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German Pages 442 Year 1967
Geschichte und Rechtsprechung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit
Von
Hans Trinkhaus
Duncker & Humblot . Berlin
HANS
TRINKHAUS
Geschichte und Rechtsprechung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit
Geschichte und Rechtsprechung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit
Von
Dr. jur. Hans T r i n k h a u s Präsident des Landesarbeltsgericfats unter Mitwirkung von
Heinz Menkens Landesarbeitsgerichtsdirektor
D U N C K E R
&
H U M B L O T / B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1967 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1967 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany
HANS
GALPERIN
gewidmet
Geleitwort A m 31. Dezember 1965 ist der längjährige Präsident des Landesarbeitsgerichts Bremen, Prof. Dr. Hans Galperin, i n den wohlverdienten Ruhestand getreten. Damit ist ein sehr bedeutsamer Abschnitt bremischer A r beitsrechtsprechung zu Ende gegangen, i n dem die Gerichte für Arbeitssachen nach dem völligen Zusammenbruch von 1945 außerordentlich wechselnden, gegensätzlichen Verhältnissen von der Massenarbeitslosigkeit i n der tiefsten Not des deutschen Volkes bis zur Vollbeschäftigung i n der Wohlstandsgesellschaft und schließlich bis zur gegenwärtigen Konjunkturlage Rechnung zu tragen hatten. I n dieser bewegten Zeit hat die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit zur Fortbildung des i n rascher Entwicklung begriffenen Arbeitsrechts, zu seiner Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten des Arbeitslebens und damit zur Sicherung des sozialen Friedens i m Lande Bremen wesentlich beigetragen. Vor allem war so manche Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, dem ich über ein Jahrzehnt als Landesarbeitsrichter angehören durfte, über den entschiedenen Einzelfall hinaus Richtschnur für alle übrigen Arbeitsverhältnisse der gleichen Gruppe. Möge dies auch i n Zukunft so bleiben, möge die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit ihrer richterlichen Ordnungsaufgabe wie bisher gerecht werden! Wenn aus dem gegebenen Anlaß zwei bremische Richter es unternommen haben, die geschichtliche Entwicklung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit von ihren Vorläufern bis zur Gegenwart i m Zusammenhangdarzustellen und zugleich die noch heute bedeutsame Rechtsprechung der bremischen Gerichte für Arbeitssachen i n Leitsätzen m i t Hinweisen zusammenzustellen, so begrüße ich das ganz besonders. Möge das verdienstliche Werk das Verständnis der besonderen Aufgaben der von A n fang an eigenständigen, für den speziellen Lebensbereich der Arbeit geschaffenen Gerichtsbarkeit fördern, möge die bremische Arbeitsrechtssammlung Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie ihren Verbänden und Kammern, Prozeßbevollmächtigten, Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit die Erfüllung ihrer schwierigen Aufgaben erleichtern. Bremen, im Juni 1967 Karl
Weßling
Senator für Arbeit der Freien Hansestadt Bremen
Vorwort M i t der aus dem besonderen Anlaß entstandenen Arbeit werden mehrere Ziele verfolgt: M i t dem geschichtlichen Rückblick soll das Verständnis für die eigenständige Entwicklung und für den besonderen Auftrag der Gerichte für Arbeitssachen geweckt und vertieft werden. I n diesem Rahmen w i r d des Wirkens bedeutender Richterpersönlichkeiten der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit auch innerhalb der Arbeitsgerichtsverbände und für die wissenschaftliche Entwicklung des Arbeitsrechts besonders gedacht. M i t der Bremischen Arbeitsrechtssammlung (BremARS) soll der Praxis in den Betrieben, Verbänden und Kammern sowie — nicht zuletzt — den Prozeßbevollmächtigten, den Berufs- und ehrenamtlichen Richtern der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit ein bescheidenes Nachschlagewerk an die Hand gegeben werden. Soweit i n den den Entscheidungen beigegebenen Hinweisen eine Rechtsauff assung zum Ausdruck kommt, stellt sie die persönliche Ansicht des Bearbeiters dar. I m übrigen w i r d auf die Vorbemerkungen III. zur BremARS verwiesen. Landesarbeitsgerichtsdirektor Menkens hat die ersten acht Kapitel des Ersten Teils vorbereitet. Archivrat Dr. Schwarz und Archivoberamtmann Peters, Staatsarchiv Bremen, haben die ersten drei Kapitel des Ersten Teils kritisch durchgesehen und gefördert. Arbeitsgerichtsassessor Dr. Großmann hat die Vorbemerkungen II. zur BremARS entworfen. Der Senator für das Bildungswesen der Freien Hansestadt Bremen und die Staatliche Kreditanstalt Oldenburg-Bremen haben die Drucklegung durch namhafte Zuschüsse ermöglicht. Ihnen allen gilt ebenso wie unseren fleißigen Helfern i n der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit auch an dieser Stelle unser besonderer Dank. Bremen, i m Juni 1967 Hans Trinkhaus
Heinz Menkens
Inhaltsverzeichnis Erster
Teil
Die geschichtliche Entwicklung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit
27
Einleitung 1. Das Arbeitsrecht als altes Recht
27
2. Die Arbeitsgerichtsbarkeit als besondere Gerichtsbarkeit
29
Erstes Kapitel Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen I. Zur Geschichte des bremischen Zunftwesens
33 33
1. Die Stellung der Zünfte in der Stadt
33
2. Die Verfassung der Zünfte
35
3. Das Verbot der Zünfte während der Franzosenzeit
35
4. Die Wiederherstellung der Rechte der Zünfte nach dem Abzug der Franzosen 36 5. Die endgültige Abschaffung der Privilegien der Zünfte im Jahre 1861 I I . Die Gerichte der Ämter und Sozietäten
37 39
1. Erste Anfänge einer Zunftgerichtsbarkeit
39
2. Organe der Zunftgerichtsbarkeit
39
3. Gerichtslokale
41
4. Einwirkung der „Neuen Eintracht" von 1534
41
5. Entscheidungsgrundlagen der Morgensprachengerichte
42
6. Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Zunftgerichte
45
7. Einschränkung der Zunftgerichtsbarkeit durch die Gerichtsordnung von 1751
45
8. Beschränkung der Zunftgerichtsbarkeit durch die Gerichtsordnungen von 1814 und 1820
46
nsverzeichnis
12
Zweites Kapitel Der Einfluß der französischen Gerichtsverfassung auf die Entwicklung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit I. Politische Umwälzungen in den Jahren 1806—1810 I I . Auflösung der Zünfte und Einführung der Gewerbefreiheit
48 48 48
I I I . Organisation und Aufgaben der französischen Fabrikengerichte
49
IV. Einfluß der Fabrikengerichte auf die spätere Entwicklung
51
Drittes Kapitel Die bremischen Gewerbe- und Handelsgerichte bis zum Inkrafttreten des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 I. Erste Bestrebungen nach einer unabhängigen Rechtspflege I I . Pläne für ein Gewerbe- und ein Handelsgericht I I I . Errichtung des Handelsgerichts Bremen im Jahre 1845 I V . Gewerbegerichte in Bremen in der Zeit von 1849 bis zum Inkrafttreten des Gewerbegerichtsgesetzes von 1890
52 52 52 54 55
1. Errichtung eines zentralen Gewerbegerichts im Jahre 1849
55
2. Auflösung des Gewerbegerichts im Jahre 1863
55
3. Neuschaffung eines Gewerbegerichts im Jahre 1878 a) Errichtung b) Zuständigkeit c) Besetzung d) Verfahren e) Besonderheiten f) Geschäftsgang g) Bedeutung
56 56 57 57 57 58 59 60
Viertes
Kapitel
Die Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 I. Neuregelung der Gewerbegerichtsbarkeit
61 61
1. Vorgeschichte des Gewerbegerichtsgesetzes
61
2. Inhalt des Gewerbegerichtsgesetzes
63
I I . Durchführung des Gewerbegerichtsgesetzes in Bremen
65
1. Allgemeines
65
2. Besonderheiten des Verfahrens a) Beschleunigungsgrundsatz b) Problematische Kostenvorschüsse
66 66 66
nsverzeichnis
13
3. Vorsitzende des Gewerbegerichts Bremen
68
4. Geschäftsgang beim Gewerbegericht Bremen
69
I I I . Weitere Gewerbegerichte
70
1. Allgemeines
70
2. Einzelheiten
71
a) b) c) d)
Gewerbegerichte Vegesack Gewerbegerichte Bremerhaven Gewerbegerichte Geestemünde und Lehe Geschäftsgang bei den Gewerbegerichten Bremerhaven, Geestemünde, Lehe und Wesermünde
I V . Außergerichtliches Wirken des Gewerbegerichts Bremen
71 72 73 73 76
1. Schlichtungsaufgaben (Einigungsamt) a) Allgemeines b) Einigungsamt Bremen
76 76 78
2. Begutachtende Tätigkeit
79
3. Berichtende und vorschlagende Tätigkeit 80 a) Antrag auf Errichtung eines öffentlichen Arbeitsnachweises in Bremen 80 b) Antrag auf Errichtung eines Reichseinigungsamtes 83
Fünftes Kapitel Die Durchführung des Kaufmannsgerichtsgesetzes von 1904 I. Neuregelung der Kaufmannsgerichtsbarkeit
85 85
1. Vorgeschichte des Kaufmannsgerichtsgesetzes
85
2. Inhalt des Kaufmannsgerichtsgesetzes
85
I I . Durchführung des Kaufmannsgerichtsgesetzes in Bremen
86
1. Kaufmannsgericht Bremen
86
2. Kaufmannsgerichte Bremerhaven, Geestemünde und Lehe
87
3. Geschäftsanfall der Kaufmannsgerichte im Vergleich zu den Gewerbegerichten
88
Sechstes Kapitel Das Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 und der Rechtszustand bis 1945 I. Neuregelung der Arbeitsgerichtsbarkeit
90 90
1. Vorgeschichte des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1926
90
2. Neuerungen des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1926 a) Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbehörden b) Aufbau der Arbeitsgerichtsbehörden
92 92 93
I I . Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1926 in Bremen
94
14
nsverzeichnis 1. Gerichte und Gerichtsbezirke
.
a) Gemeinschaftsvertrag mit Preußen
94 94
b) Bremische Regelungen
95
c) Arbeitnehmer der Deutschen Reichsbahn
96
2. Gerichtsverfassungsmäßige Regelung
96
3. Vorsitzende der bremischen Arbeitsgerichtsbehörden a) Arbeitsgericht Bremen b) Landesarbeitsgericht Bremen c) Arbeitsgerichte Blumenthal und Wesermünde
97 97 97 98
I I I . Eingriffe des nationalsozialistischen Regimes in die Arbeitsgerichtsbarkeit
98
I V . Geschäftsgang bei dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Bremen
99
1. Arbeitsgericht Bremen 2. Landesarbeitsgericht Bremen
99 100
Siebentes Kapitel Die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit von 1945 bis zur Gegenwart I. Rechtszustand im Jahre 1945
102 102
1. Vorübergehende Aufhebung der besonderen Arbeitsgerichtsbarkeit 102 2. Erste Maßnahmen zur Wiedererrichtung der Arbeitsgerichte I I . Durchführung des Kontrollratsgesetzes N r 21 1. Grundgedanken des Gesetzes
102 103 103
2. Errichtung der Arbeitsgerichte Bremen und Wesermünde sowie des Landesarbeitsgerichts Bremen 105 3. Vorsitzende und Beisitzer a) Befähigung und Rechtsstellung der Vorsitzenden b) Erste Vorsitzende c) Erste Beisitzer
106 106 107 107
4. Entwicklung bis zum Inkrafttreten des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 108 a) Geschäftsgang in den Jahren 1946 und 1947 108 b) Arbeitsgerichtsbarkeit und Landesarbeitsamt 109 c) Weiterer Ausbau ab 1948 110 I I I . Neuregelung der Arbeitsgerichtsbarkeit 1. Vorgeschichte des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 2. Besonderheiten des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 a) Rechtseinheit und Verfahren b) Befähigung und Rechtsstellung der Vorsitzenden c) Zulassung der Rechtsanwälte d) Ressortierung der Gerichte für Arbeitssachen
111 III 111 111 111 113 113
nsverzeichnis IV. Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 in Bremen
15 115
1. Bremische Regelung
115
2. Vorsitzende der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit
116
3. Geschäftsgang der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit
117
a) b) c) d)
Arbeitsgericht Bremen Arbeitsgericht Bremerhaven Landesarbeitsgericht Bremen Ergänzende Hinweise
117 118 118 119
Achtes Kapitel Die ehrenamtlichen Richter, insbesondere in der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit I. Bedeutung
122 122
I I . Rechtsstellung
124
I I I . Wahl und Berufung
125
1. Wahl
125
2. Berufung
126
I V . Vereidigung
127
V. Heranziehung zu den Sitzungen
128
1. I n der Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsbarkeit
128
2. I n der Arbeitsgerichtsbarkeit
129
V I . Entschädigung
131
1. I n der Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsbarkeit
131
2. I n der Arbeitsgerichtsbarkeit a) Bis 1945 b) Seit 1946
132 132 132
Neuntes Kapitel Die Arbeitsgerichtsverbände und Bremen I. Die Arbeitsgerichtsverbände im allgemeinen
135 135
1. Der Gewerbegerichts verband
135
2. Der Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsverband
136
3. Der Arbeitsgerichtsverband a) Der alte Verband b) Der neue Verband
136 136 137
I I . Das Wirken bremischer Arbeitsrichter in den Arbeitsgerichtsverbänden 138 1. Allgemeines
138
16
nsverzeichnis 2. A. Blendermann und H. Grote
138
3. Otto Steengrafe
139
4. Henri Schmincke
139
5. Hans Galperin
140
I I I . Die Verbandsversammlungen in Bremen 1. Allgemeines
142 142
2. Die Verbandsversammlung von 1924
143
3. Die Landestagung von 1930
144
4. Die Landestagung von 1958
146
5. Die Verbandsversammlung von 1963
146
Zehntes Kapitel Die Beiträge bremischer Arbeitsrichter zur Entwicklung des Arbeitsrechts I. Allgemeines
150 150
I I . Henri Schmincke 1. Der Kommentar zum ArbGG
151 151
2. Die Abhandlungen a) Arbeitsrechtliche Abhandlungen
151 152
b) Verfahrensrechtliche Abhandlungen I I I . Hans Galperin
153 153
1. Der Kommentar zum BetrVG
153
2. Die Abhandlungen
154
a) b) c) d) e) f)
Hechtsquellen des Arbeitsrechts Arbeitsverhältnisrecht Arbeitsschutzrecht Betriebsverfassungsrecht Tarif-, Koalitions- und Arbeitskampfrecht Arbeitsgerichtsbarkeit
I V . Andere Richter
154 154 155 155 156 156 156
Zweiter
Teil
Die Rechtsprechung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit
159
Vorbemerkungen
159
I. Die Rechtsprechung von 1898 bis 1945
159
1. Allgemeines
159
2. Gegenstände der Rechtsprechung
160
nsverzeichnis a) b) c) d)
17
Grundbegriffe des Arbeitsrechts Arbeits- und Treuepflicht des Arbeitnehmers Vergütungspflicht des Arbeitgebers Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
160 161 161 161
e) Beendigung des Arbeits- und Lehrverhältnisses f) Kollektives Arbeitsrecht
162 162
I I . Die Rechtsprechung von 1946 bis 1965
163
1. Allgemeines
163
2. Gegenstände der Rechtsprechung
165
a) b) c) d) e) f)
Rechtsquellen und Grundbegriffe des Arbeitsrechts Arbeits- und Treuepflicht des Arbeitnehmers Vergütungspflicht des Arbeitgebers Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Beendigung des Arbeitsverhältnisses Kollektives Arbeitsrecht
I I I . Zur bremischen Arbeitsrechtssammlung selbst
165 168 169 171 172 174 175
Bremische Arbeitsrechtssammlung (BremARS) Nr 1—600
177
Anhang
411
1. Gesetz über die Arbeitsgerichtsbarkeit vom 18. Dezember 1953
411
2. Verordnung über die Geschäftsstellen der Arbeitsgerichtsbarkeit vom 1. Dezember 1953 idF der V O vom 24. Juni 1958 411 3. Anordnung über die Bildung von Beratungsausschüssen für die E r nennung von Vorsitzenden der Arbeitsgerichte und von Berufsrichtern der Sozialgerichte im Lande Bremen vom 13. Oktober 1953 412 4. Anordnung über die Amtstracht in der Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit vom 1. M a i 1954 414 5. Anschriften der obersten Arbeitsbehörde des Landes Bremen und der bremischen Gerichte für Arbeitssachen 415 Verzeichnis der berücksichtigten Entscheidungen
416
Schrifttumsverzeichnis
429
Stichwortverzeichnis zur Arbeitsrechtssammlung
436
Abkürzungsverzeichnis aaO
= am angegebenen Ort
ABl
= Arbeitsblatt für die britische Zone
ablehn
= ablehnend
Abs
= Absatz
Abschn
= Abschnitt
ADO
= Allgemeine Dienstordnung
aF
= alte Fassung
AfP
= Archiv für Presserecht
AG
= Amtsgericht, auch Aktiengesellschaft
AktG
= Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. 1. 1937 (RGBl I S 107), aufgehoben durch § 29 Abs 1 des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz vom 6. 9. 1965 (BGBl I S 1185)
allgem
= allgemein
aM
= anderer Meinung
AngKSchG
= Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. 7. 1926 (RGBl I S 399)
Anh
= Anhang
Anm
= Anmerkung
AnwBl
= Anwaltsblatt
AO
= Anordnung
AP
= Arbeitsrechtliche Praxis, Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, der Landesarbeitsgerichte und Arbeitsgerichte, seit 1954 Nachschlagewerk des B A G (Loseblattausgabe)
ArbG
= Arbeitsgericht, auch „Das Arbeitsgericht" (Zeitschrift), mit Jahr und Spalte
ArbGeb
= Der Arbeitgeber (Zeitschrift)
ArbGG 1926
= Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. 12. 1926 (RGBl I S 507)
ArbGG 1953
= Arbeitsgerichtsgesetz vom 3. 9. 1953 (BGBl I S 1267)
ArbKrankhG
= Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. 6. 1957 (BGBl I S 649) idF vom 12. 7. 1961 (BGBl I S 913)
AR-Blattei
= Arbeitsrechts-Blattei (Loseblattsammlung)
Abkürzungsverzeichnis
19
ArbNErfG
= Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vom 25. 7. 1957 (BGBl I S 756)
ArbPlatzSchutzG
= Arbeitsplatzschutzgesetz vom 30. 3. 1957 (BGBl I S 293) idF vom 21. 4. 1961 (BGBl I S 457) und vom 22. 3. 1962 (BGBl I S 169)
ArbPlatzwechselVO
= Arbeitsplatzwechsel-Verordnung vom 1. 9. 1939 (RGBl I S 1685)
ArbR
= Arbeitsrecht (Zeitschrift)
ArbrEntsch
= Arbeitsrechtliche Entscheidungen, Beilage zum Arbeitsblatt für die britische Zone
ArbRspr
Die Rechtsprechung in Arbeitssachen, ab Juni 1932: Arbeitsrechtsprechung (Zeitschrift)
ARS
Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte (Arbeitsrechts-Sammlung)
ARSt
Arbeitsrecht in Stichworten
Art
Artikel
ATO
Allgemeine Tarifordnung für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst vom 1. 4. 1938 (RAB1 V I S 471)
Aufl
Auflage
AuR
Arbeit und Recht (Zeitschrift)
ausführl
ausführlich Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. 7. 1927 (RGBl I S 187) (aF) und vom 3. 4. 1957 (BGBl I S 321) (nF) (mehrfach geändert)
AVAVG
AVG
Angestelltenversicherungsgesetz idF vom 28. 5. 1924 (RGBl I S 563) (aF) und vom 23. 2. 1957 (BGBl I S 88) (mehrfach geändert)
AZO
Arbeitszeitordnung vom 30. 4. 1938 (RGBl I S 447)
BAB1
Bundesarbeitsblatt
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAnz
Bundesanzeiger
BAT
Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. 2. 1961
BAVAV
Bundesanstalt für losenversicherung
BB
Der Betriebsberater (Zeitschrift)
Bd
Band
BefreiG der Mil-Reg
Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und M i litarismus vom 9. 5. 1947 (BremGBl S 67)
Arbeitsvermittlung
Beil
Beilage
Berufskrankheiten-VO
Berufskrankheiten-Verordnung (BGBl I S 505)
BeschwReg
Beschwerde-Register
betr
betreffend, betreffs
2*
und Arbeits-
idF vom 28. 4. 1961
20
Abkürzungserzeichnis
BetrRG
Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 (RGBl S 147)
BetrVerf
Die Betriebsverfassung (Zeitschrift)
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz vom 11. 10. 1952 (BGBl I S 681)
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (RGBl S 195)
BGBl
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHSt
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BinnSchiffG
Gesetz betr die privatrechtlichen Verhältnisse in der Binnenschiffahrt vom 15. 6. 1895 (RGBl S 301) (mehrfach geändert)
biz
bizonal
biz Lohnstopauf hG
bizonales Lohnstopaufhebungsgesetz
BlfStR
Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Zeitschrift)
BremARS
Bremische Arbeitsrechtssammlung
BremAusfG
Bremisches Ausführungsgesetz
BremAusfVO
Bremische Ausführungsverordnung
BremBetrG
Bremisches Betriebsrätegesetz vom 10. 1. 1949 (BremGBl S 7)
BremGBl
Bremisches Gesetzblatt
BremGes
Bremisches Gesetz
BremGewGG 1877
Gesetz betr die Einsetzung eines Gewerbegerichts vom 30. 9. 1877 (BremGBl S 83)
BremJAO
Bremische Justizausbildungsordnung vom 14. 3. 1967 (BremGBl S 271)
BremHATG
Bremisches Hausarbeitstagsgesetz vom 29. 6. 1948 (BremGBl S 95)
BremLandesverf
Bremische Landesverfassung vom 21. 10.1947 (BremGBl S 251)
BremPersVG
Bremisches Personalvertretungsgesetz vom 3. 12. 1957 (BremGBl S 161)
BremRiG
Bremisches Richtergesetz vom 15. 12. 1964 (BremGBl I S 187)
BremSchulVerwG
Schulverwaltungsgesetz für die Freie Hansestadt Bremen vom 31. 1. 1950 (BremGBl S 21)
BremUrkB
Bremisches Urkundenbuch, Bd I, herausgegeben von Ehmck und v. Bippen, Bd V I , herausgegeben von Entholt
BremUrlG
Bremisches Urlaubsgesetz vom 4. 5. 1948 (BremGBl S 67) idF vom 25. 4. 1949 (BremGBl S 71)
BremVO
Bremische Verordnung
BSG
Bundessozialgericht
Abkürzungsverzeichnis
21
Entscheidungen des Bundessozialgerichts Buchstabe Bundesurlaubsgesetz vom 8. 1. 1963 (BGBl I S 2) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz vom 12. 3. 1951 (BGBl I S 243) idF vom 21. 7. 1956 (BGBl I S 662) und vom 26. 6. 1959 (BGBl I S 297) Bundesverwaltungsgericht Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge vom 19. 5. 1953 (BGBl I S 201) idF vom 14. 8. 1957 (BGBl I S 1215) Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Der Betrieb (Zeitschrift) dergleichen Deutscher Gewerkschaftsbund s GewArch (Deutsches Gewerbearchiv) das heißt Dissertation Deutsches Richtergesetz vom 8. 9. 1961 (BGBl I S 1665) Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechts-Zeitschrift, ab 1951: Juristenzeitung Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Durchführungsverordnung zur Verordnung über die Behandlung von Erfindungen von Gefolgschaftsmitgliedern vom 20. 3. 1943 (RGBl I S 257) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (RGBl S 604) (mehrfach geändert) Entscheidung et cetera Entscheidungen und Mitteilungen des Reichsversicherungsamtes eingetragener Verein Evangelisch-Lutherisch Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen vom 2. 8. 1951 (BGBl I S 479) Fußnote Freizeitanordnung vom 22. 10. 1943 (RAB1 I S 508 = BGBl I I I 8050—9) Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. 2. 1924 (RGBl I S 100) idF vom 20. 8. 1953 (RGBl I S 967) Gerichtsordnung der Stadt Bremen vom 15. 7. 1814
Abkürzungserzeichnis Gesetz über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb) vom 3. 8. 1950 (BGBl S 352) Gewerbearchiv für das Deutsche Reich (1902—1935; dann: DGewArch) Gewerbegericht, auch „Das Gewerbegericht" (Zeitschrift) mit Jahren und Spalte, später GewuKfmG und ArbG Gewerbegerichtsgesetz vom 29. 7. 1890 (RGBl S 141) Gewerbeordnung idF vom 26. 7. 1900 (RGBl S 871) Gewerbe- und Kaufmannsgericht, auch „Das Gewerbeund Kaufmannsgericht" (Zeitschrift) mit Jahren und Spalte, später ArbG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 (BGBl S 1) (mehrfach geändert) gegebenenfalls Gerichtskostengesetz vom 18. 6. 1878 (RGBl S 141) idF der Bekanntmachung vom 26. 7. 1957 (BGBl I S 941) (vielfach geändert) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzsammlung für die Kgl Preußischen Staaten (ab 1907: Preußische Gesetzsammlung) Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. 1. 1877 (RGBl S 41) (mehrfach geändert) Reichshaftpflichtgesetz vom 7. 6. 1871 (RGBl S 207) Heimarbeitsgesetz vom 14. 3. 1951 (BGBl I S 191) Gesetz zur Ordnung des Handwerks vom 17. 9. 1953 (BGBl I S 1411) Hanseatische Gerichtszeitung Hanseatische Gerichtszeitung, Beiblatt Arbeitsrecht Hanseatisches Oberlandesgericht Hausarbeitstagsgesetz Verordnung zur Abänderung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete des Arbeitsrechts vom 1. 9. 1939 (RGBl I S 1683) herrschend Handelsgesetzbuch vom 10. 5. 1897 (RGBl S 219) (mehrfach geändert) Gesetz zur Änderung des H G B vom 6. 8.1953 (BGBl I S 771) Handelsgerichtsordnung der Freien Hansestadt Bremen vom 16. 6. 1845 in der Fassung im Sinne
Abkürzungsverzeichnis
23
JAR
= Jahrbuch des Arbeitsrechts, herausgegeben von Hoeniger-Schultz-Wehrle
JArbSchG
= Jugendarbeitsschutzgesetz vom 9. 8. 1960 (BGBl I S 665) idF vom 20. 7.1962 (BGBl I S 449) und vom 15.1. 1965 (BGBl I S 11)
JZ
= Juristenzeitung
JW
= Juristische Wochenschrift
Kap
= Kapitel
kaufm
= kaufmännisch
KfmG
= Kaufmannsgericht
KfmGG
= Kaufmannsgerichtsgesetz vom 6. 7. 1904 (RGBl S 266)
KO
= Konkursordnung vom 10. 2.1877 (RGBl S 251) idF vom 20. 5. 1898 (RGBl S 369, 612)
KRG
= Kontrollratsgesetz
Kriegswirtschafts-VO
= Kriegswirtschaftsverordnung S 1609)
krit
= kritisch
KrT
= Tarifordnung für Angestellte in Kranken- usw Anstalten
KSchG
= Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8.1951 (BGBl I S 499)
vom
4.9.1939
(RGBl I
LAG
=
LG
= Landgericht
Landesarbeitsgericht
LM
= Nachschlagewerk des BGH, Lindenmaier-Möhring (Loseblattausgabe)
LohnpfändungsG
= Gesetz zur Änderung von Vorschriften über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen vom 24. 4. 1952 (BGBl I S 247)
Lohnpfändungs-VO 1919
= Lohnpfändungs-Verordnung holt geändert)
Lohnpfändungs-VO 1940
= Lohnpfändungs-Verordnung vom 30.10.1940 (RGBl I S 1451)
vom 15. 6.1919 (wieder-
LohnstopaufhG
= Lohnstopaufhebungsgesetz vom 2. 8. 1950 (BGBl S 352)
LS
= Leitsatz
LTV
= Lohntarifvertrag
LuftschutzG
= Luftschutzgesetz
LVA
=
MDR
= Monatsschrift für Deutsches Recht
Landesversicherungsanstalt
Mil-Reg
= Militärregierung
MittArbGV
= Mitteilungen des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes eV
M R Bhv
= Magistratsregistratur Bremerhaven (mit Aktenzeichen)
MTV
= Manteltarifvertrag
MuSchG
= Mutterschutzgesetz vom 24.1.1952 (BGBl I S 69)
24
Abkürzungserzeichnis
mwN
= mit weiteren Nachweisen
NDBZ
= Neue Deutsche Beamtenzeitung
nF
= neue Fassung
NiedersächsJugArbSchutzG
= Niedersächsisches Arbeitsschutzgesetz für Jugendliche vom 9.12.1948 (GVB1 S 179)
NiedersächsUrlG
= Niedersächsisches Urlaubsgesetz vom 10. 12. 1948 (GVB1 S 179)
NJW
= Neue Juristische Wochenschrift
Nr
= Nummer
NZfA
= Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
oa
= oben angegeben
oä
= oder ähnlich
OLG
=
Oberlandesgericht
OPD
=
Oberpostdirektion
OVG
=
Oberverwaltungsgericht
PatG
= Patentgesetz idF vom 9. 5.1960 (BGBl I S 550)
PersVG
= Personalvertretungsgesetz des Bundes vom 5. 8.1955 (BGBl I S 477)
PersVertr
= Die Personalvertretung (Zeitschrift)
RAB1
= Reichsarbeitsblatt
RAG
= Reichsarbeitsgericht
RdA
= Recht der Arbeit (Zeitschrift)
Rdz
= Randziffer
Rechtsbl GDA
= Rechtsblatt der Gewerkschaft der Angestellten
RegelungsG RegG
= Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 GG fallenden Personen idF vom 11. 9.1957 (BGBl I S 1297)
RG
= Reichsgericht
RGBl
= Reichsgesetzblatt
RGR-Komm z BGB
= Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch von Reichsgerichtsräten
RGR-Komm z HGB
= Kommentar richtsräten
RL1959
= Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20. 7.1959
RT-Drucks
= Reichstagsdrucksache
zum Handelsgesetzbuch
RTO
=
Reichstarifordnung
RTV
=
Rahmentarifvertrag
von
R T V Bau
= Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe
RVA
=
Reichsversicherungsamt
RVO
=
Reichsversicherungsordnung
S
= Seite
Reichsge-
25
Abkürzungs Verzeichnis SAE
= Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen, mit N r
SchlWes
= Das Schlichtungswesen, Monatsschrift für Schlichtung und Arbeitsrecht
SchwBeschG 1923
= Schwerbeschädigtengesetz idF der vom 12.1.1923 (RGBl I S 57)
SchwBeschG 1953
= Schwerbeschädigtengesetz vom 16. 6. 1953 (BGBl I S 389) idF der Bekanntmachung vom 14. 8.1961 (BGBl I S 1233)
SeemG
= Seemannsgesetz vom 26. 7.1957 (BGBl I I S 713)
Bekanntmachung
Sgb
= Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift)
SJZ
= Süddeutsche Juristenzeitung, ab 1951: JZ
sog
= sogenannt
sonst Erl
= sonstige Erledigung, insbesondere durch Klagerücknahme und Klageverzicht
SozPrax
= Blätter für soziale Praxis, ab 1895: Soziale Praxis (Zeitschrift)
SRB
= Senatsregistratur Bremen (mit Aktenzeichen)
StAB
= Staatsarchiv Bremen (mit Signatur)
StGB
= Strafgesetzbuch vom 15. 5. 1871 idF vom 25. 8. 1953 (BGBl I S 1083) (mehrfach geändert)
Streit Urt
= Streitiges Urteil
Tbc
= Tuberculose
techn
= technisch
TO
=
TOA
= Tarifordnung A für Angestellte im öffentlichen Dienst vom 1.4.1938 (RAB1 V I S 475) idF vom 1.11.1943 ( R A B 1 I V S 838)
TOB
= Tarifordnung B für Arbeiter im öffentlichen Dienst vom 1.4.1938 (RAB1 V I S 489) idF vom 15.4.1942 ( R A B 1 I V S 615)
TV
=
TV AL
= Tarifvertrag für die bei Dienststellen usw der Alliierten Behörden und der Alliierten Streitkräfte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten A r beitnehmer vom 28.1.1955
T V Arb
= Tarifvertrag für Arbeiter
TVG
= Tarifvertragsgesetz vom 9. 4.1949 (WiGBl S 55)
TVO
= Tarifvertragsverordnung S 1456)
Tarifordnung
Tarifvertrag
TZ
=
ua
= unter anderem
überwieg
= überwiegend
ungedr
= ungedruckt
UrlaubsG
= Urlaubsgesetz
Textziffer
vom
23. 12. 1918
(RGBl
26
Abkürzungserzeichnis
uU
= unter Umständen
VergGr
= Vergütungsgruppe
VersR
= Versicherungsrecht (Zeitschrift)
VGH
= Verwaltungsgerichtshof (jetzt Oberverwaltungsgericht)
vgl
= vergleiche
VO
= Verordnung
Vorbem
= Vorbemerkung
VorlLandarbO
= Vorläufige Landarbeitsordnung vom 24.1.1919 (RGBl S 111)
VVG
= Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. 5. 1908 (RGBl S 263) (mehrfach geändert)
WA
= Westdeutsche Arbeitsrechtsprechung (Zeitschrift) mit Jahr und N r
WahlO
= Wohlordnung
wesentl
= wesentlich
WiGBl
= Gesetzblatt der Verwaltung schaftsgebietes
des Vereinigten
Wirt-
WO
= Wahlordnung
WuA
= Wirtschaft und Arbeit (Zeitschrift der Arbeiterkammer Bremen)
WWI
= Wirtschafts-wissenschaftliches Institut
WzS
= Wege zur Sozialversicherung (Zeitschrift)
z
= zu, zum, zur
zB
= zum Beispiel
ZBR
= Zeitschrift für Beamtenrecht
ZfV
= Zeitschrift für Versicherungswesen
ZHR
= Zeitschrift für das gesamte Handels-und Konkursrecht
ZPO
= Zivilprozeßordnung vom 30.1.1877 (RGBl S 87) idF vom 12. 9. 1950 (BGBl S 533) (mehrfach geändert)
ZSR
= Zeitschrift für Sozialreform
zT
= zum Teil
zustimm
= zustimmend
Erster
Teil
Die geschichtliche Entwicklung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit Einleitung 1. Das Arbeitsrecht
als altes Recht
Die G e s c h i c h t e d e s A r b e i t s r e c h t s als des „Sonderrechts der — unselbständigen — Arbeitnehmer" 1 ist sehr viel älter, als vielfach angenommen wird. Sie beginnt nicht erst i m 19. Jahrhundert 2 , sondern kann bis ins M i t t e l a l t e r zurückverfolgt werden. Wie die von Wilhelm Ebel herausgegebenen „Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts (bis 1849)"3 beweisen, kann m i t dem sog Iglauer Bergrecht von 13004, m i t der Urkunde über Streik und Aussperrung der Breslauer Gürtlergesellen vom 4. November 13295 und m i t der Lohnvereinbarung m i t den Webergesellen zu Speyer vom 31. Oktober 13516 sehr wohl schon von einem Arbeitsrecht gesprochen werden, zumal bereits damals verhältnismäßig große Gruppen von „Arbeitnehmern" i m heutigen Sinne zu verzeichnen waren 7 . Auch für B r e m e n gibt es wesentlich ältere arbeitsrechtliche Quellen als die von Ebel unter Nr. 88 aufgeführte obrigkeitliche Verordnung „ i n Betreff der Cigarrenfabriken" (und Cigarrenarbeiter) vom 14. A p r i l 18428. Schon das älteste — aufgezeichnete — bremische S t a d t r e c h t v o n 1303/1308 enthielt unter den 126 A r t i k e l n des Abschnitts I V : „ H i r 1
Hueck-Nipperdey, 7. Aufl, Bd I S 3—6.
