er nicht lediglich das ägyptische ZGB, sondern passte die Kodifikation immer auch der Rechtstradition des jeweiligen Landes an. So unterscheidet sich das ZGB des Iraks, wo zuvor das stärker islamrechtlich geprägte osmanische ZGB in Kraft war, in Teilen vom ägyptischen Ursprungstext, da auch Regelungen des osmanischen ZGB in die Kodifikation einbezogen wurden.206 Spätestens mit der Erarbeitung des ägyptischen ZGB entstand „europäisches Privatrecht jenseits von Europa“.207 3. Die Kodifikation des islamischen Familienrechts im arabischen Raum a) Frühe Kompilationen und Kodifikationen Kodifikation auf dem Gebiet des islamischen Familienrechts meint „die Zusammenfassung der hauptsächlich islamischen Rechtsvorschriften eines Rechtszweiges in einem nach westlichem Muster strukturierten Gesetz, welches in einem formalen Verfahren staatlicherseits angenommen und durchgesetzt wird“.208 Die Besonderheit der Kodifikation des islamischen Familienrechts seit dem frühen 20. Jahrhundert ist, dass – obgleich eine Systematisierung und Reform des islamischen Rechts als notwendig erachtet wurde – ein offensichtlicher Bruch mit den klassischen islamrechtlichen Bestimmungen vermieden werden sollte. Aus diesem Grund kam es im arabischen Raum (und nahezu der gesamten islamischen Welt), anders als in der Mehrzahl der Rechtsgebiete, nicht zu einer Rezeption europäischer Familienrechtskodifikationen.
202 203 204 205 206 207 208
Bälz, ZEuP 8.1(2000), 69 f.; Krüger, a. a. O., 21. Sanhūrī, Al-wasīṭ fī šarḥ al-qānūn al-madanī al-ğadīd, Beirut 1952. So Walid Goussous zitiert in Krüger, in Heckel, Rechtstransfer, 21. Bälz, ZEuP 8.1(2000), 69. Saleh, ALQ 8.2(1993), 165. So Bälz, ZEuP 8.1(2000), im Titel. So Ebert, Orient 43.3(2002), 367.
B. Kodifikationsidee und Kodifikation
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Im Jahre 1875 erschien zunächst eine nach kontinentaleuropäischem Vorbild systematisierte Kompilation des islamischen Familien- und Erbrechts der hanafitischen Rechtsschule. Die vom ägyptischen Juristen Muhammad Qadri Pascha verfasste Kompilation („Qadrī-Bāšā-Kodifikation“209), die auch erstmalig den französischen Begriff statut personnel für die arabische Rechtsterminologie übernahm,210 erwuchs zwar nie in Rechtskraft, bildet aber bis in die heutige Zeit die Grundlage für die Anwendung des klassischen hanafitischen Familienrechts.211 Die erste Kodifikation des islamischen Familienrechts, die durch staatlichen Hoheitsakt in Kraft gesetzt wurde, war das Osmanische Familiengesetzbuch von 1917.212 Im Gegensatz zur Kompilation von Qadri Pascha, war das OsmFamGB keine systematische Normierung der islamrechtlichen Bestimmungen einer einzigen Rechtsschule, sondern kombinierte Regelungen aller vier sunnitischen Rechtsschulen.213 Mithilfe der Methoden der Kombination von und Auswahl innerhalb der Regelungen aller vier sunnitischen Rechtsschulen, talfīq und taḫayyur, passte das OsmFamGB die Bestimmungen des klassischen islamischen Familienrechts erstmals auch neuen Regelungserfordernissen an. Diese Methoden dienen den Gesetzgebern der islamischen Welt bis heute als Vorbild für Reformen auf dem Gebiet des Familien- und (teilweise) des Erbrechts.214 Durch das OsmFamGB wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine deutliche Verbesserung der Rechtsstellung der Frau im Osmanischen Reich erzielt. Während die im Osmanischen Reich dominierende hanafitische Rechtsschule kaum Möglichkeiten zur Eheauflösung durch die Frau bereithält,215 verbesserte das OsmFamGB durch weiter reichende Scheidungsmöglichkeiten die aussichtslose Situation zahlreicher Ehefrauen.216 Zuvor räumten bereits zwei sultanische Verordnungen aus dem Jahre 1915 erweiterte Scheidungsgrundlagen für die von ihrem Ehemann auf unbestimmte Zeit grundlos verlassene Ehefrau und für die unwissentlich mit einem erQadrī Bāšā, Al-aḥwāl aš-šaḫṣīya, deutsche Übersetzung v. Ebert, Qadrī-PāshāKodifikation. 210 Vgl. Anmerkungen in Fn. 7. 211 Ebert, Orient 43.3(2002), 368. 212 Das OsmFamGB von 1917 findet mit kleineren Änderungen auf die sunnitischen Muslime im Libanon, Israel und Teilen Palästinas auch weiterhin Anwendung, hierzu Anderson, RabelsZ 30(1966), 246; Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 29 f.; Tucker, Arab Studies Journal 4.2(1996), 4 f. 213 Anderson, RabelsZ 30(1966), 246; Bonderman, Harvard Law Review 81.6(1968), 1181; Tucker, Women and gender, 20. 214 Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 30. 215 Vgl. Fn. 14. 216 Anderson, Islamic law, 53 f.; kritischer Tucker, Arab Studies Journal 4.2(1996), 4–17. 209
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
krankten Mann, dessen Krankheit auch ihre eigene Gesundheit gefährdet, verheiratete Ehefrau ein.217 Dieser „ersten Kodifikationswelle“ auf dem Gebiet des islamischen Familienrechts sind ebenfalls die Rechtsreformen in Ägypten und dem Sudan aus den 1920er Jahren zuzuordnen.218 So kodifizierten zwei Einzelgesetze aus den Jahren 1920 und 1929 in Ägypten erstmals Teilbereiche des Ehe- und Scheidungsrechts. Beide Gesetze sind mit Änderungen auch weiterhin in Kraft.219 b) Kodifikation zur Mitte des 20. Jahrhunderts Mit der Unabhängigkeit der Mehrzahl der Staaten des Maschreks und Maghrebs seit den 1950er Jahren begann eine „zweite Kodifikationswelle“ im arabischen Raum. Dabei kam dem innerarabischen Rechtstransfer auf dem Gebiet des Familien- und Erbrechts eine besondere Bedeutung zu.220 So sind „in Vergangenheit und Gegenwart einzelne Rechtsinstitute oder ganze Abschnitte in den Gesetzen zum Personalstatut“221 innerhalb der arabischen Welt rezipiert worden. Gleichzeitig weisen auch räumlich nahe Kodifikationen zum Teil erhebliche Unterschiede, vor allem mit Blick auf den Grad der Rechtsreform auf. Für die vorliegende Darstellung sollen in diesem Zusammenhang die Familiengesetzbücher Tunesiens und Marokkos aus den 1950er Jahren beispielhaft hervorgehoben werden. Die marokkanischen und tunesischen Familiengesetzbücher traten fast zeitgleich, nach der Unabhängigkeit beider Staaten von Frankreich, in den Jahren 1957/58 bzw. 1956/57 in Kraft.222 Gleichwohl stehen die zwei Gesetzbücher stellvertretend für die deutlich unterschiedliche Reformbereitschaft innerhalb der arabischen Welt. Während die marokkanische Mudawwana 1957/58 in weiten Teilen das klassische islamische Familienrecht der malikitischen Rechtsschule ohne nennenswerte Reformen lediglich systematisierte, haben die weitreichenden Reformen in Tunesien der
Anderson, RabelsZ 30(1966), 246; Anderson, Comparative Studies in Society and History 31.1(1971), 19; Bonderman, Harvard Law Review 81.6(1968), 1181. 218 Bonderman, a. a. O., 1181; Coulson/Hinchcliffe, in Beck/Keddie, Women, 49. 219 Ebert, Personalstatut, 61; Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 31; die Besonderheit des ägypt. Familien- und Erbrechts ist, dass dieser Rechtsbereich auch weiterhin nicht in einem umfassenden Gesetzbuch, sondern lediglich in Einzelgesetzen geregelt ist, hierzu u. a. El Alami, Marriage contract. 220 Welchman, in Hefner, New Cambridge history, Vol. VI, 415; ausführlich Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 23–46. 221 So Ebert, a. a. O., 31. 222 Marokko: Personalstatutsgesetz [Mudawwanat al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 22.11.1957/ 28.4.1377, GBl. Nr. 2354 v. 6.12.1957/13.5.1377, 2633–2638; Tunesien: Personalstatutsgesetz [Mağallat al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 13.8.1956/6.1.1376, GBl. Nr. 66 v. 17.8.1956/ 10.1.1376, 1544–1554, vgl. Nachweise in Ebert, Personalstatut, 68 f. 217
B. Kodifikationsidee und Kodifikation
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Mağalla zu einer Vorreiterrolle für Familienrechtsreformen innerhalb der arabischen Welt verholfen, die bis heute anhält. Die marokkanische Mudawwana 1957/58 hielt in weiten Teilen an einem patriarchalischen Familienbild und klassischen Geschlechterrollen fest. So bestimmte sie u. a. die unbedingte Erforderlichkeit der Vertretung einer zuvor unverheirateten Frau durch ihren Ehevormund (walī) in der Eheschließung, die Möglichkeit zur gerichtlichen Zwangsverheiratung und die Aufrechterhaltung der weiblichen Gehorsamspflicht gegenüber dem Ehemann. Die Reformen der 1950er Jahre beschränkten sich in erster Linie auf die Übernahme der von der hanbalitischen Rechtsschule vorgesehenen Aufnahme einvernehmlicher Zusatzbestimmungen (šurūṭ) in den Ehevertrag und die Einführung eines Ehemindestalters von 15 Jahren für Mädchen und 18 Jahren für Jungen.223 Demgegenüber nutzte der tunesische Gesetzgeber die günstigen politischen Umstände nach Erreichen der Unabhängigkeit, um weitreichende Reformen, wie das – im arabischen Raum auch weiterhin einmalige – Verbot der Polygynie, durchzusetzen.224 Durch eine Neuinterpretation der einschlägigen Koranverse zur Polygynie gelangte der tunesische Gesetzgeber zu der Auffassung, dass eine polygyne Eheschließung insofern zu verbieten sei, als die im Koran verankerte und daher göttlich gebotene Gleichbehandlung zwischen den Ehefrauen grundsätzlich nicht zu erfüllen sei.225 Darüber hinaus wurde die ausschließliche Wirksamkeit gerichtlicher Eheauflösungen und mithin das Verbot der Privatscheidung normiert und das Einverständnis beider Ehepartner als Wirksamkeitsvoraussetzung der Eheschließung sowie die Registrierungspflicht dieser eingeführt.226 Eine weitere Besonderheit des tunesischen Familiengesetzbuches ist dessen personeller Geltungsbereich. Mit der Einführung der Mağalla endete die interreligiöse Spaltung des Personalstatuts in Tunesien. Die Mağalla findet auf sämtliche Staatsangehörige Tunesiens, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, Anwendung.227 Regelmäßige Reformen des tunesischen Gesetzbuches haben darüber hinaus dazu beigetragen, seinen Reformcharakter und seine Fortschrittlichkeit in der arabischen Welt aufrechtzuerhalten.228 Diese beiden Kodifikationen des Familienrechts in islamischen Ländern verdeutlichen die enorme Bandbreite der Reformmöglichkeiten. Wenn223 Buskens, ILS 10.1(2003), 72 ff.; Ebert, Orient 46.4(2005), 613 ff.; Weingartner, University of Detroit Mercy Law Review 82.4(2005), 694 ff. 224 Für die politischen Rahmenbedingungen der tunesischen Reform siehe Charrad, Washington and Lee Law Review 64.4(2007), 1513–1527. 225 Statt vieler Anderson, ICLQ 7.2(1958), 267 f. 226 Anderson, a. a. O., 267, 271; Pritsch, Die Welt des Islams 5.3/4(1958), 192, 196. 227 Anderson, a. a. O., 265 f.; Waletzki, Ehe und Ehescheidung, 131. 228 Zu den Reformen seit 1956 siehe u. a. Forstner, StAZ 48.1(1995), 1–8; Charrad, Washington and Lee Law Review 64.4(2007), 1522 ff.
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Kapitel 1 – Islamisches Recht und Kodifikation
gleich bislang kein weiteres islamisches Land den tunesischen Reformen in vollem Umfang gefolgt ist, so kann die tunesische Mağalla gleichwohl als Richtschnur für die Reformvorhaben anderer Gesetzgeber dienen. Eine ähnliche Vorbildfunktion kommt inzwischen auch der reformierten marokkanischen Mudawwana von 2004 zu.229
C. Zwischenergebnis Die europäische Kodifikationsidee basiert auf der Annahme, dass es allein dem Staat obliegt zu bestimmen, welches nationalstaatliche Recht verbindlich gilt. Islamisches Recht als religiöses, von Gott offenbartes und von den Rechtsgelehrten interpretiertes Recht widerspricht dieser Annahme zunächst scheinbar grundsätzlich.230 Dennoch wurde die europäische Kodifikationsidee im arabischen Raum übernommen. Diese Übernahme betraf zunächst lediglich all jene Bereiche, in denen das islamische Recht nur wenige oder gar keine Regelungen bereithält, wie beispielsweise das Handels- und Verwaltungsrecht. In diesen Rechtsbereichen wurde islamisches Recht oder Gewohnheitsrecht zumeist durch Kopien europäischer Gesetzestexte ersetzt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist auch das Familien- und Erbrecht arabischer Staaten vom Kodifikationstrend erfasst worden. Im Zuge einer systematischen Aufzeichnung dieses Rechtsgebiets wurden auf vielfältige Weise Reformen umgesetzt. Das islamische Recht sollte so den neuen Regelungserfordernissen einer sich wandelnden Gesellschaft angepasst werden. Bei der Kodifikation des islamischen Familien- und Erbrechts kam dem innerarabischen Rechtstransfer eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund der hohen Regelungsdichte dieses Rechtsgebietes in den Primärquellen und des identitätsstiftenden Charakters des islamischen Familien- und Erbrechts erschien eine bloße Rezeption des europäischen Rechts nicht wünschenswert und nicht praktikabel. Inzwischen ist der Einfluss europäischer Rechtssystematik auch auf das muslimische Personalstatut nicht zu verkennen. Diese Rechtssystematik beeinflusste jedoch vorrangig die formelle Erfassung des Personalstatuts in Form eines Gesetzbuchs. Für die
Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 46; Marokko: Gesetz Nr. 70.03 über das Familiengesetzbuch [Mudawwanat al-usra] v. 3.2.2004/12.12.1424, GBl. Nr. 5184 v. 5.2.2004/ 14.12.1424, 421–452, in Kraft getreten durch Königliche Einführungsverordnung Nr. 1.04.22 zu Gesetz Nr. 70.03 über das Familiengesetzbuch [Ẓahīr šarīf bi-tanfīḏ alqānūn bi-maṯābat mudawwanat al-usra] v. 3.2.2004/12.12.1424, GBl. Nr. 5184 v. 5.2.2004/14.12.1424, 418–421; siehe auch Ebert, Orient 46.4(2005), 609–631. 230 Vgl. Peters, in Roberson, Islamic reformation, 87 f. 229
C. Zwischenergebnis
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Entwicklung materieller familienrechtlicher Normen ist das islamische Recht hingegen vorrangiger Bezugspunkt. Das islamische Recht und insbesondere das Familien- und Erbrecht haben eine lange Tradition als Monopol der islamischen Rechtsgelehrten, der ᶜulamāᵓ. Deshalb und aufgrund der engen Verknüpfung dieses Rechtsbereichs mit gesellschaftlichen Veränderungen führen Reformen des Familienrechts oftmals zu einem Kräftemessen zwischen liberalen und konservativen Teilen der Gesellschaft sowie zwischen politischen Herrschern und religiösem Establishment. Diese Prozesse sind charakteristisch für die Reformbemühungen auf dem Gebiet des Familienrechts in der gesamten islamischen Welt. Für Bahrain, Katar und die VAE sollen die Debatten im Rahmen des Kodifikationsprozesses im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit dargestellt werden. Zuvor soll jedoch der rechtshistorische und rechtspolitische Hintergrund, vor dem die neuen Familienrechtskodifikationen in den drei arabischen Golfstaaten zu verstehen sind, genauer beleuchtet werden.
Kapitel 2
Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext “In terms of both pace and depth, the economic and social changes that have been brought by the discovery and exportation of oil in the Gulf Arab states are unparalleled in the modern history of any other region in the world.” Abdelkarim, Oil, in Abdelkarim, Change and development, 25.
A. Entwicklung der politischen Systeme in den Golfstaaten I.
Die Golfscheichtümer als britische Protektorate
1. Frühe Geschichte der Golfscheichtümer In der frühislamischen Geschichte nahmen die heutigen Golfstaaten Bahrain, Katar und die VAE mit ihrer Nähe zu den Geburtsstätten des Islams, den Städten Mekka und Medina, sowie zur Hauptstadt des AbbasidenKalifats, dem heutigen Bagdad, zumindest geographisch eine zentrale Position ein. Gleichwohl handelte es sich bis in das 19. Jahrhundert hinein um dünn besiedelte Scheichtümer, deren genaue Grenzen unbestimmt und den wiederkehrenden Machtkämpfen lokaler Herrscherfamilien sowie der Einflussnahme ausländischer Mächte ausgesetzt waren.231 Die Küsten entlang des Persischen Golfs machten die Golfregion für den internationalen Seehandel interessant und boten der Bevölkerung gleichzeitig ihre Haupteinnahmequelle: Perlenfischerei und -handel. Vor allem die Straße von Hormus, als wichtige Schifffahrtsstraße auf dem Handelsweg von Europa nach Indien, war für europäische Seemächte wie Portugal, die Niederlande und Großbritannien von strategischem Interesse. Neben Machtkämpfen unter den einzelnen Seemächten wurde die Piraterie entlang der Küsten des Persischen Golfs daher zu einem der schwerwiegendsten Probleme in der Golfregion, zunächst für die Portugiesen und ab dem 17. Jahrhundert für Großbritannien.232 Piraterie ging vornehmlich von zwei Emiraten der heutigen VAE, Schardscha und Ra’s al-Chaima, aus. 231 „After the decline of Abbasid power in the late ninth century, the Gulf lay beyond the horizon of major Middle Eastern powers for more than half a millenium“, so Commins, Gulf states, 32; siehe auch Onley, Gulf shaikhdoms, 1 ff. 232 Sadik/Snavely, Bahrain, Qatar, UAE, 3 f.; Khuri, Tribe and state, 16 ff.
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Mit der Intensivierung des britischen Seehandels im Persischen Golf nahm sie deutlich zu. Dies lief vor allem den Handelsinteressen der OstindienKompanie zuwider.233 Für Großbritannien lag die Lösung des Piraterieproblems daher in einer Reihe von Schutz- und Handelsverträgen, welche sie zwischen 1820 und 1916 mit den jeweils regional dominierenden Stämmen und Herrschern abschlossen und welche die politische Entwicklung der gesamten Golfregion nachhaltig beeinflussen sollten.234 Der Kontext der britischen Präsenz in der Golfregion ist deutlich von der kolonialen Einflussnahme Großbritanniens und Frankreichs in anderen Teilen des Nahen Ostens und Nordafrikas zu unterscheiden. Die Schutzund Handelsverträge zwischen Großbritannien und lokalen Scheichen kamen vielmehr in beidseitigem Interesse zustande.235 Die Herrscher der kleinen Scheichtümer am Persischen Golf waren sich ihrer Hilflosigkeit gegenüber der Einflussnahme stärkerer Regionalmächte, wie dem Osmanischen Reich, Iran und dem Stamm der Al Saud (Āl Saᶜūd), der Herrscherfamilie des heutigen Saudi-Arabiens, bewusst.236 Vor allem Bahrain sah sich den ständigen Hoheitsansprüchen des Irans ausgesetzt, der die Insel u. a. im 17. und 18. Jahrhundert beherrschte.237 Gleichzeitig boten die britischen Schutzverträge der Bevölkerung der Golfregion eine wirtschaftliche Sicherheit.238 Großbritannien stand dem Schutzbedürfnis lokaler Scheiche und einflussreicher Familien dabei zunächst skeptisch gegenüber. Obgleich die eigenen Handelswege geschützt werden sollten, befürchtete Großbritannien die hohen Kosten einer solchen Mission und die Einbeziehung in die innenpolitischen Konflikte der Region. Eine Befürchtung Großbritanniens war, dass durch den vertraglich zugesicherten Schutz lokale Machtstrukturen gefestigt und die Abhängigkeit der Scheiche von ihrer Bevölkerung Commins, Gulf states, 73 f.; Onley, Gulf shaikhdoms, 4. Scholz, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 102 f.; die ersten Schutzverträge zwischen Großbritannien und den in dieser Arbeit zu betrachtenden Staaten stammen aus den Jahren 1820/1835 (VAE), 1861 (Bahrain) und 1868/1916 (Katar), vgl. Al Baharna, British jurisdiction, 2 f.; Onley, a. a. O., 1, 6 ff.; das Interesse Großbritanniens an Katar war aufgrund der vergleichsweise schwachen wirtschaftlichen Bedeutung zunächst gering, hierzu Al Baharna, in Pridham, Arab Gulf, 18; Balfour-Paul, in Netton, FS Shaban, 161. 235 Al Baharna, British jurisdiction, 9. 236 Onley, Gulf shaikhdoms, 2; Smyth, in Metz, Persian Gulf states, 26 ff. 237 Metz, in Metz, Persian Gulf states, xxiii. 238 So bestimmte beispielsweise der Vertrag zwischen Großbritannien und einigen einflussreichen Familien in der Mehrheit der heutigen VAE von 1835 eine maritime Waffenruhe von Mai bis Oktober, der Hauptsaison für Perlenfischerei. Aus diesem Vertrag leitete sich auch die für die VAE bis zur Unabhängigkeit von 1971 gängige Bezeichnung als „Piraten-“ oder „Waffenstillstandsküste“ (engl. Trucial States) her, hierzu L. Anderson, Political Science Quarterly 106.1(1991), 5; Onley, Gulf shaikhdoms, 6 f. 233 234
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verringert werden würde. Britische Erfahrungen aus Indien zeigten, dass dies wiederum zu sozialen Unruhen und Aufständen innerhalb der Bevölkerung führen könnte.239 Letztendlich hatte die Präsenz Großbritanniens als Schutzmacht in den Scheichtümern der Golfregion jedoch genau diesen Effekt. Durch die Wahl ihrer jeweiligen Vertragspartner trug Großbritannien nicht unerheblich dazu bei, das Machtmonopol jener Scheiche zu verfestigen, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gerade dominierten.240 Zu Beginn britischer Präsenz waren die einzelnen Herrscherfamilien „no more than primus inter pares“;241 erst durch die britischen Schutzverträge entstanden dynastische Machtstrukturen in der Golfregion.242 Wissentlich oder unwissentlich trug Großbritanniens Politik ebenfalls zur politischen Fragmentierung in der Golfregion bei, indem kleine, lokale Scheichtümer als De-facto-Einheiten anerkannt wurden.243 Die Ausweitung der ursprünglichen Schutzverträge und der Abschluss neuer Verträge zwischen Großbritannien244 und den Golfscheichtümern erweiterten den britischen Einfluss in der Golfregion, so dass die heutigen Golfstaaten ab 1880 sukzessive britische Protektorate wurden. Dies bedeutete u. a., dass sie ihre auswärtigen Angelegenheiten der britischen Krone übertrugen und Großbritannien als ihren exklusiven Handelspartner akzeptierten.245 Mit Blick auf die inneren Angelegenheiten der Scheichtümer genossen die Herrscher jedoch weitreichende Unabhängigkeit.246 2. Lokale Herrschaftskonzepte in den Golfscheichtümern Obgleich der Herrschaftsanspruch einzelner Familien erst durch die britischen Verträge abschließend bestätigt wurde, verfügten die Herrscher der Golfscheichtümer über eine weitreichende Legitimation und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung. Diese setzt sich in den Golfstaaten aus BeOnley, a. a. O., 5. Balfour-Paul, in Netton, FS Shaban, 157, für Katar siehe außerdem Fromherz, Qatar, 50 ff. 241 So L. Anderson, Political Science Quarterly 106.1(1991), 9. 242 Ebd.; die damaligen Vertragspartner Großbritanniens stellen bis heute weiterhin ausnahmslos die Herrscherfamilien in den Golfstaaten, u. a. die Dynastie der Khalifa (Āl Ḫalīfa) in Bahrain, der Thani (Āl Ṯānī) in Katar, der Nahyan (Āl Nahyān) in Abu Dhabi und der Maktum (Āl Maktūm) in Dubai. 243 Balfour-Paul, in Netton, FS Shaban, 157, 164. 244 Die Schutz- und Handelsverträge kamen bis 1858 zwischen der Ostindien-Kompanie als Vertreter Großbritanniens und den Herrschern der Golfstaaten zustande, ab 1858 wurde die Regierung Britisch-Indiens Vertragspartner, nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 wurden die Verträge direkt zwischen der britischen Krone und den Herrschern der Golfscheichtümer geschlossen, hierzu Al Baharna, British jurisdiction, 4. 245 Al Baharna, in Pridham, Arab Gulf, 28 f; Onley, Gulf shaikhdoms, 10 f. 246 Ballantyne, Commercial law, 14. 239 240
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duinen (badw) und sesshaften Stämmen (ḥaḍar) zusammen, die beide tribal organisiert sind.247 Innerhalb solcher tribalen Strukturen avancierten traditionell jene Männer zu Führungspersönlichkeiten, die über charismatische Autorität (baraka) verfügten, interne Streitigkeiten erfolgreich schlichteten, zwischen einzelnen Clans vermittelten und sich auf diese Weise den Respekt der Stammesältesten und der Gemeinschaft verdienten.248 Die Herrscher der Golfscheichtümer erfüllten eben jene Anforderungen. Aus ihrer Position als charismatische Führer leiteten die Scheiche der Golfregion ihren Führungsanspruch ab. Das politische System definierende Verfassungen gab es nicht. Gleichwohl gab es traditionelle Formen der politischen und gesellschaftlichen Partizipation. Teilhabe fand in erster Linie über Versammlungen (Sing. mağlis) statt, zu denen der jeweilige Scheich oder seine Vertreter einluden. Derartige Sitzungen boten den Bürgern die Möglichkeit, Probleme und Anregungen an den Herrscher heranzutragen, und dienten zur Entscheidungsfindung in den inneren Angelegenheiten der Scheichtümer, welche weiterhin in die Zuständigkeit der lokalen Herrscher und nicht der Briten fielen.249 3. Die Entdeckung der Erdölressourcen Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts lag der Fokus der britischen Interessen in der Golfregion vornehmlich auf der Sicherung der Handels- und Kommunikationswege zwischen Britisch-Indien und Großbritannien. Dabei sollte die Unabhängigkeit der Golfscheichtümer gewahrt werden, sofern ihre Herrscher imstande waren, politische Stabilität zu gewährleisten und ein Ordnungssystem zu errichten, das den Anforderungen der lokalen Bevölkerung gerecht wurde.250 Die Entdeckung der Erdölvorkommen in der Golfregion änderte diese Situation radikal. Ohne sie wäre der rasante wirtschaftliche Aufstieg der Golfstaaten im 20. Jahrhundert nicht möglich gewesen.251 Die Erfindung der Zuchtperlen in Japan in den 1930er Jahren hatte der schwachen Wirtschaft der Golfregion einen enormen Schaden zugefügt.252 Die ersten Erdölvorkommen der Golfregion wurden 1932 in Bahrain entdeckt.253 Der Förderbeginn in Katar 1949 machte auch das zuvor eher außerhalb des britischen Fokus liegende Scheichtum für Großbri-
247 Abdelkarim, Overview, in Abdelkarim, Change and development, 8; Saif, in Ehteshami/Wright, Reform, 105. 248 Davidson, United Arab Emirates, 71. 249 Khuri, Tribe and state, 35 f.; Davidson, United Arab Emirates, 68. 250 Onley, Gulf shaikhdoms, 11, 15. 251 Commins, Gulf states, 142; Scholz, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 106. 252 Foley, Arab Gulf states, 19 f. 253 Smyth, in Metz, Persian Gulf states, 29.
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tannien interessant. Im erdölreichsten Emirat der heutigen VAE, Abu Dhabi, begann die Förderung 1962, in Dubai 1969.254 Mit der Entdeckung der Erdölressourcen wandelte sich auch das britische Interesse an der Golfregion; fortan lag der Fokus vorrangig auf der Sicherung der britischen Vormachtstellung, um die Versorgung Großbritanniens mit Erdöl sowie die wirtschaftliche Beteiligung an dessen Förderung zu gewährleisten. Aus diesem Grund entschied sich Großbritannien, auch nach der Unabhängigkeit ihrer Kolonie Indien in der Golfregion zu bleiben.255 Die Erdölförderkonzessionen, die sich US-amerikanische und vor allem britische Unternehmen frühzeitig gesichert hatten, und der wachsende Bedarf an Arbeitern in der Erdölindustrie führten zu einem verstärkten Zuzug von Ausländern in die zuvor nur dünn besiedelten Golfscheichtümer. Die 1940er bis 1960er Jahre markieren die erste Phase der für die Golfstaaten charakteristischen Arbeitsmigration.256 4. Die Golfscheichtümer auf dem Weg zur Unabhängigkeit Die Mehrheit der Arbeitsmigranten der ersten Phase waren arabische Ausländer.257 Aus diesem Grund hatte die politische Entwicklung des Nahen Ostens und Nordafrikas in den 1950er Jahren auch direkte Auswirkungen auf die Golfregion. Die 1950er und 1960er Jahre waren „Jahre des dramatischen Umbruchs“258 in der arabischen Welt. Nach dem Irak 1932 und Ägypten 1936 erlangte die Mehrheit der arabischen Staaten nach Ende des Zweiten Weltkrieges ihre Unabhängigkeit von den Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich.259 In den Folgejahren brachten Militärputsche die Monarchien in Ägypten (1952), Irak (1958), Jemen (1962) und Libyen (1969) zu Fall. Diese Monarchien waren allesamt unter dem Einfluss britischer Kolonialherrschaft entstanden, es mangelte ihnen nach Abzug Großbritanniens mithin an dem für einen Machterhalt notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung.260 Die von Ägypten nach dem Putsch der „Freien Offiziere“ und der Wahl Gamal Abdel Nassers (Ğamāl ᶜAbd an-Nāṣir) zum Präsidenten ausgehenden Ideologien des Nationalismus und Panarabismus zielten auf einen Rückzug der Briten aus der gesamten arabischen Welt und einen Sturz der pro-britischen Monarchien in dieser ab. Für die Scheichtümer der Golfregion stellte der, vor allem von ägyptischen Arbeitsmigranten eingeführte 254 255 256 257 258 259 260
Balfour-Paul, in Netton, FS Shaban, 158. Onley, Gulf shaikhdoms, 11. Abdelkarim, Oil, in Abdelkarim, Change and development, 33, 36. Abdelkarim, a. a. O., 36. So Krämer, in Noth/Paul, Islamischer Orient, 472. Ebd. L. Anderson, Political Science Quarterly 106.1(1991), 1, 4.
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und durch die Einflussnahme der ägyptischen Kulturmission geförderte, arabische Nationalismus eine Bedrohung für die Grundpfeiler ihrer politischen Ordnung dar. Sowohl die britische Schutzmacht als auch die Scheiche der Golfregion betrachteten den Einfluss ägyptischer und anderer arabischer Gastarbeiter auf die lokale Bevölkerung daher skeptisch.261 Die anti-monarchischen Entwicklungen in anderen Teilen der arabischen Welt nach Erreichen der Unabhängigkeit begründeten die äußerst skeptische Haltung der Scheiche der Golfregion gegenüber einem Abzug der Briten.262 Hinzu kam das Wissen um die eigene territoriale Verwundbarkeit und militärische Schwäche. Vor allem die Herrscherfamilie Bahrains fürchtete die gewaltsame Durchsetzung der Herrschaftsansprüche Irans, welches Bahrain weiterhin als 14. Provinz des Irans betrachtete.263 Erst die Erklärung des iranischen Schahs, keine territorialen Ansprüche auf Bahrain zu erheben, sollte die Mehrheit der Bahrainer einen eigenständigen, unabhängigen Staat wünschen, ebnete den Weg zu einer Unabhängigkeit Bahrains. Eine Anhörung von Vertretern der bahrainischen Öffentlichkeit vor den Vereinten Nationen im Jahre 1970 kam zu eben jenem Ergebnis.264 In Folge dessen wurde Bahrain am 14. August 1971 unabhängig. Katar folgte am 1. September 1971. Beide Staaten hatten sich zuvor gegen den 1968 beschlossenen Zusammenschluss von neun Golfscheichtümern zu einer Föderation entschieden.265 Unter Führung des Herrschers von Abu Dhabi schlossen sich die verbleibenden sieben Scheichtümer am 2. Dezember 1971 daher zu den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammen, wobei Ra’s al-Chaima der Föderation nach einigen Unstimmigkeiten erst am 10. Februar 1972 offiziell beitrat.266 Auch Oman wurde im Jahre 1971 unabhängig und der Plan Großbritanniens, sich aus der Region „östlich von Suez“267 zurückzuziehen, damit abschließend umgesetzt. II. Die unabhängigen Golfstaaten 1. Die staatsrechtlichen Strukturen Bereits ein Jahr vor der Unabhängigkeit Katars verkündete der damalige Herrscher Ahmad b. Ali Al Thani (Aḥmad b. ᶜAlī Āl Ṯānī, 1960–1972) 261 Commins, Gulf states, 164 ff.; Foley, Arab Gulf states, 35 ff.; Onley, Gulf shaikhdoms, 17 f.; für Dubai siehe außerdem Davidson, MES 43.6(2007), 879–892. 262 Onley, a. a. O., 19 f. 263 Al Baharna, Arabian Gulf states, 167 ff.; Parsons, in Netton, FS Shaban, 176 f. 264 Al Baharna, a. a. O., 315 ff.; M. Ebert, Bahrein [sic!], in Baumann/M. Ebert, Verfassungen, 137 f.; Parsons, a. a. O., 184. 265 M. Ebert, VAE, in Baumann/M. Ebert, Verfassungen, 731 f. 266 M. Ebert, a. a. O., 732. 267 So Scholz, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 103.
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eine provisorische Verfassung für einen souveränen und unabhängigen Staat Katar.268 Die VAE verkündeten ihre provisorische Verfassung, die als völkerrechtlicher Vertrag zugleich auch die Bildung einer Föderation von Emiraten bestimmt, einen Tag nach Erreichen der Unabhängigkeit im Dezember 1971.269 Bahrain folgte zwei Jahre später im Dezember 1973.270 Alle drei Verfassungsdokumente orientierten sich am kuwaitischen Vorbild aus dem Jahre 1962.271 In den 2000er Jahren wurden die Verfassungen Bahrains und Katars nach der Unabhängigkeit durch weitreichend reformierte Verfassungen ersetzt. Lediglich die Verfassung der VAE von 1971 ist weiterhin unverändert in Kraft. a) Bahrain Die vergleichsweise späte Verkündung der bahrainischen Verfassung liegt in erster Linie im demokratischen Prozess ihrer Erarbeitung und Annahme begründet. Obgleich alle drei Staaten durch ihre Verfassungen zu Erbmonarchien erklärt wurden,272 in denen dem Herrscher weitreichende exekutive und legislative Kompetenzen zukamen, gab der bahrainische Emir Isa b. Salman Al Khalifa (ᶜĪsā b. Salmān Āl Ḫalīfa, 1961–1999) als Einziger der drei Golfmonarchen der Forderung nach Systemreformen und einer gewählten Volksvertretung nach.273 Der Wunsch nach einer repräsentativen Volksvertretung und der Nachdruck, mit welchem diesem Wunsch in Bahrain immer wieder Ausdruck verliehen wurde, liegen in erster Linie in der konfessionellen Spaltung der 268 Provisorisches Grundgesetz Katars [An-niẓām al-asāsī al-muᵓaqqat li-l-ḥukm fī Qaṭar] v. 2.4.1970/25.1.1389, GBl. Nr. 4 v. 2.4.1970/25.1.1389, 1–8. Das Grundgesetz von 1970 war jedoch auf den ursprünglich avisierten Zusammenschluss von neun Golfscheichtümern zu einer Föderation ausgelegt und wurde am 19.5.1972, einige Monate nach Erreichen der Unabhängigkeit, durch das Geänderte Provisorische Grundgesetz des Staates Katar [An-niẓām al-asāsī al-muᵓaqqat al-muᶜaddal li-l-ḥukm fī Dawlat Qaṭar] v. 19.4.1972/5.3.1392, GBl. Nr. 5 v. 22.4.1972/8.3.1392, 1–9, ersetzt. 269 Provisorische Verfassung der Vereinigten Arabischen Emirate [Ad-dustūr almuᵓaqqat li-l-Imārāt al-ᶜArabīya al-Muttaḥida] v. 18.7.1971/24.5.1391, GBl. Nr. 1 v. 19.12.1971/1.11.1391, 1–39, i. d. F. der Änderungsgesetze Nr. 1/1996 v. 2.12.1996/ 22.7.1417, GBl. Nr. 300 v. 31.12.1996/21.8.1417, 19, und Nr. 1/2009 v. 10.2.2009/ 16.2.1430, GBl. Nr. 493 v. 24.5.2009/29.5.1430, 15–17. 270 Verfassung des Staates Bahrain [Dustūr Dawlat al-Baḥrayn] v. 6.12.1973/ 12.11.1393, GBl. Nr. 1049 v. 6.12.1973/12.11.1393, 4–26. 271 Ballantyne, ALQ 1.3(1985–86), 158. 272 Art. 1 lit. b Verf. Bahrain 1973, Art. 21 Verf. Katar 1972; die Verf. VAE 1971 hingegen enthält keine Angaben zu den staatlichen Strukturen der einzelnen Emirate. Da jedoch keines der sieben Emirate solche Fragen in einer eigenen Verfassung regelte, blieben die auch vor Staatenwerdung bestehenden Erbmonarchien erhalten, hierzu AlSuwaidi, ALQ 8.4(1993), 293; Amin, Legal systems, 393 f. 273 Schmidmayr, in Albrecht/Köhler, Politischer Islam, 187.
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bahrainischen Bevölkerung begründet. Der sunnitischen Herrscherfamilie der Al Khalifa steht in Bahrain eine schiitische Bevölkerungsmehrheit gegenüber, die sich im Vergleich zu ihren sunnitischen Landsleuten benachteiligt und unterrepräsentiert fühlt. Bereits im Jahre 1934 forderten angesehene schiitische Bahrainer den damaligen Scheich Hamad b. Isa Al Khalifa (Ḥamad b. ᶜĪsā Āl Ḫalīfa, 1932–1942) erfolglos auf, eine repräsentative Vertretung aller Bevölkerungsteile in den Stadt- und Erziehungsräten zu gewährleisten.274 Indem Emir Isa b. Salman Al Khalifa diesen Forderungen 1973 endgültig nachgab, wurde Bahrain nach Kuwait zum zweiten Golfstaat mit einem gewählten Parlament. Im Dezember 1972 wurde ein konstituierender Rat mit der Ausarbeitung der bahrainischen Verfassung beauftragt. Bereits im Juni 1972 hatte der Emir die Bildung einer Nationalversammlung (alMağlis al-Waṭanī) angekündigt. Die dreißig frei wählbaren Abgeordneten der Nationalversammlung (vierzehn Kabinettsmitglieder wurden von Amts wegen auch Mitglieder der Nationalversammlung) wurden in den ersten, und bis zum Jahre 2002 vorerst letzten, freien Wahlen Bahrains bestimmt. Wahlberechtigt waren nur einheimische Männer, die das zwanzigste Lebensjahr vollendet hatten. Politische Parteien waren nicht zugelassen.275 Die vom konstituierenden Rat erarbeitete und vom Emir ratifizierte Verfassung wurde im Dezember 1973 von der Nationalversammlung angenommen. b) Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate Anders als in Kuwait und Bahrain errichteten die Verfassungen von Katar und den VAE keine frei gewählten Parlamente. In beiden Staaten wurde die Arbeit von Herrschern und Ministerräten zunächst nur durch beratende Versammlungen unterstützt. Gemäß der Verfassung von 1972 oblag dem Konsultativrat in Katar (Mağlis aš-Šūrā) u. a. die Aufgabe, vom Ministerrat (Mağlis al-Wuzarāᵓ) erarbeitete Gesetzesentwürfe vor deren Bestätigung und Verkündung durch den Emir zu erörtern.276 Eine umfangreiche legislative Kompetenz sah die Verfassung für den Konsultativrat hingegen nicht vor. Auch dem Ministerrat kam diese nur in Ansätzen zu, da dieser ebenfalls lediglich Gesetzesentwürfe vorlegen konnte. Somit vereinte der katarische Emir die exekutive und legislative Gewalt in seiner Person.277 Die Verfassung der VAE von 1971 errichtete zunächst einen Obersten Rat der Föderation (al-Mağlis al-Aᶜlā li-l-Ittiḥād), welcher sich aus den Mühlböck, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 43. M. Ebert, Bahrein [sic!], in Baumann/M. Ebert, Verfassungen, 138; Mühlböck, a. a. O., 44. 276 Art. 51 Verf. Katar 1972. 277 Art. 17 f. Verf. Katar 1972; vgl. Ballantyne, ALQ 1.3(1985–86), 159 ff. 274 275
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Herrschern der sieben Emirate zusammensetzt und aus seinem Kreis den Präsidenten sowie Vizepräsidenten der VAE wählt.278 Die Arbeit des Obersten Rates der Föderation wird von einem Ministerrat (Mağlis alWuzarāᵓ al-Ittiḥādī) unterstützt, dessen Mitglieder aufgrund ihrer Befähigung (kafāᵓa) und Erfahrung (ḫibra) aus den Reihen der Bürger der Föderation auszuwählen sind.279 Zum Ablauf dieser Auswahl macht die Verfassung von 1971 keine Angaben. Dem Ministerrat obliegt u. a. die Aufgabe, Gesetzesvorlagen einzubringen.280 Das Pendant zum katarischen Konsultativrat in der emiratischen Verfassung ist die Nationalversammlung (al-Mağlis al-Waṭanī al-Ittiḥādī). Diese vierzig Mitglieder umfassende Versammlung setzt sich aus Abgeordneten der einzelnen Emirate zusammen, wobei sich die Anzahl der Sitze an der Bevölkerungsgröße des jeweiligen Emirats orientiert. Abu Dhabi und Dubai entsenden mit jeweils acht Sitzen die höchste Zahl an Abgeordneten in die Nationalversammlung.281 Der Ablauf der Auswahl der Abgeordneten in der Nationalversammlung steht jedem einzelnen Emirat frei. Die Verfassung schreibt weder freie Wahlen noch eine Ernennung durch den jeweiligen Herrscher vor.282 In der Mehrheit der sieben Emirate ist jedoch genau letzterer Modus gewählt worden.283 2. Das demokratische Experiment in Bahrain Bahrain war der einzige der drei Golfstaaten, der zu Beginn der 1970er Jahre eine demokratische Teilhabe seiner Bevölkerung durch freie Wahlen ermöglichte. Bahrain war ebenfalls der einzige Staat, dessen Verfassung nach der Unabhängigkeit eine volle Gewaltenteilung vorsah. In Katar und den VAE war die Bevölkerung von der politischen Entscheidungsfindung weitestgehend ausgeschlossen. Das Konzept eines omnipotenten Herrschers mit weitreichenden Kompetenzen, welches in den Golfscheich278 Art. 46, 51 Verf. VAE 1971; i. d. R. stellt das größte Emirat Abu Dhabi den Präsidenten der Föderation; Vizepräsident und zugleich Ministerpräsident ist der Herrscher von Dubai. 279 Art. 56 Verf. VAE 1971. 280 Art. 60 Nr. 2 Verf. VAE 1971. 281 Art. 68 Verf. VAE 1971. 282 Art. 69 Verf. VAE 1971. 283 Heard-Bey, MEJ 59.3(2005), 368 f.; seit 2006 werden zwanzig der insgesamt vierzig Sitze durch Wahlen ermittelt, wobei lediglich eine begrenzte Anzahl der Staatsbürger wahlberechtigt ist (die Anzahl der Wahlberechtigten wurde von 6.595 im Jahre 2006 auf 129.274 im Jahre 2011 erhöht). Die Mitglieder dieses Wahlausschusses werden durch die Herrscher der sieben Emirate bestimmt. Durchgeführt werden diese Wahlen von der 2006 gegründeten Nationalen Wahlkommission der VAE (al-Lağna al-Waṭanīya li-l-Intiḫābāt]: (arab.), (engl.), letzter Zugriff: 3.2.2014.
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tümern vor der Staatenwerdung dominierte, fand in den Verfassungen Katars und der VAE seine staatsrechtliche Verankerung. Dabei blieb der Grad an politischer Partizipation in Teilen sogar hinter den traditionellen Formen, wie den bereits angesprochenen öffentlichen Versammlungen der einzelnen Herrscher zurück. Das „demokratische Experiment“284 in Bahrain war jedoch nur von kurzer Dauer. Als sich die deutliche Mehrheit der Abgeordneten der Nationalversammlung im Jahre 1975 gegen die vom Emir eingebrachte Staatssicherheitsgesetzgebung aussprach, entschied sich Isa b. Salman Al Khalifa auf Wunsch des Ministerrates, das Parlament aufzulösen und fortan per Notverordnung zu regieren.285 Die facettenreichen Gruppierungen innerhalb des bahrainischen Parlamentes, die von Vertretern des Marxismus über Gewerkschaftler, Frauenrechtler bis zu konfessionsgebundenen schiitischen Interessenverbänden reichten, verloren ihren Einfluss zugunsten des sunnitisch dominierten Ministerrates.286 Obgleich die Verfassung bei Auflösung des Parlamentes binnen zwei Monaten Neuwahlen vorsah,287 regierte Emir Isa b. Salman Al Khalifa bis zu seinem Tode im Jahre 1999 als Alleinherrscher per Notstandsverordnung. Erst im Jahre 2002 kam es unter Thronfolger Hamad b. Isa Al Khalifa (Ḥamad b. ᶜĪsā Āl Ḫalīfa), dessen Reformbemühungen im Folgenden noch genauer betrachtet werden, zu erneuten Parlamentswahlen in Bahrain. Die zumeist konfessionell gemischten Gruppierungen, die im ersten bahrainischen Parlament bis 1975 vertreten waren, wurden nach dessen Auflösung vor allem durch schiitische Islamisten als stärkste Oppositionskraft ersetzt.288 Durch die eindeutig konfessionell beeinflusste Vorgehensweise des Emirs bei Auflösung der Nationalversammlung wurden auch die Spannungen zwischen schiitischer und sunnitischer Bevölkerung, deren Differenzen seit den 1960er Jahren in den Hintergrund getreten waren, erneut entfacht.289 Nach einem erfolglosen Putschversuch gegen das Herrscherhaus der Khalifa im Jahre 1981 und einem vereitelten Mordkomplott gegen Emir Isa b. Salman Al Khalifa im Jahre 1987 verschärfte sich die Vorgehensweise des sunnitischen Herrschers gegenüber schiitischen Bahrainern. In beiden Fällen zählten schiitische Islamisten zu den Hauptverdächtigen.290 Ein Sicherheitspakt mit Saudi-Arabien, das seiner schiitischen Bevölkerung im ölreichen Osten ebenfalls äußerst kritisch gegenübersteht, 284 285 286 287 288 289 290
So M. Ebert, Bahrein [sic!], in Baumann/M. Ebert, Verfassungen, 142. M. Ebert, a. a. O., 141 f.; Schmidmayr, in Albrecht/Köhler, Politischer Islam, 187. Foley, Arab Gulf states, 48. Art. 65 Verf. Bahrain 1973. Schmidmayr, in Albrecht/Köhler, Politischer Islam, 187. Schmidmayr, a. a. O., 196 f. Mühlböck, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 45; Schmidmayr, a. a. O., 185.
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und das Verbot der Aufnahme von Schiiten in die nationalen Sicherheitskräfte verhärteten die konfessionelle Spaltung des Landes.291 3. Die Rentierpolitik der Golfstaaten Im Gegensatz zu Bahrain waren die ersten Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit in Katar und den VAE weitestgehend frei von innenpolitischen Spannungen. Die konfessionelle Homogenität beider Bevölkerungen ist einer der Gründe für die Stabilität der zwei Golfstaaten.292 Ein weiterer und ebenso wichtiger Grund ist der in den geradezu beispielhaften Rentierstaaten Katar und VAE umgesetzte „ruling bargain“293 zwischen den Herrscherhäusern und ihren Bevölkerungen. Der durch die Entdeckung der riesigen Erdölressourcen bedingte rasante wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel in der Golfregion ist eine in der modernen Welt nahezu einmalige Entwicklung. Binnen weniger Jahrzehnte wandelten sich die armen und dünn besiedelten Scheichtümer, deren Wirtschaft größtenteils auf Viehzucht und Perlenfischerei basierte, zu den reichsten Staaten der Welt. Die Golfstaaten wurden somit geradezu „in die Moderne katapultiert“.294 Die staatlichen Erdöleinnahmen haben es den Herrschern von Bahrain, Katar und den VAE ermöglicht, zumindest vordergründig moderne Staaten mit hochentwickelten Infrastrukturen und weitreichenden Sozialleistungen für ihre Bürger zu schaffen.295 Diese Entwicklung hat aus den Golfstaaten sogenannte Rentierstaaten gemacht. Die Theorie vom Rentierstaat besagt, dass die hohen Renteneinkünfte aus Ressourcen in erster Linie dem Staat zufließen und diesen mithin in eine Position versetzen, in der er von der eigenen Bevölkerung weitestgehend unabhängig wird. Folglich „[finanziert also] nicht die Gesellschaft den Staat, sondern der Staat alimentiert seine Gesellschaft“.296 Die Renteneinnahmen ermöglichen es dem Staat ferner, seine Macht auf mehreren Wegen gleichzeitig zu sichern. Zum einen stehen ausreichende finanzielle Mittel zur Unterhaltung eines staatlichen Sicherheits- und Kontrollapparates zur Verfügung, mithilfe dessen die politische Opposition kontrolliert und bekämpft werden kann. Zum anderen ist der Staat imstande, soziale Gruppen zu protegieren und zu kooptieren, so dass sie ihre Autonomie verlieren und nicht in gleichem Maße als Interessenvertretungen dem Staat gegenüber auftreten können. Darüber hinaus kann der Staat durch soziale
291 292 293 294 295 296
Gengler, Journal of Arabian Studies 3.1(2013), 69; Mühlböck, a. a. O., 45 f. Vgl. Kamrava, MEJ 63.3(2009), 404. So Davidson, United Arab Emirates, 65. So Scholz, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 107. Abdelkarim, Oil, in Abdelkarim, Change and development, 25; Scholz, a. a. O., 101. So Schlumberger, Autoritarismus, 118.
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Transferleistungen einen hohen Grad an Legitimität in der Bevölkerung gewinnen und diese überdies von seiner Gunst abhängig machen.297 Sowohl Ökonomen als auch Politikwissenschaftler haben seit den 1970er Jahren einen Zusammenhang zwischen derartigem Ressourcenreichtum und dem Demokratiedefizit in eben jenen Staaten ausgemacht. Die Theorie vom Rentierstaat ist inzwischen zu einem überzeugenden Erklärungsmuster für die Beständigkeit autoritärer Regime und den Mangel an politischer Partizipation in ressourcenreichen Staaten geworden.298 Neben Kuwait werden vor allem Katar und Abu Dhabi als Paradebeispiele für Rentierstaaten angeführt.299 Dabei wirkt sich der Erdölreichtum Abu Dhabis aufgrund des vom ersten Präsidenten der VAE, Scheich Zayed b. Sultan Al Nahyan (Zāyid b. Sulṭān Āl Nahyān, 1918–2004), initiierten Finanzausgleiches positiv auf die wirtschaftliche Stärke aller sieben Emirate aus.300 Obgleich die Erdöleinnahmen Bahrains vergleichsweise gering ausfallen,301 verfolgt auch das Herrscherhaus der Khalifa eine Rentierpolitik, von der jedoch nicht alle Bevölkerungsteile in gleichem Maße profitieren. In weiten Teilen nutzen alle drei Staaten die zuvor erwähnten staatlichen Mittel zur Machterhaltung. Umfangreiche Transferleistungen,302 wie kostenlose Wasser- und Stromversorgung, unentgeltliche Gesundheitsversorgung für Staatsbürger und teilweise sogar für sich im Land aufhaltende Ausländer,303 die Vergabe von kostenlosem Wohnraum, Grundstücken und zinsgünstigen Krediten304 sowie Steuerfreiheit, haben der Bevölkerung der Golfregion seit den 1960er und 1970er Jahren einen Lebensstandard ermöglicht, der für vorherige Generationen undenkbar gewesen wäre. Die rasant steigenden Erdölpreise in den 1970er Jahren ermöglichten eine der-
297
54 ff.
Schlumberger, a. a. O., 119 f.; Abdulla, in Abdelkarim, Change and development,
298 Mahdavy formulierte mit Blick auf den ölreichen Iran erstmals die Theorie vom Rentierstaat, Mahdavy, in M. Cook, Economic History, 428–467. Beblawi und Luciani entwickelten die Rentierstaatstheorie weiter und berücksichtigten dabei auch arabische Staaten, Beblawi/Luciani, Rentier State. Der Zusammenhang zwischen Ressourcenreichtum und autoritärer Herrschaft ist unter Einbeziehung der Rentierstaatstheorie ebenfalls von Ross überzeugend nachgewiesen worden, Ross, World Politics 53.3(2001), 325–361; siehe außerdem Basedau/Lacher, GIGA Working Papers 21(April 2006). 299 Davidson, United Arab Emirates, 88. 300 Heard-Bey, MEJ 59.3(2005), 364. 301 Scholz, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 105 f. 302 Al-Nasr, Journal of International Women’s Studies 12.3(2011), 48; Davidson, United Arab Emirates, 89 f.; Lawson, in Alsharekh, Gulf family, 128 f. 303 Scholz, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 115 f. 304 Dresch, in Dresch/Piscatori, Monarchies & nations, 139; Kamrava, MEJ 63.3 (2009), 406.
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artige Umverteilung des Reichtums der Golfstaaten.305 Zwar profitieren auch die zahlreichen ausländischen Gastarbeiter von diesem „rentier network“306, die Mehrheit der staatlichen Zuwendungen ist jedoch bewusst den eigenen Staatsbürgern vorbehalten. Die Staatsangehörigkeitsgesetze der drei Staaten garantieren dabei, dass der Kreis der Empfänger von Transferleistungen strikt begrenzt ist.307 Auf diesem Weg sichern sich die Herrscher aller drei Staaten die Loyalität weiter Teile ihrer einheimischen Bevölkerungen, die ebenso wie die Herrscherfamilien ein großes Interesse an der Erhaltung des politischen Status quo haben. Die umfangreichen Transferleistungen dienen dazu, die Bevölkerung Bahrains, Katars und der VAE von politischem Engagement abzuhalten.308 Die Rentierpolitik ermöglicht es den Herrschern der drei Golfstaaten außerdem, ihre Macht nicht allein auf tribale Allianzen zu stützen. Obgleich Stammeszugehörigkeiten in der Golfregion auch weiterhin von zentraler Bedeutung sind und strategische Allianzen zwischen einflussreichen Familien eine wirksame Methode zur Sicherung von Herrschaft darstellen, steht den ölreichen arabischen Golfstaaten mit ihrer Rentierpolitik ein weiteres probates Mittel zur politischen Stabilisierung zur Verfügung.309
Zwischen 1972 und 1980 stieg der Preis für ein Barrel Rohöl von $ 3 auf $ 35. Ähnlich rasant stiegen auch die Staatseinnahmen. So wuchsen diese beispielsweise zwischen 1978 und 1980 in Katar um 40 % und in den VAE um 41 %, siehe hierzu Foley, Arab Gulf states, 88. 306 So Davidson, United Arab Emirates, 90. 307 Vgl. Crystal, Oil and politics, 10; für die Einzelregelungen über die Vergabe der Staatsangehörigkeit in Bahrain, Katar und den VAE siehe Kapitel 4 B.III.3.a). 308 Saif, in Ehteshami/Wright, Reform, 115. 309 Vgl. Hasso, Consuming desires, 49, 57. Als Alternative zu tribalen Allianzen hat die Rentierpolitik der drei arabischen Golfstaaten auch Auswirkungen auf den politischen Reformwillen im Bereich des Familien- und Erbrechts. In ihrer Untersuchung der maghrebinischen Kodifikationsprozesse im Familienrecht seit der Unabhängigkeit Algeriens, Marokkos und Tunesiens zur Mitte des 20. Jahrhunderts, setzt Charrad den Reformwillen der einzelnen Maghrebstaaten in direkte Relation zu ihrer Autonomie von Stammesverbänden bei der Machtkonsolidierung. Nach Charrad konnte die tunesische Regierung zur Mitte der 1950er Jahre vor allem deshalb weitreichende Reformen auf dem Gebiet des Familienrechts durchsetzen, weil Tunesiens damaliger Ministerpräsident und späterer Präsident Habib Bourguiba (1903–2000) seine politische Macht ohne Rückgriff auf tribale Allianzen etablierte. Demgegenüber war das marokkanische Königshaus bei Erreichen der Unabhängigkeit von Frankreich auf die Loyalität einflussreicher Stämme im Land angewiesen. Im Gegenzug kodifizierte es ein konservatives Familienrecht, das vor allem patriarchalischen und patrilinealen Familienverbänden Rechnung trug, Charrad, States & women’s rights. Charrads Argumente lassen sich – vor allem aufgrund der Rentierpolitik als alternatives Mittel zur Machterhaltung – nicht ohne weiteres auf die Golfstaaten übertragen. 305
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In ihrer Reinform existierte die Rentierpolitik in den Golfstaaten in den 1970er und 1980er Jahren. Dabei entwickelte sich eine festverwurzelte Empfängermentalität in der Bevölkerung der Golfstaaten. Der Wohlfahrtsstaat wurde als selbstverständlich verstanden und finanzielle Einschränkungen waren nach Ansicht der Herrscherfamilien nicht ohne erheblichen Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen.310 Zwischen 1980 und 1986 fielen die Rohölpreise jedoch um 61,4 %.311 Mit Beginn der 1990er Jahre drohte die politische Ordnung der ersten zwei Jahrzehnte, nach Erreichen der Unabhängigkeit mithin zu zerfallen. Die Herrscher der Golfstaaten mussten eine neue Regierungspolitik entwickeln, um ihre Macht zu erhalten.312 III. Politische Öffnung und Reformen 1. Hintergründe und Rahmenbedingungen der Reformprozesse a) Gemeinsamkeiten Neben den fallenden Rohölpreisen erschütterten auch die Sicherheitsdefizite, die den Golfherrschern durch den Ersten Golfkrieg zwischen dem Irak und dem Iran (1980–1988) und dem Zweiten Golfkrieg infolge der Annektierung Kuwaits durch den Irak (1990/91) vor Augen geführt wurden, die politische Ordnung seit den späten 1980er Jahren. Als Reaktion auf die sicherheitspolitische Bedrohung durch die Regionalmächte Irak und Iran war bereits im Jahre 1981 der Golfkooperationsrat gegründet worden.313 Reformprozesse waren ab den späten 1990er Jahren in allen drei Golfstaaten erkennbar. Die Gründe für den Reformwillen der Herrscher von Bahrain, Katar und den VAE unterscheiden sich in Teilen jedoch deutlich voneinander. Gemein ist den Reformen in allen drei Staaten der außenpolitische Faktor. Im Wissen um die eigenen sicherheitspolitischen Defizite sind Bahrain, Katar und die VAE an einem guten Verhältnis zu den militärisch starken Staaten Europas und der USA interessiert. Seit den späten 1990er Jahren versuchen die Herrscher daher verstärkt, die Sympathien dieser Staaten zu gewinnen, indem sie sich als moderne Reformer präsentieren.314 In Bahrain und Katar gingen die Reformen außerdem mit einem Regierungswechsel einher. In Bahrain folgte Hamad b. Isa Al Khalifa sei310 Abdelkarim, Overview, in Abdelkarim, Change and development, 10; Davidson, United Arab Emirates, 97; Foley, Arab Gulf states, 89 f. 311 Foley, a. a. O., 89. 312 Vgl. Siegfried, ILS 7.2(2000), 367 f. 313 Abdelkarim, Overview, in Abdelkarim, Change and development, 3; Richter, GIGA Focus Nahost 5(2011), 1 f. 314 Schmidmayr, in Albrecht/Köhler, Politischer Islam, 183; Quillian, in Ehteshami/ Wright, Reform, 81; für Katar siehe außerdem Saif, in Ehteshami/Wright, Reform, 113.
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nem Vater nach dessen Tod 1999 auf den Thron, in Katar setzte Hamad b. Khalifa Al Thani (Ḥamad b. Ḫalīfa Āl Ṯānī) seinen Vater während eines Auslandsaufenthaltes in einem unblutigen Putsch 1995 ab.315 b) Bahrain In Bahrain war die etablierte politische Ordnung, die in den 1970er und 1980er Jahren von der Rentierpolitik des Herrscherhauses geprägt war, am stärksten bedroht. Der allgemeine Trend einer Islamisierung der Bevölkerungen der Golfstaaten,316 fand in Bahrain seinen Ausdruck auch im Erstarken sunnitischer und schiitischer islamistischer Gruppierungen. Diese nutzten das durch die Auflösung des bahrainischen Parlamentes entstandene Oppositionsvakuum, um an Einfluss zu gewinnen.317 Dabei orientierten sie sich vor allem an den Strategien der (sunnitischen) Muslimbrüder in Ägypten und der (schiitischen) Hisbollah im Libanon, um die Unterstützung der Bevölkerung durch weitreichende soziale Angebote und Hilfsleistungen zu gewinnen.318 Dies war gerade in Bahrain ein erfolgreiches Mittel der Einflussnahme, da die sinkenden Rohölpreise den Inselstaat aufgrund der geringen Fördermengen hart trafen und selbst vor Einbruch der Staatseinnahmen der Erdölreichtum die schiitische Bevölkerungsmehrheit nicht in gleichem Maße erreichte. Während schiitische und sunnitische Oppositionelle bei ihrer Petition an den Emir im Jahre 1992 noch kooperierten und – gleichwohl erfolglos – geschlossen die Wiedereinsetzung der bahrainischen Nationalversammlung forderten, waren die ab 1994 ausbrechenden Unruhen eindeutig schiitisch dominiert.319 Vor allem in den Jahren 1994 und 1995 fanden nahezu täglich Kundgebungen in mehrheitlich schiitischen Stadtteilen und Ortschaften statt. Diese Auseinandersetzungen, die als „bahrainische Intifada“320 bekannt wurden, erreichten mit der Verhaftung und Unter-HausarrestStellung des einflussreichen schiitischen Geistlichen Abdul Amir al-Jamri (ᶜAbd al-Amīr al-Ğamrī) ihren Höhepunkt.321 Wirtschaftliche Benachteili315 Fromherz, Qatar, 84 f.; im Juni 2013 übergab der katarische Emir Hamad b. Khalifa Al Thani die Herrschaft an seinen 33-jährigen Sohn Tamim b. Hamad Al Thani (Tamīm b. Ḥamad Āl Ṯānī), hierzu Scharfenort, GIGA Focus Nahost 7(2013); Stephens, BBC online v. 25.6.2013, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 316 Foley, Arab Gulf states, 56. 317 Schmidmayr, in Albrecht/Köhler, Politischer Islam, 187, 196. 318 Foley, Arab Gulf states, 106. 319 Lawson, in Alsharekh, Gulf family, 136; Mühlböck, in Mühlböck/Beltz, GolfSpiel, 46 f. 320 Für eine detaillierte Darstellung der Hintergründe und des Ablaufs der schiitischen Intifada in Bahrain siehe Meinel, Intifada. 321 Mühlböck, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 47.
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gung der schiitischen Bevölkerung und von Teilen der sunnitischen Arbeiterklasse sowie die mangelnde politische Partizipation müssen als Hintergründe dieses Aufbegehrens gewertet werden, die nach dessen Inthronisierung im Jahre 1999 vom neuen Emir (und späteren König) Hamad b. Isa Al Khalifa angekündigten Reformen als Reaktion hierauf.322 c) Katar In Katar muss neben dem Wunsch nach außenpolitischem Ansehen vor allem die Machtkonsolidierung des neuen Herrschers als innenpolitischer Beweggrund für den Reformkurs angesehen werden. Die Thani-Dynastie war spätestens nach dem Staatsstreich von 1995 zerstritten, wobei einflussreiche Teile der Familie den Herrschaftsanspruch Hamad b. Khalifas nicht anerkennen wollten. Auch die Herrscher der umliegenden Golfstaaten Bahrain, Saudi-Arabien und der VAE blickten skeptisch auf die Machtergreifung des neuen katarischen Staatsoberhauptes. In dieser Situation nutzte Hamad b. Khalifa Al Thani die Ankündigung weitreichender Reformen, um den Mangel an innerfamiliärer Legitimation durch eine breite Unterstützung innerhalb der eigenen Bevölkerung (und westlicher Mächte) auszugleichen.323 d) Vereinigte Arabische Emirate In den VAE war der Druck auf die Regierung am geringsten. Die Machtstrukturen in den VAE sind weitestgehend stabil und werden von der Bevölkerung anerkannt.324 Zaghafte politische Reformen sind dennoch erkennbar, so etwa der Erlass des Änderungsgesetzes zur Verfassung der VAE im Jahre 1996, durch welchen der vorläufige Charakter der Verfassung aufgehoben wurde.325 2. Verfassungsreformen in Bahrain und Katar a) Katar In Katar, dessen Verfassung ebenfalls nur provisorisch erlassen wurde, beschränkte sich der neue Herrscher nicht auf eine bloße Verfassungsänderung wie in den VAE, sondern initiierte im Jahre 1999 den Entwurf Niethammer, in Lust-Okar/Zerhouni, Political participation, 144 f.; Quillian, in Ehteshami/Wright, Reform, 81, 97; ausführlich Gengler, Journal of Arabian Studies 3.1(2013), 53–79. 323 Kamrava, MEJ 63.3(2009), 403, 412, 415. 324 Davidson, United Arab Emirates, 91, 103 ff. 325 Änderungsgesetz zur Verfassung Nr. 1/1996 [Taᶜdīl dustūrī] v. 2.12.1996/ 22.7.1417, GBl. Nr. 300 v. 31.12.1996/21.8.1417, 19. 322
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einer neuen Verfassung, die dauerhaft erlassen werden sollte.326 Im April 2003 wurde der neu erarbeitete Verfassungsentwurf in einem öffentlichen Referendum mit 96 % aller Stimmen angenommen. Im Juni 2005 trat die neue Verfassung in Kraft.327 Unter anderem erweitert das 150 Artikel umfassende Dokument die Abgeordnetenzahl des Konsultativrates auf vierzig Mitglieder und legt erstmals fest, dass dreißig der vierzig Mitglieder in freien Wahlen zu bestimmen seien.328 Ferner wurden die legislativen Kompetenzen des Konsultativrates erweitert. Fortan kann dieser Gesetzesentwürfe einbringen, deren Annahme der Emir nicht ohne weiteres verweigern kann.329 Die ersten Wahlen zum neuen katarischen Konsultativrat sind seit 2005 jedoch bereits dreimal verschoben worden. Nachdem für einige Zeit nicht absehbar war, wann sie stattfinden würden, kündigte Hamad b. Khalifa Al Thani Anfang November 2011 an, die Parlamentswahlen im Jahre 2013 abhalten zu wollen.330 Gemäß der Verfassung gelangen bis zu den Wahlen die Bestimmungen über den Konsultativrat aus der alten Verfassung von 1971 zur Anwendung,331 so dass dessen gegenwärtige Mitglieder auch weiterhin ausschließlich vom Emir bestimmt sind. Die neue Verfassung Katars formuliert erstmals auch umfassende bürgerliche und politische Rechte.332 Neben dem Erlass der neuen katarischen Verfassung führte Hamad b. Khalifa Al Thani eine Reihe weiterer Reformschritte durch, u. a. die Einführung allgemeiner, freier Wahlen auf Kommunalebene, bei denen Frauen das passive und aktive Wahlrecht erhielten, die Schließung des umstrittenen Informationsministeriums und die Einführung größerer Pressefreiheit, die ihren Ausdruck u. a. in der Gründung des arabisch- und englischsprachigen Fernsehsenders „Al Jazeera“ in Katar
326 Königliche Verordnung Nr. 11/1999 über die Gründung einer Kommission zur Vorbereitung der permanenten Verfassung und über die Spezifizierung der Kompetenzen der Kommission [Qarār amīrī bi-taškīl lağnat iᶜdād ad-dustūr wa-taᶜyīn iḫtiṣāṣātihā] v. 12.7.1999/28.3.1420, GBl. Nr. 8 v. 29.8.1999/18.5.1420, 40–43. 327 Permanente Verfassung des Staates Katar [Ad-dustūr ad-dāᵓim li-Dawlat Qaṭar] v. 8.6.2004/20.4.1425, GBl. Nr. 6 v. 8.6.2005/1.3.1426, 3–37. 328 Art. 77 Verf. Katar 2005. 329 Art. 106 Verf. Katar 2005. 330 Baker, TIME Global Spin v. 2.11.2011, , letzter Zugriff: 3.2.2014; kurz vor dem Machtwechsel in Katar im Juni 2013 und der Inthronisierung des neuen Emirs Tamim b. Hamad Al Thani (vgl. Nachweise in Fn. 315) wurden die Parlamentswahlen erneut verschoben, hierzu Scharfenort, GIGA Focus Nahost 7(2013), 3. 331 Art. 150 Verf. Katar 2005. 332 Art. 34–58 Verf. Katar 2005.
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findet sowie die Bildungszusammenarbeit mit internationalen Hochschulen, die in Katars „Education City“ ansässig sind.333 b) Bahrain Der Reformkurs des bahrainischen Herrschers Hamad b. Isa Al Khalifa brachte im Jahre 2002 ebenfalls eine neue Verfassung hervor.334 Um den inneren Spannungen und Unruhen innerhalb der schiitischen Bevölkerung Einhalt zu gebieten, kündigte auch Hamad b. Isa Al Khalifa kurz nach seinem Amtsantritt weitreichende Reformen an. Dabei hob er im Februar 2001 u. a. den Notstand auf und kündigte Wahlen zu einem neuen bahrainischen Parlament an.335 Ein Verfassungsentwurf336 wurde im Februar 2001 vom bahrainischen Volk in einem öffentlichen Referendum mit 98,4 % Zustimmung angenommen.337 Die ein Jahr später in Kraft tretende Verfassung entsprach gleichwohl nicht dem durch Referendum angenommenen Verfassungsentwurf. Dieser sah ein Zwei-Kammern-System vor, in dem der gewählten Kammer (Abgeordnetenhaus, Mağlis an-Nuwwāb) legislative Kompetenz und dem vom Emir ernannten Konsultativrat (Mağlis aš-Šūrā) lediglich eine beratende Funktion zukam. Die neue Verfassung indes beteiligt fortan beide Kammern gleichrangig am Gesetzgebungsprozess.338 Ferner vereint der bahrainische König339 weitreichende exekutive und legislative Kompetenzen, so dass er auch weiterhin befugt ist, die Verfassung eigenmächtig zu ändern.340 Die ersten Parlamentswahlen fanden bereits im Oktober 2002 statt. Um ihrem Ärger über die letztendlich nur geringfügigen Verfassungsänderungen Ausdruck zu verleihen, boykottierten vier mehrheitlich schiitische 333 Mühlböck, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 57 f.; Saif, in Ehteshami/Wright, Reform, 106 ff. 334 Verfassung des Königreiches Bahrain [Dustūr Mamlakat al-Baḥrayn] v. 14.2.2002/2.12.1422, GBl. Nr. 2517 v. 14.2.2002/2.12.1422, 3–32. 335 Lawson, in Alsharekh, Gulf family, 148. 336 Nationaler Aktionsplan [Mīṯāq al-ᶜamal al-waṭanī], in Kraft getreten durch Verordnung Nr. 17/2001 [Amr amīri bi-t-taṣdīq ᶜalā mīṯāq al-ᶜamal al-waṭanī] v. 16.2.2001/22.11.1421, GBl. Nr. 2465 (Suppl./mulḥaq) v. 21.2.2001/27.11.1421, 3–35. 337 Quillian, in Ehteshami/Wright, Reform, 82. 338 Gengler, Journal of Arabian Studies 3.1(2013), 55; Gramsch, in Scholz/Naeem, Jahrbuch Bd. 1, 177. 339 Art. 1 Verf. Bahrain 2002 bezeichnet Bahrain explizit als Königreich („Mamlakat al-Baḥrayn“); zuvor lediglich „Staat Bahrain“ (Dawlat al-Baḥrayn); der Titel des Monarchen änderte sich hierdurch von Emir zu König (malik). Nach der neuen Verfassung ist der König nicht nur Staatsoberhaupt (raᵓs ad-dawla), sondern ebenfalls „treuer Beschützer der Religion und der Nation“ (al-ḥāmī al-amīn li-d-dīn wa-l-waṭan) sowie „Symbol der nationalen Einheit“ (ramz al-waḥda al-waṭanīya), vgl. Art. 33 Nr. 1 Verf. Bahrain 2002. 340 Art. 35 lit. a Verf. Bahrain 2002.
