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German Pages 250 Year 1997
REINER KLAAS
Die gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit des Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 149
Die gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit des Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit
Von
Reiner K1aas
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Klaas, Reiner: Die gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit des Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit / von Reiner Klaas. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 149) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1995/96 ISBN 3-428-08889-1 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-08889-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Vorwort
Die Arbeit wurde im Wintersemester 1995/1996 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Für die Anregung des Themas und die immer bestehende Gesprächsbereitschaft bin ich Herrn Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Hanau zu Dank verpflichtet. In gleichem Maße bin ich Herrn Prof. Dr. Dres. h.c. Klaus Stern verbunden, der mir während meinerTätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln die zeitlichen Freiräume zur Fertigstellung der Arbeit gewährte. Dank sei auch allen Mitarbeitern des Instituts für öffentliches Recht und Verwaltungslehre sowie befreundeter Institute für ihre Diskussionsbereitschaft, Unterstützung und Geduld. Namentlich erwähnen möchte ich an dieser Stelle Privatdozent Dr. Stefan Muckel und Dr. Bernd Köbele, deren Motivationsschübe existentiell für die Fertigstellung der Arbeit waren. Gewidmet sei die Arbeit meiner Mutter. Eschweiler, im August 1996
Reiner Klaas
Inhaltsverzeichnis
Einleitung A. Problemstellung: Gewerkschaftsbetätigung von Berufsrichtern der Arbeitsgerichtsbarkeit. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen des Beschlusses vom 15.3.1984................................... 11. Eingrenzung des untersuchten Bereiches: Die Koalitionsfreiheit der Berufs richter am Arbeitsgericht......................................................
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B. Gang der Untersuchung.................................................................
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C. Organisationsgrade deutscher Richter...............................................
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1. Teil
Die Koalitionsfreiheit des Richters
A. Bestandsaufnahme verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Koalitionsgarantien ............................................................................... I. Die Koalitionsfreiheit im Grundgesetz - Art. 9 Abs. 3 GG ................. 11. Die Koalitionsfreiheit im Staatsvertrag vom 18.5.1990...................... III. Landesverfassungsrechtliche Garantien der Koalitionsfreiheit .............
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IV. Garantien der Koalitionsfreiheit in einfachgesetzlichen Bestimmungen..
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1. Richter im Bundesdienst- § 46Abs. 1 DRiG i.V.m. § 91 Abs. 1 BBG... 2. Richter im Landesdienst - § 71 DRiG i.V.m. § 57 BRRG ..............
V. Internationale Verbürgungen der Koalitionsfreiheit.. ......................... 1. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte........................... 2. IPwirtR und IPbürgR ............ ................................................ 3. Europäische Koalitionsgarantien .............................................. VI. Ergebnis................................................................................
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B. Die geschichtliche Entwicklung der Koalitionsfreiheit der Richter............ I. Die Koalitionsverbote im 18. und 19. Jahrhundert ........................... 11. Die Bildung des Deutschen Richterbundes .....................................
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Inhaltsverzeichnis III. Die verfassungs rechtliche Gewährleistung der Koalitionsfreiheit. ......... 1. Art. 130 Abs. 2, 159 WRV .............. ........................... ........... 2. Die Zeit des Nationalsozialismus.............................................. 3. Die vorgrundgesetzlichen Landesverfassungen und das Grundgesetz
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C. Der persönliche Geltungsbereich des Art. 9 Abs. 3 GG......................... I. Einleitung - Der Richter im Spannungsfeld zwischen Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverptlichtung............................ ........... 11. Die Stellung des Richters im besonderen Gewaltverhältnis ................. 1. Staatsverwaltung im Konstitutionalismus.................................... 2. Die Zeit der Weimarer Reichsverfassung ................................... 3. Das besondere Gewaltverhältnis unter der Geltung des Grundgesetzes....................................................................................
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D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit ............................................ I. Die individuelle Koalitionsfreiheit ................................................ 11. Die kollektive Koalitionsfreiheit.. ................................................. 1. Dogmatische Grundlage der kollektiven Koalitionsfreiheit.............. 2. Die Existenzgarantie ............................................................. 3. Die Betätigungsgarantie ........... ..................... ............... .......... a) Die Betätigungsgarantie als notwendige Folge der Organisationsfreiheit........ .... .............. ...... .............. ...... ....................... b) Die sachliche Reichweite der Betätigungsgarantie: Das Tatbestandsmerkmal der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ........... aa) Der Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur........... bb) Restriktive Auslegung der Begriffe Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen .............................................................. c) Die persönliche Reichweite der Betätigungsgarantie ....... .......... d) Ergebnis ........................................................................ 4. Die Koalitionsmittelgarantie ... ....... .................................. ........ III. Beziehung zwischen individueller und kollektiver Koalitionsfreiheit ..... IV. Ergebnis................................................................................
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Zweiter Teil Schranken der Koalitionsfreiheit der Richter
A. Verfassungsrechtliche Begründung für die Beschränkung der Koalitionsfreiheit ...................................................................................... I. Übertragung der Grundrechtsschranken anderer Grundrechte auf Art. 9 Abs. 3 GG.............................................................................. 1. Einschränkung der Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 2 GG......... a) Literaturstimmen .............................................................. b) Kritik an der Schrankenübertragung. .................... .................
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Inhaltsverzeichnis c) Lösung des Streits über das Tatbestandsmerkmal der "Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" ........................... ... 2. Die Anwendung des Art. 5 Abs. 2 GG auf die Koalitionsfreiheit ..... 3. Die Schranken des Art. 2 Abs. I GG als Begrenzung der Koalitionsfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Einschränkung der Koalitionsfreiheit aufgrund der besonderen Stellung des Richters im Staatsgefüge ....................................................... 1. Das besondere Gewaltverhältnis als Grundlage für eine Grundrechtseinschränkung ............................................................. a) Der Vorbehalt des Gesetzes im besonderen Gewaltverhältnis ...... b) Die Bedeutung des Art. 33 Abs. 5 GG .................................. c) Art. 33 Abs. 5 GG im Richterverhältnis................................. aa) Der persönliche Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG. bb) Sachlicher Regelungsgehalt des Art. 33 Abs. 5 GG ............. cc) Umfang der Grundrechtseinschränkung aufgrund des Art. 33 Abs. 5 GG................................................................. (1) Der Amtsbereich .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. (2) Der Dienstbereich .................................................. (3) Der Privatbereich ................................................... 2. Ergebnis ............................................................................ III. Die richterliche Unabhängigkeit als Grundrechtsschranke .................. I. Bedeutung von Zweck und Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung.. a) Der Zweck der Rechtsprechung........................................... aa) Zweckbeschreibung aus dem Prinzip der Gewaltenteilung..... bb) Zweckbeschreibung aus dem Rechtsstaatsprinzip ...... .......... b) Funktionserfordernisse der Rechtsprechung ............................ aa) Der Begriff der Rechtsprechung ..................................... bb) Folgen aus dem materiellen Verständnis der Rechtsprechung. (1) Folgen hinsichtlich des Verfahrens.... .................. ....... (2) Folgen hinsichtlich der Person des Richters.................. 2. Das Richterbild des Grundgesetzes........................................... a) Geschichte der richterlichen Unabhängigkeit.................... ....... aa) Vom germanischen Volksgericht zum unabhängigen Beamtenrichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die richterliche Unabhängigkeit im absoluten Staat...... ....... cc) Die Auswirkungen der Aufklärung.................................. dd) Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts............................. ee) Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Herrschaft ......... ................. .......... ....... ............. ...... ......... ft) Die richterliche Unabhängigkeit im Grundgesetz................. b) Die Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit vor dem Hintergrund der juristischen Methodenlehre.................................... aa) Der Gesetzespositivismus .............................................. bb) Die Begriffsjurisprudenz ...............................................
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Inhaltsverzeichnis cc) Die Freirechtslehre ...................................................... dd) Interessen- und Wertungsjurisprudenz .............................. ee) Wertung und Zusammenfassung ..................................... c) Inhaltsbestimmung der funktions rechtlichen Stellung des Richters aa) Die Bindung des Richters an Gesetz und Recht............... .... bb) Staatliche Einflüsse...................................................... cc) Beziehung zu den Prozeßparteien oder zum Verfahrensgegenstand.................... . ...................... ......................... dd) Gesellschaftliche Kräfte ..................... ........................... ee) Unvermeidbare Persönlichkeitselemente ........................... ft) Ergebnis: Die innere Freiheit zur alleinigen Bindung an das Gesetz als Richterbild des Grundgesetzes .......................... d) Begrifflichkeit: Neutralität statt Unabhängigkeit....................... 3. Verfassungsrechtliche Sicherung der Neutralität des Richters.......... a) Der Schutz des Richters durch Art. 97 GG............................. b) Der Schutz der Prozeßparteien ... .......... ............... .... ............ 4. Die richterliche Neutralität als grundrechtseinschränkende Pflicht....
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen des Pflichtenaspekts der richterlichen Neutralität ........................ ....................................... ............ I. Das richterdienstrechtliche Mäßigungsgebot - § 39 DRiG .................. 1. Bedeutung der Mäßigungspflicht.......... ..... ................... ............ 2. Konkretisierung des § 39 DRiG ... ............. ................... ............ a) Der Wortlaut...................... ............................ ................. aa) "Unabhängigkeit" als Kern der Bestimmung ..................... bb) Maßstab für die Mäßigungspflicht: Gefährdung des Vertrauens cc) Der Richter innerhalb und außerhalb seines Amtes.............. b) Systematische Stellung des § 39 DRiG und Vergleich mit beamtenrechtlichen Regelungen.................................................. aa) Anwendung der §§ 52, 53 BBG und des § 35 Abs. 1 BRRG.. bb) Rechtsvergleich mit dem Beamtenrecht............................. cc) Das Maßregelungsverbot des § 91 Abs. 2 BBG .................. dd) Ergebnis........... ..... ..................... ..... ... ................. ..... c) Sinn und Zweck der Mäßigungspflicht.............. ......... ............ d) Die Entscheidung im Zweifelsfall......................................... e) Ergebnis .................................... .. ............. ... .................. 3. Die Mittel der Dienstaufsicht .................................................. a) Die Dienstaufsicht im Verhältnis zur Disziplinargewalt ............. b) Die Entwicklung der Dienstaufsicht in der Rechtsprechung ........ aa) Die am Wortlaut orientierte Auslegung............................. bb) Der äußere Ordnungsbereich ......................................... cc) Die Begrenzung der zulässigen Mittel der Dienstaufsicht bei nichtrichterlichen Tätigkeiten ......................................... 4. Untersuchung einzelner Fallgruppen ......................................... a) Schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft. ..................................
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Inhaltsverzeichnis b) Die Übernahme von Funktionen innerhalb der Gewerkschaft...... c) Die Betätigung innerhalb der Gewerkschaft ...................... ...... d) Teilnahme am Arbeitskreis "Recht" ...................................... e) Ergebnis der Falluntersuchung ...................................... ...... 11. Prozessuale Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit.................... 1. § 41 ZPO - Der iudex inhabilis................................................ a) Anwendbarkeit des §41 ZPOimVerfahrenvordemArbeitsgericht b) Ansatzpunkte für die Ausgangsfrage in § 41 ZPO .................... aa) Das Gewerkschaftsmitglied als Partei im Sinne des §41 Nr.l, 1. Alt. ZPO ............................................................... bb) Die Gewerkschaftsmitgliedschaft als Begründung einer Mitberechtigung, Mitverpflichtung oder Regreßpflicht - § 41 Nr. 1,2. Alt. ZPO....................................................... (1) Mitberechtigung und Mitverpflichtung des einfachen Gewerkschaftsmitgliedes .............................................. (2) Gewerkschaftsmitgliedschaft als Begründung einer Regreßpflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Mitarbeit im Vorstand einer Gewerkschaft als Ausschließungsgrund im Sinne des § 41 NT. 1,2. Alt ZPO................ c) Ergebnis ........................................................................ 2. § 42 ZPO - Der iudex suspectus .............................................. a) Allgemeine Bedeutung des § 42 ZPO .................................... b) Geschichtliche Entwicklung des Ablehnungsrechts ................... c) Untersuchung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 42 ZPO aa) Die Gründe für einen Ablehnungsantrag ........................... (1) Das enge Parteilichkeitsverständnis............................. (2) Das weite Parteilichkeitsverständnis ............................ (3) Stellungnahme ....................................................... (4) D~gm~tische Grundlage des weiten Parteilichkeitsverstandmsses............................................................ (a) Die Argumentation von G. Arzt............................ (b) Auslegungsvariationen ........................................ bb) Bestimmung des Standpunktes, von dem aus die vorgetragenen Ablehnungsgründe beurteilt werden........................... (1) Die bisherige Rechtsprechung und ihre Betonung des objektiven Maßstabes ................................................. (2) Kritik an der Rechtsprechung.................................... (3) Auslegung des § 42 ZPO.......................................... (a) Wortlaut des § 42 ZPO ................... ...... ....... ....... (b) Der geschichtliche Hintergrund des § 42 ZPO und die Aufgabe des Richters bei der Entscheidung ............. (c) Gesetzessystematik ............................................ (d) Ratio des § 42 ZPO............................................ cc) Auswirkungen des primär-subjektiven Maßstabes auf die Beurteilung der vorgetragenen Gründe.................................
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Inhaltsverzeichnis (1) Entscheidung in Zweifelsfallen ..................................
(a) Zweifelsfallentscheidungen zugunsten des Richters.... (b) Zweifelsfallentscheidungen zugunsten des Ablehnenden ................................................................ (2) Die Persönlichkeit des Richters.................................. (3) Abgrenzung des strukturbedingten persönlichen Elements vom tauglichen Ablehnungsgrund............................... (4) Verhinderung der Kenntnisnahme aller relevanten Umstände ....................................................................... d) Untersuchung einzelner Fallgruppen ................... ... ............... aa) Schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft... ................ ........... bb) Die Übernahme von Ämtern in der Gewerkschaft ............... cc) Sachliche Beziehungen zum Verfahrensgegenstand.. ............ (1) Besuch von Gewerkschaftsveranstaltungen .......... ......... (2) Der Richter als Informierender bei Gewerkschaftsveranstaltungen ..... ............................... .............. ........... (3) Teilnahme an geschlossenen Veranstaltungen. ......... ...... (4) Teilnahme am Arbeitskreis "Recht" ............................ (a) Die Beteiligung an einer wissenschaftlichen Diskussion (b) Gespräche über anhängige Verfahren..................... (5) Arbeit innerhalb der Gewerkschaft ............................. (a) Die Beschäftigung mit Einzelfallen .... .................... (b) Die Beschäftigung mit abstrakten Rechtsfragen......... (c) Die Beschäftigung mit arbeitsrechtspolitischen Fragen. (d) Die Beschäftigung mit allgemeinpolitischen Fragen... (e) Die Beschäftigung mit eigenen Berufs- und Standesangelegenheiten ................................................... III. Das Verhältnis zwischen Dienstaufsicht und Richterablehnung............
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Gesamtergebnis..............................................................................
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachverzeichnis..............................................................................
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Einleitung A. Problemstellung: Gewerkschaftsbetätigung von Berufsrichtem der Arbeitsgerichtsbarkeit Seit den sechziger Jahren steht die Frage nach der Zulässigkeit politischer Aktivitäten und Meinungsäußerungen des Richters im Mittelpunkt zahlreicher Untersuchungen. I Daneben fand die ähnlich gelagerte Problematik der gewerkschaftlichen Organisation und Betätigung der Richter, insbesondere der Berufsrichter am Arbeitsgericht, nur wenig Aufmerksamkeit. Diese beschränkte sich meist auf Randbemerkungen im Rahmen der Stellungnahmen zu politischen Aktivitäten. Diese Randbemerkungen allein konnten den speziellen Rechtsfragen der besonderen Situation des gewerkschaftlich aktiven Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit aber nicht gerecht werden, dasie anderer Qualität und Rechtsnatur sind. Erst mit dem Nichtannahmebeschluß des Vorprüfungsausschusses des Ersten Senats vom 15.3. 1984 hat das Bundesverfassungsgericht eine kontrovers geführte' kurze aber heftige Diskussion dieser Frage zwischen gewerkschaftsorientierten und arbeitgebernahen Juristen sowie einigen Richtern ausgelöst, die jedoch ohne erkennbares Ergebnis ebenso schnell wieder abebbte, wie sie zuvor aufgeflammt war. 2 Dennoch sind auch heute noch die Worte des BundesverfassungsChr. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung, 1969; B. Hülsmann, Die politische Betätigung des Richters, Diss. Bonn 1977; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983; FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986; G. Hager, Freie Meinung im Richteramt, 1987; P. Quart, Umfang und Grenzen politischer Betätigungsfreiheit des Richters, 1990; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit aufgrund von Meinungsäußerungen des Richters, 1992; vgl. hierzu auch die Literaturverzeichnisse der einzelnen Arbeiten. 2 Siehe hierzu vor allem die Beiträge von Chr. Berglar, ZRP 1984,4 ff.; R. Bauer u.a., ZRP 1984, 79; H.-G. Koehn, ZRP 1984, 167; E. Heimi, ZRP 1984, 80; K. Popp, ZRP 1984, 112; P. Hanau, ZIP 1984, 1165; B. Rüthers, DB 1984, 1620 ff., und die darauf folgende Auseinandersetzung zwischen J. Schuldt und B. Rüthers, DB 1984, 2509 ff. (hierbei ist zu erwähnen, daß J. Schuldt Direktor des Arbeitsgerichts Frankfurt war, das Ausgangspunkt der oben bereits angesprochenen Verfassungsbeschwerde war); E. Kempen, ArbuR 1985, 1 (6); H. Fangmann, ArbuR 1985, 7 ff.; U. Zachert, ArbuR 1985, 14 ff. (die monografische Zusammenfassung dieser beiden Beiträge fmdet sich in FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986); W. Remmers, in: Festschrift für R. Wassermann, 1985, S. 165
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Einleitung
gerichts wenn auch nicht bindend, 3 so aber beachtlich: "Nach Art. 9 Abs. 3 GG ist für jedennann und alle Berufe die Koalitionsfreiheit gewährleistet. Richtem-auchder Arbeitsgerichtsbarkeit - ist es daher von Verfassungs wegen gestattet, sich gewerkschaftlich zu betätigen. Dazu gehört auch die Teilnahme an einem Arbeitskreis 'Recht' der Gewerkschaft ÖTV, selbst wenn sich dabei vor den Arbeitsgerichten auftretende Rechtsanwälte an der allgemeinen Erörterung aktueller arbeitsrechtlicher Probleme beteiligen. ,,4 Mit diesen Fonnulierungen scheint der Bereich zulässiger Gewerkschaftsaktivitäten klar abgesteckt zu sein. Jedoch wirft diese Entscheidung bei näherem Hinsehen mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt. Diese Arbeit soll daher versuchen, die Problembereiche darzulegen und Lösungswege für Grenzfragen aufzuzeigen.
I. Grundlagen des Beschlusses vom 15.3.1984 Zum besseren Verständnis sowohl des Nichtannahmebeschlusses vom 15.3. 1984 als auch der damit verbundenen Problematik dient ein Überblick über das dem Beschluß zugrundeliegende Verfahren vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main, 5 dadie Hintergründe dem nur sehr kurz begründeten
(168); M. Vollkommer, EzA Nr. 3, 4 zu § 49 ArbGG; ders., in: Festschrift für E. Wolf, 1985, S. 659 (664 f., 667); W. Dütz, JuS 1985, 745 (752 f.); T. Dieterich, RdA 1986, 2 (6); K. Adomeit, ZRP 1987, 75 (81); R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990. Ebenso die zu diesem Themenbereich ergangene Entscheidung, in der diese Frage Gegenstand von Ablehnungsanträgen war: BAG, AP Nr. 3 zu § 42 ZPO. 3 Der Nichtannahmebeschluß hat zwar auch die Wirkung eines Urteils, BVerfGE 33,1 (11) mit Hinweis auf BVerfGE 23,191 (206); B. Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz/ Schmidt-BleibtreulKIein/UJsamer, BVerfGG, § 93 b Rdnr. 12; Leibholz/Ruprecht, BVerfGG, § 93 a Anm. 5; M. Vollkommer, in: Festschrift E. Wolf, 1985, S. 659 (663), jedoch keine Gesetzeskraft im Sinne des § 31 BVerfGG, sondern bewirkt lediglich die Beendigung der Rechtshängigkeit der Verfassungsbeschwerde, da in der Sache nicht entschieden wird, vgl. R. ZUck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. Aufl. 1988, Rdnr. 770; R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin, 1990, S. 1; K. Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, 3. Aufl. 1994, Rdnr. 260; K. Stern, Staatsrecht, Bd. ml2, 1994, § 91 IV 2 e y. 4 BVerfG, ArbuR 1985, 32 = BB 1984, 787 = ZIP 1984, 736 = DRiZ 1984, 241 = NJW 1984, 1874. 5 Ausführliche Materialsammlungen fmden sich in den Dokumentationen der ÖTV, Kreisverwaltung Frankfurt, Rechtsbeuger am Arbeitsgericht?, 2. Aufl. 1984, und der Hoechst AG, Der Prozeß Krauss ./. Hoechst und der Konflikt mit dem Arbeitsgericht Frankfurt, 1984, wobei besonders auf den chronologischen Ablauf im Anhang der letzteren Dokumentation verwiesen werden muß.
A. Problemstellung
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Beschluß des Bundesverfassungsgerichts nur in eingeschränktem Maße zu entnehmen sind. 6 Das Ausgangsverfahren der Verfassungsbeschwerde war eine Kündigungsschutzklage eines Betriebsratsmitgliedes der Hoechst AG, wobei der Kündigung eine Äußerung des Betriebsratsmitgliedes zugrunde lag. Dieser hatte wiederholt behauptet, Hoechst sei schon jahrelang inder Lage, die hessische Landesregierung mit dem Arbeitsplatzargument zu erpressen, um die Produktion mit der damit verbundenen lebensbedrohenden Umweltverseuchung durchzusetzen. 7 Der für die Entscheidung zuständige Richter wurde von der Klägerin abgelehnt, weil er einen offenen BriefS unterschrieben hatte, der eine Amnestie für alle, die im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Startbahn 18 West straf- bzw. disziplinarrechtlich belangt werden sollen, forderte. Zu dem offenen Brief gehörte ein Aufruf, der sich gegen einige umweltrelevante Großprojekte richtete. 9 Die für die Entscheidung über dieses Ablehnungsbegehren zuständige Vertretungsrichterin wurde mit der gleichen Begründung abgelehnt. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen, da aus der Sicht der Beklagten sich aufgrund der vorgebrachten Tatsachen keine Anhaltspunkte für ein begründetes Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit ergeben könnten. Die Vertretungsrichterin wies aus den gleichen Gründen den Ablehnungsantrag gegen den zuerst abgelehnten Richter zurück, der daraufhin der Kündigungsschutzklage stattgab. In einem sich hieran anschließenden Verfahren über die Weiterbeschäftigung und Lohnfortzahlung war wiederum der Richter des vorangegangenen Kündigungsschutzprozesses zur Entscheidung berufen. Auch hier wurde er aus den oben genannten Gründen von der Hoechst AG abgelehnt. Er schied jedoch aufgrund einer Selbstablehnung aus dem Verfahren aus. Gegen seinen Vertreter stellte die Hoechst AG erneut einen Ablehnungsantrag mit der Begründung, er sei aktives Mitglied der ÖTV und habe zudem ihr Verhalten im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahrenkritisiert. Zudem habe er mehrfach an Sitzungen des Ar6 Aus diesem Grunde kritisiert B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1622): "In den maßgeblichen Begründungssätzen der Entscheidung, die auf den konkreten Streitfall Bezug nehmen, ist der zugrundeliegende Sachverhalt nicht mehr wiederzuerkennen. Der Beschluß liest sich, als sei er zu einem anderen Fall ergangen."
7 ArbG Frankfurt, KJ 1983, 69 (70); vgl. auch örv Kreisverwaltung Frankfurt, Rechtsbeuger am Arbeitsgericht, S. 20 (FAZ vom 12.5.1982, S. 37), S. 24 (Mitteilung der Hoechst AG vom 12.5.1982); Dokumentation der Hoechst AG, Kap. 2 Anlage 3 (Frankfurter Rundschau vom 11.1. 1981) Anlage 4 (Mitteilung der Hoechst AG vom 18.12.1981). 8 örv Kreisverwaltung Frankfurt, Rechtsbeuger am Arbeitsgericht, 2. Aufl. 1984, S. 14 f. 9 ArbG Frankfurt, NJW 1984, 142 (143).
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Einleitung
beitskreises "Recht" der ÖTV zusammen mit dem zuerst abgelehnten Richter teilgenommen. Auch dieser Befangenheitsantrag wurde zurückgewiesen. Hiergegen wendete sich die Hoechst AG mit der Verfassungsbeschwerde, die aufgrund des Beschlusses des Vorprüfungsausschusses nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage in zweiter Instanz sowie die Lohnfortzahlungs- und Weiterbeschäftigungsklage stellt die Hoechst AG insgesamt 6 Ablehnungsanträge gegen drei Berufs- und einen Arbeitsrichter und erhebt eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Zudem erfolgen zwei Selbstablehnungen und eine Ablehnung eines ehrenamtlichen Richters durch den Kläger des Kündigungsschutzverfahrens . Die Resonanz des juristischen Schrifttums auf diesen Beschluß war sehr uneinheitlich. Soweit er die schlichte Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärte, fand er breite Zustimmung in allen Lagem. 1O Soweit er aber auch die Teilnahme am Arbeitskreis "Recht" der ÖTV in den Garantiebereich des Art. 9 Abs. 3 GG einbezog, erhob sich gegen ihn zum Teil vehemente Kritik, 11 deren Intensität von der Stellung des jeweiligen Verfassers zum Verfahrensgegenstand abhängig war. Der Gebrauch von deklassierenden Schlagworten war dabei nicht ungewöhnlich: "rollenorientiertes Rechtsverhalten" , 12 "Linientreue", 13 "Gewerkschaftsstaat" , 14 "Klassenkampfmentalität " , 15 "Schlagseite der Arbeitsgerichte" .16 Dem Arbeitgeberlager nahestehende
10 Vgl. die Nachweise oben FN 2. 11 Wortführer war hier vor allem Chr. Berglar, ZRP 1984, 4 ff., der als Rechtsanwalt für die Hoechst AG (Beschwerdeführerin in der vom Vorprüfungsausschuß als teilweise unzulässig, teilweise unbegründet abgelehnten Verfassungsbeschwerde) tätig war; kritisch aber auch B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1622); P. Hanau, ZIP 1984, 1165; W. Dütz, JuS 1985,745 (753); W. MoLL, ZRP 1985,244 (245 f.); T. Dieterich, RdA 1986,2 (6); M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 32. differenziert nach Teilnehmerkreis und Thematik. Zu dem der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt siehe auch die sehr kritische Dokumentation der Hoechst AG. 12 Chr. Berglar, ZRP 1984, 4 (8); W. Dütz, JuS 1985, 745; R. Sammet, zitiert . nach R. Erd, KJ 1984, 66. 13 P. Gilles, DRiZ 1983,41 (43). 14 P. Gilles, DRiZ 1983,41 (42). 15 A. Völz, ZRP 1984, 216; R. Erd, KJ 1984,58. 16 M. Vollkommer, in: Festschrift für E. Wolf, 1985, S. 659 (665 in FN 38); so auch der Titel des Artikels von F. Wassner, in der FAZ v. 10.9.1983, sowie der Untertitel der Dokumentation der ÖTV Kreisverwaltung FrankfurtIMain: Rechtsbeuger am Arbeitsgericht? Haben die Arbeitsgerichte Schlagseite?
A. Problemstellung
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Stimmen sahen in der gewerkschaftlichen Aktivität von Arbeitsrichtern die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter und des Anspruchs auf rechtliches Gehör .17 Selbst der Vorwurf der Rechtsbeugung im Sinne des § 336 StGB wurde gegenüber den Richtern am Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Frankfurt erhoben und ein entsprechendes Rechtsgutachten erstellt. 18 Demgegenüber empfanden Richter die Einschränkung der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit als Vertrauensbruch gegenüber der Fähigkeit zur Unparteilichkeit. 19
11. Eingrenzung des untersuchten Bereiches: Die Koalitionsfreiheit der Berufsrichter am Arbeitsgericht Von besonderer Bedeutung war bisher das Problemfeld der parteipolitischen Tätigkeit von Richtern aller Gerichtszweige, das seit den sechziger Jahre bis heute eine fast unüberschaubare Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen hervorgerufen hat. 20 Jedoch berühren diese Untersuchungen andere Probleme als die Frage der Koalitionsfreiheit des Richters, so daß die jeweiligen Einzelfallentscheidungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Insofern reicht es aus, die politische Betätigung der Richter nur am Rande zu erwähnen. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Problematik der gewerkschaftlichen Betätigung der Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit. Bei Berufsrichtern der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit stellt sich die Ausgangsfrage nicht in vergleichbarem Umfang, da die einzelnen Streitgegenstände nicht in gleichem Maße mit arbeitsrechtlichen Fragen in Verbindung stehen. Demgegenüber betrifft die Spruchtätigkeit des vorsitzenden Richters am Arbeitsgericht durchgehend Streitigkeiten zwischen den Sozialpartnern oder Arbeitsvertragsparteien. Hierbei sind Probleme vorgezeichnet, wenn sich der einzige Berufsrichter der Kammer durch die Mitgliedschaft und Betätigung in einer Gewerkschaft der Arbeitnehmerseite zuwendet. Vergleichbare Spannungslagen treten in Bereich anderer Gerichtszweige nur begrenzt auf. Beispielhaft können hier das Kommunalmandat des Richters im ver-
17 Siehe die Verfassungsbeschwerdeschrift der Hoechst AG, eingereicht von den Rechtsanwälten Redeker/Schön/Dahs & Sellner, abgedruckt in: ÖTV Kreisverwaltung FrankfurtlMain, Rechtsbeuger am Arbeitsgericht, 2. Autl. 1984, S. 228 ff. 18 Vgl. hierzu das von Prof. Dr. Geerd erstellte Gutachten, das in vollem Wortlaut abgedruckt ist in ÖTV Kreisverwaltung FrankfurtlMain, Rechtsbeuger am Arbeitsgericht, 2. Autl. 1984, S. 171 ff. 19 K. Popp (Richter am Arbeitsgericht Freiburg), ZRP 1984, 112; R. Bauer u.a., ZRP 1984, 79; H.-G. Koehn (Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Sigmaringen), ZRP 1984, 167; ehr. Strecker, ZRP 1984, 122 ff. 20 Vgl. die Nachweise oben FN 1. 2 Klaas
18
Einleitung
waltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Kommune21 oder die aktive Mitgliedschaft im Mieterschutzbund für den Richter in der Mietabteilung des zuständigen Amtsgerichts genannt werden. 22 Hinsichtlich der Gewerkschaftsmitgliedschaft treten außerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit derartige Interessenkollisionen nicht auf, weshalb die Begrenzung der Untersuchung auf die Berufsrichterder Arbeitsgerichtsbarkeit keine Problembereiche abschneidet. Das Problem der gewerkschaftlichen Betätigung stellt sich in wesentlich geringerem Maße bei den ehrenamtlichen Richtern, da sie bereits aufgrund ihrer Auswahl und ihrer Beteiligung am Verfahren gemäß §§ 16 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 22 f. ArbGG eine Sonderposition dem Vorsitzenden gegenüber einnehmen. Die Arbeitsrichter aus den Kreisen der Arbeitnehmer werden gemäß § 23 Abs. 2 ArbGG notwendig aus den Mitgliedern und Angestellten der Gewerkschaften oder sonstiger Arbeitnehmervereinigungen ausgesucht, oder aber es sind vertretungsberechtigte Dachverbandsmitglieder. Vor allem bei letzteren zeigt sich deutlich, daß selbst die verantwortliche Tätigkeit für die Gewerkschaft gesetzlich vorgesehen ist und damit zu keinen prozessualen Konsequenzen für den Arbeitsrichter führen kann. 23 Die Gruppe der Arbeitsrichter kann daher aus der Betrachtung herausgenommen werden, wenn auch einige Seitenblicke der Darstellung förderlich sind. Das Ziel dieser Arbeit ist der Versuch, die Argumente der gegensätzlichen Standpunkte anband der einschlägigen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Bestimmungen zu überprüfen, um eine teilweise befürwortete, aber praktisch nicht durchführbare Unterscheidung zwischen" Soll" und "Dürfen" koalitionsrechtlicher Betätigung zu vermeiden. 24 Denn der damit verbundene Appell an das Taktgefühl des Richters 25 stellt jede Zurückhaltung bei Gewerkschaftsakti21 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983. 22 Vgl. hierzu die Bemerkung von R. Wassermann, JR 1961, 401. 23 BAG, AP Nr. 1 zu § 41 ZPO; Nr. 2 zu § 41 ZPO m. zust. Anmerkung von B. Wieczorek = SAE 1969, 134, m.zust.Anmerkung von Baumgärtel/Mes; BAG, AP Nr. 3 zu § 42 ZPO = EzA Nr. 1 zu § 42 ZPO; BAG, AP Nr. 5 zu § 42 ZPO; VGH Mannheim, NJW 1986,862. Für Berufsrichter vergleiche BVerfG (Vorprüfungsausschuß) NJW 1984, 1874; BAG AP Nr. 6 zu § 322 ZPO. Aus der Literatur W. Dütz, JuS 1987,745 (752); R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 26; R. Bork, in: Stein! Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Autl. 1993, § 42 Rdnr. 15; G. Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung, 6. Autl. 1994, § 78 II 2; P. Hartmann, in: Baumbach!Lauterbach, ZPO, 53. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 27 "Gewerkschaft"; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 20. 24 So vor allem H. -J. Wipjelder, DRiZ 1987, 117. 25 Hierauf wollen abstellen Frhr. v.Münchhausen, DRiZ 1969, 3 (4); H. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 85; E. Heimeshojf, DRiZ 1975, 261 (263); W. Seuffert, in: Festschrift für M. Hirsch, 1981, S. 447 (452); R. Bernhard,
B. Gang der Untersuchung
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vitäten in das Verantwortungsbewußtsein des einzelnen Richters, womit den sich aus dem Gedanken des Rechtsstaats ergebenden Bedürfnissen sowohl der Rechtsuchenden als auch der Richter selbst nach fest umschriebenen Verhaltensgrenzen kein Dienst erwiesen wird.
B. Gang der Untersuchung Ansatzpunkt der Untersuchung ist Art. 9 Abs. 3 GG. Dieses vorbehaltlos garantierte Grundrecht bildet die verfassungsrechtliche Grundlage der gewerkschaftlichen Mitgliedschaft und Betätigung. Dabei steht im Vordergrund der Untersuchung die Problematik der Reichweite der Betätigungsfreiheit und die Trennung von kollektiver Betätigung und individueller Teilnahme hieran. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Schranken der Koalitionsfreiheit bestimmt und ausgelotet, um eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Beschränkung der Betätigung des Richters für die Gewerkschaft zu finden. Dabei liegt der Schwerpunkt der Überlegungen auf der umfassenden richterlichen Neutralität, die in ein Spannungsverhältnis mit der gewerkschaftlichen Aktivität des Richters tritt. Dieses Spannungsverhältnis wird in der weiteren Bearbeitung auf der Basis der einfachgesetzlichen Teilkonkretisierung der richterlichen Neutralität versucht aufzulösen. Hierbei wird zunächst für die Konkretisierung des staatlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der richterlichen Unabhängigkeit auf die Mäßigungspflicht des Richterdienstrechts aus § 39 DRiG abgestellt. Nachdem einige grundSätzliche Inhaltsbestimmungen dieser Norm erfolgt sind, wird anhand von Fallgruppen die dienstrechtliche Grenze zwischen zulässigem und unzulässigem Engagement gezogen. Daneben werden in einem zweiten Schritt die prozessualen Möglichkeiten zur Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit aufgrund der Initiative einer Prozeßpartei analysiert. Nachdem die einzelnen Fallgruppen des § 41 ZPO sich als wenig aussagekräftig erweisen, wird im Anschluß daran versucht, die Generalklausel des § 42 ZPO für die Ausgangsfrage dienlich zu machen. Dabei ergeben sich aufgrund der allgemeinen Formulierung dieser Norm die gleichen Schwierigkeiten wie bei § 39 DRiG. Deshalb wird auch hier anhand von Fallgruppen versucht, eine Grenzbestimmung für das Ablehnungsrecht zu finden. Zum Abschluß
Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 55 f.; H. Sendler, NJW 1984, 689; H.J. Wipjelder, DRiZ 1987, 117 (122); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1991,2377 (2382); G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 10.
Einleitung
20
der Arbeit werden mögliche Wechselwirkungen von Dienstaufsichtsrecht und prozessualer Ablehnung untersucht.
C. Organisationsgrade deutscher Richter ImJahre 1993 belief sich die Gesamtzahl der Richter aller Gerichtsbarkeiten auf 20.672,26 von denen 986 auf die Arbeitsgerichte entfielen.27 Neben dieser genauen Erfassung der Richterzahlen fehlt jegliche Statistik über die Organisationsgrade der Richter in politischen oder gewerkschaftlichen Verbänden und Gruppierungen. Vorhanden sind vielmehr nur Schätzungen, nach denen sich etwa 20 % der Richter in politischen Parteien engagieren. 28 Hinsichtlich der Gewerkschaftsmitgliedschaft werden 5 bis 10 %als obere Grenze angegeben,29 oder aber der Organisationsgrad wird als sehr gering bezeichnet. 30 Demgegenüber zeigen Einzelbeispiele, daß die Gewerkschaftsmitgliedschaft stellenweise diese Schätzungen bei weitem überschreiten. In Bremen soll im Jahre 1980 ein Viertel der damals 233 Richter3! gewerkschaftlich organisiert gewesen sein. 32 Für den Bereich des Arbeitsgerichts Frankfurt gehen Schätzungen für das Jahr 1983 davon aus, daß von 15 Berufsrichtern 11 - hierzu zählte auch der Präsident des Arbeitsgerichts - entweder der SPD, den Grünen, einer Gewerkschaft oder mehreren dieser Organisationen gleichzeitig angehörten. 33 Am Landesarbeitsgericht Frankfurt sollten sogar 10 der 13 Berufsrichter Mitglieder in
26 Hierzu zählen Richter auf Lebenszeit, auf Zeit, kraft Auftrags und auf Probe im Bundes- und Landesdienst, DRiZ 1994, 34. Das Statistische Jahrbuch des Statistischen Bundesamtes zählte für die alten Bundesländer im Jahre 1991 insgesamt 17.932 Richter, wovon 786 auf die Arbeitsgerichte entfielen, Statistisches Jahrbuch 1994, S. 382. Schätzungen belaufen sich heute auf insgesamt ca. 22.000 Richter. 27 Statistisches Jahrbuch, S. 382. 28 Vgl. hierzu die Angaben bei R. Wassermann, Justiz im sozialen Rechtsstaat, 1974, S. 45; P. Gilles, DRiZ 1983, 41 (42); M. Vollkommer, EzA Nr. 3, 4 zu § 49 ArbGG. 29 H.-J. Böttcher, KJ 1981, 172 (173), allerdings ohne Nachweise; P. Gilles, DRiZ 1983, 41 (42); Fachgruppe Richter und Staatsanwälte in der ÖTV (Bremen), KJ 1981, 18. 30 U. Zachert, ArbuR 1985, 14 (16); FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 64. 31 Statistisches Jahrbuch des Statistischen Bundesamtes, 1982, S. 326.
32 So H.-J. Böttcher, KJ 1981, 172 (173); Fachgruppe Richter und Staatsanwälte in der ÖTV (Bremen), KJ 1981, 18. 33 F. Wassner, FAZ v. 10.9.1983, der sich bei diesen Angaben auf einigermaßen "handfeste Zählungen" beruft.
C. Organisationsgrade deutscher Richter
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der ÖTV , SPD oder beiden Organisationen sein. 34 Dies wurde aber vom Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Frankfurt D. Bergmann bestritten,35 jedoch gesteht auch er ein, daß Richter des Landesarbeitsgerichts Frankfurt in der Gewerkschaft ÖTV organisiert sind. Alle Stimmen sind sich jedoch darüber einig, daß sich die Verhältnisse in Frankfurt nicht auf alle Arbeitsgerichte übertragen lassen können. 36 Jedoch ist beachtenswert, daß vor allem junge Arbeitsrichter statt im Richterbund sich in einer Gewerkschaft organisieren. 37 Insgesamt mag zwar die absolute Zahl der betroffenen Berufsrichter der Arbeitsgerichtsbarkeit gering sein. Hinsichtlich der Auswirkungen für das Vertrauen der Allgemeinheit in die gesamte Rechtsprechung können aber auch diese wenigen betroffenen Richter nur schwer wiedergutzumachende Nachteile verursachen. Vor diesem Hintergrund ist es deshalb notwendig, gewerkschaftliche Organisation und Aktivität von Richtern auf ihre Zulässigkeit hin zu überprüfen.
34 F. Wassner, FAZ v. 10.9.1983, anhand der "Beurteilung halbwegs unverdächti-
ger Kenner".
35 Voreingenommenheit der Richter suggeriert, FAZ v. 6.10.1983, S. 8. 36 F. Wassner, FAZ v. 10.9.1983. So auch für die Zahlen im Bereich Bremen die
Fachgruppe Richter und Staatsanwälte in der ÖTV (Bremen), KJ 1981, 18.
37 Fachgruppe Richter und Staatsanwälte in der ÖTV (Bremen), KJ 1981, 18; H.-
J. Böttcher, KJ 1981, 172 (173).
Erster Teil
Die Koalitionsfreiheit des Richters A. Bestandsaufnahme verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Koalitionsgarantien I. Die Koalitionsfreiheit im Grundgesetz - Art. 9 Abs. 3 GG Art. 9 Abs. 3 GG garantiert für jedermann und für alle Berufe das Recht, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden. Das Verhältnis zur allgemeinen Vereinigungsfreiheit wird verschiedentlich beschrieben als Spezialität. 1 Andere Stimmen sehen hierin eine eigenständige Sonderregelung .2 Zusammen mit den Grundrechten der Meinungsfreiheitdes Art. 5 Abs. 1 GG, der Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG und der allgemeinen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG gehört die Koalitionsfreiheit zu den zentralen Kommunikationsgrundrechten des Grundgesetzes. 3 Dank seines weiten und grundlegenden Anwendungsbereiches wird dieses Freiheitsrecht als "magna charta" des kollektiven Arbeitsrechts bezeichnet. 4 F. Klein, in: v.MangoldtlKIein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1,2. Aufl. 1957, Art. 9 Anm. V 1; J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 327; G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 3; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 7, 33,111; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 5; D. Merten, ebda, § 144 Rdnr. 64; W. Löwer, in: v.Münch/Kunig, GGKomm.,Bd.l,4.Aufl.1992,Art.9Rdnr. 54; M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3,1993, § 237 Rdnr. 20; vgl. auch BVerfGE 28, 295 (304); 84, 212 (224). 2 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 11, 6. Aufl. 1957, § 5 V; R. Dietz, HGrR, Bd. rn/I, 1958, S. 417 (419); W. Schmidt, NJW 1965, 424 (426); l. v.Münch, BK, Art. 9 (Zweitbearb. 1966) Rdnr. 117; HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl. 1970,Art.9Anm.3;zuArt. 159 WRV siehe bereits G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919,14. Aufl. 1933, Art. 159 Anm. 1. 3 R. Scholz, Die Koalitionsfreiheitals Verfassungsproblem, 1971, S. 29 f., 286 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 8 f.; G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektiveKoalitionsfreiheit, 1981, S. 3; M. Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereiches der Koalitionsfreiheit, 1989, S. 2 f.; R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnr. 855; K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/2, 1994, § 89 V2b; aus der Rechtsprechung: BVerfGE 19,303(312);28, 295 (303 f.); 38, 281 (303); 38, 386 (393); 57, 220 (245 f.); 58, 233 (246); 84, 212 (224). 4 W. Zöllner, AöRBd. 98(1973),S. 71 (72); R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 264; ders., Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 46, nennt
A. Bestandsaufnahme der Koalitionsgarantien
23
ll. Die Koalitionsfreiheit im Staatsvertrag vom 18.5.1990 Im Rahmen der vertraglichen Gestaltung der Wiedervereinigung nahmen die Vertragspartner in den Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18.5.19905 erstmals eine Erläuterung des Art. 9 Abs. 3 GG auf. In Art. 17, insbesondere aber im Gemeinsamen Protokoll über Leitsätze, Leitsatz A III 1 3, enthält der Vertrag genauere Formulierungen über das Individualrecht der Koalitionsfreiheit, über die Anforderungen an die Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie über die tarifliche Bestimmung von Löhnen und sonstigen Arbeitsbedingungen. Dieser Vertrag ist aber keine materiell-rechtliche Neuerung des Schutzbereichs des Art. 9 Abs. 3 GG, sondern enthäl t dessen Ausformung in der Ausgestaltung des Bundesverfassungsgerichts. 6 Diese Konkretisierung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit sollte nach Art. 4 Abs. 1 des Staatsvertrages Grundlage der Rechtsanpassung in der Deutschen Demokratischen Republik sein. Hiermit war aber zunächst keine Änderung der normativen Rechtslage in der Bundesrepublik verbunden. Um aber eine Differenz zwischen der Rechtslage in den neu zu schaffenden Bundesländern und der alten Bundesrepublik zu vermeiden, wurde ein Ausweg darin gefunden, die im Staatsvertrag enthaltenen Koalitionsbestimmungen als gesetzliche Auslegungsregeln für Art. 9 Abs. 3 GG zu qualifizieren. 7 Die Regelungen des Staatsvertrages sind mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland gegenstandslos geworden8 da gemäß Art. 40 Abs. 1 des Einigungsvertrages vom 30.8.1990 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 des Vertrages Art. 9 Abs. 3 GG heute für das gesamte Gebiet derneuen Bundesrepublik maßgeblich ist.
ill. Landesverfassungsrechtliche Garantien der Koalitionsfreiheit Auch die Landesverfassungen von Bremen (Art. 48),9 Hessen (Art. 36),10 Berlin (Art. 18),11 Rheinland-Pfalz (Art. 66),12 Bayern (Art. 170) 13 und des Art. 9 Abs. 3 GG das "Grundrecht des Arbeitsrechts"; W. Löwer, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Autl. 1992, Art. 9 Rdnr. 3. 5 BGBI. 11 S. 537. 6 K. Stern, in: SternISchmidt-Bleibtreu, Verträge und Rechtsakte zur Deutschen Einheit, Bd. 1 - Staatsvertrag, 1990, S. 147; ebenso O. R. Kissel, NZA 1990, 545 (549). 7
O. R. Kissel, NZA 1990,545 (549); FarthmannlCoen, HdbVertR, 2. Autl. 1994,
§ 19 Rdnr. 16; wohl auch K. Stern, Verträge und Rechtsakte zur Deutschen Einheit, Bd. 1
- Staatsvertrag, 1990, S. 147. 8 9
So ausdrücklich M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 235 Rdnr. 18. Verf. vom 21.10.1947, SaBremR 100-a-1.
10 Verf. vom 1.12.1946, GVBI. S. 229. 11 Verf. vom 1.9.1950, VBI. I S. 433.
24
I. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
Saarlandes (Art. 56) 14 sowie die Verfassungen der neuen Bundesländer Brandenburg (Art. 51),15 Sachsen (Art. 25),16 Sachsen-Anhalt (Art. 13 Abs. 3),17 und Thüringen (Art. 37)18 enthalten koalitionsrechtliche Verbürgungen. Teilweise gehen diese Gewährleistungen in ihrem Wortlaut über die knappe Formulierung des Art. 9 Abs. 3 GG hinaus, indem sie ausdrücklich das Streikrecht erfassen. In Hinblick auf die materiellen Freiheitsgewährleistungen selbst besteht aber kein erweiterter Schutz gegenüber dem grundgesetzlich garantierten Freiheitsbereich, da Art. 9 Abs. 3 GG nach herrschender Meinung auch das Streikrecht umfaßt. 19 Die wesentliche Bedeutung der landesverfassungsrechtlichen Freiheitsgarantien besteht vielmehr in der Eröffnung des Rechtsweges zu den Landesverfassungsgerichten. 20 Art. 4 Abs. 1 Verf.NW,21 Art. 2Abs. 1 Verf.Bad.-Württ. 22 und Art. 3Abs. 2 Verf.Nds23 beziehen den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes in die Landesverfassung ein und begründen dadurch ausdrücklich eine landesrechtlieh wie bundesrechtlich einheitliche Verfassungssituation. Eine Kollisionslage liegt auch dort nicht vor, wo die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6.6.195224 sowie die Verfassung Schleswig-Holsteins vom 13.12.194925 voll12 Verf. vom 18.5.1947, VBI. S. 209. 13 Verf. Verf. Verf. Verf.
14 15 16 17 18 19
vom 2.12.1946, BayBS I S. 3. vom 15.12.1947, Amtsbl. S. 626. vom 22.4.1992, GVBI. S. 121. vom 27.5.1992, GVBI. S. 243.
Verf. vom 16.7.1992, GVBI. S. 600. Verf. vom 25.10.1993, GVBI. S. 625.
BAG, NJW 1980, 1642; BVerfGE84, 212 ff. Aus der Literatur vgl. nur G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 14; G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 VI 1. Das Aussperrungsverbot des Art. 29 Abs. 5 derhessischen Verfassung ist nach herrschender Ansicht mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbar und damit nichtig - vgl. zuletzt BAG, NJW 1989, 186. Zum Aussperrungsrechtals Teil des Schutzbereichs des Art. 9 Abs. 3 GG vgl. BVerfGE 84, 212 (224); siehe hierzu auch unten D 11 4.
20 Hieraufbeschränken H.-U. Gallwas, JA 1981, 536 (537), A. Bleckmann, Staatsrecht 11 - Die Grundrechte, 3. Aufl. 1989, S. 429, und M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 21, die Wirkung der Landesgrundrechte. Weitergehend J. Dietlein, Die Grundrechte in den Verfassungen der neuen Bundesländer, 1993, S. 15; vgl. zuletzt K. Stern, Staatsrecht, Bd. ill/2, 1994, § 93 VI4 a y. 21 Verf. vom 28.6.1950, GS NW 100 S. 3. 22 Verf. vom 11.11.1953, GBI. 1953, S. 173. 23 Verf. vom 19.5.1993, GVBI. S. 107. 24 Sammlung des bereinigten hamburgischen Landesrechts, 100-a.
A. Bestandsaufnahme der Koalitionsgarantien
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ständig auf einen eigenen Grundrechtskatalog verzichten, oder aber die Verfassung Mecklenburg-Vorpommerns vom 23.5.1993 26 innerhalb ihres reduzierten Grundrechtskataloges von einer koalitionsrechtlichen Regelung absieht. Hier findet die Koalitionsfreiheit ihre Grundlage unmittelbar in Art. 9 Abs. 3 GG. IV. Garantien der Koalitionsfreiheit in einfachgesetzlichen Bestimmungen Die Jedermann und alle Berufe betreffende Garantie des Art. 9 Abs. 3 GG wird in einfachgesetzlichen Bestimmungen speziell für Beamte und Richter ergänzt. Diese sollen der Vollständigkeit halber angeführt werden. 1. Richter im Bundesdienst - § 46 Abs. 1 DRiG i. V.m. § 91 Abs. 1 BBG
Das die Dienstverhältnisse der Bundesrichter ausgestaltende Deutsche Richtergesetz enthält sich einer eigenständigen Regelung über die Koalitionsfreiheit. Vielmehr fmden aufgrund der Generalverweisung des § 46 DRiG in Ergänzung der richterdienstrechtlichen Vorschriften die Regelungen des Bundesbeamtengesetzes Anwendung. Über die beamtenrechtliche Koalitionsgarantie des §91 Abs. 1 BBG steht daher auch den Bundesrichtern das Recht zu, sich in Gewerkschaften oder Berufsverbänden zusammenzuschließen. 27 Jedoch kommt dieser Bestimmung ein nur deklaratorischer Charakter zu. Sie wiederholt den Gewährleistungsgehalt des Art. 9 Abs. 3 GG lediglich in einer abgewandelten Formulierung, ohne daß ihr ein weitergehender materiell-rechtlicher Regelungsgehalt zukommt. 28 Dies gilt auch für die gesonderte Nennung von "Berufsverbänden" in § 91 Abs. 1 BBG, die zu keinem anderen Ergebnis führt,
25 GVB1.1950, S. 3. Seitdem Gesetz vom 13.6.1990 (GVBI. S. 391) heißt die "Landessatzung" nunmehr "Verfassung des Landes Schleswig-Holstein". 26 GVBI. S. 372. Das Ergebnis des für die endgültige Annahme der Verfassung notwendigen Volksentscheides wurde gemäß der amtlichen Anmerkung zu Art. I der Verfassung am 23.8.1994 im Gesetzes- und Verordnungsblatt verkündet (GVBI. S. 811). 27 GernerlDecker/KaujJmann, DRiG, 1963, § 46 Rdnr. 6; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 46 Rdnr. 10; W. Fürst, ebda, Bd. I, Teil 2b, K § 91 Rdnr. 2; PloglWiedow/BecklLemhofer, BBG, § 91 BBG Rdnr. 14; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 46 Rdnr. 55. 28 C. H. Ule, Beamtenrecht, 1970, § 57 BRRG Rdnrn. 1,4; U. Battis, BBG, 1980, § 91 Anm. 1; E. Schütz, Beamtenrecht, 5. Aufl. Stand 5/1995, § 103 (LBG NW) Rdnr. 6; Scheerbarth/HöjJken, Beamtenrecht, 5. Aufl. 1992, § 17 IV 1 b; PloglWiedow/ BecklLemhofer,BBG, §91 BGB Rdnrn.l, 14; W. Wiese, Beamtenrecht, 3. Aufl. 1988, S.20f.; W. Fürst, in: GKÖD, Bd. I, Teil2b, K § 91 Rdnr. 2; Hess.VGH, ZBR 1978, 378, mit Anm. Windscheid.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
da aufgrund der weiten Auslegung der Fonnulierung "Vereinigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen"29 Art. 9 Abs. 3 GG auch diese Organisationen in seinen Schutzbereich einbezieht. 30 2. Richter im Landesdienst - § 71 DRiG i.V.m. § 57 BRRG
Eine vergleichbare Regelung für Richter im Landesdienst trifft § 71 Abs. IDRiGmitdemBezugzu§57 S. 1 BRRG. Diesen Vorschriften und den damit im Zusammenhang stehenden landesbeamtenrechtlichen KOalitionsregelungen31 kommt daher auch kein über Art. 9 Abs. 3 GG hinausgehender eigenständiger Regelungsgehalt zu. 32
V. Internationale Verbürgungen der Koalitionsfreiheit Nicht nur in diese nationalen verfassungsrechtlichen Verpflichtungen hat die Koalitionsfreiheit Eingang gefunden. Auch internationale Vereinbarungen beinhalten Regelungen über die Bildung und die Tätigkeit von Koalitionen in Anerkennung der grundlegenden Bedeutung dieser Freiheit für das Arbeitsleben. Jedoch erreichen die internationalen und supranationalen Bestimmungen nicht injedemFalldiegleicheGewährleistungsdichtewieArt. 9 Abs. 3 GG. Sie bedürfen daher im einzelnen einer Überprüfung, ob und inwieweit sie ihrem Umfang und ihrer Geltungsanordnung nach der Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG vergleichbar sind. 29 F. Klein, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1957, Art. 9 Anm. V 9; Hamann/Lenz, Grundgesetz, 3. Aufl. 1970, Art. 9 Anm. B 8 a; A. Söllner, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd. 16 (1978), S. 19 (25); G. Hueck, EvStL., 3. Aufl. 1987, Artikel "Koalitionsfreiheit" , Sp. 1798 ff.; A. Söllner, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd.16(1978),S.19(25); W. Fürst, in: GKÖD, Bd. I, Teil2b, K § 91 Rdnr. 5;W.Löwer,in:v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 61.
30 Auf den Streit, ob es sich bei Berufsverbänden nur um Beamtenvereinigungen handelt (so U. Battis, BBG, 1980, § 91 Anm. 2) oder ob es zwischen Berufsverbänden und Gewerkschaften Überschneidungen geben kann (Plog/Wiedow/Beck/LemhoJer, BBG, § 91 Rdnr. 6) sei hier nur hingewiesen, da auch reine Beamtenvereinigungen unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG stehen. Siehe hierzu auch W. Fürst, in: GKÖD, Bd. I, Teil2b, K § 91 Rdnr. 6. 31 Die entsprechenden landesbeamtenrechtlichen Regelungen sind enthalten in: § 114 LBGBad.-Württ., Art. 101 Bay.BG, § 57 LBG Berlin, § 94 Brem.BG, § 97 Hamb.BG, § 108 Hess. BG, § 102 Nieders.BG, § 103 LBG NW, § 103 LBG Rheinl.-Pf., § 109 Saarl.BG und § 107 LBG Schl.-Ho.; in de neuen Bundesländern: § 65 LBG Brandb., § 108LBGMeckl.-Vorp., § 114 LBG Sachsen, § 91 LBG Sachsen-Anhalt. 32 C. H. Ule,Beamtenrecht, 1970, §57BRRGAnm. I 1; Plog/Wiedow/Beck/LemhoJer, BBG, § 91 Rdnr. 13; W. Fürst, in: GKÖD, Bd 1, Teil2b, K § 91 Rdnr. 21; E. Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, 5. Aufl. Stand 5/1995, § 103 Rdnr. 6.
A. Bestandsaufnahme der Koalitionsgarantien
27
1. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Art. 23 Abs. 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12. 194833 räumt Jedermann das Recht ein, zum Schutze seiner Interessen Berufsvereinigungen zu bilden und solchen beizutreten. Hierbei handelt es sich aber nur um einen Programmsatz, da die Generalversammlung der Vereinten Nationen die entsprechende Gesetzgebungszuständigkeit fehlt. 34 Auch in Art. 1 der Übereinkommen Nr. 87 vom 9.7.1948 35 und Nr. 98 vom 1.7. 194936 der Internationalen Arbeitnehmerorganisation, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, finden sich jeweils koalitionsrechtliche Regelungen. Diese sind vom Deutschen Bundestag in innerstaatliches Recht gemäß Art. 59 Abs. 2 GG umgesetzt worden und gelten auf der Ebene eines einfachen Bundesgesetzes. 37 Gleiches gilt für das ILO-Übereinkommen Nr. 135 über "Schutz und Erleichterungenfür Arbeitnehmer im Betrieb " , das die vorgenannten Regelungen ergänzt. 38 2. IPwirtR und IPbürgR
Daneben enthält Art. 8 Abs. 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.196639 "das Recht eines jeden,
33 United Nations, General Assembly, Official Records Third Session (part I) Resolutions (Doc A/81O) S. 71. 34 DäublerlHege, Koalitionsfreiheit,1976, Rdnr. 66; VerdrosslSimma, Universelles Völkerrecht, 3. Auf!. 1984, S.407 f.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. ill/l, 1988, § 62 II 4 b ß; Bd. ill/2, 1994, §94 I3 bm.w.Nachw.; G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 4R; K. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 3. Auf!. 1990, § 7 Rdnr. 11, §44 Rdnr. 35; I. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 7. Auf!. 1991, Rdnrn. 943 ff.; J. Abr. Frowein,HdbStR,Bd. VII, 1992, § 180 Rdnr. 1; R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 2. Auf!. 1994, S. 399 ff.; K. Hesse, HdbVerfR, 2. Auf!. 1994, § 5 Rdnr. 1 in FN 2. 35 BGBI. 1956 II, S. 2072. 36 BGBI. 1955 II, S. 1122. 37 BVerfGE58, 233 (255); K. Stern, Staatsrecht, Bd. ill/l, 1988, § 62 II 4 c, m.w. Nachw. in FN 173; Bd. ill/2, 1994, § 94 VI 4 c; Chr. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht,3. Auf!. 1990, § 73; R. Bernhardt, HdbStR, Bd. VII, 1992, § 174 Rdnrn. 28 f.; R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 2. Auf!. 1994, § 32 II; vgl. auch Farthmannl Coen, HdbVerfR, 2. Auf!. 1994, § 19 Rdnr. 14; nach DäublerlHege, Koalitionsfreiheit, 1976, Rdnr. 69, und G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 5, handelt es sich hierbei nur um Auslegungshilfen für nationales Recht, nicht hingegen um unmittelbar geltendes Völkerrecht. 38 Überführt in nationales Recht mit Wirkung eines einfachen Bundesgesetzes durch Gesetz vom 23.7.1973,BGBI. 1973II, S. 953 ff. Vgl. auch W. Däubler, Gewerkschaftsrechte im Betrieb, 6. Auf!. 1990, Rdnrn. 10 ff. 39 BGBI. 1973 II, S. 1570.
1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
28
zur Förderung und zum Schutz seiner wirtschaftlichen und sozialen Interessen Gewerkschaften zu bilden oder einer Gewerkschaft eigener Wahl allein nach Maßgabe ihrer Vorschriften beizutreten." Weitere detaillierte Regelungen über das Organisationsrecht der Gewerkschaften und ihre Betätigungsfreiheit sowie über die Einschränkbarkeit dieser Freiheiten finden sich in Art. 8 Abs. 1 lit b - d und Abs. 2. Bemerkenswert erscheint die Ermächtigung der nationalen Gesetzgeber, die Ausübung der garantierten Rechte durch Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der öffentlichen Verwaltung rechtlichen Einschränkungen zu unterwerfen. Hierdurch wird die Koalitionsfreiheit einem nationalen Gesetzesvorbehalt unterworfen, den Art. 9 Abs. 3 GG in dieser Allgemeinheit nicht kennt. Weniger ausführliche Formulierungen verwendet Art. 22 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966. 40 Beide Pakte wurden gemäß Art. 52 Abs. 1 GG in nationales Recht transformiert und haben damit selbst den Rang eines Bundesgesetzes. 41 3. Europäische Koalitionsgarantien
Eine Vielzahl von Bestimmungen zur Koalitionsfreiheit finden sich auf europäischer Ebene. Bereits durch Art. 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 wurde allen Menschen das Recht zugestanden, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten. Durch Gesetz vom 7.8.1952 42 ist diese Erklärung gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG in innerstaatliches Recht im Rang eines einfachen Bundesgesetzes43 transformiert worden. Mit gleichem Rang, jedoch nur mit der Wirkung einer zwischenstaatlichen Verpflichtung begründen Art. 5 und 6 des 11. Teils der Europäischen Sozial charta vom 18.10 .1961 44 koalitionsrechtliche Regelungen. 45
40 BGBI. 1973
n, S.
1534.
Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, Rdnr. 67; G. v.Hoyningen-Huene, ARBlanei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 4 R; K. Stern, Staatsrecht, Bd. Illll, 1988, § 62 n 5; Bd. IllI2, 1994, § 94 n 3 a. 42 BGBI. 1952 n, S. 686, 953. 41
43 K. Stern, Staatsrecht, Bd. Illll, 1988, § 62 III 6 b; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, Anm. 68; I. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 7. Aufl. 1991, Rdnr. 1590; Th. Oppermann, Europarecht, 1991, Rdnr. 69; J. Abr. Frowein, HdbStR,Bd. vn, 1992, § 180 Rdnr. 6m.w.Nachw.; BVerfGE 1, 396 (411); 4, 57 (162); 6, 290 (294 f.); 30,272 (284 f.). 44 BGBI. 1964 n, S. 1261.
45 K. lpsen, Völkerrecht, 3. Aufl. 1990, § 45 Rdnr. 13; M. Zuleeg, EuGRZ 1992, 329 ff.;J. Abr. Frowein,HdbStR, Bd. vn, 1992, § 180 Rdnrn. 30 ff.; K. Stern, Staats-
A. Bestandsaufnahme der Koalitionsgarantien
29
Den Rang eines Programmsatzes mit lediglich empfehlendem Charakter46 besitzt Art. 118 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957. 47 Er verlangt von den Mitgliedsstaaten die Förderung der Zusammenarbeit "insbesondere auf dem Gebiet des Koalitionsrechts und der Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern". Eigene Rechte der nationalen Sozialpartner werden hierdurch nicht begründet. Auf dem Weg der Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Union brachte die Einheitliche Europäische Akte vom 28.2.1986 48 eine Reform auch hinsichtlich der Handhabung der Grundrechte. In der Präambel verankerten die Mitgliedstaaten den Schutz der Grundrechte, wie sie sich nach der EMRK und der ESC darstellten. Die endgültige Gewährleistung der Grundrechte auf europäischer Vertragsebene erfolgte durch Art. F Abs. 2 des Unionsvertrages vom 7.2.1992,49 in dem sich die Mitgliedstaaten der Union nunmehr verpflichten, die Grundrechte zu achten, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als gemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Individualrechtsschutz findet nunmehr der Gemeinschaftsbürger bei Verletzung der Koalitionsfreiheit durch Organe der Europäischen Union auch vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Koalitionsfreiheit hat auch in weiteren europäischen Dokumenten neuerer Zeit Eingang gefunden. Hierzu gehören die Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten des Europäischen Parlaments vom 12.4.198950 sowie die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 27.9.1989,51 die als Deklaration von 11 Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaarecht, Bd. lli/2, 1994, § 94 lli 2, S. 1562; K. Hesse, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 5 Rdnr. 12. 46 H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, Anm. 51/7, 24; G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 5 f.; G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 4 R. 47 BGBI. 11 S. 766, 1678 und 195811, S. 64. 48 BGBI. 11 S. 1102.
49 BGBI. 11 S. 1253; vgI. auch BPA-Bulletin Nr. 16/1992, S. 113 ff. 50 Text ist abgedruckt in EuGRZ 1989,204 ff., mit Bericht von K. DeGucht, ebda,
S. 207 ff.; amtI. Fundstelle: Dok A2-3/89.
51 Textabgedrucktin:Zeitschr.f.soz. Europa, Beiheft 1/90, S. 46; ebenso: Sonderdruck des Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 1990, S. 9-21. VgI. hierzu auch Adamy/Bobke, Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 27 (1990), S. 21 ff.
30
1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
ten angenommen worden ist. Beiden Dokumenten fehlt jedoch die gemeinschaftsrechtliche Verbindlichkeit. 52 An der Vielzahl verbindlicher und programmatischer, nationaler und internationaler, verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Regelungen der Koalitionsfreiheit ist nicht nur der Stellenwert dieses elementaren Grundprinzips der Arbeitswelt im sozialen Rechtsstaat abzumessen sondern auch der generelle Konsens nationaler, internationaler und supranationaler Vereinigungen über den grundsätzlichen Umfang der Koalitionsfreiheit. Jedoch sind alle angesprochenen Bestimmungen für die weiteren Untersuchungen nur dann relevant, wenn sich aus ihnen jeweils ein anderer, gegenüber Art. 9 Abs. 3 GGweitergehender Garantiegehalt ergibt oder sie in anderer Weise Einfluß auf die grundgesetzliche Koalitionsgewährleistung nehmen. Für einige der aufgezählten internationalen Abkommen hat das Bundesverfassungsgericht53 festgestellt, daß sie keinen über Art. 9 Abs. 3 GG hinausreichenden Regelungsgehalt aufweisen. 54 Diese Beurteilung dürfte vor dem Hintergrund der weiten Interpretation, die Art. 9 Abs. 3 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfahren hat, auf alle auf der Ebene eines einfachen Bundesgesetzes wirkenden internationalen Vereinbarungen übertragen werden. Damitkönnen diese jedoch nicht in der weiteren Untersuchung vollständig unberücksichtigt bleiben. Für die Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG finden sich in diesen Bestimmungen lediglich Hilfen, die bei der Entscheidung von Streitfragen herangezogen werden können. 55
VI. Ergebnis Die Bestandsaufnahme koalitionsrechtlicher Bestimmungen auf nationaler und internationaler sowie auf verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Ebene hat gezeigt, daß die zuständigen Gesetzgebungsorgane immer wieder ein Bedürf52 FÜrdieGemeinschaftscharta:M. Coen, in: A. Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl. 1990, Rdnr. 1845;Th. Oppernumn, Europarecht, 1991, Rdnrn. 417,1606; M. Zuleeg, EuGRZ 1992, 329 (330); Farthmann/Coen, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 19 Rdnr. 15; für die Grundrechteerklärung: Th. Oppermann, aaO; M. Zuleeg, aaO. 53 BVerfGE58,233 (254 f.); ähnlich auch BAG, NJW 1985,2545 (2547), zu Art. 6 Abs. 4 ESC. 54 Zustimmend in der Literatur W. Dütz,JA 1987,405 (407); H. Seiter, AöR Bd. 109 (1984), S. 88 (136); G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 5. 55 Beispielhaft für die EMRK: BVerfG, EuGRZ 1987, 203 ff.; für die Europäische Sozialcharta EuGH (Urt. v. 2.2.1988), Rs. 24/86 (Blaizot/Universität Lüttich), Slg. 1988,379 (403); A. Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl. 1990, Rdnr. 460; M. Zuleeg, EuGRZ 1992, 329 (330).
B. Entwicklung der Koalitionsfreiheit
31
nis sahen, die Koalitionsfreiheit in das jeweilige Regelwerk aufzunehmen. Gleichzeitig ist aus der vielmaligen Wiederholung fast gleichlautender Formulierungen die generelle Übereinstimmung über den wesentlichen Inhalt dieses Freiheitsrechts abzuleiten. Der tatsächlichen Bedeutung der Koalitionsfreiheit für alle Arbeitnehmer ist damit durch die normative Vielfalt entsprochen worden. Für den weiteren Prüfungsablauf ergibt sich aus den bisherigen Darstellungen folgender Schluß: Das Grundgesetz enthält in Art. 9Abs. 3 GG eine umfassende Koalitionsgarantie, die alle internationalen und supranationalen Bestimmungen materiell-rechtlich umfaßt und damit für die Überprüfung entsprechender nationaler Sachverhalte allein relevant ist. Lediglich Auslegungshilfen können aus den weiteren Bestimmungen entnommen werden.
B. Die geschichtliche Entwicklung der Koalitionsfreiheit der Richter Die Koalitionsfreiheit ist kein klassisches Grundrecht. 56 Vielmehr stellt Art. 9 Abs. 3 GG eine Fortentwicklung der Art. 159, 165WRV dar, deren einfach-gesetzliche Vorläufer erst im 19. Jahrhundert mit dem heraufbrechenden Industriezeitalter entstanden waren. Deshalb betont das Bundesverfassungsgericht in vielen Entscheidungen zu Art. 9 Abs. 3 GG, daß bei der Inhaltsbestimmung dieses Freiheitsrechts nicht auf einen status quo des Grundrechtsinhalts zurückgegriffen werden könne, sondern seine historische Entwicklung einbezogen werden müsse. 57 Bei der Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG kann Wortlaut und Systematik daher nur nachgeordnete Bedeutung beigemessen werden. 58 I. Die Koalitionsverbote im 18. und 19. Jahrhundert Die Ursprünge des Koalitionsrechts waren geprägt von der Befürchtung der feudalen Obrigkeit, ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Positionen und Vorteile aufgrund einer stärker werdenden Arbeitnehmerschaft zu verlieren. Zur Sicherung ihrer überkommenen Rechte untersagte die herrschende Schicht durch die Reichszunftordnung von 1731 den Arbeitern die Bildung jeglicher
56 A. Fuchs, HdbVertR, 1. Autl. 1983, S. 733; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Autl. Stand 10/92, Art. 9 Rdnr. 300; M. Kittner, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 26;R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 159; W. Dütz, JA 1987,405 (407); Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Autl. 1995, Art. 9 Rdnr. 12; BVerfGE 50, 290 (366 f.). 57 BVerfGE 4,96 (101, 106f.); 18, 18 (27 ff.); 19, 303 (314); 38, 386 (394); 44, 322 (347 f.); 50,290 (366); vgl. auch BAG, NZA 1990, 886 (887). 58 Farthmann/Coen, HdbVertR, 2. Autl. 1994, § 19 Rdnr. 10, S. 855.
32
1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
Vereinigungen zur Verfolgung ihrer Interessen. 59 Auch spätere Gesetze, wie z.B. Teil 2, Titel 8, § 396 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794, wiederholten das Koalitionsverbot. 60 Selbst während der Revolutionszeit von 1848/49 bestand das Koalitionsverbot fort, wenn auch auf seine Einhaltung nicht mehr besonders geachtet wurde. 61 Diese faktische Liberalisierung ermöglichte im August 1848 die Gründung der "Allgemeinen deutschen Arbeiterverbrüderung" unter der Führung von StephanBorn. In ihr waren 170 örtliche Arbeitervereine zusammengefaßt,62 die sich bereits seit 1840 unter der Vorreiterschaft der Leipziger Buchdrucker organisiert hatten. Jedoch bestätigte nach dem Scheitern der Revolution der Bundesrat des deutschen Bundes am 13.7.1854 erneut das Koalitionsverbot. Den ersten Schritt hin zu einer zunächst einfach-gesetzlichen, personell begrenzten Garantie der Koalitionsfreiheit machte der Gesetzgeber des Norddeutschen Bundes durch die beschränkte Aufhebung des Koalitionsverbotes in § 152 Abs. 1 der Gewerbeordnung vom 21.6.1869: 63 "Alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbetreibende, gewerbliche Gehülfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Verabredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben."
Die bis dahin mit Strafe sanktionierten Arbeitnehmerorganisationen waren zwar nun nicht mehr verboten. Jedoch stand die Koalitionsfreiheit noch nicht unter staatlichem Schutz. Tatsächlich konnte die Staatsgewalt durch zahlreiche gesetzliche Einschränkungen die praktische Arbeit und die Wirksamkeit der Arbeiterkoalitionen willkürlich behindern. 64 59 R. Dietz, HGrR, Bd. rn/I, 1958, S. 417 (423); A. Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. n, 2. Aufl. 1959, S. 17; G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. I;M. Kittner,AK-GG, 2. Aufl.1989,Art. 9Abs. 3 Rdnr. 6; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, S.l1,jew. m.w.Nachw.R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 2, rechnet Zünfte, Gilden und Gesellenbünde nichtzu den Koalitionen, sondern zu den Vereinigungen im Sinne des Art. 9 Abs. I GG. 60 Vgl. hierzu die Darstellung bei R. Dietz, HGrR, Bd. rn/I, 1958, S. 417 (423); Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 11, 6. Aufl. 1957, S. 113 ff.; vgl. auch M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 235 Rdnr. 2. 61 Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, S. 14; vgl. auch R. Dietz, HGrR, Bd. rn/l, 1958, S. 417 (423). 62 Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, S. 13: H. Limmer, Die deutsche Gewerkschaftsbewegung, 8. Aufl. 1978, S. 18.
63 Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1869, S. 245 ff. 64 R. Dietz, HGrR, Bd. rn/I, 1958, S. 417 (424); Th. Ramm, Das Koalitions- und Streikrecht der Beamten, 1970, S. 58; H. Limmer, Die Deutsche Gewerkschaftsbewegung, 8. Aufl. 1978, S. 19.
B. Entwicklung der Koalitionsfreiheit
33
Für die Koalitionsfreiheit der Richter hatte § 152 GewO keine Bedeutung, da sich der persönliche Anwendungsbereich der Gewerbeordnung auf "Gewerbetreibende, gewerbliche Gehülfen, Gesellen und Fabrikarbeiter" beschränkte. Für nichtgewerbliche Arbeitnehmer und Staatsdiener blieb es daher bei den weiterhin bestehenden Koalitionsverboten in den landesrechtlichen Bestimmungen. 65 Einen Rückschlag erhielt die junge Gewerkschaftsbewegung durch die" Sozialistengesetzgebung " aus dem Jahre 1878. 66 Freie Gewerkschaften wurden aufgelöst, da diese nach einer schon 1875 ergangenen Entscheidung des preußischen Obertribunals weitgehend zu den Vereinigungen mit sozialpolitischen Bestrebungen zählten. 67 Erst 1890 wurde die Geltungsdauer der Sozialistengesetze durch den Reichstag nicht wieder verlängert. 11. Die Bildung des Deutschen Richterbundes
Parallel zu den Vereinigungen gewerblicher Arbeitnehmer schlossen sich auch Beamte zu Interessenverbändenzusammen. Sie unterstanden aber wegen des begrenzten persönlichen Geltungsbereichs nicht dem eingeschränkten Schutz der Gewerbeordnung und wurden daher aufgelöst, sobald ihre Zwecksetzung über gesellige und berufliche Kontakte hinausgingen. 68 Gleiches galt für Vereinigungen der Richter, die nach dem damaligen Staatsverständnis zur Beamtenschaft zählten und den beamtenrechtlichen Bestimmungen unterlagen. Das gesetzliche Verbot von Interessenverbänden zeigte sich in der Praxis für die (Beamten-)Richter aber weniger bedeutsam als für nichtgewerbliche Arbeiter, da die sozialen Probleme, die für die Gründung der Arbeitervereinigungen ausschlaggebend waren, bei den (Beamten-)Richtern eine geringere Rolle spielten. So verfolgten die im Jahre 1859 gegründete Juristische Gesellschaft zu Berlin und die rheinisch-preußische Amtsrichtervereinigung von 1880 keine berufsständischen Ziele, sondern förderten rechtswissenschaftliche Aufgaben und beson65 R. Dietz, HGrR, Bd. rn/I, 1958, S. 417 (424). 66 Gesetz gegen die gemeingefahrlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21.10.1878, RGBI. S. 351 ff.
67 Das Gericht entschied: " ... schon die Erörterung sozialer Fragen, z.B. der Verbesserung der Lage der Arbeiter im allgemeinen, der Lohnfrage ... ist politischer Natur", Entscheidungssammlung des königlichen Obertribunals Bd. 76 (1876), S. 394 ff. Damit verstießen Versammlungen, die sich mit diesem Thema beschäftigten, gegen das damalige Vereinsverbot, S. Nestriepke, Die Gewerkschaftsbewegung, Bd. I, 2. Aufl. 1922, S. 193; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 11, 6. Aufl. 1957, S. 85; DäublerlHege, Koalitionsfreiheit, 1976, Anm. 21; W. Däubler, Arbeitskampfrecht, 2. Aufl. 1987, Anm. 19; vgl. hierzu auch Th. Ramm, Das Koalitions- und Streikrecht der Beamten, 1970, S. 58. 68 Th. Ramm, aaO, S. 59, m.w. Beispielen und Nachweisen. 3K1aas
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
ders das gesellige Zusammensein,69 Dies änderte sich ab dem 9.12.1899, als sich der hessische Richterverein konstituierte und damit eine Welle von weiteren Vereinsgründungen initiierte. Im Mai 1902 wurde der Richterverein Elsaß-Lothringen ins Leben gerufen, am 11.2. 1906 der Richterverein Bayern, im Juni 1907 der Richterverein Baden und im November 1907 der Richterverein Sachsen. Bemerkenswert ist, daß dem bayerischen Richterverein fast alle Richter des Landes beitraten und sogar das bayerische Justizministerium seine Gründung begrüßte. 70 Auf Anregung des bayerischen Richtervereins fand am28. Juni 1908 eine Sitzung der Landesvertreter der bis dahin bestehenden Richtervereine statt, während derer die Gründung des Deutschen Richterbundes beschlossen wurde. Dieser konstituierte sich am 1.1.1909. 71 Die Satzung der neuen Bundesvereinigung der Richtervereine beschrieb in § 2 den Zweck des Richterbundes mit den Worten: "Der Bund bezweckt die Förderung der Rechtspflege und der Berufsangelegenheiten der deutschen Richter und Staatsanwälte" .72 Der Deutsche Richterbund verstand sich hiernach in einem wesentlichen Teil seiner Aufgaben als berufsständische Vereinigung der deutschen Richter und Staatsanwälte, deren Zuspruch sich bereits kurz nach der Gründung in einer Mitgliederzahl von ca. 4.80073 niederschlug.
m. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Koalitionsfreiheit 1. Art. 130 Abs. 2, 159 WRV
Die endgültige verfassungs rechtliche Absicherung der Koalitionsfreiheit für (Beamten-)Richter erfolgte durch Art. 159 i.V.m. 130 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919: 74 69 Für die Juristische Gesellschaft zu Berlin vgl. A. Fijal, Die Geschichte der Juristischen Gesellschaft zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, Diss. Berlin 1990, S. 15; bei H. Neumann, Zur Geschichte der Juristischen Gesellschaft zu Berlin (1859 bis 1903), 1984 (Nachdruck von 1903), findet sich im Anhang der Text der Statuten; für die rheinisch-preußische Amtsrichtervereinigung vgl. C. Frisching, Die deutschen Richtervereinigungen, Diss. Freiburg 1936, S. 3. 70 J. Müller-Webers, DRiZ 1984, 122 (124). 71 Vgl. hierzu auch die ersten Beiträge der Schriftleitung der ab dem gleichen Zeitpunkt erscheinenden Deutschen Richterzeitung.
72 Die vorläufige Satzung ist abgedruckt in DRiZ 1909, 10 f. Angemerkt sei hierzu, daß die Schriftleitung der Deutschen Richterzeitung die Veröffentlichungen in den ersten Heften auf die Berufsangelegenheiten der Richter beschränkte, rechts wissenschaftliche und -politische Beiträge hingegen ausklammerte. - Siehe hierzu die Anmerkung der Schriftleitung in DRiZ 1909, 9. Auch hieraus läßt sich die Schwerpunktbildung in Bezug auf Berufsangelegenheiten erkennen. 73 DRiZ 1909, 7. 74 RGBI. 1919, S. 1383.