* So aber Hueck-Nipperdey,
aaO, S 7; dagegen richtig Schnorr von Carols-
feld, 2. Aufl, S 39—45; derselbe RdA 1966, 274. — Die zu Beginn des Umbruches veröffentlichten bedeutsamen Abhandlungen von Mayer-Maly, Römische Grundlagen des modernen Arbeitsrechts, RdA 1967, 281—286, und namentlich von Ogris, Geschichte des Arbeitsrechts vom Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert, RdA 1967, 286—297, konnten leider nicht mehr berücksichtigt werden. 3
Göttingen-Berlin-Frankfurt a.M. 1964 = Ebel II. Ebel I I Nr 1. 5 Ebel I I Nr 2. • Ebel I I Nr 3. 4
7
Vgl die Zahlenangaben bei Ebel I I , S 10 F N 4. Sammlung der Verordnungen und Proclame des Senats der freien Hansestadt Bremen 1842 S 10. 8
28
1. Teil
beghinnet dhe menen ordele" (Die gemeinen Urteile) solche a r b e i t s r e c h t l i c h e n I n h a l t s . So betraf das Ordel IV, 45 eine — an § 124 b GewO anklingende — Regelung der Folgen des A r b e i t s v e r t r a g s bruchs9: „So wor en kriecht utte sines herren dheneste geyt er tyden weder sines herren willen, dhe scal sinem herren also vele gheven, alse eme sine herre scolde gheven; ghev em oc sin herre orlof er tyden, he scolde eme sin Ion albedille gheven" (Wenn ein Knecht oder eine Magd wider ihres Herrn Willen vor der Zeit aus seinen Diensten geht, dann sollen sie dem Herrn soviel geben, wie ihnen der Herr hätte geben müssen. Entläßt sie ihr Herr vorzeitig, soll er ihnen den vollen Lohn geben.) Das Ordel IV, 87 beinhaltet wiederum die auch heute noch aktuelle Regelung über L o h n f o r t z a h l u n g i m Krankheitsfalle 10: „Is en man in enes mannes dheneste, unde scut eme wat van unghelucke an sineme live ofte an siner sunt in sines herren dheneste, dhe herre scal is bliven ane scadhen unde ane scult. Mer he scal eme gheven sin vul Ion" (Steht jemand i n den Diensten eines anderen und nimmt er i m Dienst Schaden an Leib und Gesundheit, so soll der Herr ohne Schaden und Schuld bleiben, jenem aber seinen vollen Lohn geben.) Schließlich enthielt das Ordel IV, 85 eine bedeutsame Bestimmung über f r i s t l o s e K ü n d i g u n g b e i H e i r a t 1 1 : „So welc kape wif nimt, ofte welc maghet man nimt, dhe mach wol ute sines herren dheneste gan, unde beholt also vele also he uppe tit verdhenet hadde; unde hevet he oc tho vele upghenomen, dhat scal he wetherkeren." (Wenn ein Herr oder eine Magd sich verheiratet, so dürfen sie aus ihres Herrn Dienst gehen; sie behalten soviel Lohn, als sie bis zu dieser Zeit verdient haben. Was einer zuviel empfangen hat, soll er aber zurückgeben.) Es muß Spezialuntersuchungen vorbehalten bleiben, ob diese und andere Bestimmungen damals nur für das G e s i n d e i m engeren Sinne oder auch für die Angehörigen des Handwerks, soweit sie erst später zur Zunftbildung kamen, und für sonstige Arbeitnehmer gegolten haben und 9 Eckhardt S 85. Der Stelle entspricht das Statut 79 des bremischen Stadtrechts von 1433. Sie ist, soweit ersichtlich, bremischer Herkunft. 10 Eckhardt S 98. Die Stelle kehrt im Statut 76 des bremischen Stadtrechts von 1433 wieder; sie ist aus dem hamburgischen Stadtrecht von 1270 Art V I I I , 5 entlehnt. 11 Eckhardt, S 97. Der Stelle entspricht das Statut 78 des bremischen Stadtrechts von 1433; sie ist — in Anlehnung an Art I I , 33 des Sachsenspiegels — Art V I I I , 3 des hamburgischen Stadtrechts von 1270 entlehnt.
Einleitung
20
ob arbeitsrechtliche Streitsachen aus dem Stadtrecht vor dem ordentlichen G e r i c h t d e s e r z b i s c h ö f l i c h e n S t a d t v o g t s , später des Rates der Stadt, verhandelt und entschieden worden sind 1 2 . Gegebenenfalls würde neben der Zunftgerichtsbarkeit von einer A r t G e s i n d e g e r i c h t s b a r k e i t gesprochen werden können 1 3 . Solange die Anfänge des mittelalterlichen Arbeitsrechts Bremens noch so sehr i m Dunkel liegen 1 4 , mußte die vorliegende Arbeit jedoch an das i n den bremischen Zünften ausgebildete h a n d w e r k l i c h e Arbeitsr e c h t anknüpfen, zumal die ältesten nachweisbaren Spuren einer A r beitsgerichtsbarkeit ohne Frage i n der damit sachlich zusammenhängenden Z u n f t g e r i c h t s b a r k e i t zu finden sind. Das gilt auch dann, wenn angenommen werden muß, daß das moderne Arbeitsrecht m i t seinen typischen Schutznormen „nicht aus dem Kernbereich des klassischen Handwerks erwachsen" ist, sondern seine Ausbildung erst der Entstehung zunftfreier Großbetriebe (Fabriken) verdankt 1 5 . 2. Die Arbeitsgerichtsbarkeit
als besondere Gerichtsbarkeit
Die als Vorläufer der Arbeitsgerichtsbarkeit geltende E i g e n g e richtsbarkeit der m i t t e l a l t e r l i c h e n Z ü n f t e trug, auch wenn sie rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtspflege noch nicht entsprach, insofern gewisse Züge einer besonderen Gerichtsbarkeit in Arbeitssachen, als hier S t r e i t i g k e i t e n a u s d e m L e b e n s b e r e i c h d e r A r b e i t i n einem berufsnahen, schleunigen Verfahren von Berufsgenossen geschlichtet und entschieden wurden 1 6 . Selbst die G e s e l l e n v e r b ä n d e haben seit Beginn des 15. Jahrhunderts zeitweise nicht nur i n Streitigkeiten zwischen Gesellen untereinander, sondern zT auch i n Streitfällen zwischen Meistern und Gesellen eine gewisse Gerichtsbarkeit für sich i n Anspruch genommen 17 , wenn auch für 12
Darauf könnte ua die Bestimmung des Ordels I V , 84 über Lohn- und Mietgeldklagen ( Eckhardt , S 97) hindeuten, wonach ein auf Lohn verklagter Dienstherr mit seinem Eide die Bezahlung beweisen (mit seinem „rechte dhar vore stan") muß. Das würde allerdings voraussetzen, daß ein solcher Parteieid nur vor dem ordentlichen Gericht abgenommen werden konnte. 18 Ebel I, S 56—58 berichtet auch über das Schiffsgericht der älteren Seerechte („Gerichtsbarkeit der Schiffsgemeinde"), das jedoch seit dem 14. Jahrhundert in allen Rechten verschwunden ist. I m Bremen bestand außer den Zunftgerichten der Morgensprachen als kleineres Sondergericht ua noch das Seegericht, das als reines, zu vereinbarendes Schiedsgericht nur untergeordnete Bedeutung hatte (Hiemsch, S 45; Deneken , Kurze Übersicht der bremischen Gerichtsverfassung, in: Hanseatisches Magazin, 4. Bd, Bremen 1800, S 299—300). Das Seegericht war als einziges bremisches Gericht nicht nur mit (zwei) Mitgliedern des Rates der Stadt, sondern auch mit zwei Vertretern der Bürgerschaft und mit zwei Mitgliedern der Schiffergilde besetzt. 14 Es liegt noch nicht einmal eine geschlossene Geschichte des deutschen Arbeitsrechts vor. 15 So Ebel I I , S 13—14; ähnlich Hueck-Nipperdey, 7. Aufl, Bd I S 7. 18
17
Bahlcke , S 1—2; Hueck-Nipperdey, 1./2. Aufl, Bd I I S 601; Joachim, S 8. Bahlcke, S 6; Hueck-Nipperdey, aaO. .
30
1. Teil
Bremen urkundliche Beweise für eine Gesellenrechtsprechung fehlen. Einen letzten Überrest der Zunftgerichtsbarkeit finden w i r heute i n dem I n n u n g s a u s s c h u ß f ü r L e h r l i n g s s t r e i t i g k e i t e n nach § 111 Abs 2 ArbGG 1953. Ebenso wie sich das neuzeitliche, auf den Schutz des Arbeitnehmers ausgerichtete Arbeitsrecht erst unter den Lohnarbeitsverhältnissen i n Großbetrieben entwickelt hat, ist die unmittelbare Wurzel einer Arbeitsgerichtsbarkeit i m modernen Sinne i n den nach dem französischen Vorbild der conseils de prud'hommes gebildeten F a b r i k e n g e r i c h t e n zu sehen 18 . Denn diese Gerichte wiesen erstmalig die hauptsächlichsten Vorzüge der besonderen Gerichtsbarkeit auf: S c h n e l l i g k e i t und B i l l i g k e i t des Verfahrens unter p a r i t ä tischer Mitwirkung sachverständiger, sozialer V e r t r a u e n s p e r s o n e n aus dem Kreise der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Eine Arbeitsgerichtsbarkeit i n diesem neuzeitlichen Sinne existiert i n Bremen nach dem BremGewGG 1877 seit dem 1. Januar 187819. Insofern ist die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit nunmehr fast 90 Jahre alt. I n der Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist das Wesen der Arbeitsgerichtsbarkeit immer deutlicher und markanter ausgeprägt worden. Es trat der die Gerichtsbarkeit beherrschende O r d n u n g s g r u n d s a t z i n zunehmendem Maße hervor. Die Gerichte für Arbeitssachen haben trotz Beschränkung der Rechtskraft auf die Parteien des Rechtsstreits nicht nur den jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Sie haben, nicht nur i m Bereich des kollektiven Arbeitsrechts (Betriebsverfassungsrecht, Tarifvertragsrecht) oder i n besonders geregelten Fällen (§ 1 Abs 3 KSchG: Soziale Auswahl bei der betriebsbedingten Kündigung), auf die betrieblichen und tariflichen Verhältnisse, die Gegebenheiten des Arbeitslebens und die Auswirkungen auf die Sozialordnung Bedacht zu nehmen. „In der Abgrenzung kollektivrechtlicher und individualrechtlicher Ansprüche und in der Verzahnung des Rechts der einzelnen Arbeitsverhältnisse mit den teils öffentlich-rechtlichen, teils privatrechtlichen Arbeitsschutzvorschriften liegt eine der wesentlichsten Ordnungsaufgaben der Arbeitsgerichtsbarkeit" 20. Überhaupt haben die Gerichte für Arbeitssachen „bei ihren Entscheidungen zu einem großen Teil den sozialen Frieden zu sichern, der für das Leben in der Gemeinschaft, das Leben im Staat von so ausschlaggebender Bedeutung ist" 21. Weil dem so ist, entfalten die E n t s c h e i d u n g e n nicht nur des Bundesarbeitsgerichts, sondern 18
Joachim, aaO; siehe 2. Kap. unter I I I . und I V . Dazu vgl 3. Kap. unter IV. 3. 20 So Galperin, BetrVerf 1957, 84; ähnlich derselbe, ZSR 1957, 134. 21 So Bundesjustizminister Neumayer bei der Eröffnung des BAG, M i t t ArbGV 1954 N r 10 S 2 = BAB1 1954, Sonderbeilage. 19
Einleitung auch der Arbeitsgerichte und besonders der Landesarbeitsgerichte oft über den Einzelfall hinaus eine erhebliche R i c h t l i n i e n w i r k u n g auf alle gleichartigen Arbeitsverhältnisse und Fallgruppen. Das gilt besonders i m Lande Bremen, wo i n der Regel die Entscheidungen einer der beiden Kammern des Landesarbeitsgerichts zu einer rechtsgrundsätzlichen Frage von den Sozialpartnern, auch von Bundesbehörden wie der Oberpostdirektion Bremen, respektiert wird. Das ist nicht zuletzt auf das V e r t r a u e n zurückzuführen, dessen sich die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit bei der rechtsuchenden Bevölkerung und ihren Verbänden erfreut. Dieses Zutrauen beruht aber wiederum zu einem wesentlichen Teil auf der gleichberechtigten M i t w i r k u n g d e r e h r e n a m t l i c h e n R i c h t e r , die m i t ihrer besonderen Sachkunde den Vorsitzenden des Arbeitsgerichts oder des Landesarbeitsgerichts wertvoll unterstützen und zu einer lebensnahen Rechtsfindung beitragen 22 . Der seit dem ArbGG 1926 durch die Bildung von Ausschüssen der Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter m i t Anhörungsrechten vor der Bildung von Kammern und vor der Geschäftsverteilung (§§ 29, 38 ArbGG 1953) und durch die Beteiligung der Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern an organisatorischen und personellen Maßnahmen 23 i n der Gerichtsbarkeit verwirklichte S e l b s t v e r w a l t u n g s g e d a n k e hat dazu beigetragen, das Vertrauen i n die A r beitsgerichtsbarkeit noch zu vertiefen. Bei einer so weitgehenden M i t w i r kung der betroffenen und beteiligten Kreise am Aufbau und am Verfahren der Gerichte für Arbeitssachen bestand — i m Gegensatz zu dem i n der ordentlichen Gerichtsbarkeit geltenden Verfahren nach den §§ 1024 bis 1048 ZPO — für eine weitgehende Zulassung des schiedsgerichtlichen Verfahrens kein Bedürfnis (§ 101 Abs 2). Besonders kennzeichnend für die Arbeitsgerichtsbarkeit und die in ihr verkörperte Selbstgerechtsame ist darüber hinaus das förderliche, zweckmäßige Zusammenwirken aller am Arbeitsrecht und seiner besonderen Gerichtsbarkeit ernsthaft interessierten Kreise, namentlich der Arbeitsrechtswissenschaft, der obersten Arbeitsbehörden des Bundes und der Länder, der Verbände der Sozialpartner und der Arbeitsrechtsprechung (Berufs- und ehrenamtliche Richter) i m D e u t s c h e n A r b e i t s g e r i c h t s v e r b a n d eV, welcher dem laufenden Erfahrungs- und Gedankenaustausch sowie der Förderung von Wissenschaft und Praxis des Arbeitsrechts dient 2 4 . 22
Siehe 8. Kap. unter I. und I I . Anhörung vor der Errichtung von Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten (§§ 14, 33), vor der Bildung von Kammern (§§ 17, 35) und vor der Bestellung von Vorsitzenden der Landesarbeitsgerichte (§ 36 Abs 1), M i t w i r kung in dem Beratungsausschuß für die Ernennung von Vorsitzenden der Arbeitsgerichte (§18 Abs 1 und 2) sowie maßgebliches Vorschlagsrecht für die Berufung von Arbeitsrichtern, Landesarbeitsrichtern und Bundesarbeitsrichtern (§§ 20, 25 Abs 2, 37 Abs 2, 43 Abs 2 ArbGG 1953). 24 Der bedeutsamen Verbandsarbeit ist daher das 9. Kap. gewidmet. 28
32
1. Teil
Die u n t r e n n b a r e Einheit von Arbeitsleben, Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit erklärt sich schließlich auch daraus, daß sich das — nur teilweise kodifizierte — A r beitsrecht i n ständiger Fortentwicklung befindet und laufender Anpassung an die veränderten Gegebenheiten des Arbeitslebens bedarf. I n der Geschichte des Arbeitsrechts war das überaus notwendige Zusammenwirken von Theorie und Praxis denn auch geradezu vorbildlich 2 5 . Dabei hat die Arbeitsrechtsprechung von Anfang an gerade zur wissenschaftlichen Grundlegung und Entwicklung des Arbeitsrechts besonders viel beigetragen 26 . Ist es doch nun einmal „die große Aufgabe der Arbeitsgerichtsbarkeit, das Arbeitsrecht durch Verwirklichung und Fortentwicklung der Gesetze mit zu gestalten" 27. Wenn die beste Rechtsprechung schon immer eine wissenschaftlich fundierte Rechtsprechung gewesen ist 2 8 , so gilt das mit besonderer Berechtigung für die Arbeitsrechtsprechung. Auch bremische B e r u f s r i c h t e r der Arbeitsger i c h t s b a r k e i t haben zum w i s s e n s c h a f t l i c h e n S c h r i f t t u m d e s A r b e i t s r e c h t s stets wesentlich beigetragen 29 . Henri Schmincke und Hans Galperin waren nicht nur auf diesem Gebiet beispielgebend. Sie haben letzten Endes bezeugt, daß die verantwortungsreiche, zugleich aber auch sehr befriedigende Aufgabenstellung des Berufsrichters i n der Arbeitsgerichtsbarkeit i n hervorragendem Maße geeignet ist, Richterpersönlichkeiten zu entwickeln, die sich dem Dienst am Arbeitsrecht, am sozialen Frieden und an der sozialen Gerechtigkeit i n jeder Beziehung verpflichtet fühlen 8 0 . Möge das auch i n Zukunft so sein!
25
Bundesarbeitsminister Anton Storch, RdA 1950, 1. Nach Sinzheimer, S 1246—1247 gehen die Wurzeln der Arbeitsrechtswissenschaft auf die Arbeitsrechtsprechung zurück. 27 So Schelp, RdA 1961, 279. 28 Nipperdey, MittArbGV 1954 N r 10 S 5. 29 Vgl dazu das 10. Kap. 26
Erstes Kapitel
Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen I. Zur Geschichte des bremischen Zunftwesens 1. Die Stellung der Zünfte in der Stadt Das Genossenschaftswesen spielte i m Mittelalter auch i n Bremen eine große Rolle 3 1 . Von besonderer Bedeutung für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Leben i n der Stadt waren dabei n e b e n d e n V e r e i n i g u n g e n der K a u f l e u t e und K r a m e r die Zusamm e n s c h l ü s s e d e r H a n d w e r k e r , d i e Z ü n f t e . Diese waren Körperschaften m i t einem großen Maß an Selbstverwaltung und m i t einem gewissen Recht, obrigkeitliche Funktionen wahrzunehmen. Trotzdem war ihr p o l i t i s c h e r E i n f l u ß i n B r e m e n g e r i n g . Dazu war die S t e l l u n g d e r K a u f m a n n s c h a f t i n einer Stadt, deren Lebensnerv der Handel war, z u s t a r k . Diese besondere Stellung der Kaufmannschaft i n der Stadt zeigte sich schon sehr früh. Das Bürgertum Bremens hatte i m 13. Jahrhundert gegen den Widerstand der Erzbischöfe weitgehende politische Selbständigkeit errungen, die freilich nicht unangefochten blieb. Spiegelbild der damaligen Rechtsverhältnisse ist das älteste auf uns überkommene Stadtrecht, das i n den Jahren 1303 bis 1308 aufgezeichnet wurde. Schon vorher hatte aber die Kaufmannschaft i m Gegensatz zu den Handwerkern gegenüber dem Erzbischof eine freiere Stellung erreicht. So hatte zB der Erzbischof i m Jahre 1181 die ihm gebührende „Hansa", eine Geldabgabe, den Kaufleuten erlassen, i m Jahre 1233 die Pflicht zur Heerfolge 32 , während die noch bis zum 13. Jahrhundert fortbestehende engere Bindung der Handwerker an den Erzbischof i n einer Urkunde von 1246 bekräftigt wird, worin sich der E r z b i s c h o f die unterdessen i n G e l d a b g a b e n verwandelten F r o n d i e n s t e d e r H a n d w e r k e r zusichern läßt: „Item jus speciale, quod dominus noster archi episcopus habet in textoribus, et denarios, quos habet in carnificibus, pistoribus et aliis 90
Herschel, RdA 1957, 333 = MittArbGV 1957 N r 16 S 1; vgl auch denselben, AuR 1961, 67. » Bessel, S 144. 51 BremUrkB Bd I N r 58, 172. 3 Trinkhaus
34
1. Teil, 1. Kap.: Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen officiatis, et in tabernis, sicut sui juris est, de cetero sine impedimento quolibet retinebit." M
(Ebenso w i r d unser Herr, der Erzbischof, das besondere Recht, welches er über die Leineweber hat, und die Denare, die er von den Fleischern, Bäckern und anderen Ämtern bezieht, und diejenigen, welche er aus den Verkaufsbuden bezieht, wie i h m rechtlich zukommt, auch ferner ungehindert beibehalten.) Die schriftlichen Q u e l l e n z u r G e s c h i c h t e d e s b r e m i schen Zunftwesens s e t z e n u m d i e M i t t e d e s 13. J a h r h u n d e r t s e i n . Aus dieser Zeit sind die ersten Z u n f t r o l l e n überliefert, aus denen sich Aufbau, Aufgaben und Verfassung der Zünfte ergeben. Der Ursprung der Zünfte muß jedoch weiter zurückreichen, was schon allein aus der Tatsache zu schließen ist, daß die Zunftrollen bereits i n der Regel eine weiterentwickelte Verfassung des Handwerks zeigen. Eine der ersten Urkunden über das bremische Handwerk stammt aus dem Jahre 1240, bei der es sich um einen Vertrag der Bremer. Schuster m i t der Deutschordenskommende i n der Stadt handelt 8 4 . Die ersten schriftlichen Privilegien für das Schusterhandwerk sind i n 4 Urkunden aus den Jahren 1274, 1300, 1308, 1387 enthalten. Sie umfassen bereits Bestimmungen über die Verhütung unsolider Arbeit, das Verbot der Ab Werbung, die Bestrafung von Meineid und Diebstahl 3 5 . Nach der ältesten Zunftverfassung, die nur noch i n vereinzelten erzbischöflichen Rechtsauf Zeichnungen überliefert ist, war der e r z b i s c h ö f l i c h e V o g t d e r Z u n f t h e r r . Er setzte die Amtsmeister ein und vereidigte sie auf den Erzbischof, saß der Morgensprache 36 vor und hatte Anspruch auf Geldabgaben seitens der Zünfte 3 7 . Auch der R a t d e r S t a d t war später immer bemüht, den Einfluß der Zünfte gering zu halten. Selbst i n den innerstädtischen Unruhen des 14. und 15. Jahrhunderts, bei denen die Zünfte ihre Beteiligung an der Verwaltung der Stadt durchsetzen wollten, gelangten diese nie für eine nennenswerte Zeit in den vollen Besitz der Macht. Da die K a u f m a n n s c h a f t der Stadt das Wirtschaftsleben durch den politischen Einfluß der Zünfte gefährdet sah, ihr — der Kaufmannschaft — Einfluß und A n sehen aber zu stark waren, waren derartige Versuche der Handwerker, auch politische Macht zu gewinnen, nur von kurzer Dauer. 88
BremUrkB Bd I N r 234; Ubersetzung bei Böhmert, S 5. BremUrkB Bd I Nr 215. 85 BremUrkB Bd I N r 363. 88 Die Morgensprachen waren feierliche Versammlungen der Meister einer Zunft; vgl unter I I . 2. 87 Helling, S 190 m w W ; Böhmert, S 12—13. 84
I. Zur Geschichte des bremischen Zunftwesens
2. Die Verfassung
35
der Zünfte
Abgesehen von dem geringen politischen Einfluß der Z ü n f t e , war aber ihre B e d e u t u n g i m ö f f e n t l i c h e n L e b e n d e r S t a d t g r o ß . O r g a n i s i e r t waren i n Bremen die Handwerker t e i l s i n Ä m t e r n , t e i l s i n S o z i e t ä t e n , wobei der Aufbau dieser beiden Organisationen i m allgemeinen durchaus gleich war. Die Unterschiede i n der Bezeichnimg lassen sich nur aus Traditionsgründen insbesondere wohl aus dem Alter, der Größe und der besonderen Stellung der einzelnen Zünfte herleiten. A n der Spitze der Ämter bzw Sozietäten standen 2 Meister, welche die Belange der Zunft nach außen zu vertreten hatten. Sie wurden i m allgemeinen jährlich gewählt und hießen A l t - und Jungmeister, wobei der Altmeister ua die Kassenverwaltung zu besorgen hatte, zu den Amtsversammlungen einlud und die seinem Amte zustehende Gewerbepolizei ausübte, während der Jungmeister ihm i n allen geschäftlichen Aufgaben zur Seite stand 38 . Wenn auch zunächst der H a t d e r S t a d t Bremen die Zünfte zur Hebung des Gewerbes gefördert hatte, w i r d nach und nach jedoch die T e n d e n z erkennbar, d i e m i t d e m Z u n f t z w a n g v e r b u n d e n e n M i ß s t ä n d e , die insbesondere die Einführung technischer Verbesserungen verhinderten, z u b e s e i t i g e n . Schon i m 17. Jahrhundert ging der Rat dazu über, sog F r e i m e i s t e r einzusetzen, die eine weitere Ausdehnung des Gewerbes erreichen sollten 39 . Dies war bereits ein erster bedeutsamer Eingriff i n die Zunftgerechtsame. Trotz dieser Maßnahme ist aber zunächst — außer auf die Gerichtsbarkeit — ein großer Einfluß des Rates auf die Zünfte nicht erkennbar, und selbst das R e i c h s g u t a c h t e n v o n 1731, das die M i ß b r ä u c h e des Zunftwesens zu b e s e i t i g e n t r a c h t e t e , w u r d e in B r e m e n n u r s e h r l a u a u s g e f ü h r t . Bei einem i m Jahre 1791 ausgebrochenen Gesellenstreik, der sich über mehrere Wochen hinzog und bei dem es auch zu erheblichen Ausschreitungen kam, tauchte erstmalig die F r a g e d e r E i n f ü h r u n g d e r G e w e r b e f r e i h e i t i n der Stadt Bremen auf. Es ist seinerzeit mehrfach die Aufhebung der Ämter i m Bremer Rat zur Sprache gebracht worden. Trotzdem unterblieb sie, weil sich eine einzelne Stadt nicht gegen die Zunftorganisationen i m übrigen Reich stellen konnte, ohne selbst erheblichen Schaden zu leiden. 3. Das Verbot der Zünfte während der Franzosenzeit Erst die Z e i t der f r a n z ö s i s c h e n Besetzung beseit i g t e auch in B r e m e n die P r i v i l e g i e n der Zünfte. 88 89
3»
Branding, S 10. Branding, S 13.