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politische Gruppierungen341 und viele ihrer potentiellen Wähler die ersten Parlamentswahlen. Die geringe Wahlbeteiligung von 53,5 % brachte somit ein sunnitisch dominiertes Parlament (28 von 40 Sitzen) hervor.342 An den folgenden Parlamentswahlen im November 2006 nahmen die schiitischen Gruppierungen hingegen teil, was eine Wahlbeteiligung von 72 % und deutliche Gewinne für die größte schiitische Gruppierung des Landes, alWifāq343 (17 von 40 Sitzen) zur Folge hatte.344 In den dritten Parlamentswahlen im Oktober 2010 erzielte die al-Wifāq mit 18 von 40 Sitzen ein ähnlich gutes Ergebnis.345 Nach dem Wiederaufkommen gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen der schiitischen Bevölkerung und dem bahrainischen Staat seit Februar 2011 und der Ausrufung des Ausnahmezustandes durch die Regierung im März 2011 legten die Abgeordneten der schiitischen al-Wifāq ihre Mandate nieder. Die Neuwahlen der 18 freigewordenen Sitze im bahrainischen Parlament im September 2011 boykottierte die al-Wifāq.346 Eine erneut geringe Wahlbeteiligung und die Etablierung eines regierungsnahen Abgeordnetenhauses waren die Folgen dieser Zwischenwahl.347 3. Grenzen der politischen Öffnung in den Golfstaaten Mit ihrem grundsätzlichen Reformwillen entsprachen die Monarchen Bahrains und Katars dem Trend junger Thronfolger in der arabischen Welt zum Ende der 1990er Jahre. Auch die Monarchen Marokkos, König Muhammad VI., und Jordaniens, König Abdullah II., folgten ihren Vätern im Jahre 1999 mit dem Versprechen auf den Thron, lange überfällige poli-
Politische Parteien sind auch weiterhin nicht offiziell zugelassen. Niethammer, in Lust-Okar/Zerhouni, Political participation, 147 ff.; Quillian, in Ehteshami/Wright, Reform, 84 f. 343 Vollständiger Name „Islamische Vereinigung der nationalen Einheit“ (Ğamᶜīyat al-Wifāq al-Waṭanī al-Islāmīya). 344 Toumi, Gulf News v. 27.11.2006, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 345 Al Jazeera English v. 24.10.2010, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 346 International Crisis Group, Middle East/North Africa Report 105(April 2011); Toumi, Gulf News v. 13.8.2011, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; Al Jazeera English v. 24.9.2011, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 347 Bahrain Youth Society for Human Rights, Report: By-elections in Bahrain (figures and statistics), online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 341 342
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tische und gesellschaftliche Reformen umzusetzen.348 In allen vier Staaten müssen die Reformen gleichwohl – wenn auch in unterschiedlichem Maße – als Reform von oben bewertet werden. Für Bahrain und Katar gilt außerdem, dass – auch wenn erste notwendige Schritte zu mehr Liberalisierung und demokratischen Strukturen eingeleitet wurden – der tatsächliche Grad an politischer und gesellschaftlicher Partizipation von der Gunst des Herrschers abhängig und der Staat auch weiterhin „der stärkste politische Akteur [ist]“.349 In Bahrain, Katar und den VAE sind politische Parteien auch weiterhin nicht zugelassen. Auch die Zivilgesellschaft in allen drei Golfstaaten ist einer starken staatlichen Kontrolle unterworfen. Vor allem in Katar und den VAE sind nichtstaatliche Organisationen kaum zugelassen. Die wenigen existierenden Vereinigungen werden oftmals durch finanzielle Zuwendungen oder die Einbindung in staatliche Dachorganisationen kooptiert und verlieren so deutlich an Unabhängigkeit.350 Eine ähnliche Strategie wird mit Blick auf die ᶜulamāᵓ verfolgt. Der Einfluss islamischer Geistlicher in den Golfstaaten ist durch den Staat erheblich begrenzt.351 In den VAE geht dies soweit, dass nur ausgewählte, etablierte Geistliche ihre eigenen Freitagspredigten verfassen dürfen und die Mehrheit der Prediger auf die vom Ministerium für Justiz und religiöse Angelegenheiten verfassten Texte bzw. genehmigten Themen zurückgreifen muss.352 Ein weiterer Grund für das starke Auftreten der drei Golfstaaten gegenüber ihren Bürgern ist die weitgehende wirtschaftliche Autonomie der Staaten, auch ungeachtet ihrer Einnahmen aus der Erdölförderung. Die Mehrheit der Arbeitskräfte in den Golfstaaten sind Ausländer.353 Die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung ist im öffentlichen Dienst beschäftigt und wird so zusätzlich vom Staat alimentiert. Dies geht soweit, dass der öffentliche Sektor zum Teil als „versteckte Arbeitslosigkeit“354 kritisiert wird. Obgleich die Golfstaaten sich bemühen, mit Blick auf eine Generation gut ausgebildeter Einheimischer den Anteil der Staatsbürger im privaten Sektor zu erhöhen, wird dieser für die Golfregion charakteris-
348 Siehe u. a. Clark/Young, Mediterranean Politics, 13.3(2008), 333–352; Joffé, Jordan in transition; Mattes, Aktionsfeld Religion; Warrick, Law in the Service. 349 So Schmidmayr, in Albrecht/Köhler, Politischer Islam, 201. 350 Davidson, United Arab Emirates, 269 ff. 351 Kamrava, MEJ 63.3(2009), 409 ff. 352 Davidson, United Arab Emirates, 275. 353 In den VAE sind zwischen 80 und 85 % der Gesamtbevölkerung und 93 % der Arbeitskräfte Ausländer, Katar: 85 % / 90 %, Bahrain: 49,4 % / 44 %, siehe hierzu Okruhlik, in Seznec/Kirk, Industrialization, 127. 354 „Disguised unemployment“, so Davidson, United Arab Emirates, 74.
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tische Trend am Arbeitsmarkt und die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften auch in Zukunft andauern.355 4. Zusammenfassung In allen drei Golfstaaten wurde ab den 1990er Jahren die Notwendigkeit politischer Reformen deutlich. In Bahrain und Katar brachten die Reformbemühungen u. a. neue Verfassungsdokumente hervor. Auch die VAE vollzogen zaghafte Schritte hin zu größerer politischer Öffnung. Ungeachtet der sinkenden Einnahmen durch den Export von Erdöl und im Falle Katars inzwischen auch Erdgas, gelingt es den Regierungen aller drei Staaten auch weiterhin, ihre Rentierpolitik aufrechtzuerhalten. Dabei erreichen die staatlichen Transferleistungen große Teile der heterogenen bahrainischen Bevölkerung nicht in vollem Umfang. Dies führte in dem Inselstaat zu innenpolitischen Konflikten mit deutlicher schiitischer Prägung in den 1990er und 2010er Jahren. Durch die anhaltende wirtschaftliche Autonomie der Regierungen der Golfstaaten von der Bevölkerung unterliegen die Zivilgesellschaften in Bahrain, Katar und den VAE strenger staatlicher Kontrolle. Politische Parteien sind in allen drei Golfstaaten weiterhin nicht zugelassen und auch das religiöse Establishment wird von staatlicher Seite kontrolliert. Nichtstaatliche Frauenrechtsorganisationen existieren lediglich in Bahrain. Vor diesem Hintergrund gilt es nun im Besonderen, die politische und gesellschaftliche Stellung der Frau in den Golfstaaten zu beleuchten. IV. Politische und gesellschaftliche Stellung der Frau in den Golfstaaten Die Verfassungen aller drei Golfstaaten bestimmen die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und das Diskriminierungsverbot. Zudem sind sie alle Vertragsparteien der UN-Frauenrechtskonvention.356 Das Diskriminierungsverbot ist in den einzelnen Staaten jedoch unterschiedlich ausgestaltet. Während die Verfassungen Bahrains und Katars eine Diskriminie-
Scholz, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 132, 142. Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (engl. Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, CEDAW), angenommen am 18.12.1979 durch die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 34/180, dt. Fassung abgedruckt in BGBl. II 1985, 648–661; Jahr der Ratifikation: Bahrain 2002, Katar 2009, VAE 2004. Alle drei Staaten haben die UNFrauenrechtskonvention unter Bezugnahme auf islamisches und nationales Recht gleichwohl nur mit weitreichenden Vorbehalten ratifiziert; für eine Übersicht der Vorbehalte siehe , letzter Zugriff: 3.2.2014; hierzu ausführlich Kapitel 3 B.II.3.c). 355 356
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rung auf Grund des Geschlechts explizit verbieten,357 normiert die Verfassung der VAE ein Diskriminierungsverbot lediglich aufgrund von Rasse, Nationalität, religiöser Überzeugung und sozialem Stand, bestimmt jedoch nicht eine umfassende Gleichheit von Mann und Frau.358 Ungeachtet der partiellen De-jure-Gleichberechtigung gemäß der Verfassungen der drei Golfstaaten kann indes nicht von einer De-facto-Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gesprochen werden. Die gesellschaftliche und politische Stellung der Frau in den Golfstaaten soll im Folgenden anhand von drei Kriterien dargestellt werden: 1.) Weibliche Erwerbstätigkeit, 2.) Hochschulausbildung und 3.) Politische Partizipation. Ferner wird auf den gesellschaftlichen Wandel durch den, in allen drei Staaten erkennbaren, Neokonservatismus eingegangen. 1. Weibliche Erwerbstätigkeit Die durch die Perlenfischerei und den Perlenhandel bedingte lange Abwesenheit männlicher Arbeitskräfte führte zu einer aktiven Beteiligung von Frauen am gesellschaftlichen Leben in den Golfstaaten vor dem Aufstieg der Erdölindustrie.359 Die Entdeckung der Erdölressourcen veränderte den Arbeitsmarkt jedoch grundlegend. In den ersten Jahrzehnten nach Beginn der Erdölförderung nahm der Anteil weiblicher inländischer Arbeitnehmer deutlich ab. Zunächst fehlte es der Mehrheit der einheimischen Bürger – männlichen wie weiblichen – an Fachkenntnissen für den neu entstandenen Arbeitsmarkt. Der Zuzug ausländischer Fachkräfte und die Verdrängung einheimischer Arbeitskräfte waren die Folge. Gleichzeitig stieg jedoch auch der Wohlstand der einheimischen Bevölkerung. Die Mehrheit der Familien war nicht mehr auf eine Erwerbstätigkeit der weiblichen Familienmitglieder angewiesen. Der Handlungsspielraum von Frauen beschränkte sich fortan verstärkt auf den privaten, von der männlichen Gesellschaft getrennten Bereich.360 Die Erdölindustrie förderte mithin patriarchalische Gesellschaftsstrukturen.361 Bahrain, Katar und die VAE sind allesamt bestrebt, ihre Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften langfristig zu reduzieren und die Privat357 Art. 5 lit. b, 18 Verf. Bahrain 2002 (Art 5 lit. b bestimmt die Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau durch den Staat im Rahmen der Scharia); Art. 34 f. Verf. Katar 2005. 358 Art. 25 Verf. VAE 1971; Art. 25 normiert die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, beschränkt das Diskriminierungsverbot jedoch nur auf Staatsbürger der VAE. Interessanterweise wird, trotz des Diskriminierungsverbots als offensichtliches Bürgerrecht, eine Ungleichbehandlung aufgrund von Nationalität verboten. 359 Foley, Arab Gulf states, 171 ff. 360 Abdelkarim, Overview, in Abdelkarim, Change and development, 11; Foley, Arab Gulf states, 179, 183; grundsätzlich: El Saadi, in Sonbol, Gulf women, 147–166. 361 Ross, American Political Science Review 102.1(2008), 107, 120.
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wirtschaft zu „nationalisieren“.362 Dieses Bestreben erfordert auch ein grundsätzliches Umdenken mit Blick auf weibliche Erwerbstätigkeit. Ein solcher Wandel auf dem Arbeitsmarkt wird jedoch aufgrund des noch zu thematisierenden Neokonservatismus in der Golfregion nicht in allen Staaten gleichermaßen gefördert.363 Dennoch steigt der Anteil weiblicher Erwerbspersonen. Zwischen 1990 und 2007 erhöhte sich dieser in den VAE um fünf Prozentpunkte auf 15 %. In Bahrain liegt der Anteil erwerbstätiger Frauen am Gesamtarbeitsmarkt inzwischen bei 19 % (gegenüber bereits vergleichsweise hohen 17 % im Jahre 1990). In Katar stieg der Prozentsatz im gleichen Zeitraum von 10 % auf 14 %.364 2. Bildungschancen und fachliche Qualifikation von Frauen Neben einem Wandel in der Wahrnehmung von weiblicher Erwerbstätigkeit in den Golfstaaten ist der Anstieg weiblicher Erwerbstätiger in erster Linie auf den hohen Prozentsatz weiblicher Studenten an den inländischen Universitäten und die steigende fachliche Qualifikation einheimischer Frauen zurückzuführen.365 Die enormen staatlichen Einnahmen aus der Erdölindustrie führten auch zu einem grundlegenden Wandel der Bildungssysteme der Golfstaaten.366 Seit den späten 1970er Jahren wurden in Bahrain, Katar und den VAE vermehrt Bildungseinrichtungen für Schüler beider Geschlechter und erstmals auch nationale Universitäten errichtet. Dies ist besonders beachtlich, bedenkt man, dass beispielsweise in den VAE bis in die 1950er Jahre hinein außer Koranschulen keinerlei Bildungseinrichtungen existierten.367 Inzwischen liegt der Prozentsatz der Analphabetinnen in Katar und den VAE unter dem der Männer,368 und die beiden Staaten haben den weltweit höchsten Anteil weiblicher Studenten im Verhältnis zu männlichen Studenten.369 Die hohe Anzahl von Studentinnen an inländischen Universitäten liegt jedoch auch in ihren vergleichsweise geringen Möglichkeiten begründet, einer Hochschulausbildung im Ausland nachzugehen. Während ein hoher Anteil der männlichen Schulabgänger das auch weiterhin qualitativ hochwertigere Studium im Ausland wählt, bleibt Frauen dieser Weg aufHierzu ausführlich Randeree, Workforce nationalization. Al-Kitbi, in Koch/Stenberg, The EU and the GCC, 97 f.; Peterson, MEJ 43.1 (1989), 41, 47. 364 World Bank, Status and Progress, 80, 91, 95. 365 Al-Kitbi, in Koch/Stenberg, The EU and the GCC, 96; Freedom House, Women’s rights, 8. 366 Fakhro, in Yamani, Feminism and Islam, 260. 367 Ramazani, MEJ 39.2(1985), 272. 368 Fakhro, in Seznec/Kirk, Industrialization, 173. 369 Freedom House, Women’s rights, 9. 362 363
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Kapitel 2 – Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext
grund kultureller und traditioneller Vorbehalte oftmals verwehrt.370 Hinzu kommt, dass der Besuch der Universität eine der wenigen gesellschaftlich akzeptierten Freizeitbeschäftigungen gerade für unverheiratete Frauen ist, weshalb Frauen zum Teil sogar noch parallel zu ihrer Berufstätigkeit einem Aufbaustudium nachgehen.371 Obgleich die Mehrheit der Studentinnen auch weiterhin traditionell „weibliche“ Studienfächer, wie Erziehungs- oder Gesundheitswissenschaften, wählt, werden inzwischen auch die Disziplinen der Natur- und Ingenieurswissenschaften von Frauen belegt.372 So hat sich in allen drei Golfstaaten eine neue Gruppe gut ausgebildeter weiblicher Arbeitskräfte entwickelt, deren Anstellung auch außerhalb des öffentlichen Sektors scheinbar nur noch ein traditionelles Rollenverständnis und Vorbehalte gegenüber weiblicher Berufstätigkeit im Wege stehen. 3. Politische Partizipation von Frauen Eine Beurteilung der politischen Partizipation von Frauen in den Golfstaaten muss immer auch im Lichte der allgemein geringen Möglichkeiten politischer Teilhabe für sämtliche Bürger erfolgen. In allen drei Golfstaaten haben Frauen grundsätzlich das aktive und passive Wahlrecht. Der bereits dargestellte politische Kontext der drei Staaten erlaubt ihnen jedoch nur selten, von diesem Wahlrecht auch Gebrauch zu machen. Auch hier stellt Bahrain erneut eine gewisse Ausnahme dar, da zum einen seit 2002 regelmäßige Parlamentswahlen abgehalten werden, an denen Frauen nicht nur als Wähler aktiv teilnehmen, sondern seit der Zwischenwahl vom September 2011 inzwischen auch vier der insgesamt vierzig Abgeordneten stellen.373 Auch in der Nationalversammlung der VAE sind weibliche Abgeordnete inzwischen vertreten, wobei die deutliche Mehrheit von ihnen ernannt und nicht in freien Wahlen bestimmt wurde.374 Da in Katar die Parlamentswahlen seit 2005 beständig verschoben werden, konnten Frauen Fakhro, Women at work, 42; Foley, Arab Gulf states, 195 f.; Peterson, MEJ 43.1 (1989), 40. 371 Fakhro, in Yamani, Feminism and Islam, 260; Peterson, MEJ 43.1(1989), 45 f. 372 Fakhro, in Seznec/Kirk, Industrialization, 173; Freedom House, Women’s rights, 9. 373 Toumi, Gulf News v. 8.10.2011, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; zuvor gab es lediglich eine weibliche Abgeordnete, die 2006 erstmals und 2010 wiedergewählt wurde, hierzu Freedom House, Women’s rights, 24. 374 Freedom House, Women’s rights, 117; die erste frei gewählte weibliche Abgeordnete zog nach den Wahlen von 2011 in die Nationalversammlung ein, hierzu Makaleh u. a., Gulf News v. 24.9.2011, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 370
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dort bislang lediglich auf kommunaler Ebene von ihrem aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch machen. Politische Partizipation von Frauen findet in den Golfstaaten in erster Linie durch Mitgliedschaft in den staatlichen und wenigen nichtstaatlichen Organisationen statt. Die Möglichkeiten dieser Organisationen und Interessensverbände, Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse zu nehmen, sind aufgrund der autoritären Strukturen der Golfstaaten jedoch äußerst gering.375 In Katar ist als einzige nichtstaatliche Organisation die nationale Rothalbmondgesellschaft zugelassen.376 Darüber hinaus existiert ein Oberster Rat für Familienangelegenheiten (Supreme Council for Family Affairs, SCFA).377 In den VAE haben sich die Frauenrechtsverbände der einzelnen Emirate der bundesstaatlichen Dachorganisation, dem Allgemeinen Frauenverband (General Women’s Union, GWU) angeschlossen.378 Nichtstaatliche Verbände, sofern sie überhaupt zugelassen sind, werden durch großzügige finanzielle Zuwendungen an die emiratische Regierung gebunden. Lediglich in Bahrain existieren unabhängige nichtstaatliche Frauenrechtsorganisationen, unter ihnen der sehr aktive bahrainische Frauenverband (alIttiḥād an-Nisāᵓī al-Baḥraynī, Bahrain Women’s Union, BWU), ein Dachverband mehrerer unabhängiger bahrainischer Frauenrechtsorganisationen. In Bahrain spielten Frauen überdies eine entscheidende Rolle in den politischen Bewegungen der 1950er bis 1970er Jahre sowie der 1990er Jahre. Sowohl an der vom arabischen Nationalismus inspirierten Unabhängigkeitsbewegung in Bahrain Mitte des 20. Jahrhunderts als auch während der bahrainischen Intifada Mitte der 1990er Jahre waren Frauen in gleichem Maße wie Männer aktiv beteiligt.379 Umso größer war die Enttäuschung über die kurze parlamentarische Phase in Bahrain nach Erreichen der Unabhängigkeit und die Erkenntnis, dass die Unterstützung von Frauen in Zeiten des politischen Umbruches zwar erwünscht ist, ihre Belange nach Erreichen des politischen Ziels jedoch wenig Beachtung finden.380 Aufgrund der aktiven Teilnahme am politischen Leben wurde der in der gesamten Region zu beobachtende Islamisierungstrend und Neokonservatismus seit den 1980er Jahren von Frauen in Bahrain am stärksten wahrgenommen.381
375 Devriese, Cultural Dynamics 20.1(2008), 75; Peterson, MEJ 43.1(1989), 38 f.; weiterführend Krause, Gender and participation. 376 Fakhro, in Yamani, Feminism and Islam, 258. 377 Al-Mağlis al-Aᶜlā li-Šuᵓūn al-Usra, , letzter Zugriff: 3.2.2014. 378 Al-Ittiḥād an-Nisāᵓī al-ᶜĀmm, , letzter Zugriff: 3.2.2014; vgl. Devriese, Cultural Dynamics 20.1(2008), 75. 379 Seikaly, in Haddad/Esposito, Islam, gender and social change, 170, 175 f. 380 Seikaly, a. a. O., 176. 381 Fakhro, Women at work, 43 f.; Peterson, MEJ 43.1(1989), 35 ff., 50; Seikaly, IJMES 26.3(1994), 424.
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Kapitel 2 – Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext
4. Neokonservatismus und Islamismus Die Bevölkerung der Golfregion ist aufgrund unterschiedlicher Faktoren, wie z. B. den historischen Wurzeln des Islams in der Region und des geringen Kontaktes mit ausländischen Kulturen, seit jeher religiöser und konservativer als andere Gesellschaften im Nahen und Mittleren Osten.382 Auch war die Golfregion nicht im gleichen Maß vom säkular orientierten arabischen Nationalismus erfasst wie beispielsweise Ägypten, Irak oder Syrien. Gleichwohl waren der in den 1980er Jahren erstarkende Islamisierungstrend und der daraus resultierende gesellschaftliche Wandel auch in den Golfstaaten deutlich spürbar.383 Über die Gründe für die Islamisierung der Golfregion sei an dieser Stelle lediglich angemerkt, dass diese Entwicklung zum einen dem in der islamischen Welt ab den 1970er Jahren grundsätzlich zu beobachtenden Trend einer Re-Islamisierung entspricht und zum anderen auch durch die plötzliche Konfrontation mit ausländischen Kulturen und rasanten Modernisierungsprojekten zusammenhängt. Aufgrund der Homogenität ihrer Bevölkerung und stärkeren tribalen Strukturen sind Katar und die VAE konservativere Gesellschaften als Bahrain.384 Durch den engeren Zusammenschluss der Staaten nach Gründung des Golfkooperationsrates beeinflusste dieser Konservatismus auch die bahrainische Gesellschaft, die aufgrund ihrer Heterogenität als offener und liberaler galt.385 Der Neokonservatismus in der Golfregion fand seit den 1980er Jahren seinen offensichtlichen Ausdruck in einer Rückkehr zu traditioneller Bekleidung von Frauen wie der ᶜabāya und dem Kopftuch. Dies ist jedoch zugleich auch Ausdruck kultureller Identität in einem Umfeld, das von Ausländern dominiert ist. So wählen auch männliche Einheimische zumeist traditionelle Bekleidung, ohne dass die Gesellschaft dies mit Blick auf religiöse Gründe fordert. Schwerwiegender wirkte sich der Neokonservatismus in den Golfstaaten auf den öffentlichen Raum aus, der zumeist von einer Geschlechtertrennung geprägt ist. Sämtliche staatliche Universitäten in den Golfstaaten haben geschlechtergetrennte Campusse.386 Lediglich ausländische Universitäten sind nicht an dieses Gebot gebunden. Im Berufsleben lässt sich eine derart strikte Trennung der Geschlechter indes nicht umsetzen. Dies ist sodann auch Grund für eine grundsätzlich
Seikaly, in Haddad/Esposito, Islam, gender and social change, 178. Ebd. 384 Fakhro, in Yamani, Feminism and Islam, 257 f. 385 Fakhro, Women at work, 43 f., 52 f. 386 In der gesamten Golfregion gilt dies mit Ausnahme der omanischen Sultan-QabusUniversität in der Hauptstadt Maskat. 382 383
B. Entwicklung der Rechtssysteme in den Golfstaaten
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skeptische Haltung gegenüber einer Berufstätigkeit von Frauen, da diese die Interaktion mit dem anderen Geschlecht einschließt. 5. Zusammenfassung Eine aktive gesellschaftliche Teilhabe von Frauen wird in den Golfstaaten grundsätzlich gefördert. Die Bildungschancen von Mädchen und Frauen entsprechen denen von Jungen und Männern, was sich u. a. in den Studierendenzahlen der inländischen Hochschulen ausdrückt. Auch steigen auf diesem Wege die beruflichen Chancen von Frauen, deren Erwerbstätigkeit in erster Linie kulturelle Vorbehalte im Wege stehen.387 Eine politische Partizipation von Frauen in den Golfstaaten ist grundsätzlich möglich und unterliegt aufgrund der autoritären Regierungsformen in weiten Teilen den gleichen Hindernissen wie die von männlichen Bürgern. Insofern entsprechen Bahrain, Katar und die VAE der allgemeinen Tendenz in den Staaten der islamischen Welt, Frauen durchaus gleiche politische Rechte, jedoch nur selten auch gleiche zivile Rechte einzuräumen. Die privatrechtliche Diskriminierung der Frau in den Golfstaaten wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit noch umfassend thematisiert werden.
B. Entwicklung der Rechtssysteme in den Golfstaaten I.
Unkodifiziertes Recht und lokale Schiedsgerichte
1. Quellenlage Die Quellenlage zu den Rechtssystemen in der Golfregion vor Beginn britischer Präsenz ist äußerst spärlich.388 Im Gegensatz zu der osmanischen Levante und zu Ägypten, deren Rechtssysteme und Gerichtswesen vor allem auf der Basis von Gerichtsakten, sogenannten siğillāt, umfangreich erforscht wurden,389 ist über die frühen Rechtssysteme der Golfregion nur wenig bekannt. Die weitreichenden Informationen sowohl über gerichtliFür die VAE vgl. Al-Othman, International Journal of Women’s Studies 12.3(2011), 234–246. 388 Brown, Rule of law, 130; Radhi, Judiciary and arbitration, 15 f. 389 Für Familienrechtsstreitigkeiten vor osmanischen und ägypt. Gerichten siehe u. a. Agmon, Family and court; Layish, Divorce; Shaham, Family and the courts; Sonbol, Islamic history; Tucker, House of law; für andere Rechtsgebiete siehe u. a. Ginio, in Shaham, FS Layish, 111–130; Jennings, Journal of the Economic and Social History of the Middle East 16.2/3(1973), 168–216; Knost, in Masud/Peters/Powers, Dispensing justice, 427–450; Rafeq, in Masud/Peters/Powers, Dispensing justice, 411–425; zu siğillāt allgemein siehe Agmon, ILS 11.3(2004), 333–377; Akgündüz, ILS 16.2(2009), 202–230; Mandaville, Journal of the American Oriental Society 86.3(1966), 311–319; kritisch Ze’evi, ILS 5.1(1998), 35–56. 387
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Kapitel 2 – Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext
che Zuständigkeit und anwendbares Recht wie auch über die Rechtspraxis, die den siğillāt zu entnehmen sind, fehlen für die Scheichtümer der Golfregion. Die wenigen Studien zum Rechtswesen der Golfregion bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts gehen weitestgehend einvernehmlich von einem „hybriden System“390 aus tribalem Gewohnheitsrecht und islamischem Recht aus.391 2. Tribales Gewohnheitsrecht In der nur spärlich und mehrheitlich von Stämmen besiedelten Golfregion waren die Systematisierung des Rechts und die Objektivierung der Entscheidungsgrundlage in Rechtsfragen von weitaus geringerer Bedeutung als in anderen, heterogeneren Regionen der islamischen Welt, wie dem Osmanischen Reich oder Ägypten, zur selben Zeit. Streitigkeiten innerhalb eines Stammes wurden zumeist vom Oberhaupt, dem Scheich des jeweiligen Stammes unter Anwendung von tribalem Gewohnheitsrecht und islamischem Recht geschlichtet.392 Im Bereich des Personalstatuts dominierte, nicht zuletzt aufgrund der hohen Regelungsdichte dieses Rechtsgebietes in den Primärquellen, das islamische Recht. Wenngleich nicht ausgeschlossen ist, dass auch Stammesführer auf der Basis des islamischen Rechts in Angelegenheiten des Personalstatuts urteilten, so lag die Zuständigkeit doch in erster Linie bei islamischen Rechtsgelehrten, welche Verhandlungen zunächst in ihren eigenen Häusern abhielten.393 Neben tribalen und islamischen Gerichtsbarkeiten gab es in der Golfregion zusätzlich zwei weitere Formen von Gerichten: Zum einen hatten bestimmte Berufszweige, wie Händler oder Perlenfischer, ihre eigenen Schiedsgerichte, die mehrheitlich auf Basis von, innerhalb des jeweiligen Berufszweigs etabliertem, Gewohnheitsrecht urteilten,394 und zum anderen entstanden mit der Herausbildung führender Herrscherfamilien die Gerichte der lokal dominierenden Scheiche als Instanzen allgemeiner Gerichtsbarkeit.395 Die gerichtliche Zuständigkeit ergab sich vornehmlich aus der „The result was a hybrid system in many regions […] where customs were used along with Islamic law to decide disputes“, so Clouatre, in Kritzer, Legal systems, 1352. 391 So u. a. Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), Amin, Legal systems, 395; 116; Steppat, in Scheffler, Islam als Partner, 255. 392 Brown, Rule of law, 130; für Bahrain siehe Radhi, Judiciary and arbitration, 13 f.; für Katar siehe Hamzeh, MES 30.1(1994), 80; für die VAE siehe Al-Muhairi, a. a. O., 122, und Steppat, in Scheffler, Islam als Partner, 255. 393 Al-Muhairi, a. a. O., 121 f.; Khuri, Tribe and state, 68. 394 Eine ähnliche Schiedsgerichtsbarkeit einzelner Zünfte war ebenfalls im Osmanischen Reich bekannt, hierzu Gerber, State, society and law, 113 ff. 395 Al-Muhairi, a. a. O., 121 f.; Brown, Rule of law, 130; Radhi, Judiciary and arbitration, 17 f. 390
B. Entwicklung der Rechtssysteme in den Golfstaaten
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gelebten Praxis des Rechts, und eine Hierarchie der Gerichte bildete sich kaum heraus. Lediglich die Gerichte des jeweiligen Herrschers dürften als eine Art Berufungsinstanz fungiert haben, sollten die streitenden Parteien mit dem zuvor gefällten Urteil nicht einverstanden gewesen sein.396 3. Unkodifiziertes islamisches Recht als Hauptquelle der Rechtsprechung Der Beginn britischer Einflussnahme in der Golfregion koinzidierte mit dem Zuzug ausländischer Immigranten in die Golfstaaten. In Bahrain begann dieser Prozess bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert,397 in den VAE erst etwa ein Jahrhundert später.398 Auch Katar erlebte einen derartigen demographischen Wandel, wurde im 19. Jahrhundert jedoch zusätzlich durch den wachsenden Einfluss der auf der arabischen Halbinsel erstarkten wahhabitischen399 Stämme geprägt.400 In allen drei Golfscheichtümern hatte der Zuzug ausländischer Immigranten ein deutliches Anwachsen urbaner Zentren und ein Aufbrechen der etablierten Stammesstrukturen zur Folge. Mithin entstand die Notwendigkeit objektivierter Entscheidungsgrundlagen zur Streitschlichtung zwischen Personen, die über keine tribale Verbindung verfügten. In Ermangelung solcher tribaler Verbindungen wurde das islamische Recht zum vereinenden Faktor der heterogenen Gesellschaften der Golfstaaten und von den Herrschern zur Hauptquelle der Rechtsprechung erhoben.401 Die Zuständigkeit der Streitschlichtung in nahezu allen Rechtsgebieten wurde islamischen Rechtsgelehrten übertragen, die im Amte eines quasi staatlichen Richters an die Herrscher gebunden waren, indem diese die Richter ernannten und entlohnten.402 Al-Muhairi bezeichnet diese Entwicklung als einen Schritt auf dem Weg zur Institutionalisierung eines Rechtssystems, welches auf verpflichtender Gerichtsbarkeit im Gegensatz zu der vorherigen freiwilligen Schiedsgerichtsbarkeit beruhte.403
Hamzeh, MES 30.1(1994), 81; Khuri, Tribe and state, 35; Radhi, a. a. O., 17. Radhi, a. a. O., 14 f. 398 Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 123. 399 Die Wahhābīya ist eine im 18. Jahrhundert entstandene Bewegung, die auf der hanbalitischen Rechtsschule basiert. Begründet wurde sie von Muḥammad b. ᶜAbd alWahhāb (1703/04–1792). Das Bündnis zwischen der Saud-Dynastie und der Bewegung der Wahhābīya ermöglichte die Eroberung weiter Teile der arabischen Halbinsel und die Errichtung des Staates Saudi-Arabien im Jahre 1932. Das religiöse und politische System des Staates ist daher bis heute stark durch die Lehren der Wahhābīya geprägt, EI2, Bd. XI, Eintrag W AHHĀBIYYA, 39–47. 400 Hamzeh, MES 30.1(1994), 81. 401 Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 123; Radhi, Judiciary and arbitration, 14 f. 402 Al-Muhairi, a. a. O., 123; Hamzeh, MES 30.1(1994), 81; Khuri, Tribe and state, 68 f. 403 Al-Muhairi, a. a. O., 127. 396 397
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Kapitel 2 – Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext
Einen Unterschied hierzu stellte das Rechtswesen der schiitischen Bevölkerung Bahrains dar. Während die sunnitischen Richter Bahrains das vom Herrscher bestimmte Recht anwandten, diesem unterstanden und mithin Teil eines „Staatsapparates“ waren, operierten die schiitischen Richter weitestgehend autonom.404 Ihre Autorität erhielten sie durch die schiitische Gemeinde, welche sie nicht nur als religiöse Gelehrte und Richter, sondern als legitime politische Führer ansah.405 II. Der Einfluss der britischen Foreign Jurisdiction Acts 1. Der Beginn britischer exterritorialer Jurisdiktion Die Übernahme exterritorialer Gerichtsbarkeit durch Großbritannien markiert eine wichtige Zäsur in der Entwicklung der Rechtssysteme Bahrains, Katars und der VAE. Die Schutzverträge zwischen Großbritannien und den Scheichtümern der Golfregion regelten nicht die legislativen und judikativen Kompetenzen Großbritanniens. Gleichwohl gelangte über die britischen Foreign Jurisdiction Acts von 1890 und 1913406 und die darauf basierenden sogenannten „Orders in Council“ ab Beginn des 20. Jahrhunderts auch britisches und britisch-indisches Recht in der Golfregion zur Anwendung. Die Ausübung exterritorialer Jurisdiktion durch Großbritannien begann in Bahrain mit dem Bahrain Order in Council (BOIC) von 1913. Der BOIC räumte der britischen Schutzmacht zunächst Jurisdiktion für sämtliche Ausländer ein, ungeachtet ihrer Ethnie/Nationalität und Konfession, also auch für andere arabische Muslime. Der personelle Anwendungsbereich des Qatar Order in Council (QOIC) von 1939 und des Trucial States Order in Council (TSOIC) von 1946 entsprachen dem Vorbild Bahrains.407 Diese weitreichende Zuständigkeit britischer Gerichte in der Golfregion war von Beginn an umstritten. Wenngleich die Scheiche eine grundsätzliche Ausübung britischer Gerichtsbarkeit nicht ablehnten, so missfiel ihnen dennoch die britische Zuständigkeit für ausländische (vor allem arabische) Muslime in ihrem Hoheitsgebiet.408 Aus diesem Grund wurden in den letzKhuri, Tribe and state, 68 f. Khuri, a. a. O., 82 f.; Radhi, Judiciary and arbitration, 15. 406 Foreign Jurisdiction Act, 1890 [53 & 54 Vict. Ch. 37], online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; Foreign Jurisdiction Act, 1913 [3 & 4 Geo. 5, Ch. 16], online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 407 Al Baharna, British jurisdiction, 11 f. 408 Die Zuständigkeit britischer Gerichte für Ausländer wurde von den Herrschern der Golfstaaten nicht unbedingt über die Staatsbürgerschaft, sondern vielmehr über die religiöse Zugehörigkeit hergeleitet. Dass eine christliche Macht auch Gerichtsbarkeit über christliche Ausländer ausübte, war daher ohne Weiteres zu akzeptieren. Dies galt interes404 405
B. Entwicklung der Rechtssysteme in den Golfstaaten
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ten zehn Jahren vor Erreichen der Unabhängigkeit die Orders in Council für Bahrain, Katar und die heutigen VAE dahingehend geändert, dass sich die Zuständigkeit inländischer Gerichte ebenfalls auf die Mehrheit der arabischen Muslime erstreckte.409 Begründet wurde die Notwendigkeit exterritorialer Jurisdiktion mit dem Mangel an funktionierenden und für Ausländer verständlichen Rechts- und Gerichtssystemen in der Golfregion.410 Dies war keineswegs eine nur auf die Golfstaaten begrenzte Haltung der Briten (und anderer ausländischer Mächte) gegenüber den Rechtssystemen in der islamischen Welt. Exterritoriale Jurisdiktion gelangte auch in anderen islamischen Ländern zur Anwendung. So waren die europäischen Mächte (insbesondere Großbritannien und das Russische Reich), die im Iran ab 1828 kontinuierlich an Einfluss gewannen, nicht gewillt, sich dessen – ihrer Auffassung nach nicht ausreichend entwickelten – Rechtssystem zu unterwerfen und sicherten sich vertraglich die Gerichtsbarkeit über ihre eigenen Staatsangehörigen im Iran. Im Rahmen dieser sogenannten Kapitulationen garantierten die Kadscharen-Herrscher ausländischen Staatsbürgern Immunität und unterstellten sie der Jurisdiktion ihrer jeweiligen konsularischen Vertretungen.411 Auch zwischen dem Osmanischen Reich und europäischen Mächten bestanden seit dem 16. Jahrhundert Verträge, die diesen Mächten die ausschließliche Jurisdiktion über ihre Staatsbürger und dem Osmanischen Reich im Gegenzug friedliche Beziehungen zu dem jeweiligen Staat sicherten. Für das Osmanische Reich war die Intensivierung der Handelsbeziehungen mit Europa Ziel dieser Verträge.412 2. Die britischen exterritorialen Gerichtssysteme Die britischen Gerichte in Bahrain, Katar und den VAE waren dreistufig. Die British Courts dienten als erstinstanzliche Gerichte für Zivil- und santerweise jedoch auch für indische Muslime, die ebenfalls der britischen Jurisdiktion unterlagen. Insofern war v. a. die Zuständigkeit für arabische Muslime umstritten, hierzu Brown, Rule of law, 133 f.; siehe auch Khuri, Tribe and state, 88; Radhi, Judiciary and arbitration, 28 f. 409 Bahrain Order in Council 1959, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 25 v. 1.8.1959, 7– 34, i. V. m. Bahrain Transfer of Jurisdiction Regulation 1960, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 31 v. 1.1.1961, o. S.; Qatar Order in Council 1959, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 25 v. 1.8.1959, 63–90, i. V. m. Qatar Transfer of Jurisdiction Regulation 1960, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 31 v. 1.1.1961, o. S.; Trucial States Order in Council 1959, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 25 v. 1.8.1959, 91–118, i. V. m. Trucial States Transfer of Jurisdiction Regulation 1960, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 31 v. 1.1.1961, o. S. 410 Redden/Schlueter(-Amin), Legal system cyclopedia, Gulf states, 80.5. 411 Amin, Legal systems, 56 f.; Yassari/Möller, in Paul, Handbuch, 144. 412 Boogert, Capitulations, 7 ff.; für eine umfangreiche Darstellung der Rechtspraxis in der britischen Konsulargerichtsbarkeit siehe Berchtold, Recht und Gerechtigkeit.
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Strafrechtsfälle. Dies galt ebenso für die Chief Courts, die jedoch zugleich als Berufungsgerichte für Entscheidungen der British Courts fungierten. Entscheidungen der British Courts und der Chief Courts konnten vor den Full Courts angefochten werden.413 Diese Gerichte wandten u. a. britischindische Gesetze, britische königliche Verordnungen sowie die Prinzipien des britischen Common Laws und der Billigkeit (equity) an.414 Zudem wurden Joint Courts eingerichtet, deren Zuständigkeit sich auf Streitigkeiten zwischen Personen erstreckte, die in den Anwendungsbereich der Orders in Council fielen, und solchen, die der nationalen Gerichtsbarkeit unterstanden. Auch diese Joint Courts für gemischte Rechtsstreite waren keine Besonderheit der Golfregion. Die ägyptischen Gemischten Gerichte, die bereits 1876 errichtet wurden, waren ebenfalls für Streitigkeiten zwischen In- und Ausländern zuständig. Im Unterschied zu den ägyptischen Gemischten Gerichten, die kodifiziertes ägyptisches Recht anwandten und deren Richter durch die ägyptische Regierung ernannt wurden, wurden die Joint Courts in der Golfregion durch die britischen Orders in Council errichtet. Damit gelangte das in den Orders in Council bestimmte Recht auch in Verfahren vor den Joint Courts zur Anwendung. Ein Richter der britischen Gerichte sowie der jeweilige Herrscher bzw. ein von ihm benannter Vertreter saßen den Joint Courts vor und ihre Zuständigkeit in gemischten Fällen war nicht absolut; gemischte Streitigkeiten konnten ebenso vor die britischen Gerichte gebracht werden.415 Während die ägyptischen Gemischten Gerichte das ägyptische Rechtssystem nachhaltig beeinflussten, blieb die Bedeutung der Joint Courts in der Golfregion äußerst gering.416 In Katar wurden sie sogar nie errichtet.417 3. Die lokalen Gerichtssysteme Parallel zu der britischen exterritorialen Jurisdiktion bestanden die lokalen Rechtsstrukturen der Golfscheichtümer fort. Auf die einheimische Bevölkerung fanden auch weiterhin das zuvor dargestellte tribale Gewohnheitsrecht und das islamische Recht Anwendung. Auch die Gerichte der jeweiligen Herrscher, die Gerichte einzelner Berufszweige sowie islamische Gerichte blieben als eigenständige Gerichtszüge für die Bevölkerungen der
Jeweils Part III BOIC 1959, QOIC 1959 und TSOIC 1959; siehe auch Al Baharna, British jurisdiction, 62 ff. 414 Jeweils Part II BOIC 1959, QOIC 1959 und TSOIC 1959; siehe auch Al Baharna, a. a. O., 52 ff.; Ebert, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 65 in Fn. 9. 415 Al Baharna, a. a. O., 65; Radhi, Judiciary and arbitration, 32. 416 Al Baharna, a. a. O., 119 f.; Brown, Rule of law, 143 f. 417 Brown, a. a. O., 133. 413
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Golfscheichtümer erhalten.418 Berührungspunkte zwischen beiden Rechtssystemen gab es lediglich in Angelegenheiten des Personalstatuts ausländischer Muslime. So waren britische Gerichte aufgerufen, in Zivilrechtsfällen einen muslimischen Richter gutachterlich hinzuzuziehen, sollte der Rechtsstreit ein Gebiet betreffen, das im islamischen Recht geregelt ist.419 Dieser Bestimmung folgten britische Richter in erster Linie in Angelegenheiten des muslimischen Familien- und Erbrechts.420 Ein ganz praktisches Problem in der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit ergab sich durch die mangelnde Staatlichkeit der Golfscheichtümer und das Fehlen jeglicher Regelungen zur Bestimmung der Nationalität ihrer Einwohner. Gerade vor Änderung der Orders in Council von 1959 unterstanden sämtliche Ausländer der britischen exterritorialen Jurisdiktion. Dies schloss sowohl Iraner als auch Osmanen und andere arabische Muslime ein. Die einheimische Bevölkerung der Golfregion konnte jedoch ohne weiteres behaupten, einer dieser Gruppen anzugehören, um auf diesem Wege ein für sie vermeintlich vorteilhafteres Urteil vor einem britischen Gericht zu erwirken.421 4. Erste Rechtsreformen vor Erreichen der Unabhängigkeit Die Erklärung Großbritanniens zur Mitte des 20. Jahrhunderts, sich aus der Golfregion zurückziehen zu wollen, und das mithin absehbare Ende der exterritorialen Jurisdiktion führte den Golfscheichtümern die Notwendigkeit rechtlicher Reformen vor Augen. Obgleich (oder vielleicht gerade weil) Bahrain aufgrund der frühen britischen Präsenz am stärksten vom britischen Rechtssystem beeinflusst war,422 sind Reformansätze hier bereits ab den 1920er Jahren zu erkennen.423 Im Zuge einer Systematisierung und Quasi-Verstaatlichung des Rechtswesens wurden ab 1920 auch die schiitischen Gerichte in das nationale Rechtswesen eingegliedert und schiitische Richter durch den bahrainischen Herrscher ernannt.424 Diese Reformen lagen zum einen in dem Wunsch des Herrschers begründet, zumindest für die Muslime innerhalb seines Hoheitsgebietes die Gerichtsbarkeit auszuüben, und erfolgten zum anderen 418 Ballantyne, Commercial law, 17; Hamzeh, MES 30.1(1994), 82; Radhi, Judiciary and arbitration, 31 ff. 419 Jeweils Part VI Art. 47 II BOIC 1959, QOIC 1959 und TSOIC 1959. 420 Al Baharna, British jurisdiction, 93 ff. mit ausgewählten Fällen. 421 Für Bahrain nachgewiesen von Khuri, Tribe and state, 87; für die anderen Golfscheichtümer kann von einer ähnlichen Situation ausgegangen werden. 422 Redden/Schlueter(-Amin), Legal system cyclopedia, Gulf states, 80.14; Amin, Legal systems, 22. 423 Khuri, Tribe and state, 85 f. 424 Khuri, a. a. O., 90, 111 ff.
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auf Drängen der bahrainischen (vor allem schiitischen) Bevölkerung, die umfangreiche politische, administrative und rechtliche Reformen forderte.425 Auch die britische Schutzmacht war an Reformen des nationalen Rechtswesens in der gesamten Golfregion, aber vor allem in Bahrain interessiert, und hoffte, Einfluss auf die Entwicklung eines reformierten Rechtssystems nehmen zu können.426 In Katar und den VAE wurden Reformen weitaus später eingeleitet. Insgesamt beschränkten sich die Reformen in allen drei Golfstaaten vor Erreichen der Unabhängigkeit in erster Linie auf eine Organisation und Zentralisierung der Gerichtssysteme. Zur Kodifikation des Rechts und Entwicklung einer nationalen Rechtswissenschaft, die qualifizierte Juristen hätte hervorbringen können, kam es jedoch nicht. Aus diesem Grund standen Bahrain, Katar und die VAE kurz vor Abzug der Briten in den späten 1960er Jahren vor einer enormen Herausforderung mit Blick auf ihre nationalen Rechtssysteme.427 III. Die Entwicklung nationaler Rechtsstrukturen in den Golfstaaten 1. Der Einfluss des Civil Law Bedenkt man die ab dem späten 18. Jahrhundert von anderen europäischen Mächten unangefochtene Einflussnahme Großbritanniens auf die Golfregion, so liegt die Vermutung nahe, die Rechtssysteme der unabhängigen Nationalstaaten hätten sich – wie auch in Indien und Pakistan – nach dem Vorbild des britischen Common Law entwickelt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Bahrain, Katar und die VAE sind allesamt Civil-Law-Systeme, die sich im Zuge ihrer Unabhängigkeitswerdung am Vorbild des romanischen Rechtskreises orientierten.428 Es kann davon ausgegangen werden, dass gerade die Parallelität von britischer exterritorialer Jurisdiktion für Ausländer und islamischem Rechtswesen für die autochthone Bevölkerung einem stärkeren Einfluss Radhi, Judiciary and arbitration, 28 f., 37 f. Brown, Rule of law, 136 ff.; Khuri, Tribe and state, 89 f. 427 Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 128; Brown, a. a. O., 146 ff., 152. 428 Al-Muhairi, a. a. O., 126 f.; Brown, a. a. O., 155; demgegenüber Mallat, Middle Eastern law, 240, der von einem signifikanten Einfluss des britischen Common Law auf die Rechtssysteme der „Trucial States“ (womit er jedoch alle Golfscheichtümer zu meinen scheint) spricht und dies auf die vergleichsweise frühe Einflussnahme Großbritanniens zurückführt; auch Amin spricht von einem „mixed legal system“ aus englischem Common Law und kodifiziertem Recht in Bahrain, ordnet Katar jedoch dem romanischen Rechtskreis zu, Amin, Legal systems, 22, 302; für das Dubai International Financial Center (DIFC) als „Enklave des englischen Common Law“ in den VAE siehe Grapentin, in Heckel, Rechtstransfer, 131–145; für die Ausprägung des Common Law in Indien siehe Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 220 ff. 425 426
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des britischen Common Law entgegenstand. Anders als beispielsweise in Ägypten, welches – auch ungeachtet der kurzen direkten französischen Einflussnahme – das nationale Rechtssystem am Beispiel des romanischen Rechts und unter Inanspruchnahme französischer Beratung reformierte,429 blieben die Kontakte zwischen britischen und (den wenigen) einheimischen Juristen in der Golfregion gering. Bis auf den Versuch Großbritanniens, ein selbst entworfenes Strafgesetzbuch in den Golfstaaten in Kraft zu setzen (ein Vorstoß, der aufgrund des heftigen Widerstands der bahrainischen Bevölkerung in einem politischen Desaster endete430), gab es kaum einen Kontakt zwischen den zwei Rechtssystemen. Darüber hinaus führte der Mangel an qualifizierten einheimischen Rechtswissenschaftlern in den neu entstandenen unabhängigen Golfstaaten und der Beitritt der drei Staaten in die Arabische Liga zu einer Entwicklung, die Radhi für Bahrain als „Arabization of Law“ bezeichnet.431 Das „legislative vacuum“432, welches der Abzug der Briten hinterließ, wurde in den Golfstaaten durch Kopien von Gesetzestexten anderer arabischer Staaten unter Aufsicht ausländischer arabischer Juristen gefüllt. So basierte die Mehrheit der nach Erreichen der Unabhängigkeit erlassenen Gesetze – so beispielsweise die Verfassungen und Zivilgesetzbücher der Golfstaaten – auf dem ägyptischen und kuwaitischen (welches sich in den 1960er Jahren ebenfalls an Ägypten orientierte) Civil-Law-Vorbild.433 Für den Prozess der „Arabisierung des Rechts“ waren der ägyptische Jurist Sanhuri und die in seiner Tradition ausgebildeten Rechtswissenschaftler, wie im vorherigen Kapitel bereits ausgeführt, von herausragender Bedeutung. Für die Herrscher der Golfstaaten erschien das Civil-Law-System vor allem auch deshalb als die attraktivere Lösung, weil die hierarchischen und zentralisierten Strukturen sowie das Bestehen von kodifiziertem Recht, das durch königliche Verordnung erlassen werden konnte, ihnen einen stärkeren Machterhalt durch weitreichende legislative Kompetenzen einräumte. In einem Common-Law-System, das den Richtern eine erhebliche Autorität zuweist, wäre eine solche Einflussnahme nicht möglich gewesen.434 2. Die Gerichtssysteme der unabhängigen Golfstaaten Die Gerichtssysteme Bahrains, Katars und der VAE orientierten sich weitestgehend an den Vorbildern anderer arabischer Staaten ägyptischer PräBerger/Sonneveld, in Otto, Sharia incorporated, 54. Hierzu ausführlich Brown, Rule of law, 140 ff. 431 Radhi, Judiciary and arbitration, 77. 432 So Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 128, 148. 433 Al-Muhairi, a. a. O., 128; Al Tamimi, Litigation and arbitration, 5; Amin, Legal systems, 22; Ballantyne, Commercial law, 18, 27. 434 Brown, Rule of law, 155, 185. 429 430
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gung und rekrutierten eine große Zahl ihrer Richter aus Ägypten – eine Tendenz, die bis heute erkennbar ist.435 Zwei Merkmale der unabhängigen Golfstaaten sind für die folgende Betrachtung der Gerichtssysteme von besonderem Interesse: zum einen die Dualität des bahrainischen und (bis zur Reform im Jahre 2003) des katarischen Rechtswesens mit ihren konkurrierenden Gerichtszügen; zum anderen das Rechtssystem der VAE, das bis heute insofern eine Besonderheit darstellt, als es dem verfassungsrechtlichen Gebot der Unabhängigkeit der sieben Emirate in bestimmten inneren Angelegenheiten436 Rechnung trägt.437 a) Katar Das Gerichtsverfassungsgesetz Katars438 errichtete 1971 nationale Zivilgerichte439 in Form der „maḥākim ᶜadlīya“ (im Folgenden: ᶜadlīya-Gerichte). Damit übernahmen katarische Gerichte erstmals seit Beginn britischer exterritorialer Jurisdiktion die Zuständigkeit in sämtlichen Rechtsbereichen unabhängig von der Nationalität der streitenden Parteien. Diese ᶜadlīyaGerichte waren in Straf- und Zivilkammern sowie in eine einheitliche Berufungsinstanz für beide Rechtsgebiete unterteilt.440 Die Zuständigkeit der Strafkammern erstreckte sich grundsätzlich auf sämtliche Strafrechtsfälle.441 Eine Ausnahme hiervon bildeten jedoch bestimmte Straftatbestände, in denen das katarische Strafgesetzbuch442 auf die Scharia-Gerichte verwies.443 Die Zuständigkeit der Zivilkammern erstreckte sich auf sämtliche Zivil- und Handelsrechtsstreitigkeiten sowie auf Angelegenheiten des Personalstatuts von Nichtmuslimen.444 Die ᶜadlīya-Gerichte unterstanden dem katarischen Justizministerium und wandten staatlich kodifiziertes Recht an.
Al Tamimi, Litigation and arbitration, 6; Radhi, Judiciary and arbitration, 77 f. Art. 3, 104 Verf. VAE 1971. 437 Redden/Schlueter(-Amin), Legal system cyclopedia, Gulf states, 80.17. 438 Gesetz Nr. 13/1971 über das System der ᶜadlīya-Gerichte [Qānūn bi-niẓām almaḥākim al-ᶜadlīya] v. 25.8.1971/4.7.1391, GBl. Nr. 7 v. 30.8.1971/9.7.1391, 1–5, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 4/1988 v. 30.3.1988/12.8.1408, GBl. Nr. 4 v. 17.4.1988/ 29.8.1408, 4. 439 Der Begriff „Zivilgericht“ darf hier nicht im Sinne des deutschen Rechtsverständnisses als das nur für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zuständige Gericht verstanden werden, sondern dient lediglich der Abgrenzung zu religiösen Gerichten. 440 Art. 1 GerichtsVerfG Katar 1971. 441 Art. 2 S 1 GerichtsVerfG Katar 1971. 442 Strafgesetzbuch Katar [Qānūn ᶜuqūbāt Qaṭar] v. 25.8.1971/4.7.1391, GBl. Nr. 7 v. 30.8.1971/9.7.1391, 6–40, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 2/1988 v. 15.3.1988/ 27.7.1408, GBl. Nr. 4 v. 17.4.1988/29.8.1408, 1–2. 443 Art. 2 S 2 GerichtsVerfG Katar 1971; Art. 17, 22 f. StGB Katar. 444 Art. 5 GerichtsVerfG Katar 1971. 435 436
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Parallel zu der katarischen Zivilgerichtsbarkeit bestanden die religiösen Scharia-Gerichte fort. Anders als die ᶜadlīya-Gerichte unterstanden diese jedoch dem Ministerium für religiöse Stiftungen und islamische Angelegenheiten.445 Die Zuständigkeit der Scharia-Gerichte wurde nicht per Gesetz bestimmt. Hamzeh erwähnt – jedoch ohne weitere Nachweise – eine Verordnung des Präsidiums der Scharia-Gerichte und religiöser Angelegenheiten (Riyāsāt al-Maḥākim aš-Šarᶜīya wa-š-Šuᵓūn ad-Dīnīya), die sich mit diesen Fragen befasst.446 Demnach erstreckte sich die Zuständigkeit der religiösen Gerichte auf sämtliche Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten muslimischer Staatsbürger wie auch muslimischer Ausländer. Die Aufteilung der Zuständigkeit von ᶜadlīya- und Scharia-Gerichten war mithin nicht eindeutig. Sowohl das Justizministerium als auch das Ministerium für Stiftungen und islamische Angelegenheiten versuchten, Gesetzesvorlagen einzubringen, die diesen Konflikt auflösen und die Position der eigenen Gerichte stärken sollten.447 Dies scheint vor allem im Interesse der Scharia-Gerichte gelegen zu haben, da Statistiken aus den 1980er Jahren einen Rückgang in den vor diesen Gerichten verhandelten Zivil- und Strafrechtsfällen belegen und lediglich einen Anstieg von Fällen des muslimischen Personalstatuts nachweisen.448 Die Literatur zum katarischen Gerichtswesen vor dessen Reform zeichnet folglich ein Bild von zwei konkurrierenden Gerichtsbarkeiten. In diesem System standen sich die Vertreter der zwei Formen der Gerichtsbarkeit zum Teil äußerst kritisch gegenüber.449 Dies lag nicht zuletzt auch in ihrer komplett unterschiedlichen Ausbildung begründet; während die ᶜadlīya-Richter in Ermangelung nationaler juristischer Fakultäten im Ausland Rechtswissenschaften studierten (oder in vielen Fällen sogar aus dem Ausland rekrutierte Richter waren),450 waren die Scharia-Richter religiöse Rechtsgelehrte mit einem Hochschulabschluss in islamischen Studien aus Saudi-Arabien oder Ägypten.451 Die Dualität des katarischen Rechtssystems wurde erst durch die Reform von 2003 teilweise aufgelöst. b) Vereinigte Arabische Emirate Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von Abu Dhabi aus dem Jahre 1968452 wurde auch das Gerichtssystem eines der Teilemirate der heutigen VAE Clouatre, in Kritzer, Legal systems, 1352 f. Hamzeh, MES 30.1(1994), 83. 447 Brown, Rule of law, 182. 448 Hamzeh, MES 30.1(1994), 86 f. 449 Brown, Rule of law, 180 f. 450 Clouatre, in Kritzer, Legal systems, 1355; Hamzeh, MES 30.1(1994), 86. 451 Clouatre, a. a. O., 1352 f.; Hamzeh, a. a. O., 83. 452 Abu Dhabi Courts Law, GBl. Nr. 6 v. November 1968, zitiert in: Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 129 in Fn. 61. 445 446
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erstmals geregelt.453 Das Emirat Dubai folgte im Jahre 1970.454 Durch die Verfassung der VAE wurde das Gerichtswesen in Bundes- und Emiratsgerichte unterteilt.455 Gemäß der Verfassung beschränkt sich die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Bundesgerichte auf Zivil-, Handels- und Verwaltungsstreitigkeiten zwischen der Föderation und Privatpersonen und auf Zivil-, Handels- und Strafrechtsfälle sowie Fälle des Personalstatuts innerhalb der Hauptstadt der VAE.456 In allen anderen Fällen liegt die Zuständigkeit bei den Emiratsgerichten.457 Den einzelnen Emiraten steht es jedoch frei, ihre Gerichte in den Rechtszug der Bundesgerichte einzugliedern.458 Abu Dhabi, Adschman, Fudschaira, Schardscha und Umm al-Qaiwain machten von dieser Möglichkeit Gebrauch, so dass lediglich die Emirate Dubai und Ra’s al-Chaima nach der Staatenwerdung weiterhin über eigenständige Gerichtssysteme verfügten.459 Der Aufbau der einzelnen Gerichte ist seit Erreichen der Unabhängigkeit weitestgehend unverändert geblieben und wird daher im folgenden Teil genauer dargestellt. c) Bahrain Das nationale Gerichtssystem Bahrains wurde eine Woche vor Erreichen der Unabhängigkeit ebenfalls per Gerichtsverfassungsgesetz460 organisiert. Das Gesetz unterstellte sämtliche Personen in Bahrain ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit der nationalen Jurisdiktion. Diese wurde fortan durch Zivil-461 und Scharia-Gerichte ausgeübt.462 Für die Scharia-Gerichte wurde
Steppat, in Scheffler, Islam als Partner, 257. Dubai Courts Law, GBl. Nr. 94 v. September 1970, zitiert in: Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 129 in Fn. 66. 455 Art. 95, 104, 105 Verf. VAE 1971. 456 Art. 102 Verf. VAE 1971. 457 Art. 104 Verf. VAE 1971. 458 Bundesgesetz Nr. 6/1978 über die Errichtung der Bundesgerichte [Qānūn ittiḥādīya fī šāᵓn inšāᵓ maḥākim ittiḥādīya] v. 5.6.1978/29.6.1398, GBl. Nr. 58 v. 10.6.1978/4.7.1398, 17–19, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 18/1991 v. 10.1.1991/ 23.6.1411, GBl. Nr. 226 v. 24.6.1991/11.12.1411, 19–20. 459 Al-Muhairi, in Kritzer, Legal systems, Vol. IV, 1692; Al Tamimi, Litigation and arbitration, 90; Geimer u. a.(-Bälz), Internationaler Rechtsverkehr, VAE, 1. 460 Verordnung Nr. 13/1971 über das Gerichtssystem [Marsūm bi-qānūn bi-tanẓīm alqaḍāᵓ] v. 7.8.1971/14.6.1391, GBl. Nr. 929 v. 12.8.1971/19.6.1391, 3–9, i. d. F. der Änderungsverordnungen Nr. 25/1986 v. 22.12.1986/20.4.1407, GBl. Nr. 1726 v. 25.12.1986/ 23.4.1408, 3–4, und Nr. 4/1999 v. 6.1.1999/19.9.1419, GBl. Nr. 2354 v. 6.1.1999/ 19.9.1419, 29–32. 461 Auch hier ist der Begriff „Zivilgericht“ lediglich in Abgrenzung zu religiösen Gerichten zu verstehen, vgl. Fn. 439. 462 Radhi, Judiciary and arbitration, 103 f. 453 454
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im Jahre 1986 eine eigenständige Prozessordnung erlassen.463 Sowohl Zivil- als auch Scharia-Gerichte unterstehen seit der Staatsgründung einem gemeinsamen Ministerium, dem Ministerium für Justiz und islamische Angelegenheiten. Dennoch bestehen zwei parallele Gerichtszüge, ähnlich dem dualen Gerichtssystem in Katar. Auf die einzelnen Aspekte dieser Dualität wird im weiteren Verlauf der Darstellung noch genauer einzugehen sein. 3. Zusammenfassung Alle drei Golfstaaten errichteten nach Erreichen ihrer Unabhängigkeit Gerichtssysteme, welche auch eine nichtreligiöse Gerichtsbarkeit einführten, die Fälle auf der Basis kodifizierten Rechts entschied. Damit wurde die Zuständigkeit der Scharia-Gerichte – in unterschiedlichem Maße – auf Angelegenheiten des muslimischen Personalstatuts sowie ausgewählte Zivil- und Strafrechtsfälle begrenzt. Religiöse Richter standen dieser Entwicklung zum Teil äußerst skeptisch gegenüber, bedeutete sie doch, weitreichende Autorität abzugeben.464 Für die Regierungen der Golfmonarchien hatten diese Reformen zur Konsequenz, zunächst auf ausländische Juristen angewiesen zu sein. Da diese zumeist aus anderen arabischen Ländern stammten, trugen sie zusätzlich zur „Arabisierung des Rechts“ in den Golfstaaten bei. Der radikale Wandel in den Golfstaaten und die Dringlichkeit mit der das komplette Rechtswesen nach Abzug der Briten umstrukturiert werden musste, führten außerdem zu einem Rechtsvakuum in Bahrain, Katar und den VAE. Dies traf nicht nur auf die fehlenden Rechtsanwender zu, sondern schloss auch das Recht selbst ein. So gab es bis in die 1990er Jahre hinein kein kodifiziertes Verfahrensrecht in den VAE – mit Ausnahme Abu Dhabis465 – und bis 2001 kein Zivilgesetzbuch für Bahrain. Die praktischen Erfahrungen der ersten dreißig Jahre nach Erreichen der Unabhängigkeit haben daher zu teils weitreichenden Reformen in den 2000er Jahren geführt. Parallel zu den bereits dargestellten politischen Reformen in den Golfstaaten wurden vor allem in Bahrain und Katar zu Beginn der 2000er Jahre auch weitreichende Rechtsreformen umgesetzt. Auf diesem
463 Verordnung Nr. 26/1986 über die Prozessordnung der Scharia-Gerichte [Marsūm bi-qānūn bi-šaᵓn al-iğrāᵓāt amām al-maḥākim aš-šarᶜīya] v. 22.12.1986/20.4.1407, GBl. 1726 v. 25.12.1986/23.4.1408, 5–17. 464 Brown, Rule of law, 155. 465 Al-Muhairi, ALQ 11.2(1996), 148; seit 1992 jedoch die emirat. ZPO [Qānūn ittiḥādī fī šaᵓn al-iğrāᵓāt al-madanīya] v. 24.2.1992/21.8.1412, GBl. Nr. 235 v. 8.3.1992/ 5.9.1412, 7–241, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 30/2005 v. 30.11.2005/28.10.1426, GBl. Nr. 440 v. 14.12.2005/11.11.1426, 27–49.
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Wege sollten moderne Rechtsordnungen geschaffen werden, um neuen Regelungserfordernissen gerecht werden zu können. IV. Die gegenwärtigen Rechts- und Gerichtssysteme 1. Katar In Katar wurde durch das Gerichtsverfassungsgesetz von 2003466 das Gerichtssystem komplett gewandelt. Das neue Gesetz vereint Katars Gerichte unter dem Dach des Obersten Richterrats (al-Mağlis al-Aᶜlā li-l-Qaḍāᵓ), welcher am Gesetzgebungsverfahren für den Bereich der Judikative teilnimmt und die Ausbildung der Richter bestimmt sowie deren Ernennung empfiehlt.467 Innerhalb des dreistufigen Gerichtssystems teilt sich die Zuständigkeit für Strafrecht, Zivil- und Handelsrecht, Verwaltungsrecht sowie das Personalstatut auf unterschiedliche Kammern auf.468 Entscheidungen des erstinstanzlichen Gerichtes können vor der jeweiligen Kammer des Berufungsgerichtes angefochten werden.469 Die Beschwerde vor dem Kassationsgericht als reinem Revisionsgericht setzt einen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils voraus.470 Indem die gesamte Gerichtsbarkeit fortan dem katarischen Justizministerium untersteht, hat Katar die Dualität seines Rechtssystems weitestgehend aufgelöst. 2. Bahrain Auch in Bahrain wurde das Gerichtssystem durch Erlass eines neuen Gerichtsverfassungsgesetzes471 im Jahre 2002 reformiert. Gleichwohl waren die Änderungen nicht so weitreichend wie in Katar. Sie konzentrierten sich 466 Gesetz über die richterliche Gewalt [Qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 12.8.2003/ 14.6.1424, GBl. Nr. 9 v. 1.10.2003/5.8.1424, 13–33, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 21/2010 v. 7.11.2010/1.12.1431, GBl. Nr. 12 v. 30.12.2010/24.1.1432, 9–11, in Kraft getreten durch Einführungsgesetz Nr. 10/2003 zum Gesetz über die richterliche Gewalt [Qānūn bi-iṣdār qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 12.8.2003/14.6.1424, GBl. Nr. 9 v. 1.10.2003/5.8.1424, 11–12. Das an mehreren Stellen – jedoch ohne Angaben zur Fundstelle – erwähnte Gerichtsverfassungsgesetz Nr. 6/1999 war auch für die Verfasserin nicht auffindbar, vgl. Geimer u. a.(-Bälz/Klaiber), Internationaler Rechtsverkehr, Katar, 2; Carnegie Endowment, Qatar, 5. 467 Art. 23 GerichtsVerfG Katar 2003. 468 Art. 4, 11 GerichtsVerfG Katar 2003. 469 Art. 10 GerichtsVerfG Katar 2003. 470 Geimer u. a.(-Bälz/Klaiber), Internationaler Rechtsverkehr, Katar, 2. 471 Gesetz über die richterliche Gewalt [Qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 20.10.2002/ 14.8.1423, GBl. Nr. 2553 v. 23.10.2002/17.8.1423, 5–21, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 50/2006 v. 2.8.2006/8.7.1427, GBl. Nr. 2751 v. 9.8.2006/15.7.1427, 5–6, in Kraft getreten durch Einführungsverordnung Nr. 42/2002 zum Gesetz über die richterliche Gewalt [Marsūm bi-qānūn bi-iṣdār qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 20.10.2002/14.8.1423, GBl. Nr. 2553 v. 23.10.2002/17.8.1423, 3–4.
B. Entwicklung der Rechtssysteme in den Golfstaaten
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vorrangig auf die Festschreibung bereits gängiger Praktiken, wie die Zuständigkeit der Zivilgerichte für sämtliche verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, sowie auf die Neuordnung der personellen Besetzung einzelner Gremien.472 Die Gerichte Bahrains sind auch weiterhin in Zivil- und Scharia-Gerichtszüge unterteilt. Gerichte in dem vierstufigen Zivilgerichtszug (mit dem bahrainischen Kassationsgericht an der Spitze) sind für sämtliche Zivil-, Handels- und Strafrechtsfälle sowie für Angelegenheiten des Personalstatuts von Nichtmuslimen zuständig. Die Gerichte der dreistufigen Scharia-Gerichtsbarkeit urteilen in Fällen des muslimischen Personalstatuts, dies jedoch unabhängig von der Nationalität der streitenden Parteien.473 Urteile der Scharia-Gerichte können nicht vor dem Kassationsgericht angefochten werden.474 Die Besonderheit in Bahrain ist die zusätzliche Unterteilung der religiösen Gerichtsbarkeit in sunnitisch-malikitische und zwölferschiitische Kammern.475 Bei interkonfessionellen Ehen (zwischen Sunniten und Schiiten) bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Recht, dem die Eheschließung unterliegt. Bei Eheschließung haben die Ehepartner Rechtswahl. Ist das Recht, dem die Eheschließung unterliegt, nicht eindeutig bestimmt, richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach der Konfession des Ehemannes.476 Wie auch in Katar bis zu den Reformen von 2003 wird die Dualität des bahrainischen Rechtssystems durch die separate Ausbildung der an den Scharia-Gerichten tätigen Richter verstärkt.477 Obgleich Bahrain inzwischen über zahlreiche juristische Fakultäten innerhalb der staatlichen und privaten Universitäten des Landes verfügt, werden bahrainische SchariaRichter auch weiterhin vorrangig an religiösen Lehrinstituten, zum Teil auch im Ausland, ausgebildet. Die Mehrheit der sunnitischen Richter Bahrains erwirbt einen Abschluss in islamischen Studien in Saudi-Arabiens Lehrbetrieben oder an der ägyptischen Azhar-Universität. Die schiitischen Richter werden an sogenannten ḥawzāt (Sing. ḥawza) ausgebildet. Angehende Richter besuchen diese spezifisch schiitischen Lehrbetriebe sowohl in Bahrain als auch im schiitischen Ausland, vor allem dem Iran (Qom) und Irak (Nadschaf und Kerbela). Eine Ausbildung in dem staatlichen bahrainischen Recht, u. a. auch dem für die Scharia-Gerichte relevanten Prozessrecht, erfolgt gerade an den ausländischen Institutionen nicht. Seit 2002 Radhi, Judiciary and arbitration, 229 f. Art. 6, 13 GerichtsVerfG Bahrain 2002. 474 Radhi, in Kritzer, Legal systems, Vol. I, 114 f.; Radhi, Judiciary and arbitration, 108. 475 Art. 13 GerichtsVerfG Bahrain 2002. 476 Welchman, in Sonbol, Gulf women, 375. 477 Vgl. Radhi, Judiciary and arbitration, 134 f.; die nachfolgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf persönlichen Gesprächen mit bahrainischen Rechtsanwendern im Januar 2013. 472 473
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Kapitel 2 – Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext
verfügt Bahrain – ebenso wie Katar seit 2008 – über ein Verfassungsgericht.478 Außerdem haben Bahrain und Katar beide in den 2000er Jahren neue Zivilgesetzbücher479 erlassen, die dem ägyptischen Vorbild entsprechen.480 Für Bahrain war dies die erstmalige Kodifikation des Zivilrechts. 3. Vereinigte Arabische Emirate Das emiratische ZGB481 ist, anders als das bahrainische und katarische, seit 1985 weitestgehend unverändert. Auch hat das emiratische Rechtssystem in den vergangenen vierzig Jahren seit der Unabhängigkeit der VAE die geringsten Veränderungen erlebt. Es ist bis heute in Bundesrecht und Emiratsrecht sowie in die dazugehörigen Gerichtsbarkeiten unterteilt. Im Jahre 2006 gliederte Abu Dhabi seine Gerichte aus der Gerichtsbarkeit des Bundes aus und errichtete ebenfalls ein eigenständiges Gerichtssystem.482 Sowohl das Gerichtssystem des Bundes, welchem sich die Mehrheit der kleineren Emirate unterworfen hat, als auch die Gerichtssysteme von Dubai,483 Ra’s al-Chaima und inzwischen auch Abu Dhabi gleichen dem katarischen weitestgehend. Die dreistufigen Gerichte mit einem Kassationsgericht als oberstem Revisionsgericht sind in Zivil-, Straf- und Scharia478 In Bahrain per Gesetz Nr. 27/2002 über die Errichtung des Verfassungsgerichtes [Qānūn bi-inšāᵓ al-maḥkama ad-dustūrīya] v. 14.9.2002/7.7.1423, GBl. Nr. 2548 v. 18.9.2002/11.7.1423, 24–30; in Katar per Gesetz Nr. 12/2008 über die Errichtung des Obersten Verfassungsgerichtes [Qānūn bi-inšāᵓ al-maḥkama ad-dustūrīya al-ᶜulyā] v. 18.6.2008/14.6.1429, GBl. Nr. 8 v. 25.8.2008/24.8.1429, 5–15. 479 Bahrain: Zivilgesetzbuch [Al-qānūn al-madanī] v. 3.5.2001/9.2.1422, GBl. Nr. 2476 (Suppl./mulḥaq) v. 9.5.2001/15.2.1422, 1–190, in Kraft getreten durch Einführungsgesetz Nr. 19/2001 zum ZGB [Qānūn bi-iṣdār al-qānūn al-madanī] v. 3.5.2001/ 9.2.1422, GBl. Nr. 2476 (Suppl./mulḥaq) v. 9.5.2001/15.2.1422, a–b; Katar: Zivilgesetzbuch [Al-qānūn al-madanī] v. 30.6.2004/12.5.1425, GBl. Nr. 11 v. 8.8.2004/22.6.1425, 3–389, in Kraft getreten durch Einführungsgesetz Nr. 22/2004 zum ZGB [Qānūn bi-iṣdār al-qānūn al-madanī] v. 30.6.2004/12.5.1425, GBl. Nr. 11 v. 8.8.2004/22.6.1425, 1–2. 480 Krüger, in Bernreuther u. a., FS Spellenberg, 615. 481 Gesetz über die zivilen Rechtsgeschäfte [Qānūn al-muᶜāmalāt al-madanīya liDawlat al-Imārāt al-ᶜArabīya al-Muttaḥida] v. 15.12.1985/3.4.1406, GBl. Nr. 158 v. 29.12.1985/17.4.1406, 14–341, Berichtigung in GBl. Nr. 161 v. 31.3.1986/20.7.1406, 655–657, in Kraft getreten durch Einführungsgesetz Nr. 5/1985 zum Gesetz über die zivilen Rechtsgeschäfte [Qānūn ittiḥādī bi-iṣdār qānūn al-muᶜāmalāt al-madanīya] v. 15.12.1985/3.4.1406, GBl. Nr. 158 v. 29.12.1985/17.4.1406, 11–13; siehe auch die einführende Darstellung von Krüger, in Ebert/Hanstein, Beiträge VI, 101–134. 482 Abu Dhabi Gesetz Nr. 23/2006 über das Gerichtswesen im Emirat Abu Dhabi [Qānūn bi-šaᵓn dāᵓirat al-qaḍāᵓ fī imārat Abū Ẓabī] v. 7.12.2006/26.11.1427, GBl. Abu Dhabi Nr. 36 (Sondernr./ᶜadad ḫāṣṣ) v. 14.5.2007/28.4.1428, 7–22. 483 Dubai Gesetz Nr. 3/1992 über die Bildung der Gerichte im Emirat Dubai [Qānūn taškīl al-maḥākim fī imārat Dubayy] v. 17.5.1992/15.11.1412, GBl. Dubai Nr. 196 v. 2.6.1992/1.12.1412, 5–17.
C. Zwischenergebnis
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Kammern unterteilt.484 Die Zuständigkeit der Scharia-Kammern erstreckt sich in erster Linie auf Angelegenheiten des muslimischen Personalstatuts, auf der Ebene der Bundesgerichte aber auch auf bestimmte Straftatbestände, die im islamischen Recht besonders umfangreich geregelt sind.485 Die Gerichte unterstehen dem Justizministerium (bzw. den Justizbehörden der einzelnen Emirate) und nicht dem Ministerium für Stiftungen und islamische Angelegenheiten. Da gemäß der Verfassung der VAE Kerngebiete des materiellen Rechts sowie das gesamte Prozessrecht in die legislative Kompetenz des Bundes fallen,486 gleicht sich das vor sämtlichen emiratischen Gerichten angewandte Recht weitestgehend. Emiratsrecht darf nur angewandt werden, wenn es nicht im Widerspruch zu geltendem Bundesrecht steht.487 4. Zusammenfassung Alle drei Golfstaaten verfügen auch weiterhin über einen gewissen Grad an Dualität innerhalb ihrer Rechtssysteme. Sie findet ihren Ausdruck auch in dem Nebeneinander von kodifiziertem säkularen und – bis in die 2000er Jahre hinein – unkodifiziertem religiösen Recht sowie in dem Bestehen separater Zivil- und Scharia-Gerichte bzw. -Kammern. In Bahrain wird die Dualität des Rechtswesens überdies durch das Fortbestehen einer vollkommen eigenständigen Scharia-Gerichtsbarkeit deutlich, deren Instanzen nicht dem Kassationsgericht unterstehen. Für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung ist die zusätzliche konfessionelle Spaltung der religiösen Gerichtsbarkeit in sunnitisch-malikitische und zwölferschiitische Kammern in Bahrain.
C. Zwischenergebnis Die nur spärlich besiedelten Scheichtümer der Golfregion erlebten durch die Entdeckung und Förderung ihrer natürlichen Ressourcen zur Mitte des 20. Jahrhunderts einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg. Nach Erreichen der Unabhängigkeit von der britischen Schutzmacht, avancierten vor allem Katar und die VAE (und in geringerem Maße Bahrain) zu Paradebeispielen für die Rentierstaatstheorie. In allen drei Staaten wurden Monarchien mit dynastischen Machtansprüchen durch die zur Zeit der britischen Handelsund Schutzverträge dominierenden Familien errichtet. 484 485 486 487
Al Tamimi, Litigation and arbitration, 11 ff. Al Tamimi, a. a. O., 14 f. Art. 120 f. Verf. VAE 1971. Al-Muhairi, in Kritzer, Legal systems, Vol. IV, 1691 f.