B. Entwicklung der Koalitionsfreiheit
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(Art. 159) "Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann und alle Berufe gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche diese Freiheit einschränken oder zu verhindern versuchen, sind rechtswidrig." Dieses Freiheitsrecht wurde durch Art. 130 Abs. 2 WRV ausdrücklich auf Beamte ausgedehnt. Neben der Höchstrangigkeit der Koalitionsfreiheit enthielt Art. 159 WRV eine weitere Neuerung: Die Koalitionsfreiheit stand nunmehr nicht nur gewerblichen Arbeitern zu. Auch Beamten war das Recht, sich in Berufsverbänden zusammenzuschließen, auf Verfassungsebene garantiert.7 5 Dies hatte für die Rechtsstellung der Richter, die auch nach dem Verständnis der Weimarer Reichsverfassung Beamtenrichter waren,76 zur Folge, daß der am 1.1.1909 gegründete Deutsehe Richterbund nunmehr unter verfassungsrechtlichem Schutz stand. Jedoch darf der Wortlaut der Art. 130 Abs. 2, 159 WRV nicht darüber hinwegtäuschen, daß der hierdurch gewährleisteten Koalitionsfreiheit eine Bindungswirkung nur gegenüber der Exekutive, nicht aber gegenüber der Legislative zukam, denn der Weimarer Reichsverfassung war eine absolute Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung entsprechend Art. 1 Abs. 3 GG fremd. 77 Letztlich konnten damit Art. 130 Abs. 2 und 159 WRV durch ein verfassungsänderndes Gesetz wieder aufgehoben werden. Weniger rechtliche als vielmehr wirtschaftliche Probleme verhinderten in der Folge eine Weiterentwicklung der Koalitionen. Inflation, Weltwirtschaftskrise und 6 Millionen Arbeitslose führten zur Machtlosigkeit der Gewerkschaften. War noch der rechtsradikale Kapp-Putsch 1920 durch den von den Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik zum Scheitern gebracht worden, so stan-
75 G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919,14. Aufl. 1933, Art. 159 Anm. 2; H. e. Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, 1932, S. 385 (408). 76 Vgl. hierzu die geschichtliche Entwicklung der Stellung des Richters im Verfassungsgefüge unten Teil 2 B III 2 a. 77 G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Vorbem. Art. 76 Anm. 3, 109 Anm. 6; R. Thoma, in: H. C. Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. I, 1929, S. 1 ff.; H. e. Nipperdey, ebda, Bd. 2, 1930, S. 386; G. Dürig, in: MaunzlDürig, Art. 1 Abs. 3 Rdnrn. 103 ff.; G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 3 m.w.Nachw. in FN 13; R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, Diss. Bonn 1984, S. 5; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 5 IV; Bd. II1Il, 1988, § 59 V 6 b, § 61 11 3 b a; ehr. Starck, in: v.Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 1985, Art. 1 Rdnr. 103; D. Merten, Das besondere Gewaltverhältnis, 1985, S. 53 (64); E. Stein, Staatsrecht, 12. Aufl. 1992, S. 153; Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht 11,11. Aufl. 1995, Rdnr. 180.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
den die Gewerkschaften den Lohn- und Gehaltskürzungen durch die BTÜning' sehen Notverordnungen vom 8.12.1931 ohnmächtig gegenüber. Die Koalitionsfreiheit war damit praktisch gehaltlos,78 2. Die Zeit des Nationalsozialismus
Nach der faktischen Entmachtung wurden die Gewerkschaften am 2.5.1933, kaum 4 Monate nach der Regierungsübemahme durch Adolf Hitler, aufgelöst. An ihre Stelle trat die "Deutsche Arbeitsfront", eine Unterorganisation der NSDAP. Andere Arbeitnehmerorganisationen waren daneben verboten. Auch der Deutsche Richterbund wurde im Zuge der streng nach nationalsozialistischen Vorgaben geordneten Verwaltung durch die Leitung des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, der "Nachfolgeorganisation" des Richterbundes, aufgrund einer "Verfügung" vom 4.10.1933 mit Wirkung zum 31.12. 1933 aufgelöst. 79 Die Koalitionsfreiheit nach heutigem Verständnis existierte nicht mehr. 80 3. Die vorgrundgesetzlichen Landesverfassungen und das Grundgesetz
Die sich seit 1946 konstituierenden Länder nahmen in ihre neu geschaffenen Landesverfassungen, soweit sie überhaupt einen eigenen Grundrechtsteil formulierten, die Koalitionsfreiheit als wesentlichen Bestandteil der Vorschriften über die Wirtschaftsverfassung auf. Dabei gingen sie teilweise über die förmlichen Garantien der Weimarer Reichsverfassung hinaus, indem sie das Streikrecht als Element der Koalitionsfreiheit in den Verfassungstext einbezogen. 81 Neben den regionalen Gewerkschaften, die sich unmittelbar nach Kriegsende reaktivierten, um sich im Oktober 1949 zum Deutschen Gewerkschaftsbund zusammenzuschließen, wurde auch der Deutsche Richterbund am 27.10.1949 wieder ins Leben gerufen.
78 Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, S. 29. 79 E. Großer, DRiZ 1959, 295 (299); A. Wirtz, DRiZ 1969, 305 (308); J. MüllerWebers, DRiZ 1984, 122. 80 Hueck/Nipperdey/Dietz, ArbGG, 4. Aufl. 1943, § 69 Rdnr. 5; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. ß, 6. Aufl. 1957, S. 88; dies., Grundriß des Arbeitsrechts, 2. Aufl. 1962, S. 158; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, S. 30; G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 3; M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 235 Rdnr. 9, bezeichnet Art. 159 WRV für die Zeit des Nationalsozialismus als "funktionsleere Hülse". 81 Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, S. 34; vgl. hierzu auch die Auflistung der Landesverfassungen oben A m.
c. Persönlicher Geltungsbereich des Art.
9 Abs. 3 GG
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Endstation und Höhepunkt auf dem Weg der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Koalitionsfreiheit ist seit 1949 Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes, der zwar vom Wortlaut her betrachtet eng mit Art. 159 WRV verwandt ist, jedoch in seinem Schutzbereich weit über jenen hinausreicht. Trotz des gegenüber der Weimarer Reichsverfassung gewandelten Bildes vom Beamtenrichter hin zum Richter als unabhängigem Organ der Rechtspflege 82 wird auch dem Richter grundsätzlich mit dem Hinweis auf die Formulierung "alle Berufe" der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG zugestanden. Die genaue Bestimmung der Freiheitsgewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG für den Berufsrichter wird Gegenstand der folgenden Untersuchung sein.
C. Der persönliche Geltungsbereich des Art. 9 Abs. 3 GG I. Einleitung - Der Richter im Spannungsfeld zwischen Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverpflichtung Das Bundesverfassungsgericht (VorpTÜfungsausschuß) formuliert in seinem Beschluß vom 15.3.1984: "Nach Art. 9 III GG ist für jedermann und alle Berufe die Koalitionsfreiheit gewährleistet. Richtern - auch der Arbeitsgerichtsbarkeit - ist es daher von Verfassungs wegen gestattet, sich gewerkschaftlich zu betätigen." Das Gericht unterläßt in dieser kurzen und plakativen Aussage jegliche persönliche und qualitative Differenzierung, die darauf schließen lassen könnte, die amtliche Stellung des Richters beeinflusse den Gewährleistungsumfang des Art. 9 Abs. 3 GGnicht. Jedoch kann Art. 9 Abs. 3 GG nicht isoliert von anderen Verfassungsnormen gesehen werden, denn der Richter nimmt in seinem Berufsleben eine Position ein, die das Grundgesetz, z.B. in Art. 33, 92, 97 GG, abweichend von der Rechtslage des Normalbürgers regelt. Ausgehend vom Wortlaut stellt sich daher die Frage, ob der Berufsrichter in seiner funktionsrechtlichen Stellung als Teil der rechtsprechenden Gewalt" Jedermann" im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG ist. Zu der Streitfrage, ob Art. 9 Abs. 3 GG ein Menschenrecht 83 oder "nur" ein Jedermann-Recht ist,84 bedarf es keiner näheren Ausfüh82 Hierzu vgl. unten 2. Teil B III 2 ff. 83 K. Gröbing, ArbuR 1986, 298;R. Scholz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 9 Rdnr. 175;
ders.,HdbStR,Bd. VI, 1989, § 151 Rdnm. 12,70; R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnr. 840; G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 18811 1;A. Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 11. Aufl. 1993, S. 62; Schmidt-BleibtreuIKlein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 9 Rdnr. 1.
84 K. Stern, Staatsrecht, Bd. IIIll, 1988, § 58 IV 4, § 70 11. Nur durch die begriffliche Differenzierung zwischen Jedermann- und Menschenrechten wird verdeutlicht, daß
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
rungen. Problematisch ist aber die undifferenzierte Anwendbarkeit des Freiheitsrechts in allen Situationen, denen der Richter täglich begegnet. Der Richter ist bei seiner Amtstätigkeit Teil der rechtsprechenden Gewalt. Hier ist er wie jeder Organwalter85 staatlicher Gewalt Grundrechtsadressat und durch Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Neben der Stellung als Grundrechtsadressat ist er zugleich Bürger und damit Grundrechtsberechtigter , dem die Grundrechte Schutz vor unzulässigen staatlichen Eingriffen in seine Freiheitssphäre gewähren. Inder Person des Richters überschneiden sich folglich Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverpflichtung. Hieraus erwächst ein Spannungsverhältnis zwischen allgemeiner bürgerlicher Freiheit und Statusverhältnis. 86 Diese vom allgemeinen Bürger-Staat-Verhältnis abweichende Beziehung des Richters zum Staat wird herkömmlich als besonderes Gewaltverhältnis bezeichnet.B7
11. Die Stellung des Richters im besonderen Gewaltverhältnis 1. Staatsverwaltung im Konstitutionalismus
Während der Mitte des vorigen Jahrhunderts differenzierte man hinsichtlich der Grundrechtsgeltung zwischen den Außenbeziehungen Staat-Bürger und dem
Menschenrechte vorstaatliche oder überpositive Rechte eines jeden Menschen unabhängig von der positivrechtlichen Verbürgung umschreiben. Gerade dies ist aber bei der Koalitionsfreiheit bedenklich. 85 Siehe hierzu unten 2. Teil B ill 1 b bb (2).
86 F. Werner, JZ 1954, 557 (560 f.); W. Losehelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis, 1983, S. 389; W. Thiele, ZBR 1983, 345 (349); WoljJ/Bachof/Stober, VerwaltungsrechtII,5.Aufl. 1987, § 107 Rdnr. 31; N. Klein, DVBI. 1987,1102 (1106); K. Stern, Staatsrecht, Bd. ill/l, 1988, § 74 ill 3; W. Losehelder, HdbStR, Bd. V, 1992, § 123 Rdnrn. 17 ff.;J. Isensee, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 80; vgl. auch BVerfGE 39, 334 (347). 87 Die Terminologie ist dabei uneinheitlich. Bedenken werden vor allem gegen den Begriff "Gewalt" erhoben, weshalb Umschreibungen wie "Sonderrechtsverhältnis" , "besondere Rechtsverhältnisse ", "Sonderstatusverhältnis ", "Einordnungsverhältnis " oder "öffentlich-rechtliche Sonderbindung" versucht werden. Jedoch ist der Begriff "Gewalt" insofern nicht abzulehnen, als daß das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 3,20 Abs. 2, 65 a und 115 bselbst von Gewalt spricht. W. Thiele, ZBR 1983, 345 ff.; D. Merten, in: FestschriftK. Carstens, 1984, Bd. 2, S. 729 ff.; auch abgedruckt in: ders., Das besondere Gewaltverhältnis, 1985, S. 53 ff.; ders., HdbStR, Bd. V, 1992, § 123 Rdnr. 6; K. Stern, Staatsrecht, Bd. illn, 1988, § 74 m 4 d; l. v.Münch, in: v. MünchlKunig, GGKomm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Vorbem. Art. 1-19 Rdnr. 58; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnrn. 321 ff.
C. Persönlicher Geltungsbereich des Art. 9 Abs. 3 GG
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Innenbereich des Staates. Nur im ersteren bestand ein Rechtsverhältnis, während der Innenbereich des Staates ein rechtsfreier Raum war, in dem der Staat als geschlossenes Rechtssubjekt Regelungen in Form von Verwaltungsvorschriftentreffenkonnte. Diese hatten nicht die Qualität von Rechtsvorschriften, und sie unterlagen nicht dem Gesetzesvorbehalt .88 Sinn dieser Trennung war, die Verwaltung sowohl gegenüber Einflußnahmen seitens des Parlaments abzusichern als auch gerichtliche Überprüfungen des staatlichen Innenbereichs zu verhindern. 89 Die Gewaltunterworfenen hatten daher gegenüber dem Staatsoberhaupt keine dem Bürger außerhalb der Staatsverwaltung vergleichbaren Rechte. Sie galten vielmehr als "Hausgut " der monarchischen Verwaltung. 90 Den Innenbereich der Verwaltung bezeichnete zuerst O. Mayer91 als "besonderes Gewal tverhältnis" und definierte es als "verschärfte Abhängigkeit, welche zugunsten eines bestimmten Zweckes öffentlicher Verwaltung begründet wird für alle einzelnen, die in den vorgesehenen besonderen Zusammenhang treten. "92 U rsprünglich war dieser Bereich damit ein rechtsfreier Raum, in dem die Grundrechte und der Vorbehal t des Gesetzes keine Anwendung fanden und die internen Vorschriften und Anweisungen gerichtlich nicht angegriffen werden konnten. 93 88 So die von P. Laband und G. Jellinek entwickelte "Impermeabilitätstheorie" . P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Aufl. 1911, S. 2, 13,86 f., 181; G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887, S. 240 f. Vergleiche hierzu auch H. H. Rupp, JuS 1975,609 (610); F.-E. Schnapp, Rechtstheorie Bd. 9 (1978), S. 275 (277); K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 38 I 1 bund Bd. rn/I, 1988, § 74 rn 2; W. Krebs, Jura 1981,569 (572); H.-U. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 3. Aufl. 1982, S. 88; ders., Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit 1,2. Aufl. 1984, S. 36;F. Rottmann, ZBR 1983,77 ff.; W. Thiele, ZBR 1983,345 (346); M. Ronellenjitsch, in: D. Merten (Hrsg.), Das besondere Gewaltverhälnis, 1985, S. 33 (34); ders., DÖV 1981,933 (936). 89 M. Gönsch, JZ 1979,16 (17); F. Rottmann, ZBR 1983, 77; W. Thiele, ZBR 1983, 345. 90 AnschützlThoma, HdbDStR, Bd. 2, 1932, S. 223; F. Klein, in: v.Mangoldt/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1,2. Aufl. 1957, S. 129 FN 189; K. J. Partsch, Verfassungsprinzipien und Verwaltungsinstitutionen, 1958, S. 25; W. Thieme, JZ 1964, 81; Chr. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung, 1969, S. 68; W. Thiele, ZBR 1983, 345; D. Merten, in: Festschrift für K. Carstens, 1984, Bd. 2, S. 721 (731, 734); Chr. Starck, in: v.Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 1 Rdnr. 187. 91 O. Mayer, AöR Bd. 3 (1888), S. 1 (53 f.). Vgl. hierzu insbes. L. Wenninger, Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982, S. 130 ff. 92 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 1. Aufl. 1895, S. 101 f., 103 f., 108 f. 93 Vgl. hierzu bes. die umfangT. Darstellungen bei M. Ronellenjitsch, DÖV 1981, 933 ff.; dems., in: D. Merten (Hrsg.), Das besondere Gewaltverhältnis, 1985, S. 33
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
2. Die Zeit der Weimarer Reichsverfassung
Ein Wandel im Verständnis des besonderen Gewaltverhältnisses zeichnete sich unter der Weimarer Reichsverfassung ab, wenngleich die herrschende Meinung weiterhin an der Grundrechtsfreiheit der besonderen Gewaltverhältnisse festhielt. 94 So formulierteR. Thoma: "Mir scheint, daß in der Regel und im Zweifel die Grundrechte ... nur auf das allgemeine Gewaltverhältnis gemünzt sind. "95 An dieser Haltung konnte auch Art. 130 Abs. 2 WRV nichts ändern, der Beamten und Soldaten ausdrücklich die Freiheit der politischen Gesinnung und die Vereinigungsfreiheit zugestand. Er wurde sogar von den Vertretern der klassischen Lehre herangezogen, um ihren Standpunkt zu bestärken. Sie stellten fest, Art. 130 Abs. 2 WRV habe Ausnahmecharakter . Im Umkehrschluß könne deshalb davon ausgegangen werden, daß, soweit die WRV keine ausdrückliche Regelung träfe, Grundrechte im besonderen Gewaltverhältnis keine Geltung entfalten würden. 96 Das besondere Gewaltverhältnis behielt daher auch während der Geltung der Weimarer Reichsverfassung seine grundrechtliche Bedeutung. 97 3. Das besondere Gewaltverhältnis unter der Geltung des Grundgesetzes
Unter dem Grundgesetz setzte sich die Diskussion um die Auswirkungen des besonderen Gewaltverhältnisses fort. Jedoch enthielt dies im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung in Art. 1 Abs. 3 eine grundlegende Verfassungsentscheidung zugunsten einer umfassenden Geltungs- und Bindungskraft der Grundrechte. 98 Vor diesem Hintergrund konnte die Grundrechtsbindung des Staates auch im besonderen Gewaltverhältnis ernsthaft nicht mehr bestritten werden. 99 (34 f.); W. Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982, S. 7 ff.; dens., in: D. Merten (Hrsg.), ebda, S. 9 (10 f.); L. Wenninger, Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982, S. 105 ff.; W.-R. Schenke, in: D. Merten, ebda, S. 83 ff.; N. Klein, DVBI. 1987, 1102 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, § 74 m; Für die Schweiz: 1. P. Müller, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, 1982, S. 109.
94 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1,3. Aufl. 1924, S. 101,351; F. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. 1928, S. 165 ff.; R. Thoma, in: H. C. Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. I, 1929, S. 24 ; E. Jacobi, HdbDStR, Bd. 2, 1932, S. 255 (256). 95 R. Thoma, in: Festgabe für das Preußische Oberverwaltungsgericht, 1925, S. 183 (207); ders., HdbDStR, Bd. 2, 1932, S. 221 (223). 96 E. Jacobi, HdbDStR, Bd. 2, 1932, S. 255 (256). 97 M. Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 (935 ff.). Vgl. hierzu insgesamt auch K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, § 74 m 3 m.w.Nachw.; N. Klein, DVBI. 1987, 1102 ff.; W. Losehelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982, S. 117 ff. 98 Vgl. hierzu ausführlich K. Stern, Staatsrecht, Bd. illll, 1988, §§ 73 ff.
99 M. Ronellenfitsch, DÖV 1981,933 (936) m.umfangr.Nachw. in FN 24.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit Art. 9 Abs. 3 GG knüpft an Art. 159WRVan. Er garantiert ausdrücklich nur das Recht, Vereinigungen zu bilden, um die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Die geschichtliche Entwicklung der Koalitionsfreiheit hat gezeigt, daß Art. 9 Abs. 3 GG kein klassisches, liberales Grundrecht ist.H)() Es entwickelte sich erst im Laufe der letzten 120 Jahre zu einem sozialen Schutzrecht zur Stärkung des Sozialstaatsgedankens im Arbeits- und Wirtschaftsleben. 101 Bei der Konkretisierung seines Schutzbereiches kann deshalb nur bedingt auf einen traditionell feststehenden Inhalt zurückgegriffen werden. Vielmehr müssen einerseits seine historische Entwicklung 102 und andererseits seine sozialpolitische Entwicklungsoffenheit zur Anpassung an sich wandelnde wirtschaftliche und soziale Bedingungen 103 in die Bestimmung des Schutzbereiches einfließen. Aufgrund des eng gefaßten Wortlautes bedurfte es dabei in der instanziellen und höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie in der Literatur einer weiten Ausgestaltung, damit Art. 9 Abs. 3 GG dem Charakter der "magna charta des Arbeitsrechts" gerecht werden konnte. Hierbei ist jedoch eine nicht unwesentliche Ausnahme zu machen: der sog. Amtsbereich. 104 Dieser umfaßt die spruchrichterliche Tätigkeit, die in 100 R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 159; A. Fuchs, HdbVerfR, 1. Aufl. 1983, S. 733; W. Dütz, JA 1987,405 (407); M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 26; M. Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit, 1989, S. 3 ff.; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 10/1992, Art. 9 Rdnr. 300; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 9 Rdnr. 12; BVerfGE 50, 290 (366 f.). 101 U. Scheuner, Der Inhalt der Koalitionsfreiheit, 1960, S. 12; A. Fuchs, HdbVerfR, 1. Aufl. 1983, S. 733; G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 2; W. Zöllner, AöR Bd. 109 (1984), S. 136; K. Gröbing, ArbuR 1986, 297 (298); M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 26; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 10/1992, Art. 9 Rdnr. 300; BVerfGE 19, 303 (319); 50, 290 (366). 102 So ausdrücklich das BVerfGE 4, 96 (101, 106 f.); 18, 18 (27 ff.); 19, 303 (314); 38, 386 (394); 44, 322 (347 f.); 50, 290 (366); vgl. auch BAG, NZA 1990, 886 (887). 103 W. Dütz, JA 1987,405 (410); M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 30; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 163, 194; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 54; W. Löwer, in: v.Münch/Kunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 61; Farthmann/Coen, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 19 Rdnrn. 10 ff. 104 G. Hager, Die Meinungsfreiheit im Richteramt, 1987, passim, spricht hier von richterlicher Wertungsgarante, womit er bei H. J. Becker, ZBR 1988, 231 f., nicht auf Zustimmung stößt.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
Art. 97 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgt ist. Dazu zählen die unmittelbar zur Streitentscheidung führenden Maßnahmen, Handlungen und Äußerungen des Richters in seiner Funktion als Organwalter der Rechtspflege. Hier tritt er nicht als Privatperson oder Dienstverpflichteter auf, sondern als Amtswalter bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. 105 Das Gesetz verleiht ihm hierzu besondere Machtmittel, wie z.B. Entscheidungskompetenzen bei der Verhandlungsleitung und Urteilsfindung sowie sitzungspolizeiliche Befugnisse. Er trifft die Streitentscheidung "im Namen des Volkes" und seine schriftlichen und mündlichen Äußerungen werden nicht seiner Person, sondern dem Staat als Garant einer unabhängigen Rechtsprechung zugerechnet. In dieser Funktion ist der Richter nicht mehr Grundrechtsberechtigter .106 Er ist hier ausschließlich Grundrechtsverpflichteter , dem ein Rückgriff auf Grundrechte nicht möglich ist. Deshalb kann er sich bei der Formulierung der Entscheidungsgründe nicht auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen.
J. Isensee 107 zeigte den "Bereich des Amtes" und seine Auswirkungen auf die Grundrechtsberechtigung der Beamten in dieser Konsequenz eindringlich auf. Handlungen innerhalb dieses Bereiches seien "demokratisches Instrument des Volkswillens, nicht grundrechtliches Medium der persönlichen Freiheit seines Inhabers. Der Amtswalter ist integraler Teil der Staatsorganisation und somit 105 F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 284. 106 P. Lerche, HGrR, Bd. lVII, 1960, S. 447 (481), für Grundrechte der Soldaten; C. H. Ule, HGrR, Bd. IV/2, 1962, S. 537 (632); H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 75 ff.; F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 275 ff.; ders., ZBR 1977, 208 (212); H.-U. Erichsen, VerwArch. Bd. 71 (1980), S. 429 (437); U. Battis, NJW 1981, 957; ders., in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, 1990, S. 908; speziell für Art. 5 GG vgl. auch R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 5 Abs. I, n Rdnr. 17, der eine Grundrechtsgeltung für Organwalter verneint; ehr. Starck, in: v.Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 1985, Art. 2 Rdnr. 33: "der Staat und seine Ableger sind ... nicht grundrechtsberechtigt"; FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 33; K. Köpp, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1988, m Rdnr. 28; K. Stern, Staatsrecht, Bd. mll, 1988, § 74 m 5 b a; J.lsensee, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 81; wohl auch A. Bleckmann, Staatsrecht n - Allgemeine Grundrechtslehren, 3. Aufl. 1989, S. 123 m.w.Nachw.; offenlassend Woljf/BachojlStober, Verwaltungsrecht n, 5. Aufl. 1987, § 107 Rdnr. 31; ausdrücklich nunmehr auch BVerwG, NJW 1987,1748 (1749). KritischF. Rottmann, ZBR 1983,77 (81 f.), der zwischen Amts- und Dienstrecht eine untrennbare Konnexität sieht; ebenso K. Stern, Staatsrecht, Bd. m/l, 1988, § 74 m 5 b a; J. Isensee, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 81; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 16. 107 HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnrn. 81 ff., erstmals HdbVertR, 1. Aufl. 1983, S. 1148 (1188 f.).
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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Adressat der Grundrechte, nicht ihr Träger. Eine amtliche Weisung betrifft ihn nicht in einem eigenen Recht, sondern in einer staatlichen Kompetenz, die er treuhänderisch zum Wohle der Allgemeinheit wahrzunehmen hat." Losgelöst von den Problematiken des besonderen Gewaltverhältnisses handelt es sich hierbei nicht um die Frage einer Grundrechtseinschränkung, sondern um die nach der Grundrechtsgeltung. 108 Der Staat ist selbst nicht handlungsfähig. Er benötigt natürliche Personen, die die Ausführung seiner Aufgaben übernehmen. Er braucht hierzu unter anderem Richter, die in einem konkreten Verfahren Recht sprechen und damit den Verfassungsauftrag der Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und 92 ff. GGerfüllen. Dann aber ist der Richter, der diese Funktion für den Staat ausübt, Adressat der Grundrechte, und sein Urteil ist ein Rechtsprechungsakt, der dem Gericht als staatlicher Gewalt zugerechnet wird. Der Staat kann sich dabei nicht auf Grundrechte berufen. Folglich fehlt auch dem Richter die Grundrechtsberechtigung, soweit er in der Wahrnehmung der Rechtsprechungsaufgabe für denStaat handelt. Für den richterlichen Amtsbereich hat die Entwicklung der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis unter Geltung des Grundgesetzes folglich keine Grundrechtsberechtigung mit sich gebracht. In der Praxis hat dies beispielsweise zur Folge, daß Äußerungen in der Sitzung und die Abfassung des Urteils keine Grundrechtsausübung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG sind, ebensowenig wie Art. 9 Abs. 3 GG eine Plakette mit gewerkschaftlichen Inhalten an der Richterrobe rechtfertigen kann. 109 Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes gelten somit die Grundrechte grundsätzlich auch für die Gewaltunterworfenen. Deshalb stehen auch Berufsrichter außerhalb ihrer Spruchtätigkeit grundsätzlich unter dem Schutz der Grundrechte. I 10 Der Richter ist daher insoweit "jedermann" im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG. 108 F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 284; ders., ZBR 1977, 208 (212 f.); FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 33; K. Stern, Staatsrecht, Bd. llill, 1988, § 74 lli 5 b a; J. Isensee, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 81. 109 Die sich hieraus ergebenden Grenzen richterlicher Wertungs- und Begründungsfreiheitdürften in allgemeinpolitischer Hinsicht vom Amtsgericht Bielefeld, zitiert bei H.-J. Wipfelder, DRiZ 1987, 117 (123), wohl erreicht, wenn nicht überschritten sein. 110 ehr. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung, 1969, S. 67 f.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 178 (FN 2); DäublerlHege, Koalitionsfreiheit, 1976, S. 52; E. Menzel, BK, Art. 1 Abs. 3 n.F (Zweitbearb. 1964) Anm. 3; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 11 IV 4; M. J. Schmid, NJW 1974, 729 (104 in FN 41), ausdrücklich zum Koalitionsrecht der Richter; FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 32; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 37; G. Schaub,
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
I. Die individuelle Koalitionsfreiheit Der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet ausdrücklich nur das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Im Wege der Auslegung wird unstreitig hierzu auch das Recht gerechnet, einem bestehenden Verband beizutreten und diesem anzugehören - die individuelle positive Koalitionsfreiheit. 111 Über diese Mitgliedschaftsfragen hinaus zählt auch das Recht des einzelnen, sich innerhalb der Koalition zu betätigen und aktiv an der verfassungsrechtlich geschützten Tätigkeit seiner Koalition teilzunehmen, zum sachlichen Garantiegehalt der individuellen positiven Koalitionsfreiheit. 112 Dabei ist zwischen verbands internen Aktivitäten einerseits und Handlungen für den Verband gegenüber außenstehenden Dritten andererseits zu unterscheiden. Zu ersteren zählen insbesondere die Beteiligung an der organisationsinternen, demokratischen Willensbildung durch Teilnahme an Sitzungen, Diskussionsbeiträge, Wortmeldungen und durch die Stimmabgabe bei Wahlen und sonstigen Abstimmungen. 113 Diese organisations internen Rechtspositionen werden mit der Bezeichnung "Garantie der Wahrnehmung der satzungsmäßiArbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 II 1; PierothlSchlink, Grundrechte Staatsrecht II, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 801; BVerfG (Vorprüfung saus schuß) , NJW 1984, 1874; VG Schleswig, NJW 1985, 1099. 111 G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 5; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 38; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 80;ders., in: MaunzlDürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 222 ff.; M. Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereiches der Koalitionsfreiheit, 1989, S. 134; G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 ml; W. Löwer, in: v.MünchlKunig, GGKomm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 55; H. Brox, Arbeitsrecht, 11. Aufl. 1993, Rdnrn. 241 f.;M. Löwisch, MüARHdb, Bd. 3,1993, § 237 I 1 a; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1993, S. 106; LeibholzlRincklHesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 101 1992, Art. 9 Rdnr. 301; A. Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 11. Aufl. 1994, S. 62; PierothlSchlink, Grundrechte- Staatsrecht II, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 801; BVerfGE 19,303 (312); 38,281 (303); 64, 208 (213); 84, 212 (224); BAGE 20, 213 f.; 21, 201 (204 ff.); BAG, NJW 1987,2893. 112 DäublerlHege, Koalitionsfreiheit,1976, Rdnr. 148; G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 30 ff.; G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 5; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 80; ders., in: MaunzlDürig, GG, Art. 9 Rdnr. 222; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 38; R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§611 ff. Rdnrn. 844, 850; W.Löwer, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. I, 4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 55; M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 238 Rdnm. 21 ff.; vgl. auch die in der vorherigen Fußnote genannten Lehr- und Lernbücher; aus der Rspr.: BVerfGE 19,303 (312); 28,295 (304); 50, 290 (367); 55,7 (21); 57, 29 (37 f.) und 220 (245); 64, 208 (213); 70, 261 (270); 73, 261 (270). 113 DäublerlHege, Koalitionsfreiheit, 1976, Rdnr. 148; R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnr. 856.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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gen Rechte" 114 umschrieben. Bei letzteren gewährleistet die individuelle positive Koalitionsfreiheit dem einzelnen die Möglichkeit, aus der Anonymität der schlichten Mitgliedschaft herauszutreten und innerhalb des Verbandes mit Wirkung nach außen Verantwortung zu tragen, zum Beispiel durch die Übernahme von Ämtern innerhalb der Verbandsorganisation. Der individuelle Garantiegehalt des Art. 9 Abs. 3 GG umfaßt auch die Beteili gung der Verbandsmitglieder an den nach außen wirkenden, verfassungsrechtlich geschützten Aktivitäten der Koalition, soweit diese der Verfolgung der in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke dienen. 115 So hat das Bundesverfassungsgericht für den Bereich der Werbung zu Betriebs- und Personalratswahlen mehrfach entschieden, daß dieses Feld der Betätigungsgarantie nicht nur in den Schutzbereich der kollektiven, sondern auch in den der individuellen Koalitionsfreiheit fällt. 116 Gleiches gilt für die Verteilung von gewerkschaftlichem Informationsmaterial außerhalb der Arbeitszeit durch betriebsangehörige Gewerkschafter .117 Aus Solidaritätsgründen kann jeder Betriebsangehörige Streikarbeit verweigern, 118 und selbst Außenseiter können gestützt auf Art. 9 Abs. 3 GG an einem gewerkschaftlich organisierten Streik teilnehmen. 119 Der Freiheitsbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfaßt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 120 daneben auch die sogenannte negative Koalitions114 G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 52; G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 6; G. Schaub,
Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 IV 1, formuliert: "am Koalitionsleben teilnehmen" . 115 G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 IV 1; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 80; G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 6; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl Stand 101 1992, Art. 9 Rdnr. 301; P. Hanau, ArbuR 1983,257 (259); BVerfGE 19, 303 (312); 28, 295 (304); 38,281 (303); 44,322 (351 f.); 50, 290 (367); 51, 77 (87 f.); 55, 7 (21); 57,220 (245); 64, 208 (213); 73, 261 (270); vgl. auch BAG, AP Nr. 45 zu Art. 9 GG mit Anm. von H.-J. Bauschke; BAG, BB 1982,367. 116 BVerfGE 19,303 (316); 28, 295 (304). Vgl. hierzu auch G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 6 R. 117 BAG, AP Nr. 10 zu Art. 9 GG; BAG, AR-Blattei, "Vereinigungsfreiheit" Entscheidung 11 mit Anm. von v.Hoyningen-Huene/Hojfmann. 118 BAG, APNr. 3 zu § 615 BGB "Betriebsrisiko";M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 38; M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 238 Rdnr. 28 m.w.Nachw.
119 M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 38. 120 BVerfGE50, 290 (367); 55,7 (21); 57,220 (245); 64, 208 (213 f.); 73, 261 (270); 84,212 (224); 88, 5 (14) - negative Koalitionsfreiheit als Teilgewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
freiheit, nach der es jedermann frei steht, einer Organisation fernzubleiben oder diese zu verlassen. Dies entspricht ebenso den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts 121 wie auch der herrschenden Ansicht im Schrifttum. 122 Die Auffassung, die negative Koalitionsfreiheit in Art. 2 Abs. 2 GG123 zu verorten, dürfte aufgrund des Art. 17 des Staatsvertrages zur Währungs-, Wirtschafts-undSozialunionvom 18.5.1990 124 und des Leitsatzes A III 1 - 3 des Gemeinsamen Protokolls über Leitsätze an Bedeutung verloren haben, auch wenn diese Bestimmungen mit dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 30.8. 1990 gegenstandslos geworden sind.
11. Die kollektive Koalitionsfreiheit Neben der aus dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG unmittelbar zu entnehmenden individuellen Koalitionsfreiheit haben das Bundesverfassungsgericht, das Bundesarbeitsgericht und die Lehre im Wege der Auslegung für den Verband selbst Rechtspositionen erarbeitet, die unter dem Begriff der kollektiven Koalitionsfreiheit zusammengefaßt werden. 125 Als Teilgarantien ergeben sich daraus 121 BAGGSv.29.11.1967, BAGE20, 175 (213 ff.) = APNr.13zu Art. 9 GG BI. 23
= NJW 1968, 1903.
122 W. Weber, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie, 1965, S. 11; Däubler/MayerMaly, Negative Koalitionsfreiheit, 1971, S. 35 ff.; H.-J. Papier, HdbVertR, 1. Aufl. 1983,S. 609 (635); A. Fuchs, ebda, S. 733 (741); P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. C 93; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnrn. 82 f.; ders., Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, 1972, S. 24 f.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Abs. 3 Rdnrn. 426 ff.; ZöllnerlLoritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1992, S.106; W. Löwer, in: v.Münch/ Kunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 45;M.Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 237 Rdnr. 3, § 238 Rdnrn. 35 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 415; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 1994, S. 134 f.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 11. Aufl. 1994, C 14 e; Pierothl Schlink, Grundrechte Staatsrecht 11, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 801. 123 So Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 11, 6. Auf!. 1957, S. 154; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, S. 89; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 41;A. Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 11. Aufl. 1994, S. 66 f.; Farthmann/Coen, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 19 Rdnr. 21. Zu den verschiedenen Ansichten vgl. auch die Darstellung bei G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 III 2. 124 BGBI. 11 S. 537; vgl. hierzu oben 11. 125 K. H. Friau[, RdA 1986,188 (190) m.w.Nachw. in FN 17; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnrn. 88; R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnrn. 858 ff.; A. Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 11. Aufl. 1994, S. 62 f.; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 11. Aufl. 1994, C 14; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 1994, S. 124: Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 802; BVerfGE 17, 319 (333); 18, 18 (26); 19,303 (312); 28, 295
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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die Koalitionsbestandsgarantie, die Koalitionszweck- oder -betätigungsgarantie und die Koalitionsmittelgarantie. 126 Bevor die einzelnen Teilgewährleistungen näher untersucht werden können, bedarf es der Klärung, welche dogmatische Konstruktion der Eigenberechtigung der Koalition zugrunde liegt. 1. Dogmatische Grundlage der kollektiven Koalitionsfreiheit
Neben dem Individualrecht umfaßt der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG nach Rechtsprechung 127 und der überwiegenden Zahl der Literaturstimmen 128 auch die Koalition in ihrem Bestand. Zur Begründung wird einerseits auf die Regelungen der Weimarer Reichsverfassung verwiesen, denn Art. 165 Abs. 1 S. 2 (304); 50, 290 (367); 55, 7 (21); 57, 220 (245); 58, 233 (246); 73, 261 (270); BAGE 20, 175 (210 ff.); BAG, AP Nr. 81 zu Art. 9 GG "Arbeitskampf'; BAG, BB 1988, 1674. 126 Zu dieser Dreiteilung vgl. G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 10 R; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 80; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnrn. 58 ff.; R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnrn. 863 ff.; darüber hinaus will F.-J. Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 61 ff., eine KoalitionswohIgarantie in Art. 9 Abs. 3 GG verankern, die als Statusgarantie die Koalition in ihrem jeweils aktuellen Bestand schützen soll. Kritisch zu dieser Dreiteilung M. Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereiches der Koalitionsfreiheit, 1989, S. 133 f. in FN 1. 127 BVerfGE 4,96 (104 ff.); 13, 174 (175); 17,319 (333); 18, 18 (26); 19, 303 (312); 20,312 (317 ff.); 28,295 (310, 314); 50, 290 (366 ff.); 51, 77 (86 ff.); 55, 7 (21); 57,220 (246); 58, 233 (247); 84, 212 (224); 88, 103 (114); BAGE 20, 175 (210). 128 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 11, 6. Aufl. 1957, S. 134; F. Klein, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 2. Autl. 1957, Art. 9 Anm. V 3;A. Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 11,2. Autl. 1959, S. 54 ff.; U. Scheuner, Der Inhalt der Koalitionsfreiheit, 1960, S. 15; K. H. Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 102 ff.; I. v.Münch, BK, Art. 9 (Zweitbearb. 1966) Rdnrn. 114, 141; F.-J. Säcker, Grundprobleme der Koalitionsfreiheit, 1969, S. 33 ff.; HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl. 1970, Art. 9 Anm. 8 b; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Autl. 1977, Einl. Rdnr. 29; P. Hanau, ArbuR 1983, 257 (259); ders., NJW 1971, 1402,jedoch nicht eindeutig; H.-J. Papier, HdbVerfR, 1. Autl. 1983, S. 609 (635); A. Fuchs, ebda, S. 733; H. Seiter, AöR Bd. 109 (1984), S. 88 ff.; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. C 93; ders., Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 15 (1977), S. 17 (19); K. Gröbing, ArbuR 1986,297; G. Hueck, EvStL., 3. Autl. 1987, Artikel "Koalitionsfreiheit", Sp. 1801; W. Dütz, JA 1987,407; G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Autl. 1992, § 188 V; W. Löwer, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Autl. 1992, Art. 9 Rdnr. 71, Stichworte "Bestand" und "Betätigung"; A. Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 11. Autl. 1994, S. 62 f.; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Autl. 1994, S. 120 f.; Farthmann/Coen, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 19 Rdnr. 22; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 11. Autl. 1994, CI4 b aa.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
WRV erkannte ausdrücklich Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an und verlieh ihnen eigene Grundrechtssubjektivität. Andererseits werden teleologische Überlegungen in den Vordergrund gerückt, da der Schutz der individuellen Koalitionsfreiheit unvollkommen wäre, soweit nicht die daraufhin gegründete Koalition selbst dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG unterläge. Das Bundesverfassungsgericht begründete zuletzt seine Position mit dem Hinweis auf die Aufnahme des Verbandszwecks in den Schutzbereich des Grundrechts. 129 Allen Stimmen, die den Koalitionen aus Art. 9 Abs. 3 GG eine eigenständige Bestandsgarantie gewähren, ist gemein, daß sie bei dieser Konstellation vom "Doppelcharakter" des Grundrechts oder vom "Doppelgrundrecht" sprechen. Gegen die unmittelbare Verankerung der kollektiven Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG wendet sich R. Scholz. 130 Er betont das Prinzip der personalen Grundrechtsträgerschaft des Individuums und räumt Personenmehrheiten wie auch anderen verbandsmäßig organisierten Gruppen lediglich eine von den einzelnen Mitgliedern abgeleitete Grundrechtsberechtigung ein. Die Grundrechtssubjektivitätder Koalitionen gründet sich nach seiner Meinung nicht in Art. 9 Abs.3 GG unmittelbar, sondern erst auf die Grundrechtserstreckungsnorm des Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 GG.131 Dieser Ansicht stehen aber Bedeutung und Funktion der Art. 9 Abs. 3 und 19 Abs. 3 GGentgegen. Bei Art. 19 Abs. 3 GG handelt es sich um eine Transpositionsnorm, die Individualgrundrechte - soweit inhaltlich möglich - auf bestehende Organisationen überträgt. Sie setzt das Bestehen einer Vereinigung voraus, trifft jedoch keine Aussage über Entstehen und Bestand der juristischen Person als solcher. 132 Art. 19 Abs. 3 GG regelt lediglich die Grundrechtsberechtigung beste129 BVerfGE 84,212 (224), mit Rückverweisung aufBVerfGE 4, 96 (101 f.) und 50, 290 (367). 130 R. Schotz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnrn. 73 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 21 ff., 42 ff., 77, 88 f., 169 f., 240 ff.; ders., Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 69 ff., 75 ff., 121 ff., 133 ff., 135 ff. 131 DIrn folgend W. Zöllner, AöR Bd. 98 (1973), S. 71 (78 ff.); H. Konzen, AcP Bd. 177 (1977), S. 473 (494 f.); ehr. Starck, in: v.MangoldtIKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1,3. Autl. 1985, Art. 1 Rdnr. 125; J. Isensee, in: Die Zukunft der sozialen Partnerschaft, 1986, S. 159 (165); R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Autl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnrn. 858 ff.; ders., Kollektivgewalt und Individualwille, 1968, S. 69 ff.; ZöllnerlLoritz, Arbeitsrecht, 4. Autl. 1993, S. 108; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Autl. 1994, S. 124; Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Autl. 1995, Rdnrn. 796, 802 m.w.Nachw. 132 R. Dietz, HGrR, Bd. rn/I, 1958, S. 417 (458 f.); K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, § 71 12: "Grundrechtserstreckungsnorm"; D. Merten, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 144 Rdnr. 28, für die Vereine im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG; W. Krebs, in: v.MünchlKunig,GG-Komm., Bd. 1,4. Autl. 1992, Art. 19 Rdnrn. 27 ff.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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hender Organisationen im Hinblick auf Grundrechte , die grundsätzlich individualrechtlich ausgerichtet sind. 133 Von Grundrechten mit rein individueller Schutzwirkung, die in "isolierter Selbstherrlichkeit" ausgeübt werden können,134 sind diejenigen zu unterscheiden, deren individualrechtliche Effektuierung mit der Existenz eines Verbandes notwendig zusammenhängt, die also nur gemeinschafts bezogen ausgeübt werden können. Hierzu zählen die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG und die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG. Bei beiden Grundrechten führt die individuelle Rechtsausübung zur Begründung oder zur Fortführung eines Vereins bzw. einer Koalition. Die individuelle Grundrechtsbetätigung steht daher immer in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kollektiv. 135 Diese beiden Grundrechte haben daher nicht nur eine individuelle, sondern auch eine kollektive Schutzrichtung . Der hieraus resultierende innere Zusammenhang würde auf rechtstheoretischer Seite aufgelöst, wenn das Kollektivrecht abweichend vom Einzelrecht statt unmittelbar durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet über den Umweg des Art. 19 Abs. 3 GG vermittelt würde. Die Konstruktion von R. Scholz hinterläßt zudem gegenüber der unmittelbaren Herleitung der Kollektivgewährleistung aus Art. 9 Abs. 3 GG eine Schutzbereichslücke hinsichtlich des Koalitionsbestandes und der Koalitionsbetätigung; denn über die Verbindung von Art. 19 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 3 GG erhält eine Koalition nur das Recht, sich mit anderen zusammenzuschließen, also Dachorganisationenzu bilden, und sich für diese zu betätigen. Die Betätigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im eigenen Rahmen, der eigentliche Koalitionszweck, wäre für die Koalition lediglich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. 136 Mit Bundesverfassungsgericht und herrschender Lehre muß Art. 9 Abs. 3 GG auch als Grundlage der kollektiven Koalitionsfreiheit gesehen werden. 2. Die Existenzgarantie
Aufgrund der bisherigen Untersuchungen ergibt sich unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG das Recht der Koalitionen, bereits während des Gründungsvorgan-
133 K. Stern, Staatsrecht, Bd.Iß/I, 1988, § 71 16 a. 134 D. Merten, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 144 Rdnr. 2. 135 M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 238 Rdnr. 31, formuliert: "mitgliedschaftliche Abhängigkeit der individuellen Koalitionsbetätigung" . 136 HieraufweistauchD. Merlen, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 144 Rdnr. 28, hin. Die BehauptungR. Scholz', HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 9, es ergäben sich gegenüber der herrschenden Lehre keine grundlegenden Unterschiede, ist damit zu bezweifeln. 4 K1aas
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
ges 137 sämtliche von außen kommenden Einflüsse, die sich gegen die Koalitionseigenschaft richten, abzuwehren. Zudem kann die Koalition im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ihren Zweck und ihre Organisation selbst bestimmen. 138 Notwendig mit der Existenzgarantie verbunden ist auch die Mitgliederwerbung durch Verteilung von gewerkschaftlichem Informations- und Werbematerial in den Betrieben und Dienststellen. 139 3. Die Betätigungsgarantie
a) Die Betätigungsgarantie als notwendige Folge der Organisationsfreiheit Die Existenzgarantie alleine reicht nicht aus, um der Koalitionsfreiheit zu umfassender Wirkung zu verhelfen. Der Schutz des Verbandes wäre unvollständig, die Existenzgarantie wäre gleichsam nur eine leere Hülse, wenn die Koalition bei der Verwirklichung ihrer Zielsetzung innerhalb ihres Funktionsbereiches verfassungsrechtlich nicht geschützt wäre. Neben der Koalition als solcher schützt Art. 9 Abs. 3 GG daher nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schriftturn auch deren Recht, "durch spezifisch koalitionsgemäße Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, nämlich die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern" .140 Wie weit der sachliche Gewährleistungsumfang der kollektiven Zweck- oder Betätigungsgarantie dabei reicht, ist folglich abhängig von der Inhaltsbestimmung des Begriffspaares der "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen " in Art. 9 Abs. 3 GG. In einem zweiten Schritt ist daran anschließend zu klären, wie der Personenkreis abzustecken
137 Vgl. nur M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 239 Rdnr. 2. 138 Vgl. hierzu ausführlich R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnrn. 89 ff.; M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 239 Rdnrn. 2 ff. 139 F.-J. Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 63 ff.; W. Löwer, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 71 Stichwort "Werbung";M.Löwisch, MüHdbAR,Bd. 3,1993, § 239 Rdnrn. 152 ff.; H. Brox, Arbeitsrecht, 11. Aufl. 1993, Rdnr. 243; A. Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 11. Aufl. 1994, S. 63; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 1994, S. 126; Farthmann/Coen, HdbVerfR, 2. Aufl.1994, § 19 Rdnr. 25; BVerfGE 19,303 (312 ff., 319 ff.); 28, 295 (304 ff.); 38, 281 (304 f.); 51, 77 (87); 57, 220 (245). 140 BVerfGE 19, 303 (312) mit Rückverweis auf BVerfGE 4, 96 (101 f., 106); 17, 319 (333); 18, 18 (26); siehe auch BVerfGE 28,295 (304); 50, 290 (367); 84, 212 (224); 88, 103 (114). Aus dem Schrifttum vgl. nur R. Dietz, HGrR, Bd. III/l, 1958, S. 417 (460 ff.); R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnrn. 874 ff.; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnrn. 63 ff.; M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3,1993, § 239 Rdnrn. 34 ff.; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 1994, S. 128 f.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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ist, für den die jeweilige Gewerkschaft verfassungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt tätig werden kann.
b) Die sachliche Reichweite der Betätigungsgarantie: Das Tatbestandsmerkmal der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen aa) Der Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Das Bundesverfassungsgericht als maßgeblicher Interpret des Grundgesetzes hat bislang keine festumrissene und abschließende Inhaltsbestimmung für das Begriffspaar der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gegeben. In seinen Entscheidungen umschreibt es lediglich den Gesetzestext mit den Formulierungen "spezifisch koalitionsmäßige Betätigung", 141 "für die Erhaltung und Sicherung der Existenz der Koalition unerläßlich" , 142 "wirksame Verfolgung des Koalitionszwecks" , 143 "Darstellung der in der Koalition organisierten Gruppeninteressen gegenüber dem Staat und den politischen Parteien"l44 und "effektive Gewerkschaftsarbeit" .145 Dabei hat es immer wieder den Zusammenhang zwischen der kollektivvertraglichen Regelung und den einzelnen Arbeitsverhältnissen betont. 146 Dennoch fehlt es weiterhin an einer subsumtionsfahigen Inhaltsbestimmung der Begriffe "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen " . Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seinen Entscheidungen diesen nicht weiterführenden begrifflichen Umschreibungen ohne weitere Präzisierung angeschlossen. 147 Hingegen bietet die Literatur verschiedene Lösungsmöglichkeiten an. W. Zöllner 148 vertritt die Auffassung, der Begriff der "Wirtschaftsbedingungen" 141 BVerfGE 19, 303 (312); 20, 312 (319 f.); 28, 295 (304); BVerfG, NJW 1982, 18301.Sp. 142 BVerfGE 17,319 (333 f.); 28,295 (304); 57, 220 (247). Kritisch zu dieser terminologischenEingrenzung P. Hanau, ArbuR 1983, 257 ff.; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 63; v.Hoyningen-Huene/Hojmann, Anmerkung zu BAG, ARBlattei, "Vereinigungsfreiheit" , Entscheidung 11. 143 BVerfGE 17, 319 (333 f.); 28, 295 (305).
144 BVerfGE 28,285 (305); 38, 281 (306). 145 BVerfGE 57,220 (247). 146 BVerfGE 4,96 (106); 18, 18 (26, 28); 20, 312 (317); 28, 295 (304); 34, 307 (316); 38, 281 (304); 44, 322 (340); 58, 233 (246); zustimmend das BAG, NJW 1989, 633. 147 BAG, ArbuR 1982,293; BAG, AP Nr. 38 zu Art. 9 GG; AR-Blattei, "Vereinigungsfreiheit" , Entscheidung 11. 148 Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1992, § 8 III 1 - S. 101 f.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
solle nur zum Ausdruck bringen, daß "aus der Sicht der Unternehmer die Arbeitsbedingungen (gleichsam als Kehrseite) Wirtschaftsbedingungen " seien. Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen hätten hiernach den gleichen Regelungsgehalt, betrachteten diesen aber aus unterschiedlichen Blickwinkeln. 149 Die abweichende Auffassung führe nur dazu, daß Kartelle und andere Unternehmenszusammenschlüsseden Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG genießen würden, was der geschichtlichen Entwicklung dieser Verfassungsnorm aber widersprechen würde. G. Dürig 150 mißt den Wirtschaftsbedingungen eine eigenständige Bedeutung bei. Die in Betracht kommende Vereinigung brauche entweder nur Arbeits- oder aber nur Wirtschaftsbedingungen zu fördern. Diese Möglichkeit des alternativen Vorliegens der Tatbestandsmerkmale führt dazu, daß auch Verbraucherverbände und Kartelle unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG stehen. Die herrschende Meinung im Schrifttum vertritt hingegen einen vermittelnden Standpunkt. Ausgehend davon, daß Art. 9 Abs. 3 GG nur Vereinigungen schütze, die sowohl die Arbeits- als auch die Wirtschaftsbedingungen wahren und fördern, daß also dieses Begriffspaar kummulativ und nicht nur alternativ vorliegen müsse, umfasse es die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet werde. 151 Es bedürfe daher, um den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG in Anspruch nehmen zu können, eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen Handlungsgegenstand und dem Arbeitsleben bzw. Arbeitsrecht. 152 bb) Restriktive Auslegung der Begriffe Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen Der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG enthält hinsichtlich des Vereinigungszwecks mit der Formulierung "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und 149 Ähnlich auch G. Müller, ArbuR 1972, 1 (3). 150 G. Dürig, NJW 1955, 729 ff.; ihm folgend auch HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl. 1970, Art. 9 Anm. B 8 a.
151 R. Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille, 1968, S. 180; A. Söllner, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd. 16(1978),S.19(20)m.umfangr.w. Nachw.; G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI.3 R; P. Badura, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd. 15 (1977), S. 17 (27); W. Dütz, JA 1987,406 (410); A. Meik, Der Kernbereich der Tarifautonomie, 1987, S. 77 ff.; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 94; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 256; M. Kittner, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 30. 152 R. Scholz, HdbStR,Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 94; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 256; wesentlich weiter geht M. Kittner, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnrn. 30, 69, wenn er auch Eintlußnahmen von Koalitionen auf staatliche Entscheidungen dem verfassungsrechtlich geschützten Tätigkeitsbereich der Koalitionen zuordnet. Vgl. hierzu auch unten bb.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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Wirtschaftsbedingungen" keine besonders klare Wendung. 153 Sie bietet daher Gelegenheit zu einer Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten, deren Richtigkeit unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung einerseits und der Entwicklungsoffenheit der Norm andererseits zu klären ist. Der Vergleich des Wortlautes von Art. 9 Abs. 3 GG mit der Formulierung "Lohn- und Arbeitsbedingungen " in § 152 GewO 1869 zeigt eine Erweiterung des Koalitionszwecks. 154 Sie hatte bereits in Art. 159 WRV Eingang gefunden 155 und wurde ohne Diskussion im Parlamentarischen Rat in das Grundgesetz übernornmen. 156 Diesen historischen Befund der Ausdehnung des Koalitionszwecks von "Lohn- und Arbeitsbedingungen" auf "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" übersieht W. Zöllner, wenn er Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen inhaltlich gleichstellt. Er unterstellt dem Gesetzgeber eine Tautologie, die den materiellen Gewährleistungsgehalt der Koalitionsfreiheit auf den Stand des § 152 GewO 1869 reduziert. 157 Dieser Rückschritt gegenüber der Rechtslage des Art. 159 WRV sollte den Vätern des Grundgesetzes nicht unterstellt werden. Mit dieser ersten Feststellung ist aber der materielle Gewährleistungsumfang derBetätigungsgarantienochnichtbeschrieben. Hierzu bedarf es einer weiteren Interpretation. Sollte durch die Einbeziehung der "Wirtschaftsbedingungen" das verfassungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tätigkeitsfeld der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auf alle arbeits-, sozial- und wirtschaftsrechtlichen und -politischen Bereiche ausgedehnt werden? Odergebietetdiehistorisch-systematische Interpretation des Art. 9 Abs. 3 GG ein eingeschränktes Verständnis des Begriffspaares? 153 A. Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 11,2. Aufl. 1959, S. 4. 154 So auch die h.M. in der Literatur: I. v.Münch, BK, Art. 9 (Zweitbearb.1966)
Rdnr. 37; P. Badura, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 15 (1977), S. 17 (27); A. Söllner, Das Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd. 16 (1978), S. 19 (21); R. Scholz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 9 Rdnr. 255; A. Meik, Der Kernbereich der Tarifautonomie, 1987, S. 76, 77; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 30; G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 VI 1.
155 Siehe hierzu bereits die Kommentierungen bei H. C. Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, 1930, S. 383 (397); G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 159 Anm. 1. 156 Vgl. hierzu die Darstellung der Entstehungsgeschichte des Art. 9 Abs. 3 GG im JöR n.F. Bd. 1 (1950/51), S. 116 ff., woraus hervorgeht, daß lediglich Fragen des Arbeitskampfes und des Beitrittszwanges zu öffentlich-rechtlichen Berufsverbänden diskutiert wurden. Siehe hierzu auchA. Meik, Der Kernbereich der Tarifautonomie, 1987, S. 81 in FN 60; A. Söllner, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 16 (1978), S. 19 (23). 157 So der berechtigte Vorwurf von A. Söllner, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 16 (1978), S. 19 (23); ebensoA. Meik, Der Kernbereich der Tarifautonomie, 1987, S. 77.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
Wie die Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Koalitionsfreiheit oben unter B gezeigt hat, beruht dieses Freiheitsrecht auf dem Bedürfnis der Arbeitnehmer, in der Stärke der Gemeinsamkeit ihrem Arbeitgeber Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen abzuringen. Die Koalitionsfreiheit war damit das "Grundrecht des Arbeitsrechts" .158 Das Arbeitsrecht war und ist aber geprägt von den tatsächlichen, den vertraglichen und den gesetzlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses. Demgegenüber ließ das Arbeitsrecht das Privatleben sowie die staatsbürgerliche Sphäre des Arbeitnehmers unberührt. Gleiches gilt für die Mitsprache bei unternehmerischen Entscheidungen, bei denen der Betriebsinhabernicht als Arbeitgeber betroffen war .159 Der Ursprung der Koalitionsfreiheit stand daher immer in notwendigem Zusammenhang mit der Erbringung abhängiger Arbeit und der Zugehörigkeit der zu regelnden Themen zum Arbeitsrecht. 160 Dieser Zusammenhang wird durch die Einbeziehung der "Wirtschaftsbedingungen" inden Tatbestand des Art. 9 Abs. 3 GG nicht aufgelöst. Die Verbindung des Begriffspaares Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch das Wort "und" stellt die beiden Substantive nicht in eine beziehungslose Reihe einer Aufzählung, denn hierdurch käme der Interpret zu einem Ergebnis, das auch reine Wirtschaftsverbände in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG einbeziehen würde. Um der geschichtlichen Entwicklung dieses Freiheitsrechts aber gerecht zu werden, muß das "und" kummulativ und darf nicht alternativ verstanden werden. 161 Es hat daher nicht den Sinn eines "entweder ... oder", sondern des "sowohl ... als auch". Hätte der Verfassunggeber ein alternatives Verständnis bevorzugt, so hätte er dies durch die Verbindung mit "oder" klarer zum Ausdruck bringen können. Das Ziel der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände
158 R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 46; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 14. 159 A. Söllner, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd. 16 (1978), S. 19 (28); R. Scholz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 9 Rdnr. 264; ähnlich auch P. Badura, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 15 (1977), S. 17 (27 f.); W. Dütz, JA 1987,405 (410). 160 BVerfGE4, 96 (107 ff.) - Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens; hierauf nimmt BVerfGE 18, 18 (27), ausdrücklich Bezug. M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 30; W. Dütz, JA 1987,405 (410).
161 R. Dietz, HGrR, Bd. rn/I, 1958, S. 417 (427); P. Badura, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd. 15 (1977), S. 17 (27); A. Söllner, ebda Bd. 16 (1978), S. 19 (20); I. v. Münch, GG-Komm., Bd.l, 3. Aufl. 1985, Art. 9 Rdnr. 37 (nicht mehr bei W. Löwer, in der4. Aufl. 1992); ders., BK, Art. 9 (Zweitbearb.1966) Rdnr. 123; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 94; ders., Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 46.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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muß daher auf die Wahrung und Förderung sowohl der Arbeits- als auch der Wirtschaftsbedingungen gerichtet sein. Es stellt sich aber nun die Frage, ob die der geschichtlichen Entwicklung so eng verhaftete Interpretation jede Entwicklungsmöglichkeit der Koalitionsfreiheit verhindert, ob also der historisch überkommene Schutzbereich der Koalitionsfreiheit für die Zukunft festgeschrieben ist. Die Koalitionsfreiheit ist, wie bereits mehrfach festgestellt werden konnte, kein klassisches Grundrecht, weshalb bei seiner Auslegung nicht nur die historische Entwicklung ein wesentliches Interpretationsmittel ist. Darüber hinaus bedingt die Konkretisierungsbedürftigkeit des Art. 9 Abs. 3 GG ein großes Maß an funktioneller Offenheit und Entwicklungsfähigkeit. 162 Aber auch hierbei darfdas arbeits- und wirtschaftsverfassungsrechtliche System des Grundgesetzes, in das die Koalitionsfreiheit eingebunden ist, nicht aus den Augen verloren werden; denn Koalitionsfreiheit bedeutet nicht Freiheit zum Systembruch bzw. zur arbeits- und wirtschaftsverfassungsrechtlichen Veränderung, 163 wenn auch neue Problemfelder dem Betätigungsbereich der Koalitionen im Verlauf des sozialen Wandels nicht verschlossen geblieben sind. Beispielhaft seien hier genannt die gesetzlich ausgeformte Mitwirkung(§5 Abs.l TVG) undAnhörung(§5 Abs. 2, 3 TVG, §33 HAG, §94 BBG) der Gewerkschaften beim Erlaß von Rechtsnormen sowie Anhörungs- und Vorschlagsrechte bei der Besetzung arbeitsgerichtlicher und verwaltungsbehördlicherSteIlen (§§20, 36 ArbGG,§ 195 Abs. I, 2AFG, § 10 Abs. 2 BundesbahnG) .164 Diese durch Gesetz vorgesehene Aufgabenerweiterung der modemen Gewerkschaften im gesamten gesellschaftlichen und politischen Bereich rechtfertigt es, von einem Funktionswandel der Gewerkschaften zu sprechen. 165 Mit der tatsächlichen Wahrnehmung sozial-, wirtschafts-, umwelt- und allgemeinpolitischer Aufgaben und der Anerkennung der Bedeutung der Arbeitnehmer- und Ar162 W. Dütz, JA 1987, 405 (410): "offene Verfaßtheit des Koalitionszwecks"; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 93; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 163; M. Kittner, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 30; P. Badura, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd. 15 (1977), S. 17 (27); W. Löwer, in: v.Münch/Kunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Autl. 1992, Art. 9 Rdnr. 61. 163 R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 157, 275; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnrn. 35,97; W. Dütz, JA 1987,405 (410). 164 Zu den gesetzlichen Mitwirkungsrechten der Gewerkschaften vgl. ausführlich G. Schwerdtjeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 41 ff., sowie G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Autl. 1992, § 190, zu den sonstigen Aufgaben der Koalitionen.
165 E.-W. Böcken!örde, DerStaatBd.15 (1976), S. 457 (479 f.); vgl. auch H. Seiter, AöRBd. 109 (1984), S. 88 (103); W. Dütz, JA 1987, 405 (410); R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnrn. 93 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 161; Zöllner/ Loritz, Arbeitsrecht, 4. Autl. 1992, § 8 I, 11; ähnlich auch BVerfGE 38, 281 (305).
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
beitgeberorganisationen auf diesen Gebieten ist aber nicht die entsprechende Erweiterung des tatbestandlichen Schutzbereiches des Art. 9 Abs. 3 GG verbunden,166 denn die Koalitionszweckgarantie folgt in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Umfang nicht der tatsächlichen Betätigung der Gewerkschaften. 167 Der Grundrechtsschutz durch Art. 9 Abs. 3 GGerfaßtdahernicht jede von einern Sozialpartner ausgeübte Handlung. Nicht der Konsens der Koalitionäre bestimmt den Umfang des Verfassungsschutzes, sondern das Verfassungsrecht. 168 Außerhalb des engen, durch das Begriffspaar der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen umschriebenen Bereiches können sich Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen gegebenenfalls nur auf die Grundrechte der Art. 9 Abs. 1, 5 Abs. 1 oder 2 Abs. 1 GG berufen. 169 Zur Verdeutlichung sei hier auf die heute gängige Praxis der Verbände hingewiesen, Stellungnahmen zu allgemeinpolitischen Fragen abzugeben und politische Wahlwerbung zu betreiben. 170 Beides fällt nicht in den Schutzbereich
166 So aber ist wohl M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnrn. 30, 69, zu verstehen. Auch Herb. Krüger, Gutachten zum 46. DJT, 1966, Bd. I, S. 7 (23), geht davon aus, daß für die Funktionsbestimmung des Art. 9 Abs. 3 GG die Verfassungswirklichkeit ausschlaggebend sei. Hiergegen ausführlich K.-H. Gießen, Die Gewerkschaft im Prozeß der Volks- und Staatswillensbildung, 1976, S. 143. 167 Ausdrücklich R. Scholz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 9 Rdnr. 163; ders., Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, 1972, S. 43 ff.; D. Reuter, MüKo, BGB, Bd. 1,2. Aufl. 1984, vor § 21 Rdnrn. 44 ff. Das BAG, AP Nr. 38 zu Art. 9 GG mit insoweit abI. Anm. von G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei, "Vereinigungsfreiheit", Entscheidung 13, BI. 2, bemißt den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG zu weit, wenn es auch die Werbung für eine Familienrechtsschutzversicherung hierin einbezieht. 168 So ausdrücklich W. Löwer, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1, 4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 61; ähnlich A. Söllner, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 16 (1978), S. 19 (25); ebenso R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 93 - Grenzenlosigkeitsschluß. 169 W. Zöllner, AöRBd. 98 (1973), S. 71 (87); A. Söllner, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd. 16 (1978), S. 19 (25) m.w.Nachw.; so auch G. v.Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG, AR-Blattei, "Vereinigungsfreiheit", Entscheidung 13, BI. 2; W. Löwer, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd.l, 4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnrn. 54, 61; G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 VI I;M.Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3,1993, §237 Rdnr. 22 und inFN20; BVerfGE 42,133 (138); vgl. auch BVerfGE 77,1 (62 f.). 170 Vgl. hierzu nur BVerfGE 42, 133 (138); 57, 29 (37 f.). Zu weiteren, nicht mehr von der Koalitionsfreiheit umfaßten Betätigungen der Gewerkschaften, vgl. G. v.Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG, AR-Blattei, "Vereinigungsfreiheit" , Entscheidung 13, BI. 2; siehe auch Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 803.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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der Koalitionszweckgarantie, 171 sondern "nur" unter den Schutz der Art. 9 Abs. 1, Art. 5 Abs.l und Art. 2 Abs. 1 GG.I72 Bei allen Betätigungen der Gewerkschaften ist deshalb stets genau zu untersuchen, ob sie in Zusammenhang mit der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen stehen, denn die Koalitionsbetätigung steht trotz der Entwicklungsoffenheit des Art. 9 Abs.3 GG unter der einschränkenden Voraussetzung des verfassungsrechtlichen Koalitionszwecks. 173 Letztlich zwingen damit weder die Entwicklungsoffenheit des Art. 9 Abs. 3 GG noch die tatsächliche Erweiterung der Betätigungsfelder der Gewerkschaften zur Ausweitung der verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsgarantie im Hinblick auf nicht -arbeitsrechtliche Fragen. Vorläufig kann damit festgestellt werden, daß Art. 9 Abs. 3 GG nur im Bereich der Leistung abhängiger Arbeit Anwendung finden kann. Auch wenn sich das Selbstverständnis der Gewerkschaften von den ihr historisch angestammten Tätigkeiten auf das Gebiet der allgemein- und sozialpolitischen Fragen ausgeweitet hat und insoweit von einem Funktionswandel der Gewerkschaften gesprochen werden kann, so hat dies aber nicht zur Folge, daß der verfassungsrechtliche Schutz sich in seinem Umfang dem tatsächlichen Tätigkeitsfeld von Arbeitnehmerorganisationen angepaßt hat. 174 Vielmehr bedingt das Merkmal der "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen " trotz der unbestrittenen Anerkennung der sozialpolitischen Bedeutung der Gewerkschaften bereits auf der Tatbestandsseite eine Beschränkung des Anwendungsbereiches des Art. 9 Abs. 3 GG. Aufgrund dieser restriktiven Auslegung muß daher die Betätigungsgarantie auf die Getaltung der Gesamtheit der Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird, beschränkt bleiben. c)
Die persönliche Reichweite der Betätigungsgarantie
Im weiteren bleibt zu klären, ob aufgrund dieses Befundes die Gewerkschaften berechtigt sind, sämtliche Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit ge171 BVerfGE42, 133 (138); 57,29 (37); BAG, AP Nr. 10 zu Art. 9 GG; P. Badura, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 15 (1977), S. 17 (28); H. Seiter, AöRBd. 109 (1984), S. 88 (103 f.); W. Dütz, JA 1987,405 (410); R. Scholz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 9 Rdnr. 161 m.w.Nachw.; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnrn. 58, 94; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 63; W. Löwer, in: v.Münch/ Kunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 61; G. Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, 7. Aufl. 1992, § 188 VII; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 5/1989, Art. 9 Rdnr. 450. 172 Vgl. die Nachweise in FN 169. 173 Bejahend für die außergerichtliche Rechtsberatung und gerichtliche Vertretung vor dem Arbeitsgericht BVerfGE 38, 281 (306); 88,1 (15). 174 ZöllnerlLoritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1992, S. 97.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
leistet wird, mit dem sozialen Gegenspieler zu regeln. Haben Gewerkschaften ein Allvertretungsrecht oder dürfen sie nur tätig werden, wenn die Interessen ihrer eigenen Mitglieder betroffen sind? Anlaß zu dieser Frage gibt zum einen die Formulierung des Art. 9 Abs. 3 GG, der allgemein von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen spricht, ohne diese auf die Bedingungen der Mitglieder zu begrenzen. Die geschichtliche Entwicklung des Art. 9 Abs. 3 GG hat gezeigt, daß die Koalitionsfreiheit ursprünglich den Zweck verfolgte, durch den verfassungs rechtlichen Schutz von Arbeitnehmervereinigungen zwischen den sozialen Gegenspielern ein Machtgleichgewicht herzustellen. Der einzelne Arbeitnehmer sollte nicht mehr der Willkür des Arbeitgebers alleine ausgesetzt sein, sondern in der Gemeinschaft mit Kollegen seine InteressengegenüberdemArbeitgeber wirkungsvoll vertreten können. Dabei beschränkte sich ursprünglich die Aufgabe der Gewerkschaften auf die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder. Diese historische Vorgabe legt den Schluß nahe, auch heute den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG auf die Vertretung der in der Gewerkschaft zusammengefaßten Mitgliederinteressen zu beschränken. Damit wäre der Umfang der kollektiven Betätigungsgarantie deckungsgleich mit der Summe der in der Koalitionzusammengefaßten Individualinteressen. 175 Sieht man die dogmatische Grundlage der kollektiven Koalitionsfreiheit in der abgeleiteten Individualberechtigung über Art. 19 Abs. 3 i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG, 176 so ist das soeben beschriebene Ergebnis notwendig vorgegeben, denn eine Koalition könnte nicht mehr Rechte haben, als der Gesamtheit ihrer Mitglieder zusteht: "Die ableitende Rechtsstellungsgarantie des Art. 19 Abs. 3 GG kann dem kollektiv-rechtlichen Organisationsrecht keine andersartigen Freiheits- und Funktionsinteressen eröffnen, als diese bereits im individualen Freiheitsrecht des Art. 9 Abs. 3 GG unmittelbar angelegt sind. "177 Hierdurch wird im Ergebnis der Kollektivität ein Eigenwert abgesprochen. Die individuelle und kollektive Ausprägung der Koalitionsfreiheit wäre damit inhaltlich ein Recht, das lediglich mit einer doppelten Zuständigkeit zur Wahrnehmung versehen wäre. 178 175 F.-J. Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 42, mit Hinweis aufBVerfGE 17,319 (333); 18, 18 (26); 20, 312 (319). Das Bundesverfassungsgericht formuliert heute noch: "die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder", BVerfGE 42, 133 (138); 57, 29 (37); 77, 1 (62). 176 Vgl. hierzu die Nachw. in FN 130/131. 177 R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 75; vgl. auch dens., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 25; dens., Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 136 ff.
178 R. Scholz, Die Koalitionsfreiheitals Verfassungsproblem, 1971, S. 80 f.; Zöllner/ Loritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1992, S. 108. Im Ergebnis ebenso B. Rüthers, JuS 1970, 607 (610).
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
59
Dieses Ergebnis läßt sich aber auch aus der Argumentation vom Standpunkt der herrschenden Meinung zur dogmatischen Begründung der Eigenständigkeit der kollektiven Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG her begründen. 179 Koalitionen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG sind Zusammenschlüsse von Personen auf freiwilliger Basis. Sie sind Vertretungen der in den Verbänden organisierten Einzelinteressen. Thr soziologischer Hintergrund liegt in der Solidarität der Mitglieder untereinander aufgrund gleicher Erfahrungen und gemeinsamer Zielsetzungen. Diese ist nicht nur Begründung, sondern auch gleichzeitig Begrenzung des Verbandes, denn dort wo die Grundlage der Solidarität sich erschöpft, endet auch der Auftrag für den Verband, die Interessen der Mitglieder wahrzunehmen. Die Gruppen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind keine homogenen Gebilde. In beiden treten unterschiedlichste Interessenlagen auf, deren Träger sich im jeweiligen Verband nicht repräsentiert sehen. Deshalb gibt es in beiden Lagern Außenseiter, die sich mit den organisierten Mitgliedern gerade nicht solidarisieren wollen und bewußt dem Verband fernbleiben. Dem liefe die Unterstellung einer generellen Solidarität der Arbeitnehmer, losgelöst von Beschäftigungsart, Branche oder Verbandszugehörigkeit, und eine damit verbundene Allvertretungskompetenz der Gewerkschaften zuwider. Dies wäre eine Utopie. 180 Hieraus folgt die Notwendigkeit der negativen Koalitionsfreiheit ebenso wie die Ablehnung eines Allvertretungsrechts der Gewerkschaften. 181 Die Gewerkschaften sind dahernicht berechtigt, als Hüter der Interessen der Nichtorganisierten aufzutreten. 182 Vor diesem Hintergrund ist die durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit einer Gewerkschaft ausschließlich auf die Förderung und Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder be179 Siehe hierzu oben 1. 180 H. Wiedemann, RdA 1969, 321 (326), setzt eine solche Unterstellung sogar in die Nähe klassenkämpferischen Denkens. 181 K. H. Biedenkopj, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 57; H. Wiedemann, RdA 1969, 321 (325); P. Badura, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 15 (1977), S. 17 (31). 182 H. Wiedemann, RdA 1969, 321 (325). Hieran ändert auch die Beteiligung der Gewerkschaften im Rahmen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen gemäß § 5 TVG nichts, da die allgemeinverbindlichen Tarifnormen gegenüber Außenseitern durch die staatliche Mitwirkung ausreichend demokratisch legitimiert sind, vgl. BVerfGE 44,322 LS 3; 64,208 (214 ff.); BVerfG, NJW 1981,215. Aus der Literatur:P. Badura, Das Arbeitsrecht der GegenwartBd. 15 (1977), S. 17 (31); G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei, "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, BI. 8; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 86;M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl.1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr.65.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
schränkt. Abweichende Ergebnisse verstoßen gegen die negative Koalitionsfreiheit der Nichtorganisierten. d) Ergebnis
Der Tatbestand der Koalitionszweckgarantie umfaßt das Recht der Gewerkschaften, sich zur Förderung und Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu betätigen. Dabei muß immer ein Zusammenhang mit der Leistung abhängiger Arbeit bestehen. 4. Die Koalitionsmittelgarantie
Da die Verfolgung des Koalitionszwecks sowohl auf Seiten der Arbeitgeberverbände als auch bei den Arbeitnehmervereinigungen von dem Einsatz bestimmter Mittel abhängt, hat das Bundesverfassungsgericht 183 auch diese unter den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG gestellt. Sie sollen zugunsten der Übersicht hier nur kurz dargestellt werden, dasie keinen unmittelbaren Einfluß auf die Beantwortung der Ausgangsfrage haben. Zu den funktionstypischen Koalitionsmitteln zählt primär die Tarifautonomie. Sie wird durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt 184 und begründet für den Staat die Schutzpflicht, den Sozialpartnern ein Tarifvertragssystem bereitzustellen, das die Grundlage für die Schaffung autonomer Rechtsnormen der Koalitionen ist. Für den Bereich der Arbeitsentgelte und Arbeitsbedingungenhat der staatliche Gesetzgeber hierdurch seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung zurückgenommen. 185 183 BVerfGE 18, 18 (29 ff., 32); 50, 290 (367); 84,212 (224). Vgl. hierzu aus der Literatur R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 54 ff., 149 f.; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnrn. 100 ff.; M. Kittner, AK.-GG, 2. Autl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnrn. 64 f., 66; R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Autl. 1989, Vorbem zu §§ 611 ff. Rdnr. 876; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Autl. 1994, S. 129; FarthmannlCoen, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 19 Rdnrn. 61 ff., 115 ff. 184 K. H. Biedenkopj, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 102 ff.; R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 54 ff.; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 101;M. Kittner, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr.64;M. Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit, 1989, S. 65 m. w. Nachw. in FN 379; W. Löwer, in: v.Münch/Kunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Autl. 1992, Art. 9 Rdnr. 71 "Tarifautonomie"; FarthmannlCoen, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 19 Rdnr. 61; Schmidt-BleibtreuIKlein, GG-Komm., 8. Autl. 1995, Art. 9 Rdnr. 14; PierothlSchlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Autl. 1995, Rdnr. 803; BVerfGE 20, 312 (317); 44, 332 (340 f., 344); 50,290 (367,369); 58, 233 (248 f.); 84,212 (224). 185 W. Löwer, in: v.Münch/Kunig, GG-Komm., Bd. 1, 4. Autl. 1992, Art. 9 Rdnr. 71 "Tarifautonomie"; R. Schotz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 102; Farthmannl Coen, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 19 Rdnr. 61.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
61
Zur kampfweisen Durchsetzung ihrer Vorstellungen über das Arbeitsentgelt oder sonstige Rabmenbedingungen der Arbeitsleistung wird der Schutzbereich des Art. 9Abs. 3 GG auf das Streikrecht der Gewerkschaften im Wege der Interpretation ausgedehnt. 186 Ohne diese verfassungsrechtliche Absicherung wäre infolge des Interessengegensatzes zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite der Abschluß eines Tarifvertrages von der Zustimmung der Arbeitgeberseite abhängig und die Forderungen der Arbeitnehmerseite liefen auf ein "kollektives Betteln" hinaus .187 Mit dem Streikrecht erlangen die Gewerkschaften eine der Arbeitgeberseite vergleichbar starke Position. Gleichfalls von Art. 9 Abs. 3 GG umfaßt ist grundSätzlich auch das Recht der Arbeitgeber zur Aussperrung der Arbeitnehmer. Da die Koalitionsfreiheit nicht nur ein Recht der Arbeitnehmer, sondern auch der Arbeitgeber ist,188 schützt sie auch Kampfmaßnabmen der Arbeitgeberseite insoweit, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen. Ob hierzu auch die Aussperrung gehörte, war im Schrifttum lange Zeit heftig umstritten 189 und von der Rechtsprechung bisher offen gelassen worden.1 90 Dies wurde aber durch das Bundesverfassungsgericht 1991 grundsätzlich bej abt .1 91 Jedoch hat das Gericht von der Bestimmung der Reichweite zulässiger Aussperrungen ausdrücklich abgesehen. Es hat lediglich eine suspendierende Aussperrung bei einem Teil- oder Schwerpunktstreik als unerläßliches
186 Abschließend nunmehr BVerfGE 84, 212 (231); aus der Literatur vgl. nur R.
Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 114 m.w.Nachw. in FN 310; W. Löwer, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 71 "Streik"; Farthmann/Coen, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 19 Rdnrn. 121 ff.; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 1994, S. 130 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 9 Rdnr. 19; Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 803.
187 So wörtlich Farthmann/Coen, HdbVerfR, § 19 Rdnr. 127, mit Hinweis auf das Bundesarbeitsgericht. 188 So ausdrücklich BVerfGE 84, 212 (224). 189 Vgl. hierzu die Nachweise beiR. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 11 in FN 318 (Gegner) und FN 318 (Befürworter). 190 BVerfGE 38,386 (394); BAGE 48, 195 (203). 191 BVerfGE84, 212 ff. Vgl. auch W. Löwer, in: v.Münch/Kunig, GG-Komm., Bd. 1, 4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 71 "Aussperrung"; Farthmann/Coen, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 19 Rdnr. 121 ff.: Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 804; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 9 Rdnr. 13; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 11. Aufl. 1994, C m 6; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 1994, S. 184 ff.; wegen fehlender Erforderlichkeit lehnt M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 66, das Aussperrungsrecht ab.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
Mittel für die Aufrechterhaltung einer funktionierenden Tarifautonomie anerkannt. l92
m. Beziehung zwischen individueller und kollektiver Koalitionsfreiheit Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit stehen in einem engen Zusammenhang, da beide notwendigerweise aufeinander angewiesen sind. 193 Dies wird besonders deutlich bei der Gegenüberstellung der Betätigung des Verbandes einerseits und der Teilnahme des Mitgliedes hieran andererseits. Da oben unter 11. festgestellt werden konnte, daß die kollektive Betätigungsfreiheit über das individuelle Recht hinausgeht, stellt sich nun die Frage, ob durch das Recht zur Teilnahme an den Verbandstätigkeiten das Mitglied individualrechtlich mit gleichem Umfang geschützt wird, wie die Koalition in ihrer Betätigung, ob also durch die Mitgliedschaft in einem Verband das Individualrecht um den überschießenden Gehalt des Kollektivrechts erweitert wird. Das Bundesverfassungsgericht scheint diese Frage zu bejahen, wenn es die Beeinträchtigung der Verbandstätigkeit zugleich als Eingriff in das Individualrecht ansieht. 194 Auch die Literatur stellt ohne weitere Begründung fest, das Individualrecht gehe nicht über das Kollektivrecht hinaus 195 und bewertet hierdurch konkludent die beiden Teilgewährleistungen des Art. 9 Abs. 3 GG gleich. Diese Gleichsetzung bietet Anlaß zur Kritik. Zum einen berücksichtigt sie nur in unzulänglichem Maße die Selbständigkeit der kollektiven Koalitionsfreiheit, denn trotz des engen Zusammenhanges zwischen kollektiver und individueller Betätigungsfreiheit darf nicht außer Acht gelassen werden, daß es sich um zwei Verfassungsgarantien mit jeweils eigenem Schutzgehalt handelt. 196 192 BVerfGE 84, 212 (225).
193 M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 72. 194 BVerfGE 38, 282 (303), mit Verweisung auf ältere Entscheidungen, die allerdings diese Formulierung nicht verwenden; BVerfGE 51, 77 (88): Gewerkschaftsarbeit als "persönliches Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG"; BVerfGE 57, 220 (245): Mitgliederwerbung gehört zu der" den Koalitionen und ihren Mitgliedern" verfassungsrechtlich gewährleisteten Betätigung; vgl. auch BAG, AP N r. 45 zu Art. 9 GG mit zustimmender Anm. von H.-I. Blauschke. 195 G. Schwerdtfeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 27; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, Rdnr. 148; W. Zöllner, AöR Bd. 98 (1973), S. 71 (80); wohl auch H. Seiter, AöR Bd. 109 (1984), S. 88 (94); B. Rüthers, JuS 1970, 607 (610); ebenso R. Schotz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 92, der von seinem Standpunkt, das Kollektivrecht leite sich aus der Summe der Individualinteressen ab, zu keinem anderen Ergebnis kommen kann. 196 So ausdrücklich P. Badura, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 15 (1977), S. 19 (20); vgl. hierzu auch schon die Ausführungen oben unter 11.