36
1. Teil, 1. Kap.: Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen
Die Franzosen führten i n den von ihnen besetzten Gebieten die i n Frankreich praktizierte a l l g e m e i n e G e w e r b e f r e i h e i t ein, wonach jeder ein Handwerk selbständig betreiben konnte, ohne einer Genossenschaft anzugehören. Wie i n Frankreich berechtigte auch i n Bremen nunmehr die e i n f a c h e L ö s u n g e i n e s P a t e n t s zum Betrieb eines Handwerks m i t der Folge, daß sich zahlreiche sog „Patentmeister" i n Bremen niederließen 40 . Jedoch war die Zeit der französischen Besetzung zu kurz, um nachhaltige wirtschaftliche Erfolge dieser Gewerbefreiheit herbeizuführen. 4. Die Wiederherstellung
der Rechte der Zünfte nach dem Abzug der Franzosen
Nach dem Abzug der Franzosen, als auch die alte Katsverfassung wiederhergestellt wurde, baten deshalb auch sofort mehrere Zünfte den Senat, sie wieder zur Ausübung und zum Genuß der ihnen zustehenden Rechte gelangen zu lassen. Es ersuchten ua die A l t - und Jungmeister des Schuhmacheramtes i n einer Bitte an den Senat vom 13. Januar 1814 um die Erlaubnis, die Amtsverbindung der hiesigen Schustermeister so wieder eintreten zu lassen, wie sie vor der französischen Regierung bestand. A m 26. Februar wurde den Ämtern durch folgende o b r i g k e i t l i c h e V e r o r d n u n g 4 1 der W i e d e r e i n t r i t t d e r G e r e c h t s a m e , d e r Ä m t e r u n d S o z i e t ä t e n gewährt: „Die Aemter und Societäten dieser Stadt können in ihren Amts-Angelegenheiten an ihre vormaligen Herren Morgensprachs-Herren und Inspectoren sich wenden, sie dürfen sich unter deren Vorsitz in den sonst gewöhnlichen Fällen versammeln, und ist solchenfalls den Privilegien und obrigkeitlich bestätigten Artikeln der Aemter und Societäten gemäß zu verfahren. Inzwischen behält sich der Senat annoch ausdrücklich vor, wegen der unter der Französischen Regierung sich hierselbst häuslich niedergelassenen, in die respekt. Aemter und Sozietäten bis dahin aber nicht eingetretenen, mit einem Patent versehen gewesenen Personen, eine besondere Verfügung zu erlassen. Publicirt, Bremen, d. 26. Febr. 1814 I m Auftrage des Senats Gondela u .Am 21. März 1814 erfolgte eine weitere „Verordnung, die Aufnahme der unter der Französischen Regierung sich hier niedergelassenen, nur 40
Böhmert, S 52—53. Sammlung der Verordnungen und Proclame Hansestadt Bremen 1814, S 59—60. 41
des Senats der
freyen
I. Zur Geschichte des bremischen Zunftwesens
37
mit Patenten versehen gewesenen Personen, in die Aemter und Socie täten betreffend". 4* Durch diese Verordnungen wurden somit a l t e , ü b e r l e b t e F o r men der G e w e r b e a u s ü b u n g für e i n w e i t e r e s halbes J a h r h u n d e r t w i e d e r h e r g e s t e 111; jedoch b e s c h n i 11 d e r Senat nach und nach die Rechte der Z ü n f t e etwa a b 1820. Er sprach ihnen Gerechtsame ab und erkannte gewohnheitsrechtliche Ansprüche nicht mehr an. Konzessionen wurden zT nicht mehr erneuert, verschiedene Ämter wurden sogar aufgehoben, wie die Töpfer, die Leineweber und die Tuchmacher, da deren Mitgliederzahl erheblich zurückgegangen war. Ein g r u n d l e g e n d e r Wandel der Z u n f t v e r f a s s u n g e r f o l g t e i m Zusammenhang m i t den p o l i t i s c h e n Ä n d e r u n g e n i m J a h r e 1848. Die Bürgerschaft wurde jetzt i n allgemeinen Wahlen gewählt und erhielt entscheidende M i t w i r k u n g bei der Wahl der Senatoren. Es wurden K a m m e r n u n d K o n v e n t e f ü r H a n d e l u n d G e w e r b e eingerichtet, und am 2. A p r i l 1849 das Gesetz für die G e w e r b e k a m m e r 4 8 verabschiedet. Die Gewerbekammer sollte auf alles, was für das Gewerbewesen i m bremischen Staat dienlich sein konnte, ihr Augenmerk richten. Sie sollte über die Mittel zur Hebung des Handwerks und der Fabriken beraten und dem Senat gutachtlich berichten. Alle Gesetze, die i n Gewerbeangelegenheiten erlassen werden sollten, wurden zunächst von der Gewerbekammer begutachtet. Der nächste Schritt war der Erlaß einer G e w e r b e o r d n u n g 4 4 , die am 6. Oktober 1851 i n Kraft trat und schon weitgehende Erleichterungen über die Zulassung zu einem Gewerbe beinhaltete. 5. Die endgültige Abschaffung der Privilegien
der Zünfte im Jahre 1861
Endgültig wurden die P r i v i l e g i e n d e r Z ü n f t e durch Verordnung vom 4. A p r i l 186145 b e s e i t i g t :
i n Bremen
„Nachdem eine Abänderung der bisher in der Stadt Bremen rücksichtlich des Gewerbebetriebes bestandenen gesetzlichen Vorschriften und Einrichtungen in verfassungsmäßigem Wege beschlossen worden ist, verordnet der Senat das Nachstehende: § 1 Die Privilegien der in der Gewerbeordnung vom 6. Oktober 1851 genannten Innungen und Gewerbetreibenden sowie die Privilegien des Krameramts, der Tuchhändlersocietät und der Bierbrauer societät sind aufgehoben. 48 48 44 45
Ebenda, S 67—70. BremGBl 1849 S 119—131. BremGBl 1851 S 1Q3—111. BremGBl 1861 S 1Ö—12.
38
1. Teil, 1. Kap.: Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen Auch die in betreff der Zahl der Bäcker und Schlächter bestehenden Beschränkungen sind aufgehoben. § 2 Wer künftig eins oder mehrere der in der Gewerbeordnung vom 6. Oktober 1851 genannten Handwerke als Meister betreiben will, muß: a) das Bürgerrecht der Stadt Bremen besitzen und den Bürgereid geleistet haben, b) die Volljährigkeit
erlangt
haben,
c) sich vorab bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe bis zu 10 Talern unter Vorzeigung seines Geburtsscheines und Bürgereidzettels bei der Gewerbekommission in der Liste der Meister des betreffenden Handwerks verzeichnen lassen. Diese EinZeichnung geschieht unentgeltlich. Sonstige Erfordernisse zur Betreibung dieser Handwerke als Meister, wie zB der Nachweis bestimmter Lehr- und Wander jähre, oder die Anfertigung eines Meisterstücks finden nicht statt. ... § 3 Auf diejenigen, welche schon bisher eines der in § 1 bezeichneten Handwerke als Meister betrieben haben, finden die Vorschriften des § 2 nur in dem Falle Anwendung, wenn sie ein anderes als das bisherige Handwerk selbständig zu betreiben unternehmen: § 4 Die Stellung der Lehrlinge zu den Meistern beruht fortan auf den freien Verträgen derselben. Eine gesetzliche Lehrzeit, Ein- und Ausschreiben von Lehrlingen, findet nicht mehr statt. Die Zeugnisse der Lehrherren vertreten die Stelle der Lehrbriefe. Die Annahme von Arbeitsgehülfen beruht fortan auf freier Übereinkunft. Alle Vorschriften und Gebräuche, welche die Dienstzeit, den Lohn, die Kündigung des Dienstverhältnisses und die Wanderjahre betreffen, sind nicht mehr verbindlich. .. Danach stand es nunmehr also jedem Bürger der Stadt frei, die vorher zunftbetriebenen Gewerbe als Meister auszuüben, wenn er gewisse persönliche Voraussetzungen erfüllte. Sämtliche Regelungen über die Beschäftigung von Lehrlingen und Gesellen waren aufgehoben, insbesondere alle Vorschriften und Gebräuche hinsichtlich Dienstzeit, Lohn und Kündigung. Vielmehr b e r u h t e n u n m e h r d a s D i e n s t v e r h ä l t n i s zwischen dem Meister, dem Gesellen und dem L e h r l i n g auf freier Ü b e r e i n k u n f t . Die Zünfte l ö s t e n s i c h i n der F o l g e z e i t e i n e n a c h d e r a n d e r e n v o n s e l b s t a u f . Damit war die Macht und der Einfluß der Zünfte auf das Wirtschaftsleben der Stadt endgültig gebrochen.
II. Die Gerichte der Ämter und Sozietäten
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I I . Die Gerichte der Ämter und Sozietäten 1. Erste Anfänge
einer
Zunftgerichtsbarkeit
Fast so lange, wie die weitgehende Eigenständigkeit der Zünfte bestand, war ihnen auch eine b e s c h r ä n k t e e i g e n e G e r i c h t s b a r k e i t e i n g e r ä u m t . Die Genehmigung, i n internen Amtsstreitigkeiten selbst zu entscheiden, dürfte d e n Z ü n f t e n v e r m u t l i c h i m 13. J a h r h u n d e r t v o m R a t d e r S t a d t erteilt worden sein. Denn hierüber berichtet die älteste Chronik der Stadt Bremen von Rynesberg und Scheene für das Jahr 127346. „Men scal weten dat in der suluen tyt wart den ampten van deme rade geuen ere eghene gerichte, utesproken dar die rad nene ghenade an donne mach. Uhde hulpen do vinden allen mogeliken broke unde ammet winninge. Unde hulpen ock die ersten mestere setten unde wo die olden mestere die nygen alle jar scölet to sweren laten yo deme rade unde der stad to ereme rechte (Man soll wissen, dass in derselben Zeit den Aemtern vom Rath ihre eigenen Gerichte gegeben wurden, ausgenommen für diejenigen Fälle, wo der Rath nicht begnadigen darf. Und sie halfen seitdem alle Arten von Strafen verhängen und Abgaben für Gewinnung des Amtes festsetzen. Seit der Zeit rührt auch die erste Einsetzung von Zunftvorstehern her und die Anordnung, dass die alten Meister die neuen alle Jahre dem Rath und der Stadt zu ihrem Recht schwören lassen sollen.) 2. Organe der Zunftgerichtsbarkeit Die Rechtsprechung der Zünfte erfolgte dabei — zunächst ohne M i t wirken staatlicher Organe — i n der „ M o r g e n s p r a c h e", der offiziellen feierlichen Zusammenkunft der Meister einer Zunft. Sie wurde abgehalten von den aus den Amtsmitgliedern gewählten Amtsvorstehern, die „Magistri, mester" hießen 47 . Daß den Zünften zunächst keine Mitglieder des Rates beigeordnet waren, dürfte allein schon aus den ersten Privilegien der Schuhmacher zu schließen sein. Die Urkunden verbieten die Beleidigung der Magistri, wenn sie Morgensprache hielten4®. Die g ä n z l i c h o h n e M i t w i r k u n g des R a t e s a u s g e ü b t e R e c h t sprechung der Z ü n f t e war aber n i c h t von langer D a u e r . Der Kampf der Zünfte um Teilnahme an der Stadtverwaltung 46 Geschichtsquellen des Erzstiftes und der Stadt Bremen, herausgegeben von Lappenberg (1841) S 74; übersetzt von Böhmert, S 7; über die Verfasser vgl Bessell, S 123. 47 Böhmert, S 35. 48 Böhmert, S 16.
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen
führte in den 60iger Jahren des 14. Jahrhunderts zu blutigen Aufständen. Diese wurden jedoch 1366 vom Rat endgültig niedergeschlagen, der nunmehr energische Maßnahmen zur Verhinderung ähnlicher Vorfälle ergriff. I m Verfolg dieser Maßnahmen mußten sich die Z ü n f t e s e i t 1366 b e i Z u s a m m e n k ü n f t e n e i n e s t ä n d i g e K o n t r o l l e d u r c h M i t g l i e d e r d e s R a t e s gefallen lassen; Versammlungen waren nur mit Wissen des Rates gestattet, während die Kaufleute frei auf dem Schütting zusammenkommen durften 4 9 . Die den Zünften zugeteilten Ratsherren wurden b e i d e n Ä m t e r n M o r g e n s p r a c h s h e r r e n , bei den Sozietäten I n s p e k t o r e n genannt. Die Anzahl der zugeordneten Ratsmitglieder war unterschiedlich, gewöhnlich 2, bei größeren Ämtern 4 Morgensprachsherren. Die Tätigkeit eines Morgensprachsherren oder Inspektors bedeutete für das betreffende Ratsmitglied eine nicht unerhebliche finanzielle Nebeneinnahme. Der Anspruch und die Höhe der Nebeneinnahmen ergaben sich i m allgemeinen aus den Zunftrollen. So erhielten zB bei den Tischlern die Morgensprachsherren die Hälfte der Strafgelder 50 , bei den Rademachern die Hälfte der Geldbußen 51 . Von den Abgaben der fremden Gesellen und der Meistersöhne bei der Amtsgewinnung erhielten sie die Hälfte oder den dritten Teil (Kimker, Drechsler, Rademacher) 52 . Einige der Ratsmitglieder übten die Tätigkeit eines Morgensprachsherrn gleichzeitig bei verschiedenen Zünften aus. So waren zB i m Jahre 1759 Morgensprachsherren: Ratsherr D. Meinertshagen bei 5 Zünften (Barbierer, Baumseidenmacher, Gläser, Krämer, Schneider), Ratsherr C. Meyer ebenfalls bei 5 (Gürtler, Krämer, Barbierer, Baumseidenmacher, Schneider) und Richter D. Schmidt bei 3 Zünften (Bäcker, Schreiner, Schiffer-Gilde); im Jahre 1782 waren es Richter Wahls bei 5 Zünften und i m Jahre 1821 Senator Dr. von hingen sogar bei 7 Zünften 5 3 . R e c h t s k r a f t e r l a n g t e das U r t e i l n u n e r s t d u r c h die B e s t ä t i g u n g der b e i s i t z e n d e n Ratsh e r r e n , wobei jedoch i m allgemeinen die Ratsherren dem Urteil, welches das A m t vorschlug, zustimmten. Diese Amtsfindung durch die Meister mit Bestätigung durch die beisitzenden Ratsherren wurde 1821 abgeschafft; seitdem sprachen allein die Ratsherren Recht, und die A l t und Jungmeister vertraten die Parteien 54 . 49 50 51
Fatthauer, S 65. Tischlerrolle von 1555, Einleitung, StAB 2 — S. 12 u. 1. Rademacherrolle von 1692, StAB 2 — S. 12. a. 1.
» Helm, S 50. 55 Staatskalender der freyen Hansestadt Bremen für die Jahre 1759, 1782 und 1821. 54 Höfinghoff, S 48.
II. Die Gerichte der Ämter und Sozietäten
41
3. Gerichtslokale Die M o r g e n s p r a c h e n fanden i n d e r ä l t e r e n Z e i t i m allgemeinen i n d e n K i r c h e n statt. So tagten zB die Schmiede, die Kupferschläger, die Kupferschmiede, die Blechschläger i n der Ansgarikirche, die Goldschmiede i n der Liebfrauenkirche, die Wandschneider i n ihrem Schauhaus, dem alten Rathaus zwischen Liebfrauenkirchhof und Sögestraße 55 . Später, besonders nach der Reformation, trafen sich die Meister kleinerer Ämter i m Hause ihrer Morgensprachsherren, während größere Zünfte teilweise ein eigenes Amtshaus besaßen, wie die Schmiedezunft seit 1523 die umgebaute Jacobikirche 56 . 4. Einwirkungen
der „Neuen Eintracht"
von 1534
Nachdem der Rat der Stadt bereits i m Jahre 1500 ausdrücklich bestimmt hatte, daß Streitigkeiten von Zunftgenossen i n erster Instanz vor die Morgensprachsherren zu bringen seien 57 , bestätigte die „Neue Eintracht u von 1534, das Grundgesetz des Staates Bremen bis zum Jahre 184858, noch einmal ausdrücklich die A u f s i c h t d e s S t a a t e s ü b e r die Zünfte 59: „ V I . De Ambte Scholen ok nenerly Samptkunfte hebben noch mäken, darin se jenigerley Nyeringe vornemen unde anstellen wolden, idt en geschege den mit Weten unde mit Vullbort des Rades unde in bywesende der Personen, so ut dem Rade by enen to sittende verordnet syn. „ V I I . Idt en schölen ok de Ambte sämbtliken, nicht by malkanderen kamen, ofte sik malkanderen tosamen tokamende vorbaden laten, by Verlust er er Privilegien und Fryheiten (wo vor gevöhret) idt sehege den mit sundern Orlove, Weten unde Willen des Rades " (Die Zünfte sollen auch keinerlei Zusammenkünfte halten oder veranstalten, darin sie irgendwelche Neuerungen vornehmen und anzustellen gedenken, es geschehe denn mit Wissen und Zustimmung des Rates und i n Gegenwart derjenigen Personen, die aus dem Rat bei ihnen den Vorsitz führen [Morgensprachsherren]. Es sollen auch die sämtlichen Zünfte nicht zusammenkommen oder zu einer solchen Zusammenkunft sich einladen lassen bei Verlust ihrer Privilegien und Freiheiten [wie vorbesagt]. Es geschehe denn m i t besonderer Erlaubnis, Wissen und Willen des Rates.) « Thikötter, S 62. 59 Fatthauer, S 65. 57 Entscheidung des Rates in: St AB 2 — Qq. 10. K. 1. 58 I m Anschluß an neue Unruhen im Jahre 1530 entstanden. M Oelrichs, S 779.
42
1. Teil, 1. Kap: Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen
Auch schrieben die einzelnen Zunftrollen ausdrücklich vor, daß die Angehörigen der Ämter ihre Klagen zunächst in ihrer Morgensprache vorzubringen und nicht die öffentliche Gerichtsbarkeit i n Anspruch zu nehmen hatten* 0 . 5. Entscheidungsgrundlagen
der Morgensprachengerichte
Grundlage für die Rechtsprechung i n der Morgensprache waren vornehmlich die R o l l e n d e r Z ü n f t e bzw d i e S t a t u t e n d e r S o z i e t ä t e n . Reichten diese nicht aus, wurden „die geschriebenen alten Beliebungen" hinzugenommen. I m übrigen urteilte man nach R e c h t u n d B i l l i g k e i t 6 1 . Die Rolle war die Sammlung der Artikel, der Gesetze, der Privilegien, der Aufzeichnungen über Sitte und Brauch. Die Anzahl der A r t i k e l war bei den einzelnen Zünften verschieden. Man findet Rollen von nur 5 A r t i k e l n als auch solche von 100 62 . Es ist nicht Aufgabe dieser Betrachtung, die i n den Zunftrollen enthaltenen B e s t i m m u n g e n a r b e i t s r e c h t l i c h e n I n h a l t s umfassend darzustellen. Zum Verständnis dessen, was in der Morgensprache auf arbeitsrechtlichem Gebiet entschieden wurde, sind jedoch einige arbeitsrechtliche Bestimmungen der Rollen und Statuten anzuführen. Dabei ist allerdings überall die u n l ö s b a r e V e r f l e c h t u n g p r i v a t r e c h t l i c h e r und öffentlich-rechtlicher Beziehungen und Reg e 1 n zu beachten, die für das ältere deutsche Recht i m allgemeinen und für das Z u n f t r e c h t i m besonderen so typisch ist, dessen l e i t e n d e r G e d a n k e d e r G r u n d s a t z der ausreichenden Nahrung und d e s g e r e g e l t e n K 1 e i n b e t r i e b e s war, aus dem sich mehr und mehr jene Handwerksverfässung m i t ihren festen Formen, der Stufenfolge von Lehrling, Geselle und Meister, dem Gesellenwandern, der Erfindung der Handwerksunehrlichkeit und dem Zunftgeist ergab 68 . So bildeten etwa die Bestimmungen über die Eingehung des Arbeitsverhältnisses unter den damals üblichen Formen des Vertragsschlusses i n der Zunftöffentlichkeit vor den Älterleuten oder zwei eingesessenen Meistern m i t den Regeln über einheitliche „ M i e t t e r m i n e " , vor allem Ostern und Michaelis, sowie dem Verbot, einen Gesellen zur Unzeit einzustellen, und dem Verbot des Abdingens eine Einheit 6 4 . 80 So etwa: Tonnenmacherrölle von 1594, Art 12: StAB 2 — S. 14 u. 1; Kimkerrolle von 1594, Art 14: StAB 2 — S. 6.p. 1; Drechslerrolle von 1661, Art 25: StAB 2 — S. 3. f. 1; Zimmergewerksrolle von 1672, Art 9, 20: StAB 2 — S. 15. o. 1. 81 Siehe nur: Schmiedeamtsrolle von 1681, Art 50: StAB 2 — S. 13. u. 1. 82 Fatthauer, S 36. 83 Ebel I S 10—11, 23—27; Ebel I I S 13; Knoll, S 16—17, 30—37; Kurth, S 13. 84 Ebel I S 21—27.
II. Die Gerichte der Ämter und Sozietäten
43
So mußte sich zB i m Bremer Metallgewerbe der Geselle, der einen Meister gefunden hatte, bei Empfang des ersten Wochenlohnes auf ein halbes Jahr verdingen 65 . Auch enthielten die Rollen schon Vorschriften über die K ü n d i g u n g. So sah die Schmiedeamtsrolle vor, daß Meister und Geselle i m allgemeinen nur zu Ostern und zu Michaelis kündigen konnten 6 6 . Entließ der Meister seinen Gesellen zu einem anderen Zeitpunkt, so lief er Gefahr, daß ihm vom A m t auch die anderen Gesellen genommen wurden 6 7 . Die Kündigungsfrist für einen Gesellen der Tischlerinnung, der auf Wanderschaft gehen oder bei einem anderen Meister i n der Stadt arbeiten wollte, betrug 14 Tage 68 , während bei den Kimkern wiederum nur alle halbe Jahre (zu Ostern und zu Michaelis) gekündigt werden konnte 6 9 . Auch die Meister mußten diese Kündigungsbestimmungen beachten, wenn sie Gesellen entlassen wollten 7 0 . Die Rollen enthielten auch — allerdings teilweise recht unbestimmt gehaltene. — Bestimmungen über f r i s t l o s e K ü n d i g u n g e n . So konnte bei den Schwerdtfegern ein Geselle jederzeit fristlos entlassen werden, wenn er der Vorschrift der Rolle zuwider sich nicht „still, friedsam, treu, nüchtern, fleißig, ehrlich, ruhig und christlich" verhielt 7 1 . Wenn ein Geselle etwa seinen Meister beschimpfte, konnte er sogar unter Aufsicht eines Soldaten aus der Stadt geschafft werden 7 2 . Versäumte der Lehrling bei den Kimkern die Arbeit oder machte er „Blauen Montag", so büßte er m i t einer Mark 7 8 . Wenn er aus der Lehre entlief und bei den Tonnenmachern länger als 4 Wochen der Arbeit ferngeblieben war, wurde er nicht wieder eingestellt 74 . Bei F o r t b l e i b e n v o n d e r A r b e i t konnte sich der Meister auch an die Bürgen des Lehrlings halten, die bei den Kimkern an den Lehrmeister 10 Reichstaler a l s E n t s c h ä d i g u n g zahlen mußten, wenn der Lehrling im ersten oder zweiten Lehrjahr entlief. Geschah dies i m dritten oder vierten Lehrjahr oder i n seinem Nachjahr als Geselle, 65
Rolle des Schwerdtfegerkreises von 1555, Art. 28: StAB 2 — S. 15, c. Schmiedeamtsrolle von 1681, Art. 67—72. 67 Fatthauer, S 46 mit Hinweis auf StAB, S. 15. c. 88 Tischlerrolle von 1558, Art 8. 89 Kimkerrolle von 1594, Art 22. Bei den Kimkern handelte es sich um Holzarbeiter, die Bottiche, Waschbalgen, Holzeimer ua Holzgefäße ohne Deckel herstellten — im Gegensatz zu den Tonnenmachern. 70 Siehe nur: Rademacherrolle von 1692, Art 39. 71 Rolle des Schwerdtfegerkreises von 1555, Art 11: StAB 2 — S. 15. c. Das hing damit zusammen, daß der in die Hausgemeinschaft aufgenommene und gleichzeitig der Zunft, wenn auch als minder berechtigter Genosse des Meisters, angehörende Geselle einmal der Hausgewalt des Meisters unterstand und zum anderen durch — mit Strafdrohung verstärkte — Zunftvorschrift im einzelnen angehalten wurde, einen „ehrsamen" Lebenswandel zu führen; vgl im einzelnen Ebel I S. 27—30. 78 Fatthauer, S 46 unter Hinweis auf einen Ratsbeschluß zum Streit zwischen dem Schmiedemeister Rabba und seinem Gesellen Jung (um 1765). 73 Kimkerrolle von 1594, Art 29. 74 Tonnenmacherrolle von 1594, Art. 21. 68
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen
mußten sogar 20 Reichstaler entrichtet werden 75 . Ein Tonnenmachergeselle, der die ihm übertragenen Arbeiten nicht rechtzeitig fertiggestellt hatte, mußte an seinen Meister als Entschädigung dafür zwei Grote zahlen 7 6 . Verletzte er die „Handwerksehredann durfte ihm keine Arbeit mehr gegeben werden 7 7 . Die meisten Zunftrollen enthielten aber auch schon Bestimmungen über das Verbot des Abdingens (Abwerbung). So war zB den Tonnenmachern untersagt, sich gegenseitig Gesellen abspenstig zu machen. Ein Meister, der dieses Verbot übertrat, durfte ein halbes Jahr nur m i t Lehrlingen arbeiten 78 , während die Tischler bei gleichem Vergehen mit zweieinhalb Reichstalern Buße bestraft wurden; sie mußten außerdem den betreffenden Gesellen sofort entlassen 79 . Der L o h n , den der Meister seinem Gesellen zu zahlen hatte, war entweder durch die R o l l e oder durch die M o r g e n s p r a c h s b e l i e b u n g e n festgesetzt 80 . Diese i n den Zunftrollen bremischer Zünfte enthaltenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, die übrigens ähnlich der heutigen tarifvertraglichen Normenwirkung auf das Einzelarbeitsverhältnis des Gesellen ausstrahlten, finden sich schon in ä l t e r e n Z u n f t r o l l e n des R e i c h s g e b i e t e s . So durften zB die Straßburger Tuchscherer nach den A r t i k e l n von 1362/1410 entlaufene Lehrlinge erst dann aufnehmen, wenn sie sich mit ihrem vorigen Meister vertragen hatten. Auch die Freiburger Kürschner durften keine Gesellen oder Lehrlinge beschäftigen, die ohne Abschied von ihrem vorigen Meister weggegangen waren. Die Buntfutterer der Stadt Lübeck verlangten bereits im Jahre 1368 von ihren Knechten Briefe, daß sie nicht entlaufen seien, da entlaufene Knechte von ihnen nicht eingestellt werden konnten 8 1 . Seit der Ausbildung des Gesellenwanderns war es allgemein üblich geworden, daß der Geselle seinen „Dienstbriefalso sein Lehr- und Arbeitszeugnis, vorlegte 82 . Welche bestimmten Arbeitsstreitigkeiten auf den Morgensprachen der Bremer Zünfte tatsächlich entschieden worden sind, ist, obwohl Protokolle von Bremer Morgensprachen vorliegen, noch nicht i m Zusammenhang erforscht. 75
Morgensprachsbeliebung von 1738 in StAB 2— S. 6. p. 1. Tonnenmacherrolle von 1594, Art 50. 77 Tonnenmacherrolle von 1594, Art 50. 78 Tonnenmacherrolle von 1594, Art 49; vgl allgemein Ebel I S 25—27. 79 Tischlerrolle von 1555, Art 9. 80 Nach Ebel I S 36—43 war die Bestimmung der Lohnform wie auch der Höhe des Lohnes grundsätzlich der freien Vereinbarung entzogen. Schon die älteren Lohnangaben setzten die Lohnhöhe für die ganze Zunft gleichmäßig fest (Taxen). 81 Neuburg, S 33. 81 Ebel I S 22—23. 79
II. Die Gerichte der Ämter und Sozietäten 6. Rechtsmittel
gegen Entscheidungen
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der Zunftgerichte
Gegen die Entscheidung des Morgensprachengerichts war den Parteien auch ein R e c h t s m i t t e l eingeräumt. Sie konnten sich beschwerdeführend, zwar nicht an das Obergericht, aber doch a n d e n R a t d e r S t a d t wenden. Dies ergibt sich aus den verschiedensten Amtsrollen, zB aus der Drechslerrolle, die dazu besagt 88 : „Wenn jemand an des Ampts findung keinen Begnügen hatte, konnte er an den Rat appelieren." Bei einigen Zünften bestand daneben zunächst noch die Möglichkeit, das Z u n f t g e r i c h t d e s entsprechenden Z u n f t k r e i s e s anzurufen, wenn eine Partei m i t dem Urteil des örtlichen Zunftgerichts nicht zufrieden war 8 4 . Dieses Verfahren war aber sehr zeitraubend, da die Zunftkreistage meistens nur alle 3 bis 7 Jahre zusammentraten. Überdies verbot das Reichsgutachten von 1731 die Anrufung eines fremden Zunftgerichts. Deshalb riefen die Parteien i m allgemeinen auch sogleich den Rat der Stadt an. Zur E i n l e g u n g des Rechtsmittels b e i m R a t waren besondere Fristen vorgesehen. Bei den Drechslern mußte zB die Beschwerde innerhalb von 10 Tagen eingelegt werden 8 5 . Es waren ferner einige Bremer Mark dafür zu hinterlegen, die bei „niederfälliger Appelation" zur Hälfte an die Morgensprachsherren und zur Hälfte an die Amtslade fielen 86 . 7. Einschränkung der Zunftgerichtsbarkeit durch die Gerichtsordnung von 1751 Eine erhebliche Einschränkung der Gerichtsbarkeit der Zünfte erfolgte i m 18. Jahrhundert. Die „Gerichtsordnung der kaiserlich freien Reichsstadt Bremen de anno 1751" enthielt unter Teil I Titel 6 folgende Bestimmung „von der Cognition und Bestrafung der Inspektoren, Morgensprachsherren, Sozietäten und Ämter": § 1 Denen Herrn Inspektoren, Morgensprachs-Herren, Societäten und Ämter gebühret die Untersuchung, Erkenntniß und Bestrafung in Sachen, welche zu der Societäts- oder Amtsverfassung gehören. § 2 Ein jeglicher Bürger und Amtsangehöriger, welcher, bei desends angeordneten Societäts- oder Amtsversammlungen, vor denen Herrn Inspektoren und Morgensprachs-Herren vorgeladen wird, ist verpflichtet, in dem angesetzten Termin zu erscheinen; in Entstehung 83 84 85 88
Drechslerrolle von 1661, Art 25. Schmiedeamtsrolle von 1681, Art 55. Drechslerrolle von 1661, Art 25. So: Tischlerrolle von 1555, Art 15.
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1. Teil, 1. Kap.: Die Zunftgerichtsbarkeit in Bremen dessen aber wird derselbe nicht allein die Unkosten oder Morgensprachsgebühren zu bezahlen angehalten, sondern auch wider den nicht erschienen arctior citatio sub poena confessi erkannt, und wann er alsdann ebenmäßig nicht erscheint, in contumaciam gegen ihn verfahren.