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Kapitel 2 – Rechtshistorischer und rechtspolitischer Kontext
Eine politische Öffnung in diesen autoritären Staaten ist erst ab den 1990er Jahren erkennbar und ging in Bahrain und Katar mit einem Machtwechsel an der Spitze des Staates einher. Ungeachtet der vollzogenen Reformen vereinen die Herrscher aller drei Staaten auch weiterhin weitreichende legislative und exekutive Funktionen in ihrer Person. Freie und allgemeine Wahlen werden lediglich im heterogenen Bahrain abgehalten und sind in jüngster Zeit erneut konfessionellen Konflikten zwischen der sunnitischen Regierung und der mehrheitlich schiitischen Bevölkerung unterworfen. In Katar und den VAE findet eine derartige breite politische Partizipation erst gar nicht statt. Sofern politische und gesellschaftliche Partizipation möglich ist, wird sie von Frauen wie von Männern wahrgenommen. So steigt inzwischen auch die Zahl weiblicher Abgeordneter in den Volksvertretungen der drei Golfstaaten und folgt damit dem allgemeinen Trend stetig wachsender weiblicher Erwerbstätigkeit. Der rasante politische und gesellschaftliche Wandel in Bahrain, Katar und den VAE spiegelt sich ebenfalls in der Entwicklung ihrer Rechtssysteme seit dem späten 19. Jahrhundert wider. Die zunehmende Einflussnahme Großbritanniens, der Zuzug nichtmuslimischer Ausländer in die Golfregion und die wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen an das Rechtswesen veränderten die Rechtssysteme der Golfstaaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts grundlegend. Bis dahin waren nur rudimentäre Merkmale institutionalisierter Rechtssysteme erkennbar, welche sowohl auf tribalem wie auch islamischem Recht basierten. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts vollzogen die Rechtssysteme der Golfstaaten jedoch einen Wandel, der weite Teile der islamischen Welt bereits einige Jahrhunderte zuvor erreicht hatte. Das britische Common Law beeinflusste die unabhängigen Golfstaaten Bahrain, Katar und VAE kaum, so dass alle drei Staaten inzwischen über Civil-Law-Systeme ägyptisch-romanischer Prägung verfügen. Ein Merkmal des Civil Law ist die Kodifikation des Rechts. Im arabisch-islamischen Raum betraf dies auch jene Rechtsgebiete, für die das klassische islamische Recht bereits umfangreiche Regelungen vorsah. Lediglich das Personalstatut war in allen drei Golfstaaten vom Kodifikationstrend lange Zeit unbeeinflusst. Hierdurch unterschieden sich Bahrain, Katar und die VAE deutlich von anderen islamischen Ländern der arabischen Welt, die, wie im vorherigen Kapitel aufgezeigt, bereits ab Mitte des 20. Jahrhunderts auch ihr nationales Familien- und Erbrecht kodifizierten. Die Ausstrahlung und Umsetzung der Kodifikationsidee auf das Familienrecht der Golfstaaten und die damit einhergehenden Debatten in Bahrain, Katar und den VAE sollen im Folgenden genauer dargestellt werden.
Kapitel 3
Reformbedarf und Kodifikationsprozess „Thus at the present time the women of the Gulf are in the anomalous position of enjoying one of the highest standards of living in the world and yet being subject to a law which was developed over a thousand years ago, with the result that their status in law is often inferior to that enjoyed by their own servants.“ Hinchcliffe, in Netton, FS Shaban, 239.
A. Die Rechtslage vor der Kodifikation I.
Ausgangslage der drei Golfstaaten
In den ersten Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit der kleinen arabischen Golfstaaten wurde zwar die Mehrheit der Rechtsgebiete nach europäischem Vorbild kodifiziert, eine gleichläufige Entwicklung im Familienund Erbrecht blieb jedoch aus. Dabei bildeten Bahrain, Katar und die VAE keinesfalls die Ausnahme, sondern folgten vielmehr einem grundsätzlichen Trend in der Golfregion. In der Mehrheit der Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrats gelangte bis in die frühen 2000er Jahre lediglich unkodifiziertes islamisches Familien- und Erbrecht zur Anwendung. Die dualen Strukturen der neu errichteten Gerichtssysteme der arabischen Golfstaaten unterstützten zusätzlich die Abgrenzung von staatlich gesetztem säkularen Recht auf der einen und unkodifiziertem islamischen Recht auf der anderen Seite. Auch die wirtschaftliche Stärke der erdölreichen Golfstaaten begründet die späte Kodifikation des muslimischen Personalstatuts. In der Mehrheit der islamischen Länder diente der staatliche Zugriff auf das religiös inspirierte Familien- und Erbrecht einer Anpassung dieses Rechtsgebiets an sich wandelnde Regelungserfordernisse. In den Rentierstaaten der arabischen Golfregion hingegen wurden die negativen Auswirkungen eines jahrhundertealten Familienrechts lange Zeit durch großzügige staatliche Transferleistungen aufgefangen. Die sozialen Probleme, die beispielsweise das traditionelle islamische Scheidungsrecht in vielen Ländern provozierte, wurden – vor allem in Katar und den VAE – lange Zeit durch staatliche Zuwendungen in Form finanzieller Beihilfen gelöst. Weibliche Erwerbstätigkeit ist in den Golfstaaten nicht höher als in anderen islamischen Län-
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Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess
dern; auch hier stehen viele Frauen nach einer Scheidung ohne männlichen Versorger dar. In den erdölreichen Golfmonarchien konnten die Regierungen es sich indes leisten, nicht das Scheidungsrecht zu reformieren, sondern geschiedenen Frauen und ihren Kindern schlichtweg eine angemessene Unterkunft zu stellen und sie finanziell zu unterstützen.488 In Abwesenheit eines umfassend kodifizierten Personalstatuts gründete die Rechtsprechung in allen drei Staaten auf den einschlägigen Rechtswerken der jeweils dominierenden islamischen Rechtsschule.489 So leitete das malikitische Recht die Rechtsprechung in Fragen des Personalstatuts bahrainischer Sunniten sowie der Muslime in Abu Dhabi und Dubai, während Gerichte in Katar und den kleineren Emiraten der VAE vorrangig hanbalitisches Recht anwandten.490 Für die schiitische Bevölkerung Bahrains gelangte das unkodifizierte zwölferschiitische Recht zur Anwendung. Gleichzeitig waren die Gerichte in Ermangelung eines kodifizierten Personalstatuts nicht verpflichtet, die regional dominierende Rechtsschule oder die Rechtsschule der streitenden Parteien anzuwenden, sondern konnten ebenfalls nach Lösungen aus anderen Rechtsschulen suchen.491 Einzelne Aspekte des muslimischen Personalstatuts waren in Bahrain, Katar und den VAE indes bereits vor der Kodifikation dieses Rechtsgebiets gesetzlich geregelt.492 Im Folgenden wird aufzuzeigen sein, dass diese spezialgeVgl. Möller, Journal of Islamic State Practices in International Law 9.2(2013), 24 f.; für Katar siehe Bergmann/Ferid/Henrich(-Ebert/Hefny), Ehe- und Kindschaftsrecht, Katar, 21 m. w. N.; für die VAE siehe Al Mehairi, The National v. 7.11.2013, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014, sowie die Internetseiten der Sozialämter Dubais und Abu Dhabis, online abrufbar unter: und , letzter Zugriff: 3.2.2014. 489 Für die auf der malikitischen Rechtsschule basierende Rechtsprechung in den VAE siehe beispielsweise Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 15.2.2004, Gesch.-Z. 72/2003; Oberster Bundesgerichtshof der VAE (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 18.6.2006, Gesch.-Z. 241/27; für die Anwendung von hanbalitischem Recht auch auf schiitische Bürger Katars siehe Kassationsgericht Katar (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 6.6.2006, Gesch.-Z. 30/2006; für die VAE siehe auch Al Tamimi, Litigation and arbitration, 14 m. w. N. 490 Krüger geht davon aus, dass das malikitische Recht Abu Dhabis und Dubais vor Kodifikation des Personalstatuts die Rechtsprechung sämtlicher Emirate der VAE grundsätzlich dominierte. Gleichzeitig hielten sich emiratische Gerichte „keineswegs sklavisch an das überkommene malikitische Recht“, wie einzelne Urteile zeigen, Krüger, StAZ 52.3(1999), 66 f. m. w. N. 491 Die Spaltung der bahrainischen Scharia-Gerichte in sunnitische und zwölferschiitische Kammern bildet hierzu die einzige Ausnahme. 492 Zu der bisherigen Rechtslage in Bahrain siehe v. a. Ebert, StAZ 61.4(2008), 104– 106, 117–121; Ebert, GAIR Mitteilungen 3(2011), 123 f.; für die VAE siehe v. a. Krüger, StAZ 52.3(1999), 65–68; Krüger/Stelzer, StAZ 59.2(2006), 58–59; für die gesamten 488
A. Die Rechtslage vor der Kodifikation
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setzlichen Regelungen mehrheitlich Reaktionen der drei Gesetzgeber auf vermeintliche gesellschaftspolitische Missstände darstellen. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen zielten nicht auf eine umfangreiche Reform des Familienrechts, sondern vielmehr auf schnelle Problemlösungen ab. II. Bahrain In Bahrain wurde die zuvor beschriebene Rechtslage, wonach lediglich das klassische islamische Recht einzelner Rechtsschulen anzuwenden ist, durch den Beschluss über die Ordnung der gesetzlich Bevollmächtigten zur Eheschließung (maᵓḏūn šarᶜī, im Folgenden auch Eheschließungsbeamte genannt) aus dem Jahr 2007 (im Folgenden: Ordnung v. 2007) abgewandelt.493 Die Ordnung v. 2007 findet gleichermaßen auf sunnitische und schiitische Staatsbürger Bahrains Anwendung und regelt in erster Linie die Eheschließung und Eheauflösung. Sie ist auch nach Erlass des Familiengesetzbuches in Bahrain weiterhin in Kraft.494 Durch die Ordnung v. 2007 hat der bahrainische Gesetzgeber über das Verfahrensrecht auch in das materielle Eheschließungs- und Scheidungsrecht eingegriffen. Erwähnenswerte Regelungen der Ordnung v. 2007 sind insbesondere die Festsetzung eines Mindestalters für die (Registrierung der) Eheschließung: 15 Jahre für die Frau und 18 Jahre für den Mann495 sowie die Einführung der Registrierung der Verstoßungsscheidung durch den Mann (ṭalāq).496 Gleichzeitig ist hervorzuheben, dass sowohl die Registrierung der Eheschließung wie auch der Verstoßungsscheidung nach der Ordnung v. 2007 lediglich deklaratorisch wirken. Außerdem erlaubt das Gesetz der volljährigen Frau (bāliġa rašīda) ihre Ehe selbstständig zu schließen, sofern sie keinen gesetzlichen Ehevormund (walī šarᶜī) hat.497 Zumindest für die malikitische Rechtsschule stellte dies einen Bruch mit klassischem islamischen Recht dar, welches den Ehevormund auch für die volljährige, arabischen Golfstaaten siehe v. a. Ebert, Personalstatut, 82–88; El Alami/Hinchcliffe, Islamic marriage, 3–32. 493 Verordnung Nr. 45/2007 über die Ordnung der gesetzlich Bevollmächtigten zur Eheschließung und die Bestimmungen über die Beurkundung von Dokumenten im Zusammenhang mit dem Personalstatut [Qarār bi-šaᵓn lāᵓiḥat al-maᵓḏūnīn aš-šarᶜīyīn wa-aḥkām tawṯīq al-muḥarrarāt al-mutaᶜalliqa bi-l-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 23.9.2007/ 11.9.1428, GBl. Nr. 2812 v. 11.10.2007/29.9.1428, 15–25. 494 Die Ordnung v. 2007 ersetzte den zuvor geltenden Ministerialbeschluss Nr. 32/2005 über die Ordnung der gesetzlich Bevollmächtigten zur Eheschließung [Qarār wizārī bi-šaᵓn lāᵓiḥat al-maᵓḏūnīn aš-šarᶜīyīn wa-aḥkām tawṯīq al-muḥarrarāt almutaᶜalliqa bi-l-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 29.10.2005/28.9.1426, GBl. Nr. 2711 v. 2.11.2005/ 30.9.1426, 13–27. 495 Art. 10 Ordnung v. 2007. 496 Art. 14 Ordnung v. 2007. 497 Art. 8 Ordnung v. 2007.
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Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess
aber zuvor unverheiratete Frau als sachliche Voraussetzung der Eheschließung betrachtet.498 Der Ordnung v. 2007 ging bereits ein Gesetz über die gesundheitliche Prüfung von Heiratswilligen499 voraus, welches den maᵓḏūn verpflichtete, im Rahmen der Eheschließung das Nichtvorliegen von Ehehindernissen sowie die vom Gesundheitsministerium ausgestellten Zeugnisse zu prüfen.500 Ferner existierten in Bahrain vor der Kodifikation des Personalstatuts die zuvor bereits erwähnte Prozessordnung der Scharia-Gerichte von 1986 sowie ein Gesetz über die Vermögenssorge (al-wilāya ᶜalā l-māl) aus dem gleichen Jahr.501 III. Katar In Katar gab es vor Kodifikation des muslimischen Personalstatuts neben einem Gesetz über die Vermögenssorge für Minderjährige502 lediglich ein Gesetz, das die Eheschließung zwischen katarischen Staatsangehörigen und Ausländern reglementierte.503 Demnach ist es katarischen Staatsangehörigen, die bestimmte Posten im öffentlichen Dienst bekleiden oder im Ausland studieren, grundsätzlich untersagt, die Ehe mit einem Ausländer zu schließen, der nicht Bürger eines Staates des Golfkooperationsrates ist.504 Auch die Eheschließung von anderen katarischen Staatsangehörigen und Ausländern bedarf der Zustimmung des Innenministeriums und ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.505
Abū Rahīya/Ğabūrī, Fiqh az-zawāğ wa-ṭ-ṭalāq, 43. Gesetz Nr. 11/2004 über die gesundheitliche Prüfung von Heiratswilligen beider Geschlechter [Qānūn al-faḥṣ aṭ-ṭibbī li-l-muqbilayn ᶜalā z-zawāğ min al-ğinsayn] v. 22.1.2004/4.5.1425, GBl. Nr. 2640 v. 23.6.2004/5.5.1425, 7–8. 500 Bergmann/Ferid/Henrich(-Ebert/Hefny), Ehe- und Kindschaftsrecht, Bahrain, 16. 501 Gesetz über die Vermögenssorge [Qānūn bi-šaᵓn al-wilāya ᶜalā l-māl] v. 28.3.1986/17.7.1406, GBl. Nr. 1688 v. 3.4.1986/23.7.1406, 4–22. 502 Gesetz Nr. 40/2004 über die Vermögenssorge für Minderjährige und ihnen gleichgestellte Personen [Qānūn bi-šaᵓn al-wilāya ᶜalā l-amwāl al-qaṣrīn] v. 14.12.2004/ 2.11.1425, GBl. Nr. 2 v. 15.2.2005/6.1.1426, 2–16. 503 Gesetz Nr. 21/1989 über die Ehe mit Ausländern [Qānūn bi-šaᵓn tanẓīm az-zawāğ min al-ağānib] v. 25.12.1989/27.5.1410, GBl. Nr. 16 v. 31.12.1989/2.6.1410, 7–10, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 8/2005 v. 17.3.2005/6.2.1426, GBl. Nr. 5 v. 24.5.2005/ 15.4.1426, 67–68; auch in den VAE stand der Erlass eines solchen Gesetzes immer wieder zur Diskussion, siehe hierzu Dresch, in Dresch/Piscatori, Monarchies & nations, 146 f., 151, 155 f. 504 Art. 1 EheG Katar. 505 Art. 2, 4 EheG Katar. 498 499
A. Die Rechtslage vor der Kodifikation
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IV. Vereinigte Arabische Emirate In den VAE befassten sich bislang zwei Bundesgesetze mit Fragen der Eheschließung. Das Gesetz über die Errichtung des Ehefonds von 1992506 errichtete eine staatlich finanzierte Kasse, die emiratische Männer bei der Eheschließung mit einheimischen Frauen unterstützen soll. Das Gesetz über die Begrenzung der Brautgabe und der Eheschließungskosten von 1997507 beschränkt u. a. den anlässlich der Eheschließung zu zahlenden Teil der Brautgabe auf AED 20.000 sowie den bei Tod des Ehegatten oder Scheidung geschuldeten Teil auf AED 30.000.508 In den VAE wurde zudem bereits im Jahre 1979 ein Entwurf einer umfangreichen Kodifikation des muslimischen Familien- und Erbrechts (im Folgenden: Entwurf v. 1979) erarbeitet.509 Dieser am malikitischen Recht orientierte Entwurf erlangte jedoch nie Gesetzeskraft. Unklar ist, inwieweit der Gesetzesentwurf vor Inkrafttreten des neuen emiratischen Personalstatutsgesetzes im Jahre 2005 als Grundlage von Gerichtsentscheidungen akzeptiert und von den Gerichten zur Urteilsfindung herangezogen wurde.510 Auch scheint der Entwurf v. 1979 in den VAE nicht weiter diskutiert oder fortentwickelt worden zu sein. Ein weiterer Entwurf aus der Zeit zwischen 1979 und dem Inkrafttreten des neuen Personalstatutsgesetzes im Jahre 2005 ist nicht bekannt. In Gesprächen mit Familienrechtsexperten in den VAE fand der Entwurf v. 1979 keine Erwähnung.
506 Bundesgesetz Nr. 47/1992 über die Errichtung des Ehefonds [Qānūn ittiḥādī fī šaᵓn inšāᵓ ṣundūq az-zawāğ] v. 10.12.1992/15.6.1413, GBl. Nr. 246 v. 21.12.1992/26.6.1413, 11–18, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 7/2010 v. 7.10.2010/28.10.1431, GBl. Nr. 513 v. 13.10.2010/5.11.1431, 17–22; für die weitreichenden Aufgaben und Tätigkeiten des Ehefonds siehe Dresch, in Dresch/Piscatori, Monarchies & nations, 147 ff., 151 ff. Auch in Katar wurde zeitweise über die Errichtung eines solches Ehefonds diskutiert, siehe hierzu Šurbağī, ar-Rāya v. 5.3.2009, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 507 Bundesgesetz Nr. 21/1997 über die Begrenzung der Höhe der Brautgabe und der Ausgaben für die Eheschließung [Qānūn ittiḥādī fī šaᵓn taḥdīd al-mahr fī ᶜaqd az-zawāğ wa-mašārīfuhu] v. 21.12.1997/21.8.1418, GBl. Nr. 312 v. 31.12.1997/2.9.1418, 43–45. 508 Art. 1 BrautgabeG VAE. 509 Entwurf eines Bundesgesetzes über das Personalstatut v. 1979 [Mašrūᶜ qānūn ittiḥādī li-sana 1979 bi-iṣdār qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya]; mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Hans-Georg Ebert für die Bereitstellung des Gesetzesentwurfes. 510 Ebert geht davon aus, dass der Entwurf v. 1979 zumindest in den malikitisch-dominierten Emiraten Abu Dhabi und Dubai als Rechtsquelle herangezogen wurde, Ebert, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 89; der Verfasserin liegen zumindest keine emiratischen Urteile aus der Zeit vor 2005 vor, in denen explizit auf den Gesetzesentwurf Bezug genommen wird.
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Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess
V. Zusammenfassung Die bahrainische Ordnung v. 2007 zielte vorrangig auf eine Formalisierung familienrechtlicher Vorgänge ab. Durch eine, wenngleich nur deklaratorisch wirkende, Registrierungspflicht für Eheschließungen und Eheauflösungen sollte eine stärkere staatliche Kontrolle des Personenstandes gewährleistet werden. Die Einführung eines Mindestalters zur Registrierung der Eheschließung bot dem bahrainischen Gesetzgeber dabei zugleich die Möglichkeit, ein Ehemindestalter im Verfahrensrecht zu „verstecken“ und dieses mithin keiner breiten öffentlichen Diskussion über die Zulässigkeit eines solchen im Gesamtgefüge des islamischen Familienrechts auszusetzen. Die spezialgesetzlichen Regelungen aus Katar und den VAE sind vor allem unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Stärke der Golfstaaten zu verstehen. Das emiratische Gesetz über die Errichtung des Ehefonds und das Gesetz über die Begrenzung der Brautgabe und der Eheschließungskosten waren in erster Linie pragmatische Reaktionen auf die zum Teil exorbitant hohen Kosten der Eheschließung zwischen Einheimischen in den VAE.511 Das katarische Gesetz über die Eheschließung mit Ausländern aus dem Jahre 1989 zielt vermutlich darauf ab, die Inanspruchnahme der großzügigen staatlichen Transferleistungen auf ausschließlich katarische Ehen bzw. Familien sowie den Zuzug von Ausländern zu begrenzen. Vor dem Hintergrund dieser bruchstückhaften gesetzgeberischen Reaktionen auf familienrechtliche Vorgänge bzw. Missstände, erscheint es nicht verwunderlich, dass Forderungen nach einer ganzheitlichen Vision für das Familienrecht der arabischen Golfstaaten erwuchsen. Für zahlreiche staatliche wie auch nichtstaatliche Akteure in Bahrain, Katar und VAE führte der Weg zur Reform des muslimischen Personalstatuts über die Kodifikation desselbigen. Im Folgenden soll daher untersucht werden, welche Akteure und Diskurse den Kodifikationsprozess prägten und in welchem Rahmen die zu untersuchenden Gesetzbücher erarbeitet wurden.
B. Der Kodifikationsprozess in den Golfstaaten I.
Grundsätzliches
Wie die Ausführungen in den vorherigen Kapiteln aufzeigen, ist die Auslegung des unkodifizierten islamischen Rechts vorrangig das Monopol islamischer Rechtsgelehrter. Der Staat benötigt ihre Legitimation, um in 511 Vgl. hierzu auch die Ausführungen des Kassationsgerichts Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 10.12.2000, Gesch.-Z. 57/2000; für die gesellschaftspolitische Problematik der hohen Eheschließungskosten in den VAE siehe u. a. Bristol-Rhys, Anthropology of the Middle East 2.1(2007), 20–36; Singermann, Economic imperatives.
B. Der Kodifikationsprozess in den Golfstaaten
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das religiöse Recht einzugreifen.512 In dem Moment, in dem der Staat kodifiziert, gewinnt er jedoch einen gewissen Grad an Deutungshoheit über das islamische Recht. Die Autorität, das Recht fortzuentwickeln, geht durch Kodifikation auf den Staat über. Auf dem Gebiet des Familienrechts erlangt der Staat durch Kodifikation zusätzlich die Möglichkeit, einen sehr privaten Bereich des gesellschaftlichen Lebens zu beeinflussen und zu steuern.513 In den meisten islamischen Ländern erfolgte diese Entwicklung bereits im 20. Jahrhundert; in den arabischen Golfstaaten deutlich später. Dennoch weisen die Kodifikationsdebatten in Bahrain, Katar und den VAE zahlreiche Parallelen zu anderen islamischen Ländern auf. Im Folgenden gilt es daher auch zu überprüfen, ob sich die Forschungsergebnisse zu den Reformdebatten im Familienrecht anderer islamischer Länder auf die drei Golfmonarchien übertragen lassen. Die 1990er Jahre waren in vielen islamischen Ländern von politischer Liberalisierung und einem Erstarken der Zivilgesellschaft geprägt. Dadurch änderten sich auch die an Reformdebatten zum islamischen Familienrecht beteiligten Akteure.514 Während die Kodifikation des islamischen Familienrechts zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch ausschließlich zwischen Regierungsvertretern und religiösen Rechtsgelehrten ausgehandelt wurde, nahmen ab den 1990er Jahren verstärkt Frauenrechtsaktivisten an den Reformdebatten teil.515 In zahlreichen islamischen Ländern trug der Aktivismus von Frauenrechtsorganisationen dazu bei, das nationale Familienrecht nachhaltig zu reformieren. Von großer Bedeutung für diese „Reformbestrebungen von unten“ war dabei die Internationalisierung, die die Debatten über das religiös geprägte Familienrecht durch die UN-Frauenrechtskonvention erfuhren. Die Bestimmungen der UN-Frauenrechtskonvention, die die Mehrheit der islamischen Länder inzwischen ratifiziert hat, berühren auch das nationale Familienrecht. Auf der einen Seite verhindern die vertragsbasierten Kontrollmechanismen, dass Signatarstaaten ihr Familienrecht als interne Angelegenheit einer öffentlichen, internationalen Diskussion entziehen. Auf der anderen Seite sind Frauenrechtsorganisationen in islamischen Ländern inzwischen international vernetzt und finden auch auf Ebene der Vereinten Nationen Unterstützung für ihre Forderungen.516 Diese „Reformen von unten“ sollen im Folgenden den staatlichen
512 513 514 515 516
Vgl. Peters, in Roberson, Islamic reformation, 90. Vgl. Welchman, in Sonbol, Gulf women, 371. Moors, ILS 10.1(2003), 1 f. Balchin, in Anwar, Wanted, 212 ff.; Moors, a. a. O., 4, 7 ff. Welchman, in Hefner, New Cambridge history, Vol. VI, 415 f., 418 f.
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Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess
Bemühungen um eine Kodifikation des Familienrechts – den „Reformen von oben“ – in Bahrain, Katar und den VAE gegenübergestellt werden.517 II. Reformen von unten: Kodifikationsbestrebungen und -debatten 1. Katar und Vereinigte Arabische Emirate a) Gemeinsamkeiten Sowohl in den VAE als auch in Katar gibt es weiterhin keine nichtstaatlichen Frauenrechtsorganisationen. Es gibt in beiden Golfstaaten jedoch die offiziellen, staatlichen Frauenverbände,518 die eine Kodifikation des Personalstatuts unterstützten. Die zwei Organisationen sind ähnlich aufgebaut und arbeiten eng mit dem jeweiligen Herrscherhaus zusammen; dem katarischen Obersten Rat für Familienangelegenheiten (Supreme Council for Family Affairs, SCFA) steht die Ehefrau des ehemaligen und Mutter des im Jahre 2013 ernannten katarischen Emirs vor; der emiratische Allgemeine Frauenverband (General Women’s Union, GWU) wird von der Ehefrau des verstorbenen ersten Präsidenten der VAE geführt. Beide Organisationen unterstützten eine Kodifikation des Familien- und Erbrechts in den 2000er Jahren. Dabei nutzten sie vor allem ihre enge Verbindung zu den Herrscherhäusern, um für Reformen zu werben.519 Sowohl in Katar als auch den VAE gab es indes keine breiten öffentlichen Kampagnen oder gar Demonstrationen für Reformen des Familienrechts. Hierin liegt das zentrale Unterscheidungsmerkmal zwischen der Entstehungsgeschichte der neuen Gesetzbücher in Katar und den VAE auf der einen Seite und den kontroversen Debatten in Bahrain auf der anderen Seite, auf die im Folgenden detaillierter einzugehen sein wird.
Die Ausführungen der folgenden Abschnitte basieren in weiten Teilen auf Interviews und persönlichen Gesprächen, die die Verfasserin mit insgesamt 15 am Kodifikationsprozess beteiligten Akteuren in Bahrain, Katar und den VAE im Frühjahr 2012 sowie im Januar 2013 führte. Ursprünglich war geplant, halbstrukturierte Leitfadeninterviews mit den jeweiligen Gesprächspartnern durchzuführen. Dies war jedoch nur vereinzelt möglich. Mehrheitlich wurden offene Gespräche geführt. Aufgrund der Sensibilität des Themas, die auch den politischen Umständen geschuldet ist, hat sich die Verfasserin gegen eine namentliche Kenntlichmachung ihrer Gesprächspartner entschieden. Es werden daher lediglich die Funktionen der befragten Personen angegeben. Zu den Gesprächspartnern zählten u. a. Familienrichter, Rechtsanwälte, Mitarbeiter lokaler Frauenrechtsorganisationen sowie Abgeordnete des bahrainischen Unterhauses (Mağlis an-Nuwwāb). 518 Der Supreme Council for Family Affairs in Katar und die General Women’s Union in den VAE, vgl. die Ausführungen in Kapitel 2 A.IV. 519 Freedom House, Women’s rights, 72. 517
B. Der Kodifikationsprozess in den Golfstaaten
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b) Vereinigte Arabische Emirate Ungeachtet des vergleichsweise frühen ersten Gesetzesentwurfes aus dem Jahre 1979 ruhte die Diskussion über ein kodifiziertes muslimisches Personalstatut in den VAE lange Zeit. Ein staatlich gesetztes Familienrecht wurde auch von emiratischen Frauenrechtsvertretern in den ersten Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit als nicht dringlich betrachtet.520 Zudem erschwerte der Föderalismus den Gesetzgebungsprozess.521 Fragen des Personalstatuts fallen in den VAE grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Emirate.522 Erst der zum Ende des 20. Jahrhunderts verstärkt spürbare gesellschaftliche Wandel in den VAE, so u. a. der Zuzug zahlreicher Ausländer und die wachsende Bedeutung der Kernfamilie gegenüber größeren tribalen Verbänden, ließ die Notwendigkeit einer Reform des Familienrechts deutlich werden.523 Vertreter der emiratischen GWU nannten vor allem die Rechtsunsicherheit aufgrund der zahlreichen ausländischen Richter unterschiedlicher Prägung und Ausbildung als Grund für ihre Forderung nach einem staatlich gesetzten Familienrecht. Darüber hinaus wurden die unterschiedlichen islamischen Rechtsschulen, die in den einzelnen Emiraten dominieren, als problematisch erachtet. Gerade Eheschließungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Rechtsschulen, aber auch zwischen unterschiedlichen Nationalitäten führten in der Zeit vor der Kodifikation oftmals zu Problemen mit Blick auf das anwendbare Recht. Durch die Kodifikation des Personalstatuts erhoffte sich die GWU die Schaffung einer einheitlichen Grundlage für die Rechtsprechung im Familienrecht.524 Gleichzeitig wünschte sich der Frauenverband eine Kodifikation, die es Richtern erlaubte, auch solche Regeln des islamischen Rechts anzuwenden, die keine Aufnahme in das Gesetzbuch gefunden hatten, sofern diese für die Falllösung vorteilhaft erscheinen.525 Mit Ausnahme der in den VAE in besonderem Maße vertretenen unterschiedlichen Rechtsschulen, können die vorgenannten Punkte auch als Beweggründe für eine Kodifikation des Personalstatuts in Katar gewertet werden. 520 So die Vorstandsassistentin für Ausschüsse und Aktivitäten der GWU im persönlichen Gespräch, Abu Dhabi, VAE, 7.2.2012. 521 Ebd.; siehe auch Ebert, Personalstatut, 85; Hasso, Consuming desires, 58. 522 Art. 120, 121 Verf. VAE 1971 zählen die Angelegenheiten, in denen die Föderation die legislative Gewalt ausübt, abschließend auf. Das Personalstatut ist nicht aufgelistet; vgl. Ebert, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 89; Hasso, a. a. O., 141. 523 So die Vorstandsassistentin für Ausschüsse und Aktivitäten der GWU im persönlichen Gespräch, Abu Dhabi, VAE, 30.1.2012 und 7.2.2012. 524 Vgl. Hasso, Consuming desires, 135 f. 525 So die Vorstandsassistentin für Ausschüsse und Aktivitäten der GWU und weitere Mitarbeiterinnen der GWU im persönlichen Gespräch, Abu Dhabi, VAE, 30.1.2012.
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Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess
2. Bahrain a) Debatten seit den 1980er Jahren In Bahrain existieren neben staatlichen auch nichtstaatliche Frauenrechtsorganisationen. Überdies ist die bahrainische Zivilgesellschaft traditionell aktiver als die katarische und die emiratische. Insofern wurden auch die Debatten über eine mögliche Kodifikation des Personalstatuts unter breiterer gesellschaftlicher Beteiligung geführt. So wurden erste Forderungen nach einem staatlich gesetzten Familienrecht bereits in den frühen 1980er Jahren laut.526 Mit der Inthronisierung des gegenwärtigen Königs Hamad b. Isa Al Khalifa, der sich als Reformer präsentierte, sahen die Befürworter von Familienrechtsreformen ab den späten 1990er Jahren neue Chancen, ihren Forderungen stärkeres Gehör zu verleihen.527 Die Kampagnen für eine Kodifikation des Personalstatuts wurden intensiviert. Durch die Gründung des staatlichen Obersten Frauenrats (Supreme Council for Women, SCW)528 im Jahre 2001 bekräftigte der König sein Interesse an einer verbesserten rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung der Frau in Bahrain.529 Nichtstaatliche Aktivisten hofften nun, ihre Forderungen in dem breiteren Kontext der gesellschaftlichen Modernisierung Bahrains darstellen zu können.530 Im Jahre 2002 wurde ein Zusammenschluss bahrainischer Frauenrechtsaktivisten gegründet, dessen vorrangiges Ziel der Erlass eines Familiengesetzbuches war. Das Women’s Petition Committee (Lağnat alᶜArīḍa an-Nisāᵓīya, WPC) unter Vorsitz von Ghada Jamsheer sollte fortan zu den aktivsten und kreativsten Unterstützern der Kodifikation gehören. b) Erste Gesetzesinitiativen in den 2000er Jahren Die frühen 2000er Jahre waren in Bahrain von einer breiten öffentlichen Diskussion über die gesellschaftliche Rolle und den rechtlichen Status der 526 So die Vorsitzende der BWU im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 15.1.2013; vgl. auch Freedom House, Women’s rights Kuwait/Bahrain (practical part), 18; Ḥāfiẓ, al-Ḫalīğ v. 22.2.2009, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; Hamada, The WIP v. 27.8.2007, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; Kinninmont, Journal of Arabian Studies 1.1(2011), 55; Russel Jones, God’s law, 27 f., 131 ff. 527 Kinninmont, a. a. O., 55; Russel Jones, a. a. O., 28 f. 528 Al-Mağlis al-Aᶜlā li-l-Marᵓa, , letzter Zugriff: 3.2.2014. 529 Laut einer Abgeordneten des bahrainischen Unterhauses war die Gründung des SCW im Jahre 2001 der entscheidende Moment, in dem deutlich wurde, dass Rechtsreformen zugunsten von Frauen, u. a. durch eine erstmalige Kodifikation des Familienrechts, unter dem neuen bahrainischen König grundsätzlich möglich seien, im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 16.1.2013. 530 Kinninmont, Journal of Arabian Studies 1.1(2011), 56; Russel Jones, God’s law, 29.
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Frau geprägt. Verschiedene Gruppen erarbeiteten Entwürfe für eine Kodifikation des Personalstatuts. Hierzu zählten neben dem SCW auch Rechtsanwender, vor allem sunnitische und schiitische Familienrichter. Diese befürworteten jedoch mehrheitlich zwei getrennte Familiengesetzbücher für die Sunniten und Schiiten Bahrains. Der SCW unterstützte demgegenüber eine umfassende Kodifikation für alle Staatsbürger, die nur in Einzelfragen531 zwischen den Konfessionen unterscheiden sollte. Im Jahre 2002 stellte das bahrainische Justizministerium erstmals ein offizielles Komitee zur Erarbeitung eines Gesetzesentwurfes zusammen. Neben Richtern beider Kammern des Familiengerichts waren auch Vertreter des SCW sowie Anwältinnen in dem Komitee vertreten. Nichtstaatliche Akteure waren indes nicht an der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs beteiligt.532 Als Ergebnis der Kommissionsarbeit wurde im Herbst 2003 der erste Entwurf eines gemeinsamen Familiengesetzbuches für bahrainische Sunniten und Schiiten in den Medien vorgestellt. Der SCW schien seine Forderung nach einer umfassenden Kodifikation für beide Konfessionen durchgesetzt zu haben. Die Veröffentlichung des Gesetzesentwurfes löste jedoch eine enorme Kontroverse aus. Vor allem schiitische Rechtsgelehrte lehnten ein einziges Gesetzbuch für beide Konfessionen ab. Der Entwurf wurde zurückgezogen und der damalige Justizminister in Folge des Scheiterns des Gesetzesvorhabens entlassen.533 c) Missstände und öffentliche Kritik Nachdem sich die Regierung zunächst aus den Kodifikationsdebatten zurückzuziehen schien, intensivierte sich die Arbeit nichtstaatlicher Akteure. Vor allem das WPC forderte weiterhin die Kodifikation des Personalstatuts für sämtliche Staatsbürger Bahrains. Dabei stellten sie vor allem auf die Missstände ab, die in bahrainischen Gerichten durch die Anwendung von unkodifiziertem islamischen Recht und dessen Interpretation durch religiöse Familienrichter entstanden. Während der staatliche SCW vor allem auf Neben dem Erbrecht, das von der Kodifikation jedoch nicht erfasst wurde, liegt ein zentraler Unterschied zwischen sunnitischem und schiitischem Familienrecht in der, nach schiitischer Lehre zulässigen, nach sunnitischer Aufassung aber verbotenen sog. Zeitehe (arab. mutᶜa, pers. ṣīġe). Weitere Unterschiede des schiitischen gegenüber dem sunnitischen Familienrecht sind die niedrigeren Altersgrenzen für die weibliche Personensorge nach einer Scheidung der Elternteile sowie die Bevorzugung der väterlichen Linie bei der Vergabe der Personensorge. 532 Russel Jones, God’s law, 192 ff.; Welchman, in Sonbol, Gulf women, 373 f.; für einen kursorischen Überblick der Kodifikationsdebatten, Gesetzesentwürfe und beteiligten Akteure zwischen 1982 und 2009 siehe außerdem Ḥāfiẓ, al-Ḫalīğ online v. 22.2.2009. 533 Russel Jones, a. a. O., 29 f.; Welchman, Muslim family laws, 22 f. 531
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informelle Lobbyarbeit innerhalb der Regierungskreise setzte,534 nutzte das WPC ganz bewusst die breite Öffentlichkeit, um die Dringlichkeit von Familienrechtsreformen aufzuzeigen. So organisierte das WPC u. a. Demonstrationen vor den Familiengerichten. Außerdem kritisierten sie die mangelnde fachliche Qualifikation der Familienrichter, in deren Ernennungen sie vorrangig politische Geschenke sahen. Ferner machte das WPC auf besonders willkürliche Gerichtsurteile aufmerksam, indem die Mitarbeiter gemeinsam mit den betroffenen Frauen Fernseh- und Zeitungsinterviews gaben.535 Durch derart offene und kritische Angriffe auf die bahrainische Justiz gerieten das WPC und dessen Vorsitzende Ghada Jamsheer verstärkt unter Druck durch die bahrainische Regierung. Jamsheer wurde mehrmals wegen Verleumdung angeklagt und steht unter permanenter Überwachung in Bahrain.536 Die vom WPC kritisierten Probleme, die in Ermangelung eines kodifizierten Personalstatuts entstanden, sind in Bahrain vielfach thematisiert worden.537 Studien belegen zum einen die Vielzahl an Fällen, mit denen bahrainische Familiengerichte betraut sind538 und zum anderen die Länge der Prozesse.539 Ein weiteres Problem ist die mangelnde Vertrautheit der religiös ausgebildeten Familienrichter mit staatlich gesetztem Prozessrecht.540 Russel Jones, a. a. O., 211 ff. Russel Jones, a. a. O., 144; Women Living under Muslim Laws (WLUML), online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; Women’s Petition Committee (WPC), online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; WPC, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 536 Front Line Defenders, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; Russel Jones, a. a. O., 170; WLUML, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; WLUML, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 537 Die Vorsitzende der BWU äußerte im persönlichen Gespräch eine ähnliche Kritik an der Praxis bahrainischer Familiengerichte, Manama, Bahrain, 15.1.2013. 538 Bahrain hat eine Einwohnerzahl von knapp über einer Million. Pro Tag werden zwischen fünfzehn und zwanzig Fälle, pro Jahr zwischen 3.500 und 5.000 Fälle vor bahrainischen Familiengerichten verhandelt, vgl. Freedom House, Women’s rights Kuwait/Bahrain (practical part), 17. 539 In 18 % aller Scheidungsanträge durch die Ehefrau vergehen bis zu drei Jahre bevor ein Urteil ergeht, in 32 % aller Fälle sogar fünf bis acht Jahre (bis zu einem Jahr: 40 %, bis zu fünf Jahre: 8 %, bis zu zehn Jahre: 2 %) (Untersuchungszeitraum: 1997– 2006); vgl. Al-Ittiḥād an-Nisāᵓī al-Baḥraynī, Marᵓa baḥraynīya, 12, 69. 540 Al-Ittiḥād an-Nisāᵓī al-Baḥraynī, a. a. O., 71; Freedom House, Women’s rights Kuwait/Bahrain (practical part), 17. 534 535
B. Der Kodifikationsprozess in den Golfstaaten
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Eine vom SCW in Auftrag gegebene Umfrage aus den Jahren 2004/2005 belegte überdies, dass die Mehrheit der bahrainischen Bevölkerung eine Kodifikation des Personalstatuts befürwortete.541 Ungeachtet der Kontroverse, die der erste öffentliche Gesetzesentwurf ausgelöst hatte, entsprach es also weiterhin dem Mehrheitswillen in Bahrain, ein Familiengesetzbuch zu erlassen. Die Regierung musste die Kodifikationsarbeit erneut aufnehmen. Neben dem WPC unterstützten auch der staatliche SCW sowie der bahrainische Frauenverband (Bahrain Women’s Union, BWU) die Arbeit der Regierung an einem neuen Gesetzesentwurf seit 2005. Dabei stellten die Verbände neben den Missständen innerhalb Bahrains Familiengerichtssystem auch auf die internationalen Vertragsverpflichtungen ab, die das Königreich durch seine Unterzeichnung der UN-Frauenrechtskonvention im Jahre 2002 eingegangen sei.542 Obgleich nach der Umfrage des SCW mehr als die Hälfte der Befragten eine einheitliche Kodifikation des Personalstatuts für Sunniten und Schiiten in Bahrain befürwortete, sollte ein solches Gesetzbuch in den kommenden Jahren am Widerstand der islamischen Rechtsgelehrten und an den konfessionellen Spannungen in Bahrain scheitern. d) Lobbyarbeit und öffentlicher Diskurs Neben Workshops, Seminaren und Vorträgen fand im Rahmen der Lobbyarbeit des SCW auch eine öffentliche Demonstration für die Kodifikation des Familienrechts in Bahrain statt. Obwohl die Kampagnen des SCW gut organisiert und durch die Regierung großzügig finanziert wurden, schaffte sie es nicht, die breite Bevölkerung anzusprechen. Der lang geplanten Demonstration mehrerer hundert Frauen für ein staatliches Familiengesetzbuch stand im November 2005 eine spontane, schiitisch dominierte Kundgebung von mehreren zehntausend Teilnehmern gegenüber.543 Das bahrainische Königshaus schien die Polarisierungskraft des Familienrechts im konfessionell gespaltenen Bahrain unterschätzt zu haben. Vor allem schiitische Geistliche sahen in dem Vorstoß der sunnitischen Regierung, das Familienrecht auch für die schiitische Bevölkerungsmehrheit abschließend zu bestimmen, einen Angriff auf ihre religiöse Autorität. Schiitische 541 73,7 % der gesamten Befragten sprachen sich für eine Kodifikation aus. 97 % befürworteten ein Gesetzbuch, das seinen Ursprung im islamischen Recht findet, und 45,9 % der Befragten unterstützten die Erarbeitung eines Entwurfs durch islamische Rechtsgelehrte beider Konfessionen. 34,6 % wünschten sich ein einziges Gesetzbuch für beide Konfessionen, das in ausgewählten Bereichen zwischen Sunniten und Schiiten unterscheidet, 30,1 % lehnten solche Unterscheidungen gänzlich ab und 29,8 % befürworteten zwei getrennte Gesetzbücher für Sunniten und Schiiten; vgl. Freedom House, a. a. O., 22; Welchman, in Sonbol, Gulf women, 376 f. 542 Mayer, in Akbarzadeh/MacQueen, Islam and human rights, 22 f.; Russel Jones, God’s law, 168 ff. 543 Kinninmont, Journal of Arabian Studies 1.1(2011), 55; Russel Jones, a. a. O., 33.
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Imame riefen in ihren Predigten gegen die Kodifikation und Einmischung des Könighauses in den letzten Bereich schiitischer Autonomie auf. Die zum Teil wirtschaftlich und politisch benachteiligten schiitischen Bürger Bahrains folgten diesem Aufruf, unter ihnen auch zahlreiche Frauen.544 Dabei wurde schnell deutlich, dass vielen Kodifikationsgegnern gar nicht bewusst war, wie das neue Familienrecht ausgestaltet sein würde. Im Vordergrund der Proteste standen die konfessionellen Konflikte, nicht der Gesetzesentwurf selbst.545 Gleichzeitig war diese Spaltung der bahrainischen Gesellschaft von direktem Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess, wie im Folgenden noch aufzuzeigen sein wird. 3. Internationale Verträge als neue Referenzrahmen a) Grundsätzliches Der bahrainische König und der katarische Emir sind grundsätzlich befugt, internationale Verträge eigenständig abzuschließen. Dem Parlament bzw. Konsultativrat muss der Vertragsabschluss lediglich angezeigt werden. Nach ihrer Ratifikation sowie Veröffentlichung im amtlichen Gesetzblatt werden völkerrechtliche Verträge sodann automatisch Bestandteil der nationalen Rechtsordnung.546 Einem gemäßigten Dualismus folgen Bahrain und Katar indes hinsichtlich solcher völkerrechtlichen Verträge, die die „öffentlichen oder privaten Rechte der Bürger“ (ḥuqūq al-muwāṭinīn alᶜāmma aw al-ḫāsa) berühren. Diese bedürfen eines Transformationsaktes, damit sie im nationalen Rechtsraum vollzogen werden können.547 Weder die bahrainische noch die katarische Verfassung bestimmen explizit den Rang internationaler Verträge innerhalb ihrer nationalen Rechtsordnungen. Es kann aber davon ausgegangen werde, dass solche Verträge, die eines Transformationsaktes bedürfen, um im nationalen Rechtsraum zur Anwendung zu gelangen, den gleichen Rang wie das sie in Vollzug setzende einfache Gesetz haben. Die im Zentrum der folgenden Ausführungen stehende UN-Kinderrechts- und UN-Frauenrechtskonvention sind in Form einfacher Nach Aussage einer weiblichen, schiitischen Abgeordneten des bahrainischen Unterhauses folgten zahlreiche schiitische Frauen unter dem Druck ihre Ehemänner den Aufrufen der schiitischen Geistlichen, die die Kodifikation vehement ablehnten. Zahlreiche Frauen, die grundsätzlich Reformen auf dem Gebiet des Familienrechts befürworteten, wagten es nicht, diese Forderung auch gegen den Widerstand ihrer Ehemänner und religiösen Führer zu verteidigen, im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 16.1.2013. 545 Kinninmont, Journal of Arabian Studies 1.1(2011), 55 f., 62 ff. 546 Art. 37 Abs. 1 Verf. Bahrain 2002; Art. 68 Verf. Katar 2005. 547 Art. 37 Abs. 2 Verf. Bahrain 2002; Art. 68 Verf. Katar 2005; zu den Lehren des Monismus und Dualismus im Verhältnis von Völkerrecht und nationalem Recht grundsätzlich siehe Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 173−188 m. w. N. 544
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Gesetze angenommen worden und binden insofern nicht nur die zwei Golfstaaten selbst, sondern können auch vor den nationalen Gerichten Bahrains und Katars geltend gemacht werden. Die emiratische Verfassung schweigt zu der Frage des Ranges und des Geltungsgrundes von internationalen Verträgen innerhalb der nationalen Rechtsordnung. Gleichzeitig fordert die Verfassung die einzelnen Emirate auf, die jeweils erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sowohl Bundesgesetze als auch die von den VAE abgeschlossenen internationalen Abkommen und Verträge auszuführen.548 Somit entsteht der Eindruck, dass jedes der sieben Emirate der VAE autonom entscheiden kann, ob es einem monistischen oder einem dualistischen Ansatz folgt und, ob es eines Transformationsaktes bedarf, damit völkerrechtliche Normen Bestandteil der eigenen Rechtsordnung werden. Die Frage nach der monistischen oder dualistischen Ausrichtung der VAE kann an diesem Punkt aber insoweit unbeantwortet bleiben, als die folgenden Abschnitte nicht die Einklagbarkeit von Rechten aus internationalen Verträgen vor nationalen Gerichten oder die Vereinbarkeit von nationalem und internationalem Recht in den arabischen Golfstaaten behandeln. Vielmehr sollen die neuen Referenzrahmen aufgezeigt werden, die durch die Ratifikation der UN-Kinderrechts- und der UN-Frauenrechtskonvention für die innerstaatlichen Kodifikationsprozesse in Bahrain, Katar und den VAE geschaffen wurden. b) UN-Kinderrechtskonvention Die UN-Kinderrechtskonvention (CRC)549 hat im Vergleich zu anderen internationalen Menschenrechtsverträgen den wahrscheinlich größten Zuspruch innerhalb der Staatengemeinschaft gefunden. In weniger als einem Jahr nach Verabschiedung der Konvention waren die nötigen Ratifikationen für ein Inkrafttreten erfolgt.550 Selbst Staaten wie Pakistan und Saudi-Arabien, sonst eher zögerlich in der Ratifikation internationaler Menschenrechtsverträge, sind der UN-Kinderrechtskonvention beigetreten. Inzwischen haben mit Ausnahme Somalias, des Südsudans und der USA sämtliche UN-Mitgliedstaaten die Konvention ratifiziert.551 Die UNKinderrechtskonvention bestimmt sowohl bürgerliche und politische als Art. 125 Verf. VAE 1971. Übereinkommen über die Rechte des Kindes (engl. Convention on the Rights of the Child, CRC), angenommen am 20.11.1989 durch die Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 44/25, dt. Fassung abgedruckt in BGBl. II 1992, 122–144. 550 Fottrell, in Fottrell, Children’s rights, 1. 551 Stand der Ratifzierungen online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 548 549
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auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Gemäß Art. 1 CRC verpflichten sich die Mitgliedstaaten, die in der Konvention formulierten Rechte sämtlichen sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhaltenden Menschen, die das 18. Lebensjahr nicht vollendet haben, zu gewähren.552 Bahrain, Katar und die VAE ratifizierten die UN-Kinderrechtskonvention bereits in den 1990er-Jahren.553 Bahrain trat der Konvention zudem vorbehaltslos bei. Katar gab bei Ratifikation zunächst einen weitreichenden Vorbehalt ab,554 nach dem die Regelungen der Konvention lediglich zur Anwendung gelangen würden sofern sie nicht im Widerspruch zum islamischen Recht stünden. Im Jahre 2009 wurde dieser Vorbehalt auf Art. 2 CRC (Ziel und Zweck der Konvention) und Art 14 CRC (Religions- und Gewissensfreiheit) beschränkt. Auch die VAE behalten sich unter Berufung auf das islamische Recht u. a. die Nichtanwendung des Art. 14 CRC vor. Zentraler Aspekt der UN-Kinderrechtskonvention für die familienrechtlichen Kodifikationsprozesse in den drei arabischen Golfstaaten ist der Begriff des Kindeswohls. Diesem ist zum einen der gesamte Art. 3 CRC gewidmet, der bestimmt, dass bei allen öffentlichen und privaten Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Kindeswohl als vorrangiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Überdies prägt der Begriff des Kindeswohls zahlreiche weitere Normen der UN-Kinderrechtskonvention und nimmt somit als wesentlicher Bewertungsmaßstab eine besondere Position innerhalb der
552 Eine Ausnahme hierzu bilden nur solche Staaten, deren nationales Recht eine Volljährigkeit bereits vor dem 18. Lebensjahr normiert. 553 Jahr der Ratifikation: Bahrain 1992, Katar 1995, VAE 1997; für den Geltungsgrad und die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in der muslimischen Welt allgemein siehe u. a. Hashemi, Religious legal traditions, 215–257. 554 Vorbehalte zu multilateralen internationalen Verträgen sind schriftlich formulierte, einseitig abgegebene Erklärungen eines Signatarstaates, die bezwecken, einzelne Vertragsbestimmungen auszuschließen bzw. abzuändern, und dadurch die rechtliche Bindung einer Vertragspartei zu begrenzen; vgl. Art. 2(d) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK), dt. Fassung abgedruckt in BGBl. II 1985, 927–960. Vorbehalte müssen grundsätzlich beim Generalsekretär der Vereinten Nationen eingereicht und gegenüber allen weiteren Vertragsparteien bekannt gemacht werden. Internationale Menschenrechtsverträge erlauben regelmäßig die Abgabe von Vorbehaltserklärungen, um eine höhere Anzahl an Mitgliedstaaten zu erreichen. Dabei ist die Grundidee von Vorbehalten, dass diese es einem Staat ermöglichen, sein nationales Recht graduell den Vertragsbestimmungen anzupassen und nicht durch gegensätzliches innerstaatliches Recht eine völkerrechtliche Vertragsverpflichtung zu brechen. Dass bei Ratifikation eingereichte Vorbehalte tatsächlich aufgrund eines reformierten nationalen Gesetzes zurückgezogen werden, kommt in der Praxis jedoch selten vor; für die Vorbehalte muslimischer Staaten zur UN-Kinderrechtskonvention siehe Sait, in Fottrell, Children’s rights, 33−35; für Vorbehalte zur UN-Frauenrechtskonvention unter Berufung auf islamisches Recht siehe auch die Nachweise in Fn. 565.
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Konvention ein.555 In diesem Punkt ist auch die Ausstrahlung der UNKinderrechtskonvention auf das kodifizierte Familienrecht Bahrains, Katars und der VAE deutlich erkennbar. Wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, durchzieht der Begriff des Kindeswohls fortan auch das kodifizierte Kindschaftsrecht der drei arabischen Golfstaaten.556 c) UN-Frauenrechtskonvention aa) Ratifikation und Vorbehalte In den frühen 2000er Jahren unterzeichneten Bahrain, Katar und die VAE auch die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW).557 Im Fall von Bahrain (2002) und den VAE (2004) erfolgte die Ratifikation noch vor der Kodifikation des Familienrechts. Katar trat der Konvention 2009 bei. Die in den späten 1960er Jahren entworfene und im Jahre 1979 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene UN-Frauenrechtskonvention hat im Gegensatz zu den zwei großen Menschenrechtspakten, welche politische und bürgerliche sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte allgemeingültig bestimmen, ein einziges Schutzziel: die Beseitigung jeglicher Form von Geschlechterdiskriminierung.558 Bereits die Präambel stellt die Diskriminierung der Frau in einem breiten Kontext dar und betont, dass Staaten Diskriminierung nicht allein durch rechtliche Reformen bekämpfen könnten. Vielmehr müsse auch ein politischer und kultureller Wandel erfolgen. Im Unterschied zu anderen internationalen Verträgen verpflichtet die UN-Frauenrechtskonvention ihre Mitgliedstaaten damit nicht nur zur Anpassung des nationalen Rechts, sondern zu sämtlichen Maßnahmen, die geeignet sind, kulturelle und soziale Praktiken und Geschlechterstereotype zu bekämpfen. Diese Verpflichtung macht die Besonderheit der UN-Frauenrechtskonvention aus: Sie fordert die Staaten auf, Diskriminierung nicht nur im öffentlichen, sondern vor allem auch im Privatleben zu bekämpfen.559 In vielen Bereichen erfüllen Bahrain, Katar und die VAE die in der UNFrauenrechtskonvention formulierten Gleichheitsrechte. So betonte das CEDAW-Komitee, der vertragsbasierte Kontrollausschuss der UN-Frauenrechtskonvention, in seinen Berichten u. a. die Anstrengungen Bahrains und der VAE hinsichtlich der beruflichen Qualifizierung von Frauen und 555 So z. B. in Art. 9 CRC (Trennung der Eltern; persönlicher Umgang), Art. 18 CRC (Verantwortung für das Kindeswohl in der Erziehung), Art. 21 CRC (Adoption), Art. 36 CRC (Schutz vor sonstiger Ausbeutung). 556 Hierzu ausführlich Kapitel 4 D.II.2. 557 Vgl. Fn. 356. 558 Vgl. Möller, Vorbehalte, 29. 559 Connors, in Chinkin/Gardner, Human rights, 85; Cook, Virginia Journal of International Law 30.3(1990), 667; Möller, a. a. O., 29.
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ihrer Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt.560 Ebenfalls positiv hervorgehoben wurde die gesundheitliche Versorgung von Frauen in den VAE.561 Dies entspricht den Ausführungen des vorherigen Kapitels, die aufgezeigt haben, dass die gesellschaftliche und politische Teilhabe von Frauen in den Golfstaaten grundsätzlich gefördert wird.562 Konflikte sind jedoch mit Blick auf all jene Gleichheitsrechte erkennbar, die den Bereich des innerstaatlichen Familien- und Staatsangehörigkeitsrechts berühren. Art. 9 CEDAW behandelt die Gleichstellung von Mann und Frau in Fragen der Staatsangehörigkeit. Gemäß Art. 9 Abs. 2 CEDAW darf der Prozess, die Staatsangehörigkeit des eigenen Kindes zu bestimmen, die Frau nicht benachteiligen. Signatarstaaten müssen gewährleisten, dass Frauen bei der Weitergabe ihrer Staatsangehörigkeit an ihre Kinder die gleichen Rechte wie Männern eingeräumt werden. In einer grundsätzlichen Empfehlung an alle Signatarstaaten (General Recommendation) hob das CEDAW-Komitee u. a. hervor, dass die Staatsangehörigkeit unentbehrlich für die Teilnahme am sozialen Leben sei, um Wahlrecht ausüben zu können und in den Genuss von Sozialleistungen zu kommen. Daher dürfe die Staatsangehörigkeit der Frau in keinem Fall aufgrund von Eheschließung oder durch den Wandel der Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes oder Vaters willkürlich geändert werden.563 Art. 16 Abs. 1 CEDAW fordert die Mitgliedstaaten auf, alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau in Ehe- und Familienfragen zu treffen. Konkret fordern die Unterpunkte (a) bis (h) die Gleichberechtigung der Geschlechter bei der Eheschließung und Eheauflösung, bei der Wahl des Ehepartners, innerhalb der Ehe und bei der Familienplanung sowie hinsichtlich des gemeinsamen Eigentums und Vermögens der Ehepartner. Art. 16 Abs. 2 CEDAW verbietet die Verlobung und Eheschließung eines Kindes und verpflichtet die Vertragsparteien, ein Ehemindestalter und ein amtliches Eheregister einzuführen. Zu den Themen, die das CEDAW-Komitee mit Blick auf Art. 16 CEDAW als besonders problematisch erachtet, zählen Polygamie, Zwangsehen und die kulturell, religiös oder gewohnheitsrechtlich begründete Stellung des Mannes als
560 CEDAW-Komitee, Concluding Observations of the CEDAW-Committee: Bahrain, UN-Gesch.-Z. CEDAW/C/BHR/CO/2 v. 14.11.2008, Abs. 9; CEDAW-Komitee, Concluding Observations of the CEDAW-Committee: United Arab Emirates, UN-Gesch.-Z. CEDAW/C/ARE/CO/1 v. 5.2.2010, Abs. 6. 561 CEDAW-Komitee, Concluding oberservations UAE, Abs. 4. 562 Vgl. Kapitel 2 A.IV. 563 CEDAW-Komitee, General Recommendation No. 21, § 6, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014.
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Familienoberhaupt sowie der rechtliche Status eheähnlicher Lebensgemeinschaften und der in diesen Lebensgemeinschaften geborenen Kinder.564 Neben den Art. 9 und 16 CEDAW haben auch Art. 15 Abs. 4 CEDAW (Recht auf Freizügigkeit) sowie Art. 2 CEDAW (Ziel und Zweck der Konvention) eine große Anzahl an Vorbehalten islamischer Länder hervorgerufen.565 Auch die drei arabischen Golfstaaten Bahrain, Katar und die VAE stellen in diesem Punkt keine Ausnahme dar und haben unter Berufung auf islamisches und nationales Recht zu diesen vier Artikeln weitreichende Vorbehalte eingereicht.566 Dennoch kann die UN-Frauenrechtskonvention als neuer Referenzrahmen in der Diskussion um Geschlechtergerechtigkeit und Familienrechtsreformen dienen. So forderte das CEDAW-Komitee die Regierungen der drei Golfstaaten auf, in ihren Staatenberichten sowie Anhörungen vor dem Kontrollausschuss das Nichtvorhandensein eines kodifizierten Familienrechts oder mangelnde Reformbereitschaft zu rechtfertigen. Nichtstaatliche Frauenrechtsorganisationen auf der anderen Seite haben inzwischen die Möglichkeit, geschlechterdiskriminierende Regelungen im nationalen Familienrecht auch auf einer internationalen Bühne aufzuzeigen und zu kritisieren.
CEDAW-Komitee, General Recommendation No. 21, §§ 14 ff. Art. 28 CEDAW lässt Vorbehalte grundsätzlich zu, verbietet diese jedoch, sofern sie mit dem Ziel und Zweck der UN-Frauenrechtskonvention unvereinbar sind. Für die Problematik der sog. „Scharia-Vorbehalte“ islamischer Staaten zu der UN-Frauenrechtskonvention siehe u. a. Abiad, Muslim states; Möller, Vorbehalte; Musawah, CEDAW; Schöpp-Schilling, in Elliesie, Beiträge VII, 417–455; Sonbol, Hawwa 8.3(2010), 348– 367; Yahyaoui Krivenko, Women, Islam and international law; ungeachtet der tatsächlichen Motivation für die Abgabe religiös begründeter Vorbehalte zu internationalen Menschenrechtsverträgen können Einschränkungen der Rechte der Frau nicht als Ausübung des Rechts auf Religionsfreiheit ausgelegt werden. Nicht nur erscheint es fraglich, inwieweit sich Regierungen auf ein solches Recht berufen können, da Menschenrechte historisch als Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat entwickelt wurden. Vielmehr findet das Recht auf Religionsfreiheit seine Grenzen regelmäßig auch in den Freiheiten und Rechten anderer, wie sie auf nationaler und internationaler Ebene formuliert wurden. Eine Einschränkung der Rechte von Frauen unter Berufung auf religiöse Überzeugung ist zumindest im Rahmen des internationalen Menschenrechtsschutzes somit nicht vertretbar; vgl. Möller, Vorbehalte, 92; siehe auch Sullivan, New York University Journal of International Law & Politics, 24.2(1992), 795–856. 566 Grundsätzlich kann eine Vertragspartei sich nicht auf innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen (Art. 27 WVK). Im Kontext der UN-Frauenrechtskonvention muss dies umso mehr gelten, als Art. 2 (f) CEDAW die Vertragsparteien verpflichtet, nationales Recht, das eine Diskriminierung der Frau darstellt, im Sinne der Konvention abzuändern. Eine Berufung auf bestehendes nationales Recht lässt insofern Zweifel an dem ernsthaften Interesse der drei Golfstaaten aufkommen, die Verpflichtungen der UN-Frauenrechtskonvention erfüllen zu wollen. 564 565
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bb) Einfluss auf den Kodifikationsprozess Bahrain ratifizierte im Jahre 2002 die UN-Frauenrechtskonvention als erster der drei arabischen Golfstaaten sieben Jahre vor Inkrafttreten des bahrainischen Familiengesetzbuches. Der kombinierte erste und zweite Staatenbericht Bahrains wurde im Jahre 2007 und somit ebenfalls vor der erstmaligen Kodifikation des Familienrechts eingereicht.567 Zusätzlich fertigten zwei Bündnisse von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen Parallelberichte (sogenannte “shadow reports”) an, die dem CEDAW-Komitee ebenfalls übersandt wurden. Auch zu dem ersten (und bislang einzigen) Staatenbericht der VAE568 aus dem Jahre 2008 existiert ein Parallelbericht. Diese Parallelberichte zeichnen zum einen ein alternatives Bild der Umsetzung der Konvention in den jeweiligen Staaten und zeigen zudem die mangelnde Einbindung nichtstaatlicher Organisationen in die Anfertigung der offiziellen Staatenberichte auf. Aufgrund der zu Art. 16 CEDAW eingereichten Vorbehalte beider Staaten, wurde das nationale Familienrecht sowohl in den offiziellen als auch in den Parallelberichten zum Teil umfangreich thematisiert. Aus Katar existiert bislang (Stand: Februar 2014) nur ein einziger Staatenbericht,569 der zudem noch nicht vom CEDAWKomitee geprüft wurde. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich daher auf die Berichte Bahrains und der VAE. (1) Bahrain (a) Staatenbericht Der kombinierte erste und zweite Staatenbericht Bahrains von 2008 legt die damals noch geltenden unkodifizierten familienrechtlichen Regelungen umfassend dar570 und betont ebenfalls die Bemühungen der Regierung, das geltende islamische Familienrecht zu kodifizieren, um Rechtssicherheit und „Stabilität innerhalb der Familie“ (al-istiqrār al-usrī ) zu schaffen.571 In diesem Zusammenhang hebt der Bericht vor allem die Arbeit des SCW als staatliche Frauenrechtsorganisation unter Schirmherrschaft der Ehefrau des bahrainischen Königs hervor.572 Der Staatenbericht Bahrains bestätigt aber lediglich die hohe Priorität, die die Kodifikation des Familienrechts in 567 CEDAW, Combined initial and second periodic report Bahrain, UN-Gesch.-Z. CEDAW/C/BHR/2 v. 12.11.2007. 568 CEDAW, Initial periodic report United Arab Emirates, UN-Gesch.Z. CEDAW/C/ ARE/1 v. 17.9.2008. 569 CEDAW, Initial periodic report Qatar, UN-Gesch.-Z. CEDAW/C/QAT/1 v. 16.12.2011. 570 CEDAW, State report Bahrain, Abs. 326 ff. 571 CEDAW, a. a. O., Abs. 91, 323, 346. 572 CEDAW, a. a. O., Abs. 324.
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Bahrain habe.573 Der Bericht legt hingegen nicht dar, welche Hürden dem Erlass eines Familiengesetzbuches im Wege stehen und warum eine Kodifikation bislang nicht erfolgte. Ein einziger Satz verweist auf die „religiöse Opposition“ (al-muᶜāraḍa ad-dīnīya), die den Gesetzesentwurf ablehne.574 (b) Parallelberichte Demgegenüber behandeln die beiden Parallelberichte an das CEDAWKomitee die fehlende Kodifikation des Familienrechts in Bahrain ausführlich. Der unter der Schirmherrschaft der BWU erstellte Parallelbericht von 2008575 weist vor allem auf die Folgen des fehlenden kodifizierten Rechts hin. Unter anderem betont der Bericht die zum Teil willkürliche und widersprüchliche Rechtsprechung bahrainischer Familiengerichte und die Langwierigkeit der Prozesse, unter denen vor allem Frauen leiden.576 Zudem hebt der Parallelbericht hervor, dass die Rechtsprechung im Familienrecht in Abwesenheit eines Gesetzbuches auch weiterhin von der traditionell patriarchalischen Kultur in Bahrain und der grundsätzlichen Skepsis einiger Richter gegenüber staatlichen Reformvorhaben geprägt sei.577 Noch deutlicher kritisiert der Parallelbericht der Bahrain Human Rights Watch Society (Ğamᶜīyat al-Baḥrayn li-Murāqabat al-Ḥuqūq al-Insān)578 das Fehlen eines staatlich gesetzten Familienrechts. Dem Parallelbericht sind zwei gleichlautende Schreiben des WPC an das CEDAW-Komitee und den UN-Generalsekretär angehängt. In diesen Schreiben hebt die WPC-Vorsitzende Jamsheer die Mitschuld der bahrainischen Regierung am Fehlen eines nationalen Familiengesetzbuches hervor. Entgegen dem Kodifikations- und Reformtrend in der Mehrheit der Rechtsgebiete seit der Unabhängigkeit habe sich die bahrainische Regierung bewusst gegen eine Reform des islamischen Familienrechts durch Kodifikation entschieden. Diese Entscheidung sei vor allem durch das Verhältnis zwischen Königshaus und religiösen Rechtsgelehrten in Bahrain motiviert, deren Forderung nach einem Auslegungsmonopol des islamischen Familienrechtes sich die Regierung aus politischen Überlegungen unterordne.579 Gleichzeitig thematisiert das Schreiben Jamsheers als einziges Dokument auch den WiderCEDAW, a. a. O., Abs. 323. CEDAW, a. a. O., Abs. 325. 575 Bahrain Women’s Union, Shadow report on the implementation of CEDAW, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 576 BWU, Shadow report, 5, 20. 577 BWU, a. a. O., 21 f. 578 Bahrain Human Rights Watch Society, Shadow report submitted to the United Nations CEDAW-Committee, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 579 Bahrain Human Rights Watch Society, a. a. O., Anl. 1, 9. 573 574
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stand vor allem der schiitischen Geistlichkeit gegenüber einem staatlichen kodifizierten Familienrecht in Bahrain und den konfessionellen Konflikt, der sich am Familienrecht erneut entzündete.580 (2) Vereinigte Arabische Emirate (a) Staatenbericht Der erste und bislang einzige Staatenbericht der VAE wurde unter Mitarbeit der GWU erstellt und erst vier Jahre nach Ratifikation der UNFrauenrechtskonvention eingereicht. Insofern erfolgte die Berichterstattung nach Inkrafttreten des Familiengesetzbuches. Die Ausführungen über den Regelungsumfang des neuen Gesetzbuches fallen indes äußerst knapp aus. Der Bericht betont aber, dass das islamische Recht auch weiterhin die Hauptquelle (al-marğiᶜ al-asāsī) des erstmalig kodifizierten Familienrechts in den VAE sei und dass in all jenen Bereichen, in denen das islamische Recht bereits umfassende Regelungen enthalte, selbst für den Gesetzgeber kein Spielraum bestünde.581 Dies deckt sich mit dem Vorbehalt zu Art. 16 CEDAW, dessen Bestimmungen von den VAE nur im Rahmen der Scharia akzeptiert werden.582 Auch vor Inkrafttreten des emiratischen Personalstatutsgesetzes diente die UN-Frauenrechtskonvention bereits als „Reformmotor“. Nach Aussage der GWU war die Ratifikation durch die VAE von besonderer Bedeutung für die Kodifikation des Familienrechts. Fortan musste die emiratische Regierung die Anwendung des klassischen islamischen Rechts nicht nur gegenüber innerstaatlichen Ausschüssen wie der GWU, sondern auch vor dem CEDAW-Komitee rechtfertigen; die nationale Familienpolitik wurde internationalisiert und der äußere Druck auf die VAE wuchs.583
Bahrain Human Rights Watch Society, a. a. O., 13 f. CEDAW, State report UAE, Abs. 323. 582 Genauer Wortlaut des Vorbehalts in Engl.: „The United Arab Emirates will abide by the provisions of this article insofar as they are not in conflict with the principles of the shariah. The United Arab Emirates considers [sic!] that the payment of a dower and of support after divorce is an obligation of the husband, and the husband has the right to divorce, just as the wife has her independent financial security and her full rights to her property and is not required to pay her husband's or her own expenses out of her own property. The shariah makes a woman’s right to divorce conditional on a judicial decision, in a case in which she has been harmed.“ 583 Mit einer gewissen Skepsis gegenüber internationalen Organisationen und ihren Kontrollmechanismen sprach die Vorstandsassistentin für Ausschüsse und Aktivitäten der GWU im persönlichen Gespräch davon, dass die Staatengemeinschaft der Auffassung sei, kodifiziertes Familienrecht sei „ein Zeichen gesellschaftlich entwickelter Länder“, Abu Dhabi, VAE, 30.1.2012. 580 581
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(b) Parallelbericht Der Parallelbericht der im Ausland ansässigen Nichtregierungsorganisation „Mafiwasta“584 beleuchtet neben der Situation von Gastarbeiterinnen in den VAE auch die Vereinbarkeit von UN-Frauenrechtskonvention und nationalem Familienrecht. Das Verhältnis von Konvention und emiratischem Personalstatut fasst der Bericht wie folgt zusammen: „A number of provisions of Emirati legislation relating to family law matters appear to fall substantially short of the requirements and standards contained in the Convention. […] The family law provisions in the UAE are significantly skewed against female partners, fail to satisfy the relevant provisions of the Convention, and are emblematic of a larger inequality in Emirati society between men and women.“585
Dabei werden vor allem die gesetzlichen Bestimmungen über die Ehevormundschaft, die ehelichen Rechte und Pflichten sowie die Personensorge kritisiert. Darüber hinaus weist der Bericht auf die anhaltende Dominanz männlichen Personals in vielen Bereichen der Justiz hin. Diese männliche Dominanz halte Frauen zusätzlich davon ab, Gerichte aufzusuchen und ihre Rechte geltend zu machen.586 4. Zusammenfassung Mit ihren frühen Bemühungen um eine Reform des muslimischen Personalstatuts durch Kodifikation dieses Rechtsgebietes war die bahrainische Zivilgesellschaft der katarischen und emiratischen in den 1980er Jahren weit voraus. Die Erarbeitung eines umfangreichen Familiengesetzbuches wurde in Katar und den VAE erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts diskutiert. Der Kodifikationsprozess in diesen zwei Golfstaaten erfolgte insofern parallel zur Internationalisierung der Thematik durch die Ratifikation der UN-Frauenrechtskonvention. Diese stellte nicht nur neue Anforderungen an ihre Signatarstaaten, sondern eröffnete zudem auch einen erweiterten internationalen Referenzrahmen für die Forderungen lokaler Frauenrechtsorganisationen. Zuvor waren die arabischen Golfstaaten lediglich an die Normen der in den 1990er Jahren ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention gebunden, deren völkerrechtliche Verankerung des Kindeswohls ebenfalls auf die neuen familienrechtlichen Kodifikationen ausstrahlte. 584 Mafiwasta, Country shadow report: the United Arab Emirates, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; da in den VAE auch weiterhin keine Nichtregierungsorganisationen zugelassen sind, wurde der Parallelbericht – unüblicherweise – von einer ausländischen NGO mit engen Verbindungen in die VAE angefertigt, siehe hierzu die Ausführungen auf Seite 10 des Berichts. 585 Mafiwasta, a. a. O., 13. 586 Mafiwasta, a. a. O., 14.
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In Bahrain fanden die Diskussionen über Form und Inhalt des kodifizierten Familienrechts stets unter breiter öffentlicher Beteiligung statt, während die Diskussionen in den anderen zwei Golfmonarchien ausschließlich in Regierungs- und regierungsnahen Zirkeln geführt wurden. Dass es Katar und den VAE gleichwohl gelang, ihre Kodifikationen noch vor dem bahrainischen Familiengesetzbuch zu erarbeiten und in Kraft zu setzen, liegt vor allem in der politischen Sprengkraft begründet, über die das muslimische Personalstatut im konfessionell gespaltenen Bahrain verfügt. Allen drei Staaten ist indes gemein, dass die Reform des Familienrechts von den staatlichen und nichtstaatlichen Frauenrechtsorganisationen mit Nachdruck gefordert wurde. Insofern wird im Folgenden zu beleuchten sein, ob und inwieweit es diesen Organisationen gelungen ist, auf den Gesetzgebungsprozess einzuwirken und somit den Inhalt der neuen Gesetzbücher mitzugestalten. III. Reformen von oben: Der Gesetzgebungsprozess 1. Zusammensetzung der Gesetzgebungsausschüsse a) Katar Der staatliche Gesetzgebungsprozess ist vor allem in Katar aufgrund des Fehlens eines demokratisch gewählten Parlaments, das wiederum einen Gesetzgebungsausschuss bilden könnte, äußerst undurchsichtig. Das neue Personalstatutsgesetz scheint jedoch in einem sehr exklusiven, da vom katarischen Emir ausgewählten Zirkel ohne breite öffentliche Beteiligung erarbeitet worden zu sein. In Katar wurde der Gesetzesentwurf offensichtlich nicht durch das Justizministerium, sondern durch den Diwan, die Regierungsbehörde des katarischen Emirs, erarbeitet.587 Neben islamischen Rechtsgelehrten wirkten auch Richter und Professoren für Familienrecht an dem Gesetzesentwurf mit.588 Inwieweit und an welchem Punkt innerarabische und/oder innerislamische rechtsvergleichende Vorarbeiten zu dem neuen Gesetzbuch stattfanden und welchen Beitrag der katarische SCFA leistete, ist unklar.