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
63
Ebenso wie eine bestehende Koalition innerhalb der Koalitionszweckgarantie unabhängig vom einzelnen Mitglied sich betätigen kann, so ist auch der Bestand des Individualrechts unabhängig von der jeweiligen Kollektivbetätigung . Art. 9 Abs. 3 GG schützt das einzelne Mitglied nur in seinem Recht, an der Koalitionstätigkeit teilzunehmen, während die Koalitionstätigkeit als solche hiervon nicht erfaßt wird. 197 Insoweit bleiben Individual- und Kollektivrecht inhaltlich voneinander unabhängig. Die Gleichstellung übersieht andererseits den typisch kollektivrechtlichen Charakter bestimmter Schutzbereiche. Insbesondere bedürfen die Tarifautonomie und das damit verbundene Recht auf Durchführung eines Arbeitskampfes 198 notwendig der Kollektivität, da einerseits auf Arbeitnehmerseite nur Gewerkschaften tariffähig sind und andererseits nur der gewerkschaftlich getragene Arbeitskampf rechtmäßig ist. So nehmen die Verhandlungspartner bei Tarifverhandlungen an den Gesprächen mit der Gegenseite nicht in Ausübung ihrer individuellen Koalitionsfreiheit teil, sondern als Organe ihres Verbandes. 199 Ebenso können nur Gewerkschaften einen Streik tragen, womit insbesondere "wilde" oder "spontane" Streiks, die nicht von einer Gewerkschaft organisiert oder übernommen wurden, rechtswidrig sind,200 selbst wenn alle Streikteilnehmer gewerkschaftlich organisiert sind. Derartige ad-hoc-Koalitionen fallen nicht unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG,201 obwohl sich hier eine Summe von Individualinteressen gebildet hat. 197 Auf diese rechtsdogmatisch notwendige Unterscheidung weist auch R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Autl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnr. 853, ausdrücklich hin. 198 P. Badura, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Bd. 15 (1977), S. 17 (20); Däublerl Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, Rdnr. 221; G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit"I, Übersicht, BI. 14; W. Dütz, JA 1987,405 (408 f.); M. Kittner, AKGG, 2. Autl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 66; BroxlRüthers, Arbeitskampfrecht, 2. Autl. 1982, Rdnrn. 78 ff.;M. Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereiches der Koalitionsfreiheit, 1989, S. 155; vgl. heute auch BVerfGE 84, 212 ff., nach den zögerlichen Hinweisen in BVerfGE 18, 18(32);38, 386 (393 f.); 50, 290 (371); 58, 233; BAG, AP Nr. 64 zu Art. 9 GG "Arbeitskampf"; BAG, NJW 1985,2545 (2547). 199 Vgl. § 2 TVG; ZöllnerlLoritz, Arbeitsrecht, 4. Autl. 1992, §§ 8, 34; G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Autl. 1992, § 199 I I; HanaulAdomeit, Arbeitsrecht, 11. Autl. 1994, C 11 2 b. 200 G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Autl. 1992, § 193 11 10; HanaulAdomeit, Arbeitsrecht, 11. Autl. 1994, C m 5 a; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Autl. 1994, S. 169; BAG, AP Nr. 32 zu Art. 9 "Arbeitskampf' . 201 BAG, DB 1978, 1403; R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 63; G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Autl. 1992, § 187 11 1; ZöllnerlLoritz, Arbeitsrecht, 4. Autl. 1992, § 8 III 2; HanaulAdomeit, Arbeitsrecht, 11. Autl. 1994, C 12 b; M. Lieb, Arbeitsrecht, 5. Autl. 1994, S. 169.
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1. Teil: Die Koalitionsfreiheit des Richters
Diese Beispiele zeigen, daß die Inhalte der individualrechtlichen und kollektivrechtlichen Teilgewährleistungen voneinander abweichen. Dabei ist zwischen der Betätigung des Verbandes einerseits und der Teilnahme des Mitgliedes an dieser andererseits zu unterscheiden. Das hat zur Folge, daß durch die Teilnahme des einzelnen an der Kollektivbetätigung seines Verbandes das Kollektivrecht nicht zum Gegenstand des Individualrechts wird. Individuelle und kollektive Betätigungsfreiheit stehen daher selbständig ohne eine notwendige Rückkopplung nebeneinander. Dieses Ergebnis bestätigt auch das Bundesarbeitsgericht in einer frühen Entscheidung über die zivilrechtlichen Folgen der Teilnahme an einem Arbeitskampf. 202 Hiernach ist der Streik auch in seiner Durchführung durch die Arbeitnehmer nur ein Kollektivakt. Er dürfe nicht individual rechtlich, sondern nur im kollektiven Zusammenhang gesehen werden, denn die Einzelhandlung habe keinerlei selbständige Bedeutung. Vielmehr gehe sie in der Kollektivhandlung auf. Streik und Streikteilnahme seien ausschließlich kollektivrechtliche Größen. 203 Konkludent gibt das Gericht hierdurch zu verstehen, daß es des Kollektivaktes bedarf, um einen Streik zu rechtfertigen. Die Einzelakte reichen hierfür nicht aus. IV. Ergebnis Aufgrund der bisherigen Erörterungen kann als Ergebnis festgehalten werden, daß die Kollektivität durch den Zusammenschluß der Individuen eine eigene Rechtsstellung erfährt, die über die Summe der Einzelinteressen hinausgeht. Andererseits führt dies nicht zu einer Rückkopplung in der Form, daß das Individualrecht auf den Bestand des Kollektivrechts ausgedehnt wird. Vielmehr bleibt individualrechtlich nur die Teilnahme an der Koalitionstätigkeit geschützt, nicht aber die Koalitionstätigkeit als solche. Konkret bedeutet das für das einzelne Verbandsmitglied, daß die individuelle Koalitionsfreiheit nur die Tätigkeiten schützt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen stehen, bzw. verbandsinterne Handlungen betreffen. Daher kann sich das einzelne Koalitionsmitglied nicht auf den Umfang der kollektiven Gewährleistung berufen, wenn der Tatbestand des Individualrechts überschritten wird. Hier ist nur der Verband selbst Grundrechtsträger, nicht aber das einzelne Mitglied. Für die Ausgangsfragenach der Koalitionsfreiheit der Berufsrichter der Arbeitsgerichtsbarkeit bleibt daher im folgenden nur das Individualrecht zu prüfen, 202 BAG GS, BAGE 1,291 = NJW 1955, 882 ff. Kritisch hierzu R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnrn. 1172 ff. 203 BAG GS, NJW 1955, 882 (884 unter I 5 der Gründe)
D. Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
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ohne daß es der Berücksichtigung des Kollektivrechtes bedarf. Soweit das Individualrecht eingeschränkt ist, so gilt dies auch im Hinblick auf die Teilnahme an der Verbandstätigkeit. Diese selbst bleibt aber unberührt. Aufgrund der bisherigen Untersuchungen und der daraus festzustellenden umfassenden materiellen Gehalte trägt Art. 9 Abs. 3 GG die Bezeichnung "magna charta des Arbeitsrechts" zu Recht.
5 Klaas
Zweiter Teil
Schranken der Koalitionsfreiheit der Richter A. Verfassungsrechtliche Begründung für die Beschränkung der Koalitionsfreiheit Das grundgesetzlich gewährleistete Recht des Richters, sich in einer Gewerkschaft zu organisieren und sich an den Verbandstätigkeiten zu beteiligen, unterliegt nach dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG keinen ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Schranken. Die grundgesetzliche Kalitionsfreiheit ist ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht. Es bedarf daher näherer Begründung, ob und wie das Grundrecht der Koalitionsfreiheit im allgemeinen und bei Richtern im besonderen eingeschränkt werden kann.
I. Übertragung der Grundrechtsschranken anderer Grundrechte auf Art. 9 Abs. 3 GG 1. Einschränkung der Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 2 GG
Aufgrund der Parallelen zwischen Koalitionsfreiheit und allgemeiner Vereinigungsfreiheit liegt die Folgerung nahe, auf die unbeschränkt gewährleistete Koalitionsfreiheit die Schrankenregelung des Art. 9 Abs. 2GG anzuwenden. Dadurch wären Koalitionen, "deren Zweck oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten" , der Grundrechtsschutz versagt.
a) Literaturstimmen Ein bedeutender Teil des Schrifttums l stellt die Koalitionsfreiheit mit unterschiedlichen Begründungen unter die Schranke des Art. 9 Abs. 2 GG. Aus hi1
F. Klein, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1957, S. 331;
A. Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. II, 2. Aufl. 1959, S. 27; R. Dietz, HGrR, Bd. III/l,
1958, S. 417 (448) m.w.Nachw.;1. v.Münch,BK,Art.9 (Zweitbearb. 1966) Rdnr. 171; K. Brinkmann, Grundrechts-Komm., 1969, Art. 9Anm. 15 c; W. Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1970, S. 86; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 6, 343 ff.; ders., Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 328; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr.123; H. Seiter, Streikrecht und Aussperrung, 1975, S. 114 f.; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, Rdnrn. 136,285; G. Schwerdtjeger, Individuel-
A. Verfassungs rechtliche Grundlage
67
storischer Sicht wird auf die Diskussionen im Parlamentarischen Rat verwiesen, 2 nach denen nur aufgrund eines Redaktionsversehens die Regelungen der Abs. 2 und 3 nicht in umgekehrter Reihenfolge in den Verfassungstext aufgenommen worden seien. 3 Systematisch bedinge der innere Zusammenhang mit der allgemeinen Vereinigungsfreiheit eine Schrankenübertragung des Abs. 2 auf Abs. 3. 4 Zudem schneide die Anwendung der Schranke des Art. 9 Abs. 2 GG einer Vereinigung die Möglichkeit ab, sich dem Verbot des Art. 9 Abs. 2 GG dadurch zu entziehen, daß sie nebenbei Koalitionszwecke verfolge. 5 Eine weitere Begründung stützt sich auf den Vergleich mit Art. 21 GG: würde die Koalitionsfreiheit nicht durch Art. 9 Abs. 2 GG beschränkt, so erhielten die Gewerkschaften einen umfassenderen Schutz als die politischen Parteien und ihre Mitglieder. 6
b) Kritik an der Schrankenübertragung Diesen Überlegungen wird der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG entgegengehalten. 7 Er sehe keine Schrankenregelung vor; deshalb könne nur auf die syste-
le und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 67; G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, B 15 a; K. H. Friauj, RdA 1986, 188 (190); R. Brandis , Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, 1990, S. 125; A. Katz, Staatsrecht, 12. Aufl. 1994, Rdnr. 776; W. Löwer, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 80; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 416; M. Löwisch, MüHdbAR, Bd. 3, 1993, § 237 Rdnr. 24; Hanau-Adomeit, Arbeitsrecht, 11. Aufl. 1994, C I 2 f; K.-H. Seifert, in: SeifertlHömig, GG, 5. Aufl. 1994, Art. 9 Rdnr. 15; PloglWiedow/BecklLemhojer, BBG, § 91 BBG Anm. 3. 2
Vgl. hierzu die Darstellung bei K. G. Wernike, BK, Art. 9 (Erstbearb.) Anm. 11 3 g.
3 Diese Andeutung findet sich bei R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 328. 4 G. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 16 Rdnr. 5; I. v.Münch, BK, Art. 9 (Zweitbearb. 1966) Rdnr. 171, der aber bemerkt, daß die systematische Stellung gegen diese Auslegung sprechen könnte; K. Brinkmann, Grundrechts-Komm., 1969, Art. 9 Anm.4 a; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 6; ders., Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 328; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 123; W.Löwer,in:v.MünchlKunig,GG-Komm.,Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 9 Rdnr. 80. 5
ZöllnerlLoritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1992, S. 110. 6 l. v.Münch, BK, Art. 9 (Zweitbearb.1966) Rdnr. 172; R. Scholz, Koalitionsfreiheitals Verfassungsproblem, 1971, S. 328; vgl. hierzu auch die Ausführungen bei K. G. Wernike, BK, Art. 9 (Erstbearb.) Anm. 11 3 g. 7 K. G. Wernike, BK, Art. 9 (Erstbearb.) Anm. 11 3 g; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 11, 6. Aufl. 1957, S. 116 f.; W. Weber, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie, 1965, S. 12; W. Schmidt, NJW 1965,424 (426); HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl. 1970, Art. 9 Anm. B 3, 1 c; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
matische Ausgestaltung des Art. 9 Abs. 3 GG zurückgegriffen werden, die eine eindeutige Bezugnahme des Abs. 2 nur auf die allgemeine Vereinsfreiheit des Abs. 1 enthalte. 8 Die äußere Verknüpfung der beiden Gewährleistungen liege nur darin begründet, daß in der Festschreibung der Koalitionsfreiheit in einem eigenen Artikel eine zu starke Festlegung von sozialen Ordnungen erblickt wurde. 9 Zudem bestätige die getrennte Entwicklung von allgemeiner Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit das Ergebnis der systematischen Analyse. Bis zur Weimarer Reichsverfassung waren die jeweiligen Gewährleistungsbereiche in unterschiedlichen Normen verbürgt, so daß von einem inneren Zusammenhang von allgemeiner Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit nicht ausgegangen werden könne. 10 Zur Untermauerung ihres Standpunktes ziehen die Vertreter dieser Ansicht desweiteren eine Parallele mit der Systematik der ähnlich strukturierten Regelung des Art. 5 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 11 zu Art. 5 GG beziehe sich der Gesetzesvorbehaltdes Art. 5 Abs. 2 GG nur auf die Freiheitsrechte des Art. 5 Abs. 1 GG, nicht jedoch auf die in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. Da gesetzessystematisch Art. 9 GG und Art. 5 GG miteinander vergleichbar seien, müsse diese auf das Verhältnis der einzelnen Absätze des Art. 9 GG übertragen werden. 12 Art. 9
Abs. 3 Rdnr. 36; E. Stein, Staatsrecht, 12. Aufl. 1990, § 29 I; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, S. 206. 8 K. G. Wernicke, BK, Art. 9 (Erstbearb.)Anm. Ir3 g; W. Schmidt, NJW 1965, 424 (426); HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl.1970, Art. 9 Anm.B lO;M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 36; E. Stein, Staatsrecht, 12. Aufl. 1990, § 29 1. Auch die Vertreter der gegenteiligen Auffassung erkennen die Schwierigkeiten, die systematische Ordnung zu überwinden: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. I, 3. Aufl. 1983, Art. 9 Rdnr. 55;ders., BK,Art.9 (Zweitbearb. 1966) Rdnr. 171; F. Klein, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1957, Art. 9 Anm. VI; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 6; ders. , Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem , 1971, S. 328. 9 JöR n.F. Bd. I (1950/51), S. 118 f. 10 U. Scheuner, Der Inhalt der Koalitionsfreiheit, 1958, S. 13; W. Schmidt, NJW 1965,424 (427); E. Stein, Staatsrecht, 12. Aufl. 1990, § 29 I; vgl. zur geschichtlichen Entwicklung die Darstelung bei K. G. Wernicke, BK, Art. 9 (Erstbearb.) Anm. Ir 3 g; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. Ir, 6. Aufl. 1957, S. 95. 11 BVerfGE30,173(191);47,327(368);67,213 (224, 228). Aus der Literatur vgl. nurR. Schotz, MaunzlDürig, GG, Art. 5 Abs. illRdnr.11;R. Wendt, in: v.MünchlKuig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 5 Rdnr. 95. 12 W. Schmidt, NJW 1965, 424 (426);M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl.1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr.34.
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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Abs.3GGseidamiteineRückausnahmevon Art. 9 Abs. 2 GG.1 3 Nicht zuletzt würde auch die jeweils unterschiedliche personelle Reichweite von Art. 9 Abs. 1 (alle Deutschen) und Abs. 3 GG Gedermann) der Gleichstellung hinsichtlich der Schrankenregelung entgegenstehen. 14 c)
Lösung des Streits über das Tatbestandsmerkmal der "Förderung der Arbeits- und Wirtschajtsbedingungen"
Beide Meinungen übergehen einen gegenüber der Schrankenübertragung aus Art. 9 Abs. 2 GG rechtslogisch vorrangigen Schritt. Bevor über eine Grundrechtsschranke oder die analoge Anwendung einer solchen diskutiert werden kann, sollte Klarheit darüber bestehen, ob das von der Schrankenbestimmung erfaßte Verhalten überhaupt vom Schutzbereich desjenigen Grundrechts umfaßt wird, das durch diese begrenzt werden soll. Das Freiheitsrecht des Art. 9 Abs. 3 GG beinhaltet in der Formulierung "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" eine verfassungsunmittelbare Grundrechtsgrenze, die den Tatbestand der Koalitionsfreiheit von innen heraus begrenzt - quasi-tatbestandliche-Begrenzungen. 15 Deshalb stehen nur solche Vereinigungen unter dem Schutz der Koalitionsfreiheit, deren Zielsetzung in der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen liegt. Organisationen außerhalb dieses Bereiches werden hinsichtlich ihrer Existenz und Betätigung lediglich durch Art. 9 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Dabei unterlieget ihr Schutzbereich dem Vorbehal t der entsprechenden Schranken. 16 Das Verbot des Art. 9 Abs. 2 GG träfe bei seiner Anwendung auf Art. 9 Abs. 3 GG Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, die strafbare, mit der verfassungsmäßigen Ordnung nicht vereinbare oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderlaufende Ziele verfolgen. Derartige Vereinigungen erfüllen jedoch nicht die Voraussetzungen, die an eine Koalition im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG gestellt werden. Grundlegende Voraussetzung für die Qualifikation eines Verbandes als Koalition ist deren Anerkennung des Rechts- insbesondere des Arbeits13 W. Schmidt, NJW 1965,424 (426); HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl.1970,Art. 9 Anm. B 3; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 36. 14 Ein Hinweis hierauffindetsich beiR. Dietz, HGrR,Bd. rn/I, 1958, S. 417 (419). 15 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/2,1994, §§ 7912, 84 rn 4 b, 92, IV 1 a; vgl. auch G. Schwertfeger, Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit, 1981, S. 64, der die Auslegung von innen heraus als immanente Schranke bezeichnet; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 259f.;L. Fohmann, EuGRZ 1985,49 (55), bezeichnet diese als "Begrenzungsmerkmale ".
16 Vgl. hierzu 1. Teil, D 11 3 b bb.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
rechtssystems, des Tarifvertrags- und des Arbeitskampfrechts. Vereinigungen, die den Tatbestand des Art. 9 Abs. 2 GG erfüllen und damit rechtsstaatswidrige Ziele mit ebensolchen Mitteln verfolgen, können sich bei ihren Handlungen nicht auf die Koalitionsfreiheit berufen. Mit diesen Überlegungen ist auch den unter die Regelung des Art. 9 Abs. 2 GG fallenden Vereinigungen die Flucht in die Koalitionsfreiheit verwehrt, sich durch die gelegentliche Betätigung auf dem Gebiet des Arbeits- und Wirtschaftsrechts den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG auch für die rechtsstaatsfeindlichen Handlungen zu sichern. Das Privileg des Art. 9 Abs. 3 GG kommt einer Vereinigung nicht deshalb pauschal zu, weil ein kleiner Ausschnitt ihrer Tätigkeiten im Bereich der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen liegt. Vielmehr ist die einzelne Handlung des Verbandes daraufhin zu überprüfen, ob es sich hierbei um spezifisch koalitionsrechtliche Tätigkeiten handelt. Ist dies zu verneinen, bleibt nur der Schutz durch die allgemeinen Bestimmungen der Art. 9 Abs.l, 5Abs. 1 und2GG, die denjeweiligen Schrankenregelungen unterliegen. Kriminelle und verfassungsfeindliche Vereinigungen sind deshalb schon keine Koalitionen im Sinne des Art. 9Abs. 3GG.17 Der Streit um die Übertragung der Grundrechtsschranken des Art. 9 Abs. 2 GG auf die Koalitionsfreiheit erübrigt sich daher bei genauer Subsumtion des Grundrechtstatbestandes. 18 2. Die Anwendung des Art. 5 Abs. 2 GG auf die Koalitionsfreiheit
Art. 9 Abs. 3 GG gehört neben den Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 5, Art. 8 und Art. 9 Abs. 1 GG zu den Kommunikationsfreiheiten des Grundgesetzes. 19 Typische Schranken aller Kommunikationsgrundrechte sind nach Ansicht verschiedener Autoren die "allgemeinen Gesetze", die nur beispielhaft für die Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 2 GG als Grundrechtsschranke aufgenommen worden seien. 20 R. Scholz21 bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidung des Großen 17 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. II, 6. Aufl. 1957, S. 95; R. Dietz,HGrR,Bd.ill/l,1958,S.417(440ff.);M.Kittner,AK-GG,2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 36; Pieroth/Schlink, Grundrechte -StaatsrechtII, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 821. 18 Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. II, 6. Aufl. 1957, S. 95; W. Weber, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Verfassungsproblem, 1965, S. 12; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 36; F.-J. Säcker, Grundprobleme der Koalitionsfreiheit, 1969, S. 19 in FN 2, wenn er fordert, die Grundrechtsauswirkung durch tatbestandliche Untersuchungen genauer festzulegen. 19 Vgl. hierzu die Nachweise oben in Teil 1 FN 3. 20 P. Lerche, HGrR, Bd. IV/I, 1961, S. 447 (479);ders., Übermaß und Verfassungsrecht,1961, S. 220; ders. , DVBl.1961, 690 (694); ders. , VVDStRLHeft21 (1964), S. 66 (67 inFN7); ders., ZZPBd. 78 (1965), S. 1 (14 m.w. Nachw.); ders., Verfassungsrecht-
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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Senats des BAG vom 29.11.1967,22 nach der in Anlehnung an die Kernbereichsrechtsprechung des BVerfG, "der einfache GesetzgeberdasRecht(hat),dieKoalition zu verpflichten, bei ihrer Betätigung auf dem Gebiet der Tarifautonomie die allgemeinen Gesetze zu beachten, soweit diese nicht gegen den Kernbereich der Funktionsgarantie verstoßen, und deshalb gelten mit dieser Maßgabe die allgemeinen Gesetze auch für die Betätigung von Koalitionen. "23 Diese Schrankenübertragung aufgrund einer von der Verfassung selbst nicht anerkannten Kategorie der Kommunikationsfreiheit stößt aber auf erhebliche Bedenken. Art. 9 Abs. 3 GG fehlt wie den meisten anderen Kommunikationsgrundrechten, z.B. Art.4Abs. 1,2, Art.5Abs.3, Art. 8 Abs.1 GG (bei Versammlungen in geschlossenen Räumen) ein ausdrücklicher Regelungsvorbehalt. Ein im Wege der Analogie übertragener Gesetzesvorbehalt widerspricht daher dem im Text zum Ausdruck kommenden Willen des Verfassunggebers. 24 Der Kommunikationscharakter der Grundrechte ist daher keine ausreichende Grundlage für ein dem Grundgesetz unbekanntes, übergreifendes Schrankensystem. 25 3. Die Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG als Begrenzung der Koalitionsfreiheit
Verschiedentlich wird die Koalitionsfreiheit unter die Schrankentrias des Soweitsatzes von Art. 2 Abs. 1 GG gestellt. 26 Den Vertretern dieser Ansicht muß aber entgegengehalten werden, daß sie das systematische Verhältnis zwischen licheZentralfragen, 1968,S. 37; K. A. Bettermann, Grenzender Grundrechte, 1964, S. 27f.; W. Rüjner, Der Staat Bd. 7 (1968), S. 41 (56 f.); R. Schotz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 335 ff., 351 ff.; ders., in: MaunzlDürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 348 f.; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 121; R. Richardi, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§ 611 ff. Rdnr. 855; P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie, 3. Aufl. 1983, S. 32 ff., erkennt einen Generalvorbehalt aufgrund der "allgemeinen Gesetze" an, ohne diesen ausdrücklich auf Art. 9 Abs. 3 GG zu beziehen. 21 Koalitionsfreiheitals Verfassungsproblem, 1970, S. 335 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnrn. 348 f.; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 121. 22 BAGE 20, 175 ff. = BB 1968,993 ff. 23 BAGE 20, 175 (225).
24 W. Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1971, S. 86; H. Copic, Grundgesetz und politisches Strafrecht neuer Art, 1967, S. 22 ff. 25 Zu den in der vorherigen Fußnote genanntenH. Wiedemann, RdA 1969,321 (330); F.-J. Säcker, Grundprobleme der Koalitionsfreiheit, 1969, S. 19 in FN 12; H. Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, 1975, S. 115; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, 1976, Rdnr. 285; M. Kittner, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 9 Abs. 3 Rdnr. 34. 26 K. G. Wernicke, BK, Art. 9 (Erstbearb.) Anm. 11 3 g; F. Klein, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 2. Aufl. 1957, Art. 9 Anm. VII; H. Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, 1969, S. 49 f., 263 f.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
einem besonderen Freiheitsrecht und der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. I GG in unzureichender Weise in ihre Überlegungen einbeziehen. Soweit ein im Grundgesetz geschütztes besonderes Freiheitsrecht, wie z.B. die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG, tatbestandlich eine Rechtsposition erfaßt, tritt das allgemeine Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG dahinter zurück. 27 Hinsichtlich der jeweils anzuwendenden Schrankenregelung hat dies zur Folge, daß Schranken nur aus dem speziellen Freiheitsrecht selbst entnommen werden können. 28 Die Vorbehalte des allgemeineren Grundrechts werden dagegen nicht übertragen, da ansonsten durch den allgemeinen Regelungsvorbehalt der "verfassungsmäßigen Ordnung" aus Art. 2 Abs. 1 GG die spezielleren Gesetzesvorbehalte der Einzelgrundrechte ihrer Bedeutung enthoben würden. Die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG steht als lex specialis29 daher nicht unter dem Schrankenvorbehalt des Art. 2 Abs.l GG.
27 ehr. Starck, in: v.MangoldtlKIein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985,Art. 2 Rdnr. 34;Ph. Kunig, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 2 Rdnr. 88; aus der Rspr.: BVerfGE 23, 50 (55 f.); 30, 282 (236); 54, 237 (251); 58, 358 (363). 28 Speziell zum Verhältnis von Art. 9 Abs. 3 zu Art. 2 Abs. 1 GG R. Scholz, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr. 120; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 338; allgemein: W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte, Diss. Köln 1968, S. 168; M. Lepa, DVBI. 1972, 161 (164); W. Rüjner, in: Festgabe BVerfG 11, 1976, S. 453 (477 m.w.Nachw. in FN 123); D. Merten, in: Festschrift für K. Carstens, 1984, Bd. 2, S. 721 (732); ders., JuS 1976,345 (347); ehr. Starck, in: v.Mangoldt/ Klein, Das BonnerGrundgesetz, Bd. 1,3. Aufl. 1985, Art. 2 Rdnr. 34. A.A. H. Bethge,ZurProblematikvonGrundrechtskollisionen, 1977,S. 258 f., FN 13 m.w.Nachw.; U. Scheuner, VVDStRL Heft 22 (1965). S. 1 (38FN 111);F. Klein, in: v.MangoldtlKlein, DasBonnerGrundgesetz,Bd.l,2.Autl.1957, Vorbem.BXV2 b. Vgl. auch den Überblick über die hierzu vertretenen Meinungen beiA. Bleckmann, Staatsrecht 11 - Allgemeine Grundrechtslehren, 3. Aufl. 1989, S. 391 ff.;J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 394 ff. 29 BVerfGE 19, 303 (314); 58, 233 (256); G. Dürig, JZ 1957, 169 (171); F.-I. Säcker, Grundprobleme der Koalitionsfreiheit, 1969, S. 25 m. w .Nachw. in FN 33; DäublerlHege, Koalitionsfreiheit, 1976, S. 136; D. Merten, JuS 1976, 345 (347); H.-I. v. Pollern , JuS 1977,644 (646); G. v.Hoyningen-Huene, AR-Blattei "Vereinigungsfreiheit" I, Übersicht, B 15 b; ehr. Starck, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 52; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. C 100; A. Bleckmann , Staatsrecht 11 - Allgemeine Grundrechtslehren, 3. Aufl. 1989, S. 393 ff.; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rdnr. 338; ders., HdbStR, Bd. VI, 1989, § 151 Rdnr.120;BattisIGusy,EinführungindasStaatsrecht, 3. Aufl. 1991, Rdnr. 429; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1992, S. 110; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnrn. 306 f.; M. Löwisch,
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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n. Einschränkung der Koalitionsfreiheit aufgrund der besonderen Stellung des Richters im Staatsgefüge
1. Das besondere Gewaltverhältnis als Grundlage für eine Grundrechtseinschränkung
Die Untersuchungen im 1. Teil unter ellhaben ergeben, daß Art. 1 Abs. 3 GG für die Geltung der Grundrechte im besonderen Gewaltverhältnis ein Präjudiz bildet. Die umfassende Geltungs- und Bindungswirkung dieser Grundsatzbestimmung nahm dem besonderen Gewaltverhältnis jegliche Auswirkung auf die generelle Grundrechtsberechtigung der Gewaltunterworfenen. Voreilige Stimmen in der Literatur gingen sogar noch weiter und leugneten kurz nach Inkrafttreten des Grundgesetzes jegliche Bedeutung der Gewaltunterworfenheit für Grundrechtsfragen. 30 Jedoch überwiegt heute weitgehend die Erkenntnis, daß auch unter der Geltung des Grundgesetzes Sonderstatusverhältnisse ohne Sonderrechteund-pflichtennichtfunktionierenkönnen. 31 D. Merten geht noch darüber hinaus: Das besondere Gewaltverhältnis wirke "freiheitsschützend .... Es verhindert eine unnötige Schrankendehnung im allgemeinen Gewaltverhältnis und macht durch das limitierende Zweckerfordernis die Grundrechtsbeschränkung auch für den' Gewaltunterworfenen ' berechenbar und vorhersehbar. "32 Das MüHdbAR, Bd. 3,1993, § 237 Rdnr. 20; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, S. 184. 30 Nach E. Forsthojf, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd., Allg. Teil, 1. Aufl. 1950, S. 104, klafft im besonderen Gewaltverhältnis eine Lücke des Rechtsstaates; Hild. Krüger, ZBR 1956, 308 (309), warf ihm ein "Schmarotzerleben am jungen Stamm des Rechtsstaates" vor. E. Becker, VVDStRL Heft 14 (1956), S. 96, und Herb. Krüger, VVDStRLHeft 15 (1957), S.109, sahen hierin eine "Art von vorrechtsstaatlichem Urwald" ; K. J. Parts eh , Verfassungsprinzipien und Verwaltungsinstitutionen, 1958, S. 25, nannte es "atavistisches Rudiment aus einer vorrechtsstaatlichen Epoche"; M. Gönsch, IZ 1979, 16 (17), bezeichnete das besondere Gewaltverhältnis als "Relikt des Obrigkeitsstaates"; s. auchE.-W. Fuß, DÖV 1972,765 (766, 774);H.-U. Erichsen, in: Festschrift für H.-I. Wolff, 1973, S. 219 (242); H. Heckel, DÖV 1976,511 (512); F. Kiepe, DÖV 1976,399(402 f.); B.-O. Bryde, DÖV 1981, 193 (194). 31 I. v.Münch, Freie Meinungsäußerung und besonderes Gewaltverhältnis, Diss. Frankfurta.M., 1957, S. 45 ff.; F. E. Schnapp, ZBR 1977, 208; ders., Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S.275; G.Dürig, VVDStRLHeft37 (1979), S. 321 (322); D. Merten, Das besondere Gewaltverhältnis, 1985, S. 73; W. Fürst, in: GKÖD, Bd. 1, Teil2b, K § 91 Rdnr. 11; K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1989, § 74 rn 4; H. Lecheler, JuS 1992,473 (474); ders. , HdbStR,Bd. V, 1992, § 123 Rdnr. 25; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 324; ders., HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 5 Rdnr. 69; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, § 20 II 3. 32 D. Merten, in: Festschrift für K. Carstens, 1984, S. 721 (740); ders., Das besondere Gewaltverhältnis, 1985, S. 73 - Hervorhebung im Original.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
besondere Gewaltverhältnis ist deshalb nicht tot. Es bedarf lediglich eingehender Ausführungen zur dogmatischen Begründung der Zulässigkeit von Grundrechtseinschränkungen und deren Umfang. a) Der Vorbehalt des Gesetzes im besonderen Gewaltverhältnis Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verlor das besondere Gewaltverhältnis seine grundrechtsexzempte Funktion. Es blieb aber insoweit eine verfassungsrechtliche Kategorie, als daß es Grundrechtseinschränkungen weiterhin im Rahmen seiner Funktionserfordernisse ermöglichte. Die Ursache hierfür lag darin, daß dem Vorbehalt des Gesetzes im besonderen Gewaltverhältnis nur eingeschränkte Geltung zukam. Grundrechtseinschränkungen konnten damit ohne ein den Eingriff ausdrücklich rechtfertigendes formell-materielles Gesetz bereits aufgrund von verwaltungsinternen Anordnungen erfolgen. Begründet wurde dieses Ergebniis teilweise durch den freiwilligen Eintritt in die Gewaltunterworfenheit, mit dem ein völliger Grundrechtsverzicht bzw. der Verzicht auf die Ausübung des Grundrechts verbunden sein sollte - "volenti non fit iniuria". 33 Soweit kein freiwillig begründetes besonderes Gewaltverhältnis vorlag, sollte in dem Gesetz, das den Zwang vorsah, zugleich die Rechtfertigung für die Beschränkung der Grundrechte liegen. 34 Die herrschende Lehre stützte sich bei ihrer Argumentation daneben auf die Anerkennung der wichtigsten besonderen Gewaltverhältnisse durch das Grundgesetz selbst. 35 Allen Argumentationsansät zen war gemeinsam, daß Grundrechtseinschränkungen möglich sein sollten, ohne daß hierfür ein Gesetz erforderlich gewesen wäre. Das besondere Gewaltverhältnis war damit selbständige Legitimation für Grundrechtseingriffe. 36 33 BVerwGEI4,21 (25); Herb. Krüger, DÖV 1950, 628 (629);F. Klein, in:v.MangoldtlKlein, Das BonnerGrundgesetz, Bd. 1,2. Aufl. 1957, Vorbem. B XVI 5; E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungs rechts , 1. Bd., Allgemeiner Teil, 1. Aufl. 1950, 10. Aufl. 1973, S. 128; vgl. auch K. Stern, Staatsrecht, Bd. mll, 1988, § 74 m 5 c; I. v.Münch, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Vorb. Art. 1-19 Rdnr. 59.
34 Herb. Krüger, DÖV 1950, 628; F. Klein, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1,2. Aufl. 1957, Vorbem. B XVI5; I. v.Münch, Freie Meinungsäußerung und besonderes Gewaltverhältnis, Diss. Frankfurt a.M. 1957, S. 37 ff. 35 F. E.Schnapp,ZBRI977,208ff.;C. H. Ule,HGrR,Bd.NI2, 1962, S. 537 (618 f.);F.Klein,in:v.MangoldtlKlein,DasBonnerGrundgesetz,Bd. 1,2. Aufl. 1957, Vorbem. B XVI 4; I. v.Münch, Freie Meinungsäußerung und besonderes Gewaltverhältnis, Diss. Frankfurt a.M. 1957, S. 37 ff. 36 Vgl. W. Thiele, ZBR 1983, 345 (346); M. Ronellenfitsch, DÖV 1981, 933 (936); L. Wenninger, Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982, S. 226 f.; N.Klein,DVBI.1987, 1102;K. Stern,Staatsrecht, Bd. mll, 1988, § 74 m 3,5 d; vgl. auch BVerfGE 33, 1 (10).
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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Den Wendepunkt in der dogmatischen Bewertung des besonderen Gewaltverhältnisses markierte im Jahre 1972 das Bundesverfassungsgericht, nachdem es zwei Jahrzehnte diesem klassischen Argumentationsmuster für Grundrechtseinschränkungen gefolgt war. Das Gericht stellte im sogenannten Strafvollzugsbeschluß neue Anforderungen an Grundrechtseingriffe im Rahmen des Strafgefangenenverhältnisses als Beispiel für andere besonderen Gewaltverhältnisse. 37 Wörtlich führt das Gericht hierzu aus: "In Art. 1 Abs. 3 GG werden die Grundrechte für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung für unmittelbar verbindlich erklärt. Dieser umfassenden Bedeutung der staatlichen Gewalt widerspräche es, wenn im Strafvollzug die Grundrechte beliebig oder nach Ermessen eingeschränkt werden könnten. Diese Einschränkung kommt nur dann in Betracht, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerläßlich ist und in den dafür vorgesehenen Formen geschieht. Die Grundrechte von Strafgefangenen können also nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, das allerdings auf - möglichst engbegrenzte - Generalklausein nicht verzichten kann. "38 Dieses Urteil wurde in späteren Entscheidungen des Gerichts auch hinsichtlich anderer besondere Gewaltverhältnisse bestätigt39 und fand auch in der Literatur überwiegend Zustimmung. 4O Die Bedeutung des Strafgefangenenbeschlusses liegt in der Erkenntnis, daß aufgrund der neu verstandenen Geltungs- und Bindungswirkung der Grundrechte das besondere Gewal tverhähnis als solches nicht mehr ausreicht, Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen. Vielmehr gilt auch in den Sonderbeziehungen zwischen Bürger und Staat der Vorbehalt des Gesetzes, wonach Grundrechtseinschränkungen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen dürfen. Auch im besonderen Gewaltverhältnis obliegt der hoheitlichen Gewalt nunmehr ein bis dahin nicht erforderlicher Begründungszwang, der in dogmatischer Sicht noch Fragen offen läßt. 41 37 BVerfGE 33, 1 ff. 38 BVerfGE 33, 1 (11 f.). 39 BVerfGE 40,237 (253 f.); 41,251 (259); 47, 46 (78); 58, 358 (367). 40 F. E. Schnapp, ZBR 1977,208; ders., Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 276; M. Ronellenfitsch, DÖV 1981,933 (937); N. Klein, DVBI. 1987, 1102 (1103); K. Stern, Staatsrecht, Bd. ID/l, 1988, § 74 ID 5 e; A. Bleckmann, Staatsrecht n Allgemeine Grundrechtslehren, 3. Aufl. 1989, S. 362; I. v.Münch, in v.Münch/Kunig, GG-Komm., Bd. 1, 4. Aufl. 1992, Vorb. Art. 1-19 Rdnr. 60; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 327; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, § 20 n 3; K.-H. Seifert, in: SeifertIHömig, GG, 5. Aufl. 1994, Vorbem. Rdnr. 12. 41 H. Lecheler, JuS 1992,473 ff.; H. J. Becker, ZBR 1993, 193 (195).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
b) Die Bedeutung des Art. 33 Abs. 5 GG Dem Strafvollzugsbeschluß lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Leiter einer Strafvollzugsanstalt Briefe eines Strafgefangenen mit, wie sich später herausstellte, beleidigendem Inhalt angehalten und durchgesehen hatte. Die in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren seitens des Strafgefangenen gerügten Eingriffe in die Grundrechte des Post- und Briefgeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG und der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG konnten jeweils auf einen Gesetzesvorbehalt-Art. 10 Abs. 2 Satz 1 bzw. Art. 5 Abs. 2 GG gestützt werden. Insofern bedurfte es in diesem Fall nicht der Frage nach einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Gesetzgebers zu einer Grundrechtseinschränkung . Es genügte dem Bundesverfassungsgericht vielmehr der Hinweis auf das Erfordernis eines den Gesetzesvorbehalt ausfüllenden formell-materiellen Gesetzes. Hierin kann man bereits die Ansätze für die später die Grundrechtsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts prägende Wesentlichkeitstheorie erkennen. 42 Bei der Frage nach einer Eingriffsmöglichkeit in das vorbehaltlos gewährlei stete Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Berufsrichters ergibt sich demgegenüber ein vorgelagertes Problem: Gibt es einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt für vorbehaltlos garantierte Freiheitsrechte, der sich aus der Struktur der Sonderbindung herleiten läßt? Zur Klärung dieses Problems muß das grundlegende Prinzip der Rangordnung der Normen ins Bewußtsein gerufen werden. 43 Wesentliches Element dieses Prinzips ist das Erfordernis, daß die Einschränkung eines auf Verfassungsebene garantierten Rechts einer auf gleicher Ebene normierten Ermächtigung bedarf. 44 Dieser abstrakte Grundsatz hat in der praktischen Umsetzung weitreichende Auswirkungen: Jede vom Bundesverfassungsgericht geforderte einfachgesetzliche Grundrechtseinschränkung - auch im besonderen Gewaltverhältnis - bedarf ihrerseits eines auf der Ebene des Verfassungsrechts vorgesehenen Einschrän42 BVerfGE34, 165 (192 f.); 40, 237 (248 ff.);41,251 (259 f.); 45, 400 (417); 47, 46 (78 f.); ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 80,137 (161); 83,130 (142); 84, 212 (226). 43 Vgl. hierzu K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, §§ 3 III 2 c, 4 I 3 a; Maunz!Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, §§ 12 III 3, 45 11 1; A. Katz, Staatsrecht, 12. Aufl. 1994, Rdnrn. 8, 191; PierothlSchlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Aufl. 1995, Rdnrn. 12, 14.
44 F. E. Schnapp, ZBR 1977,208; ders., Amtsrechtund Beamtenrecht, 1977, S. 276; F. Rottmann, Der Beamte als Staatsdiener, 1981, S. 226; H. -U. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl. 1982, S. 163; A. Bleckmann, Staatsrecht 11 - Die Grundrechte, 3. Aufl. 1989, S. 362; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 325; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, § 81 V 5.
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kungsvorbehalts. Diesen im Bereich der vorliegenden Fragestellung auszumachen, unterliegt dogmatischen Schwierigkeiten. War im Strafgefangenenbeschluß eine Eingriffsermächtigung in Art. 5 Abs. 2 und 10 Abs. 2 GG gegeben, so handelt es sich bei der Koalitionsfreiheit um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht, für dessen Einschränkung im Richterverhältnis andere Formen der verfassungsrechtlichen Verankerung gefunden werden müssen. Hierzu werden im wesentlichen zwei Wege vorgeschlagen: Einerseits werden die besonderen Gewaltverhältnisse und damit auch ihre Eigengesetzlichkeiten durch die jeweilige Nennung im Text des Grundgesetzes zu Bestandteilen der verfassungsmäßigen Ordnung erhoben. Für den öffentlichen Dienst und das spezielle Richterverhältnis ist dies in Art. 33 Abs. 4 und 5 sowie Art. 92 ff. GG geschehen. Hierdurch werden Zweck und Funktionsfähigkeit der verschiedenen Sonderrechtsverhältnisse als auf der Ebene der Verfassung gewährleistete Werte geschützt. Stehen diese Werte mit grundrechtlieh geschützten Freiheitsrechten der Gewaltunterworfenen in Konflikt, so sind diese beiden entgegenstehenden Verfassungsrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz gegeneinander auszugleichen. 45 Dabei sind die beiden Verfassungsrechtsgüter einander so zuzuordnen, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt, also keines auf Kosten des anderen bevorzugt wird. "Vielmehr stellt das Prinzip der Einheit der Verfassung die Aufgabe einer Optimierung: Beiden Gütern müssen Grenzen gezogen werden, damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können. "46 Diese Konstruktion verlagert das Problem aus dem engen Feld der Grundrechtseinschränkungen heraus in den Bereich der Lösung von Rechtekollisionen. 47 Einanderer Weg wird darin gesehen, für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes aus Art. 33 Abs. 5 GG eine spezielle Einschränkungsermächtigung zu konstruieren. Dies wird mit dem Hinweis darauf begründet , der in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Gesetzgebungsauftrag liefe leer, wenn hierin nicht zugleich ein Gesetzesvorbehalt gesehen werde. Die Ermächtigung an den Gesetzgeber sei 45 Diesen Weg beschreiten F. E. Schnapp, ZBR 1977, 208 ff.; ders., Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977,S. 273 ff.; G. P.Strunk,Beamtenrecht, 3. Aufl. 1986, Rdnr. 187; W.Fürst,in:GKÖD,Bd.l,TeiI2b, K § 91 Rdnr. 11; W. Loschelder, HdbStR, Bd. V, 1992, § 123 Rdnr. 25 - Gebot des schonendsten Ausgleichs; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 325; siehe auch F. Rottmann, Der Beamte als Staatsbürger, 1981, S. 226 ff.; BVerfGE 39,334 (366f.).
46 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 72 - Hervorhebung im Original; vgl. auch Rdnr. 325 speziell für Grundrechtseinschränkungen im besonderen Gewaltverhältnis. 47 So wohl F. E. Schnapp, ZBR 1977,208 (209).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
dabei aber nicht unbegrenzt weit, denn Grundlage dieser Konstruktion ist das
Dienst-und Treueverhältnis zwischen dem Staat und den Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Nur soweit dieses reiche, könne auch eine hierauf gestützte Grundrechtseinschränkung verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Daher sind Zweck- und Funktionsfähigkeit des Beamten- bzw. Richterverhältnisses Maß für die gesetzlich zulässigen Grundrechtseingriffe. Aber auch hier kann die Einschränkung nicht aus sich alleine heraus bestimmt werden. In einem weiteren Schritt ist jede Einschränkung im Lichte des betroffenen Grundrechts zu sehen. Die möglichst weite Aufrechterhaltung der beiden Rechtspositionen erfolgthier nach den Grundsätzen der Wechselwirkungstheorie. 48 Die Entscheidung zwischen diesen beiden Begründungswegen ist im Rahmen der hier zu untersuchenden Gesamtproblematik nicht zu leisten. Sie bedarf einer eigenen monografischen Aufarbeitung. Jedoch weisen die angebotenen Lösungswege starke Parallelen auf, die kaum voneinander abweichende Ergebnisse erlauben:
Beide dogmatischen Ansätze gelangen letztlich zu dem grundsätzlichen Ergebnis, daß auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte aufgrund eines formellmateriellen Gesetzes nach einer Abwägung mit Zweck und Funktionsfähigkeit des besonderen Gewaltverhältnisses in ihrer Ausübung beschränkt werden können. 49 Eine weitere Übereinstimmung besteht darin, daß Art. 33 Abs. 5 GG in beiden Lösungsansätzen eine bestimmende Rolle übernimmt: einmal als verfassungsrechtliche Anerkennung des besonderen Gewaltverhältnisses, zum anderen als spezielle Einschränkungsermächtigung für die Grundrechte der Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Es scheint daher dienlich, diese Norm auf ihren Aussagegehalt für das Richterverhältnis zu untersuchen.
48 Ausdrücklich H.-U. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 3. Aufl. 1982, S. 163; im Ergebnis auch W. Schick, ZBR 1963, 67 (71); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 33 Rdnrn. 72, 83, sowie inFN 4: "Art. 33 V stellt also eine Art Gesetzesvorbehaltdar"; W.Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1971, S. 103; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, § 81 V 5; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 4/1991 , Art. 33 Rdnr. 126;Ph. Kunig, in: v.Münch/Kunig, GGKomm., Bd. 2, 3. Aufl. 1995, Art. 33 Rdnr. 56;ders., in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995,6. Abschn. Rdnr. 41. S. auch BVerfGE 19, 303 (322). Ablehnend F. Rottmann, Der Beamte als Staatsbürger, 1981, S. 227 f.
49 W. Schick, ZBR 1963, 67 (71); Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 33 Rdnrn. 72, 83; W. Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 1971, S. 103; F. E. Schnapp, ZBR 1977,208 (211); H.-U. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 3. Aufl. 1982, S. 163; W. Fürst, in: GKÖD, Bd. I, Teil 2 b, K § 91 Rdnr. 11; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl.1993,Rdnr.325;M.Sachs,in:K.Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, § 81 V 5 a.
A. Verfassungsrechtliche Grundlage c) Art.
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33 Abs. 5 GG im Richterverhältnis
Art. 33 Abs. 5 GGenthält nicht nur einen Programmsatz, sondern eine Bestimmung mit unmittelbarem Regelungscharakter . 50 Im Folgenden ist zunächst zu untersuchen, ob und in welchem Umfang diese Strukturnorm auf den Berufsrichter der Arbeitgerichtsbarkeit Anwendung findet. aa) Der persönliche Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG Zwei Elemente im Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 GG spielen für dessen Auslegung eine wichtige Rolle: die Formulierung" Angehörige des öffentlichen Dienstes" und der Begriff des "Berufsbeamtentums". Vereinzelte Stimmen in der Literatur beschränken aufgrund der einseitigen Betonung des "Berufsbeamtentums" den Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG aufBeamte im Sinne des Bundesbeamtengesetzes und der verschiedenen Landesbeamtengesetze. 51 Richter hingegen, deren Stellung und Aufgaben im Staatsgefüge von denen der Beamten deutlieh zu unterscheiden seien, gehörten nicht zu dem in Art. 33 Abs. 5 GG angesprochenen Personenkreis , da der Verfassunggeber für sie in den Art. 92 ff. GG spezielle Bestimmungen geschaffen habe. 52 Beziehe man dagegen Richter in den Regelungsbereichdes Art. 33 Abs. 5 GG ein, würde die Differenzierung zwischen Beamten und Richtern unterlaufen. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt,53 daß Art. 33 Abs. 5 GG auch die "hergebrachte Stellung besonderer Gruppen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, wie z.B. Richter, umfaßt" .54 Dieser weiter-
50 C. H. Ule, HGrR, Bd. 1V/2, 1962, S. 537 (562 ff.); J. Isensee, Der Beamtenstreik, 1971,S.58;K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. Aufl. 1984, § 11 m 4 g; U. Battis, in: Achterberg/Püttner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1990, S. 905; Leibho/zl RincklHesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 4/1991, Art. 33 Rdnr. 101; Ph. Kunig, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 2, 3. Aufl. 1995, Art. 33 Rdnr. 52; Schmidt-Bleibtreul Klein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 33 Rdnr.13;BVerfGE 8, 1 (11 f.); 9, 268 (286); 15, 167 (195). 51 H. Fangmann, ArbuR 1985, 7 (9 f.); FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und poitische Betätigung von Richtern, 1986, S. 35; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 41; ders., AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 98 Rdnr. 25. 52 R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 41; ders., AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 98 Rdnr. 25.
53 BVerfGE 12, 81 (87); 12, 326 (334); 15, 298 (302); 22, 387 (LS 4 und S. 425); 26, 141 (154); 32, 199 (223); 38, 1 (8, 11); 38, 139 (151); 55, 372 (391 f.); 56, 146 (162); BVerfG, NJW 1983,2691; vg!. auch Saar!. VerfGH, NJW 1986,916; VG Schleswig, NJW 1985,1099 (1102) m.w.Nachw. 54 BVerfGE 15, 298 (302).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
gehenden Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG hat sich die Literatur überwiegend angeschlossen. 55 Art. 129Abs.l Satz3WRV, Vorgänger des Art. 33 Abs. 5 GG, sicherte die wohlerworbenen Rechte der Beamten. Zu den Beamten im Sinne dieser Norm zählten auch die (Beamten-)Richter. 56 Von diesem Richterbild hat sich das Grundgesetz gelöst. Ausdruck dieses Wandels sind die Art. 92 ff. GG, die für das Statusrecht der Richter in eigenen Regelungen festlegten. Folge dieser Trennung von Beamten- und Richterstatus wäre, daß nach grundgesetzlichem Verständnis der Wortlaut des Art. 129 Abs. 1 Satz 3 WRV Richter nicht mehr erfassen würde. Um aber den personellen Geltungsbereich des grundgesetzlichen Nachfolgers der Weimarer Regelung nicht zu beschränken, wurde der Wortlaut des Art. 129 Abs. 1 Satz 3 WRV demneuen Richterbild angepaßt. Bereits der Vorschlag des allgemeinen Redaktionsausschusses zum späteren Art. 33 Abs. 5 GG formulierte entsprechend: "Das Recht des öffentlichen Dienstes ... " .57 Die Ausgliederung 55 R. Pfennig, Der Begriff des öffentlichen Dienstes, Diss. Berlin 1959, S. 57; C.
H. Ule, HGrR, Bd. IV!2, 1962, S. 537 (551); H. G. Nedden, Die hergebrachten Grund-
sätze des Berufsbeamtenturns, Diss. Göttingen 1962, S. 14; Th. Maunz, in: Maunz! Dürig, GG, Art. 33 Rdnr. 51, der aber spezielle Grundsätze für den jeweiligen Amtsbereich verneint; K. A. Bettermann, Der Richter als Staatsdiener, 1967, S. 18; Chr. NiethammerVonberg , Parteipolitische Betätigung, 1969, S. 20; HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl. 1970, Art. 33 Anm. 5; E. HeimeshojJ, DRiZ 1975,261 (263 FN 28); B. Hülsmann, Die politische Betätigung des Richters, Diss. Bonn 1977, S. 49 ff.; Fürst/Strecker, Beamtenrecht, 1979, S. 163; R. Stober, Der Ehrenbeamte, 1981, S. 50; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. Aufl.1984, § 11 112 d, III4 g ß; B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1621); H.-J. Wipfelder, DRiZ 1984,41 (42) und 1987,117 (119); Chr. Starck, in: v.MangoldtlKlein, Das BonnerGrundgesetz,Bd. 1,3.Aufl. 1985,Art.5Abs. 1,2Rdnr. 156; W.Dütz, JuS 1985, 745 (751); P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. D 103; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 4; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, Diss. Konstanz 1987, S. 121 ff.; M. Lepa, Der Inhalt der Grundrechte, 6. Aufl. 1990, Art. 5 Rdnr. 63; Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG-Komm., 8. Aufl.1995,Art. 33 Rdnr. 35; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T Vor. § 1 Rdnr. 12; K.-H. Seifert, in: SeifertlHömig, GG, 5. Aufl. 1994, Art. 33 Rdnr. 10; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, Einl. Rdnr. 12, vor § 8 Rdnr. 2, 39 Rdnr. 17; Ph. Kunig, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 2, 3. Aufl. 1995, Art. 33 Rdnr. 57; ders., in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, Abschn. 6 Rdnr. 4. 56 G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 129 Anm. 3; F. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl. 1931, Art. 104 Anm. 1; vgl. auchR. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 49; W. Thieme, EvStL., 3. Aufl. 1987, Artikel "öffentlicher Dienst", Sp. 2269; Fürst/ Strecker, Beamtenrecht, 1979, S. 163. 57 Art. 27 Abs. 2 der Fassung des allg. Redaktionsausschusses vom 25.1.1949, Drucksache Nr. 543. Die endgültige Fassung wurde in der 4. Lesung des Hauptausschus-
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der Richter aus dem Beamtenturn hat daher in der Änderung der Formulierung des Art. 33 Abs. 5 GG ihre Entsprechung gefunden. Da der Richter auch weiterhin zum öffentlichen Dienst gehört,58 sollte Art. 33 Abs. 5 GG auf Richter grundsätzlich Anwendung finden. 59 Jedoch darf über die Anwendung des Art. 33 Abs. 5 GG die vom Grundgesetz vorgesehene Unterscheidung zwischen Beamten und Richtern mittelbar nicht wieder aufgehoben werden. Die Einbeziehung von Richtern in den Geltungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG muß dort ihre Grenze finden, wo die von den Vätern des Grundgesetzes bezweckte Verselbständigung des Richterstatus gegenüber dem Beamten beeinträchtigt wird. Deshalb ist der in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Regelungsauftrag auf die Berücksichtigung der schon lange Zeit dem Berufsrichterturn eigenen und mit dem von der Verfassung vorgegebenen Sta-tus des Richters zu vereinbarenden Grundsätzen begrenzt. 60 Vor diesem Hintergrund spezifiziert das Bundesverfassungsgericht den Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 GG für Richter: 61 "hergebrachte Grundsätze des richterlichen Amtsrechts". Die Besonderheiten des Richterverhältnisses sind danach bei der Übertragung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns immer vordringlieh zu berücksichtigen. Andererseits können verschiedene Grundsätze des Berufsbeamtenturns nicht vollkommen ausgeschlossen werden, da selbst das positive Gesetzesrecht in § 49 DRiG auf das Beamtenrecht verweist. Gegen die Einbeziehung der Richter in den Regelungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG aufgrund einer Auslegung nur anband der Entwicklung des Wortlautes
ses vom 5.5.1949 beschlossen (Wortprotokoll S. 751) und in der Schlußsitzung des Parlamentarischen Rates vom6.5.1949 (Sten.Ber. S. 181) als Art. 33 Abs. 5 GG beibehalten. Vgl. auch die Darstellung in JöR n.F. Bd. 1 (1950/51), S. 314 ff.
58 K. A. Bettermann, Der Richter als Staatsdiener, 1967, S. 12 f.; W. Thieme, EvStL., 3. Aufl. 1987, Artikel "öffentlicher Dienst", Sp. 2269; K. Köpp, in: U. Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1992, m Rdnr. 2, ordnet Richter dem öffentlichen Dienst im weiteren Sinne zu; Ph. Kunig, in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, Abschn. 6 Rdnrn. 4, 10. 59 Im Ergebnis, aber meist ohne Begründung, die in FN 55 Genannten; siehe auch ehr. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung, 1969, S. 20, die zum gleichen Ergebnis kommt mit dem Hinweis, der Richter sei auch unter dem Grundgesetz Beamter, soweit sein dienstlicher Status betroffen sei. 60 H.-J. Wipjelder, DRiZ 1984, 41 (42); J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 4; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 121; ähnlich R. Herzog, in: Maunzl Dürig, GG,Art. 98 Rdnr. 9; G. Schmidt-Räntsch,DRiG,5. Aufl.1995, Vor § 8 Rdnr. 2. 61 BVerfGE 55,372 (391 f.). Vgl. auch BVerfGE 12, 81 (88); 15, 298 (302); 22, 387 (425); 26, 141 (154); 38, 139 (151); 56, 146 (162); BVerfG, NJW 1983, 2691. 6 Klus
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wird eingewendet, auf diese Weise würde die richterliche Mäßigungspflicht des § 39 D Ri Gentgegen § 2 D RiG auch auf ehrenamtliche Richter erstreckt. 62 Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Art. 33 Abs. 5 GG bezieht sich zwar auf den gesamten öffentlichen Dienst. Entscheidend für die Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst ist aber die hauptberufliche Ausübung eines Amtes, wie sich aus der Formulierung "Berufs" -beamtenturn ergibt. 63 Ausdruck dieser hauptberuflichen Stellung sind eine angemessene Besoldung und Versorgung, die sich als wesentlicher Grundsatz des Berufsbeamtenturns entwickelt haben. 64 In Abweichung von diesen Grundsätzen üben ehrenamtliche Richter im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit ihr öffentliches Amt als nebenberufliche Tätigkeit aus, bei der sie weder einen Anspruch auf Besoldungs- noch auf Versorgungsleistungen haben. Für ihre Tätigkeit erhalten sie nur eine Entschädigung für Zeitversäumnis, Fahrkosten und sonstigen Aufwand sowie Verdienstausfall nach dem Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter. 65 Ihr Status weicht auch von dem der ehrenamtlichen Richter der Kammern für Handelssachen ab. Diese befinden sich aufgrund ihrer dauernden Tätigkeit im Spruchkörper in einem ständigen Ehrenrichterdienstverhältnis. Ehrenamtliche Richter beim Arbeitsgericht verrichten demgegenüber ihr Amt nur für die Dauer der je-
62 FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 35; H. Fangmann, ArbuR 1985, 7 (9). 63 G. Pfennig, Der Begriff des öffentlichen Dienstes und seiner Angehörigen, Diss. Berlin 1959, S. 51 f.; Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 33 Rdnr. 66; R. Stober, Der Ehrenbeamte, 1981, S. 50; Scheerbarth/HöjJken, Beamtenrecht, 6. Autl. 1992, S. 150; W. Wiese, Beamtenrecht, 3. Autl. 1988, S. 60; H. Lecheler, HdbStR, Bd. m, 1988, § 72 Rdnr. 52; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Autl. 1995, Art. 33 Rdnr. 15. So wohl auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es das BeruJsbeamtentum besonders hervorhebt, BVerfGE 10, 253 f. 64 Ständige Rechtsprechung, BVerfGE 8, 1 (16); 11,203 (212); zuletzt BVerfGE 81, 363 (375); Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 33 Rdnr. 69; G. F. Schuppert, AKGG, 2. Autl. 1989, Art. 33 Abs. 4, 5 Rdnr. 77; U. Battis, in: Achterberg/Püttner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1990, S. 906; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Autl. 1994, § 36 II 2 b, S. 302 f.; hierauf stellt Ph. Kunig, in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Autl. 1995, Abschn. 6 Rdnr. 66, zur Ausgrenzung des Ehrenbeamten ab. 65 Gesetz vom 1.10.1969 in der Fassung vom 9.12.1986 (BGBI. I, s. 2326); vgl. auch G. P. Strunk, Beamtenrecht, 3. Autl. 1986, Rdnr. 43; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 23 m6; W. Wiese, Beamtenrecht, 3. Autl. 1988, S. 60; Ostheimer/Wiegand,DerehrenamtlicheRichter,9.Autl.1995, S. 29, ausdrücklich für ehrenamtliche Richter; Ph. Kunig, in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungs recht, 10. Autl. 1995, Abschn. 6 Rdnr. 66; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 45 Rdnr. 14.
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weiligen Kammer- bzw. Senatssitzungen. 66 Im Ergebnis handeln die ehrenamtlich tätigen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit deshalb nicht berufsmäßig. Sie sind daher keine Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG.67 Durch die Mäßigungspflicht aus § 39 DRiG als Ausprägung der richterlichen Treuepflicht68 kann mithin nicht über Art. 33 Abs. 5 GG die Regelung des § 2 DRiG in Bezug auf ehrenamtliche Richter umgangen werden. Der entsprechende Einwand kann daher der Einbeziehung der Richter in den persönlichen Geltungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG nicht entgegengehalten werden. Auch der Hinweis auf die Spezialität des Art. 98 Abs. 1 und 3 GG gegenüber Art. 33 Abs. 5 GG69 kann nicht durchgreifen. Art. 98 GG enthält in seinen Absätzen 1 und 3 den Verfassungsauftrag,70 die Rechtsstellung der Bundesbzw. Landesrichter in eigenen Gesetzen zu regeln. Historischer Hintergrund dieser Bestimmung war die Umsetzung der vom Grundgesetz eingeführten scharfen Trennung zwischen Beamten und Richtern auf Seiten der für die Regelung des Richterdienstverhältnisses zuständigen Organe. Es sollte der Einfluß der Zweiten Gewalt auf die Ausgestaltung der Dritten Gewalt zugunsten der Legislative verdrängt werden, um so auch die Gewaltenteilung in der Regelungskompetenz zu realisieren. 71 Die Rechtsstellung der Richter sollte der Einflußnahme der Exekutive weitgehend entzogen werden, Regelungen erforderten nunmehr ein Parlamentsgesetz. 72 Materielle Inhalte sollten mit dieser Bestimmung nicht verbunden sein. So spricht das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit Art. 98 Abs. 1 und 3 GG von Gesetzgebungszuständigkeiten. 73 Auch der Hinweis in Art. 98 Abs. 3 Satz 2 GG
66 M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 23 III 4; OstheimerfWiegand, Der ehrenamtliche Richter, 9. Aufl. 1995, S. 29; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 44 Rdnr. 7, zumindest für ehrenamtliche Richter auf Bundesebene. 67 G. Pfennig, Der Begriff des öffentlichen Dienstes und seiner Angehörigen, Diss. Berlin 1959, S. 51; R. Stober, Der Ehrenbeamte, 1981, S. 50, 53 f. 68 Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 39 Rdnr. 1; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 2. 69 FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986,S. 42;H. Fangmann, ArbuR 1985,7 (9);R. Wassermann, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 98 Rdnr. 25. 70 BVerfGE 26, 141 (156).
71 H. Holtkotten, BK Art. 98 (Erstbearb.) Anm. 11 la; W. Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 98 Rdnr. 2; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 4/1992, Art. 98 Rdnr 3. 72 BVerfGE 26, 79 (92 ff.).
73 BVerfGE 26, 141 (156); 32, 199 (212, 214 f.); 38, 1 (LS 1, S. 8).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
auf die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes weist auf die eingeschränkte Funktion des Art. 98 Abs. 1 und 3 GG hin. Stellt diese Verfassungsnorm aber lediglich die Forderung nach einer formell-materiellen Gesetzesbestimmung und gibt sie hierfür die Kompetenz dem Bundes- bzw. Landesgesetzgeber, so kann sie nur in diesen partiellen Wirkungsbereichen die weit umfassendere Regelung des Art. 33 Abs. 5 GG aus Gründen der Spezialität verdrängen. Die weitergehenden Funktionen des Art. 33 Abs. 5 GG bleiben daher unberührt.7 4 bb) Sachlicher Regelungsgehalt des Art. 33 Abs. 5 GG Art. 33 Abs. 5 GG enthält die Strukturnorm für die Rechtsstellung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Um dieser Funktion gerecht zu werden, bedarf es einer mehrschichtigen Wirkungsweise, die in dieser Norm als unmittelbar geltendes Recht75 verortet wird. Zum einen wird Art. 33 Abs. 5 GG ein Gesetzgebungsauftrag76 entnommen, der das gesamte Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns umfaßt. Desweiteren gewährleistet diese Norm eine Reihe von hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtenturns und des Richterdienstrechts als subjektivrechtliche, grundrechtsgleiche und mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbare Individualrechte. 77 Diesen Wirkungen des Art. 33 Abs. 5 GG kommt im ge74 So auch die Rechtsprechung, wenn die materielle Grundlage für § 39 DRiG nicht in Art. 98Abs. 1 GG, sondern in Art. 33 Abs. 5 GG gesehen wird. Vgl. BVerfGE 39, 334 (336ff.); BVerfG, NJW 1983,2691;BVerwG,NJW 1982,118 ff. 75
Vgl. die Nachweise oben in FN 50.
76 G. Dürig, in: MaunzlDürig, GG, Art. 33 Rdnrn. 78 ff.; H. Lecheler, AöR Bd.
103 (1978), S. 349 (357);ders., HdbStR, Bd. I1I, 1988, § 72 Rdnr. 70; G. F. Schuppert, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 33 Abs.4, 5 Rdnr. 75; J./sensee, HdbVertR, 2. Autl. 1994, §32Rdnr.62,unterHinweisaufdiel.Autl. S. 1184 f.; Ph. Kunig, in: v.Münch/Kunig, GG-Komm.,Bd.2,3.Autl.1995,Art. 33 Rdnr. 52; BVerfGE 3, 58 (136); 43,166 f. 77 Zum Teil unter Hinweis auf die Nennung in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG: Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 33 Rdnr. 82; HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Autl. 1970, Art. 33 Anm. B 7 a; F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 282; ders., ZBR 1977,208 (210); F. Matthey, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 2., 2. Autl. 1983, Art. 33 Rdnr. 40, ablehnend jedoch Ph. Kunig, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 2, 3. Autl. 1995, Art. 33 Rdnr. 55; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Autl. 1984, § 11 III 4 g; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. C 96; Model/Müller, GG-Komm., 10. Autl. 1987, Art. 33Anm.4A;G. F.Schuppert, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 33 Abs. 4, 5 Rdnr. 68; U. Battis, in: Achterberg/Püuner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungs recht, 1990, S. 906; ders., BBG, 1980, § 2 Anm. 2 e aa; LeibholzlRincklHesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 4/1991, Art. 33 Rdnrn. 511 ff.; K.-H. Seifert, in: SeifertlHömig, GG, 5. Aufl. 1994, Art. 33 Rdnr. 13; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, § 36 II 2 a, S. 302; Schmidt-BleibtreuIKlein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art.
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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waltengeteilten Rechtsstaat eine große Bedeutung zu, jedoch sind sie für die Ausgangsfrage unerheblich. Von größerer Bedeutung ist vielmehr die dritte, bereits oben b angesprochene Funktion dieser Norm als Grundrechtseinschränkungen legitimierende Verfassungsnorm bei gundsätzlich vorbehaltlos gewährleisteten Gundrechten. Zur dogmatischen Begründung dieser Wirkungsweise kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. cc) Umfang der Grundrechtseinschränkung aufgrund des Art. 33 Abs. 5 GG So unproblematisch - abgesehen von der dogmatischen Begründung - die Frage der Grundrechtseinschränkung für Gewaltunterworfene ist, so viele Probleme ergeben sich im Hinblick auf die Reichweite der Grundrechtseinschränkungen. Dabei ist ebenso wie im allgemeinen auch im besonderen Gewaltverhältnis eine Pauschalierung des Eingriffsumfanges eher untauglich. Es bedarf vielmehr einer die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigenden Abwägung unter Beachtung des Übermaßverbotes.18 Hierfür haben der Strafgefangenenbeschluß des Bundesverfassungsgerichts und die spätere Spruchpraxis wichtige Maßstäbe gesetzt. Zum einen bedürfen alle Freiheitseingriffe eines formell-materiellen Gesetzes. Zum anderen müssen sie für die Erfüllung des Zwecks und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Sonderrechtsverhältnisses erforderlich sein. Das Erfordernis einer an Zweck und Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung orientierten Einzelfallbeurteilung richterlichen Verhaltens darf nicht zu einer nicht überschaubaren Kasuistik führen, die weder dem Interesse des betroffenen Richters oder dem Ansehen der Rechtsprechung noch dem Bestreben der Prozeßparteien dient. Es scheint daher erforderlich, die manigfachen Verhaltensweisen der Richter zu kategorisieren, um Grundaussagen über typische Lebensbereiche treffen zu können. Diese ermöglichen bereits in einer Voraussage gewisse Eigengesetzlichkeiten einzelner Lebensbereiche festzuhalten, bevor sie in einer weitgespannten Einzelfallentscheidung vernachlässigt werden oder sogar ganz untergehen. Hierbei hat sich eine Aufteilung des Lebens eines Richters in drei Bereiche als sinnvoll erwiesen. 33 Rdnr. 34; BVerfGE8, 1 (17);3,288(333);4,205(210);4,294(295); 13,356 (361); 15, 298 (302); 16, 94 (112); 43, 154 (167). Darauf weist auch die Entwicklung dieser Norm in den Diskussionen des Parlamentarischen Rates hin. Art. 33 Abs. 5 sollte in der Fassung des Antrages des Abg. Dr. Stopher-Aschojf (FDP) als Art. 20 a) in den Grundrechtskatalog aufgenommen werden - Grds.A.-Sten.Ber. (28. Sitzung vom 3.12.1948) S. 10. 78 H.-U. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl. 1982, S. 163. K. Stern, Staatsrecht, Bd. III11, 1988, § 74 III 5 b ß; J. Isensee, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 85.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
(1) Der Amtsbereich Bereits oben Teil 1 C 11 3 konnte festgestellt werden, daß der Richter in seiner Tätigkeit als Justizorgan nicht Grundrechtsträger , sondern Grundrechtsadressat ist. Im Amtsbereich wurde daher bereits eine Grundrechtsgeltung verneint, weshalb die Frage nach einer möglichen Grundrechtseinschränkung sich hier nicht mehr stellt. (2) Der Dienstbereich Anders als im Amtsbereich handelt der Richter in dienstrechtlichen Angelegenheiten nicht als Organwalter der Rechtspflege innerhalb der ihm überantworteten Spruchtätigkeit. Der Dienstbereich betrifft den Richter vielmehr in seiner persönlichen Rechtsstellung aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gegenüber seinem Dienstherrn. Dies entspricht dem "Grundverhältnis" nach der Differenzierung Ule's.1 9 Der Richter ist in diesem Bereich gegenüber seinem Dienstherrn grundsätzlich Grundrechtsberechtigter .80 Jedoch muß er im Rahmen der hergebrachten Grundsätze des Dienstrechts, insbesondere des Richterdienst rechts Einschränkungen hinnehmen, soweit sie sich aus der Z wecksetzung und der Funktionsfähigkeit des Dienstverhältnisses notwendigerweise ergeben und nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. 8i Demnach bildet heute die persönliche Rechtsstellung des Richters innerhalb der Justizverwaltung, das Dienstverhältnis, das eigentliche Anwendungsfeld der Konstruktion des besonderen Gewaltverhältnisses. (3) Der Privatbereich Von diesen beiden unmittelbar mit der Richterstellung verbundenen und von ihr beeinflußten Tätigkeitsfeldern ist der Bereich zu trennen, in dem der Richterwie jeder Nicht-Gewaltunterworfene ein Privatleben führt. Hier ist er grundsätzlich Grundrechtsträger nach den allgemeinen Regeln. Handlungen der Pri79 C. H. Ule, VVDStRLHeft 15 (1957), S. 151 ff., unterschied zwischen Grund- und Betriebsverhältnis, was der vorliegenden Trennung zwischen Dienst- und Amtsverhältnis entspricht, so K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, § 74 rn 5 b in FN 326; J. Isensee, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 82 in FN 151; vgl. auch F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 281; dens., ZBR 1977,208 (212). 80 Statt aller vgl. nurF. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 275 ff.; K. Stern, Staatsrecht,Bd. rn/I, 1988, §74 rn5 bß; J. Isensee, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 83. 8i K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, § 74 rn 5 b ß; J. Isensee, HdbVerfR, 1. Aufl. 1983, S. 1149 (1188), 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 85; F. E. Schnapp, ZBR 1977, 208 (212);ablehnendF.Rottmann,DerBeamtealsStaatsbürger, 1981, S. 229 f.; FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 33.
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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vatperson, etwa innerhalb der Familie, in einem Freundeskreis oder im Rahmen einer gesellschaftlichen Veranstaltung, sind daher nach den allgemeinen Regeln zu bewerten. 82 Wie aber bereits § 45 Abs. 1 Satz 2 BRRG und § 77 Abs. 1 Satz2BBG83 zeigen, steht das Privatleben eines Beamten bzw. Richters nicht vollkommen isoliert neben seinem Amts- und Dienstbereich. Wechsel wirkungen sind nicht zu vermeiden. 84 Die allgemeine Grundrechtsberechtigung unterliegt daher dort Einschränkungen, wo sich aus dem Privatbereich Auswirkungen auf die Zwecksetzung und Funktionsgewährleistung des Richterverhältnisses ergeben. Hierbei ist insbesondere zu beachten, daß durch privates Handeln das Vertrauen der Öffentlichkeit in die durch Art. 20, 97 GG i. V .m. § 39 DRiG und §§ 41 ff. ZPO garantierte richterliche Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Obwohl vielfältige Beziehungen zwischen Privatleben und Richterdienst bestehen, gilt für den Privatbereich dennoch die Formel: so wenig Sonderpflichten wie nötig, so viel Grundrechtsfreiheit wie möglich .85 11
11
Das Spannungsverhältnis zwischen Grundrechtsverpflichtung und Grundrechtsberechtigung des Richters liegt nicht in allen Lebenslagen auf gleichem Niveau. Deshalb sind die Auswirkungen des besonderen Gewaltverhältnisses im Einzelfall unterschiedlich zu bewerten. Diese Konstruktion ist daher nicht überflüssig geworden, sondemmodifiziert die Bindungsklausel des Art. 1 Abs. 3 GG insoweit, als bei der Frage nach dem Maß für die Zulässigkeit einer Grundrechtsbegrenzung im Dienstbereich wie auch im Privatbereich der Zweck und die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Sonderstatus zu berücksichtigen sind. 86 Dies gilt
82 F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 280; ders., ZBR 1977, 208 (211); U. Battis, in: Achterberg/Püttner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1990, S. 908; J.lsensee, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 32 Rdnr. 85. Vgl. auch BVerwGE 30,29 (32 f.); BayVerfGHE n.F. 11,56 (57 f.). 83 Nach diesen beiden Bestimmungen liegt ein Dienstvergehen vor, wenn das Verhalten eines Beamten nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. 84 Beispiele hierfür finden sich bei K. Stern, Staatsrecht, Bd. IIIIl, 1988, § 74 III 5by;J.lsensee, HdbVerfR, 2. Aufl.1994, § 32 Rdnr. 85; vgl. auch BVerfGE 52, 303 (343 ff.); 55, 207 (228 f., 236 ff.) - Nebentätigkeit; zutreffend und mit guter Argumentation auch BVerwGE 30, 29 (31 ff.) - außerdienstliche Werbung eines Polizeibeamten für die Zeugen Jehowas. 85 J. lsensee, HdbVerfR, 1. Aufl. 1983, S. 1149 (1190), 2. Aufl. 1994, § 3 Rdnr. 85; K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, § 74 m 5 b ß. 86 K. Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1984, S. 365; D. Merten, in: Festschrift für K. Carstens, 1984, Bd. 2, S. 721 (739); ders., Das besondere Gewaltverhältnis, 1985, S. 53 (70); Chr. Starck, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1,3. Aufl. 1985, Art. 1 Abs. 3 Rdnr. 188; K. Stern,
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
nicht nur bei der Ausfüllung eines grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sondern auch hinsichtlich der Grundrechte, die vorbehaltlos gewährleistet sind. 87 2. Ergebnis
Die Koalitionsfreiheit de, Berufsrichter der Arbeitsgerichtsbarkeit findet in Art. 33 Abs. 5 i. V.m. 92 ff. GG eine Grundrechtsschranke, soweit der Zweck und die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung sie erfordern.
IH. Die richterliche Unabhängigkeit als Grundrechtsschranke Aus den bisherigen Feststellungen über die Beschränkbarkeit der Koalitionsfreiheit der Berufsrichter in der Arbeitsgerichtsbarkeit aufgrund des Zwecks und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege kann jedoch noch kein konkretes Einzelergebnis abgeleitet werden. Es bedarf daher der Konkretisierung des Zwecks der Rechtsprechung und dessen, was ihre Funktionsfähigkeit im einzelnen erfordert. 1. Bedeutung von Zweck und Funktionsrahigkeit der Rechtsprechung
a) Der Zweck der Rechtsprechung Der IX. Abschnitt des Grundgesetzes trägt die Überschrift "Die Rechtsprechung". Er enthält eine Vielzahl differenzierter Bestimmungen über die allgemeine Gerichtsorganisation und die Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts aber nur eine abstrakt formulierte Regelung der funktionellen Stellung der Richter. Diese Artikel konkretisieren einerseits das in der Fundamentalnorm88 des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG angesprochene Prinzip der Gewaltenteilung,89 andererseits steht es in engem Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip .90 Staatsrecht, Bd. IIIll, 1988, § 74 III 5 f; A. Bleckmann, Staatsrecht II - Allgemeine Grundrechtslehren, 3. Aufl. 1989, § 12 V2 cdd; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnrn. 326 f.; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, § 20 II 3, S. 152 ff. 87 ehr. Starck, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1,3. Aufl. 1985, Art. 1 Abs. 3 Rdnr. 188; K. Stern, Staatsrecht, Bd. III/l, 1988, § 74 III 5 f ß ßß; wohl auch K. Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1984, S. 365; D. Merten, in: Festschrift für K. Carstens, 1984, Bd. 2, S. 721 (739); A. Bleckmann, Staatsrecht II - Allgemeine Grundrechtslehren, 3. Aufl. 1989, § 12 V 2 c dd, S. 362 f.; K. Hesse, Grundzüge des Verfas-sungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 324.
88 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rdnr. 2;A. Katz, Staatsrecht, 12. Aufl. 1994, Rdnr. 508. 89 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rdnr. 2; J. Riedei, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 217 f.; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb.
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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aa) Zweckbeschreibung aus dem Prinzip der Gewaltenteilung Die Funktion des Art. 921. HSGGimSystem der Gewaltenteilung wird häufig damit beschrieben, daß durch ihn die Rechtsprechung in ihrer historischen Entwicklung nicht nur erstmalig den beiden anderen Gewalten gleichgestellt, sondern sie in gewisser Weise über Legislative und Exekutive hinaus erhoben wird. 91 Grundlage dessen ist die Tatsache, daß das Prinzip der Funktionentrennung bei der Ausgestaltung der Rechtsprechung strenger verwirklicht worden ist, als dies bei Gesetzgebung und Verwaltung erforderlich war. Während Verwaltung und Gesetzgebung vielfach inhaltlich, organisatorisch und personell miteinander verwoben sind, weist Art. 92 GG die rechtsprechende Gewalt ausschließlich den Richtern zu. 92 Hierdurch ist die Rechtsprechung organisatorisch und personell gegenüber den beiden anderen Gewalten abgesichert und zugleich ihnen gegenüber aufgewertet. bb) Zweckbeschreibung aus dem Rechtsstaatsprinzip Die Bestimmungen über die Rechtsprechung verfolgen aber nicht nur diesen staatsinternen Organisationszweck. Die Rechtsprechung ist zudem auch notwendiger Bestandteil des Rechtsstaates, der aufgrund seines staatlichen Gewaltmonopols, der bürgerlichen Friedenspflicht und dem Selbsthilfeverbot die Verpflichtung übernommen hat, für eine staatliche Schlichtung bestehender Streitigkeiten Sorge zu tragen. 93 Diese Justizgewährleistungspflicht wird ihrer Bedeutung ent1981) Rdnrn. 51 ff.; W. Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Autl. 1983, Art. 92 Rdnr. 3; R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 92 Rdnr. 26; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Autl. 1995, Vorb. v. Art. 92 Rdnr.l;Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Autl. Stand 4/1992, Art. 92 Rdnr. 16. 90 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 56 ff.; W. Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Autl. 1983, Art. 97 Rdnr. 2; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. Autl. 1984, § 20 IV 5; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 66; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 7; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 22 13; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645); W. Heyde, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 33 Rdnrn. 1,73 ff. 91 K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 I 1; N. Achterberg , BK, Art. 92 (Zweitbearb.1981)Rdnr.46; W.Heyde, HdbVerfR,2.Autl.1994,§33Rdnr.1; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Autl. 1995, Art. 92 Rdnr. 1. 92 K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. Autl. 1984, § 20 IV 5 c, Bd. 11, 1980, § 43 14; K. A. Bettermann, HdbStR, Bd. III, 1988, § 73 Rdnrn. 2 ff., insbes. 4; A. Katz, Staatsrecht, 12. Autl. 1994, Rdnr. 508; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundes republik Deutschland, 19. Autl. 1993, Rdnr. 552. 93 D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 12; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art.l9 IV Rdnr. 16; ders., HdbStR, Bd. 1,1987, § 24 Rdnr. 71; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 14; A. Katz, Staatsrecht,
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
sprechend als Schlußstein im Gewölbe des Rechtsstaates 94 oder als dessen Urgestein95 bezeichnet. 96 Thr steht auf Seiten des Bürgers ein entsprechender Anspruch gegenüber, 97 der partiell für Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Freiheitssphäre des Bürgers in Art 19 Abs. 4 GG geregelt ist. Für zivilrechtliche Streitigkeiten hingegen wird er unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet. 98
b) Funktionserjordemisse der Rechtsprechung aa) Der Begriff der Rechtsprechung Zur Erfüllung dieser Zwecke werden an die Rechtsprechung funktionelle Erfordernisse gestellt, die vom Verständnis der Rechtsprechung bestimmt werden. Nach dem zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung vertretenen sogenannten for12. Aufl.1994, Rdnr. 508; W. Krebs, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992,Art.19Rdnr.50;E. G.Mahrenholz, NJ 1992,1; BVerfGE 74,257 (261 f.); für eine funktionstüchtige Strafrechtspflege vgl. BVerfGE 46, 214 (222); 54, 277 (292).
94 R. Thoma, Recht Staat Wirtschaft, Bd. 3, 1951, S. 9; E. Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig,GG,Art.19IVRdnr.16;R. Wassermann,AK-GG, 2. Aufl. 1989,Art.19 Abs.4Rdnr. 7; W. Krebs, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 19 Rdnr. 47; im Ergebnis auch W.-R. Schenke, BK, Art. 19 Abs. 4 (Zweitbearb. 1982) Rdnr.24. 95 R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 20 VII Rdnr. 40; G. J. Ebers, in: FestschriftfürW.Laforet,1952,S.269(271),bezeichneteArt. 19 Abs. 4 GG als "Krönung des Rechtsstaates". 96 Das Rechtsstaatsprinzip wurde ausdrücklich nur für die verfassungsmäßige Ordnung der Länder in Art. 28 Abs. 1 GG festgelegt. Jedoch wird es für den Bund aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet, vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 3/1990, Art. 20 Rdnrn. 626 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 10 11 3, 4 (S. 779 f.); Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 20 Rdnr. 9; BVerfGE35, 41 (47); 39,128 (143); 48,210 (221); 50,42 (47); 51, 356 (362); 56, 110 (128); 58, 81 (97).