§ 3 Jedoch ist einem jedem, welcher sich durch die Erkenntnisse und Bestrafung der Herren Inspektoren und Morgensprachs-Herren beschwert zu sein vermeinet, unbenommen, sich binnen den nächsten 14 Tagen von Zeit der Erkenntniß an, supplicando ad Senatum zu wenden.... § 4Nach Ablauf dieser vier zehntägigen Frist aber werden die Parteien ferner nicht gehöret, sondern mit ihren Beschwerden abgewiesen Die gewöhnlichen Rechtsstreitigkeiten in Z i v i l sachen gingen somit von den G e r i c h t e n der „ M o r gensprachen" auf die o r d e n t l i c h e n Gerichte über, und nur noch die eigentlichen Zunftstreitigkeiten i n Handwerkssachen gehörten zur Zuständigkeit der Morgensprachsherren. Dies dürfte sich unzweideutig aus § 1 des Titels 6 der Gerichtsordnung ergeben, der bestimmt, daß „denen Herrn Inspektoren gebühret, die Untersuchung, Erkenntniß und Bestrafung in Sachen, welche zu der Societäts- oder Amtsverfassung gehörenDanach ist anzunehmen, daß nunmehr die eigentlichen Lohn- und Dienststreitigkeiten nur noch vor das ordentliche Gericht (Gastgericht) zu bringen waren 8 7 . Ob danach noch die Möglichkeit bestand, S t r e i t i g k e i t e n a u s D i e n s t - u n d L o h n s a c h e n , wie es später die Gerichtsordnung von 1814 vorsah, in g ü t l i c h e m Wege vor den G e r i c h t e n der M o r g e n s p r a c h e zu verhandeln, und nur bei mangelnder Einigimg der Parteien Abgabe an das „kompetente Gericht" notwendig war, ist zwar nicht festzustellen, aber doch zu vermuten. Denn die Gerichtsordnung von 1814 w i r d nicht ohne Grund diesen Rechtsgedanken aufgegriffen haben. 8. Beschränkung der Zunftgerichtsbarkeit durch die Gerichtsordnungen von 1814 und 1820 Auch die am 1. September 1814 in K r a f t getretene G e r i c h t s o r d n u n g der Stadt Bremen v o m 15. J u l i 181488 b e s c h r ä n k t e d i e Zunftgerichtsbarkeit auf S t r e i t f ä l l e zwischen den Zünften und ihren Mitgliedern, bei denen es um die B e e i n t r ä c h t i 87
Ebenso Hiemsch, S 44. Bekanntmachung über ihr Inkrafttreten: Sammlung der Verordnungen und Proclame des Senats der freyen Hansestadt Bremen 1814 S 132; Bekanntmachung über ihre Fortdauer: Sammlung 1815 S 95; vgl dazu Hiemsch, S 63—74. 88
II. Die Gerichte der Ämter und Sozietäten
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g u n g v o n A m t s p r i v i l e g i e n ging, während alle anderen Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden mußten. Den Inspektoren und Morgensprachsherren bei den Ämtern und Sozietäten stand somit i m wesentlichen nur noch die Untersuchung und Entscheidimg i n Sachen zu, welche i m Rahmen der Sozietäts- oder Amtsverfassung oder der inneren Amtspolizei zu regeln waren (§ 43 GerO 1814). Streitigkeiten der Amtsmitglieder mit ihren Gesellen oder Lehrburschen aus Dienst- und Lohnstreitigkeiten gelangten zwar zunächst auch noch an die G e r i c h t e d e r M o r g e n s p r a c h s h e r r e n u n d I n s p e k t o r e n a l s S c h l i c h t u n g s i n s t a n z . Entschieden wurden von ihnen aber nur noch die sog Disziplinarsachen. I m übrigen mußte die Sache bei Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis, wenn eine gütliche Einigung nicht zustandekam, wie bereits betont, an das „kompetente Gericht" verwiesen werden (§ 48 GerO 1814). Das „kompetente Gericht" war dabei bei Streitigkeiten mit einem Streitwert unter 300 Reichstalern oder 15 Reichstalern jährlicher Rente das untere Zivilgericht (§ 38 GerO 1814), bei höheren Streitwerten das Obergericht (§ 10 GerO 1814). Es war ausdrücklich vorgeschrieben, daß mündlich zu verhandeln und durch einen „Secretair" ein Protokoll zu führen sei. Die Entscheidung als solche mußte schriftlich abgefaßt werden (§ 44 GerO 1814). Die Zwangsvollstreckung der morgensprachlichen Entscheidung wurde jedoch verfügt durch das nach der Höhe des Streitwertes sonst zuständig gewesene Gericht, das insoweit ersucht werden konnte (§ 49 GerO 1814). Als Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Gerichte der Morgensprachsherren und Inspektoren war die B e s c h w e r d e zulässig, die innerhalb einer Frist von 10 Tagen nach der Entscheidung b e i m O b e r g e r i c h t eingelegt werden mußte (§ 46 GerO 1814). Die am 13. November 1820 m i t der Einsetzung des Oberappelationsgerichts der Hansestädte i n Kraft getretene bremische G e r i c h t s o r d n u n g v o m 9. N o v e m b e r 18208® hat hinsichtlich einer besonderen Zunft- oder Gewerbegerichtsbarkeit gegenüber der Gerichtsverfassimg von 1814 keine nennenswerten Änderungen herbeigeführt 90 .
Zweites
Kapitel
Der Einfluß der französischen Gerichtsverfassung auf die Entwicklung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit I. Politische Umwälzungen in den Jahren 1806—1810 Die selbständige Zunftgerichtsbarkeit fand auch i n Bremen i h r vorläufiges Ende während der f r a n z ö s i s c h e n Besatzungszeit. Bremen wurde am 20. November 1806 von den Franzosen besetzt. Die seinerzeit gültige Gerichtsverfassung blieb jedoch zunächst i n der alten Form bestehen, so daß der Senat noch am 20. Dezember 1806 bekanntgeben konnte, daß keinerlei Änderung i n der Justiz- und Finanzverwaltung eintrete. A m 10. D e z e m b e r 1810 wurde B r e m e n jedoch als „integrierender Bestandteil" d e m f r a n z ö s i s c h e n R e i c h e i n v e r l e i b t , und am 1. Junar 1811 das Departement Wesermündung errichtet m i t Bremen als Hauptstadt. Der Rat der Stadt Bremen wurde am 16. Februar 1811 aufgelöst und unter gleichzeitiger Einführung des französischen Gerichtswesens ein französischer Präfekt eingesetzt 91 . I L Auflösung der Zünfte und Einführung der Gewerbefreiheit Da das französische Recht a b s o l u t e G e w e r b e f r e i h e i t einräumte 9 2 , wurde diese m i t der Übernahme der französischen Gerichtsverfassung auch i n Bremen eingeführt. D i e Z ü n f t e wurden a u f g e l ö s t , wie die Franzosen auch sonst die Regelungen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens an ihre heimischen Verhältnisse anglichen. Jeder, der sich gegen Zahlung von wenigen Franken ein P a t e n t löste, d u r f t e s e i n H a n d w e r k s e l b s t ä n d i g b e t r e i b e n 9 8 . Nur die Bäcker und Fleischer behielten i n geringem Rahmen eine zunftmäßige Organisation, vermutlich bedingt dadurch, daß sie eine Kontrolle über 89 Bekanntmachungen über ihr Inkrafttreten sowie über modifizierende und ergänzende Bestimmungen: Sammlung der Verordnungen und Proclame des Senats der freyen Hansestadt Bremen 1820 S 94—96. 90 Vgl Hiemsch, S 86—89. 91 Hiemsch, S 55—56 mwN. 92 Branding, S 6. 98 Branding, S 14; vgl auch 1. Kap. unter 3. und 4.
III. Organisation und Aufgaben der französischen Fabrikengerichte
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die Lebensmittel ausübten. M i t der Auflösung der Zünfte war auch die T ä t i g k e i t d e r Z u n f t g e r i c h t e , dh der Gerichte der Morgensprachsherren und Inspektoren b e e n d e t . I I I . Organisation und Aufgaben der französischen Fabrikengerichte 94 I m Jahre 1806 hatten die Fabrikanten i n Lyon den Kaiser Napoleon auf seiner Durchreise durch ihre Stadt um Verleihung eines aus 5 Fabrikanten und 4 Werkstattmeistern bestehenden F a b r i k e n g e r i c h t s (conseil de prud'hommes) gebeten, nachdem i n Lyon bereits seit 1791 ein ähnliches, aus Unternehmern und Angestellten der Seidenindustrie gemischtes Gericht (tribunal commun) bestanden hatte. Napoleon kam diesem Wunsch nach, setzte sich insbesondere aber dafür ein, daß auch i n anderen Fabrikstädten Frankreichs ähnliche Gerichte errichtet wurden. Er bestimmte, daß künftig i n allen Fabrikstädten, i n denen es der Regierung zweckmäßig erschien, conseils de prud'hommes i m Wege der Verordnung einzurichten waren 9 5 . Gesetzliche Grundlagen dazu waren folgende Gesetze: a) L o i portant établissement d'un conseil de prud'hommes à Lyon vom 8. 3.1806. b) Décret impérial portant règlement sur les conseils de prud'hommes vom 11.6.1809/20. 2. 1810. c) Décret impérial 3. 8. 1810.
concernant la juridiction
des prud'hommes
vom
Weitere gesetzliche Bestimmungen folgten später. I m Jahre 1844 hatten 65 französische Städte conseils de prud'hommes 9Ö. Die Mitglieder der conseils waren i n Frankreich die einzigen Richter, die weder vom König ernannt noch von ihm eingesetzt waren. Ihr A m t erlangten sie allein durch ihre Wahl 9 7 . Sie waren j edoch nur für die Fabriken errichtet, dh sie waren nur z u s t ä n d i g f ü r i n F a b r i k e n b e s c h ä f t i g t e A r b e i t n e h m e r . Die Zuständigkeit dieses besonderen Gerichts war ferner durch den sachlichen Auftrag begrenzt, i m W e g e d e r G ü t e d i e 94 Eine nähere Darstellung der Rechtsform und der Aufgaben der französischen Fabrikengerichte erscheint zweckmäßig, weil diese im Jahre 1806 errichteten Gerichte für die Entwicklung der späteren Gewerbegerichte und damit der Arbeitsgerichte in Deutschland von erheblichem Einfluß gewesen sind. 95 Meissner, S 3—4; ähnlich Bahlcke, in: Kaskel, Die Arbeitsgerichtsbarkeit S 7—8; Joachim, S 8; vgl auch Wenzel, JZ 1965, 697. — Nach Joachim waren •— im Gegensatz zu Bahlcke — Richter des tribunal commun nur Fabrikanten. 99 Meissner, S 4. 97 Meissner, S 23—24.
4 Trinkhaus
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1. Teil, 2. Kap.: Der Einfluß der französischen Gerichtsverfassung
sich täglich ergebenden kleinen Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu s c h l i c h t e n . Das Schwergewicht lag bei der Tätigkeit des conseil dementsprechend nicht i n der Streitentscheidung, sondern i n dem Versöhnungsversuch, dem Versuch einer gütlichen Einigung zwischen den Parteien, der vor der V e r g l e i c h s k a m m e r (bureau de conciliation) stattfand. Gelang hier eine Einigung, so war der Streit erledigt; Kosten entstanden den Parteien nicht. Wenn keine Einigung erzielt werden konnte, so wurde der Streit an die E n t s c h e i d u n g s k a m m e r des conseil (bureau de jugement) abgegeben, die dann endgültig, ebenfalls kostenlos, entschied. Bei bestimmtem Streitwert 9 8 war das Hechtsmittel der appelation beim ordentlichen Handelsgericht des Arrondissements statthaft, falls ein solches nicht bestand, beim zuständigen Zivilgericht erster Instanz, und zwar innerhalb von 3 Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung. Das Entscheidungsverfahren vor dem bureau de jugement unterlag übrigens nicht den Formvorschriften des damaligen französischen Zivilprozesses. Die Parteien mußten jedoch persönlich erscheinen; nur bei Abwesenheit oder Erkrankung durften sie sich vertreten lassen 99 . Die Einrichtung des Lyoner conseil de prud'hommes, die sich offenbar von Anfang an bewährte, fand Verbreitung i n B e l g i e n , D e u t s c h l a n d , der S c h w e i z und O e s t e r r e i c h ; i n Deutschland wurden sie nach der französischen Besetzung insbesondere a u f d e m l i n k e n R h e i n u f e r errichtet. I n Aachen wurde 1808 auf deutschem Boden der erste „Rat der Gewerbeverständigen" eingesetzt, dem Köln 1811 folgte. Nach dem Erwerb des Rheinlandes ließ P r e u ß e n diese Gerichte nicht nur bestehen, sondern suchte ihnen i n abgewandelter Form als „Fabrikengerichte" weitere Ausbreitung zu verschaffen, namentlich i m Rheinland und Westfalen; seit 1846 führten diese Gerichte den Namen „Königliche Gewerbegerichte". I n B r e m e n sind Fabrikengerichte weder während noch nach der Franzosenzeit 100 errichtet worden, möglicherweise deshalb, w e i l die 98
Zunächst über 60, später über 100 Francs. Meissner, S 76—78; Joachim, aaO. 100 Zwar war ein französisches Handelsgericht (Cour de commerce) durch kaiserliches Dekret vom 31. 12. 1810 und durch Organisationsdekret vom 4. 7. 1811 errichtet worden. Das Handelsgericht hatte sich auch in einjähriger Tätigkeit als zweckmäßiges Mittel zu rascher Erledigung von Handelsstreitigkeiten (wahrscheinlich unter Einschluß von Arbeitsstreitigkeiten zwischen Kaufleuten und ihren Gehilfen) erwiesen (Näheres: W. von Bippen, Das französische Handelsgericht und die französische Handelskammer in Bremen, in: Brem-Jahrb 23. Bd 1911 S 161—171; Hiemsch, S 56—57, 60; Rosenthal, S 21—87). Für die Errichtung eines dem conseil de prud'hommes vergleichbaren Gerichts ist jedoch kein Anhalt gegeben; auch ist ein solches in 99
I I I . Organisation und Aufgaben der französischen Fabrikengerichte
51
Fabriken und überhaupt die Industrie i n Bremen zu Beginn des 19. Jahrhunderts keine erhebliche Rolle spielten. Was man i n der Stadt als I n dustrie bezeichnete, verdiente eigentlich diesen Namen nicht. So gab es um 1850 zwar über 200 Tabakfabriken, 85 Branntweinbrennereien; aber das waren fast alles Kleinbetriebe handwerklichen Charakters. Der Bremer Senat nahm auch gegenüber Bestrebungen nach Errichtung eines allgemeinen Gewerbegerichts i m Jahre 1837 eine ablehnende Haltimg ein, bis er sich zunächst i m Jahre 1849 zur Errichtung eines zentralen Gewerbegerichts ohne die Merkmale des conseil de prud'hommes und dann schon unter dem Einfluß der Reichsgesetze von 1877, unter Aufgabe früherer Bedenken, zur Einsetzung eines paritätisch besetzten Gewerbegerichts i n Bremen am 1. Januar 1878 entschloß. I V . Einfluß der Fabrikengerichte auf die spätere Entwicklung Die Entwicklung seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist von entscheidendem Einfluß auf den heutigen Rechtszustand geworden, weil die seinerzeit entwickelten Rechtsgrundsätze auch heute noch Gültigkeit haben. Denn der conseil de prud'hommes sah e r s t m a l i g eine p a r i t ä t i sche M i t w i r k u n g der am A r b e i t s l e b e n B e t e i l i g t e n bei der Entscheidung i m Beruf entstandener Streitigkeiten vor. Neu war auch der Gedanke des conseil, zunächst und v o r r a n g i g i m W e g e d e r G ü t e d e n S t r e i t a u s d e r W e l t z u s c h a f f e n . Schließlich hat auch der Grundsatz, i n Streitigkeiten geringeren Umfanges eine s c h n e l l e u n d e n d g ü l t i g e E n t s c h e i d u n g herbeizuführen, ihren Ursprung i n den Verfahrensvorschriften des conseil de prud'hommes. Alle diese Grundsätze sind (teilweise, wie bei der Zulassung der Berufung und der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache), i n verfeinerter Form, auch heute noch t r a g e n d e Grundsätze unseres heutigen arbeitsgerichtlichen V e r f a h r e n s . Darüber hinaus ist der segensreiche Einfluß hervorzuheben, den das bureau de conciliation — neben dem englischen board of conciliation and arbitration — auf die Einrichtung des E i n i g u n g s a m t e s bei den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten und später auf das deutsche S c h l i c h t u n g s w e s e n genommen hat 1 0 1 . In Bremen a l l e r d i n g s w u r d e n diese f o r t s c h r i t t lichen Gedanken erst a u ß e r o r d e n t l i c h spät verwirklicht. der „Verordnung, einige Abänderungen und Bestimmungen der noch bestehenden Französischen Gesetze und Formen betreffendvom 2. 12. 1813 — Sammlung der Verordnungen und Proclame des Senats der freyen Hansestadt Bremen 1813 S 33—36 — nicht erwähnt, toi v g l d a z u 4. Kap. unter I. 2. und 4.
4*
Drittes
Kapitel
Die bremischen Gewerbe- und Handelsgerichte bis zum Inkrafttreten des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 I. Erste Bestrebungen nach einer unabhängigen Rechtspflege I m Zusammenhang m i t der P a r i s e r J u l i - R e v o l u t i o n des Jahres 1830, die i n Deutschland allgemein revolutionsähnliche Strömungen verursachte, machten sich wie i n anderen norddeutschen Staaten so a u c h i n B r e m e n l i b e r a l e B e s t r e b u n g e n geltend. Schon die französichen Einrichtungen, die i n Bremen, während es dem französischen Reich einverleibt war, eingeführt worden waren und sich größtenteils bewährt hatten, hatten auch vielen Mitgliedern der Bürgerschaft gezeigt, wie weit der Stadtstaat Bremen hinter der von den Ideen der Aufklärung erfüllten Zeit zurückgeblieben war und wie wenig politische Rechte die Bürgerschaft tatsächlich besaß. Nicht zuletzt f o r d e r t e n die f r e i h e i t l i c h gesinnten Bürger eine grundleg e n d e R e f o r m d e r G e r i c h t s v e r f a s s u n g und insbesondere — i m Gegensatz zu der Ausübung auch der Rechtspflege durch den Senat — die T r e n n u n g v o n J u s t i z u n d V e r w a l t u n g i m Sinne der Gewaltenteilung, wie sie i n der Franzosenzeit seit dem 16. Februar 1811 i n Bremen bereits bestanden hatte 1 0 2 . II. Pläne für ein Gewerbe- und ein Handelsgericht Auch zur Einführung eines unabhängigen G e w e r b e - und H a n d e l s g e r i c h t s wurden während der langwierigen Verfassungsverhandlungen von 1831 bis 1837 bereits Vorschläge gemacht. Unter anderem wurde i n einem Verfassungsentwurf von 1837 103 die Errichtung eines aus vier Senatoren bestehenden G e w e r b e g e r i c h t s vorgesehen, das i n allen Gewerbestreitigkeiten entscheiden sollte, und zwar nunmehr sowohl über Eingriffe i n Gewerbeprivilegien als auch i n Streitigkeiten 1M
Zu alledem Hiemsch , S 55—67 mwN. loa v g l Bericht des infolge gemeinsamen Beschlusses vom 8. 2. 1831 der Verfassungsangelegenheiten halber niedergesetzten gemeinschaftlichen Ausschusses des Senats und der Bürgerschaft der freien Hansestadt Bremen, Anlage 18 zu Abschnitt V I , §§ 3 und 8, S 65: St AB — ad E. 13.c.
II. Pläne für ein Gewerbe- und ein Handelsgericht
53
wegen der Aufnahme in Ämter und Sozietäten sowie i n Streitfällen der Zunftgenossen untereinander hinsichtlich ihrer Gerechtsame 104 . Das Gericht sollte i m bremischen Gerichtsaufbau den Untergerichten gleichgestellt werden. Anlaß zur Planung des Gewerbegerichts gab die Zielsetzung, Justiz und Verwaltung klar voneinander zu trennen. Es bestand Übereinstimmung darin, daß die Gerichte der Morgensprachsherren, die gleichzeitig Verwaltungsbeamte der Zünfte waren, das Grundprinzip des Verfassungsentwurfs i n Frage stellen könnten. Auch sollte durch die Einrichtung eines Gewerbegerichts eine gleichmäßige Behandlung aller Amtsstreitigkeiten, die bei der Rechtsprechung verschiedener Morgensprachsherren und Inspektoren häufig nicht gegeben war, ermöglicht werden 1 0 5 . Der Plan zur Errichtung eines H a n d e l s g e r i c h t s hatte Senat und Bürgerschaft auf Veranlassung der letzteren schon seit 1817 mit dem Ergebnis beschäftigt, ein Handelsgericht nicht, wie i n Hamburg, als ordentliches, sondern a l s S c h i e d s g e r i c h t einzurichten 106 . Bei den Verfassungsverhandlungen von 1831 bis 1837 wurden die alten Entwürfe erneut aufgegriffen, wobei wiederum nur an ein unter dem Vorsitz eines Senators stehendes Schiedsgericht gedacht wurde, berufen zur Vermittlung i n Handelsstreitigkeiten und, falls sich beide Parteien dem Spruch des Handelsgerichts unterwarfen, auch zu ihrer Entscheidung 107 . Das geplante Schiedsgericht ist aber niemals gegründet worden. Wie der auf die konservativen Ansichten des Senats abgestimmte Verfassungsentwurf überhaupt 1 0 8 , erledigten sich auch die Vorschläge zur Erweiterung und Verbesserung der Gerichtsverfassung durch „ L i e g e n b l e i b e n B e i der überwiegend reaktionären Einstellung des Senats, der nicht ernstlich gew i l l t war, auch nur einen Teil seiner Machtstellung aufzugeben 109 , war die Einrichtung von Arbeitsgerichten nach dem französischen Beispiel des conseil de prud'hommes schon gar nicht zu erwarten.
Ähnlich Hiemsch, S 96—97. So die Begründung für das Gewerbegericht im Verfassungsbericht von 1837 S 73; Hiemsch, S 97. loe Gutachten und Protokolle der Verhandlungen, in: StAB — Qq.lO.H.2.; Hiemsch, S 97. io7 Verfassungsbericht von 1837 S 74; weitere Einzelheiten bei Hiemsch, S 98—99. los D e r Verfassungsentwurf wurde bei Donandt, Zur Geschichte der Demokratie in der bremischen Verfassung (1848) S 39 mit den Worten: „Souveränität des Senats in einzelnen Zweigen der Staatsgewalt durch eine bürgerliche Aristokratie beschränkt" charakterisiert. loo V g l Hiemsch, S 58—59, 66—67, 98—99. 1 M
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1. Teil, 3. Kap.: Die bremischen Gewerbe- und Handelsgerichte bis 1890 m . Errichtung des Handelsgerichts Bremen im Jahre 1845
Von dem ganzen Werk des Verfassungsentwurfs nahm die Bürgerschaft sechs Jahre später allein den Plan des H a n d e l s g e r i c h t s wieder auf 1 1 0 . Nach dem Aufblühen des bremischen Handels und Schiffsverkehrs, die sich seit 1830 allmählich auf die Neue Welt ausgedehnt hatten, mußte gerade ein für Handelssachen zuständiges, sachgerecht zusammengesetztes Gericht ohne Frage als notwendig erscheinen 111 . Der Senat nahm jetzt den Vorschlag der Bürgerschaft auf, sprach sich aber dafür aus, das Handelsgericht den ordentlichen Gerichten erster Instanz gleichzuordnen. Nach Kommissionsberatungen und Verhandlungen m i t der Bürgerschaft 112 wurden die Handelsgerichts-Ordnung der Freien Hansestadt Bremen (HGO) und die Bildung des Handelsgerichts mit Wirkung vom 2. September 1845 vom Senat am 16. Juni 1845 bekanntgemacht 118 . Das Gericht bestand aus zwei rechtsgelehrten Mitgliedern des Senats und sieben gewählten Kaufleuten der bremischen Börse. Zur Entscheidung einer Sache war nur die Teilnahme eines Senators und zweier kaufmännischer Beisitzer an der Verhandlung erforderlich. Sachlich z u s t ä n d i g war das Gericht gemäß § 18 Buchst d HGO ua auch für „Streitigkeiten zwischen Kaufleuten, Detailhändlern, Bankiers und Maklern einerseits und ihren Geschäftsvorstehern, Buchhaltern, Commis, Lehrburschen und sonstigen in ähnlichen Verhältnissen zu ihnen stehenden Personen andererseitswährend Dienststreitigkeiten zwischen Fabrikanten oder Handwerkern und ihrem Arbeitspersonal ausdrücklich ausgeschlossen waren. Nach § 18 Buchst f HGO war das Handelsgericht ferner zuständig für „Streitigkeiten aus Verträgen zwischen Schiffer und Schiffsvolk sowie zwischen diesen und dem RhederIn § 26 HGO war überdies i m Interesse der Beschleunigung grundsätzlich die M ü n d l i c h k e i t des V e r f a h r e n s angeordnet. Aus den Tätigkeitsberichten des Handelsgerichts 114 , das alsbald m i t zwei verschiedenen Kammern tätig werden mußte, ergibt sich die Bewährung und Notwendigkeit des Gerichts 115 , wenn auch seine einseitige Besetzung m i t Kaufleuten als Beisitzern jedenfalls für die Arbeitsstreitigkeiten des kaufmännischen und seemännischen Personals noch nicht den Grundsatz der paritätischen M i t w i r k u n g von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an der Rechtsprechung verwirklichte. 110 Auszug aus den Verhandlungen des Bürgerconvents vom 12. 5. 1843, in: StAB — Qq.lO.H.3. 111 Vgl auch Hiemsch, S 99. 112 Auszug aus dem Senatsprotokoll vom 14. 2. 1844, in: StAB — Qq. 10.H.3. 118 Sammlungen der Verordnungen und Proclame des Senats der freien Hansestadt Bremen 1845, S 30. 114 Z u Qq.lO.H.5. 115 Vgl im einzelnen Hiemsch, S 99—102.
IV. Gewerbegerichte in Bremen von 1849 bis 1890
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I V . Gewerbegerichte im Bremen in der Zeit von 1849 bis zum Inkrafttreten des Gewerbegerichtsgesetzes von 1890 1. Errichtung
eines zentralen Gewerbegerichts im Jahre 1849
N a c h d e r i m M ä r z 1848 i n B r e m e n a u s b r e c h e n d e n R e v o l u t i o n w u r d e der alte a r i s t o k r a t i s c h - r e p u b l i kanische Stadtstaat endlich durch einen demok r a t i s c h e n R e c h t s s t a a t e r s e t z t 1 1 Ä . Die „Verfassung des Bremischen Staats" vom 21. März 1849 117 , die an die Stelle der bisher gültigen „Neuen Eintracht" von 1534 trat, verwirklichte erstmalig die G e w a l t e n t e i l u n g , indem sie dem Senat die Justizhoheit und seinen Mitgliedern, den Senatsrichtern, die richterliche Gewalt entzog und auf besondere richterliche Behörden m i t auf Lebenszeit gewählten, i n der Regel rechtsgelehrten Richtern (Richterkollegium) übertrug (Art. 4, 71—83). Die Gerichte der Morgensprachsherren und Inspektoren waren zwar zunächst aufrechterhalten geblieben und ihre Aufgaben, soweit sie Justizsachen betrafen, Mitgliedern des Richterkollegiums anvertraut worden 1 1 8 . Aber schon i m Mai 1849 wurde beschlossen, anstelle der zahlreichen Zunftgerichte ein z e n t r a l es G e w e r b e g e r i c h t zu schaffen 1 1 9 . Durch obrigkeitliche Verordnung von 15. Juni 1849 120 wurde dann endgültig für die bisher vor den Morgensprachen und Inspektionen verhandelten Rechtssachen (Justizsachen) ein ständiges Gewerbegericht aus M i t g I i e d e r n des R i c h t e r k o l l e g i u m s gebildet (§ 1). Es hatte regelmäßige Sitzungen i n den gewöhnlichen Gerichtslokalen abzuhalten und dabei die für die Morgensprachen und Inspektionen i n der Gerichtsordnung von 1820 enthaltenen Vorschriften anzuwenden (§ 2). Diese Aufgaben wurden auf vier Richter des Kollegiums verteilt 1 2 1 . 2. Auflösung
des Gewerbegerichts
im Jahre 1863
Die Tätigkeit des Gewerbegerichts war in dieser Form nicht von langer Dauer. Denn die Anzahl der anhängigen Streitsachen wurde von Jahr zu Jahr geringer, und n a c h E i n f ü h r u n g d e r G e w e r b e f r e i h e i t am 4. A p r i l 1861 v e r l o r d a s G e r i c h t s e i n e n W i r k u n g s k r e i s f a s t , g ä n z l i c h . So war i m Jahre 1862 überhaupt ne Vgl Hiemsch, S 104—114. BremGBl S 38. 118 § 2 Abs 2 des Nebengesetzes V zur Verfassung von 1849, die richterlichen Behörden betreffend — BremGBl S 102. 119 Verhandlungen zwischen dem Senat und der Bürgerschaft 1849, S 399 bis 400, 409. 117
120 121
BremGBl S 217. Hiemsch, S 110.
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1. Teil, 3. Kap.: Die bremischen Gewerbe- und Handelsgerichte bis 1890
nur noch ein einziger Rechtsstreit zur Entscheidung gelangt 1 2 2 . Da die Zunftstreitigkeiten durch die Einführung der Gewerbefreiheit somit i m wesentlichen ihr Ende gefunden hatten, die zur Zuständigkeit des Gewerbegerichts gehörenden arbeitsrechtlichen Streitigkeiten aber selten und geringfügiger geworden waren, hatte das Gewerbegericht selbst seine Aufhebung beantragt. Senat und Bürgerschaft waren mit der Aufhebung des Gewerbegerichts einverstanden. Durch obrigkeitliche Verordnung vom 20. A p r i l 1863 128 wurde das Gericht dann auch formell aufgelöst, weil die Gründe für das Bestehen eines besonderen Gewerbegerichts weggefallen seien. Die beim Gewerbegericht noch anhängig gewesenen Sachen gelangten zur Verhandlung und Entscheidung an die nach Gegenstand bzw Streitwert dafür zuständigen Gerichte. Die für die Gerichte der Morgensprachen und Inspektionen geltenden Verfahrensordnungen wurden aufgehoben, so daß die nunmehr zuständigen Gerichte auch insoweit die für ihr Verfahren geltenden gesetzlichen Vorschriften zu befolgen hatten. 3. Neuschaffung eines Gewerbegerichts im Jahre 1878 a) Errichtung I m Jahre 1866 schloß sich Bremen dem Norddeutschen Bund an und ging bald darauf m i t diesem zusammen i m Deutschen Reich auf. Nach dem Vorgang anderer deutscher Staaten machte Bremen — schon unter dem Einfluß der Reichsgesetzgebung von 1877 — von der in der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. Juni 1869 (BGBl S 245) und späteren Reichsgewerbeordnung (§ 108) erteilten Anregung und Ermächtigung zur Errichtung besonderer Behörden für die Schlichtung und Entscheidung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten Gebrauch. Durch Gesetz, betreffend die Einsetzung eines Gewerbegerichts vom 30. September 1877 (BremGBl S 83) (BremGewGG 1877) wurde m i t dem 1. Januar 1878 ein G e w e r b e g e r i c h t f ü r d i e S t a d t B r e m e n u n d d a s L a n d g e b i e t e r r i c h t e t . Insbesondere das Wahlverfahren der Arbeitnehmerbeisitzer ordnete das Regulativ vom 15. November 1877 (BremGBl S 112). Das Gewerbegericht war einziges bremisches Gericht, das gemäß § 14 Nr. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 (RGBl S 41) reichsrechtlich zugelassen w a r 1 2 4 . Es wirkte m i t geringen Abänderungen durch das Regulativ vom 9. März 1886 (BremGBl S 80) und das Gesetz vom 17. A p r i l 1887 (BremGBl S 41) bis zur Einführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 in Bremen und bestand dann als Gewerbegericht iS des GewGG 1890 weiter. 122
K.2.a. 118 t u
Geschäftsbericht des Gewerbegerichts Bremen, in: StAB 2 — Qq.10. BremGBl 1863 S 38. Dersch-Volkmar, 4. Aufl, S 15; Hiemsch, S 125—126.