587 So ein katarischer Rechtsanwalt im persönlichen Gespräch, Doha, Katar, 13.2.2012; nach Aussage eines Professors für Familienrecht an der Qatar University, College of Law, arbeitete der Diwan dabei jedoch mit dem Justizministerium zusammen, im persönlichen Gespräch, Doha, Katar, 16.2.2012. 588 So ein Professor für Familienrecht an der Qatar University, College of Law, im persönlichen Gespräch, Doha, Katar, 16.2.2012; vgl. Welchman, in Sonbol, Gulf Women, 373.
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b) Vereinigte Arabische Emirate Die Kodifikation des Personalstatuts wurde in den VAE noch unter dem im Jahre 2004 verstorbenen ersten Präsidenten Scheich Zayed b. Sultan Al Nahyan auf den Weg gebracht.589 Wie auch in Katar wurden neben religiösen Gelehrten des islamischen Familien- und Erbrechts Rechtswissenschaftler und Rechtsanwender in den Kodifikationsprozess eingebunden. Dabei erfolgten die Arbeiten an dem neuen Gesetzbuch dreistufig.590 Die Initiative zur Kodifikation des muslimischen Personalstatuts ging vorrangig vom Justizministerium aus. Dessen Abteilung für Rechtsgutachten und Gesetzgebung (Dāᵓirat al-Fatwā wa-t-Tašrīᶜ) fertigte einen ersten Entwurf an, der daraufhin einem spezialisierten Gesetzgebungsausschuss (al-Lağna al-Fannīya li-t-Tašrīᶜāt) vorgelegt wurde. Dieses Gremium besteht aus permanenten Mitgliedern, die dem Justizministerium angehören, sowie aus von den einzelnen Emiraten entsandten Experten zu der jeweiligen Gesetzesvorlage. Auf dieser Stufe erfolgten auch umfangreiche rechtsvergleichende Untersuchungen zu den Personalstatutsgesetzen anderer arabischislamischer Länder. Zu den entsandten Experten zählten sowohl islamische Rechtsgelehrte als auch Richter und Rechtswissenschaftler.591 Dabei konnte jedes Emirat entscheiden, welche Experten es entsenden wollte. Der überarbeitete Entwurf wurde vom Gesetzgebungsausschuss der Minister (al-Lağna al-Wizārīya li-t-Tašrīᶜāt) und danach vom emiratischen Nationalrat angenommen. Mit Zustimmung des Präsidenten trat das Personalstatutsgesetz sodann in Kraft. c) Bahrain In Bahrain wiederum spiegelte die Zusammensetzung des Gesetzgebungsausschusses deutlich die Erfahrungen des Königshauses mit vorherigen Versuchen einer Kodifikation des muslimischen Personalstatuts wider. Während in dem ersten Ausschuss auch vom SCW entsandte Anwältinnen für Familienrecht vertreten waren, wurde jener Entwurf, der 2009 Gesetzeskraft erlangte, zunächst nur von islamischen Rechtsgelehrten und männlichen Richtern erarbeitet. Zudem gab es zwei getrennte Unterausschüsse, die die jeweilige konfessionelle Prägung vertraten und letztendlich bewirkHasso, Consuming desires, 136. Der im Folgenden beschriebene Ablauf des Gesetzgebungsprozesses in den VAE basiert auf den Schilderungen eines in den VAE ansässigen irakischen Rechtsanwalts und ehemaligen Mitarbeiters des emirat. Justizministeriums im persönlichen Gespräch, Abu Dhabi, VAE, 9.2.2012. 591 Vgl. Hasso, Consuming desires, 136; für die Rolle und das Mitwirken des namhaften irakischen Rechtsgelehrten Scheich Ahmad al-Qubaisi im Kodifikationsprozess siehe Foley, Arab Gulf states, 191 f. 589 590
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ten, dass ein sunnitischer und ein schiitischer Teil des Gesetzbuchs erarbeitet wurden,592 wie im Folgenden noch darzustellen sein wird. 2. Einbindung von Frauenrechtsorganisationen a) Katar und Vereinigte Arabische Emirate Die Entwürfe, die in Katar und den VAE letztendlich Gesetzeskraft erlangten, wurden weitestgehend unter Ausschluss von Interessensverbänden erarbeitet. Vor allem wurden die Frauenrechtsorganisationen der zwei Golfmonarchien, die zuvor am stärksten für eine Kodifikation des muslimischen Personalstatuts warben, nicht im gleichen Maße an der Kodifikation beteiligt wie beispielsweise islamische Rechtsgelehrte. Die von Rechtsgelehrten und Richtern erarbeiteten Gesetzesentwürfe wurden den staatlichen Dachorganisationen für Familien- und Frauenfragen in Katar und den VAE jedoch vor Inkrafttreten zur Kommentierung vorgelegt. Bevor die neuen Personalstatutsgesetze vom jeweiligen Herrscher verabschiedet wurden, hatten die zuständigen Expertenausschüsse der emiratischen GWU und des katarischen SCFA somit die Möglichkeit, ihre Änderungsvorschläge einzubringen.593 In Einzelfragen wurden diese nachträglich in die Entwürfe aufgenommen.594 b) Bahrain In Bahrain hingegen war auch die nichtstaatliche BWU in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden. Als der Kodifikationsprozess im Jahre 2007 aufgrund konfessioneller Spannungen erneut ins Stocken geriet, lud die BWU auf Wunsch des bahrainischen Parlaments Familienrichter beider Konfessionen ein, den Gesetzesentwurf gemeinsam zu diskutieren. Parlament und BWU hofften, durch das Gesprächsangebot eine Schlichtung zwischen schiitischer Geistlichkeit und Herrscherhaus herbeiführen zu können. Die schiitischen Richter lehnten die Einladung jedoch ab.595 Den sunnitischen Richtern, die an den Gesprächen teilnahmen, wurde von Seiten der BWU eine Sammlung anderer arabisch-islamischer Familiengesetze zusammengestellt, anhand derer sie durch rechtsvergleichende Betrachtung die Möglichkeiten zur Reform des bahrainischen FamilienRussel Jones, God’s law, 201 f. Für die VAE siehe auch Hasso, Consuming desires, 136. 594 So beispielsweise die Forderung der GWU nach einer Anhebung der Altersgrenzen für die weibliche Personensorge, vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4 D.II.2.a); für Katar siehe außerdem CEDAW, State report Qatar, Abs. 413; Welchman, in Sonbol, Gulf Women, 373. 595 So die Vorsitzende der BWU im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 15.1.2013. 592 593
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rechts studieren konnten. Nach einem weiteren Jahr legte die BWU der bahrainischen Regierung daraufhin einen überarbeiteten Entwurf des sunnitischen Teils des Familiengesetzbuches vor. Einige der Änderungen, die von Familienrichtern auf diesem Wege vorgeschlagen wurden, haben sodann Aufnahme in das gegenwärtige Personalstatutsgesetz Bahrains gefunden.596 3. Sonderfall Bahrain: Kodifikation und konfessionelle Spannungen Die latent schwelenden konfessionellen Spannungen zwischen schiitischer Bevölkerungsmehrheit und sunnitischem Königshaus sowie die äußerst skeptische Haltung der schiitischen Geistlichkeit gegenüber einer staatlichen Einmischung in das Familien- und Erbrecht waren in Bahrain von direkter Auswirkung auf den Kodifikationsprozess. Letztendlich gelang es dem Herrscherhaus nicht, auch eine Annahme des zweiten Teils des Gesetzbuches für bahrainische Schiiten im Parlament zu erreichen. Die Konflikte, die sich dabei am Familienrecht entzündeten, sind in erster Linie Ausdruck von „identity politics“.597 Sie können nicht direkt auf den Inhalt des Familiengesetzbuches zurückgeführt werden. Zwei zentrale Forderungen der schiitischen Geistlichkeit behinderten den Gesetzgebungsprozess in Bahrain von Beginn an: Zum einen forderten schiitische Rechtsgelehrte einen Verfassungszusatz, der für zukünftige Änderungen eines etwaigen Familiengesetzbuches nicht nur die Zustimmung des Parlaments und des Königs, sondern zusätzlich die der obersten schiitischen ᶜulamāᵓ in Bahrain verlangte;598 zum anderen waren sie nur bereit, ein Familiengesetzbuch für ihre Glaubensgemeinschaft zu akzeptieren, dass auch von den obersten schiitischen Rechtsgelehrten im irakischen Nadschaf bestätigt wurde.599 Die schiitische al-Wifāq, die ein staatliches kodifiziertes Familienrecht ohne Beteiligung der Geistlichkeit ablehnte, hatte in der Legislaturperiode von 2006 bis 2010 keine Mehrheit im bahrainischen Parlament. Prinzipiell hätten sie die Annahme des Gesetzesentwurfs somit nicht verhindern können. Aus Angst vor den Folgen einer Inkraftsetzung gegen den Willen der schiitischen Bevölkerungsmehrheit bzw. ihrer Vertreter lenkte das bahrainische Königshaus jedoch ein. Der schiitisches Teil des Familiengesetzbuches wurde zurückgezogen und dem
Ebd. So Kinninmont, Journal of Arabian Studies 1.1(2011), 56. 598 So die Vorsitzende der BWU im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 15.1.2013; siehe auch Salmān/Ibrāhīm, al-Waqt v. 3.1.2010, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 599 Kinninmont, Journal of Arabian Studies 1.1(2011), 61. 596 597
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Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess
Parlament lediglich der erste Teil für Bahrains Sunniten zur Annahme vorgelegt.600 Indem Bahrain von der Idee eines einheitlichen Familiengesetzbuches abrückte, verpasste es die Chance, ein konfessionsübergreifendes Familienrecht nach irakischem Vorbild zu schaffen. Im ebenfalls konfessionell gespaltenen Irak wurde bereits im Jahre 1959 ein Gesetzbuch erlassen, welches das Personalstatut für schiitische und sunnitische Staatsbürger gleichermaßen kodifizierte.601 Das irakische Personalstatutsgesetz wurde sowohl als „tragfähiger Kompromiss“, der auch nach dem Sturz Saddam Husseins und im Zuge der politischen Neuordnung des Landes „zur Stabilisierung der inneren Verhältnisse“ dienen könne, beschrieben,602 als auch als ein „blueprint for a world debate to come“603 bewertet. Letztere Einschätzung, die zumindest für Bahrain zutreffend erscheint, bezieht sich auf den Widerstand vor allem schiitischer Geistlicher, dem die Entscheidung für ein vereinheitlichtes Familienrecht lange Zeit ausgesetzt war.604 Dabei konzentrierten sich die Bedenken der schiitischen Rechtsgelehrten im Irak, wie auch in Bahrain, vorrangig auf den Verlust von religiöser Autonomie und Autorität und weniger auf den tatsächlichen Regelungsgehalt des Gesetzbuches.605 Die deutliche Kritik der schiitischen ᶜulamāᵓ an dem konfessionsübergreifenden irakischen Personalstatutsgesetz dauert bis in die heutige Zeit an. Wie lange das irakische Personalstatutsgesetz von 1959 noch als tragfähiger Kompromiss und zur Entschärfung konfessioneller Konflikte dienen kann, ist fraglich: Im Herbst 2013 legte der irakische Justizminister dem Ministerrat den Entwurf für ein eigenständiges schiitischen Personalstatutsgesetz und für ein schiitisches Gerichtsverfassungsgesetz vor, über die das irakische Parlament nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2014 abstimmen soll.606
Ebert, GAIR Mitteilungen 3(2011), 125; Kinninmont, a. a. O., 67 f. Gesetz Nr. 188/1959 über das Personalstatut [Qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 19.12.1959/18.6.1379, GBl. Nr. 280 v. 30.12.1959/29.6.1379, 889–906. 602 So Ebert, in Schneider/Hanstein, Beiträge V, 98, 114. 603 So Mallat, in Mallat/Connors, Islamic family law, 91. 604 Siehe hierzu u. a. Anderson, ICLQ 9.4(1960), 547; Ebert, in Schneider/Hanstein, Beiträge V, 88; Mallat, a. a. O., 77 f. 605 Mallat, a. a. O., 80 f. 606 Schiitischer Personalstatutsgesetzentwurf [Mašrūᶜ qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya alğaᶜfarīya], sowie schiitischer Gerichtsverfassungsgesetzentwurf [Mašrūᶜ qānūn al-quḏāᵓ al-ğaᶜfarī]; siehe hierzu al-Ġad News v. 4.12.2013, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; al-Ġāzī, Al Monitor v. 21.11.2013, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; die Gesetzesentwürfe sind abrufbar unter: . 600 601
C. Zwischenergebnis
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C. Zwischenergebnis Bis zum Erlass umfassender Personalstatutsgesetze in Bahrain, Katar und den VAE dienten spezialgesetzliche Regelungen und staatliche Transferleistungen den drei Gesetzgebern zur bruchstückhaften Lösung akuter gesellschaftlicher Probleme im Bereich des Familienrechts. Dabei ermöglichte vor allem der Ressourcenreichtum und die damit einhergehende wirtschaftliche Stärke der drei arabischen Golfmonarchien die Zurückhaltung gegenüber eines staatlichen Zugriffs auf das Familien- und Erbrecht durch Kodifikation. Eine umfassende, nachhaltige familienrechtliche und damit gesellschaftliche Vision, die gegebenenfalls auch das Verhältnis von staatlicher und religiöser Autorität neu verhandelt hätte, war in Bahrain, Katar und den VAE lange Zeit nicht zu erkennen. Mit der Kodifikation des Familienrechts griffen die drei Staaten nun jedoch auch in das letzte verbleibende Monopol der islamischen ᶜulamāᵓ ein. Ihre gesetzgeberische Tätigkeit wurde daher von Familienrichtern zum Teil äußerst skeptisch betrachtet. Im konfessionell gespaltenen Bahrain scheiterte die Annahme des zweiten, schiitischen Teils des Gesetzbuches letzten Endes an eben jenem Machtkampf zwischen Regierung und islamischer Geistlichkeit während des Kodifikationsprozesses. Grundsätzlich aber gelang es allen drei Regierungen, ihren Wunsch nach einem staatlich bestimmten Familienrecht durchzusetzen, das den Interpretationsspielraum der Richter deutlich beschnitt. Inwieweit die neuen Gesetzbücher der drei arabischen Golfstaaten auch weiterhin richterliches Ermessen vorsehen, wird im Folgenden zu untersuchen sein. In Bahrain, dessen aktive Zivilgesellschaft am längsten über eine Reform des klassischen islamischen Familienrechts diskutierte, wirkten auch nichtstaatliche Akteure am Kodifikationsprozess mit. In Katar und den VAE erfolgte die Kodifikation demgegenüber ausschließlich in Regierungs- und regierungsnahen Zirkeln. Auf diesem Wege konnten aber zumindest die staatlichen Frauenrechtsorganisationen einen gewissen Einfluss auf die Ausgestaltung der neuen Gesetzbücher nehmen. Ohne den Willen der Herrscherhäuser in allen drei Golfmonarchien wäre eine Kodifikation des Familienrechts nicht möglich gewesen. Gleichzeitig ermöglichte es der politische Kontext in Bahrain, Katar und den VAE, den Wunsch der autoritären Regierungen nach einem kodifizierten Familienrecht auch gegen den Widerstand der islamischen Rechtsgelehrten durchzusetzen. Lediglich in Bahrain wagte es das sunnitische Königshaus nicht, auch das schiitische Familienrecht zu kodifizieren und diesen privaten Bereich des gesellschaftlichen Lebens der Mehrheitsbevölkerung staatlich zu lenken. Die Bestrebungen, auch den schiitischen Teil des Gesetzbuches in
118
Kapitel 3 – Reformbedarf und Kodifikationsprozess
Kraft zu setzen, dauern weiterhin an. Befürworter der Kodifikation sehen gegenwärtig im Boykott des bahrainischen Parlaments durch die schiitische al-Wifāq eine Chance auf Annahme des zweiten Teils. Im Folgenden sollen sowohl der Regelungsumfang der drei neuen Gesetzbücher auf dem Gebiet des Ehe-, Scheidungs- und Kindschaftsrechts als auch die gerichtliche Anwendung und etwaige Fortbildung des neu kodifizierten Rechts untersucht werden. Dadurch soll vor allem der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit in den arabischen Golfstaaten ein Familienrecht kodifiziert wurde, das den gesellschaftlichen Regelungserfordernissen Rechnung trägt.
Kapitel 4
Gesetzesrecht und Rechtspraxis “Every codification of family law entails a selection, interpretation and re-creation of classical fiqh norms. The content of the law is a social construction, shaped by political considerations.” Buskens, ILS 10.1(2003), 71.
A. Grundsätzliches I.
Tendenzen des Familienrechts
Der Fragestellung der vorliegenden Arbeit nach einem „modernen Recht für die Familie“ folgend, sollen die neuen Personalstatutsgesetze im Folgenden auf ihren Zuschnitt auf die Gesellschaften und Regelungserfordernisse der arabischen Golfstaaten untersucht werden.607 Dabei sind, unter Berücksichtigung der Rechtspraxis im Familienrecht, drei Tendenzen im Ehe-, Scheidungs- und Kindschaftsrecht Bahrains, Katars und der VAE auszumachen: 1.) Regelungen, die islamische Rechtsfiguren ohne nennenswerte Veränderungen wiedergeben, 2.) Regelungen, die als Ergebnis innerislamischen und/oder innerarabischen Rechtstransfers zu bewerten sind und 3.) innovative Regelungen, die jüngste Entwicklungen im Familienrecht islamischer Länder widerspiegeln oder Ausdruck der besonderen sozioökonomischen Umstände der arabischen Golfstaaten sind. Ebert hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass eine solche Kategorisierung im Kontext des islamischen Familienrechts nicht immer eindeutig ausfallen kann, da „im Einzelfall nur schwer zu entscheiden ist, ob sich ähnliche oder gleiche Regelungen aus einem direkten Rechtstransfer oder aber lediglich aus einem übereinstimmenden rechtlichen Hintergrund ergeben“.608 Für die vorliegende Untersuchung gilt, dass solche Regelungen als Wiedergabe klassisch-islamischer Rechtsfiguren bewertet werden, die dem tradierten islamischen Recht ohne erhebliche Neuinterpretation durch den Gesetzgeber zu entnehmen sind oder über eine langjährige Rechtspraxis vor Beginn der Kodifikation des islamischen Familienrechts 607 608
Vgl. zum Folgenden Möller, StAZ 64.11(2011), 325–332. Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 32.
120
Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
verfügten. Als Ergebnis eines innerislamischen und/oder innerarabischen Rechtstransfers sind demgegenüber solche Rechtsinstitute zu bewerten, denen in einem anderen islamischen Land ein breiter Diskurs bzw. ein deutlicher Reformwille auf Seiten des Gesetzgebers vorausging und die von den Gesetzgebern der drei Golfstaaten übernommen wurden. Dies schließt im Kontext des islamischen Familienrechts stets auch solche Rechtsfiguren ein, die dem klassischen islamischen Recht zwar bekannt sind, dort aber nur von einer Mindermeinung vertreten werden oder in der historischen Rechtspraxis von geringer Bedeutung waren. Als für die arabischen Golfstaaten charakteristische, innovative Regelungen gelten sodann all jene Regelungen, deren Ursprung innerhalb der drei Golfmonarchien ausgemacht werden kann, die den gesellschaftlichen Regelungserfordernissen Bahrains, Katars und der VAE in besonderem Maße Rechnung tragen, oder die jüngste Entwicklungen im Familienrecht islamischer Länder widerspiegeln. II. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich Mit dem vom Golfkooperationsrat beschlossenen Maskat Dokument stand den Gesetzgebern ein erster Entwurf eines Personalstatutsgesetzes als Vorbild zur Verfügung. Folglich weisen die drei Gesetze deutliche Ähnlichkeiten in Aufbau, Struktur und Inhalt auf. Während aber die Gesetzbücher Katars und der VAE das Familien- und Erbrecht umfassend regeln, enthält das Familiengesetzbuch Bahrains lediglich Bestimmungen zum Ehe- und Scheidungsrecht sowie zur Personensorge. Hervorzuheben ist zudem, dass die Gesetzbücher Bahrains und Katars das Personalstatut nur für Anhänger einzelner Konfessionen bzw. Rechtsschulen kodifizieren. Das bahrainische Gesetz findet ausschließlich auf den sunnitischen Bevölkerungsteil Bahrains, welcher mehrheitlich der malikitischen Rechtsschule folgt, Anwendung.609 Das Personalstatut in Katar ist zusätzlich konfessionell gespalten und findet vornehmlich auf hanbalitisch-sunnitische Muslime Anwendung. Anhänger anderer muslimischer Rechtsschulen wie auch Nichtmuslime können sich dem Familiengesetzbuch freiwillig unterwerfen oder ihr eigenes (unkodifiziertes) Recht anwenden.610 Demgegenüber findet das Personalstatut der VAE auf alle emiratischen Staatsbürger Anwendung; auf nichtmuslimische Emirati jedoch nur soweit sie nicht über ein eigenes Personalstatut verfügen.611 Auch bei den Lückenfüllungsregelungen unterscheiden sich die drei Gesetzbücher. In den VAE ist primär auf die Normen der malikitischen, daArt. 4 EinfG FamGB Bahrain. Art. 4 FamGB Katar. 611 In den VAE können sich auch Ausländer nach Art. 1 Abs. 2 PersStG VAE dem emiratischen Personalstatutsgesetz freiwillig unterwerfen. 609 610
A. Grundsätzliches
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nach auf die der hanbalitischen, der schafiitischen und zuletzt der hanafitischen Rechtsschule zurückzugreifen.612 Das katarische Gesetzbuch verweist demgegenüber zunächst auf die hanbalitische Rechtsschule, danach auf die Normen der anderen drei sunnitischen Rechtsschulen gleichermaßen und bestimmt als letzte Quelle zur Lückenfüllung die allgemeinen Prinzipien der islamischen Jurisprudenz (fiqh).613 Katar hat damit das erste Familiengesetzbuch der islamischen Welt erlassen, das die Bestimmungen der hanbalitischen Rechtsschule zur vorrangigen Rechtsquelle erhebt. Das Familiengesetzbuch Bahrains folgt einer ähnlichen Reihenfolge, wobei die malikitische Rechtsschule an erster Stelle steht.614 III. Rechtspraxis im Familienrecht Die Auswertung der Rechtsprechung der drei arabischen Golfstaaten legt im Folgenden ein besonderes Augenmerk zum einen auf die gerichtliche Anwendung solcher gesetzlicher Bestimmungen, die den Gerichten einen Ermessensspielraum zuweisen; so etwa die Beurteilung des Kindeswohls (maṣlaḥat al-maḥḍūn) bei der Vergabe der Personensorge oder die Schädigung (ḍarar) der Ehefrau als gerichtlicher Scheidungsgrund. Die vorherigen Ausführungen haben zudem aufgezeigt, dass die drei neuen Personalstatutsgesetze neben dem gerichtlichen Ermessensspielraum auch Lücken enthalten, die von den Gerichten unter Rückgriff auf das klassische islamische Recht in der Auslegung des zuständigen Richters zu schließen sind. Die nachfolgenden Ausführungen sollen daher Aufschluss über den Umgang der Familiengerichte mit Gesetzeslücken und unbestimmten Rechtsbegriffen geben. Zum anderen soll das Zusammenspiel der neuen gesetzlichen Regelungen untereinander betrachtet und die einzelnen Regelungen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Dadurch sollen mögliche Tendenzen im Familienrecht sowie dessen Fortentwicklung und Dynamik in den drei arabischen Golfstaaten ausgelotet und erörtert werden. Abschließend werden die auch weiterhin andauernden Debatten über die erstmalig kodifizierten Familiengesetzbücher miteinbezogen. Eine Auswertung dieser öffentlichen Diskurse soll aufzeigen, in welchen Bereichen aus Sicht von sowohl Rechtswissenschaftlern und Rechtspraktikern als auch den betroffenen Parteien weiterhin Regelungs- und mithin Reformbedarf besteht und inwieweit Missstände aus der Zeit vor Kodifikation des Personalstatuts durch die neuen Gesetzbücher tatsächlich behoben werden konnten. 612 Art. 2 Abs. 3 PersStG VAE; zur Auslegung bestehender Regelungen dienen zum einen die grundlegenden Prinzipien der islamischen Jurisprudenz (fiqh) (Art. 2 Abs. 1 PersStG VAE) und die Lehrmeinungen der jeweiligen Rechtsschule, die die infrage stehende Regelung hervorgebracht hat (Art. 2 Abs. 2 PersStG VAE). 613 Art. 3 FamGB Katar. 614 Art. 3 EinfG FamGB Bahrain.
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
1. Quellenlage Sitzungen der Familiengerichte in allen drei Golfstaaten sind grundsätzlich nicht öffentlich. Auch gibt es weiterhin kein umfassendes System zur Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen. Zwar verfügen alle drei Golfstaaten seit einigen Jahren über offizielle Entscheidungssammlungen ihrer Kassationsgerichte, diese scheinen aber nicht abschließend zu sein. In der Mehrheit werden nur solche Gerichtsentscheidungen veröffentlicht, die von breitem öffentlichen Interesse sind, was vor allem das Wirtschaftsund Handelsrecht betrifft. Des Weiteren existieren zwei kostenpflichtige, private Datenbanken, die höchstrichterliche Urteile aus den arabischen Golfstaaten mit etwa zwei bis drei Jahren Verzögerung veröffentlichen615 sowie eine offizielle Datenbank des Kassationsgerichts Dubai, welche die Urteile zumindest in ihren Leitsätzen wiedergibt.616 Die Untersuchung der Rechtspraxis im Familienrecht basiert im Folgenden in erster Linie auf höchstrichterlichen Urteilen der Familiengerichte in Katar und den VAE. In Bahrain sind die Familiengerichte auch weiterhin nicht dem Kassationsgericht unterstellt und bilden vielmehr eine eigenständige Gerichtsbarkeit.617 Das Kassationsgericht ist lediglich für Fälle des Personalstatuts von Nichtmuslimen zuständig. Das Oberste Berufungsgericht der bahrainischen Scharia-Gerichte veröffentlicht Gerichtsentscheidungen nicht. Urteile aus Bahrain sind insofern besonders schwer zugänglich. Gleichzeitig findet in Bahrain eine rege öffentliche Diskussion über den Nutzen und die Auswirkung des neukodifizierten Familienrechts statt. Diese Diskurse sind ebenfalls in das vorliegende Kapitel eingeflossen.
Dies sind und (inklusive der dazugehörigen länderspezifischen Datenbanken , und ). Für Katar existiert zudem die kostenlose Datenbank „al-Meezan“, die jedoch nur wenige familienrechtliche Urteile enthält, . Die in der vorliegenden Arbeit ausgewerteten Urteile aus Katar sind, soweit nicht anders angegeben, über abrufbar. Die Urteile aus den VAE sind, mit Ausnahme der Urteile des Kassationsgerichts Dubai, über abrufbar. 616 Aktuell (Stand: Februar 2014) ist diese Datenbank lediglich in der Bibliothek des Gerichtshofs Dubai zugänglich. Im Frühjahr 2012 wurde der Verfasserin vor Ort Zugang zu der Gerichtsbibliothek gewährt. Die in der vorliegenden Arbeit ausgewerteten Urteile aus Dubai wurden, soweit nicht anders angegeben, über diese Datenbank abgerufen und liegen der Verfasserin als Printversion vor. 617 Vgl. Radhi, Judiciary and arbitration, 108. 615
A. Grundsätzliches
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2. Richteramt und Rechtsprechung in den Golfstaaten Die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind in Bahrain, Katar und den VAE grundsätzlich verfassungsrechtlich verankert.618 Gleichwohl ist auf einige Besonderheiten des Richteramts in den drei Golfstaaten hinzuweisen, die auch die Rechtspraxis im Familienrecht beeinflussen: Ein Großteil der in den arabischen Golfstaaten tätigen Richter sind arabische Ausländer. Dies gilt in Katar und den VAE auch für die Familiengerichte. Die Aufenthaltsgenehmigung dieser Richter ist mithin an ihre berufliche Tätigkeit geknüpft. Demgegenüber sind bahrainische Familienrichter mehrheitlich auch bahrainische Staatsangehörige.619 In allen drei Golfstaaten werden Richter vom jeweiligen Herrscher ernannt und entlassen.620 Frauen ist es in Bahrain, Katar und den VAE inzwischen zwar grundsätzlich gestattet, das Richteramt auszuüben, weibliche Familienrichter gibt es jedoch nicht.621 Gerade in Bahrain, wo Familienrichter auch weiterhin über eine religiöse Ausbildung verfügen, herrscht eine besondere Skepsis gegenüber einer Öffnung des (Familien-) Richteramts auch für Frauen. Da Frauen dennoch die juristische Ausbildung offensteht, sind mehr als die Hälfte der in Bahrain tätigen Anwälte weiblich.622 Gerichtsurteile ergehen in den arabischen Golfstaaten nicht etwa im „Namen des Volkes“, sondern im Namen des jeweiligen Herrschers.623 Von einer Unabhängigkeit der Justiz nach hiesigem Rechtsverständnis kann aus den vorgenannten Gründen nur mit Einschränkungen gesprochen werden.624 618 Art. 32, 104 Verf. Bahrain 2002; Art. 60, 130 f. Verf. Katar 2005; die Verf. VAE 1971 sieht keine strikte Gewaltenteilung vor, vgl. Carnegie Endowment, UAE, 3 ff., die Unabhängigkeit der Justiz ist in Art. 94 Verf. VAE 1971 verankert. 619 So ein namhafter bahrainischer Anwalt im persönlichen Gespräch mit der Verfasserin, Manama, Bahrain, 14.1.2013. 620 Art. 33 lit. h Verf. Bahrain 2002; Art. 67 Nr. 4 Verf. Katar 2005; in den VAE werden Bundesrichter durch den Obersten Rat der Föderation ernannt, Richter der eigenständigen Emiratsgerichte werden vom jeweiligen Emir ernannt, hierzu Al Tamimi, Litigation and arbitration, 9; für Dubai siehe Art. 6 GerichtsVerfG Dubai. 621 In Katar wurde mit Maha Al Thani, Angehörige der katarischen Herrscherfamilie, im Jahre 2010 die erste weibliche Richterin ernannt. In den VAE wurde bereits 2008 die erste weibliche Richterin vereidigt. Inzwischen gibt es mehrere Richterinnen an den emiratischen Zivil- und Strafgerichten. Als Bahrain im Jahre 2006 Mona Jasem al-Kawari zur Richterin am Obersten Zivilgericht ernannte, stellte sie damit die erste Richterin in der gesamten Golfregion; siehe hierzu auch Al-Kitbi, in Koch/Stenberg, The EU and the GCC, 95. 622 So ein namhafter bahrainischer Rechtsanwalt im persönlichen Gespräch mit der Verfasserin, Manama, Bahrain, 14.1.2013. 623 Siehe beispielsweise Art. 14 GerichtsVerfG Katar 2003, Art. 10 Abs. 1 GerichtsVerfG Dubai. 624 Vgl. Al-Kitbi, in Koch/Stenberg, The EU and the GCC, 101; Freedom House, Freedom in the World 2012 – Qatar, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014.
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren I.
Eherecht
Mit Blick auf die Ehevormundschaft, die Zulässigkeit polygyner Ehen und die Ehewirkungen folgten Bahrain, Katar und die VAE den gesetzgeberischen Vorbildern anderer islamischer Länder nur zögerlich. Die Kodifikation zentraler Aspekte des Eherechts ist in den drei arabischen Golfstaaten von einer Übernahme islamischer Rechtsfiguren geprägt, wie im Folgenden aufzuzeigen ist. 1. Eheschließung a) Ehevormundschaft aa) Die gesetzlichen Regelungen In allen drei Gesetzbüchern kommt dem Ehevormund der Frau (walī) auch weiterhin eine besondere Rolle zu. Dies gilt aufgrund ihrer malikitischen Prägung vor allem in Bahrain und den VAE, die besonders strenge Anforderungen an die Mitwirkung des Ehevormundes stellen. Das Personalstatutsgesetz der VAE geht dabei sogar soweit, den Ehemann und den Ehevormund expressis verbis als Vertragsparteien (ᶜāqidān) der Eheschließung und damit als Grundelemente der Eheschließung (arkān ᶜaqd az-zawāğ) zu benennen.625 Dies bedeutet, dass der Ehevormund der volljährigen Frau die Ehe mit ihrer Zustimmung schließt.626 Eine Ehe, die ohne Mitwirken des Ehevormundes geschlossen wurde, ist nichtig (bāṭil).627 Anders als in den VAE werden in Bahrain und in Katar die Nupturienten als Vertragsparteien der Eheschließung genannt.628 Gleichwohl ist auch hier die Mitwirkung des Ehevormunds Wirksamkeitsvoraussetzung für die Eheschließung. Während aber nach dem hanbalitisch geprägten katarischen Gesetz die (minder- und volljährige) Frau einer Vertretung durch den Ehe625 Art. 38 Nr. 1 PersStG VAE; in Übereinstimmung mit dem klassischen islamischen Recht muss dies gleichwohl dahingehend verstanden werden, dass die Ehe dessen ungeachtet zwischen Mann und Frau zustande kommt. 626 Art. 39 S 1 PersStG VAE; eine Trauung am Standesamt von Abu Dhabi, an der die Verfasserin teilnehmen konnte, hat gezeigt, dass die Braut bei der Eheschließung nicht zwangsläufig anwesend sein muss. In dem geschilderten Fall wartete die Braut nach Überprüfung ihrer Identität durch eine weibliche Mitarbeiterin des Standesamts im Vorraum des Eheschließungsbeamten und wurde nur für ihre Unterschrift, mit der ihr Einverständnis sichergestellt wurde, hineingebeten. Die übrige standesamtliche Trauung fand lediglich unter Anwesenheit des Brautvaters, des zukünftigen Ehemannes und des Eheschließungsbeamten statt. 627 Art. 39 S 3 PersStG VAE. 628 Art. 22 lit. a FamGB Bahrain; Art. 11 FamGB Katar.
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
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vormund ausdrücklich zustimmen muss,629 ist im bahrainischen Recht nach Konfessionen zu unterscheiden. Das Familiengesetzbuch wurde lediglich für den sunnitischen Bevölkerungsteil erlassen, die Ordnung v. 2007 gilt indes weiterhin für alle Bahrainer ungeachtet ihrer Konfession. Somit wird der volljährigen schiitischen Frau ohne gesetzlichen Vormund auch weiterhin die Möglichkeit eingeräumt, ihre Ehe selbstständig zu schließen.630 Die bahrainische Sunnitin hat diese Möglichkeit seit 2009 nicht mehr.631 Dies entspricht im Grundsatz den unterschiedlich strengen Anforderungen der malikitischen und zwölferschiitischen Rechtsschulen an den Ehevormund.632 Gleichzeitig ist es dem Ehevormund in Bahrain untersagt, sein Mündel gegen ihren Willen zu verheiraten oder die Einwilligung zur Ehe ohne gesetzlichen Grund zu verweigern.633 Im Ergebnis hat der bahrainische Gesetzgeber auf diesem Wege die Zwangsehe (auch für Minderjährige) verboten.634 Ehevormund ist regelmäßig der nächstverwandte männliche Angehörige der Braut in väterlicher Linie. Im malikitischen Recht geht der volljährige, geschäftsfähige Sohn der Eheschließenden dem Vater der Eheschließenden als Ehevormund theoretisch vor, wenngleich eine solche Konstellation selten und in der Regel bei älteren, bereits geschiedenen Frauen oder Witwen vorkommt.635 Bei Nichtvorhandensein eines Sohnes fällt dem Vater der Eheschließenden die Funktion des Ehevormunds zu. Im hanbalitischen Recht obliegt die Ehevormundschaft zunächst dem Vater, danach dem Art. 28 FamGB Katar. Art. 8 Ordnung v. 2007. 631 Art. 26 lit. a HS 2 FamGB Bahrain; lediglich die ohne Ehevormund geschlossene Ehe einer nichtbahrainischen Frau mit einem Bahrainer wird durch ihren Vollzug wirksam, Art. 26 lit. a HS 1 FamGB Bahrain. 632 Die zwölferschiitische Rechtsschule gestattet der volljährigen und geschäftsfähigen Ehefrau, ihre Ehe selbstständig zu schließen, hierzu Bakhtiar, Encyclopedia, 423. Im malikitischen Recht ist die Genehmigung zur Eheschließung durch den Ehevormund für die zuvor unverheiratete Frau, unabhängig von ihrem Alter, grundsätzlich notwendig. Lediglich für die geschäftsfähige und zuvor bereits verheiratete Frau ist die Genehmigung des Ehevormundes nicht erforderlich. Gleichwohl muss dieser auch hier als Stellvertreter der Braut fungieren. Seine Anwesenheit ist notwendig, da er den Eheschließungswillen in Vertretung der Frau erklären muss, hierzu Ašqar, Aḥkām az-zawāğ, 142 f.; Bakhtiar, Encyclopedia, 423; Moncho, Le mariage, 114 ff. 633 Art. 15 FamGB Bahrain. 634 Bergmann/Ferid/Henrich(-Ebert/Hefny), Ehe- und Kindschaftsrecht, Bahrain, 16. 635 In Bahrain und den VAE wurde die Reihenfolge in der Ehevormundschaft nach klassischem malikitischen Recht durch die Kodifikation des Personalstatuts abgeschafft. Bahrain hat die hanbalitischen Regelungen übernommen, so dass auch hier zunächst dem Vater und dann dem Großvater väterlicherseits die Ehevormundschaft obliegt, Art. 12 FamGB Bahrain. Die VAE haben eine eigene neue Reihenfolge einführt, in der ebenfalls der Vater der Eheschließenden vor dem Sohn der Eheschließenden die Ehevormundschaft innehat, Art. 32 PersStG VAE. 629 630
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Großvater väterlicherseits.636 Allen drei Gesetzbüchern ist die Möglichkeit einer gerichtlichen Ehevormundschaft gemein. Die Ehevormundschaft kann fortan auch auf einen Richter übertragen werden. Diese Möglichkeit besteht bei Nichtvorhandensein eines blutsverwandten Angehörigen, welcher als Ehevormund fungieren kann, sowie in den VAE auch bei grundloser Verweigerung der Zustimmung zur Eheschließung durch den Ehevormund.637 bb) Der Ehevormund: notwendig oder antiquiert? Die Regelungen über das Mitwirken des Ehevormunds an der Eheschließung der Frau sind Ausdruck der Geschlechterdifferenzen des klassischen islamischen Familienrechts. Während die Frau ihre Ehe zwar nicht selbstständig eingehen kann und grundsätzlich der Vertretung durch einen agnatischen Angehörigen oder einen Richter bedarf, muss sich der Eheschließungsbeamte aber dennoch ihrer Zustimmung zur Eheschließung vergewissern. In Gesprächen mit emiratischen und bahrainischen Frauen wurde zudem bestätigt, dass sich auch die Imame im Rahmen der religiösen Trauungszeremonie üblicherweise der Zustimmung der Braut versichern. Ein Blick über die Golfregion hinaus gibt Auskunft über die Beweggründe für ein Festhalten an einer streng gefassten Ehevormundschaft und kann zugleich Möglichkeiten zur Reform aufzeigen. Studien zu der weitreichenden Novellierung des marokkanischen Familienrechts im Jahre 2004 etwa belegen, dass – ungeachtet des Wegfalls der Pflicht der Frau, sich bei Eheschließung vertreten zu lassen638 – zahlreiche Familien auch weiterhin an einem Mitwirken des Ehevormunds an der Eheschließung festhalten. Dies geschieht in erster Linie aus Gründen der Tradition.639 Eine ähnliche Tendenz ist für die Golfstaaten auszumachen. Zwar ist die Vertretung der Frau durch ihren Ehevormund hier weiterhin Wirksamkeitsvoraussetzung für die Eheschließung, es kann jedoch ebenfalls davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Bevölkerung auch aus traditioneller und kultureller Verbundenheit an der Mitwirkung des Ehevormundes bei der Eheschließung festhält. Hierfür spricht, dass die Frage nach der Autorität des Ehevormundes auch im Rahmen des Kodifikationsprozesses Ašqar, Aḥkām az-zawāğ, 154. Art. 8 Ordnung v. 2007; Art. 12 lit. c, 14 FamGB Bahrain; Art. 30 FamGB Katar; Art. 34 f. PersStG VAE; in Katar besteht überdies die Möglichkeit, gerichtlich einen anderen als den nächstverwandten Ehevormund bestimmen zu lassen, Art. 29 FamGB Katar. 638 Gemäß Art. 24 Mudawwana 2004 ist die Ehevormundschaft ein Recht der Frau („Al-wilāyatu haqqun li-l-marᵓati […]“), welches sie ab Erreichen der Volljährigkeit nach ihrer Wahl (iḫtiyār) und in ihrem Interesse (maṣlaḥa) ausüben kann. Art. 25 Mudawwana 2004 gestattet der volljährigen Frau, ihre Ehe eigenständig zu schließen, oder aber ihren Vater bzw. einen agnatischen Angehörigen hierfür zu bevollmächtigen. 639 Zvan-Elliott, Mediterranean Politics 14.2(2009), 221. 636 637
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
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keine große Rolle spielte. Zudem zeigt die mediale Resonanz, die die Klage einer 27-jährigen Frau auf Aufhebung der Ehevormundschaft ihres Vaters 2011 in den VAE erhielt, dass die Vertretung bei der Eheschließung in den Golfstaaten auch weiterhin gesellschaftlich fest verankert ist.640 Eine gesetzliche Regelung in Anlehnung an das marokkanische Vorbild ist zu befürworten. Für Bahrain und die VAE kann den marokkanischen Reformen der Ehevormundschaft zudem ein besonderer Vorbildcharakter beigemessen werden. Wie Bahrain und die VAE ist auch Marokko maßgeblich von der malikitischen Rechtsschule geprägt, die dem Ehevormund weitreichende Rechte bei der Eheschließung einräumt. Der marokkanische Verzicht auf eine Pflicht der Frau, sich vertreten zu lassen bei gleichzeitiger Möglichkeit einer solchen Vertretung aus zeremoniellen Gründen erscheint daher als eine auch für die arabischen Golfstaaten sachgerechte Lösung. Eine solche gesetzliche Regelung würde zudem die Gerichte entlasten: Diese müssten fortan nicht mehr angerufen werden, wenn ein naher agnatischer Verwandter nicht als Ehevormund zur Verfügung steht oder der berufene Ehevormund die Eheschließung verweigert. b) Polygynie aa) Die gesetzlichen Regelungen Die gesetzliche Einschränkung polygyner Eheschließungen in den arabischen Golfstaaten ist spärlich. Polygynie ist grundsätzlich zulässig. Alle drei Gesetzbücher formulieren aber das Recht der Ehefrauen auf gerechte Behandlung.641 Die Ehefrauen können zudem nicht gezwungen werden, gegen ihren Willen im selben Haus zusammen zu leben.642 Darüber hinaus haben Katar und Bahrain zumindest Informationspflichten für polygyne Eheschließungen eingeführt. In Katar ist der Eheschließungsbeamte, soweit er finanzielle Probleme im Falle einer erneuten Eheschließung befürchtet, verpflichtet, die polygyne Frau über die finanzielle Situation ihres zukünftigen Ehemannes aufzuklären. Außerdem müssen sämtliche bisherigen Ehefrauen über die erneute Eheschließung in Kenntnis gesetzt werden.643 640 Al Amir, The National v. 10.7.2011, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; in dem erwähnten Fall verweigerte der Vater der Klägerin die Zustimmung zur Eheschließung. Der Bericht behandelt den Zeitraum kurz nach Klageerhebung der jungen Frau. Der Ausgang des Verfahrens ist nicht bekannt. 641 In Bahrain erstreckt sich die gerechte Behandlung explizit nur auf die Verteilung der Wohnung und des Unterhalts, Art. 37 lit. d FamGB Bahrain; Art. 57 Nr. 6 FamGB Katar; Art. 55 Nr. 6 VAE. 642 Art. 60 lit. a FamGB Bahrain; Art. 67 FamGB Katar; Art. 77 PersStG VAE. 643 Art. 14 FamGB Katar.
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Das bahrainische Gesetz verpflichtet nicht den Eheschließungsbeamten, sondern den Ehemann, seine Ehefrau über eine erneute Eheschließung zu informieren. Diese Informationspflicht obliegt dem Ehemann gleichwohl nur dann, wenn die Ehefrau sich dieses Recht als einvernehmliche Zusatzbestimmung644 bei Eheschließung ausbedungen hat.645 Das Gesetz verpflichtet überdies den Ehemann, bei jeder Eheschließung seinen Familienstand im Trauschein anzugeben. Auf diesem Wege soll sichergestellt werden, dass die polygyne Ehefrau über bereits bestehende Ehen ihres Ehemannes informiert wird. Obwohl eine gesetzlich angeordnete Aufklärung der Ehefrauen zu begrüßen ist, erscheint die Verlagerung der Informationspflicht vom Eheschließungsbeamten auf den Ehemann unsachgemäß, da sie keine umfassende Kenntnisnahme sämtlicher Ehefrauen über den Familienstand des Ehemannes gewährleistet. Obgleich umfangreiche rechtsvergleichende Arbeiten der Kodifikation vorausgingen, sind die Gesetzgeber Bahrains, Katars und der VAE hinsichtlich der Polygynie nicht den Vorbildern anderer islamischer Länder gefolgt. Neben dem Sonderfall Tunesien, welches die Polygynie im Zuge der erstmaligen Kodifikation des Personalstatuts im Jahre 1957 abschaffte, sind in anderen islamischen Ländern zahlreiche rechtliche Neuerungen auf diesem Gebiet entwickelt worden. Diese beinhalten u. a. die Anhörung der ersten Ehefrau(en) vor Schließung einer polygynen Ehe durch ihren Ehemann, die gerichtliche Genehmigung der Polygynie oder die Zulässigkeit einer erneuten Heirat nur unter bestimmten Bedingungen, wie beispielsweise der Unfruchtbarkeit der ersten Ehefrau.646 Zudem kann bereits aus dem klassischen islamischen Familienrecht ein Scheidungsrecht der bisherigen Ehefrau(en) bei erneuter Eheschließung ihres Ehemannes abgeleitet werden. So steht es dem Ehemann frei, seiner zukünftigen Ehefrau bei Eheschließung eine Verstoßungsvollmacht zu erteilen,647 von der diese dann im Falle einer erneuten Eheschließung Gebrauch machen kann. Diese Möglichkeit haben auch Frauen am arabischen Golf. In Ermangelung einer diesbezüglichen Standardklausel in den amtlichen Trauscheinen kann indes keine umfassende Rechtskenntnis gewährleistet werden. Frauen, die eine solche vertragliche Zusatzbestimmung nicht aufnehmen lassen, oder deren Ehemann sich gegen eine Verstoßungsvollmacht verwehrt, bleibt in den Golfstaaten daher nur die Möglichkeit,
Siehe hierzu Kapitel 4 B.I.2. Art. 17 FamGB Bahrain. 646 Für eine umfangreiche Übersicht verschiedener Beschränkungen der Polygynie in islamischen Ländern siehe u. a. Nasir, Personal status, 66 ff.; Nasir, Status of women, 25 ff.; Rohe, Das islamische Recht, 214 f.; Welchman, Muslim family laws, 77 ff. 647 Siehe hierzu Kapitel 4 B.II.1.a). 644 645
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
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bei erneuter Eheschließung eine Schädigung geltend zu machen und auf diesem Wege die Scheidung zu erwirken.648 bb) Polygynie: gelebt oder geduldet? Die im innerarabischen und innerislamischen Vergleich geringen Beschränkungen der Polygynie in den drei Golfstaaten können auf die vergleichsweise hohe Quote polygyner Eheschließungen zurückgeführt werden.649 Schätzungen gehen davon aus, dass 5–10 % aller Ehen in den arabischen Golfstaaten polygyn sind.650 Interessanterweise scheinen diese Zahlen entgegen eines allgemeinen Trends in anderen islamischen Ländern auch innerhalb der gut ausgebildeten jüngeren Generation nicht rückläufig zu sein. Wirtschaftliche Überlegungen, die in zahlreichen anderen islamischen Ländern zu einer De-facto-Einschränkung der Polygynie geführt haben, vermögen in der ölreichen Golfregion nicht in gleichem Maße zu wirken. Dass die Mehrheit der Staatsoberhäupter in der Golfregion in polygynen Ehen lebt, verleiht der Mehrehe zusätzliche Legitimation. Obgleich während des Kodifikationsprozesses nicht im Zentrum der Reformbemühungen, wurde die (spärliche) Einschränkung der Polygynie nach Inkrafttreten der neuen Familiengesetzbücher durchaus kontrovers diskutiert. Die Bevölkerung der arabischen Golfstaaten scheint in diesem Punkt auch weiterhin gespalten. Ein mehrseitiger Bericht zum neu kodifizierten Scheidungsrecht und zur Polygynie, der 2010 in der bahrainischen Tageszeitung „al-Waqt“ erschien, verdeutlicht dies.651 Der Bericht stellt die familienrechtlichen Neuerungen von 2009 ausführlich dar und enthält zahlreiche Diskussionsbeiträge bahrainischer Bürger. Unter anderem führt der Vorsitzende des bahrainischen Rechtsgelehrtenrates (al-Mağlis al-ᶜUlamāᵓī) Majid al-Mashᶜal aus, dass es weder eine Fatwa noch eine Gelehrtenmeinung gebe, die auf Wunsch der Ehefrau dem Mann eine erneute Eheschließung verbiete. Er lehne daher eine Regelung ab, wonach die Frau die Ehe beenden könne, sollte ihr Ehemann eine weitere Ehe eingehen. Eine solche gesetzliche Bestimmung stehe im Widerspruch zum Koran und den Prinzipien der islamischen Ehe. Auslöser für die Debatte war die im bahrainischen Familiengesetzbuch enthaltene Regelung, dass der Ehemann seine bisherige Ehefrau über eine erneute Eheschließung in Kenntnis zu setzen habe. Auch eine 42-jährige Bahrainerin, Siehe hierzu Kapitel 4 B.II.1.b)bb). Vgl. Ebert, in Mühlböck/Beltz, Golf-Spiel, 94 f. 650 Bergmann/Ferid/Henrich(-Ebert/Hefny), Ehe- und Kindschaftsrecht, Bahrain, 17 m. w. N.; Ebert, a. a. O., 95; Fakhro, in Yamani, Feminism and Islam, 259; neuere Zahlen zu Katar bei Bergmann/Ferid/Henrich(-Ebert/Hefny), Ehe- und Kindschaftsrecht, Katar, 17. 651 Salmān/Ibrāhīm, al-Waqt online v. 3.1.2010. 648 649
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
die in dem Zeitungsbericht zu Wort kommt, steht einer Beschränkung der Polygynie kritisch gegenüber, da das islamische Recht dem Mann Polygynie gestatte und es dem staatlichen Gesetzgeber daher nicht zustehe, dieses Recht einzuschränken. Zudem würde ein vorschneller Scheidungswunsch der ersten Ehefrau die Stabilität der gesamten Familie gefährden. Eine 21jährige bahrainische Universitätsstudentin hingegen befürwortet im Interview die erstmalige, wenn auch zögerliche, Einschränkung der Polygynie durch den Gesetzgeber. Sie führt aus, dass das neue bahrainische Familiengesetzbuch die Würde der Frau schütze und auf eine Öffnung der bahrainischen Gesellschaft hindeute. Das neue Gesetzbuch sichere die Rechte von Frauen wirksam, indem es der männlichen Vorstellung von Autorität gegenüber Frauen erstmals Grenzen setze. Diese gegensätzlichen Haltungen zur Polygynie innerhalb der bahrainischen Gesellschaft veranschaulichen den zum Teil geringen Spielraum, der den drei Regierungen bei der Einschränkung der Polygynie zur Verfügung stand. Die Vorstellung von unveränderlichen religiösen Geboten auf dem Gebiet des Familienrechts, die Eingriffen des Gesetzgebers entzogen sind, ist auch weiterhin weit verbreitet. 2. Vereinbarung einvernehmlicher Zusatzbedingungen Ein Charakteristikum des islamischen Eherechts ist die Möglichkeit der Nupturienten, bei Eheschließung einvernehmliche Zusatzbedingungen (šurūṭ, Sing. šarṭ) zu vereinbaren. Ihre umfangreichste Ausgestaltung innerhalb des sunnitischen Islams findet diese, auf den islamrechtlichen Regeln über das Vertragsrecht basierende, Praxis in der hanbalitischen Rechtsschule.652 Eine Übernahme der hanbalitischen Rechtsauffassung in die Personalstatutsgesetze nicht mehrheitlich hanbalitischer islamischer Länder hat Gesetzgebern oftmals als Möglichkeit zur Verbesserung der Rechtsstellung der Ehefrau gedient, indem eine Erweiterung der ehelichen Rechte und Ansprüche in die Verantwortung der Ehepartner selbst übergeben wurde. In einigen islamischen Ländern, so etwa dem Iran, sind überdies Mustereheverträge entwickelt worden, welche die gängigsten Zusatzbestimmungen bereits enthalten.653 Hierzu zählen u. a. das Scheidungsrecht der Ehefrau bei erneuter Heirat ihres Ehemannes oder das Anrecht auf Fortsetzung der eigenen Berufstätigkeit oder Hochschulausbildung. Ğundī, Al-aḥwāl aš-šaḫṣīya, 103 ff.; Nasir, Status of women, 63 f., und Šīmī, Šarḥ, 73, mit Hinweisen auf die einschlägigen Koranverse und Prophetentraditionen; Ali, in Quraishi/Vogel, Marriage contract, 21; auch das zwölferschiitische Recht erkennt eine weitreichende Vertragsfreiheit der zukünftigen Ehepartner an, siehe hierzu Kātūziyān, Ḥoqūq madanī, Bd. I, 144 m. w. N.; Nasir, a. a. O., 63. 653 In englischer Übersetzung abgedruckt in Basedow/Yassari, Iranian family laws, 173 ff. 652
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Das malikitisch geprägte Bahrain und die VAE haben sich am hanbalitischen Vorbild orientiert und ebenfalls Regelungen über die Vereinbarung einvernehmlicher Zusatzbestimmungen bei Eheschließung in ihre neuen Gesetzbücher aufgenommen.654 Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass die Aufnahme solcher Zusatzbestimmungen aufgrund ihrer historischen Praxis655 sowie ihrer umfangreichen Regelung in den Personalstatutsgesetzen anderer islamischer Länder656 auch vor der Kodifikation des Personalstatuts bereits in den Golfstaaten praktiziert wurde. Bahrain verpflichtet den Eheschließungsbeamten explizit, die Nupturienten über die Möglichkeit der Aufnahme von Zusatzbestimmungen in den Ehevertrag aufzuklären.657 Laut Aussage eines Familienrichters am Berufungsgericht von Dubai gilt eine solche Aufklärungspflicht auch für Eheschließungsbeamte in den VAE, obgleich das emiratische Gesetzbuch sie hierzu nicht explizit auffordert.658 In den VAE gilt überdies, dass grundsätzlich einvernehmliche Zusatzbestimmungen vereinbart werden können.659 Ausnahme hierzu sind jedoch Zusatzbestimmungen, die „das (islamrechtlich) Verbotene erlauben oder das (islamrechtlich) Erlaubte verbieten“.660 Zusatzbestimmungen, die gegen einen „Grundsatz der Eheschließung“ (aṣl ᶜaqd az-zawāğ) verstoßen, führen zur Unwirksamkeit der Eheschließung.661 Zusatzbestimmungen, die lediglich gegen den Sinn (muqtaḍā) der Eheschließung oder gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen, berühren nicht die Wirksamkeit der Eheschließung. In einem solchen Fall ist lediglich die infrage stehende Zusatzbestimmung unwirksam.662 Das Gesetz führt indes nicht weiter aus, was unter dem „Grundsatz der Eheschließung“ und dem „Sinn der Eheschließung“ zu verstehen ist.663 Die gesetzlichen Bestimmungen in Katar sind nahezu gleichlautend.664 Auch hier verpflichtet das Gesetzbuch den Eheschließungsbeamten nicht Art. 5 FamGB Bahrain; Art. 20 PersStG VAE. Siehe Ali, in Quraishi/Vogel, Marriage contract, 21 ff. m. w. N. 656 Siehe hierfür Nasir, Status of women, 63 ff., und Welchman, Muslim family laws, 99 ff., 180 ff. m. w. N. 657 Art. 7 Nr. 4 Ordnung v. 2007. 658 Im persönlichen Gespräch, Dubai, VAE, 7.3.2012. 659 Vgl. Art. 20 Abs. 1, Abs. 4 PersStG VAE. 660 Art. 20 Abs. 1 PersStG VAE: „Al-azwāğu ᶜinda šurūṭihim illā šarṭan aḥalla ḥarāman aw ḥarrama ḥalālan.“ 661 Art. 20 Abs. 2 PersStG VAE. 662 Art. 20 Abs. 3 PersStG VAE. 663 Scheinbar nichtig sind Zusatzbestimmungen, die bestimmte islamrechtliche und gesetzliche Rechtsfolgen der Eheschließung, wie den ehelichen Unterhalt, ausschließen. Ebenso wäre eine Vereinbarung über die nichtmuslimische Religionszugehörigkeit eines Kindes aus einer gemischten Ehe in den VAE unwirksam, hierzu Rieck(-Gallala-Arndt), Ausländisches Familienrecht, 6. 664 Art. 53 f. FamGB Katar. 654 655
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explizit zur Aufklärung der Ehepartner über die Möglichkeit der Vereinbarung einvernehmlicher Zusatzbestimmungen bei Eheschließung. In Bahrain sind inzwischen auch die amtlichen Trauscheine der sunnitischen Kammern geändert worden. Der alte Trauschein (siehe Anhang 1) sah lediglich eine Zeile vor, in der Zusatzbedingungen eingetragen werden konnten. Das aktuelle Formular (siehe Anhang 2) hebt die Möglichkeit von Zusatzbedingungen insofern hervor, als im unteren Drittel des Dokumentes eine Tabelle abgedruckt ist, in die sowohl der zukünftige Ehemann als auch die zukünftige Ehefrau unabhängig voneinander ihre Bestimmungen aufnehmen lassen können. Durch ihre jeweilige Unterschrift vereinbaren sie die betreffenden Bestimmungen einvernehmlich miteinander. Die neue Form der bahrainischen Trauscheine verdeutlicht, dass es den zukünftigen Ehepartnern offensteht, einzelne Rechtsfolgen der Eheschließung abzuändern. Begrüßenswert wäre überdies die Einführung von Musterformularen, die – nach iranischem Vorbild – bereits mögliche Zusatzbestimmungen enthalten. Auf diesem Wege könnten, wie auch im Iran, u. a. die Scheidungsmöglichkeiten der Ehefrau erweitert werden.665 Ebenso könnte das Güterrecht der privatautonomen Gestaltung durch die Ehegatten überlassen werden, so dass nicht der Gesetzgeber, sondern die Parteien über die Anwendbarkeit von abdingbaren familienrechtlichen Regelungen entscheiden. 3. Ehewirkung a) Persönliche Ehewirkungen In der Formulierung der persönlichen Ehewirkungen folgen alle drei Gesetzbücher der Systematik des Maskat Dokumentes,666 indem sie die Rechte und Pflichten der Ehepartner dreiteilen. So bestimmen alle drei Gesetzbücher zunächst gemeinsame Rechte und Pflichten der Ehepartner. Diesen folgen sodann die getrennten Aufzählungen der Rechte der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann und die Rechte des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau. Zu den gemeinsamen Rechten und Pflichten der Ehegatten zählen die Geschlechtsgemeinschaft, das Zusammenwohnen, ein freundlicher Umgang miteinander und gegenseitiger Respekt sowie die Fürsorge für und die Erziehung der Kinder.667 Die Gesetzbücher Bahrains und Katars erweitern die gemeinsamen Rechte der Ehepartner zusätzlich um den Respekt gegenüber den Verwandten des anderen Ehepartners.668 Daneben schuldet die Ehefrau ihrem Ehemann Gehorsam (ṭāᶜa), die Betreuung und das Stillen der gemeinsamen Kinder sowie die Aufsicht über 665 666 667 668
Hierzu Yassari/Möller, in Paul, Handbuch, 148. Art. 37–39 Maskat Dokument. Art. 36 FamGB Bahrain; Art. 56 FamGB Katar; Art. 54 PersStG VAE. Art. 36 lit. c FamGB Bahrain; Art. 56 Nr. 6 FamGB Katar.
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seinen Haushalt und seine darin befindlichen Güter.669 Das bahrainische Familiengesetzbuch bezeichnet den Ehemann explizit als Familienoberhaupt670 und macht die untergeordnete Rolle der Ehefrau überdies dadurch deutlich, dass es ihr auferlegt, ihren Ehemann „in ihrer Person“ (fī nafsihā)671 zu bewahren. Das katarische Gesetz enthält eine ähnlich lautende Formulierung.672 Die Ehefrau hat demgegenüber das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und darf ihre Verwandten und Angehörigen besuchen und empfangen.673 Katar und die VAE fügen diesem Katalog das Recht der Ehefrau, ihre Ausbildung zu beenden, hinzu.674 Bahrain und die VAE schützen zudem das Recht der Ehefrau, unter bestimmten Voraussetzungen und in Absprache mit ihrem Ehemann einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.675 Bahrain räumt der Ehefrau ein Recht auf Kinder ein.676 Schließlich bleibt noch zu erwähnen, dass die Eheschließung keine Auswirkung auf die Familiennamen der Ehegatten hat. So nimmt die Ehefrau nicht etwa den Familiennamen ihres Ehemannes an, sondern führt ihren Namen fort. Mit Ausnahme des Rechts auf Berufstätigkeit und auf Beendigung einer bereits begonnenen Ausbildung, geben alle drei Gesetzbücher somit die Rechte und Pflichten der Ehepartner wieder, wie sie das klassische islamische Recht formuliert.677 Die Aufzählung der ehelichen Rechte und Pflichten in den Gesetzbüchern Bahrains, Katars und der VAE kann jedoch nicht als abschließend angesehen werden. So werden Rechte für die Ehefrau formuliert, die demgegenüber für den Ehemann nicht explizit genannt werden, von deren Bestehen jedoch ausgegangen werden muss. Dies betrifft u. a. das Recht auf Erwerbstätigkeit, Abschluss der Hochschulausbildung und das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Die Tatsache, dass die Gesetzgeber diese Rechte für die Ehefrau als besonders schützenwert und mithin erwähnenswert auffassen, gibt Aufschluss über die Geschlechterdifferenzierung innerhalb der drei Gesetzbücher. Art. 38 FamGB Bahrain; Art. 58 FamGB Katar; Art. 56 PersStG VAE. Art. 38 lit. a FamGB Bahrain. 671 Art. 38 lit. c FamGB Bahrain; diese Pflicht kann dahingehend verstanden werden, dass die Ehefrau (durch ihre eigene Keuschheit und Tugendhaftigkeit) die Ehre ihres Ehemannes bewahrt, vgl. Bergmann/Ferid/Henrich(-Ebert/Hefny), Ehe- und Kindschaftsrecht, Bahrain, 37. 672 Art. 58 Nr. 2 FamGB Katar. 673 Art. 37 FamGB Bahrain; Art. 57 FamGB Katar; Art. 55 PersStG VAE. 674 Art. 68 FamGB Katar; Art. 55 Nr. 2 PersStG VAE. 675 Art. 55 lit. a FamGB Bahrain; Art. 72 Abs. 2 PersStG VAE. 676 Art. 37 lit. f FamGB Bahrain. 677 Für die Rechte und Pflichten der Ehepartner im klassischen islamischen Recht siehe u. a. Abū Rahīya/Ğabūrī, Fiqh az-zawāğ wa-ṭ-ṭalāq, 99 ff.; Imām, Az-zawāğ wa-ṭṭalāq, 119 ff. 669 670
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b) Vermögensrechtliche Ehewirkungen Dem klassischen islamischen Recht entsprechend gilt in allen drei Golfstaaten der Güterstand der Gütertrennung. Beide Ehepartner bleiben Eigentümer ihres Vermögens und verwalten dieses selbstständig.678 Die Wahl eines alternativen Güterstandes sehen die Gesetzbücher nicht vor. Das bahrainische Familiengesetzbuch enthält hinsichtlich des Vermögens der Ehefrau den Zusatz „sie hat das Recht der Verfügung darüber [über ihr Privatvermögen] in üblicher Weise (bi-l-maᶜrūf)“. In Übereinstimmung mit dem klassischen malikitischen Recht muss darunter verstanden werden, dass ihre Verfügungsmacht auf ein Drittel ihres Vermögens beschränkt ist.679 Die Ehefrau hat Anspruch auf Unterhalt gegen ihren Mann.680 Dieses Recht steht in direkter Abhängigkeit zu ihrer Gehorsamspflicht. Ist die Ehefrau ungehorsam (nāšiz), so verliert sie ihren Unterhaltsanspruch.681 Zudem schuldet der Ehemann seiner Ehefrau in allen drei Ländern eine Brautgabe (mahr, ṣadāq).682 Im klassischen malikitischen Recht ist die Brautgabe Wirksamkeitsvoraussetzung (rukn) und nicht Rechtsfolge (ḥukm) der Eheschließung.683 In Bahrain führt allerdings nur der explizite Ausschluss der Brautgabe bei Eheschließung zur Unwirksamkeit der Ehe.684 Wird die Brautgabe bei Eheschließung lediglich nicht erwähnt, so ist eine übliche Brautgabe (ṣadāq al-miṯl) geschuldet.685 In den VAE wird die Brautgabe als Rechtsfolge der Eheschließung verstanden. Dort führen weder der Ausschluss noch das Fehlen der Brautgabe zur Unwirksamkeit der Ehe. In beiden Fällen ist die übliche Brautgabe geschuldet.686 4. Wirksamkeit der Ehe Die drei Gesetzbücher unterscheiden allesamt zwischen der wirksamen (ṣaḥīḥ) und der unwirksamen (ġayr ṣaḥīḥ) Ehe.687 Die Gesetzbücher Katars und der VAE unterteilen die unwirksame Ehe zusätzlich in die fehlerhafte 678 Art. 37 lit. b FamGB Bahrain; Art. 57 Nr. 4 FamGB Katar; Art. 55 Nr. 4 PersStG VAE; explizit bestimmen alle drei Gesetzbücher die Gütertrennung indes nur für die Frau. 679 Anderson, in Chloros/Rheinstein/Glendon, International encyclopedia, Vol. IV, 68; Shatzmiller, ILS 2.3(1995), 230. 680 Art. 37 lit. a FamGB Bahrain; Art. 57 Nr. 2 FamGB Katar; Art. 55 Nr. 1 PersStG VAE. 681 Art. 53–55 FamGB Bahrain; Art. 69 FamGB Katar; Art. 71 f. PersStG VAE. 682 Art. 29 FamGB Bahrain; Art. 38, 57 Nr. 1 FamGB Katar; Art. 50 PersStG VAE. 683 Tabiu, Islamic Studies 31.3(1992), 324; siehe auch Bergmann/Ferid/Henrich (-Ebert/Hefny), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bahrain, 16 m. w. N. 684 Art. 26 lit. c FamGB Bahrain. 685 Art. 28 FamGB Bahrain. 686 Art. 51 Abs. 2 PersStG VAE. 687 Art. 39 FamGB Bahrain; Art. 49 HS 1 FamGB Katar; Art. 57 HS 1 PersStG VAE.
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(fāsid) und die nichtige (bāṭil) Ehe.688 Eine Ehe ist nichtig, wenn sie gegen Grundelemente der Ehe (arkān az-zawāğ) verstößt.689 Grundelemente der Ehe sind das Angebot und die Annahme durch die Nupturienten und – im Falle der VAE zusätzlich – die Ehevormundschaft.690 Eine Ehe ist auch dann nichtig, wenn sie gegen permanente Ehehindernisse verstößt. Hierzu zählen bestimmte Grade der Blutsverwandtschaft (qarāba), Schwägerschaft (muṣāhara) und die Milchverwandtschaft (riḍāᶜ), die durch das Stillen eines nicht blutsverwandten Kindes entsteht.691 Die nichtige Ehe entfaltet unabhängig von ihrem Vollzug keinerlei Wirkung.692 Die einzige Ausnahme hierzu bildet die in den VAE aufgrund des fehlenden Mitwirkens des Ehevormundes nichtige Ehe. Ihre einzige Rechtsfolge ist die legitime Abstammung693 der aus der Partnerschaft entstandenen Kinder.694 Eine Ehe ist fehlerhaft, wenn sie gegen Voraussetzungen der Ehe (šurūṭ az-zawāğ) verstößt.695 Hierzu zählt neben der Anwesenheit der Zeugen bei der Eheschließung auch die Nichtbeachtung temporärer Ehehindernisse. Temporäre Ehehindernisse sind solche, die zeitlich befristet und grundsätzlich aufzuheben sind. So darf keine Ehe mit einer Frau geschlossen werden, die sich noch in ihrer Wartezeit nach der Ehe mit einem anderen Mann befindet. Auch das Eheverbot zwischen einer muslimischen Frau und einem nichtmuslimischen Mann bzw. zwischen einem muslimischen Mann und einer nichtmonotheistischen Frau696 ist als temporäres Ehehindernis zu qualifizieren.697 Vor ihrem Vollzug entfaltet die fehlerhafte Ehe keine Wirkung. Wird die fehlerhafte Ehe jedoch vollzogen, so hat die Ehefrau Anspruch auf ihre Brautgabe. Etwaige Kinder aus der Ehe haben überdies die legitime Abstammung von beiden Ehepartnern.698 Der VollArt. 49 PersStG HS 2 Katar; Art. 57 HS 2 PersStG VAE. Art. 52 FamGB Katar; Art. 61 Abs. 1 PersStG VAE. 690 Art. 22 FamGB Bahrain; Art. 11 FamGB Katar; Art. 38 PersStG VAE. 691 Art. 7–10 FamGB Bahrain; Art. 20–24 FamGB Katar; Art. 42–46 PersStG VAE. 692 Art. 52 FamGB Katar; Art. 61 Abs. 2 PersStG VAE. 693 Siehe Ausführungen zur Abstammung in Kapitel 4 B.III.2. 694 Art. 39 PersStG VAE. 695 Art. 51 S 1 FamGB Katar; Art. 59 Abs. 1 PersStG VAE. 696 Das islamische Eherecht gestattet keine Eheschließung zwischen einer muslimischen Frau und einem nichtmuslimischen Mann. Dem muslimischen Mann ist die Eheschließung mit einer nichtmuslimischen Frau nur gestattet, sofern sie Angehörige einer der sog. Buchreligionen (ahl al-kitāb), d. h. einer weiteren monotheistischen Religion (in erster Linie Christen- und Judentum), ist. In all jenen islamischen Ländern, deren Personalstatut religiös gespalten ist, ist dieses Eheverbot auch weiterhin Bestandteil des Familienrechts; hierzu Gallala-Arndt, in Foblet/Yassari, Approches juridiques, 573–601; Ltaief, International Social Science Journal, 57(2005), 331–350. 697 Art. 11 FamGB Bahrain; Art. 25 FamGB Katar; Art. 47 PersStG VAE. 698 Art. 51 FamGB Katar; Art. 60 PersStG VAE; darüber hinaus lässt die fehlerhafte Ehe wie auch die wirksame Ehe Ehehindernisse aufgrund von Schwägerschaft zwischen 688 689
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zug der Ehe heilt die Fehlerhaftigkeit dieser hinsichtlich einzelner Rechtsfolgen. Während Katar und die VAE ihre Ausführungen über die Qualifizierung der Ehe sehr nah am klassischen islamischen Recht formulieren, hat der bahrainische Gesetzgeber die Unterscheidung von fehlerhaft und nichtig nicht übernommen. Eine unwirksame, aber vollzogene Ehe entfaltet in Bahrain grundsätzlich all jene Rechtsfolgen, die in Katar und den VAE durch die vollzogene, fehlerhafte Ehe entstehen.699 II. Scheidungsrecht Mit Blick auf die Eheauflösung gleichen die neuen gesetzlichen Bestimmungen in allen drei Golfstaaten insofern weiterhin dem klassischen islamischen Scheidungsrecht, als sie nach Geschlechtern getrennte Formen der Eheauflösung vorsehen. So gewährt keines der drei Gesetzbücher Mann und Frau einen einheitlichen Zugang zur Scheidung. 1. Formen der Eheauflösung a) Verstoßungsscheidung: zaghafte Beschränkungen Die Eheauflösung durch den Ehemann erfolgt in erster Linie durch die einseitige Verstoßungsscheidung (ṭalāq) ohne zwingend erforderliche Angabe von Gründen.700 Die drei Gesetzbücher definieren den ṭalāq als Auflösung der Ehe in der gesetzlich bestimmten Form.701 Die Verstoßungsscheidung kann mündlich oder schriftlich erklärt werden.702 Sie ist kein höchstpersönliches Recht und kann ebenfalls durch einen vom Ehemann benannten Vertreter erfolgen. Als Vertreter in der Erklärung des Scheidungswillens kann auch die Ehefrau bestimmt werden. Dadurch erhält sie die Vollmacht, sich selbst zu scheiden (ṭalāq at-tafwīḍ).703 den zwei Ehepartnern und Angehörigen des jeweils anderen Ehepartners entstehen und die Frau ist verpflichtet, nach Auflösung der fehlerhaften Ehe die Wartezeit einzuhalten. Kann die Kenntnis der Ehefrau über das Bestehen eines Ehehindernisses ausgeschlossen werden, so hat sie ferner Anspruch auf ihren Unterhalt. 699 Art. 43 FamGB Bahrain. 700 Art. 84–96 FamGB Bahrain; Art. 106–117 FamGB Katar; Art. 99–109 PersStG VAE. 701 Art. 84 lit. a FamGB Bahrain; Art. 106 FamGB Katar; Art. 99 Abs. 1 PersStG VAE; in Bahrain kann die Verstoßung in der gesetzlichen und in der – nicht näher definierten – gewohnheitsrechtlichen („ᶜurfan“) Form erfolgen. 702 Art. 84 lit. b FamGB Bahrain; Art. 107 Nr. 1 FamGB Katar; Art. 99 Abs. 2 PersStG VAE. 703 Art. 85 lit. a FamGB Bahrain; Art. 109 FamGB Katar; Art. 100 PersStG VAE; die gängigste Form des ṭalāq at-tafwīḍ in islamischen Ländern ist, der Ehefrau eine eingeschänkte Scheidungsvollmacht zu erteilen, z. B. bei erneuter Eheschließung des Eheman-
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Ungeachtet dieser weitreichenden Freiheiten, die der Ehemann bei der Verstoßungsscheidung auch weiterhin genießt, handelt es sich nicht mehr um eine reine Privatscheidung, da in in allen drei Golfstaaten die Gerichte fortan grundsätzlich an der Verstoßungsscheidung mitwirken sollen. In Bahrain galt dies bereits durch die Ordnung v. 2007, wonach der ṭalāq in der Regel vor dem zuständigen Gericht zu erfolgen hat, welches die Verstoßung daraufhin registriert.704 Gleichwohl kann eine bereits erfolgte Verstoßung auch nachträglich auf Antrag der Ehegatten bei Gericht registriert werden.705 Das neue Familiengesetzbuch Bahrains wiederholt diese Bestimmung im Grundsatz706 und verpflichtet das Gericht zusätzlich, der gerichtlichen Verstoßung einen Versöhnungsversuch zwischen den Ehepartnern vorzulagern.707 Auch die Gesetzbücher Katars und der VAE sehen einen solchen Versöhnungsversuch vor.708 Über die grundsätzliche Registrierungspflicht hinaus formulieren alle drei Gesetzbücher indes auch „außerordentliche“ Formen des Beweises einer außergerichtlich erfolgten Verstoßung.709 Die Registrierungspflicht wirkt insofern weiterhin nur deklaratorisch; sie berührt nicht die Wirksamkeit der Verstoßung. Dies gilt ebenfalls für den gerichtlichen Versöhnungsversuch, der für die Verstoßungsscheidung lediglich fakultativ ist. Erfolgte aufgrund einer außergerichtlichen Verstoßung kein vorheriger Versöhnungsversuch, ist die Scheidung dennoch wirksam. Das Erklärende Memorandum zum emiratischen Personalstatutsgesetz führt aus, dass die Verstoßungsscheidung ein gottgegebenes Recht des Ehemannes sei. Die Verstoßung bedürfe grundsätzlich keines Richters und keiner Zeugen. Die gerichtliche Registrierung einer Verstoßungsscheidung diene daher in erster Linie der Sicherstellung des Familienstandes, so dass ein Fortbestehen des Ehelebens und die etwaige Zeugung illegitimer Nachkommen vermieden werden.710 nes, so beispielsweise in den iranischen Mustereheverträge, vgl. hierzu Fn. 653; in muslimischen Gemeinden außerhalb der islamischen Welt sind inzwischen aber auch Mustereheverträge entwickelt worden, die ein bedingungsloses Recht der Ehefrau auf ṭalāq und mithin ein gleichberechtigtes Verstoßungssrecht beider Ehepartner normieren, so u. a. der Musterehevertrag des Canadian Council of Muslim Women, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 704 Art. 14 Ordnung v. 2007. 705 Art. 16 Ordnung v. 2007. 706 Art. 91 lit. a FamGB Bahrain. 707 Art. 91 lit. b FamGB Bahrain. 708 Art. 113 FamGB Katar; Art. 98 Abs. 3 PersStG VAE. 709 Art. 91 lit. c FamGB Bahrain; Art. 113 FamGB Katar; Art. 106 Abs. 2 PersStG VAE. 710 Erläuterungen zu Art. 106 im Erklärenden Memorandum zum PersStG VAE.