97 K. A. Bettermann, HGrR, Bd. ill/2,1959, S. 523 (559); M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 27 11 c; E. Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, GG, Art. 19 IV Rdnr. 16. 98 K. A. Bettermann,HGrR,Bd.ill/2, 1959, S. 523 (559); D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 12, unentschlossen aber S. 255 FN 46; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11,1980, § 43 ill 2 b ß; W.-R. Schenke, BK, Art. 19 (Zweitbearb. 1982) Rdnr. 77; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 27 1 I;E. Schmidt-Aßmann,HdbStR, Bd. 1,1987, § 24 Rdnr. 71; ders., in: MaunzlDürig, GG, Art. 19 Rdnr.16;R. Wassermann, AK-GG, 2. Aufl.1989, Art. 19 Rdnr. 19; W. Krebs, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 19 Rdnr. 50; BVerfGE 54,277 (291).
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meIlen Rechtsprechungsbegriff war jede einem Richter zugewiesene Tätigkeit aus sich heraus als Rechtsprechung zu verstehen. 99 Nach diesem Verständnis handelt es sich daher bei den Art. 92 ff. GG nur um einen Gesetzesvorbehalt für richterliche Aufgaben, womit allein die Sorgfalt des Verfassunggebers bei der Ausgestaltung der Regelungen über die rechtsprechende Gewalt nicht zu erklären wäre. Deshalb wird heute der Inhalt der Rechtsprechung in einem materiellen Verständnis umschrieben als autoritative, verbindliche Festlegung bestrittenen, gefährdeten oder verletzten Rechts, in einem geordneten Verfahren durch eine selbständige, unabhängige, neutrale Instanz, die allein nach Gesetz und Recht entscheidet. 100 Durch diese materielle Bestimmung des Begriffs der Rechtsprechung wird heute ein "Mehr" an verfassungsrechtlichen Garantien mit diesem Begriffverbunden. Hierzu gehören insbesondere verfassungsrechtliche Verfahrensgarantiensowie Anforderungen an das Rechtsprechungsorgan. bb) Folgen aus dem materiellen Verständnis der Rechtsprechung (1) Folgen hinsichtlich des Verfahrens
Die erstrebte Befriedungsfunktion für die Prozeßparteien ist nicht nur als Ziel gewährleistet. Es besteht auch eine Vielzahl von verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien, die dem rechtsuchenden Bürger bei der Verfolgung seiner Rechte zur Seite stehen. Hierzu gehören neben den im Grundgesetz selbst gewährleisteten Prozeßgrundrechten, wie beispielsweise das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie die in Art. 19 Abs. 4 GG verhaftete Garantie eines effektiven Rechtsschutzes, lO1 auch ungeschriebene, sich unmittelbar aus dem
99 Zu dessen Ablehnung sieheK. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 1 ff. 100 E. Friesenhahn, in: Festschrift für R. Thoma, 1950, S. 21 (27 ff.); U. Scheuner, DVBI. 1952,293 (296); K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 1, 7; HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl. 1970, Art. 92Anm. B 1 b; G. Schmidt-Räntsch,DRiG, 5. Aufl. 1995, § 1 Rdnr. 4; Chr. Degenhart, HdbStR,Bd.m, 1988,§76Rdnr.l;H.Arndt,in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 1 Rdnr. 3; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (642); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1991,2377 (2378); A. Katz, Staatsrecht, 12. Aufl. 1994, Rdnr. 511; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 548; vgl. auch K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11,1980, §43 14 a. Abweichend Chr. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 40 ff. , der die Streitentscheidung aus dem Begriff herausnimmt. lOl Hierzu zählt auch der Rechtsschutz binnen einer angemessenen Zeit: M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 27 12; K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, §69V5a; H.-J. Papier, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 152 Rdnr. 16, § 154 Rdnr. 77; W.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Rechtsstaatsprinzip ergebende Verfahrensgarantien. Hierzu zählen die Prinzipien der Faimeß des Verfahrens, 102 der Waffengieichheit 103 und des Willkürverbots. Darüber hinaus entfalten auch einige Grundrechte unmittelbar verfahrensrechtliche Wirkung. 104 Mit Hilfe dieser Verfahrensrechte sollen die grundgesetzlichen Anforderungen an einen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden Prozeßverlauf erfüllt werden. Diese aufVerfassungsebene vorgesehenen Garantien und ihre Einzelausprägungen sind in einfachgesetzlichen Bestimmungen wiederholt und konkretisiert worden. Hierzu gehören insbesondere die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsrechts aber auch die der Prozeßordnungen für die verschiedenen Verfahrenszweige. Letztere werden zu einem späteren Zeitpunkt Gegenstand der Untersuchung sein.
Heyde,HdbVertR,2.Aufl.1994,§33Rdnrn.49ff.;O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, Ein!. Rdnr. 172; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 7/1994, Art. 20 Rdnr. 1201; BVerfGE 35, 263 (274); 35, 382 (401); 37, 150 (153); 40, 272 (275); 46, 166(178);51,268(284);53,115(127);54,277(291);84,366 (369); 85, 337 (345); 88, 118 (123). 102 J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 213; W. Peukert, EuGRZ 1980, 247;R. Bernhard, Richteramtund Kommunalmandat, 1983, S. 70 in FN 248; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. H 33; o. R. Kissel, DRiZ 1987, 301 (308); ders., GVG, 2. Aufl. 1992, Ein!. Rdnr. 169; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 29 II; ehr. Degenhart, HdbStR, Bd. m, 1988, § 76 Rdnrn. 28 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, § 75 II 4 f y; H. Hill, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 156 Rdnrn. 156 f.; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 10/1990, Art. 20 Rdnrn. 1231 ff., 1361 ff.; Ph. Kunig, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. I, 4. Aufl. 1992, Art. 2 Rdnr. 29, Stichw. "Verfahren, faires"; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, § 40 11 3; W. Heyde, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, Rdnrn. 61 ff.; E. Benda, ebda, § 17 Rdnr. 46; Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 106; BVerfGE 26,66 (71); 38, 105 (111); 40, 95 (99); 46, 202 (210); 46, 325 (334); 49, 220 (225); 51,150 (156); 52, 203 (206); 54,100 (116); 57, 250 (275); 59, 128 (164); 62, 216 (222); 63, 380 (390); 64, 135 (145); 65, 171 (174 f.); 66, 313 (318); 67, 329 (339); 68, 237 (255); 69,381 (385); 78, 123 (126); 83, 182 (194); 86, 288 (317 f.); 89,120 (129); BGHSt 24,125 (131); 29,105 (111). 103 M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 29 I; ehr. Degenhart, HdbStR, Bd. m, 1988, § 76 Rdnr. 5; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, § 40 11 3; BVerfGE 38, 105 (111); 52, 131 (156); 55, 72 (94); 63, 45 (61); 65, 171 (174 f.); 69, 126 (140); 74, 78 (94); 78, 104 (117 f.); 81, 347 (356 f.). 104 K. Stern, Staatsrecht, Bd. mll, 1988, § 69 V; ehr. Degenhart, HdbStR, Bd. m, 1988, § 76 Rdnrn. 10 f.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl.1993, Rdnr. 359; ders., HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 5 Rdnrn. 42 ff.; E. Benda, ebda, § 17 Rdnr. 48; W. Heyde, ebda, § 33 Rdnrn. 53; vgl. BVerfGE 53,69 (71 ff.); siehe auch BVerfGE 24,367 (401); 35, 348 (361); 37, 132 (141,148); 45, 297 (322f.); 46, 325 (334); 49, 220 (225); 51, 150 (156); 57, 250 (275); 64, 135 (145); 74, 358 (371); 80, 367 (378); 84, 82 (87).
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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(2) Folgen hinsichtlich der Person des Richters Das materielle Verständnis der Rechtsprechung fordert neben diesen geschriebenen und ungeschriebenen Verfahrensgarantien für die Streitentscheidung eine unabhängige und neutrale Instanz, die nur in Bindung an Gesetz und Recht den Einzelfall beurteilt. Mit diesem Hinweis ist zunächst Art. 92 GG, nach dem "die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut" ist, angesprochen. In der Eingangsregel ung des IX. Abschnitts haben die Verfassungsväter die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsprechung für den gewaltengeteilten Rechtsstaat durch die pathetische 105 Formulierung" anvertraut" betont. Trotzdem zählen zu "den Richtern" zunächst nicht der jeweilige Amtsträger der einzelnen Abteilung bzw. nicht die jeweiligen Mitglieder der Kammern oder Senate, 106 sondern die Gerichte, d.h. die jeweiligen Spruchkörper mit ihren Berufs-, und soweit vorgesehen, ehrenamtlichen Richtern. Der Spruchkörper ist daher das Organ der Rechtspflege, der Richter als Person hingegen "nur" Amts- oder Organwalter. 107 Dennoch wird durch die Formulierung des Art. 92 GG eine zweifache Verbindung auch zu den Richterpersönlichkeiten hergestellt. Einerseits legt diese Vorschrift die Rechtsprechung gerade nicht in die Hände der Gerichte, sondern in die der Richter, wodurch das persönliche Element in der Streitentscheidung durch die Person "Richter" betont wird. Andererseits zeigt der Gebrauch des Wortes "anvertraut" über seinen feierlichen Charakter hinaus das besondere Vertrauen der Verfassungsväter gegenüber dem neuen, vom Typus des Beamtenrichters vorangegangener Zeiten zu unterscheidenden Richter. 108 Das materielle Verständnis der staatlichen Aufgabe Rechtsprechung stellt daher bestimmte Anforderungen an die status rechtliche und funktionsrechtliche Stellung des Rich105 N.
Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 262.
106 So aber W. Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Autl. 1983, Art. 92 Rdnr. 5 - verfassungsunmittelbares Organ; R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 92 Rdnr. 36; H. Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 1 Rdnr. 6; A. Katz, Staatsrecht, 12. Autl. 1994, Rdnr. 514. 107 Chr.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, passim, vgl. S. 48 f.; K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, passim; R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 92 Rdnr. 75; N. Achterberg, BK,Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnrn. 265 ff.; R. Brandis, Der Richter als Mitglied einer Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 13 ff.; G. Barbey, HdbStR, Bd.m, 1988, §74Rdnrn.15,20;K.Lerch, DRiZ 1993,225(226); W.Heyde,HdbVerfR, 2. Autl. 1994,§33Rdnr.16;vgl.auchBVerfGE4, 331 (346); vgl. auch die Formulierungen in § 1 GVG, § 1 VwGO, § 1 FGOund § 1 SGG, wonach die Rechtsprechung denunabhängigen Gerichten übertragen ist. A.A. W. Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Autl. 1983, Art. 92 Rdnr. 5; BVerfG, NJW 1989, 93.
108 K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 I 4; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb.1981)Rdnr. 262;R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl.1989,Art. 92 Rdnr. 33.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
ters. Die Begriffe "Rechtsprechung" und "Richter" sind deshalb ebenso wie ihre jeweiligen Inhalte unverbrüchlich miteinander verbunden. 109 Dies hat für die weitere Untersuchung der Ausgangsfrage zur Folge, daß die Beurteilung der Möglichkeit einer Gefährdung von Zweck und Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung im Wesentlichen aus den Anforderungen der Verfassung an die persönlichen und sachlichen Qualifikationen des Richters zu beantworten ist. Damit könnte die Koalitionsfreiheit des Richters eingeschränkt werden, wenn sein Verhalten den Anforderungen des grundgesetzlichen Richterbildes nicht entspricht. 2. Das Richterbild des Grundgesetzes
Das Grundgesetz enthält keine abschließende Bestimmung über die status- und funktionsrechtliche Stellung des Richters. Vielmehr ist sein Richterbild von verschiedene" Einzelregelungen und allgemeine" Grundsätze" gezeichnet . Es wird häufig identifiziert mit der Vorstellung von der" Unabhängigkeit" . So findet sich der Begriff "unabhängig" aufverfassungsrechtlicherEbeneinArt. 97 GG und allen Parallelvorschriften der Länderverfassungen. 110 Zusätzlich wiederholen § 25 DRiG, bezogen auf die Person des Richters, sowiediemeistenProzeßordnungen,l11 bezogen auf die Gerichte, die Unabhängigkeitsgarantie. 112 Ebenso vielfältig wie die gesetzlichen Ansatzpunkte sind die Qualifikationen durch die Literatur: mit Verfassungsrang ausgestattete "ungeschriebene Verfahrensmaxime sämtlicher Gerichts- und Verfahrensregelungen " , 113 "Schlußstein im Gebäu-
109 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 26;D. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 9; K. Stern, Staatsrecht, Bd. n, 1980, §431l1; W. Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm.,Bd. 3, 2. Autl.1983, Art. 92 Rdnr. 5; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, S. 152 ff.; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 33 Rdnrn. 16, 73. 110 Bezogenauf"Richter": Art. 65 Abs. 2 Verf. Bad.-Württ.; Art. 85 Verf.Bay.; Art. 108 Abs.I Verf.Brand.;Art.126Abs. 3 Verf.Hess.; Art. 76 Abs. I Verf.MV;Art.51 Abs. 4 Verf. Nds.; Art. 3 Abs. 3 Verf.NW; Art. 121 Verf. Rhl.-Pf.; Art. 113 Verf.Saarl.; Art. 83 Abs. 2 Verf. Sachs.-Anh.; Art. 86 Abs. 2 Verf.Thür.; bezogen auf "Gerichte": Art. 63 Verf.Berl.; Art. 135 Abs. 1 Verf.Brem.; Art. 62 Satz I Verf.Hamb.; Art. 77 Verf.Sachs.; Art. 36 Abs. I Verf.Schl.-Ho. 111 Vgl. die Formulierungen in § 1 GVG, § 1 VwGO, § 1 FGO, § 1 SGG. 112 Die Unterscheidung in der Beziehung der Unabhängigkeit auf Gerichte in § I GVG und den Prozeßordnungen einerseits sowie Art. 97 GG und § 25 DRiG auf Richter andererseits enthält sachlich keine Bedeutung - GernerlDecker/Kauffmann, DRiG, 1963, § 25 Rdnr. 1; Müht/Arndt, GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 25 Rdnr. 1; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 49 f.; O. R. Kisset, GVG, 2. Autl. 1994, § I Rdnr. 4; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 25 Rdnr. 2. 113 P. Giltes, DRiZ 1983,41 (44). Auch § 9 RechtspflegerG bietet eine Weisungsfreiheit für den Rechtspfleger , die aber nicht so weit geht wie die richterliche Unabhängigkeit.
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de des konstitutionell-demokratischen Rechtsstaat(es)" ,114 Vervollkommnung des Systems der Gewaltenteilung, 115 demokratische Legitimation des staatlichen Autoritäts- und Machtanspruchs. 116 Die Unabhängigkeit sei insgesamt dem Richterbegriff immanent und als Wesens merkmal den Funktionen des Richters und des Gerichts vorausgesetzt. 117 Bei dieser Vielzahl von Umschreibungen und Charakterisierungen stellt sich jedoch die Frage, ob sie mit dem Begriff der richterlichen Unabhängigkeit jeweils den selben Inhalt verbinden. Deshalb führen sie die Diskussion um die funktionsrechtliche Stellung des Richters nicht weiter. Um diese inhaltlich zu konkretisieren, bedarf es daher eines Rückgriffs auf das Richterbild des Grundgesetzes und seiner historischen Vorgaben, sowie auf seine Aufgabe bei der Anwendung der Gesetze. Erst wenn daraufhin die Position des Richters bestimmt worden ist, sollte eine begifflich konkretere Umschreibung versucht werden.
a) Geschichte der richterlichen Unabhängigkeit Die Art. 92 ff. GG geben heute das tradierte Bild eines rechtsgelehrten, rechtswissenschaftlich besonders ausgebildeten und vorgebildeten Berufsrichters 118 wieder, dessen unmittelbare Vorläufer in das 18. Jahrhundert zurückrei114 K. Loewenstein, Verfassungslehre, 2. Aufl. 1969, S. 232; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 86; vgl. auch R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 9. Aufl. 1985, S. 286; K. Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1984, S. 236 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 20 N 5 b; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 66; E. Schumann, EvStL., 3. Aufl 1987, Artikel "Richter, Richteramt", Sp. 3010 (3013); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1991,2377 (2378);0. R.Kissel,GVG,2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 1; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 25 Vorbem.
115 K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 11 4 b ß, S. 909; W. Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 92 Rdnr. 3; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 66; R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 97 Rdnr. 2; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 52, der jedoch statt des ihm zu wenig präzisen Begriff "Gewaltenteilung" den der "Funktionenordnung" verwendet. Hierzu vgl. dens., Funktionenlehre, 1970. 116 Battis/Gusy, Einführung in das Staatsrecht, 3. Aufl. 1991, Rdnr. 291; R. Wassermann, in: Festschrift für M. Hirsch, 1987, S. 465 (467); ders., DRiZ 1987, 144 (145); ders., AK-ZPO, 1987, Vor. § 41 Rdnr. 1; H.-J. Wipfelder, DRiZ 1987, 117 (126); ehr. Berglar, ZRP 1984, 4 (7). 117 N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 274 m.w.Nachw.; BVerfGE 3,377 (381); 4, 331 (346); 21,139 (145 f.); 27, 312 (322).
118 R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 92 Rdnrn. 77, 80, 84 ff.; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnrn. 278 f.; D. Lorenz, Der Rechtsschutz
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
chen. Jedoch darf nicht übersehen werden, daß der Gedanke der Unabhängigkeit der Richter schon wesentlich früher bekannt war. Zur Bestimmung der Traditionen ist es daher hilfreich, die Entwicklung der Stellung der Richter in den verschiedenen Epochen nachzuzeichnen. aa) Vom germanischen Volksgericht zum unabhängigen Beamtenrichter Im germanischen Gerichtsverfahren wurde die Rechtsprechung durch Volksgerichte als Laienkollegien ausgeübt. Unter dem Vorsitz des Königs urteilten alle wehrfähigen Männer (die Urteiler) einer Siedlung über Rechtsstreitigkeiten. N ach der Erörterung der Sachfragen kam ein Entscheidungsvorschlag aus der Reihe der Urteiler, über den nur diese unter Ausschluß des Königs nach dem Mehrheitsprinzip entschieden. Bei dieser Form der Rechtsfindung war der männliche Teil des Volkes Rechtsprechungsorgan und keiner Weisung unterworfen. Die hier tätigen Urteiler waren unabhängig. 119 Im Laufe der Zeit traten zwei Änderungen dieses Verfahrens ein. Der König setzte für die einzelnen Gaue Grafen (Richter) ein, die die Leitung des Verfahrens übernahmen. Daneben trat an die Stelle der Volksversammlung eine kleinere Gemeinschaft von ausgesuchten Männern des Gebietes. Diese Personen wurden seit Karl dem Großen" scabini" (Schöffen) genannt. Sie wurden auf Lebenszeit bestellt und erhielten den Status eines Beamten. Bei ihrer Entscheidung waren sie aufgrund ihres Eides verpflichtet, nur nach bestem Wissen zu urteilen. Auch sie waren daher sachlich unabhängig. 120 Auch der Sachsenspiegel, in dem das sächsiche Landesrecht zwischen 1220 und 1235 zusammengefaßt worden ist, enthält die Regel, daß der Richter als Leiter des Gerichtsverfahrens sich jeder Einflußnahme auf die Urteiler (Schöffen), die die Sachentscheidung zu treffen hatten, enthalten solle. 121 Mit der Erstarkung der Landesfürsten und dem damit verbundenen Machtverlust des Königs bahnte sich seit Mitte des 13. Jahrhunderts die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland an. Dies zeigte für das Gerichtsverfahren und die Unabhängigkeit der Urteiler (Schöffen) insoweit Auswirkungen, als daß die des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 220; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 11 2 a; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 33 Rdnr. 74; vgl. auch BayVerfGH, BayVBI. 1978, 435 ff.
119 E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 1 f.; A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 46; W. Schaffer, BayVBI. 1991, 641 (643); O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnr. 13. 120 E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 5 f.; A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 46. 121 Vgl. E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 9.
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Trennung zwischen ihnen und den Richtern, die bisher nur Verhandlungsführer waren, immer weiter aufgehoben wurde und das Volk seine Funktion in den Richterbänl(en verlor.1 22 Seit dem 15. Jahrhundert traten an die Stelle der Laien daher rechtsgelehrte Richter, die zunächst noch mit den Laien zusammen urteilten, später die Laien aber ganz verdrängten. Seine Ursache fand diese Entwicklung in zwei Umständen: Das rezipierte Recht und die immer komplizierter werdenden Rechtsfragen verlangten von den Rechtsprechungsorganen immer weitergehende Rechtskenntnisse, was die Laien überforderte; andererseits verloren die Rechtsuchenden das Vertrauen zu den ungeschultenRichtern. 123 DieseEntwicklung war mit dem beginnenden 17. Jahrhundert abgeschlossen. 124 Ab diesem Zeitpunkt waren RichtersteIlen fast ausschließlich mit Beamtenrichtern besetzt. Als Beispiel kann hier das am 31.10 .1495 von Kaiser Maximilian I. eingesetzte Reichskammergericht dienen. Es war bei seiner Gründung mit 17 Richtern besetzt, die ab 1521 alle den juristischen Doktorgrad besitzen mußten. 125 Die Richter des Reichskammergerichts besaßen bedingt durch die Machtverteilung zwischen Kaiser und den Reichsständen eine gewisse Unabhängigkeit, da der Reichstag, später das Gericht selbst, die Beisitzer wählte und nur eine Kommission aus Beauftragten der Reichsstände einen Richter abberufen konnte. 126 Der Kaiser hatte lediglich die Befugnis, den Präsidenten des Gerichts zu berufen. Da dieser aber an den Entscheidungen des Gerichts nicht mitwirkte, war diese Kompetenz nur von geringer Bedeutung. 127 Dieses Verfahren gewährte" alle nur möglichen Garantien für eine sachliche Entscheidung" und verwirklichte weitgehend die Unabhängigkeit der Richter. 128 Die Reichskammergerichtsordnung in der Fassung von 1555 begründete neben der sachlichen auch eine begrenzte per-
122 E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 21 ff.; A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 52; W. Schaffer, BayVBI. 1991, 641 (643); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 13. 123 E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 21 ff.; A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 52; o. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 13. 124 E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 22. 125 Kammergerichtsordnung von 1521, Titel 1. Vgl. auch A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 53 ff.;E. Kern, Die Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 26 ff. 126 Vgl. hierzu auch 1. Teil, Titel VI § 2: Der Richter ist in seinem rechtlichen Erkennen durch keine andere Pflicht gebunden. 127 Vgl. hierzuR. Smend, Das Reichskammergericht, 1911, S. 25 ff., 265 ff.; A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 54; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 13.
128 R. Smend, Das Reichskammergericht, 1911, S. 310; im Ergebnis ebenso E. Kern, Die Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 28; A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 54; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (643). 7 Klaas
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sönliche Unabhängigkeit, indem sie die Abberufung eines Mitgliedes des Kammergerichts von einer Anhörung des Gerichts abhängig machte. 129 Diese Verselbständigung des Reichskammergerichts widerstrebte aber den Interessen der Mächtigen. Der Kaiser errichtete den Reichshofrat als Parallelgericht mit gleichen Zuständigkeiten und vernachlässigte daneben die materielle und personelle Versorgung des Reichskammergerichts . Auch das Verfahren des Kammergerichts war nicht geeignet, die ihm zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Auch mangelte es an einer effektiven Vollstreckung der Urteile, da diese den Einzelstaaten übertragen war, die jedoch die Vollstreckung boykottierten. l3O bb) Die richterliche Unabhängigkeit im absoluten Staat Das hochgesteckte Ziel einer unabhängigen Rechtsprechung konnte aufgrund des Konkurrenzkampfes zwischen dem schwächer werdenden König und den erstarkenden Fürsten nicht erreicht werden. Die neue Machtverteilung zwischen Reich und Territorialstaaten mündete im absolutistischen Staatsverständnis der Landesherren, die auf sich alle Staatsgewalt vereinigten und die höchste richterliche Gewalt für sich in Anspruch nahmen. Sie verbeamteten alle Richter, die daraufhin ihren Landesherren unbedingten Gehorsam schuldeten, weisungsgebunden waren aber auch jederzeit entlassen werden konnten. 131 Mit der Verdrängung der Schöffen war im absoluten Staat auch die Unabhängigkeit der Richter verloren gegangen. 132 Mit dieser Zeit ist untrennbar der Begriff der Kabinettsjustiz verbunden, deren Auswirkungen auch noch zur Zeit der Aufklärung vorherrschten und deren bekanntestes Beispiel der Prozeß des Müller Arnold war: 133 Der Müller Arnold hatte nach dem Unterliegen in zweiter Instanz beim Kammergericht Berlin statt das Obertribunal König Friedrich den Großen um eine abschließende Entscheidung ersucht. Dieser sah den Müller Arnold im Recht 129 Kammergerichtsordnung I .Teil Titel V;A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 54; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 13. 130 E. Kern, Die Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 31; A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 54 f. 131 A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 55; D. Simon, Unabhängigkeit, 1975, S. 2; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 28; E. Schwandt, DRiZ 1969, 240; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (643); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 13. 132 A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 56 f.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 11 4 a; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § I Rdnr. 13. 133 A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 58f.; ehr. Strecker, ZRP 1984, 122 (124); E. Schwandt, DRiZ 1969, 240; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 60; H. Sendler, JuS 1986, 759 ff.; zuletzt O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 14.
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und ließ die Richter des Kammergerichts verhaften. Die Strafrichter des Kammergerichts wies er an, ihre zivilrechtlichen Kollegen zu verurteilen. Als das die Strafkammer ablehnte, verurteilte Friedrich der Große die Zivilrichter am 1.1.1780 selbst zu einem Jahr Festungsarrest und Schadensersatz an Arnold. Die Richter verbüßten ihre Strafe und wurden erst nach dem Tode Friedrichs des Großen durch Friedrich Wilhelm 11. rehabilitiert. Dieser Eingriff Friedrichs des Großen in die Rechtsprechungstätigkeit des Kammergerichts war umso erstaunlicher, als er fast 30 Jahre vorher in seinem ersten politischen Testament von 1752 schrieb, daß er "niemals in den Lauf des gerichtlichen Verfahrens eingreifen (werde); denn in den Gerichtshöfen sollen die Gesetze sprechen und der Souverän schweigen" .134 Er hielt es jedoch weiterhin für seine Pflicht, eine strenge Kontrolle über die Gerichte auszuüben und gegen nach seiner Meinung pflichtsäumige Richter einzuschreiten. cc) Die Auswirkungen der Aufklärung Die Machtsprüche der absoluten Herrscher reduzierten sich während der Regierung Friedrichs des Großen aber bereits auf ein Minimum. Hier zeigte sich der Einfluß der Ende des 17. Jahrhunderts beginnenden Zeit der Aufklärung. Zwar waren die richterlichen Beamten immer noch an Weisungen des Landesherm gebunden. Auch konnte dieser Entscheidungen an sich ziehen und Urteile per Machtspruch nachträglich abändern. Jedoch empfand man Machtsprüche immer mehr als anstößig, weshalb sich die Landesherren eine weitgehende Selbstbeschränkung auferlegten. 135 Grundlage der Staatstheorie der Aufklärung war die auf der Vorarbeit von John Locke (1632-1704) 136 beruhende Gewaltenteilungslehre Charles (Louis de Secondat Baron de la BrMe et) de Montesquieus (1689-1755), die er in seinem Werk liDe l'esprit des lois" erstmals 1748 veröffentlichte. 137 Montesquieu bezeichnete darin die richterliche Gewalt als "en quelque fa~on nulle", als in gewisser Weise nicht vorhanden. 138 Er löste sich auch von der Vorstellung stän134 Zitiert nach E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 47; siehe auch E. Schwandt, DRiZ 1969,240 (241); W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (644).
135 O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 14. 136 Twotreaties ofgovernment, Buch XI, Bd. 2, S. 7 - 28. Zu den Vordenkern Montesquieus siehe K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 36 14 d, bes. in FN 18. 137 Vgl. hierzu die Übersetzung von E. ForsthojJ, Montesquieu - Vom Geist der Gesetze, 1950.
138 So die Übersetzung von E. ForsthojJ, Montesquieu - Vom Geist der Gesetze, 1950, Bd. I, S. 220. K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980 § 43 I I in FN 2, deutet diese Formulierung dahingehend, daß die Rechtsprechung als Machtfaktor nicht vorhanden war.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
diger Gerichte. 139 Hiermit war das dogmatische Fundament für die Unabhängigkeit gelegt. 140 dd) Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts Unter dem Einfluß der Aufklärung entstand der politische Liberalismus zu Ende des 18. Jahrhunderts als Kampf gegen den absoluten Staat und dessen Machtmittel Kabinettsjustiz und Polizei. Das aufstrebende Bürgertum als Stütze des politischen Liberalismus sah daher in einer richterlichen Unabhängigkeit einen wesentlichen Schutz der neu erworbenen Freiheiten des einzelnen. 141 Der bisher absolut herrschende Monarch sollte sich auf die Mitwirkung an der Gesetzgebung und auf die Vollziehung beschränken; von der Rechtsprechung sollte er sich fernhalten. Kabinettsjustiz und Machtsprüche sollten in jeglicher Form ebenso unzulässig sein wie Weisungen an die Gerichte. Der Richter sollte lediglich dem Gesetz unterworfen sein. Damit war die Forderung nach einer sachlich unabhängigen Rechtsprechung erhoben. 142 Diese Forderung wurde erstmals in § 3 Abs. I des 8. Titels der baierischen Verfassung vom 26.5.1818,143 in § 14 der badischen Verfassung vom 22.8.1818 144 und in §§ 92, 93 der würtembergischen Verfassung vom 25 .9. 1819 145 umgesetzt. Art. 85 der oktroyierten Verfassung vom 5 .12. 1848 bestimmte: "Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch unabhängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfenen Gerichte ausgeübt". Die Paulskirchenverfassung vom 29.3.1849,146 die wesentlich von liberal gesonnenen Richtern be139 VgI.E. Forsthoff, Montesquieu - Vom Geist der Gesetze, 1950, Bd. I, S. 217; E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 49; R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 11 f.; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § I Rdnr. 15. 140 R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 11; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 15. 141 E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 56; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (643); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 16. 142 E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 57 f. 143 Verfassungsurkunde rur das Königreich Baiem vom 26.5.1818 (Baierisches Gesetzblatt 1818, S. 101 ff.)-zitiertnachE. R. Huber, Dokumente, Bd. 1,3. Aufl. 1978, S. 155 ff. 144 Staats-und Regierungsblatt 1818, S. 101 (174) - zitiert nach E. R. Huber, Dokumente, Bd. 1,3. Aufl. 1978, S. 172 (173). 145 Staats- und Regierungsblatt 1819, S. 634 ff. - E. R. Huber, Dokumente, Bd. 1, 3. Aufl. 1978, S. 187 (198). 146 RGBI. 1849, S. 101 ff. - zitiert nach E. R. Huber, Dokumente, Bd. 1, 3. Aufl. 1978, S. 373 ff.
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einflußt war, garantierte die richterliche Unabhängigkeit sogar in ihrem Grundrechtskatalog - §§ 175 Abs. 1, 181, 182. Den Abschluß dieser Zeit bildeten die §§ 86, 87 der Preußischen Verfassung vom 31.1.1850,147 die den Wortlaut der Art. 85 der Verfassung vom 5.12.1848 übernahm. Demgegenüber wurde die persönliche Unabhängigkeit der Richter stiefmütterlichbehandelt. Zwar regelte bereits Titel VIII. § 3 2. HSderbaierischen Verfassung vom 26. 5. 1818, daß Richter nur aufgrund eines Richterspruchs entlassen oderentsetztwerden konnten, jedoch kam die persönliche Unabhängigkeit erst Mitte des 19. Jahrhunderts zu allgemeine Anerkennung. Die oktroyierte Verfassungvom5.12.1848gewährleistetesieinArt. 86, ebenso wie die Paulskirchenverfassung in § 177 . Die preußische Verfassung vom 31.1.1850 wiederholte dann in Art. 87 die Formulierung des Art. 86 der Verfassung vom 5.12.1848. Seit dieser Zeit gehörten sowohl die sachliche als auch, zumindest eingeschränkt, die persönliche Unabhängigkeit der Richter zum notwendigen Bestand einer rechts staatlichen Verfassung. Ausnahmen bildeten insoweit die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16.4.1867 148 und die Reichsverfassung vom 11.4.1871,149 in denen eine Garantie der richterlichen Unabhängigkeit fehlte, weil mit der Justizhoheit auch die Regelung der Richterdienstverhältnisse dem Landesgesetzgeber zu überlassen bleiben sollte. 150 Dennoch war der Richter nicht völlig ungeschützt. An die Stelle einer verfassungsrechtlichen Regelung trat die einfachgesetzliche Bestimmung des § 1 GVG, 151 der die richterliche Unabhängigkeit - auf die ordentliche Gerichtsbarkeit beschränkt - mit dem heute noch geltenden Wortlaut schützte. Für diese Epoche ist jedoch bezeichnend, daß sowohl die Richter in ihrer Person als auch die gesamte Rechtsprechung als staatliche Einrichtung gegenüber anderen Gruppen wie den leitenden Verwaltungsbeamten und preußischen Offizieren 152 erheblich an Ansehen verloren haben. Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert war die richterliche Unabhängigkeit gesichert. 153
147 Preußische Gesetz-Sammlung 1850, S. 17 ff. - zitiert nach E. R. Huber, Dokumente, Bd. 1,3. Aufl. 1978, S. 501 ff. 148 Bundesgesetzblatt 1867, S. 2 ff. - zitiert nach E. R. Huber, Dokumente, Bd. 2, 3. Aufl. 1986, S. 272 ff. 149 Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches, Reichsgesetzblatt 1871, S. 63 - zitiert nach E. R. Huber, Dokumente, Bd. 2, 3. Aufl. 1986, S. 384 ff. 150 W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (644).
151 Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1.1877, RGBI. 1877, S. 41 ff. 152 A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 72; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 20. 153 W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (644).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit ee) Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Herrschaft
Nach dem 1. Weltkrieg nahm die Weimarer Reichsverfassung vom 11.8.1919 inArt. 102, 104 die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit wieder auf, wobei der Wortlaut mit § 1 GVG übereinstimmte. Wie aber bereits oben 154 erwähnt, war der Schutz durch die Verfassung nicht umfassend. Durch einfaches Gesetz konnte wegen derfehlenden Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung mit einer Zweidrittelmehrheit eine von der Verfassung abweichende Regelung getroffen werden. Dabei mußte nicht einmal ein Zitiergebot beachtet werden, da eine entsprechende Regelung zu Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG fehlte. 155 Diese Rechtslage ermöglichte dem national-sozialistischen Regime den Rechtsstaat und die mit ihm notwendig verbundene richterliche Unabhängigkeit immer weiter abzubauen. 156 Im Führerstaat vereinte A. Hitler alle Staatsgewalt in seiner Person. Die Gewaltenteilung liberaler Prägung existierte nicht mehr. Er war aufgrund des Reichstagsbeschlußes vom 26.4 .1942 oberster Gerichtsherr 157 und bezeichnete sich als des Volkes oberster Richter. 158 Obwohl die sachliche Unabhängigkeit der Richter nicht ausdrücklich aufgehoben wurde, blieb von ihr doch inhaltlich nichts übrig. Die Richter waren zwar weiterhin nur an das Gesetz gebunden, jedoch war Gesetz nach national-sozialistischer Auffassung nicht mehr die allgemeine Norm, sondern der Wille des Führers. Der "vom Führer mit der Rechtsprechung belehnte Richter"159 war damit an die national-sozialistische Weltanschauung gebunden. Richter, die in ihrem Amt blieben, wurden durch Richterschulungen, Richterbriefe und Veröffentlichungen zu einem bestimmten Entscheidungsverhalten gedrängt. 160 Offensichtlicher als die Beeinträchtigung der sachlichen war die Beseitigung der persönlichen Unabhängigkeit. Bereits am 7.4.1933 erließ der Reichs154 1. Teil, B m 1. 155 Vgl. hierzu auch R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, Diss. Bonn 1984, S. 5. 156 Ausführliche Darstellungen hierzu finden sich bei E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 197 ff. m.umfangr.Schrifftum aufS. 194 ff.; A. Wagner, Der Richter, 1959, S. 76 ff.; I. Staff, Justiz im Dritten Reich, 1978; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 62 ff.; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr.23. 157 RGBI. I, S. 247. 158 Zitiert nach E. Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 198; vgl. auch N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 34. 159 C. Rothenberger, Der Deutsche Richter, 1943, S. 50, zitiert nach R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 63. 160 R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 62 ff.; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 23.
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tag das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtenturns, 161 nach dem Beamte - hierzu zählten auch die beamteten Richter - aus politischen oder rassistischen Gründen mit oder teilweise auch ohne Ruhegehälter in den Ruhestand versetzt werden konnten. 162 Mit dem schon genannten Reichstagsbeschluß vom 26.4. 1942, der Hitler zum obersten Gerichtsherrn machte, hatte dieser die Macht, ohne Einhaltung eines vorgeschriebenen Verfahrens mißliebige Richter aus dem Amt zu entfernen. Einen unabhängigen Richter konnte es vor diesem Hintergrund nicht geben. ff) Die richterliche Unabhängigkeit im Grundgesetz Diese schmerzvollen Erfahrungen wurden nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Herrschaftssystems und mit dem beginnenden Wiederaufbau zur Grundlage des IX. Abschnitts des Grundgesetzes, das den unabhängigen Richter als unumstößliche, auf Verfassungsebene garantierte Institution zur Verwirklichung und Sicherung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates und seiner freiheitlich demokratischen Grundordnung garantiert. 163 Dabei ging das Grundgesetz von im wesentlichen tradierten Vorstellungen eines Richters als unabhängigem Organwalter der Rechtsprechung aus. So ist der Richter im Sinne des Grundgesetzes ein rechtsgelehrter, rechtswissenschaftlich besonders ausgebildeter und vorgebildeter Berufsrichter. 164 Jedoch ist das Grundgesetz gegenüber allen vorherigen verfassungs rechtlichen Regelungen einen bedeutsamen Schritt weiter gegangen. Wesentliche Neuerung gegenüber allen vorherigen Verfassungen war die Ausgliederung und Verselbständigung der Jurisdiktion als nunmehr gleichwertige Gewalt gegenüber Legislative und Exekutive. 165 Diese Aufwertung der" Dritten Gewalt" war bereits in den vorgrundgesetzlichen Lan-
161 RGBI. 1933 I, S. 175 ff. 162 Vgl. N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 35; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645). 163 K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Auft. 1984, § 1611 3 b; O. R. Kissel, GVG, 2. Auft. 1994, § 1 Rdnr. 1.
164 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rdnrn. 77, 80, 84 ff.; D. Lorenz Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 220; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 4311 2 a; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Auft. 1994, § 33 Rdnr. 74; vgl. auch BayVerfGH, BayVBI. 1978,435 ff. 165 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rdnrn. 1 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11,1980, § 431 I;N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981)Rdnr. 46; W.Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 92 Rdnr. 3; R. Wassermann, Die richteriicheGewalt,1985,S.30f.; ders., AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 92 Rdnr. 9; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnrn. 6f.; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 1.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
desverfassungen 166 und dem Herrenchiernseer Konvent 167 vorbereitet und dann vom Parlamentarischen Rat in das Grundgesetz aufgenommen worden. 168 Neben dieser verfassungsstrukturellen Änderung brachte das Grundgesetz eine für die persönliche Rechtsstellung des einzelnen Richters wesentliche Neuerung mit sich: Der Richter im Sinne der Art. 60 Abs. 1, 92 ff., 132 Abs. I, 137 Abs. 1 GG ist nun nicht mehr Teil der Beamtenschaft, sondern nimmt ein hiervon abgetrenntes, selbständiges, strukturell wesensverschiedenes Amt ein,169 dessen Status gemäß Art. 98 GG in einem besonderen Gesetz geregelt werden mußte. Diesem Gesetzgebungsauftrag entsprach mit zwölfjähriger Verspätung für den Bund das Deutsche Richtergesetz, 170 das in Wiederholung des Art. 97 GG in § 25 nochmals die richterliche Unabhängigkeit als wesentliches Merkmal des Richterbildeserfaßt. Für die Länder wurden Landesrichtergesetze geschaffen. Der kurze Überblick über die geschichtliche Entwicklung der richterlichen Unabhängigkeit zeigt, daß das Grundgesetz zwar auf den Traditionen der historischen Rechtsprechungsform aufbaut, dabei aber einen neuen Weg beschreitet im Hinblick auf die Stellung der Rechtsprechung im System des gewaltengeteilten Rechtsstaates und auch der persönlichen Rechtsstellung des einzelnen Richters.
b) Die Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit vor dem Hintergrund der juristischen Methodenlehre Die Sorge um die richterliche Unabhängigkeit wächst oder verringert sich mit dem Verständnis von der Rechtsfindung durch den Richter. Räumt man dem Richter bei seiner Rechtsfindungsaufgabe eine weite Interpretationsmöglichkeit ein, muß er ein großes Maß an Objektivität mitbringen, um die notwendige Akzeptanz seines Urteils bei den Prozeßparteien zu erwirken. Sieht man die Urteilsfindung als rein logischen, durch das Gesetz in allen Einzelheiten vorgegebenen Formalakt, ist die richterliche Unabhängigkeit nur von eingeschränkter Bedeu166 Art. 5 Abs. 3,84 ff. Bay.Verf.; Art. 67 Abs. 3,134 ff. Verf.Brem.; Art. 126 ff. Hess.Verf.;Art. 77,121 ff. Verf.RhI.-Pf.;Art. 61 Abs. 2,109 ff. Verf.Saarl.; Art. 48, 87 ff. Verf.Württem.-Baden; Art. 58 ff. Verf.Württem.-Hohenzollern. 167 Bericht über den Verfassungskonvent aufHerrenchiemsee, Darst. Teil, S. 56; vgl. hierzu N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 40. 168 Vgl. hierzu die Darstellung der Diskussionen über die Beratungen der Ausschüsse unddesPlenumsinJÖRn.F.Bd.l (1950/51),S.664 ff.; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnrn. 41 ff. 169 K. Stern, BK, Art. 94 (Zweitbearb. 1965) Rdnr. 9; K. Lerch, DRiZ 1993, 225 (226); W. Heyde, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 33 Rdnr. 73. 170 BGBI. 1961 I, S. 1665.
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tung. Die Frage, nach welchen Gesichtpunkten die Rechtsfindung erfolgt, beantwortet die juristische Methodenlehre. Die Verbindungslinie zwischen ihr und der richterlichen Unabhängigkeit bildet Art. 20 Abs. 3 GG - die Bindung des Richters an Gesetz und Recht. Eine strenge Bindung an das Gesetz, das die Verkörperung des Rechts darstellt und mit diesem identisch ist, braucht auf die Person des Richters keine Rücksicht zu nehmen, da es gesetzesfremde Einflüsse auf die Rechtsprechung nicht gibt. Erkennt man aber einen über die normativen Regelungen hinausgehenden Bereich des Rechts an, der durch den Richter ausgefüllt werden muß, so wird das Urteil mit wachsendem Entscheidungsspielraum des Richters abhängig von seinen Wertungen, subjektiven Idealen und persönlichen Bindungen. aa) Der Gesetzespositivismus NachdemdasNaturrechtseinen Einfluß auf das Rechtsdenken im Laufe des 18. Jahrhunderts verloren hatte, entwickelte sich mehr und mehr der Gesetzespositivismus, der im 19. Jahrhundert maßgeblichen Einfluß auf Gesetzgebung und Rechtsprechung erlangte. 171 Grundlage dieses Rechtsverständnisses war die Monopolstellung des Gesetzes als Rechtsquelle, an das jeder Interpret gebunden war. Grundvorstellung dieses Justizsyllogismus war das Bedürfnis nach weitreichender Rechtssicherheit, während Gerechtigkeitsgedanken unerheblich sein sollten. l72 In diesem Sinne formulierte F. C. v.Savigny, daß der Richter nur das beachten dürfe, was in den Gesetzeswortlaut und seinem logisch, grammatikalisch und systematisch zu erschließenden Sinn Eingang gefunden hat. Der Richter dürfe das Gesetz nur nachvollziehen, es aber nicht schöpferisch fortbilden. 173 Der Richter war daher nur Subsumtionsautomat. 174 Charles de Montes171 Bedeutender Vertreter dieser Richtung war B. Windscheid, Rede anläßlich des Rektoratswechsels an der Universität Leipzig am 31.10.1884, Leipzig 1884, S. 14, 17 ff. Vgl. hierzu auch die Darstellung bei F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967,S. 253; sieheauchD. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 5, 68. 172 O. A. Germann, Probleme und Methoden der Rechtsfmdung, 1965, S. 307 (308 ff.); E. Kaufmann, JA 1985,425 (428). 173 F. C. v.Savigny, Juristische Methodenlehre, hrsgg. von G. Wesenberg, 1951, S. 43, abweichend jedoch ders., System des heutigen römischen Rechts, 1840, S. 218 ff., wo er in bestimmten Ausnahmefällen auch eine teleologische Auslegung oder Analogie zuläßt; vgl. hierzu auch K.-H. Fezer, JZ 1985, 762 (765); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 4; E. Kaufmann, JA 1985, 425 (430); K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1992, S. 13. 174 A. Kaufmann, JuS 1965,1 (8); F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967,S.436,mitHinweisauf Ph. Heck; H. Ridder, DuR 1973,239 (243); vgl. hierzu auch K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 43 II 2 a; ehr. Strecker, ZRP 1984,
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quieu, Begründer der Gewaltenteilungslehre, drückte dies mit folgenden Worten aus: "Die Richter sind ... nur der Mund, der die Worte des Gesetzes ausspricht, willenlose Wesen, die weder seine Schärfe, noch seine Strenge zu mildem vermögen" .175 In dieser Beschreibung der richterlichen Tätigkeit war für außergesetzliche Einflüsse auf die Rechtsfindung sowie für die Subjektivität des Richters kein Raum. Deren Existenz wurde geleugnet. Der Richter sollte ausschließlich mit Hilfe seines Intellekts im Wege einer logisch-mechanischen Operation den festgestellten Sachverhalt unter die einschlägigen Gesetzesbegriffe subsumieren und in seinem Urteilsspruch nur die im Gesetz bereits hypothetisch enthaltene Rechtsfolge artikulieren und aktualisieren. 176 Bei der richterlichen Entscheidung wurde damit jedes voluntative Element ausgeschlossen. Wichtigste Kodifikation im Verständnis des Gesetzespositivismus war das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794,177 das mit einer Gesamtzahl von mehr als 20. 000 Vorschriften, davon alleine ca. 2.000 strafrechtliche Bestimmungen, versuchte, alle erdenklichen Lebenssachverhalte in detailreichen Formulierungen gesetzlich zu erfassen. Bezeichnend ist dabei, daß sich trotz der Vielzahl von Paragraphen keine Bestimmung über die richterliche Unabhängigkeit findet. bb) Die Begriffsjurisprudenz Nach den Grundsätzen der Begriffsjurisprudenz erfolgt die Rechtsfindung im Einzelfall ausschließlich im Wege logischer Deduktion, wobei der von den Parteien geschilderte Sachverhalt als Untersatz unter die Rechtsregel als Obersatz subsumiert wird. 178 Nur wenn eine Deduktion nicht möglich ist, soll durch die 122 (124); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 12; H. J. Faller, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 81 (83); M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 15 n 1; Chr. Berglar, ZRP 1984,4 (5), undE. Schmidt-Jortzig, NJW 1984,2057 (2058) - Rechtstechniker; E. Kaufmann, JA 1985,425 (430) - Rechtsanwendungsmaschine. 175 De I 'esprit des lois, Libre XI, Kap. VI, in der Übersetzung von E. ForsthoJf, Montesquieu - Vom Geist der Gesetze, 1951, Bd. 1, S. 225. 176 E. Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, 1972, S. 152: Der Richter ist ein Automat, "in den man oben Akten mit dem Tatbestand hineinwirft, damit er unten das Urteil, nebst den mehr oder minder stichhaltigen Gründen ausspeie." Vgl. auch D. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 68. 177 Vgl. K. Stern, Staatsrecht, Bd.
n,
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n 2 a.
178 Vertreter der Begriffsjurisprudenz sind F. C. v.Savigny und seine Schüler G. F. Puchta, R. v./hering. Vgl. hierzu W. Wilhelm, Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Autl. 1967, S. 431 ff.; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Autl. 1991, S. 109 ff.; E. Riedei, in: Festschrift für P. Schneider, 1990, S. 382 (387); H.-M. Paw-
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Projektion des Rechtsstoffs auf eine höhere Ebene dort ein abstrakterer Begriff gefunden werden, unter dem subsumiert werden kann. 179 Für die Suche nach einem abstrakteren Begriff auf höherer Ebene kann als Beispiel der "Vertrag" gegenüber "Miete-, Pacht-, Arbeits-, Werk-, Darlehens- oder Leihvertrag" oder sämtliche Formen der nicht im BGB geregelten atypischen Vertragsverhältnisse stehen. Bei umfassender Durchführung dieses Prinzips würde ein System rechtlicher Begriffe geschaffen, das in seiner Vollendung eine geschlossene Begriffspyramide zur Folge hat. 180 An der Spitze dieser Pyramide stünde der Begriff "Recht" als allumfassende Generalformulierung. Die Struktur der Begriffsjurisprudenz steht der des Gesetzespositivismus sehr nahe. Auch hier beschränkt sich die richterliche Urteilsfindung auf eine logische Operation in Form der Subsumtion eines Sachverhalts unter einen Rechtsbegriff oder einenjuristischen Lehrsatz, da die Rechtsordnung ein geschlossenes System von Rechtsbegriffen darstellen soll. Selbst wenn ein solcher Prüfungsmaßstab fehlt, besteht die Aufgabe eines Richters nicht in der Entscheidung aufgrund außerrechtlicher gesellschaftlicher, sozialer oder wirtschaftlicher Gesichtspunkte. Hier ist der Richter nur berechtigt, eine allgemeinere Formulierung, die sich aus dem Systemzusammenhang der nicht anwendbaren Begriffe ergeben, zu suchen. Dies beruht aufderVorstellung, daß auch die neu zu findenden Begriffe nicht neu geschöpft werden, sondern bereits im Bewußtsein des Volkes verborgen vorhanden gewesen sind. Letztlich hat auch nach der Methode der Begriffsjurisprudenz die richterliche Unabhängigkeit eine nur untergeordnete Bedeutung. ce) Die Freirechtslehre Konträr zu Gesetzespositivismus und Begriffsjurisprudenz und als Angriff gegen diese argumentieren die Anhänger der Freirechtslehre. 181 Sie lehnen jegliche Form der logischen Deduktion einer Einzelfallentscheidung als leeren lowsky, Methodenlehre fürJuristen, 2. Aufl. 1991, Rdnrn. 125 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 19 ff.
179 F. Bydlinski , Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 110 f. 180 E.Riedel,in: Festschrift für P. Schneider, 1990, S. 382 (387); F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 111 f.: K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 20. 181 Zu ihnen zählt vor allem H. Kantorowicz, der auch unter dem Pseudonym Gnaeus Flavius veröffentlichte: Rechtswissenschaftund Soziologie, 1962; Aus der Vorgeschichte der Freirechtslehre, 1925; E. Ehrlich, Freie Rechtsfmdung und freie Rechtswissenschaft, 1903; ders., Die juristische Logik, 2. Aufl. 1925; ders., Grundlegung der Soziologie des Rechts, 2. Aufl. 1929; E. Fuchs, Schreibjustiz und Richterkönigtum, 1907; ders., Was will die Freirechtsschule, 1928.
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Schein ab. 182 Vielmehr sei die Entscheidung nicht nur die Anwendung einer fertigen Norm, sondern eine rechtsschöpferische Leistung des Richters,183 die von dessen Persönlichkeit abhängt. Dies gelte jedenfalls dort, wo das Gesetz keine eindeutige und ausdrückliche Entscheidung für einen bestimmten Fall enthalte. 184 Deshalb sei es ein vergebliches Unterfangen, die Individualität des Richters bei der Rechtsfindung auszuschalten. 185 Gesetzlicher Anhaltspunkt 186 der Freirechtslehre war Art. 1 Abs. 2 des Schweizer Zivilgesetzbuchs, nach dem der Richter, soweit Gesetz und Gewohnheitsrecht schweigen, "nach der Regel entscheidet, die er als Gesetzgeber aufstellen würde." Jedoch übersahen die Anhänger der Freirechtslehre, daß hiermit keine rechtspolitische Willensentscheidung, sondern eine Bindung an das bestehende System verbunden sein sollte. 187 Nach der Freirechtslehre bestand die Aufgabe eines Richters nicht mehr im Subsumtionspositivismus. 188 Das Gesetz war aufgrund seiner Lückenhaftigkeit nicht mehr für den Richter bindend. An die Stelle der Gesetzesbindung sollte das Rechtsgefühl treten, das aber in der Folge der Entscheidung durch methodisch geleitete Erwägungen bestätigt werden mußte. 189 Der amerikanische Rechtsrealismus beschrieb dies mit den Worten: "Law is what the judges say it iso "190 Dieser Voluntarismus hatte für die Befriedungsfunktion der Rechtsprechung und damit für die Person des Richters weitreichende Konsequenzen. Da die Entschei-
182 E. Fuchs, ARWPBd.12(1918/19), 5.14; vgl. hierzuA. Kauftnann,JuS 1965, S. 1 (3 - These 1); D. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 70; H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, Einleitung Rdnr. 202. 183 O. Bülow, Gesetz und Richteramt, 1885, S. 45; E. Ehrlich, Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903,S.29;vgl.auchH. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, Einleitung Rdnr. 202; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 59. 184 SoA. Kauftnann, JuS 1965, 1 (4), hinsichtlich der Position E. Fuchs, der jedoch einräumt, daß die Fälle, in denen das Gesetz eine zweifelsfreie Anordnung trifft, seltene Ausnahmen sind, die zudem in der Gerichtspraxis keine Rolle spielen. 185 E. Ehrlich, Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903, S. 29. 186 A. Kauftnann, JuS 1965, 1 (2), spricht von "freirechtlicher Bibel". 187 So die Kritik von K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 62. Siehe auch A. Kauftnann, JuS 1965, 1 (2). 188 M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1976, S. 64. 189 H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, Einleitung Rdnr. 202; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 61. 190 J. Marshall,5 U.S. 137, 177 (1803), Marbury vs. Madison; vgl. hierzu auch K. Stern, Staatsrecht, Bd. ill/2, 1994, § 95 12 a; E. Riedel, in: Festschrift für P. Schneider, 1990, S. 382 (388), jew.m.w.Nachw.
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dung weitgehend subjektiviert war, erlangten die Person des Richters, seine Abhängigkeiten und seine Verhaltensweisen hierfür große Bedeutung. Die Indi vidualität des Richters und damit auch seine Unabhängigkeit waren für die Anhänger der Freirechtslehre entscheidendes Moment für den Inhalt der Entscheidung. dd) Interessen- und Wertungsjurisprudenz Einen zwischen den Extremen des Gesetzespositivismus und der Begriffsjurisprudenz einerseits sowie der Freirechtslehre andererseits liegenden Standpunkt vertreten die Anhänger der Interessen- und Wertungsjurisprudenz, wobei die Wertungsjurisprudens aus der Interessenjurisprudenz hervorgegangen ist. Die Interessenjurisprudenz 191 weist dem Recht die Aufgabe des schutzes zu. 192 Dabei wird im Falle der Interessenkollision ein oder ideelles Interesse 193 zu Lasten des jeweils anderen Interesses Das "siegreiche" Interesse wird in der Folge meist kausal für eine Regelung.
Interessenmaterielles bevorzugt. gesetzliche
Die Aufgabe des Richters in einem konkret anhängigen Rechtsstreit besteht bei der einfachen Gesetzesanwendung darin, die Abwägung der kausalen Interessen nachzuvollziehen und entsprechend der generellen Konfliktentscheidung des Gesetzgebers die Einzelfallentscheidung zu treffen. 194 Fehlt aber eine gesetzliche Regelung, deren Feststellung bereits eine wertende Betrachtung zugrunde liegt,195 oder liegt ein Fall einer notwendigen Gesetzesberichtigung vor, steht dem Richter keine vorgefertigte Konfliktentscheidung durch den Gesetzgeber zur 191 Maßgebliche Vertreter sind Ph. Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; ders., Interessenjurisprudenz, 1933; H. StolI, in: Festgabe für Ph. Heck, 1931, S. 60 ff.; ders., Juristische Methode, praktische Grundforderungen der Interessenjurisprudenz und ihre Bedeutung in unserer Zeit, 1934; R. Müller-Herzbach, in: Festschrift zum 50jährigenBestehen des Reichsgerichts, 1929, Bd. II, S. 161 ff.; ders., Wohin führt die Interessenjurisprudenz? , 1932; ders., Die Hinwendung der Rechtswissenschaft zum Leben, 1939. 192 Vgl. D. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 71 ff.; H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, Einleitung Rdnr. 183; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983, S. 185; E. Riedei, in: Festschrift für P. Schneider, 1990, S. 382 (389); K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S.50. 193 H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, Einleitung Rdnr. 183; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983, S. 185. 194 H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl.1980, Einleitung Rdnr. 186; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl.1983, S. 186; H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 2. Aufl. 1991, Rdnm. 129, 481. 195 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 54.
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Verfügung. Jedoch entbindet dies den Richter nicht von seiner grundsätzlich weiterhin bestehenden Bindung. Er hat hier - "wie der Gesetzgeber", nämlich "im Sinne des Gesetzgebers" - entweder in Anlehnung an die nächstliegende Interessenkonfliktentscheidung zu entscheiden oder selbst eine Interessenabwägung vorzunehmen. 196 Ph. Heck hat diese Vorgehensweise mit "denkendem Gehorsam gegenüber dem Gesetzgeber" umschrieben. 197 Dieses Verständnis hat auch Auswirkungen auf die Auslegungsmittel, die dem Richter bei der Urteilsfindung zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zu den Vertretern des Gesetzespositivismus, deren Auslegungsmittel sich auf Wortlaut, geschichtliche Entwicklung und systematische Stellung einer Norm beschränkten, 198 favorisieren die Befürworter der Interessenjurisprudenz die teleologische Auslegung,l99 wobei der vom Gesetzgeber verfolgte "Zweck" nur der mit der Aufgabe der Gesetzgebung verbundene sein kann, nämlich derjenige, Interessen zu ordnen und die Entscheidung von Interessenkonflikten zu regeln. 200 Diese Methode leidet aber unter einer auch von den Vertretern der Interessenjurisprudenz erkannten Schwierigkeit. Sie läßt keinen Raum für die Bewertung der Interessen anband von Maßstäben, die selbst außerhalb des Interessenkampfes standen oder von dort gewonnen worden sind. 201 Hierzu gehören namentlich die Fälle, in denen sich nachträglich die Einstellung des gegenwärtigen gegenüber dem historischen Gesetzgebers geändert hat. Denn die Entscheidung des Richters beruht auf der Untersuchung der Konfliktentscheidung durch den historischen Gesetzgebers, nicht der Einstellung des möglichen gegenwärtigen Gesetzgebers. Als Beispiel hierfür kann die Bestimmung des § 54 BGB gelten, der die RechtssteIlung des nicht-rechtsfähigen Vereins regelt. Diese Vorschrift ist vor dem
196 H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, Einleitung Rdnr. 186; H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 2. Aufl. 1991, Rdnm. 482 f. 197 Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, 1914, S. 10,22; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 106 f.; vgl. auch D. Simon, Die UnabhängigkeitdesRichters, 1975, S. 72; H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, Einleitung Rdnr. 186. 198 AuchF. C. v.Savigny beschränkte anfangs seine Auslegungsminel auf diese drei. Nur vereinzelt ließ er den Rückgriff auf den Zweck des Gesetzes zu, vgl. System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, S. 216 ff. 199 H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 481; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 112; BVerfGE 35, 263 (279). 200 H. -M. Pawlowski, Einführung in die Juristische Methodenlehre, 1986, Rdnm. 160 ff.; ders., Methodenlehre für Juristen, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 129. 201 So H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, Einleitung Rdnr. 188.
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historischen Hintergrund der ablehnenden Haltung des Gesetzgebers u.a. gegenüber den Gewerkschaften zu verstehen. Diese Haltung brachte er dadurch zum Ausdruck, daß die Mitglieder nicht eingetragener Vereine, also auch der Gewerkschaften, für Vereinsschulden persönlich haften sollten. 202 Zur Vermeidung dieser Haftungskonstellation hätten die Gewerkschaften sich in das Vereinsregister eintragen lassen müssen, womit sie automatisch der staatlichen Überprüfung ausgeliefert gewesen wären. Diese Einstellung des Gesetzgebers hat sich ausweislich des Art. 9 Abs. 3 GG umgekehrt. Die Vertreter der Interessenjurisprudenz kämen in der Anwendung des § 54 BGB heute aber dennoch zur persönlichen Haftung der Gewerkschaftsmitglieder , 203 da sie ihre Entscheidung allein nach dem Willen des historischen Gesetzgebers ausrichten. Die Anhänger der Interessenjurisprudenz erkannten dieses Problem sehr bald und fanden eine Lösung in der Trennung der Interessen, deren Konflikte in der Gesellschaft durch das Recht geordnet werden müssen, von den Bewertungsmaßstäben, nach denen diese Ordnung zu erfolgen hat. 204 Diese sogenannte Wertungsjurisprudenz baut auf dem Gedanken der Interessenanalyse, wie sie ihn die Interessenjurisprudenz entwickelt hat, auf, setzt die erkannten Interessen aber aufgrund bestimmter Wertvorstellungen zueinander in Beziehung. Aber auch diese Form der Rechtsfindung bringt dort Schwierigkeiten mit sich, wo das Gesetz unbestimmte Begriffe oder Generalklauseln verwendet oder aber bisher ungeregelte Rechtsfragen zur Entscheidung anstehen. Hier kann der Richter sich nicht auf die Interessenanalyse und die Wertung des Gesetzgebers zurückziehen. Vielmehr muß er im Einzelfall selbst diese Aufgaben übernehmen. Dabei wird er in eine Situation versetzt, in der nicht nur eine bestimmte Entscheidung vorgegeben ist, sondern sich ihm eine Vielzahl von "richtigen" Urteilsvariationen zur Auswahl anbietet. Bei der Auswahl der für ihn zutreffenden Entscheidung nimmt er die grundsätzlich dem Gesetzgeber obliegende Wertung der entgegenstehenden Interessen selbst vor. Dabei erreicht sein Urteil die größte Akzeptanz, wenn die Prozeßparteien von der Ausgewogenheit der Wertung überzeugt sind und sie die Interessenabwägung anhand der Urteilsgründe nachvollziehen können. Die Unabhängigkeit des Richters ist damit grundlegend für die Akzeptanz des Urteils, da nur auf dieser Basis die Prozeßparteien bereit
202 H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Autl. 1980, § 54 Rdnrn. 2, 19. 203 Dieses Beispiel führt H. -M. Pawlowski, Einführung in die juristische Methoden-
lehre, 1986, Rdnr. 171, an.
204 H. Westermann, Wesen und Grenzen der richterlichen Streitentscheidung im Zivilrecht, 1955, S.14 ff.; vgl. hierzu auch H. Coing, in: Staudinger, BGB, 12. Autl. 1980, Einleitung Rdnr. 189; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaften, 6. Autl. 1991, S. 118 f.
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sind, die Wertungen des Richters als verbindlich anzunehmen. Mit der Anerkennung der Wertungsspielräume durch die Wertungsjurisprudenz ist damit auch die Forderung nach einem unabhängigen Richter verbunden. ee) Wertung und Zusammenfassung Positivismus und Begriffsjurisprudenz mit ihrer strengen begrifflich-formalen Bindung des Richters an das Gesetz ohne Rücksicht auf dessen Sinn und Zweck werden häufig abgelehnt und als Todsünde juristischer Methodik bezeichnet. Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Soweit das Gesetz - in wenigen Ausnahmef.illen - einen Sachverhalt mit einer konkreten Rechtsfolge verbindet, ist die Aufgabe des Richters nur durch den Wortlaut der Norm umschrieben. 205 Beispiel hierfür ist § 2 BGB, der die Volljährigkeit an die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres knüpft. Hier besteht die Arbeit des Richters nur in der wertungsfreien Feststellung des Alters, womit die vorgegebene, konkrete Rechtsfolge ausgelöst wird. Abgesehen von diesen Ausnahmen bringt die richterliche Tätigkeit aber unterschiedlichste Aufgaben mit sich, bei denen die Person des Richter von ausschlaggebender Bedeutung ist. Sachverhaltsfeststellung , Beweiserhebung und -würdigung, Rechtsfindung und -entscheidung sowie richterliche Hilfsmaßnahmen sind geprägt von persönlichen Bedingungen, die der Richter bei der Entscheidung mitbingt. Diese Momente angemessen zu berücksichtigen sind Gesetzespositivismus und Begriffsjurisprudenz nicht in der Lage, weshalb M. Draht206 deren Richterbild zu Recht als "Lebenslüge Nr. 1" bezeichnet. Dem stimmt das Bundesverfassungsgericht zu, wenn es mit Hinweis auf Art. 20 Abs. 3 GG einen engen Gesetzespositivismus ablehenen. 207 Abgesehen von der Unmöglichkeit einer lückenlosen Kodifikation208 geht das Gericht davon aus, daß Gesetz und Recht nicht notwendig und immer deckungsgleich sind. 209 Deshalb bestehe die Aufgabe des Richters darin, den über den Inhalt des Gesetzes hinausgehenden Gehalt des Rechts zu finden und es in Entscheidungen zu verwirklichen. 210 Hiermit sind Gesetzespositivismus und Begriffsjurisprudenz jedoch nicht vereinbar. 205 M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 15 11 1. 206 M. Draht, Die Rolle der Justiz im demokratischen Rechtsstaat. Loccumer Protokolle 811965, S. 43. 207 BVerfGE34,269 (286). Vgl. auchA. Kauj1nann, JuS 1965, 1 (7 f.); W. Schaffer, BayVBI. 1991,678 (679); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 110. 208 BVerfGE 34, 269 (287); vgl. hierzu auchR. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S.4; G. Barby, HdbStR, Bd. m, 1988, §74Rdnr. 34, spricht hier von einer Fiktion. 209 BVerfGE34,269 (286f.); vgl. auch W. Schaffer, BayVBI. 1991,678 (679); W. Heyde, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr. 93. 210 BVerfGE 34, 269 (287).
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Aber auch das andere Extrem der Freirechtslehre verstößt gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Die Bindung an das Recht, das die Freirechtslehre zu ihrem Dogma erwählt hat, unterschlägt die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt gegenüber dem Gesetz. Die Tätigkeit des Richters orientiert sich nach Art. 20 Abs. 3 GG primär am Gesetz. Erst wenn das Gesetz keine Auskunft zur Entscheidung eines Falles gibt, soll der Richter das darüber hinausgehende Recht erforschen. 211 Die Umkehrung der Wertigkeiten von Gesetz und Recht durch die Freirechtslehre ist daher nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die gängige Methode der Rechtsfindung ist heute die Wertungsjurisprudenz, die die Aufgabe des Richters in einer Kombination aus Subsumtion, Interessenanalyse und Wertung des mit dem Gesetz verfolgten Zwecks verbindet. Sie erkennt die Gesetzesbindung des Richters als Grundlage seiner Arbeit an, ohne ihm die Kompetenz abzusprechen, bei unklaren Gesetzeslagen oder bisher ungeregelten Sachbereichen eine eigene Bewertung der entgegenstehenden Interessen vorzunehmen. Beiden Bindungen, der an das Gesetz und der an das Recht, wird die Rechtsfindung nach den Grundsätzen der Wertungsjurisprudenz gerecht. Die weitreichenden Wertungsbefugnisse, die dem Richter bei der Rechtsfindung eingeräumt werden, erfordern auf der Seite des Richters entsprechende Eigenschaften, damit sein Urteil bei den Prozeßparteien auf Anerkennung trifft. Dieses Ziel wird umso eher erreicht, je geringer die Verbindung des Richters mit der Person einer Partei oder dem Streitgegenstand ist. Die Akzeptanz des Urteils und damit die Zweckerreichung der Rechtsprechung schwindet aber mit der enger werdenden Beziehung des Richters zu einer Prozeßpartei oder dem Streitgegenstand. Dabei kann die Ursache für die fehlende Befriedung des Rechtsuchenden in einer Handlung des Richters selbst oder aber auch in einer von außen herrührenden Einflußnahme begründet sein. Jedoch führt nicht jede Einwirkung auf einen Richter zum Verlust seiner Unabhängigkeit. Es bedarf daher einer Differenzierung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Beeinträchtigungen der richterlichen Unabhängigkeit anband der durch das Grundgesetz selbst gezogenen Grenzen. Dies setzt aber zunächst voraus, daß aus den bisherigen Erkenntnissen und den Vorschriften des Grundgesetzes die richterliche Unabhängigkeit in ihrem Gehalt konkretisiert wird. c) Inhaltsbestimmung derfunktionsrechtlichen Stellung des Richters
Die funktionsrechtliche Stellung des Richters soll hier beschrieben werden durch die positiven Vorgaben der Verfassung und die möglichen Quellen ihrer Beeinträchtigung. Die positiven Vorgaben des Grundgesetzes bestehen in der
211 BVerfGE 34, 269 (287). 8 Klaas
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alleinigen Bindung der Richter an Gesetz und Recht. Schwieriger ist es, die möglichen Ursachen einer Gefahrdung der Unabhängigkeit zu beschreiben. Sie können grundsätzlich in staatlichen Einflußnahmen, gesellschaftlichem Druck oder privaten Bindungen bestehen, sie können aus der Person des Richters herrühren oder aber von außen an ihn herangetragen werden, sie können neu begründet sein oder aber bereits bestehende Ansätze verstärken. Die Arbeiten von K. Eichenberger212 und K. A. Bettermann zeigen Möglichkeiten auf, wie die verschiedenen Einflußquellen kategorisiert werden können. 213 K. Eichenberger sieht die Einzelelemente in der richterlichen Unparteilichkeit (= Unabhängigkeit von den Prozeßparteien und Verfahrensgegenständen), der richterlichen Selbständigkeit (= Unabhängigkeit von nicht-richterlichen Staatsgewalten), der richterlichen Eigenständigkeit (= Unabhängigkeit von anderen Organen der richterlichen Gewalt) und der inneren Freiheit des Richters (= Unabhängigkeit von Einwirkungen, die aus der Person des Richters selbst kommen). Demgegenüber nimmt K. A. Bettermann nur eine Dreiteilung vor: (prozeßrechtliche) Parteiunabhängigkeit, (politische) Staatsunabhängigkeit und (soziale) Gesellschaftsunabhängigkeit . Diese Kategorisierungen haben mit nur geringen Abweichungen in der Literatur Zustimmung gefunden. 214 Sie sollen auch Ausgangspunkt für die Untersuchung möglicher Einwirkungsformen auf die richterliche Arbeit sein. aa) Die Bindung des Richters an Gesetz und Recht Die Inhaltsbestimmung der funktionsrechtlichen Stellung des Richters findet ihre Grundlage in der dem Richter von der Verfassung gestellten Aufgabe. Diese liegt in der Erfüllung der staatlichen Justizgewährleistungspflicht als Konkretisierung des Rechtsstaatsgebots. Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG hat der Richter dabei als Organwalter der rechtsprechenden Gewalt die ihm zur Entscheidung übertragenen Streitigkeiten nur nach Gesetz und Recht zu beurteilen. Hierbei dürfen Gesetz und Recht nicht als vom Richter wählbare Alternativen verstanden werden. Wie sich bei der Untersuchung der richterlichen Aufgaben im Rahmen der Rechtsfindung gezeigt hat (oben b), besteht die Aufgabe des Rich-
212 Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 43 ff. 213 HGrR, Bd. III/2, 1959, S. 523 (525); ders., in: Cappenberger Gespräche, Bd. I, 1969, S. 45 (47 f.). 214 Siehe nur D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 203 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 1980, § 43 II 4 b a-y; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Z weitbearb. 1981) Rdnrn. 269 ff.; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 158 ff.; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (646); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1991,2377 (2378).
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ters nicht in der Tätigkeit eines von allen Einflüssen isolierten Subsumtionsautomaten215 oder Rechtstechnikers,216 denn er ist nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das Recht gebunden. Andererseits ist er auch kein Sozialingenieur217 oder -therapeut,218 der das Gesetz nur als Leitlinie oder bloßen Anhaltspunkt bei der Lösung von Streitigkeiten betrachtet, denn die Rechtsbindung hebt die Gesetzesbindung nicht auf. Die Bindung an das Gesetz einerseits und an das Recht andererseits begründet jedoch im Ergebnis keine Widersprüche, da sich ihre Inhalte regelmäßig dekken219 und nur in seltenen Ausnahmefällen voneinander abweichen. 220 Die Begründung hierfür liegt in der materiellen Interpretation des Gesetzesbegriffes, der neben den formellen Gesetzen auch Observanzen, das sonstige Gewohnheitsrecht und ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze umfaßt. 221 Aus dem gleichen Grund besteht auch zwischen der Bindung an Gesetz und Recht in Art. 20 Abs. 3 GGund der Bindung nur an das Gesetz in Art. 97 Abs. 1,2. HS GG inhaltlichkein Unterschied, da auch Art. 97 Abs. 12. HS GG von einem materiellen Gesetzesbegriff ausgeht. Dennoch hat die Bindung des Richters an das "Recht" seine Bedeutung nicht verloren. Wenn auch die Formulierungen der Art. 20 Abs. 3 und 97 Abs. 1 GG sich aus verschiedenen Traditionen und Entstehungsgeschichten begründen las215 K. Zweigert, in: FestschriftfürF. v.Hippel, 1967, S. 711 (715); H. Ridder, DuR 1973,239 (243); K. Stern, Staatsrecht, Bd. n, 1980, § 43 n 2 a; Chr. Strecker, ZRP 1984,122(124);R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985,S. 12; H. J. Faller, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 81 (83). 216 Chr. Berglar, ZRP 1984, 4 (5); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1984,2057 (2058). 217 Vgl. M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 15 II 3 a, dort unter b "Sozialarzt" . 218 W. Dütz, JuS 1985, 745. 219 H. Holtkotten, BK, Art. 97 (Erstbearb. 1968) Anm. II2; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rdnr. 5; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil5, T § 25 Rdnr. 20; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. Autl. 1984, § 20 IV 4; K. Doehring, Staatsrecht, 3. Autl. 1984, D IV 2 a (S. 205 ff.); R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 19 m. w. Nachw.;R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 97 Rdnr. 52; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 17 I; F. E. Schnapp, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Autl. 1992, Art. 20 Rdnr. 36; ; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 33 Rdnr. 93; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 25 Rdnr. 11. 220 Vgl. nur W. Heyde, HdbVerfR,2. Autl. 1994, § 33 Rdnr. 93; BVerfGE 1, 14 (18); 3, 162 (182); 3,225 (233 f.); 22, 387 (423); 34, 269 (286 f.).
221 Dr. Becker (FDP) , Parl.Rat-Rechtsptlegeausschuß, Sten.Prot. S. 122: "Gesetz" im "höheren Sinne"; Parl.Rat-AlIgemeiner Redaktionsausschuß, Drs. Nr. 374 Anm. I zu Art. 132; vgl. auch die in FN219 Genannten sowieK. A. Bettermann, HGrR, Bd. fi/2, 1959, S. 527 (532).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
sen,222 verfolgen sie doch den selben Zweck. Aus den Erfahrungen der NS-Zeit, in der Richter unter Berufung auf das positive Gesetzeswerk den Gerechtigkeitsgedanken verdrängten, sollen die Richter unter der Geltung des Grundgesetzes nicht nur dem Gesetz, sondern auch dem Recht verpflichtet sein. Hierdurch wird einerseits ein strenger Gesetzespositivismus vermieden,223 und andererseits durch die weiterhin bestehende Gesetzesbindung seine Arbeit nicht zu der eines Sozialingenieurs .224 Hält er eine entscheidungserhebliche Vorschrift für "ungerecht" , so darf er unter Berufung auf die Bindung an das Recht das Gesetz nicht beiseite schieben und seine Gerechtigkeitsvorstellung an dessen Stelle setzen. Im Rahmen der zulässigen Auslegung muß er die Regelung dennoch anwenden. Sollte sich aber die Ungerechtigkeit zu Verfassungswidrigkeit der Norm verdichten, hat der Richter das fachgerichtliche Verfahren auszusetzen und das betreffende Gesetz dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Entscheidung vorzulegen;225 denn nur das Bundesverfassungsgericht hat die Kompetenz, ein Gesetz für verfassungswidrig zu erklären. Die Bindung der Fachrichter auch an das Recht hebt daher deren Gesetzesbindung nicht auf, sondern will lediglich zu einem kritischen Bewußtsein gegenüber dem anzuwendenden Gesetz führen. Die Bindung des Richters an Gesetz und Recht steht nur in einem scheinbaren Widerspruch zur richterlichen Unabhängigkeit. Die Unabhängigkeit dient vielmehr der Verwirklichung der Gesetzesbindung . Nur werunbeeinflußt von außergesetzlichen Einflüssen ist, kann seine Entscheidung ausschließlich am Gesetz orientieren. Die Gesetzesbindung ist daher keine Schranke der Unabhängigkeit, sondern sie ist deren notwendige Ergänzung, das "Komplementärelernent" , das unverzichtbare Korrelat. 226 Erst die Bindung an das Gesetz gibt dem Richterspruch seine Autorität und Legalität. 227 222 R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 97 Rdnr. 4. 223 Vgl. oben b ee.
224 Vgl. K. Doehring, Staatsrecht, 3. Aufl. 1984, D IV 2 a; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 1511 3 a. 225 H. Holtkotten, BK, Art. 97 (Erstbearb. 1968) Anm. 11 2; W. Meyer, in: 1. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Aufl. 1983, Art. 97 Rdnr. 19; K. Doehring, Staatsrecht, 3. Aufl. 1984,DIV2 a (S. 206); R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 20 f. 226 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 161; K. Stern, Staatsrecht,Bd. 1,2. Aufl.1984, §20 IV5 dy;J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 7; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 84; R. Wassermann, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 97 Rdnr. 43; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnrn. 11, 110; W. Heyde, HdbVerfR,2. Aufl.1994, § 33 Rdnr. 92. BVerfGE49, 304 (318);BGHZ67, 184 (187). 227 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 89.
A. VerfassungsrechtIiche Grundlage
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bb) Staatliche Einflüsse Bereits bei der Zweckbestimmung der Rechtsprechung aus dem Gewaltenteilungsprinzip (oben 1 a aa) wurde deutlich, daß eine funktionierende Rechtsprechung nur bei umfassender Verselbständigung der dritten Gewalt gegenüber den anderen beiden Gewalten gewährleistet werden kann. Die Verselbständigung ist aber nicht auf organisatorische und personelle Fragen beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Rechtsprechungstätigkeit der Richter als solche. Maßgeblich ist dabei der Gedanke des Rechtsstaatsprinzips, nach dem Grundlage aller richterlichen Entscheidungen nur Gesetz und Recht sein dürfen. Kommt aber die richterliche Entscheidung unter bestimmender Einflußnahme anderer Staatsgewalten zustande, so wären nicht mehr Gesetz und Recht die alleinige Entscheidungsgrundlage, sondern rechtsfremde Erwägungen. Staatliche Eingriffe in die Entscheidungstätigkeit verstoßen daher gegen das Rechtsstaatsprinzip . Der Umfang der hier relevanten Maßnahmen ist im Sinne einer möglichst umfassenden Freiheit von Beeinträchtigungen weit zu fassen. Es reichen daher alle Formen von unmittelbar wirkenden Eingriffen, z.B. direkte Weisungen, Ersuchen, Bitten, Ratschläge oder Empfehlung. Gleichfalls zählen hierzu aber auch nur mittelbar wirkende Einflußnahmen, wenn z. B. dem Richter für eine bestimmte Entscheidung ein Vor-oder Nachteil in Aussicht gestellt wird. 228 Durch dieses weite Verständnis relevanter Handlungen wird die Gewähr dafür gegeben, daß die Rechtsprechung unbeeinflußt und nur an Gesetz und Recht gebunden ihrer rechtsstaatlich vorgeprägten Aufgabe nachkommt und nachkommen kann. Neben sachlichen Weisungen zur Entscheidung eines Einzelfalles können auch Beeinträchtigungen des persönlichen Status Einflüsse auf die Entscheidungshaltung des Richters haben. Die Freiheit von staatlichen Weisungen liefe nämlich leer, könnte der unliebsame Richter an der Erfüllung seiner Amtstätigkeit durch Absetzung oder Versetzung gehindert werden. 229 Infolgedessen wäre die letztlich 228 Vgl. hierzu ausführlich K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 38 ff.; Gerner/Decker/Kaujfmann, DRiG, 1963, § 25 Rdnr. 5; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 11 4 da; R. Bernhard, Richteramt undKommunalmandat, 1983, S. 161;R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 18 f.; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 19 12 a; R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 97 Rdnr. 22; R. Brandis , Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 33 ff.; O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnr. 40; W. Heyde, HdbVertR, 2. Autl. 1994, § 33 Rdnr. 79; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 25 Rdnr. 6; BGH, DRiZ 1964, 375; 1969,223. 229 K. A. Bettermann, HGrR, Bd. III/2, 1959, S. 523 (590 ff.); K. Zweigert, in: Festschrift für F. v.Hippet, 1967, S. 711; R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 97 Rdnm. 45 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 11 4 c ß; W. Meyer, in: I.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
zu erwartende Gerichtsentscheidung ebensowenig nur an Gesetz und Recht ausgerichtet wie bei konkreten Weisungen, denn entweder beugt der ursprünglich zuständige Richter sich dem Druck oder aber sein Ersatz trifft die gewünschte Entscheidung. Bei der Bewertung der Auswirkungen staatlicher Maßnahmen auf die funktionsrechtliche Stellung des Richters kommt es nicht darauf an, aus welchem Bereich diese kommen. Erfaßt sind grundsätzlich sowohl Weisungen der Exekutive und der Legislative als auch diejenigen anderer Richter und Gerichte. 230 Jedoch ist die Bedeutung der Weisungs freiheit gegenüber den verschiedenen Gewaltträgern im einzelnen von unterschiedlicher praktischer Bedeutung. Das Verhältnis zur Legislative ist geprägt durch die Bindung an das materielle Gesetzesrecht . Der Richter unterliegt den allgemein formulierten Vorgaben des Parlaments aufgrund seiner eidlichen Verpflichtung, seine Entscheidungen nur an Verfassung und Gesetz auszurichten - § 38 DRiG. Demgegenüber sind gesetzliche Einzelweisungen für konkrete Fälle untersagt,231 denn mit dem Begriff "Gesetz" ist das Postulat seiner Allgemeinheit notwendig verknüpft. 232 Dieser v.Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 97 Rdnrn. 21 ff.; R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 22; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, §20I1;R. Wassermann,AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 97 Rdnrn. 60 ff.; G. Barbey, HdbStR, Bd. ill, 1988, § 74 Rdnrn. 71; A. Katz, Staatsrecht, 12. Aufl. 1994, Rdnr. 515; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (647); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 555; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnrn. 9, 141 ff.; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr.81;G.Schmidt-Räntsch,DRiG,5. Aufl. 1995, § 25 Rdnr. 4; Schmidt-Bleibtreul Klein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 97 Rdnrn. 5 ff. 230 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 45 f.; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rdnr. 36; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11,1980, §43 14 da; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 161;R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985,S. 70ff.; R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 42 f.; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645f.);abweichendBVerfGE 12,67 (71); 31,137 (140), das Art. 97 Abs. 1 GG nur auf nicht-richterliche Gewalten anwenden will; noch einschränkender K. A. Bettermann, HGrR, Bd. ill/2, 1959, S. 523 (531), der die Wirkung der richterlichen Unabhängigkeit ausschließlich gegen die Exekutive beschränken will. 231 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rdnr. 22; W. Meyer, in: 1. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Aufl. 1983, Art. 97 Rdnr. 3; vgl. auch G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987,S.63;R. Wassermann,AK-GG,2.Aufl.1989,Art. 97 Rdnr. 41. 232 So der "rechtsstaatliche Gesetzesbegriff" von C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 138 ff., 146; vgl. auch K. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, § 83 11 3 m.w.umfangr.Nachw.;F. Ossenbühl,HdbStR,Bd.ill, 1988, § 61 Rdnr.ll m.w.Nachw. in FN 18, sieht die Allgemeinheit des Gesetzes als Element der gesamten europäischen Rechtsgeschichte.