IV. Gewerbegerichte in Bremen von 1849 bis 1890
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b) Zuständigkeit Ausschließlich zuständig war das Gewerbegericht nach § 1 BremGewGG 1877 zur Entscheidung b e s t i m m t e r arbeitsr e c h t l i c h e r S t r e i t i g k e i t e n der s e l b s t ä n d i g e n Gewerbetreibenden mit ihren Gesellen, Gehilfen, A r b e i t e r n und L e h r l i n g e n sowie der F a b r i k i n h a b e r m i t i h r e n F a b r i k a r b e i t e r n . Die Streitigkeiten mußten betreffen: 1. den Antritt, die Fortsetzung oder Aufhebung des Arbeits- oder Lehrverhältnisses, 2. die gegenseitigen Leistungen aus dem Arbeits- oder Lehrverhältnis, 3. die Erteilung oder den Inhalt von Zeugnissen a) für Gesellen, Gehilfen und Fabrikarbeiter über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung sowie ihre Führung, b) für Lehrlinge über die Dauer der Lehrzeit, ihr Betragen sowie ihre erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten. Auf Gehilfen und Lehrlinge der Apotheken und Kaufleute sowie auf Werkmeister i n Fabriken fanden die Bestimmungen des Gesetzes keine Anwendung (§ 19). c) Besetzung Das Gewerbegericht bestand aus einem V o r s i t z e n d e n u n d seinem S t e l l v e r t r e t e r , die beide M i t g l i e d e r d e s S e n a t s — ohne Befähigung zum Richteramt — sein mußten, sowie aus j e 12 A r b e i t g e b e r n u n d A r b e i t n e h m e r n a l s B e i s i t z e r n (§ 2). Die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters erfolgte durch den Senat (§ 8). Die Beisitzer waren nach einem besonderen Verfahren 1 2 5 zu wählen. Die E n t s c h e i d u n g e n wurden d u r c h d e n V o r s i t z e n d e n u n d m i n d e s t e n s 2 B e i s i t z e r getroffen, wobei es dem Vorsitzenden jedoch freistand, in dazu geeigneten Fällen mehr als 2 Beisitzer hinzuzuziehen. I n jedem Falle mußte die P a r i t ä t gewahrt bleiben (§ 10). Vorsitzende des Gewerbegerichts waren: 1878—1889 Senator Plump 1890—1892 Senator Stadtländer. d) Verfahren Die Parteien konnten sich entweder freiwillig vor dem Gericht zur Entscheidung ihrer Streitigkeiten einfinden, oder die klagende Partei konnte die Vorladung der anderen erwirken, wobei die erste Vorladung 125 §§ 4—8 BremGewGG 1877 in Verbindung mit dem Regulativ vom 15. 11. 1877 — BremGBl S 112.
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1. Teil, 3. Kap.: Die bremischen Gewerbe- und Handelsgerichte bis 1890
des Beklagten bei einer Strafe bis zu 5,— M und die zweite unter der Androhung zu erlassen war, daß dem Antrag der vorladenden Partei gemäß nach Sachlage entschieden werde. Erschien jedoch die Partei, welche die Vorladung beantragt hatte, nicht zum Termin, und hatte sie auch nicht rechtzeitig die Zurücknahme ihres Antrages auf Vorladung angezeigt, so verfiel sie in eine Strafe bis zu 10,— M (§ 11). Die Verhandlung selbst war „summarisch, öffentlich und mündlichEine Vertret u n g der Parteien d u r c h A n w ä l t e war grundsätzlich a u s g e s c h 1 o s s e n. I n Fällen der Verhinderung konnte das Gericht eine Vertretung durch geeignete Fachgenossen oder m i t den Verhältnissen bekannte Vertreter aus dem Geschäftspersonal der Partei zulassen (§ 12). Das G e r i c h t war v e r p f l i c h t e t , z u n ä c h s t e i n e n V e r g l e i c h zwischen den Parteien z u v e r s u c h e n , eine Bestimmung, die durchaus dem Sinn und dem Wesen der heutigen Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht entspricht. Kam ein Vergleich nicht zustände, so hatte das Gericht die E n t s c h e i d u n g n a c h f r e i e r Ü b e r z e u g u n g zu fällen, nachdem die von i h m als zweifelhaft erachteten wichtigen Tatsachen durch die nötigen Beweismittel, namentlich durch Augenschein, Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen, festgestellt worden waren. I n Sachen, deren Entscheidung eine besondere Sachkenntnis erforderte, sollten — i m Sinne der Parität — zwei Sachverständige, je ein Arbeitgeber und ein Arbeitnehmer, m i t beratender Stimme zu der Verhandlung hinzugezogen werden können (§ 13). Alle E n t s c h e i d u n g e n des Gewerbegerichts waren e n d g ü l t i g und nur m i t der N i c h t i g k e i t s b e s c h w e r d e innerhalb von 14 Tagen nach Mitteilung der Entscheidung anfechtbar, über welche die aus 3 Senatoren bestehende R e k u r s b e h ö r d e i n G e w e r b e s a c h e n entschied (§ 17). e) Besonderheiten Das Verfahren vor dem Gewerbegericht war zwar „stempelfrei Doch wurden außer der Erstattung von Auslagen, namentlich für Zeugen und Sachverständigen schon G e b ü h r e n erhoben, und zwar für die Ladung durch den Gerichtsboten und für die erste Anmeldung einer Sache je 50 Pfennige, für die Entscheidung des Gerichts nach dessen Bestimmung 50 Pfennige bis 10,— M, bei Abschriften 20 Pfennige für jede Seite. Das Gericht konnte jedoch — entsprechend den heutigen Armenrechtsbestimmungen — „unter geeigneten Umständen" die der Staatskasse zukommenden Gebühren erlassen (§ 16). Besonderem Interesse w i r d die materiell-rechtliche und prozessuale Bestandteile enthaltende Bestimmung des § 14 BremGewGG 1877 für Fälle w i d e r r e c h t l i c h e r E n t l a s s u n g und w i d e r r e c h t l i c h e r Arbeitse i n s t e l l u n g begegnen:
IV. Gewerbegerichte in Bremen von 1849 bis 1890
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„In Fällen widerrechtlicher Entlassung eines Gesellen, Gehülfen, anderen Arbeitnehmers oder Lehrlings abseiten des Arbeitgebers, sowie widerrechtlicher Einstellung der Arbeit abseiten eines Gesellen, Gehülfen oder anderen Arbeitnehmers und widerrechtlichen Verlassens der Lehre abseiten eines Lehrlings hat das Gericht den schuldig Befundenen zu verurtheilen, entweder den Entlassenen wieder aufzunehmen, bezw. in das Arbeits- oder Lehrverhältniß zurückzukehren, oder eine vom Gericht von Amts wegen festzusetzende Entschädigungssumme zu bezahlen. Falls diese Entschädigung nicht sofort genügend sicher gestellt wird, ist auf Antrag des Klägers dem Beklagten die Wiederaufnahme des Entlassenen, bezw die Rückkehr in das Arbeits- oder Lehrverhältniß bei Haft bis zu drei Tagen, im Fall fortgesetzten Ungehorsams bei einer wiederholten Haft bis zu vierzehn Tagen aufzuerlegen Wenn die Vorschrift auch Vorbilder i n der GewO und i n den Gewerbegerichtsgesetzen anderer deutscher Staaten hatte, so erinnert sie doch heute zT an § 7 KSchG über die Festsetzung einer A b f i n d u n g bei unbegründeter Kündigung. f) Geschäftsgang Ein anschauliches B i l d von dem Geschäftsgang des Gewerbegerichts während der gesamten Zeit seines Bestehens vermittelt die folgende Übersicht nach der A r t der Erledigung der anhängigen Rechtssachen 126 :
Jahr 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 127 Insgesamt 128
I.C.2. 127
Verhandelt
Streit. Urt.
Erledigt durch Vergleich
Sonst. Erl.
232 180 205 178 171 164 215 192 236 235 310 427 570 421 125
124 67 56 44 36 47 47 52 70 94 124 167 121 53 19
95 85 103 104 89 86 123 100 99 78 97 147 268 229 69
13 28 46 30 46 33 45 40 67 63 89 113 181 139 37
3861
1119
1772
970
Nach den Geschäftsberichten des Gewerbegerichts, in: St A B 2 — S.l. Vom 1. 1. bis 28. 3. 1892.
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1. Teil, 3. Kap.: Die bremischen Gewerbe- und Handelsgerichte bis 1890
I m Durchschnitt dieser 1474 Jahre ergibt sich, daß r d 28,9 % der Streitsachen durch streitiges Urteil, 45,9 °/o durch Vergleich und 25,2 °/o i n sonstiger Weise erledigt wurden. Das Gewerbegericht tagte regelmäßig jede Woche einmal. 36,6 %> der Klagen betrafen Lohnrückstände, 47,1 °/o K ü n digungsfristen und 6,1 °/o beides zusammen. Nur 6 unerledigte Klagen wurden i m Jahre 1892 an das Gewerbegericht neuer A r t abgegeben. g) Bedeutung Es kann hier dahinstehen, ob das Gewerbegericht Bremen nach dem BremGewGG 1877, insbesondere wegen seiner Besetzung durch einen Senator als Vorsitzenden 128 und wegen des Rechtsmittelzuges an eine mit 3 Senatoren besetzte Rekursbehörde i n Gewerbesachen als „Arbeitsschiedsgericht" 129 oder als Arbeitsgericht anzusehen war. I n jedem Falle lag die entscheidende Bedeutung des BremGewGG 1877 darin, daß i n Bremen erstmalig, wenn auch wieder nur i m Anschluß an die allgemeine Rechtsentwicklung i m Deutschen Reich 130 , zur Regelung von Streitigkeiten aus gewerblichen Arbeitsverhältnissen ein Gericht unter g l e i c h b e r e c h t i g t e r M i t w i r k u n g s a c h k u n d i g e r , soz i a l e r V e r t r a u e n s m ä n n e r aus K r e i s e n der A r b e i t g e b e r u n d d e r A r b e i t n e h m e r geschaffen wurde.
128
Schon die Verfassung von 1849 hatte ebenso wie die vom 21. 2. 1854 — BremGBl S 7 — die rechtsprechende Gewalt dem Richterkollegium übertragen. 129
So Dersch-Volkmar,
180
Ähnlich Hiemsch, S 126.
4. Aufl, S 15.
Viertes Kapitel
Die Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 I. Neuregelung der Gewerbegerichtsbarkeit 1. Vorgeschichte
des Gewerbegerichtsgesetzes
Die fortschreitende industrielle Entwicklung, die zunehmende Zahl der Arbeitnehmer und die weitere Ausbildung der arbeitsrechtlichen Sondervorschriften förderten Ende des vorigen Jahrhunderts i n weiten Bevölkerungskreisen das V e r l a n g e n n a c h e i n e r besonderen A r b e i t s g e r i c h t s b a r k e i t , d i e den B e d ü r f n i s s e n des A r b e i t s l e b e n s e n t s p r a c h 1 8 1 . Dabei muß man sich vor Augen halten, daß die unzureichenden, nicht mehr zeitgemäßen Normen des i n jener Zeit geltenden Rechts weder der damaligen sozialen Lage des Arbeiters gerecht wurden noch die juristischen, soziologischen und sozialpolitischen Besonderheiten der Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis berücksichtigten. Denn der Arbeitsstreit unterschied sich soziologisch und sozialpolitisch vom bürgerlichen Rechtsstreit insbesondere dadurch, daß er einem beonderen wirtschaftlichen Verhältnis, dem Arbeitsverhältnis, entsprang und daß die Kontrahenten auf unterschiedlicher sozialer Machtstufe standen 182 . Auch war das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten langsam, durch Formalien des schwerfälligen gemeinrechtlichen Aktenprozesses umständlich und auch teuer. Die Richterschaft war überdies i n jenen Zeiten m i t den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses kaum vertraut, entstammte auch überwiegend einer anderen sozialen Schicht als der der Rechtsuchenden, was das Verstehen der Nöte der Arbeiterschaft jedenfalls sehr erschwerte und den Eindruck einer unsozialen Rechtsprechung erweckte. Infolgedessen begegneten die Arbeiter — berechtigt oder nicht — der staatlichen Justiz und dem rechtsgelehrten Richter mit wachsendem Mißtrauen 1 8 3 . 131 Hueck-Nipperdey, 1./2. Aufl, Bd I I S 602; Joachim , Arbeitsgerichtsbarkeit, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl, Erg-Bd, S 9; Sinzheimer , Arbeitsgerichtsbarkeit, in: Die Beamten-Hochschule, Bd I S 1246. 132 v g l j m einzelnen Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd I S 52—53; Ebel I I S 20—21, 24. iss Regierungsentwurf eines ArbGG nebst amtlicher Begründung (1925) S 53 = GewuKfmG 1924/25, 499; Galperin , Die Arbeitsgerichtsbarkeit als be-
62 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 Die aufkommende Arbeiterbewegung verlangte daher die Errichtung einer besonderen Gewerbegerichtsbarkeit, um d e m A r b e i t e r e i n e g r ö ß e r e M ö g l i c h k e i t zu g e b e n , s e i n e K l a g e n aus dem A r b e i t s v e r h ä l t n i s ohne großen Kostenaufwand und in einem für ihn verständlichen, einfachen und schnellen Verfahren unter paritätischer Mitwirkung sachkundiger, sozialer Vert r a u e n s m ä n n e r aus K r e i s e n der A r b e i t g e b e r und d e r A r b e i t n e h m e r d u r c h z u f e c h t e n . Aber auch andere Kreise begannen, den Gedanken aufzunehmen, u m nach dem Vorbild Frankreichs und anderer aufstrebender Industrieländer eine Einrichtung zur Wahrung und Wiederherstellung des durch Einzel- und Gesamtstreitigkeiten oftmals bedrohten Arbeitsfriedens zu schaffen 134 . Dem lag die wirtschaftliche Einsicht zugrunde, daß auch der Arbeitgeber und nicht zuletzt der Staat ein hohes Interesse an einer die Wirtschaft vor Schaden bewahrenden friedlichen Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten haben muß 1 3 5 . Diese Erkenntnis war schließlich für die Reform entscheidend und führte, nachdem mehrfache, teils von der Regierung teils vom Reichstag ausgehende Versuche zur gesetzlichen Neuregelimg i n den Jahren 1873, 1874 und 1878 zunächst vergeblich geblieben waren 1 3 6 , zur Verabschiedung des Reichsgesetzes, betreffend die Gewerbegerichte vom 29. J u l i 1890 (RGBl S 141) (GewGG) durch den Reichstag, das später durch die Novelle vom 29. J u l i 1901 (RGBl S 249, Neufassung unter dem 29. September 1901 bekanntgemacht — RGBl S 353) wesentlich erweitert wurde. Zweifellos ist m i t dem GewGG der geschichtlich entwickelte und überlieferte, sachbezogene G e d a n k e e i n e r b e s o n d e r e n A r b e i t s g e r i c h t s b a r k e i t i n Deutschland zum Durchbruch gelangt 1 8 7 . Die so geschaffene G e w e r b e g e r i c h t s b a r k e i t erwarb sich sehr bald eine ziemlich a l l g e m e i n e B e l i e b t h e i t . Auch weite Kreise der Arbeitgeber erkannten die Bedeutung einer schleunigen, billigen und sondere Gerichtsbarkeit, BetrVerf 1947, 81, 85; Duden, JZ 1956, 644; Lengler, JZ 1957, 79; Wenzel, JZ 1965, 698; über die außerordentlichen Mängel der ZPO von 1877 vgl namentlich Baumbach-Lauterbach, ZPO, 26. Aufl, Einl S 1. 184 Joachim, aaO. 135
Friese, S 30. Bahlcke, Geschichtliche Grundlagen der Arbeitsgerichtsbarkeit bis zum Kriege, in Kaskel, Die Arbeitsgerichtsbarkeit (1929) S 12—13; Haas GewGG, 2. Aufl, S 5—6. Nach dem — im Kern zutreffenden, aber übertriebenen — Bericht der Reichstagskommission über den sozialdemokratischen Antrag (RT-Drucks 1886 N r 122) waren die Gewerbegerichte hervorgegangen aus einem „tiefwurzelnden historischen Recht der deutschen Volksstämme, die im Beruf entstandenen Streitigkeiten durch ebenbürtige Standes- und Fachgenossen zur Entscheidung zu bringen". 187 Sinzheimer, S 1246; vgl auch Galperin, BetrVerf 1947, 81. 189
IV. Gewerbegerichte in Bremen von 1849 bis 1890 einfachen Arbeitsrechtspflege für die Entwicklung des Wirtschaftslebens 138 . Überhaupt w i r d i n dem GewGG der H ö h e p u n k t d e r s o z i a l p o l i t i s c h e n Ä r a d e r n e u n z i g e r J a h r e des vorigen Jahrhunderts unter Führung des Staatsministers Freiherr von Berlepsch gesehen 189 . Wie bedeutsam sich das GewGG i n sozialer Hinsicht tatsächlich ausgewirkt hat, ist der Stellungnahme eines unabhängigen Zeitgenossen, des Hagener Oberbürgermeisters Cuno 1 4 0 , zur ersten Statistik der Gewerbegerichte für das Jahr 1896 zu entnehmen: „Die Zahlen über den Streitwert zeigen, daß es sich bei den gewerblichen Streitigkeiten vorwiegend um geringe Objekte handelt, die an die ordentlichen Gerichte zu bringen wegen der damit verbundenen Mühe und Kosten sich kaum lohnen würde. Die Gewerbegerichte haben es den Arbeitern erst möglich gemacht, die ihr Erwerbsleben betreffenden Streitigkeiten zur gerichtlichen Entscheidung zu bringenU1, während sie früher meist stillschweigend die Bestimmung des Arbeitgebers als unabänderlich hinnehmen mußten. Im Haushalt der Arbeiter spielen auch die kleinen Beträge, um die es sich hier handelt, eine Rolle 142. Auch der Aufgabe schleuniger Erledigung der Prozesse wurden die Gewerbegerichte gerecht. 57 °/o sind in der 1. Woche nach der Klageerhebung erledigt worden; nur 17,6°/o erforderten mehr als 2 Wochen.« 2. Inhalt
des Gewerbegerichtsgesetzes
Das Gewerbegericht war zuständig für die Entscheidung von Arbeitsstreitigkeiten zwischen gewerblichen Arbeitern und niedrig entlohnten technischen Angestellten einerseits und ihren Arbeitgebern andererseits (§ 1 Abs 1 GewGG). Es war obligatorisch bei Gemeinden über 20 000 Einwohner (§ 2), sonst fakultativ. D i e E r r i c h t u n g d e s G e w e r b e g e r i c h t s w a r S a c h e d e r G e m e i n d e ( § 1 Abs 2). Es bestand aus einem Vorsitzenden (§ 10 Abs 1) und etwaigen Stellvertretern sowie den ehrenamtlichen Beisitzern, je zur Hälfte aus Kreisen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Die Vorsitzenden wurden durch den M a g i s t r a t o d e r durch die G e m e i n d e v e r t r e t u n g auf mindestens ein Jahr gewählt (§ 12 Abs 2). Die A r b e i t g e b e r - u n d A r b e i t 188
Joachim, S 10. Sinzheimer, aaO; vgl auch L. Heyde, Abriß der Sozialpolitik, 11. Aufl, S 37—39. 140 Cuno, GewG 1896/97, 84; vgl auch denselben, Aus den Entwicklungsjahren des Gewerbegerichtsverbandes, ArbG 1928, 101—106. 141 Ebenso Sinzheimer, S 1246. 148 Nach der Statistik der deutschen Gewerbegerichte für 1896, GewG 1896/97, 81—96, waren 36,— bis 48,— M der durchschnittliche Arbeitslohn für 2 Wochen, der gewöhnliche Streitwert der gewerbegerichtlichen Klagen. 189
64 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 n e h m e r b e i s i t z e r waren i n getrennten Wahlgängen unmittelbar und geheim z u w ä h l e n (§ 13 Abs 2). Das Gericht verhandelte und entschied regelmäßig i n der Besetzung m i t dem Vorsitzenden, einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmerbeisitzer; doch konnte durch Ortsstatut die Zuziehung einer größeren Anzahl von Beisitzern allgemein oder für gewisse Streitigkeiten auf paritätischer Grundlage angeordnet werden (§ 24). Der Vorsitzende erließ i n der Regel die nicht auf Grund mündlicher Verhandlung ergehenden Beschlüsse und Verfügungen allein (§ 53 Abs 1). Er konnte i m ersten Termin ohne Zuziehung der Beisitzer einen S ü h n e v e r s u c h machen, Anerkenntnis- und Versäumnisurteile erlassen und selbst auf Antrag der Parteien und, wenn dies sofort geschehen konnte, allein entscheiden (§ 45 Abs 4), Bestimmungen, die heute zum Teil i n § 55 ArbGG 1953 enthalten sind. R e c h t s a n w ä l t e und Prozeßagenten waren — i m Interesse der Schnelligkeit und Billigkeit des Verfahrens — als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände a u s g e s c h l o s s e n (§ 31). A n den ordentlichen Gerichtstagen konnten die Parteien auch ohne vorherige Ladung und Terminsbestimmung erscheinen. Die Klage war i n diesem Falle mündlich zu erheben (§ 37) 148 . Sonst erfolgte die Ladung von Amts wegen (§ 35 Abs 1). Die Zustellung der Ladung mußte — wiederum zur Beschleunigung des Verfahrens — spätestens am Tage vor dem Termin erfolgen (§ 35 Abs 2). Bei einem 100,— M übersteigenden Streitwert fand die B e r u f u n g an das L a n d g e r i c h t statt. Das Gewerbegericht konnte außerdem entsprechend dem französischen Beispiel des conseil de prud'hommes Ui zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme von Arbeitsverhältnissen als E i n i g u n g s a m t unter Hinzuziehung von Vertrauensleuten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer i n gleicher Zahl tätig werden (§§ 62—74). Es war ferner auf Ansuchen von Staatsbehörden oder des Vorstandes des Kommunalverbandes, für den es errichtet war, verpflichtet, G u t a c h t e n über gewerbliche Fragen abzugeben. Schließlich war es auch selbst berechtigt, i n gewerblichen Fragen A n t r ä g e an Behörden, an Vertretungen von Kommunalverbänden und an die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesstaaten oder des Reichs zu richten (§ 75).
143
Ähnlich nach § 500 ZPO. Der conseil bestand aus einem zur bureau de conciliation und einem für die bureau de jugement; vgl Joachim, S 8. Auch of conciliation and arbitration hat offenbar Siehe auch 2. Kap. I I I . 144
gütlichen Einigung bestimmten Streitentscheidung zuständigen das englische Beispiel des board mitgewirkt: Haas, § 62 Anm 1.
I I . Durchführung des Gewerbegerichtsgesetzes in Bremen
65
I L Durchführung des Gewerbegerichtsgesetzes in Bremen 1. Allgemeines Der Senat erließ i m Einverständnis m i t der Bürgerschaft der Freien Hansestadt Bremen das Gesetz, betreffend das Gewerbegericht i n Bremen, vom 6. März 1892 (BremGBl S 15) (BremAusfG). Durch dessen § 1 wurden, wie es dort heißt, für das Gewerbegericht der Stadt Bremen und das Landgebiet unter Aufhebung der Gesetze vom 30. September 1877 (BremGBl S 83) und vom 17. A p r i l 1887 (BremGBl S 41) sowie der Regulative vom 15. November 1877 (BremGBl S 112) und vom 9. März 1886 (BremGBl S 80) die maßgeblichen Vorschriften des — als Anlage abgedruckten — GewGG mit näheren Bestimmungen i n Geltung gesetzt. Damit galt das am 1. Januar 1878 für die Stadt Bremen und das Landgebiet eingesetzte Gewerbegericht als Gewerbegericht iS des GewGG. V o r s i t z e n d e und stellvertretende Vorsitzende des Gewerbegerichts waren nicht mehr Mitglieder des Senats, sondern R i c h t e r d e s A m t s - o d e r L a n d g e r i c h t s B r e m e n (§ 2 BremAusfG). Damit stellte sich Bremen gemeinsam mit den Hansestädten Hamburg und Lübeck i n G e g e n s a t z z u d e n ü b r i g e n S t ä d t e n , i n denen die Gewerbegerichte zwar ebenfalls als Gemeindegerichte errichtet, aber nicht m i t Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit besetzt waren 1 4 5 . Gewählt wurden die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Gewerbegerichts Bremen von der Justizverwaltungskommission jeweils für die Dauer eines Jahres; ernannt wurden sie vom Senat (§ 2). I m Gegensatz zu dem heutigen Rechtszustand waren die B e i s i t z e r nicht auf vier, sondern auf sechs Jahre z u w ä h l e n . Ihre Zahl war gesetzlich auf 48 begrenzt. Jedoch konnte die Anzahl der Beisitzer i m Bedarfsfalle erhöht werden, wobei grundsätzlich die Wahl nach gewerblichen Gruppen erfolgte (§ 3). I n dem BremAusfG war auch wieder die E n t s c h ä d i g u n g d e r B e i s i t z e r für die Teilnahme an den Sitzungen festgesetzt; sie betrug nunmehr für jede Sitzung 3,— M (§ 7 Abs 2). Das Verfahren für die Wahl der Beisitzer war durch die Verordnung vom 6. März 1892 (BremGBl S 39) 146 näher geregelt. Nach der Neufassung des GewGG vom 29. September 1901 (RGBl S 353) wurde das BremAusfG unter dem 31. Dezember 1901 (BremGBl S 45) ebenfalls neu gefaßt.
144 Wolff, Die Statuten der deutschen Gewerbegerichte, GewG 1900/01, 294—295; Philipp Ed. Meyer, Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit in Bremen, GewuKfmG 1924/25, 71—74. 149 Neufassung vom 11. 2. 1904 (BremGBl S 39). Das Wahlverfahren im einzelnen und die Rechtsstellung der Beisitzer ist im 8. Kapitel ausführlich behandelt.
5 Trinkhau«
66 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 2. Besonderheiten des Verfahrens a) Beschleunigungsgrundsatz Selbst für heutige Verhältnisse außergewöhnlich abgekürzt war die Frist für die Z u s t e l l u n g der L a d u n g ; denn eine solche Zustellung war auch dann noch gültig, wenn sie an eine i n der Stadt wohnhafte Partei persönlich s p ä t e s t e n s f ü n f S t u n d e n v o r d e m T e r m i n erfolgte (§ 8 BremAusfG) 1 4 7 . Das war allerdings auch Voraussetzung für ein besonders beschleunigtes Verfahren. Nur so ist es zu erklären, daß i m allgemeinen mehr als die Hälfte aller Streitsachen, wenn auch i n dem damals recht summarischen Verfahren, innerhalb einer Woche erledigt werden konnte. Unter den sozialen Verhältnissen gegen Ende des vorigen Jahrhunderts hatte das Wort: „Wer schnell gibt, gibt doppelt!" für den Arbeiter, der vor allem Lohnforderungen aus einem beendeten Arbeitsverhältnis geltend machte, eine sehr große Bedeutung, mochte der Streitgegenstand auch noch so gering sein. b) Problematische Kostenvorschüsse Abweichend von der seit dem ArbGG 1926 geltenden Regelung war seinerzeit i n B r e m e n b e i E r h e b u n g d e r K l a g e ein K o s t e n v o r s c h u ß zu entrichten, der die halbe Gebühr des i n § 57 GewGG festgesetzten Betrages ausmachte. Bei dem Antrag auf Ladung von Z e u g e n oder S a c h v e r s t ä n d i g e n mußte ebenfalls ein zur Dekkung der A u s l a g e n hinreichender V o r s c h u ß eingezahlt werden, der jedoch nach der Neufassung des BremAusfG vom 31. Dezember 1901 — i m Gegensatz zu dem Vorschuß bei Erhebung der Klage — entfiel. Nur i m Falle der Bedürftigkeit konnte der Vorsitzende des Gewerbegerichts die Zahlung der Vorschüsse vorläufig erlassen (§ 9 BremAusfG). Wenn heute das ArbGG 1953 i n § 12 Abs 3 Satz 2 ebenso wie schon das ArbGG 1926 aus sozialen Gründen bestimmt, daß Kostenvorschüsse nicht erhoben werden, so wurden bereits seinerzeit gegen die bremische Regelung, die später auch für das Verfahren vor den bremischen Kaufmannsgerichten galt, von Fachgenossen außerhalb Bremens große Bedenken erhoben, m i t denen sich der damalige Gerichtsschreiber des Gewerbeund des Kaufmannsgerichts und spätere Urkundsbeamte des Arbeitsgerichts Bremen, Justizoberinspektor Adolf Fiedler 148, auseinandersetzte, indem er für die Beibehaltung der bremischen Vorschußregelung 147 Nach § 47 Abs 3 A r b G G 1953 müssen die Klage und Ladungen, wenn die beklagte Partei am Sitz des Arbeitsgerichts wohnt, mindestens am zweiten Tage vor dem Termin zugestellt werden. I m übrigen gelten gemäß § 46 Abs 2 ArbGG 1953 die Vorschriften insbesondere der §§ 495—500 ZPO entsprechend. 148 Empfiehlt sich die Einführung einer Gerichtskostenvorschußpflicht bei den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten?, GewuKfmG 1924/25, 443—445.