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Im Einklang mit den Bestimmungen des klassischen islamischen Rechts aller Rechtsschulen ist zwischen der widerruflichen (rağᶜī) und der unwiderruflichen (bāᵓin) Verstoßung zu unterscheiden.711 Nach einer widerruflichen Verstoßung ist die Ehe lediglich suspendiert. Die Frau beginnt ihre Wartezeit (ᶜidda)712, innerhalb welcher sie vom Ehemann in den Ehestand zurückgerufen werden kann. Erst die dritte Verstoßungsscheidung durch den Ehemann ist unwiderruflich und löst die Ehe mit sofortiger Wirkung auf.713 Alle drei Gesetzbücher begrenzen zumindest die Zulässigkeit der Verstoßungsscheidung. Diese ist nur noch dann wirksam, wenn der Ehemann seinen Willen zur Verstoßung auch explizit formuliert. Der Verstoßende muss ferner im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein. Die Verstoßung des aufgrund von Trunkenheit oder Zorn nicht Unterscheidungsfähigen ist unwirksam.714 Lediglich in den VAE ist die unter Alkoholeinfluss ausgesprochene Verstoßung dennoch wirksam.715 Die mehrfache Verstoßung, d. h. die dreifach ausgesprochene Verstoßung zu einem einmaligen Zeitpunkt, wird als einfache Verstoßung gewertet.716 b) Gerichtliche Eheauflösung auf Antrag der Ehefrau aa) Scheidungsgründe malikitischer Prägung Eine Besonderheit des malikitisch-islamischen Familienrechts sind die weitreichenden Scheidungsgründe, auf Basis derer die Ehefrau eine gerichtliche Eheauflösung (in Bahrain taṭlīq, in Katar und den VAE tafrīq) beantragen kann.717 Eine Übernahme der malikitischen Bestimmungen durch die Methode des taḫayyur, der Auswahl aus den unterschiedlichen Rechtsauffassungen und -normen der islamischen Rechtsschulen, erlaubt somit, die Rechte der Frau im Bereich der Eheauflösung zu erweitern.718 Da auch das mehrheitlich hanbalitische Katar dieser Methode bei der Kodifikation seines Personalstatuts folgte, gleichen sich die Gründe für eine gerichtliche Eheauflösung in allen drei Golfstaaten weitestgehend. Danach kann die Ehefrau die Scheidung beantragen, wenn der Ehemann nicht für Art. 89 FamGB Bahrain; Art. 111 FamGB Katar; Art. 104 PersStG VAE. Siehe Ausführungen zur Wartezeit in Kapitel 4 B.II.2.a). 713 Gleichwohl ist auch nach der unwiderruflichen Verstoßung von der Frau die Wartezeit einzuhalten. 714 Art. 86 FamGB Bahrain; Art. 110 FamGB Katar. 715 Art. 101 PersStG VAE bestimmt, dass der Verstoßende grundsätzlich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein muss. Ist er dies aufgrund von Trunkenheit nicht, kann die Verstoßung im Nachhinein dennoch bestätigt werden. 716 Art. 88 lit. c FamGB Bahrain; Art. 103 Abs. 3 PersStG VAE; in Katar ist eine solche Verstoßung unwirksam, Art. 108 Nr. 4 FamGB Katar. 717 Siehe hierzu die Ausführungen in Fn. 14. 718 So erstmalig im Osmanischen Familiengesetzbuch von 1917. 711 712
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ihren Unterhalt aufkommt719 oder für längere Zeit abwesend oder verschollen ist.720 In Katar und den VAE kann die Ehefrau vor Vollzug der Ehe auch bei Nichtzahlung der Brautgabe die gerichtliche Eheauflösung fordern.721 Außerdem begründen Krankheiten, die eine Aufrechterhaltung der Geschlechtsgemeinschaft verhindern, die Auflösung der Ehe.722 Eine gerichtliche Eheauflösung unter Angabe von Gründen ist grundsätzlich als unwiderrufliche Verstoßung zu behandeln; sie löst die Ehe mithin endgültig auf. Dies gilt in den VAE indes nicht für die Eheauflösung aufgrund der Nichtzahlung des Unterhaltes an die Ehefrau. Erklärt sich der Ehemann während der Wartezeit der Ehefrau nach einer solchen gerichtlichen Eheauflösung bereit, die Zahlung des Unterhaltes wieder aufzunehmen, besteht die Ehe fort.723 bb) Eheauflösung aufgrund von Schädigung und Zerwürfnis (1) Grundsätzliches Neben den zuvor genannten, konkreten Scheidungsgründen ist die in allen drei Gesetzen enthaltene „Generalklausel“724 über die Eheauflösung bei Schädigung (ḍarar) von großer praktischer Bedeutung.725 Unter Schädigung ist jegliche Eheverfehlung zu verstehen, die nicht von den zuvor genannten Scheidungsgründen erfasst wird, mithin vorrangig körperlicher und seelischer Schaden, der ein Fortbestehen der ehelichen Gemeinschaft unmöglich macht. Das Erklärende Memorandum zum emiratischen Personalstatutsgesetz beispielsweise definiert „ḍarar“ als körperliche (ḍarar ğusmānī) und seelische Schädigung (ḍarar maᶜnawī) ohne legitimen Rechtfertigungsgrund (musawwiġ šarᶜī).726 719
VAE.
Art. 109 FamGB Bahrain; Art. 137–142 FamGB Katar; Art. 124–128 PersStG
Art. 110–113 FamGB Bahrain; Art. 143 f. FamGB Katar; Art. 129 f. PersStG VAE. Art. 128 FamGB Katar; Art. 116 PersStG VAE. 722 Art. 100 FamGB Bahrain; Art. 123–127 FamGB Katar; Art. 112–115 PersStG VAE. 723 Art. 127 PersStG VAE; dies gilt jedoch nur für die ersten zwei Verfahren aufgrund der Nichtzahlung des Unterhalts. Beantragt die Ehefrau die Auflösung der Ehe zum dritten Mal aus eben jenem Grund, ist die Ehe vom Richter unwiderruflich aufzulösen, Art. 128 PersStG VAE. In Bahrain kann der Ehemann die Eheauflösung lediglich durch Zahlung des Unterhalts ab Klageerhebung abwenden, Art. 109 lit. a FamGB Bahrain. In Katar können dem Ehemann – abhängig von seiner finanziellen Situation – unterschiedlich lange Fristen zur Wiederaufnahme der Unterhaltszahlung gewährt werden, Art. 138–141 FamGB Katar. 724 So Krüger, in Ebert/Hanstein, Beiträge VI, 132. 725 Art. 101 lit. a FamGB Bahrain; Art. 129 FamGB Katar; Art. 117 Abs. 1 PersStG VAE. 726 Erläuterungen zu Art. 117 im Erklärenden Memorandum zum PersStG VAE; der Begriff des „legitimen Rechtfertigungsgrundes“ bleibt unbestimmt, hier mag es zu Abwä720 721
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Das gerichtliche Scheidungsverfahren aufgrund von Schädigung erfolgt in allen drei Golfstaaten zweistufig und ist stets mit einem Versöhnungsversuch verbunden.727 In einem ersten Schritt prüft der Richter, ob eine Schädigung vorliegt. Kann diese zweifelsfrei nachgewiesen werden, ist die Ehe nach einmaligem richterlichen Versöhnungsversuch sofort aufzulösen. Kann die Schädigung jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, wird ein Scheidungsverfahren aufgrund eines ehelichen Zerwürfnisses (šiqāq) unter Bestellung zweier Schiedsrichter eingeleitet.728 Diese Schiedsrichter stammen zumeist aus dem Familienkreis der Eheleute wobei die Ehepartner dem Richter Vorschläge für die Ernennung der Schiedsrichter unterbreiten können.729 Die berufenen Schiedsrichter haben sodann einen erneuten Versöhnungsversuch der Ehepartner zu unternehmen und sind bei dessen Scheitern aufgerufen, den für die Zerrüttung der Ehe überwiegend Schuldigen auszumachen. In Katar wird gegenwärtig (Stand: Februar 2014) ein Gesetz diskutiert, das speziell für die Versöhnungsversuche zuständige Familienberatungsstellen (Sing. maktab al-iršāᶜ wa-t-taṣāluḥ) innerhalb der erstinstanzlichen Gerichte errichten würde.730 In den VAE existieren solche Familienberatungsstellen (Sing. lağnat at-tawğīh al-usrī) bereits.731 Ausgewählte Fälle in Angelegenheiten des Personalstatuts werden fortan erst nach einer Anhörung vor der Familienberatungsstelle auch vor Gericht zugelassen. Hierzu zählen u. a. Anträge auf Eheauflösung. Sie erfolgen erst nach einem Vergungen zwischen dem Anspruch des Ehemannes auf weiblichen Gehorsam (Art. 56 Nr. 1 PersStG VAE) und dem Recht der Ehefrau auf körperliche Unversehrtheit (Art. 55 Nr. 5 PersStG VAE) kommen. Auch Art. 53 StGB VAE führt die körperliche Züchtigung der Ehefrau durch ihren Ehemann als Erlaubnistatbestand an, der die an sich verbotene körperliche Misshandlung ausnahmsweise gestattet, siehe hierzu auch Human Rights Watch, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 727 Art. 101 lit. b, c FamGB Bahrain; Art. 129 PersStG VAE; Art. 98 Abs. 3, Art. 117 Abs. 2 PersStG VAE. 728 Art. 102 FamGB Bahrain; Art. 130 FamGB Katar; Art. 118 PersStG VAE. 729 Das Konzept des Schlichtungsverfahrens durch Schiedsrichter im Rahmen einer Scheidung findet seinen Ursprung bereits im Koran. Dieser bestimmt in Sure 4, Vers 35: „Und wenn ihr fürchtet, dass es zwischen einem Ehepaar zu einem (ernsthaften) Zerwürfnis kommt, dann bestellt einen Schiedsrichter aus seiner und einen aus ihrer Familie (um zu vermitteln)!“ 730 Siehe hierzu al-ᶜArab v. 9.1.2014, 6; der Gesetzesentwurf (Mašrūᶜ qānūn bi-iṣdār qānūn iğrāᵓāt at-taqāḍī fī masāᵓil li-usrī) wurde vom katarischen Ministerrat bestätigt und liegt nun dem Konsultativrat vor. 731 Art. 16 PersStG VAE; siehe auch Verordnung Nr. 1/2011 über die Ordnung der Familienberatung [Qarār wizārī fī šaᵓn lāᵓiḥat at-tawğīh al-usrī] v. 3.1.2011/28.1.1432, GBl. Nr. 522 v. 28.4.2011/25.5.1432, 17, i. d. F. der Änderungsverordnung Nr. 563/2013 v. 15.7.2013/7.9.1434, GBl. Nr. 553 v. 29.8.2013/22.10.1434, 177–184.
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
141
söhnungsversuch durch die zuständige Familienberatungsstelle. Ist dieser erfolglos, werden die jeweiligen Verfahren zur Eheauflösung eingeleitet. Fortan wird der Klärung der Schuldfrage mithin mehr Raum gewährt: Nicht nur wird bei einem gerichtlichen Scheidungsverfahren entschieden, ob eine Schädigung der Ehefrau durch ihren Ehemann vorliegt und mithin eine Scheidung auszusprechen ist, auch im Zuge des Scheidungsverfahrens aufgrund eines ehelichen Zerwürfnisses müssen die gerichtlich bestellten Schiedsrichter die Schuldfrage und, daran anknüpfend, die Rechte und Pflichten beider Ehegatten klären.732 In Bahrain und Katar kann eine Scheidung aufgrund von Schädigung nur von der Ehefrau beantragt werden. In den VAE ist auch der Ehemann antragsberechtigt.733 Auf diese Besonderheit wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit noch einzugehen sein. Im Folgenden sollen zunächst solche Fälle genauer erörtert werden, in denen die Ehefrau eine Scheidung aufgrund von Schädigung beantragt. (2) Schädigung und häusliche Gewalt Mit dem Begriff der körperlichen Schädigung ist nunmehr auch häusliche Gewalt als gesetzlicher Scheidungsgrund in den drei Golfstaaten grundsätzlich verankert. Laut Aussage eines Familienrechtsanwalts in Dubai werden medizinische Berichte, die die Folgen körperlicher Gewalt dokumentieren, von den Gerichten regelmäßig als ausreichender Nachweis für das Vorliegen einer Schädigung akzeptiert.734 Gleichwohl muss diese Aussage im Lichte der Ausführungen des Erklärenden Memorandums zum emiratischen Personalstatutsgesetz betrachtet werden. Hiernach scheint die Definition dessen, was genau als Schädigung anzusehen ist, für den emiratischen Gesetzgeber nicht absolut zu gelten. So führt das Erklärende Memorandum aus, dass Schädigung, mithin auch solche physischer Natur, ein persönlicher Standard (miᶜyār šaḫṣī) sei, der von dem Umfeld (bīᵓa) und dem sozialen Milieu (wasṭ iğtimāᶜī) des Ehepaares abhänge.735 Diese Erklärung des emiratischen Gesetzgebers ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen läuft sie der mit der Kodifikation angestrebten Rechtssicherheit zuwider. Zum anderen untergräbt eine Bewertung von körperlicher Schädigung in Abhängigkeit vom sozialen Milieu das in den VAE verfassungsrechtlich verankerte Diskrminierungsverbot aufgrund des sozialen Standes.736 Es ist nicht ersichtlich, warum für Frauen – in Ab732
VAE.
733 734 735 736
Art. 102–108 FamGB Bahrain; Art. 130–136 FamGB Katar; Art. 118–123 PersStG Hierzu ausführlich Kapitel 4 C.II.3. Im persönlichen Gespräch, Dubai, VAE, 19.2.2012. Erläuterungen zu Art. 117 im Erklärenden Memorandum zum PersStG VAE. Art. 25 Verf. VAE 1971.
142
Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
hängigkeit von ihrer sozialen Herkunft – unterschiedliche Kategorien häuslicher Gewalt als „hinnehmbar“ bewertet werden sollten. Schwierig gestalten sich auch solche Fälle, in denen sich Ehefrauen davor scheuen, einen Arzt aufzusuchen und die Folgen häuslicher Gewalt dokumentieren zu lassen. Häusliche Gewalt stellt in allen drei Golfstaaten ein schwerwiegendes, gesellschaftliches Problem dar; nur selten werden Fälle auch zur Anzeige gebracht.737 Dennoch scheint das Thema in den vergangenen Jahren zunehmend öffentliche Beachtung zu finden, was sich u. a. in der steigenden Anzahl von Hilfseinrichtungen für betroffene Frauen ausdrückt.738 Da in solchen Zentren zumeist Rechtsberatung angeboten wird, kann auch von einem wachsenden Bewusstsein für körperliche Schädigung als gesetzlicher Scheidungsgrund ausgegangen werden. Es bleibt somit zu hoffen, dass die Gerichte im Fall von körperlicher Schädigung, gerade bei ausreichender Beweislast, dem Scheidungsantrag stattgeben. In Bahrain erging nach Inkrafttreten des Familiengesetzbuches bereits ein Urteil, das den Scheidungsanspruch der Ehefrau bestätigte nachdem ihr Ehemann wegen häuslicher Gewalt rechtskräftig verurteilt wurde.739 Eine Analyse der Rechtsprechung sowie die Bewertung des Begriffs der „Schädigung“ soll im Folgenden aufzeigen, inwieweit Gerichte in den arabischen Golfstaaten bereit sind, auch gegen den Willen des Ehemannes und unter Feststellung seiner Schuld auf Eheauflösung zu urteilen. (3) Rechtspraxis in den Vereinigten Arabischen Emiraten In Übereinstimmung mit dem Scheidungsrecht der klassischen malikitischislamischen Lehre wurden in den VAE bereits vor Inkrafttreten des Personalstatutsgesetzes Fälle verhandelt, in denen die Schädigung der Ehefrau durch den Ehemann als Grundlage eines Scheidungsantrages diente. Hierzu zählen auch Fälle seelischer Schädigung. Im Folgenden soll ein Beispiel dies illustrieren.
737 Für Bahrain siehe beispielsweise Freedom House, Women’s rights, 20 f.; Ähnliches wurde im persönlichen Gespräch von einer emiratischen Familienrechtsanwältin bestätigt, Dubai, VAE, 26.2.2012. 738 Nach Angaben des Batelco Zentrums für Opfer häuslicher Gewalt in Bahrain hat sich die Anzahl der Hilfesuchenden von 2007 auf 2008 verdoppelt, hierzu Freedom House, a. a. O., 20; für Katar siehe u. a. Freedom House, a. a. O., 73 f., sowie Al-Ghanim, Journal of Middle East Women’s Studies 5.1(2009), 80–93. Im Jahre 2012 hat die juristische Fakultät der Qatar University in Doha erstmals einen Workshop zum Thema häusliche Gewalt und ihre rechtlichen Implikationen veranstaltet, hierzu , letzter Zugriff: 3.2.2014. 739 Zitiert in Ṭaha, Dirāsat qānūn aḥkām al-usra, 136 (ohne weitere Angaben).
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
143
(a) Oberster Bundesgerichtshof v. 6.4.2002 Im Jahre 2002 befasste sich der Oberste Bundesgerichtshof der VAE mit dem Scheidungsantrag einer Frau, die die Auflösung ihrer Ehe aufgrund von Vernachlässigung durch ihren Ehemann (genauer: aufgrund von „Verlassen“, hağr) forderte.740 In erster Instanz beantragte sie die Scheidung aufgrund des Fehlens einer gemeinsamen ehelichen Wohnung. Zudem beantragte sie das Sorgerecht für die drei gemeinsamen Kinder und forderte die Zahlung von Kindesunterhalt. Der Ehemann erhob ebenfalls Klage und beantragte, seine Ehefrau zum ehelichen Gehorsam zu verpflichten. Das Familiengericht lehnte den Antrag des Ehemannes auf Wiederherstellung des Gehorsams seiner Ehefrau mit der Begründung ab, dass er keine eheliche Wohnung für die Ehefrau zur Verfügung gestellt habe. Das Gericht lehnte jedoch ebenfalls den Scheidungsantrag der Ehefrau ab, da es die fehlende gemeinsame Unterkunft nicht als Schädigung bewertete.741 Beide Ehepartner fochten das Urteil des Familiengerichts zunächst nicht an. Einige Monate später jedoch beantragte die Ehefrau erneut die Scheidung aufgrund von Schädigung. Als Schädigung führte sie das fortwährende Nichtvorhandensein einer gemeinsamen ehelichen Wohnung an. Das Familiengericht setzte zunächst zwei Schiedsrichter ein, die auf Auflösung der Ehe durch ḫulᶜ-Scheidung742 urteilten und die Ehefrau zum Verzicht auf ihre gestundete Brautgabe in Höhe von AED 20.000 verpflichteten.743 Die Ehefrau legte vor dem Berufungsgericht von Abu Dhabi Rechtsmittel ein. Das Berufungsgericht entsandte daraufhin zwei weitere Schiedsrichter. In ihrer Stellungnahme erklärten die Schiedsrichter erneut, dass die Frau sich scheiden lassen dürfe, sofern sie auf ihre gestundete Brautgabe verzichte.744 Der Ehemann – weiterhin nicht an einer Scheidung interessiert – wandte sich gegen das Urteil des Berufungsgerichts. Er sah insofern einen Verfahrensfehler gegeben, als seine Ehefrau zweimal aufgrund der gleichen vermeintlichen Schädigung die Scheidung beantragen konnte. Er hielt die zweite Klage vor dem Familiengericht für nicht zulässig, nachdem das Gericht zuvor das Fehlen einer gemeinsamen ehelichen Unterkunft nicht 740 Oberster Bundesgerichtshof der VAE (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 6.4.2002, Gesch.-Z. 214/22. 741 Familiengericht Abu Dhabi (erste Instanz), Urteil v. 9.5.1998, Gesch.-Z. 645/97; Das Urteil erging im Gerichtsbezirk Abu Dhabi, dessen Gerichte damals noch in den Bundesgerichtszug eingegliedert waren. 742 Die ḫulᶜ-Scheidung ist die von der Ehefrau angestrebte oder von den Ehegatten einvernehmlich vereinbarte Eheauflösung bei Zahlung einer Abfindung an den Ehemann; hierzu ausführlich Kapitel 4 C.II.1 und Kapitel 4 D.I. 743 Familiengericht Abu Dhabi (erste Instanz), Urteil v. 1.2.1999, Gesch.-Z. 286/98. 744 Berufungsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 30.4.2000, Gesch.-Z. 29/1999.
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
als Schädigung bewertet hatte. Hierzu äußerste sich der Oberste Bundesgerichtshof der VAE wie folgt: „Aus der Tatsache, dass der Ehemann keine legitime (šarᶜī) eheliche Wohnung zur Verfügung gestellt hat, ergeben sich die Vernachlässigung und das Verlassen der Ehefrau von seiner Seite. Das Zusammenleben ist ein Ziel der Ehe. Es kann nur in einer gemeinsamen ehelichen Wohnung stattfinden. Stellt der Ehemann eine solche Unterkunft aber nicht zur Verfügung, so verlässt er seine Ehefrau. Dies ist nach den religiösen Vorschriften nicht erlaubt.“
Zudem bestimmte das Gericht, dass auch die erneute Antragstellung der Ehefrau zulässig sei, da die Anträge auf unterschiedlichen Grundlagen gestellt wurden. Im ersten Verfahren habe die Ehefrau geltend gemacht, dass der Ehemann sie vernachlässige, indem er nicht mir ihr zusammenlebe. Der Ehemann habe dies sodann nicht behoben und weiterhin keine gemeinsame eheliche Wohnung zur Verfügung gestellt. Dieses Verhalten habe sich „wiederholt und fortgesetzt“. Die Schädigung durch Vernachlässigung und das Fehlen der ehelichen Wohnung zu einem bestimmten Zeitpunkt sei anders zu bewerten als die Schädigung durch Vernachlässigung und das Fehlen der ehelichen Wohnung zu einem anderen Zeitpunkt. Der Oberste Bundesgerichtshof sah es folglich als erwiesen an, dass das kontinuierliche Nichtvorhandensein einer gemeinsamen ehelichen Wohnung eine Schädigung der Ehefrau darstellt. Gleichzeitig hob das Gericht jedoch nicht die Entscheidung der vom Familiengericht erster Instanz und vom Berufungsgericht entsandten Schiedsrichter über den Verzicht der Ehefrau auf ihre gestundete Brautgabe auf.745 (b) Bewertung Zu begrüßen ist, dass das Gericht den Begriff der Schädigung insofern weit auslegte, als auch eine seelische Schädigung als ausreichender Scheidungsgrund der Ehefrau bewertet wurde. In dem vorliegenden Fall berührt die Verfehlung des Ehemannes einen zentralen Aspekt seiner ehelichen Pflich745 Diese Beurteilung aus dem Jahre 2002 entspricht im Grundsatz auch den gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen über die Eheauflösung aufgrund von Schädigung. Ist die Schädigung zweifelsfrei nachgewiesen, so ist nach einmaligem Versöhnungsversuch die Ehe aufzulösen (Art. 117 Abs. 2 PersStG VAE). Kann die Schädigung jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, sind vom zuständigen Gericht zwei Schiedsrichter zu ernennen (Art. 118 PersStG VAE). Diese haben zunächst die Aufgabe, das Ehepaar zu versöhnen (Art. 119 PersStG VAE). Scheitert ein solcher Versöhnungsversuch, ist von ihnen der Verursacher des ehelichen Zerwürfnisses zu bestimmen. Fällt die Schädigung zulasten des Ehemannes und kann der Ehefrau keine Schuld am ehelichen Zerwürfnis nachgewiesen werden, so ist die Ehe unter Wahrung der finanziellen Rechte der Ehefrau aufzulösen (Art. 120 Abs. 1 PersStG VAE). Der Richter kann sich dem Urteil der berufenen Schiedsrichter nur widersetzen, wenn ihre Entscheidung den Bestimmungen des Gesetzes widerspricht (Art. 121 PersStG VAE).
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
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ten als finanzieller Versorger der Familie. Dies wird u. a. dadurch deutlich, dass das erstinstanzliche Familiengericht den Antrag des Ehemannes auf Verpflichtung seiner Ehefrau zum ehelichen Gehorsam mit der Begründung ablehnte, dass er keine gemeinsame Unterkunft bereitstelle. Diese Argumentation verdeutlicht das islamrechtliche Zusammenspiel von Unterhalt und weiblichem Gehorsam. Anstatt also den Ehemann auf die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zu verpflichten, gab das Gericht dem Scheidungsantrag der Ehefrau statt. Kritisch anzumerken ist, dass, ungeachtet der vom Gericht nachgewiesenen Schädigung der Ehefrau durch den Ehemann, ihr nicht sämtliche finanziellen Ansprüche zuerkannt wurden. Obgleich das Gericht dem Scheidungsantrag der Ehefrau aufgrund von Schädigung stattgab, ähnelt die tatsächliche Scheidungsform durch den Verzicht der Ehefrau auf einen Teil ihrer Brautgabe einer ḫulᶜ-Scheidung. Während das Urteil den Begriff der Schädigung auch im Sinne seelischer Schädigung auslegt, bleibt aufgrund der Fallkonstellation zudem unklar, ob eine solche Schädigung auch dann angenommen worden wäre, wenn kein klassisch-islamrechtlicher ehelicher Anspruch betroffen gewesen wäre. Fraglich ist insofern, ob auch sonstige Formen psychischer Gewalt des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau als Schädigung bewertet werden. Abschließend ist anzumerken, dass die Bewertung des Nichtvorhandenseins einer gemeinsamen Unterkunft als Scheidungsgrund als deutliche Kritik des Obersten Bundesgerichtshofs der VAE an der misyār-Ehe beurteilt werden kann. Diese in den Golfstaaten vermehrt zu beobachtende sogenannte „Besuchsehe“ zeichnet sich gerade durch das Fehlen einer gemeinsamen ehelichen Unterkunft aus.746 (4) Rechtspraxis in Katar (a) Kassationsgericht v. 11.5.2010 Auch in Katar erging im Jahre 2010 eine Grundsatzentscheidung zur gerichtlichen Eheauflösung aufgrund von Schädigung.747 Das katarische Kassationsgericht entschied im Fall einer Frau, die bereits kurz nach der Eheschließung von ihrem Mann verlassen worden war. Der Ehemann gab an, bei Eheschließung nicht ausreichend über den Gesundheitszustand seiner Ehefrau informiert gewesen zu sein und daher nicht gewusst zu haben, dass sie unter einer (in dem Urteil nicht näher definierten) Krankheit leide, die auch auf zukünftige gemeinsame Kinder übertragen werden könne. Die Ehefrau führte aus, dass ihr Ehemann sie nach Vollzug der Ehe zurück zu Hierzu ausführlich Kapitel 4 C.I.2.b)bb). Kassationsgericht Katar (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 11.5.2010, Gesch.Z. 63/2010. 746 747
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
ihren Eltern geschickt und sich geweigert habe, das gemeinsame Eheleben fortzuführen. Nach Aussage der Ehefrau wäre ihr Ehemann lediglich unter der Voraussetzung, dass sie auf gemeinsame Kinder verzichtete, bereit gewesen, das Eheleben wieder aufzunehmen. Für die Ehefrau stellte der Vorfall eine schwere Schädigung dar, aufgrund derer sie die Auflösung der Ehe beantragte. Das Familiengericht erster Instanz gab dem Antrag statt und verpflichtete den Ehemann zur Zahlung der gestundeten Brautgabe in Höhe von QR 30.000, des Unterhalts während der Wartezeit und einer Entschädigung (mutᶜat aṭ-ṭalāq)748 an die Ehefrau.749 Das Urteil wurde vom Ehemann angefochten. Das Berufungsgericht bestellte zwei Schiedsrichter, die zunächst einen Versöhnungsversuch unternahmen. Da dieser scheiterte, empfahlen die Schiedsrichter dem Berufungsgericht, die Ehe aufgrund eines beidseitigen ehelichen Zerwürfnisses (šiqāq) aufzulösen, wobei ein Anspruch der Ehefrau auf ihre gestundete Brautgabe sowie auf eine Entschädigungszahlung von den Schiedsrichtern verneint wurde. Das Berufungsgericht folgte der Empfehlung der Schiedsrichter.750 Das Urteil des Berufungsgerichts wurde daraufhin von der Ehefrau vor dem katarischen Kassationsgericht angefochten. Das Kassationsgericht entschied, dass das Verlassen durch den Ehemann sowie seine Weigerung zur Wiederaufnahme der ehelichen Beziehungen in der Tat eine seelische Schädigung darstellten, die die Ehefrau zur Scheidung berechtige. Schädigungen, die eine gerichtliche Scheidung begründen, könnten sowohl körperlicher als auch seelischer Natur sein. Das Kassationsgericht betonte in seinem Urteil, dass die Schuld an der Zerrüttung der Ehe nicht bei der Ehefrau liege und ihr kein Ungehorsam gegenüber ihrem Ehemann i.S.d. Art. 69 FamGB Katar vorgeworfen werden könne. Was die finanziellen Folgen der Eheauflösung anbelangte, gab das Kassationsgericht daher der Entscheidung des erstinstanzlichen Familiengerichts recht, bestätigte den Anspruch der Ehefrau auf Erhalt ihrer gestundeten Brautgabe und verpflichtete den Ehemann zur Zahlung des Unterhalts während der Wartezeit sowie einer Entschädigung an seine geschiedene Ehefrau. (b) Bewertung Auch in der Auslegung des katarischen Kassationsgerichts begründet nicht nur körperliche, sondern auch seelische Schädigung einen Scheidungsanspruch der Ehefrau. Dem katarischen Urteil liegt ein Fall schwerer ehelicher Zerrüttung zugrunde. Während die vom Berufungsgericht eingesetzHierzu ausführlich Kapitel 4 C.II.2. Familiengericht Katar (erste Instanz, Gerichtsbezirk nicht näher benannt), Urteil v. 26.5.2009, Gesch.-Z. 80/2009, 105/2009. 750 Berufungsgericht Katar (Kammer für Personalstatut, Gerichtsbezirk nicht näher benannt), Urteil v. 27.1.2010, Gesch.-Z. 118/2009. 748 749
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ten Schiedsrichter von einem beidseitig verschuldeten ehelichen Zerwürfnis ausgingen, bewertete das Kassationsgericht die Schuldfrage zulasten des Ehemannes. Dabei wurde nicht nur auf die Verletzung der ehelichen Pflichten durch den Ehemann, sondern ebenfalls auf seine Weigerung zur Wiederaufnahme der ehelichen Beziehungen – sofern die Ehefrau nicht bereit sei, auf Nachwuchs zu verzichten – abgestellt. Insofern geht die vom katarischen Kassationsgericht festgestellte Schädigung über den klassischislamrechtlichen ehelichen Anspruch auf eine Unterkunft hinaus; auch die Nötigung der Ehefrau wurde als psychische Schädigung bewertet. Anders als das endgültige Urteil des Kassationsgericht, ähnelt die Entscheidung der vom Berufungsgericht bestellten Schiedsrichter dem zuvor besprochenen emiratischen Urteil, indem zwar der Scheidungswunsch der Ehefrau als begründet bewertet, ihr aber dennoch kein vollumfänglicher Entschädigungsanspruch gegenüber dem Ehemann zuerkannt wurde. Auch das katarische Berufungsurteil lässt somit zunächst eine Tendenz in der Rechtsprechung erkennen, nach der Frauen zwar durchaus eine Scheidung ermöglicht, der Ehemann aber hierdurch keiner finanziellen Belastung ausgesetzt werden soll. Insofern ist zu begrüßen, dass das katarische Kassationsgericht das Urteil des Berufungsgerichts letztendlich aufhob und, nachdem es den Ehemann als für den Zusammenbruch der Ehe alleinig verantwortlich ausmachte, der scheidungswilligen Ehefrau sämtliche gesetzlichen finanziellen Ansprüche zuerkannte. (5) Rechtspraxis Bahrain Wie bereits erwähnt, ist die bahrainische Rechtspraxis schwer zu ermitteln, da Urteile der Familiengerichte auch weiterhin nicht veröffentlicht werden. Im Jahre 2012 erschien aber zumindest eine vom bahrainischen Supreme Council for Women in Auftrag gegebene Studie über die gerichtliche Anwendung des Familiengesetzbuches.751 Neben dem zuvor erwähnten Urteil, das ein Scheidungsrecht der Ehefrau bei Verurteilung des Ehemannes aufgrund von häuslicher Gewalt anerkennt,752 ist der Studie ein weiteres Urteil über die Scheidung aufgrund von Schädigung zu entnehmen. Dieses Urteil zählt mögliche Eheverfehlungen auf, die die Ehefrau zu einer Scheidung befähigen. Hierzu zählen nach Einschätzung des Familiengerichts der Nachweis, dass der Ehemann eine Beziehung zu einer anderen Frau unterhält, die Drogenabhängigkeit des Ehemannes, seine ständige nächtliche Abwesenheit und, wie auch in Katar und den VAE, das Nichtstellen einer gemeinsamen ehelichen Unterkunft.753 751 752 753
Ṭaha, Dirāsat qānūn aḥkām al-usra. Vgl Fn. 739. Ṭaha, Dirāsat qānūn aḥkām al-usra, 138 (ohne weitere Angaben).
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
2. Folgen der Eheauflösung a) Persönliche Folgen der Eheauflösung Nach der Eheauflösung muss die Ehefrau die Wartezeit (ᶜidda) einhalten. Diese beträgt in der Regel drei Menstruationsperioden, wenn innerhalb dieser Frist keine Schwangerschaft festgestellt wird.754 Im klassischen islamischen Familienrecht diente die Wartezeit, in Ermangelung medizinischer Tests, in erster Linie der Feststellung einer möglichen Schwangerschaft der Frau nach Scheidung oder Tod ihres Ehemannes. Aus diesem Grund muss die vor Vollzug der Ehe Geschiedene keine Wartezeit einhalten. Ungeachtet der Möglichkeiten der modernen Medizin, welche im Rahmen der gesetzlichen Feststellung der Vaterschaft durchaus zur Anwendung kommen,755 halten alle drei Golfstaaten an der Wartezeit fest. Dabei unterscheiden sie zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Eheauflösung. Innerhalb der Wartezeit nach einer widerruflichen Verstoßung kann der Ehemann die verstoßene Ehefrau durch Erklärung oder konkludentes Handeln in den Ehestand zurückrufen.756 Die widerrufliche Eheauflösung wird erst mit Ablauf der Wartezeit rechtskräftig. Die unwiderrufliche Eheauflösung beendet die Ehe bereits bei Ausspruch des ṭalāq.757 b) Vermögensrechtliche Folgen der Eheauflösung Mit Rechtskraft der Eheauflösung erlischt das während der Ehe bestehende gegenseitige Erbrecht der Ehegatten.758 Während der Wartezeit nach der widerruflichen Verstoßung hat die Ehefrau in allen drei Golfstaaten Anspruch auf Unterhalt (nafaqat ᶜidda).759 Auch in der Wartezeit nach einer unwiderruflichen Verstoßung oder nach einer gerichtlichen Eheauflösung steht der Geschiedenen in Bahrain und Katar dann Unterhalt zu, wenn sie schuldlos geschieden wurde.760 In den VAE ist der Unterhalt für die unwiderruflich Geschiedene indes, unabhängig von der Schuldfrage, ausge-
754
VAE.
Art. 123 lit. c FamGB Bahrain; Art. 161 FamGB Katar; Art. 139 Abs. 2 PersStG
Siehe Ausführungen zur Abstammung in Kapitel 4 B.III.2. Art. 95 f. FamGB Bahrain; Art. 116 f. FamGB Katar; Art. 108 f. PersStG VAE. 757 Art. 89 FamGB Bahrain; Art. 111 FamGB Katar; Art. 104 PersStG VAE. 758 Zum Erbrechtsanspruch der Ehepartner siehe Art. 252–255 FamGB Katar; Art. 321–324 PersStG VAE; das Erbrecht in Bahrain ist auch für Sunniten bislang nicht kodifiziert, ein Erbrechtsanspruch der Ehegatten ergibt sich jedoch eindeutig aus dem klassischen islamischen Recht, hierzu ausführlich Ebert, Erbrecht. 759 Art. 52 lit. a FamGB Bahrain; Art. 70 FamGB Katar; Art. 69 PersStG VAE. 760 Art. 52 lit. b FamGB Bahrain; Art. 70 FamGB Katar. 755 756
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schlossen.761 In jedem Fall hat die Geschiedene während der gesamten Wartezeit Anspruch auf Verbleib in der ehelichen Unterkunft. Ist die Ehefrau zum Zeitpunkt der Scheidung schwanger, so bleibt ihr Anspruch auf Unterhalt bis zur Entbindung bestehen.762 Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts richtet sich in allen drei Golfstaaten nach der Leistungsfähigkeit des Ehemannes und in den VAE zudem nach dem Lebensstandard der Ehefrau. Der Unterhalt orientiert sich indes nicht an der Bedürftigkeit der Ehefrau.763 Auch die vermögende Frau hat Anspruch auf ehelichen und nachehelichen Unterhalt. Während des Bestehens der Ehe führt dies in der Regel nicht zu Konflikten, da die Ehepartner die Kosten der Haushaltsführung zumeist einvernehmlich regeln. Mit Blick auf die Regelungen über den nachehelichen Unterhalt sehen zahlreiche Männer in der fehlenden Anknüpfung an die Bedürftigkeit der geschiedenen Ehefrau indes eine Benachteiligung. Demgegenüber klagen Frauen in Bahrain, Katar und den VAE, dass ihre geschiedenen Ehemänner oftmals versuchen würden, ihre tatsächlichen Vermögensverhältnisse im Rahmen eines Scheidungsverfahrens zu verschleiern. Dies verlängere zum einen die Gerichtsprozesse deutlich und lasse geschiedene Frauen zum anderen während des laufenden Verfahrens ohne jegliche finanzielle Sicherheit dastehen.764 III. Kindschaftsrecht Im Kindschaftsrecht sind vor allem die Regelungen über die Abstammung ohne nennenswerte Änderungen kodifiziert worden. So wird mit Blick auf die Vater-Kind-Beziehung auch weiterhin zwischen biologisch nachweisbarer und legitimer Abstammung durch Zeugung innerhalb einer Ehe unterschieden. Das Sorgerecht hingegen ist zwar in seinen Grundzügen an das klassische islamische Recht angelehnt, findet aber zugunsten des Kindeswohls weitreichende Veränderungen, auf die im Laufe der Arbeit noch genauer einzugehen sein wird. Im Folgenden sollen lediglich solche BereiArt. 69 PersStG VAE; lediglich die schwangere, unwiderruflich Geschiedene hat in den VAE einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann während der Wartezeit, die sich sodann bis zur Entbindung des gemeinsamen Kindes verlängert. 762 Art. 52 lit. c FamGB Bahrain; Art. 70–72 FamGB Katar; Art. 69 PersStG VAE. 763 Art. 45 FamGB Bahrain; Art. 62 FamGB Katar; Art. 63 Abs. 1, 2 PersStG VAE. 764 Hierzu u. a. ᶜAbd as-Salām, ar-Rāya v. 18.5.2010, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; al-ᶜArab v. 9.12.2012, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; al-Imārāt al-Yawm v. 22.1.2012, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 761
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che des Kindschaftsrechts erörtert werden, die sich durch eine Übernahme islamischer Rechtsinstitute auszeichnen. 1. Sorgerecht Charakteristisch für das islamische Sorgerecht ist dessen Aufspaltung in die Personensorge (ḥiḍāna) und die Vormundschaft in Personen- und Vermögensangelegenheiten (wilāyat an-nafs bzw. wilāya ᶜalā l-māl). Die Personensorge umfasst dabei in erster Linie die Fürsorge und die Erziehung des Kindes.765 Die Unterscheidung von Personensorge und Vormundschaft wird von sämtlichen Rechtsschulen und Konfessionen des Islams anerkannt. Einvernehmen herrscht auch über die Bestimmung, dass die Vormundschaft grundsätzlich dem Vater des Kindes obliegt, während die Personensorge gerade für jüngere Kinder zunächst der Mutter (oder einer anderen weiblichen Angehörigen) zufällt.766 Die Gesetzbücher Bahrains, Katars und der VAE folgen der Unterscheidung von Vormundschaft und Personensorge, wobei sie letztere als Schutz, Erziehung und Pflege des Kindes definieren.767 Bahrain und die VAE fügen dieser Beschreibung den Zusatz hinzu „auf eine Weise, die nicht im Widerspruch zum Recht des Vormundes in Personenangelegenheiten steht“.768 Für Welchman folgen alle drei Golfstaaten damit dem Ansatz anderer islamischer Länder „of dividing the functions of parenting between those of custodian and guardian, and identifying the former with the mother and the latter with the father, in the first instance“.769 Diese Unterscheidung, so Welchman, spiegele „gendered assumptions of ‘ideal type’ social and familial roles in the upbringing of children“ wider.770 In weiten Teilen erfährt das islamrechtlich geprägte Sorgerecht in den Golfstaaten jedoch eine Abwandlung zugunsten des Kindeswohls.771 Im Folgenden soll daher lediglich auf jene Rechtsbereiche eingegangen werden, die von einer Übernahme klassisch-islamrechtlicher Regelungen charakterisiert sind. Ğundī, Al-aḥwāl aš-šaḫṣīya, 367; Šīmī, Šarḥ, 418 ff., so auch Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 15.2.2004, Gesch.-Z. 72/2003. 766 Ṣuwaynī, Aḥkām al-ḥiḍāna, 40. 767 Art. 127 FamGB Bahrain; Art. 165 FamGB Katar; Art. 142 PersStG VAE. 768 Z. B. Art. 142 PersStG VAE: „Al-ḥiḍānatu ḥifẓu l-waladi wa-tarbīyatuhu wariᶜāyatuhu bi-mā lā yataᶜāraḍu maᶜa haqqi l-walī fī l-wilāyati ᶜalā n-nafsi.“ Vgl. auch Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 26.5.2009, Gesch.-Z. 29/2009; Katar bestimmt das Verhältnis der Rechte der Sorgeberechtigten zu den Rechten des Vormundes in Art. 171 FamGB Katar. 769 Welchman, in Sonbol, Gulf women, 396. 770 Ebd. 771 Hierzu ausführlich Kapitel 4 D.II.2. 765
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
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a) Personensorge während bestehender Ehe Den neuen Personalstatutsgesetzen der arabischen Golfstaaten gemein ist die Einordnung der Personensorge im Abschnitt über die Folgen der Eheauflösung. Dies führt in den VAE zu Gesetzeslücken, da die Personensorge innerhalb einer bestehenden Ehe nicht abschließend behandelt wird. Das emiratische Gesetzbuch zählt lediglich die Sorge für und Erziehung der Kinder als gemeinsame Rechte und Pflichten der Ehepartner auf, ohne dabei den Begriff der „ḥiḍāna“ zu verwenden.772 In Bahrain und Katar hingegen steht die Personensorge während bestehender Ehe ausdrücklich beiden Elternteilen gemeinsam zu.773 Zumindest für das Emirat Dubai wurde die Rechtslücke im emiratischen Familiengesetzbuch vom Kassationsgericht im Jahre 2009 geschlossen. Nach dem Urteil des Kassationsgerichts obliegt die Personensorge innerhalb einer bestehenden Ehe vorrangig der Mutter. Hält der Vater der Kinder seine Ehefrau für ungeeignet, die Personensorge auszuüben, so obliegt ihm die Beweislast.774 Das Urteil ist lediglich in Leitsätzen veröffentlicht und lässt mithin keine Rückschlüsse auf die genaue Fallkonstellation zu. Sollte das Urteil nicht nur den besonderen Umständen des Falles Rechnung tragen, wäre nicht ersichtlich, warum in der Auslegung des Gerichts der Mutter innerhalb einer bestehenden Ehe die alleinige Personensorge zusteht, obgleich das Gesetzbuch zumindest Fürsorge und Erziehung der gemeinsamen Kinder als Aufgabe beider Ehepartner bestimmt. Das Urteil mag auf eine gestärkte Rechtsposition der Ehefrau und Mutter abzielen; unter Berücksichtigung der Interessen des Kindes an einer gleichberechtigten elterlichen Sorge und einer gemeinsamen Verantwortlichkeit für die Erziehung und Entwicklung des Kindes erscheint es gleichwohl nicht sachgerecht. b) Betreuungs- und Kindesunterhalt In Anlehnung an die hanbalitische und schafiitische Mehrheitsmeinung hat die weibliche Sorgeberechtigte in Katar gegenüber dem Vormund des Kindes einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt (uğrat al-ḥiḍāna)775 sowie auf eine geeignete Wohnung, die der Sorgeberechtigten und dem Kind zur Verfügung zu stellen ist.776 Auch die VAE verpflichten den Vormund des
Vgl. Ausführungen zu Persönliche Ehewirkungen in Kapitel 4 B.I.3.a). Art. 132 S 1 FamGB Bahrain; Art. 166 S 1 FamGB Katar. 774 Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 26.5.2009, Gesch.Z. 29/2009. 775 Art. 178 FamGB Katar. 776 Art. 181 FamGB Katar. 772 773
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Kindes zur Übernahme der Mietkosten für eine geeignete Wohnung.777 Die Gesetzbücher Bahrains und der VAE behandeln den Betreuungsunterhalt hingegen nicht abschließend.778 Das bahrainische Familiengesetzbuch führt lediglich aus, dass dieser entfällt, wenn die Kinder sich nach Erreichen der Altersgrenzen von 15 bzw. 17 Jahren freiwillig für den Verbleib bei der bisherigen Sorgeberechtigten entscheiden.779 Das emiratische Personalstatutsgesetz weist lediglich darauf hin, dass die sorgeberechtigte Mutter, die (z. B. aufgrund einer widerruflichen Scheidung) weiterhin Anspruch auf Unterhalt gegenüber dem Vater der Kinder hat, keinen zusätzlichen Betreuungsunterhalt geltend machen kann.780 Ob die bahrainischen und emiratischen Regelungen einen grundsätzlichen Anspruch auf Betreuungsunterhalt implizieren, ist von der Rechtsprechung zu konkretisieren. Der Kindesunterhalt obliegt in allen drei Golfstaaten auch weiterhin im Regelfall dem Kindesvater. Ist dieser jedoch verstorben oder leistungsunfähig, geht die Unterhaltspflicht in Übereinstimmung mit der malikitischen Lehre nun auch auf die vermögende Mutter über.781 In Katar ist diese jedoch erst unterhaltspflichtig, wenn auch der Großvater des Kindes väterlicherseits verstorben oder leistungsunfähig ist.782 2. Abstammung Im Kern folgen alle drei Golfstaaten den Regelungen des klassischen islamischen Kindschaftsrechts hinsichtlich der Abstammung. Für das islamische Kindschaftsrecht charakteristisch ist die Unterscheidung zwischen biologisch nachweisbarer Zuordnung zu den Elternteilen und legitimer Abstammung (nasab). Dies bedeutet, dass die legitime Abstammung von der Mutter unabhängig von ihrem Familienstand besteht.783 Die legitime Abstammung vom Vater wird durch Geburt innerhalb einer wirksamen Ehe (bi-l-firāš, wörtlich „durch das Ehebett“) unter Beachtung der gesetzlichen Vermutungen zur Abstammung begründet. So beträgt gemäß allen drei Gesetzbüchern die kürzeste Zeit für eine Schwangerschaft sechs (Lunar-)Monate und die längste Zeit ein (Lunar-)Jahr.784 Die Regelungen hinArt. 148 Abs. 2 PersStG VAE. Dies mag auf die malikitische Prägung der zwei Golfstaaten zurückzuführen sein, da das malikitische Recht einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt grundsätzlich verneint, hierzu Bakhtiar, Encyclopedia, 472. 779 Art. 129 FamGB Bahrain. 780 Art 148 Abs. 3 PersStG VAE; vgl. Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 16.2.2010, Gesch.-Z. 124/2009. 781 Art. 61 f. FamGB Bahrain; Art. 78, 80 PersStG VAE; vgl. hierzu Ebert, Personalstatut, 122. 782 Art. 75, 78 FamGB Katar. 783 Art. 71 FamGB Bahrain; Art. 90 Abs. 3 PersStG VAE. 784 Gemäß Art. 3 PersStG VAE folgen die gesetzlichen Fristen dem Mondkalender. 777 778
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
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sichtlich der Abstammung innerhalb einer wirksamen Ehe bestimmen daraufhin, dass der Abstand zwischen Eheschließung und Geburt nicht geringer sein darf als die kürzeste Dauer einer Schwangerschaft und der Abstand zwischen Eheauflösung und Geburt nicht größer als die längste Dauer einer Schwangerschaft.785 Diese Regelungen gelten auch für den sogenannten „irrtümlichen Beischlaf“ (al-waṭᵓ bi-šubha), den Geschlechtsverkehr in der irrtümlichen Annahme einer wirksamen Ehe.786 In den VAE gelten auch Kinder, die aus einer aufgrund des fehlenden Mitwirkens des Ehevormundes nichtigen (bāṭil) Ehe hervorgehen, dessen ungeachtet als legitime Abkömmlinge beider Elternteile.787 Die Abstammung des Kindes kann zudem durch Anerkenntnis des (beispielsweise biologischen, aber nicht gesetzlichen) Vaters (iqrār)788 sowie durch weiteren Beweis (bayyina, šahāda)789 begründet werden. In Bahrain wird die Herstellung der legitimen Abstammung durch Adoption explizit ausgeschlossen.790 Für Katar und die VAE muss dies aufgrund des grundsätzlichen islamrechtlichen Adoptionsverbots angenommen werden.791 Um eine grundsätzlich legitime (da eheliche) Abstammung zu bestreiten, muss der vermeintliche Vater des Kindes das sogenannte „liᶜān“Verfahren anstreben. Hierbei bestreitet der Ehemann eidesstattlich die Vaterschaft für das von seiner Ehefrau geborene Kind.792 In Katar und den VAE führt ein solches Verfahren automatisch auch zur endgültigen Auflösung der Ehe.793 In Bahrain und den VAE können die Gerichte zudem für den Nachweis der Abstammung medizinische Tests anordnen.794
785 Art. 73, 75 f. FamGB Bahrain; Art. 87, 88 FamGB Katar; Art. 90 Abs. 1, 91 PersStG VAE. 786 Art. 74 lit. a FamGB Bahrain; Art. 87 f. FamGB Katar; Art. 90 Abs. 2 PersStG VAE. 787 Art. 39 PersStG VAE. 788 Art. 81 FamGB Bahrain; Art. 89–92 FamGB Katar; Art. 92–95 PersStG VAE. 789 Art. 93–95 FamGB Katar; Art. 90 Abs. 4 PersStG VAE. 790 Art. 72 FamGB Bahrain. 791 Für das Verbot der Adoption im islamischen Recht sowie für die Adoption im tunesischen Recht siehe nur Nasir, Personal status, 153 f. 792 Art. 78 ff. FamGB Bahrain; Art. 96 FamGB Katar; Art. 96 f. PersStG VAE; die emiratische Rechtsprechung tendiert dazu, bei nicht eindeutiger Beweislast die eheliche Abstammung des Kindes anzunehmen. Eine illegitime Abstammung des Kindes soll möglichst vermieden werden, hierzu Rieck(-Gallala-Arndt), Ausländisches Familienrecht, 15 m. w. N. 793 Art. 152 FamGB Katar; Art. 96 PersStG VAE; in Bahrain ist die erneute Eheschließung mit einer Frau, die von ihrem Ehemann der Unzucht bezichtigt wurde, verboten, Art. 10 lit. a FamGB Bahrain. 794 Art. 79 FamGB Bahrain; Art. 97 Abs. 5 PersStG VAE.
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
3. Ausstrahlung der Regelungen über die Abstammung in andere Rechtsbereiche a) Staatsangehörigkeit Die Staatsangehörigkeitsgesetze Bahrains,795 Katars796 und der VAE797 gleichen sich mit Blick auf die Regelungen über den Erwerb der Staatsangehörigkeit bei legitimer Geburt. Danach erwerben Kinder, unabhängig vom Geburtsort, automatisch die Staatsangehörigkeit ihres Vaters.798 Das außerehelich geborene Kind eines inländischen Vaters und einer ausländischen Mutter hat aufgrund der Unterscheidung zwischen biologischer und legitimer Abstammung gleichwohl keinen Anspruch auf die Staatsangehörigkeit des Vaters. Die inländische Mutter kann nur dann ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weitergeben, wenn der Vater unbekannt oder die Abstammung vom Vater nicht legitim ist.799 Das im Inland geborene Findelkind unbekannter Eltern800 wird demgegenüber als Staatsangehöriger betrachtet, solange das Gegenteil nicht bewiesen ist.801 Dem Kind einer inländischen Mutter und eines ausländischen Vaters bleibt die Staatsangehörigkeit der Mutter verwehrt. Obgleich Anträge auf Einbürgerung solcher Personen in Katar vorrangig zu behandeln sind802 und in den VAE regelmäßig Kinder einheimischer Mütter und ausländischer Väter eingebürgert werden,803 ist eine Reform der Staatsangehörigkeitsgesetze auch weiterhin nicht in Aussicht. Staatsangehörigkeitsgesetz [Qānūn al-ğinsīya al-baḥraynīya] v. 16.9.1963/ 27.4.1383, GBl. Nr. 534 v. 19.9.1963/1.5.1383, o. Seitenangabe, i. d. F. der Änderungsverordnung Nr. 12/1989 v. 8.7.1989/5.12.1409, GBl. Nr. 1859 v. 13.7.1989/9.12.1409, 3– 4; siehe auch Krüger/Knüppers, StAZ 39.1(1986), 21–25, sowie Krüger/Knüppers, StAZ 43.1(1990), 24. 796 Staatsangehörigkeitsgesetz Nr. 38/2005 [Qānūn al-ğinsīya al-qaṭarīya] v. 30.10.2005/27.9.1426, GBl. Nr. 12 v. 29.12.2005/27.11.1426, 33–38. 797 Staatsangehörigkeitsgesetz Nr. 17/1972 [Qānūn fī šaᵓn al-ğinsīya wa-ğawāzāt assafar] v. 18.11.1972/13.10.1392, GBl. Nr. 7 v. 28.11.1972/23.10.1392, 4–14, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 10/1975 v. 15.11.1975/11.11.1395, GBl. Nr. 32 v. 26.11.1975/ 22.11.1395, 22–27. 798 Art. 4 lit. a StAG Bahrain; Art. 1 Abs. 4 StAG Katar; Art. 2 lit. b StAG VAE. 799 Art. 4 lit. b StAG Bahrain; Art. 2 lit. c, d StAG VAE; für die VAE siehe auch die Diskussion in Dresch, in Dresch/Piscatori, Monarchies & nations, 157. 800 In den VAE ist seit 2012 auch die Pflegschaft dieser Findelkinder gesetzlich geregelt, siehe Bundesgesetz Nr. 1/2012 über die Betreuung von Kindern unbekannter Abstammung [Qānūn fī šaᵓn riᶜāyat al-aṭfāl mağhūlī n-nasab] v. 24.5.2012/3.7.1433, GBl. Nr. 537 v. 7.6.2012/17.7.1433, 9–18. 801 Art. 5 StAG Bahrain; Art. 2 S 3 nach Abs. 4 StAG Katar; Art. 2 lit. e StAG VAE. 802 Art. 2 S 1 nach Abs. 4 StAG Katar. 803 Salama/Sherif, Gulf News v. 20.2.2012, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 795
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
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Mit diesen gesetzlichen Regelungen bleiben die arabischen Golfstaaten weit hinter den Gesetzesreformen anderer islamischer Länder zurück. So haben Ägypten804, Marokko805 und Tunesien806 ihre Staatsangehörigkeitsgesetze zu Beginn der 2000er Jahre dahingehend geändert, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch die Mutter ihre jeweilige Staatsangehörigkeit weitergibt.807 b) Namensrecht Ein eigenes kodifiziertes Namensrecht ist nur aus Bahrain bekannt. Dort regelt seit 2000 eine Gesetzesverordnung Streitigkeiten über den Erwerb oder die Änderung von Namen.808 Danach hat jede Person einen viergliedrigen Namen (ism), der aus dem eigenen Vornamen, dem des leiblichen (d. h. legitimen) Vaters und dem des väterlichen Großvaters sowie dem Familiennamen (laqab ᶜāᵓila) besteht.809 Sollte eine Person keinen Familiennamen haben, so ist der Vorname des Urgroßvaters väterlicherseits an vierter Stelle zu führen.810 Die Gesetzesverordnung führt indes nicht aus, wie sich der Familienname bildet. Es ist davon auszugehen, dass dieser der mehrheitlichen Praxis der islamisch geprägten Staaten entsprechend der Familienname des Vaters ist. Dies gilt auch in den VAE.811 Die Praxis, 804
168.
Hierzu Riad/Gabr, Country Survey Egypt, in Cotran/Lau, YIMEL 10(2003–2004),
805 Hierzu Zirari-Devif, Country Survey Morocco, in Cotran/Lau, YIMEL 13(2006– 2007), 270. 806 In Tunesien ist seit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes Nr. 2010-55 zum Staatsangehörigkeitsgesetz von 1956 jede Person mit Geburt Tunesier, die entweder von einem tunesischen Vater oder einer tunesischen Mutter abstammt, Staatsangehörigkeitsgesetz [Qānūn al-ğinsīya at-tūnisīya] v. 26.1.1956/12.6.1375, GBl. Nr. 8 v. 27.1.1956/ 13.6.1375, 157–162, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 2010-55 v. 1.12.2010/25.12.1431, GBl. Nr. 97 v. 3.12.2010/27.12.1431, 3436. 807 Zu den Regelungen über die Staatsangehörigkeit in islamischen Ländern allgemein siehe Maktabi, Gendered citizenship; für die Diskussion in den VAE siehe Dresch, in Dresch/Piscatori, Monarchies & nations, 141, 143 f., 157. 808 Verordnung Nr. 26/2000 über die Organisation von Maßnahmen in Bezug auf Klagen zum Erwerb oder zur Änderung von Namen und Familiennamen [Marsūm biqānūn bi-šaᵓn tanẓīm iğrāᵓāt daᶜāwā iktisāb al-asmāᵓ wa-l-alqāb wa-taᶜdīluhā] v. 15.10.2000/17.7.1421, GBl. Nr. 2447 v. 18.10.2000/21.7.1421, 21–35. 809 Art. 1 S 1 Ordnung v. 2000. 810 Art. 1 S 2 Ordnung v. 2000. 811 Art. 80 Abs. 1 emirat. ZGB; das in Art. 80 Abs. 2 emirat. ZGB angekündigte Namensgesetz scheint hingegen auch weiterhin nicht erlassen worden zu sein, siehe hierzu Krüger/Stelzer, StAZ 59.2(2006), 59; Seit dem 13.4.2010 ist in den VAE ein Gesetz über die Registrierung von Geburten und Todesfällen in Kraft. Dieses Gesetz sieht zumindest die Angabe eines Vornamens (ism) bei Registrierung der Geburt vor. Der Vorname darf sowohl ein zusammengesetzter als auch ein Doppelname sein, vgl. Art. 7 Nr. 2 Bundesgesetz Nr. 18/2009 über die Regelung der Eintragung von Geburten und
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
dass der Familienname lediglich durch die väterliche Linie erworben wird, lässt das von einem unbekannten Vater oder nichtehelich geborene Kind zunächst (familien)namenslos. Fraglich bleibt, ob es den Familiennamen der Mutter erhält oder den Familiennamen seiner männlichen Verwandten mütterlicherseits annehmen kann. Aus Katar sind nach gegenwärtigem Stand (Februar 2014) keine namensrechtlichen Regelungen bekannt, wohl aber eine Regelung aus dem Registrierungsgesetz von 1982,812 nach der jeder katarische Bürger einen viergliedrigen Namen tragen muss.813 IV. Zusammenfassung In zahlreichen Teilbereichen des Ehe-, Scheidungs- und Kindschaftsrechts ging die Kodifikation nicht mit einer umfangreichen Reform des Familienrechts einher, sondern ist von einer Übernahme islamischer Rechtsfiguren geprägt. Vor allem das Eherecht zeichnet sich auch weiterhin durch die traditionellen Geschlechterrollen des klassischen islamischen Rechts aus. So orientieren sich die Ehewirkungen in allen drei Golfstaaten an der islamrechtlichen Vorstellung komplementärer Rechte und Pflichten der Ehepartner; der Anspruch der Ehefrau auf Unterhalt von ihrem Ehemann beispielsweise steht in direkter Abhängigkeit zu ihrem Gehorsam ihm gegenüber. Zudem spiegelt die Dreiteilung der Ehewirkungen in gemeinsame Rechte und Pflichten sowie jene eines jeden Ehepartners die Geschlechterunterscheidung des klassischen islamischen Rechts wider. Auch bei der Beschränkung der Polygynie sind die Gesetzgeber Bahrains, Katars und der VAE den Reformen in anderen islamischen Ländern nicht gefolgt. Bis auf das Gebot der gerechten Behandlung der Ehefrauen enthält das emiratische Personalstatut beispielsweise gar keine diesbezügliche Regelung. Bahrain und Katar haben erstmalig Informationspflichten eingeführt. Diese sind indes nicht in der Lage, eine allumfassende Kenntnisnahme aller Parteien zu gewährleisten. Das Recht der Ehepartner, bei Eheschließung einvernehmliche Zusatzbestimmungen zu vereinbaren, bietet eine Möglichkeit zur Beschränkung der Polygynie. Gleichwohl legen alle drei Gesetzgeber eine solche Beschränkung damit in die Verantwortlichkeit der Ehepartner selbst. Dennoch haben auch die zaghaften Reformen durchaus Einfluss auf die Rechtspraxis im Eherecht der drei arabischen Golfstaaten genommen. Das De-facto-Verbot von Zwangsehen durch die Erforderlichkeit der ZustimTodesfällen [Qānūn fī šaᵓn tanẓīm qayd al-mawālid wa-l-wafayāt] v. 31.12.2009/ 14.1.1431, GBl. Nr. 503 v. 13.1.2010/27.1.1431, 26–32. 812 Gesetz Nr. 5/1982 über die Organisation bei der Registrierung von Geburten und Todesfällen [Qānūn bi-šaᵓn tanẓīm al-mawālid wa-l-wafayāt] v. 9.3.1982/13.5.1402, GBl. Nr. 3 v. 10.4.1982/15.6.1402, 2-6, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 20/2007 v. 14.8.2007/1.8.1428, GBl. Nr. 11 v. 25.11.2007/15.11.1428, 5–6. 813 Art. 4, 8 lit. a, 19 RegistrierungsG Katar.
B. Übernahme islamischer Rechtsfiguren
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mung der Ehefrau zur Eheschließung wird nicht nur von den Eheschließungsbeamten, sondern auch von den Imamen im Rahmen der religiösen Trauungszeremonie beachtet. Die neuen Trauscheine aus Bahrain wiederum tragen der Privatautonomie der Nupturienten, ihre Ehewirkungen mitzugestalten, Rechnung. An dem gesetzlich vorgeschriebenen Ehevormund, der im Rahmen der Eheschließung eine zentrale Rolle einnimmt, wird auch aus Gründen der Tradition weiterhin festgehalten. Eine gesetzliche Regelung, die dieser traditionellen Verbundenheit Rechnung trägt und gleichzeitig eine Eheschließung der Frau auch ohne Ehevormund ermöglicht, wäre daher zu begrüßen. Im Scheidungsrecht ist ebenfalls ein grundsätzliches Festhalten an islamischen Rechtsfiguren zu beobachten. Dies führt dazu, dass sich der Modus der Eheauflösung danach bestimmt, welcher Ehepartner die Scheidung anstrebt. Das mehrheitlich hanbalitische Katar hat durch die Übernahme der malikitischen Regelungen das Scheidungsrecht der Frau erweitert, so dass sich die Regelungen in allen drei Golfstaaten weitestgehend gleichen. Von zentraler Bedeutung für das Scheidungsrecht der Frau ist das Vorliegen einer Schädigung. In den drei Gesetzbüchern bleibt der Begriff der Schädigung zunächst unbestimmt; den Gerichten (bzw. den von ihnen berufenen Schiedsrichtern) wird die Kompetenz übertragen, die Schädigung festzustellen, zu bewerten und den für das Scheitern der Ehe Verantwortlichen zu bestimmen. Hieran anknüpfend ist sodann die Kompensationsverpflichtung gegenüber dem schuldlos geschiedenen Partner zu bestimmen. Die Betonung der Schuldfrage ist insofern von großer Bedeutung, als das klassische islamische Familienrecht von einem grundsätzlichen „Anrecht“ des Ehemannes auf Scheidung ausgeht. Die einseitige Verstoßungsscheidung durch den Ehemann ohne Angabe von Gründen verdeutlicht dies. Der Zugang der Ehefrau ist demgegenüber zunächst begrenzt und stets von der richerlichen Bewertung der Schädigung abhängig. Die obersten Gerichte Katars und der VAE haben den Begriff der Schädigung inzwischen jedoch weit ausgelegt, so dass dieser physischen und psychischen Schaden, den die Ehefrau erleidet, umfasst. Gleichzeitig werden dem uneingeschränkten Recht des Ehemannes auf Verstoßung in Bahrain, Katar und den VAE kaum Grenzen gesetzt. Indem die Registrierung der Verstoßung auch weiterhin lediglich deklaratorisch wirkt und nicht die Wirksamkeit der Eheauflösung berührt, kann keine Rechtssicherheit für die verstoßene Ehefrau erzielt werden. Die Zulässigkeit der Privatscheidung führt in einigen Ländern zu – für den deutschen Juristen skurril erscheinenden – Problemen, wie etwa der Frage nach der
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Wirksamkeit von Verstoßungen per Textnachricht, ein in den arabischen Golfstaaten vermehrt zu beobachtendes Phänomen.814 Auch im Kindschaftsrecht sind klassisch-islamrechtliche Regelungen ohne nennenswerte Veränderungen übernommen worden. Dies gilt zum einen für das Sorgerecht, das auch weiterhin von einer Aufspaltung in Personensorge und Vormundschaft geprägt ist. Wie im Folgenden noch aufzuzeigen sein wird, findet bei den Einzelregelungen über die Personensorge inzwischen aber zugunsten des Kindeswohls eine Abkehr von starren Alters- und Geschlechtergrenzen statt. Ferner sind die Regelungen über die Abstammung in den drei neuen Familiengesetzbüchern als Übernahme islamischer Rechtsfiguren ohne nennenswerte Änderungen zu bewerten. Hier ist ein Festhalten an patriarchalischen Traditionen zu beobachten. Ungeachtet moderner medizinischer Methoden zur Feststellung der Abstammung unterscheiden alle drei Golfstaaten auch weiterhin zwischen den Elternteilen. Während die legitime Abstammung von der Mutter durch Schwangerschaft und Geburt entsteht, ist die Abstammung vom Vater vom Familienstand abhängig. Weigert sich der biologische Vater, sein außereheliches Kind anzuerkennen, hat dies schwerwiegende Folgen. So ist das vaterlose Kind zunächst (familien-) namenslos. Ist der biologische Vater zwar Staatsangehöriger, die Mutter des Kindes jedoch nicht, bleibt dem außerehelich geborenen Kind überdies die Staatsbürgerschaft verwehrt.
C. Regelungen rechtsvergleichender Prägung I.
Eheschließungsrecht: Formalisierung und staatliche Kontrolle
Mit Blick auf das Eheschließungsrecht sind in Bahrain, Katar und den VAE vor allem solche Regelungen rechtsvergleichender Prägung zu finden, die auf eine Formalisierung familienrechtlicher Vorgänge und die damit einhergehende staatliche Kontrolle des Personenstandes abzielen. Wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, haben sozioökonomische Faktoren bislang jedoch einen größeren Einfluss auf das Erreichen dieser Ziele, als die eigentlichen gesetzlichen Bestimmungen.
Siehe hierzu Hamada, The WIP online v. 26.7.2007, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 814
C. Regelungen rechtsvergleichender Prägung
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1. Ehemündigkeit a) Die gesetzlichen Regelungen Das klassische islamische Recht kennt kein konkretes Ehemindestalter und nimmt die Ehefähigkeit regelmäßig mit Erreichen der Pubertät (bulūġ) an. Diese wird in den islamischen Rechtsschulen frühestens mit Vollendung des 9. Lebensjahres bei Mädchen bzw. des 12. Lebensjahres bei Jungen vermutet.815 Die Einführung eines Mindestalters zur Eheschließung gehörte daher in den meisten islamisch geprägten Staaten zu den ersten Reformen im Bereich des Familienrechts.816 Katar folgt dieser Tendenz lediglich ansatzweise, indem das neue Familiengesetzbuch zunächst nur die nicht näher definierten Begriffe ᶜaql (volle Geisteskraft) und bulūġ (Pubertät) als Voraussetzungen für die Ehemündigkeit nennt.817 Ferner bedarf die Registrierung einer Ehe zwischen einer Frau unter 16 Jahren und einem Mann unter 18 Jahren der Zustimmung des Vormundes sowie der Genehmigung durch das Gericht.818 Auch das Personalstatutsgesetz der VAE übernimmt die beiden Begriffe „ᶜaql“ und „bulūġ“, konkretisiert diese aber insofern, als sie mit der Vollendung des 18. (Lunar-)Jahres als gegeben gelten.819 Gleichwohl kann die tatsächliche Pubertät oder Geschlechtsreife (bulūġ šarᶜīyan) früher eintreten. In diesem Fall darf die Ehe mit gerichtlicher Zustimmung auch vor Erreichen der Ehemündigkeit geschlossen werden.820 In Bahrain wurde durch die Ordnung v. 2007 lediglich ein Mindestalter für die Registrierung der Eheschließung eingeführt: Frau und Mann müssen demnach zum Zeitpunkt der Eheschließung 15 bzw. 18 Jahre alt sein. Auch vor Erreichen dieser Altersstufen durfte die Ehe gemäß der Ordnung v. 2007 mit gerichtlicher Zustimmung geschlossen werden.821 Das neue Gesetzbuch fordert nun zusätzlich die gerichtliche Genehmigung für Eheschließungen von Mädchen unter 16 Jahren.822 b) Tatsächliches Eheschließungsalter Obgleich die Einführung eines gesetzlichen Mindestalters zur Eheschließung zu begrüßen ist, waren die Gesellschaften der drei arabischen GolfAšqar, Aḥkām az-zawāğ, 111 ff.; El Alami/Hinchcliffe, Islamic marriage, 7. Nasir, Personal status, 50 f.; Welchman, Muslim family laws, 61 ff. 817 Art. 14 FamGB Katar. 818 Art. 17 FamGB Katar. 819 Art. 30 Abs. 1 PersStG VAE. 820 Art. 30 Abs. 2 PersStG VAE. 821 Art. 10 Ordnung v. 2007; Voraussetzung für die gerichtliche Genehmigung zur Eheschließung von Personen unterhalb der genannten Altersgrenzen ist das Vorliegen einer „zwingenden Notwendigkeit“ (ḍarūra mulğiᵓa). Der bahrainische Gesetzgeber hat indes nicht ausgeführt, wann von einer „zwingenden Notwendigkeit“ auszugehen ist. 822 Art. 18 FamGB Bahrain. 815 816
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
staaten ihren Gesetzgebern in diesem Punkt bereits voraus. Das durchschnittliche Alter bei der ersten Eheschließung lag im Jahre 2010 für emiratische Frauen bei 25,8 Jahren und für emiratische Männer bei 26,5 Jahren.823 Etwas früher schließen katarische und bahrainische Frauen ihre Ehe: In Katar waren Frauen im Jahre 2010 bei Eheschließung durchschnittlich 23,8 Jahre alt (Männer: 26,5 Jahre).824 Bahrainische Frauen schlossen ihre erste Ehe im selben Jahr mit durchschnittlich 22,1 Jahren, Männer mit durchschnittlich 25,8 Jahren.825 Im Jahre 2012 lag der Anteil der Ehen von unter 18-Jährigen in Bahrain bei 6,1 %.826 Zwei vorrangige Gründe für das seit Jahrzehnten beständig steigende Eheschließungsalter827 werden für alle drei Länder regelmäßig angeführt: Zum einen die wachsenden Bildungschancen für Frauen und der damit einhergehende Wunsch, erst nach einer abgeschlossenen Berufs- oder Hochschulausbildung zu heiraten. Zum anderen die weiterhin hohen Eheschließungskosten, die Männer zu einer längeren Berufstätigkeit vor der Eheschließung und den damit verbundenen Hochzeitsfeierlichkeiten bewegen.828 Die wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Bahrain, Katar und den VAE haben insofern bereits vor Einführung der gesetzlichen Ehemündigkeit einer Eheschließung von Minderjährigen größtenteils entgegengewirkt. Nichtdestotrotz ist die Einführung eines Ehemindestalters zu begrüßen, da es die Ablehnung von Minderjährigenehen verdeutlicht und somit den staatlichen Kinderschutz unterstreicht. Um aber gerade minderjährige Nupturienten vor zusätzlicher Rechtsunsicherheit durch eine nichtregistrierte Eheschließung zu bewahren, sollten der bahrainische und der katarische Gesetzgeber ein Mindestalter für die Eheschließung – und nicht nur für die Registrierung derselben – einführen. Überdies wäre im Interesse einer Gleichberechtigung der Geschlechter die Einführung eines einheitlichen Ehemindestalters wünschenswert. Die zivilrechtliche Volljährigkeit ist in Bahrain und Katar bereits vereinheitlicht
Morris, The National v. 12.8.2010, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 824 Qatar Statistics Authority, Marriages & Divorces, 10. 825 Supreme Council for Women, Bahraini women, 11 f. 826 Gegenüber 7,1 % in 2008 und 7,3 % in 2009, hierzu Al A‘ali, Gulf Daily News v. 6.3.2013, 6. 827 In Bahrain kann seit 2002 wieder ein Rückgang des durchschnittlichen Eheschließungsalters um 0,9 Prozentpunkte für Frauen und 1,2 Prozentpunkte für Männer beobachtet werden, hierzu Supreme Council for Women, Bahraini women, 11 f. 828 Vgl. auch Bristol-Rhys, Anthropology of the Middle East 2.1(2007), 20–36; grundsätzlich Rashad/Osman/Roudi-Fahimi, Marriage; Singermann, Economic imperatives. 823
C. Regelungen rechtsvergleichender Prägung
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und unterscheidet nicht zwischen den Geschlechtern.829 Ein einheitliches Ehemindestalter würde verdeutlichen, dass sich die Ehemündigkeit nicht allein an der biologischen Reife, die bei Frauen und Männern durchaus auseinanderfallen mag, orientiert, sondern dass auch weitere Faktoren, wie die geistige Reife und der Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung, Berücksichtigung finden. 2.