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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allgemeine Grundsatz ist für den Bereich der gesetzlichen Grundrechtsbeschränkungen in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG als formelle Schranken-Schranke festgeschrieben. Unzulässige Eingriffe in die richterliche Unabhängigkeit durch das Parlament sind daher in der Praxis eher selten. Bedeutsamer ist die Sachlage beim Schutz vor Weisungen der Exekutive. Hier findet sich das größte Konfliktfeld zwischen Staatsgewalt und richterlichem Status,233 da EinzelweisungenderRegierung, der Verwaltung oder der Dienstaufsicht gegenüber einem Richter unzulässig sind, wenn er in rechtsprechender Funktion tätig wird. 234 Zur Verwirklichung der von der Verfassung geforderten organisatorischen und personellen Trennung von Rechtsprechung und Exekutive begründet das Grundgesetz für den Richter eine Reihe bedeutsamer Inkompatibilitätengemäß Art. 137 GG i.V.m. § 4 DRiG. Auch die dritte Gewalt darf nicht in die Entscheidungsfreiheit ihrer Richter eingreifen,235 denn Richter haben hinsichtlich ihrer Rechtsprechungsarbeit keinen Vorgesetzten, dessen Weisungen sie bei ihren Entscheidungen folgen müssen. Dies gilt sowohl im Instanzenzug, als auch innerhalb eines Entscheidungsgremiums. Auch hier gilt: Das Gesetz soll der alleinige Bestimmungsfaktor des im Einzelfall "Recht" sprechenden Richters sein. Die richterliche Gewalt soll nicht abstrakt vor Weisungen geschützt werden, sondern der konkret tätig werdende Organwalter. Da aber Urteile anderer Gerichte grundsätzlich weder Gesetz noch Recht begründen - dies gilt auch für Entscheidungen des Berufungs- oder Revisionsgericht gegenüber den erstinstanzlichen Gerichten -, besteht für den einzelnen Richter keine Bindung hieran. Entscheidungen von Obergerichten oder Gerichten anderer Gerichtszweige sind für die Untergerichte aber dann verbindlich, wenn die in ihnen enthaltenen
233 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 161; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 62; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645). 234 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 45 f.;R. Bernhard, RichteramtundKommunalmandat, 1983, S. 161; K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 4311 4 b a; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnrn. 39 f.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Aufl.1995,Art.92Rdnr.2;BVerfGE3,213(224); 14,56 (69); 26,186 (198); 27, 312 (322); 31, 137 (140); BGH, DRiZ 1984, 102. 235 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 48 f., spricht von "richterlicher Eigenständigkeit"; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rdnr. 34; K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 43 II4 d a; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 161; R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 19 f.; wohl auch M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, §§ 17 I 3, 18 III; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 63; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 107.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Aussagen als Rechtsfortbildung oder in Verfestigung ständiger Rechtsprechung zu Gewohnheitsrecht Gegenstand des materiellen Rechts geworden sind. 236 Darüber hinaus kann auch eine faktische Bindung der Untergerichte an die Spruchpraxis der jeweils höheren Instanz nicht verleugnet werden. Sie schmälert zwar die im Rahmen der Gesetze gegebene Entscheidungsfreiheit des einzelnen Richters, ist aber zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung und zur Verkürzung des Rechtsschutzverfahrens in der Praxis nicht zu vermeiden. 237 Gerichte sind auch dann an Entscheidungen anderer Gewaluräger gebunden, wenn sich dies aus gesetzlichen Vorschriften oder dem traditionellen Rechtsverständnis ergibt. 238 Hierzu zählen beispielsweise die Tatbestandswirkung eines unanfechtbar gewordenen Verwaltungsaktes, die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen, die Zurückverweisung eines Verfahrens an die nachgeordnete Instanz gemäß §565 Abs. 2 ZPO, § 358Abs. 1 StPO oder die Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen gemäß § 31 BVerfGG. In diesen und vielen weiteren Fällen legitimiert das die Bindung vorsehende Gesetz den Eingriff in die Entscheidungskompetenz des Richters. 239 Die Sicherung des funktionsrechtlichen Status findet im verfassungsrechtlich geprägten Bild des Richters, den Prinzipien der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit, nicht nur ihre Grundlage, sondern gleichzeitig auch ihre Grenze. Die Freiheit der Entscheidung von Einflüssen staatlicher Seite ist kein Privileg des Richters als Person. Sie verfolgt auch keinen Selbstzweck. Sie ist einzig darauf ausgerichtet, den Willen des Gesetzes zu verwirklichen und damit den sich aus dem Rechtsprechungsmonopol des Staates ergebenden Justizgewährleistungsanspruch des Bürgers zu erfüllen. 240 Sie ist dem Richter daher nur in 236 R.Bernhard,RichteramtundKommunalmandat, 1983, S. 161 f.; vgl. G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 64; R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 97 Rdnr. 55. 237 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 49; vgl. auch R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 20; R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 97 Rdnr. 55; so auch der Hinweis von G. Pfeiffer, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 67 (74). 238 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rdnrn. 35 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 4311 4 d; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645). 239 R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 97 Rdnrn. 35 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,1980, § 43 II 4 d; R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985 S. 20; vgl. auch BVerfGE 12, 67 (71); 31,137 (140). 240 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 83 ff.; GernerlDecker/Kaujfmann, DRiG, 1963, § 25 Rdnr. 6; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 201; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 14; R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 23 f.; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 25 Rdnr. 14, § 26 Rdnr. 13, § 39
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seiner Funktion als Organwalter241 der Rechtspflege zugeordnet. Deshalb ist der Richter auch nur im Rahmen seiner richterlichen Tätigkeit vor Eingriffen von staatlicher Seite geschützt. Der Schutz derfunktionsrechtlichen Stellung des Richters vor staatlichen Eingriffen ist durch Art. 97 GG zum Teil der grundgesetzlichen Verfassungsordnung geworden. 242 Er garantiert nach dem Vorbild der Art. 102, 104 WRV die sachliche und persönliche Unabhängigkeit des Richters und macht sie zum Verfassungsprinzip und zur "magna charta" einer rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit. 243 Vor staatlichen Weisungen und Beeinträchtigungen der persönlichen Rechtsstellung aller drei Gewalten ist der Richter durch Art. 97 Abs. 1 und 2 GG umfassend geschützt. Die Gefahrdung der richterlichen Unabhängigkeit durch staatliche Gewalten ist im Ergebnis daher als gering anzusehen. 244 Rdnr.l;M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 19 11; R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl.1989, Art. 97 Rdnm. 17,24; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645); W. Heyde,HdbVerfR,2.Autl.1994, §33Rdnr. 79;0. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnm. 11,43,110; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 25 Rdnr. 4, § 26 Rdnr. 21; H. Sendler, NJW 1995,2464 (2465); BVerfGE27, 211 (217); BGHZ 67, 184 (187); 112, 189 (193). 241 Vgl. hierzu die Nachweise in FN 107. 242 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 42, 255; GernerlDeckeriKaujfmann, DRiG, 1963, §25 Rdnr. 5; H. Holtkotten, BK, Art. 97 (Erstbearb. 1968) Anm. 11 1 a; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 114 da, Bd. I, 2. Autl. 1984, § 20 IV 5 d y; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 220 f.; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 272; W.Meyer, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Autl. 1983, Art. 97 Rdnr. 6; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 70; ders., AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 97 Rdnr. 22; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 19 I; G. Barbey, HdbStR, Bd. m, 1988, § 74 Rdnr. 31; MühllArndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 25 Rdnr. 5;A. Katz, Staatsrecht, 12. Autl. 1994, Rdnr. 515; W. Schaffer, BayVBI. 1991, 641 (645); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Autl. 1993, Rdnr. 554; O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnm. 9, 39; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 33 Rdnr. 79; LeibholzlRincklHesselberger, GGKomm., 7. Autl. Stand 7/1994, Art. 97 Rdnr. 27; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 25 Rdnr. 3; Schmidt-BleibtreuIKlein, GG-Komm., 8. Autl.1995, Art. 97 Rdnr. 2. Vgl. auch BVerfGE 3,213 (224); 12,67 (71); 14,56 (69); 26, 186 (198); 31, 137 (140); 36, 174 (185); 38, 1 (21); 49, 304 (318).
243 J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 7; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645). Für den Strafprozeß K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Autl.1984, §20IV5dgm.w.Nachw. 244 O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1992, § 1 Rdnr. 109, sieht für die richterliche Unabhängigkeit heute größere Gefahren in den gezielten und ungezielten Einflüssen der Medien und gesellschaftlichen Gruppen als in den klassischen Bedrohungen durch die Dienstaufsicht. Ebenso W. Geiger, DRiZ 1979,65 (67); K. Rudolph, DRiZ 1984, 135
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit cc) Beziehung zu den Prozeßparteien oder zum Verfahrensgegenstand
Die funktionsrechtliche Stellung des Richters als unbeteiligter Dritter ist nicht nur durch staatliche Einflußrnaßnahmen gefährdet, sondern auch durch seine Beziehungen zu einer Prozeßpartei oder zum Verfahrensgegenstand. Zum ersten Problembereich zählen insbesondere verwandte, verschwägerte, befreundete und verfeindete Personen aber auch rechtliche Beziehungen zu juristischen Personen. 245 In Verfahren, in denen diese Personen beteiligt sind, entscheidet der Richter nicht mehr als unbeteiligter Dritter,246 sondern er entscheidet vielmehr in eigener Sache. Dies disqualifiziert ihn als Richter im Sinne des Grundgesetzes. Auch bestehende Rechte am Streitgegenstand oder sonstige Beziehungen hierzu247 sind geeignet, seine Fähigkeit zur Streitentscheidung zu beeinträchtigen. Diese persönlichen oder sachlichen Verbindungen zum Verfahren werden rechtlich durch die Ausschließungs- und Ablehnungsbestimmungen der verschiedenen Prozeßordnungen248 erfaßt, wobei die Ausschließungstatbestände den Richter Kraft Gesetzes von der Streitentscheidung entbinden, während die Ablehnung eines Richters den Antrag einer Prozeßpartei voraussetzt. Jedoch finden die einfachgesetzlichen Bestimmungen über den Ausschluß und die Ablehnung eines Richters im Grundgesetz keine ausdrückliche Grundlage, weshalb der Verfassung unmittelbar keine konkrete Aussage hierzu entnommen werden kann. Vielmehr muß auf das Rechtsstaatsprinzip als verfassungsrechtlichem Ausgangspunkt zurückgegriffen werden. Dieses Strukturprinzip der Verfassung 249 begründet in seinen jeweiligen Konkretisierungen Verhaltensanforderungen für alle staatlich handelnden Stellen. 250 Für die Rechtsprechung er(139); G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 65; zurückhaltender J. Herrmann, DRiZ 1982, 286 (292). 245 Vgl. hierzu insgesamt J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, passim; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 164. 246 N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 275.
247 Hierzu können zählen: richterliche Vorbefassung mit dem selben Streitgegenstand, wissenschaftliche Äußerungen zum Verfahrensgegenstand. Vgl. hierzu unten B 11 und III. 248 Vgl. z.B. §§ 18, 19 BVerfGG; §§ 41 ff. ZPO; §§ 22 ff. StPO; § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 ff. ZPO; § 46 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. §§ 41 ffZPO. 249 K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Autl. 1984, § 20 11 4; E. Schmidt-Aßmann, HdbStR, Bd. I, 1987, § 24 Rdnr. 21. 250 Vgl. die Aufzählung der einzelnen Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips bei K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Autl. 1984, § 20 IV; siehe auch P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnrn. D46f.;E. Schmidt-Aßmann,HdbStR, Bd. I, 1987, § 74 Rdnrn. 69 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Autl. 1993, Rdnrn. 192 ff.; MaunzfZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Autl. 1994, § 12 III.
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gibt sich hieraus die allgemeine Justizgewährleistungspflicht, da der Staat aufgrund seines Gewaltmonopols, der bürgerlichen Friedenspflicht und des Selbsthilfeverbots die Verpflichtung übernommen hat, für eine staatliche Schlichtung bestehender Streitigkeiten Sorge zu tragen. 251 In der Konkretisierung begründen sich weitere Anforderungen auch an das gerichtliche Verfahren. So muß das Gerichtsverfahren "fair"252 geführt werden und effektiven253 Rechtsschutz bieten. Zudem stellt das Rechtsstaatsprinzip an die Person des Richters die Anforderung, daß er unparteiisch ist,254 denn niemand darf in eigener Sache Richter sein. 255 Eine weitergehende Konkretisierung ist aus dem Rechtsstaatsprinzip jedoch nicht möglich. Zur genaueren Grenzbestimmung zwischen relevanten und unrelevanten Verbindungen des Richters zu einer Verfahrenspartei oder zum Verfahrensgegenstand muß daher auf die Untersuchung der Ausschluß- und Ablehnungsgründe verwiesen werden. 256 dd) Gesellschaftliche Kräfte Obwohl die Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Kräften unbestreitbar zum rechtsstaatlich geprägten Bild des Richters gehört, 257 versuchen viele Organisationen in offensichtlicher Art und Weise oder aber - was weitaus problematischer ist - unterschwellig auf die richterliche Entscheidungsfindung einzuwirken. Die Gesamtheitder politischen Parteien, Verbände, Vereine und Kirchen formen das gesamte öffentliche Leben meist mit thematisch begrenzten Zielen in nicht unerheblichem Maße mit. Verbraucherschützerund Industrieverbände, Mieterschutzorganisationen sowie Haus- und Grundbesitzervereine, Wirtschafts- und Berufs251 Vgl. oben 1 a bb. 252 Vgl. hierzu die Nachweise in FN 102. 253 Vgl. hierzu die Nachweise in FN 101. 254 W. Krekeler, NJW 1981,1633; BVerfGE 21,139 (146). 255 K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 43 IV 5 n; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl. Stand7/1994,Art.20Rdnr. 1186; BVerfGE 3,377 (381); 4, 331 (346); 14,56 (69); 57,170 (199). 256 So ausdrücklich BVerfGE 14, 56 (68); vgl. auch BVerfGE 21, 139 (146). 257 K. A. Bettermann, HGrR, Bd. III/2, 1959, S. 523 (525) - soziale Unabhängigkeit; K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 49 f. - "Sozialfreiheit" ; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 206ff.;R. Herzog, in: MaunzlDürig, GG, Art. 97 Rdnm. 39 ff., der die GeseUschaftsunabhängigkeit aber aus Art. 97 Abs. 1 GG herleitet; K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 43 II4 b y; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 276;R. Bernhard, RichteramtundKommunalmandat, 1983, S. 163;R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 86 f.; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 21; W. Schaffer, BayVBI. 1991, 641 (646); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr.109.
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verbände, Umweltschutzorganisationen und selbst Automobilclubs sowie viele andere Interessenverbände privater und öffentlicher Herkunft, sie alle üben nicht nur eine integrierende Funktion im pluralistischen Staat aus. 258 Um die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren, versuchen sie Einfluß nicht nur auf die politischen Entscheidungsträger zu nehmen. 259 Daneben äußern sie sich auch im Vorfeld anstehender Gerichtsverfahren ebenso wie in deren kritischer Nachbearbeitung. Nicht unbeabsichtigt ist dabei die Beeinflussung der Richter im Hinblick auf die jeweilige Denkrichtung. Dies gilt besonders für die obersten Bundesgerichte und das Bundesverfassungsgericht. Aufgrund der Vielzahl von politischen Parteien, Vereinen, Verbänden und religiösen Vereinigungen wird der Bundesrepublik Deutschland verschiedentlich nachgesagt, sie sei ein Verbändestaat geworden. 260 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Grundgesetz die Existenz und auch die Betätigung der Organisationen teils durch spezielle Bestimmungen, teils durch die allgemeine Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG schützt. So sind Bestand und Tätigkeit der politischen Parteien in Art. 21 GG verfassungsrechtlich ausdrücklich vorgesehen. Arbeitgeber-und Arbeitnehmerorganisationen unterstehen innerhalb der Funktionsgarantie dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG. Dieser ergibt sich für die Religionsgemeinschaften aus Art. 4, Art. 140 GG i. V .m. Art. 137WRV. Demgegenüber können sich andere Organisationen "nur" auf den allgemeinen Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG berufen. Dieser Grundrechtsschutzder Organisationen ist auch bei der Bewertung der Verbandstätigkeit und seiner AuswirkungenaufdieSpruchtätigkeitdes Richters zu berücksichtigen. Ebenfalls im gesellschaftlichen Bereich zu verorten sind die Einwirkungen der Medien auf die richterliche Streitentscheidung. 261 Vorberichterstattung zu 258 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 388; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. Aufl. 1984, § 13 IV 4.
259 HierzuD. Grimm, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 15 Rdnrn. 2 ff. Konnte K. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. Aufl. 1984, § 13 IV 4, noch von über 1000 bei der Bundestagsverwaltung registrierten Interessen- und Fachverbänden berichten, so ist diese Zahl heute auf 1553 gestiegen (Auskunft des Parlamentsdienstes des Bundestages vom 28.8.1995). 260 R.Brandis,DerRichteralsMitgliedder Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 18; siehehierzuK. Stern, Staatsrecht, Bd. 1,2. Aufl. 1984, § 13 IV 4, sowie eingehend auch D. Grimm, "Verbände", in: HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 15. 261 Meist wir dieses Problem der inneren Unabhängigkeit zugeordnet, vgl. R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 163; K. Stern, Staatsrecht, Bd. H, 1980, § 43 IV 2 b y; G.l1eiffer, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 67 (69); jedoch ist hierbei zu beachten, daß dieser Einfluß seine Quelle im gesellschaftlichen Bereich hat und nur die Auswirkungen sich bei der inneren Einstellung des Richters zeigen. Dies ist aber, wie gleich zu zeigen sein wird, bei allen äußeren Einflüssen der Fall.
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unmittelbar bevorstehenden Verfahren, einseitige Darstellung der Sachverhalte und Prozeßverläufe oder sogar Vorverurteilungen sind als Tatsachen ebensowenig zu bestreiten262 wie ihre Wirkung auf die Unvoreingenommenheit des Richters. Auch die nachträgliche Kommentierung und die damit häufig verbundene Urteilskritik ist auf Dauer nicht nur geeignet, das Ansehen der Richterschaft in der Bevölkerung zu schmälern, sondern auch die Entscheidungshaltung der Richter zu beeinflussen. 263 Jedoch stehen auch Presseveröffentlichungen unter verfassungsrechtlichem Schutz, Art. 5 Abs. I GG. Vergegenwärtigt man sich diese Vielfalt der möglichen Einwirkungen aus dem gesellschaftlichen Bereich auf die zur Entscheidung berufenen Richter, drängt sich die Einsicht auf, daß ein Schutz des Richters hiervor kaum oder vielleicht gar nicht möglich ist; denn das hieße, entweder verfahrensbezogene Äußerungen der Verbände oder Veröffentlichungen der Medien trotz ihres verfassungsrechtlichen Schutzes zu verbieten oder aber die Richter einzusperren, um sie vor Beeinflussungsversuchen zu bewahren. Geht man über das Problem der praktischen Realisierung dieser nur theoretisch vorhandenen Möglichkeiten hinweg, stellt sich die weitere Frage, ob das Ergebnis überhaupt wünschenswert ist. Dies wäre wohl zu verneinen: 264 Die Forderung nach gesellschaftlicher Distanz sieht den Richter in seinem Amtszimmer, ausgeschlossen von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischenEntwicklungen, allein mit seinen Gesetzestexten und Kommentaren Sachverhalte beurteilen, weltfremd und weit entfernt vom Zeitgeist. Der Richter war und ist aber Mitglied der Gesellschaft, die aktuelle Rechtsfragen an ihn heranträgt. Sperrt man den Richter aber ein, so wächst nicht nur seine Gesellschaftsferne, sondern auch die Gefahr, daß er seine auf unzureichende Information basierende individuelle Vorstellung verabsolutiert. 265 Da aber Gesetzespositivismus und Justizsyllogismus vergessen sind und die Aufgabe des Richters nach dem heutigen Verständnis der Rechtsanwendung in einer aktuellen Ge-
262 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 50; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 109. 263 R. Stürner,JZ 1978,161 (164- These 1);ders.,JZ 1980, 1 ff.; E. G. Mahrenhoiz, NJ 1992, 1 (3); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 109. Der Anteil kritischer Auseinandersetzungen mit Urteilen belief sich nach Friske/Herr, DRiZ 1990, 331 (334), im Jahr 1989aufca. 3,2 % der 2428 untersuchten redaktionellen Beiträge. 264 R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 86; ders., AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 97 Rdnr. 82; G. Pfeiffer, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 67 (73); im Ergebnis wohl auch O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 109. 265 R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 87; ders., AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 97 Rdnr. 82; J. Ihomas, Richterrecht, 1986, S. 25.
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setzesauslegung unter Zugrundelegung der verbürgten Werte besteht,266 bedarf es eines über alle entscheidungsrelevanten Umstände und Argumente informierten Richters. Nur der mit dem Zeitgeist vertraute Richter kann die sich gegenüberstehenden Argumente in ihrer Gewichtung abschätzen und entsprechend bewerten, um Beeinflussungsversuche erkennen und ihnen entgegnen zu können. Die umfassende Informiertheit bietet daher die beste Gewähr für eine abgewogene Entscheidung. 267 Ihn von Informationsquellen abzuschneiden, begründet daher eine größere Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit als die versuchten Einflußnahmen durch die einseitig ausgewählte und vorgetragene Information selbst. Auch ein an die Medien gerichtes Verbot der Entscheidungskritik würde dem Zweck der Rechtsprechung nicht dienen. Die Fähigkeit, Kritik hinzunehmen und ihr sachlich zu entgegnen, stärkt die Autorität und Glaubwürdigkeit des Richters, dessen Ansehen und nicht zuletzt auch das Vertrauen in die materielle Richtigkeit der Entscheidung. 268 Demgegenüber führt ein Kritikverbot nur zu Unsicherheiten bei den Prozeßparteien und der übrigen Bevölkerung. Die Befriedungsfunktion der Rechtsprechung wäre ernsthaft gefährdet. Die mit den Eingriffen gesellschaftlicher Kräfte, insbesondere der Medien, in den richterlichen Entscheidungsvorgang verbundenen Gefahren finden im Bonner Grundgesetz keinen Niederschlag. Im englischen Recht hingegen kann der Richter von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei bzw. des Anklägers Beeinflussungsversuchen der Medien nach den Regeln des "contempt of court" entgegentreten. Hiernach hat das Gericht die Kompetenz, "Geld- oder Freiheitsstrafen zu verhängen und sichernde Anordnungen zu treffen, wenn jemand durch öffentliche Äußerungen oder Handlungen die faire Verwirklichung des Rechts zu beeinflussen oder gar zu stören beabsichtigt oder wenn er auch nur die objektive Gefahr einer solchen Beeinflussung oder Störung heraufbeschwört" .269 Mit dieser Einrichtung hat der englische 266 Vgl. oben c aa, ee. K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 52; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 87; ders., AK-GG, 2. Aufl.1989,Art.97Rdnr. 82; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 21 I 2 a; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr. 101; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 4; vgl. auch BVerfG, NJW 1989, 93. 268 K. Zweigert, in: Festschrift für F. v.Hippel, 1967, S. 711 (720), der zwischen laufenden und abgeschlossenen Verfahren differenziert. Bei letzteren sieht er nur die Grenzedes "gutenGeschmacks";R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 86; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 21 12 b; E. G. Mahrenholz, NJ 1992, 1 (3); O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnr. 109. 269 R. Stürner, JZ 1978, 161 (161 f.). 267
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Richter ein schlagkräftiges Instrument in Händen, Störungen des Gerichtsverfahrens durch sachfremde Einflußnahmen zu unterbinden. Dieses Rechtsinstitut beruht auf dem Wissen um die Menschlichkeit des Richters. 270 Jedoch ist es dem deutschen Verfassungs- und Prozeßrecht fremd, 271 da es auf das angelsächsische Geschworenensystem zugeschnitten ist und nicht auf das deutsche Gerichtsverfahren übertragen werden kann. Deshalb sind Bestrebungen zur Einführung einer vergleichbaren Einrichtung in das deutsche Verfahrensoder Gerichtsverfassungsrecht gescheitert. 272 ee) Unvermeidbare Persönlichkeitselemente Neben den Außeneinflüssen staatlicher Stellen, der Prozeßparteien und gesellschaftlicher Organisationen liegen auch in der Person des Richters selbst außergesetzliche Einflüsse begründet. Er ist Mensch und als solcher bringt er in das Amt persönliche Bedingungen ein, die für sein Entscheidungsverhalten von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind. Dieses "Humanum "273 ist ein Zusammenspiel von Umständen aus der Herkunft, des sozialen Umfeldes, der Konfession, der Erziehung, der juristischen Ausbildung und Solidarisierung sowie der beruflichen und privaten Erfahrungen. 274 Niemand kann sich hiervon freisprechen, und Einwirkungen auf die Entscheidungshaltung des Richters sind nicht zu leugnen. So wird das Opfer einer Trunkenheitsfahrt als
270 K. Zweigert, in: Festschrift für F. v.Hippel, 1967, S. 711 (720). 271 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97 Rdnr. 44;R. Stürner, JZ 1978,161 (163, 168 f.); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 92; ders., AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 97 Rdnr. 88; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 66; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 21 II 2 f; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (647); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl 1994, § 1 Rdnr. 109. 272 R. Stürner,JZ 1978,161 (163, 168 f.); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 94; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 66. 273 K. Zweigert, in: Festschrift für F. v.Hippel, 1967, S. 711 (715); R. Bernhard, RichteramtundKommunalmandat, 1983, S.163, S. 71, nennt es "forum internum"; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 276; G. Pfeiffer, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 67 (69). Für den Bereich des Ablehnungsrechts spricht R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 163 ff., von einem "strukturbedingten subjektivpersönlichen Element". 274 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960,S. 52;K. Zweigert, in: Festschrift für F. v.Hippel, 1967, S. 711 (715 f.); W. Geiger, DRiZ 1979,65 (66);R. Bernhard, RichteramtundKommunalmandat, 1983, S. 163; K. Rudolph, DRiZ 1984, 135 (141); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 87; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 25; G. Pfeiffer, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 67 (69); G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 67 f.; O. R. Kissei, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnrn. 157 ff.
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Verkehrsrichter den Alkoholgenuß eines Autofahrers strenger bewerten als ein bisher unbetroffener Richter. Ein gläubiger Katholik wird Ehescheidung und Schwangerschaftsunterbrechung aus einem anderen Blickwinkel betrachten als ein Atheist. Soziale Fragen beurteilt ein Kind reicher Eltern anders als der Sohn eines armen Bauern. 275 Zu diesen Fragen wurden verschiedene sozialwissenschaftliehe Untersuchungen276 durchgeführt, deren Ergebnisse teils kritisiert, teils mit Zustimmung und Bestätigungen aus eigenen Erfahrungen zur Kenntnis genommen wurden. Letztlich dürfte aber die Flut der Arbeiten die tatsächliche Bedeutung der unvermeidbaren Persönlichkeitselemente für die konkrete Entscheidung weit übertreffen. 277 Auch die unvermeidlichen Persönlichkeitsmerkmale haben keinen ausdrücklichen Niederschlag im Grundgesetz gefunden. Um ihre Auswirkungen auf die richterliche Tätigkeit möglichst einzudämmen - ganz auszuschließen sind sie nicht -, besteht die Aufgabe des Richters darin, sich dieser Enflüsse auf die Urteilsfindung bewußt zu werden und sich mit ihnen kritisch auseinanderzusetzen .278 Bei seinen Entscheidungen hat er ihre eventuellen Auswirkungen zu bedenken. Dieses kritische Bewußtsein wird im Zusammenspiel mit der juristischen Ausbildung, dem Berufsverständnis und der Kollegialität der meisten Spruchkörper ausreichen, Gefahren für die Unabhängigkeit frühzeitig zu vermeiden. 279
275 Vgl. hierzu die Beispiele bei K. Zweigert, in: Festschrift für F. v.Hippel, 1967, S. 711 (717). 276 Vgl. die Nachweise bei K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 11 4 b y; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 207.
277 So ausdrücklich im Ergebnis N. Achterberg , BK, Art. 92 (Z weitbearb. 1981) Rdnr. 276; vgl. auchK. Stern, Staatsrecht, Bd. 11,1980, § 43 11 4 b y; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 25. 278 K. Zweigert, in: Festschrift für F. v.Hippel, 1967, S. 711 (718); D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1972, S. 226; R. Bernhard, Richteramtund Kommunalmandat, 1983, S. 163; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 25; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 22 II 2 f.; G. Pfeiffer, in: Festschrift fürW.Zeidler, 1987,S. 67 (72 f.); W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (648); W. Heyde, HdbVerfR,2.Aufl.1994, §33 Rdnr. 77; O. R. Kissel, GVG,2.Aufl.1994, § 1 Rdnr.109. 279 W. Geiger, DRiZ 1979, 65 (66); K. Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 43 II 4 b y; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnm. 92,276; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 86; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 25; W. Schaffer, Bay VBI. 1991, 641 (648), charakterisiert es als Frage der Persönlichkeit und der charakterlichen Haltung.
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ff) Ergebnis: Die innere Freiheit zur alleinigen Bindung an das Gesetz als Richterbild des Grundgesetzes Ausgangspunkt zur Bestimmung der Funktionsanforderungen, die das Grundgesetz an den Richter stellt, ist Art. 97 GG, der das Gesetz zum Maßstab jeder richterlich-rechtsprechenden Tätigkeit bestimmt. Die Bindung an das Gesetz ist gleichzeitig Autoritäts- und Legitimationsgrundlage für den Richterspruch. Der Richter aber ist als Mitglied der Gesellschaft Einflüssen ausgesetzt, die darauf drängen, bei seiner amtlichen Tätigkeit andere Momente als die, die sich aus dem Gesetz ergeben, zu berücksichtigen. Staatliche Stellen, Prozeßbeteiligte und die unterschiedlichsten Interessenverbände bemühen sich, Einfluß auf die Prozeßführung, die Tatsachenabwägung, die Beweiswürdigung und die richterliche Beurteilung von Rechtsfragen zu nehmen. Hinzu treten die unvermeidbaren Persönlichkeitselemente, die die GrundeinsteIlung und die Gefühle des einzelnen Richters prägen. Diese Beeinflussungen liegen teilweise offen, teilweise geschehen sie aber auch verdeckt. Bedeutsam und zugleich bedenklich sind aber nur diejenigen Einwirkungsversuche, denen der Richter Folge leistet,280 die also bei der Urteilsfindung ganz oder teilweise die Funktion des Gesetzes übernehmen. Nur die an diesem Maßstab ausgerichteten Entscheidungen unterliegen nicht mehr nur der Bindung an das Gesetz. Demgegenüber sind die erfolglosen Einwirkungsversuche als solche unabhängig von ihrer Form, ihrem Inhalt und ihrer Intensität grundsätzlich unbedeutend, da ihre Existenz allein keine Auswirkung auf das Entscheidungsverhalten des Richters hat. So wie der Richter, der direkten Manipulationsversuchen ausgesetzt ist, dennoch seine Entscheidung allein dem Gesetz unterwerfen kann, gewährleistet selbst der scheinbar unbeeinflußte Richter nicht den Ausschluß gesetzesfremder Überlegungen. Eine Person entspricht daher dem Richterbild des Grundgesetzes nur, wenn sie sich bei ihrer Amtstätigkeit der außerrechtlichen Beeinflussungen und persönlichen Vorgaben bewußt wird und sich hiervon in ihrem Denken löst, um die Entscheidungen nur an den Maßstäben von Gesetz und Recht zu fällen. Diese Idealvorstellung von der Urteilsfindung im "forum internum"281 des Richters umschreibt aber nicht alle Gesichtspunkte des grundrechtlichen Richterbildes. Sie bedarfzur Vervollständigung einer Ergänzung. Um der Gefahr vor280 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960,S. 51;K. Zweigert, in: FestschriftfürF.v.Hippel, 1967, S. 711 (716); G. Pfeiffer, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 67 (71); so wohl auch K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 1980, § 43 ll4 b y, wenn er Einflüsse gesellschaftlicher Kräfte der inneren Unabhängigkeitzurechnet; gleiches gilt für R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 163. 281 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1980, S. 71. 9 Klaas
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zubeugen, ein rein theoretisches, von der Rechtsprechungswirklichkeit abgehobenes, unrealistisches und zudem nicht justiziables282 Richterbild zu entwerfen, muß in die Bestimmung des funktionsrechtlichen Gesamtbildes die Zielsetzung der richterlichen Tätigkeit mit einbezogen werden. Die Anforderungen an die richterliche Stellung verfolgen keinen Selbstzweck. Sie dienen der Erfüllung der Justizgewährleistungspflicht zur Befriedung der rechtsuchenden Menschen. Dabei reicht es nicht aus, die Pflicht formal zu erfüllen, indem eine Person zur Entscheidung des Einzelfalles bestimmt wird, die, mag sie auch noch so unbeeinflußt von äußeren Umständen sein, inden Augen einer vernünftig denkenden Verfahrenspartei diese Gewähr nicht bietet. Die Befriedungswirkung des Urteils wäre hier dennoch in Frage gestellt. Hinzukommen muß vielmehr die Akzeptanz des Urteils bei den Parteien, die nur erreicht wird, wenn auch nach deren Überzeugung die urteilende Person die Gewähr für eine nur am Gesetz ausgerichtete Entscheidung mitbringt. Wer Richter im Sinne des Grundgesetzes ist, bestimmt sich daher nicht nur nach der inneren Freiheit von außergesetzlichen Einflüssen, sondern auch nach der (objektivierten) Bewertung durch die Verfahrensbeteiligten .283 Aus diesem Grund stellen sowohl die Vorschriften über die Richterablehnung als auch die über die dienstrechtliche Zurückhaltungspflicht nicht auf objektive Momente ab, um einen Ablehnungsantrag stattzugeben oder eine Dienstpflichtverletzung zu bejahen. Vielmehr entscheidet hierüber das Mißtrauen in die Unparteilichkeit bzw. das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richters. Ob und wieweit dabei der Maßstab für das Mißtrauen bzw. das Vertrauen objektiviert werden muß, mag hier noch dahinstehen. Jedenfalls zwingen diese Regelungen, als einfachgesetzliche Teilkonkretisierungen des grundgesetzlichen Richterbildes, zur Abkehr von rein objektiven Maßstäben bei dessen Charakterisierung. Dem Idealbild des Richters entspricht daher nur diejenige Person, die ihre Entscheidung ausschließlich orientiert am Gesetz trifft Hierzu gehört in der Vorbereitung das Bestreben, sich aller beeinflussenden Umstände bewußt zu werden und kritisch mit ihnen umzugehen. Dabei liegt die Schwierigkeit in der Gradwanderung, nach außen hin nicht den Einduckzu erwecken, daß die außergesetzlichen Einflüsse zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden. Diese Forderung ist nicht leicht zu erfüllen und es bedarf einer fortwährenden Selbstdisziplin, ihr im amtlichen Richteralltag zu genügen. Die funktionsrechtliche Stellung des Richters nach der Vorstellung des Grundgesetzes gipfelt daher letzt-
282 E. G. Mahrenholz, NJ 1992, I (2). 283 H.-1. Wipjelder, DRiZ 1982, S. 143 (144, 147); R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 71.
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lich in der inneren Freiheit von gesetzesfremden Einflüssen. 284 Sie zu erreichen ist die Lebensaufgabe eines jeden Richters. 285
d) Begrifflichkeit: Neutralität statt Unabhängigkeit Nachdem festgestellt werden konnte, daß sich die funktionsrechtliche Stellung des Richters über die Freiheit von staatlichen Weisungen in sachlichen und persönlichen Fragen auf die persönliche und sachliche Distanz zu den Prozeßparteien und dem Verfahrensgegenstand erstreckt und darüber hinaus der Richter Zurückhaltung im öffentlichen Umgang mit gesellschaftlichen Problemen üben sollte, kann nunmehr versucht werden, den funktionsrechtlichen Status des Richters begrifflich zu umschreiben. Der Begriff Unabhängigkeit selbst scheidet als umfassende Beschreibung aus. Er ist durch Art. 97 GG mit der Freiheit von staatlichen Einflußnahmen auf die richterliche Tätigkeit belegt. 286 Auch die unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Einflußquellen bisher verwendeten Umschreibungen wie Überparteilichkeit,287 Objektivität,288 Selbständigkeit und Eigenständigkeit,289 Unabhängigkeit im engeren und weiteren Sinn,29O organisatorische Selbständigkeit291 sowie sachbezogene Unvoreingenommenheit292 leiden unter dem Mangel, nicht den gesamten Bereich aller jeweils möglichen Einflußquellen und 284 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 52. 285 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, s. 52; vgl. auchK. Zweigert, in: Festschrift für F. v.Hippel, 1967, S. 711 (718); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 86; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 25; G. Pjeijfer, in: FestschriftfürW. Zeidler, 1987, S. 69 (73);E. Träger, ebda, S. 123 (125); W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (648). 286 Vgl. hierzu oben c bb. 287 B. Eisenblätter, Die Überparteilichkeit des Bundesverfassungsgerichts, 1976, passim.; BVerfGE 42, 64 (78). 288 E.-W. Böckenjörde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 1974, S. 98 f.; D. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 76; vgl. hierzu auch die Ausführungen von J. Riedei, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 40 ff. 289 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 45 ff. 290 N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981)Rdnr. 271;R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 30, 41. 291 R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rdnr. 74, Art. 97 Rdnr. 10, der diese allerdings nicht in Art. 97 GG verortet, sondern auf Art. 20 Abs. 2 Satz 2 zurückgreift; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 268. 292 G. Barbey, HdbStR, Bd. III, 1988, § 74 Rdnr. 40.
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deren unterschiedliche Wirkungsweisen abdecken zu können, oder, positiv formuliert, sich auf einzelne Bereiche zu beschränken. Auch die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, das in ständiger Rechtsprechung vom "unbeteiligten Dritten, der Distanz zum Staat und den Parteien wahren muß" , spricht,293 kann nicht herangezogen werden. Das Gericht selbst stellt diese Umschreibung "neben die Weisungsfreiheit und das gekennzeichnete Maß institutionell gesicherter persönlicher Unabhängigkeit", 294 also neben die Unabhängigkeit im Sinne des Art. 97 GG. Damit ergibt erst die Summe aus Unabhängigkeit und unbeteiligtem Dritten die funktionsrechtliche Stellung in ihrer Gesamtheit. Um alle Quellen möglicher Einwirkungen auf die richterliche Tätigkeit auch terminologisch zu erfassen, soll hier das Richterideal des Grundgesetzes mit dem Begriff der Neutralität umschrieben werden. 295 Gegen die Verwendung dieses Begriffes werden Bedenken angemeldet, die aberunbeachtlich sind. Der Richter sei bei seiner Entscheidung nie neutral, da er sich im Verfahren gerade für eine Partei entscheiden müsse. 296 Jedoch verkennt dieser Argumentationsansatz, daß das richterliche Urteil, auch wenn es nur einer Prozeßpartei Recht gibt, gerade auf einer neutralen Rechtsfindung be293 BVerfGE3, 377 (381); 4, 331 (346); 14, 56 (69); 18, 241 (255); 21, 139 (145 f.); 26,186 (198); 27,312 (322); 42, 206 (209); 54,159(166); 60, 175 (202 f.); 67, 65 (68); 87,68 (85). Vgl.auchK. A. Bettermann,HGrR,Bd. ill/2, 1959, S. 523 (526); N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 270; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 14 c m.w.Nachw.; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr. 77. 294 BVerfGE 4, 331 (344); vgl. auch A. Bleckmann, Staatsrecht I - Staatsorganisationsrecht, 1993, Rdnr. 1764. 295 DiesenBegriffverwendenauchK. A.Bettermann,HGrR, Bd. ill/2, 1959, S. 523 (525); ders., EvStL., 3. Aufl1987, Artikel "Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt", Sp. 2773 (2779); K. Schlaieh, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 59ff.;E.-W.Böckenjörde, Verfassungsfragender Richterwahl, 1974, S. 98; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, §43 114; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981)Rdnrn. 264 ff.; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 155 ff.; W. Heyde, HdbVerfR,2. Aufl.1994, §33 Rdnr. 77. K. Eichenberger, Die richterliche UnabhängigkeitalsstaatsrechtlichesProblem, 1960,S. 25,100, sieht in Unabhängigkeit und Neutralitätje besondere Institute ohne gegenseitige Übereinstimmung. Vgl. BVerfGE 42, 64 (78),unterHinweisauf21, 139(145 f.); 26,186 (199 ff.); 27, 312 (323 f.); siehe auch BVerfGE 48, 300 (325); 52, 131 ( 161); 54, 159 (169); 87, 68 (85). 296 M. Kriele, NJW 1976,777; K. Krützmann, DRiZ 1985,201 (202); P. Dagtoglou, in: Festgabe für E. Forsthoff, 1967, S. 65 (66 f.); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S.163; ders.,AK-ZPO, 1987, §42Rdnr. 8; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 12 f.; BVerfGE 18,241 (254 f.); 21,139 ( 146); 26, 186 (199); 42, 206 (210).
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ruht. Es entscheidet zwar der Richter zugunsten einer Partei; jedoch ist diese Entscheidung losgelöst von der jeweiligen Partei, bezogen nur auf eine bestimmte Tatsachenkonstellation. Damit entscheidet der Richter neutral zwischen den von den Parteien vorgetragenen Fakten. Die gegen die Verwendung des Begriffs "Neutralität" vorgebrachten Einwendungen sprechen daher eher für die Verwendung dieses Begriffs. Der Begriff "Neutralität" soll daher hier in seinem umfassenden, auf alle möglichen Einflüsse bezogenen Sinne verstanden werden. 3. Verfassungsrechtliche Sicherung der Neutralität des Richters
Die funktionsrechtliche Stellung des Richters nach der Vorstellung des Grundgesetzes entfaltet nach den bisherigen Untersuchungen zwei Wirkungsrichtungen. Sie berechtigt den Richter, außergesetzliche Einflußnahmen abzuwehren; sie verpflichtet ihn aber gleichzeitig, seine Entscheidungen ausschließlich nach den Vorgaben des Gesetzes zu treffen. Zur Sicherung beider Positionen enthält das Grundgesetz Regelungen, deren Schutz aber nicht lückenlos ist.
a) Der Schutz des Richters durch Art. 97 GG Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß außergesetzliche Einflüsse unterschiedlichster Herkunft auf die richterliche Entscheidung einwirken. Um die verfassungsrechtliche Aufgabenerfüllung des Richters auf eine möglichst breite Basis zu stellen, erstrecken einige Autoren den Anwendungsbereich des Art. 97 Abs. 1 GG nicht nur auf staatliche, sondern auch auf nichtstaatliche Einflußquellen. Dieser Form einer "Drittwirkung"297 stehe auch der einschränkende Wortlaut des Art. 97 Abs. 1 GG nicht entgegen, da veränderte Verhältnisse, insbesondere der gesteigerte Umfang nicht-staatlicher Einflußquellen auf die Rechtsprechung, eine Anpassung der Norm erfordere. 298 Die Wirkungs richtung des Art. 97 Abs. 1 GG erstreckt sich jedoch nur auf die Freiheit des Richters vor Weisungen seitens staatlicher Gewalten. Dies gilt so-
297 D.Brüggemann,DierechtsprechendeGewalt, 1962, S. 85; ders., Judex statutor undjudex investigator, 1968, S. 82;H. Ridder, DuR 1973, 243 ff.;R. Herzog, in: Maunz! Dürig, GG, Art. 97 Rdnrn. 12, 39; vgl. auch W. Geiger, DRiZ 1979, 65 (66); H.-J. Wipfelder, DRiZ 1982,143 (146 f.) - bezug nehmend auf die Kommentierung von Gerichtsentscheidungen durch die Medien; nicht eindeutig W. Schaffer, Bay VBI. 1991,641 (646).
298 Hierzu vgl. K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 75 ff.; H. Kollhosser, Verfahrensbeteiligte, 1970, S. 75 ff.; H. Ridder, DuR 1973, 239 (243); vgl. auch M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 2111 1.
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wohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts299 als auch nach der Mehrzahl der im Schrifttum vertretenen Ansichten. 300 Eine Drittwirkung des Art. 97 Abs. 1 GG wird dabei mit einer Vielzahl zutreffender Argumente bestritten. 301 Hilft der Wortlaut dieser Verfassungsnorm bei der Auslegung nicht weiter, hat jedoch die historische Entwicklung der richterlichen Unabhängigkeit 302 gezeigt, daß diese nach der Einführung des Beamtenrichtertums im Absolutismus als Schutz vor der Kabinettsjustiz und den Machtsprüchen des Herrschers sowie später auch gegen eine parlamentarische Kontrolle der Justiz gerichtet war. 303 Auch Art. 102 WRV richtete sich lediglich gegen Eingriffe von staatlicher Seite. 304 Ob das Grundgesetz dies ändern wollte, kann den Materialien hierzu nicht entnommen werden. Jedoch legt das Schweigen der Ver299 BVerfGE3,213 (224); 12,67(71); 14,56(69); 26,186 (198); 31,137 (140); 36, 174 (185); 38,1 (21); 49, 304 (318). 300 K. Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, 1960, S. 42, 255; GernerlDeckerlKauffmann, DRiG, 1963, § 25 Rdnr. 5; H. Holtkotten, BK, Art. 97 (Erstbearb. 1968) Anm. 11 1 a; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 43 114da,Bd.I,2.Autl.1984,§ 20 IV 5 d y; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 220 f.; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 272; W. Meyer, in: I. v .Münch, GG-Komm., Bd. 3, 2. Autl. 1983, Art. 97 Rdnr. 6; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 70; ders., AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 97 Rdnr. 22; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 19 I; G. Barbey, HdbStR, Bd. III, 1988, § 74 Rdnr. 31; MühllArndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil5, T § 25 Rdnr. 5; W. Schaffer, BayVBI. 1991,641 (645); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungs rechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Autl. 1993, Rdnr. 554; O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnrn. 9, 39; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Autl. 1994, § 33 Rdnr. 79; Leibholzl RincklHesselberger, GG-Komm., 7. Autl. Stand 7/1994, Art. 97 Rdnr. 27; G. SchmidtRäntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 25 Rdnr. 3; Schmidt-BleibtreuIKlein, GG-Komm., 8. Autl. 1995, Art. 97 Rdnr. 2. 301 H. Kollhosser, Verfahrensbeteiligte, 1970, S. 74; D. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 177; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 223 f.; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 166 f.; FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 39; MühllArndt, in:GKÖD,Bd.l, Teil5, T§25Rdnr. 7; O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnrn. 39 ff. 302 Vgl. oben a. 303 E. Kern, Der gesetzliche Richter, 1927, passim; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 221; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 167; E. Träger, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 123 (124); R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 101 Rdnr. 1. 304 F. Poetzsch-He!fter, Handkommentar zur Reichsverfassung, 3. Autl. 1928, Art. 102 Anm. 3; F. Giese, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, 8. Autl. 1931, Art. 102Anm.2;H.Mende,HdbDStR,Bd.2,1932,S. 77(80); G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919,14. Autl. 1933, Art. 102 Anm. 2, 3.
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fassungsväter die Vermutung nahe, daß auch weiterhin der herrschenden Meinung zu Art. 102 WRV gefolgt werden sollte. Auch systematische Überlegungen über die Zugehörigkeit der Art. 92 ff. GG zum Gewaltenteilungsprinzip unterstützten diese Position. 305 Die Gewaltenteilung, auch wenn sie heute nicht in der strengen Form im Sinne Montesquieus, sondern mehr im Sinne einer gegenseitigen Hemmung und Kontrolle der Staatsgewalten verstanden wird,306 stellt das tragende Konstruktionsprinzip der staatlichen Ordnung dar. 307 Neben den Art. 92 ff. GG, die die Rechtsprechung in besonderer Weise von den anderen Gewalten abgrenzen, treffen die Art. 70 ff. GG für die Legislative und die Art. 83 ff. GG für die Exekutive grundlegende Organisationsbestimmungen als Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Diese stehen neben den das Grundverhältnis zwischen Staat und Bürger konstituierenden Grundrechten308 und entfalten vorrangig staatsinterne Wirkungen. Art. 97 Abs. 1 GG auf andere als staatlich verursachte Beeinträchtigungen auszudehnen bedeutete daher einen nicht begründbaren Systembruch . Letztlich bestehen auch aus der Grundkonzeption der Drittwirkungslehre Bedenken gegen deren Anwendung im Bereich des Art. 97 Abs. 1 GG, denn auszugehen ist von der grundrechtsspezifischen Anwendung der Drittwirkungslehre und ihrer Wirkung im Verhältnis der Bürger untereinander . Demgegenüber enthält einerseits Art. 97 Abs. 1 GG eine staats interne Organisationsregelung. 309 Andererseits würde über die Driuwirkunglehre der Anwendungsbereich einer staatsintern wirkenden Regelung auf das Verhältnis Bürger-Staat ausgedehnt. Insge-
305 K. A. Bettermann, HGrR, Bd. IIII2, 1959, S. 523 (530); J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980,S. 22; W. Heyde, HdbVertR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr. 4; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 1. 306 K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 20 IV 3 a, Bd. 11, 1980, § 36 III 3 m.w.Nachw.;LeibholzIRinckIHesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 3/1990, Art. 20 Rdnr. 461; Schmidt-BleibtreuIKlein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 20 Rdnr. 19; BVerfGE 3, 225(247);7,183(188);30,1 (28); 34, 52 (59); 49,89 (124); weitergehend K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnrn. 475 ff., 482; ihm folgendE. Schmidt-Aßmann, HdbStR, Bd I, 1987, § 24 Rdnr. 50; vgl. auch BVerfGE 68, 1 (86). 307 C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 127; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 36 III 1. 308 K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 36 III 1. 309 M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 21 11 1; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 167; dies ergibt sich auch aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, der eine Verfassungsbeschwerde wegen der Verletzung des Art. 97 Abs. 1 GG nicht zuläßt.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
samt stehen daher erhebliche rechtstheoretische Bedenken dieser Drittwirkungsinterpretation entgegen. 310 Der Anwendungsbereich des Art. 97 Abs. 1 GG ist daher auf die Abwehr staatlicher Weisungen beschränkt. Beeinflussungsversuche von Seiten der Prozeßparteien oder gesellschaftlicher Kräfte muß der Richter sich selbst vergegenwärtigen und bei seinen Entscheidungsüberlegungen ausschließen.
b) Der Schutz der Prozeßparteien Oben konnte festgestellt werden, daß das Richterbild des Grundgesetzes durch die Befriedungsfunktion der Rechtsprechung mitgeprägt ist. Hierdurch wird eine Beziehung zwischen Richterstatus und Prozeßparteien hergestellt, die einerseits den Richter verpflichtet und andererseits die Prozeßparteien berechtigt, indem sie deren Rechte sichert. 311 Ausprägung dieser Berechtigung ist Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, der den Prozeßparteien das Recht auf den gesetzlichen Richter einräumt. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geht zurück auf § 16 GVG aus dem Jahre 1877. 312 Dessen Grundgedanke entstammt dem Kampf von Aufklärung und Liberalismus gegen die Willkürjustiz des Absolutismus und namentlich gegen die Kabinettsjustiz und ihre Machtsprüche. 313 Seine verfassungsrechtliche Verbürgung fand der Gedanke der Gewährleistung des gesetzlichen Richters erstmals in Art. 105 Satz 2 WRV, der unmittelbare Vorlage für Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG war. 314 Diese Bestimmung steht in engem Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip 315 und der Forderung nach von allen außergesetzlichen Einflüssen unabhängi310 So bereits J. Riedei, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 223; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 166 f.; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 21 H I. 311 So ausdrücklich G. Barby, HdbStR, Bd. III, 1987, § 74 Rdnr. 59. 312 E. Kern, Der gesetzliche Richter, 1927, S. 185 ff.; ders., HdbDStR, Bd. H, 1932, S. 475 (491 f.); Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 101 Rdnr. 1; R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 101 Rdnr. 1; BVerfGE 82, 286 (298). 313 H.-J. Wipjelder, VBIBW 1982, 33; G. Barbey, HdbStR, Bd. III, 1987, § 74 Rdnm. 59ff.;R. Wassermann,AK-GG,2.Autl. 1989,Art. 101 Rdnr. 1; BVerfGE4, 412 (416); 10,200 (213); 17,294 (299); 82,186 (198). 314 Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 101 Rdnr. 1; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 7 I 1; R. Wassermann, AK-GG, 2. Autl. 1989, Art. 101 Rdnr. I. 315 K. A. Bettermann, AöR Bd. 94 (1969), S. 263; Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 101 Rdnr.ll;K. Stern,Staatsrecht, Bd. n, 1980, § 43 n 5 b a; H.-J. Wipjelder, VBIBW 1982, 33; Ph. Kunig, in: v.Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Autl. 1983, Art.
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gen Gerichten und Richtern. Sie gehört daher als wesentliches Strukturprinzip 316 zu den grundlegenden Verfassungsbestimmungen. Diese herausragende Stellung unterstreicht Art. 93 Abs. 1 Nr. 4aGG durch die Aufnahme der Garantie des gesetzlichen Richters in den Katalog der verfassungsbeschwerdefähigen Rechte. 317 Die Vorstellung vom "gesetzlichen Richter" unterlag im Verlauf der verfassungsrechtlichenEntwicklungeiner Wandlung. § 16 GVG in der Fassung vom 27.1.1877 verstand hierunter die Person, die aufgrund einer normativen, abstrakt-generellen Vorherbestimmung zur Entscheidung eines Rechtsstreits berufen war. 318 Diese Vorschrift war ausschließlich eine Zuständigkeitsbestimmung, mit deren Hilfe sachfremde Einflüsse auf die Entscheidung durch Verletzung oder Manipulierung der Zuständigkeitsordnung verhindert werden sollten. Gleiches galt auch für Art.105Satz2WRV, unter dessen Geltung der "gesetzliche Richter" derjenige Richter war, der durch allgemeine Normen bestimmt wurde. 319 Zu diesem System der normativen Vorausbestimmung 320 des Richters
101 Rdnr. 1; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 7 I 1; E. Träger, in: Festschrift W. Zeidler, 1987, S. 123 (125); R. Wassermann, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 101 Rdnr. 8; H. Hili, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 156 Rdnr. 50; Schmidt-Bleibtreul Klein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 101 Rdnr. 4; BVerfGE 4, 412 (416); 27, 355 (362); 40, 356 (360); 82, 286 (298). 316 SoausdrücklichR. Wassermann,AK-GG,2.Aufl.1989, Art. 101 Rdnr. 10; vgl. auchR. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 81. 317 Terminologische Diskussionen aufgrund der Stellung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG außerhalb des Grundrechtskataloges ändern nichts an der Bedeutung dieser Bestimmung. "Grundrecht"- HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Aufl. 1970, Art. 101 Anm. A 4; H.-u. Gallwas, Grundrechte, 1982, S. 81 (2.4.3.); "grundrechtsähnliches Recht"- K. Stern, Staatsrecht,Bd. II, 1980,§43115da;Th.Maunz, in: Maunz/ Dürig,GG,Art.101 Rdnr. 6; R. Wassermann, AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 101 Rdnr. 10; K.-H. Seifert, in: Seifert/Hömig, GG, 5. Autl. 1994, Art. 101 Rdnr. 2; "grundrechtsgleiches Recht"- I. v.Münch,GrundbegriffedesStaatsrechtsl,S.176;H.-J. Wipfelder, VBIBW 1982, 33;M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 7 14; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht, Bd. rn/I, 1988, § 63 IV 2 d; PierothlSchlink, Grundrechte - Staatsrecht 11, 11. Autl. 1995, Rdnr. 1137. Das Bundesverfassungsgericht ist uneinheitlich: BVerfGE 21, 362 (373) - objektiver Verfassungs grundsatz; BVerfG, NJW 1982,2173 (2174) -grundrechtsähnlichesRecht; BVerfGE 14,145 (161 f.); 21, 139(143) - Grundrecht; BVerfGE28, 314 (323) - prozessuales Grundrecht; BVerfGE 82, 286 (298) - Verfahrensgarantie. 318 BVerfGE82, 286 (298).
319 E. Kern, Der gesetzliche Richter, 1927, S. 154 ff.; ders., HdbDStR, Bd. 11, 1932, S. 475 (492); F. Poetzsch-Hejfter, Handkommentar zur Reichsverfassung, 3. Aufl. 1928, Art. 103 Anm. 3; Graf zu Dohna, in: H. C. Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. I, 1929, S. 110 (111); G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 105 Anm. 4.
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zählten neben den gesetzlichen Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes , den verschiedenen Prozeßordnungen und den Geschäftsordnungen auch die Geschäftsverteilungspläne der Gerichte. 321 Aus diesen Regelungen mußte sich der für das jeweilige Verfahren zuständige Richter möglichst eindeutig bestimmen lassen,322 wobei die Regelung fundamentaler Zuständigkeits fragen allein in die Kompetenz des Gesetzgebers gestellt war. 323 An dieser Aufgabe des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat sich bis heute nichts geändert. Auch er soll der Gefahr vorbeugen, daß die Justiz durch eine Manipulierung der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird, insbesondere daß im Einzelfall durch die Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter ad hoc das Ergebnis der Entscheidung beeinflußt wird, gleichgültig von welcher Seite die Manipulierung ausgeht. 324 Das Bundesverfassungsgericht325 und mit ihm die herrschende Ansicht im Schrifttum326 verstehen aber heute den Begriff des gesetzlichen Richters nicht 320 W. Heyde, HdbVerR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr. 55; BVerfGE 21, 139 (146). 321 D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 228; G. Barbey, HdbStR, Bd. llI, 1987, § 74 Rdnr. 60; E. Träger, in: Festschrift für W.Zeidler, 1987,S. 123 (125);H. Hill,HdbStR,Bd. VI, 1989, § 156 Rdnm. 51 f.; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr. 55; PierothlSchlink, Grundrechte - StaatsrechtlI, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 1141; BVerfGE 17, 194 (298 f.); 18,65 (69); 18,344 (349,351 f.); 18,423 (425); 19,52 (59); 40, 356 (361); 48, 246 (254). 322 K. A. Bettermann, HGrR, Bd.llI/2, 1959, S. 523 (562); F. Knöpjle, in: Festgabe BVerfG 1,1976, S. 142 (143); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts derBundesrepublik Deutschland, 19. Aufl. 1993, Rdnr. 556; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 7llI; BVerfGE 19,52 (59f.) mit Rückverweisungen; vgl. zudem BVerfGE 20,336 (344); 21,139(145); 22, 254 (258); 23, 321 (325); 25, 336(346); 31,145 (163 f.). 323 Vgl. hierzu schonK. A. Bettermann, HGrR, Bd.llI/2, 1959, S. 523 (549 f.); PierothlSchlink, Grundrechte -Staatsrecht 11, 11. Aufl. 1995, Rdnr. 1141; H. Hill, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 156 Rdnr. 52, der aufgrund des grundrechtlichen Charakters des Art. 10 1 Abs. 1 Satz 2 GG die Wesentlichkeitstheorie bemüht; BVerfGE 19, 52 (60). 324 R. Wassermann, AK-GG, 2. Aufl.1989, Art. 101 Rdnr. 7; H. Hill, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 156 Rdnr. 50; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr. 55; SchmidtBleibtreulKlein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art. 101 Rdnr. 8; BVerfGE 4, 412 (416); 17,294 (299); 20,336 (344); 22, 254 (258); 24, 33 (54); 30, 149 (152); 48, 246 (254); 82, 286 (296). 325 BVerfGE4, 412 (416); 10,200 (213); 14, 156 (162); 21, 139 (145); 23, 85 (91); 23,321 (325); 30, 149 (150); 60,175 (214); 63, 77 (79); 82, 286 (298); BVerfG, NJW 1983, 1874. 326 Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 101 Rdnr. 12; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 229; ehr. Stemmler, NJW 1974, 1545; ders., Befangenheit im Richteramt, 1975, S. 8 ff.; F. Knöpfte, in: Festgabe BVerfG I, 1976, S. 142 (144); J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters,
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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mehr nur als gesetzlich zuständigen, sondern als gesetzmäßigen Richter. Über seinen rein formellen Regelungsgehalt wurde dem Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG so ein materieller Inhalt beigemessen, aufgrund dessen der gesetzliche Richter nur noch derjenige ist, der in jeder Hinsicht den Anforderungen des Grundgesetzes entspricht. 327 Zu diesen Anforderungen zählt auch die funktionsrechtliche Stellung des Richters im oben beschriebenen Sinne. Ausfluß dieses erweiterten Verständnisses ist das Erfordernis von Regelungen über den Ausschluß und die Ablehnung eines Richters, der diese Anforderungen nicht erfüllt. 328 Gegen diese erweiternde Auslegung des Bundesverfassungsgerichts erheben verschiedene Autoren Bedenken, sie würde den Begriff des gesetzlichen Richters überbelasten. Wegen des Zusammenhanges mit dem Verbot von Ausnahmegerichten in Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG, das eindeutig nur eine Zuständigkeitsregel darstelle, müsse Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als allgemeinere Norm ebenso auf diese Funktion beschränkt bleiben. 329 Soweit hinter der extensiven Auslegung des Bundesverfassungsgerichts die Absicht stehe, die Inhalte der Art. 92 und 97 GG der Verfassungsbeschwerde zugänglich zu machen, so würde sich hierfür die Aufnahme dieser Bestimmungen in den Enummerationskatalog des § 90 BVerfGG besser eignen. 330 Den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auf eine Sicherung formeller Zuständigkeitsvorschriften zu begrenzen, wird aber der Bedeutung 1980, S. 225 ff.; K. Stern, Staatsrecht, Bd. U, 1980, § 43 U 5 d 01; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981)Rdnr. 275; P. Badura, Staatsrecht, 1986, Rdnr. H23; G. Barbey, HdbStR, Bd. fi, 1987, § 74 Rdnrn. 60ff.; E. Träger, in: Festschrift fiir W. Zeidler, 1987, S. 123 (126); M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 7 IV; R. Wassermann, AK-GG,2. Aufl. 1989,Art.101 Rdnr. 9;H. Hill, HdbStR, Bd. VI, 1989, § 156 Rdnr. 55;R. Lamprecht,NJW 1993, 2222; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 2; W. Heyde, HdbVerfR, 2. Aufl. 1994, § 33 Rdnr. 55; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 8. Aufl. 1995, Art.lOl Rdnr. 8 b;Ph. Kunig, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Aufl. 1983, Art. 101 Rdnr. 18, kritisiert die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, deutet aber auf die Möglichkeit eines Verfassungswandels hin. 327 BVerfGE 10,200 (213); 14, 156 (162); 23,321 (324 f.); 27, 312 (319); st. Rspr., zuletzt BVerfGE 82, 286 (298). 328 So ausdrücklich BVerfGE 21, 139 (146); 30, 149 (153); 63, 77 (79).
329 K. A. Bettermann, HGrR, Bd. fi/2, 1959, S. 523 (559 ff.); ders., AöR Bd. 94 (1969), S. 263 (265 f.); J. Henkel, Der gesetzliche Richter, Diss. Göningen 1968, S. 12, 160 ff., bes. S. 163 ff.; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 129 FN 19; FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 40 f.; einschränkend N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 281, der die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als seinem Standpunkt "entgegengesetzt" bezeichnet. 330 J. Henkel, Der gesetzliche Richter, Diss. Göningen 1968, S. 165; FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 41.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
dieses (grundrechtsgleichen/grundrechtsähnlichen) Grundrechts nicht gerecht, denn so erhielte die verfassungsprozessuale Sicherung der formellen Zuständigkeitsbestimmungen einen höheren Stellenwert als die der materiellen Anforderungen an die Stellung des Richters. Auch der Wortlaut zwingt nicht zu einer restriktiven Auslegung. Die Bestimmung des gesetzlichen Richters darf nur aus den gesetzlichen Vorschriften ohne Hinzuziehung anderer Mittel erfolgen. 331 Zu den gesetzlichen Regelungen gehören aber auch die gesetzlichen Ausschließungs- und Ablehnungsregelungen der verschiedenen Prozeßordnungen. 332 Es ist daher mit dem Bundesverfassungsgericht von einer materiellen Bedeutung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auszugehen. Die Verletzung der funktionsrechtlichen Stellung durch den Richter kann damit auch durch die Verfassungsbeschwerde seitens eines Verfahrensbeteiligten geltend gemacht werden. Die richterliche Neutralität hat letztlich in der Garantie des gesetzlichen Richters eine umfassende verfassungsrechtliche Sicherung gefunden. 4. Die richterliche Neutralität als grundrechtseinschränkende Pflicht
Die vorstehenden Untersuchungen haben gezeigt, daß die funktionsrechtliche Stellung des Richters entsprechend ihrer Bedeutung für die Erfüllung der staatlichen Rechtsprechungsaufgabe sowie ihrer Grundlegung im Gewaltenteilungsgrundsatz einerseits und im Rechtsstaatsprinzip andererseits eine mehrfache Wirkungsweise entfaltet. Sie dient einerseits dem Schutz des Richters vor staatlichen Weisungen und fordert andererseits von ihm ein kritisches Bewußtsein gegenüber gesellschaftlichen Kräften und Einflußnahmen seitens der Verfahrensbeteiligten. Zudem bietet sie über den Weg der Verfassungsbeschwerde auch dem Schutz der einzelnen Prozeßpartei hinsichtlich deren Recht auf den gesetzlichen Richter. Der einzelne Richter, der eine für das Funktionieren der Rechtsprechung wesentliche Aufgabe übernimmt, kann aber nicht nur verlangen, von Weisungen 331 D. Overhojf, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 30; ehr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, 1975, S. 16; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, S. 59, 63 f.; Th. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 101 Rdnr.19;Ph. Kunig, in: l. v.Münch, GG-Komm.,Bd. 3,2. Autl.1983,Art.101 Rdnr.17. 332 G. Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 8; M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters, 1973, S.4ff.;D. Overhojf, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 32, differenziert zwischen den Ablehnungs- und Ausschließungsgründen. Nur letztere dürften bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters Beachtung fmden, da eine Ablehnung nur auf Antrag zu berücksichtigen sei; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 268. Dieser Zusammenhang wird bereits durch die Regelung der Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften im unmittelbaren Anschluß an die Vorschriften über die gerichtlichen Zuständigkeiten deutlich. Ph. Kunig, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 3,2. Autl. 1983, Art. 101 Rdnr. 17; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Autl. 1995, Übers. § 41 Rdnr. 1; BVerfGE 21,139 (146); 30, 149 (153); 63, 77 (79).
A. Verfassungsrechtliche Grundlage
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und unzulässigen Einflußnahmen dritter Seite verschont zu bleiben. Die Erfüllung seiner Aufgabe, die Befriedung der rechtsuchenden Bürger, kann auch durch eigene Handlungsweisen des Richters gefährdet werden. Deshalb muß von ihm erwartet werden, daß er sich entsprechend der zur Erfüllung seiner Amtstätigkeit gestellten Erwartungen verhält. Die Übernahme des Amtes verpflichtet ihn daher, sich von Einflüssen zu distanzieren, die geeignet sind, seine Aufgabe im Rahmen der Rechtsprechung zu vereiteln. Der Richter darf durch eigenes Verhalten seine ihm durch das Amt gestellte Aufgabe nicht untergraben. Die funktionsrechtliche Stellung des Richters begründet damit auch eine Pflicht zur Vermeidung von Konstellationen, die die Befriedung des Rechtsuchendendurch das Urteil gefährden könnte. Über die notwendige Verbindung der Stellung des Richters mit der Rechtsprechung führen Mängel in der richterlichen Neutralität gleichzeitig auch zu Gefährdungen des Zwecks und der Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung. Dies bietet aber nach den oben dargestellten Schrankenüberlegungen gerade die grundsätzliche Rechtfertigung für Eingriffe in grundrechtlieh geschützte und ohne Vorbehalt gewährleistete Rechtspositionen der Richter. Dies gilt innerhalb der Richterschaft insbesondere für die Koalitionsfreiheit von Berufsrichtern der Arbeitsgerichtsbarkeit im Hinblick auf die Mitgliedschaft und aktive Betätigung in einer Gewerkschaft. Die Besetzung der Arbeitsgerichte und die Strukturierung ihres Aufgabengebietes sind ausgerichtet auf die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerlager. Dabei kommt den vorsitzenden Richtern bei den Arbeits- und Landesarbeitsgerichten als einzigen Berufsrichtern einer Kammer eine besondere Funktion zu, denn sie stehen zwischenje einem aus Kreisender Arbeitgeber und einem aus Kreisen der Arbeitnehmer berufenen ehrenamtlichen Richter. Schließt sich der - "Arbeitnehmer" - Berufsrichter einer Gewerkschaft an und nimmt an deren Arbeit teil, dann besteht nach außen hin die nicht wegzudiskutierende Möglichkeit, daß der Arbeitgeber als Partei des Verfahrens nicht mehr an die Neutralität des Berufsrichters glaubt und infolge dessen das Urteil nicht als Entscheidung einer unabhängigen Instanz akzeptiert. Die Befriedungsfunktion der Rechtsprechung wäre damit in nicht unerheblichem Umfang gefährdet. Dieses Phänomen gewinnt an Bedeutung, wenn man die Aufgabe des Arbeitsrichters im Arbeitsrecht betrachtet. Das Arbeitsrecht ist nur in geringem Umfang kodifiziert. Nur wenige Einzelaspekte sind Gegenstand gesetzlicher Regelungen geworden. So baut das Arbeitskampfrecht größtenteils auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts333 und des Bundesverfassungsgerichts334 auf, ge-
333 Vgl. hierzu die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu AP Art. 9 "Arbeitskampf".
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
setzliehe Bestimmungen fehlen fast völlig. Hierdurch läuft die Bindung des Richters an das Gesetz weitgehend leer. Er ist deshalb häufig gezwungen, systemkonform Recht fortzubilden. Aus diesem Grund wird die Arbeit nicht nur des Arbeitsrichters als politische Tätigkeit bezeichnet. Politik ist aber Sache des Parlaments. Hier wird aufgrund der demokratischen Legitimation der Mandatsträger eine Mehrheitsentscheidung zwischen verschiedenen Vorlagen getroffen, ohne daß eine andere Lösung Recht verletzen müßte. Demgegenüber wendet der Richter das Gesetz als Ausdruck der politischen Grundentscheidung auf den Einzelfall an, wobei er an diese Grundentscheidung der Politik gebunden ist. Auch im Rahmen eines Entscheidungsspielraums ist er nicht frei wie der Gesetzgeber. Er muß im Systemzusammenhang dem Willen des Gesetzgebers folgen. Dabei darf er sich nicht durch seine politischen oder gesellschaftlichen Anschauungen leiten lassen. Gleiches gilt für die Bereiche, in denen gesetzliche Bestimmungen völlig fehlen. Auch hier muß der Richter wegen des Verbots der Rechtschutzverweigerung eine Entscheidung treffen. 335 Dabei hat er Schritt für Schritt anhand der Rechtsordnung, insbesondere der Verfassung, gesetzesvertretendes Richterrecht zu entwickeln, daß sich an den Prinzipien und Wertungen der Verfassung zu orientieren hat. 336 Bei dieser Form der Rechtsfortbildung übernimmt der Richter damit die Funktion des Gesetzgebers, jedoch entscheidet er nicht nach politischen, sondern immer noch nach rechtlichen Gesichtspunkten. Die Funktion des Richters ist damit zwar eine politische, seine Entscheidung aber nicht. Aus den Untersuchungen zur funktionsrechtlichen Stellung des Richters ergibt sich für dem Berufsrichter in der Arbeitsgerichtsbarkeit die Pflicht, sein persönliches Verhalten so auszugestalten, daß hierdurch der Zweck und die Funktionsfähigkeit der Arbeitsgerichte nicht gefährdet werden. Insoweit kann die Koalitionsfreiheit des Arbeitsrichters eingeschränkt werden. Jedoch kann diesen dogmatischen Überlegungen noch kein konkretes Ergebnis hinsichtlich einzelner Fallgestaltungen abgeleitet werden. Hierzu bedarf es der Konkretisierung der richterlichen Neutralität in seinen verschiedenen Aspekten.
334 BVerfGE 38,386 ff.; 47,191 ff.; 82,126 ff.; 84,212 ff.; 88,103 ff.
3351. Ipsen, Richterrechtund Verfassung, 1975, S. 189; F. Ossenbühl, HdbStR, Bd. III, 1987, § 61 Rdnr. 38; K. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, § 95 11 3 a; BVerfGE 54, 277 (292). 336 J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, 1975, S. 190; R. Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, 1977, S. 72 ff.; G. v.Hoyningen-Huene, Festschrift zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1986, S. 353 (357); K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 367, 413 ff.; F. Bydlinsky, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 473; K. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, § 95 11 3 a.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen des Pflichtenaspekts der richterlichen Neutralität Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß das auch dem Richter zustehende, grundsätzlich vorbehaltlos gewährleistete Recht der Koalitionsfreiheit eingeschränkt werden kann, wenn der Zweck oder die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung aufgrund eines Verhaltens des Richters gefährdet sind. Hierbei kommt der umfassenden richterlichen Neutralität eine bedeutsame Aufgabe zu. Dieses auf Verfassungsebene gefundene allgemeine Ergebnis bedarf der einfachgesetzlichen Ausgestaltung zur Umsetzung der unterschiedlichen Aspekte der richterlichen Neutralität. Sowohl justizinteme Interessen an der Erfüllung der Justizgewährleistungspflicht als auch der Anspruch der rechtsuchenden Bürger auf die Entscheidung ihres Begehrens durch einen unparteilichen Dritten sind dabei zu berücksichtigen. Und nicht zuletzt hat auch der einzelne Richter ein Interesse an einer klaren Vorbestimmung des für ihn zulässigen Verhaltensspielraumes. Die entsprechendeneinfachgesetzlichen Regelungen finden sich hierfür in den bereits kurz erwähnten Normen des Richterdienstrechts und den Ausschließungs- und Ablehnungsbestimmungen der verschiedenen Prozeßordnungen. Beide Regelungskomplexe werden in den folgenden Untersuchungen einer näheren Prüfung unterzogen.
I. Das richterdienstrechtIiche Mäßigungsgebot - § 39 DRiG Die wissenschaftliche Nachbearbeitung der auch zum Ausgangspunkt dieser Untersuchung genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.3. 1984337 bezog in ihre umfassende Untersuchung die Relevanz richterlicher Koalitionstätigkeit im Hinblick auf die richterliche Mäßigungspflicht gemäß § 39 DRiG ein,338 wozu dem Bundesverfassungsgericht aufgrund der verfahrensrechtlichen Lage im Verfassungsbeschwerdeverfahren keine Möglichkeit gegeben war. Eine umfassende Prüfung zulässiger und unzulässiger Verhaltensweiseneines Richters in einer Koalition kann diese Vorschrift aber nicht aus337 BVerfG, NIW 1984, 1874 (Beschluß des Vorprüfungsausschusses). 338 Chr.Berglar,ZRPI984,4ff.,mitAnmerkungvonH.-G. Koehn, ZRP 1984,167; R. Baueru.a.,ZRP 1984, 79;E. Helml,ZRP 1984, 80 ff.; K. Popp, ZRP 1984,112; P. Hanau, ZIP 1984,1165; B. Rüthers, DB 1984, 1620ff., und die darauf folgende AuseinandersetzungzwischenJ. SchuldtundB. Rüthers, DB 1984,2509 ff. (hierbei ist bemerkenswert, daß J. Schuldt Direktor des Arbeitsgerichts Frankfurt ist, das Ausgangspunkt der oben bereits angesprochenen Verfassungsbeschwerde war); M. Vollkommer, EzA Nr. 3, 4zu §49 ArbGG; ders., in: Festschrift für E. Wolf, 1985, S. 659; E. Kempen, ArbuR 1985,1 ff.;H. Fangmann, ArbuR 1985,7 ff.; U. Zachert, ArbuR 1985,14 ff. (die monografische Zusammenfassung dieser beiden Beiträge findet sich in FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
klammem, da sie den Dienstaufsichtsbehörden eine Handhabe bietet, von staatlicher Seite aus Greozüberschreitungen durch den Richter zu beeinflussen. 1. Bedeutung der Mäßigungspflicht
DieBandbreitederbisherigenAnalysendes§ 39 DRiG spiegeln die vielseitigen Auslegungsmöglichkeiten der sehr allgemein gehaltenen Formulierung dieserNormwider. 339 Von der ebenso wenig konkreten Forderung an den Richter, sein Verhalten so auszurichten, daß es der Achtung und dem Vertrauen der Allgemeinheit gerecht werde ,340 bis hin zu dem Anspruch einer "wertbezogenen" Entscheidung und dem Verzicht auf Bindungen, die den Richter parteiisch erscheinen lassen könnten,341 werden unterschiedlichste Umschreibungen des Inhalts der Mäßigungspflicht versucht. Entsprechend lauten die Formulierungen zur Bewertung des § 39 DRiG: Von "verfassungsrechtlich und politisch ausgewogener Lösung"342 bis zu "legislatorischer Fehlentscheidung "343 reicht dabei das Spektrum. Andere Stimmen enthalten sich zwar einer begrifflichen Qualifizierung, zeigen aber durch ihre Interpretationen, daß § 39 DRiG eine derart enge Auslegung zuläßt, die für einen Verstoß kaum noch Raum läßt. Letztlich solle es daher dem Takt und dem Anstandsgefühl des Richters überlassen bleiben, sein richterdienstliches und außerdienstliches Verhalten angemessen zu gestalten. 344 In der Praxis hat die Verletzung der richterlichen Mäßigungspflicht nur in wenigen Ausnahmefällen zu dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen geführt. 345 H. Sendler, Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes a.D., fordert daher eine 339 E. G. Mahrenholz, NJ 1992, I (2), sagt nach dem Studium aller Literatur zu § 39 DRiG: "Ich bin so klug wie zuvor". 340 Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 39 Rdnr I. 341 FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 60; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 4. 342 E. HeimeshojJ, DRiZ 1975,261 (263). 343 U. Diederichsen, ZRP 1974, 53 (55); ihm folgt R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 63. 344 E. F. Frh. v.Münchhausen, DRiZ 1969,3 (4); H. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 85; E. HeimeshojJ, DRiZ 1975, 261 (263); W. SeujJert, in: Festschrift für M. Hirsch, 1981, S. 447 (452); R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983,S.55f.;H. Sendler, NJW 1984, 689; H.-J. Wipfelder, DRiZ 1987,117 (122); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1991,2377 (2382); G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 10. 345 OLG Celle, DRiZ 1982, 429 - BVerfG, NJW 1983, 2691; VG Schleswig, NJW 1985,1098 - OVG Lüneburg, NJW 1986, 1126 - BVerwG, NJW 1988, 1784 - BVerfG, NJW 1989,93; Nds.DGH, NJW 1990, 1497; KG, NJW 1995, 883.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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bewußtere Durchführung der Dienstaufsicht, um diese von der "Kümmerexistenz am Rande der Gesellschaft" zu befreien. 346 Allein die Existenz dieser Norm zeigt aber den Willen des Gesetzgebers, eine auslegungsfähige wie auslegungsbedürftige aber dennoch verbindliche Begrenzung richterlichen Verhaltens festzuschreiben, auch wenn es zulässig gewesen wäre, Richter einer Dienstaufsicht nicht zu unterstellen. 347 Dies zeigt deutlich die Entwicklung des Gesetzestextes im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. Gestaltete § 37 Abs. 2 des Regierungsentwurfes eines Richtergesetzes vom 9.7.1958 348 die Mäßigungspflicht noch als eine "Soll "-Vorschrift, so legte der hierüber beratende Rechtsausschuß der Norm einen verbindlichen Charakter bei. Dies muß letztlich dazu führen, dem heutigen § 39 DRiG nicht lediglich empfehlenden Charakter im Sinne eines Appells an das Taktgefühl des einzelnen Richters beizumessen. Vielmehr muß nun eine unmittelbar verpflichtende Wirkung dem Gesetzestext entnommen werden. 349 § 39 DRiG sollte daher keine Leerformel , sondern eine Generalklausel beinhalten, 350 deren Konturen nicht immer unmittelbar aus dem Wortlaut zu entnehmen sind. Den Aussagegehalt des § 39 DRiG näher zu konkretisieren, ist daher Aufgabe der folgenden Prüfungen. 2. Konkretisierung des § 39 DRiG
§ 39 DRiG verpflichtet den Richter, sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. 351 Diese wenig konkrete Formulie346 NJW 1983, 1449 (1450); so auch Chr. Berglar, ZRP 1984, 4 (8). 347 K. Lerch, DRiZ 1993,225 f., mit dem Hinweis auf das Fehlen einer Dienstaufsicht beim Reichsgericht. 348 BT-Drucks. rn/516. 349 Siehe hierzu die vergleichende Gegenüberstellung des Regierungsentwurfes von 1958 und des Entwurfes des Rechtsausschusses - BT-Drucks. rn/2785 S. 40. 350 So auch bereits der Abg. Dr. Bucher (FDP) bei der Beratung des Gesetzesentwurfes - BT-Sten.Ber., 162. Sitzung vom 14.6.1961, rn/s. 9376 (9377); vgl. auch Chr. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung, 1969, S. 100. 351 Die Regelungen des 1. Teils des DRiGgelten gemäß § 71 DRiG auch für Landesrichter, Gerner/Decker/KaujJmann, DRiG, 1963, § 71 Rdnr. 1; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T vor § 71 DRiG sowie § 71 Rdnr. 1; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GGKomm., 8. Autl. 1995, Art. 31 Rdnr. 6. Ob selbst Wiederholungen im Landesrecht unzulässig sind, ist streitig: bejahend G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995. § 71 Rdnr. 7; F. Klein, in: v.MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 2. Autl. 1957, Art. 31 Anm. rn 4, 5 b, 6 b, 7; HamannlLenz, Grundgesetz, 3. Autl. 1970, Art. 31 Anm. B 2; J. Pietzcker, HdbStR, Bd. IV, 1990, § 99 Rdnr. 38; ablehnend 10 Klaas
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
rung der richterlichen Mäßigungspflicht ist nicht ohne weiteres geeignet, dem Richter die Entscheidung zwischen zulässigen und unzulässigen Tätigkeiten zu erleichtern. Aus diesem Grund wurden verschiedentlich Bedenken gegen die Bestimmtheit dieser Eingriffsnorm erhoben, ohne daß hieraus aber die Konsequenz ihrer Verfassungswidrigkeit gezogen worden wäre. 352 Das rechtsstaatliehe Bestimmtheitsgebot fordert, grundrechtsrelevante Vorschriften in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so klar zu formulieren, daß die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach ausrichten kann. 353 Jedoch ist die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und die Schaffung von Generalklauseln nicht ausgeschlossen, weil sich die Vielfalt der möglichen Lebenssachverhalte nicht immer in klar umrissenen Begriffen einfangen läßt. 354 Soweit im Wege der Auslegung der Normgehalt konkretisiert werden kann, steht dies der Verfassungswidrigkeit wegen fehlender Bestimmtheit grundSätzlich entgegen. 355 Es ist nun Aufgabe, mit den herkömmlichen Auslegungsmitteln den Regelungsgehalt des § 39 DRiG zu ermitteln.
a) Der Wortlaut aa) "Unabhängigkeit" als Kern der Bestimmung Der Begriff "Unabhängigkeit" stellt den Kern des §39DRiG dar, denn die Grundlage einer effektiven Rechtsprechung ist das Vertrauen der RechtsuchenTh. Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 31 Rdnr. 14; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 19 m 7 e y, jew.m.Nachw.; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 71 Rdnr. 1; M. Gubelt, in: I. v.Münch, GG-Komm., Bd. 2., 3. Aufl. 1995, Art. 31 Rdnr.23. 352 Derartige Bedenken hegen E. Heimeshojf, DRiZ 1975, 261 (262); K. Rudolph, DRiZ 1984,135 (141); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1984, 2057 (2060); FangmanntZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 49; vgl. auch G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 105 f. 353 BVerfGE 21,73 (79); 31, 255 (264); 37,132 (142); 47, 239 (247); 50, 42 (48); 52, 1 (41); 59, 104 (114); 62, 169 (183); 63, 312 (323); 65, 1 (54); 78, 205 (212); 78,214 (226); 83, 130 (145); 84, 133 (149); 86, 288 (311); 87, 234 (263); 90, 1 (17); LeibholzlRincklHesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 10/1993, Art. 20 Rdnrn. 681 ff. 354 Vgl. aus dem Schrifttum: K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 4 m 3, §20IV 4fß;E. Schmidt-Aßmann, HdbStR, Bd. I, 1987, § 24 Rdnr. 60; F. E. Schnapp, in: v.MünchlKunig, GG-Komm., Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 20 Rdnr. 25; Leibholzl RincklHesselberger, GG, 7. Aufl. Stand 7/1994, Art. 20 Rdnrn. 696 f. 355 Vgl hierzu K. Stern, Staatrecht, Bd. 1,2. Aufl. 1984, § 20 IV 4 f ß; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987,S. 108; vgl. auch C. Gerdes, DieAblehnungwegenBesorgnisderBefangenheit, 1992, S. 46; BVerfGE 21, 245 (261); 27,1 (8); 31, 255 (264); 37, 132 (142); 45, 400 (420); 63, 312 (324); 89, 69 (84 f.).