I . Durchführung des
rbegerichtsgesetzes in Bremen
67
eintrat. Er betonte, daß sich die Erhebung von Kostenvorschüssen i n Bremen als praktisch erwiesen habe. Einer erheblichen Entlastung der Gerichtskasse stehe nur eine geringfügige Mehrleistung der Gerichtsschreiberei gegenüber. Die segensreiche Aufgabe der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte, timlichst eine gütliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzustreben, habe eine wirksame Unterstützung darin gefunden, daß die Kläger infolge der Aussicht auf sofortige Rückzahlung des Vorschusses Vergleichsverhandlungen unverkennbar leichter zugänglich seien. Die Zahl der i n Bremen durch Vergleich bzw kostenfreie Klagerücknahme erledigten Rechtsstreitigkeiten übersteige 50°/o aller Prozeßverfahren. Da etwa 6 0 % aller Streitfälle i n weniger als einer Woche erledigt würden, sei die Einzahlung der Vorschüsse auf die ordnungsmäßige Erledigung der Rechtsstreitigkeiten ohne Einfluß. Gegen diese statistische Beweisführung sprach aber schon damals, daß bei anderen Gewerbe- und Kaufmannsgerichten ohne Vorschußpflicht, wie zB i n Berlin, sogar nahezu 8 A aller Klagen durch Vergleich oder Klagerücknahme erledigt werden konnten. D i e b r e m i s c h e V o r s c h u ß r e g e l u n g w u r d e denn auch a u ß e r h a 1 b d e r H a n s e s t a d t n a h e z u e i n h e l l i g a b g e l e h n t , weil der Vorschuß für den Arbeiter, der, wenn er entlassen sei, oft auch den kleinsten Geldbetrag nicht zur Verfügung habe, häufig rechtsvernichtend w i r k e n müsse. I n der Vorschußpflicht liege eine ungleiche Behandlung zahlungsfähiger und unbemittelter Parteien, die durch das GewGG und das K f m G G gerade habe beseitigt werden sollen. Daß bisweilen eine unbegründete Klage erhoben werde, sei das geringere Übel, w e i l das Gericht nicht nur zur Entscheidung begründeter, sondern auch zur Entscheidung unbegründeter Klagen berufen sei14®. Aber auch ein kritischer Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 31. März 1924 gab dem Bremer Senat keine Veranlassung, die Bestimmungen über die Vorschußpflicht abzuändern 150 . Erst die zwingende reichsgesetzliche Vorschrift des § 12 Abs 3 Satz 2 A r b G G 1926 führte dazu, daß auch i n Bremen Kostenvorschüsse nicht mehr erhoben wurden. Auch heute macht es sich i n der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit gelegentlich i n unerfreulicher Weise bemerkbar, daß uneinsichtige Parteien die Möglichkeit haben, kostspielige Beweisaufnahmen zunächst auf K o sten des Staates durchführen zu lassen, ohne daß die verauslagten Entschädigungsbeträge für Zeugen und Sachverständige i n jedem Falle nach Beendigung des Rechtsstreits von der zahlungspflichtigen Partei eingeBaum, GewuKfmG 1924/25, 446—447; Wölbling, GewuKfmG 1924/25, 445—446; ähnlich Schalhorn, GewuKfmG 1924/25, 40—41. Fiedler, GewuKfmG 1924/25, 443.
*
68 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 bracht werden können. Das Verhältnis der wegen Uneinbringlichkeit gelöschten zu den zum Soll gestellten Gerichtskostenforderungen der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit 151 gibt aber trotz wesentlicher Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiterschaft k e i n e V e r a n l a s s u n g , e i n e — sich auf den Beschleunigungsgrundsatz sicherlich ungünstig auswirkende — Ä n d e r u n g d e s § 1 2 A b s 4 S a t z 2 ArbGG 1953 a n z u s t r e b e n . Eine Reform der Gerichtskostenregelung des ArbGG w i r d vielmehr aus anderen Gründen, nämlich deshalb zu erwägen sein, weil sie ihrer Zwecksetzung, ein i m Verhältnis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit verbilligtes Verfahren sicherzustellen, i n einer großen Zahl der Fälle nicht gerecht w i r d 1 5 2 . A u f Grund der m i t a u s l ä n d i s c h e n G a s t a r b e i t e r n gemachten Erfahrungen scheint jedoch eine S o n d e r r e g e l u n g für diesen Personenkreis z w e c k m ä ß i g zu sein. 3. Vorsitzende des Gewerbegerichts
Bremen
Das Gewerbegericht Bremen hatte als Vorsitzende folgende Berufsrichter 1 5 3 : 1895—1897
Richter Dr. Blendermann
1898—1902
Richter Dr. Grote
1903—1906
Richter Dr. H. Meyer
1907 (bis 15.11.)
Richter Töwe
vom 16.11.1907 bis 9.12.1912 1913—1927
154
Richter Dr. O. Steengrafe Richter Dr. Schmincke
Daneben war Richter Dr. Philipp Ed. Meyer seit 1920 als stellvertretender Vorsitzender und ab 1921 als Vorsitzender nebenamtlich tätig. Für alle ehrenamtlichen Beisitzer seien der Schornsteinfegermeister C. Bauer als Arbeitgeberbeisitzer und der Buchdrucker Wilhelm Boitze als Arbeitnehmerbeisitzer genannt, die den Kölner Verbandstag 1910 des Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsverbandes zusammen mit dem Vorsitzenden des Gewerbe- und Kaufmannsgerichts Dr. Steengrafe besuchten 1 5 5 . 151
I m Durchschnitt der 5 Jahre 1960 bis 1964 wurden 14 °/o der Gerichtskosten-Sollbeträge gelöscht. 152 Rick-Denkmann, Ist die Regelung der Gerichtskosten im Verfahren vor den Arbeitsgerichten überholt?, RdA 1962, 310—314, schlagen deshalb eine Neuregelung, nicht aber die Einführung der Vorschußpflicht vor. 158 StAB S.l.I.c.2.h.; SRB G.4.d. Nr 9. 154 Während des Ersten Weltkrieges von November 1915 bis November 1918, als Richter Dr. Schmincke Kriegsgerichtsrat war, war Richter Henrici Vorsitzender. 155 GewuKfmG 1910/11, 196.
I
Durchführung des
rbegerichtsgesetzes in Bremen
4. Geschäftsgang beim Gewerbegericht
69
Bremen
Der Geschäftsgang beim Gewerbegericht Bremen während der gesamten Zeit seines Bestehens ergibt sich aus folgender Übersicht nach der A r t der Erledigung der anhängigen Rechtssachen 156 :
Jahr 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 187 Insgesamt
Anhängig
Erledigt
Streit. Urt.
Davon durch Vergleich
Sonst. Erl.
618 623 727 603 640 585 602 650 692 602 566 594 641 725 733 816 964 826 809 762 405 361 318 357 568 539 574 681 631 615 846 817 288
600 585 670 544 559 526 548 590 628 540 514 534 591 684 693 764 903 761 717 672 330 289 257 271 475 521 545 658 601 603 822 807 286
203 203 230 168 148 147 168 145 205 217 156 153 112 128 113 142 190 174 200 161 49 47 19 48 133 118 121 168 174 125 159 159 52
194 221 262 215 217 220 213 255 252 215 185 193 309 307 342 357 354 324 259 215 156 115 144 130 177 161 163 216 147 200 246 261 106
203 161 178 161 194 159 167 190 171 108 173 188 170 249 238 265 359 263 258 296 125 127 94 93 165 242 261 274 280 278 417 387 128
20 778
19 088
4 735
7 331
7 022
I m D u r c h s c h n i t t dieser außerordentlich langen, Krieg und Inflation umfassenden Zeit von 32V* Jahren ergibt sich, daß rund 24,8 °/o 156 StAB S.l.I.c.2.h.5.b.; SRB G.4.d. N r 9. Nicht erfaßt sind diejenigen Streitigkeiten, in denen das Gewerbegericht als vorläufiges Arbeitsgericht tätig geworden ist. 157 Bis 30. 6. 1927.
70 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 der Streitsachen durch streitiges Urteil, 38,4% durch Vergleich und 36,8 %> durch Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, durch Klagerücknahme oder i n sonstiger Weise erledigt wurden. Über einen begrenzten Zeitraum berichtete der damalige Vorsitzende des Gewerbe- und des Kaufmannsgerichts Bremen Dr. Steengrafe 158 in einem Referat über die Ausgestaltung der Rechtsmittelinstanz: „Beim Gewerbegericht Bremen waren in den Jahren 1901—1909 570 berufungsfähige Klagen anhängig gemacht; das macht durchschnittlich für das Jahr 63,33 Sachen. Berufung wurde eingelegt in 30 Fällen; das macht durchschnittlich für das Jahr 3,33 Fälle. Nicht ein Fünftel, sondern ungefähr ein Neunzehntel der berufungsfähigen Sachen gelangte in die Rechtsmittelinstanz. Für das Kaufmannsgericht Bremen ergaben sich für die Jahre 1905 bis 1909 204 berufungsfähige Sachen, also durchschnittlich 40,8 im Jahr, und 15 tatsächlich eingelegte Berufungen, also durchschnittlich 3 im Jahr. Hier gelangte mithin ungefähr ein Vierzehntel der berufungsfähigen Sachen in die Rechismittelinstanz." Dr. Steengrafe schloß aus den Zahlen für diese Zeiten zu Recht, daß das S c h w e r g e w i c h t der Arbeitstreitigkeiten i n der e r s t e n I n s t a n z lag. Das ist jedoch sicherlich darauf zurückzuführen, daß damals eine b e s o n d e r e R e c h t s m i t t e l i n s t a n z der Arbeitsg e r i c h t s b a r k e i t m i t den Vorzügen der Schnelligkeit, Billigkeit und Sachverständigkeit des Verfahrens bis zum 30. Juni 1927 n o c h n i c h t a u s g e b i l d e t war. I I I . Weitere Gewerbegerichte 1. Allgemeines Gewerbegerichte bestanden i m jetzigen Gebiet des Landes Bremen auch i n den Städten Bremerhaven, Geestemünde, Lehe und Vegesack. Dabei ist daran zu erinnern, daß die Stadt V e g e s a c k , heute stadtbremisches Ortsamt, trotz wechselvoller Geschichte „von Anfang an bremischer Besitz" war, insbesondere aber seit dem Abzug der Franzosen i m Jahre 1813 ununterbrochen zum Lande Bremen gehörte 159 . Die von Bremen i m Jahre 1827 gegründete Stadt B r e m e r h a v e n wurde am 1. November 1939 — bis auf das auch noch heute so genannte stadtbremische Überseehafengebiet Bremerhaven — in die am 18. Oktober 1924 aus der Vereinigung der preußischen Städte G e e s t e m ü n d e und L e h e entstandene 158
GewuKfmG 1910/11, 66. Darüber im einzelnen Diedrich Steilen, Die Geschichte der bremischen Hafenstadt Vegesack (1926), S 24—28. 159
III. Weitere Gewerbegerichte
71
Stadt W e s e r m ü n d e eingegliedert. Gleichzeitig war damals die Stadt Bremen um die 8 preußischen Gemeinden Aumund, Blumenthal, Farge, Grohn, Hemelingen, Lesum, Mahndorf und Schönebeck erweitert worden. Die Stadt Wesermünde wurde am 1. Januar 1947 i n das Land Bremen eingegliedert und am 7. Februar 1947 i n Bremerhaven umbenannt 1 6 0 . Dabei hatte die Vereinigung der Städte Geestemünde und Lehe Ende 1924 die Bildung des neuen Gewerbe-, wie auch des Kaufmannsgerichts Wesermünde zur Folge. V e r e i n i g u n g s b e s t r e b u n g e n hatten für die selbständigen Gewerbe- und Kaufmannsgerichte der 3 Unterweserstädte Bremerhaven, Geestemünde und Lehe m i t einhelliger Unterstützung durch die Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestanden, seitdem der Stadtrat der Stadt Bremerhaven am 5. August 1921 den Stadtdirektor m i t entsprechenden Verhandlungen beaufragt hatte 1 8 1 . Magistratsvertreter der 3 Städte gelangten auch am 14. Februar 1923 zu einer Vereinbarung, nach welcher je ein gemeinsames Gewerbe- und Kaufmannsgericht dem Magistrat Geestemünde angegliedert 162 und als Berufungsgericht das Landgericht Bremen tätig werden sollte. Die Magistrate der 3 Unterweserstädte stimmten der Vereinbarung ebenfalls zu. Die staatsrechtliche Durchführung scheiterte aber daran, daß der preußische Justizminister verfassungsrechtliche Bedenken erhob. Erst § 14 Abs 2 N r 2 ArbGG 1926 ermöglichte später die Errichtung eines gemeinsamen Arbeitsgerichts für das einheitliche Wirtschaftsgebiet der damaligen Städte Bremerhaven und Wesermünde. 2. Einzelheiten a) Gewerbegericht Vegesack Das Gewerbegericht Vegesack wurde auf Grund des Ortsstatuts vom 16. A p r i l 1907, das sich ziemlich genau an das entsprechende Ortsstatut von Bremerhaven anlehnte und vom Bremer Senat am 30. A p r i l 1907 bestätigt wurde, m i t Wirkung vom 1. J u l i 1907 errichtet 1 6 5 . Sein erster Vorsitzender war der Stadtdirektor und spätere Rechtsanwalt Dr. Max Willmann. I h m folgten i m März 1914 der Stadtdirektor Friedrich Grefenhan und am 1. J u l i 1915 der Stadtdirektor Dr. Werner Wittgenstein, der bis zur Auflösung des Gerichts m i t dem Inkrafttreten des ArbGG 1926 und 160 August Meyer, Zur Geschichte der Stadt Bremerhaven, Sonderdruck aus: Jahrbuch 44 der Männer von Morgenstern (1963) S 13, 19, 21. 161 M R Bhv 152 N r 17. 162 Bei den Geestemünder Gerichten fiel seinerzeit die größere Zahl von Arbeitsstreitigkeiten an. 1W BremGBl 1907 S 254; SRB G. 4. d. N r 44. Insbesondere im Jahre 1911 wurde das Ortsstatut geringfügig geändert (Abkürzung der Amtsdauer des Vorsitzenden und seines Stellvertreters von 4 Jahren auf 1 Jahr): BremGBl 1911 S 138.
72 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 der Errichtung des Arbeitsgerichts Bremen i m Amte blieb. Bemerkenswert ist, daß das Vegesacker Ortsstatut ebenso wie das von Bremerhaven nicht bestimmte, daß zum Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Gewerbegerichts nur Richter der ordentlichen Gerichte gewählt werden konnten. Deshalb kam es zu Unstimmigkeiten mit dem Landgerichtspräsidenten i n Bremen, als der Stadtrat Vegesack einen Richter des Amtsgerichts Bremen als stellvertretenden Vorsitzenden vorgesehen hatte. Die Justiz erhob gegen die Bestellung insbesondere deshalb Bedenken, weil „ i n einer rein richterlichen Tätigkeit ein Verwaltungsbeamter Vorsitzender und ein — in der Leitung einer Gerichtsverhandlung erfahrener — Richter nur Stellvertreter" sein solle. Die Stadt Vegesack wählte dann auf Anraten des Senators für die Hafenstädte Städtländer den Bremerhavener Stadtsvndikus Schulze zum Stellvertreter. I m Jahre 1924 wurden aber die Bremer Richter Dr. Schmincke und Dr. Philipp Ed. Mever mit ihrem Einverständnis zu stellvertretenden Vorsitzenden gewählt und vom Senat bestätigt 1 0 4 . Über den G e s c h ä f t s g a n g des Gewerbegerichts Vegesack, für welches 12 Beisitzer bestellt waren, berichtet der letzte Gerichtsschreiber des Gerichts, der jetzige Verwaltungsoberinspektor Wedemeier, das Gericht sei nur i n geringem Umfang in Anspruch genommen worden. Sitzungen hätten zuletzt alle 2 Monate mit 3—4 Rechtssachen (zumeist Klagen auf rückständigen Lohn, Akkorddifferenzen und dergl) stattgefunden. Bei einer Vegesacker Einwohnerzahl von 4360 im Jahre 1925 ist das trotz einiger großer Industriebetriebe im Gerichtsbezirk (Bremer Vulkan, Spinnerei und Tauwerkfabrik Geo Gleistein & Sohn) durchaus verständlich. b) Gewerbegericht Bremerhaven Das Gewerbegericht Bremerhaven wurde durch Ortsstatut vom 17. Oktober 1893, für das auf Empfehlung der Justizkommission des Bremer Senats die bereits geltenden Statuten der Städte Hannover und Lehe als Muster dienten, m i t Zustimmung des Senats vom 27. Oktober 1893 am 1. Januar 1894 errichtet 1®5. Das Statut wurde mehrfach geändert 166 . Zum ersten Vorsitzenden des Gewerbegerichts wurde auf die satzungsmäßige Dauer von 3 Jahren Stadtdirektor Hagemann gewählt, zum ersten Stellvertreter Stadtrat Dr. Wolf, zum zweiten Stellvertreter Stadtrat Thier. Die Sitzungen des Gewerbegerichts fanden entsprechend öffentlicher Bekanntmachung an jedem Dienstag um 16 Uhr i m Stadthaus statt, wo sich auch die Gerichtsschreiberei befand 1 6 7 . Unter den späteren Vorsitzenden 1M 1W 166 167
SRB G. 4. d. N r 45. BremGBl 1893 S 195. BremGBl 1921 S 57, 1924 S 140. M R Bhv 152 Nr 1.
III. Weitere Gewerbegerichte
73
des Gewerbegerichts findet sich von 1908 bis 1911 auch der Name des Stadtsyndikus, späteren Oberbürgermeisters Waldemar BecJc£, der als Vorsitzender des Gewerbe- und des Kaufmannsgerichts Bremerhaven auch Verbandsversammlungen des Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsverbandes zusammen mit Beisitzern seiner Gerichte besuchte 168 . Der Magistrat der Stadt Bremerhaven förderte die Tätigkeit des Gewerbe- und des Kaufmannsgerichts auch dadurch, daß er den Beisitzern neben der Verbandszeitschrift Textausgaben der wichtigsten Gesetze kostenlos zur Verfügung stellte 1 6 9 . c) Gewerbegerichte Geestemünde und Lehe D(as Gewerbegericht Lehe war schon — verhältnismäßig frühzeitig — durch Ortsstatut vom 23. Juni 1891 errichtet worden. Geestemünde folgte kurz darauf. Lehe hatte trotz stetigen Anwachsens seiner Einwohnerzahl 1 7 0 , bedingt durch das Aufblühen von Hafen, Wirtschaft und Schifffahrt i n Bremerhaven 171 , im Verhältnis zu den Städten Bremerhaven (1897: 18 144 Einwohner) und Geestemünde (1897: 17 418 Einwohner) 1 7 2 nur einen geringen Geschäftsanfall. Denn viele der insbesondere vom Norddeutschen Lloyd in der Stauerei, dem technischen Betrieb und der Agentur beschäftigten Seeleute, Arbeiter und Angestellten ließen sich i n Lehe nieder, da in Bremerhaven nicht genügend Wohnraum vorhanden war. Klagen dieser i n Bremerhaven beschäftigten Arbeitnehmer waren aber bei dem Gewerbegericht Bremerhaven zu erheben (§ 7 Abs 1 GewGG). d) Geschäftsgang bei den Gewerbegerichten Bremerhaven, Geestemünde, Lehe und Wesermünde Über den Geschäftsgang bei den anderen Gewerbegerichten i m jetzigen Gebiet des Landes Bremen stehen lückenlose Unterlagen nicht zur Verfügung. Über die Tätigkeit des Gewerbegerichts B r e m e r h a v e n 188 GewuKfmG 1910/11, 197. Genannt werden als Teilnehmer des Kölner Verbandstages 1910 außer Stadtsyndikus Waldemar Becke als Arbeitgeberbeisitzer der Wirt W. Drescher und als Arbeitnehmerbeisitzer der Maurer Paul Roß. 169 Das wird im 5. Jahresbericht des Arbeitersekretariats und des Gewerkschaftskartells für Bremerhaven und Umgebung für das Geschäftsjahr 1908 hervorgehoben und den Gewerbegerichten Geestemünde und Lehe, die lange Zeit auch nicht dem Gewerbegerichtsverband bzw dem Gewerbe- und K a u i mannsgerichtsverband angehörten, zur Nachahmung empfohlen. 170
Von 1920 im Jahre 1840 auf 19.151 im Jahre 1897.
171
Siehe im einzelnen Hermann Schröder, Geschichte der Stadt Lehe (1927), S 225—226. 172
Bremen hatte im Jahre 1897 vergleichsweise 173 600 Einwohner.
74 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 ergibt sich aus den vorliegenden Berichten 1 7 3 für die 7 Jahre 1895 bis 1901 nach der A r t der Erledigung folgende Übersicht:
Jahr
Anhängig
Erledigt
Streit. Urt.
Davon durch Vergleich
Sonst. Erl.
1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901
64 65 69 70 61 37 43
60 65 69 69 54 35 41
23 18 18 20 14 14 11
18 23 23 23 30 14 20
19 24 28 26 10 7 10
409
393
118
151
124
Insgesamt
I m Durchschnitt dieser 7 Jahre ergibt sich, daß rund 30 °/o der Streitsachen durch streitiges Urteil, 38,4 %, durch Vergleich und 31,6 °/o durch Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, durch die beim Gewerbegericht verhältnismäßig häufige Klagerücknahme oder i n sonstiger Weise erledigt wurden. Für das Jahr 1896 ergibt sich bei den drei Gewerbegerichten B r e m e r h a v e n , G e e s t e m ü n d e und L e h e nach der A r t der Erledigung folgende Übersicht 1 7 4 :
Gewerbegericht Bremerhaven Geestemünde Lehe
Anhängig
Erledigt
65 44 14
65 44 14
Davon durch Streit. Urt. Vergleich Sonst. Erl. 18 22 5
23 19 5
24 3 4
F ü r das Jahr 1908 liegt dementsprechend folgende Übersicht v o r 1 7 5 :
Gewerbegericht Bremerhaven Geestemünde Lehe
Anhängig
Erledigt
105 117 91
104 115 90
Davon durch Streit. Urt. Vergleich Sonst. Erl. 42 50 11
47 39 50
15 26 29
Bemerkenswert ist, neben den hohen Zahlen der Vergleiche, daß der weitaus größte Teil der Klagen auf rückständigen oder einbehaltenen 173
StAB 2 — S.i.I.c.2.h.5.b. Aus GewG 1896/97. 175 Aus dem Jahresbericht des Arbeitersekretariats und des Gewerkschaftskartells für Bremerhaven und Umgebung. 174
75
III. Weitere Gewerbegerichte
Lohn, auf Entschädigung wegen Kündigung oder auf beides gerichtet war. Für die drei Jahre 1924 b i s 1926 zeigte die Übersicht für das Gewerbegericht B r e m e r h a v e n nach der A r t der Erledigung folgendes B i l d 1 7 6 : Jahre 1924 1925 1926
Anhängig
Erledigt
70 80 89
70 80 80
Davon durch Streit. Urt. Vergleich Sonst. Erl. 32 40 30
16 19 20
Eingel. Berufg.
22 21 30
2 3 3
Über die Tätigkeit des Gewerbegerichts W e s e r m ü n d e liegen nur Zahlen a) für die anhängigen Sachen und b) für die Sachen m i t einem 300,— M übersteigenden Streitwert für die Jahre 1924 b i s 1926 vor. Sie ergeben i m Vergleich zum Gewerbegericht B r e m e r h a v e n folgendes Bild177: Jahre
Bremerhaven Anhängig über 300,—DM
1924 1925 1926
73 91 97
4 11 24
Wesermünde Anhängig über 300,—DM 130 169 183
24 24 25
Das Rechtsmittel der Berufung wurde aber, wie auch die folgende Übersicht über die Zahl der berufungsfähigen und der tatsächlich angefochtenen Urteile des Gewerbe- und des Kaufmannsgerichts G e e s t e m ü n d e für die Jahre 1920 b i s 1922 zeigt, nur i n recht geringem Umfang eingelegt 1 7 8 : Jahr 1920 1921 1922
GewG Berufungsfähig Beruf, eingel. 21 13 13
1 — 2
KfmG Berufungsfähig Beruf, eingel. 4 9 1
— 4 —
Beachtlich kurz war bei allen Gewerbegerichten wiederum die E r l e d i g u n g s d a u e r . Der weitaus größte Teil aller Rechtssachen wurde innerhalb einer Woche erledigt, der Rest i m allgemeinen innerhalb von 170 177 178
M R Bhv 152 N r 17. M R Bhv 152 N r 17. M R Bhv 00 5 N r 7 Bd 2 ; vgl auch oben unter I I . 4.
76 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 zwei Wochen. Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, daß ein nicht geringer, i n den statistischen Unterlagen nicht erfaßbarer Teil aller Streitfälle durch die — mit der rechtsuchenden Bevölkerung i n engem Kontakt stehenden — Gerichtsschreiber erledigt werden konnte. So ist dem Bericht des Gewerbegerichts B r e m e r h a v e n für 1924 der Vermerk beigefügt: „Durch die Beamten der Gerichtsschreiberei wurden außerdem jährlich etwa 40 Fälle ohne formelles Verfahren erledigtDas waren damals mehr als die Hälfte aller rechtshängig gemachten Sachen.
IV. Außergerichtliches Wirken des Gewerbegerichts Bremen 1. Schlichtungsaufgaben
(Einigungsamt)
a) Allgemeines Als Einigungsamt hatte das Gewerbegericht nach dem französischen Vorbild des bureau de conciliation und nach dem englischen Beispiel des board of conciliation and arbitration sowie als V o r l ä u f e r d e r s p ä t e r e n S c h l i c h t u n g s a u s s c h ü s s e u n d S c h l i c h t e r insbesondere nach der Verordnung über das Schlichtungswesen vom 30. Oktober 1923 (RGBl S 1043) eine — damals noch nicht klar erkannte, von der Rechtsprechung zu trennende — R e g e l u n g s a u f g a b e , wie sie vergleichsweise etwa den betrieblichen Einigungsstellen iS von § 50 BetrVG 1952 und den Schiedsämtern für die kassenärztliche und kassenzahnärztliche Versorgung iS von § 368 i RVO übertragen ist, die alle eine auch vertragliche Vereinbarung oder neue Vertragsbedingungen i m Rahmen einer Einzel- oder Gesamtstreitigkeit herbeiführen oder ermöglichen sollen. Diese Aufgabe liegt nach dem Prinzip der Gewaltenteilung (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) im Bereich der vollziehenden Gewalt (Verwaltung), kann also von Organen der Rechtsprechung grundsätzlich nicht übernommen werden (§ 4 Abs 1 DRiG). Nach § 40 Abs 2 DRiG darf aber eine Nebentatigkeit als Schlichter i n Streitigkeiten zwischen Vereinigungen oder zwischen diesen und Dritten dem Richter in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Nebentätigkeit als Schiedsrichter oder Schiedsgutachter genehmigt werden, wenn die streitenden Parteien ihn gemeinsam beauftragen oder wenn er von einer unbeteiligten Stelle benannt ist 1 7 9 . Schon der erste Vorsitzende des Gewerbegerichts Bremen Richter Dr .Blendermann nahm sich der Einigungsaufgabe von Anfang a n m i t g r o 179
Allzu engherzig will Schmidt-Räntsch, DRiG, § 40 Anm 5—6, einem Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit die Mitwirkung an einer Schlichtung in aller Regel schon dann versagen, wenn die Schlichtung einen arbeitsrechtlichen Tarifvertrag in dem Bezirk des Arbeitsgerichts betrifft. Das ist abzulehnen.
IV. Außergerichtliches Wirken des Gewerbegerichts Bremen
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ßer Tatkraft, auch auf die Gefahr persönlicher Verdächtigung hin, i n einer größeren Zahl von Gesamtstreitigkeiten an. Er erkannte, daß das Gewerbegericht über seine einmalige Tätigkeit i m jeweiligen Einzelfall hinaus „eine d a u e r n d e E i n i g u n g s - u n d F r i e d e n s f u n k t i o n " 1 8 0 innehatte, arbeitete v o r a u s s c h a u e n d , indem er sich über die Verhältnisse der Arbeiter i n seinem Bezirk und darüber hinaus genau unterrichtete, jede Lohnbewegung, überhaupt jede Bewegung, die möglicherweise zu einer Arbeitseinstellung oder Aussperrung führen konnte, von Anfang an aufmerksam verfolgte und, sobald eine Streitigkeit zu erwarten oder jedenfalls eingetreten war, die Vertreter der streitenden Parteien ermittelte und sie persönlich zu bestimmen suchte, das Einigungsamt anzurufen. Nach Anrufung des Einigungsamtes beraumte er dann eine Sitzung unter Hinzuziehung der Beisitzer nicht später als auf den folgenden Tag an. I n der Sitzung setzte er nach erschöpfender Anhörung der Parteien häufig noch unter Hinzuziehung von Sachverständigen alles daran, sofort eine Vereinbarung herbeizuführen, notfalls einen einstimmigen Schiedsspruch zu erzielen. M i t diesem Verfahren hatte das Gewerbegericht unter Dr. Blendermann durchschlagende Erfolge. Sein Referat auf dem Karlsruher Verbandstag des Gewerbegerichtsverbandes 1897: „Das Verfahren vor dem Einigung samt 1* 1", i n dem er über seine in Bremen gemachten Erfahrungen berichtete, schloß er, selbst keineswegs Sozialdemokrat, m i t den folgenden weitblickenden Sätzen ab: „Wer als Vorsitzender eines Gewerbegerichts und Einigungsamtes segensreich wirken will, muß sich klar sein darüber, daß die große Mehrzahl unserer deutschen Arbeiter sich politisch der Sozialdemokratie zuzählt. Er mag sie als politische Richtung bekämpfen, ohne sie zu fürchten und sich so zur Billigung törichter Maßregeln wie gewaltsame Unterdrückung hinreißen zu lassen. Aber er muß wissen, daß trotz des scharfen politischen Gegensatzes die deutschen Arbeiter mit den übrigen Berufsständen Glieder eines Volkes sind, daß die Bestrebungen der Arbeiter, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern, unbedingt anzuerkennen und ihr Zusammenschluß zu Gewerkschaften nicht zu bekämpfen, sondern zu fördern ist, auch im richtig verstandenen Interesse der Arbeitgeber! Wenn die Einigungsämter durchdrungen sind von dem Bewußtsein, daß zwar die Arbeiter die Gesetze zu befolgen haben, aber daß ihnen auch die ihnen gesetzlich gelassene Freiheit durch Polizeimaßregeln nicht verkümmert werden darf, und daß die Arbeitgeber die heilige, sittliche Pflicht haben, die Arbeiter im Lohn und allen sonstigen Arbeitsbedingungen so günstig zu stellen, wie es ihnen möglich 180 GewG 1899/1900, 181. — Auch nach Wenzel, 75 Jahre deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit, JZ 1965, 697—702, insbesondere 700—701, entfalteten sich die überragenden Richterpersönlichkeiten auf dem Gebiete des Einigungswesens. 181 GewG 1897/98, 13—16.