Registrierung der Ehe
a) Die gesetzlichen Regelungen Die Einführung einer grundsätzlichen Registrierungspflicht für Eheschließungen stellt eine weitere Besonderheit der Kodifikation des islamischen Familienrechts dar. Zahlreiche islamische Länder haben (gleichwohl sehr unterschiedliche) Wege gewählt, um reine Privateheschließungen zu unterbinden. Dabei diente die Einführung einer Registrierungspflicht von Eheschließungen – die das klassische islamische Eherecht nicht kennt – auch der Auslagerung eigentlich materiell-rechtlicher Regelungen in das Verfahrensrecht. Die Eheschließung vor einem offiziellen Eheschließungsbeamten bietet zugleich die Möglichkeit, die Einhaltung gesetzlich bestimmter Voraussetzungen für die Eheschließung zu überprüfen. Auf diesem Weg konnten die Gesetzgeber islamischer Länder u. a. auf das Ehemindestalter, die Beschränkung der Polygynie und die Aufnahme einvernehmlicher Zusatzbestimmungen der Ehepartner in den Ehevertrag Einfluss nehmen, ohne diese in einigen Ländern überaus kontrovers diskutierten Bereiche im materiellen Familienrecht zu behandeln.830 Die Gesetzgeber Bahrains, Katars und der VAE haben einen Mittelweg zwischen islamischem Recht und staatlicher Kontrolle über den Personenstand der Bürger gewählt. Zwar haben sie die Registrierung der Eheschließung eingeführt, die Nichtregistrierung zieht jedoch keinerlei rechtliche Konsequenzen für die Parteien nach sich.831 Auf keinen Fall wird die Ehe durch die fehlende Registrierung unwirksam. Die Registrierung der Eheschließung wirkt rein deklaratorisch und der anlässlich der Eheschließung ausgestellte amtliche Trauschein gilt in erster Linie als Nachweis für die Existenz der Ehe. Gleichzeitig formulieren die drei neuen Familiengesetz829 21 Jahre in Bahrain, vgl. Art. 13 Gesetz Nr. 40/2004 über die Vermögenssorge für Minderjährige und ihnen gleichgestellte Personen; 18 Jahre in Katar, vgl. Art. 49 Abs. 2 katar. ZGB. 830 Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 36; Welchman, Muslim family laws, 53 ff.; Welchman, in Sonbol, Gulf women, 379 f. 831 Anders beispielsweise in Jordanien, wo die Nichtregistrierung der Eheschließung strafrechtlich verfolgt wird, vgl. Art. 36 (temporäres) Personalstatutsgesetz Jordanien Nr. 36/2010 [Qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 26.9.2010/17.10.1431, GBl. Nr. 5061 v. 17.10.2010/9.11.1431, 5809–5888.
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
bücher auch Formen des „außerordentlichen“ Beweises des Bestehens einer Ehe. In Katar liegt es im Ermessen des Richters, eine nichtregistrierte Ehe anzuerkennen.832 In Bahrain und den VAE kann eine nichtregistrierte Ehe durch „Scharia-Beweis“ (bi-l-bayyina šarᶜīya) bestätigt werden.833 Was unter einem derartigen Beweisverfahren zu verstehen ist, führt keines der Gesetzbücher weiter aus. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass eine Ehe, die die islamrechtliche Voraussetzung der ausreichenden Publizität durch Anwesenheit von Zeugen erfüllt, vor Gericht auch anerkannt wird. Dies wird auch durch die bisherige Rechtspraxis bestätigt. Nach Kenntnis der Verfasserin haben emiratische Gerichte vor der Kodifikation des Personalstatuts die Ehe durch die bei der Eheschließung anwesenden Zeugen bestätigen lassen, wenn die Geburt eines Kindes aus dieser Ehe registriert werden sollte. Seit Inkrafttreten des emiratischen Personalstatutsgesetzes sind im Emirat Dubai sowie bundesweit auch die Zuständigkeit und Aufgaben der Eheschließungsbeamten, welche die Ehe registrieren, gesetzlich geregelt worden.834 In den VAE wird bei Eheschließung zudem ein Familienbuch (ḫulāṣat qayd) ausgestellt, in das die Ehegatten und Kinder eingetragen werden. Inhaber dieses Dokumentes ist der Ehemann und Vater als Familienoberhaupt. Nur er kann die Aufnahme seiner Ehefrau(en) und Kinder in das Familienbuch beantragen. Für die Registrierung der Eheschließung muss in allen drei Golfstaaten ein medizinisches Zeugnis vorgelegt werden.835 Dieses weist eine Reihe von, vom Gesundheitsministerium bestimmten, physischen und psychischen Krankheiten aus, die das Eheleben beeinträchtigen können. Zweck des Zeugnisses ist in erster Linie die Information der Nupturienten. Sollten diese ungeachtet des Vorliegens solcher Krankheiten dennoch die Eheschließung wünschen, so verpflichtet das katarische Familiengesetzbuch den Eheschließungsbeamten explizit dazu, dem Wunsch der Nupturienten zu entsprechen.836 Für Bahrain und die VAE kann dies ebenfalls angenommen werden. Art. 10 FamGB Katar. Art. 16 FamGB Bahrain; Art. 27 Abs. 1 PersStG VAE. 834 In Dubai durch die Ordnung der Bevollmächtigten zur Eheschließung im Emirat Dubai [Niẓām al-maᵓḏūnīn aš-šarᶜiyīn fī imārat Dubayy] v. 17.4.2006/19.3.1427, GBl. Dubai Nr. 313 v. 20.5.2006/22.4.1427, 34–42; bundesweit durch den Ministerialbeschluss Nr. 785/2012 über die Ordnung der Bevollmächtigten zur Eheschließung [Qarār wazīr al-ᶜadl fī šaᵓn lāᵓiḥat al-maᵓḏūnīn] v. 25.9.2012/9.11.1433, GBl. Nr. 542 v. 23.10.2012/7.12.1433, 175–187, der den Ministerialbeschluss Nr. 249/2007 über die Ordnung der Bevollmächtigten zur Eheschließung [Qarār wizārī fī šaᵓn lāᵓiḥat al-maᵓḏūnīn] v. 17.4.2007/29.3.1428, GBl. Nr. 465 v. 31.5.2007/14.5.1428, 791–805, ersetzt. 835 Art. 7 Nr. 3 Ordnung v. 2007, siehe auch GesundPrüfG Bahrain; Art. 18 FamGB Katar; Art. 27 Abs. 2 PersStG VAE. 836 Art 18 FamGB Katar. 832 833
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b) Registrierungspflicht: sinnvoll oder gescheitert? aa) Registrierung im Regelfall Die Regelungen in den Golfstaaten sind als nicht zielführend zu bewerten. Durch die Möglichkeit, auch nichtregistrierte Ehen im Nachhinein anerkennen zu lassen, kann nicht die angestrebten Kontrolle des Personenstandes aller Bürger gewährleistet werden. Die Möglichkeit einer nachträglichen Registrierung eröffnet überdies die Gefahr, durch rein private Eheschließungen einzelne Bestimmungen des staatlichen Eherechts, wie das Mindestalter für die Eheschließung, zu umgehen. Die mit nichtregistrierten Ehen einhergehende Rechtsunsicherheit gerade für Ehefrauen und die in einer nichtregistrierten Ehe geborenen Kinder bestehen in Bahrain, Katar und den VAE somit grundsätzlich fort. Empirisch ist der Erfolg der neuen Registrierungsvorschriften in den arabischen Golfstaaten kaum zu bewerten, da nichtregistrierte Ehen naturgemäß statistisch schwer zu erfassen sind. Unter Berücksichtigung der Kontroversen, die ein staatlicher Eingriff in die islamrechtlich formfrei zu schließende Ehe in zahlreichen islamischen Ländern provoziert hat,837 erscheint es überdies nicht verwunderlich, dass Bahrain, Katar und die VAE im Zuge der erstmaligen Kodifikation ihres Familienrechts keine Registrierungspflicht eingeführt haben, die zugleich die Wirksamkeit der Ehe berührt.838 Gleichwohl haben zwar nicht die neukodifizierten gesetzlichen Bestimmungen, aber stattdessen pragmatische Überlegungen in der Praxis durchaus eine große „Registrierungsbereitschaft“ hervorgerufen. In den VAE beispielsweise ermöglicht erst das Familienbuch den Zugang zu den staatlichen Transferleistungen. Da diese staatlichen Transferleistungen für neu verheiratete Ehepaare und ihre Kinder weitreichend bekannt sind, ist insbesondere die Familie der Braut an einer registrierten Ehe interessiert und drängt im Regelfall auf eine offizielle Eheschließung unter Mitwirkung des Eheschließungsbeamten. Aber auch der Ehemann selbst hat ein Interesse an einer dokumentierten Eheschließung, da auch er erst hierdurch Zugang zu den finanziellen Zuwendungen für Ehepaare erhält. Zunächst nur religiös geschlossene Ehen werden zumeist spätestens mit Geburt des ersten gemeinsamen Kindes registriert. Die Registrierung der Eheschließung ist für die Aufnahme des Kindes in das Familienbuch und somit für den Nachweis seiner legitimen Abstammung vom biologischen Vater erforderlich. In Bahrain und Katar gibt es kein spezielles FamiHierzu statt vieler Welchman, Muslim family laws, 53 m. w. N. Diesen Weg ist Tunesien bislang als einziges arabisch-islamisches Land gegangen. Eine nichtregistrierte Ehe ist in Tunesien nichtig (bāṭil), Art. 36 i. V. m. Art. 31 ff. tun. Personenstandsgesetz [Qānūn yataᶜallaq bi-tanẓīm al-ḥāla al-madanīya] v. 1.8.1957/4.1.1377, GBl. Nr. 2-3 v. 30.7. & 2.8.1957/2. & 5.1.1377, 11–16. 837 838
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lienbuch. Die Eintragung von Eheschließungen und innerhalb der Ehe geborenen Kindern in die Personenstandsregister der zwei Golfstaaten ist aber auch dort Voraussetzung für eine Vielzahl staatlicher Zuwendungen.839 Dass Ehen in den arabischen Golfstaaten im Regelfall unter staatlicher Mitwirkung, d. h. vor einem ofiziellen Eheschließungsbeamten geschlossen werden, zeigt, dass in Bahrain, Katar und den VAE ein Weg beschritten wurde, der zumindest in der Praxis erfolgreich ist. So berührt die fehlende Registrierung weder die Wirksamkeit der Ehe, noch wird sie strafrechtlich sanktioniert840 oder verhindert die gerichtliche Geltendmachung bestimmter ehelicher Ansprüche.841 Stattdessen dienen staatliche Transferleistungen den drei Gesetzgebern als Instrument der Verhaltenssteuerung. Erst die registrierte Eheschließung eröffnet dem Ehepaar auch den Zugriff auf weitreichende staatliche Zuwendungen. bb) Sonderfall misyār-Ehen Aufgrund der pragmatischen Beweggründe, die eine Registrierung von Eheschließungen in Bahrain, Katar und den VAE grundsätzlich fördern, betrifft die Nichtregistrierung vorrangig die in der Golfregion oftmals als „Besuchsehe“ (zawāğ al-misyār)842 bekannte gewohnheitsrechtliche (ᶜurfī) Ehe. Charakteristikum der misyār-Ehe ist ihre grundsätzliche Geheimhaltung. In der Regel verzichtet die Ehefrau zudem auf Unterhaltsleistungen durch den Ehemann sowie auf einen gemeinsamen Wohnsitz.843 Gleichwohl muss auch die Besuchsehe die sachlichen Voraussetzungen einer Eheschließung erfüllen, um – zumindest nach religiösem Verständnis – Wirksamkeit zu erlangen. Da gemäß dem klassischen islamischen Recht hierfür jedoch das Mitwirken des Ehevormundes und der Zeugen ausreicht, ist davon auszugehen, dass gerade Besuchsehen nicht registriert werden. Die gegenwärtigen Registrierungsbestimmungen Bahrains, Katars und der VAE erscheinen mit Blick auf die misyār-Ehe nicht sachgerecht.
Für Katar siehe hierzu beispielsweise Kamrava, MEJ 63.3(2009), 406. So etwa in Jordanien, Art. 36 PersStG Jordanien. 841 So etwa in Ägypten, Art. 17 Gesetz Nr. 1/2000. 842 Siehe allgemein und für Saudi-Arabien im Besonderen: Arabi, Ambulant marriage, in Arabi, Studies, 147–167; für Ägypten und die VAE: Hasso, in Elliott/Payne/ Ploesch, Global migration, 59–74, sowie Hasso, in Cuno/Desai, Family, gender, and law, 211–222; für die gesamten Golfstaaten siehe Al-Nasr, Journal of International Women’s Studies 12.3(2011), 43–57; für nichtregistrierte Ehen in den Niederlanden siehe Moors, in Berger, Applying shari῾a, 141–164. 843 Hasso, in Elliott/Payne/Ploesch, Global migration, 63; Welchman, Muslim family laws, 54. 839 840
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Doch auch eine obligatorische Registrierungspflicht vermag die mit der misyār-Ehe verbundenen gesellschaftlichen Probleme844 nicht abschließend zu lösen. Besuchsehen werden zum einen geschlossen, um sexuelle Beziehungen religiös zu legitimieren.845 Hier ist die Registrierung der Eheschließung oftmals gar nicht beabsichtigt. Zum anderen werden Ehen aber auch dann nicht registriert, wenn bestimmte Rechtsfolgen der Eheschließung vermieden werden sollen. Die erneute Eheschließung der Mutter kann in allen drei Golfstaaten auch weiterhin zum Verlust der Personensorge für ihre Kinder führen.846 Zwar steht es den Gerichten zumindest in Katar und den VAE frei, im Interesse des Kindes ein Fortbestehen der mütterlichen Personensorge zu bestimmen, die Möglichkeit eines langwierigen Gerichtsverfahrens zur erneuten Bewertung des Personensorgeberechtigten besteht jedoch fort. Um derartige Folgen einer Eheschließung zu vermeiden, die neue Partnerschaft aber gleichzeitig auch religiös legitimiert führen zu können, gehen zahlreiche geschiedene Mütter nichtregistrierte Ehen ein.847 Kinder, die aus solchen Ehen hervorgehen, befinden sich aufgrund der strengen Regelungen über die legitime Abstammung und mit Blick auf das Staatsangehörigkeits- und Namensrecht sodann in einer schwächeren Rechtsposition. Nicht die Einführung einer obligatorischen Registrierungspflicht, sondern nur eine Reform der Regelungen über die Voraussetzungen für die Ausübung der Personensorge vermag somit die durch misyār-Ehen entstehenden Missstände zu lösen. II. Scheidungsrecht Die Reform des Scheidungsrechts konzentrierte sich in Bahrain, Katar und den VAE vorrangig auf die Erweiterung der Scheidungsmöglichkeiten der Ehefrau bei gleichzeitiger Begrenzung des Scheidungsrechts des Ehemannes. Dabei konnten die drei arabischen Golfstaaten auf Regelungen aus anderen islamischen Ländern zurückgreifen, die dort zumeist durch eine Neuinterpretation des klassischen islamischen Scheidungsrechts entwickelt wurden. Zentrales Merkmal des Scheidungsrechts in den arabischen Hierzu Arabi, Ambulant marriage, in Arabi, Studies, 154 ff.; Hasso, in Cuno/ Desai, Family, gender, and law, 216 ff.; Welchman, Muslim family laws, 103 ff. 845 Siehe hierzu auch Al-Nasr, The National v. 8.4.2011, online abrufbar unter , letzter Zugriff: 3.2.2014; siehe auch Moors, in Berger, Applying shari῾a, 145 ff. 846 Hierzu ausführlich Kapitel 4 D.II.2.b). 847 Siehe hierzu auch Nereim, The National v. 15.9.2012, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; The National v. 16.9.2012, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 844
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Golfstaaten ist fortan, dass es Mann und Frau eine Scheidung ohne zwingende Angabe von Gründen eröffnet, an die sodann eine Kompensationsverpflichtung gegenüber dem geschiedenen Ehepartner geknüpft ist. Allein die VAE haben zudem eine Regelung des Maskat Dokumentes übernommen, nach der fortan auch Männern der Zugang zur gerichtlichen Scheidung aufgrund einer Schädigung eröffnet wird. 1. Ḫulᶜ: Für ein Scheidungsrecht der Frau? Neben der Verstoßungsscheidung durch den Ehemann haben alle drei Golfstaaten in ihren Familiengesetzbüchern ein weiteres Rechtsinstitut zur Eheauflösung ohne Angabe von Gründen kodifiziert. Die sogenannte „Loskaufscheidung“ (ḫulᶜ)848 findet ihren Ursprung im klassischen islamischen Familienrecht. Mit geringfügigen Unterschieden wird sie von allen islamischen Rechtsschulen anerkannt.849 Ihre Ausgestaltung in den Gesetzbüchern Bahrains, Katars und der VAE geht auf das ägyptische Vorbild zurück. a) Ḫulᶜ-Scheidung im klassischen islamischen Recht Das klassische islamische Familienrecht kennt die ḫulᶜ-Scheidung als einvernehmliche Vereinbarung beider Ehepartner, im Rahmen derer der Ehemann seine Ehefrau auf ihren Wunsch hin und gegen Zahlung einer Abfindung (badal) an ihn verstößt.850 Ihre islamrechtliche Grundlage findet die ḫulᶜ-Scheidung in Sure 2, Vers 229 des Korans. Demnach darf die Frau sich aus der Ehe „loskaufen“ (iftada), wenn zu befürchten ist, dass die beiden Ehepartner bei Aufrechterhaltung der zerrütteten Ehegemeinschaft die „Gebote Gottes nicht einhalten“ bzw. die „Grenzen Gottes überschreiten“ („fa-in ḫiftum allā yuqīmā ḥudūda allāhi […]“).851 Hierunter ist in erster Linie die Überschreitung moralischer Gebote oder Grenzen, mithin der Ehebruch, zu verstehen.852
Der arabische Fachterminus für den eigentlichen Selbstloskauf lautet ḫulᶜ, das Verfahren wird als muḫālaᶜ bezeichnet. 849 Nasir, Personal status, 115. 850 Abū Rahīya/Ğabūrī, Fiqh az-zawāğ wa-ṭ-ṭalāq, 187 ff.; Bakhtiar, Encyclopedia, 511 ff.; ausführlich Muḥammad, Ḫulᶜ. 851 „[…] Und es ist euch (im letzteren Fall) nicht erlaubt, etwas von dem, was ihr ihnen (vorher als Morgengabe) gegeben habt, (wieder an euch) zu nehmen, – außer wenn die beiden fürchten, dass sie (hinsichtlich der Ehegemeinschaft) die Gebote Gottes nicht einhalten werden. Wenn aber zu befürchten ist, dass die beiden (im Fall der Aufrechterhaltung der Ehegemeinschaft) die Gebote Gottes nicht einhalten werden, ist es für sie keine Sünde, wenn die Frau sich mit einem gewissen Betrag loskauft. […]“. 852 Denker, in Tellenbach/Hanstein, Beiträge IV, 135. 848
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Islamische Rechtsgelehrte der Vormoderne gingen mehrheitlich von einer einvernehmlichen Loskaufvereinbarung zwischen den Ehepartnern aus, so dass die Zustimmung des Ehemannes als Voraussetzung für die Wirksamkeit der ḫulᶜ-Scheidung betrachtet wurde. Nur eine Mindermeinung vertrat stets die Autorität des Gerichts, die Ehe auch gegen den Willen des Ehemannes durch eine Loskaufscheidung auflösen zu können.853 Auf Basis dieser Mindermeinung erarbeitete der ägyptische Gesetzgeber zur Jahrtausendwende einen gesetzlichen Scheidungsanspruch der Ehefrau, der sich als richtungsweisend für die Entwicklung des Familienrechts islamischer Länder erweisen sollte. b) Ḫulᶜ-Scheidung im geltenden Recht islamischer Länder Mit dem ägyptischen Gesetz Nr. 1 aus dem Jahre 2000854 fand die ḫulᶜScheidung in ihrer modifizierten Form erstmals Aufnahme in ein Familiengesetz eines islamischen Landes.855 Durch die Neuinterpretation der klassisch-islamrechtlichen Regelungen zur ḫulᶜ-Scheidung hat der ägyptische Gesetzgeber rechtliche Reformen zugunsten der Ehefrau eingeführt, die u. a. Arabi dazu bewegten, vom „dawning of the third millennium of shariᶜa“856 zu sprechen. Die gesetzlichen Bestimmungen über die ḫulᶜ-Scheidung in Ägypten räumen der Ehefrau auch dann ein Anrecht auf gerichtliche Eheauflösung ein, wenn der Ehemann sich weigert, in eine ḫulᶜ-Vereinbarung einzuwilligen. Voraussetzung hierfür ist sodann, dass sich die Ehefrau – nach einem gescheiterten Versöhnungsversuch – bereit erklärt, ihrem Ehemann die bereits geleistete Brautgabe zurückzuzahlen und auf den gestundeten Teil der Brautgabe sowie jegliche Unterhaltsansprüche zu verzichten. Das Gericht hat daraufhin auf Eheauflösung zu urteilen.857
853
124 f.
Denker, a. a. O., 140 ff.; Welchman, in Bainham, International survey, 2004 ed.,
854 Art. 20 Gesetz Nr. 1/2000 zur Regelung einiger Grundsätze und Maßnahmen der Prozessführung in Angelegenheiten des Personalstatuts [Qānūn tanẓīm baᶜḍ awḍāᶜ waiğrāᵓāt at-taqāḍī fī masāᵓil al-aḥwāl aš-šaḫṣīya], GBl. Nr. 4 mukarrar v. 29.1.2000/ 23.10.1420, 5–30, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 91/2000 v. 18.5.2000/14.2.1421, GBl. Nr. 20 tābiᶜ (a) v. 18.5.2000/14.2.1421, 11–12. 855 Außerhalb der arabischen Welt war Pakistan bereits im Jahre 1967 das erste islamische Land, in dem zumindest der Oberste Gerichtshof (Supreme Court of Pakistan, adālāt-e-uzma pākistān) die Wirksamkeit einer gerichtlichen ḫulᶜ-Scheidung gegen den Willen des Ehemannes bestätigte, siehe hierzu Pearl, Textbook, 123 ff. 856 Arabi, ALQ 16.1(2001), 2–21, im Titel. 857 Arabi, a. a. O., 3 f.; Bernard-Maugiron/Dupret, Recht van de Islam 19(2002), 13 f.; Welchman, in Bainham, International survey, 2004 ed., 133; für die Rechtspraxis siehe Sonneveld, Recht van de Islam 21(2004), 21–35.
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Dass die ägyptische Ehefrau fortan das Recht hat, sich auch ohne Angabe von Gründen scheiden zu lassen (solange sie nur bereit ist, auf sämtliche finanziellen Ansprüche gegenüber ihrem Ehemann zu verzichten), hat zu erheblichen Diskussionen in Ägypten geführt. Die Bestätigung der Scharia-Konformität des Gesetzes durch den obersten Gelehrten der ägyptischen Azhar-Universität – dem Zentrum sunnitisch-islamischer Gelehrsamkeit – half der ägyptischen Regierung bei ihrem Reformvorhaben.858 Gleichzeitig wurde gerade nach den politischen Umbrüchen in Ägypten im Jahre 2011 und dem Erstarken religiöser politischer Kräfte im Zuge der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in den Folgemonaten verstärkt die Rücknahme des Gesetzes über die ḫulᶜ-Scheidung diskutiert. Dies hängt u. a. auch damit zusammen, dass es maßgeblich auf die Arbeit von Suzanne Mubarak, der Ehefrau des im Jahre 2011 gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak, zurückgeht und in Ägypten oftmals als „Suzannes Gesetz“ bezeichnet wird.859 Auch in Jordanien, wo die ägyptische Variante der ḫulᶜ-Scheidung 2001 in das temporäre Änderungsgesetz zum Personalstatutsgesetz860 aufgenommen wurde, sorgte die Thematik für derartige Kontroversen, dass die Annahme des Gesetzes nach Wiedereinsetzung des Parlamentes mehrfach scheiterte. Die Neufassung des Personalstatutsgesetzes, das 2010 ebenfalls provisorisch erlassen wurde, nahm die Regelungen über die gerichtliche Loskaufscheidung nach längeren Debatten zwischen Regierung, ᶜulamāᵓ und Frauenrechtsgruppen zwar auf, verwandte jedoch nicht mehr die vorbelastete Bezeichnung der Scheidungsform als ḫulᶜ.861
858 Arabi, ALQ 16.1(2001), 5; für die Diskussion in Ägypten siehe auch Welchman, in Bainham, International survey, 2004 ed., 135 ff.; für die Position des ägypt. Verfassungsgerichtes siehe Bernard-Maugiron, in Dupret/Drieskens/Moors, Narratives, 241–264. 859 Siehe hierzu Al-Maghrabi, Al Arabiya English v. 22.1.2012, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 860 Gesetz Nr. 61/1976 über das Personalstatut [Qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 5.9.1976/11.9.1396, GBl. Nr. 2668 v. 1.12.1976/9.12.1396, 2756–2777, i. d. F. des temporären Änderungsgesetzes Nr. 82/2001, GBl. Nr. 4524 v. 31.12.2001/16.10.1422, 5998 ff., zitiert in: Welchman, Muslim family laws, 158. 861 Als ḫulᶜ bezeichnet das jordanische Personalstatutsgesetz v. 2010 nur noch die einvernehmliche Scheidung gegen Zahlung einer Abfindung an den Ehemann. Wird eine solche Zahlung gegen den Willen des Ehemannes gerichtlich bestimmt, spricht das Gesetz von „tafrīq li-l-iftidāᵓ“ (auf dt. wörtlich: „gerichtliche Loskaufscheidung“), vgl. Art. 102–114 PersStG Jordanien. Begründet wurde diese Entscheidung mit der Stigmatisierung von Frauen, die eine gerichtliche ḫulᶜ-Scheidung durchgesetzt haben, und der generell negativen Konnotation des Begriffes, Vertreter jordanischer Frauenrechtsgruppen im persönlichen Gespräch, Amman, Jordanien, 10.4.2011.
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c) Die gesetzlichen Regelungen in den Golfstaaten In den Gesetzbüchern Bahrains, Katars und der VAE hat die ḫulᶜScheidung ebenfalls Aufnahme gefunden. Der Regelfall der ḫulᶜ-Scheidung ist auch weiterhin die einvernehmliche Vereinbarung der Ehepartner, die Ehe gegen Zahlung einer Abfindung an den Ehemann aufzulösen.862 In den VAE kann diese Abfindung von der scheidungswilligen Frau selbst oder von einem Dritten geleistet werden.863 Dabei gilt, dass alles, was rechtmäßig als Brautgabe vereinbart werden darf, auch als Abfindung im Rahmen der ḫulᶜ-Scheidung bestimmt werden kann.864 Ausgenommen ist jedoch der Verzicht auf Kindesunterhalt oder auf die Personensorge.865 Die Regelung erscheint in erster Linie die Frage zu berühren, was als wirksame Abfindung vereinbart werden kann. Durch den Bezug auf die Brautgabe macht der Gesetzgeber deutlich, dass sowohl Geld- als auch Sachleistungen theoretisch als ḫulᶜ-Abfindung dienen können.866 Unklar ist indes, in welchem Verhältnis diese konkreten Regelungen über die ḫulᶜ-Scheidung zu dem Gesetz über die Begrenzung der Brautgabe von 1997 stehen. Indem das emiratische Gesetzbuch bestimmt, dass alles, was rechtmäßig als Brautgabe vereinbart werden kann, auch als ḫulᶜ-Abfindung bestimmt werden darf, stellt sich die Frage, ob dies auch die gesetzliche Höchstgrenze der Brautgabe einschließt. Dem Erklärenden Memorandum zum emiratischen Gesetzbuch sind hierzu keine Aussagen zu entnehmen. Eine Stellungnahme der emiratischen Rechtsprechung zu dieser Frage bleibt abzuwarten. 862 Art. 97 lit. a FamGB Bahrain: „Die Ehepartner können die Ehe einvernehmlich durch ḫulᶜ beenden.“ Art. 118 FamGB Katar: „Ḫulᶜ ist die einvernehmliche Eheauflösung durch die Ehepartner […].“ Für die ḫulᶜ-Scheidung der Ehefrau, die ihre Ehe noch nicht vollzogen hat, siehe Art. 108 FamGB Bahrain; Art. 136 FamGB Katar; Art. 123 PersStG VAE. 863 Art. 110 Abs. 1 PersStG VAE: „Ḫulᶜ ist ein Vertrag zwischen den Ehepartnern, in welchem sie die Beendigung der Ehe gegen Zahlung einer Abfindung [an den Ehemann] durch die Ehefrau oder einen Dritten beschließen.“ 864 Art. 110 Abs. 2 PersStG VAE; vgl. Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 24.3.2009, Gesch.-Z. 90/2008. 865 Art. 98 lit. a FamGB Bahrain; Art. 120 FamGB Katar; Art. 110 Abs. 2 PersStG VAE, so auch Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 24.3.2009, Gesch.-Z. 90/2008; Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 8.12.2009, Gesch.-Z. 65/2009. Auch vor Kodifikation des Personalstatuts durfte der Anspruch auf die Personensorge in den VAE nicht Bestandteil der ḫulᶜ-Vereinbarung sein, hierzu Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 20.12.1998, Gesch.-Z. 14/1998; ebenso in Bahrain, Familiengericht Bahrain, sunnitische Kammer, Urteil v. 2006, zitiert in Atawi, in Freedom House, Women’s rights Kuwait/Bahrain (theory part), 179 ff., v. a. 181; zur Personensorge siehe Kapitel 4 D.II. 866 So bereits Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 30.3.1996, Gesch.-Z. 18/1995 (b).
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Neu ist in den Golfstaaten das Mitwirken der Gerichte an der ḫulᶜScheidung. Nach den zuvor beschriebenen ägyptischen und jordanischen Vorbildern haben die Gerichte in Bahrain, Katar und den VAE die Ehe fortan auch gegen den Willen des Ehemannes aufzulösen, sofern dieser sich beharrlich weigert, in eine ḫulᶜ-Scheidung einzuwilligen, und daher zu befürchten ist, dass die Ehepartner „die Grenzen Gottes überschreiten“.867 Die Formulierungen in den Gesetzbüchern Bahrains und der VAE sind damit direkt an die koranische Regelung über die ḫulᶜ-Scheidung angelehnt. In Katar haben die Gerichte grundsätzlich auf ḫulᶜ-Scheidung zu urteilen, wenn die Ehepartner sich nicht einvernehmlich auf diese Form der Eheauflösung einigen können und die Ehefrau nach einem gescheiterten Versöhnungsversuch weiterhin die Scheidung fordert.868 Fortan fällt in allen drei Golfstaaten somit nicht nur die Beurteilung des ehelichen Zerwürfnisses in die Zuständigkeit der Gerichte. Es obliegt dem Richter außerdem, die angemessene ḫulᶜ-Abfindung zu bestimmen, sofern die ḫulᶜScheidung nicht einvernehmlich erfolgt. Dabei nehmen die gesetzlichen Bestimmungen in Bahrain und Katar explizit Bezug auf die Brautgabe. Das emiratische Gesetzbuch spricht demgegenüber nur von einer „angemessenen Abfindung“ (badal munāsib).869 Die Aufnahme einer Regelung über die Möglichkeit der ḫulᶜ-Scheidung auch gegen den Willen des Ehemannes hat vor allem in den VAE zu erheblichen Debatten geführt. Die skeptische Haltung des emiratischen GesetzArt. 97 lit. b FamGB Bahrain: „Besteht eine Weigerung, in die ḫulᶜ-Scheidung einzuwilligen, und besteht [daher] die Gefahr, dass die Ehepartner die Grenzen Gottes überschreiten, urteilt der Richter in Abweichung von den in lit. a dieses Artikels genannten Bestimmungen auf ḫulᶜ gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, die die Brautgabe nicht überschreiten darf.“ Art. 110 Abs. 5 PersStG VAE: „Weigert sich der Ehemann beharrlich, in die ḫulᶜ-Scheidung einzuwilligen, und besteht [daher] die Gefahr, dass die Ehepartner die Grenzen Gottes überschreiten, urteilt der Richter in Abweichung von den in Absatz (1) dieses Artikels genannten Bestimmungen auf ḫulᶜ gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung.“ So auch Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 31.3.2008, Gesch.-Z. 69/2008; Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 20.1.2009, Gesch.-Z. 67/2008. 868 Art. 122 FamGB Katar: „Können sich beide Ehepartner nicht auf ḫulᶜ einigen, hat das Gericht binnen sechs Monaten einen Versöhnungsversuch zu unternehmen, für den es zwei Schiedsrichter bestellt. Scheitert dieser Versöhnungsversuch und fordert die Ehefrau auch weiterhin die ḫulᶜ-Scheidung gegen Verzicht auf sämtliche finanziellen Rechte (ḥuqūqhā l-mālīya aš-šarᶜīya) und die Rückzahlung der bereits geleisteten Brautgabe, ist die Ehe gerichtlich aufzulösen.“ Unter „sämtliche finanziellen Rechte“ ist die gestundete Brautgabe sowie der Unterhalt für die Ehefrau während ihrer Wartezeit zu verstehen. Im Prinzip ergibt sich der Verlust des nachehelichen Unterhalts bereits durch die Wirkung der ḫulᶜ-Scheidung als unwiderrufliche, gerichtliche Eheauflösung (fasḫ), nach der der Ehemann der Ehefrau grundsätzlich keinen nachehelichen Unterhalt schuldet; vgl. Art. 97 lit. d FamGB Bahrain; Art. 118 FamGB Katar; Art. 110 Abs. 3 PersStG VAE. 869 Hierzu ausführlich Kapitel 4 D.I. 867
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gebers gegenüber dieser Scheidungsform drückt sich auch in den Erläuterungen zur ḫulᶜ-Scheidung im Erklärenden Memorandum zum Personalstatutsgesetz aus. Diese legen dar, dass der emiratische Gesetzgeber grundsätzlich nicht den Weg anderer arabischer Personalstatutsgesetze870 wählen und die ḫulᶜ-Scheidung zu einer einseitigen Handlung der Ehefrau machen wollte.871 Im Ergebnis ist jedoch genau dies durch die in Art. 110 Abs. 5 PersStG VAE normierte Ausnahme geschehen.872 Dass die Regelung, nach der die Ehe auch gegen den Willen des Ehemannes durch gerichtliche ḫulᶜScheidung aufgelöst werden kann, derartige Skepsis beim Gesetzgeber hervorgerufen hat, ist umso verwunderlicher als der Entwurf eines Personalstatuts von 1979 bereits eine wortwörtlich gleichlautende Bestimmung enthielt.873 d) Rechtspraxis aa) Ḫulᶜ-Scheidungen vor der Kodifikation Als eine bereits im klassischen islamischen Familienrecht verankerte Scheidungsform wurde die ḫulᶜ-Scheidung in ihrer traditionellen Variante auch vor Kodifikation des Familienrechts in Bahrain, Katar und den VAE regelmäßig praktiziert. Da das klassische islamische Scheidungsrecht die ḫulᶜ-Scheidung jedoch als einvernehmlichen, außergerichtlichen Vertrag beider Ehepartner über die Auflösung der Ehe versteht, war sie nur selten Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Die Familiengerichte waren nur dann mit der ḫulᶜ-Scheidung betraut, wenn Uneinigkeit hinsichtlich ihrer Wirkung (als widerrufliche oder unwiderrufliche Scheidung) oder hinsichtlich der genauen Höhe der vereinbarten Abfindung an den Ehemann bestand. Im Folgenden sollen zunächst die Defizite der außergerichtlichen ḫulᶜ-Scheidung diskutiert werden. In einem weiteren Schritt gilt es zu überprüfen, ob und inwieweit die gesetzliche Verankerung der ḫulᶜScheidung in den neuen Kodifikationen durch die Rechtsprechung umgesetzt wird und zu sachgerechteren Ergebnissen führt. Vor der Kodifikation des Familienrechts war es nicht unüblich, dass Frauen im Rahmen einer ḫulᶜ-Scheidung nicht nur auf ihre eigenen, sondern auch auf die finanziellen Ansprüche gemeinsamer Kinder aus der Ehe verzichteten. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1995 bestätigte das Kassationsgericht von Dubai, dass auch der Verzicht der Ehefrau auf den Kindesunterhalt von ihrem Ehemann eine zulässige Abfindung im
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Als Beispiele nennt das Erklärende Memorandum explizit Ägypten und Jordanien. Erläuterungen zu Art. 110 im Erklärenden Memorandum zum PersStG VAE. Vgl. Welchman, in Atkin, International survey, 2010 ed., 172. Art. 139 Abs. 2 Entwurf v. 1979.
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Rahmen der ḫulᶜ-Scheidung darstelle.874 Werde die Frau daraufhin jedoch mittellos und könne sie den Unterhalt für die gemeinsamen Kinder nicht mehr bestreiten, so sei der Ex-Ehemann verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt oder den der Kinder aufzukommen. In diesem Fall seien seine Auslagen als Darlehen von ihm an sie zu betrachten, so das Gericht (unter Berufung auf die Mehrheitsmeinung des malikitischen Rechts) in seiner Urteilsbegründung weiter. Zudem ist nicht auszuschließen, dass Frauen – in Ermangelung einer eindeutigen Rechtsgrundlage – auch auf ihre Personensorge für gemeinsame Kinder verzichteten, um eine Scheidung zu erwirken.875 Zumindest höchstrichterliche Entscheidungen aus den Golfstaaten lehnten einen solchen Verzicht jedoch regelmäßig ab.876 Was die Höhe der zu zahlenden Abfindung anbelangt, zeigt eine Auswertung der Rechtsprechung bis zur Mitte der 2000er Jahre, dass diese die Brautgabe oftmals deutlich überschritt. In vielen Fällen vereinbarten die Ehepartner zusätzlich zum Verzicht auf die gestundete Brautgabe und die Rückzahlung der bereits geleisteten Brautgabe eine weitere monetäre Abfindung. Ein Urteil des Kassationsgerichts Dubai bestätigte im Jahre 1996, dass als ḫulᶜ-Abfindung sowohl der Ertrag einer Sache als auch Geldleistungen dienen könnten. Handele es sich um eine Geldleistung, so sei die Brautgabe oder auch nur ein Teil von ihr als ḫulᶜ-Abfindung zulässig. Gleichfalls zulässig sei eine andere Geldleistung als die Brautgabe.877 Berichte aus Bahrain lassen auf eine ähnliche Praxis schließen. Mitarbeiter von Frauenrechtsorganisationen berichteten im persönlichen Gespräch, dass Frauen oftmals zu der Zahlung einer Abfindung gedrängt worden seien, die ihre Brautgabe deutlich überschreite. Da der Ehemann bei der einvernehmlichen ḫulᶜ-Scheidung die Verstoßung aussprechen muss, waren scheidungswillige Frauen darauf angewiesen, seinen Forderungen nachzu-
Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 14.10.1995, Gesch.-Z. 9/1995. 875 Der Verfasserin sind mehrfach derartige Fälle aus der Zeit vor Kodifikation des Familienrechts geschildert worden; für Bahrain wird dies zudem thematisiert in Atawi, in Freedom House, Women’s rights Kuwait/Bahrain (theory part), 186 f.; bis zu einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 2006 scheint es in Bahrain gängige Praxis gewesen zu sein, einen Verzicht auf die Personensorge im Rahmen einer ḫulᶜ-Scheidung als rechtmäßige Abfindung anzuerkennen. 876 Siehe u. a. Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 20.12.1998, Gesch.-Z. 14/1998, sowie die Entscheidung des sunnitischen Familiengerichts in Bahrain aus dem Jahre 2006, zitiert in Atawi, in Freedom House, Women’s rights Kuwait/Bahrain (theory part), 181. 877 Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 30.3.1996, Gesch.Z. 18/1995 (b). 874
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kommen.878 Es verwundert insofern nicht, dass die ḫulᶜ-Scheidung auch als „the hard way out“879 beschrieben wird. bb) Ḫulᶜ-Scheidung seit der Kodifikation Einer Umfrage der katarischen Tageszeitung „al-ᶜArab“ zufolge lehnten im Jahre 2011 noch 60 % der katarischen Männer die ḫulᶜ-Scheidung ab.880 Unter den weiblichen Befragten befürworten 80 % die neu eingeführte Scheidungsform; lediglich 20 % der Frauen stehen ihr auch fünf Jahre nach Inkrafttreten des neuen Familiengesetzbuches kritisch gegenüber.881 Auch in Bahrain und den VAE wurde die reformierte ḫulᶜ-Scheidung und ihre gerichtliche Anwendung wiederholt Gegenstand medialer Debatten. Während sie in einem Interview der emiratischen Tageszeitung „al-Imārāt alYawm“ mit dem Direktor des Dubaier Gerichtshofs als „kein großes Phänomen“ bezeichnet wird,882 nennt die bahrainische „al-Waqt“ sie den „oftmals letzten Ausweg für Frauen“.883 In den VAE wird die neue Form der Loskaufscheidung – trotz der Diskussion im Vorfeld der Kodifikation – von den Gerichten angenommen. Die Kassationsgerichte von Abu Dhabi und Dubai haben seit 2005 mehrmals betont, dass bei einem Fortbestehen des ehelichen Zerwürfnisses und der Weigerung des Ehemannes, in eine einvernehmliche ḫulᶜ-Scheidung einzuwilligen, die Ehe gerichtlich aufzulösen sei.884 Zudem können Ehepaare auch weiterhin außergerichtlich Einigungen über ḫulᶜ-Scheidungen treffen. Das Gesetz sieht diese Möglichkeit explizit vor.885 Besteht Einvernehmen über die Höhe der zu zahlenden Abfindung, kann durch eine außergerichtliche ḫulᶜ-Scheidung das langwierige Gerichtsverfahren vermieden werden. Die Auflösung der Ehe ist lediglich im Nachhinein zu registrieren. Sollte eine solche außergerichtliche Einigung jedoch nicht möglich sein, steht es beiden Ehegatten offen, den Weg der gerichtlichen ḫulᶜ-Scheidung zu wählen.
878 So die Vorsitzende der BWU im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 15.1.2013. 879 Hamada, The WIP v. 18.3.2010, , letzter Zugriff: 3.2.2014. 880 ᶜAmr, al-ᶜArab v. 23.2.2011, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 881 ᶜAmr, al-ᶜArab online v. 23.2.2011. 882 Al-Imārāt al-Yawm online v. 22.1.2012. 883 Salmān/Ibrāhīm, al-Waqt online v. 3.1.2010. 884 Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 31.3.2008, Gesch.-Z. 69/2008; Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 20.1.2009, Gesch-Z. 67/2008. 885 Art. 110 Abs. 1 PersStG VAE.
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In Bahrain hat die Einführung einer gesetzlichen Obergrenze der ḫulᶜAbfindung laut Aussage der Bahrain Women’s Union die finanzielle Belastung für Frauen, die gegen den Willen des Ehemannes eine Scheidung erwirken, deutlich reduziert.886 Die Einführung der gerichtlichen ḫulᶜScheidung hat mithin die Möglichkeiten für Frauen verbessert, eine Scheidung auch dann herbeizuführen, wenn kein eheliches Zerwürfnis vorliegt oder eine Schädigung durch den Ehemann nicht nachgewiesen werden kann. Auch in Katar hat sich ḫulᶜ als Scheidungsform inzwischen etabliert. Während ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Personalstatutsgesetzes der Anteil der ḫulᶜ-Scheidungen an den gesamten Scheidungen noch 4 % ausmachte, stieg der Prozentsatz ein Jahr später, in 2008 bereits auf 7,4 %.887 Nach neueren Statistiken lag der Anteil im Jahre 2010 bei 5,9 %.888 2. Mutᶜat aṭ-ṭalāq: Wider ein Scheidungsrecht des Mannes? Über die Wartezeit hinaus kennt das islamische Familienrecht grundsätzlich keinen nachehelichen Unterhalt. Mit der Normierung des Anspruchs auf Entschädigung (mutᶜat aṭ-ṭalāq, kurz mutᶜa889) für die schuldlos verstoßene Ehefrau folgen die drei Golfstaaten dem Vorbild zahlreicher islamischer Länder.890 Deren Gesetzgeber nutzten die Einführung einer reformierten Version des klassisch-islamischen Rechtsinstituts der mutᶜa zum einen zur finanziellen Absicherung der geschiedenen Ehefrau und zum anderen zur (gleichwohl geringen) Kontrolle willkürlicher Verstoßungsscheidungen durch den Ehemann.891 a) Vorbilder aus anderen islamischen Ländern Islamrechtliche Grundlage der mutᶜa bildet Sure 2, Vers 236 des Korans.892 Obgleich der Vers lediglich die Zahlung einer Entschädigung an die ge886 So die Vorsitzende der BWU im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 15.1.2013. 887 ᶜAmr, al-ᶜArab online v. 23.2.2011. 888 Qatar Statistics Authority, Marriages & Divorces, 54, 57. 889 Der arabische Begriff „mutᶜa“ bedeutet „Genuss“. Das schiitische Recht versteht hierunter in erster Linie die im schiitischen Recht anerkannte Zeitehe. Das sunnitische Recht erkennt die Zeitehe nicht an, vgl. auch Fn. 531. Mutᶜa beschreibt hier die Entschädigung an die ohne eigenes Verschulden verstoßene Ehefrau, manche Familiengesetzbücher islamischer Länder verwenden hierfür auch den Begriff „taᶜwīḍ“. 890 Siehe auch die umfangreichen Darstellungen bei Nasir, Status of women, 156 ff., und Welchman, Muslim family laws, 125 ff. 891 Vgl. Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 42; Welchman, a. a. O., 125 f. 892 „Es ist keine Sünde für euch, wenn ihr Frauen (nach der Eheschließung ohne weiteres) entlasst, solange ihr sie noch nicht berührt habt, – es sei denn, ihr habt für sie einen Pflichtteil ausgesetzt. Stattet sie dann auf rechtliche Weise aus – der Reiche, wie es
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schiedene Frau, mit der die Ehe noch nicht vollzogen wurde, behandelt, haben zahlreiche Gesetzgeber islamischer Länder ihn als Grundlage für eine Einführung der mutᶜa neuinterpretiert.893 Der Rückgriff auf eine Mindermeinung in der schafiitisch-islamischen Lehre, die den Anspruch aller grundlos verstoßenen Ehefrauen auf Entschädigung vertrat,894 ermöglichte die Reform der mutᶜa. Eine solche Neuinterpretation des islamischen Scheidungsrechts sollte in vielen islamischen Ländern den finanziellen Schaden der Ehefrau im Falle einer Verstoßung durch den Ehemann mindern. Obgleich innerhalb der islamrechtlichen Ehe Gütertrennung gilt und die Ehefrau über ihr eigenes Vermögen frei verfügen kann, muss die schlechte wirtschaftliche Lage und eine geringe weibliche Erwerbstätigkeit in zahlreichen islamischen Ländern als Grund für die finanzielle Abhängigkeit der Ehefrau von ihrem Ehemann angeführt werden. Dies galt umso mehr zur Mitte des 20. Jahrhunderts, als die Mehrheit der Länder des Maschreks und Maghrebs ihr Personalstatut erstmals kodifizierten. In Tunesien, dem einzigen islamischen Land, das Mann und Frau einen einheitlichen Zugang zur Scheidung gewährt, hat jeder schuldlos geschiedene Ehepartner, ungeachtet seines Geschlechts, Anspruch auf eine Entschädigungszahlung.895 b) Die gesetzlichen Regelungen in den Golfstaaten Auch die Gesetzbücher Bahrains, Katars und der VAE formulieren fortan das Recht der schuldlos verstoßenen Ehefrau auf eine Entschädigung.896 Die VAE führen die neuen Regelungen über die mutᶜa dabei explizit auf die schafiitische Mindermeinung zurück, wie das Erklärende Memorandum seinen Verhältnissen, und der Arme, wie es den seinen entspricht. (Das gilt) als Verpflichtung für diejenigen, die rechtschaffen sind.“ 893 Vgl. Nasir, Status of women, 156 ff. 894 Abū Raḫīya/Ğabūrī, Fiqh az-zawāğ wa-ṭ-ṭalāq, 181; Dussūqī, Al-maḏhab aš-šāfiᶜī, 242. 895 Art. 31 Mağalla. 896 Art. 52 lit. d FamGB Bahrain: „Geht die Verstoßung vom Ehemann aus, hat sie [die Ehefrau] Anspruch auf eine Entschädigung von maximal einem Jahresunterhalt.“ Art. 115 FamGB Katar: „Jede verstoßene Ehefrau hat Anspruch auf eine Entschädigung, wenn die Verstoßung allein vom Ehemann ausging. […] Die mutᶜa wird gemäß der Leistungsfähigkeit des Verstoßenden und der Bedürftigkeit der Frau berechnet und darf den Unterhalt von drei Jahren nicht überschreiten.“ Art. 140 PersStG VAE: „Verstößt der Ehemann seine Ehefrau innerhalb einer wirksamen, vollzogenen Ehe auf seinen einseitigen Wunsch und ohne ihre Forderung [nach einer Scheidung], hat die Ehefrau im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Ehemannes zusätzlich zu ihrem Unterhalt während der Wartezeit Anspruch auf eine mutᶜa. Höchstgrenze [der Entschädigung] ist der übliche Unterhalt eines Jahres. Der Richter bestimmt die Höhe der zu zahlenden mutᶜa gemäß der Schädigung der verstoßenen Ehefrau und kann eine Ratenzahlung anordnen.“
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zum Familiengesetzbuch erläutert.897 In Bahrain und den VAE ist die Höchstgrenze dieser Entschädigung der Unterhalt eines Jahres, im katarischen Recht der dreifache Jahresunterhalt. Der Unterhaltsanspruch während der Wartezeit nach einer widerruflichen Verstoßung bleibt hiervon unberührt. Mit der Einführung einer Entschädigungspflicht ist das Recht des Ehemannes auf einseitige Eheauflösung ohne erforderliche Angabe von Gründen fortan zumindest mit finanziellen Konsequenzen verbunden. Sein grundsätzliches Recht auch auf die außergerichtliche Verstoßung besteht indes fort. Zudem kann die mutᶜa nach einer widerruflichen Verstoßung erst nach Ablauf der Wartezeit geltend gemacht werden. Dem Ehemann steht in solchen Fällen immer auch die Möglichkeit offen, die Ehefrau in den Ehestand zurückzuholen und somit seiner Kompensationsverpflichtung zu entgehen. c) Rechtspraxis Ähnlich der ḫulᶜ-Abfindung obliegt es auch bei der mutᶜa nach allen drei Gesetzbüchern fortan den Gerichten, die angemessene Höhe der Zahlung festzulegen. Dabei haben die Gerichte in erster Linie den Schaden zu bewerten, den die Ehefrau durch die Verstoßung erleidet. Da aber die mutᶜa – anders als die ḫulᶜ-Abfindung – nicht von Amts wegen im Scheidungsverfahren wahrzunehmen ist, müssen verstoßene Ehefrauen nach der Scheidung eine Klage auf Festsetzung ihrer mutᶜa einreichen, um dieses Recht geltend zu machen. Klagen verstoßener Ehefrauen auf Entschädigung von ihren Ehemännern sind insofern seltener zu finden als Urteile zur ḫulᶜScheidung. Von einer auch weiterhin mangelnden Kenntnis über die Einklagbarkeit einer Entschädigung kann ausgegangen werden. Dennoch sind zumindest der emiratischen Rechtsprechung bereits einige interessante Aussagen über die Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen zu entnehmen, die im Folgenden besprochen werden sollen. Seit Einführung des emiratischen Familiengesetzbuches haben die Kassationsgerichte von Abu Dhabi und Dubai mehrmals den Anspruch der ohne eigenes Verschulden verstoßenen Ehefrau auf eine Entschädigung bestätigt. Im Jahre 2007 befand das Kassationsgericht Dubai, dass bei einer außergerichtlichen Scheidung durch Verstoßung die Beweislast für eine etwaige einvernehmliche Eheauflösung oder für die Schuld der Ehefrau am ehelichen Zerwürfnis beim Ehemann liege.898 Wird die Ehe durch eine außergerichtliche Verstoßung aufgelöst und macht die Ehefrau danach ihren Anspruch auf mutᶜa geltend, muss der Ehemann nachweisen, dass er GrünErläuterungen zu Art. 140 im Erklärenden Memorandum zum PersStG VAE. Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 29.5.2007, Gesch.Z. 23/2007, abgedruckt in Azraq/Azraq, Mabādīᵓ, 62 f. 897 898
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de für die Verstoßung hatte, die auf Seiten der Ehefrau lagen. Anderenfalls geht das Gericht zunächst von einem einseitigen Scheidungswunsch des Ehemannes aus. Hinsichtlich der Höhe der gerichtlich festgesetzten Entschädigung differieren die ausgewerteten Gerichtsurteile deutlich. Grundsätzlich ist die Höhe der Entschädigung an die Höhe des Unterhalts der Ehefrau gekoppelt und auf das Äquivalent eines Jahresunterhaltes begrenzt.899 Gleichzeitig sind den Urteilen nur selten Aussagen über die Grundlage, auf welcher die mutᶜa berechnet wurde, zu entnehmen. In den seltensten Fällen verweisen die Urteile auf die Berechnungsgrundlage des ehelichen Unterhalts. Die gerichtlich festgelegten Entschädigungssummen liegen jedoch oftmals unterhalb der gesetzlichen Höchstgrenze des Unterhalts eines Jahres. Zudem steht es den Gerichten grundsätzlich offen, eine Zahlung der Entschädigung in Raten anzuordnen. Dies geschieht jedoch sehr selten; oftmals wird lediglich eine Einmalzahlung bestimmt. Rund die Hälfte der ausgewerteten Gerichtsurteile bestimmt eine Einmalzahlung an die Ehefrau zwischen AED 4.000 und AED 7.000.900 Diese Fälle betreffen zumeist Ehen von kürzerer Dauer, in denen keine Kinder geboren wurden. Bei Verstoßungen nach mehreren Ehejahren und dem Vorhandensein gemeinsamer Kinder wurden von den Gerichten zum Teil höhere Summen festgesetzt. Gerade erstinstanzliche Gerichte neigen jedoch zu geringeren Summen, die dann im Berufungsverfahren oftmals nach oben korrigiert werden. Im Folgenden soll ein Blick in die jüngere Rechtsprechung die Entwicklung der mutᶜa in der Rechtspraxis verdeutlichen. Die beiden nachfolgenden Urteile des Kassationsgerichts Abu Dhabi aus den Jahren 2009 und 2010 veranschaulichen, wie die gesetzlichen Bestimmungen über die mutᶜa der grundlos und gegen ihren Willen verstoßenen Ehefrau eine effektivere finanzielle Absicherung ermöglicht haben. aa) Kassationsgericht Abu Dhabi v. 3.6.2009 Im ersten Fall wurde über den Anspruch einer Frau auf Entschädigung verhandelt, nachdem diese durch ihren Ehemann außergerichtlich verstoßen worden war. Das Urteil des Kassationsgerichts bestimmte sowohl über den Anspruch der geschiedenen Frau auf die gestundete Brautgabe als auch Art. 140 PersStG VAE. Dies entspricht in etwa dem monatlichen Einkommen einer Lehrerin in den VAE, vgl. Dubai FAQ, Average salaries and wages in Dubai, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. Das durchschnittliche Monatseinkommen eines emiratischen Staatsangehörigen in den VAE lag 2010 bei AED 11.800, hierzu Al-Sadafy, Emirates 24/7 v. 20.10.2010, online abrufbar unter , letzter Zugriff: 3.2.2014. 899 900
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über die Übernahme ihrer Mietkosten in den ersten Monaten nach der Scheidung. Es ordnete zudem auch eine monatliche Zahlung von AED 1.500 als Entschädigung an, die über den Zeitraum eines Jahres vom geschiedenen Ehemann zu entrichten sei.901 Es bestätigte dadurch das Urteil des Familiengerichts erster Instanz,902 während das Berufungsgericht von Abu Dhabi den Ausführungen des Ex-Ehemannes Glauben geschenkt hatte, es habe sich bei der Eheauflösung um eine einvernehmliche ḫulᶜScheidung gehandelt. Der Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Entschädigung war daher vom Berufungsgericht zunächst zurückgewiesen worden.903 Im Verfahren vor dem Kassationsgericht wurde der geschiedene Ehemann sodann verpflichtet, Beweise für seine Behauptung einer einvernehmlichen Scheidung vorzubringen. Da er dieser Forderung nicht nachkommen konnte, ging das Gericht von einem einseitigen Scheidungswunsch des Ex-Ehemannes ohne Verschulden der Frau aus. Ihr Anspruch auf eine Entschädigung wurde bestätigt. Dem Urteil ist keine umfangreiche Begründung für die konkrete Entschädigungssumme und die Zahlung dieser in monatlichen Raten zu entnehmen. Das Kassationsgericht Abu Dhabi führte jedoch aus, dass bei der Festsetzung der Entschädigung u. a. zu berücksichtigen sei, welche seelischen Schäden die Frau als Folge des willkürlichen Verhaltens des Ehemannes erlitten habe. Zudem müssten die Dauer der Ehe sowie der Beitrag der Ehefrau zum Vermögensaufbau ihres Ehemannes in die Urteilsfindung einfließen. Bei der Bewertung der Schädigung der Ehefrau berücksichtigte das Gericht insofern die lange Dauer der Ehe, die aus ihr hervorgegangenen sechs gemeinsamen Kinder sowie die Tatsache, dass der Ehemann die Ehe einseitig und ohne vorherigen gerichtlichen Versöhnungsversuch aufgelöst hatte. Aufgrund der Schwere des erlittenen Schadens wurde der Frau sodann eine vergleichsweise hohe Entschädigung von insgesamt AED 18.000 zugesprochen. bb) Kassationsgericht Abu Dhabi v. 5.5.2010 Die Rechtsprechung des Kassationsgerichts von Abu Dhabi, wonach bei der Festsetzung der Entschädigungssumme für die Ehefrau vor allem die Dauer der Ehe sowie die Willkür der einseitigen Verstoßung durch den Ehemann zu berücksichtigen sei, hat sich etabliert. Auch ein zweites Urteil des Kassationsgerichts aus dem Jahre 2010 bestätigt eine (bereits vom erst901 Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 3.6.2009, Gesch.-Z. 442/2009. 902 Familiengericht Abu Dhabi (erste Instanz), Urteil v. 25.3.2009, Gesch.-Z. 98/2009. 903 Berufungsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 22.4.2009, Gesch.-Z. 116/2009.
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instanzlichen Familiengericht festgesetzte) ähnlich hohe mutᶜa von AED 24.000.904 Wie im zuvor dargestellten Fall handelt es sich ebenfalls um eine langjährige Ehe, aus der mehrere gemeinsame Kinder hervorgingen. Auch in diesem Fall wurde die Ehe zunächst außergerichtlich durch Verstoßung aufgelöst. Nach Ablauf der Wartezeit trat die geschiedene Frau an das Familiengericht heran, um das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder sowie eine Entschädigung von ihrem Ehemann einzuklagen. Das Gericht gab ihrer Klage statt und verpflichtete den Ehemann zur rückwirkenden Zahlung ihres nachehelichen Unterhalts während der Wartezeit, des Unterhalts für die gemeinsamen Kinder sowie zur Übernahme der Mietkosten für die Kinder und die sorgeberechtigte Mutter. Zudem setzte das Familiengericht eine Entschädigung von insgesamt AED 24.000 fest, wobei dem geschiedenen Ehemann eingeräumt wurde, diese in sechs Monatsraten zu begleichen.905 Sowohl Berufungs- als auch Kassationsgericht wiesen die Berufungsanträge des Ehemannes zurück und bestätigten das Urteil. cc) Bewertung Die zwei beispielhaften Urteile aus den VAE zeigen, dass die Gerichte eine Entschädigungspflicht des Ehemannes vor allem dann anerkennen, wenn die Ehe über eine gewisse Dauer verfügte, die Verstoßung durch den Ehemann von Willkür geprägt war und ohne vorherigen Versöhnungsversuch erfolgte. Dieser Trend in der Rechtsprechung ist insofern positiv zu bewerten, als er vor allem solchen Frauen, die nach einer langjährigen Ehe und längeren Zeiten der Kinderbetreuung wirtschaftlich schlechtergestellt sind, eine effektive finanzielle Absicherung ermöglicht. Gleichzeitig kann noch nicht von einer grundsätzlichen Begrenzung des männlichen Scheidungsrechts durch die Rechtsprechung gesprochen werden. Die oftmals hinter der gesetzlichen Höchstgrenze zurückbleibenden Entschädigungssummen lassen vermuten, dass die einseitige Verstoßung auch weiterhin als Recht des Ehemannes verstanden wird, durch dessen Ausübung ihm zumindest kein (großer) finanzieller Schaden entstehen darf. Indem die Einführung des grundsätzlichen Entschädigungsanspruches der geschiedenen Ehefrau die Verstoßungsscheidung für den Ehemann erstmals auch mit finanziellen Konsequenzen verknüpft, kann sich die mutᶜa auch auf die Scheidungsraten auswirken. Erste Tendenzen sind bereits zu erkennen: In Bahrain ist die Scheidungsrate seit Einführung des
904 Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 5.5.2010, Gesch.-Z. 219/2010. 905 Familiengericht Abu Dhabi (erste Instanz), Urteil v. 7.7.2009, Gesch.-Z. 759/2009.
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neuen Familiengesetzbuches deutlich gesunken.906 Nach Auffassung eines bahrainischen Familienrichters ist diese Entwicklung vor allem auf die Reform der mutᶜa zurückzuführen.907 Ähnliche Gründe können für die sinkenden Scheidungsraten in den VAE angenommen werden. Im Jahre 2006, ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Personalstatutsgesetzes, lag die Scheidungsrate bei 20,6 %. Im Jahre 1995 lag sie demgegenüber noch bei 34,8 %.908 3. Schädigung und Entschädigung Die gerichtliche Scheidung aufgrund einer Schädigung ist eine klassischislamische Rechtsfigur, die vor allem in der malikitischen Lehre anerkannt wird. In der Annahme, dass der Ehemann jederzeit von seinem Recht auf Verstoßung Gebrauch machen und somit eine unerwünschte Ehe auflösen kann, ist die Scheidung aufgrund einer Schädigung in erster Linie eine Anspruchsgrundlage für die Ehefrau. Dieses Grundprinzip des Scheidungsrechts hat in den VAE inzwischen eine Wandlung erfahren. Während in Bahrain und Katar weiterhin lediglich die Ehefrau eine Scheidung aufgrund von Schädigung beantragen kann, steht diese Form der gerichtlichen Eheauflösung in den VAE fortan beiden Ehegatten offen. Die VAE folgen hiermit als einziger der drei Golfstaaten dem Vorbild des Maskat Dokumentes, das ebenfalls einen gleichberechtigten Zugang zur Scheidung aufgrund von Schädigung vorsieht.909 Auch das kuwaitische Personalstatutsgesetz enthält eine nahezu gleichlautende Regelung über die Antragsberechtigung beider Ehepartner und mag insofern als Vorlage für das Maskat Dokument gedient haben.910 Dass auch der emiratische Ehemann ein Scheidungsverfahren aufgrund einer Eheverfehlung seiner Ehefrau anstreben kann, eröffnet ihm die MögAl A‘ali, Gulf Daily News v. 6.3.2013, 6; in 2008, ein Jahr vor Inkrafttreten des neuen Familiengesetzbuches, wurden in Bahrain 4.815 Ehen geschlossen und 717 Ehen geschieden; in 2012 wurden demgegenüber 6.311 Ehen geschlossen und nur 335 geschieden. 907 Im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 16.1.2013; als weitere mögliche Gründe führte der Familienrichter das Verbot bestimmter Formen der Verstoßung an, so z. B. unter Alkoholeinfluss und im Streit. 908 Eheschließungs- und Scheidungsraten für die VAE werden in regelmäßigen Abständen auf der Internetseite des Statistischen Bundesamts der VAE (al-Markaz alWaṭanī li-l-Iḥṣāᵓ) veröffentlicht, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014; in 2007 stieg die Scheidungsrate in den VAE jedoch erneut auf 25,6 %, hierzu Al Munajjed, Divorce in GCC countries, 4. 909 Art. 100 Maskat Dokument. 910 Art. 126 PersStG Kuwait; zu den islamischen Ländern mit ähnlich lautenden Bestimmungen zählen u. a. Irak, Syrien und seit 1997 auch Oman, siehe hierzu Ebert, in Heckel, Rechtstransfer, 40. 906
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lichkeit, die finanziellen Verpflichtungen der Verstoßungsscheidung zu vermeiden und überdies eine Abfindung (badal) von der Ehefrau zu erhalten.911 Aber auch in Bahrain und Katar kann das auf Antrag der Ehefrau angestrebte Verfahren diese Konsequenzen nach sich ziehen, wenn die vom Gericht berufenen Schiedsrichter im Rahmen des obligatorischen Schlichtungsverfahrens die überwiegende Schuld der Ehefrau am ehelichen Zerwürfnis feststellen.912 Die emiratische Variante der Scheidung aufgrund von Schädigung kann als geeignete Vorlage für weitere Reformen in den arabischen Golfstaaten dienen. Auf dem emiratischen Vorbild aufbauend, kann ein gleichberechtigtes Scheidungsrecht entwickelt werden, dessen unterschiedliche Modi der Eheauflösung nicht mehr in Abhängigkeit zum Geschlecht des Scheidungswilligen stehen. Die emiratische Regelung hat zudem den Vorteil, dass sie gerichtliche Scheidungsverfahren fördert. So ist die Möglichkeit für den Ehemann, bei gerichtlich festgestellter Eheverfehlung seiner Ehefrau finanzielle Verpflichtungen zu vermeiden und überdies selbst eine Abfindung zu erhalten, Anreiz, ein solches Verfahren der außergerichtlichen Verstoßung vorzuziehen. III. Zusammenfassung Obgleich alle drei Golfstaaten um eine Formalisierung familienrechtlicher Vorgänge bemüht sind, folgen Bahrain, Katar und die VAE den Vorbildern anderer arabisch-islamischer Länder auf dem Gebiet des Eheschließungsrechts nur zögerlich. So ist die Ehemündigkeit in Katar, in Anlehnung an klassisches islamisches Eherecht, auch weiterhin an die Pubertät geknüpft. Es obliegt mithin der katarischen Rechtsprechung, die Begriffe ᶜaql und bulūġ nun zu konkretisieren. Ähnlich wie Bahrain hat Katar jedoch ein Mindestalter zumindest für die Registrierung der Eheschließung eingeführt. In Bahrain sind derartige Altersgrenzen bereits seit 2007 im Verfahrensrecht zu finden. Mit der Einführung eines Mindestalters zur Registrierung der Eheschließung haben Bahrain und Katar durch eine Reform des VerfahArt. 120 Abs. 2 PersStG VAE: „Liegt die Eheverfehlung vollständig auf Seiten der Ehefrau, ist die Ehe aufzulösen, wobei die Ehefrau eine angemessene Abfindung (badal munāsib) zu leisten hat.“ Vgl. auch Krüger, in Ebert/Hanstein, Beiträge VI, 131 f. 912 Art. 107 S 1 FamGB Bahrain: „Urteilt der Richter gemäß der Bestimmungen der vorangegangenen Artikel auf Eheauflösung, legt er zugleich fest, was die Ehefrau von ihrer Brautgabe oder anderem [min aṣ-ṣadāq aw ġayrihi] an den Ehemann zurückzuzahlen hat, sofern die Schuld am ehelichen Zerwürfnis vollständig oder überwiegend bei ihr liegt.“; Art. 134 S 1 FamGB Katar: „Ist der Richter der Auffassung, dass die Ehe aufgrund eines Zerwürfnisses aufzulösen ist und liegt die Schuld am ehelichen Zerwürfnis vollständig oder überwiegend bei der Ehefrau, löst der Richter die Ehe nach Kenntnisnahme des Berichts der beiden Schiedsrichter und unter Festlegung einer [von der Ehefrau] zu zahlenden Geldsumme (bi-māl) auf.“ 911
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rensrechts auch das materielle Recht beeinflusst. Demgegenüber hat der emiratische Gesetzgeber direkt in das materielle Eherecht eingegriffen und dieses durch die Einführung eines Ehemindestalters von 18 Jahren reformiert. Beide Wege finden ihr Vorbild in anderen islamischen Ländern. Die Registrierungsvorschriften aller drei Golfstaaten erscheinen nicht geeignet, eine umfangreiche Kontrolle des Personenstandes aller Bürger zu gewährleisten. Die Nichtregistrierung der Eheschließung führt zu keinen rechtlichen Konsequenzen für die Ehepartner und berührt nicht die Wirksamkeit der Ehe. Sie wirkt rein deklaratorisch und kann im Nachhinein regelmäßig durch Zeugenaussagen ersetzt werden. Im Zweifelsfall wird vom Bestehen der Ehe ausgegangen. Indirekt, als Instrument zur Verhaltenssteuerung wirken sich in den drei Golfstaaten indes die staatlichen Zuwendungen für neuverheiratete Paare auf das Eheschließungsrecht aus: Vielmehr als die in Aussicht gestellte Rechtssicherheit fördern finanzielle Anreize die Registrierung von Eheschließungen. Unter diesem Aspekt erscheint auch eine Begrenzung der Polygynie – bislang spärlich ausgefallen – durchaus möglich. So könnten die drei Gesetzgeber staatliche Transferleistungen für neuverheiratete Ehepaare auf die erste Eheschließung begrenzen und dadurch positiv auf einen Rückgang polygyner Eheschließungen einwirken, ohne eine Begrenzung dieser im materiellen Recht zu verankern.913 Im Scheidungsrecht werden die rechtsvergleichenden Vorarbeiten zu den Familiengesetzbüchern Bahrains, Katars und der VAE in besonderem Maße deutlich. So übernahmen alle drei Golfstaaten das Rechtsinstitut der ḫulᶜ-Scheidung nach ägyptischem Vorbild. Interessanterweise geschah dies scheinbar ungeachtet der zum Teil stürmischen Reaktionen, die derartige Reformen in Ägypten und Jordanien bereits hervorgerufen hatten. Gleichzeitig wurde die Aufnahme der gerichtlichen Eheauflösung gegen den Willen des schuldlosen Ehemannes vor allem in den VAE kritisch betrachtet. Dies kommt auch im Erklärenden Memorandum zum Personalstatutsgesetz der VAE zum Ausdruck. Die mutᶜa, sowohl als finanzielle Absicherung der geschiedenen Ehefrau wie auch als wirtschaftliche Hürde für eine grundlose Verstoßungsscheidung, vermag in den Golfstaaten aufgrund des hohen Lebensstandards der einheimischen Bevölkerung nicht im selben Maße zu greifen wie in anderen islamischen Ländern. Dennoch ist die Einführung einer Entschädigung für die verstoßene Ehefrau eine wichtige Entwicklung in den drei Golfstaaten, da die Aufnahme einer solchen Bestimmung deutlich macht, dass die willkürliche Verstoßung aufgrund ihrer religiösen Legitimation 913 Das über den emiratischen Ehefonds beantragbare zinslose Darlehen für die Eheschließung ist bereits auf die erste Eheschließung beschränkt. Polygyne Eheschließungen werden in den VAE also nicht finanziell unterstützt, hierzu Dresch, in Dresch/Piscatori, Monarchies & nations, 148.
D. Innovative Regelungen
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zwar grundsätzlich erlaubt, aber gesellschaftlich nicht erwünscht ist, und dass sie daher vom Gesetzgeber mit bestimmten Pflichten verbunden wurde. Es obliegt nun der Rechtsprechung, ein Gleichgewicht zwischen rechtmäßigen Ansprüchen der verstoßenen Ehefrau und finanzieller Belastbarkeit des Ehemannes zu finden. Überdies kann die mutᶜa als Schritt hin zu einem gleichberechtigten Scheidungsrecht für Mann und Frau verstanden werden, indem sie als Kompensationsverpflichtung das Gegenstück zur ḫulᶜ-Abfindung an den gegen seinen Willen geschiedenen Ehemann bildet. In den drei Golfstaaten haben fortan beide Ehepartner die Möglichkeit, die Ehe ohne Angabe von Gründen aufzulösen, sofern sie sich bereit erklären, den schuldlos geschiedenen Ehepartner finanziell zu entschädigen. Ungeachtet der Debatten über die ḫulᶜ-Scheidung im Vorfeld der Kodifikation wird diese Form der Eheauflösung von den Gerichten angenommen und angewandt. Ehen werden regelmäßig auch gegen den Willen des Ehemannes aufgelöst. Die durchschnittliche Höhe der ḫulᶜ-Abfindung ist seit Inkrafttreten der neuen Personalstatutsgesetze gesunken. Die Höhe der gerichtlich festgelegten mutᶜa bleibt indes weiterhin unter den gesetzlichen Höchstgrenzen. Zudem sind die Fälle, in denen eine solche Entschädigung gefordert wird, seltener, da die Entschädigung nach der Verstoßung gesondert geltend gemacht werden muss. Das emiratische Personalstatutsgesetz ermöglicht fortan beiden Ehepartnern, einen Antrag auf Scheidung aufgrund von Schädigung zu stellen. Für den Ehemann eröffnet dies die Möglichkeit, die Ehe nicht durch Verstoßungsscheidung aufzulösen und mithin die finanziellen Konsequenzen dieser zu tragen. Liegt die Schuld am ehelichen Zerwürfnis nachweislich bei der Ehefrau, kann auch sie fortan auf Zahlung einer Abfindung an ihren Ehemann verpflichtet werden.