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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den in die funktionsgerechte Stellung des Richters. Diese besondere Bedeutung kommt bereits imamtlichen356 Titel der Vorschrift "Wahrung der Unabhängigkeit" zum Ausdruck. Es stellt sich aber die Frage, in welchem Sinn der Begriff gebraucht wird. Hierbei bietet sich zunächst ein Rückgriff auf Art. 97 GG an, der ebenso wie § 39 DRiGdie "Unabhängigkeit" als Zentralbegriffseines Regelungsgehalts verwendet. Jedoch ist es fraglich, ob dieser Rückgriff auf die Interpretation des Art. 97 GG der Funktion des § 39 DRiG gerecht wird. Wie bereits oben357 festgestellt werden konnte, garantiert Art. 97 GG dem Richter bei seiner Spruchtätigkeit die Unabhängigkeit von staatlichen Gewalten. Damit wird die vom gewaltengeteilten Rechtsstaat geforderte verfassungsrecht liche Stellung der Rechtsprechung gesichert. Letztlich begründet Art. 97 GG ein Statusrecht für den Richter aber nur gegen Übergriffe von staatlicher Seite, unabhängig ob es sich um Eingriffe der Legislative, der Exekutive oder um solche anderer Gerichte oder Kollegen handelt. 358 Demgegenüber enthält § 39 DRiG gerade den zentralen Pflichtentatbestand359 des Richterdienstrechts zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung. Diese ist durch die Bindung der richterlichen Entscheidung nur an Gesetz und Recht bestimmt und wird durch Einflüsse gefährdet, die sich nicht nur aus dem staatlichen Bereich ergeben. Sie haben ihren Ursprung vielmehr in allen möglichen Lebensbereichen. Hierzu gehört das gesamte wirtschaftliche, politische und soziale Leben außerhalb der staatlichen Späre. Soweit aber die Verhaltensanordnung des § 39 DRiG den Richter ohne Ansehen der Gefahrenquelle verpflichtet, kann dies für den Begriff der Unabhängigkeit nur bedeuten, daß er nicht mit der Verwendung in Art. 97 GG identisch ist. Nur für den Bereich staatlicher Eingriffe bestehen Parallelen zwischen den beiden Vorschriften. Hier garantiert Art. 97 GG dem Richter eine von Weisungen freie Rechtsprechungstätigkeit, während § 39 DRiG ihm verbietet, einer dennoch erteilten Weisungzufolgen. 360 Insgesamtreichtdas Verständnis der Unabhängigkeit in § 39 DRiG weit über das des Art. 97 GG hinaus. § 39 DRiG konkretisiert auf einfachgesetzlicher Ebene das Pflichtenmoment des grundgesetzlichen Richterbildes im 356 Bereits die ursprüngliche Fassung des § 39 DRiG trug bei der Veröffentlichung diesen Titel, vgl. BGBI. I 1961, S. 1665 (1671). 357 Vgl. B m 2 c bb. 358 Vgl. nur G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 61 ff. 359 G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 45; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 39 Rdnr. 1; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 2. 360 G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 65.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Sinne der oben361 dargestellten umfassenden Neutralität,362 die sowohl die innere als auch die äußere Unabhängigkeit von staatlichen und nichtstaatlichen aber außergesetzlichen Einflüssen umfaßt. Dieses Ergebnis unterstreicht auch einBlick auf die Entwicklung des Richtergesetzes im Gesetzgebungsverfahren . Bereits in der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Deutschen Richtergesetzes vom 9.7.1958 363 hieß es: "Im Einzelfall kann es deshalb geboten sein, daß der Richter sich von Interessenverbänden, Kreisen oder Veranstaltungen fernhält, in denen er Beeinflussungsversuchen ausgesetzt wäre. " In der Dritten Lesung zum Deutschen Richtergesetz wies der Abgeordnete Dr. Bucher364 daraufhin, daß der Richter nur dem Gesetz unterworfen sei und damit auch unabhängig von Stellen außerhalb des politischen Raumes sein müsse. Unabhängigkeit im Sinne des §39DRiG sollte auch nach dem Willen des Gesetzgebers in einem umfassenden Sinn verstanden werden. bb) Maßstab für die Mäßigungspflicht: Gefährdung des Vertrauens Nicht alle Einflüsse beeinträchtigen die richterliche Neutralität in unzulässigemMaße. Diesem Umstand trägt §39DRiG Rechnung, indem er die Grenze für eine Dienstpflichtverletzung dort zieht, wo durch das Verhalten des Richters das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Hierbei handelt es sich um eine doppelte Absicherung der Neutralität. 365 Es bedarf nicht einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, auch die Beeinträchtigung des Vertrauens in die Unabhängigkeit wird nicht vorausgesetzt. Vielmehr beinhaltet bereits ein Verhalten, das zu einer Gefährdung des Vertrauens in die Unabhängigkeit führt, eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 39 DRiG. Der Gesetzgeber hat durch diese Art der Ausgestaltung der richterlichen Mäßi-
361 Vgl. oben B rn 2 c ff, d. 362 GernerlDecker/Kauffmann, DRiG, 1963, § 39 Rdnr. 2; K. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1980, § 4311 4 c a; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 276; R. Bernhard, RichteramtundKommunalmandat, 1983, S. 68; B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1621); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 89 f.; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 135; FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 64; G. Hager, Freie Meinung im Richteramt, 1987, S. 60; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Autl. 1987, § 16 IV 1 b; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 39 Rdnr. 2; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 39 Rdnr. 5; Vgl. bereits zum Entwurf des Deutschen Richtergesetzes W. Strauß, DRiZ 1958, 299 (300). 363 BT-Drucks. 111/516, S. 45 zu § 37.
364 BT-Sten.Ber. 162. Sitzung vom 14.6.1961,
rn/so 9372.
365 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 71.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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gungspflicht deutlich herausgestellt, daß die Schwelle zum dienstaufsichtsrechtlich relevanten Verhalten auf einer niedrigen Stufe anzusetzen ist. Hintergrund dieser doppelten Reduzierung der Zulässigkeit wirtschaftlichen, sozialen und politischen Engagements ist die Überlegung, daß eine tatsächliche Beeinträchtigung der Unabhängigkeit nur schwer nachgewiesen werden kann. Soweit ein Richter der Pflicht des § 39 DRiG objektiv zuwiderhandelt, wird er sich im Bewußtsein seiner Voreingenommenheit nach außen hin gerade um so neutraler verhalten und seine Entscheidungen möglichst ausführlich begründen, mögen die Gründe auch noch so umstritten sein. 366 Zu diesen praktischen Beweisschwierigkeiten tritt das Gewicht der richterlichen Neutralität für die Befriedungsfunktion der Rechtsprechung, die es nicht erlaubt, eine Dienstaufsichtsmaßnahme bis zum objektiven Nachweis einer Dienstpflichtverletzung aufzuschieben. Vielmehr muß das Richterdienstrecht so früh eingreifen, daß die Befriedungsfunktion der Rechtsprechung zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Gefahr geraten kann. Die mit der starken Vorverlagerung des Anwendungsbereichs des § 39 DRiG verbundene Einschränkung wirtschaftlichen, sozialen und politischen Engagements für den einzelnen Richter wird durch eine einschränkende Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift relativiert. Dies gilt sowohl für die Bestimmung des Blickwinkels, aus dem das Verhalten des Richters beurteilt wird, als auch hinsichtlich des Maßstabes, der bei der Beurteilung zugrunde gelegt wird. In der Regel wird die Allgemeinheit367 oder Öffentlichkeit368 bemüht, um deren Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richters zu überprüfen. Hiergegen werden Bedenken erhoben, ob diese Begriffe geeignet sind, in einer pluralistischen Gesellschaft mit einer in sich nicht homogenen Bevölkerung als Anknüpfungspunkt für einen einheitlichen Verhaltensmaßstab zu dienen. 369 Die Bewertung richterlichen Handeins ist abhängig vom Standpunkt des jeweiligen Betrachters . Was dem einen erschreckend oder dem anderen bedenklich erscheint, ist 366 So die Befürchtung von Chr. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung, 1969, S. 94; F. Matter, Der Richter und seine Auswahl, 1978, S. 40; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 86.
367 M. Göbel, NJW 1985,1057 (1058); c. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 45; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl 1995, § 39 Rdnr. 6; BVerfG, NJW 1983, 2691. 368 GernerlDecker/KaujJmann, DRiG, 1963, § 39 Rdnr. 1; Th. Dieterich, RdA 1986, 2 (6); Müht/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 35 Rdnr. 1. 369 K. Zapka, RuP 1984,151 f.; Chr. Strecker, ZRP 1984, 122 (127); T. Rasehorn, KJ 1986,76(83); wohl auch G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 86 f.; vgl. auch C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 45 f.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
in den Augen eines Dritten akzeptabel oder sogar erfreulich. Aus diesen Einschätzungsmöglichkeiten ist aber kaum ein einheitliches Bild der Allgemeinheit abzuleiten. Andererseits muß die Einstellung des Richters zu seinem Verhalten selbst unbeachtlich sein, 370 da das Mäßigungsgebot ansonsten wirklich zu einer Leerformel würde. 371 Es scheint daher angebracht, den Kreis der Vertrauensgeber auf die potentiell Rechtsuchenden zu erstrecken und gleichzeitig zu begrenzen. 372 Eine noch stärkere Relativierung der Anwendung des § 39 DRiG erfolgt durch die Bestimmung des Maßstabes, anhand dessen die Gefahrdung des Vertrauens in die Unabhängigkeit untersucht wird. Ausgehend vom Gefahrenbegriff des Straf-373 und allgemeinen Polizeirechts374 liegt eine Gefahr dann vor, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich ist. Auf die Situation des § 39 DRiG bezogen heißt dies, es müssen begründete Zweifel für einen Vertrauensverlust gegeben sein, ohne das dieser sich realisiert. 375 Dagegen reicht die rein gedankliche Möglichkeit des Vertrauensverlustes nicht aus. 376 Die Kontrolle des verdächtigen Verhaltens des Richters erfolgt anhand der Überzeugung eines um Objektivität bemühten, ver-
370 G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 86; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd.l, Teil5, T§39 Rdnr. 2; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 5. 371 Zu nichts anderem führt aber das Vertrauen in Pietät und Taktgefühl des Richters, vgl. hierzu die Nachweise in FN 8. 372 FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986,S.49;G.Hager,FreieMeinungund Richteramt, 1987, S. 87; C. Gerdes,DieAblehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 45; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 39 Rdnr. 2. 373 SchönkeiSchröder,StGB,24.Aufl.1991, § 34 Rdnr. 12; DreherfTröndle, StGB, 47. Aufl. 1995, § 34 Rdnr. 3; Lackner/Kühl, StGB, 21. Aufl. 1995, § 34 Rdnr. 2. 374 W. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 220; Th. Würtenberger, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungs recht, 1992, Rdnrn. 7/149 ff.; E. Denninger, in: LiskenlDenninger, HdbPoIR, 1992, Rdnrn. E 29 ff.; W. R. Schenke, in: U. Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungs recht, 5. Aufl.1995,llRdnrn.46ff.;K. H. Friauj, in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995,2. Abschn. Rdnrn. 44 ff.; BVerfGE 28, 310 (315); 45,51 (57); 62, 36 (38 f.); BVerwG, NJW 1970, 1890 (1892). 375 Gerner/Decker/Kaujfmann, DRiG, 1963, § 39 Rdnr. 1; E. HeimeshojJ, DRiZ 1975, 261 (263); G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 8; ders., NJW 1988, 1695 (1697). 376 H.-J. Wipjelder, DRiZ 1987, 117 (125); G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 87 f.; ders., NJW 1988, 1695 (1697); Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 39 Rdnr. 3; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 5; VG Schleswig, NJW 1985, 1099 (1100).
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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nünftigen Betrachters. 377 Überempfindliche Reaktionen sind daher ebensowenig ein Maßstab wie ein lasches Neutralitätsverständnis. 378 Gerd Hager hat die Gesamtproblematik auf die zutreffende Zusammenfassung gebracht, daß jedes richterliche Tun und Lassen auch für Andersdenkende akzeptabel sein müsse, wobei allerdings auch von dem Andersdenkenden Toleranz zu fordern sei. 379 Die Vorverlagerung der dienstrechtlich relevanten Zulässigkeitsgrenzen für Handlungen eines Richters wird folglich durch eine objektivierte Beurteilung der Auswirkungen auf die Befriedungsfunktion der Rechtsprechung aufgefangen. Deshalb wäre § 39 DRiG nicht genüge getan, ihm nur die Rolle eines Appells an das Taktgefühl der Richter zuzuweisen. cc) Der Richter innerhalb und außerhalb seines Amtes
§ 39 DRiG betont ausdrücklich die Geltung der Mäßigungspflicht sowohl innerhalbalsauchaußerhalbdesAmtes. Diese Formulierung wird im allgemeinen in dem Sinne verstanden, daß die Mäßigungspflicht die Person des Richters in ihrer amtlichen Tätigkeit wie auch in ihrem privaten Leben erfaßt. 380 Hierin wird aber vereinzelt ein Verstoß gegen die "Doppelstellung" der Richter gesehen. Der Richter stehe zwar als Organwalter der rechtsprechenden Gewalt im Staat, er sei aber zugleich auch Bürger, der seine Grundrechte gegen den Staat geltend machen könne. Deshalb müsse die Anwendung des § 39 DRiG mittels einer verfassungskonformen Auslegung dahin begrenzt werden, daß Richter nur in ihrem
377 E. HeimeshojJ, DRiZ 1975, 261 (265); J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 135; FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 61; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 87 f.; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 45; Müht/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 39 Rdnr. 3; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Auf). 1995, § 39 Rdnr. 5; Nds. DGH Celle, NJW 1990, 1497 (1498 f.). 378 E. Heimeshoff, DRiZ 1975,261 (263); G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 88 f.; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 39 Rdnr. 3; G. SchmidtRäntsch, DRiG, 5. Auf). 1995, § 39 Rdnr. 4. 379 G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987,S. 87; so auch C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 45 FN 51. 380 Gerner/Decker/KaujJma.nn, DRiG, 1963, § 39 Anm. 4; B. Hülsmann, Die politische Betätigung des Richters, 1977, S. 47 f.; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 65 f.; W. Jung, in: Das Deutsche Bundesrecht, n B 1 -DRiG (Stand 1987), § 39; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 89; Müht/Arndt, in: GKÖD, Bd.l, Teil5, T § 39 Rdnr. 4; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 45; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Auf). 1995, § 39 Rdnrn. 6 ff.; H. Albers, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Auf). 1995, § 39 Rdnr. 1.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Amtsbereich der Mäßigungspflicht unterliegen. Bei ihrer außerdienstlichen Tätigkeit seien sie jedoch wie jeder andere Staatsbürger zu behandeln. 381 Eine solch absolute Trennung unter Verneinung jeglicher Beziehungen zwischen Amt und Privatleben widerspricht aber der bereits oben382 festgestellten, tatsächlich unvermeidbaren Auswirkungen des Privatlebens auch auf das Amt. Zwar hat sich das Grundgesetz von der Vorstellung des Beamtenrichters der Weimarer Reichsverfassung abgewendet, jedoch ist damit außerhalb der Amtstätigkeit keine völlige Suspendierung von den Pflichten des weiterhin bestehenden Dienst- und Treueverhältnisses verbunden. Der Richter kann sich nicht mit dem Ablegen der Robe seines Amtes entledigen und damit in die Rechtsstellung einer Privatperson wechseln. Insofern gilt noch heute der Satz, daß der Richter niemals nur Privatperson sein kann. 383 Sein Amt strahlt auf seine Stellung als Privatperson aus, wie auch umgekehrt seine privaten Aktivitäten auf seine Spruchtätigkeit. Diese Wechselbeziehung greift auch das prozessuale Ablehnungsrecht auf, wenn im Privatleben des Richters begründete Umstände bei der Beurteilung eines Ablehnungsantrages Berücksichtigung finden. Privatleben und Amtsstellung können daher nicht für sich isoliert betrachtet werden, weshalb auch das außerdienstliche Verhalten in seinen Auswirkungen auf das Amt zu würdigen ist. 384 Die ausdrückliche Einfügung der Formulierung" innerhalb und außerhalb des Amtes" hat daher eine doppelte Bedeutung: Einerseits bewirkt sie eine dahingehende KlarsteIlung, daß das Mäßigungsgebot in allen Lebensbereichen, ohne zeitliche, räumliche oder sachliche Begrenzung durch den Richter zu beachten ist. 385 Andererseits wird durch die ausdrückliche Erstreckung der MäßigungspflichtaufdenBereichinnerhalbundaußerhalbdes Amtes die Formulierung des
381 So FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 48, 50, wenn sie den Richter bei außerdienstlichen Tätigkeiten dem Bürger gleichstellen, und ein die gesamte Freizeit erfassendes Mäßigungsgebot als unhaltbar bezeichenen. Die von ihnen in FN 171 angeführten Nachweise decken ihre Meinung in dieser Konsequenz nicht. 382 2. Teil, A TI 1 c cc. 383 Pr.OVG, JW 1927,2867. Vgl. hierzu auch B. Hülsmann, Die politische BetätigungdesRichters, 1977,S.48;R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 65. Vgl. auch schon G. Dürig, VVDStRL Heft 37 (1978), S. 321 f. 384 Chr. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung, 1969, S. 74; R. Bernhard,RichteramtundKommunalmandat, 1983,S. 65 f.; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 91. 385 Vgl. zu den in FN 44 Genannten auch Chr. Niethammer- Vonberg , Parteipolitische Betätigung, 1969, S. 75; R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 66; R. Stober, Grundpflichten und Grundgesetz, 1979, S. 74.
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§ 39 DRiGdenunterschiedlichenEinwirkungsfaktorenaufdie richterliche Neutralitätgerecht. So sind die Anforderungen der Mäßigungspflicht an das Verhalten des Richters bei seinem Auftreten in der (Gerichts-)Öffentlichkeit strenger zu bemessen als bei seinem Verhalten innerhalb einer privaten Gemeinschaft oder gar der Familie. Die Formulierung "innerhalb und außerhalb des Amtes" bietet daher die Grundlage für eine Differenzierung hinsichtlich des Spielraumes zulässiger Verhaltensweisen. 386
b) Systematische Stellung des § 39 DRiG und Vergleich mit beamtenrechtlichen Regelungen Im Deutschen Richtergesetz finden sich keine Regelungen, die zur Konkretisierung der richterlichen Mäßigungspflicht beitragen könnten. Aufgrund der langj ährigen Parallelen zwischen Richterdienstrecht und Beamtenrecht sowie der Verweisungsklauseln in §§ 46, 71 DRiG erscheint daher ein Rückgriff auf beamtenrechtliche Regelungen zur Inhaltsbestimmung der richterlichen Mäßigungspflicht nicht nur möglich, sondern auch dienlich. 387 aa) Anwendung der §§ 52, 53 BBG und des § 35 Abs. 1 BRRG Der sog. Rothenburger Entwurf388 enthielt eine vollständige Regelung des gesamten Richterdienstrechts .389 Dieser Entwurf erhielt mit nur geringfügigen Änderungen in Berlin am 9 .1.1951 als Gesetz über die Rechtsstellung der Richter und Staatsanwälte Gesetzeskraft. 390 Auf Bundesebene hingegen stockte das Gesetzgebungsverfahren. Der Vorentwurf des Bundesjustizministeriums vom 16.4.1955 391 und der darauffolgende Referentenentwurfvom 30.8.1955 392 aus
386 E. Kempen, ArbuR 1985,1 (6); G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 95; VG Schleswig, NIW 1985, 1098 (1099); ArbG Frankfurt, NIW 1984, 143. 387 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 107; H. Sendler, NIW 1984, 689 (in FN 3); Müht/Arruit, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 39 Rdnr. 5; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 46 Rdnr. 34, § 71 Rdnr. 18; VG Schleswig, NIW 1985, 1098 ff. 388 Entwurf eines Richtergesetzes des Iustizkollegiums der Landesjustizverwaltungen (der westlichen Besatzungszonen) vom 2.4.1950. Vg!. hierzu auch die Ausführungen von G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, Ein!. Rdnr 7; GernerlDecker/ Kauffmann, DRiG, 1963, Ein!. S. 54 f.; vg!. auch die Regierungsbegründung zum Entwurf eines Deutschen Richtergesetzes, BT-Drucks 3/515, S. 27. 389 G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 46 Rdnr.
1.
390 VOB!. I 1951, S. 235. 391 Vorentwurf eines Richtergesetzes des Bundesjustizministeriums vom 16.4 .1955. 392 Referentenentwurfdes Iustizministeriums vom 30.8.1955.
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dem gleichen Haus verzichteten aus der praktischen Erwägung, unnötige Wiederholungen von Regelungen des Besoldungs- und Versorgungsrechts sowie des Reisekosten- und Umzugsrechts zu vermeiden, auf eine ausführliche Regelung aller Einzelfragen des Richterdienstrechts und begnügten sich neben einigen grundlegenden Bestimmungen mit einem entsprechenden Verweis auf die bereits bestehenden Beamtengesetze. 393 Die Regierungsentwürfe von 1957394 und 1958395 sowie das vom Bundestag am 14.6.1961 verabschiedete Deutsche Richtergesetz396 behielten diese Systematik bei, da die gemeinsamen Grundsätze für alle öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisse, also Beamte, Richter und Soldaten, die auch in Zukunft eine Einheit innerhalb des öffentlichen Dienstes darstellen würden, weitergelten sollten. 397 Deshalb erklärt §46DRiG die Bestimmungen des Beamtenrechts nur als Ergänzung zuden Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes für entsprechend anwendbar, wobei die Besonderheiten des Richterverhältnisses aufgrund seiner status- und funktionsrechtlichen Stellung immer zu berücksichtigen sind. 398 Als spezielle Regelung des Richterdienstrechts schließt damit § 39 DRiG die Anwendung der §§ 52, 53 BBG bzw. § 35 Abs. 1 BRRG399 als Maßstab für das Verhalten eines Richters aus. 400 bb) Rechtsvergleich mit dem Beamtenrecht Aber auch ein Rechtsvergleich zwischen der beamtenrechtlichen und der richterdienstrechtlichen Mäßigungspflicht ist auszuschließen, da die Stellung des Richters heute nicht mit der des Beamten zu vergleichen ist. Nachdem das Grund393 So Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 46 Rdnr. 1; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, §46 Rdnr. 2. Gerner/Decker/Kaujfmann, DRiG, 1963, § 46 Rdnr. 2 a.E., sehen die möglichst baldige Verabschiedung des Gesetzes als Grund für diese Systematik an. 394 Regierungsentwurf des Richtergesetzes, BR-Drucks. 183/57 (dem Bundesrat zugeleitet am 17.5 .1957). 395 Regierungsentwurfeines Richtergesetzes, BT-Drucks. 3/516 (dem Bundestag zugeleitet am 9.7.1958). 396 BGBI. I, S. 1665 ff. 397 Regierungsbegründung zum Entwurf eines Deutschen Richtergesetzes , BTDrucks. 3/516, S. 30,48. 398 Regierungsbegründung zum Entwurf eines Deutschen Richtergesetzes, BTDrucks. 3/516, S. 48. 399 Die entsprechenden landesbeamtenrechtlichen Bestimmungen finden sich in §72BW LBG, Art. 63 Abs.l Bay.BG, § 19 Berlin BG, § 54 Abs. 1 Brem.BG, §58 Hamb.BG, §68 Hess.BG, §61 Nds.BG, §56 NW LBG, §63Abs.2 Rh.-Pf.LBG, § 67 Abs. 3 Saarl.BG, § 65 Abs. 3 Schlesw.-Holst.LBG. 400 Im Ergebnis ebenso Fangmann!Zachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 62 f.
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gesetz die Position des Richters aufgrund seiner neu definierten status- und funktionsrechtlichen Stellung gegenüber der des Beamten verselbständigt hat, 40 1 ist auch bei einem Rechtsvergleich zwischen Beamten- und Richterdienstrecht auf die Besonderheiten des Richterstatus Rücksicht zu nehmen. Dabei ist gesteigert darauf zu achten, daß die beamtenrechtliche Unparteilichkeit nicht auf der gleichen Stufe mit der richterlichen Neutralität steht. Letztere stellt nicht nur höhere Anforderungen an die jeweilige Person, sondern ist von anderer Struktur, so daß auch ein Rechtsvergleich zwischen den Regelungen des Beamtenrechts und des Richterdienstrechts hinsichtlich der jeweiligen Mäßigungspflicht nicht möglich ist. 402 ce) Das Maßregelungsverbot des § 91 Abs. 2 BBG Das Deutsche Richtergesetz enthält jedoch keine dem Maßregelungsverbot des § 91 Abs. 2 BBG entsprechende Bestimmung. Nach dieser Vorschrift kann eine dienstliche Maßregelung oder Benachteiligung eines Beamten nicht mit der Mitgliedschaft in oder der Betätigung für eine Gewerkschaft begründet werden, solange in diesem Verhalten nicht aus sonstigen Gesichtspunkten eine pflichtwidrige Betätigung zu sehen ist. 403 Zwar wird hierdurch die in § 91 Abs. 1 BBG ausdrücklich garantierte Koalitionsfreiheit der Beamten gesichert, jedoch ist es nicht möglich, ein aus anderen Gründen pflichtwidriges Verhalten unter dem "Deckmantel" einer gewerkschaftlichen Aktivität dienstlichen Maßnahmen zu entziehen. So ist die Betätigung für eine Gewerkschaft während der Dienstzeit dem Beamten trotz der Garantien des § 91 BBG untersagt. 404 Diese Einschränkung des Maßregelungsverbotes verhindert einerseits dessen sachfremde Ausnutzung, wie es andererseits die Gewerkschaften und Berufsverbände sowie deren Mitglieder vor "Trittbrettfahrern" schützt. Die Beziehung von § 39 DRiG zu § 91 Abs. 2 BBG ist durch eine Wechselwirkung der beiden Normen geprägt. Einerseits kann in der Gewerkschaftsmitgliedschaft bzw. -betätigung nicht bereits eine Dienstpflichtverletzung gesehen wer-
401 Vgl. hierzu die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der richterlichen Unabhängigkeit oben B m 2 a ff. 402 Vgl. die Regierungsbegründung zum Entwurf eines Deutschen Richtergesetzes, BT-Drucks. 3/516, Begründung zu § 37 Abs. 2 des Entwurfs; siehe auch R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 54. 403 Plog/Wiedow/Beck, BBG, § 91 Rdnr. 12; W. Fürst, in: GKÖD, Bd. 1, Teil2b, K § 91 Rdnr. 20. Vgl. auch E. Schütz, Beamtenrecht, 5. Autl. Stand 8/1976, § 103 Rdnr.13. 404 Scheerbarth/HöjJken, Beamtenrecht, 6. Autl. 1992, S. 385; OVG Koblenz, ZBR 1973, 109 (111), als Beispiel für die Teilnahme an Protestdemonstrationen während der Dienstzeit.
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den, da ansonsten das Maßregelungsverbot des § 91 Abs. 2BBG leerlaufen würde. Für eine Dienstpflichtverletzung bedarf es vielmehr weiterer Umstände. Andererseits steht der Rechtmäßigkeit einer auf § 39 DRiG gestützten Dienstaufsichtsmaßnahme nicht der Einwand entgegen, das zu bewertende Verhalten tangiere im Randbereich auch die Koalitionsfreiheit. Das hierdurch enstehende Spannungsverhältnis zwischen Maßregelungsverbot und Mäßigungspflicht wird der Bestimmung des Schutzbereiches der Betätigungsgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG405 entsprechend durch die im Wortlaut des §91 Abs. 2 BBG enthaltene Beschränkung des Schutzes auf die "Betätigung für seine Gewerkschaft oder seinen Beufsverband" gelöst. Das Maßregelungsverbot begründet auch hier einen von der Dienstaufsicht freien Raum nur in für den Richter berufsspezifischen Fragen. Darüber hinausgehende Mitgliedschaften und gewerkschaftliche Betätigungen werden hierdurch ebensowenig vor dienstrechtlichen Maßnahmen geschützt wie allgemeinpolitisches Engagement. 406 Der Regelungsbereich des § 91 Abs. 2 BBG entspricht im Ergebnis dem Schutzbereich der Organisations- und Betätigungsgarantie der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG. Insoweit wird hier die obige Feststellung407 bestätigt, die beamtenrechtlichen Koalitionsgewährleistungen reichen nicht über den Schutzbereich der grundgesetzlichen Koalitionsfreiheit hinaus. dd) Ergebnis Die Berücksichtigung beamtenrechtlicher Bestimmungen bei der Auslegung der richterlichen Mäßigungspflicht scheitert an der speziellen Stellung des Richters gegenüber der des Beamten. Lediglich aus dem Maßregelungsverbot des § 91 Abs. 2 BBG konnte das bereits aus der Analyse der grundgesetzlichen Koalitionsgarantie gefundene Ergebnis bestätigt werden, daß die Mitgliedschaft in einer die Interessen der Richterschaft vertretenden Gewerkschaft oder einem entsprechenden Berufsverband zulässig ist und nicht Anlaß für eine dienstrechtliche Maßnahme sein kann. Dies gilt auch für die Betätigung des Richters in seinem Verband zur Verfolgung seiner berufsbezogenen Interessen. c) Sinn und Zweck der Mäßigungspflicht § 39 DRiG beinhaltet die einfachgesetzliche Konkretisierung des Pflichtenaspekts der richterlichen Neutralität. Er stellt klar, daß dem Richter die Neutra-
405 Vgl. hierzu die Schutzbereichsbestimmung der Koalitionsfreiheit oben l. Teil, D 11 3 c. 406 Siehe für die Bestimmung des Schutzbereichs der Betätigungsgarantie oben 1. Teil, D 11 3 b bb, insbesondere bei FN 170. 407 Vgl. l. Teil, A IV I, 2.
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lität nicht als ein subjektives Recht gewährt wird, sondern unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt. Der Richter hat daher keine Verfügungsgewalt über seine Neutralität. 408 Er ist lediglich Organwalter bei der Erfüllung der staatlichen Aufgabe der Rechtsprechung. § 39 DRiGübernimmt dabei die Aufgabe, den rechtsuchenden Bürger vor einer nicht (nur) an das Gesetz gebundenen Rechtsprechung zu schützen und so die Befriedungsfunktion der Rechtsprechung zu wahren. 409 An der Kontrolle darüber, ob der Richter diese Aufgabe im Sinne der Verfassung erfüllt, hat der Staat ein berechtigtes Interesse. 410 Diese Kontrolle durchzuführen, obliegt für Maßnahmen gemäß § 26 DRiG sowie für einen Verweis durch eine Disziplinarverfügung gemäß § 64 DRiG den Organen der Dienstaufsicht. 411 Für Maßnahmen im förmlichen Disziplinarverfahren ist das Dienstgericht gemäß § 62 DRiG zuständig, das auch an die Regeln des § 26 DRiG hinsichtlich der Zulässigkeit der verschiedenen Disziplinarmaßnahmen gebunden ist. 412 Jedoch darf vor dem Bild des Richters als Organwalter nicht die Person des Richters außer acht gelassen werden. Mit wachsender Distanz einer Handlung 408 G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 39 Rdnr. 4. 409 BGH, DRiZ 1978,185; VGSchleswig, NJW 1985,1098(1099) - "Erhalt des VertrauensindieUnabhängigkeit";H.Arndt,DRiZI974, 248; H.-J. Wipjelder, ZRP 1982, 121 (122); ders., DRiZ 1983,337 (341);N. Achterberg, NJW 1985, 3041 (3042) - "Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs "; Fangmann/Zachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 63; O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnr. 43. So auch für die Aufgabe der gesamten Dienstaufsicht J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 8 f.; H.-J. Papier, NJW 1990, 8 (9 f.); O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnr. 44; G. Pfeiffer, Karlsruher StPO-Komm., 3. Autl. 1993, § 1 GVG Rdnr. 6; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 26 Rdnr. 21. 410 GernerlDecker/Kaujfmann, DRiG, 1963, § 26 Rdnr. 1; H. Arndt, DRiZ 1974, 248; R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 1 f.; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 8; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 26 Rdnr. 1; O. R. Kissel, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnr. 44; G. Pfeiffer, KarlsruherStPO-Komm.,3. Autl. 1993, § 1 GVG Rdnr. 6; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 26 Rdnr. 3. 411 Die Organe der Dienstaufsicht für die verschiedenen Gerichtsbarkeiten sind aufgelistet bei J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 18 ff.; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 26 Rdnr. 14. Für den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit sind dies gemäß §§ 15, 34 ArbGG die oberste Arbeitsbehörde des Landes im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung. nmen steht eine Delegationsbetugnis auf den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts oder den Vorsitzenden des Arbeitsgerichts zu. Für die Richter am Bundesarbeitsgericht liegt die Dienstaufsicht beim Bundesminister für Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz, § 40 Abs. 2 ArbGG. 412 GernerlDecker/Kaujfmann, DRiG, 1963, § 63 Rdnr. 3; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T vor §§ 63,64 Rdnr. 13; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, Vor §§ 63, 64 Rdnr. 10.
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oder Äußerung zur unmittelbaren Spruchtätigkeit sinkt deren Bedeutung für das Vertrauen in die Unabhängigkeit ebenso wie für die Entscheidungsfindung selbst. Wird dieser Umstand bei der Entscheidung über eine Dienstaufsichtsmaßnahme nicht berücksichtigt, so steigert die ohne entsprechende Anpassung an die jeweiligen Zusammenhänge durchgeführte Dienstaufsichtsmaßnahme sicherlich das Vertrauen in die zumindest in den Augen des Außenstehenden nun wieder hergestellte Neutralität des Richters. Jedoch wird der Richter hierdurch zum Dasein eines gesellschaftlichen Neutrums gezwungen. Dies ist nicht nur nicht erwünscht, sondern auch verfassungswidrig, wie die Untersuchungen zur richterlichen Neutralität gezeigt haben. 413 Die Auslegung des § 39 DRiG nach seinem Sinn und Zweck muß zudem berücksichtigen, welche Aufgabe diese Bestimmung als Konkretisierung der richterlichen Neutralität übernimmt. Die richterliche Neutralität ist wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfahigkeit der Rechtsprechung, die ihrerseits zur Legitimation einer Grundrechtsbegrenzung in einem besonderen Dienstverhältnis dient. Bei der Untersuchung einer möglichen Grundrechtsbegrenzung aufgrund der Stellung des Richters innerhalb eines besonderen Gewaltverhältnisses hat sich aber gezeigt, daß der Umfang einer Grundrechtsbegrenzung in Abhängigkeit von der sachlichen Beziehung des konkreten Verhaltens zur Rechtsprechungstätigkeit zu bestimmen ist. 414 Die dabei erarbeitete Dreiteilung in Amts-, Dienst- und Privatbereich findet sich nun bei der Bestimmung zulässiger Dienstaufsichts- und Disziplinarmaßnahmen wieder, wenn hier zwischen richterlichen, richterdienstlichen und außerdienstlichen Tätigkeiten unterschieden wird. 415 Dieser Zusammenhang zwischen den verschiedenen Tätigkeitsbereichen wirkt sich durch die Legitimationskette von der Funktionsfahigkeit der Rechtsprechung, über die richterliche Neutralität bis hin zur Mäßigungspflicht entsprechend aus, da die Konkretisierung einer Grundrechtseinschränkung nicht weiter einschränken darf, als deren verfassungsrechtliche Errnächtigungeszuläßt. Daherist die Beurteilung jeder Äußerung und jedes Verhaltens in ihrem Bezug auf das Richteramt vorzunehmen. Äußerungen unmi ttelbar vor dem Gerichtssaal sind daher anders zu bewerten als Gespräche im Familienkreis, ebenso wie die passive Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nach anderen Gesichtspunkten einzustufen ist als die Leitung eines verbandsorganisierten Einladungstreffens .
413 Vgl. hierzu oben A IU 2 c. 414 Vgl. oben A 11 1 c cc.
415 J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 10; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 58; wohl auch G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 26 Rdnr. 19, wenn er neben die Amtstätigkeit das Verhalten außerhalb des Amtes und das Verhalten im Privatleben stellt; vgl. auch BGHZ 51,363 (367); BGH, DRiZ 1977,215.
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d) Die Entscheidung im Zweifelsfall Die Vielschichtigkeit der möglichen Verhaltensweisen, die der Beurteilung nach § 39 DRiG unterfallen können, stehen der Bildung allgemeingültiger Kriterien. die über die bisher genannten Auslegungsergebnisse hinausgehen, entgegen. Wenn auch verschiedentlich versucht wird, konkrete Maßstäbe für die Bewertung zu finden, so erfassen diese entweder nicht alle Problembereiche, oder aber sie sind wiederum derart allgemein, daß sie keinen Gewinn für die konkrete Anwendung des § 39 DRiG bedeuten. 416 Die herrschende Meinung im Schrifttum befürwortet daher die Anwendung des § 39 DRiG auf der Basis von Einzelfallentscheidungen, 417 wenn diese Fonn der Rechtsanwendung auch berechtigte Wünsche hinsichtlich der Anforderungen an die Rechtssicherheitoffen läßt. Um der Rechtssicherheit in einem Mindestmaß Genüge zu tun, sollen hier besondere Eckpunkte der Entscheidung im Rahmen des § 39 DRiG bestimmt werden. Der Richter leistet einen Eid. mit dem er sich in feierlicher Fonn verpflichtet, getreu dem Grundgesetz und den Gesetzen zu richten - § 38 Abs. 1 DRiG. Aufgrund dieses Eides muß dem Richter das seinem Amt entsprechende Vertrauen entgegengebracht werden. Er braucht sich das Vertrauen in seine Neutralität nicht durch aktives Tun zu erwerben oder die Neutralität selbst stets unter Beweis zu stellen. Vielmehr wird das Vertrauen in seine Unabhängigkeit als bestehend angenommen. 418 Diese Vennutung wirkt sich auf die Beurteilung von Verhaltensweisen durch den Dienstherm des einzelnen Richters aus. So bedarf es für eine dienstrechtliche Maßnahme einer konkreten Gefährdung des Vertrauens, während die bloße Möglichkeit einer Gefährdung nicht ausreicht. 419 Am Scheidepunkt zwischen tatsächlicher Gefährdung und deren Möglichkeit führt die Vertrauensvennutung zu einer Entscheidung zugunsten des Richters. In Zweifelsfällen muß daher eine Maßnahme des Dienstherm unterbleiben. 420 416 Vgl. hierzu die von G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 91 ff., dargestellten Versuche, ebenso wie seinen eigenen Vorschlag, aaO, S. 103 f.; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 46. 417 E.Schmidt,JZI963,73 (79); W. Dütz, JuS 1985,745 (751); E. Schmidt-Jortzig, NJW 1984, 2057 (2061); J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 137; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 39 Rdnrn. 6 ff. 418 G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 48; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd.l, Teil5, T§ 39 Rdnr. 3; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 39 Rdnr. 5. 419 H.-J. Wipjelder, DRiZ 1987, 117 (125); G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 87 f.; ders., NJW 1988, 1695 (1697); Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 39 Rdnr. 3; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 39 Rdnr. 5; VG Schleswig, NJW 1985, 1098 (1100). 420 Gerner/Decker/KaujJmann, DRiG, 1963, § 26 Rdnr. 3; N. Achterberg, NJW 1985, S. 3041 (3042); J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 9; K. Schäfer, in: LöwelRo-
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Diese Zweifelsfallentscheidung zugunsten des fortbestehenden Vertrauens in die Unabhängigkeit des Richters erstreckt sich nicht nur auf das Feld der richterlichen Tätigkeiten im Rahmen des § 26 Abs. 2 DRiG, sondern auch auf die nichtrichterlichen, also richterdienstlichen und außerdienstlichen Handlungen. Zwar kommt bei diesen Tätigkeiten der sachlichen Unabhängigkeit nicht mehr die gleiche Bedeutung wie der Spruchtätigkeitzu,jedoch löst § 26Abs. 1 DRiG auch hinsichtlich der persönlichen Unabhängigkeit als notwendige Unterstützung der sachlichen Unabhängigkeit das Spannungsverhältnis zwischen Dienstaufsicht und richterlicher Unabhängigkeit zugunsten der letzteren auf. e) Ergebnis
§ 39 DRiG umfaßt die funktions- und statusrechtliche Position des Richters in ihrem umfassenden Verständnis. Jedoch ist diese Bestimmung zu wenig konkret, als daß sich aus ihr hinreichend bestimmte Leitlinien für das Verständnis der Mäßigungspflicht ableiten ließen. Aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift kann generell nur festgestellt werden, daß aufgrund des dem Richter grundsätzlich entgegengebrachten Vertrauens in seine Neutralität bei Zweifelsf,illen eine Dienstaufsichtsmaßnahme zu unterbleiben hat. Weitere Ergebnisse können nur anband der Analyse von Einzelfällen gefunden werden. 3. Die Mittel der Dienstaufsicht
Nicht nur die abstrakt gestellte Frage, wann die richterliche Mäßigungspflicht verletzt ist, bedarfeiner Antwort. Für die Praxis ist der Blick auf die zulässigen Mittel der Dienstaufsicht von wesentlich größerer Bedeutung, da sich hiernach bestimmt, wie sich die Verletzung der Dienstpflicht im Alltag des Richters niederschlägt. Die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen der Dienstaufsicht und der richterlichen Unabhängigkeit erfolgt nicht immer einseitig zugunsten der richterlichen Unabhängigkeit. Auch der Dienstaufsichtsbehörde muß ein gewisser Betätigungsspielraum zugestanden werden, um ihrer Aufgabe nachzukommen und den Richter an seine dienstlichen Pflichten erinnern zu können. Dabei wersenberg, StPo, 23. Aufl.1979, § 1 GVG Anm. vrn 2 d, der nach der Formel "in dubio pro richterliche Unabhängigkeit" entscheidet; Müht/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 26 Rdnr. 12, die zwischen beobachtenden und berichtigenden Eingriffen unterscheiden; W. Schaffer, BayVBI. 1991,678 (681); O. R. Kisset, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 46; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 45; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 26 Rdnr. 23; H. Albers, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 26 DRiG Anm. 3; BGHZ 67, 184 (188); 76, 288 (291).
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den nicht nur hinsichtlich der Ansatzpunkte der Dienstaufsicht erhöhte Anforderungen gestellt, sondern auch in bezug auf die dabei einzusetzenden Mittel; denn auch der Intensitätsgrad dienstrechtlicher Maßnahmen zeigt Wirkungen auf die richterliche Unabhängigkeit.
a) Die Dienstaufsicht im Verhältnis zur Disziplinargewalt Die Dienstaufsicht umschreibt den mittleren Bereich zulässiger Reaktionen gegen Pflichtverletzungen des Richters. Weniger gewichtig sind dienstrechtliche Maßnahmen wie Hinweise, Belehrungen, Unterrichtung und das Gespräch unter vier Augen. 421 Diese Maßnahmen stehen in der Kompetenz des Dienstherrn. Weitaus stärker einschneidend wirken hingegen die durch § 26 D RiG zugelassenen Dienstaufsichtsmaßnahmen im Rahmen eines Disziplinarverfahrens. Durch eine Disziplinarverfügung (nichtförmliches Disziplinarverfahren) im Sinne des § 64 Abs. 1 DRiG kann der Dienstvorgesetzte422 einem Richter nur einen Verweis erteilen. Dagegen steht dem Dienstgericht innerhalb eines förmlichen Disziplinarverfahrens die gesamte Palette der Disziplinarmaßnahmen von der Geldbuße bis hin zur Entfernung aus dem Dienst zur Verfügung. 423 Dies gilt aber aufgrund des engen Zusammenhanges zwischen Disziplinarrecht und Dienstaufsichtsrecht nur für den Bereich der richterdienstlichen und außerdienstlichen Pflichtwidrigkeiten. Für die richterliche Spruchtätigkeit hingegen gelten die Beschränkungen des § 26 DRiG.424
b) Die Entwicklung der Dienstaufsicht in der Rechtsprechung aa) Die am Wortlaut orientierte Auslegung Die Rechtsgrundlage für dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen Richter beinhaltet § 26 DRiG, der die richterliche Unabhängigkeit als verfassungsrecht421 H. Arndt, DRiZ 1974, 248; O. R. Kisset, GVG, 2. Autl. 1994, § 1 Rdnr. 52; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 26 Rdnr. 26.
422 Dienstvorgesetzter ist, wer für dienstrechtliche Entscheidungen über die Angelegenheiten des Richters zuständig ist - § 46 DRiG i. V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 BBG), vgJ. Müht/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, TeilS, T § 26 Rdnr. 9; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 64 Rdnr. 4. 423 Gerner/Decker/Kaujfmann, DRiG, 1963, § 64 Rdnrn. 2 f.; Mühl/Arndt, in: GKÖD,Bd.l, TeilS, T§64Rdnr.2; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 64 Rdnr.3. 424 GernerlDecker/Kaujfmann, DRiG, 1963, § 63 Rdnr. 3; Müht/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, TeilS, T vor §§ 63, 64 Rdnr. 13; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, Vor §§ 63, 64 Rdnr. 10. 11 K1aas
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liehe Grenze der Dienstaufsicht bestimmt. 425 Hintergrund dieser Grenzbestimmung ist die Erkenntnis, daß Weisungen der dienstaufsichtführenden Stellen im Bereich der rechtsprechenden Tätigkeit zu einer Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips führen können, da Weisungen im Bereich der rechtsprechenden Tätigkeit die Inhaber der Dienstaufsicht zum Mitrichter machen würden. 426 Deshalb ist mit Hinblick auf die exekutivische Funktion der Dienstaufsicht sowie der ausschließlich den Richtern anvertrauten Rechtsprechungsaufgabe der Dienstaufsicht der Bereich, in dem der Richter sich auf seine verfassungsrechtlich gewährleistete Unabhängigkeitsgarantie berufen kann, entzogen worden. Zwei Ausnahmen läßt der Gesetzgeber jedoch durch § 26 Abs. 2 DRiG im Bereich der Spruchtätigkeit zu: den Vorhalt der nicht ordnungsgemäßen Art der Ausführung eines Amtsgeschäftes und die Ermahnung zur ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte. § 26 Abs. 2 DRiG enthält hiernach für diesen engen Bereich eine legislative Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Dienstaufsicht und richterlicher Unabhängigkeit zugunsten der auf Vorhalt und Ermahnung beschränkten Dienstaufsicht. Trotz der Zulassung von Vorhalt und Ermahnung hat die dienstaufsichtführende Stelle weiterhin die Begrenzung des § 26 Abs. 1 DRiG zu bewahren, daß ihre Maßnahmen auch weiterhin keinen Einfluß auf den sachlichen Inhalt der Entscheidung haben dürfen. 427 Andererseits beschreiben Vorhalt und Ermahnung die Obergrenze der zulässigen Maßnahmen, so daß weniger eingreifende Dienstaufsichtsmaßnahmen ausgesprochen werden können. 428 Unter den gleichen Voraussetzungen sind für nichtrichterliche Tätigkeiten alle, nicht an ein förmliches Disziplinarverfahren gebundene Mittel der Dienstaufsicht, von der bloßen Mitteilung einer Auffassung über die Sachbehandlung bis hin zur Mißbilligung oder Rüge,429 zulässig. 425 MühllArndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 26 Rdnr. 2; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 26 Rdnr. 1. 426 Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 26 Rdnr. 12. 427 Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 26 Rdnr. 14. 428 GernerlDeckerlKau./Jmilnn, DRiG, 1963, § 26 Rdnr. 6;H. Arndt, DRiZ 1974, 248 (249); ders., DRiZ 1978, 298 (299); R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 25; N. Achterberg, NJW 1985,3041 (3044); Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 26 Rdnrn. 34, 36; H.-J. Papier, NJW 1990, 8 (13); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 46; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 26 Rdnr. 26; BGHZ 47, 275 (285); 57, 344 (348). 429 GernerlDeckerlKau./Jmilnn,DRiG,1963, §26Rdnr. 2; K. Schäfer, in: LöwelRosenberg, StPO, 23. Auflage 1979, § 1 GVG Rdnr. 23; W. Meyer, in: I. v.Münch, GGKomm., Bd. 3.,2. Aufl. 1983, Art. 97 Rdnr. 28; J. Wandke, DRiZ 1984,430 ff.; R.
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bb) Der äußere Ordnungsbereich Der Bundesgerichtshof als Dienstgericht des Bundes430 nahm die durch § 26 Abs. 2 DRiG gebotene Möglichkeit, überhaupt im Rahmen der richterlichen Spruchtätigkeit Dienstaufsichtsmaßnahmen durchzuführen, zum Anlaß, Vorhalt und Ermahnung auf andere im Bereich der "äußeren Ordnung" liegende Handlungen auszudehnen. 431 Das Gericht formuliert: "Es gibt indessen richterliche Tätigkeiten, die dem Kembereich der eigentlichen Rechtsprechung soweit entrückt sind, daß für sie die Garantie des Art. 97 Abs. 1 GG nicht in Anspruch genommen werden kann" .432 "Der Gesetzgeber ist also davon ausgegangen, daß es Bereiche richterlicher Tätigkeit gibt, die im Einzelfall bestimmten Maßnahmen der Dienstaufsicht zugänglich sind. " Diesen Bereich nennt das Gericht in der Folge "äußerer Ordnungsbereich der richterlichen Tätigkeit". 433 Dem stellt es den von Dienstaufsichtsmaßnahmen absolut unantastbaren "Kembereich" der richterlichen Tätigkeit entgegen. 434 Hierzu zählt die richterliche Spruchtätigkeit selbst, sowie die unmittelbar vorbereitenden Handlungen wie die Terminbestimmung, Sitzungsvorbereitung, die Durchführung der Verhandlung, Beratung, Verkündung der Entscheidung sowie der Inhalt der Entscheidung. 435 Soweit Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 25; N. Achterberg , NJW 1985, 3041 (3045f.);M. Wolf,Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 19 II 3; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 17; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 26 Rdnr. 26; BGH, DRiZ 1973,281 (283); 1977,215 (216). 430 Der BGH ist auch Revisionsinstanz in den Dienstaufsichtssachen der Richter im Landesdienst, §§ 78,79 DRiG, vgl. R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 33. 431 BGHZ 42, 163 ff. 432 BGHZ42, 163 (169); vgl. auch BGHZ46, 147 (149); 47,275 (285); 57, 344 (349); 67,184 (187); 70,1 (4); 71,9 (11); 87, 385 (388); 90,41 (45); 102,369 (372); 112, 189(195);BGH,DRiZI973, 281 (283); DRiZ 1987,57 (58); DRiZ 1991, 368 (369). 433 BGHZ 42, 163 (171); zustimmend K. Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl. 1979, § 1 GVG Rdnr. 24; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 60. 434 H.Arndt, DRiZ 1974,248 (250); J. Herrmann, DRiZ 1982, 286 (290); W. Dütz, JuS 1985,745 (751);N.Achterberg, NJW 1985, 3041 (3043); H.-J. Papier, NJW 1990, 8 (11); Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 26 Rdnrn. 12 ff.; O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 53; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Auft. 1995, § 26 Rdnr. 24; J. Albers, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 26 DRiG Anm. 3 B; BGHZ 42, 163 (169); 46, 147 (149); 57,344 (349); 67, 184 (188); 70, 1 (4); 71, 9 (11 ff.); 90, 41 (45); 93, 238 (243); 100, 271 (276); BGH, NJW 1978, 824; NJW 1987,1208; DRiZ 1994,141 (142); NJW 1995,731 (732); DRiZ 1995, 352 (353). 435 Vgl. hierzu die Aufzählung der Einzelfälle bei G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Auft. 1995, § 26 Rdnr. 24; H. Arndt, DRiZ 1978, 298 (302); N. Achterberg, NJW 1985,3041 (3043); J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 10 f.; Müht/Arndt, in: GKÖD,
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
aber auch nur mittelbar eine Beeinflussung der Sachentscheidung zu befürchten sei, müsse jegliche Dienstaufsichtsmaßnahme auch im Bereich der äußeren Ordnung unterbleiben. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Kernbereich und äußerem Ordnungsbereich räumt der Bundesgerichtshof selbst ein, daß sich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben könnten, da die Unabhängigkeitsgarantie nicht nur den Kern der richterlichen Tätigkeit betreffe, sondern auch andere richterliche Entscheidungen. 436 Gegen diese Ausweitung von Vorhalt und Ermahnung über die in § 26 Abs. 2 DRiG ausdrücklich genannten Fälle wird starke Kritik geübt. 437 Die Einführung eines äußeren Ordnungsbereiches finde in § 26 Abs. 2 DRiG keine Stütze. Zudem sei diese Kategorie weder erforderlich noch praktikabel, da die Abgrenzung zwischen Kernbereich und dem äußeren Ordnungsbereich nicht überzeuge. In einem zweiten Schritt erweiterte das Dienstgericht des Bundes den Bereich der äußeren Ordnung um die offensichtlich unrichtigen Maßnahmen und Entscheidungen bei Wahrnehmung der richterlichen Geschäfte, da diese eine ordnungswidrige Art der Amtsführung darstellen würden. 438 Die richterliche Unabhängigkeit sei kein Standesprivileg und kein Freibrief für eine nachlässige Arbeit. Sie diene vielmehr der nur am Gesetz orientierten Entscheidungsfindung, und derjenige der dem Recht unterworfen sei, sei für Rechtsverletzungen verantwortlich. 439 Die im Bereich offensichtlich fehlerhafter Entscheidungen ansetzende Dienstaufsicht diene daher zur Erhaltung der Legitimationsgrundlage staatlicher Rechtsprechung. 440 Auch gegen diese Ausweitung der Dienstaufsicht hat sich vor dem Hintergrund des Art. 92 GG berechtigte Kritik mit der Begründung erhoben, daß hierBd. 1, Teil 5, T § 26 Rdnr. 18; O. R. KisseL, GVG, 2. Auf!. 1994, § 1 Rdnrn. 53 f., 63,65,67; w. Schaffer, BayVBI. 1991,678 (681); BGH, NJW 1995,731 (732). 436 BGHZ 42, 163 (171). 437 H. Arndt, DRiZ 1974, 248 (250); W. Funk, DRiZ 1978, 357 ff.; A. Mayer, DRiZ 1978,313;K.RudoLph,DRiZ 1978, 146 ff.; ders., DRiZ 1979,97 ff.; N. Achterberg, NJW 1985, 3041 (3045);R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 61 ff., 111 ff.; MühL/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 26 Rdnr. 19, m.w.Nachw.; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Auf!. 1995, § 26 Rdnr. 25. 438 BGHZ46, 147 (150); 67,184 (187 f.); 70,1 (4); 76, 288 (291); 100,271 ff.; aus der Literatur H. Arndt, DRiZ 1974, 248 (251); ders., DRiZ 1978,298 (302); K. Schäjer, in: Löwe/Rosenberg, StPO,23. Auf!. 1978, § 1 GVG Rdnr. 23;N. Achterberg, NJW 1985,3041 (3044f.);1. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 11 ff.; O. R. KisseL,GVG,2. Aufl.1994, § 1 Rdnr. 60; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 26 Rdnr. 23. 439 H. Arndt, DRiZ 1974, 248 (251); W. Geiger, DRiZ 1979, 65 (66); J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 12. 440 H. Arndt, DRiZ 1978,298 (299); J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 11.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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mit eine unzulässige Relativierung der richterlichen Unabhängigkeit und ein Eingriffindie Eigenverwaltung der rechtsprechenden Gewalt verbunden sei. 441 Die Korrektur unrichtiger Entscheidungen sei Sache der Berufungs- und Revisionsgerichte, nicht hingegen der Dienstaufsicht, die durch Stellen der Verwaltung ausgeübt werde. cc) Die Begrenzug der zulässigen Mittel der Dienstaufsicht bei nichtrichterlichen Tätigkeiten N ach dieser zweifachen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Dienstaufsicht durch die Rechtsprechung des Dienstgerichtshofes wendete sich der Trend in der Einstellung gegenüber der Dienstaufsicht in die gegenteilige Richtung. Mit seiner Entscheidung vom 31.1.1984442 wendete sich das Gerichtgegendie bisherige Praxis, die richterdienstliche und die sonstige Tätigkeit einer uneingeschränkten Dienstaufsicht zu unterstellen. Nunmehr solle hinsichtlich aller Lebensbereiche die Dienstaufsicht auf Vorhalt und Ermahnung als strengstes Mittel beschränkt bleiben. Dabei stützte sich das Gericht auf die Überlegung, "daß das deutsche Richtergesetz mit seinem § 26 nicht nur die sachliche, sondern auch die persönliche Unabhängigkeit eines Richters schützt und vor allem letztere durch Dienstaufsichtsmaßnahmen im Bereich außerhalb der richterlichen Tätigkeit vielfältig berührt werden kann. "443 Hier müsse, wenn Sinn und Zweck des § 26 DRiG nicht ausgehöhlt werden sollten, derselbe Schutz wie für die Spruchtätigkeit gelten. Die Vorschrift gestatte es dem Dienstvorgesetzten auch imnichtrichterlichen Bereich nicht, strengere Mittel als den Vorhalt oder die Ermahnung, wie Z.B. die Mißbilligung, den Tadel oder die Rüge, zu gebrauchen. 444 Auch diese Entscheidung des Dienstgerichtshofes des Bundes ist auf erhebliche Kritik gestoßen. 445 Die Gegner führen gegen die Begrenzung der mögli-
441 K. Rudolph, DRiZ 1978, 146; R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985,S. 64ff., 116ff.; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 26 Rdnr. 22, wenn er bei vorsichtiger Handhabung die Dienstaufsicht bei offensichtlich fehlerhaften Urteilen zuläßt. 442 BGHZ 90,34 ff. = NJW 1984,2534 ff. 443 BGHZ 90, 34 (39). 444 BGHZ90, 34 (39) unter nr 1 der Gründe; ebenso BGH, DRiZ 1994, 141 (142). Im Ergebnis ebenso Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 26 Rdnr. 69 a.E.; W. Schaffer, BayVBI. 1991,678 (681); O. R. Kissel, GVG, 2. Aufl. 1994, § 1 Rdnr. 46; H. Albers, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl.1995, §26DRiG Anm. 3 B; wohl auchN. Achterberg ,NJW 1985, 3041 (3045 ff.), der aber für beide Seiten zitiert wird. 445 Vor allem J. Wandtke, DRiZ 1984, 430 ff.; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 17 f.; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 19 11 3; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Aufl. 1995, § 26 Rdnr. 19.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
chen Dienstaufsichtsmaßnahmen bei nichtrichterlichen Tätigkeiten an, daß weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte diese Auslegung des § 26 Abs. 2 DRiG tragen. 446 Vielmehr könne diese Bestimmung nicht auf die nichtrichterlichen Tätigkeiten angewendet werden, da sie sich nur auf die Art der Ausführung und die ordnungsgemäße, unverzögerte Erledigung der Amtsgeschäfte, also nur auf die Entscheidungstätigkeit beziehe. 447 Letztlich werde auch der Schutz der persönlichen Unabhängigkeit nicht verbessert, da die Beschränkung der Mittel der Dienstaufsicht dazu führe, daß die Dienstaufsichtsbehörde dort, wo Vorhalt und Ermahnung der Bedeutung der Dienstpflichtverletzung nicht gerecht werden, andererseits aber Mißbilligung oder Rüge ausgereicht hätten, sofort zum Verweis durch eine Disziplinarverfügung greifen müsse. 448 Diese Argumentation kann aber die Gründe, die den Bundesgerichtshof zu seiner Entscheidung bewogen haben, nicht entkräften. Auch wenn das Spannungsverhältnis zwischen Dienstaufsicht und richterlicher Neutralität in Abhängigkeit von der Nähe des zu beurteilenden Verhaltens zur Spruchtätigkeit aufzulösenist, so darf nicht übersehen werden, daß § 26 DRiG nicht zwischen sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit differenziert, sie vielmehr beide umfaßt. 449 Beide Elemente der Unabhängigkeit stehen in einem je für sich eigenen Spannungsverhältnis zur Dienstaufsicht. Jedoch führt dies nicht zu einer völligen Trennung der beiden Bereiche. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die persönliche Unabhängigkeit der notwendigen Sicherung der sachlichen Unabhängigkeit dient. 450 Über diese Verbindung können deshalb Maßnahmen der Dienstaufsicht im Bereich nichtrichterlicher Tätigkeiten auch auf die sachliche Unabhängigkeit durchgreifen und damit die Sachentscheidung im Einzelfall beeinflussen. DieszuverhindernistwesentlicheAussagedes§ 26 DRiG. Aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist daher die Begrenzung der Dienstaufsichtsmittel 446 J. Wandtke, DRiZ 1984, 430; J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 17; G. SchmidtRäntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 26 Rdnr. 19. 447 J. Thomas, Richterrecht, 1986, S.17; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 26 Rdnr. 19. 448 J. Wandtke, DRiZ 1984, 430 (433, 436); J. Thomas, Richterrecht, 1986, S. 17; ein förmliches Disziplinarverfahren nach §§ 63 ff. DRiG steht aufgrund des wesentlich schwerwiegenderen Vorwurfs nicht in Konkurrenz zu einem Vorhalt oder einer Ermahnung. 449 Deshalb kann die Verletzung auch der persönlichen Unabhängigkeit durch dienstaufsichtsrechliche Maßnahmen im Verfahren nach § 26 Abs. 3 D RiG gerichtlich geltend gemacht werden, vgl. R. Schmidt-Räntsch, Dienstaufsicht über Richter, 1985, S. 22, in FN 59; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. I, Teil 5, T § 26 Rdnr. 74; G. SchmidtRäntsch,DRiG,5. Autl. 1995, § 26 Rdnr. 35; BGHZ 46, (70); 51, 363 (369 f.); 67, 159 (162); 93, 100 (101). 450 Vgl. hierzu oben B III 2 c bb.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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im nichtrichterlichen Bereich erforderlich, um zu verhindern, daß durch den Eingriff in die persönliche Unabhängigkeit das geschieht, was für die sachliche Unabhängigkeit durch §26 Abs. 2 DRiG vermieden werden soll. Im Ergebnis führt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dadurch, daßerdieAuswirkungen von Dienstaufsichtsmaßnahmen im nichtrichterlichen Tätigkeitsfeld über die persönliche auf die sachliche Unabhängigkeit und damit letztlich auf die Sachentscheidung berücksichtigt, zu einer höheren Bewertung der richterlichen Unabhängigkeit gegenüber der Notwendigkeit von dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmendes Dienstherm. Durch die Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes wurde eine weniger durch allgemeine Aussagen als vielmehr durch Einzelfallentscheidungen geprägte' auch der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum entsprechende Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Dienstaufsichtsmaßnahmen, verteilt über die richterlichen, nichtrichterlichen und sonstigen Tätigkeiten, gezogen. Hierdurch wird den Dienstaufsichtsbehörden ein variables Paket von Aufsichtsmaßnahmen in die Hand gegeben, um im Bedarfsfalle einen Richter mehr oder weniger nachdrücklich an seine Pflichten erinnern zu können. Die Stimmen, die durchschlagkräftigere Mittel der Dienstaufsicht fordern, sollten sich bewußt werden, daß insbesondere im Rahmen offensichtlich unrichtiger Prozeßhandlungen und Entscheidungen ein Gespräch unter vier Augen schneller zu Ergebnissenführt, als dies Mißbilligung und Rüge je erreichen können. 451 4. Untersuchung einzelner Fallgruppen
Die richterliche Mäßigungspflicht beinhaltet die Konkretisierung des Pflichtenaspekts der richterlichen Neutralität im umfassenden Sinne. Diese erstellt keine für alle Tätigkeitsbereiche starre Verhaltensregel, sondern erlaubt dem Richter ein breites Verhaltensspektrum, das abhängig von der Nähe zur Spruchtätigkeit einen weiteren oder engeren Handlungsspielraum zuläßt. Je größer die Gefahr erscheint, daß eine Tätigkeit oder eine Äußerung einen unsachlichen Einfluß auf die Entscheidung des Richters ineinem anhängigen Verfahren erlangen kann, umso wahrscheinlicher wird aus der Sicht eines um Objektivität bemühten, vernünftigen Betrachters ein Schaden an der Befriedungsfunktion der Rechtsprechung entstehen. Eine präzisere allgemeine Grenzbestimmung erlaubt die allgemeine Formulierung des § 39 DRiG nicht. Es sollen daher einige Fallgruppen anhand der bisher gefundenen Ergebnisse auf ihredienstaufsichtsrechtliche Relevanz hin untersucht werden.
451 So die vom Rechtsausschuß des Bundestages befragten Gerichtspräsidenten, die die Erledigungsquote bei diesem Lösungsweg mit 99% bezifferten - vgl. H. Arndt, DRiZ 1974,248 (252).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung von Fallgruppen immer der Zusammenhang, in dem das Dienstrecht steht. Als einfachgesetzliche Beschränkung der Koalitionsfreiheit ist es in seiner Anwendung an die verfassungsrecht liche Legitimation durch die richterliche Neutralität gebunden und damit auch gleichzeitig begrenzt. Die konkrete Bestimmung einer Pflichtwidrigkeit durch Auslegung des § 39 DRiG muß daher immer in seiner Rückbindung in der richterlichen Neutralität gesehen werden.
a) Schlichte Gewerkschajtsmitgliedschajt Vereinzelt wird in der Literatur der Beitritt eines Richters zu einer Gewerkschaft bereits dann als Verstoß gegen die Mäßigungspflicht des § 39 DRiG gewertet, wenn sich die Vereinigung bekanntermaßen zum Ziel gesetzt hat, Rechtsstreitigkeiten vor Gerichten zu führen oder in sonstiger Weise einseitig Interessen zu vertreten. 452 Hier genüge allein die schlichte Mitgliedschaft, um das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richters bei den potentiell Rechtsuchenden zu gefährden. Dies gelte insbesondere für die Beziehungen der Verfahrensbeteiligten in arbeitsgerichtlichen Verfahren. Der weitaus überwiegende Teil in Lehre und Rechtsprechung hingegen erhebt keine Bedenken gegen die schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft aus dienstrechtlicher Sicht. Dies beruht auf der Überlegung, daß der Richter durch seine Gewerkschaftsmitgliedschaft keine neuen Bindungen, die das Vertrauen eines um Objektivität bemühten, vernünftigen Beobachters in die Unabhängigkeit des Richters gefährden könnten, begründet. In dem Beitritt konkretisieren sich lediglich die subjektiv-persönlichen Elemente, die der Richter in seiner Eigenschaft als Mensch in sein Amt einbringt. Dieses "Humanum "453 ist lediglich Ausdruck der in der Persönlichkeit des Richters verankerten Gefühle und Einstellungen, die sich aus seiner Herkunft, seinem sozialen Umfeld, seiner Konfession, seiner Erziehung, der juristischen Ausbildung und beruflichen Solidarisierung sowie seinen dienstlichen und privaten Erfahrungen ergeben. Als Bestandteil der Richterpersönlichkeit gehören diese persönlichen Elemente nicht zu den Merkmalen, denen sich der Richter aufgrund des Pflichtenaspekts der Neutralität fernhalten oder entledigen muß. Daher würde eine Dienstaufsichtsmaßnahme, die sich auf die schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft stützt, in unzulässiger Weise in die durch Art. 9 Abs. 3 GG auch dem Richter gegenüber gewährleistete Koalitionsfreiheit eingreifen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß eine auf die schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft gestützte Dienstauf452 B. Rüthers, DB 1984, 1620 ff.; Mühl/Arndt, in: GKÖD, Bd. 1, Teil 5, T § 39 Rdnr. 4; G. Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Autl. 1995, § 39 Rdnr. 12. 453 Vgl. oben B III 2 c ee.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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sichtsmaßnahme gegen das Maßregelungsverbot aus § 46 DRiG LV.m. § 91 Abs. 2 BBG verstoßen würde. Die Gewerkschaftsmitgliedschaft als solche ist daher keine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 39 DRiG.
b) Die Übernahme von Funktionen innerhalb der Gewerkschaft Das Maßregelungsverbot des §46DRiG LV.m. § 91 Abs. 2BBG könnte auch die Übernahme von Gewerkschaftsämtern aus dem Bereich pflichtwidriger Handlungen ausschließen. Bei der Lösung dieses Problembereichs hilft jedoch die Formulierung des Maßregelungsverbotes unmittelbar weiter. Nur die "Betätigung für seine Gewerkschaft oder seinen Berufsverband" wird durch diese Einrichtung geschützt. Damit ist die Übernahme von Funktionen nur innerhalb des Richterbundes, der sich in § 1 seiner Satzung als Organisation zur Förderung der Berufsangelegenheiten der Richter versteht, 454 unbedenklich. Gleiches dürfte gelten für die Amtsübernahme in speziell für die Richter eingerichteten Untergliederungen des Deutschen Beamtenbundes und der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr (ÖTV). Dies heißt jedoch nicht, daß die Übernahme von Ämtern in über ihre Berufsangelegenheiten hinausgehend tätigen Organisationseinheiten nicht aus allgemeinen Gesichtspunkten zulässig sein könnte. Aus der Sicht eines um Objektivität bemühten, vernünftigen Beobachters wächst die Identifikation eines Amtsinhabers mit den Organisationszielen entsprechend seiner Stellung innerhalb des Verbandes. Dabei sind die niederen Ämter für die Funktionsfahigkeit der Gesamtorganisation zwar notwendig, jedoch stehen sie in ihrer Außenwirkung in keinem Verhältnis zu den Ämtern des Vorstandes oder Geschäftsführers. Letztere repräsentieren die Gewerkschaft nach außen und werden mit dieser identifiziert, während der Kassierer eines kleinen Ortsverbandes seine Leistung im Stillen erbringt. Wer sich aber nur in der organisationsinternen Verwaltung betätigt, steht in keiner unmittelbaren Verbindung zum Meinungsbild des Verbandes. Ihm kann unter Berücksichtigung eines objektivierten Beurteilungsmaßstabes nicht vorgehalten werden, er könne bei seiner Richtertätigkeit das notwendige Vertrauen nicht mehr in Anspruch nehmen. Ein anderer Gesichtspunkt liegt darin begründet, daß Beurteilungsgrundlage für eine auf § 39 DRiG gestützt Dienstaufsichtsmaßnahme nicht ein konkretes Verfahren ist, sondern das allgemeine Verhalten des Richters. Vereinzelt mögliche Interessenkollisionen zwischen dem Richteramt und der außerdienstlichen Gewerkschaftstätigkeit mögen in Einzelfällen Gegenstand von Ablehnungs-
454 Vgl. hierzu die vorläufige Gründungssatzung des Deutschen Richterbundes in Heft 1 der Deutschen Richterzeitung, DRiZ 1909, S. 7.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
anträgen sein können, beeinträchtigen aber nicht generell das Vertrauen der um Objektivität bemühten potentiell Rechtsuchenden. Vor dem Hintergrund der grundrechtseinschränkenden Wirkung der richterlichen Mäßigungspflicht und der hierin begründeten Zweifelsfallentscheidung zugunsten der richterlichen Unabhängigkeit ist daher die Übernahme von Ämtern in einer Gewerkschaft, die auch in Berufsangelegenheiten der Richter tätig werden, zulässig, soweit mit diesem Amt nicht die Aufgabe verbunden ist, die Positionen der Gewerkschaft in der Öffentlichkeit vertreten zu müssen. § 39 DRiG veruteilt den Richter damit nicht zu einem inaktiven "Karteileichendasein " .455
c) Die Betätigung innerhalb der Gewerkschaft Mit Hinblick auf § 46 DRiG LV.m. § 91 Abs. 2 BBG ist generell auch die Betätigung des Richters im Rahmen der für seine Berufsangelegenheiten zuständigen Koalition zulässig, ohne daß hiermit eine Dienstaufsichtsmaßnahme begründet werden könnte. Soweit die Arbeit in einer Gewerkschaft geleistet wird, die neben den Berufsangelegenheiten der Richter auch die Interessen anderer Arbeitnehmergruppen vertritt, ist die Grenze zwischen dienstrechtlich unbedeutenden und relevanten Tätigkeiten dort zu ziehen, wo diese eine dauerhafte, über die sich aus dem Humanum hinaus ergebende Identifikation mit den Gewerkschaftszielen und eine gesteigerte Bindung hieran erkennen lassen. Auch hierbei ist an die Außenwirkung der Handlung anzuknüpfen, wobei zwischen Arbeiten, die dem Funktionsablauf innerhalb des Verbandes dienen, einerseits und der programmatischen Tätigkeit zur Darstellung der Gewerkschaftsarbeit andererseits zu unterscheiden ist. Während die rein mechanische Büroarbeit programmatisch unverdächtig erscheint, überschreiten die Verteilung von Handzetteln sowie die Organisation und aktive Wortführung bei gewerkschaftlich geführten Demonstrationen z.B. zur Einführung der 35-Std.-Woche den Bereich zulässigen Verhaltens. Die Mitarbeit an Sachthemeneiner Gewerkschaft überschreitet daher auch nach objektivierten Maßstäben das Maß dienstrechtlich unbedenklicher Verhaltensweisen eines Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit.
d) Teilnahme am Arbeitskreis "Recht" Die Beteiligung der Kammervorsitzenden des Arbeits- und Landesarbeitsgerichts Frankfurt a.M. an dem von der Gewerkschaft ÖTV veranstalteten Arbeitskreis "Recht" wirft die Frage auf, ob der Besuch von Diskussionsveranstaltun-
455
E. Kempen, ArbuR 1985, 1 (5).
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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gen, die von einer Gewerkschaft organisiert werden, nach objektiviertenBeurteilungskriterien eine Dienstpflichtverletzung darstellen. Auszugehen ist dabei von der grundsätzlichen Vermutung zugunsten der Unabhängigkeit des Richters ebenso wie von dem Bewußtsein des Richters hinsichtlich seiner Verpflichtung, seine Unabhängigkeit zu wahren. Hinzu kommt das fachliche Interesse des Richters an den Argumenten und Positionen der Sozialpartner zu insbesondere arbeitsrechtlichen Fragestellungen. Diese Form der Informationsbeschaffung dient damit letztlich einer wohl abgewogenen Entscheidung in späteren Prozessen. Die Teilnahme an Informations- oder Diskussionsrunden dient daher der Tätigkeit als Richter, weshalb aus der Sicht eines um Objektivität bemühtenBeobachtersdas Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richters nicht gefährdet sein kann. Dies gilt auch grundsätzlich für Veranstaltungen andenen die Arbeitgeberseite nicht teilnimmt, weil sie entweder nicht eingeladen worden ist oder kein Interesse an der Teilnahme zeigte. 456 Insbesondere im letzten Fall gewinnt das grundSätzlich vermutete Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richter an Bedeutung. Der Richter muß seine Unabhängigkeit nicht beweisen, wenn er an geschlossenen Veranstaltungen einer Gewerkschaft teilnimmt, um in der Diskussion um arbeitsrechtliche Fragestellungen sein Wissen zu erweitern. Er darf hierbei das Vertrauender Arbeitgeberseite in Anspruch nehmen, wieer auch das Vertrauen der Gewerkschaft bei seiner Teilnahme an entsprechenden Runden der Arbeitgeberseite in Anspruch nehmen darf. Das Vertrauen unterliegt aber dann Beschränkungen, wenn der Richter die Einladungen nur der Gewerkschaftsseite annimmt die der Arbeitgeberseite hingegen immer ausschlägt. Hier zeigt der Richter ein einseitg auf die Gewerkschaftsseite bezogenes sachliches Interesse unter Vernachlässigung der Position der Arbeitgeberseite. Dies gilt natürlich auch im umgekehrten Fall. Ausnahmen von der grundSätzlichen Bewertung einer Teilnahme an gewerkschaftlich organisierten Veranstaltungen ergeben sich aber dann, wenn hinter verschlossenen Türen die in den Kammern der beteiligten Richter rechtshängigen Verfahren in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht diskutiert werden. Soweit diese Auseinandersetzung nach außen dringt, ist der Vertrauensspielraum des Richters aufgebraucht. Er kann hier von der Arbeitgeberseite nicht mehr erwarten, daß diese hinsichtlich der ausdiskutierten Fälle für die mündliche Verhandlung und die Urteilsfindung an seine Neutralität glauben. Die Kenntnis des Dienstherrn bzw. des zuständigen Dienstgerichts von den Tatsachen vorausgesetzt, ist eine auf § 39 DRiG gestützte Dienstaufsichts- oder 456 Bezüglich des Arbeitskreises "Recht" vgl. die Auseinandersetzung zwischen B. Rüthers und J. Schuld, Direktor des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. unter anderem über die "Offenheit" der einzelnen Sitzungen, DB 1984, 1620 ff., und 2509 ff.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Disziplinarmaßnahme zulässig, denn es bedarf hierfür keines Nachweises einer tatsächlichen Verletzung seiner Unabhängigkeit. Für die Annahme einer Pflichtverletzung reicht bereits die Gefährdung des Vertrauens in die Unabhängigkeitdes Richters aus. Auch aus der Sicht des nach objektivierten Grundsätzen entscheidenden potentiell Rechtsuchenden ist in der heimlichen Besprechung konkreter Rechtsfälle ein Grund zu sehen, der das Vertrauen in die Unparteilichkeit des Richters gefährdet.
e) Ergebnis der Falluntersuchung Der vorsitzende Richter am Arbeitsgericht ist in der Mitgliedschaft in und der Betätigung für .. seine" Gewerkschaft oder seinen Berufsverband ebenso frei wie jeder andere Grundrechtsträger . Aus seiner Funktion als Organwalter der Justiz ergeben sich aber Beschränkungen hinsichtlich der Betätigung im Rahmen der Gewerkschaftstätigkeit für nicht berufsspezifischeZwecke. Die Grenzezulässigen Verhaltens ist dort erreicht, wo es für einen außenstehenden, um Objektivität bemühten, vernünftigen Beobachter nicht mehr nachvollziehbar ist, was der Richter unter Ausschluß von Arbeitgebervertretern zu tatsächlichen oder rechtlichen Problemen eines in seiner Kammer rechtshängigen Verfahrens gesagt hat. Offenheit seiner Entscheidung und Nachvollziehbarkeit seiner Beiträge in der Diskussion erhalten seine Neutralität und begründen keine Gefahr für das in diese gesetzte Vertrauen. ll. Prozessuale Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit Die richterliche Dienstaufsicht hat die Aufgabe, aufgrund staatlicher Initiative die umfassende Neutralität als notwendige Grundlage zur Erfüllung der rechtsstaatlieh vorgegebenen Justizgewährleistungspflicht aufrecht zu erhalten. Das gleiche Ziel verfolgen die Ausschließungs und Ablehnungsbestimmungen aus der Perspektive der Prozeßsituation als Konkretisierung des Rechts auf den gesetzlichen Richter. 457 Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich des Bewertungsgegenstandes und -maßstabes. Lag dort die Betonung auf der generellen Betrachtung der Gesamtumstände aus der Sicht eines um Objektivität bemühten Beobachters, steht hier der konkrete Einzelfall anhand eines gesetzlich festumschriebenen Tatbestandes zur Prüfung. Hieraus ergeben sich abweichende Maßstäbe für die Beurteilung des Verhaltens eines Richters innerhalb und außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit. Ob diese von den dienstrechtlichen Ergeb457 R. Riedei, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 225 ff.; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 42 Rdnr. 6; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Aufl. 1993, Vor. § 41 Rdnr. 3; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 1/1,3. Aufl. 1994, Vor. § 41 Rdnr. 2.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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nissen Befunde dann isoliert bestehen bleiben oder mit jenen in eine Wechselbeziehung treten, bedarf einer letzten Prüfung. 1. § 41 ZPO - Der iudex inhabilis
Die zivilprozessuale Regelung über den Ausschluß eines Richters in § 41 ZPO ist von dem Gedanken getragen, daß nur die von einem neutralen Dritten getroffene gerichtliche Entscheidung die Befriedung des rechtsuchenden Bürgers erbringen und das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Integrität der Justiz erhalten kann. 458 Dies wird umgesetzt entweder unmittelbar kraft Gesetzes, wobei der Richter sich jeder Amtsausübung enthalten muß, oder aber aufgrund eines Parteiantrages im Rahmen eines Ablehnungsverfahrens gemäß § 42 Abs. 1 ZPO, wonach ein Antrag auf Ablehnung eines Richters auch auf einen gesetzlichen Ausschließungsgrund gestützt werden kann. Allen in § 41 ZPO abschließend aufgezählten,459 typisierten460 Ausschließungsfällen, die jeweils eine unwiderrufliche Vermutung461 für einen Mangel der Unabhängigkeit darstellen, ist gemeinsam, daß sie aufgrund einer einzelfallbezogenen Beurteilung nur Wirkung für das einzelne Verfahren462 entfalten.