78 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 ist: Nur dann werden sie mehr und mehr das Vertrauen beider Teile gewinnen und ihre segensreiche Aufgabe, den sozialen Frieden zu fördern, erfüllen können b) Einigungsamt Bremen Das beim Gewerbegericht Bremen gebildete Einigungsamt hatte einen ersten großen Erfolg i m November 1896 zu verzeichnen, als es den i n Hamburg und Bremen gleichzeitig ausgebrochenen Streik der H a f e n a r b e i t e r für Bremen i n wenigen Tagen durch eine beide Seiten zufriedenstellende, umfassende Regelung zum Abschluß brachte, während von dem Hamburger Streik alle Kategorien von Hafenarbeitern und auch die Seeleute erfaßt wurden 1 8 2 . Das verschaffte dem Einigungsamt Bremen hohes Ansehen. Das A m t hat sich dann Jahr für Jahr m i t einzelnen größeren und einigen kleineren Gesamtstreitigkeiten befaßt. Nicht immer konnte es tätig werden, weil einige Arbeitgeber, namentlich i n den A n fängen des Einigungsamtes, die Anrufung ablehnten. Doch befreundeten sich auch die Arbeitgeber bald mit der neuen Einrichtung 1 8 8 . U m die Jahrhundertwende hat das Einigungsamt Bremen eine ganze Reihe von Gesamtstreitigkeiten i n verschiedenen Gewerbezweigen geschlichtet. So brachte es i n dem Streik von 120 S t u h l r o h r a r b e i t e r n i m J u l i 1896 innerhalb von 2 Werktagen seit dem Eingang des Antrages eine von allen Teilen m i t Befriedigung aufgenommene Einigimg 1 8 4 . Weiter erreichte es i n dem Streit der S c h u h m a c h e r g e h i l f e n um höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Anerkennung des 1. M a i als Feiertag ohne Maßregeln i m A p r i l 1897 eine umfassende Vereinbarung, i n der die Gehilfen jedoch ihre Forderung auf Anerkennung des 1. M a i als Feiertag fallen ließen 186 . Kurz darauf brachte das Einigungsamt i n dem Streik i n der J u t e - S p i n n e r e i u n d W e b e r e i , der vom Gewerkschaftskartell nicht gebilligt w a r 1 8 6 , eine Vereinbarung zustande. Schwierig gestaltete sich die Schlichtung i n dem Streik der S c h i e f e r d e c k e r g e s e l l e n und Hilfsarbeiter i m Dachdeckergewerbe, der vom 29. Mai bis zum 27. J u l i 1899 dauerte. Hier nahmen beide Seiten einen Schiedsspruch des Einigungsamtes an, nachdem sie einen Einigungsvor182
Blendermann, Das Einigungsamt im Bremer Hafen-Strike, SozPrax 1896/97, 277—283; GewG 1896/97, 33; GewG 1899/1900, 181—182. 188 Grote, GewG 1901/02, 44—46. 184 Blendermann, SozPrax 1895/96, 169—170. 185 GewG 1896/97, 74—77. 186 Über 100 Feinspinnerinnen hatten hier wegen Unzufriedenheit mit der Arbeitszeit, den Pausen und ihrem Verdienst plötzlich alle Maschinen abgestellt und dann ihre Forderungen formuliert, denen zweimal entsprochen wurde, das 3. M a l wurden sofort 5 Arbeiterinnen entlassen. Darauf traten sämtliche Feinspinnerinnen in den Streik, denen sich rd 700 andere Arbeiter anschlossen: GewG 1896/97, 74—76.
IV. Außergerichtliches Wirken des Gewerbegerichts B r e m e n 7 9 schlag abgelehnt hatten 1 8 7 . Das Einigungsamt setzte sich sogar über die Grenzen seiner Zuständigkeit bei Anrufung durch beide Seiten hinweg. So brachte es i m Jahre 1901 nicht nur eine Vereinbarung über die Löhne der F r i s e u r - u n d B a r b i e r g e h i l f e n zustande, sondern ermöglichte auch eine Vereinbarung von durch den Seemannsverband vertretenen S e e l e u t e n mit den Dampfschiffahrtsgesellschaften „Argo", „Hansa" und „Neptun" 1 8 8 , i n der sich die Reeder neben einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen zur Errichtung einer Heuerstelle nach dem Hamburger Beispiel verpflichteten. I n einem weiteren Streit zwischen den S c h n e i d e r n (Heimarbeiter und Betriebsarbeiter) und ihren A r beitgebern (Vereinigte Herren-Garderoben-Geschäfte und Mitglieder der Schneider-Innung) wurde ein erster Schiedsspruch des Einigungsamtes von den Arbeitnehmern nicht angenommen, so daß es zum Streik kam, der dann durch eine Übereinkunft außerhalb des Einigimgsamtes beendet wurde. Das Einigungsamt machte aber i n seinem Geschäftsbereich auf die Mißstände i n der sog Hausindustrie aufmerksam und empfahl für entsprechende Untersuchungen die Schaffung einer Behörde, der auch Vertreter der Arbeiter angehören sollten. M i t diesen Beispielen ist die Tätigkeit des Gewerbegerichts Bremen als Einigungsamt genügend gekennzeichnet, mag auch eine inhaltlich und zeitlich breitere Behandlung sozialhistorisch und sozialpolitsch noch so interessant sein. 2. Begutachtende Tätigkeit Abgesehen von Gutachten zu Einzelfragen machte sich das Gewerbegericht Bremen durch eine fundierte S t e l l u n g n a h m e einen Namen, die es z u m E n t w u r f d e s B ü r g e r l i c h e n Gesetzbuchs (Dienstvertrag und Werkvertrag) dem Verband Deutscher Gewerbegerichte abgab und deren Ergebnis von dem Verband wörtlich zitiert wurde 1 8 9 : „Wir sind demnach der Meinung , daß die Gewerbegerichte in letzter Stunde nicht versuchen sollten, Anträge zum Entwurf zu stellen. Wohl aber ist zu hoffen, daß, nachdem der Entwurf und mit ihm aller Wahr scheinlichkeit nach zugleich das verbesserte Handelsgesetzbuch Gesetz geworden sein wird, auch bald die Zeit kommen wird, wo der Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeiter und auch für Landarbeiter einer gründlichen Prüfung im Sinne der Förderung des Wohles der Arbeiter unterzogen wird. Von unendlichem Segen würde es sein, wenn es gelänge, dauernde Arbeitsverhältnisse zu schaffen, die oft so plötzliche
187 188 189
GewG 1899/1900, 189—191. Geschäftsbericht für 1901 in: StAB 2 — S.i.I.c.2.h.5.b. SozPrax 1895/96, 734—738.
80 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 Kündigung aus den kleinlichen Ursachen, die den Arbeiter und seine Familie sofort in Not bringt, möglichst einzuschränken und so auch ein persönliches Verhältnis gegenseitigen Wohlwollens zwischen Arbeitgeber und Arbeiter mehr und mehr anzubahnen. Der Gesetzgeber kann nur die Wege ebnen. Eine dauernde und wirksame Besserung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeiter und damit eine Förderung des Wohles beider ist nur von der Wiederkehr des gegenseitigen Vertrauens und Wohlwollens und davon zu erhoffen, daß immer mehr im Volksbewußtsein die Erkenntnis Wurzel faßt, daß es eine tief ernste sittliche Pflicht der Arbeitgeber ist, für das Wohl der von ihnen beschäftigten Arbeiter zu sorgen 3. Berichtende und vorschlagende Tätigkeit Das Gewerbegericht Bremen ist auch i m Rahmen der berichtenden und vorschlagenden Tätigkeit gemäß § 75 GewGG i n nicht geringem Umfang hervorgetreten, besonders aber durch Anträge auf Errichtung eines öffentlichen Arbeitsnachweises i n Bremen und auf Errichtung eines Reichseinigungsamtes. a) Antrag auf Errichtung eines öffentlichen Arbeitsnachweises i n Bremen Unter dem 13. März 1895 richtete das Gewerbegericht Bremen auf Grund eines unter Hinzuziehung sämtlicher Beisitzer ( G e s a m t - G e w e r b e g e r i c h t ) gefaßten Beschlusses an den Bremer Senat das ausführlich begründete Ersuchen, „das Erforderliche zu veranlassen, damit für die Stadt Bremen ein städtisches Arbeitsamt zu dem Zwecke errichtet wird, um zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu vermittelnZum Verständnis dieses Antrages ist aus der Geschichte der Arbeitsvermittlung von Bedeutung, daß auch die S t e l l e n v e r m i t t l u n g i n ihren — zumeist unentgeltlichen — Frühformen namentlich auf das Zunftwesen i n den Städten m i t Zunftgeschenk, Herberge und Sprechmeister zurückgeht 190 . Die einzelnen Z ü n f t e hatten von alters her die Arbeitsvermittlung b e s o n d e r s f ü r z u g e w a n d e r t e L e h r l i n g e u n d G e s e l l e n übernommen. M i t der Stellenvermittlung waren noch ganz anders geartete N e b e n z w e c k e verbunden, wie zB die Kontrolle über den W a n d e r v e r k e h r sowie — i m Rahmen der damaligen patriarchalischen Ordnung und des korporativen Zusammenschlusses — über die H a l t u n g und F ü h r u n g d e r G e s e l l e n . Bereits i n der Zeit der mittelalterlichen Zunftverfassung erhoben jedoch die Brüderschaften und sonstigen G e s e l l e n v e r b ä n d e gegen die einseitige Arbeitsvermittlung Einspruch und eroberten sie sich vielfach sogar, wie sie zeit19t
Draeger-Buchwitz-Schönefelder,
S 3.
IV. Außergerichtliches Wirken des Gewerbegerichts B r e m e n 8 1 weise, zum Teil auch i n Streitigkeiten zwischen Meistern und Gesellen, Recht gesprochen hatten. Jedenfalls weiß die Geschichte vielfach über Kämpfe zwischen den Zünften und den Gesellenverbänden um die A r beitsvermittlung zu berichten 101 . Nach einem — mit der Einführung der Gewerbefreiheit zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zusammenhängenden — Zwischenstadium, i n dem die gewerbsmäßige Stellenvermittlung erheblich an Boden gewann, sah dann das auf Grund der Novelle zur GewO (Innungsgesetz) vom 18. J u l i 1881 (RGBl S 233) 192 aufgestellte I n n u n g s s t a t u t (GewO §§ 83, 84) die Übernahme des Arbeitsnachweises durch die Innung vor. Ferner machte das Gesetz vom 26. J u l i 1897 (RGBl S 663) den Innungen die Fürsorge für das Herbergswesen und den Arbeitsnachweis unter Mitwirkung der Gesellenausschüsse zur Aufgabe. Daneben beschäftigten sich Politiker, Wissenschaftler und Fachleute seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts i m Zusammenhang mit der damaligen Wirtschaftskrise m i t der F r a g e allgemeiner ö f f e n t l i c h e r , p a r i t ä t i s c h e r Arbeitsnachweise, die dann auch zumeist als k o m m u n a l e E i n r i c h t u n g e n entstanden 193 . Als das Gewerbegericht Bremen beim Senat vorstellig wurde, bestand i n Bremen neben zahlreichen g e w e r b s m ä ß i g e n E i n r i c h t u n g e n , bei denen vielfach g r o ß e M i ß s t ä n d e aufgetreten waren, und e i n s e i t i g e n N a c h w e i s e n der A r b e i t g e b e r v e r b ä n d e , wie zB Arbeitsnachweis des Arbeitgeberverbandes Unterweser oder speziell für das Baugewerbe oder für das Gaststättengewerbe (Wirteverein), einerseits sowie der G e w e r k - u n d F a c h v e r e i n e d e r A r b e i t n e h m e r andererseits seit 1902 ein „ A r b e i t s - N a c h w e i s e B u r e a u der v e r e i n i g t e n I n n u n g e n im G e w e r b e h a u s (Centralarbeits-Nachweisebureau)". Dieses erhielt zwar alsbald eine paritätische Grundlage, berücksichtigte jedoch ganze Berufsgruppen, wie landwirtschaftliches Gesinde, Dienstboten, Seeleute, kaufmännisches Hilfspersonal und ungelernte Arbeiter nicht, so daß ein Bedürfnis nach einem öffentlichen Arbeitsnachweis jedenfalls für diesen Personenkreis bestand. Die bremische Bürgerschaft wählte zwar auf Grund der Mitteilung des Senats vom 15. Februar 1898 am 16. März 1898 eine D e putation betreffend städtischen Arbeitsnachweis. Die Deputationsberatungen kamen aber nur schleppend voran, zT deswe191 Aus dem Bericht der Gewerbekammer zu Bremen an die Gewerbekommission des Senats vom 8. 7. 1901, in: SRB A. 15. Nr 2. 192 Das Innungsgesetz ermächtigte die Innungen ua auch zur Entscheidung von Lehrlingsstreitigkeiten, wie jetzt § 111 Abs 2 ArbGG 1953. 198 Draeger-Buchwitz-Schönefelder, S 3—7. Die ersten städtischen Arbeitsämter bzw städtischen Arbeits Vermittlungsstellen entstanden 1895 in Stuttgart, Frankfurt a M und München. Bis nach der Jahrhundertwende stieg die Zahl der öffentlichen Arbeitsnachweise auf 283.
6 Trinkhaus
82 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 gen, weil i m R e i c h s t a g e i n — später wiederholter — A n t r a g der Abgeordneten Roesicke und Dr. Pachnicke vom 15. Dezember 1899 eingebracht worden war, einen G e s e t z e n t w u r f betreffend die Errichtung von Arbeitsnachweisen v o r z u l e g e n . Da der Senat vom Reichsamt des Innern aufgefordert wurde, sich zu dem Antrag zu äußern, gab er seinerseits der Handelskammer und der Gewerbekammer Gelegenheit zur Stellungnahme. Die H a n d e l s k a m m e r äußerte sich unter dem 2. J u l i 1901 ablehnend, insbesondere weil ein unparteiisch gedachter A r beitsnachweis gerade i n kritischen Fällen, i n denen sich die Interessengegensätze zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verstärkten, immöglich durchgeführt werden könne; auch würden die Arbeitnehmer, wo sie Einfluß auf den Arbeitsnachweis gewonnen hätten, diese Machtstellung dazu benutzen, um sich zu Herren i n den Betrieben zu machen und die Arbeitsbedingungen festzusetzen. Die G e w e r b e k a m m e r erhob i n ihrer Stellungnahme vom 8. J u l i 1901 gegen den i m Reichstag eingebrachten Antrag keine wesentlichen Bedenken und empfahl, den A r beitsnachweis vereinigter Innungen als Grundlage für einen aus staatlichen Mitteln erfolgenden weiteren Ausbau zu benutzen. Nachdem die von der Bürgerschaft gewählte Deputation jahrelang keine Sitzungen abgehalten hatte, wies die Bürgerschaft am 1. J u l i 1903 auf Antrag des A b geordneten Friedrich Ebert 1 9 4 , des späteren Reichspräsidenten, die Deputation an, über den ihr erteilten Auftrag alsbald Bericht zu erstatten. I n der Folgezeit wurden zahlreiche Gesetzentwürfe betreffend die Errichtung eines städtischen Arbeitsnachweises aufgestellt und beraten, zu denen das G e s a m t - G e w e r b e g e r i e h t wiederholt, zuletzt unter dem 12. November 1913, wie folgt Stellung genommen hatte: „Das Gesamt-Gewerbegericht bezeichnet es einstimmig als eine dringende Forderung, einen städtischen Arbeitsnachweis auf paritätischer Grundlage baldigst zu errichten Jedoch kam erst am 11. J u l i 1917 ein Gesetzesbeschluß der Bürgerschaft zustande 195 . Den Schlußpunkt unter die Entwicklung setzte dann allerdings das reichsrechtliche Arbeitsnachweisgesetz vom 22. J u l i 1922 (RGBl I S 657) (Jetzt: AVAVG). I n Bremen aber hatten sich vom ersten Vorsitzenden Dr. Blendermann bis zum letzten Vorsitzenden Dr. Schmincke alle Richter des Gewerbegerichts i m Verlaufe von zwei Jahrzehnten für das Zustandekommen des — ohne Frage notwendigen — bremischen Gesetzes einsetzen müssen.
194 195
Verhandlungen der bremischen Bürgerschaft 1903 S 426—428.
Nachweise sämtlich in: SRB A. 15. Nr 2; Mitteilungen des Senats 1917 S 391—407; Verhandlungen der bremischen Bürgerschaft 1917 S 202—215; Gesetz vom 15. 7. 1917 — BremGBl S 165.
IV. Außergerichtliches Wirken des Gewerbegerichts Bremen
83
b) Antrag auf Errichtung eines Reichseinigungsamtes Besonders i n Erscheinung trat das G e w e r b e g e r i c h t B r e m e n dann noch einmal i m Jahre 1913 m i t einem A n t r a g a u f E r r i c h t u n g e i n e s R e i c h s e i n i g u n g s a m t e s , den es ebenso wie der Zentralrat der deutschen Gewerkvereine b e i m R e i c h s t a g ges t e l l t hatte 1 9 6 . I n der Eingabe des Gewerbegerichts Bremen führten die A r b e i t g e b e r b e i s i t z e r aus: Es solle eine Behörde sein, die ständig bereit ist, die Vermittlerstelle bei gewerblichen Streitigkeiten zu übernehmen. Auch bei den zentral abgeschlossenen Tarifverträgen solle das Reichseinigungsamt die Funktionen eines Zentralschiedsgerichts übernehmen und als höchste Tarifinstanz gelten. Von irgendwelchen Zwangsbefugnissen zur Durchführung der Beschlüsse solle Abstand genommen werden. Die Mitglieder des Reichseinigungsamts sollten aber m i t der größten Unabhängigkeit, etwa den Richtern gleich, ausgerüstet werden. — Nicht so zustimmend äußerten sich die A r b e i t n e h m e r b e i s i t z e r . Sie wiesen darauf hin, daß, wenn bei drohenden Konflikten zwischen Unternehmern und Arbeitern der Wille vorhanden sei, sich ohne Kampf zu einigen, beide Teile auch ohne Mittelspersonen auskommen würden. Falls sie einen Vermittler haben wollten, würden sie i h n auch ohne Reichseinigungsamt finden. Die Arbeiter seien i n der Regel bereit, ohne Kampf m i t den Unternehmern zu verhandeln und sich auf einer annehmbaren Basis zu vergleichen; nicht aber eine sehr starke Unternehmervereinigung. Ob ein Reichseinigungsamt diese starke Unternehmergruppe zur Verhandlung i n der gegenwärtigen Zeit zwingen könnte, bezweifelten die Arbeitnehmerbeisitzer. Das Reichseinigungsamt würde also i n der Regel den Unternehmern gegenüber wirken wie ein Messer ohne Heft und Klinge. Und wenn das Reichseinigungsamt i n der geschilderten Weise wirken müßte, so würden die Arbeiter i n ihrem eigenen Interesse nicht viel von einer solchen Körperschaft halten können. — Die Petitionskommission pflichtete i n ihrer Mehrheit dem Standpunkt der Arbeitgeberbeisitzer des Bremer Gewerbegerichts bei, während die Minderheit befürchtete, daß aus diesem Institut ein Zwangseinigungsamt entstehen könnte, das, wie die Wirkung der neuseeländischen Gesetzgebung gezeigt habe, nicht wünschenswert sei. Die Kommission faßte den Beschluß, die Petition über die Errichtung eines Reichseinigungsamts dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Die Minderheit der Kommission erklärte ausdrücklich, daß sie nicht grundsätzlich Gegner eines Reichseinigungsamts sei, sondern sich nur gegen dessen Ausbau zu einem Institute der Zwangseinigung ausspreche. — A m 27. Mai 1913 beschäftigte sich das Plenum des Reichstags m i t dem Kommissionsantrage. Der Antrag, die Petition zur Berücksichtigung zu 198
6*
GewuKfmG 1913/14, 23.
84 1. Teil, 4. Kap.: Durchführung des Reichsgewerbegerichtsgesetzes von 1890 überweisen, wurde ohne Widerspruch angenommen. Zu einem Gesetzesbeschlusse kam es i m Reichstag jedoch nicht. A l l e s i n a l l e m h a t das G e w G B r e m e n s o w o h l als E i n i g u n g s a m t als auch im Rahmen seiner begutachtenden, berichtenden u n d v o r s c h l a g e n d e n T ä t i g k e i t a u ß e r o r d e n t l i c h segensreich gewirkt.
Fünftes
Kapitel
Die Durchführung des Kaufmannsgerichtsgesetzes von 1904 I. Neuregelung der Kaufmannsgerichtsbarkeit 1. Vorgeschichte des Kaufmannsgerichtsgesetzes Bereits bei den Beratungen des GewGG, namentlich aber nach seiner Bewährung in der Praxis der Gewerbegerichte wurde die A u s d e h nung der besonderen A r b ei t sg er i ch t sb ar k ei t auf a l l e S t r e i t i g k e i t e n aus dem A r b e i t s v e r h ä l t n i s v e r l a n g t . Besonders stark war die Bewegung zur Schaffung entsprechender Gerichte für die Streitigkeiten der H a n d l u n g s g e h i l f e n u n d H a n d l u n g s l e h r l i n g e mit ihren Arbeitgebern und Lehrherren. Die Erweiterung der Zuständigkeit der Gewerbegerichte wurde damals jedoch von der Mehrheit der beteiligten Kreise entgegen den Wünschen der Sozialdemokratie nicht für zweckmäßig gehalten, weil die Unterschiede zwischen den Arbeitsverhältnissen der gewerblichen A r beiter und Angestellten für allzu wesentlich erachtet wurden 1 9 7 . Daraufhin faßte der Reichstag bereits i m Jahre 1897 eine Resolution, daß baldmöglichst ein Gesetzesentwurf vorgelegt werde, wonach kaufmännische Schiedsgerichte errichtet werden sollten. Ergebnis dieser Bestrebungen war nach langwierigen Vorbereitungen und Beratungen schließlich das Gesetz betreffend die Kaufmannsgerichte vom 6. J u l i 1904 (RGBl S 266) (KfmGG). 2. Inhalt
des Kaufmannsgerichtsgesetzes
Die Kaufmannsgerichte waren zuständig zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Arbeits- oder Lehrverhältnis zwischen Kaufleuten einerseits und Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlingen andererseits (§ 1 Abs 1 KfmGG). Die Vorschriften über ihre obligatorische oder fakultative Errichtung (§§ 1 und 2 KfmGG) entsprachen denen des GewGG. Die K a u f m a n n s g e r i c h t e waren d e n G e w e r b e g e r i c h t e n auch ä h n l i c h a u s g e s t a l t e t ; i n der Regel waren 1,7
Joachim , S 10.
86
1. Teil, . Kap.: Durchführung des
sgerichtsgesetzes von 190
sie i n der Person des Vorsitzenden und i n den Geschäftsstellen m i t den Gewerbegerichten vereinigt. I m Gegensatz zum GewGG sollten jedoch die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen (§11 Abs 1). Die Beisitzer mußten zur Hälfte Kaufleute, zur Hälfte Handlungsgehilfen sein (§ 12 Abs 1). Die Berufung war erst zulässig, wenn der Streitwert 300,— M überstieg (§ 16 Abs 1). I m übrigen fanden die Vorschriften des GewGG entsprechende Anwendung (§ 15).
I I . Durchführung des Kaufmannsgerichtsgesetzes in Bremen 1. Kaufmannsgericht
Bremen
M i t Maßnahmen zur Durchführung des Kaufmannsgerichtsgesetzes i n der Stadt Bremen befaßte sich der Senat erstmalig i n seiner Sitzung am 30. August 1904 108 . Dem vom Senat beschlossenen Gesetzentwurf 199 stimmte die Bürgerschaft am 9. November 1904 m i t geringen Änderungen zu. Durch das Gesetz, betreffend das Kaufmannsgericht i n Bremen, vom 12. November 1904 (BremGBl S 271) wurde zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Dienst- oder Lehrverhältnis zwischen Kaufleuten einerseits und ihren Handlungsgehilfen andererseits für die Stadt Bremen ein Kaufmannsgericht errichtet (§ 1). Das A m t d e s V o r s i t z e n d e n des K a u f m a n n s g e r i c h t s w u r d e d e m V o r s i t z e n d e n d e s G e w e r b e g e r i c h t s , das A m t seines Stellvertreters dem stellvertretenden Vorsitzenden des Gewerbegerichts übert r a g e n . Die Gerichtsschreiberei und das Kanzleiwesen des Gerichts wurden mit denjenigen des Gewerbegerichts vereinigt (§ 3). Die Zahl der Beisitzer des Gerichts wurde, wie beim Gewerbegericht, auf 48 festgesetzt (§ 4). Die Regelung über die Entrichtung eines Gebührenvorschusses bei Klageerhebung entsprach der für das Gewerbegericht geltenden Vorschrift (§ 8). Eine Verordnung des Senats vom 12. November 1904 (BremGBl S 272) regelte insbesondere die Wahl der Beisitzer (auf zuerst 3, später 6 Jahre) (§§ 1-—12), ihre Heranziehung zu den Sitzungen und ihre Vereidigung (§§ 13—14) und die Besetzung des Gerichts m i t einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, und zwar einem Kaufmann und einem Handlungsgehilfen (§ 15). Die A u f s i c h t über das Kaufmannsgericht wurde wiederum der J u s t i z k o m m i s s i o n des Senats übertragen (§ 22). I n den §§ 16—21 der VO war die Bildung eines A u s s c h u s s e s zur Vorbereitung oder Abgabe von Gutachten sowie zur Vorbereitung von Anträgen (§ 18 KfmGG) sowie die Einberufung des „ G e s a m t 1 M 1 M
SRB G.3.b.9. N r 3. Mitteilung des Senats vom 4. 11. 1904, in: SRB G.3.b.9. N r 3.
I . Durchführung des
risgerichtsgesetzes
in Bremen
87
K a u f m a n n s g e r i c h t s " näher geregelt. Doch ist nicht bekannt geworden, daß das Kaufmannsgericht jemals Gutachten erstattet oder A n träge gestellt hat oder als Einigungsamt tätig geworden ist. 2. Kaufmannsgerichte
Bremerhaven,
Geestemünde und Lehe
Auch die Stadt B r e m e r h a v e n erhielt ihr eigenes Kauf mannsgericht. Diese Frage wurde von Bürgermeister Pauli erstmalig i n der Senatssitzung vom 30. 8.1904 aufgeworfen 200 . Die Entscheidung zog sich aber i n die Länge. Denn der Bremerhavener Stadtrat behauptete, obwohl die Stadt in der Reichsstatistik m i t 20 329 Einwohnern aufgeführt war, zu Errichtung eines Kaufmannsgerichts nicht verpflichtet zu sein, weil nach den Ermittlungen des Statistischen Amtes i n Bremen die Bremerhavener Wohnbevölkerung nach der letzten Volkszählung i m Jahre 1900 nur 19 533 Personen betragen habe 2 0 1 . Der Stadtrat machte sich dann aber, wie es heißt, „aus freiem Willen u dahin schlüssig, so oder so ein Kaufmannsgericht zu errichten, wodurch die interessante staatsrechtliche Streitfrage, wer zur Feststellung der nach § 2 KfmGG erforderlichen Einwohnerzahl zuständig sei, ob die Reichs- oder die Landesbehörde, ihre praktische Bedeutung verlor 2 0 2 . Das Kaufmannsgericht Bremerhaven wurde dann mit Zustimmung des Senats vom 14. A p r i l 1905 durch Ortsstatut vom 5. Januar 1905 (BremGBl S 89) m i t Wirkung vom 1. J u l i 1905 errichtet. Das Statut wurde mehrfach geändert 203 . Zum ersten Vorsitzenden des Kaufmannsgerichts wurde der Stadtsyndikus Schulze gewählt. Dessen Nachfolger war i m Jahre 1908 der Stadtsyndikus, spätere Oberbürgermeister Waldemar Beckö; dieser war zugleich Vorsitzender des Gewerbegerichts. Als weitere Vositzende des Kaufmannsgerichts werden ua genannt: Rechtsanwalt Dr. Bargmann (1911 bis 1913), Gerichtsassessor Dr. Osann (1914), Dr. Reinbeck (1922) und Bürgermeister Dr. Kocher (1924). Die Zahl der Beisitzer betrug 12 204 . Kaufmannsgerichte wurden ferner i n G e e s t e m ü n d e durch Ortsstatut vom 6. Oktober 1904 mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde vom 19. Oktober 1904 und i n L e h e durch Ortsstatut vom 19. Oktober 1904 mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde vom 23. Dezember 1904, jeweils mit Wirkung vom 1. Januar 1905, errichtet 2 0 6 . Für Geestemünde wurde die Zahl der Beisitzer auf 10, für Lehe auf 8 festgesetzt. 200
SRB G.3.b.9. N r 5. Protokoll der Senatssitzung vom 11. 11. 1904, in: SRB G.3.b.9. N r 5; GewuKfmG 1904/05, 33—35. 202 So GewuKfmG 1904/05, 33—35. 208 Insbesondere BremGBl 1919 S 405. 204 GewuKfmG 1904/05, 277—278. 205 GewuKfmG 1904/05, 271—272. 201
88
1. Teil, . Kap.: Durchführung des
sgerichtsgesetzes von 190
Für die Stadt V e g e s a c k war zwar vom Verband deutscher Handlungsgehilfen ebenfalls die Errichtung eines Kaufmannsgerichts beantragt worden. Doch v e r n e i n t e der S t a d t r a t das V o r l i e g e n eines entsprechenden B e d ü r f n i s s e s . Der Bremer Senat lehnte daher den Antrag ab 2 0 6 . 3. Geschäftsanfall der Kaufmannsgerichte Gewerbegerichten
im Vergleich zu den
Da der in den Geltungsbereich des KfmGG fallende Arbeitnehmerkreis verhältnismäßig begrenzt war, lag der Geschäftsanfall bei den Kaufmannsgerichten erheblich unter der Zahl der bei den Gewerbegerichten anhängig gemachten Rechtssachen. Das ergibt sich einmal aus einer Gegenüberstellung der in den Jahre 1 9 0 5 b i s 1 9 0 9 anhängigen Sachen beim Gewerbegericht und beim Kaufmannsgericht B r e m e n 2 0 7 : Jahr
GewG
KfmG
1905 1906 1907 1908 1909
566 594 641 725 733
99 114 126 178 188
Ein ähnliches B i l d ergibt eine Gegenüberstellung der in den Jahren 1 9 2 4 b i s 1 9 2 6 bei den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten B r e m e r h a v e n und W e s e r m ü n d e anhängigen Sachen 208 : Jahr 1924 1925 1926
Bremerhaven GewG KfmG 70 80 89
23 30 22
Wesermünde GewG KfmG 130 169 183
40 73 41
I n noch entsprechendem Verhältnis hielten sich auch die Zahlen der anhängigen Sachen mit einem 300,— M übersteigenden Streitwert bei diesen Gerichten i n der gleichen Zeit: Jahr 1924 1925 1926 209 107 108
Bremerhaven GewG KfmG 4 11 24 SRB G.3.b.9. Nr 6. SRB G.3.b.9. N r 13. M R Bhv 152 Nr 1.
6 8 7
Wesermünde GewG KfmG 24 24 25
12 16 17
I . Durchführung des
sgerichtsgesetzes in Bremen
89
Daß Kaufleute oder Handlungsgehilfen die bei den Kaufmannsgerichten ebenso wie bei den Gewerbegerichten zu bildenden Einigungsämter i n Anspruch genommen hätten, ist nicht ersichtlich, erscheint auch unwahrscheinlich. Beiden Gerichten wurde überdies die S c h l i c h t u n g von Gesamtstreitigkeiten durch die Verordnung über das Schlichtungswesen vom 30. Oktober 1923 (RGBl S 1043) genommen, i m Interesse klarer Trennung von der R e c h t s p r e c h u n g sicherlich aus triftigem Grund 20®.
209
Vgl nur Hueck-Nipperdey,
1./2. Aufl, Bd I I S 600.