D. Innovative Regelungen I.
Die emiratische Variante der ḫulᶜ-Scheidung
Die im vorherigen Abschnitt diskutierte Novellierung des Scheidungsrechts lässt bereits wichtige Schritte hin zu einem gleichberechtigten Zugang zur Eheauflösung in allen drei Golfstaaten erkennen. Im Scheidungsrecht der VAE ist zudem eine Neuerung auszumachen, die über die Rezeption bestehender Regelungen aus anderen islamischen Ländern hinausgeht, und die sich für Bahrain und Katar als geeignetes Vorbild erweisen könnte. Diese innovative emiratische Regelung findet ihren Ausdruck in dem Begriff der „angemessenen Abfindung“ (badal munāsib), die die
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
scheidungswillige Ehefrau ihrem Ehemann im Rahmen der ḫulᶜ-Scheidung schuldet, und die vom Gesetzgeber nicht näher konkretisiert wurde. 1. Der Begriff der „angemessenen Abfindung“ Grundsätzlich folgt die ḫulᶜ-Scheidung in allen drei Golfstaaten dem ägyptischen Vorbild. Der Unterschied der emiratischen ḫulᶜ-Scheidung gegenüber der bahrainischen und der katarischen Variante liegt jedoch in dem Begriff der „angemessenen Abfindung“, die von den Gerichten fortan festzusetzen ist, wenn die Ehefrau die Scheidung gegen den Willen ihres Ehemannes beantragt. Dabei nimmt das emiratische Personalstatutsgesetz weder Bezug auf die Brautgabe (so in Bahrain) oder die islamrechtlichen finanziellen Ansprüche der Ehefrau (so in Katar). Die „angemessene Abfindung“ verbleibt mithin als unbestimmter Rechtsbegriff, der von den emiratischen Gerichten auszulegen ist. Mit Blick auf die ägyptischen Erfahrungen mit der ḫulᶜ-Scheidung seit ihrer Einführung im Jahre 2000 erscheint die emiratische Variante zielführender. Erste Studien über die gerichtliche Anwendung der ḫulᶜ-Scheidung in Ägypten zeigen, dass oftmals Konflikte zwischen den Parteien über die Höhe der bei Eheschließung bestimmten und der tatsächlich gezahlten Brautgabe bestehen.914 Solche Konflikte erfordern sodann zusätzliche Beweisführung im Rahmen des ḫulᶜ-Verfahrens und verzögern mithin den Gerichtsprozess. Gerade in den VAE wäre eine vergleichbare Problematik denkbar, da durch die gesetzliche Begrenzung von 1997 die Höhe der registrierten und der tatsächlichen Brautgabe durchaus auseinanderfallen kann. Durch die theoretische Abkopplung der Abfindung von der Brautgabe in einem gerichtlichen ḫulᶜ-Scheidungsverfahren, werden derartige Vorfragen aus dem Verfahren ausgeklammert. 2. Die gerichtliche Beurteilung der angemessenen Abfindung Bei der Bestimmung der Abfindung haben die Familiengerichte in den VAE einen größeren Ermessensspielraum als ihre bahrainischen und katarischen Kollegen. Während Urteile aus der Zeit vor Kodifikation des Personalstatuts noch eine durchschnittliche ḫulᶜ-Abfindung oberhalb der Brautgabe festlegten,915 hat sich die Rechtslage seit 2005 verändert. Eine Auswertung der emiratischen Rechtsprechung zeigt, dass die Ehefrau im Zuge einer gerichtlich angeordneten ḫulᶜ-Scheidung in der Regel nicht auf Zahlung einer Abfindung verpflichtet wurde, die oberhalb ihrer gesamten Brautgabe lag. Sonneveld, Anthropology of the Middle East 5.2(2010), 102, 105; Welchman, in Bainham, International survey, 2004 ed., 138. 915 Hierzu ausführlich Kapitel 4 C.II.1.d)aa). 914
D. Innovative Regelungen
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Höchstrichterliche Entscheidungen aus Dubai belegen, dass sich die Gerichte bei der Berechnung der Abfindung genau an der Summe der bereits gezahlten sowie der gestundeten Brautgabe orientieren. Im Dezember 2007 konkretisierte das Kassationsgericht Dubai erstmalig den Begriff der „angemessenen Abfindung“. Diese beinhalte – so das Gericht damals – die Rückzahlung der bereits geleisteten Brautgabe sowie den Verzicht auf die gestundete Brautgabe und den nachehelichen Unterhalt während der Wartezeit.916 Etwa ein Jahr später, im Januar 2009, führte das Kassationsgericht Dubai aus, dass die ḫulᶜ-Abfindung nicht kleiner und nicht größer als die Brautgabe sein dürfe.917 Zwei Urteile des Kassationsgerichts Abu Dhabi von 2007918 und 2008919 bestimmen lediglich den Verzicht auf die gestundete Brautgabe. Ein Vergleich dieser Summen mit solchen aus der Zeit vor der Kodifikation des Familienrechts verdeutlicht, dass die gerichtlich festgelegten Abfindungen weit unter den einvernehmlich vereinbarten Summen liegen. Während ein emiratisches Familiengericht im Fall einer strittigen ḫulᶜScheidung aus dem Jahre 1999 noch eine Abfindung in Höhe von insgesamt AED 80.500 bestätigte,920 kam das Kassationsgericht Abu Dhabi 2007 zu dem Schluss, dass allein der Verzicht auf die gestundete Brautgabe von AED 30.000 als Abfindung ausreiche.921 Die Auswertung der Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 25.12.2007, Gesch.-Z. 77/2007. 917 Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 20.1.2009, Gesch.Z. 67/2008. 918 Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 28.11.2007, Gesch.-Z. 61/2007; in dem vorliegenden Fall hatte die Ehefrau zunächst eine Scheidung aufgrund von Schädigung geltend gemacht. Die vom Gericht berufenen Schiedsrichter waren von der Schädigung jedoch nicht überzeugt und empfahlen dem Gericht eine ḫulᶜScheidung unter Verzicht auf die gestundete Brautgabe. Der Ehemann legte sodann Berufung ein und machte geltend, dass seine Ehefrau bei einer ḫulᶜ-Scheidung nicht nur auf die gestundete Brautgabe zu verzichten habe, sondern zudem die bereits geleistete Brautgabe und sämtliche während der Ehe geleisteten Geschenke an ihn zurückzuzahlen sowie das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn abzutreten habe. Das Kassationsgericht wies die Klage des Ehemannes zurück. 919 Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 31.3.2008, Gesch.-Z. 69/2008; in dem vorliegenden Fall verpflichtete das Familiengericht erster Instanz die Ehefrau zusätzlich zum Verzicht auf ihre gestundete Brautgabe auf eine einmalige Abfindung von AED 10.000 (Urteil v. 25.11.2007, Gesch.-Z. 637/2007). Das Berufungsgericht hingegen sah den Verzicht auf die Brautgabe als ausreichende Abfindung an (Urteil v. 30.1.2008, Gesch.-Z. 414/2007). Das Kassationsgericht bestätigte dieses Urteil. 920 Oberster Gerichtshof VAE (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 29.5.1999, Gesch.-Z. 144/20. 921 Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 28.11.2007, Gesch.-Z. 61/2007. 916
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Rechtsprechung zeigt auf, dass die Obergrenze der Brautgabe auch bei der gerichtlichen Festlegung der ḫulᶜ-Abfindung eingehalten wird. Es liegt folglich nicht im Interesse der Gerichte, die Frau für ihren einseitigen Scheidungswunsch über Gebühr finanziell zu belasten. Ein grundsätzliches „Anrecht“ der Ehefrau auf Eheauflösung wird von den emiratischen Familiengerichten anerkannt. Sollte sich dieses Verständnis vom Recht der Frau auf einseitige Eheauflösung etablieren, so könnte der unbestimmte und von den Gerichten auszulegende Begriff der Angemessenheit sogar eine Reduktion der ḫulᶜ-Abfindung auf eine symbolische Zahlung bedeuten. II. Kindschaftsrecht Das Kindschaftsrecht weist in drei Bereichen Innovationen auf: Erstens werden die Rechte von Vätern bei der Vergabe der Personensorge nach einer Scheidung gestärkt. Derartige Regelungen verdeutlichen den Zuschnitt der neuen Gesetzbücher auf die Kernfamilie bestehend aus Eltern und Kindern. Zweitens nimmt das Kindeswohl eine zentrale Stellung in den drei neuen Gesetzbüchern ein. Die Berücksichtigung des Kindeswohls ermöglicht vor allem in Katar und den VAE eine Einzelfallentscheidung, die nicht objektiv an islamisch geprägte Sorgerechtsregelungen anknüpft, sondern den individuellen Bedürfnissen des Kindes Rechnung trägt. Drittens ist eine Neuerung zu beobachten, die die mütterlichen Rechte, wie sie das klassische islamische Recht kennt, fortan einschränkt: Die nichtmuslimische Mutter eines muslimischen Kindes hat seit der Kodifikation des Familienrechts in den drei arabischen Golfstaaten kein oder zumindest ein eingeschränktes Sorgerecht. 1. Stärkung der väterlichen Rechte Die Gesetzgeber Katars und der VAE haben im Zuge der Kodifikation die Rechtsposition des Vaters hinsichtlich der Personensorge gestärkt und messen der Kernfamilie einen größeren Stellenwert bei. Ist die Mutter verstorben, abwesend oder erfüllt sie die Voraussetzungen für die Ausübung der Personensorge nicht, fällt die Personensorge in Katar und den VAE fortan dem Vater zu; die mütterliche und väterliche Großmutter sind ihm an dritter bzw. vierter Stelle nachgeordnet.922 Gleichzeitig erscheint der Wortlaut des emiratischen Gesetzbuches nicht eindeutig. So führt der Artikel aus, dass die Personensorge zunächst der Mutter und ihr nachgeordnet weiblichen Verwandten obliegt, die in einem eheausschließenden Verhältnis zu dem Kind stehen (Sing. maḥram). Dabei sei Verwandten des Kindes mütterlicherseits gegenüber gleichrangigen Verwandten väterlicherseits 922
Art. 169 FamGB Katar; Art. 146 PersStG VAE.
D. Innovative Regelungen
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der Vorrang einzuräumen, „mit Ausnahme des Vaters“.923 Das Gesetz wiederholt somit zunächst die klassischen malikitischen Bestimmungen über die Reihenfolge der Personensorge, um sie dann einzuschränken, indem dem Vater eine Vorrangstellung eingeräumt wird. Das katarische Familiengesetzbuch, das lediglich eine Liste mit den zur Ausübung der Personensorge berechtigten Personen enthält, ist in diesem Punkt eindeutiger. Aber auch das gestärkte väterliche Anrecht auf die Personensorge findet – so zumindest in der emiratischen Rechtsprechung – seine Grenzen im Kindeswohl. So wandte das Kassationsgericht Dubai im Jahre 2006 den väterlichen Anspruch auf die Personensorge bei Abwesenheit der Mutter nicht in abstracto an, sondern führte aus, dass das Gericht im Interesse des Kindes auch eine Vergabe der Personensorge nach den bisherigen Regelungen des klassischen islamischen Familienrechts beschließen könne, indem es bei Abwesenheit der Mutter nicht dem Vater, sondern der Großmutter mütterlicherseits die Personensorge übertrage.924 2. Primat des Kindeswohls Zentrales Chrakteristikum des kodifizierten Sorgerechts ist das Kindeswohl, dessen Aufnahme in die neuen Familiengesetzbücher auch den Einfluss der UN-Kinderrechtskonvention auf den Kodifikationsprozess verdeutlicht.925 So werden nahezu alle Regelungen betreffend der Personensorge – ungeachtet ihrer zunächst klassisch-islamrechtlichen Prägung – fortan vom Grundsatz des Kindeswohls (maṣlaḥat al-maḥḍūn)926 durchzogen. Die Berücksichtigung des Kindeswohls ermöglicht in Katar und den VAE neben einer Verlängerung der mütterlichen Personensorge auch das Fortbestehen dieser bei erneuter Eheschließung oder bei unterschiedlicher Religionszugehörigkeit von Mutter und Kind.927 In Bahrain und den VAE verbleibt das Kindeswohl jedoch als unbestimmter Rechtsbegriff. Katar nennt als einziger Staat Kriterien für die gerichtliche Beurteilung des Kindeswohls.928 Dieses umfasse insbesondere die Zuneigung für das Kind und die Sicherstellung eines behüteten Aufwachsens in einem sicheren Umfeld. Zudem seien von den Gerichten auch finanzielle Faktoren, wie das Aufkommen für medizinische Versorgung und eine geeignete Ausbildung, obgleich diese Kosten grundsätzlich dem Vormund obliegen, sowie „weitere Eigen923 Art. 146 Abs. 1 PersStG VAE: „bi-stiṯnāᵓ al-ab“; vgl. Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 3.10.2006, Gesch.-Z. 28/2006. 924 Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 3.10.2006, Gesch.Z. 28/2006. 925 Hierzu ausführlich Kapitel 3 B.II.3.b). 926 Wörtlich: „Das Wohl des Kindes, für das die Personensorge ausgeübt wird“. 927 Vgl. zum Folgenden Möller, Hawwa 11.1(2013), 41–57. 928 Art. 170 FamGB Katar.
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schaften, die für das Kind von Nutzen sind“929 zu berücksichtigen. In Bahrain und den VAE fällt es demgegenüber der Rechtsprechung zu, den Begriff des Kindeswohls näher zu definieren; beide Gesetzbücher nennen keine konkreten Kriterien, auf Basis derer das Kindeswohl zu bestimmen ist. a) Starre Altersgrenzen oder flexible Einzelfallentscheidung? aa) Die gesetzlichen Regelungen In seiner klassisch-islamrechtlichen Ausprägung ist das Kindschaftsrecht durch starre Alters- und Geschlechtergrenzen gekennzeichnet, die den Übergang des Kindes von der weiblichen (mütterlichen) in die männliche (väterliche) Personensorge markieren. Indem sich bereits die islamischen Rechtsschulen bei der Beurteilung der Altersgrenzen, mit denen die weibliche Personensorge endet, deutlich voneinander unterscheiden, sind dem Gesetzgeber bei der Kodifikation des Kindschaftsrechts zahlreiche Auswahlmöglichkeiten an die Hand gegeben. So fordert beispielsweise das hanbalitische Recht die Beendigung der weiblichen Personensorge mit Vollendung des siebten Lebensjahres des Kindes, unabhängig davon, ob es sich um Sohn oder Tochter handelt. Gleichzeitig wird dem Kind mit Vollendung des siebten Lebensjahres freigestellt, selbst zu entscheiden, bei welchem Elternteil es fortan leben will.930 Das malikitische Recht räumt dem Kind keine Wahlmöglichkeit ein. Mit Erreichen der Pubertät endet die weibliche Personensorge für einen Jungen, mit Eheschließung931 die für ein Mädchen. Auch in den drei neuen Gesetzbüchern der arabischen Golfstaaten ist die Berechtigung zur Personensorge nach Eheauflösung zunächst abhängig von Alter und Geschlecht des Kindes. In Bahrain obliegt die Personensorge der Mutter für Söhne bis zu deren 15. Lebensjahr und für Töchter bis zu deren Eheschließung. Mit Vollendung des 15. bzw. 17. Lebensjahres können Jungen und Mädchen wählen, bei welchem Elternteil sie leben wollen.932 In den VAE und in Katar sind die Altersgrenzen für die Ausübung der Personensorge durch die Mutter niedriger. In VAE stehen Söhne bis zur Vollendung des 11. Lebensjahres und Töchter bis zur Vollendung des 13. Lebensjahres unter mütterlicher Personensorge.933 Die im ersten Entwurf des neuen Personalstatutsgesetzes der VAE enthaltenen Altersgrenzen von acht und elf Jahren wurden auf Druck der GWU und einiger
929 930 931 932 933
Art. 170 Nr. 3 FamGB Katar. Abū Rahīya/Ğabūrī, Fiqh az-zawāğ wa-ṭ-ṭalāq, 271; Bakhtiar, Encyclopedia, 472. Genauer: Vollzug der Ehe (ad-duḫūl). Art. 128 f. FamGB Bahrain. Art. 156 Abs. 1 PersStG VAE.
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am Kodifikationsprozess beteiligter Familienrechtsexperten erhöht.934 In Katar liegen die Altersgrenzen bei der Vollendung des 13. Lebensjahres für den Sohn und des 15. Lebensjahres für die Tochter, wobei Katar, wie auch Bahrain, dem Kind nach Erreichen der Altersgrenzen ein Mitspracherecht bei der Wahl des Sorgeberechtigten einräumt.935 Eine Verlängerung der mütterlichen Personensorge kann in Katar und den VAE jedoch gerichtlich angeordnet werden, wenn das Kindeswohl dies gebietet (li-maṣlaḥat al-maḥḍūn). So können katarische Gerichte die Personensorge der Mutter für Jungen auf 15 Jahre und für Mädchen auf die Eheschließung936 verlängern.937 In den VAE kann die Personensorge der Mutter im Interesse des Kindes auf Erreichen der Pubertät ihres Sohnes und die Eheschließung ihrer Tochter gerichtlich ausgedehnt werden.938 Das Erklärende Memorandum der VAE führt zu den Altersgrenzen für die weibliche Personensorge aus, dass der Gesetzgeber sich nicht für die Regelungen einer Rechtsschule entscheiden wollte, die entweder der Liebe von Müttern oder der Liebe von Vätern939 entsprächen, sondern solche Regelungen getroffen habe, die für das gesellschaftliche Aufwachsen und die Erziehung von Jungen und Mädchen am geeignetsten seien.940 Die Erläuterungen betonen außerdem, dass es nicht gerecht sei anzunehmen, dass der Vater stets streng und grausam und die Mutter fürsorglich und gütig sei. Insofern begründet der emiratische Gesetzgeber auch im Erklärenden Memorandum die konkret gewählten Altersgrenzen nicht, spricht sich aber für eine Regelung aus, die im Interesse des Kindes dem Einzelfall Rechnung trägt. bb) Rechtspraxis in Katar (1) Kassationsgericht v. 6.6.2006 Auch vor Kodifikation des muslimischen Personalstatuts wurde das Kindeswohl von den katarischen Gerichten bereits als zentrales Kriterium der Personensorge beachtet. So betonte das katarische Kassationsgericht in einem Urteil von Juni 2006 – kurz vor Inkrafttreten des neuen FamilienSo die Vorstandsassistentin für Ausschüsse und Aktivitäten der GWU im persönlichen Gespräch, Abu Dhabi, VAE, 30.1.2012, sowie ein emiratischer Familienrechtsanwalt im persönlichen Gespräch, Dubai, VAE, 19.2.2012. 935 Art. 173 FamGB Katar. 936 Auch hier: Vollzug der Ehe (ad-duḫūl). 937 Art. 173 FamGB Katar. 938 Art. 156 Abs. 1 PersStG VAE; eine automatische Verlängerung der mütterlichen Personensorge ist grundsätzlich im Falle eines kranken, behinderten oder besonders pflegebedürftigen Kindes geboten, sofern die Interessen des Kindes dem nicht widersprechen, Art. 156 Abs. 2 PersStG VAE. 939 „Hawan al-ummahāt aw hawan al-ābāᵓ“. 940 Erläuterungen zu Art. 156 im Erklärenden Memorandum zum PersStG VAE. 934
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gesetzbuches – ebenfalls, dass bei der Bewertung der Personensorge stets auch das Kindeswohl berücksichtigt werden müsse.941 In dem vorliegenden Fall machte ein katarischer Vater schiitischen Glaubens geltend, dass die Personensorge für seinen Sohn auf ihn zu übertragen sei, da das Kind das 7. Lebensjahr bereits vollendet habe. Dieses Alter markiere nach schiitischer Lehre den Übergang von der mütterlichen in die väterliche Personensorge. Das Kassationsgericht entgegnete indes, dass bei der Beurteilung der Personensorge nicht auf das Alter des Kindes allein, sondern auch auf dessen individuelle Bedürfnisse abzustellen sei. Unabhängig vom Alter des Kindes und der anwendbaren Rechtsschule, müsse bei der Vergabe der Personensorge vom Gericht stets das Kindeswohl berücksichtigt werden. Die Übertragung der Personensorge auf den Vater wurde abgelehnt. In der Urteilsbegründung ist ein ständiger Rückbezug auf das Kindeswohl zu beobachten; dieses wird allerdings mit den divergierenden Altersgrenzen der islamischen Rechtsschulen verknüpft. So führte das Gericht aus, dass zwischen den einzelnen islamischen Rechtsschulen Uneinigkeit über die Dauer der weiblichen Personensorge bestehe und dem Gericht daher unterschiedliche Altersgrenzen zur Auswahl bereitstünden, aus denen im konkreten Fall und unter Berücksichtigung der Interessen des Kindes die geeignetste auszuwählen sei. Vor der Kodifikation des Personalstatuts interpretierte das katarische Kassationsgericht den Begriff des Kindeswohls insofern innerhalb des Referenzrahmens des klassischen islamischen Rechts. Der Blick auf ein neueres Urteil des katarischen Kassationsgerichts soll im Folgenden aufzeigen, ob diese Auslegung durch die gesetzliche Verankerung der Kriterien zur Beurteilung des Kindeswohls einen Wandel erfahren hat. (2) Kassationsgericht v. 27.3.2007 In einem weiteren Sorgerechtsstreit beantragte ein geschiedener Vater im März 2007 erneut unter Berufung auf das Alter seines Sohnes die Übertragung der Personensorge.942 Er machte vor allem geltend, dass der Junge mit dreizehn Jahren inzwischen die Pubertät erreicht habe und ihm als Vater daher die Personensorge zustehe. Zudem biete seine geschiedene Ehefrau der gemeinsamen Tochter kein angemessenes Umfeld und schade beiden Kindern durch ihre Abwesenheit aufgrund häufiger Reisen. Der Vater forderte daher eine erneute Bewertung der Personensorge. Das Kassationsgericht wies die Klage ab. Es führte aus, dass der Sohn nicht nur unter Berücksichtigung seines – laut Gericht – jungen Alters auch weiterhin der 941 Kassationsgericht Katar (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 6.6.2006, Gesch.Z. 30/2006. 942 Kassationsgericht Katar (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 27.3.2007, Gesch.Z. 8/2007.
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Fürsorge durch seine Mutter bedürfe. Es sei auch im Interesse des Jungen, nicht von seiner Schwester getrennt zu werden. Das Kindeswohl beider Kinder sei durch einen Verbleib in der mütterlichen Personensorge gewahrt. Die Reisen der Mutter stellten keinen ausreichenden Grund für den Entzug der Personensorge dar. Die Fähigkeit der Mutter zur Ausübung der Personensorge sei vor allem dadurch gewährleistet, dass sie keine erneute Ehe geschlossen habe. Das Gericht führte zudem aus, dass das katarische Familienrecht den Gerichten gerade im Interesse einer solchen Einzelfallentscheidung einen Ermessensspielraum für die Verlängerung der weiblichen Personensorge unter Berücksichtigung des Kindeswohls einräume. (3) Bewertung Während das katarische Kassationsgericht den Begriff des Kindeswohls vor Inkrafttreten des neuen Familiengesetzbuches innerhalb des Referenzrahmens des klassischen islamischen Rechts interpretierte, verdeutlicht die Entscheidung aus dem Jahre 2007, dass Gerichte bei der Bewertung der Personensorge inzwischen nicht nur auf das Alter des Kindes abstellen. Stattdessen findet eine Bewertung der Personensorge statt, die auch individuelle Fragen wie das Zusammenleben von Geschwistern berücksichtigt. Eine solche Entwicklung ist zu begrüßen. Problematisch erscheint indes, dass das katarische Kassationsgericht bei der Beurteilung der Eignung der Mutter als Sorgeberechtigte vor allem auf das Nichtvorhandensein einer erneuten Ehe abstellte. Auch von diesem Hinderungsgrund für die weibliche Personensorge könnte im Interesse des Kindes fortan theoretisch abgewichen werden. Das katarische Urteil lässt insofern vermuten, dass eine erneute Eheschließung als grundsätzliche Gefährdung des Kindeswohls erachtet wird und von den Gerichten nicht unter individueller Berücksichtigung der Bedürfnisse des betroffenen Kindes geprüft wird. cc) Rechtspraxis in den Vereinigten Arabischen Emiraten Die emiratische Rechtsprechung lässt mit Blick auf die Verlängerung der weiblichen Personensorge über die gesetzlichen Altersgrenzen hinaus eine Tendenz erkennen, die Personensorge durchaus im Interesse des Kindes zu verlängern, sofern die Personensorge von der Mutter selbst (und nicht von einer anderen weiblichen Angehörigen) ausgeübt wird. In den VAE kann eine solche Verlängerung bis zur Eheschließung von Töchtern und dem Erreichen der Pubertät bei Söhnen gerichtlich angeordnet werden. Inzwischen hat das Kassationsgericht Abu Dhabi auch den unbestimmten Begriff der Pubertät näher definiert und im Jahre 2010 als Vollendung des 18. Lebensjahres ausgelegt. Es bestätigte die Zuständigkeit der Familien-
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gerichte, die weibliche Personensorge für einen Jungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder dem sichtbaren Erreichen der Pubertät zu verlängern.943 Diese Auslegung ist zu begrüßen, da sie den Begriff der Pubertät in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften über die Ehemündigkeit bestimmt. Auch hier wird die Pubertät mit Vollendung des 18. Lebensjahres angenommen.944 Fragen der Dauer der Personensorge und des Sorgeberechtigten können in den VAE auch außergerichtlich im Einvernehmen der Parteien entschieden werden. Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzbuches ist u. a. die dem Gerichtsverfahren vorgelagerte Beratungs- bzw. Versöhnungspflicht durch die Beratungsstellen innerhalb der Familiengerichte eingeführt worden. Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens wird der obligatorische Versöhnungsversuch auch genutzt, die Rechtsfolgen der Scheidung einvernehmlich zu bestimmen. So können scheidungswillige Ehepartner die Regelungen über die Personensorge abändern und beispielsweise eine Verlängerung der mütterlichen Personensorge auch über die gesetzlichen Altersgrenzen hinaus bestimmen. Sollte eine solche Einigung indes nicht zustande kommen, fällt es den Gerichten zu, die Personensorge zu bewerten. b) Verlust der Personensorge: Das Damoklesschwert der erneuten Heirat aa) Die gesetzlichen Regelungen Die neuen Familiengesetzbücher zählen die Voraussetzungen für die Ausübung der Personensorge abschließend auf. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, verliert die sorgeberechtigte Personen grundsätzlich das Anrecht auf Ausübung der Personensorge. Zu den Voraussetzungen, die sich in allen drei Gesetzbüchern wiederfinden, zählen neben der Fähigkeit zur Pflege, Fürsorge und Erziehung des Kindes die Volljährigkeit (bzw. die Pubertät, al-bulūġ), die volle Geisteskraft (al-ᶜaql), die Zuverlässigkeit (al-amāna) sowie das Nichtvorhandensein gefährlicher ansteckender Krankheiten (as-salāma min al-amrāḍ al-muᶜdīya al-ḫaṭīra).945 Das katarische Familiengesetzbuch nennt zusätzlich das Vorhandensein eines Ehehindernisses zwischen der/dem Sorgeberechtigten946 und dem Kind anderen Geschlechts. In den VAE darf der Sorgeberechtigte zudem nicht
943 Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 30.6.2010, Gesch.-Z. 424/2010. 944 Art. 30 Abs. 1 PersStG VAE. 945 Art. 130 FamGB Bahrain; Art. 167 FamGB Katar; Art. 143 PersStG VAE. 946 Sofern im Folgenden von Sorgeberechtigtem/Sorgeberechtigter die Rede ist, ist stets der Inhaber/die Inhaberin der Personensorge (ḥiḍāna) gemeint.
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aufgrund eines sogenannten „Verbrechens gegen die Ehre“947 verurteilt worden sein.948 Bahrain nennt die islamische Religionszugehörigkeit explizit als weitere Voraussetzung für die Ausübung der Personensorge.949 All diese Voraussetzungen gelten für männliche und weibliche Sorgeberechtigte gleichermaßen. Wie auch bei den ehelichen Rechten und Pflichten formulieren die drei Gesetzbücher gleichzeitig auch nach Geschlecht des Sorgeberechtigten differenzierte Voraussetzungen.950 So muss der männliche Sorgeberechtigte stets eine weibliche Person an seiner Seite haben, die ihn in der Ausübung der Personensorge unterstützt. Diese Person kann auch die (neue) Ehefrau des Sorgeberechtigten sein. Der sorgeberechtigten Mutter (genauer: jeder zur Personensorge berechtigten Frau) ist es hingegen untersagt, einen Mann zu heiraten, der mit dem Kind, für das sie die Personensorge ausübt, nicht in einem eheausschließenden Verhältnis steht.951 Interessanterweise gilt diese Voraussetzung auch dann, wenn es sich bei dem Kind um einen Jungen handelt. Diese Rechtslage stellt Frauen in Bahrain, Katar und den VAE vor die schwerwiegende Entscheidung, entweder eine neue Partnerschaft eingehen oder aber die Personensorge für ihre Kinder weiterhin ausüben zu können. Dies gilt umso mehr, als außereheliche Beziehungen in den drei Golfstaaten strafrechtliche Folgen nach sich ziehen können. Für zahlreiche Frauen liegt die Lösung in der Geheimhaltung der neuen Ehe. Um die Personensorge für ihre Kinder nicht zu verlieren, gehen gerade geschiedene Mütter nichtregistrierte misyār-Ehen ein.952 Ihren Ursprung findet die gesetzliche Regelung über den Verlust der Personensorge bei Eheschließung mit einem familienfremden Mann im klassischen islamischen Kindschaftsrecht; in allen islamischen Rechtsschulen und Konfessionen besteht Einvernehmen darüber, dass der erneut verheirateten Mutter die Personensorge zu entziehen ist.953 Die Gesetzgeber Katars und der VAE haben jedoch auch dieses absolute Verbot abgeschwächt, indem sie fortan den Gerichten einräumen, im Interesse des Kindes ein Fortbestehen der Personensorge trotz einer erneuten Eheschließung zu bestimmen. Diese Regelung entspricht dem marok947 „Ğarāᵓim wāqiᶜa ᶜalā l-ᶜirḍ“ gemäß Art. 354–370 des Strafgesetzbuches [Qānūn al-ᶜuqūbāt] v. 8.12.1978/17.4.1408, GBl. Nr. 182 v. 20.12.1987/28.4.1408, 9–217; zu den sog. Ehrverbrechen zählen u. a. Ehebruch und Homosexualität von Männern. 948 Ausführlich zu den Voraussetzungen für die Ausübung der Personensorge in den VAE siehe Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 14.4.2009, Gesch.-Z. 5/2009. 949 Art. 130 lit. a FamGB Bahrain. 950 Art 131 FamGB Bahrain; Art. 168 FamGB Katar; Art. 144 PersStG VAE. 951 Siehe Ausführungen zu Ehehindernissen in Kapitel 4 B.I.4. 952 Vgl. Ausführungen in Kapitel 4 C.I.2.b)bb). 953 Abū Raḫīya/Ğabūrī, Fiqh az-zawāğ wa-ṭ-ṭalāq, 267; Nasir, Personal status, 163.
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kanischen Vorbild. Dort kann die Mutter auch dann die Personensorge ausüben, wenn sie erneut heiratet. Voraussetzung ist jedoch, dass das Kind das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und eine Fortführung der weiblichen Personensorge dem Kindeswohl dient.954 Bahrain folgt diesem Vorbild indes nicht; hier besteht die Möglichkeit für die Fortführung der weiblichen Personensorge nach einer erneuten Eheschließung nicht. Zwei Urteile aus den VAE sollen im Folgenden exemplarisch aufzeigen, inwieweit Gerichte gewillt sind, auch dann das Kindeswohl zu berücksichtigen, wenn dies mit einem deutlichen Abweichen von islamischen Bewertungskategorien über die Voraussetzungen für die Personensorge einhergeht. bb) Rechtspraxis in den Vereinigte Arabischen Emiraten (1) Oberster Bundesgerichtshof v. 18.6.2006 Im Juni 2006955 entschied der Oberste Bundesgerichtshof der VAE auf eine Fortsetzung der mütterlichen Personensorge im Interesse der fünf Kinder, obgleich die Kindesmutter zuvor aufgrund eines sogenannten „Ehrverbrechens“ verurteilt worden war.956 In dem vorliegenden Fall beantragte der Kindesvater den Entzug der mütterlichen Personensorge und die Übertragung dieser auf ihn. Der Vater gab an, die Voraussetzungen an den männlichen Sorgeberechtigten zu erfüllen, da u. a. seine Mutter mit ihm zusammenlebte, um sich zusätzlich um ihre Enkel kümmern zu können. Einige der Kinder waren geistig und körperlich behindert. Der Vater hatte die Kinder ohne gerichtlichen Beschluss zunächst zu sich geholt. Die Mutter der Kinder beantragte nun die gerichtliche Durchsetzung ihrer Personensorge. Bereits das erstinstanzliche Familiengericht hatte, um die Eignung der Mutter zu überprüfen, Mitarbeiter einer Einrichtung, die die Kinder betreute, befragt. Die Mitarbeiter waren allesamt von der Fürsorge und Eignung der Mutter überzeugt. Das Oberste Bundesgericht bestätigte daher das Urteil des erstinstanzlichen Familiengerichts.957 Es führte aus, dass das Kindeswohl nach der malikitischen Rechtsschule Vorrang vor dem Entzug der Personensorge oder ihrer Übertragung von einem Sorgeberechtigen auf einen anderen habe. Zudem falle auch die Beurteilung des Kindeswohls in die Zuständigkeit des Familiengerichts. Sei ein Verbleib in 954 Art. 175 Mudawwana 2004, siehe hierzu auch Zoglin, Human Rights Quarterly 31.4(2009), 974. 955 Oberster Bundesgerichtshof VAE (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 18.6.2006, Gesch.-Z. 241/27. 956 In dem vorliegenden Fall weist das Urteil des Bundesgerichtshofes darauf hin, dass das Strafgericht im Emirat Fudschaira die Mutter zuvor verurteilt habe, nachdem ihr damaliger Ehemann sie mit einem nichtverwandten Mann und ohne angemessene Bekleidung im gemeinsamen Haus überrascht habe. 957 Familiengericht Fudschaira (erste Instanz), Urteil v. 8.2.2005, Gesch.-Z. 61/2004.
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der mütterlichen Personensorge im Interesse des Kindes, so begründe auch die Verurteilung aufgrund eines sogenannten „Ehrverbrechens“ keinen automatischen Entzug der mütterlichen Personensorge. (2) Kassationsgericht Abu Dhabi v. 21.4.2010 In einem weiteren Fall aus dem Jahre 2010 ging es um eine Neubewertung der Personensorge nach erneuter Eheschließung der sorgeberechtigten Mutter. Grundsätzlich kann die mit einem familienfremden Ehemann verheiratete Mutter in den VAE die Personensorge ausüben, sofern die erneute Eheschließung nicht das Kindeswohl gefährdet. Fraglich ist indes, inwieweit Gerichte aufgrund der diesbezüglich strengen Haltung des klassischen islamischen Rechts auch von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch machen. Im vorliegenden Fall hatte der Kindesvater die vorzeitige Beendigung der weiblichen Personensorge für den gemeinsamen Sohn aufgrund einer erneuten Eheschließung der Mutter beantragt. Er gab an, dass auch er erneut geheiratet habe und damit die Voraussetzungen für die Ausübung der Personensorge erfülle, indem er eine weibliche Person an seiner Seite habe, die für seinen Sohn sorgen könne. Obgleich der Vater somit die gesetzlichen Anforderungen an einen männlichen Sorgeberechtigten erfüllte und die Fortsetzung der mütterlichen Personensorge durch die erneute Eheschließung grundsätzlich ausgeschlossen ist, kam das Kassationsgericht – wie auch das Gericht in erster Instanz und das Berufungsgericht Abu Dhabi958 – zu der Schlussfolgerung, dass das Kindeswohl einen Verbleib bei der Mutter erfordere. Zu seiner Bewertung des Kindeswohls führte es Folgendes aus: „Eine Eheschließung der sorgeberechtigten Mutter mit einem familienfremden Mann ist kein Grund für den Entzug der Personensorge für ihren Sohn, solange die Ehe dem Kind nicht schadet und das Kindeswohl einen Verbleib bei der Mutter erfordert. Obgleich Art. 144 PersStG VAE bestimmt, dass die weibliche Sorgeberechtigte keine erneute Ehe mit einem familienfremden Mann eingehen darf, kann das Gericht im Interesse und zum Wohle des Kindes einen Verbleib in der Obhut seiner Mutter bestimmen. Es muss jedoch ersichtlich sein, dass dieser Verbleib und die erneute Eheschließung dem Kind nicht schaden.“959
Das Kassationsgericht legte somit Art. 144 PersStG nicht in abstracto aus und beurteilte die erneute Eheschließung der Mutter nicht per se als Schädigung des Kindes. Solange im konkreten Fall sowohl die Mutter als auch ihr neuer Ehemann das Kind fürsorglich behandelten und ein Verbleib bei Familiengericht Abu Dhabi (erste Instanz), Urteil v. 31.12.2009, Gesch.-Z. 1298/ 2009; Berufungsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 10.2.2010, Gesch.-Z. 15/2010. 959 Kassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 21.4.2010, Gesch.-Z. 193/2010. 958
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ihnen somit im Interesse des Kindes liege, sah das Gericht keinen Anlass, die Personensorge auf den Kindesvater zu übertragen. Auch wenn das Kassationsgericht damit lediglich den neuen gesetzlichen Möglichkeiten Rechnung trug, ist ein derartiges Urteil fünf Jahre nach erstmaliger Kodifikation des Familienrechts bedeutsam. Der Verlust der Personensorge bei erneuter Eheschließung der Mutter ist ein Kernpunkt des klassischen islamischen Kindschaftsrechts: Nicht nur war er bis vor einigen Jahren Grundlage der Rechtsprechung in den VAE, er enthält zudem auch eine moralische Wertung. Die Entscheidung des emiratischen Kassationsgerichts, seinen Ermessensspielraum im Interesse des Kindes zu nutzen und somit mit den Bestimmungen des klassischen islamischen Familienrechts zu brechen, ist eine bemerkenswerte Entwicklung. Es muss indes auch darauf hingewiesen werden, dass es sich im vorliegenden Fall um einen gemeinsamen Sohn handelte. Ob die emiratischen Gerichte ebenso die mütterliche Personensorge für eine Tochter bestätigen würden, obgleich diese daraufhin mit einem familienfremden Mann zusammenleben würde, muss zumindest in Frage gestellt werden. Zumindest das Kassationsgericht Dubai entschied im Jahre 1997 bereits, dass die schriftliche Erklärung eines Vaters, auch bei erneuter Eheschließung der Kindesmutter auf das Sorgerecht zu verzichten, nicht gegen den emiratischen ordre public verstoße.960 (3) Bewertung Eine Auswertung der emiratischen Urteile verdeutlicht, dass die Gerichte der VAE bei der Bewertung des Kindeswohls ähnliche Faktoren berücksichtigen, wie der katarische Gesetzgeber sie im neuen Familiengesetzbuch explizit formuliert hat. Im Zentrum der Bewertung des Kindeswohls stehen insbesondere zwei Fragen: zum einen die emotionale Bindung der Sorgeberechtigten zum Kind und zum anderen die Frage, welches Verhalten und welche Umstände für das Kind einen Schaden darstellen. Emiratische Gerichte nutzen den Ermessensspielraum, den das neue Personalstatutsgesetz ihnen zuweist und nehmen dabei offenkundig auch ein Abrücken vom klassischen islamischen Kindschaftsrecht in Kauf, wenn sie beispielsweise den Anspruch auf Personensorge für die erneut verheiratete Mutter bestätigen. Eine solche am Einzelfall und an den konkreten Bedürfnissen des Kindes orientierte Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen ist zu begrüßen und eröffnet den Gerichten Spielraum, die Auslegung des Kindeswohls kontinuierlich anzupassen.
960 Kassationsgericht Dubai (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 1.7.1997, Gesch.Z. 8/1997, abgedruckt in Price/Al Tamimi, Judgments, 333 f.
D. Innovative Regelungen
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c) Mitbestimmungsrecht des Kindes Während Kinder in Bahrain und Katar nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenzen eigenständig entscheiden können, bei welchem Elternteil sie fortan leben wollen, räumt das emiratische Familiengesetzbuch Kindern kein diesbezügliches Mitbestimmungsrecht ein. Dies bestätigte im Jahre 2007 auch das Kassationsgericht Abu Dhabi. Das Gericht führte in seinem Urteil aus, dass die Altersgrenzen für die weibliche Personensorge nicht so ausgelegt werden könnten, dass sie bei Erreichen ein Wahlrecht des Kindes über den Sorgeberechtigten begründen. Es falle ausschließlich in das Ermessen des Gerichts, den geeigneten Sorgeberechtigten und gegebenenfalls eine Fortsetzung der weiblichen Personensorge zu bestimmen.961 Die Ausführungen des Gerichts entsprechen denen des Erklärenden Memorandums zum emiratischen Personalstatutsgesetz. Dieses erklärt ebenfalls, dass es nicht sinnvoll sei, einem Kind in so jungem Alter ein Wahlrecht hinsichtlich des Sorgeberechtigten einzuräumen, da es nicht alle Konsequenzen seiner Entscheidung abschätzen könne.962 Das katarische Kassationsgericht bestätigte demgegenüber das Wahlrecht des Kindes in einem Urteil aus dem Jahre 2007, verlangte jedoch zusätzlich zur Entscheidung des Kindes eine gerichtliche Eignungsprüfung derjenigen Person, in deren Personensorge das Kind verbleiben will.963 3. Religionsunterschiede: Innovativer Konservatismus Alle drei Gesetzbücher diskriminieren Nichtmuslime hinsichtlich der Personensorge für Kinder aus interreligiösen Ehen. Bahrain ist das auffälligste Beispiel. Dort ist die muslimische Religionszugehörigkeit Voraussetzung für die Ausübung der Personensorge.964 Dies schließt die Personensorge der christlichen oder jüdischen Mutter nach einer Scheidung vollständig aus. Auch in den VAE hat die Mutter, deren Religionszugehörigkeit nicht mit der des Kindes übereinstimmt, grundsätzlich keinen Anspruch auf die Personensorge. Unter Berücksichtigung des Kindeswohls kann das Gericht jedoch die Personensorge der Mutter bis zur Vollendung des fünften Lebensjahres anordnen.965 Dies gilt gleichwohl nur für die nichtmuslimische Mutter. Andere weibliche Angehörige des Kindes scheiden bei unterschiedlicher Religionszugehörigkeit bereits durch die grundsätzlichen AnfordeKassationsgericht Abu Dhabi (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 19.11.2007, Gesch.-Z. 4/2007. 962 Erläuterungen zu Art. 156 im Erklärenden Memorandum zum PersStG VAE. 963 Kassationsgericht Katar (Kammer für Personalstatut), Urteil v. 27.3.2007, Gesch.Z. 8/2007. 964 Art. 130 lit. a FamGB Bahrain. 965 Art. 145 PersStG VAE. 961
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Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
rungen an die weibliche Sorgeberechtigte aus. Diese erfordern die Zugehörigkeit der Sorgeberechtigten zur Religion des Kindes.966 In Katar kann die nichtmuslimische Mutter die Personensorge höchstens bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres ihrer Kinder ausüben, sofern sie den muslimischen Glauben nicht nachträglich abgelegt hat.967 Alle drei Gesetzbücher formulieren gleichwohl keine Einschränkungen der Personensorge der nichtmuslimischen Mutter oder der faktischen Betreuung des Kindes durch sie, sofern die Ehe mit dem muslimischen Kindesvater fortbesteht. Die Bestimmung der islamischen Religionszugehörigkeit als Voraussetzung für die Berechtigung zur Personensorge infolge einer Eheauflösung ist insofern innovativ, als alle drei Golfstaaten die Regelungen des islamischen Kindschaftsrechts damit einschränken. Diese räumten christlichen und jüdischen Frauen durchaus ein Recht auf die Personensorge ein. Dies ist umso erstaunlicher, als gerade das hanbalitische und das malikitische Recht die Religionszugehörigkeit der Sorgeberechtigten nicht als Kriterium für ihre Qualifikation zur Ausübung der Personensorge betrachten. Alle drei Gesetzgeber scheinen ihre neuen Regelungen an die, in diesem Punkt besonders strenge, schafiitische Rechtsschule angelehnt zu haben, die der nichtmuslimischen Mutter die Personensorge für ihre Kinder grundsätzlich versagt.968 Das Erklärende Memorandum aus den VAE erläutert die Entscheidung des emiratischen Gesetzgebers in Ansätzen. Demnach könne der nichtmuslimischen Mutter eine zeitlich begrenzte Personensorge eingeräumt werden, obgleich sie die Religionszugehörigkeit des Kindes nicht teilt. Unter keinen Umständen sei es jedoch erlaubt, dass das Kind bei der Mutter bleibe, die seine Religionszugehörigkeit nicht teilt, nachdem es das fünfte Lebensjahr vollendet hat, „so dass es mehrere Religionen versteht“969. Grundlage hierfür sei die Annahme, dass das Kind mit der Vollendung des fünften Lebensjahres beginne, von der Religionszugehörigkeit der Sorgeberechtigten beeinflusst zu werden. Wenn daher nachgewiesen werde, dass die Sorgeberechtigte die Personensorge ausnutzen würde, um das Kind in einem anderen Glauben als dem des Vaters oder des Vormundes zu erziehen, habe das Gericht den Antrag auf Personensorge abzuweisen, da das Kind seiner Religion gegenüber „unehrlich“ werden würde.970 Fälle, in denen über den Anspruch einer nichtmuslimischen Mutter auf die Personensorge für ihre muslimischen Kinder entschieden wurde, sind aus allen drei Golfstaaten bislang nicht bekannt. In der Merheit der interre966 967 968 969 970
Art. 144 Abs. 1 lit. b PerstStG VAE. Art. 175 FamGB Katar. Bakhtiar, Encyclopedia, 471; Nasir, Personal status, 164. „Iḏ annahu yaᶜqilu l-adyāna“. Erläuterungen zu Art. 145 im Erklärenden Memorandum zum PersStG VAE.
D. Innovative Regelungen
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ligiösen Ehen in den arabischen Golfstaaten wählen Mütter in der Regel eine (strategische) Konvertierung zum islamischen Glauben, um ihre Position in einem Sorgerechtsstreit zu verbessern.971 4. Bahrain: Einzelfallentscheidung ohne Ermessensspielraum? Lediglich Bahrain zeigte als einziger der drei arabischen Golfstaaten bei der Kodifikation des Kindschaftsrechts weniger Reformwillen. So behält das Familiengesetzbuch bei der Vergabe der Personensorge nach einer Scheidung die Reihenfolge des klassischen islamischen Rechts malikitischer Prägung bei.972 Bei Abwesenheit oder Nichteignung der Mutter obliegt in Bahrain zunächst der mütterlichen und dann der väterlichen Großmutter des Kindes die Personensorge. Dem Vater des Kindes kommt die Personensorge erst an vierter Stelle zu.973 Zudem räumt das bahrainische Personalstatutsgesetz den Gerichten in Angelegenheiten des Kindschaftsrechts einen geringeren Ermessensspielraum ein. So kann das Kindeswohl weder die Personensorge einer nichtmuslimischen noch die einer erneut verheirateten Mutter begründen. Auch bei der Verlängerung der Personensorge über die gesetzlichen Altersgrenzen hinaus wird zwar dem Kind ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt, eine gerichtliche Prüfung der so gefallenen Entscheidung an den Maßstäben des Kindeswohls ist indes nicht vorgesehen. Der geringe Ermessensspielraum im Kindschaftsrecht wird von Rechtsanwendern und Frauenrechtsorganisationen vor allem kritisiert, weil die gesetzliche Verankerung des Kindeswohls ein zentrales Anliegen im Kodifikationsprozess war. Interessanterweise legen bahrainische Rechtsanwender den Stellenwert des Kindeswohls im neuen Gesetzbuch unterschiedlich aus. Im persönlichen Gespräch mit der Verfasserin gab ein Familienrichter beispielsweise an, dass er das abstrakte Votum des Art. 134 FamGB Bahrain zugunsten des Kindeswohls auch dann in die Bewertung der Personensorge einfließen ließe, wenn ihm das Gesetz eigentlich keinen Ermessensspielraum einräume.974 III. Zusammenfassung Im Scheidungsrecht und im Kindschaftsrecht haben die Kodifikationen in den drei arabischen Golfstaaten innovative Regelungen hervorgebracht. Im Scheidungsrecht gilt dies jedoch nur für die VAE. Die emiratische Varian971 So auch die Aussage der Vorsitzenden der BWU im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 15.1.2013. 972 Bakhtiar, Encyclopedia, 470; Nasir, Personal status, 160; Ṣuwaynī, Aḥkām alḥiḍāna, 43 ff. 973 Art. 132 FamGB Bahrain. 974 Manama, Bahrain, 16.1.2013.
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te der ḫulᶜ-Scheidung entledigte diese ihrer engen Verknüpfung mit der Brautgabe. Stattdessen obliegt es fortan den Gerichten, eine angemessene Abfindung festzulegen. Eine derartige Formulierung hat zum einen verfahrenstechnische Vorteile: Diskrepanzen zwischen der bei Eheschließung vereinbarten und der tatsächlich gezahlten Brautgabe haben keinen Einfluss auf das Scheidungsverfahren und verlängern dieses mithin nicht. Zum anderen ermöglicht der Ermessensspielraum den Gerichten, die finanzielle Leistung der scheidungswilligen Ehefrau auf ein symbolisches Minimum zu reduzieren oder gänzlich entfallen zu lassen. Gleichzeitig besteht jedoch auch die Gefahr, dass die Gerichte eine Abfindung festsetzen, die die bereits gezahlte Brautgabe deutlich übersteigt, und der Frau somit eine zusätzliche finanzielle Belastung auferlegt wird. Die Rechtspraxis lässt eine solche Gefahr bislang jedoch nicht erkennen. Eine Auswertung der emiratischen Rechtsprechung deutet vielmehr auf einen Rückgang der Abfindungssummen seit Einführung der gerichtlichen ḫulᶜ-Scheidung hin. Zentraler Aspekt des kodifizierten Kindschaftsrechts in den neuen Gesetzbüchern Bahrains, Katars und der VAE ist das Kindeswohl. So stellt dieses die einzige Grundlage dar, auf derer die Gerichte von den gesetzlichen Bestimmungen, z. B. über die Dauer der weiblichen Personensorge, abweichen können. Gleichzeitig bestimmt nur das katarische Gesetzbuch auch die Kriterien zur Beurteilung des Kindeswohls durch die Gerichte. In Bahrain und den VAE obliegt es fortan der Rechtsprechung, den Begriff des Kindeswohls zu konkretisieren. Mit der Möglichkeit, im Interesse des Kindes auch von den klassischen islamrechtlichen und gesetzlichen Regelungen über die Personensorge abzuweichen, folgen die drei Golfstaaten einer jüngeren Tendenz im Familienrecht auch islamischer Länder: der gesetzlichen Anerkennung des Kindeswohls als leitender Grundsatz des Kindschaftsrechts.975 Tunesien beispielsweise ist, gleichwohl als bislang einziges islamisches Land, von der Vorstellung abgerückt, die Mutter sei generell die geeignetste Sorgeberechtigte jüngerer Kinder. Stattdessen sind tunesische Gerichte aufgerufen, die Personensorge ausschließlich auf Basis des Kindeswohls zu bewerten.976 Das bahrainische Familiengesetzbuch räumt den Gerichten den geringsten Ermessensspielraum ein. Hier verliert die Mutter, die erneut heiratet, ohne dass zwischen Kind und Ehemann ein Ehehindernis besteht, grundsätzlich die Personensorge. Zudem ist die Personensorge durch die nichtmuslimische Mutter in Bahrain ausgeschlossen. Katarische und emiratische Gerichte können im Interesse des Kindes durchaus auch der nichtmusli975 Vgl. hierzu Yassari, Recht der Jugend und des Bildungswesens 54.2(2006), 197 ff.; zum Kindeswohl im klassischen islamischen sowie geltenden algerischen Recht siehe Schneider, Recht der Jugend und des Bildungswesens 54.2(2006), 181–196. 976 Art. 67 Mağalla.
E. Ergebnis
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mischen Mutter die Personensorge übertragen, wobei in einem solchen Fall andere Altersgrenzen für die Dauer der weiblichen Personensorge gelten. Hier wird die Diskriminierung von Anhängern anderer Religionen gegenüber Muslimen deutlich. Derartige Regelungen müssen vor dem Hintergrund der Bevölkerungszusammensetzung der arabischen Golfstaaten betrachtet werden. Die bahrainische Regelung über die islamische Religionszugehörigkeit als Voraussetzung für die Ausübung der Personensorge beispielsweise ist als deutliche Missbilligung von interreligiösen Ehen durch den Gesetzgeber zu verstehen. Die Auswertung der Rechtsprechung verdeutlicht, dass die Gerichte ihren Ermessensspielraum im Kindschaftsrecht durchaus nutzen. Gerade emiratische Gerichte haben einige Lücken des dortigen Personalstatutsgesetzes geschlossen, indem sie beispielsweise die Aufteilung der Personensorge innerhalb einer bestehenden Ehe und den Begriff der Pubertät als Entwicklungsstufe eines Kindes konkretisierten. Eine Auswertung höchstrichterlicher Urteile zur Personensorge zeigt zudem, dass das Kindeswohl von den Gerichten bei der Bewertung der Personensorge übergeordnete Beachtung findet. Dabei nehmen die Gerichte offenkundig auch einen Bruch mit klassischem islamischen Familienrecht in Kauf, wenn sie beispielsweise den Anspruch auf Personensorge für die erneut verheiratete Mutter bestätigen. Zu begrüßen ist auch die Tendenz der katarischen Rechtsprechung, das Kindeswohl nicht allein im Referenzrahmen des klassischen islamischen Rechts zu bewerten, sondern individuelle Fragen wie das Zusammenleben von Geschwistern zu berücksichtigen.
E. Ergebnis Durch die Kodifikation des muslimischen Personalstatuts in den arabischen Golfstaaten Bahrain, Katar und den VAE sind die zentralen Aspekte des Familienrechts, namentlich das Ehe-, Scheidungs- und Kindschaftsrecht, weitestgehend abschließend geregelt. Durch die rechtsvergleichenden Vorarbeiten zu den neuen Gesetzbüchern haben auch Reformvorbilder aus anderen arabisch-islamischen Ländern Aufnahme in die drei neuen Personalstatutsgesetze gefunden. Die große Flexibilität und der breite Ermessensspielraum, den das klassische islamische Recht Familienrichtern bot, wurde mit der erstmaligen Kodifikation des muslimischen Personalstatuts durch die Gesetzgeber Bahrains, Katars und der VAE eingeschränkt. Gleichwohl enthalten alle drei Personalstatutsgesetze auch weiterhin Gesetzeslücken und unbestimmte Rechtsbegriffe, die von den Gerichten zu schließen und auszulegen sind. Dieser Aufgabe sind die obersten Gerichte der arabischen Golfstaaten bislang durchaus gerecht geworden.
202 I.
Kapitel 4 – Gesetzesrecht und Rechtspraxis
Eherecht
Das Recht der Eheschließung und Ehewirkung hat im Zuge der Kodifikation die geringsten Reformen erfahren. Es ist auch weiterhin von traditionellen Geschlechterrollen geprägt. Dabei entspricht die Übernahme islamischer Rechtsfiguren und die zögerliche Einführung von Regelungen rechtsvergleichender Prägung nicht immer der gesellschaftlichen Realität der drei Golfstaaten. In einigen Bereichen ist diese den gesetzlichen Regelungen weit voraus. Das durchschnittliche Eheschließungsalter beispielsweise liegt bereits deutlich über dem gesetzlichen Ehemindestalter. Auch wenn ein Ehemindestalter dem klassischen islamischen Recht unbekannt ist und in zahlreichen islamischen Ländern kontrovers diskutiert wurde, wäre die Verankerung eines solchen im materiellen Recht der Golfstaaten inzwischen logische Reaktion auf die Lebensrealität der Bevölkerung. Dies gilt ebenfalls für die Registrierungsvorschriften. Der Zugang zu weitreichenden staatlichen Transferleistungen für neuverheiratete Paare hat die Registrierung der Eheschließung bereits zum Regelfall gemacht. Erfolgt eine Registrierung jedoch nicht, ist dies zumeist eine bewusste Entscheidung, die dazu dienen soll, bestimmte Rechtsfolgen zu vermeiden. Hier obliegt es nun den drei Gesetzgebern, die sozialen Hintergründe von nichtregistrierten Ehen auszuloten und gegebenenfalls einzugreifen. Eine Novellierung des Sorgerechts beispielsweise würde zu einem Rückgang nichtregistrierter Besuchsehen führen und auch die Nichtregistrierung einer polygynen Eheschließung, um diese vor der ersten Ehefrau geheim zu halten, läuft, zumindest in Bahrain und Katar, den vom Gesetzgeber intendierten Informationspflichten zuwider. Die einvernehmliche Vereinbarung von Zusatzbestimmungen bei der Eheschließung eröffnet den Golfstaaten überdies eine weitere Möglichkeit, ihr Familienrecht den gesellschaftlichen Bedürfnissen anzupassen: Ausgewählte Aspekte des Familienrechts könnten in die Autonomie der Nupturienten „ausgelagert“ werden. Dies gilt neben dem Güterstand auch für die Polygynie, die in der Golfregion weiterhin praktiziert wird. Ein Verbot würde an der Lebenswirkichkeit der arabischen Golfstaaten vorbeigehen. Zudem wäre ein solches regelmäßig der Kritik ausgesetzt, mit dem islamischen Recht zu brechen. Als gangbarer Weg erweist sich jedoch die Autonomie der Nupturienten, die Vertragsbedingungen ihrer Ehe bei deren Schließung zu verhandeln und zu bestimmen, dass die erneute Eheschließung des Mannes ein Scheidungsrecht seiner bisherigen Ehefrau(en) begründet. Diese, bereits dem klassischen islamischen Familienrecht zu entnehmende, Regelung sollte den amtlichen Trauscheinen in allen drei Golfstaaten als Standardklausel hinzugefügt werden, die die Eheschließenden sodann als auf ihre Ehe anwendbar bestimmen können. Darüber hinaus sollten auch die VAE in Anlehnung an das katarische Vorbild Informati-
E. Ergebnis
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onspflichten durch den Eheschließungsbeamten einführen, die zumindest eine Kenntnis aller Ehefrauen vom Personenstand ihres Ehemannes gewährleisten. II. Scheidungsrecht Im kodifizierten Scheidungsrecht der arabischen Golfstaaten werden die rechtsvergleichenden Vorarbeiten der drei Gesetzgeber in besonderem Maße deutlich. Die Möglichkeiten für die Frau, im Rahmen der ḫulᶜScheidung auch gegen den Willen ihres Ehemannes eine Scheidung zu erwirken sowie bei grundloser Verstoßung von ihm entschädigt zu werden, verdeutlichen die Reformbereitschaft der Gesetzgeber und gehen auf Vorbilder aus anderen islamischen Ländern zurück. Eine Auswertung höchstrichterlicher Urteile zeigt, dass auch die Judikative dem Reformwillen der Legislative folgt. Die neuen scheidungsrechtlichen Mechanismen werden angewandt. Gleichwohl ist die dem klassischen islamischen Scheidungsrecht zugrundeliegende Wertung, der Mann habe einen stärkeren Anspruch auf Scheidung, auch weiterhin zu erkennen. Eine solche Wertung findet ihren Ausdruck zum einen in der Tendenz der Rechtsprechung, Frauen selbst bei Vorliegen eines gesetzlichen Scheidungsgrundes nicht sämtliche finanziellen Rechte zuzuerkennen. Zum anderen fällt die Entschädigung für die schuldlos geschiedene Frau auch weiterhin geringer aus als die Abfindung für den gegen seinen Willen geschiedenen Mann. Zwar gilt inzwischen eine Kompensationsverpflichtung jedes scheidungswilligen Ehepartners, die mutᶜa ist jedoch eine Rechtsfolge der Verstoßung, die die Rechtskraft der Scheidung nicht berührt. Die Abfindung im Rahmen der ḫulᶜ-Scheidung ist demgegenüber eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Ist die Ehefrau nicht in der Lage, die Abfindung aufzubringen, kann keine Scheidung erfolgen. Das kodifizierte Scheidungsrecht der drei Golfstaaten ist überdies von einer Zersplitterung der Scheidungsformen geprägt. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf der drei Gesetzgeber. Da im Rahmen der gerichtlichen Scheidung aufgrund von Schädigung oder ehelichem Zerwürfnis die Schuldfrage und, von ihr abhängig, die finanziellen Pflichten der Ehepartner zu klären sind, verfügen alle drei Gesetzbücher bereits über eine Vorlage für ein Scheidungsverfahren, das wie in den VAE beiden Ehepartnern offensteht. Auf den emiratischen Regelungen aufbauend, könnte das Scheidungsrecht der Golfstaaten vereinheitlicht und in Richtung einer grundsätzlichen Entschädigungspflicht des für den Zusammenbruch der Ehe schuldigen Partners reformiert werden. Hierin einbetten würde sich eine Vereinheitlichung von ḫulᶜ-Abfindung und mutᶜa. Beide Ehepartner hätten fortan die Möglichkeit, die Ehe einseitig aufzulösen, sofern sie bereit sind, den anderen Ehepartner finanziell zu entschädigen. Unabdingbare
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Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine Scheidung nur noch gerichtlich erfolgen kann. III. Kindschaftsrecht Im Kindschaftsrecht kommt den Gerichten fortan sogar ein größerer Ermessensspielraum zu als ihn das klassische islamische Recht mit seinen starren Alters- und Geschlechtergrenzen vorsah. Zentrales Merkmal des kodifizierten Sorgerechts ist der Begriff des Kindeswohls. Durch die Aufnahme des Kindeswohls in die Gesetzbücher wurden die Bestimmungen über die Personensorge des klassischen islamischen Familienrechts in den drei Golfstaaten abgewandelt. Entgegen der traditionellen Annahme, dass naturgegebene Eigenschaften von Männern und Frauen sie auch zu bestimmten Funktionen in der Erziehung und Pflege von Kindern befähigen, wird dem Wohl und den Interessen des Kindes fortan größere Gewichtung zuteil. Gleichzeitig obliegt den Gerichten dadurch die Verantwortung, die Kriterien zur Bewertung des Kindeswohls festzulegen. Indem die Gesetzbücher Bahrains und der VAE – anders als in Katar – hierzu keine Aussage treffen, ist das gerichtliche Ermessen in diesen zwei Golfstaaten zusätzlich erhöht. Die Gerichte der arabischen Golfstaaten nutzten ihren Ermessensspielraum bislang auch in Abweichung von einem rein islamrechtlichen Interpretationsschema. Dass das Kassationsgericht Abu Dhabi bereits fünf Jahre nach der erstmaligen Kodifikation des muslimischen Personalstatuts mit einem zentralen Merkmal des klassischen islamischen Familienrechts brach, indem es eine Fortsetzung der mütterlichen Personensorge trotz erneuter Eheschließung befürwortete, ist richtungsweisend. Fortan gilt es, den Einflussbereich des Kindeswohls weiter auszubauen. Dies gilt in besonderem Maße für das bahrainische Familiengesetzbuch, das bislang die geringsten Abweichungen von islamrechtlich geprägten gesetzlichen Regelungen zulässt. Einzelne bahrainische Familienrichter räumen dem Kindeswohl bereits jetzt eine übergeordnete Stellung ein; ihre Urteile bleiben aufgrund der konservativeren gesetzlichen Regelungen indes anfechtbar. Begrüßenswert wäre ein Abrücken von Altersgrenzen und Geschlechterunterschieden bei der Vergabe der Personensorge und eine Bewertung dieser unter ausschließlicher Berücksichtigung des Kindeswohls oder zumindest eine gesetzliche Verpflichtung der Gerichte, das Kindeswohl in sämtlichen Fragen des Kindschaftsrechts zu berücksichtigen.
Ergebnisse und Schlussbetrachtung „Rechtskultur ist in der Tat schwerer zu verändern als Gesetzesrecht, sie ist jedoch nicht unveränderlich.“ Basedow, ZEuP 4.3(1996), 380.
A. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 1. Die kontinentaleuropäische Kodifikationsidee des 18./19. Jahrhunderts wurde in islamischen Ländern zunächst für all jene Rechtsbereiche übernommen, für die das klassische islamische Recht keine oder nur wenige Regelungen bereithielt. Eine systematische Erfassung des muslimischen Personalstatuts in Form eines Gesetzbuches fand parallel dazu nicht statt. Aufgrund der hohen Regelungsdichte in den Primärquellen des islamischen Rechts wurde das Familien- und Erbrecht als dem gesetzgeberischen Eingriff entzogen wahrgenommen. Dies änderte sich jedoch mit der Entstehung unabhängiger muslimischer Nationalstaaten im frühen 20. Jahrhundert. Islamische Länder haben ihr Personalstatut seitdem mehrheitlich kodifiziert. Gleichzeitig ist das Gesetzgebungsverfahren stets von einer Konsenssuche zwischen staatlichen Reformbemühungen und dem Einfluss der ᶜulamāᵓ geprägt. Während die europäische Kodifikationsidee mit Blick auf Aufbau und Form inzwischen auch für das muslimische Personalstatut übernommen wurde, bleibt das islamische Recht zentraler Bezugspunkt des materiellen Rechts. 2. Bis in das 20. Jahrhundert hinein waren die Rechtssysteme der Golfregion durch ein Nebeneinander von islamischem und tribalem Recht sowie britischer exterritorialer Jurisdiktion geprägt. Bei Unabhängigkeit der ölreichen Rentierstaaten Bahrain, Katar und VAE in den 1970er Jahren mangelte es allen drei Rechtssystemen an effektiven Institutionen und qualifiziertem Personal. Die Folge war der Zuzug zahlreicher ausländischer Rechtsanwender und Rechtswissenschaftler aus anderen arabisch-islamischen Ländern. Diese Importjuristen prägten die Rechtssysteme der Golfregion nachhaltig. Bahrain, Katar und die VAE entschieden sich für ein Civil-Law-System ägyptisch-romanischer Prägung. Neben dem Einfluss ausländischer Juristen liegt dieser Entscheidung vor allem das politische
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Ergebnisse und Schlussbetrachtung
System der drei Golfmonarchien zu Grunde. Sie werden auch weiterhin von autoritären Machthabern mit dynastischem Herrschaftsanspruch geführt. Alle drei Monarchen vereinen weitreichende legislative und exekutive Kompetenzen und haben beträchtlichen Einfluss auf die Gesetzgebungsverfahren in ihren Staaten. 3.a) Die Rechtslage vor Kodifikation des Familienrechts war in erster Linie von bruchstückhaften, spezialgesetzlichen Regelungen geprägt. Diese sind von den drei Gesetzgebern zumeist als Reaktion auf gesellschaftliche Probleme in der Golfregion erarbeitet worden. So sollte den steigenden Eheschließungskosten und dem Rückgang von Eheschließungen zwischen Einheimischen entgegengewirkt und zugleich eine Formalisierung familienrechtlicher Vorgänge erzielt werden. Zudem wurden negative Auswirkungen des klassischen islamischen Familienrechts durch staatliche Zuwendungen aufgefangen, ohne dass eine ganzheitliche familienrechtliche Vision erkennbar war. Diese Ausgangslage sowie die Rechtsunsicherheit, die durch den Mangel eines systematisch aufgezeichneten und einfach verständlichen Familienrechts entstand, ließ verstärkte Forderungen nach einer Kodifikation des muslimischen Personalstatuts erwachsen. b) Die im innerarabischen Vergleich verhältnismäßig späten Kodifikationen des nationalen Familienrechts der arabischen Golfstaaten waren im konfessionell gespaltenen Bahrain von einem Machtkampf zwischen sunnitischer Regierung und schiitischer Geistlichkeit geprägt. Gleichzeitig fand der Gesetzgebungsprozess unter weitreichender Beteiligung auch nichtstaatlicher Interessensverbände statt. Frauenrechtsorganisationen, die lange Zeit für eine Reform des Familienrechts geworben hatten, konnten auch auf den Entstehungsprozess des bahrainischen Familiengesetzbuches Einfluss nehmen. In Katar und den VAE war ein solcher Einfluss nur den staatlichen Dachorganisationen für Frauen- und Familienfragen vorbehalten. Eine breite öffentliche Konsenssuche fand in diesen zwei Golfstaaten nicht statt. c) Allen drei Gesetzgebungsprozessen ist gemein, dass der Einfluss von Frauenrechtsorganisationen im Vergleich zu dem islamischer Rechtsgelehrter gering ausfiel. Dies gilt insbesondere für Katar und die VAE. Die islamische Gelehrsamkeit wurde von den drei Herrscherhäusern weitaus enger in die Arbeiten an den einzelnen Gesetzesentwürfen eingebunden. Wenngleich durch die Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention in den 1990er Jahren sowie der UN-Frauenrechtskonvention in den 2000er Jahren auch internationale Vertragsverpflichtungen auf den Kodifikationsprozess eingewirkt haben, wäre eine Reform des muslimischen Personalstatuts in allen drei Golfstaaten ohne den ausdrücklichen Reformwillen der Herrscherhäuser nicht erfolgt. Diese waren sich der Notwendigkeit bewusst,
A. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
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auf die durch den rasanten gesellschaftlichen Wandel der vergangenen Jahrzehnte neu entstandenen Regelungserfordernisse reagieren zu müssen. 4.a) Eine Auswertung des erstmalig kodifizierten Ehe-, Scheidungsund Kindschaftsrechts lässt drei Tendenzen erkennen. Erstens wurden islamische Rechtsfiguren ohne nennenswerte Veränderungen übernommen. Dies gilt vor allem für das Eherecht, das ungeachtet des sozioökonomischen Wandels in den drei Golfstaaten kaum Reformen erfahren hat und auch weiterhin von traditionellen Geschlechterrollen sowie komplementären ehelichen Rechten und Pflichten geprägt ist. So hat der Ehevormund der Frau als ihr Vertreter in der Erklärung weitreichende Kompetenzen bei der Eheschließung. Selbst die volljährige, voll geschäftsfähige Frau kann die Ehe nicht alleine eingehen. Polygyne Eheschließungen sind weiterhin zulässig, die gesetzlichen Beschränkungen sind spärlich und bleiben weit hinter den Vorbildern anderer Familiengesetzbücher islamischer Prägung zurück. Das Recht der Eheauflösung ist in eine Vielzahl an Scheidungsformen zersplittert; der Zugang zur Scheidung steht in Abhängigkeit zum Geschlecht des Scheidungswilligen. Vor allem die Verstoßungsscheidung durch den Ehemann wurde kaum beschränkt, so dass Privatscheidungen auch weiterhin grundsätzlich möglich sind. b) Zweitens finden neben der Übernahme islamischer Rechtsfiguren zahlreiche Regelungen ihren Ursprung in den rechtsvergleichenden Vorarbeiten zu den drei Gesetzbüchern. Das Eheschließungsrecht ist von Formalisierung und staatlicher Kontrolle des Personenstandes geprägt, wie sie diverse islamische Länder zuvor ebenfalls anstrebten. Regelungen rechtsvergleichender Prägung sind zudem im Scheidungsrecht erkennbar: Dies gilt zum einen für die VAE, die als einziger der drei Golfstaaten die Scheidung wegen Schädigung oder Zerrüttung auch für den Ehemann geöffnet haben. Diese neue Regelung kann als Grundlage für zukünftige Novellierungen in Bahrain und Katar dienen. Zum anderen ermöglicht die Einführung der gerichtlichen ḫulᶜ-Scheidung auf Bestreben der Ehefrau in allen drei Golfstaaten fortan eine Auflösung der Ehe ohne Angabe von Gründen und gegen den Willen des Ehemannes. Die Abfindung, die die Ehefrau im Rahmen der ḫulᶜ-Scheidung an ihren Ehemann zu leisten hat, findet ihr Äquivalent in der reformierten mutᶜa-Entschädigung, die der Mann seiner geschiedenen Frau nach einer grundlosen Verstoßung schuldet. Durch diese Regelungen ist die Tendenz zu einem anerkannten Scheidungsrecht der Frau bei gleichzeitiger Erschwerung der uneingeschränkten Verstoßung durch den Ehemann zu erkennen. Gleichwohl ist der Rechtsprechung auch weiterhin eine grundsätzliche Wertung zugunsten eines stärkeren Scheidungsrechts des Ehemannes zu entnehmen. Die Höhe der gerichtlich bestimmten Abfindung für die grundlos verstoßene Ehefrau beispielsweise, bleibt oftmals hinter den gesetzlichen Höchstgrenzen zurück.
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Ergebnisse und Schlussbetrachtung
c) Abschließend und drittens weisen die drei neuen Kodifikationen auch einige innovative Regelungen auf. Im Scheidungsrecht gilt dies jedoch nur für die VAE, deren neuartige Variante der ḫulᶜ-Scheidung ohne Verknüpfung der Abfindung mit der Brautgabe auch als Vorbild für Bahrain und Katar dienen kann. Jüngsten Entwicklungen im Familienrecht islamischer Länder entsprechend, steht in allen drei arabischen Golfstaaten seit der Kodifikation zudem das Kindeswohl im Zentrum des Kindschaftsrechts. So ist die Berücksichtigung des Kindeswohls vor allem bei der Vergabe der Personensorge geboten. In Katar und den VAE kann dies eine deutliche Abweichung vom klassischen islamischen Recht zur Folge haben, wenn das Kindeswohl beispielsweise eine Fortsetzung der mütterlichen Personensorge auch ungeachtet der Eheschließung mit einem familienfremden Mann begründet. Auch die Gerichte der arabischen Golfstaaten folgen der Entscheidung ihrer Gesetzgeber für ein Primat des Kindeswohls im Recht der Personensorge. So belegt etwa eine Auswertung der katarischen und emiratischen Rechtsprechung, dass die Gerichte das Kindeswohl über den Referenzrahmen des islamischen Rechts hinaus definieren und individuelle Bedürfnisse des Kindes bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden. Das bahrainische Gesetzbuch enthält demgegenüber ein eher abstraktes Votum zugunsten des Kindeswohls. Während zudem auch die väterlichen Rechte bei der Personensorge gestärkt wurden, diskriminieren alle drei Personalstatutsgesetze indes die nichtmuslimische Mutter. Diesen gesetzlichen Bestimmungen liegen vor allem rechtspolitische Erwägungen und eine grundsätzliche Skepsis gegenüber den zahlreichen interreligiösen und internationalen Ehen in der arabischen Golfregion zugrunde.
B. Ausblick I.
Verbreitung und Bekanntmachung der neuen Gesetzbücher
Zu den Zielen der Kodifikation des Familienrechts gehörten die Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Die Verwirklichung dieser Ziele setzt die Kenntnis über die neuen gesetzlichen Regelungen innerhalb der Justiz und der Bevölkerung voraus. Die Regierungen der drei arabischen Golfstaaten sind somit fortan vor die Aufgabe gestellt, die neuen Gesetzbücher einer breiten Öffentlichkeit bekannt und sie zum Bestandteil der juristischen Ausbildung zu machen. Mit seinem ausgeprägten dualen Rechtssystem steht Bahrain in diesem Punkt vor einer besonderen Herausforderung. Durch die Kodifikation haben die Regierungen der drei arabischen Golfstaaten nicht nur die Autorität erlangt, das Familienrecht fortzuentwickeln und in regelmäßigen Abständen der gesellschaftlichen Entwick-
B. Ausblick
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lung anzupassen, sondern sind auch in der Verantwortung, die korrekte Anwendung des staatlich gesetzten Familienrechts zu gewährleisten. 1. Ausbildung der Richterschaft Die Bekanntmachung des neuen Familiengesetzbuches ist vor allem in Bahrain, wo Familienrichter auch weiterhin nicht an den staatlichen juristischen Fakultäten studieren, sondern oftmals im Ausland ausgebildete, religiöse Rechtsgelehrte sind, von besonderer Notwendigkeit. Das richterliche Ermessen im Familienrecht unterliegt durch den Erlass eines staatlich bestimmten Rechts erstmals einer Beschränkung. Viele Familienrichter befürchteten daher, zu bloßen Verwaltern von staatlichem Recht zu verkommen und damit ihre zentrale Kompetenz als religiöse Rechtsgelehrte mit erheblichem Interpretationsspielraum im klassischen islamischen Recht zu verlieren.977 In Katar und den VAE, wo Familienrichter zumeist einen juristischen Abschluss erwerben, ist das neue kodifizierte Familienrecht fortan fester Bestandteil der juristischen Studienpläne. An der staatlichen Qatar University in Doha besuchen Studenten der juristischen und der Scharia-Fakultät dieselben Familienrechtsvorlesungen, so dass auch Absolventen der religiösen Fakultät fundierte Kenntnisse im neuen kodifizierten Familienrecht erhalten. In Bahrain hingegen stellt sich auch weiterhin die Frage, wie der Staat gewährleisten kann, dass die zumeist in Ägypten und Saudi-Arabien ausgebildeten sunnitischen Familienrichter nicht nur umfassende Kenntnisse des einschlägigen bahrainischen Prozess-, sondern auch des neuen materiellen Familienrechts erlangen. 2. Öffentlichkeitskampagnen Zudem ist es notwendig, die Bevölkerung über die neuen gesetzlichen Regelungen zu informieren und aufzuklären. Dies gilt umso mehr, als frühere Fortbildungsveranstaltungen aufgezeigt haben, dass gerade Frauen in ländlichen Gebieten mit niedrigen Bildungsstandards keinerlei Kenntnisse über ihre grundlegenden Rechte haben.978 Für die Bekanntmachung der neuen Gesetzbücher innerhalb der Bevölkerung waren vorrangig die staatlichen Frauenverbände in Katar und den VAE sowie die nichtstaatliche BWU in Bahrain verantwortlich. Zum Teil mit der finanziellen Unterstützung der US-amerikanischen Middle East Partnership Initiative organisierten sowohl die emiratische GWU als auch 977 So ein Richter des bahrainischen Familiengerichts (sunnitische Kammer) im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 16.1.2013. 978 So die Koordinatorin des “Know Your Rights”-Programms der Middle East Partnership Initiative in den VAE im persönlichen Gespräch, Abu Dhabi, VAE, 21.2.2012.