458 U. Horn, Der befangene Richter, 1977, S. 117; J. Riedei, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980,S. 225ff.;R. Wassemumn, AK-ZPO, 1987, Vor. § 41 Rdnr.l;R.Zuck,DRiZI988, 172 (176 ff.); O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 41 Rdnr. 1; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Aufl.1993, Vor § 41 Rdnr. 3, § 41 Rdnr. 6; RosenberglSchwab, ZPO, 15. Aufl. 1993, § 25; G. Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung, 6. Aufl. 1994, § 78 11 1; O. Niemann, in: Wieclorek/Schütle, ZPO, Bd. VI, 3. Aufl. 1994, Vor. § 41 Rdnr. 1; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, Vor. § 41 Rdnr. 1, § 41 Rdnr. 5. 459 R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 41 Rdnr. 1; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21, Aufl. 1993, § 41 Rdnr. 6; Rosenberg/Schwab, ZPO, 15. Aufl. 1993, § 25 I 1; G. Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung, 6. Aufl. 1994, § 78 11 1; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. IIl, 3. Aufl. 1994, § 41 Rdnr. 2; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 3; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 2; ThomaslPutzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 2; GermelmannlMattheslPrütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 49 Rdnr. 6; BGH, LM Nr. 19 lU Art. 101 GG; BGH,NJWI976,574und837;NJW 1981,1273; DRiZ 1991,99; BVerwG, NJW 1980,2722. 460 R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 41 Rdnr. 1; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 41 Rdnr. 13; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1, 21. Aufl. 1993, § 41 Rdnr. 6; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 3. 461 0. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 41 Rdnr. 13. 462 O. Feiber, MüKo-ZPO,Bd.1, 1992, §41 Rdnr.27; O. Niemann, in: Wieczorekl Schütze, ZPO, Bd. VI, 3. Aufl. 1994, § 41 Rdnr. 1; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 4; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53.
174
2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
a) Anwendbarkeit des § 41 ZPO im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bevor untersucht werden kann, ob die Mitgliedschaft in oder die Betätigung eines Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit für eine Gewerkschaft von einem der in § 41 ZPO genannten Ausschließungsgründe erfaßt wird, muß zunächst die grundsätzliche Anwendbarkeit der zivil prozessualen Ausschließungsbestimmung auch im Verfahren vor den Arbeitsgerichten festgestellt werden. Die Frage nach der Anwendbarkeit der Vorschriften des Zivilprozeßrechts in Verfahren vor den Arbeitsgerichten beantwortet § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG dahin, daß, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt, das Urteilsverfahren sich grundsätzlich nach den Regeln der Zivilprozeßordnung richtet. 463 Dabei kommt es nicht auf den Streit über die Rechtsnatur des arbeitsgerichtlichen Verfahrens an, in dem einerseits mit Hinweis auf die Formulierung "bürgerlich-rechtliche Streitigkeit" in § 2 ArbGG die Arbeitsgerichtsbarkeit der Zivilgerichtsbarkeit zugeordnet wird464 und andererseits aus der Erwähnung des Bundesarbeitsgerichts neben dem Bundesgerichtshof in Art. 95 GG der Arbeitsgerichtsbarkeit eine eigenständige Rechtsnatur eingeräumt wird. 465 Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält nur wenige Vorschriften über das Urteilsverfahren mit von den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses abweichenden Bestimmungen. Hierzu zählt § 49 ArbGG, der zwar mit "Ablehnung von Gerichtspersonen" überschrieben ist, aber lediglich das Verfahren bei der Entscheidung über einen Ablehnungsantrag regelt. Eine den §§ 41, 42 ZPO entsprechende Vorschrift über die Ausschließungs- und Ablehnungsgründe enthält das Arbeitsgerichtsgesetzjedoch nicht. Deshalb bestimmen sich der Ausschluß und die Ablehnung eines Richters auch im Arbeitsgerichtsverfahren nach §§ 41, 42
Aufl. 1995, Übers. § 41 Rdnr. 3; GermelmannlMattheslPrütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 49 Rdnr. 6. 463 Für das Berufungsverfahren vgl. § 64 Abs. 6 ArbGG und fiir das Revisionsverfahren vgl. § 72 Abs. 5 ArbGG. Für das Beschlußverfahren nimmt § 80 Abs. 2 ArbGG ebenfalls weitgehend Bezug auf die Zivilprozeßordnung. 464 Nach dieser Ansicht beinhaltet § 1 ArbGG nur eine Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts, so O. Jauernig, BGB, 7. Aufl. 1994, § 5 III; ThomaslPutzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 13 GVG Anm. 2 b; H. Albers, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 13 GVG Anm. 5; BVerfG, ArbuR 1985, 32. 465 Nach dieser Ansicht begründet § 1 ArbGG einen selbständigen Rechtsweg, so RosenberglSchwab, ZPO, 15. Aufl. 1993, S. 58 f.; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 9 VI; W. Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 1 Rdnr. 2; ZöllnerlLoritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl 1992, § 53 I, eine Sonderstellung der Arbeitsgerichtsbarkeit; G. Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung, 6. Aufl. 1994, § 74 TI 2; GermelmannlMattheslPrütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, Einl. Rdnr. 42; R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 13 GVG Anm. IV 1.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
175
ZPO.466 Dabei gelten für Berufsrichter und ehrenamtliche Richter die gleichen Maßstäbe. 467
b) Ansatzpunkte für die Ausgangsjrage in § 41 ZPO Die norminteme Systematik des § 41 ZPO besteht in der abschließenden Aufzählung von Fallgruppen, in denen eine gesetzliche, nicht widerlegbare Vennutung gegen das Vorhandensein der für die Ausübung notwendigen Neutralität des Richter besteht. 468 Die einzelnen Fallgruppen betreffen dabei die persönliche oder haftungsrechtliche Verbindung zum Streitgegenstand, § 41 N r. 1 ZPO, die verwandtschaftlichen Beziehung des Richters zu einer Partei, § 41 Nr. 2, 3 ZPO, oder die vorherige verfahrensrechtliche Befassung mit dem Streigegenstand, § 41 Nr. 4, 5, 6 ZPO. Eine Bedeutung für die Ausgangsfrage hat aus diesem Katalog lediglich die erste Gruppe der Ausschließungsgründe. Die weitere Untersuchung geht daher der Frage nach, ob die Gewerkschaftsmitgliedschaft oder die Betätigung innerhalb der Gewerkschaft eine Ausschließung wegen der damit verbundenen Partei stellung des Richters oder wegenderMitberechtigung, Mitverpflichtung oder Regreßpflicht begründet. aa) Das Gewerkschaftsmitglied als Partei im Sinne des § 41 Nr. 1, 1. Alt. ZPO Grundgedanke des Ausschließungstatbestandes des § 41 N r. 1, 1. Alt. ZPO ist die Stellung des Richters als Partei in dem zu entscheidenden Verfahren. Diese Regelung ist Ausdruck der rechtsstaatlich geprägten Rechtsprechung und des damit notwendig verbundenen Prinzips, daß niemand Richter in eigener Sache sein darf. Der hiermit verfolgte Zweck zwingt zu einem weiten Verständnis des
466 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 125; E. Stahlhacke, ArbGG, § 49 Anm. 1; DietzlNikisch, ArbGG, 1954, § 49 Rdnr. 2; W. Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 49 Rdnrn. 2, 4; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993,Bd. 1, Vorb §41 Rdnr. 6; GermelmannlMattheslPrütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 49 Rdnr. 6; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 111, 3. Aufl. 1994, Vor. § 41 Rdnr. 4; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, Vorb. § 41 Rdnr. 3. 467 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 125; W. Grunsky, ArbGG,7. Aufl. 1995, § 49 Rdnr. 2; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 41 Rdnr. 8; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Aufl. 1993, Vorb. § 41 Rdnr. 6; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 111, 3. Aufl. 1994, Vor. § 41 Rdnr. 4; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, Übers. §41 Rdnr. 2; ThomaslPutzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 41 Vorbem. Rdnr. 1; Germelmannl Matthesl Prütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 49 Rdnr. 3; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, Vorb. § 41 Rdnr. 3; BAG, BB 1978, 100. 468 O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 41 Rdnr. 13.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Begriffs der "Partei" .469 Deshalb ist jeder Partei, für oder gegen den die Entscheidung wirkt. Voraussetzung für die Stellung als Partei ist zunächst die Parteifähigkeit. Für den allgemeinen Zivilprozeß erfolgt die Bestimmung, wer Partei eines Verfahrens sein kann, aus § 50 ZPO, der die Parteifähigkeit an die Rechtsfähigkeit knüpft. § 50 Abs. 2 ZPO gesteht nichtrechtsfähigen Vereinen lediglich die passive Parteifähigkeit zu. Daher muß bei Klagen nicht der Verein, sondern die Summe der Mitglieder im Wege der subjektiven Klagehäufung als Streitgenossen tätig werden, während der Verein selbst verklagt werden kann. Dies müßte grundsätzlich auch für Gewerkschaften gelten, da sie aus historischen Gründen in der Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins organisiert sind. 470 Jedoch wäre damit aufgrund der großen Mitgliederzahl eine aktive Rechtsverfolgung durch die Gewerkschaften praktisch undurchführbar. Die Rechtsprechung hat dieses Problem der Massenvereinigungen erkannt und deshalb die nichtrechtsfahigen Vereine auch in bezug auf die Partei fähigkeit den rechtsfähigen Vereinen gleichgestellt. Zur Begründung wird speziell für die Gewerkschaften darauf abgestellt, daß aufgrund der korporativen Verfassung, der öffentlichen Funktionen, der besonderen Organisationsprobleme, sowie der bedeutsamen Übertragung eigenverantwortlicher Aufgaben im Rahmen der sozialen Selbstverwaltung, der zahlreichen Anhörungs- und Antragsrechte gegenüber Gesetzgeber und Behörden, ihrer Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte im kollektiven Arbeitsrecht und ihrer grundgesetzlichen Anerkennung durch Art. 9 Abs. 3 GG ihnen als unumgänglich notwendige Folge der Fortentwicklung im Rahmen der Gesamtrechtsordnung die Parteifähigkeit generell zuerkannt werden müsse. Damit kann im allgemeinen Zivil verfahren eine Gewerkschaft in ihrer Kollektivität nicht nur auf Beklagtenseite als Partei auftreten, sondern aufgrund richterlicher Rechtsfortbildung auch auf Klägerseite. 471 469 R. Bernhard, Richteramt und Kommunalmandat, 1983, S. 127; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1, 21. Aufl. 1993, § 41 Rdnr. 7; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 111, 3. Aufl. 1994, § 41 Rdnr. 3; Thomas/ Putzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 2; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, §41 Rdnr. 6;M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 6. 470 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, 15. Aufl. 1959, S. 695; H. Fenn, ZZP Bd. 86 (1973), S. 177; C. Ott, AK-BGB, 1987, § 54 Rdnr. 2; E. Steffen, RGRK, 12. Aufl. 1982, § 54 Rdnr. 2; K. Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Auf. 1989, S. 189; ZöllnerlLoritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1992, S. 100; D. Reuter, MüKo, Bd. 1,3. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 2; D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl. 1994, Rdnr. 1143; H. Köhler, Allgemeiner Teil des BGB, 22. Aufl. 1994, § 9 III 1; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 11. Aufl. 1995, C 12 b; BGHZ 42,210 (212); 50, 325 ff. 471 BGHZ 42,210 ff.; 50, 325 ff.; BVerfGE 17,319 (329); vgl. hierzu auch H. Fenn, ZZP Bd. 86 (1973), S. 177 (180 f.); C. Ott, AK-BGB, 1987, § 54 Rdnr. 2; E.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
177
Für den Sonderfall des arbeitsgerichtlichen Verfahrens ist diese Rechtsentwicklung in § 10 ArbGG gesetzlich festgelegt, so daß Gewerkschaften hier kraft gesetzlicher Festlegung immer parteifähig sind. Diese Norm stellt eine Ausnahme von § 50 Abs. 1 ZPO dar, da hinsichtlich der Gewerkschaft Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit auseinanderfallen. 472 Diese prozeßrechtliche Verselbständigung der Gewerkschaften hat für die Position des einzelnen Mitgliedes in einem von der Gewerkschaft geführten Prozeß eine entscheidende Auswirkung. Ist die Gewerkschaft als selbständige Organisation in einem Gerichtsverfahren selbst Partei, dann treten die Mitglieder hinter ihre Organisation zurück. Sie selbst sind daher keine Partei in den Verfahren der Gewerkschaft. 473 Dies gilt uneingeschränkt für die prozessuale Stellung einer Gesamtorganisation oder eines Landesverbandes , da gerade für diese großen Einheiten die oben genannten Kriterien zutreffen. Es stellt sich aber die Frage, ob § 41 Nr. I, 1. Alt. ZPO auch dann einschlägig ist, wenn nicht ein Spitzenverband oder die Hauptgewerkschaft klagt, sondern eine Ortsgruppe oder ein Bezirksverband . Der BundesgerichtshoF74 hat im Rahmen eines allgemeinen Zivilverfahrens die Klage einer Bezirksverwaltung der Deutschen Postgewerkschaft gegen seine Hauptgewerkschaft als unzulässig abgewiesen, da sie nicht aktiv parteifähig sei. Diese Entscheidung erging einerseits im allgemeinen Zivilverfahren und andererseits betraf sie die Sonderkonstellation des Streites zwischen der Hauptgewerkschaft und einer ihrer Unterorganisationen. Wegen § 10 ArbGG ist für das Arbeitsgerichtsverfahren jedoch eine abweichende Entscheidung zu treffen. 475 Hier sind alle Unterorganisationen von Gewerkschaften, also auch Bezirks- und Ortsverwaltungen, parteifähig, soweit sie Steffen, RGRK, 12. Aufl. 1982, § 54 Rdnr. 18; K. Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl. 1989, S. 189; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, 9. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 9; H. Köhler, Allgemeiner Teil des BGB, 22. Aufl. 1994, § 9 m 3; H. Brox, Allgemeiner Teil des BGB, 12. Aufl. 1994, Rdnr. 723; O. Jauernig, BGB, 7. Aufl. 1994, § 54 Anm. 3 d, dehnt dies auf alle nichtrechtsfähigen Vereine aus; kritisch D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl. 1994, Rdnr. 1144. 472 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, 15. Aufl. 1959, S. 696; E. Steffen, RGRK, 12. Aufl. 1982, § 54 Rdnr. 19; D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl. 1994, Rdnr. 1145; vgl. OLG Königsberg, JW 1932, 226; RGZ 7, 311; BAG, AP Nr. 2 zu § 41 ZPO (BI. 2) mit Anmerkung E. Stahlhacke. 473 W. Grunsky. ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 10 Rdnr. 16. 474 Urteil vom 21.3.1972 - VI ZR 157170, ZZP Bd. 86 (1973), S. 212 ff. 475 Aufgrund § 10 ArbGG wird die Parteifähigkeit in ZPO und ArbGG jeweils unabhängig voneinander bewertet, W. Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 10 Rdnr. 15; BGH, LM NT. 25 zu § 50 ZPO; kritisch hierzu H. Fenn, ZZP Bd. 86 (1973), S. 177. 12 Klaas
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
körperschaftlich organisiert und gegenüber der Gesamtorganisation weitgehend selbständig sind. 476 Demgegenüber ist eine "Außenstelle" der Gesamtorganisation ohne eigene Befugnisse nicht parteifähig .477 Da selbständige Unterorganisationen einer Gewerkschaft die prozeßrechtliche Stellung einer Partei einnehmen, ist der dieser Unterorganisation mitgliedschaftlich verbundene Arbeitsrichter in einem Prozeß seines Verbandes nicht aufgrund der Regelung des § 41 Nr. 1, 1. Alt. ZPO ausgeschlossen. Die Mitgliedschaft eines Arbeitsrichtersin einer Gewerkschaft oder einer ihrer selbständigen Unterorganisationen begründet daherkeineParteistellung im Sinn des § 41 NT. 1, 1. Alt. ZPO. bb) Die Gewerkschaftsmitgliedschaft als Begründung einer Mitberechtigung, Mitverpflichtung oder Regreßpflicht - § 41 Nr. 1,2. Alt. ZPO Neben der unmittelbaren Beteiligung des Richters an einem Verfahren als Partei' sieht das Gesetz auch in der über haftungsrechtliche Beziehungen vermittelten Verbindung des Richters zum Ergebnis des Verfahrens einen Ausschließungsgrund. Diese Fallgruppe bedarf einer weiteren Unterteilung in die Mitberechtigung bzw. -verpflichtung einerseits und die Regreßpflichtigkeit andererseits. (I) Mitberechtigung und Mitverpflichtung des einfachen Gewerkschaftsmitgliedes Gemäß §4INr.l,2.Alt.ZPO ist der Richter von der Streitentscheidung dann ausgeschlossen, wenn er zu einer Partei im Verhältnis eines Mitberechtigten oder Mitverpflichteten steht. Grundlage dieser Problematik ist nicht die Frage nach der prozessualen Partei fähigkeit der Organisation, sondern die nach deren materiellrechtlicher Rechtsfähigkeit und der damit verbundenen Haftungsverteilungzwischen der Organisation und ihren Mitgliedern. Für die Haftung eines nichtrechtsfähigen Vereins, und damit grundsätzlich auch für die Gewerkschaften, verweist § 54 BGB auf die Vorschriften über die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in §§ 705 ff. BGB. Danach würde das einzelne Gewerkschaftsmitglied als Gesamtschuldner zusammen mit den übrigen 476 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. II, 6. Aufl. 1957, S. 291; Auffarth/Schönherr, ArbGG, 3. Aufl. 1974, B § 10 - 05/3; W. Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 10 Rdnr. 15; G. Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung, 6. Aufl. 1994, § 86 m 3; so auch BAG, AP Nr. 25 zu § 11 ArbGG; Nr. 14 zu § 2 TVG; Nr.lzu§41ZPO;Nr.6zu§ 322 ZPO; BGH, LM Nr. 25 zu § 50 ZPO; Nr. 2 zu § 19 BetrVerfG 1972. 477 W. Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 10 Rdnr. 15; BAG, AP Nr. 5 zu § 36 ZPO - Bezirksleitung der IG Metall.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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Mitgliedern persönlich für die Gewerkschaftsverbindlichkeiten haften. 478 Grundlage dieser gesetzlichen Entscheidung ist die fehlende Rechtspersönlichkeit der Gewerkschaften, ohne die sie nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Deshalb steht das Vereinsvermögen den Mitgliedern gemeinschaftlich als Gesamthandsvermögen zu - § 718 Abs. 1 BGB.479 Insofern läßt sich der in § 50 Abs. 1 ZPO enthaltene Schluß von der Rechtsfähigkeit auf die Prozeßfähigkeit nicht in der Weise umkehren, daß aus der Parteifähigkeit die Rechtsfähigkeit folgt. 480 Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit fallen daher bei der Gewerkschaft auseinander. Diese Konstellation hätte zur Folge, daß der Gläubiger der Gewerkschaft diese zwar verklagen kann, jedoch materiellrechtlich die einzelnen Mitglieder in Anspruch genommen würden. Die gegenüber dem rechtsfähigen Verein verschärften Haftungsregeln nach §§ 54 Abs. 1, 705 ff. BGB finden ihre Ursache in dem Mißtrauen des Gesetzgebers gegenüber Organisationen, die seiner Kontrolle wegen der fehlenden Eintragung entzogen waren. Um diese in ihrer Ausbreitung einzuschränken, verpflichtete er durch die Verweisung auf das Gesellschaftsrecht jedes einzelne Vereinsmitglied zur persönlichen Haftung für die durch die Vereinstätigkeit entstehenden Verbindlichkeiten. 481 Jedoch war das Gesellschaftsrecht ungeeignet, die körperschaftlichen Strukturen des nichtrechtsfähigen Vereins zu bewältigen, so daß die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen z.B. den Ein- und Austritt der Mitglieder sowie deren persönliche Haftung nicht vereinsadäquat regelten. Deshalb beschränkte bereits das Reichsgericht die Haftung der Vereinsmitglieder auf deren Anteil am Vereinsvermögen. 482 Zur Begründung stützte man 478 Vgl. §§ 54, S. 1,714,421,427 BGB; P. Hadding, in: Soergel/Siebert, Bd. 1, 12. Aufl. 1988,§54Rdnr. 21; H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, 9. Aufl. 1993, § 714 Rdnrn. 10 ff. 479 P. Hadding, in: Soergel/Siebert, Bd. 1, 12. Aufl. 1988, § 54 Rdnr. 16; K. Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl. 1989, S. 182; H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 8; D. Reuter, in: MüKo, Bd. 1, 3. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 8; H. Brox, Allgemeiner Teil des BGB, 18. Aufl. 1994, Rdnr. 724; H. Köhler, Allgemeiner Teil des BGB, 22. Aufl. 1994, § 9 m 2; D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl. 1994, Rdnr. 1148. 480 P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 50 Rdnr. 3. 481 C. Ott,AK-BGB, 1987, §54Rdnr.l;H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 54; D. Reuter, in: MüKo, Bd. 1, 3. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 1; H. Brox, Allgemeiner Teil des BGB, 18. Aufl. 1994, Rdnr. 720; D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl. 1994, Rdnr. 1142; O. Jauernig, BGB, 7. Aufl. 1994, § 54 Anm. 1 b. 482 RGZ 63, 62 (65); 74, 371 (376); 85, 256 (260); 90, 173 (176 f.); 143, 212 (216); RG, JW 1907, 136; JW 1910,227 (228).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
sich auf einen Umkehrschluß aus §54S. 2 BGB, der eine Haftung nur des unmittelbar Handelnden vorsah. 483 Auch mit einem Hinweis auf einen (stillschweigend vereinbarten) Satzungsinhalt484 oder eine haftungsbeschränkende Vereinbarung mit dem Gläubiger des nicht rechtsfähigen Vereins sollte die Haftung beschränkt werden. 485 Gleiches galt für die Betonung der körperschaftlichen Organisation des nicht rechtsfähigen Idealvereins. 486 Im Ergebnis erhielt die nichtrechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft zwar keine Rechtsfähigkeit, wohl aber eine gewisse Rechtssubjektivität der Gesamthand. 487 Gesellschaftsrecht findet heute fast keine Anwendung mehr. 488 In der Konsequenz dieses neuen Verständnisses werden heute auch auf den nichtrechtsfähigen Verein weitgehend die Bestimmungen über den rechtsfähigen Verein angewendet. Dies hat zur Folge, daß der Anteil des einzelnen Mitgliedes am Vereinsvermögen weder übertragbar noch pfändbar ist,489 daß das ausscheidende Vereinsmitglied keinen Anspruch auf Auseinandersetzung oder Abfindung hat und sein Vermögensanteil den übrigen Vereinsmitgliedem anwächst, ebenso wie ein neu eintretendes Mitglied Anteile am Vereinsvermögen durch Anwachsung automatisch erwirbt. 490 Von wesentlicher Bedeutung für die hier zu entscheidende Frage ist aber die Begrenzung der Haftung des einzelnen Mitglieds auf seinen Anteil am
483 RG, JW 1907,136; JW 1910,227 (228). 484 RGZ 63, 62 (65); 74, 371 (374); 90, 173 (176 f.); BAG, AP Nr. 1 zu § 41 ZPO; BAG, NJW 1979,2304 (2306). 485 RG, WamRspr. 1927, Nr. 263; vgl. auch H. Köhler, Allgemeiner Teil des BGB, 22. Aufl. 1994, § 9 m 4 a. 486 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, 15. Aufl. 1959, § 111 IV 6, FN 57; H. Coing, in: Staudinger, BGB, Bd. 1, 12. Aufl. 1980, § 54 Rdnr. 52; E. Steffen, RGRK, Bd. 1, 12. Aufl. 1982, § 54 Rdnr. 15; W. Hadding, in: Soergel/Siebert, BGB, Bd. 1, 12. Aufl. 1988, § 54 Rdnr. 36. 487 P. Hadding, in: Soergel/Siebert, BGB, Bd. 1, 12. Aufl. 1988, § 54 Rdnr. 16. 488 C. Ott, AK-GG, 1987, § 54 Rdnm. 9 f.; D. Reuter, MüKo, Bd. 1, 3. Aufl. 1993, § 54 Rdnm. 2, 14; O. Jauernig, BGB, 7. Aufl. 1994, § 54 Anm. 2; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 54. Aufl. 1995, § 54 Rdnr. 6. 489 BGHZ 50, 325 (329); P. Hadding, in: Soergel/Siebert, BGB, Bd. 1, 12. Aufl. 1987, § 54 Rdnr. 20; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 54. Aufl. 1995, § 54 Rdnr. 7; ablehnend K. Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl. 1989, S. 182. 490 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, 15. Aufl. 1959, S. 700 ff.; H. Coing, in: Staudinger, BGB, Bd. 1, 12. Aufl. 1980, § 54 Rdnr. 81; P. Hadding, in: Soergel/Siebert, BGB, Bd. 1,12. Aufl. 1987, § 54 Rdnr. 20; H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, Bd. 1,9. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 8; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 54. Aufl. 1995, § 54 Rdnr. 7.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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Gewerkschaftsvermögens. 491 Aufgrund der teilweisen Verselbständigung des Gewerkschaftsvermögens ist daher das einfache Mitglied nicht mehr in der Situation eines unmittelbar Mitberechtigten oder Mitverpflichteten. Folglich ist der einer Gewerkschaft angehörende Richter im Prozeß seines Verbandes nicht ausgeschlossen. 492 (2) Gewerkschaftsmitgliedschaft als Begründung einer Regreßpflicht Neben der Mitberechtigung bzw. Mitverpflichtung ist ein Richter gemäß § 41 Nr. 1, 2. Alt. ZPO auch bei einer möglichen Regreßpflicht aus dem streitigen Verhältnis gegenüber einer der Parteien von seiner Amtstätigkeit ausgeschlossen. Hierbei muß aber der Bestand der Regreßpflicht des Richters von der Entscheidung über die streitige Forderung unmittelbar abhängen,493 während eine unmittelbare Inanspruchnahme des Richters aus dieser Regreßpflicht noch nicht zu erfolgen braucht. Daher ist der Bürge ebenso wie der Eigentümer eines mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks im Verfahren über diejeweils gesicherte Forderung ausgeschlossen, damit der Entscheidung über die Forderung in einem gewissen Umfang über eine mögliche Inanspruchnahmedes Bürgen oder des Eigentümers mit entschieden wird. Aufgrund der eigenen eingeschränkten Rechtssubjektivität des nicht rechtsfähigen Vereins und der damit verbundenen Verselbständigung des Vereinsvermögens kann der Vereinsgläubiger das einzelne Mitglied nur im Wege der Durchgriffshaftung in Anspruch nehmen. 494 Bei dieser Konstruktion handelt es sich 491 C. Ott, AK-BGB, 1987, § 54 Rdnr. 13; D. Reuter, MüKo, BGB, Bd. I, 3. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 20; H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 11; H. Köhler, Allgemeiner Teil des BGB, 22. Aufl. 1994, § 9114 a; H. Brox, Allgemeiner Teil des BGB, 18. Aufl. 1994, Rdnr. 723; O. Jauernig, BGB, 7. Aufl. 1994, § 54 Anm. 2 c; GermelmannlMatthesl Prütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, § 49 Rdnr. 7; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 54. Aufl. 1995, § 54 Rdnr. 12. 492 R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 41 Rdnr. 3; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992,§41Rdnr. 17;R.Bork,in: Stein/Jonas,ZPO,Bd.1,21.Aufl.19 93, § 41 Rdnr. 20; RosenberglSchwab, ZPO, 15. Aufl. 1993, § 25 I 1 a; G. Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsamrnlung, 6. Aufl. 1994, § 78 11 1 a; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 111, 3. Aufl. 1994, § 41 Rdnr. 4; GermelmannlMattheslPrütting, ArbGG, 2. Aufl. 1995, §49Rdnr. 7; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 8; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 7; BAG, AP Nr. 1,2,3, zu § 41 ZPO; AP Nr. 6 zu § 322 ZPO. 493 R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Aufl. 1993, § 41 Rdnr. 9; so wohl auchO. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 1/1, 3. Aufl. 1994, § 41 Rdnr. 5. 494 P. Hadding, in: Soergel/Siebert, BGB, Bd. 1,12. Aufl. 1987, § 54 Rdnr. 24; D. Reuter, MüKo, BGB, Bd.l, 3. Aufl. 1993, Vor. § 21 Rdnrn. 20 ff., für die Durchgriffshaftung beim eingetragenen Verein; D. Medicus, Allgemeiner Teil des
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aber nicht um eine Form des Regresses für Vereinsverbindlichkeiten, sondern um die für ein bestimmtes Mitglied bestehende Primärleistungspflicht, 495 die ihren Grund in der bewußten, durch Ausnutzung der Haftungskonstellation beim nichtrechtsfähigen Verein ermöglichten Gläubigerschädigung findet. Es bedarf daher einer entsprechenden Handlung des Mitgliedes, das einen eigenen Schuldgrund und keine Regreßpflicht begründet. Damit begründet die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft keine Regreßpflicht des Richters. cc) Die Mitarbeit im Vorstand einer Gewerkschaft als Ausschließungsgrund im Sinne des § 41 Nr. 1,2. Alt ZPO Zu einer von den bisherigen Ergebnissen abweichenden Beurteilung könnte die Position des Arbeitsrichters im Vorstand einer Gewerkschaft oder einer selbständigen Unterorganisation in Verfahren vor seiner Kammer führen. Zwar ist auch in diesem Falle die Gewerkschaft bzw. die jeweilige selbständige Unterorganisation Partei gemäß § 50 ZPO, § 10 ArbGG. Jedoch könntesicheineMitverpflichtung des Richters aus § 54 S. 2 BGB ergeben. Gemäß § 54 S. 2 BGB haftet der für einen nicht rechtsfähigen Verein Handelnde persönlich für rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, die er im Namen des Vereins gegenüber einem Dritten begründet hat. Dabei umfaßt die Haftung des Handelnden sowohl den Erfüllungsanspruch und die Mangelansprüche als auch Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung, culpa in contrahendo oder positiver Vertragsverletzung. 496 Die Haftung des für den Verein Handelnden kann zwar ausgeschlossen werden, 497 jedoch bedarf es hierzu im Gegensatz zur Rechtslage bei den einfachen Mitgliedern einer ausdrücklichen Vereinbarung, BGB, 6. Aufl. 1994, Rdnrn. 1105 ff.; H. Köhler, Allgemeiner Teil des BGB, 22. Aufl. 1994, § 9 I 1; H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, Bd. 1,9. Aufl. 1993, Vor. § 21 Rdnrn. 3 ff. 495 P.Hadding, in: Soergel/Siebert, BGB, Bd. 1,12. Aufl. 1987, § 54 Rdnr. 26; K. Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl. 1989, S. 184; D. Reuter, MüKo, BGB, Bd. 1,3. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 26; H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 15 a.E.; H. Köhler, Allgemeiner Teil des BGB, 22. Aufl. 1994, § 9 III 4; D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl. 1994, Rdnr. 1156. 496 H. Coing, in: Staudinger, BGB, Bd. 1, 12. Aufl. 1980, § 54 Rdnr. 64; E. Steifen, RGRK, 12. Aufl. 1982, § 52 Rdnr. 21; P. Hadding, in: Soergel/Siebert, BGB, Bd. 1, 12. Aufl. 1987, § 54 Rdnr. 29; D. Reuter, MüKo, BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 37; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 54. Aufl. 1995, § 54 Rdnr. 13; BGH,LMNr.ll zu§31BGB =NJW 1957, 1186. H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, Bd. 1,9. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 15, beschränkt die Haftung auf das positive Interesse, also Erfüllung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung. 497 H. Coing, in: Staudinger, BGB, Bd. 1, 12. Aufl. 1980, § 54 Rdnr. 61; H. P. Westermann, in: W. Erman, BGB, Bd. 1,9. Aufl. 1993, § 54 Rdnr. 16.
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die allerdings nicht durch die Satzung, wohl aber durch eine Parteivereinbarung mit dem Geschäftsgegner erklärt werden kann. 498 Jedoch kann aufgrund der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit einer Haftung des Richters aus § 54 Satz 2 BGB nicht generell der Richter in einem gegen seinen Verband gerichteten Verfahren von der Mitwirkung ausgeschlossen werden. § 41 Nr. I, 2. Alt. ZPO beinhaltet insoweit selbst eine Begrenzung seines Anwendungsbereiches. Nur "in Sachen, in denen" der Richter Mitverpflichteter ist, erfolgt der Ausschluß. §41 Nr. 1,2. Alt. ZPO führt aufgrund dieser Einschränkung nur in den Gerichtsverfahren zum Ausschluß des betroffenen Richters, wo er über eine rechtsgeschäftliehe Verpflichtung urteilen muß, die er selbst für die Gewerkschaft begründet hat. In bürgerlich-rechtlichen Vertragsstreitigkeiten ist auch für die Gewerkschaften gemäß § 13 GVG der Weg zu den allgemeinen Zivilgerichten eröffnet. Rechtsgeschäftliehe Verpflichtungen der Gewerkschaften, über die Arbeitsgerichte zu entscheiden haben, betreffen entweder Arbeitsverträge mit Beschäftigten der Gewerkschaften oder im kollektiven Bereich den schuldrechtlichen Teil der Tarifverträge. Eine Mitarbeit eines Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit am Abschluß dieser Verträge dürfte aber nur in äußerst seltenen Einzelfällen erfolgen, so daß diesem Bereich der Richterausschließung nur eine verschwindend geringe Bedeutung zukommt. Als Ergebnis ist daher festzustellen, daß weder die schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft noch die Innehabung eines Vorstandsamtes grundsätzlich für den Richter einen Ausschließungsgrund im Sinne des §41 Nr. I, 2. Alt. ZPO begründet. c) Ergebnis
Der Ausschließung eines Richters nach § 41 ZPO kommt hinsichtlich der Frage, ob die Gewerkschaftsmitgliedschaft oder die Übernahme eines Amtes innerhalb der Organisation den Richter von seinem Amt entbindet, nur geringe Bedeutung zu. Durch die Verselbständigung der Gewerkschaft und die Anerkennung einer auf den Anteil am Vereinsvermögen beschränkten Haftung des 498 H. Coing, in: Staudinger, BGB, Bd. I, 12. Autl. 1980, § 54 Rdnr. 61; E. Steffen, RGRK, 12. Autl. 1982, § 54 Rdnr. 21; P. Hadding, in: SoergellSieben, BGB,Bd.l,12.Autl. 1987, § 54 Rdnr. 30; D. Reuter, MüKo, BGB, Bd. 1,3. Autl. 1993, § 54 Rdnr. 38; H. P. Westermann, in: W. Erman, Bd. I, 9. Autl. 1993, § 54 Rdnr. 16; O. Jauernig, BGB, 7. Autl. 1994, § 54 Anm. 4; D. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Autl. 1994, Rdnr. 1156; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 54. Autl. 1995, § 54 Anm. 13; RGZ 82, 294 (299); 90, 173 (177); BGH, LM Nr. 11 zu § 31 BGB = NJW 1957, 1186.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Gewerkschaftsmitgliedes treffen die rechtlichen Folgen rechtsgeschäftlicher Aktivitäten unmittelbar den Verband und nur in den Ausnahmefalien einer Kollusion auch das Mitglied. 2. § 42 ZPO - Der iudex suspectus
Ebenso wie die Richterausschließung nach § 41 ZPO bezweckt auch die Ablehnung eines Richters aufgrund eines Antrages einer Prozeßpartei gemäß § 42 ZPO die Befriedung des rechtsuchenden Bürgers und der Integrität der Justiz. 499 Sie steht deshalb wie auch die Richterausschließung und das Dienstaufsichtsrecht in engem Zusammenhang mit der richterlichen Unabhängigkeit und konkretisiert damit auch das Recht auf den gesetzlichen Richter. 500 Das Recht zur Ablehnung eines befangenen Richters ist aufgrund dieser umfassenden Bedeutung das Essentiale der Befriedungsfunktion der Rechtsprechung. Die Ablehnungsbestimmungen setzen den Pflichtenaspekt der richterlichen Unabhängigkeit aus der Sicht der Prozeßparteien um. Insoweit ergänzt die Ablehnung des Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit die Bestimmungen der Dienstaufsicht. Die für § 41 ZPO getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Anwendung im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten auch für § 42 ZPO. Die Ablehnung eines Richters erfolgt gegenüber der Ausschließung nach § 41 ZPO auf einem eigenen Weg. Entgegen den von Amts wegen zu beachtenden, tatbestandlich fest umgrenzten und eine unwiderlegbare Vermutung für die Unparteilichkeit des Richters begründenden Ausschließungstatbeständen beurteilt sich die Möglichkeit einer Richterablehnung gemäß § 42 Abs. 1 ZPO nach der Besorgnis der Befangenheit des Antragstellers. Das Gesetz umschreibt diese Generalklausei selbst näher in § 42 Abs. 2 ZPO. Danach findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Aber auch diese Formulierung gibt unmittelbar keine Lösungen für konkrete Fälle, so daß zur Beantwortung der Ausgangsfrage eine genaue Analyse der Vorschrift erforderlich ist.
499 Vgl. oben n 1. 500 G. Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 8; M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gamäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 4 ff.; D. Overhoff, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 32; J. Riedei, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 225, 268 ff.; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1, 21. Aufl. 1993, Vor. § 41 Rdnr. 3; o. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 42 Rdnr. 6; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 1/1,1994, Vor. § 41 Rdnr. 2; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, Übers. § 41 Rdnr. 1.
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a) Allgemeine Bedeutung des § 42 ZPO Rechtstatsächliche Untersuchungen aus früheren Jahren haben gezeigt, daß das Ablehnungsrecht ein Randdasein im Prozeßalltag fristet. Die Zahl erfolgreicher Ablehnungsanträge lag nach einer vor mehr als 20 Jahren durchgeführten Untersuchung bei nur 4 - 5 %, während 95 - 96 % der Anträge zurückgewiesen wurden. 501 Selbst wenn man prozeßtaktisch (ca. 10%)502 und querulatorisch (ca. 20 %)503 motivierte Ablehnungsanträge herausrechnet, so ist dennoch eine deutliche Tendenz zu einer restriktiven Handhabung von Ablehnungsanträgen zu verzeichnen. 504 Ein konkretes Beispiel für diese zurückhaltende Praxis in der Rechtsprechung bildet die Gesamtheit der Verfahren vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht Frankfurt zwischen der Hoechst-AG und ihrem Angestellten Krauss, das in der mehrfach angesprochenen Entscheidung des Vorprüfungsausschusses beim Bundesverfassungsgericht endete. 505 Hier wurden seitens der Beklagten und späteren Verfassungs beschwerdeführer insgesamt 7 Ablehnungsanträge gegen verschiedene Arbeitsrichter des Arbeits- und Landesarbeitsgericht gestellt, von denen nur einer wegen einer unsachlichen Äußerung zum Ausschluß eines Richters führte. Zwei betroffene Richter lehnten sich gemäß § 48 Abs. I ZPO selbst ab, nachdem die vorangegangenen Ablehnungs501 U. Horn, Der befangene Richter, 1977, S. 17; so auch R. Wassermann, NJW 1963,429; ders., Die richterliche Gewalt, 1985, S. 160; ders., AK-ZPO, 1987, §42 Rdnr. 4; FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 77; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 53; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. IIl, 3. Aufl. 1994, § 42 Rdnr. 5. 502 U. Horn, Der befangene Richter, 1977, S. 17; ihm folgend R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 160; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 4. 503 U. Horn, Der befangene Richter, 1977, S. 73; ihm folgend R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 160; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 4; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. IIl, 3. Aufl. 1994, § 42 Rdnr. 5. R. Wassermann, NJW 1963, 429 (430), gab diesen Anteil mit 50% an. O. Teplitzki, schätzt den Anteil querulatorischer Anträge auf höchstens 10 %, zitiert nach U. Horn, Der befangene Richter, 1977, S. 70. 504 Chr. Stemmter, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 140 ff.; W. Krekeler, NJW 1981, 1633 (1634); Chr. Berglar, ZRP 1984, 4 (7); W. Dütz, JuS 1985, 745 (752), hinsichtlich der Ablehnung aus politischen Gründen; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1,1992, § 42 Rdnr. 2, mißt den Untersuchungen von U. Horn aufgrund ihres Alters nur noch begrenzten Aussagewert bei, kommt aber selbst zu dem Ergebnis, daß Ablehnungsgesuche der Parteien "selten", dagegen Selbstablehnungen des Richters "meistens" für begründet erklärt werden. 505 BVerfG, NJW 1984, 1874.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
anträge bereits abgewiesen worden waren. 506 Auch die Verfassungsbeschwerde hatte einen erfolglosen Ablehnungsantrag zum Gegenstand. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde stützte die Beschwerdeführerin auf die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs und die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter. Aber auch die Annahme der Verfassungsbeschwerde wurde bereits durch den Vorprüfungsausschuß wegen fehlender Erfolgsaussicht verweigert. Ob aber diese zurückhaltende Praxis bei der Anwendung des § 42 ZPO dem Sinn und Zweck der Richterablehnung gerecht wird, bedarf der näheren Untersuchung dieser Norm. b) Geschichtliche Entwicklung des Ablehnungsrechts
Die Ablehnung von Gerichtspersonen in konkreten Verfahren hat eine ebensolange Tradition wie die Streitentscheidung durch staatliche Gerichte selbst. Daher ist § 42 ZPO keine Neuerung aufgrund der Reichsjustizgesetze, sondern das vorläufige Ende einer langen Entwicklung. Ein Überblick über diese Entwicklung kann dabei helfen, die heutige Regelung in ihrem historischen Zusammenhang besser zu verstehen. Die geschichtliche Entwicklung der Richterablehnung ist geprägt von einer fortschreitenden Einschränkung des Anwendungsbereiches dieser prozessualen Umsetzung richterlicher Neutralität. Das römische Recht ermöglichte den Prozeßparteien die Ablehnung eines Richters ohne Angabe von Gründen. Vielmehr reichte bereits der Antrag als solcher aus, um einen Richter von seiner Spruchtätigkeit auszuschließen - peremtorisches Recusationsrecht. 507 Eine geringfügige Einschränkung hierzu sah das Gemeine Recht vor. Es forderte zwar auch keine konkreten Gründe für die Befangenheit; jedoch verlangte es zur Ablehnung eines Richters von der Prozeßpartei der Perhorreszenzeid zur Bekräftigung seines allgemein vorgetragenen Ablehnungsgrundes .508 Eine Über-
506 Vgl. hierzu die Darstellungen in: "Rechtsbeuger am Arbeitsgericht? Haben die Arbeitsgerichte Schlagseite?" , 2. Aufl. 1984, hrsgg. von der ÖTV, Kreisverwaltung Frankfurt und "Der Prozeß Krauss .I. Hoechst und der Konflikt mit dem Arbeitsgericht Frankfurt", hrsgg. von der Hoechst-AG. Hierzu auch ehr. Berglar, ZRP 1984,4 ff.;B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1622); P. Hanau, ZIP 1984,1165; W.Dütz,JuS 1985, 745 (753).
507 Gesterding, AcP Bd. 6 (1923), S. 238 (241); ehr. StemmLer, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 20; D. OverhojJ, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 13 ff.; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 158; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 1. 508 Gesterding, AcP Bd. 6 (1923), S. 238 (241); ehr. StemmLer, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 21; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 158; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 1.
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prüfung der vorgetragenen Gründe anhand bestimmter Kriterien erfolgte aber nicht. Vielmehr war der Richter mit der Ableistung dieses Eides von der Streitentscheidung ausgeschlossen. Demgegenüber verlangt der seit seiner Einführung im Jahre 1877 unverändert gebliebene § 42 ZPO einen Ablehnungsantrag, aus dem sich konkrete, speziell auf die Richterablehnung bezogene Gründe ergeben müssen, die die Besorgnis der Befangenheit tragen. Die dem Antrag zugrundeliegenden Tatsachen muß der Ablehnende zudem glaubhaft machen. Aber erst die richterliche Entscheidung über diesen Antrag hat den Ausschluß des Richters vom Verfahren zur Folge. Diese kurze Darstellung zeigt die Tendenz, der die Entwicklung der Ablehnung von Gerichtspersonen unterliegt. Die zunächst sehr weite Ablehnungsmöglichkeit wurde eingeschränkt, um eine Eskalation unberechtigter und querulatoriseher Ablehnungsanträge und die damit verbundene Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung zu verhindern. Von der großzügigen Ausgestaltung der Richterablehnung sind heute nur noch zwei Aspekte übrig geblieben: Der Antragsteller braucht nur Gründe vorzutragen, die ein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters rechtfertigen. Zudem unterliegen die hierzu vorgetragenen Tatsachen nicht den allgemeinen Regeln des Strengbeweises, sondern der Antragsteller braucht diese nur glaubhaft zu machen. Ob die durch die Gerichte praktizierte restriktive Anwendung des § 42 ZPO den historischen Trend zu Recht fortsetzt, soll durch die Auslegung der Norm festgestelt werden. c)
Untersuchung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 42 ZPO
§42Abs.2ZPO definiert die Formulierung "Besorgnis der Befangenheit" aus Abs. 1 selbst als Grund, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Die Prüfung eines Ablehnungsantrages erfolgt somit anhand eines subjektiven und eines objektiven Ansatzpunktes: das subjektive Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit und einen hierfür objektiv geeigneten Grund. 509 Es ist daher zunächst zu untersuchen, welche Gründe grundsätzlich für einen Ablehnungsantrag relevant werden können, um dann zu prüfen, aus welcher Sicht diese Gründe zu werten sind. 509 Diese Aufteilung ist an sich unbestritten; vgl. hierzu M:.ßrnst, Die Ablehnung eins Richters wegen Befangenheit gemäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 42 ff.; ehr. Stemmter, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S.108;R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 3; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 42 Rdnr. 2; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 8; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 9.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
aa) Die Gründe für einen Ablehnungsantrag Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff der Befangenheit umschrieben mit Formulierungen wie "nicht frei im Urteil", "mit einem Vorurteil", "voreingenommen" oder "parteiisch" .510 Der juristische Sprachgebrauch verwendet hierfür Umschreibungen wie "Voreingenommenheit", "Unsachlichkeit", "fehlende Objektivität", "Beteiligtsein" , "Abhängigkeit" oder "Interessenkollision" .511 § 42 Abs. 2 ZPO selbst konkretisiert die Besorgnis der Befangenheit durch die Formulierung Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit. Dabei bedarf es der Klärung, woher die Gründe für dieses Mißtrauen herrühren können. (1) Das enge Parteilichkeitsverständnis Verschiedene Autoren512 gehen in enger Anlehnung an den Wortlaut des § 42 Abs. 2 ZPO von einem engen Verständnis des Begriffs "Parteilichkeit" aus und beschränken die für einen Ablehnungsantrag ausschließlich relevanten Gründe auf die persönliche Verbindung des Richters zu einer Verfahrenspartei. Als Begründung wird daraufhingewiesen, daß es sich bei einem Ablehnungsantrag um Gründe handeln müsse, "die ihre Wurzeln in einer Beziehung des Richters zu einer am Ausgang des Rechtsstreits materiell interessierten Partei haben. "513 Wenn das Gesetz die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit dahingehend einschränke, daß das Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit gerechtfertigt sein müsse, so folge daraus, daß nur eine Parteilichkeit im engeren Sinne die Ablehnung rechtfertigen könne. 514 Demgegenüber könnte das rein sachliche Interesse des Richters am Ausgang des Verfahrens einen Ablehnungsantrag nicht begründen. (2) Das weite Parteilichkeitsverständnis Die Rechtsprechung515 und auch die h.M. im Schrifttum516 berücksichtigen dagegen grundsätzlich auch solche Gründe bei der Beurteilung eines Ableh510 Nachw. bei J. Riedei, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 79 FN 4-6; ebensoR. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S 161; ders., AK-ZPO, 1987,§ 42 Rdnr. 7; ders., in: Festschrift für H. Simon, 1987, S. 81 (82).
511 H. Marre, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, Diss. Münster 1960, S. 14 f.; D. Overhoff, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 25 FN 1-6. 512 E. Friesenhahn, JZ 1966,707 - gern Anm. zu BVerfG vom 3.3. 1966 und vom 25.3.1966 (JZ 1966,704 f.). Diese Aussage läßt sich von dem in dieser Anmerkung relevanten § 19 BVerfGG auch auf§ 42 ZPOübertragen; M. J. Schmidt, NJW 1974, 729 ff.
513 E. Friesenhahn, JZ 1966, 704 (707); M. J. Schmid, NJW 1974, 729 (730). 514 M. J. Schmid, NJW 1974, 729 (730). 515 VGH Kassel, DVBI. 1963, 72 ff.; LG Würzburg, NJW 1973, 1932 ff.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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nungsantrages, die sich nicht auf die persönliche Beziehung zwischen Richter und Prozeßgegner beschränken, sondern das Engagement hinsichtlich der streitigen Sachfrage betreffen. Unabhängig von dem Problem, daß eine strikte Trennung zwischen persönlicher und sachlicher Voreingenommenheit undurchführbar sein dürfte, sei die Unparteilichkeit nicht nur bei einer persönlichen Beziehung des Richters zur gegnerischen Partei gefahrdet, sondern ebenso bei einem gegenstandsbezogenen Engagement. Diese Überlegungen hätten auch in den Ausschließungstatbeständen ihren Niederschlag gefunden, wenn § 41 Nr. 4 bis 6 ZPO die Vorbefassung mit dem streitigen Sachverhalt für den Ausschluß des Richters ausreichen lassen. 517 Um aber das System von Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften nicht auszuhebeln und dem Gesetzgeber einen nicht ersichtlichen Willen zu unterstellen, müßten daher auch im Rahmen des § 42 ZPO sachbezogene Befangenheitsgründe Beachtung finden. 518 (3) Stellungnahme Das enge Verständnis vom Begriff der Parteilichkeit übersieht in ihrer strengen Bindung an den Wortlaut des § 42 Abs. 2 ZPO die durch die Richterablehnung verfolgte Akzeptanz der Gerichtsentscheidung bei den Prozeßparteien. Die Richterablehnung dient der Sicherung des Vertrauens der Prozeßparteien in die Unparteilichkeit des entscheidenden Richters. Nur wenn alle Beteiligten von der Unparteilichkeit des Richters überzeugt sind, ist die notwendige Grundlage für die Akzeptanz des Urteils geschaffen. Größtes Hindernis für die Befriedung der Beteiligten ist dagegen die Parteilichkeit des Richters. Dabei ist es unerheblich, worin die Ursachen für die fehlende Unparteilichkeit liegen. Ebenso wie die Beziehungen des Richters zu einer Partei kann auch sein Interesse an der streitbefangenen Sache sein Entscheidungsverhalten beeinflussen. Deshalb kommt es nicht darauf an, worin die Quelle der Befan516 Vgl. zu den in FN 174 Genannten G. Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 115 ff.; ehr. Stemmter, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 96 f.; ders., NJW 1974, 1545; D. Overhojf, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 120 ff.; K. A. Bettermann, AöRBd. 92 (1967), S. 496 (508); so wohl auch Thomas/Putzo, ZPO, 19. Auf!. 1995, Rdnr. 13. 517 Hierauf weist ausdrücklich R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 163; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 7, hin. 518 So im Ergebnis aber meist ohne Begründung E. Schumann, JZ 1973, 484 (486); J. Riedet, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 80; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 163; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 7; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. I, 1992, § 42 Rdnrn. 13 ff.; Rosenberg/Schwab, 15. Aufl. 1993, § 2512 a, b; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO,Bd.l,21. Auf!. 1993, § 42 Rdnr. 5; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 1/1, 1994, § 42 Rdnr. 15; M. Vol/kommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Auf!. 1995, § 42 Rdnr. 11.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
genheitzu sehen ist, zumal eine eindeutige Zuordnung der Ursachen für die Befangenheit aufgrund der Wechselbeziehungen zwischen persönlichen und sachlichen Faktoren nicht immer möglich ist. Es entspricht daher nur der weite Parteilichkeitsbegriff dem rechtsstaatlieh geforderten Grundsatz: "nemo judex in sua causa". 519 (4) Dogmatische Grundlage des weiten Parteilichkeitsverständnisses Die Berücksichtigung von sachlich bedingten Voreingenommenheiten des Richters kann nur schwierig mit dem Wortlaut des § 42 Abs. 2 ZPO in Einklang gebracht werden. Hierzu werden unterschiedliche Ansätze vertreten. (a) Die Argumentation von G. Arzt Auch G. Arzt orientiert sich eng am Wortlaut des Gesetzes, wobei er auf den insoweit mit § 42ZPO gleichen Wortlaut des § 24 Abs. 2 StPO abstellt. Er definiert Parteilichkeit als Voreingenommenheit gegen die Person eines Prozeßbeteiligten. 520 Mittels einer erweiternden Auslegung des Ablehnungsrechts will er die Fälle der sachlichen Voreingenommenheit auffangen, indem er diese "in tatsächlicher Hinsicht mit Parteilichkeit gleichsetzt". Deshalb sollte darauf abgestellt werden, "daß der Richter einen Erfolg herbeiführt, der wie eine parteiliche Einstellung wirkt. "521 Die zunächst eng am Wortlaut haftende Auslegung steht in Widerspruch zu der folgenden erweiternden Auslegung. Dies wird umso deutlicher, wenn G. Arzt sogar einem Ablehnungsantrag wegen der Unrichtigkeit eines Urteils zustimmt. 522 Diese Ausdehnung entspricht nicht mehr dem Norrnzweck des § 42 ZPO, da die allgemeine Eignung des Richters nicht Gegenstand eines Ablehnungsantrags sein kann, sondern als Frage der Richtigkeit des Urteils Gegenstand der Entscheidung weiterer Instanzen ist. 523 519 ehr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 199 f.; R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 27. 520 Der befangene Richter, 1969, S. 115; ebenso in NJW 1971, 1112 (1113). 521 AaO, S. 93; vgl. hierzu auch J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 81 f., und R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, 161 f.; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 7. 522 G.Arzt, Der befangene Richter, 1969,S. 101 ff. So der Vorwurf von R. Wassermann, JR 1961,401 (402), undJ. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 82 f. 523 So ausdrücklich R. Wassermann, JR 1961,401 (402); M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 218; R. Wassermann,AK-ZPO, 1987,§42Rdnr.14;O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1,
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(b) Auslegungsvariationen Die übrigen Vertreter des weiten Parteilichkeitsbegriffs begründen ihren Standpunkt, in dem sie die Begriffe Parteilichkeit, Voreingenommenheit und Befangenheit in je unterschiedliche Beziehungen zueinander setzen. Verschiedene Stimmen gehen vom Begriff der Parteilichkeit als Oberbegriff für die (persönliche) Parteilichkeit im engen Sinn und die (sachliche) Voreingenommenheit aus. 524 Eine weitere Lösung wählt den Begriff der Befangenheit als Oberbegriff für die Parteilichkeit und die Voreingenommenheit gesehen. 525 Diese Versuche haben jedoch den Nachteil, daß sie neben den Begriffen der Befangenheit und der Parteilichkeit für die unzulässigen Beziehungen des Richters zum Streitgegenstand die im Gesetz nicht verwendete Formulierung Voreingenommenheit einführen. Vorzuziehen ist daher die Variante, die unter dem synonymen Verständnis von Parteilichkeit und Befangenheit je in subjektive und objektive Parteilichkeit bzw. Befangenheit unterscheidet. 526 bb) Bestimmung des Standpunktes, von dem aus die vorgetragenen Ablehnungsgründe beurteilt werden Der am meisten umstrittene Teil des Ablehnungsrechts betrifft den Beurteilungsstandpunkt, von dem aus die vorgetragenen Gründe auf ihre Eignung hin überprüft werden, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für diese Problematik sind die subjektiven Elemente des § 42 ZPO, die "Besorgnis" der Befangenheit und das "Mißtrauen" in die Unparteilichkeit. (1) Die bisherige Rechtsprechung und ihre Betonung
des objektiven Maßstabes Die Rechtsprechung hat in allen Entscheidungen über Ablehnungsanträge immer wieder ausdrücklich darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung der vor1992, § 42 Rdnr. 28; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Autl. 1993, § 42 Rdnr. 9; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 44; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 28; ThomaslPutzo, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 15; BayOLG, DRiZ 1977,245; FamRZ 1979, 737; MDR 1980, 945. 524 LG Würzburg, NJW 1973, 1932 (1933). 525 VGH Kassel, DVBI. 1963, 72 (74).
526 K. A. Bettermann, AöRBd. 92 (1967), S. 496 (508); ehr. Stemmter, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 97; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 86; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 162; ders., in: Festschrift für H. Simon, 1987, S. 81 (82); M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 8.
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getragenen Umstände der Standpunkt des Antragstellers entscheidend sei. 527 Damit geht die Rechtsprechung scheinbar von einen subjektiven Maßstab aus, der auch dem Gesetzeswortlaut entspricht. Jedoch wird dieser subjektive Ausgangspunkt sofort objektiviert, wenn nur solche Gründe zur Ablehnung eines Richters als ausreichend anerkannt werden, die in den Augen einer idealen, vernünftigen, besonnenen oder sachlichen Partei528 die Besorgnis der Befangenheit begründen können. Einzelne Entscheidungen lösen sich in ihrer Bewertung sogar von der konkreten Prozeßpartei und stellen für die Beurteilung auf einen unbefangenen Dritten ab,529 ziehen eine verständige und sachlich wertende Partei heran530 oder behelfen sich mit den Maßstäben einer Idealpartei. 531 Das Bundesarbeitsgericht532 hat für die Bewertung eines Ablehnungsgrundes sogar einmal die Maßstäbe des Gesetzgebers bemüht. Vergleichbare Formulierungen lassen sich beliebig fortsetzen. Alle Entscheidungen haben dabei eine Gemeinsamkeit: Die Rechtsprechung drängt bei der Entscheidung über Ablehnungsanträge den vom Gesetzgeber vorgesehenen subjektiven Standpunkt im Ergebnis immer weiter in die Objektivität zurück. Vor dem Hintergrund dieser restriktiven Haltung gegenüber Ablehnungsanträgen erscheint die geringe Erfolgsquote nicht mehr überraschend. (2) Kritik an der Rechtsprechung Diese in allen Gerichtsbarkeiten erkennbare Tendenz zur Objektivierung des Beurteilungsstandortes bei Ablehnungsanträgen ist im Schrifttum auf erheblichen Widerstand gestoßen. Die Vorwürfe reichen dabei von der einseitigen Sorge um das Ansehen der Rechtspflege über mangelndes Verständnis und Einfühlungsvermögen in die Situation des Ablehnenden bis hin zum erschreckenden Solidaritätszwang zwischen Rechtsmittelrichter und dem abge527 Vgl. z.B. BVerfG, NJW 1966, 923; BVerfGE 35, 246 (253); 43, 126 (127); BGHZ77, 72; BGH, NJW-RR 1986, 738; BVerwG, NJW 1988, 722; BAG, NJW 1993, 879; BayOBLG, WoM 1994,410. 528 BVerfGE82, 38; BVerfG, NJW 1966, 923; BGHZ 77, 72; BAG, NJW 1993, 879; KG, OLGZ 94, 86; ArbG Frankfurt, NJW 1984, 142 (143); VGH Mannheim, NJW 1986,2068; aus der Literatur zustimmend: O. Feider, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 42 Rdnr. 4; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1, 21. Aufl. 1993, § 42 Rdnr. 2; M. Vollkommer, in:R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 9. 529 BGH, JR 1957, 68. 530 KG, NJW 1963, 451. 531 VGH Mannheim, NJW 1986, 2086; ArbG Frankfurt, NJW 1984, 142 (143); zustimmend O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 42 Rdnr. 4; kritisch hierzu T. Dieterich, RdA 1986,2 (5). 532 BAG, AP NT. 2 zu § 42 ZPO.
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lehnten Richter. 533 Die Forderung der Kritiker liegt in der stärkeren Betonung der Position des Ablehnenden als BeurteilungsstandpunktfürdiezuderBesorgnis der Befangenheit führenden Gründe. Wenn dabei auch nicht pauschal Großzügigkeit für die stattgebende Entscheidung über einAblehnungsgesuchgefordert werden könne,534 so liefe die Richterablehnung bei der derzeitig objektivierten Handhabung durch die Rechtsprechung leer. 535 Jedoch bestehen auch die Vertreter dieser Ansicht nicht allein auf der rein subjektiven Beurteilung. Vielmehr fügen sie objektive Elemente als Filter gegen den Mißbrauch der Ablehnung aus prozeßtaktischen oder querulatorischen Ursachen hinzu. 536
(3) Auslegung des § 42 ZPO Die gegensätzlichen Standpunkte von Rechtsprechung und neuerer Literatur können nur nach einer Analyse des § 42 ZPO gegeneinander abgewogen werden. Deshalb soll in der Folge mit den Mitteln der klassischen Auslegung versucht werden, den Standpunkt, den das Gesetz einnimmt, zu bestimmen. (a) Wortlaut des § 42 ZPO Der Wortlaut des § 42 Abs. 2 ZPO erfordert für den Erfolg eines Ablehnungsantrages einen Grund, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit 533 Th. Rasehorn, NJW 1977, 1911; R. Wassermann, in: Festschrift für M. Hirsch, 1981, S. 465 (479); ders., Die richterliche Gewalt, 1985, S. 160; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 5; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 9. U. Horn, Der befangene Richter, 1977, S. 13, formuliert noch strenger: "Unter dem Mantel restriktiver Gesetzesinterpretation wird justizieller Selbstschutz betrieben"; so auch C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 41. 534 R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 6; ders., Die richterliche Gewalt, 1985, S. 162; gegen O. Teplitzky, NJW 1962, 2044. 535 G.Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 28 ff.; M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 129 ff.; ehr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 111 ff.; D. OverhojJ, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 46; U. Horn, Der befangene Richter, 1977, S. 94 ff., 125, 127; W. Krekeler, NJW 1981, 1633 (1634 f.); ehr. Berg/ar, ZRP 1984,4 (7 f.); B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1624); W. Dütz, JuS 1985,745 (753); R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 6; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 36 ff.; R. Bork, in: Stein/ Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Aufl. 1993, § 42 Rdnr. 2; O. Niemann, in: Wieczorek/ Schütze,Bd.I11,3.Aufl.1994,§42Rdnr.4;K.Hümmerich,AnwBI. 1994,257 (261). 536 M. Ernst, Die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß §42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 42 f.; ehr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 108; R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 3; M. Vollkommner, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 6. 13 Klus
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eines Richters zu rechtfertigen. Für den Ablehnungsantrag kommt es daher weder auf die objektive Befangenheit des Richters, 537 noch auf dessen Bewußtsein der Befangenheit an. 538 In dieser Formulierung vereinen sich subjektive und objektive Elemente, so daß verschiedentlich von einem kombinierten subjektiv-objektiven Maßstab gesprochen wird. 539 Zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen zählt die "Besorgnis der Befangenheit" in § 42 Abs. 1 ZPO. Erst durch die in Abs. 2 vorgenommene Konkretisierung dieser Generalklausei wird das objektive Moment des "geeigneten" Grundes eingeführt, dem aber selbst wieder das subjektive "Mißtrauen" zur Seite gestellt wird. Das Schwergewicht des gesamten § 42 ZPO liegt damit auf subjektiven Begriffen, die den Standpunkt der Beurteilung beschreiben - die Position des Antragstellers. Die "Eignung", das nach objektiven Kriterien zu bestimmende Element, steht hiermit nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Vielmehr besteht diegrammatikalische Verbindung mit dem geltend zu machenden Grund, der aber nicht die Unparteilichkeit objektiv rechtfertigen muß, sondern nur das darauf gerichtete Mißtrauen. Durch die Forderung nach den zur Rechtfertigung des Mißtrauens geeigneten Gründen wird nicht der Standpunkt zur Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit objektiviert, sondern lediglich die Gründe, aus denen sich das Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit ergeben kann. Hierdurch sollen rein persönliche Befürchtungen der Partei und die nur in ihrer Vorstellung existierenden Gründe herausgefiltert werden. Jedoch bleibt auch weiterhin nach dem Wortlaut des § 42 ZPO die Sicht der Prozeßpartei der zuberücksichtigendeBeurtei-
537 E. Schmidt, NIW 1959, 55; G. Arzt,NIW 1971, 1112 (1114);M. Baur, AR-Blattei, D, Arbeitsgerichtsbarkeit IV B, B II; Chr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 108 f.; D. OverhojJ, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 45; W. Krekeler, NIW 1981, 1633 (1634); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 158 f.; R. Bork, in: Stein/Ionas, ZPO, Bd. 1, 1993, §42 Rdnr. 2;M. Vollkommer, in: R. ZäHer, ZPO, 19. Aufl. 1995, §42 Rdnr. 9; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 9. Dies betont auchdieRechtsprechung-BVerfGE32,290;35,246(253);43, 126 (127); 72, 297; 73, 335; BSG, NIW 1993,2261 (2262); VGH Mannheim, NIW 1986, 2068; LG Berlin, NIW 1986, 1000. 538 W. Krekeler, NIW 1981, 1633 (1634); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 158 f.;R. Bork, in: Stein/Ionas, ZPO, Bd. 1, 1993, § 42 Rdnr. 2; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 1/1, 1994, § 42 Rdnr. 4; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach,ZPO, 53. Aufl. 1995, §42Rdnr. 9;M. Vollkommer, in: R. Zäller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 9; BSG, NJW 1993,2261 (2262). 539 M. Ernst, Die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 42 f.; Chr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen, 1975, S. 108; R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 3.
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lungsstandpunkt. 540 Der Wortlaut des § 42 ZPO gibt daher keinen Anhaltspunkt für die objektive Behandlung der Ablehnungsanträge. (b) Der geschichtliche Hintergrund des § 42 ZPO und die Aufgabe des Richters bei der Entscheidung Auch die oben kurz dargestellte geschichtliche Entwicklung des Ablehnungsrechts kann die primär-objektive Ausgangsposition der Rechtsprechung nicht stützen. Wederimklassischenrömischen Recht, noch im Gemeinen Recht wurde ein objektiver Nachweis der tatsächlichen Befangenheit oder der Tatsachen, aus denen sich eine Befangenheit ergeben sollte, verlangt. Insoweit betraf auch der Perhorreszenzeid nur die Bekräftigung des allgemeinen Grundes, nicht aber die tatsächliche Besorgnis der Befangenheit. Wenn §42ZPO eine gerichtliche Überprüfung des Ablehnungsantrages vorsieht, so kann dies ebensowenig dazu führen, daß der entscheidende Richter den subjektiven Schwerpunkt des § 42 ZPO außer acht läßt und den Antrag anhand objektiver Kriterien überprüft. Eine weitere Bestätigung des primär-subjektiven Standpunktes findet sich in der Entwicklung der juristischen Methodenlehre. 54 ! Vertreter der Begriffsjurisprudenz sahen in der Person des Richters nur einen Subsumtionsautomaten, der losgelöst von seiner Persönlichkeit durch einen rein rationalen Vorgang zu einer Entscheidung kam und dabei keine eigenen Wertungen einfließen ließ.542 Dennnoch sollte ein Ablehnungsgesuch, das die Person des Richters und damit nach den Vorstellungen der Begriffsjurisprudenz an sich unbeachtliche Bereiche betraf, nicht mit nachweisbaren Tatsachen untermauert werden. Demgegenüber haben sich Interessen- und Wertungsjurisprudenz von der Vorstellung gelöst, der Richter subsumiere formallogisch einen Sachverhalt unter den Tatbestand einer gesetzlichen Vorschrift. Vielmehr liege in der Entscheidung des Richters eine Abwägung der entgegenstehenden Interessen anhand der durch die Rechtsordnung vorgegebenen Werte. 543 Dabei steht dem
540 G. Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 24; Chr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 111 ff.; D. Overhoff, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 46; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 159; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 3. 54! Vgl. hierzu oben A m 2 b. 542 E.Riedel,in:FestschriftfürP.Schneider, 1990, S. 382 (387); H.-M. Pawlowsky, Methodenlehre für Juristen, 2. Autl. 1991, Rdnrn. 125 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Autl. 1991, S. 19 ff. 543 H. Coing, in: Staudinger, BGB, Bd. 1, 12. Autl. 1980, Einleitung Rdnr. 186; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Autl. 1983, S. 186; H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 2. Autl. 1991, Rdnrn. 129,481.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Richter eine Reihe von Entscheidungsalternativen offen, bei deren konkreter Auswahl die Persönlichkeit des Richters eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Je weiter diese Wertungsmöglichkeiten für den Richter durch das Gesetz geöffnet werden, um so geringer dürfen die Anforderungen an einen Ablehnungsantrag sein. Auf der Basis der Interessen- und Wertungsjurisprudenz erscheint es daher zur Rechtfertigung der Bindungswirkung des Urteils unumgänglich, Ablehnungsgesuche aus dem subjektiven Blickwinkel des Ablehnenden zu entscheiden. (c) Gesetzessystematik § 42ZPO findet wie auch die Ablehnungsvorschriften anderer Verfahrensordnungen seinen verfassungsrechtlichen Rückhalt in der grundgesetzlich garantierten richterlichen Neutralität. 544 Insbesondere ist dabei Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG545 von Bedeutung, der den Prozeßparteien den gesetzlichen Richter im materiellen Sinne garantiert. Die Ablehnung eines Richters ist folglich die Ausübung eines grundgesetzlich geschützten Rechtes. Dabei ist jedoch zu beachten, daß mit der unzulässigen Bejahung eines Ablehnungsantrages einer Partei in das Recht auf den gesetzlichen Richter des Prozeßgegner eingegriffen wird. 546
Die positive Entscheidung über einen Ablehnungsantrag und der dadurch bedingte Austausch des abgelehnten Richters stellen einen Eingriff in das Recht des Prozeßgegners auf den durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmten gesetzlichen Richter dar. Dieser Eingriff ist dadurch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, daß der gesetzliche Richter nicht nur nach formellen, sondern auch nach materiellen Kriterien bestimmt wird. In der Situation der berechtigten Ablehnung stehendasRechtdesProzeßgegnerauf den formell richtig bestimmten gesetzlichen Richter dem Recht des Ablehnenden auf den materiell bestimmten gesetzlichen Richter entgegen. An die Stelle des abgelehnten Richters tritt ein sich wiederum aus dem Geschäftsverteilungsplan ergebender Ersatzrichter , so daß die Rechtsbeeinträchtigung für den Prozeßgegner nur gering ist, während bei Fortführung des Prozesses durch den an sich befangenen Richter die Befriedungsfunktion des Urteils in Frage gestellt werden muß. Die mate-
544 Vgl. hierzu oben n 1. 545 J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 225 ff.; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. I, 21. Aufl. 1993, Vor. § 41 Rdnr. 2; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1,1992, § 42 Rdnr. 6; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 49 ff.; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 1/1, 1994, Vor. § 41 Rdnr. 2. 546 R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Aufl. 1993, § 42 Rdnr. 2.
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riell richtige Bestimmung des gesetzlichen Richters ist insofern gewichtiger als die nur auf Zuständigkeitsregelungen basierende formelle Bestimmung. Bei der Bestimmung des Standpunktes zur Beurteilung eines Ablehnungsantrages ist auch die Beweislastregelung des § 44 Abs. 2 ZPO zu beachten, die dem Antragsteller nur die Pflicht zur Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes auferlegt, nicht jedoch die Glaubhaftmachung der Besorgnis der Befangenheit. Aus diesem Grunde sprach das Reichsgericht 547 auch ausdrücklich von einem "Besorgnisgrund" , nicht jedoch von einem Ablehnungsgrund. Soweit aber der Beurteilungsstandpunkt weg von der jeweiligen Prozeßpartei hin zu einer Idealpartei verlagert wird,548 bezieht sich die Glaubhaftmachung nicht mehr nur auf den Besorgnisgrund, sondern auf den Ablehnungsgrund, da die subjektive Komponente "Besorgnis" durch das Wissen einer Idealpartei ersetzt wird. Da diese Idealpartei aber die in einer bestimmten Prozeßpartei begründeten Besorgnis nicht berücksichtigt, entfällt dieses subjektive Element, und die Glaubhaftmachung bezieht sich auf den Ablehnungsgrund. Dies ist aber von § 44 Abs. 2 ZPO ausdrücklich nicht bezweckt worden, weshalb auch die Beweisregelung dieser Vorschrift eine Objektivierung des Beurteilungsstandpunk tes entgegensteht. 549 Die objektivierte Sichtweise der Rechtsprechung steht daher auch nicht im Einklang mit der Gesetzessystematik des § 42 ZPO. (d) Ratio des § 42 ZPO
§ 42 ZPO dient der Erhaltung des Vertrauensverhältnisses zwischen Richter undProzeßparteien. 550 DasVertrauen der Verfahrenspartei in die Objektivität 547 RG(16.4.1912), JW 1912, 942Nr. 26, 943; vgl. hierzuauchM. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 87 ff.; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S.39f. 548 So VGHMannheim, NJW 1986,2086; ArbG Frankfurt, NJW 1984, 142 (143); O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 42 Rdnr. 4; kritisch hierzu T. Dieterich, RdA 1986,2 (5); ablehnendM. Vo/lkommer, in: Zöller,ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 9. 549 So auch G. Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 25 f.; M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 84 ff., 95, 134; Chr. Stemm/er, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 110 f.; C. Gerdes , Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 39 f. 550 G. Arzt, Der befangene Richter. 1969, S. 24; M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 8 ff.; Chr. Stemm/er, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 11; D. OverhojJ, Ausschluß und Ablehnung des Richters, Diss. Münster 1975, S. 26 ff.; J.
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und Unparteilichkeit des Richters und seiner Entscheidung begründet sich im Zusammenwirken einer Vielzahl von Einzelfaktoren, deren Gesamtbild von subjektiven Wertungen des Einzelnen abhängig ist. Es kann nicht nach objektiven Kriterien bemessen werden, sondern bedarf des Einfühlungsvermögens in die Position des Vertrauenden, um dessen meist rational nicht kontrollierbare, interne Vorgänge nachvollziehen zu können. Nur über diesen Weg kann festgestellt werden, ob die ablehnende Prozeßpartei ein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters hegt. Versucht man hingegen dieses Mißtrauen anhand objektiver, vielleicht sogar optimierter Kriterien zu bestimmen, erhält man eine objektiv richtige Aussage über die Unparteilichkeit des Richters, die aber keine Auskunft über das Mißtrauen einer bestimmten Person gibt. Über dieses Ergebnis hilft auch nicht die Einbeziehung objektiver Elemente durch § 42 Abs. 2ZPO hinweg. Dies hat nur den Hintergrund, Mißbrauch, Prozeßverschleppung und Querulantentum zu verhindern. Hingegen soll der Beurteilungsstandpunkt hierdurch nicht objektiviert werden. 551 Aufgrund der Auslegung des § 42 ZPO nach Wortlaut, geschichtlicher Entwicklung, Systematik sowie Sinn und Zweck der Bestimmung besteht kein Zweifel daran, daß die Bestimmung eines objektiven Standpunktes zur Beurteilung eines Ablehnungsantrages mit dieser Norm nicht vereinbar ist. Vielmehr ist zu versuchen, aus dem Blickwinkel des Antragsteller heraus die glaubhaft vorgetragenen Gründe auf ihre Eignung bezüglich des Mißtrauens in die Unparteilichkeit des Richters hin zu überprüfen. cc) Auswirkungen des primär-subjektiven Maßstabes auf die Beurteilung der vorgetragenen Gründe Das bisher festgestellte Ergebnis, die vorgetragenen Ablehnungsgründe primär aus dem Blickwinkel der ablehnenden Prozeßpartei zu beurteilen, führt aber nicht dazu, daß jeder vorgetragene und glaubhaft gemachte Grund einen Ablehnungsantrag zu stützen vermag. Der Sicherung des notwendig zwischen Prozeßpartei und Richter bestehenden Vertrauensverhältnisses steht die Einbeziehung objektiver Komponenten zur Vermeidung mißbräuchlicher, queruRiedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 209, 255; W. Krekeler, NJW 1981, 1633 (1635); Th. Dieterich, RdA 1986, S. 2 (5); R. Wassermann, AKZPO, 1987, §41 Rdnr.l; C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 41 f.; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1,1992, §42Rdnr. 1; R. Bork, in: Stein/ Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Autl. 1993, Vorb. § 41 Rdnr. 3. 551 M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 42f.; Chr. Stemmter, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 108; R. Wasermann, AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 3; M. Vollkommner, in: R. Zöller, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 6.
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latorischer und prozeßtaktischer Anträge entgegen. Diese beiden kontradiktorischen Zielsetzungen müssen gemäß dem Richterbild des Grundgesetzes zu einer systemgerechten Lösung gebracht werden. (1) Entscheidung in Zweifelsfällen Im Rahmen der Untersuchung dienstaufsichtsrechtlicher Maßnahmen konnte aufgrund der unspezifischen Formulierung des § 39 DRiG keine allgemeingültige Grenzziehung zwischen unbedenklichem und dienstrechtlich relevantem Verhalten gezogen werden. Jedoch war die grundsätzliche Feststellung möglich, daß in Zweifelsfällen eine Dienstaufsichtsmaßnahme aufgrund des hohen verfassungsrechtlichen Stellenwertes der richterlichen Unabhängigkeit unterbleiben mußte. Eine vergleichbare Situation bietet sich bei § 42 ZPO, der die Richterablehnung auch in einer Generalklausei umschreibt. Konkrete Lösungen für einen bestimmten Sachverhalt können auch hier dem Gesetzestext nicht entnommen werden. Deshalb soll auch hier versucht werden, eine Regel für die Entscheidung von Zweifelsfällen zu finden. (a) Zweifelsfallentscheidungen zugunsten des Richters Verschiedene Autoren sehen eine Entscheidung im Zweifelsfall zugunsten des Antragstellers als Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter des Prozeßgegners,552 denn es bestehe die Gefahr, daß Richter aus einem Verfahren ausscheiden, die bei besonnener Anwendung des Befangenheitsbegriffs gesetzlicherRichterwären. Letztlich bedeute die Großzügigkeit gegenüber Ablehnungsgesuchen nicht nur ein Unrecht gegenüber dem Prozeßgegner, sondern auch gegen den Richter. Nach R. Wassermann ziehe zudem das Erfordernis eines individuellen, gegenständlichen Ablehnungsgrundes einer großzügigen Handhabung des Ablehnungsrechts feste Schranken. 553 Eine andere Begründung sieht in § 42 ZPO eine Ausnahmevorschrift, die tendenziell eng auszulegen sei. 554 Ging man hingegen von einem großzügigen 552 W. Sarstedt, IZ 1966, 314; G. Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 7 f.; M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 ZPO,Diss.KieI1973,S.140;M. Vollkommer,EzA,Nr.4 zu § 49 ArbGG, S. 30; FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung des Richters, 1986, S. 78; O. Feiber, MüKo-ZPO,Bd. 1,1992, § 42 Rdnr. 6; P. Hartmann, in: Baumbach/Lautermann, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 10. 553 R. Wassermann, NIW 1963, 429 (430) - Hervorhebung im Original; das., Die richterliche Gewalt, 1985, S. 161; das., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 6. 554 O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1, 1992, § 42 Rdnr. 6; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 10; vgl. auch R. Wassermann,
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Maßstab aus, so würde die auch jetzt schon schwere Handhabung noch schwierigerund die Grenze zur Willkür überschritten. Letzteres sei im Bereich des gesetzlichen Richters nicht zu tragen. Insgesamt gesehen sei deshalb eine Entscheidung in Zweifelsfällen zugunsten des Antragstellers nicht dienlich. 555 (b) Zweifelsfallentscheidungen zugunsten des Ablehnenden
Demgegenüber forderte O. Teplitzky, 556 Ablehnungsgesuchen großzügig zu begegnen, d.h. in echten Zweifelsfällen stattzugeben. Er gibt zu bedenken, daß bei zu großer Strenge ein Richter judiziere, der bei richtiger Anwendung des Befangenheitsbegriffs gerade nicht der gesetzliche Richter wäre. Für Teplitzky ist dies aber gegenüber der zu frühzeitigen Ablehnung das schwerere Übel. Damit ist für ihn die richtige Anwendung des Befangenheitsbegriffs diejenige, die mit Sicherheit ausschließt, daß ein befangener oder auch nur befangen scheinender Richter dem gesetzlichen Gebot zuwider judiziert. 557 Bei der Entscheidung von echten Zweifelsfällen ist zu berücksichtigen, daß eine erfolgreiche Ablehnung im Gegensatz zu einer Disziplinarmaßnahme keinen pönalisierenden Charakter hat. 558 Jeder Richter kann in einen Interessenkonflikt geraten, in dem seine Entscheidung bewußt oder unbewußt von Gefühlsströmungen oder Vorurteilen mitbestimmt wird. Die Anerkennung einer Ablehnung als berechtigt stellt dabei aber nichts Ehrenrühriges und keine Infragestellung der persönlichen Integrität des betroffenen Richters dar. 559 Darüber hinaus muß beachtet werden, daß das Arbeitsgerichtsverfahren dem Ablehnenden keine weitere Überprüfung eines negativ beschiedenen Ablehnungsantrages zur Verfügung stellt. § 49 Abs. 3 ArbGG schließt ein Rechtsmittel sogar ausdrücklich aus. Damit aber wird die Prozeßpartei gezwungen, weitere Bedenken vor dem Bundesverfassungsgericht im Wege einer auf Art. 101 Abs. I Satz 2 GG gestützten Verfassungsbeschwerde geltend zu machen. Auch diese Konsequenz sollte zu einer großzügigeren Handhabung der Ablehnungsanträge führen.
AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 6, der einer großzügigen Behandlung des § 42 ZPO widerspricht. 555 So auch E. Schneider, DRiZ 1978, 42 (44); BayObLG, DRiZ 1977, 245, m.w.Nachw. 556 NJW 1962,2044; ders., JuS 1969,318 (319); ders., MDR 1970,106 (107). 557 So ausdrücklich O. Teplitzky, JuS 1969, 318 (319).
558 O. Teplilzky, NJW 1962, 2044. 559 Aufdasentsprechende Fehlverständnis weist O. Teplilzky, NJW 1962,2044, hin; ebenso ders., JuS 1969,318 (319) - "grundlose Empfindlichkeit".