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Ergebnisse und Schlussbetrachtung
die bahrainische BWU Workshops zu den neuen Gesetzbüchern, die sich vorrangig an Frauen richteten. Diese Workshops knüpften teilweise an Informationsveranstaltungen an, die bereits während des Kodifikationsprozesses stattfanden. In den VAE beispielsweise wurden im Herbst 2009 zunächst 32 emiratische Frauen unter Leitung der GWU von Rechtswissenschaftlern in dem neuen Personalstatutsgesetz geschult. Diese Frauen organisierten daraufhin eigene Workshops in allen sieben Emiraten der VAE, wobei ein besonderer Fokus auf den ländlichen Gebieten des Golfstaats lag. Die von insgesamt über 400 Frauen besuchten Veranstaltungen dienten zum einen der Information über die neuen gesetzlichen Bestimmungen und zum anderen der Diskussion über etwaigen Reformbedarf des neuen Gesetzbuches.979 Auf diesem Weg versucht die GWU auch weiterhin, auf den Gesetzgeber einzuwirken, um Schwachstellen in dem neuen Gesetz auszuloten und auszubessern und es fortwährend dem wandelnden Regelungsbedarf anzupassen.980 In Bahrain fanden ähnliche Workshops unter der Leitung der BWU statt. Zudem produzierte die Organisation ein Video, das über die neuen gesetzlichen Bestimmungen informiert,981 und verfasste zahlreiche Informationsbroschüren, die kostenlos ausgeteilt wurden.982 II. Aktuelle Diskussionen und Reformbedarf Ungeachtet der familienrechtlichen Reformen und ihrer gerichtlichen Fortbildung besteht auch weiterhin Kritik am geltenden muslimischen Personalstatut. Diese zielt vorrangig auf prozessrechtliche Fragen ab. So wird zum einen die Zersplitterung der Scheidungsverfahren und ihre Länge kritisiert. Zum anderen wird öffentliche Kritik an der mangelnden Qualifikation des juristischen Personals, vor allem in den gerichtsinternen Familienberatungsstellen geübt. Die öffentliche Diskussion nach Inkrafttreten der drei Personalstatutsgesetze hat aber auch dazu geführt, dass das Familienrecht dem ausschließlichen Einfluss islamischer Rechtsgelehrter weiter entzogen wurde. Die Deutungshoheit über das islamische Recht ist in Bahrain, Katar und den VAE nicht nur auf den Staat übergegangen, auch die Bevölkerung sieht sich in dieser Verantwortung. In einem längeren Bericht der bahrainischen Tageszeitung „al-Waqt“ gab lediglich eine von neun Befragten an, dass es ihr gar nicht zustünde, das neue FamiliengeEbd. So die Vorstandsassistentin für Ausschüsse und Aktivitäten der GWU im persönlichen Gespräch, Abu Dhabi, VAE, 30.1.2012 und 7.2.2012. 981 MEPI, MEPI-Sponsored Documentary on Family Law Reform Premieres in Bahrain, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 982 Der Verfasserin liegen einige dieser Broschüren vor. 979 980
B. Ausblick
211
setzbuch zu beurteilen, da es „religiös inspiriert ist und daher in den Kompetenzbereich der weisen religiösen Gelehrten fällt.“983 Eine Auswertung der öffentlichen Debatten soll im Folgenden die Beurteilung der familienrechtlichen Reformen innerhalb der Bevölkerung verdeutlichen. 1. Kritik an der Verfahrenspraxis Ein grundsätzliches Problem, das auch nach Kodifikation des Familienrechts fortbesteht, sind die langwierigen Gerichtsverfahren im Familienrecht.984 Diese ergeben sich insbesondere aus der Fragmentierung der einzelnen Verfahren: So werden die Rechtsfolgen der Scheidung getrennt von der eigentlichen Scheidung verhandelt. Auch der nacheheliche Unterhalt (zusammen mit weiteren vermögensrechtlichen Folgen der Eheauflösung) und die Personensorge für die gemeinsamen Kinder bilden jeweils eigenständige Gerichtsverfahren.985 In Katar wurden daher Forderungen laut, auch räumlich separierte Familiengerichte zu errichten. Diese sollen sich zum einen – so die Forderung eines katarischen Anwalts gegenüber der Tageszeitung „ar-Rāya“ – in einem gemeinsamen Gebäude mit Familienberatungsstellen befinden, auf die Bedürfnisse von Familien und Kindern ausgerichtet sein und so eine für die anwesenden Parteien und ihre Angehörigen angenehmere Atmosphäre gewährleisten. Zum anderen sollen – so der Rechtsanwalt weiter – Anträge auf Scheidung und die daran geknüpften persönlichen und vermögensrechtlichen Folgen in einem einzigen Gerichtsverfahren zusammengefasst werden. Getrennte Gerichtsverfahren würden lediglich Kosten für den Staat und die betroffenen Parteien verursachen und seien daher abzulehnen.986 Diese grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber den Familiengerichten drückten sich auch in einer Umfrage der katarischen Tageszeitung „alᶜArab“ aus. Demnach gaben 52 % der befragten Männer an, dass aus ihrer Sicht die Familiengerichte auf der Seite der Frauen stünden, während nur 40 % die Familiengerichte für unabhängig hielten und 8 % der Auffassung waren, dass die Familiengerichte Männer bevorzugten. Gleichzeitig gaben lediglich 20 % der befragten Frauen an, die Familiengerichte seien unpar-
Salmān/Ibrāhīm, al-Waqt online v. 3.1.2010. Für Bahrain vgl. Kinninmont, Journal of Arabian Studies 1.1(2011), 59. 985 Fragen der Personensorge werden zumeist vor der unteren Kammer des Familiengerichts, Fragen vermögensrechtlicher Natur demgegenüber vor der oberen Kammer des Familiengerichts verhandelt, so etwa in Bahrain, siehe hierzu Radhi, Judiciary and arbitration, 107; für Katar siehe al-ᶜArab online v. 9.12.2012. 986 ᶜAbd as-Salām, ar-Rāya online v. 18.5.2010. 983 984
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Ergebnisse und Schlussbetrachtung
teiisch, während 64 % der Befragten eine Behandlung zugunsten von Männern auszumachen meinten.987 In den VAE sind auch die Familienberatungsstellen, die neben Eheberatung auf Wunsch der Partner auch den der Scheidung vorgelagerten, obligatorischen Versöhnungsversuch unternehmen müssen, nach ihrer Errichtung durch die neuen Personalstatutsgesetze in die Kritik geraten. Die emiratische Rechtsanwältin Diana Hamade beispielsweise schreibt, dass die Ausbildung der Mitarbeiter nicht ausreiche, um die komplexen Sachverhalte eines Scheidungsverfahrens und dessen Rechtsfolgen abzusehen.988 Zahlreiche innerhalb der Familienberatungsstellen aufgesetzte Scheidungsvereinbarungen würden daher im folgenden Gerichtsverfahren aufgehoben und neu verhandelt werden.989 Im persönlichen Gespräch wies eine emiratische Familienrechtsanwältin zudem darauf hin, dass die Mehrheit der Mitarbeiter dieser Beratungsstellen ihre eigene, oftmals religiöse Ausbildung und konservative Haltung in die Beratungsgespräche einfließen lasse und nicht immer unparteiisch agiere. So seien ihr Fälle bekannt, in denen trotz eines eindeutigen ehelichen Zerwürfnisses sowie häuslicher Gewalt in der Ehe auf eine Fortsetzung der Beratung beharrt und der für die Ehefrau zur Einreichung des Scheidungsantrages erforderliche Nachweis der Unversöhnbarkeit nicht ausgestellt wurde.990 Im Interesse der Rechtssicherheit und der Beschleunigung von Gerichtsverfahren im Familienrecht müssen daher auch die Familienberatungsstellen mit fachlich qualifizierten und unabhängigen Mitarbeitern besetzt werden. 2. Anhaltende Reformforderungen Durch die öffentlich diskutierten und auch nach Inkrafttreten der Gesetzbücher zum Teil anhaltenden Missstände, wie beispielsweise langwierige Gerichtsverfahren im Familienrecht, wurden auch nach der Kodifikation des muslimischen Personalstatuts weiterhin Forderungen nach Reformen in Bahrain, Katar und den VAE laut. In den VAE konzentrieren sich diese Forderungen vor allem auf das Kindschaftsrecht allgemein und die mütterliche Personensorge im Besonderen. Familienrechtsanwälte meinen auch weiterhin, eine Tendenz innerhalb der Richterschaft auszumachen, Väter bei der Vergabe des Sorgerechts zu bevorzugen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die grundsätzlich sorgeberechtigte Mutter eine neue ᶜAmr, al-ᶜArab online v. 23.2.2011. So haben zahlreiche, vor allem ältere Mitarbeiter der Familienberatungsstellen nur eine religiöse Ausbildung im islamischen Recht erhalten. 989 Hamade, The National v. 6.5.2012, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 990 Dubai, VAE, 26.2.2012. 987 988
B. Ausblick
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Ehe schließe.991 Die Ausführungen des vorherigen Abschnitts haben aufgezeigt, dass höchstrichterliche Urteile aus den VAE auch bei erneuter Eheschließung das Anrecht der Kinder auf Verbleib in der mütterlichen Personensorge bestätigt haben. Es erscheint jedoch möglich, dass gerade erstinstanzliche Gerichte dazu tendieren, in solchen Fällen dem Vater die Personensorge zu übertragen. Diesen Schluss lassen zumindest die Erfahrungsberichte von Familienrechtsanwälten zu. Es erscheint in der Tat sinnvoll, das geltende Recht sukzessive der Auslegung der Kassationsgerichte anzupassen, da die höchstrichterliche Rechtsprechung auch Ausdruck einer sich wandelnden sozialen Realität ist. Bereits im Dezember 2011 berichtete die englischsprachige Tageszeitung „The National“ von Änderungsvorschlägen zum emiratischen Personalstatutsgesetz, die der damalige Justizminister der Nationalversammlung vorgelegt habe.992 Bislang haben aber keine dieser Vorschläge auch tatsächlich Einzug in ein Änderungsgesetz zum Personalstatutsgesetz gefunden. Dies gilt auch für Katar, wo lokale Medien ebenfalls über geplante Gesetzesänderungen berichteten,993 die jedoch bislang nicht umgesetzt worden sind. In Bahrain konzentrieren sich Frauenrechtsorganisationen momentan verstärkt auf den Erlass des schiitischen Teils des Familiengesetzbuches. Nach dem Boykott des Parlaments durch die schiitische al-Wifāq im Frühjahr 2011 und den Neuwahlen im September desselben Jahres drängen gegenwärtig (Stand: Februar 2014) vor allem die weiblichen (und zum Teil schiitischen) Parlamentsabgeordneten auf einen erneuten Versuch zur Verabschiedung des Gesetzes. Sie sehen in der aktuellen, regierungsnahen Besetzung des Parlaments ihre Chance, auch den zweiten Teil des Familiengesetzbuches zeitnah in Kraft zu setzen, um auch für die schiitischen Frauen Bahrains eine ähnliche Rechtssicherheit wie für bahrainische Sunnitinnen zu gewährleisten.994 Gleichzeitig überwachen bahrainische Frauenrechtsorganisationen auch die gerichtliche Umsetzung des kodifizierten Nereim, The National online v. 15.9.2012. Hamade, The National v. 11.12.2011, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 993 Aḥmad, al-ᶜArab v. 15.7.2012, 10 f.; kritisch ᶜAbbās, ar-Rāya v. 27.1.2010, online abrufbar unter: , letzter Zugriff: 3.2.2014. 994 So zwei weibliche Abgeordnete des bahrainischen Unterhauses im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 16.1.2013; aktuell (Stand: Februar 2014) sind vor den zwölferschiitischen Kammern der bahrainischen Familiengerichte 11.000 Scheidungsanträge anhängig. Befürworter einer Kodifikation des schiitischen Familienrechts gehen davon aus, dass der Erlass des zweiten Teils des Familiengesetzbuches diese Zahlen deutlich reduzieren würde, hierzu Singh Grewal, Gulf Daily News v. 4.12.2013, 3. 991 992
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Ergebnisse und Schlussbetrachtung
sunnitischen Familienrechts, um der bahrainischen Regierung gegebenenfalls Änderungsvorschläge unterbreiten zu können.995
C. Schluss Wie sind die erstmaligen Personalstatutsgesetze der arabischen Golfstaaten Bahrain, Katar und VAE zu bewerten? Haben die drei Gesetzgeber erfolgreich ein modernes Recht für die Familie geschaffen? Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass es den erstmaligen Kodifikationen nicht gelungen ist, in sämtlichen Bereichen des Familienrechts weitreichende Reformen zu implementieren. Gleichwohl darf der Erfolg eines Familiengesetzbuches in islamischen Ländern nicht allein an seinem Inhalt gemessen werden. Ebenso ist das erstmalige staatliche Eingreifen in einen Kernbereich des islamischen Rechts überhaupt als wichtiger Schritt anzuerkennen. Die Gesetzgeber Bahrains, Katars und der VAE haben das muslimische Personalstatut dem Einflussbereich der islamischen Rechtsgelehrten und religiös ausgebildeten Richter zum Teil entzogen. Sie haben es dadurch seiner vermeintlich religiös gebotenen Unveränderlichkeit entledigt. Dies allein ist als Erfolg zu bewerten. Nicht in jedem Bereich werden die gesetzlichen Bestimmungen auch den Regelungserfordernissen der modernen arabischen Golfstaaten, ihrem gesellschaftlichen Wandel und ihrer sozioökonomischen Realität gerecht. Besonders im Eherecht sind weitere Reformschritte notwendig. Ein kritischer Blick der arabischen Golfstaaten auf ihre individuellen Regelungserfordernisse und mögliche Lösungsansätze kann eine Anpassung des Familienrechts an die gesellschaftliche Realität in den drei Ländern ermöglichen. Den Gesetzgebern stehen hierfür bereits zahlreiche Reformvorbilder aus anderen arabisch-islamischen Ländern zur Verfügung. Eine Orientierung an diesen Ländern kann zukünftige Gesetzesänderungen positiv beeinflussen. Die breite öffentliche Rezeption der neuen Personalstatutsgesetze hat wichtige Diskussionen über traditionelle und moderne Familienkonzepte in der Golfregion entstehen lassen. Den Gesetzgebern obliegt es nun, auf diese Diskurse zu reagieren und dem anhaltenden gesellschaftlichen Wandel weiterhin Rechnung zu tragen. Auf diesem Weg kann in Zukunft ein modernes Recht für die Familie geschaffen werden. Der erste, schwerste Schritt wurde in Bahrain, Katar und den VAE gemacht.
995 So die Vorsitzende der BWU im persönlichen Gespräch, Manama, Bahrain, 15.1.2013.
Anhang
216 Anhang 1: Trauschein Bahrain alt
Anhang
Anhang
Anhang 2: Trauschein Bahrain aktuell
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Anhang
Anhang 3: Ausgewertete Rechtsprechung Die nachfolgende Übersicht enthält die wichtigsten höchstrichterlichen Urteile, die in der vorliegenden Arbeit ausgewertet wurden. Die Urteile sind nach Ländern unterteilt und innerhalb dieser chronologisch geordnet.
Katar Kassationsgericht v. 6.6.2006, Gesch.-Z. 30/2006, Personensorge (ḥiḍāna) 1) Das Gericht kann auch auf einen Rechtsstreit zwischen schiitischen Parteien das sunnitisch-hanbalitische Recht anwenden, sofern es dessen Regeln für sachdienlicher hält. 2) Das Urteil über die Personensorge basiert auf der Berücksichtigung des Kindeswohls, das bis zu einem gewissen Alter von der Frau gewahrt wird. Kassationsgericht v. 27.3.2007, Gesch.-Z. 8/2007, Personensorge (ḥiḍāna) Die Eignungsprüfung der möglichen Sorgeberechtigten fällt in die Zuständigkeit des Familiengerichts. Ist das Gericht der Auffassung, dass eine Fortsetzung der weiblichen Personensorge im Interesse des Kindes ist, kann eine solche Eignungsprüfung entfallen. Kassationsgericht v. 11.5.2010, Gesch.-Z. 63/2010, Scheidung aufgrund von Schädigung (ḍarar) Gemäß Art. 129 ff. FamGB Katar liegt eine Scheidung aufgrund von Schädigung vor, wenn einer der Ehepartner die Schädigung nachweisen und die Ehe nicht fortbestehen kann. Die Schädigung kann seelischer oder körperlicher Natur sein.
Vereinigte Arabische Emirate Kassationsgericht Dubai v. 14.10.1995, Gesch.-Z. 9/1995, ḫulᶜ-Scheidung Lässt sich die Ehefrau von ihrem Ehemann unter Verzicht auf ihren Unterhalt während der Schwangerschaft oder unter Verzicht auf den Kindesunterhalt durch ḫulᶜ scheiden und wird sie daraufhin mittellos, ist der Ex-Ehemann nach malikitischer Lehre verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt oder den ihres Kindes aufzukommen. In diesem Fall sind diese Ausgaben als Darlehen von ihm an sie zu betrachten. Kassationsgericht Dubai v. 30.3.1996, Gesch.-Z. 18/1995 (b), ḫulᶜ-Scheidung Als ḫulᶜ-Abfindung können eine Sach- oder Geldleistung dienen. Handelt es sich um eine Geldleistung, so ist die Brautgabe oder ein Teil von ihr als ḫulᶜ-Abfindung zulässig. Gleichfalls zulässig ist eine andere Geldleistung als die Brautgabe. Kassationsgericht Dubai v. 20.12.1998, Gesch.-Z. 14/1998, ḫulᶜ-Scheidung Der Verzicht auf die Personensorge ist nicht als ḫulᶜ-Abfindung zulässig; wird ein solcher Verzicht vereinbart, ist die ḫulᶜ-Scheidung wirksam, aber die Vereinbarung nichtig. Kassationsgericht Dubai v. 10.12.2000, Gesch.-Z. 57/2000, BrautgabeG VAE 1) Das Gesetz Nr. 21/1997 hat zum Ziel, weder eine unbedeutende (zu geringe) noch eine unbegrenzt hohe Brautgabe zu ermöglichen und somit die Eheschließung zu erleichtern. Der Gesetzgeber will die Eheschließung erleichtern, um unmoralisches Verhalten zu verhindern. 2) Das Gesetz ist nicht anzuwenden, wenn einer der Ehepartner Ausländer ist. Beide Parteien müssen Staatsbürger der VAE sein.
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Oberster Bundesgerichtshof v. 6.4.2002, Gesch.-Z. 214/22, Scheidung aufgrund von Schädigung (ḍarar) 1) Das Zusammenleben ist ein Ziel der Ehe. Es kann nur in einer gemeinsamen, ehelichen Wohnung stattfinden. Stellt der Ehemann diese Wohnung nicht zur Verfügung, so verlässt er seine Ehefrau. Ein solches Verlassen stellt eine Schädigung dar, aufgrund derer die Ehefrau die Eheauflösung beantragen kann. 2) Die Entscheidung der vom Gericht in einem Scheidungsverfahren entsandten Schiedsrichter ist sowohl von den Eheleuten als auch vom Gericht zu akzeptieren und kann nicht korrigiert werden. Kassationsgericht Dubai v. 15.2.2004, Gesch.-Z. 72/2003, Personensorge (ḥiḍāna) Nach malikitischer Lehre stehen das Wohlergehen des Kindes und das Abhalten von Schaden von dem Kind im Mittelpunkt der Personensorge. Das Kindeswohl ist stets zu berücksichtigen. Steht das Kindeswohl im Widerspruch zum Wohl des Sorgeberechtigten, so ist das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, da das Recht des Kindes auf Betreuung und Pflege über dem Recht der Sorgeberechtigten steht. Oberster Bundesgerichtshof v. 18.6.2006, Gesch.-Z. 241/27, Personensorge (ḥiḍāna) 1) Das Kindeswohl hat nach der malikitischen Rechtsschule Vorrang vor dem Entzug der Personensorge oder ihrer Übertragung von einem Sorgeberechtigen auf einen anderen. 2) Die Beurteilung des Kindeswohls fällt in die Zuständigkeit des Familiengerichts. 3) Auch die Verurteilung aufgrund eines sogenannten „Ehrverbrechens“ (z. B. durch unmoralisches Verhalten) begründet keinen automatischen Entzug der mütterlichen Personensorge. Kassationsgericht Dubai v. 3.10.2006, Gesch-Z. 28/2006, Personensorge (ḥiḍāna) Nach hinreichender Prüfung des Kindeswohls kann der Richter entgegen der gesetzlichen Reihenfolge für die Personensorge auch beschließen, dass die Großmutter (und deren Mütter) mütterlicherseits der Mutter des Kindes bei der Personensorge folgen. Kassationsgericht Dubai v. 29.5.2007, Gesch.-Z. 23/2007, Nachehelicher Unterhalt, mutᶜat aṭ-ṭalāq 1) Jede in einer wirksamen Ehe geschiedene Frau hat Anspruch auf Entschädigung (mutᶜa), wenn die Ehe ohne ihre Zustimmung aufgelöst wurde und die Gründe (für die Eheauflösung) nicht auf ihrer Seite lagen. 2) Macht der Ehemann geltend, dass die Scheidung einvernehmlich erfolgte oder die Gründe für die Verstoßung auf Seiten der Ehefrau lagen, obliegt ihm die Beweislast. Kassationsgericht Abu Dhabi v. 19.11.2007, Gesch.-Z. 4/2007, Personensorge (ḥiḍāna) Das männliche Kind hat mit Vollendung seines 11. Lebensjahres keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Personensorge (d. h. hinsichtlich des Sorgeberechtigten). Mit Erreichen dieses Alters geht die Personensorge auf den Vater über, es sei denn, das Gericht entscheidet, dass das Kindeswohl bis zum Erreichen der Pubertät den Verbleib bei einer weiblichen Sorgeberechtigten begründet. Kassationsgericht Abu Dhabi v. 28.11.2007, Gesch.-Z. 61/2007, ḫulᶜ-Scheidung Wird ein Antrag auf Scheidung aufgrund von Schädigung vom Familiengericht in erster Instanz abgelehnt und legt die Antragstellerin sodann Berufung ein, liegt auch dann keine widerrechtliche Klageänderung vor, wenn das Berufungsgericht auf ḫulᶜ-Scheidung urteilt.
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Kassationsgericht Dubai v. 25.12.2007, Gesch.-Z. 77/2007, ḫulᶜ-Scheidung Eine angemessene ḫulᶜ-Abfindung ist die Rückzahlung der bereits geleisteten Brautgabe sowie der Verzicht auf die gestundete Brautgabe und den nachehelichen Unterhalt (während der Wartezeit), d. h. auf sämtliche finanziellen Rechte, die der Ehemann der Ehefrau als Folge der Eheauflösung schuldet. Kassationsgericht Abu Dhabi v. 31.3.2008, Gesch.-Z. 69/2008, ḫulᶜ-Scheidung Das erstinstanzliche Gericht kann auch ohne die Zustimmung des Ehemannes bei Festlegung einer angemessenen Abfindung auf ḫulᶜ-Scheidung urteilen, wenn für das Gericht erwiesen ist, dass aufgrund des fortdauernden ehelichen Zerwürfnisses „die Grenzen Gottes überschritten werden“. Kassationsgericht Dubai v. 20.1.2009, Gesch.-Z. 67/2008, ḫulᶜ-Scheidung 1) Da die ḫulᶜ-Scheidung ein Vertrag ist, muss eine Abfindung geleistet werden, die die Brautgabe sein kann. Die Abfindung darf nicht kleiner und nicht größer sein als die Brautgabe. 2) Die Frau, die eine ḫulᶜ-Scheidung eingeht, muss volljährig sein (die Pubertät erreicht haben), d. h. sie muss ihre Einwilligung in den Verzicht auf die ehelichen Rechte und in die Beendigung der Ehe geben können. Kassationsgericht Dubai v. 24.3.2009, Gesch.-Z. 90/2008, ḫulᶜ-Scheidung Als ḫulᶜ-Abfindung können die bereits gezahlte Brautgabe sowie die Ansprüche der Ehefrau auf die gestundete Brautgabe und ihren Unterhalt – mithin sämtliche finanziellen Rechte der Ehefrau – bestimmt werden. Dies sind sämtliche finanziellen Ansprüche, die der Ehemann seiner Ehefrau aus seinem Vermögen schuldet, und ein großer Teil der Grundlagen (āṯār) der Ehe. Kassationsgericht Dubai v. 14.4.2009, Gesch.-Z. 5/2009, Personensorge (ḥiḍāna) Die Personensorge umfasst den Schutz des Kindes, seine Erziehung und seine Behütung mit Ausnahme dessen, was im Widerspruch zum Recht des Vormundes des Kindes steht. Kassationsgericht Dubai v. 26.5.2009, Gesch.-Z. 29/2009, Personensorge (ḥiḍāna) 1) Innerhalb einer bestehenden Ehe obliegt die Personensorge vorrangig der Mutter. 2) Hält der Vater die Mutter für ungeeignet, die Personensorge auszuüben, so obliegt ihm die Beweislast. Kassationsgericht Abu Dhabi v. 3.6.2009, Gesch.-Z. 442/2009, Nachehelicher Unterhalt, mutᶜat aṭ-ṭalāq 1) Die Scheidung durch den alleinigen Willen des Ehemannes verpflichtet ihn zur Zahlung einer Entschädigung. 2) Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung sind vom zuständigen Gericht folgende Punkte zu berücksichtigen: – welche Schäden die Frau als Folge des willkürlichen Verhaltens des Ehemannes, des Missbrauchs, der verletzten Emotionen und der verletzten Würde erlitten hat; – die Dauer der Ehe, den Beitrag der Ehefrau zum Haushaltseinkommen und zum Vermögensaufbau ihres Mannes. Kassationsgericht Dubai v. 8.12.2009, Gesch.-Z. 65/2009, ḫulᶜ-Scheidung Der Verzicht auf den Unterhalt für das Kind oder die Sorgeberechtigte sind nicht als ḫulᶜAbfindung zulässig.
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Kassationsgericht Dubai v. 16.2.2010, Gesch.-Z. 124/2009, Personensorge (ḥiḍāna) 1) Die unwiderruflich geschiedene Frau, die während ihrer Wartezeit keinen Anspruch auf ehelichen Unterhalt hat, hat dennoch, als Gegenleistung für ihren Dienst und ihre Betreuung des Kindes, gegenüber dem Vormund des Kindes Anspruch auf Entlohnung für die Personensorge. 2) Dieser Anspruch besteht entsprechend dem Vermögen des Vormundes und nur, bis das Kind das Alter der Personensorge beendet hat und sofern der Vater wohlhabend ist. Kassationsgericht Abu Dhabi v. 21.4.2010, Gesch.-Z. 193/2010, Personensorge (ḥiḍāna) Eine Eheschließung der sorgeberechtigten Mutter mit einem Fremden ist kein Grund für den Entzug der Personensorge für ihren Sohn, solange die Ehe dem Kind nicht schadet und das Kindeswohl einen Verbleib bei der Mutter erfordert. Kassationsgericht Abu Dhabi v. 5.5.2010, Gesch.-Z. 219/2010, Nachehelicher Unterhalt, mutᶜat aṭ-ṭalāq 1) Hinsichtlich der Bereitstellung von Wohnraum für die Kinder und deren Mutter bestimmt Art. 148 PersStG VAE eindeutig, dass der Unterhaltspflichtige auch zur Bereitstellung einer Wohnung verpflichtet ist, es sei denn, der Sorgeberechtigte hat eine eigene private Wohnung. 2) Sofern der geschiedene Ehemann über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, hat er seiner geschiedenen Ehefrau auch ein Dienstmädchen zu stellen, das sie bei der Ausübung der Fürsorge für die gemeinsamen Kinder unterstützt. 3) Der Widerruf der Verstoßung ist zu beurkunden und der Ehefrau hinlänglich mitzuteilen. Kassationsgericht Abu Dhabi v. 30.6.2010, Gesch.-Z. 424/2010, Personensorge (ḥiḍāna) Das Familiengericht kann die weibliche Personensorge für einen Jungen bis zum 18. Lebensjahr oder bis zum sichtbaren Erreichen der Pubertät verlängern.
Quellenverzeichnisse Transliterierte arabische Nachnamen, die mit dem Artikel „al-“ beginnen, werden alphabetisch unter den Anfangsbuchstaben des „Hauptnamens“ sortiert (z. B. al-Ğundī unter „G“). Das Umschriftzeichen „ᶜ“ wird bei der alphabetischen Sortierung ignoriert (z. B. ᶜAmr unter „A“). Nicht transliterierte (assimilierte) Namen sind entsprechend der Buchstabenfolge zu finden (z. B. Al Tamimi unter „A“).
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Gesetze
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Gesetze Bahrain Staatsangehörigkeitsgesetz [Qānūn al-ğinsīya al-baḥraynīya] v. 16.9.1963/27.4.1383, GBl. Nr. 534 v. 19.9.1963/1.5.1383, o. Seitenangabe, i. d. F. der Änderungsverordnung Nr. 12/1989 v. 8.7.1989. Verordnung Nr. 13/1971 über das Gerichtssystem [Marsūm bi-qānūn bi-tanẓīm al-qaḍāᵓ] v. 7.8.1971/14.6.1391, GBl. Nr. 929 v. 12.8.1971/19.6.1391, 3–9, i. d. F. der Änderungsverordnungen Nr. 25/1986 v. 22.12.1986 und Nr. 4/1999 v. 6.1.1999. Verfassung des Staates Bahrain [Dustūr Dawlat al-Baḥrayn] v. 6.12.1973/12.11.1393, GBl. Nr. 1049 v. 6.12.1973/12.11.1393, 4–26. Gesetz über die Vermögenssorge [Qānūn bi-šaᵓn al-wilāya ᶜalā l-māl] v. 28.3.1986/ 17.7.1406, GBl. Nr. 1688 v. 3.4.1986/23.7.1406, 4–22. Änderungsverordnung Nr. 25/1986 über die Änderung einiger Bestimmungen des DekretGesetzes Nr. 13/1971 über das Gerichtssystem [Marsūm bi-qānūn bi-šaᵓn taᶜdīl baᶜḍ aḥkām al-marsūm bi-qānūn bi-tanẓīm al-qaḍāᵓ] v. 22.12.1986/20.4.1407, GBl. Nr. 1726 v. 25.12.1986/23.4.1408, 3–4. Verordnung Nr. 26/1986 über die Prozessordnung der Scharia-Gerichte [Marsūm biqānūn bi-šaᵓn al-iğrāᵓāt amām al-maḥākim aš-šarᶜīya] v. 22.12.1986/20.4.1407, GBl. 1726 v. 25.12.1986/23.4.1408, 5–17. Verordnung Nr. 12/1989 über die Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes [Qānūn bišaᵓn taᶜdīl qānūn al-ğinsīya al baḥraynīya] v. 8.7.1989/5.12.1409, GBl. Nr. 1859 v. 13.7.1989/9.12.1409, 3–4. Änderungsverordnung Nr. 4/1999 über die Änderung einiger Bestimmungen des DekretGesetzes Nr. 13/1971 über über das Gerichtssystem [Marsūm bi-qānūn bi-taᶜdīl baᶜḍ aḥkām al-marsūm bi-qānūn bi-šaᵓn bi-tanẓīm al-qaḍāᵓ] v. 6.1.1999/19.9.1419, GBl. Nr. 2354 v. 6.1.1999/19.9.1419, 29–32. Verordnung Nr. 26/2000 über die Organisation von Maßnahmen in Bezug auf Klagen zum Erwerb oder zur Änderung von Namen und Familiennamen [Marsūm bi-qānūn bi-šaᵓn tanẓīm iğrāᵓāt daᶜāwā iktisāb al-asmāᵓ wa-l-alqāb wa-taᶜdīlhā] v. 15.10.2000/ 17.7.1421, GBl. Nr. 2447 v. 18.10.2000/21.7.1421, 21–35. Nationaler Aktionsplan [Mīṯāq al-ᶜamal al-waṭanī], in Kraft getreten durch Verordnung Nr. 17/2001 [Amr amīri bi-t-taṣdīq ᶜalā mīṯāq al-ᶜamal al-waṭanī] v. 16.2.2001/ 22.11.1421, GBl. Nr. 2465 (Suppl./mulḥaq) v. 21.2.2001/27.11.1421, 3–35. Einführungsgesetz Nr. 19/2001 zum Zivilgesetzbuch [Qānūn bi-iṣdār al-qānūn al-madanī] v. 3.5.2001/9.2.1422, GBl. Nr. 2476 (Suppl./mulḥaq) v. 9.5.2001/15.2.1422, a–b. Zivilgesetzbuch [Al-qānūn al-madanī] v. 3.5.2001/9.2.1422, GBl. Nr. 2476 (Suppl./mulḥaq) v. 9.5.2001/15.2.1422, 1–190. Verfassung des Königreiches Bahrain [Dustūr Mamlakat al-Baḥrayn] v. 14.2.2002/ 2.12.1422, GBl. Nr. 2517 v. 14.2.2002/2.12.1422, 3–32. Gesetz Nr. 27/2002 über die Errichtung des Verfassungsgerichtes [Qānūn bi-inšāᵓ almaḥkama ad-dustūrīya] v. 14.9.2002/7.7.1423, GBl. Nr. 2548 v. 18.9.2002/11.7.1423, 24–30. Einführungsverordnung Nr. 42/2002 zum Gesetz über die richterliche Gewalt [Marsūm bi-qānūn bi-iṣdār qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 20.10.2002/14.8.1423, GBl. Nr. 2553 v. 23.10.2002/17.8.1423, 3–4. Gesetz über die richterliche Gewalt [Qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 20.10.2002/ 14.8.1423, GBl. Nr. 2553 v. 23.10.2002/17.8.1423, 5–21, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 50/2006 v. 2.8.2006.
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Quellenverzeichnisse
Gesetz Nr. 11/2004 über die gesundheitliche Prüfung von Heiratswilligen beider Geschlechter [Qānūn al-faḥṣ aṭ-ṭibbī li-l-muqbilayn ᶜalā z-zawāğ min al-ğinsayn] v. 22.1.2004/4.5.1425, GBl. Nr. 2640 v. 23.6.2004/5.5.1425, 7–8. Ministerialbeschluss Nr. 32/2005 über die Ordnung der gesetzlich Bevollmächtigten zur Eheschließung [Qarār wizārī bi-šaᵓn lāᵓiḥat al-maᵓḏūnīn aš-šarᶜīyīn wa-aḥkām tauṯīq al-muḥarrirāt al-mutaᶜalliqa bi-l-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 29.10.2005/28.9.1426, GBl. Nr. 2711 v. 2.11.2005/30.9.1426, 13–27. Änderungsgesetz Nr. 50/2006 zum Gesetz über die richterliche Gewalt [Qānūn bi-šaᵓn taᶜdīl baᶜḍ aḥkām qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 2.8.2006/8.7.1427, GBl. Nr. 2751 v. 9.8.2006/15.7.1427, 5–6. Verordnung Nr. 45/2007 über die Ordnung der gesetzlich Bevollmächtigten zur Eheschließung und die Bestimmungen über die Beurkundung von Dokumenten im Zusammenhang mit dem Personalstatut [Qarār bi-šaᵓn lāᵓiḥat al-maᵓḏūnīn aš-šarᶜīyīn wa-aḥkām tauṯīq al-muḥarrirāt al-mutaᶜalliqa bi-l-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 23.9.2007/ 11.9.1428, GBl. Nr. 2812 v. 11.10.2007/29.9.1428, 15–25. Einführungsgesetz Nr. 19/2009 zum Familiengesetzbuch (erster Teil) [Qānūn bi-iṣdār qānūn aḥkām al-usra (al-qism al-awwal)] v. 27.5.2009/3.6.1430, GBl. Nr. 2898 v. 4.6.2009/11.6.1430, 5–6. Familiengesetzbuch (erster Teil) [Qānūn aḥkām al-usra (al-qism al-awwal)] v. 27.5.2009/3.6.1430, GBl. Nr. 2898 v. 4.6.2009/11.6.1430, 7–30.
Katar Provisorisches Grundgesetz Katar [An-niẓām al-asāsī al-muᵓaqqat li-l-ḥukm fī Qaṭar] v. 2.4.1970/25.1.1389, GBl. Nr. 4 v. 2.4.1970/25.1.1389, 1–8. Gesetz Nr. 13/1971 über das System der ᶜadlīya-Gerichte [Qānūn bi-niẓām al-maḥākim al-ᶜadlīya] v. 25.8.1971/4.7.1391, GBl. Nr. 7 v. 30.8.1971/9.7.1391, 1–5, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 4/1988 v. 30.3.1988 (Hinweis: GerichtsVerfG Katar 1971 wurde durch GerichtsVerfG Katar 2003 aufgehoben). Strafgesetzbuch Katar [Qānūn ᶜuqūbāt Qaṭar] v. 25.8.1971/4.7.1391, GBl. Nr. 7 v. 30.8.1971/9.7.1391, 6–40, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 2/1988 v. 15.3.1988. Geändertes Provisorisches Grundgesetz des Staates Katar [An-niẓām al-asāsī al-muᵓaqqat al-muᶜaddal li-l-ḥukm fī Dawlat Qaṭar] v. 19.4.1972/5.3.1392, GBl. Nr. 5 v. 22.4.1972/8.3.1392, 1–9. Gesetz Nr. 5/1982 über die Organisation bei der Registrierung von Geburten und Todesfällen [Qānūn bi-šaᵓn tanẓīm al-mawālid wa-l-wafīyāt] v. 9.3.1982/13.5.1402, GBl. Nr. 3 v. 10.4.1982/15.6.1402, 2–6, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 20/2007 v. 14.8.2007. Änderungsgesetz Nr. 2/1988 zum Strafgesetzbuch Katar [Qānūn bi-šaᵓn taᶜdīl baᶜḍ aḥkām qānūn ᶜuqūbāt Qaṭar] v. 15.3.1988/27.7.1408, GBl. Nr. 4 v. 17.4.1988/ 29.8.1408, 1–2. Änderungsgesetz Nr. 4/1988 zum Gesetz Nr. 13/1971 über das System der ᶜadlīyaGerichte [Qānūn bi-šaᵓn taᶜdīl baᶜḍ aḥkām al-qānūn bi-niẓām al-maḥākim al-ᶜadlīya] v. 30.3.1988/12.8.1408, GBl. Nr. 4 v. 17.4.1988/29.8.1408, 4. Gesetz Nr. 21/1989 über die Ehe mit Ausländern [Qānūn bi-šaᵓn tanẓīm az-zawāğ min alağānib] v. 25.12.1989/27.5.1410, GBl. Nr. 16 v. 31.12.1989/2.6.1410, 7–10, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 8/2005 v. 17.3.2005.
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Königliche Verordnung Nr. 11/1999 über die Gründung einer Kommission zur Vorbereitung der permanenten Verfassung und über die Spezifizierung der Kompetenzen der Kommission [Qarār amīrī bi-taškīl lağnat iᶜdād ad-dustūr wa-taᶜyīn iḫtiṣāṣātihā] v. 12.7.1999/28.3.1420, GBl. Nr. 8 v. 29.8.1999/18.5.1420, 40–43. Einführungsgesetz Nr. 10/2003 zum Gesetz über die richterliche Gewalt [Qānūn bi-iṣdār qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 12.8.2003/14.6.1424, GBl. Nr. 9 v. 1.10.2003/5.8.1424, 11–12. Gesetz über die richterliche Gewalt [Qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] v. 12.8.2003/14.6.1424, GBl. Nr. 9 v. 1.10.2003/5.8.1424, 13–33, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 21/2010 v. 7.11.2010. Einführungsgesetz Nr. 22/2004 zum Zivilgesetzbuch [Qānūn bi-iṣdār al-qānūn almadanī] v. 30.6.2004/12.5.1425, GBl. Nr. 11 v. 8.8.2004/22.6.1425, 1–2. Zivilgesetzbuch [Al-qānūn al-madanī] v. 30.6.2004/12.5.1425, GBl. Nr. 11 v. 8.8.2004/ 22.6.1425, 3–389. Gesetz Nr. 40/2004 über die Vermögenssorge für Minderjährige und ihnen gleichgestellte Personen [Qānūn bi-šaᵓn al-wilāya ᶜalā l-amwāl al-qaṣrīn] v. 14.12.2004/2.11.1425, GBl. Nr. 2 v. 15.2.2005/6.1.1426, 2–16. Permanente Verfassung des Staates Katar [Ad-dustūr ad-dāᵓim li-Dawlat Qaṭar] v. 8.6.2004/20.4.1425, GBl. Nr. 6 v. 8.6.2005/1.3.1426, 3–37. Änderungsgesetz Nr. 8/2005 zum Gesetz Nr. 21/1989 über die Ehe mit Ausländern [Qānūn bi-taᶜdīl baᶜḍ aḥkām al-qānūn bi-šaᵓn tanẓīm az-zawāğ min al-ağānib] v. 17.3.2005/6.2.1426, GBl. Nr. 5 v. 24.5.2005/15.4.1426, 67–68. Staatsangehörigkeitsgesetz Nr. 38/2005 [Qānūn al-ğinsīya al-qaṭarīya] v. 30.10.2005/ 27.9.1426, GBl. Nr. 12 v. 29.12.2005/27.11.1426, 33–38. Einführungsgesetz Nr. 22/2006 zum Familiengesetzbuch [Qānūn bi-iṣdār qānūn al-usra] v. 29.6.2006/3.6.1427, GBl. Nr. 8 v. 28.8.2006/4.8.1427, 31. Familiengesetzbuch [Qānūn al-usra] v. 29.6.2006/3.6.1427, GBl. Nr. 8 v. 28.8.2006/ 4.8.1427, 32–99. Änderungsgesetz Nr. 20/2007 zum Gesetz Nr. 5/1982 über die Organisation bei der Registrierung von Geburten und Todesfällen [Qānūn bi-šaᵓn taᶜdīl baᶜḍ aḥkām al-qānūn bi-šaᵓn tanẓīm al-mawālid wa-l-wafayāt] v. 14.8.2007/1.8.1428, GBl. Nr. 11 v. 25.11.2007/15.11.1428, 5–6. Gesetz Nr. 12/2008 über die Errichtung des Obersten Verfassungsgerichtes [Qānūn biinšāᵓ al-maḥkama ad-dustūrīya al-ᶜālīya] v. 18.6.2008/14.6.1429, GBl. Nr. 8 v. 25.8.2008/24.8.1429, 5–15. Änderungsgesetz zum Gesetz über die richterliche Gewalt [Qānūn bi-šaᵓn taᶜdīl baᶜḍ aḥkām qānūn as-sulṭa al-qaḍāᵓīya] Nr. 21/2010 v. 7.11.2010/1.12.1431, GBl. Nr. 12 v. 30.12.2010/24.1.1432, 9–11.
Vereinigte Arabische Emirate Bundesgesetze Provisorische Verfassung der Vereinigten Arabischen Emirate [Ad-dustūr al-muᵓaqqat lil-Imārāt al-ᶜArabīya al-Muttaḥida] v. 18.7.1971/24.5.1391, GBl. Nr. 1 v. 19.12.1971/ 1.11.1391, 1–39, i. d. F. der Änderungsgesetze Nr. 1/1996 v. 2.12.1996 und Nr. 1/2009 v. 10.2.2009. Staatsangehörigkeitsgesetz Nr. 17/1972 [Qānūn fī šaᵓn al-ğinsīya wa-ğawāzāt as-safar] v. 18.11.1972/13.10.1392, GBl. Nr. 7 v. 28.11.1972/23.10.1392, 4–14, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 10/1975 v. 15.11.1975.
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Quellenverzeichnisse
Änderungsgesetz Nr. 10/1975 zum Staatsangehörigkeitsgesetz Nr. 17/1972 [Qānūn bitaᶜdīl baᶜḍ mawādd qānūn al-ğinsīya wa-ğawāzāt as-safar] v. 15.11.1975/11.11.1395, GBl. Nr. 32 v. 26.11.1975/22.11.1395, 22–27. Bundesgesetz Nr. 6/1978 über die Errichtung der Bundesgerichte [Qānūn ittiḥādī fī šāᵓn inšāᵓ maḥākim ittiḥādīya] v. 5.6.1978/29.6.1398, GBl. Nr. 58 v. 10.6.1978/4.7.1398, 17–19, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 18/1991 v. 10.1.1991. Entwurf eines Bundesgesetzes über das Personalstatut v. 1979 [Mašrūᶜ qānūn ittiḥādī lisana 1979 bi-iṣdār qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya]. Einführungsgesetz Nr. 5/1985 zum Gesetz über die zivilen Rechtsgeschäfte [Qānūn ittihādī bi-iṣdār qānūn al-muᶜāmalāt al-madanīya] v. 15.12.1985/3.4.1406, GBl. Nr. 158 v. 29.12.1985/17.4.1406, 11–13. Gesetz über die zivilen Rechtsgeschäfte [Qānūn al-muᶜāmalāt al-madanīya li-Dawlat al-Imārāt al-ᶜArabīya al-Muttaḥida] v. 15.12.1985/3.4.1406, GBl. Nr. 158 v. 29.12.1985/17.4.1406, 14–341, Berichtigung in GBl. Nr. 161 v. 31.3.1986/20.7.1406, 655–657. Einführungsgesetz Nr. 3/1987 zum Strafgesetzbuch [Qānūn ittiḥādī bi-iṣdār qānūn alᶜuqūbāt] v. 8.12.1978/17.4.1408, GBl. Nr. 182 v. 20.12.1987/28.4.1408, 7–8. Strafgesetzbuch [Qānūn al-ᶜuqūbāt] v. 8.12.1978/17.4.1408, GBl. Nr. 182 v. 20.12.1987/28.4.1408, 9–217. Änderungsgesetz Nr. 18/1991 zum Bundesgesetz Nr. 6/1978 über die Errichtung der Bundesgerichte [Qānūn bi-taᶜdīl baᶜḍ aḥkām al-qānūn al-ittiḥādīya fī šāᵓn inšāᵓ maḥākim ittiḥādīya] v. 10.1.1991/23.6.1411, GBl. Nr. 226 v. 24.6.1991/11.12.1411, 19–20. Bundesgesetz Nr. 47/1992 über die Errichtung des Ehefonds [Qānūn ittiḥādī fī šaᵓn inšāᵓ ṣundūq az-zawāğ] v. 10.12.1992/15.6.1413, GBl. Nr. 246 v. 21.12.1992/26.6.1413, 11–18, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 7/2010 v. 7.10.2010. Einführungsgesetz Nr. 11/1992 zur Zivilprozessordnung [Qānūn ittiḥādī bi-iṣdār qānūn al-iğrāᵓāt al-madanīya] v. 24.2.1992/21.8.1412, GBl. Nr. 235 v. 8.3.1992/5.9.1412, 5–6. Zivilprozessordnung [Qānūn ittiḥādī fī šaᵓn al-iğrāᵓāt al-madanīya] v. 24.2.1992/ 21.8.1412, GBl. Nr. 235 v. 8.3.1992/5.9.1412, 7–241, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 30/2005 v. 30.11.2005. Änderungsgesetz zur Verfassung Nr. 1/1996 [Taᶜdīl dustūrī] v. 2.12.1996/22.7.1417, GBl. Nr. 300 v. 31.12.1996/21.8.1417, 19. Bundesgesetz Nr. 21/1997 über die Begrenzung der Höhe der Brautgabe und der Ausgaben für die Eheschließung [Qānūn ittiḥādī fī šaᵓn taḥdīd al-mahr fī ᶜaqd az-zawāğ wamašārīfuhu] v. 21.12.1997/21.8.1418, GBl. Nr. 312 v. 31.12.1997/2.9.1418, 43–45. Bundesgesetz Nr. 28/2005 über das Personalstatut [Qānūn ittiḥādī fī šaᵓn al-aḥwāl aššaḫṣīya] v. 19.11.2005/17.10.1426, GBl. Nr. 439 v. 30.11.2005/28.10.1426, 9–118; Erklärendes Memorandum zum PersStG [Al-muḏakkira al-īḍāḥīya li-qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya], a. a. O., 119–478. Änderungsgesetz zur Zivilprozessordnung Nr. 30/2005 [Qānūn ittiḥādī bi-taᶜdīl baᶜḍ aḥkām qānūn ittiḥādī bi-iṣdār qānūn al-iğrāᵓāt al-madanīya wa-baᶜḍ aḥkām qānūn aliğrāᵓāt al-madanīya] v. 30.11.2005/28.10.1426, GBl. Nr. 440 v. 14.12.2005/11.11.1426, 27–49. Ministerialbeschluss Nr. 249/2007 über die Ordnung der Bevollmächtigten zur Eheschließung [Qarār wizārī fī šaᵓn lāᵓiḥat al-maᵓḏūnīn] v. 17.4.2007/29.3.1428, GBl. Nr. 465 v. 31.5.2007/14.5.1428, 791–805. Änderungsgesetz zur Verfassung Nr. 1/2009 [Taᶜdīl dustūrī] v. 10.2.2009/16.2.1430, GBl. Nr. 493 v. 24.5.2009/29.5.1430, 15–17.
Gesetze
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Bundesgesetz Nr. 18/2009 über die Regelung der Eintragung von Geburten und Todesfällen [Qānūn fī šaᵓn tanẓīm qayd al-mawālid wa-l-wafayāt] v. 31.12.2009/14.1.1431, GBl. Nr. 503 v. 13.1.2010/27.1.1431, 26–32. Änderungsgesetz Nr. 7/2010 zum Bundesgesetz Nr. 47/1992 über die Errichtung des Ehefonds [Qānūn ittiḥādī bi-taᶜdīl baᶜḍ aḥkām al-qānūn al-ittiḥādī fī šaᵓn ṣundūq azzawāğ] v. 7.10.2010/28.10.1431, GBl. Nr. 513 v. 13.10.2010/5.11.1431, 17–22. Verordnung Nr. 1/2011 über die Ordnung der Familienberatung [Qarār wizārī fī šaᵓn lāᵓiḥat at-tawğīh al-usrī] v. 3.1.2011/28.1.1432, GBl. Nr. 522 v. 28.4.2011/25.5.1432, 17, i. d. F. der Änderungsverordnung Nr. 563/2013 v. 15.7.2013. Bundesgesetz Nr. 1/2012 über die Betreuung von Kindern unbekannter Abstammung [Qānūn fī šaᵓn riᶜāyat al-aṭfāl mağhūlī n-nasab] v. 24.5.2012/3.7.1433, GBl. Nr. 537 v. 7.6.2012/17.7.1433, 9–18. Ministerialbeschluss Nr. 785/2012 über die Ordnung der Bevollmächtigten zur Eheschließung [Qarār wazīr al-ᶜadl fī šaᵓn lāᵓiḥat al-maᵓḏūnīn] v. 25.9.2012/9.11.1433, GBl. Nr. 542 v. 23.10.2012/7.12.1433, 175–187. Änderungsverordnung Nr. 563/2013 zur Änderung der Ordnung der Familienberatung [Qarār wizārī fī šaᵓn taᶜdīl lāᵓiḥat at-tawğīh al-usrī] v. 15.7.2013/7.9.1434, GBl. Nr. 553 v. 29.8.2013/22.10.1434, 177–184.
Emiratsgesetze Abu Dhabi Courts Law, GBl. Nr. 6 v. November 1968, zitiert in: Al-Muhairi, Arab Law Quarterly, 11.2(1996), 129, Fn. 61. Dubai Courts Law, GBl. Nr. 94 v. September 1970, zitiert in: Al-Muhairi, Arab Law Quarterly, 11.2(1996), 129, Fn. 66. Dubai Gesetz Nr. 3/1992 über die Bildung der Gerichte im Emirat Dubai [Qānūn taškīl al-maḥākim fī imārat Dubayy] v. 17.5.1992/15.11.1412, GBl. Dubai Nr. 196 v. 2.6.1992/1.12.1412, 5–17. Ordnung der Bevollmächtigten zur Eheschließung im Emirat Dubai [Niẓām al-maᵓḏūnīn aš-šarᶜiyīn fī imārat Dubayy] v. 17.4.2006/19.3.1427, GBl. Dubai Nr. 313 v. 20.5.2006/22.4.1427, 34–42. Abu Dhabi Gesetz Nr. 23/2006 über das Gerichtswesen im Emirat Abu Dhabi [Qānūn bišaᵓn dāᵓirat al-qaḍāᵓ fī imārat Abū Ẓabī] v. 7.12.2006/26.11.1427, GBl. Abu Dhabi Nr. 36 (Sondernr./ᶜadad ḫāṣṣ) v. 14.5.2007/28.4.1428, 7–22.
Golfkooperationsrat Personalstatutssystem des Golfkooperationsrates von 1997 [An-niẓām (al-qānūn) almuwaḥḥad li-l-aḥwāl aš-šaḫṣīya li-duwal Mağlis al-Taᶜāwun li-Duwal al-Ḫalīğ alᶜArabīya].
Weitere islamische Länder Ägypten, Gesetz Nr. 1/2000 zur Regelung einiger Grundsätze und Maßnahmen der Prozessführung in Angelegenheiten des Personalstatuts [Qānūn tanẓīm baᶜḍ awḍāᶜ wa-iğrāᵓāt at-taqāḍī fī masāᵓil al-aḥwāl aš-šaḫṣīya], GBl. Nr. 4 mukarrar v. 29.1.2000/23.10.1420, 5–30, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 91/2000 v. 18.5.2000/ 14.2.1421, GBl. Nr. 20 tābiᶜ (a) v. 18.5.2000/14.2.1421, 11–12.
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Quellenverzeichnisse
—, Gesetz Nr. 91/2000 zur Änderung des Gesetzes zur Regelung einiger Grundsätze und Maßnahmen der Prozessführung in Angelegenheiten des Personalstatuts [Qānūn bi taᶜdīl baᶜḍ aḥkām qānūn tanẓīm baᶜḍ awḍāᶜ wa-iğrāᵓāt at-taqāḍī fī masāᵓil al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 18.5.2000/14.2.1421, GBl. Nr. 20 tābiᶜ (a) v. 18.5.2000/14.2.1421, 11– 12. Irak, Gesetz Nr. 188/1959 über das Personalstatut [Qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 19.12.1959/18.6.1379, GBl. Nr. 280 v. 30.12.1959/29.6.1379, 889–906. Jordanien, Gesetz Nr. 61/1976 über das Personalstatut [Qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 5.9.1976/11.9.1396, GBl. Nr. 2668 v. 1.12.1976/9.12.1396, 2756–2777, i. d. F. des temporären Änderungsgesetzes Nr. 82/2001 zum Gesetz Nr. 61/1976, GBl. Nr. 4524 v. 31.12.2001/16.10.1422, 5998 ff., zitiert in: Welchman, Muslim family laws, 158. —, Temporäres Personalstatutsgesetz Nr. 36/2010 [Qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 26.9.2010/17.10.1431, GBl. Nr. 5061 v. 17.10.2010/9.11.1431, 5809–5888. Kuwait, Gesetz Nr. 51/1984 über das Personalstatut [Qānūn fī šaᵓn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 7.7.1984/8.10.1404, GBl. Nr. 1570 v. 23.7.1984/24.10.1404, 2–33. Marokko, Personalstatutsgesetz [Mudawwanat al-aḥwāl aš-šaḫṣīya], Buch 1 (Die Ehe) und Buch 2 (Die Auflösung des ehelichen Bündnisses und ihre Wirkungen) v. 22.11.1957/28.4.1377, GBl. Nr. 2354 v. 6.12.1957/13.5.1377, 2633–2638. —, Königliche Einführungsverordnung Nr. 1.04.22 zu Gesetz Nr. 70.03 über das Familiengesetzbuch [Ẓahīr šarīf bi-tanfīḏ al-qānūn bi-maṯābat mudawwanat al-usra] v. 3.2.2004/12.12.1424, GBl. Nr. 5184 v. 5.2.2004/14.12.1424, 418–421. —, Gesetz Nr. 70.03 über das Familiengesetzbuch [Qānūn bi-maṯābat mudawwanat alusra] v. 3.2.2004/12.12.1424, GBl. Nr. 5184 v. 5.2.2004/14.12.1424, 421–452. Oman, Königliche Verordnung Nr. 32/1997 zur Verkündung des Personalstatutsgesetzes [Marsūm sulṭānī bi-iṣdār qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 4.6.1997/28.1.1418, GBl. Nr. 601 v. 15.6.1997/9.2.1418, 6. —, Personalstatutsgesetz [Qānūn al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 4.6.1997/28.1.1418, GBl. Nr. 601 v. 15.6.1997/9.2.1418, 7–56. Tunesien, Personalstatutsgesetz [Mağallat al-aḥwāl aš-šaḫṣīya] v. 13.8.1956/6.1.1376, GBl. Nr. 66 v. 17.8.1956/10.1.1376, 1544–1554. —, Staatsangehörigkeitsgesetz [Qānūn al-ğinsīya at-tūnisīya] v. 26.1.1956/12.6.1375, GBl. Nr. 8 v. 27.1.1956/13.6.1375, 157–162, i. d. F. des Änderungsgesetzes Nr. 201055 v. 1.12.2010. —, Personenstandsgesetz [Qānūn yataᶜallaq bi-tanẓīm al-ḥāla al-madanīya] v. 1.8.1957/ 4.1.1377, GBl. Nr. 2-3 v. 30.7. & 2.8.1957/2. & 5.1.1377, 11–16. —, Änderungsgesetz Nr. 2010-55 zum Staatsangehörigkeitsgesetz [Qānūn yataᶜallaq bitanqīḥ baᶜḍ aḥkām mağallat al-ginsīya at-tūnisīya] v. 1.12.2010/25.12.1431, GBl. Nr. 97 v. 3.12.2010/27.12.1431, 3436.
Internationale Verträge Bahrain Order in Council 1959, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 25 v. 1.8.1959, 7–34. Bahrain Transfer of Jurisdiction Regulation 1960, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 31 v. 1.1.1961, o. S. Foreign Jurisdiction Act 1890 [53 & 54 Vict[oria]. Ch. 37]. Foreign Jurisdiction Act 1913 [3 & 4 Geo[rge]. 5, Ch. 16]. Qatar Order in Council 1959, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 25 v. 1.8.1959, 63–90. Qatar Transfer of Jurisdiction Regulation 1960, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 31 v. 1.1.1961, o. S.
Gesetze
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Trucial States Order in Council 1959, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 25 v. 1.8.1959, 91–118. Trucial States Transfer of Jurisdiction Regulation 1960, Persian Gulf Gazette Suppl. Nr. 31 v. 1.1.1961, o. S. Übereinkommen über die Rechte des Kindes, durch Resolution der UNGeneralversammlung Nr. 44/25 am 20.11.1989 angenommen, dt. Fassung abgedruckt in BGBl. II 1992, 122–144. Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, durch Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 34/180 am 18.12.1979 angenommen, dt. Fassung abgedruckt in: BGBl. II 1985, 648–661. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, BGBl. II 1985, 927–960.
Sach- und Personenregister Abbasiden-Dynastie 3, 22, 34, 45 Abstammung 1, 135, 148 f., 152 ff., 158, 165 Abu Dhabi 8, 47, 49 f., 53, 56, 81 f., 86 f., 90, 93 – Gerichtsbarkeit 81 f., 86 f., 90, 93 – Kassationsgericht 86, 170, 173, 176, 177 ff., 185, 191 f., 195 ff., 204 – Nahyan-Dynastie 47 Adoption 1, 15, 105, 153 Ägypten 4, 6, 32, 36 ff., 49 f., 59, 70 ff., 76, 79 ff., 85 f., 88, 155, 164, 166 ff., 182, 184, 205, 209 – Al-Azhar-Universität 85, 168 – Gemischte Gerichte 36 f., 76 – ḫulᶜ-Scheidung 166 ff., 182, 184 ägyptischer Rechtskreis 36 ff., 205 Al Khalifa, Hamad b. Isa 54, 58, 60, 62, 98 Al Khalifa, Isa b. Salman 51 f., 54 Al Nahyan, Zayed b. Sultan 56, 113 Al Thani, Hamad b. Khalifa 59 ff. Al Thani, Tamim b. Hamad 59, 61 al-Wifāq 63, 115, 118 Analogieschluss, siehe qiyāṣ ᶜaqd 25, 124, 131 ᶜaql 17, 159, 181, 192 Arabisierung des Rechts 79, 83 Bahrain – Eherecht 91 f., 124 ff., 158 ff., 202 f., 207 – Frauenrechtsorganisationen 65, 69, 98 ff., 109 f., 112, 114 f., 172, 199, 206, 213 f. – Gerichtssystem 79 f., 82 f., 84 ff. – Gesetzgebungsausschüsse 98 f., 113 ff. – Gewaltenteilung 53, 123 – interkonfessionelle Ehen 85
– Intifada 59, 69 – Khalifa-Dynastie 47, 52, 54, 56 – Kindschaftsrecht 149 ff., 186 ff., 204, 208 – Kodifikation des schiitischen Familienrechts 99, 101 f., 109 f., 113 f., 115 ff. – Kodifikationsprozess 98 ff., 108 ff., 113 ff. – Konfessionalismus 51 f., 54 f., 87 f., 99, 101 f., 110, 112, 114 ff., 117, 206 – Ordnung v. 2007 91 f., 94, 125 f., 131, 137, 159, 162 – Parlamentarismus 53 ff, 62 f. – Rechtswahl 85 – Scheidungsrecht 91, 136 ff., 165 ff., 203 f., 207 – staatsrechtliche Strukturen 51 f., 53 ff., 58 ff., 62 ff. – Verfassungsreform 62 f. – Zivilgesellschaft 64 f., 98, 111, 117 Bahrain Human Rights Watch Society 109 f. Bahrain Womenʼs Union, BWU 69, 98, 100 f., 109, 114 f., 173 f., 199, 209 f., 214 Beischlaf – außerehelicher 193 – irrtümlicher 153 Besuchsehe, siehe misyār-Ehe Betreuungsunterhalt, siehe Unterhalt – Bildungschancen von Frauen in der Golfregion 67 f., 71, 133, 160 f. Brautgabe 14, 24, 93 f., 134 f., 139, 143 ff., 167, 169 f., 172, 177, 181, 184 ff., 200, 208 – gesetzliche Begrenzung in den VAE 93 f., 169, 184 – und ḫulᶜ-Scheidung 167, 169 f., 172, 184 ff.
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Sach- und Personenregister
bulūġ 159, 181, 188 ff., 201, 220 ff. CEDAW-Komitee 105 ff. Civil Law 27, 30, 35 ff., 78 f., 88, 205 f. – Rezeption im arabischen Raum 34 ff., 78 f., 88, 205 f. Code civil 27, 30 ff., 37 Common Law 5, 35, 76, 78 f., 88 ḍarar 4, 121, 129, 139 ff., 157, 166, 175, 178, 180 f., 183, 185, 203, 207 – als Scheidungsgrund der Ehefrau 4, 121, 129, 139 ff., 157, 180 – als Scheidungsgrund des Ehemannes 141, 180 f., 183, 203, 207 Diskriminierungsverbot 65 f. Dubai 8, 47, 49, 53, 78, 82, 86 f., 90, 93, 162, 173 – Gerichtsbarkeit 82, 86 f., 90, 93 – Kassationsgericht 86 f., 90, 94, 122, 150 ff., 169 ff., 185, 187, 193, 196 – Maktum-Dynastie 47 Ehe – interreligiöse 197, 201, 208 – Vollzug der 125, 135, 139, 145, 148, 188 f. – Wirksamkeit der 41, 124 ff., 131, 134 ff., 152 f., 161, 163 f., 182 Eheauflösung, siehe Scheidung Ehefonds – in Katar 93 – in den VAE 93 f., 182 Ehehindernisse 92, 134 ff., 192 f., 200 Ehemündigkeit 4, 41, 91, 94, 159 ff., 181 f., 192, 202 Eheschließung – amtlicher Trauschein 128, 132, 157, 161, 202 – Form der 163 – Grundelemente der 25, 124, 135 – Kosten der 93 f., 160, 206 – mit Ausländern 92, 94 – Registrierung der 4, 91, 94, 159 ff., 181 f., 202 – Vereinbarung von Zusatzbestimmungen bei der 41, 130 ff., 156, 161, 202 Eheschließungsbeamte 25, 91 f., 124, 126 ff., 131 f., 157, 161ff. Ehevormund, siehe Ehevormundschaft
Ehevormundschaft 25, 41, 91, 111, 124 ff., 135, 153, 164, 207 – nach malikitischer Lehre 126 f. – in Marokko 126 f. Ehewirkung – persönliche 124, 132 f., 156 f., 202 – vermögensrechtliche 124, 134, 156 f., 202 Ehrverbrechen 193 ff., 220 Entschädigung, siehe mutᶜat aṭ-ṭalāq Erbrecht 148 Erwerbstätigkeit von Frauen in der Golfregion 66 f., 71, 88 f., 133, 175 exterritoriale Jurisdiktion 5, 8, 74 ff., 80, 205 Gehorsamspflicht 132, 134, 139 f., 143 ff., 156 General Womenʼs Union, GWU 69, 96 f., 110, 114, 188 f., 209 f. Gerichtssysteme – in Bahrain 79 f., 82 f., 84 ff. – in Katar 79 ff., 83 f. – in den VAE 81 f., 86 f., 90, 93 Gewaltenteilung – in Bahrain 53, 123 – in Katar 123 – in den VAE 123 Gewohnheitsrecht – tribales 72 f., 76 – ᶜurf, ᶜāda , vorislamisches Gewohnheitsrecht 14 f. Golfkooperationsrat 6 f., 58, 70, 89, 92, 120 Großbritannien – als Schutzmacht in der Golfregion 5 f., 8, 45 ff., 77 f., 88 – Rückzug aus der Golfregion 49 f., 77 Gütertrennung 134, 175 hanafitische Rechtsschule 4, 16, 36, 39, 121 hanbalitische Rechtsschule 4, 8, 41, 73, 90, 120 f., 124 f., 130 f., 138, 151, 157, 188, 198 häusliche Gewalt 141 f. ḥawza 85 – Heiratswilligegesundheitliche Prüfung von 92, 145, 162
Sach- und Personenregister Herrschaftskonzepte in der Golfregion 47 f. ḥiḍāna, siehe Personensorge hiğra 13 ḫulᶜ-Abfindung – angemessene 170, 183 ff., 199 f. – gerichtliche Bestimmung der 170 ff, 184 ff. – gesetzliche Obergrenze der 169, 174 – Höhe der 171 ff.; 184 ff. ḫulᶜ-Scheidung – außergerichtliche 167, 171, 173 – in Bahrain 169 ff. – im klassischen islamischen Recht 166 f. – in Katar 169 ff. – vor der Kodifikation 171 ff. – in den VAE 169 ff., 183 ff. Ibn al-Muqaffa 34 f. ᶜidda 15, 17, 24 f., 135 f., 138 f., 146, 148 f., 170, 174 ff., 179, 185 iğmāᶜ 18 f. iğtihād 21 f. Irak 16, 36 ff., 49, 58, 70, 85, 115 f., 180 Iran 23, 46, 50, 56, 58, 75, 85, 130, 132, 136 f. islamisches Recht 2 f., 8 f., 13 ff., 33 ff., 42, 72 ff., 76 f., 88 f., 91, 94 f., 99, 104, 110, 121, 130, 133, 149, 159, 186, 201, 204 f. – Quellen und Methoden des 16 ff. – unkodifiziertes, klassisches 13 ff., 73 f., 87 ff., 94 f., 99, 120, 201, 205, 210 istiṣlāḥ, siehe maṣlaḥa ius commune 27 f. Jamsheer, Ghada 98, 100, 109 f. Jordanien 6, 36 f., 63 f., 161, 164, 168, 171, 182 Katar – Eherecht 92, 142 ff., 158 ff., 202 f., 207 – Familienberatungsstellen 140 – Gerichtssystem 79 ff., 83 f. – Gerichtsverfassungsgesetz 80 f., 84 – Gesetzgebungsausschüsse 112
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– Kassationsgericht 84, 90, 122, 145 ff., 189 ff., 197 – Kindschaftsrecht 149 ff., 186 ff., 204, 208 – Kodifikationsprozess 96, 112, 114 – Scheidungsrecht 136 ff., 165 ff., 203 f., 207 – staatsrechtliche Strukturen 52 f., 59 ff. – Thani-Dynastie 47, 60 – Verfassungsreform 59 ff. Kindesunterhalt, siehe Unterhalt Kindeswohl 104 f., 111, 121, 150 f., 158, 186 ff., 197, 199 ff., 204, 208 Kodifikation – des islamischen Familienrechts 3 ff., 38 ff. – des islamischen Zivilrechts 35 ff. – nationalstaatliche 32 – vernunftrechtliche 30 ff. – des Zivilrechts in Europa 26 ff. Konsens, siehe iğmāᶜ Koran 14 ff., 33, 41, 129 f., 140, 166, 170, 174 Kuwait 6, 8, 37, 51 f., 56, 58, 79, 180 Loskaufscheidung, siehe ḫulᶜ-Scheidung Lückenfüllung 37, 120 f. Mafiwasta 111 Mahr, siehe Brautgabe malikitische Rechtsschule 4, 8, 16, 22, 40, 90, 91, 93, 120 f., 124 f., 127, 131, 134, 138, 142, 152, 157, 172, 180, 187 f., 194, 198 f. Marokko 6, 40 ff., 57, 63, 126 f., 155, 193 f. Maskat Dokument 6 f., 120, 132, 166, 180 maṣlaḥa 4, 21 f. Mehrehe, siehe Polygynie misyār-Ehe 145, 164 f., 193, 202 muᶜāmalāt 17 muğtahid 18, 20 mutᶜat aṭ-ṭalāq – im geltenden Recht der Golfstaaten 175 ff. – im klassischen islamischen Recht 174 f. Nadschaf 85, 115
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Sach- und Personenregister
Nafaqa, siehe Unterhalt Namensrecht – in Bahrain 155 – in Katar 155 f. – in den VAE 156 Neokonservatismus 66 ff., 70 f. Oman 6, 37, 50, 70, 180 Orders in Council, siehe exterritoriale Jurisdiktion Osmanisches Reich 3, 35 ff., 46, 71 f., 75, 77 – Osmanisches Familiengesetzbuch 3, 39, 138 Personensorge – erneute Eheschließung der Mutter 192 ff., 208 – Kindeswohl 121, 149 f., 158, 186 ff., 194 ff, 204, 208 – Mitbestimmungsrecht des Kindes 197 – Religionszugehörigkeit 197 ff., 208 – nach schiitischer Lehre 99, 189 f. – Unterscheidung nach Alter und Geschlecht des Kindes 188 ff., 204 – Verhältnis zu Vormundschaft 150, 158 politische Parteien, Zulässigkeit in den Golfstaaten 52, 63 ff. politische Partizipation von Frauen in der Golfregion 68 f. Polyandrie 23 Polygamie, siehe Polygynie Polygynie 24, 41, 127 ff., 156, 161, 182, 202 – Tunesien 41 Pubertät, siehe bulūġ Qadri Pascha, Muhammad 3, 39 qiyāṣ 17, 19 f. Rechtsgelehrte, siehe ᶜulamāᵓ Registrierung der Ehe, siehe Eheschließung Rentierstaat 55 ff., 65, 87, 89, 205 Richterschaft, Ausbildung der 81, 84 f., 97, 123, 209 ṣadāq, siehe Brautgabe al-Sanhuri, Abd al-Razzaq 37 f., 79
Saudi-Arabien 6 f., 23, 46, 54, 60, 73, 81, 85, 103, 164, 209 – Kodifikation des Personalstatuts 7 Schädigung, siehe ḍarar al-Schafiᶜi, Muhammad 16, 18 schafiitische Rechtsschule 4, 16, 121, 151, 175, 198 Scharia-Gerichte in Bahrain 82 f., 85, 87, 90, 92, 122 Scheidung – auf Antrag der Ehefrau 4, 138 ff., 181 – aufgrund des ehelichen Zerwürfnisses, siehe šiqāq – aufgrund von Schädigung, siehe ḍarar – einvernehmliche 143, 166 ff., 176, 178 – Verstoßungsscheidung, siehe ṭalāq Scheidungsrate 179 f. Scheidungsrecht, siehe Scheidung Schiiten, Zwölferschia 4, 8, 17 ff., 85, 87, 99, 130, 174 siğillāt 71 f. šiqāq als Scheidungsgrund 139 ff., 144, 146 f., 181, 203 siyāsa šarᶜīya 3, 35 Sorgerecht, siehe Personensorge Staatsangehörigkeitsrecht 57, 154 f., 165 Staatsreligion 8 Sunna 4, 17 ff. Supreme Council for Family Affairs, SCFA 69, 96, 112, 114 Supreme Council for Women, SCW 98 ff., 108, 113 šurūṭ 41, 130 ff., 156, 161, 202 taḫayyur 4, 39, 138 ṭalāq 24 f., 91, 136 ff., 148, 157 f., 166, 172, 174 ff., 203, 207 talfīq 4, 39 Talionsstrafe 14 taqlīd 20 Trauschein, siehe Eheschließung Tunesien 26, 40 ff., 57, 128, 153, 155, 163, 175, 200 ᶜulamāᵓ 5, 9 f., 16 ff., 26, 34 ff., 42 f., 64, 72 f., 81, 94 f., 99, 101, 109, 112 ff., 129, 167 f., 205 f., 209 f., 214 UN-Frauenrechtskonvention 65, 95, 101, 103, 105 ff., 206
Sach- und Personenregister – CEDAW-Komitee 105 ff. – Ratifikation durch Golfstaaten 65, 102 f., 105 ff., 111, 206 – Vorbehalte zu 105 ff., 110 UN-Kinderrechtskonvention 103 ff., 111, 187, 206 – Kindeswohl 104, 187 – Ratifikation durch Golfstaaten 102 ff., 206 – Vorbehalte zu 104 Unterhalt – Betreuungsunterhalt 151 f. – ehelicher 4, 25, 127, 131, 134, 136, 138 f., 145, 156, 164 – Kindesunterhalt 143, 151 f., 169, 171 f. – nachehelicher 146, 148 f., 152, 167, 170, 174 ff., 211 uṣūl al-fiqh 16 f. Uthman (3. Kalif) 17, 33 Vereinigte Arabische Emirate – Eherecht 93, 124 ff., 158 ff., 202 f., 207 – Entwurf v. 1979 93, 171 – Familienberatungsstellen 140 f., 210 ff. – Gerichtssysteme 79 ff., 86 ff. – Gesetzgebungsausschüsse 113
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– Kindschaftsrecht 149 ff., 186 ff., 204, 208 – Kodifikationsprozess 94 ff., 110 f., 113 f., 117 f., 206 f. – Oberster Bundesgerichtshof 90, 143 ff., 194 f. – Scheidungsrecht 136 ff., 165 ff., 183 ff., 203 f., 207 f. – staatsrechtliche Strukturen 52 f., 60, 97 – Verfassung 8, 51, 60, 66, 82 Vermögenssorge 92, 150 Versöhnung 15, 137, 140, 144, 164, 167, 170, 178 f., 192, 212 Verstoßungsscheidung, siehe ṭalāq Vollzug der Ehe 125, 135, 139, 145, 148, 188 f. Vormundschaft, siehe Personensorge Wahhābīya 73 Wahlrecht 61, 68 f., 106 Walī, siehe Ehevormundschaft Wartezeit, siehe ᶜidda Women’s Petition Committee, WPC 98 ff., 109 Zeitehe 99, 174 Zerwürfnis, siehe šiqāq Zivilgesellschaft 64 f., 95, 98, 111, 117