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Weiterhin kann auch bei dieser Diskussion auf die Anforderungen, die § 44 Abs. 2 ZPO an den Nachweis des Ablehnungsgrundes stellt, zurückgegriffen werden. Der objektive Nachweis der Befangenheit wird nie oder nur in seltenen Ausnahmefällen erbracht werden können. Wenn aber deshalb der Antragsteller nur verpflichtet ist, den Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen, dann kann diese Erleichterung nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden, indem in Zweifelsfällen zum Nachteil des Antragstellers entschieden werden soll. Aufgrund dieser Überlegungen erscheint es daher mit Sinn und Zweck der Ablehnungsmöglichkeit nur vereinbar zu sein, einen eventuell befangenen Richter von der Streitentscheidung auszuschließen, also im Zweifel zugunsten des Antragstellers zu entscheiden. 560 (2) Die Persönlichkeit des Richters
Im Gegensatz zur klassischen Methodenlehre, die den Richter als formallogisch handelnden Gesetzesanwender ohne eigenen Entscheidungsspielraum ansah und für die seine Unparteilichkeit kein Problem darstellte,561 hat sich die neuere Rechtstheorie von dieser Vorstellung gelöst. Für sie ist das Urteil das Ergebnis juristischer und nichtjuristischer, bewußter und unbewußter, sachlicher und persönlicher Erwägungen und Einflüsse. 562 Damit verbunden ist die Erkenntnis, daß die Tatsachenermittlung, die Beweiswürdigung, die Subsumtion und die Rechtsfolgenbestimmung wesentlich durch die jeweilige Persönlichkeitsstruktur des Richters und durch seine sozialen Bezüge mitbestimmt wird. 563 Hierzu gehören nicht nur Herkunft, Geschlecht, Rasse und Ausbildung, sondern auch die sich daraus ergebenden moralischen, religiösen, welt-
560 So auch heute die herrschende Meinung im Schrifttum: G. Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 28; U. Horn, Der befangene Richter, 1977, S. 127; ehr. Strecker, ZRP 1984, 122 (126); W. Dütz, JuS 1985, 745 (752); M. Göbel, NJW 1985, 1057 (1059); W.Moll,ZRP 1985,244 (246); T. Dieterich, RdA 1986,2 (5); K. Hümmerich, AnwBI. 1994, 257 (261); M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 10; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 9; BayOblGZ 74,131. 561 Vgl. oben A III 2 b; vgl. auch R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S.163f.;ders., AK-ZPO, 1987, §42 Rdnr. 9;ders., in: Festschrift für H. Simon, 1987, S. 81 (91). 562 Vgl. zur Soziologie richterlicher Entscheidungsfindung die ausführlichen Erörterungen bei M. Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 42 ZPO, Diss. Kiel 1973, S. 98 ff. 563 J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 31; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985,S. 163 ff.;ders. , AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnrn. 3 ff.: "strukturbedingtes persönliches Element". Vgl. hierzu auch die Ausführungen oben A III 2 c ee.
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anschaulichen und politischen Wertmaßstäbe, die er in den Prozeß und in die konkrete Rechtsanwendung mit einbringt. Der Umfang, in dem das Urteil durch die Persönlichkeit des Richters beeinflußt wird, ist dabei abhängig von der jeweiligen Gesetzeslage. Je weniger konkret das Gesetz in Tatbestandsvoraussetzung und/oder Rechtsfolge ausgestaltet ist, umso offener ist die Entscheidung im Einzelfall für Wertungen des Richters. Bei diesen Wertungen ist es dem Richter unmöglich, sich aller persönlichkeitsbildenden Komponenten zu entledigen. Ein letzter Rest von Subjektivität ist bei keinem Menschen auszuschalten. 564 Es kann daher nur um das Bewußtmachen des Unbewußten gehen, da dies bereits Möglichkeiten der Gegensteuerung und Emanzipation eröffnet. 565 In der Arbeitsgerichtsbarkeit gewinnt dieses Problem besonderes Gewicht, da hier die Regelungsdichte in einem besonders auffälligen Mißverhältnis zur Bedeutung der Sache steht. Die Persönlichkeit des Richters nimmt deshalb hier einen hohen Stellenwert ein. In Kenntnis dieser Schwächen haben die Verfassungsväter die Rechtsprechung dennoch den Richtern anvertraut. Damit haben sie auch die mit dem Menschsein notwendig verbundenen Subjektivismen als für eine funktionierende Rechtsprechung unumgängliche Bedingtheiten in Kauf genommen. Es widerspräche aber dieser Einsicht, die als unvermeidbare Schwachstelle der Rechtsprechung erkannten subjektiven Komponenten gleichzeitig als Ablehnungsgründe zu akzeptieren. Die Persönlichkeit des Richters und ihre Einflüsse auf das Urteil sind vielmehr unumgänglicher Teil der Struktur des gerichtlichen Verfahrens und der gerichtlichen Rechtsfindung durch den Menschen und folglich keine Verletzung der Verpflichtung zur Unparteilichkeit. 566 Ihre einzelnen Elemente können daher nicht zur Begründung eines Ablehnungsantrages herangezogen werden. 567 Es ist vielmehr zwischen der in dieser Weise implizierten Subjektivität und der prozessualen Parteilichkeit zu unterscheiden und anzuerkennen, daß die 564 R. Wassermnnn, JR 1961, 401. 565 R. Wassermnnn, NJW 1963, 429; ders., Die richterliche Gewalt, 1985, S. 164; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 9; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 31; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, 6. Aufl. 1987, § 17 m 2 a. 566 J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 31 ff.; R. Wassermnnn, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 164; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 9; ders., in: Festschrift für H. Simon, 1987, S. 81 (91); R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 52. 567 M. Baur, AR-Blattei, D, Arbeitsgerichtsbarkeit IV BRichterablehnung, BIll; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 31 ff., 34; R. Wassermnnn, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 164; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 10; ders., in: Festschrift für H. Simon, 1987, S. 81 (86 f.); ders., DRiZ 1987, 144 (145); R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S.52.
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Ungleichbehandlung der Prozeßparteien, die durch die individuelle Ausgestaltung der Persönlichkeit des einzelnen Richters bedingt ist, eine "conditio sine qua non "568 der Rechtspflege darstellt und damit bei der Richterablehnung unberücksichtigt bleiben kann und muß. (3) Abgrenzung des strukturbedingten persönlichen Elements zum tauglichen Ablehnungsgrund Mit der Feststellung, daß die die Persönlickeit des Richters bestimmenden Elemente569 zur Begründung eines Ablehnungsantrages nicht ausreichen können, stellt sich die weitere Frage, anhand welcher Kriterien die ablehnungsrechtlich unrelevanten subjektiv-personalen Elemente von den Umständen, die einen Ablehnungsantrag rechtfertigen können, abgegrenzt werden können. Zu den persönlichen Komponenten zählen nur die Umstände, die der Richter als Mensch mit in sein Amt bringt, und was sich als unmittelbare Ausformung dessen in seinem Verhalten zeigt. Hierher gehört jedoch nicht, was er aufgrund besonderer Beziehungen und Neigungen zu Personen, Sachen oderThemenbereichen bewußt und durch eigene Initiative begründet oder verstärkt. Es ist daher abzugrenzen zwischen der generellen Einstellung und allgemeinen Interessiertheit des Richters auf de einen und der besonderen Beziehung zum und dem gesteigerten Interesse am konkreten Rechtsstreit und zu der Sache auf der anderen Seite. 570 Eine nur mittelbare Betroffenheit kann hierfür nicht ausreichen, denn eine "Sache aller ist niemals eine eigene Sache" .571 (4 ) Verhinderung der Kenntnisnahme aller relevanten Umstände Die Ablehnung eines Richters bedarf der Begründung, wobei die angeführten Gründe vom Antragsteller gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht werden 568 J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 31 ff.; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985,S.164f.; ders., DRiZ 1987,144 (145); ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 9; ders., in: Festschrift für H. Simon, 1987, S. 81 (91). 569 R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 163 f.; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 9: "strukturbedingtes persönliches Element"; K. Zweigen, in: Festschrift für F. v.Hippel, 1967, S. 711 (715); R. Bernhard, RichteramtundKommunalmandat, 1983, S. 163; N. Achterberg, BK, Art. 92 (Zweitbearb. 1981) Rdnr. 276; G. Pfeiffer, in: Festschrift für W. Zeidler, 1987, S. 67 (69): "humanum"; J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 36: "subjektiv-personales Element". 570 R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 164 f.; ders., AK-ZPO, 1987,
§ 42 Rdnr. 11; ders., DRiZ 1987, 144 (145).
571 Dr. Arndt(SPD) inder33. Sitzung des Rechtsausschusses des BT vom 27.4.1950 (1. WP), S. 11. So aber auch J. Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S. 69; R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 165; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 11; ders., DRiZ 1987, 144 (145).
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müssen. Die Geltend- und die entsprechende Glaubhaftmachung eines Ablehnungsgrundes sind aber nur möglich, soweit die Prozeßpartei hiervon Kenntnis erlangt. In verschiedenen Fällen hingegen ist es der Prozeßpartei nicht möglich, alle Umstände darzulegen, da sich der Geschehensablauf in seiner Gesamtheit seiner Kenntnis entzieht. Obwohl hier bestimmte Anzeichen für ablehnungsrechtlich relevante Handlungen des Richters vorliegen, wäre ein Ablehnungsantrag selbst aus der primär-subjektiven Beurteilungsposition abzuweisen, da ein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters grundsätzlich nicht auf bloße Vermutungen gestützt werden kann. 572 Das Mißtrauen eines Verfahrensbeteiligten gegen die Unparteilichkeit ist hier aber dann gerechtfertigt, wenn der Richter sein Verhalten bewußt so gestaltet, daß der Prozeßpartei die Möglichkeit verschlossen bleibt, sich ein Bild von den konkreten Zusammenhängen und Vorgängen zu machen. Hier flüchtet sich der Richter in die Heimlichkeit, um einem Ablehnungsantrag zu entgehen. In diesen Fällen reicht es zur Begründung eines Ablehnungsantrages aus, wenn die von außen erkennbaren Umstände vermuten lassen, daß die verdeckten, aber nicht bekannten Zusammenhänge das Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit begründen würden. Dies kann allerdings nur für solche Bereiche gelten, die grundsätzlich geeignet sind, Gründe für ein mögliches Mißtrauen in sich zu bergen. Dies gilt besonders für die Teilnahme des Richters an Veranstaltungen, bei denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Die Teilnahme hieran ist nicht geeignet, das Vertrauen eines Prozeßbeteiligten in die Unparteilichkeit des Richters zu fördern. Vielmehr erweckt die Heimlichkeit derartiger Veranstaltungen eher den Verdacht des Unerlaubten. Wo der Richter die Beurteilung aller für den Ablehnungsantrag notwendigen Umstände verhindert, bedarf es zur Begründung des Antrages dahernurder Darlegung der "verdächtigen" Momente.
d) Untersuchung einzelner Fallgruppen Da eine weitere abstrakte Untersuchung des §42ZPO wenig aussagekräftig für die Ausgangsfrage ist, sollen die bisher gefundenen Abgrenzungskriterien auf verschiedene Fallgruppen hin angewendet werden, um dadurch eine praktikable Grenzziehung zwischen erlaubtem und nicht mehr erlaubtem persönlichen und sachlichem Engagement vornehmen zu können. aa) Schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft Die schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft begründet nach Rechtsprechung und Schrifttum keinen geeigneten Grund für ein Mißtrauen gegen die
572
Vgl. oben II c bb (3) (a).
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Unparteilichkeit des Richters. 573 Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter Klagen eines Nichtorganisierten, eines Gewerkschaftsmitgliedes seines oder eines anderen Verbandes, eines gewerkschaftlich vertretenen Mitgliedes574 oder der Gewerkschaft selbst zu entscheiden hat. Diesen Fällen ist gemein, daß ein Berufsrichter entscheidet, der seine Interessen als öffentlich Bediensteter in der Gewerkschaft vertreten sieht. Fehlt jedoch bei einem Verfahren auf seiten der Parteien jegliche Gewerkschaftsbeteiligung, so kann aus der schlichten Mitgliedschaft kein unmittelbares eigenes Interesse des Richters am Obsiegen des Arbeitnehmers abgeleitet werden. Auch bei einem Prozeß eines Gewerkschaftsmitgliedes geht allein aufgrund der Gewerkschaftsmitgliedschaft das eigene Engagement des Richters nicht über das zulässige Maß hinaus. Gewerkschaften sind Massenorganisationen, in denen ablehnungsrelevante persönliche Kontakte zu anderen Mitgliedern nicht bereits aufgrund der gemeinsamen Zugehörigkeit zur gleichen Organisation entstehen. 575
573 Aus der Rechtsprechung BVerfGE 43, 128; BVerfG, NJW 1984,1874; OLG Koblenz, NJW 1969,1177; VGH Mannheim,NJWI975,1048;NJW 1986,2068; BAG, NJW 1968, 682; BAG, APNr. 2 zu § 41 ZPO m.zust.Anm. B. Wieczorek; LSG Celle, NJW 1955, 239; ArbG Frankfurt, NJW 1984, 142. Aus der Literatur O. Teplitzky, JuS 1969,318(321);E. Schneider,DRiZ 1978,42(44); P. Gilles, DRiZ 1983,41 (47,48); H.-J. Wipjelder, DRiZ 1983, 337 (340); ders., DRiZ 1987,117 (127); P. Hanau, ZIP 1984,1165; Chr. Strecker, ZRP 1984,122 (125 f.); Chr. Berglar, ZRP 1984,4 (8); M. Vollkommer, EzA Nr. 3, 4 zu § 49 ArbGG (Gemeinsame Anmerkung zu ArbG Frankfurt und BVerfG, NJW 1984,1874);ders., in: Festschrift für E. Wolf, 1985,659 (667); B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1624);R. Schuldt,DB 1984, 2509; E. Kempen, ArbuR 1985, 1 (6); u. Zachert, ArbuR 1985,14 (19); W. Moll, ZRP 1985,244 (245 f.); R. Wassermann, Die richterliche Gewalt, 1985, S. 165; ders., AK-ZPO, 1987, § 42 Rdnr. 10; ders., DRiZ 1987, 144 (145); ders., in: Festschrift für H. Simon, 1987, S. 81 (91); T. Dieterich, RdA 1986, S. 2 (5); FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 76; R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 49 ff.; W. Grunsky, ArbGG, 7. Autl. 1995, § 49 Rdnr. 4a; C. Gerdes , Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 76; o. Feiber, MüKo-ZPO,Bd.l, 1992, §42Rdnr. 9;R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Autl. 1993, §42Rdnr. 16; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO,Bd. 1/1,1994, §42 Rdnr. 19; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 10; P. Hartmann, in: Baumbachl Lauterbach, ZPO, 53. Autl. 1995, § 42 Rdnrn.ll,32;Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Autl. 1995, § 49 Rdnr. 21. Kritisch auch hinsichtlich der schlichten Gewerkschaftsmitgliedschaft K. Adomeit, in: Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 11. Autl. 1994, CI2 b; ders., ZRP 1987, 75 (81). 574 Vgl. hierzu BVerfGE 88, 5 (12). 575 Im Ergebnis O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 1/1, 1994, § 42 Rdnr. 19; BAG, AP Nr. 2 zu § 41 ZPO m.zust.Anm. v. B. Wieczorek; so ausdrücklich für die vergleichbare Massenorganisation ADAC Thomas/Putzo, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 10; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 11.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
Eine hiervon abweichende Entscheidung könnte für den Fall zu treffen sein, daß eine gewerkschaftlich organisierte Verfahrenspartei gemäß § 11 Abs. I, 2 ArbGG einen Gewerkschaftsvertreter zur Wahrung seiner Interessen hinzugezogen hat. Aufgrund des häufigeren Auftretens des Gewerkschaftsanwalts vor den Arbeitsgerichten lernen sich Richter und Verbandsvertreter auf Dauer beruflich besser kennen als dies bei den übrigen Anwälten, auch Fachanwälten die Regel sein dürfte. Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, daß eine Gewerkschaft eine Massenorganisation ist, in der unter den einzelnen Mitgliedern weitgehende Anonymität herrscht. Diese wird nicht allein durch allemeine berufliche Kontakte, sondern erst aufgrund besonderer persönlicher Beziehungen zwischen den Mitgliedern oder durch ein zur einfachen Mitgliedschaft hinzutretendes besonderes sachliches Engagement innerhalb des Verbandes aufgehoben. Allein aufgrund der häufigeren Begegnungen bei Gericht mit Gewerkschaftsanwälten kann dem Richter auch aus der Sicht des Arbeitgebers kein gesteigertes Interesse am Obsiegen des Arbeitnehmers unterstellt werden, denn ansonsten würde bei der Vielzahl der gewerkschaftlichen Vertretungen bereits die schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft des Richters im Ergebnis zu einem partiellen Berufsverbot führen. Dies wäre mit der Grundrechtsberechtigung des Richters aus Ar. 9 Abs. 3 GG hinsichtlich der Mitgliedschaft in einr Gewerkschaft nicht vereinbar. Eine gegenüber diesen Situationen gesteigerte Beziehung zwischen dem entscheidenden Richter und einer Prozeßpartei liegt aber dann vor, soweit der Richter in der unmittelbar am Verfahren beteiligten Gewerkschaft organisiert ist. 576 Jedoch ist auch dieses Engagement für sich allein betrachtet nicht geeignet, ein für die Richterablehnung relevantes Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu begründen. Vom primär-objektiven Standpunkt der Rechtsprechung577 ist dieses Ergebnis sowohl für Berufsrichter als auch für Arbeitsrichter mehrfach mit dem Hinweis auf die Koalitionsfreiheit des Richters bestätigt worden. Aber auch aus der primär-subjektiven Sicht ist diesem Ergebnis zuzustimmen, da durch den Beitritt zu einer Gewerkschaft keine neuen inneren Bindungen des Richters an die Gewerkschaftsforderungen und -ziele begründet werden. Der Richter bekundet durch seinen Beitritt lediglich die in seiner Persönlichkeit von vornherein angelegten Neigungen und Einstellungen nach außen, an deren Existenz auch das Verbot der Gewerkschaftsmitgliedschaft nichts ändern würde. Die Bekräftigung dieser subjektiv-personalen Einstellungen begründet aber nach den Ausführungen zu 2 c cc (3) keinen Ablehnungsgrund im Sinne des § 42 ZPO. 576 Zur Parteifahigkeit einer Gewerkschaft vor dem Arbeitsgericht vergleiche § IO ArbGG. 577 Vgl. hierzu oben c bb (2).
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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Die Kundgabe seiner inneren Einstellung stellt die Prozeßparteien letztlich sogar besser. Ohne die Kenntnis bestimmter persönlicher Neigungen des Richters fällt es den Prozeßparteien ungleich schwerer, sich in ihrem prozeßtaktischen Verhalten auf die unabänderlichen Gegebenheiten des Richters einzustellen. Gerade dies wird aber duch den Beitritt des Richters zur Gewerkschaft vermieden. Die Arbeitgeberseite erfährt so einige Besonderheiten über die Person des Richters und kann sich so in ihrer Argumentation besser auf seine Person einstellen. Letztlich wird sie durch den Gewerkschaftsbeitritt daher besser gestellt. Danebenführt auch das Prinzip der Individualablehnung bzw. die Unzulässigkeit von Pauschalablehnungen578 zu dem Ergebnis, daß in Gewerkschaftsprozessen der gewerkschaftlich organisierte Richter nicht allein aus diesem Grunde abgelehnt werden kann. Pauschalablehnungen sind solche Anträge, die entweder nicht auf die Person des jeweiligen Richters abstellen oder deren Begründung sich nicht auf jeden Richter individuell bezieht. Da diese Anträge dem Erfordernis an die Individualität eines Ablehnungsantrages nicht genügen, können sie bereits aus formellen Gründen keinen Erfolg haben. Würde aber der Hinweis auf die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft zur Ablehnung ausreichen, so wäre der Antragsteller in der Lage, ohne konkreten Fallbezug aufgrund einer allgemeinen Feststellung den Richter aus seiner Funktion zu hebeln. Dies liefe auf eine Pauschalablehnung hinaus. 579 Der Antragsteller muß daher über die schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft hinausgehende "besondere Umstände"580 glaubhaft machen, um einen Befangenheitsantrag zu begründen. 578 Zur Unzulässigkeit von Pauschalablehnungen vgl. R. Wassermann, AK-ZPO, 1987, Vor. §41 Rdnr.4; W. Grunsky,ArbGG, 7. Autl. 1995, § 49 Rdnr. 4; O. Feiber, MüKo-ZPO, Bd. 1,1992, § 41 Rdnrn. 9,27, § 42 Rdnr. 3; R. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 1,21. Autl. 1993, Vor. § 42 Rdnr. 4; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO,Bd. 1/1,3. Autl. 1994, § 42 Rdnr. 1, § 44 Rdnr. 5; M. Vollkommer, in: R. Zöller, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 3; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, 53. Autl. 1995, Übers. vor § 41 Rdnr. 3; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Autl. 1995, Vor. § 41 Rdnr. 2; BAG, AP Nr. 2 zu § 41 ZPO m. zust. Anm. B. Wieczorek. 579 So ausdrücklich B. Wieczorek, Anm. zu BAG, AP Nr. 2 zu § 41 ZPO; ähnlich auch B. Wieczorek, ZPO, Bd. 1, 2. Autl. 1976, § 42 Rdnr. B II b; Fangmann/ Zachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 77; so wohl auch BVerfGE 2, 295 (297); 11, 1 (3); 32, 288 (291). 580 P. Gi/tes, DRiZ 1983,41 (45); H.-J. Wipjelder, DRiZ 1983, 337 (339); ders., DRiZ 1987, 117 (127); W. Dütz, JuS 1985, 745 (752); W. Moll, ZRP 1985, 244 (245); Fangmann/Zachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 77; W. Grunsky, ArbGG, 7. Autl. 1995, § 49 Rdnr. 4; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Autl. 1995, § 42 Rdnr. 10.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
bb) Die Übernahme von Ämtern in der Gewerkschaft Für den Bereich der Richterausschließung konnte bereits oben581 festgestellt werden, daß in wenigen, sehr eng begrenzten Fällen die Mitgliedschaft im Vorstand einer beteiligten Gewerkschaft den Richter von Gesetzes wegen von der Streitentscheidung entbindet. Dieser Umstand berechtigt insoweit gemäß § 42 Abs. 1, 1 Alt. ZPO auch zur Ablehnung des Richters. Es stellt sich darüber hinaus noch die Frage, ob die Übernahme von Ämtern innerhalb der Gewerkschaftsorganisation generell geeignet ist, auf der Arbeitgeberseite Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Das Bundesarbeitsgericht582 sieht derartige Bedenken gegen einen ehrenamtlichen Arbeitsrichter , der mit der zur Entscheidung stehenden Sache bereits als Gewerkschaftssekretär vorbefaßt war, allein als unbegründet an, soweit nicht weitere Umstände wie ein besonders unsachliches Verhalten oder eine persönliche Auseinandersetzung hinzukommen. Die gleiche Stellung nimmt das Bundesarbeitsgericht583 gegenüber Ablehnungsanträgen ein, die sich auf die Vorstandsmitgliedschaft eines Arbeitsrichters in einer regionalen Unterorganisation der beteiligten Gewerkschaft beziehen, da sich die Vorstellungen dieses Richters nicht mit denen des Verbandes decken müssen. Diese Entscheidungen haben ihren Ursprung in dem oben als mit § 42 ZPO nicht vereinbar abgelehnten objektivierten Standpunkt, den das Gericht bei der Beurteilung von Ablehnungsanträgen einnimmt. 584 Auf der Basis des primär-subjektiven Beurteilungsmaßstabes kann dieses Ergebnis hingegen nicht aufrechterhalten werden. Mit der Aufgabe eines Vorstandsmitgliedes ist nicht nur die Repräsentation und Artikulation von Gewerkschaftsansichten verbunden. Dabei zeigt das Vorstandsmitglied eine gesteigerte Identifikation mit den Ansichten und Zielen der Gewerkschaft sowie sein großes Interesse an deren Realisation. Dies ist aber nicht mehr ausschließlich Ausfluß seiner Persönlichkeit als subjektiv-persönliches Element. Vielmehr zeigt die Amtsübernahme eine gesteigerte Anteilnahme, aufgrund einer freiwilligen, durch ihn selbst beeinflußbaren Entscheidung. Dieses besondere Engagement reicht aber aus, um auf der Arbeitgeberseite Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters hervorzurufen. 585 581 Vgl. oben 11 1 b ce. 582 BAG, AP Nr. 5 zu § 42 ZPO. 583 BAG, AP Nr. 3 zu § 42 ZPO. 584 Vgl. hierzu die Untersuchung oben c bb (3). 585 R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990, S. 60 ff., der auf die Rechenschaftspflicht des Richters gegenüber der Organisation abstellt; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. I/l, 3. Aufl. 1994, § 42
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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Der Argumentation des Bundesarbeitsgerichts kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie sich auf die gesetzlich vorgesehene Beteiligung von Gruppeninteressen im Arbeitsgerichtsverfahren stützt und hieraus eine systembedingte Überbewertung der Arbeitnehmerbank bei der Besetzung des Arbeitsgerichts herleitet. 586 Der Richter ist zwar gegenüber seinem Dienstherrn Arbeitnehmer. 587 In seiner Tätigkeit als Rechtsprechungsorgan entscheidet er aber im Rahmen seiner ihm verfassungsrechtlich auferlegten Neutralitätspflicht als unbeteiligter Dritter, wozu er sich nicht zuletzt durch seinen Diensteid verpflichtet hat. Er ist daher kein Interessenvertreter .588 Die Besorgnis der Befangenheit bei der Übernahme von außenwirksamen Ämtern in einer Gewerkschaft besteht auch dann, wenn die klagende Gewerkschaft einem anderen Fachbereich zuzuordnen ist. Hier besteht eine organisatorische Verbindung zwischen den beiden Gewerkschaften nur über den Dachverband des DGB. Jedoch ändert dies nichts an der Tatsache, daß der Richter über die durch seine Persönlichkeit in das Amt eingebrachten subjektiv-persönlichen Elemente hinaus ein gesteigertes Interesse an der Förderung der Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerinteressen offenbart. Im Einzelfall mag hier ein unmittelbares eigenes Interesse an der Sache nicht eindeutig zu bejahen sein, denn ein Richter als Vorstandsmitglied der ÖTV in Köln oder München hat nur geringe Beziehungen zu den Fragen der Schichtaufteilung der Stahlarbeiter im Ruhrgebiet oder der Sozialleistungen der chemischen Industrie im Rhein/Main-Gebiet. Die Beurteilung eines Ablehnungsantrages erfolgt jedoch nicht aufgrund des objektiven Nachweises der Befangenheit, sondern anhand des primär-subjektiven Maßstabes aus der Sicht des Antragstellers. Die Arbeitgeberseite im arbeitsgerichtlichen Verfahren muß aber davon ausgehen, daß auch ein fachbereichsfremdes Mitglied eines Gewerkschaftsvorstandes nicht mehr neutraler Dritter ist, sondern die Grenzen des zulässigen Engagements für Rdnr. 19. Er weist zur Begründung auf die Vorschriften aus § 54 Abs. 2 VwGO, § 51 Abs. 3 FGO und § 60 Abs. 3 SGG hin, die die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 ZPO festschreiben, wenn ein Richter oder ehrenamtlicher Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. 586 Dem Bundesarbeitsgericht stimmen zu: H.-J. Böttcher, KJ 1981, 171 (173); P. Gil[es, DRiZ 1983, 41 (47); Chr. Strecker, ZRP 1984, 122 (125); FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 55. 587 Chr. Strecker, ZRP 1984,122 (125); FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung des Richters, 1986, S. 55. Dies gilt aber nicht für seinen Status innerhalb der Gerichtsbarkeit, vgl. P. Hanau, ArbuR 1983, 257 (265); A. Völz, ZRP 1984,216;R.-A. Eich, ZRP 1984, 255; B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1621). 588 P. Hanau, ArbuR 1983, 257 (265); A. Völz, ZRP 1984, 216; R.-A. Eich, ZRP 1984, 255; W. Moll, ZRP 1985, 244; M. Vollkommer, in: Festschrift für E. Wolf, 1985, S. 659 (664); E. Stahlhacke, AP Nr. 1 zu § 41 ZPO. 14 KIaas
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
die Arbeitnehmerseite überschritten hat. Er macht allgemeine Arbeitnehmerprobleme zu seinem eigenen Anliegen, wenngleich er damit auch nicht unmittelbar befaßt ist. Gerade dieses eigene Interesse reicht aber aus, um vom primär-subjektiven Standpunkt des Arbeitgebers aus betrachtet relevante Zweifel an der Unabhängigkeit des Richters aufkommen zu lassen. Damit begründet auch die Mitgliedschaft im Vorstand einer anderen als der klagenden Gewerkschaft einen tauglichen Ablehnungsgrund für die Arbeitgeberseite. cc) Sachliche Beziehungen zum Verfahrensgegenstand Die einfache Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft begründet nur bei Hinzutreten besonderer Umstände einen Ablehnungsgrund. Diese liegeninsbesondere dann vor, wenn der Richter sich im Rahmen der Koalitionsfreiheit gewerkschaftlich betätigt. 589 Jedoch kann auch hier nicht pauschal jede Betätigung als besonderer Umstand angesehen werden. Vielmehr bedarf es einer nach Fallgruppen differenzierten Betrachtungsweise. (1) Besuch von Gewerkschaftsveranstaltungen Der Richter kann als Gewerkschaftsmitglied wie jeder andere, nichtorganisierte Dritte das Angebot der Gewerkschaft bezüglich unterschiedlichster Veranstaltungen in Anspruch nehmen. Soweit es sich dabei um reine Informationsveranstaltungen handelt, befindet sich der Richter ungeachtet seiner Gewerkschaftszugehörigkeit in der Rolle eines Informationsempfangers, vergleichbar mit dem Leser einer Zeitschrift oder dem Zuschauer einer Fernsehsendung. Das Interesse, das sich hieraus ablesen läßt, dient lediglich der umfassenden Beschäftigung mit gewerkschaftlichem Argumentationsmaterial , was ebenso wie die Auseinandersetzung mit den Ideen der Arbeitgeberseite von einem Arbeitsrichter zur ordnungsgemäßen Ausübung seiner Rechtsprechungsaufgabe erwartet wird. (2) Der Richter als Informierender bei Gewerkschaftsveranstaltungen Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich aber in den Fällen, wo der Richter bei gewerkschaftlichen Veranstaltungen nicht nur als Informationsempfanger, sondern als Präsentant der Gewerkschaftsinformationen auftritt. Für einen außenstehenden Dritten, wie auch einem Arbeitgeber, wird hier der Eindruck erweckt, als würde der Richter hinter den Informationen stehen und 589 Bereits in der Einleitung wurde das Thema auf die Relevanz des Art. 9 Abs. 3 GG begrenzt. Obwohl Einzelfragen auch den Geltungsbereich des Art. 5 Abs. 1 GG berühren, soll darauf nicht eingegangen werden, da insoweit die Koalitionsfreiheit die speziellere Gewährleistung enthält.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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sich mit ihrem Aussagegehalt identifizieren. Es scheint daher, als setze sich der Richter aufgrund eines eigenen unmittelbaren Interesse für die Sache der Gewerkschaft ein. Er erhebt die Sache durch seine aktive Beteiligung zu seiner eigenen Angelegenheit. Damit aber verläßt das Engagement den Bereich des subjektiv-personellen Bereichs. Die aktive Teilnahme des Richters an Gewerkschaftsveranstaltungen stellt daher aus der Sicht der Arbeitgeberseite einen geeigneten Grund für ein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters dar. Dem Arbeitgeber kann in einem späteren Verfahren nicht zugemutet werden, darauf zu vertrauen, daß der Richter im Rahmen seines Amtes sich von den privaten Aktivitäten vollkommen löst und nunmehr als unbeteiligter Dritter den Streit entscheidet. (3) Teilnahme an geschlossenen Veranstaltungen Begründete das öffentliche Engagement eines Richters für die AngelegenheitenvonGewerkschaftendie Besorgnis der Befangenheit, so muß dies erst recht fürdenBesuchund die Mitwirkung an Veranstaltungen gelten, von deren Teilnahme Nicht-Gewerkschaftsmitglieder ausgeschlossen sind. Dabei kommt es nichtaufdenkonkreten Umfang der Beteiligung des Richters in der jeweiligen Sitzung an, denn diese kann von außen nicht beurteilt werden. Die Beschränkung der zugelassenen Teilnehmer an einer gewerkschaftlichen Veranstaltung auf deren Mitglieder ist wesentlicher und gleichzeitig notwendiger Bestandteil der kollektiven Koalitionsfreiheit. 590 Dies liegt in dem unbestreitbaren Eigeninteresse des Verbandes begründet, die Effizienz zu diskutierenderund planender Gewerkschaftsmaßnahmen in der Auseinandersetzung mit dem Sozialpartner nicht von vornherein zu gefährden. Die hat jedoch Auswirkungen auf die Teilnahme eines Richters. Einem außenstehenden Nicht-Mitglied ist es unmöglich, Umfang und Inhalt dessen Beteiligung nachzuvollziehen. Dies würde dem einseitig engagierten Arbeitsrichter die Möglichkeit eröffnen, sich von vornherein durch die Flucht in die nichtöffentliche Diskussion einem gegen ihn gerichteten Ablehnungsantrag entziehen zu können. Aufgrund der Unkenntnis des Arbeitgebers wäre der substantiierte Vorwurf parteilichen Verhaltens nicht mehr möglich, eine Glaubhaftmachung de facto ausgeschlossen. Aus diesem Grunde wird hier das Mißtrauen begründende Verhalten bereits in der Teilnahme an der geschlossenen Veranstaltung zu sehen sein, denn ein Ablehnungsantrag ist nicht erst begründet, wenn der Nachweis der Unparteilichkeitgeführtist, sondern bereits dann, wenn die Besorgnis der Befangenheit besteht. Die für die Arbeitgeberseite nicht gegebene Möglichkeit, den In-
590 FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 68; K. Hümmerich, AnwBI. 1994,257 (258).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
halt der Veranstaltung und den Anteil des Richters hieran als Besorgnisgrund glaubhaft zu machen, geht insofern zu Lasten des Richters. 591 (4) Teilnahme am Arbeitskreis "Recht" Einen weiteren Problembereich eröffnet die Teilnahme von Richtern an solchen Veranstaltungen, an denen Rechtsanwälte mitwirken, die sich intensiv mit der Beratung und Vertretung von Arbeitnehmern beschäftigen. Das Bundesverfassungsgericht stellt diesbezüglich nur kurz fest: Zur Betätigungsgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG "gehört die Teilnahme an einem Arbeitskreis 'Recht' der Gewerkschaft ÖTV, selbst wenn sich dabei vor den Arbeitsgerichten auftretende Anwälte an der allgemeinen Erörterung aktueller arbeitsrechtlicher Probleme beteiligen. "592 Diese Entscheidung stand nicht zuletzt deshalb in der Kritik, weil das Bundesverfassungsgericht, ohne auf die Besonderheiten des Richteramtes einzugehen, die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung bereits durch den Vorpriifungsausschuß ablehnte. 593 Soweit ersichtlich ist der Arbeitskreis "Recht" der ÖTV Kreisverwaltung Frankfurt der einzige seiner Art, der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens war oder ist. Dabei stand in dem konkreten Verfahren immer im Streit, ob und wann zu den einzelnen Sitzungen Vertreter der Arbeitgeberverbände eingeladen worden waren. Wenn aber diese Frage ungeklärt geblieben ist, konnte eine pauschale Bejahung der Zulässigkeit der Teilnahme nicht erfolgen. Auch für den Arbeitskreis "Recht" muß aufgrund der oben unter (3) gefundenen Ergebnisse festgehalten werden, daß bei Ausschluß der Arbeitgeberseite die Teilnahme des Richters einen Ablehnungsgrund darstellt. 594 Selbst der Präsident des Landesarbeitsgerichts Frankfurt595 und die Richterschaft der hessischen Ar591 So im Ergebnis auch T. Dieterich, RdA 1986, 2 (6), der als Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht selbst die Konstellation als nicht mehr mit der notwendigen Offenheit und Kritikfahigkeit eines Richters vereinbar ansieht. G. Hager, FreieMeinung und Richteramt, 1987, S. 164; B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1624); ehr. Berglar, ZRP 1984,4 (6 f.). Vgl. hierzu auch die Schreibendes Präsidenten des LAG Frankfiut E. Fischer an die Vereinigung der hess. Unternehmerverbände vom 2.12.1983 und 3.2.1984, abgedruckt in der Hoechst-Dokumentation, 1984, Kap. 8 Anl. 3, 4 u. 6; ebenso die Richterschaft der hess. Arbeitsgerichtsbarkeit anläßlich der Richtertagung am 27./28.10.1983 in Darmstadt, F.A.Z. v. 9.12.1983. Dagegen FangmanntZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 68. 592 Vorprüfungsausschuß, NJW 1984, 1874. 593 Vgl. hierzu die Nachweise oben Einleitung in FN 2.
594 T. Dieterich, RdA 1986,2 (6); ihm folgend P. Hanau, DRiZ 1992,422 (425). 595 Schreiben von E. Fischer an die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände
vom 2 .12 .1983 und 3 .2.1984, Hoechst-Dokumentation, 1984, Kap. 8 Anlage 3, 4 und 6.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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beitsgerichtsbarkeit596 hielten eine Teilnahme am Arbeitskreis "Recht" der ÖTV in der damaligen Form für geeignet, einen Ablehnungsantrag der Arbeitgeberseite begründen zu können. Wurden dagegen auch Arbeitgebervertreter eingeladen, ist unabhängig von deren Anwesenheit dem Arbeitgeber im konkreten Verfahren die Möglichkeit genommen, unter Berufung auf die Unmöglichkeit der Glaubhaftmachung eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen, denn das fehlende Interesse der Arbeitgeberseite an gewerkschaftlich organisierten Veranstaltungen kann nicht zu Lasten des hieran teilnehmenden Richters gewertet werden. Wie aber ist die Mitwirkung eines Richters in einem Arbeitskreis zu werten, an dem auch Arbeitgebervertreter teilgenommen haben oder hätten teilnehmen können? Diskussionsveranstaltungen in einer relativ kleinen Runde erhöhen die Bereitschaft des einzelnen, sich durch eigene Wortmeldungen zu beteiligen. Damit verbunden ist die kritische Auseinandersetzung mit Beiträgen anderer Teilnehmer, aber auch die Verarbeitung der Kritik an den eigenen Ansichten. Eine allgemeingültige Antwort kann hierzu nicht gegeben werden. Die Zulässigkeit einer Teilnahme an einer solchen Runde hängt von den Gesprächsthemen ab. Dabei ist zwischen allgemeinen arbeitsrechtlichen Fragen und tatsächlichen und rechtlichen Problemen aus laufenden Verfahren zu unterscheiden. (a) Die Beteiligung an einer wissenschaftlichen Diskussion Das Gespräch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern über wissenschaftliche Fragen ermöglicht dem Richter, die Rechtsansichten und Argumente der entgegenstehenden Positionen kennenzulernen. Durch eigene Beiträge und Fragen, die sich aus der richterlichen Praxis ergeben, trägt er zur umfassenden Auseinandersetzung mit den jeweiligen Problemen bei. Dabei bildet er sich auch eine eigene Meinung, womit aber nicht automatisch eine Festlegung verbunden sein muß, die ein Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zur Folge hätte. Der Richter darf und soll einen Standpunkt bezüglich einer abstrakten Rechtsfrage einnehmen und auch nach außen hin vertreten dürfen, solange er dadurch nicht den Anschein erweckt, er stehe anderen Ansichten verschlossen gegenüber. Erst wenn er die notwendige Offenheit und Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit den anderen hierzu vertretenen Ansichten in der Diskussion vermissen läßt, entsteht der Eindruck, er habe ein un-
596 Bericht über die Tagung der Richterschaft der hessischen Arbeitsgerichtsbarkeit in der Frankfurter AlIgemeinen Zeitung vom 9.12.1983.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
mittelbares eigenes Interesse am Obsiegen der ihm zustimmenden Partei. Nur dieses eigene Interesse am Ausgang eines Verfahrens macht in befangen. Wann ein derartig krasser Fall eines unzulässigen Engagements vorliegt, kann nicht anband abstrakt gebildeter Fallgruppen entschieden werden. Hier wird es auf die Formulierung, die Situation und auch auf die sonstigen Verhaltensweisen des Richters ankommen. Eine sich hieraus ergebende Parteilichkeit wird aber wohl der Ausnahmefall bleiben. Die Teilnahme an einer Diskussionsveranstaltung in kleinem Rahmen unter Mitwirkung der Arbeitgeberund Gewerkschaftsseite begründet daher in der Regel keinen Ablehnungsgrund . Im übrigen kann die Teilnahme an Diskussionen mit der Veröffentlichung wissenschaftlicher Publikationen in Fachzeitschriften verglichen werden. Zwar betrifft dies weniger die Betätigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG als vielmehr das Grundrecht der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG; jedoch macht es für die Frage der Unparteilichkeit keinen Unterschied, ob es sich um verbale oder schriftliche Äußerungen handelt. Wissenschaftliche Beiträge in Fachzeitschriften werden überwiegend für zulässig und ablehnungsrechtlich irrelevant erklärt, da sie die Möglichkeit eröffnen, praktische Erfahrungen aus der Sicht des Richters in die wissenschaftliche Diskussion einzubringen und theoretische Erwägungen auf ihre Praktikabilität hin zu überprüfen. 597 Durch den Schritt an die wissenschaftliche Öffentlichkeit zeigt der Richter zudem die für sein Amt notwendige Offenheit und Kritikfähigkeit, die mit der Unparteilichkeit eng verknüpft sind. Jedoch kann hieraus kein unbeschränktes Recht hergeleitet werden, jedes Thema, jeden Standpunkt und jede Argumentation in unbegrenzter Weise zu bearbeiten und zu vertreten. Die Grenzen sind dort erreicht, wo die "wissenschaftlichen" Publikationen dem Inhalt gewerkschaftlicher Standortpapiere gleichkommen und damit unter dem Deckmantel der dogmatischen Probiernautbereitung verbandsorientierte Stellungnahmen abgegeben werden. Das gleiche muß dort gelten, wo der Richter jede kritische Auseinandersetzung mit anderen Ansichten vermissen läßt und sich dadurch entgegenstehenden Argumenten gegenüber verschlossen zeigt. 598 Jedoch sind bei der Beurteilung dieser Einzelfälle die konkreten Umstände zu betrachten und es ist daraufhin aufgrund einer Gesamtabwägung zu entscheiden, ob die Grenzen zulässiger wissenschaftlicher Arbeit überschritten sind oder nicht. 597 A.Arndt, NJW 1963,2046; O. Teplitzky, JuS 1969, 318 (322); BSG, NJW 1993, 2261 (2262); T. Rasehorn, NJW 1977,1911 f.; H. Sendler, NJW 1984, 689 (693); FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 65; G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 146 ff.; G. Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung, 6. Autl. 1994, S. 371. 598 Siehe hierzu ausführlich H. Sendler, NJW 1984, 689 ff.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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(b) Gespräche über anhängige Verfahren
Eine andere Qualität besitzen Gespräche über rechtliche und tatsächliche Probleme im Rahmen eines anhängigen Einzelfalls, der von einem teilnehmenden Richter zu entscheiden ist. Hier begründet eine konkrete Stellungnahme des Richters den Verdacht einer nicht revidierbaren Vorentscheidung. Forum für die Erörterung der entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen ist der Gerichtssaal und bei der sich anschließenden Beratung das Beratungs- oder Richterzimmer nicht jedoch der Konferenzraum einer Gewerkschaftodereiner Arbeitgeberorganisation. Wenn aber der Richter bei einer außergerichtlichen Diskussionsrunde ein anhängiges Verfahren mit den VerfahrensparteienoderDrittenerörtert, dann ist der Verdacht gerechtfertigt, daß der Richter die hier vor Ablaufdermündlichen Verhandlung und damit vor Kenntnis aller entscheidungserheblichen Umstände gefaßte Meinung auch im Gerichtssaal vertritt. Dies aber ist mit seiner Arbeit als neutraler Dritter, der aufgrund der im Verfahren vorgetragenen Tatsachen zu entscheiden hat, nicht zu vereinbaren. Einem entsprechend begründeten Ablehnungsantrag sollte daher stattgegeben werden. 599 (5) Arbeit innerhalb der Gewerkschaft Die Betätigungsgarantie im Rahmen der Koalitionsfreiheit umfaßt auch das Recht, innerhalb des Verbandes bei der Bewältigung der anfallenden Probleme mitzuarbeiten. Aber auch hierbei hat der Richter immer Bedacht auf sein Amt zu nehmen und sein Verhalten so zu bestimmen, daß er die ihm auferlegte Unparteilichkeit so weit wie möglich wahrt, damit die Arbeitgeberseite ihn im arbeitsgerichtlichen Verfahren akzeptiert. Jedoch entscheidet sich die ablehnungsrechtliche Relevanz der verbandsinternen Tätigkeit ebenso wie die bisherigen Fragestellungen nicht anhand genereller Aussagen, sondern nach der Situation im Einzelfall. Bei der gewerkschaftsinternen Mitarbeit stellt sich eine über die bisherige Problematik hinausgehende Misere für die Arbeitgeberseite im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Informationen aus dem Innenleben der Gewerkschaften gelangen nur in seltenen Ausnahmefällen an die Öffentlichkeit. Die Arbeitgeberseite wird daher bei dem Versuch, einen Ablehnungsantrag zu erheben, auf erheb-
599 M. Vollkommer, in: Festschrift für E. Wolf, 1985, S. 659 (666 f.); Presseäußerung des hessischen Justizministers H. Günther, Frankfurter Rundschau vom 5.3.1984 abgedruckt in: örv Kreisverwaltung Frankfurt/Main, Rechtsbeuger am Arbeitsgericht?, 2. Aufl. 1984, S. 119; so auch ein Umkehrschluß aus Nr. 14 des 7. Richterratschlags der ÖTV, abgedruckt in der Frankfurter Rundschau vom 19.1.1984, S.4, sowie beiß. Rüthers, DB 1984, 1620 (1625).
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
liche Schwierigkeiten stoßen, die erlangten Erkenntnisse zu beweisen. Aus diesem Grunde dürften die folgenden Ausführungen nur bei Zufallsentdeckungen praktische Relevanz entfalten. (a) Die Beschäftigung mit Einzelfällen Gewerkschaften haben ein großes Interesse, die Fachkompetenz eines Arbeitsrichters für ihre Zielsetzungen dienbar zu machen. Hierbei ist es möglich, daß der Richter auf Einzelfalle angesprochen und eine Stellungnahme von ihm erbeten wird. Soweit es sich dabei um in seiner Kammer anhängige Fälle handelt, kann hinsichtlich der befangenheitsrechtlichen Würdigung auf die Ausführungen auf oben (5) (a) verwiesen werden, denn auch hier besteht die Gefahr der sachlichen Vorentscheidung durch die einzelfallbezogene Auskunft. Darüber hinaus wird in diesen Fällen seitens verschiedener Autoren sogar der Verdacht einer verbandsmäßig organisierten Rechtsprechung erhoben. 600 Wenn sich der gewerkschaftlich organisierte Richter mit rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit bestimmten Einzelfällen beschäftigt, liegt hierin regelmäßig ein die Besorgnis der Befangenheit begründendes Verhalten. (b) Die Beschäftigung mit abstrakten Rechtsfragen Losgelöst von einem Einzelfall besteht die Möglichkeit, daß der Richter innerhalb der Gewerkschaft aufgrund seiner praktischen Erfahrung auch zu abstrakten Problemen des Arbeitsrechts befragt wird. Hier steht bei der Beurteilung, ob die Bearbeitung von Rechtsfragen innerhalb des Verbandes das Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Richters begründen kann, die Orientierung dieser Tätigkeit auf die Verbandszwecke hin im Vordergrund. Es ist dem Arbeitgeber im Verfahren nicht zuzumuten, darauf vertrauen zu müssen, der Richter werde sich materiell rechtlich von seinen gewerkschaftlichen Vorarbeiten lösen und unberührt von diesen Untersuchungen eine neue Entscheidung treffen. Die verbandsinteme Bearbeitung von Rechtsfragen muß hier mit der parteilichen Gutachtenerstellung gleichgesetzt werden, was unabhängig vom Einzelfall generell mit der Stellung des Richters unvereinbar ist. 601 (c) Die Beschäftigung mit arbeitsrechtspolitischen Fragen Beschäftigt sich der Richter in der Gewerkschaft mit Fragen der Arbeitsrechtspolitik, z.B. mit der Einführung der 35 Std.-Woche, der Änderung der 600 B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1625); ihm folgend P. Hanau, ZIP 1984,1165; M. Vollkommer, in: Festschrift für E. Wolf, 1985, S. 659 (667).
601 H.-J. Wipjelder, DRiZ 1983, 337 (339); P. Hanau, ZIP 1984, 1165; W. Dütz, JuS 1985, 745 (753); W. Moll, ZRP 1985,244 (245).
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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Ladenschlußzeiten oder der Einführung durchgehender Schichtsysteme, dann drückt sich auch hierin sein gesteigertes Interesse an den Zielen der Gewerkschaft aus. Daraus kann aus der Sicht des in ein arbeitsgerichtliches Verfahren einbezogenen Arbeitgebers die gerechtfertigte Besorgnis entstehen, der Richter habe nicht nur ein unmittelbares eigenes Interesse an den konkret behandelten Fragen, sondern generell eine gesteigerte, für ihn verbindliche Beziehung zu Fragen der Besserstellung der Arbeitnehmer entwickelt. 602 Hierzu gehören insbesondere die Fälle, in denen ein Richter an Formulierungen gewerkschaftlicher Thesenpapiere de lege lata und/oder de lege ferenda mitwirkt. 603 Als eindrucksvolles Beispiel kann hier der 7. Richterratschlag der ÖTV604 gelten. In Nr. 14 wird die Teilnahme an gewerkschaftlichen Arbeitskreisen als zulässiges und geeignetes Mittel der gewerkschaftlichen Betätigung von Richtern bezeichnet. Soweit ein mit dieser Formulierung beschäftigter Richter einen auf die Teilnahme am Arbeitskreis "Recht" gestützten Ablehnungsantrag zu beurteilen hat, kann von der Arbeitgeberseite eine unparteiliche Entscheidung dieses Richters nicht mehr erwartet werden. Auch die darüber hinausgehenden Punkte des Richterratschlags zeigen die eigentlichen Ziele dieser Einrichtung: (Nr. 13) "Aufgabe der Rechtsprechung ist es demgegenüber nicht nur, den bisher erreichten Standard zu halten und weitere Verschiebungen zu Lasten von Arbeitnehmern zu verhindern, sondern darüber hinaus ... die Freiheitsräume der Arbeitnehmer im Betrieb zu erweitern." Ein Arbeitsrichter , der diese Formulierungen mitverfaßt, kann für sich nicht mehr in Anspruch nehmen, daß die Arbeitgeberseite im Arbeitsgerichtsverfahren von seiner Unparteilichkeit ausgeht. Er muß sich den Vorwurf gefallen lassen, er mache die Erweiterung der Rechte des Arbeitnehmers zu seinen eigenen Angelegenheiten und er wird dieses Ziel auch im Bereich seiner spruchrichterlichen Tätigkeit verfolgen. Hierin liegt ein unmittelbares eigenes Interesse an der Förderung von Arbeitnehmerrechten und den Zielen der Gewerkschaft, weshalb er als unabhängiges Rechtsprechungsorgan ausscheidet. Die Formulierung gewerkschaftlichen Publikationsmaterials ist deshalb ein tauglicher Ablehnungsgrund im Sinn des § 42 ZPO.
602 H.-J. Wipjelder, DRiZ 1983,337 (340); P. Hanau, ZIP 1984,1165; ehr. Berglar, ZRP 1984,4(8); W. Dütz, JuS 1985,745 (752);H.-J. Wipjelder, DRiZ 1987, 117 (127). 603 M. Vollkommer, in: Festschrift für E. Wolf, 1985, S. 659 (667); R.-A. Eich, ZRP 1984,255; E. Schmidt-Jortzig, NJW 1984,2057 (2061); B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1623). 604 Frankfurter Rundschau vom 19.1.1984, S. 3; teilweise abgedruckt bei B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1625); vollständig abgedruckt in der ÖTV-Dokumentation "Rechtsbeuger am Arbeitsgericht?", 1984, S.97.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit (d) Die Beschäftigung mit allgemeinpolitischen Fragen
Ein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit vermag jedoch die Mitwirkung bei der Erstellung allgemeinpolitischer Stellungnahmen der Gewerkschaft nicht zu rechtfertigen, obwohl dieser Bereich einen immer größer werdenden Anteil an der Gewerkschaftsarbeit einnimmt. Hier betrifft die Verbandsarbeit nicht mehr das unmittelbare Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Gewerkschaft, sondern Bereiche, die jeden interessierten Bürger ansprechen. Die auch weiterhin bestehende und nicht zu übersehende Beziehung der Tätigkeit zur Gewerkschaft tritt dabei jedoch in den Hintergrund. Könnten allgemeinpolitische Äußerungen einen Befangenheitsantrag rechtfertigen, so würde der Richter zum gesellschaftlichen Neutrum degradiert. 605 Dies käme über den Umweg des Befangenheitsrechts einem Berufsverbot gleich,606 was aber selbst bei einem primär-subjektiven Beurteilungsstandpunkt gegen Sinn und Zweck des § 42 ZPO verstößt. 607 (e) Die Beschäftigung mit eigenen Berufs- und Standesangelegenheiten Die gewerkschaftliche Betätigung eines Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit rechtfertigt nur dann das Mißtrauen gegen seine Unabhängigkeit, wenn hieraus ein eigenes Interesse am Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens resultiert. Dort aber, wo die Gewerkschaftsarbeit Themenbereiche betrifft, die, vergleichbar den allgemeinpolitischen Tätigkeiten, niemals Streitgegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens sein können, können hieraus keine Bindungen zu einer Verfahrenspartei abgeleitet werden. Dies gilt für alle Fragen, die die bürgerlich-rechtlichen Beziehungen zwischen den Arbeitsvertragspartnern bzw. die tarifrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Sozialpartnern nicht berühren. Hierzu gehört insbesondere das Verhältnis zwischen dem Richter und seinem Dienstherm. Bei diesen berufsspezifischen und standesrechtlichen Angelegenheiten nehmen Richter nicht als Amtsinhaber in ihrer amtlichen Tätigkeit an der Diskussion teil, sondern befinden sich in der Position des Bediensteten gegenüber seinem Dienstherm. Da aber die juristische Struktur des durch Art. 97 GG charakterisierten Richterdienstes von der anderer privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse wesentlich abweicht, können hieraus keine oder allenfalls nur mittelbare Schlußfolgerungen für die Arbeitsverhältnisse gezogen werden. Daher resultiert aus der nur mittelbaren Beziehung zwischen Richterdienstrecht und dem privaten Arbeitsrecht kein unmittelbares eigenes Interesse des Richters
605 H.-J. Wipfelder, DRiZ 1987,117 (127).
606 T. Dieterich, RdA 1986, 2 (5). 607 P. Hanau, ZIP 1984, 1165; W. Dütz, JuS 1985,745 (753).
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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am Verfahrens gegenstand der von ihm am Arbeitsgericht zu entscheidenden Fälle. Darüber hinaus entspricht dieses Ergebnis dem oben608 näher bestimmten Schutzbereich der grundgesetzlichen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Die Teilgarantie der Betätigungsfreiheit umfaßt in ihrem absolut geschützen Bereich lediglich die Wahrung und Förderung der eigenen berufsspezifischen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Gerade dies würde aber unzulässigerweise eingeschränkt, wenn durch die extensive Anwendung des Ablehnungsrechts der Richter sich in seinen ihn betreffenden beruflichen Angelegenheiten nicht engagieren dürfte. Letztlich muß damit festgestellt werden, daß der Richter aufgrund seiner Tätigkeit auf dem Gebiet des richterlichen Berufs- und Standesrechts nicht abgelehnt werden kann. Entsprechende Ablehnungsanträge sind daher negativ zu bescheiden. 609 111. Das Verhältnis zwischen Dienstaufsicht und Richterablehnung Die gewerkschaftliche Betätigung eines Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit wurde bisher getrennt nach ihrer Relevanz hinsichtlich der Verletzung der Mäßigungspflicht einerseits und ihrer Bedeutung für das Ablehnungsrecht andererseits untersucht. Beide Rechtsinstitute stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der richterlichen Neutralität und den damit verbundenen Einzelgarantien, wie Z.B. dem gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Jedoch wurden aus dieser Gemeinsamkeit nur selten weitergehende Verbindungen abgeleitet. Vielmehr stellte das Schrifttum übereinstimmend fest, daß die richterliche Mäßigungspflicht und die Richterablehnung zwei je selbständige Einrichtungen sind, die keine oder nur wenige Beziehungen zueinander aufweisen. 610
608 Vgl. oben 1. Teil, D II 3 a. 609 So im Ergebnis auch P. Hanau, ZIP 1984, 1165; B. Rüthers, DB 1984, 1620 (1622); dagegen aber FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 66 f., unter Hinweis auf eine SchlechtersteIlung der Arbeitsrichter gegenüber Richtern anderer Gerichtszweige - Art. 3 GG. 610 ehr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 146; H. Sendler,NJW 1984,689 (694 FN 29); M. Vollkommer, EzA Nm. 3, 4 zu § 49 ArbGG, S.31;E.Schmidt-Jortzig,NJWI984,2057(2062 FN 40); M. Göbel, NJW 1985,1057; W. Dütz, JuS 1985,745 (753); FangmannlZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 71, 74; W. Moll,ZRP 1985,244 (246); ders., ZRP 1986, 31 ;R. Wassermann, DRiZ 1987,144 (146); H.-J. Wipjelder, DRiZ 1987, 117 (125); P. Quart, Umfang und Grenzen politischer Betätigungsfreiheit des Richters, 1990, S. 241 ff.; R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990.
2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
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Dieser Standpunkt ist insoweit unwiderlegbar, als daß die beiden Bestimmungen in ihrer Anwendung nicht gleichgesetzt werden können. Hiergegen sprechen eine Vielzahl von durchgreifenden Argumenten. Anzufangen ist dabei mit der Blickrichtung, aus der die jeweilige Handlung beurteilt wird. Während § 39 DRiG von einem um Objektivität bemühten, vernünftigen Betrachter ausgeht,611 nimmt § 42 ZPO vor dem Hintergrund eines primär-subjektiven Verständnisses die jeweilige Prozeßpartei zum Ausgangspunkt. 612 Schützt dementsprechend § 39 DRiG das Vertrauen der Allgemeinheit in die Neutralität des Richters,613 so hat das Ablehnungsrecht nur die konkrete Prozeßpartei im Auge. 614 Beurteilungsgegenstand des Dienstherm ist das Verhalten des Richters über einen längeren Zeitraum,615 wohingegen das Ablehnungsrecht nur die Auswirkungen richterlichen Verhaltens auf die Besorgnis der Befangenheit im Einzelfall in seine Beurteilung einbezieht. 616 Aus diesen Unterschieden ergibt sich auch die Entscheidung in echten Zweifelsfällen. Das Dienstaufsichtsrecht tritt hier wegen des grundrechtseinschränkenden Charakters der einzelnen Maßnahmen zufÜck. 617 Einem Ablehnungsantrag ist dementgegen wegen seines vorrangig grundrechtssichernden Charakters hinsichtlich des Rechts auf den gesetzlichen Richter im Zweifelsfall stattzugeben. 618 Insgesamt ist § 39 DRiG deshalb eng und § 42 ZPO großzügiger auszulegen. Trotz dieser zwingenden Gegensätzlichkeiten werden Mäßigungsptlicht und Richterablehnung vereinzelt in unterschiedlichen Variationen miteinander verknüpft. So scheint Chr. Niethammer-Vonberg zwischen beiden Einrichtungen nicht trennen zu wollen, wenn sie die vorgegebenen Begriffe synonym verwendet. 619 Einen anderen Weg beschreitet E.-W. Hanack. Er bestimmt den Inhalt der generalklauselartigen Ptlichtennorm des § 39 DRiG aus dem Blickwinkel des Ablehnungsrechts. 620 G. Arzt hingegen beschreitet den umgekehrten Weg, indem er den Inhalt des § 42 ZPO aus dem Richterdienstrecht heraus beschreibt. 621 Durch die Versuche der gegenseitigen Interpretationshilfe werden 611 612 613 614 615 616 617 618
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
oben 12 a bb. oben 11 2 c bb (3). oben I 2 a bb. oben 11 2 c bb (3). oben I. oben 11 2. oben I 2 d. oben 11 2 c cc (1).
619 ehr. Niethammer-Vonberg , Parteipolitische Betätigung der Richter, 1969, S. 100 f.
in: Festschrift für H. Herrfahrdt, 1961, S. 127 ff. 621 G. Arzt, Der befangene Richter, 1969, S. 108.
620 E.-W.Hanack,
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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Dienstaufsicht und Richterablehnung ihrer Selbständigkeit und ihrer Unterschiede beraubt, obwohl diese Vermengung werder historisch noch systematisch begründbar ist. Die vorgeschlagenen Lösungen vernachlässigen vielmehr die unterschiedlichen Wirkrichtungen und Ausgestaltungen von Richterablehnung und Dienstaufsicht. Einenhiervon abweichenden Weg, der die Selbständigkeit der beiden Einrichtungen nicht nur aufrecht erhält sondern ausdrücklich betont, beschreitet C. Gerdes. Sie sieht in der Dienstaufsicht und Richterablehnung zwei sich ergänzende Einrichtungen, die zusammen den gesamten Wirkungsbereich der richterlichen Neutralität abdecken. Aufgrund der grundrechtseinschränkenden Wirkung der Mäßigungspflicht sei diese eng und damit grundrechtsfreundlich auszulegen. Um aber dabei keine Lücken in der Kontrolle richterlichen Verhaltens entstehen zu lassen, müsse das Parallelinstitut der Ablehnung ein entsprechend weites Anwendungsfeld erhalten. Sie begründet diesen parteifreundlichen Standpunkt mit dem Hinweis auf die bezüglich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtssichernde Funktion der Richterablehnung. 622 Die hierbei bestehende "Wechselwirkung"623 der beiden Einrichtungen führte letztlich dazu, daß §42ZPOweit und § 39 DRiG eng auszulegen sei. Der hierin liegende Versuch, das Verhältnis von Dienstaufsicht und Ablehnungsrecht systematisch aufzuarbeiten, unterstellt die Absicht, daß die beiden Einrichtungen sich gegenseitig ergänzen sollen. In gewisser Weise dürfte dies aufgrund des gemeinsamen Ausgangspunktes in der richterlichen Unabhängigkeit in der Praxis der Fall sein. Durch den ergebnisbetonten Zusammenhang darf man aber nicht die unterschiedlichen Funktionen und Zielsetzungen der selbständigen Kontrollmechanismen aus den Augen verlieren. Zur Erreichung einer den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden Rechtsprechung gehen Dienstaufsicht und Richterablehnung unterschiedliche Wege. Den Verstoß gegen die richterdienstliche Mäßigungspflicht ahndet der Staat durch die Dienstaufsichtsbehörde oder das Disziplinargericht mittels personenbezogener Maßnahmen, die den Richter zu einem pflichtgemäßen Verhalten bringen sollen. Dementgegen enthält die Ablehnung eines Richters keine pönalisierende Maßnahme gegen den Richter, sondern drückt lediglich das subjektiv-persönliche Mißtrauen einer konkreten Prozeßpartei gegen die Unparteilichkeit des Richters im Einzelfall aus, dessen Ursachen dieser vereinzelt nicht einmal willkürlich gesetzt oder sogar noch nicht einmal gekannt hat. Während aufgrund eines erfolgreichen Ablehnungsantrages der Richter unmittelbar von der Entscheidung des Einzelfalles ausgeschlossen ist, entzieht es sich dagegen meist sogar
622 C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 44 ff. 623 So C. Gerdes, Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, 1992, S. 43.
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2. Teil: Schranken der Koalitionsfreiheit
der Kenntnis der Prozeßpartei, wenn eine Dienstaufsichtsmaßnahmegegenden Richter ausgesprochen worden ist. Aus diesen Erwägungen ist daher ersichtlich, warumAblehnungundDienstaufsicht sich nicht notwendig in der Hinsicht ergänzen sollen, daß sie einen lückenlosen Schutz der richterlichen Neutralität gewährleisten. Soweit dennoch eine konkrete Handlung geeignet ist, sowohl eine Dienstaufsichtsmaßnahme als auch einen Ablehnungsantrag zu rechtfertigen, so läßt sich hieraus nicht der Schluß ziehen, daß die eine den anderen bedingt. Umgekehrt gilt das gleiche. 624 § 39 DRiG und § 42 ZPO haben jeweils ein eigenständiges Dasein. Aus dieser Selbständigkeit läßt sich jedoch nicht jede mögliche Auswirkung aufeinander ausschließen. Erfolgreiche Ablehnungsanträge geben dem DiensthermzwarinderRegel keinen Anlaß, das Verhalten des Richters, insbesondere das außerdienstliche Verhalten, auf Pflichtverletzungen hin zu überprüfen. Wenn vor dem Hintergrund einer sich (möglicherweise) zugunsten des primär-subjektiven Maßstabes wandelnden Rechtsprechung die Zahl der erfolgreichen Ablehnungsanträge gegen einen Richter steigen sollte, dann sind die zugrundeliegenden Einzelfälle in ihrer Individualität auch weiterhin kein Grund für eine dienstaufsichtsrechtliche Kontrolle. Das gilt auch für die Gesamtheit der Ablehnungs fälle , wenn die Gründe hierfür sich aus unterschiedlichen Handlungen oder Äußerungen ergeben. Jedoch drängt sich in der Weiterführung dieser Fallbildungen die Frage auf, ob diese Einschätzung auch für den Fall aufrechterhalten werden kann, daß sich in den Ablehnungsanträgen immer wieder das Mißtrauen gegen eine bestimmte Handlung oder Äußerung widerspiegelt. Dieses Problem stellt sich in besonderer Form bei der gewerkschaftlichen Betätigung des Berufsrichters der Arbeitsgerichtsbarkeit über die eigenen Status-undBerufsproblemehinaus. Einerseits ist diese Form der aktiven Gewerkschaftsmitgliedschaft geeignet, das Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Andererseits ist hierdurch allein das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unabhängigkeit noch nicht gefährdet. Ergebnis dieser 624 ehr. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, Diss. Tübingen 1975, S. 146; H. Sendler, NJW 1984, 689 (694 FN 29); M. Vollkommer, EzA Nm. 3, 4 zu § 49 ArbGG, S. 31; E. Schmidt-Jortzig, NJW 1984, 2057 (2062 FN 40); M. Göbel, NJW 1985,1057; W. Dütz, JuS 1985,745 (753); FangmannfZachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, 1986, S. 71, 74; W. Moll, ZRP 1985, 244 (246); ders., ZRP 1986, 31; T. Dieterich, RdA 1986,4 (5); R. Wassermann, DRiZ 1987, 144 (146); ders., in: FestschriftfürM. Hirsch, 1981,S. 465 (484 FN 68); H.-J. Wip!elder, DRiZ 1987,117 (125); G. Hager, Freie Meinung und Richteramt, 1987, S. 45 ff.; J. Thomas, Richterrecht, 1987, S. 139; P. Quart, Umfang und Grenzen politischer Betätigungsfreiheit des Richters, 1990, S. 241 ff.; R. Brandis, Der Richter als Mitglied der Gewerkschaft, Diss. Berlin 1990.
B. Einfachgesetzliche Konkretisierungen
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Sach- und Rechtslage wäre eine Situation, in der der Richter in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien von der Arbeitgeberseite durchgehend erfolgreich abgelehnt werden könnte, der Dienstherr aber keine Maßnahmen auf dieser Grundlage gegen den Richter ergreifen dürfte. Dies würdejenach Blickwinkel zu einem (teilweisen) Berufsverbot über den Umweg der Richterablehnung oder zur faktischen Verringerung des allseits als zu hoch empfundenen Pensenschlüssels625 führen. Beides ist weder von § 42 ZPO noch von § 39 DRiG beabsichtigt. Es erscheint daher zur Durchsetzung des Pflichtenaspekts der richterlichen Unabhängigkeit, zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, zur Erfüllung der staatlichen Justizgewährleistungspflicht und zur dauerhaften Sicherung der Befriedungswirkung der Rechtsprechung erforderlich, dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen gemäß §§ 26, 39 DRiG dort zu ergreifen, wo der Berufsrichter des Arbeitsgerichts Tatsachen schafft, die ihn für eine Vielzahl von Prozessen aufgrund begründeter Ablehnungsanträge von de Verhandlungsführung ausnimmt. Das heißt, daß die zunächst nur in Einzelfällen die Ablehnung rechtfertigenden aber dienstrechtlich irrelevanten Umstände durch die Vielzahl der erfolgreichen Ablehnungsanträge in der Eigenständigkeit ihrer Summe einen eigenen Verstoß gegen die richterliche Mäßigungspflicht begründen. Hierdurch wird die Eigenständigkeit der Mäßigungspflicht nicht zugunsten der Ablehnung wegen Befangenheit aufgegeben, sondern die Effizienz der Dienstaufsicht im Hinblick auf die gesteckten Ziele gesteigert. Diese Konstruktion kann aber nur dann praktische Relevanz entfalten, wenn die Rechtsprechung bei der Beurteilung von Ablehnungsanträgen ihren primärobjektiven Standpunkt zugunsten eines primär-subjektiven Maßstabes aufgibt. Denn nur unter dieser Voraussetzung ergibt sich die Konstellation, daß eine Tatsache, die die Besorgnis der Befangenheit in einer Reihe von Fällen begründet, nicht schon gleichzeitig auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unabhängigkeit des Richters gefährdet.
625 Die Belastung des Vertretungsrichter wird dabei nicht übersehen.
Gesamtergebnis Die Koalitionsfreiheit schützt die Mitgliedschaft und Betätigung des Richters in seinem Berufsverband im Bereich seiner berufsbezogenen Angelegenheiten. Darüber hinausgehende Betätigungen stehen unter dem Vorbehal t der umfassend verstandenen richterlichen Neutralität, die den Richter nicht nur vor Eingriffen seitens staatlicher Stellen, sondern vor allen Einflußnahmen sonstiger gesellschaftlicher Kräfte und der Prozeßparteien schützt. Dieses in vielfacher Weise im Grundgesetz verfassungs rechtlich verankertes Grundprinzip rechtsstaatlich geprägter Rechtsprechung enthält aber über seine schützende Wirkung hinaus eine Pflicht, die den Richter zu einem dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten anhält, daß seinem Amt und dem ihm entgegengebrachten Vertrauen entspricht. Aufgrund dieses Pflichtenmoments ist die vorbehaltlos gewährleistete Koalitionsfreiheit eingeschränkt. Jedoch läßt sich hieraus noch keine konkrete Verhaltensweise für den Richter ablesen. Dazu bedarf es der einfachgesetzlichen Konkretisierung, die in zweifacher Hinsicht erfolgt ist. Einerseits wird das Pflichtenmoment der richterlichen Neutralität durch das Richterdienstrecht und hier insbesondere durch die richterliche Mäßigungspflicht ausgestaltet. Bei Verstößen hiergegen hat der Dienstherr bzw. das zuständige Dienstgericht Maßnahmen der Dienstaufsicht zu ergreifen, um den Richter an die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen und außerdienstlichen Pflichten zu erinnern. Hierbei zählt die schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft und die Betätigung für seinen Verband nicht zu den Dienstpflichtverletzungen. Gleiches gilt für die Teilnahme an gewerkschaftlich organisierten Rechtsdiskussionen, solange nicht hinter verschlossener Tür zur Entscheidung anstehende Einzelfälle durchgesprochen werden. Wichtig für die Handhabung der Dienstaufsicht ist eine Vermutung zugunsten der bestehenden Unabhängigkeit und die daraus resultierende Entscheidung im Zweifelsfall zugunsten des Richters. Eine hiervon abweichende Form der Konkretisierung des Pflichtenmoments der Neutralität stellen die prozessualen Ausschließungs- und Ablehnungsregelungen dar. Sie bezwecken weniger die abstrakte Aufrechterhaltung der staatlich garantierten Rechtsprechung, sondern sichern die Befriedungswirkung des Urteils. Im Gegensatz zur Dienstaufsicht bestimmt sich dabei der Maßstab zur Bewertung persönlicher und sachlicher Beziehungen zu einer Verfahrenspartei oder dem streitbefangenen Gegenstand aus der Sicht einer vernünftigen Partei. Dieser primär-subjektive, einzelfallbezogene Beurteilungsstandort führt da-
Gesamtergebnis
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zu, daß im ZweifelfalleinemAblehnungsantragstattzugegebenist. Ablehnungsrechtlich ist die Gewerkschaftsmitgliedschaft des Richters unbeachtlich. Gleiches gilt für die Betätigung im Rahmen seiner eigenen Berufsangelegenheiten. Ebenso ist zu entscheiden für den Besuch von Informationsveranstaltungen. Jedoch ist die Grenze zulässigen Verhaltens erreicht, wo sich dem Betrachter eine Identifikation des Richters mit den Gewerkschaftszielen aufdrängt, ohne daß diese wirklich vorliegen muß. Insgesamt ist der Rahmen für die Fälle der Richterablehnung weiter gesteckt als derjenige der Dienstaufsicht. Jedoch stehen diese beiden Ausprägungen des Pflichtenaspekts der richterlichen Neutralität nicht völlig isoliert nebeneinander. Zwar unterstehen sie jeweils eigenen Voraussetzungen und gelangen deshalb auch nicht immer zu gleichen Ergebnissen. Jedoch rechtfertigt eine Vielzahl erfolgreicher Ablehnungsanträge, die sich alle auf ein bestimmtes Verhalten des Richters stützen, in ihrer verselbständigten Summe eine Dienstaufsichtsmaßnahme, selbst wenn die einzelnen Ablehnungsanträge in ihrer Vielzahl gesehen keine Gefährdung der richterlichen Neutralität bedeuten. Die Arbeit hat gezeigt, daß die Beurteilung der Vorgänge am Arbeits- und Landesarbeitsgericht Frankfurt a.M. in den Jahren 1983 und 1984 durch die kurze Feststellung des Bundesverfassungsrichts im Beschluß vom 15.3.1984 nicht alle rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat. Jedoch sollte der dem Beschluß insgesamt zugrundeliegende Sachverhalt ins Bewußtsein rufen, daß das richterliche Berufsverständnis, insbesondere das eines vorsitzenden Richters in der Arbeitsgerichtsbarkeit der gewerkschaftlichen Betätigung Grenzen weisen sollte, bevor Dienstaufsicht und Ablehnungsrecht ihm Einhalt gebieten.
15 Klaas
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- Beschluß vom 14.3.1972, BVerfGE 33, S. 1 ff. - Beschluß vom 15.3.1984, NJW 1984, S. 187413 ff., 37, - unbeteiligter Dritter 122, 132 Bundesbeamtengesetz - Koalitionsfreiheit 25 - Mäßigungspflicht 153 - Maßregelungsverbot 155 contempt of coun 126 Deutscher Richterbund 33, 35 Deutsches Richtergesetz - Koalitionsfreiheit 25, Dienstaufsicht über Richter 143 ff. - äußerer Ordnungsbereich 163 - Maßregelungsverbot 155 f. - Verhältnis zum Ablehnungsrecht 219f. - Verweis auf Beamtendienstrecht 153 ff. - zulässige Mittel 160 ff. s. auch Mäßigungspflicht Dienstbereich 86 Funktionsfahigkeit des besonderen Gewaltverhältnisses 74,85 , 88 - Funktionsfahigkeit der Rechtsprechung 140 ff., 147,219 ff. Funktionswandel der Gewerkschaften 56 Gewaltenteilungsprinzip 88 ff. Gewaltverhältnis, besonderes 38 ff., 73 ff. Grundgesetz 40 Grundrechtsberechtigung 36 ff. - Gundrechtseinschränkung 73 ff. - Konstitutionalismus 38 - Strafgefangenenbeschluß 75 - Vorbehalt des Gesetzes 74 f. - Weimarer Reichsverfassung 40 Gewerkschaften - Allvenretungsrecht 57 ff. , 59
Sachregister Durchgriffshaftung 181 Funktionswandel 56 als Interessenvertretungen 59 Parteifähigkeit im Arbeitsgerichtsverfahren 176 - Rechtsfähigkeit 179 gewerkschaftliche Betätigung 167 ff., 204 ff. - allgemeinpolitische Themen 216 - anhängige Verfahren 215 - Arbeitskreis "Recht" 170 ff., 212 f. - arbeitsrechtspolitische Themen 216 - eigene Berufs- und Standesangelegenheiten 170, 218 f. - Rechtsfragen 216 ff. - schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft 168, 204 f. - Teilnahme an Gewerkschaftsveranstaltungen 170 ff., 204, 210 ff. - Übernahme von Gewerkschaftsämtern 169, 208 ff. - Vorstandstätigkeit 182, 209 f. Grundrechtsberechtigung des Richters 36 ff. - Amtsbereich 40, 86 - Beamtenrichter 38 f. - Dienstbereich 86 - Grundgesetz 40 - Grundrechtsberechtigung 36 ff. - Konstitutionalismus 38 - Privatbereich - Weimarer Reichsverfassung 40 Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtenturns 76 ff. - Eingriffsermächtigung 77 - öffentlicher Dienst 77 ff. - persönlicher Anwendungsbereich 79 - sachlicher Anwendungsbereich 84 ff. - Umfang der Grundrechtseinschränkung 85 ff. - Weimarer Reichsverfassung 80 Grundrechtsschranken 66 ff. - besonderes Gewaltverhältnis 73 ff. - hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtenturns 79 ff. - Unabhängigkeit 88 ff. Justizgewährleistungsptlicht 89, 121, 143 -
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Koalitionsfreiheit 22 ff. Auslegung 41, Entwicklungsoffenheit 56 Geltungsbereich, persönlicher 37 ff. Gewerbeordnung 1869 3lf., 53 Grundrecht des Arbeitsrechts 54 historische Entwicklung 31 ff. Internationale Verbürgungen 26 ff. Kommunikationsgrundrecht 22, 70 f. Landesverfassungen 23 ff., 36, magna charta des Arbeitsrechts 23, 40,65, 122 - Nationalsozialismus 36 - negative 45 f. - Schutzbereich 41 ff. - Staatsvertrag vom 18.5.199023 f. Koalitionsfreiheit, individuelle 41 ff. - Beitritt 44 - negative 45 f. - Teilnahme an kollektiven Handlungen 45,215 - Wahrnehmung satzungsmäßiger Rechte 45 - Verhältnis zur kollektiven Koalitionsfreiheit 62 ff. Koalitionsfreiheit, kollektive 46 ff. - Betätigungsgarantie 50 - Eigenständigkeit gegenüber Individualrecht 57 ff. - Existenzgarantie 49 - Grundlage, dogmatische 47 ff. - Koalitionsmittelgarantie 60 ff. - Verhältnis zur individuellen Koalitionsfreiheit 62 ff. Koalitionsverbote 31 ff. Mäßigungspflicht, richterliche 143 ff. - Anwendungsbereich 151 ff. - Befriedungsfunktion der Rechtsprechung 149, 157 - Maßstab 148 ff. - schlichte Gewerkschaftsmitgliedschaft 168 - Übernahme von Gewerkschaftsämtern 169 - Unabhängigkeit 146 ff. Maßregelungsverbot 155, 169 Methodenlehre 104 ff., 195 - Begriffsjurisprudenz 106, 195 - Freirechtslehre 107
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Sachregister
- Gesetzespositivismus 105 - Interessenjurisprudenz 109, 195 - richterliche Unabhängigkeit 104 ff. - Wertungsjurisprudenz 109, 195 Neutralität 131 ff. - Begriff 131 ff. - als grundrechtseinschränkende Pflicht 140 ff. s. auch Unabhängigkeit Organisationsgrad von Richtern 19 f. Persönlichkeitselemente , unvermeidbare 127 ff. 201 ff., 209 - Humanum 127,168 - Richterablehnung 201 ff., 209 Praktische Konkordanz 77 Privatbereich 86 Rechtsprechung Anforderungen an die Person des Richters 93 Befriedungsfunktion 149, 184 formeller Rechtsprechungsbegriff 90 Funktionserfordernisse 90 ff. materieller Rechtsprechungsbegriff 90 Rechtsstaatsprinzip 88,89 ff., 136 Richter - Arbeitnehmer 209 - Beamtenrichter 97 f. - Bindung an Gesetz und Recht 114 - Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung 93, 140 ff. - Grundrechtsberechtigung 37 ff., - Grundrechtsadressat 37 ff. - hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums 79 ff. - im Sinne des Art. 92 GG - politische Betätigung 13, 17, 141 - Unabhängigkeit 88 ff., 113 ff. - unbeteiligter Dritter 122 ff., 132, 209 Richter, ehrenamtliche 18,82 f. Richter, gesetzlicher 136 ff. - Richterablehnung 184, 196 - System der normativen Vorausbestimmung 137 - gesetzmäßiger Richter 139 f., 196 f. Richterbild des Grundgesetzes 80, 94 ff., 129 ff., 199 - Vergleich mit Beamtenstatus 154 ff.
- Verselbständigung gegenüber anderen Staatsgewalten 117 - unbeteiligter Dritter 122 ff., 132, 209,214 Richtereid 120, 209 Schranken der Koalitionsfreiheit 66 ff. - Art. 2 Abs. 1 GG 71 - Art. 5 Abs. 2 GG 70 - Art. 9 Abs. 2 GG 66 ff. - besonderes Gewaltverhältnis 73 ff. - hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums 76 ff. - Dienstbereich 86 - Privatbereich 86 Sonderrechtsverhältnis s. Gewaltverhältnis, besonderes Streik 45, 61, 64 - Streikarbeit 45, - Tarifautonomie 61 f. - Teilnahme 45,64 Subsumtionsautomat 195 Taktgefühl 18, Unabhängigkeit des Richters 88 ff., 131 ff. - Begriff 94, 113, 131 ff. - Bindung an Gesetz und Recht 114 ff. - Drittwirkung des Art. 97 Abs. 1 GG 133 ff. - Funktionsrechtliche Stellung des Richters 113 ff., 140 ff. - geschichtliche Entwicklung 95 ff. - gesellschaftlichen Kräften 123 ff. - Grundgesetz 103 - Mäßigungspflicht 146 ff. - Medien 125 f. - Methodenlehre 104 ff. - von Prozeßparteien 122 ff. - Richterablehnung 184 ff. - Richterausschluß 173 ff. - Richtereid 120 - sachliche 113 ff. - staatliche Einflüsse 117 - Verfahrensgegenstand 122 ff. - Weimarer Reichsverfassung 102 ff. s. auch Neutralität Verfahrensgarantien 91 ff. Volksgericht 96 ff. Wechselwirkungstheorie 77 Weimarer Reichsverfassung
Sachregister - Bindungswirkung der Grundrechte 35 - Gewaltverhältnis, besonderes 40 - hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtenturns 80 - Koalitionsfreiheit 34, 67 - gesetzlicher Richter 136 ff.
- Stellung der Richter 40 - Unabhängigkeit 102 ff. Weisungsfreiheit 117 ff. Zweifelsfallentscheidung - Mäßigungspflicht 159, 220 - Richterablehnung 199,220
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