Sechstes Kapitel
Das Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 und der Rechtszustand bis 1945 I. Neuregelung der Arbeitsgerichtsbarkeit 1. Vorgeschichte des Arbeitsgerichtsgesetzes
von 1926
So sehr die Einrichtung der Gewerbe- und der Kaufmannsgerichte sowie anderer, daneben bestehender Instanzen wie namentlich der Berggewerbegerichte und der Innungsschiedsgerichte die Billigung der beteiligten Bevölkerungskreise fand, die g r u n d s ä t z l i c h e F r a g e einer besonderen G e r i c h t s b a r k e i t für die S t r e i t i g k e i t e n d e s A r b e i t s l e b e n s w a r mit diesen Teillösungen n o c h n i c h t e n t s c h i e d e n . Den arbeitsgerichtlichen Bestimmungen der Schlichtungs-Verordnung vom 30.10.1923 (RGBl S 1043) kam ohnehin nur der Charakter einer Übergangsregelung, ja eines Notbehelfs zu. E s b e s t a n d z w a r s c h o n e i n e z i e m l i c h a u s g e b i l dete Arbeitsgerichtsbarkeit. Große Arbeitnehm e r g r u p p e n wie die Seeleute, die L a n d a r b e i t e r , die H a u s g e h i l f e n und H a u s a n g e s t e l l t e n , die A r b e i t e r u n d A n g e s t e l l t e n des ö f f e n t l i c h e n Dienstes, aber auch die gewerblichen und kaufmännischen Angestellten m i t höherem Einkommen, w a r e n v o n i h r n i c h t e r f a ß t . Sachliche Gründe, diesen Arbeitnehmergruppen mit gleichem Rechtsschutzbedürfnis wie die anderen Arbeitnehmer die Arbeitsgerichtsbarkeit zu versagen, bestanden aber nicht. Auch galt d i e A r b e i t s g e r i c h t s b a r k e i t nicht für alle Arbeitsstreitigkeiten, insbesondere n i c h t f ü r d i e n e u e n K o l l e k t i v s t r e i t i g k e i t e n aus der Tarifvertrags-Verordnung vom 23. 12. 1918 (RGBl S 1456). Weitere arbeitsrechtliche Gesetze wie die VorlLandarbO vom 24.1.1919 (RGBl S 111), das BetrRG vom 4.2.1920 (RGBl S 147) und das SchwBeschG vom 6.4. 1920 (RGBl S 458) kamen nach dem Ersten Weltkrieg hinzu und führten zu neuartigen Streitigkeiten. Schließlich bestand die A r b e i t s gerichtsbarkeit mit ihren charakteristischen Bes o n d e r h e i t e n des schnellen, billigen und sachverständigen Verfahrens unter paritätischer Beteiligung von Vertretern der Arbeitgeber
I. Neuregelung der Arbeitsgerichtsbärkeit
91
und Arbeitnehmer n u r i m e r s t e n R e c h t s z u g . Unter diesen Umständen drängte die Entwicklung immer stärker auf die S c h a f f u n g a l l g e m e i n e r A r b e i t s g e r i c h t e hin, wie sie schon bald nach der Revolution i n Aussicht genommen waren. V i e r F o r d e r u n g e n waren es vor allem, die das neue ArbGG erfüllen sollte 2 1 0 : a) Ausdehnung der sachlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit auf alle Arbeitnehmer und auf alle arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, b) Ausdehnung der Arbeitsgerichtsbarkeit
auf das ganze Reichsgebiet,
c) Paritätische Besetzung sämtlicher Instanzen mit ehrenamtlichen sitzern aus Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, d) Schaffung eines Reichsarbeitsgerichts rung der Rechtseinheit.
Bei-
als oberste Instanz zur Wah-
Während über die B e r e c h t i g u n g dieser F o r d e r u n gen im w e s e n t l i c h e n E i n i g k e i t bestand, gingen die A n s i c h t e n der B e t e i l i g t e n über die O r g a n i s a t i o n der A r b e i t s g e r i c h t s b a r k e i t w e i t a u s e i n a n d e r . Es standen sich namentlich d r e i M e i n u n g e n gegenüber: Die Vertreter der e r s t e n Ansicht wollten die A r b e i t s g e richtsbarkeit im Rahmen allgemeiner Arbeitsbeh ö r d e n errichten, denen neben der Arbeitsrechtspflege das Schlichtungswesen, der Arbeitsnachweis (Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung), die Arbeitsaufsicht (Arbeitsschutz) und die behördliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialversicherung übertragen werden sollten 2 1 1 . Die Vertreter der z w e i t e n Meinung wollten die Gerichte für Arbeitssachen als v o n d e r o r d e n t l i c h e n G e r i c h t s b a r k e i t g e t r e n n t e , s e l b s t ä n d i g e G e r i c h t s b e h ö r d e n errichten, wobei noch Meinungsverschiedenheiten darüber bestanden, ob sie, wie die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte, als k o m m u n a l e o d e r aber als s t a a t l i c h e G e r i c h t e gebildet werden sollten 2 1 2 . Die Vertreter der d r i t t e n Auffassung wollten die Arbeitsgerichtsbehörden den ordentlichen Gerichten eingliedern, bei diesen besondere Abteilungen, etwa nach dem Muster der Kammern für Handelssachen, bilden, die Berufung an die Oberlandesgerichte und die Revision an das Reichsgericht leiten 2 1 8 . Hinter der dritten Ansicht standen auch die 110 Andree, in: Kaskel, S. 19—28; Dersch-Volkmar, 4. Aufl., S. 16—19; Hueck—Nipperdey, 1./2. Aufl., Bd. I I S. 603—605; Joachim, S. 10—12; Kny, S. 16—26; Schmincke-Sell, 1. Aufl., S. 7—10; Sinzheimer, S. 1247. 111 Vgl. nur Kaskel, ArbR 1919, 47; Potthoff, ArbR 1922, 293. 218 Vgl. etwa Wölbling, GewuKfmG 1921/22, 133—137, 1923/24, 250—254. 218 So der 4. Deutsche Richtertag in Leipzig 1921 und der 32. Deutsche Juristentag 1921 in Bamberg; dazu Landsberger, GewuKfmG 1921/22, 1—4; siehe auch Kisch, JW 1926, 2789—2791.
92
1. Teil, 6. Kap.: Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 und echtszustand bis 1945
R e c h t s a n w ä l t e , die auch im ersten Rechtszuge als Prozeßbevollmächtigte zugelassen werden wollten. Die ordentliche Gerichtsbarkeit selbst fühlte sich durch die fortdauernde Absplitterung erheblicher Rechtsgebiete und gerade derjenigen, auf denen neue Rechtsgedanken um Gestaltung ringen, mit Verkümmerung bedroht 214. M i t Rücksicht auf das Argument seiner Gegner, der Vorsitzende müsse i n der Arbeitsgerichtsbarkeit selbst über besondere praktische Erfahrungen und Kenntnisse des Arbeitsrechts verfügen, die dem ordentlichen Richter aber fehlten, forderte der Juristentag: „Die mit der Entscheidung von Arbeitsstreitigkeiten befaßten Abteilungen (Senate) der Gerichte sind möglichst mit solchen Richtern zu besetzen, die auf dem Gebiete des Arbeitsrechts besondere Erfahrungen gewonnen haben215." Nachdem seit 1920 mehrere Vor entwürfe und Entwürfe mit unterschiedlichen Lösungen der Organisationsfrage hart umkämpft gewesen waren 2 1 6 , kam es mit dem ArbGG vom 23.12.1926 (RGBl I S. 507) schließlich zu einer Kompromißlösung zwischen der zweiten und dritten Ansicht. I m Deutschen Reich bestanden nach Inkrafttreten des ArbGG 1926 am 1. 7.1927 neben dem Reichsarbeitsgericht 527 Arbeitsgerichte und 79 Landarbeitsgerichte 217 . 2. Neuerungen des Arbeitsgerichtsgesetzes
von 1926
a) Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbehörden M i t dem Inkrafttreten des ArbGG 1926 waren die A r b e i t s g e r i c h t s b e h ö r d e n für die ihnen zugewiesenen Arbeitssachen grundsätzlich a l l e i n u n d a u s s c h l i e ß l i c h z u s t ä n d i g . Die einzige A u s n a h m e bildete die Aufrechterhaltung der Zuständigkeit der I n n u n g e n für die Entscheidung von S t r e i t i g k e i t e n a u s d e m L e h r v e r h ä l t n i s (§ 111). Eine wichtige Neuerung war die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht nur für Ansprüche zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus einem Arbeits- oder Lehrverhältnis und aus der Nachwirkung eines bereits beendeten Arbeits- oder Lehrverhältnisses, sondern auch für S t r e i t i g k e i t e n z w i s c h e n A r b e i t 114 So der erste Leitsatz des 32. Deutschen Juristentages, abgedruckt in: GewuKfmG 1921/22, 1. 215 Nach Nikisch, 1. Aufl., S 17 hatten aber die Juristen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das Arbeitsrecht bis zum Ende des Ersten Weltkrieges völlig vernachlässigt. 816 Noch in 3. Lesung des Gesetzentwurfs im Reichstag war das Gesetz als solches gefährdet, weil sich aus den Fraktionen der Mittelparteien ein starker Widerstand gegen den Ausschluß der Rechtsanwälte in erster Instanz (§ 11 Abs. 1) erhob. 117 Kny, S 28. Das GewGG und das KfmGG waren gleichzeitig außer Kraft getreten: § 110 Nr 1 u. 3 ArbGG 1926.
I. Neuregelung der Arbeitsgerichtsbarkeit
93
n e h m e r n u n t e r e i n a n d e r aus gemeinsamer Arbeit und aus — mit dem Arbeits- oder Lehrverhältnis in Zusammenhang stehender — unerlaubter Handlung (§ 2 Nr 3). Die wohl bedeutsamste Neuerung des ArbGG 1926 war die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für diejenigen A r b e i t s s t r e i t i g k e i t e n , die z w i s c h e n T a r i f v e r t r a g s p a r t e i e n oder z w i s c h e n d i e s e n u n d D r i t t e n a u s d e m T a r i f v e r t r a g s e l b s t o d e r ü b e r d i e F r a g e des B e s t e h e n s o d e r N i c h t b e s t e h e n s e i n e s T a r i f v e r t r a g e s geführt wurden. Daneben war auch hier die Zuständigkeit für Streitigkeiten a u s u n e r l a u b t e n H a n d l u n g e n gegeben, sofern sie zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten entstanden und es sich u m M a ß n a h m e n z u Z w e c k e n d e s A r b e i t s k a m p f e s oder um F r a g e n der Vereinigungsf r e i h e i t handelte (§ 2 Nr 1). Neben diesen i m U r t e i l s v e r f a h r e n zu entscheidenden Arbeitssachen waren den Arbeitsgerichten schließlich noch i m B e s c h l u ß v e r f a h r e n nach dem B e t r R G zu treffende Entscheidungen zugewiesen worden (§ 2 Nr. 4 und 5) 2 1 8 . b) Aufbau der Arbeitsgerichtsbehörden Während die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte kommunale Einrichtungen gewesen waren, waren die Arbeitsgerichtsbehörden s t a a t l i c h e G e r i c h t e , und zwar Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte Landesbehörden, das Reichsarbeitsgericht Reichsbehörde. Die erstinstanzlichen A r b e i t s g e r i c h t e waren „selbständige Gerichte" i m Sinne von Sondergerichten (§ 14); die L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t e waren aber im Sinne einer engeren Verbindung mit den ordentlichen Gerichten „bei" den Landgerichten zu errichten (§ 33), das R e i c h s a r b e i t s g e r i c h t „bei" dem Reichsgericht (§ 40). A u c h d i e A r b e i t s g e r i c h t e waren i n erster Linie d e r L a n d e s j u s t i z v e r w a l t u n g u n t e r s t e l l t und in der Regel mit Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit besetzt. Die LandesjustizVerwaltung bedurfte aber namentlich bei der Errichtung, der Verwaltung und Dienstaufsicht sowie der Bestimmung der Anzahl der Kammern des E i n v e r n e h m e n s m i t der o b e r s t e n L an d esb eh ö r d e f ü r S o z i a 1 v e r w a 11 u n g (§§ 14, 15, 17, 18). Den wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer war das Recht eingeräumt worden, i n diesen Fällen gehört zu werden. Schließlich waren die ehrenamtlichen Beisitzer nicht mehr zu wählen, sondern den von den wirtschaftlichen Vereinigungen eingereichten Vorschlagslisten zu entnehmen (§ 20) 219 . 218 vgl Dersch-Volkmar, 219
4. Aufl, S 20—24.
Siehe auch Dersch-Volkmar, S 11—13.
4. Aufl, S 24—30; Schmincke-Sell, 2. Aufl,
94
1. Teil, 6. Kap.: Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 und Rechtszustand bis 1945
I I . Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1926 in Bremen 1. Gerichte und Gerichtsbezirke a) Gemeinschaftsvertrag m i t Preußen Die Arbeitsgerichte sollten zwar regelmäßig für den Bezirk eines Amtsgerichts errichtet werden (§ 14 Abs 1 ArbGG 1926). Ausnahmen 2 2 0 , dh die Zusammenlegung mehrerer Bezirke oder Teilbezirke, auch über Landesgrenzen hinweg, waren jedoch, insbesondere für ein einheitliches Wirtschaftsgebiet zulässig (§ 14 Abs 2). Bereits am 24. Januar 1927 fand deshalb vor allem wegen der Abgrenzung der Arbeitsgerichtsbezirke eine Besprechung von Vertretern der Landesregierungen i m Reichsarbeitsministerium statt 2 2 1 . Dabei wurden auch die Bildung getrennter Kammern für Arbeiter und Angestellte, die Bestellung der Vorsitzenden und die Übernahme der Beamten und Angestellten der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte erörtert. Wegen der bezirklichen Gliederung der Arbeitsgerichte sind dann von Bremen Verhandlungen mit Preußen geführt worden 2 2 2 . M i t Note vom 23. A p r i l 1927 erklärte sich schließlich der Preußische Justizminister zu folgender Regelung bereit: 1. Dem von Preußen in Wesermünde zu errichtenden Arbeitsgericht wird der Amtsgerichtsbezirk Bremerhaven angegliedert; 2. dem von Preußen in Blumenthal zu errichtenden Arbeitsgericht der Bezirk der Stadtgemeinde Vegesack angegliedert; 3. dem in der Stadt Bremen zu errichtenden Arbeitsgericht Amtsgerichtsbezirk Lilienthal und die Gemeindebezirke Arbergen und Mahndorf angegliedert;
wird
werden der Hemelingen,
4. dem beim Landgericht Bremen zu errichtenden Landesarbeitsgericht Bremen werden die Arbeitsgerichte Wesermünde und Blumenthal unterstellt. Da dieser Vorschlag auch den Wünschen der zuständigen Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber entsprach, stimmte ihm der Bremer Senat unter dem 9. Mai 1927 zu und führte weiter aus: 220 Die Ausnahme wurde dann tatsächlich die Regel. Erstens mußte, sollte der mit der Errichtung dieser Sondergerichte verfolgte Zweck, Fachgerichte für Arbeitsstreitigkeiten zu schaffen, erreicht werden, dafür gesorgt werden, daß jedem Arbeitsgericht eine genügende Zahl von Streitigkeiten zufiel. Nur dann konnte das Gericht seine Sitzungen in kurzer Folge anberaumen und genügende Erfahrungen sammeln. Zweitens mußte die Möglichkeit der Zusammenlegung ihre Grenze darin finden, daß das Arbeitsgericht für die Mehrzahl der Gerichtseingesessenen nicht allzu schwer erreichbar sein durfte. So mit Recht Dersch-Volkmar, 4. Aufl, S 14 Anm. 6. 221 Vertreter des Bremer Senats war Staatsrat Dr. Appel. 222 SRB G.3.b.l2. N r 7.
I . Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 19
in Bremen
95
„Was die weitere formelle Behandlung der Angelegenheit anbelangt, so erachtet der Senat den formellen Abschluß eines Gemeinschaftsvertrages für entbehrlich. Für den Fall des Preußischen Einverständnisses würden mithin mit den beiderseitigen endgültigen Zustimmungen die Vereinbarungen als abgeschlossen anzusehen sein" M i t weiterer Note vom 21. M a i 1927 nahm der Preußische Justizminister den Vorschlag Bremens an, behielt sich jedoch aus formellen Gründen den Widerruf bis zum 10. Juni 1927 vor, den er aber nicht erklärte. Darauf bestätigte Bremen m i t Note vom 16. Juni 1927 die getroffene Vereinbarung 2 2 8 . b) Bremische Regelungen M i t der Ersten Verordnung zur Ausführung des ArbGG 1926 vom 24. A p r i l 1927 (BremGBl S 105) (1. BremAusfVO) stellte der Senat fest, daß die durch ArbGG 1926 der LandesjustizVerwaltung zugewiesenen Geschäfte von der J u s t i z k o m m i s s i o n d e s S e n a t s wahrgenommen wurden, und bestimmte ferner die S e n a t s k o m m i s s i o n f ü r H a n d e l u n d S c h i f f a h r t als oberste Landesbehörde für die Sozialverwaltung und als höhere Verwaltungsbehörde iS des ArbGG 1926. Durch 2. BremAusfVO der Justizkommission des Senats und der Senatskommission für Handel und Schiffahrt wurde am 15. Juni 1927 (BremGBl S 137) für den Bezirk des Amtsgerichts Bremen, m i t Ausnahme des Stadtbezirks Vegesack, ein A r b e i t s g e r i c h t m i t d e m S i t z i n d e r S t a d t B r e m e n errichtet. Das Arbeitsgericht Bremen war gemäß dem m i t den Preußischen Behörden abgeschlossenen Gemeinschaftsvertrage auch zuständig (Art I) für den Bereich des Amtsgerichtsbezirks Lilienthal und der Gemeindebezirke Hemelingen, Arbergen und Mahndorf. Bei dem Arbeitsgericht Bremen waren 3 Kammern zu bilden, und zwar eine für Streitigkeiten der Arbeiter (Kammer für Arbeitersachen), eine für Streitigkeiten der Angestellten (Kammer für Angestelltensachen) und eine für Streitigkeiten des Handwerks (Handwerksgericht) (Art II). Gemäß dem mit den Preußischen Behörden geschlossenen Vertrage wurden weiter i n erster Instanz für zuständig erklärt (Art III) 1. für den Bezirk des Amtsgerichts Bremerhaven das A r b e i t s g e richt in Wesermünde, 2. für den Bezirk der Stadt Vegesack das A r b e i t s g e r i c h t Blumenthal.
in
Bei dem Landgericht Bremen wurde schließlich ein L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t m i t einer Kammer errichtet, welches gemäß dem 228
Siehe SRB G.3.b.l2. N r 9.
96
1. Teil, 6. Kap.: Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 und echtszustand bis 1945
m i t Preußen geschlossenen Gemeinschaftsvertrage auch zuständig war (Art V) 1. für die dem Arbeitsgericht i n Bremen angegliederten preußischen Gebietsteile, 2. für den Bereich des Arbeitsgerichts Wesermünde, 3. für den Bereich des Arbeitsgerichts Blumenthal. c) Arbeitnehmer der Deutschen Reichsbahn Für die Streitigkeiten der Deutschen Reichsbahn mit ihren Arbeitern und Angestellten waren gemäß besonderen, m i t den zuständigen Preußischen und Oldenburgischen Behörden abgeschlossenen Gemeinschaftsverträgen i n erster Instanz zuständig (2. BremAusfVO A r t IV): 1. i m Bereich des zum Reichsbahndirektionsbezirk Hannover gehörigen bremischen Gebiets die beim A r b e i t s g e r i c h t i n H a n n o v e r eingerichtete „Fachkammer für die Streitigkeiten der Arbeiter und Angestellten der Deutschen Reichsbahngesellschaft 2. i m Bereich des zum Reichsbahndirektionsbezirk Oldenburg gehörigen bremischen Gebiets die beim A r b e i t s g e r i c h t i n O l d e n b u r g eingerichtete entsprechende Fachkammer. 2. Gerichtsverfassungsmäßige
Regelungen
Durch eine 3. BremAusfVO vom 25. Juni 1927 (BremGBl S 149) wurden vor allem gerichtsverfassungsmäßige Regelungen getroffen. Das A r beitsgericht Bremen wurde der allgemeinen D i e n s t a u f s i c h t des Direktors des Arbeitsgerichts unterstellt, während der Landgerichtspräsident gegenüber den Vorsitzenden des Arbeitsgerichts diejenigen Obliegenheiten wahrnehmen sollte, die er gegenüber den richterlichen Mitgliedern der ordentlichen Gerichte zu erfüllen hatte (§ 1). Das Landesarbeitsgericht, das ohnehin nur von nebenamtlich tätigen Richtern des Landgerichts versehen wurde, wurde der allgemeinen Dienstaufsicht des Landgerichtspräsidenten unterstellt (§ 9). Die V o r s i t z e n d e n und stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeitsgerichts wurden erstmals bis zum 31. Dezember 1929 und von diesem Zeitpunkt an jeweils für die Dauer von 3 Kalenderjahren bestellt (§ 2). Diese Regelung wurde durch eine VO vom 23. Dezember 1932 (BremGBl S 301) insoweit geändert, als der Senat gemäß § 18 Abs 4 ArbGG 1926 jetzt auch die Bestellung auf Lebenszeit beschließen konnte. Weitere Regelungen betrafen namentlich die A m t s t r a c h t der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden (3. BremAusfVO § 3), die e i d 1 i c h e V e r p f 1 i c h t u n g der Beisitzer (§§ 4, 10), die Bildung der B e i s i t z e r a u s s c h ü s s e (§§ 5, 6, 11) und die Einrichtung einer selbständigen G e s c h ä f t s s t e l l e bei dem Arbeitsgericht Bremen (§7). .
II. Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1926 in Bremen
97
3. Vorsitzende der bremischen Arbeitsgerichtsbehörden a) Arbeitsgericht Bremen Zuerst ernannte der Senat beim Arbeitsgericht Bremen 2 2 4 : Richter Dr. Schmincke zum hauptamtlichen Vorsitzenden, Richter Dr. Philipp Ed. Meyer und Richter Ellermann chen Vorsitzenden, Richter Dr. Heumann und Richter Dr. Meyners-Dunkel lichen stellvertretenden Vorsitzenden.
zu nebenamtlizu nebenamt-
Die nebenamtlichen stellvertretenden Vorsitzenden wechselten häufig. Nach dem Tode von Richter Dr. Philipp Ed. Meyer am 8. August 1931 trat Richter Dr. Priess an seine Stelle, der kurz vorher zum nebenamtlichen stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeitsgerichts ernannt worden war. Richter Dr. Priess war nebenamtlicher Vorsitzender bis zum 31. Dezember 1933, Richter Ellermann bis zum 31. August 1939. Dr. Schmincke war am 1. J u l i 1927, zunächst kommissarisch, zum Arbeitsgerichtsdirektor ernannt worden. A m 1. J u l i 1937 wurde er zum Amtsgerichtsdirektor ernannt, war aber weiterhin Vorsitzender des Arbeitsgerichts, wegen des seit 1933 ständig abnehmenden Geschäftsanfalls jedenfalls ab 1937 nur noch i m Nebenamt. Auffälligerweise wurden ab 1940 noch 2 nebenamtliche Vorsitzende (neben Dr. Schmincke jeweils noch ein weiterer Richter) ernannt, die dem Arbeitsgericht m i t je V« ihrer Arbeitskraft zur Verfügung standen, obwohl dies dem Grundsatz des Sondergerichts widersprach, aus dem allgemein auch von der Errichtung von Zwergarbeitsgerichten abgesehen wurde 2 2 5 . Zuletzt war Dr. Schmincke als einziger, nebenamtlicher Vorsitzender nur noch m i t 1 U seiner Arbeitskraft für das Arbeitsgericht eingesetzt 226 . b) Landesarbeitsgericht Bremen Vorsitzender des Landesarbeitsgerichts war von Anfang an Landgerichtsdirektor Dr. Otto Steengrafe. Er war es wegen des verhältnismäßig geringen Geschäftsanfalls, der später noch weiter absank, nur i m 224
Zu alledem SRB G.3.b.l2. N r 13 a. 225 v g l Dersch-Volkmar, 4. Aufl, § 14 Anm 6.
226 Durch Rundverfügung des Reichsministers der Justiz vom 24. 7. 1936 — 7651 — I a 10407 — war im übrigen angeordnet worden, daß die Richterstellen der Arbeitsgerichte und Landarbeitsgerichte auf die Amtsgerichte und Landgerichte übertragen und die Stelleninhaber an diese Gerichte versetzt wurden. Diese Verfügung wurde durch weitere Rundverfügung vom 22. 10. 1936 — 7651 — I a 13908 — ergänzt. Danach waren auch sämtliche übrigen Plan- und Hilfsstellen aller Art bei den Arbeitsgerichten und Landarbeitsgerichten mit Wirkung vom 1. 4. 1936 bei den Amtsgerichten und Landgerichten zu führen: Generalakten 765 des Amtsgerichts Bremen.
7 Trinkhaus
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1. Teil, 6. Kap.: Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 und echtszustand bis 1945
Nebenamt. Hauptamtlich war er vor allem Präsident des Verwaltungsgerichts. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er als Heeresrichter einberufen, wurde dann aber am 9. November 1944 aus dem aktiven Wehrdienst entlassen. M i t Wirkung vom 1. Dezember 1944 wurde er zwar zum Hilfsrichter beim Amtsgericht und beim Landgericht Bremen bestellt, konnte diesen Dienst jedoch wegen eines Schlaganfalls nicht antreten. Der schon als Vorsitzender des Gewerbe- und des Kaufmannsgerichts Bremen verdiente Richter war dann lange krank und dienstunfähig, bis er am 12. Januar 1948 verstarb, ohne bis dahin — wegen der damals geltenden Bestimmungen — Gehalts- oder Ruhegehaltsbezüge empfangen zu haben. Stellvertretende Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts waren zunächst Landgerichtsdirektor Dr. Marks, Richter Dr. Wedemeyer und Richter Dr. Reuter, später auch kurze Zeit Amtsgerichtsdirektor Dr. Schmincke und Richter Dr. Priess. I n den letzten Kriegs jähren war Vorsitzender des Landesarbeitsgerichts Landgerichtsdirektor Dr. Bredenkamp. c) Arbeitsgerichte Blumenthal und Wesermünde Vorsitzender des Arbeitsgerichts Blumenthal war namentlich Amtsgerichtsrat Dr. Hartmann. Als Vorsitzende des Arbeitsgerichts Wesermünde waren i m wesentlichen Amtsgerichtsrat Dr. Oelfke und — zeitweise — Amtsgerichtsrat Dr. Gronemann tätig, sämtliche Richter übrigens i m Nebenamt.
I I I . Eingriffe des nationalsozialistischen Regimes in die Arbeitsgerichtsbarkeit Nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus am 30. Januar 1933 wurde die Arbeitsgerichtsbarkeit n a c h u n d n a c h z u r B e d e u t u n g s l o s i g k e i t v e r u r t e i l t , wie schon der außergewöhnliche Rückgang i m Geschäftsanfall der Arbeitsgerichte zeigt. Nach der gewaltsamen Beseitigung der Gewerkschaften und der Selbstauflösung der Arbeitgeberverbände gab es k e i n e G e s a m t s t r e i t i g k e i t e n mehr. Die bisherigen Aufgaben der Tarifvertragsparteien waren bereits m i t dem Gesetz vom 19. M a i 1933 (RGBl I S 85) auf m i t umfassenden Vollmachten ausgestattete „Treuhänder der Arbeit" übertragen worden, die nach dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 (RGBl I S 45) ua auch die sich aus der Betriebsverfassung ergebenden Streitigkeiten zu erledigen hatten. Dementsprechend waren die Vorschriften des ArbGG 1926 über das B e s c h l u ß v e r f a h r e n g e s t r i c h e n worden. Wenn auch die meisten anderen Vor-
IV. Geschäftsgang b. d. Arbeitsgericht -u. d. Landesarbeitsgericht Bremen
99
Schriften des Gesetzes formell nicht angetastet wurden, so wurde doch der Aufgabenbereich der Arbeitsgerichtsbarkeit noch weiter dadurch geschmälert, daß der weitaus größte Teil aller Arbeitsstreitigkeiten nunmehr durch die „Deutsche Arbeitsfront " am grünen Tisch geschlichtet wurde. Die arbeitsrechtliche Kriegsgesetzgebung, insbesondere die A r beitsplatzwechsel»Verordnung vom 1. September 1939 (RGBl I S 1685) und der Lohnstop der Kriegswirtschafts-Verordnung vom 4. September 1939 (RGBl I S 1699), sowie die Kriegsverhältnisse selbst führten schließlich dazu, daß für eine wesentliche Tätigkeit der Arbeitsgerichtsbehörden kein Raum mehr w a r 2 2 7 . Z u gedenken ist aber noch der diskriminierenden Behandlung der j ü d i s c h e n M i t b ü r g e r durch die Verordnung über die Beschäftigimg der Juden vom 3. Oktober 1941 (RGBl I S 675) und die Durchführungsverordnung zu dieser Verordnung vom 31. Oktober 1941 (RGBl I S 681). Danach standen i n Arbeit eingesetzte Juden nicht i n einem Arbeitsverhältnis, sondern i n einem B e s c h ä f t i g u n g s v e r h ä l t n i s eigen e r A r t . Für Streitigkeiten aus einem solchen Beschäftigungsverhältnis war eine m i t einem Richter besetzte S p r u c h s t e l l e zuständig, die vom Reichsjustizminister am Sitz eines Arbeitsgerichtes zu errichten war. Die für das arbeitsgerichtliche Verfahren geltenden Vorschriften fanden auf das Verfahren vor den Spruchstellen entsprechende Anwendung. Gegen die Entscheidung der Spruchstelle war k e i n R e c h t s m i t t e l gegeben. M i t Zuständigkeit für den Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg war die Spruchstelle bei dem Arbeitsgericht Hamburg errichtet worden.
IV. Geschäftsgang bei dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Bremen 1. Arbeitsgericht
Bremen
Der Geschäftsgang beim Arbeitsgericht Bremen seit seiner Errichtimg (1. J u l i 1927) bis zum 31. Dezember 1937 einschließlich ergibt sich aus folgender Übersicht nach der A r t der Erledigung 2 2 8 . 227 Über die nationalsozialistischen Einflüsse auf Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit ausführlicher: Wenzel , JZ 1965, 751—753. 228 Für die Zeit vom 1. 1. 1938 bis zum 31. 12. 1941 liegen nur zusammengefaßte statistische Unterlagen für den OLG-Bezirk Hamburg vor. Für die Jahre 1942 bis 1945 sind überhaupt keine Unterlagen vorhanden. Die Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches enthalten Angaben über die sonstige Erledigung nur bis zum 31. 12. 1931. Für die spätere Zeit ist die Zahl der sonstigen Erledigungen nach Erfahrungswerten geschätzt worden.
l*
100 1. Teil, 6. Kap.: Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 und Hechtszustand bis 1945
Jahr
Urteil
Erledigt durch Vergleich
Sonst. Erl.
842 1720 1866 1921 1824 1732 1469 1168 824 788 810
252 570 569 690 701 733 533 324 339 263 226
300 626 644 576 517 516 493 408 273 281 290
226 386 551 562 505 383 343 336 112 122 184
14 964
5 200
4 923
3 710
Eingänge
1927 229 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 Insgesamt
I m D u r c h s c h n i t t dieser 101/« Jahre ergibt sich, daß rund 34,8°/o der Streitsachen durch streitiges Urteil, Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, 32,9 o/o durch Vergleich und 24,7 % durch Klagerücknahme oder i n sonstiger Weise erledigt wurden. Vergleichsweise wurden i m Jahre 1930 bei allen Arbeitsgerichten i m D e u t s c h e n R e i c h 18,8 % der Streitsachen durch streitiges Urteil, 3 %> durch Anerkenntnis- und 11,1 °/o durch Versäumnisurteil, 36 °/o durch Vergleich, 22,5 °/o durch Klagerücknahme und 8,6 o/o i n sonstiger Weise erledigt 2 3 0 . Über die durchschnittliche D a u e r d e r V e r f a h r e n bei dem Arbeitsgericht Bremen geben die statistischen Unterlagen keinen Aufschluß. I m gesamten D e u t s c h e n R e i c h wurde i m J a h r e 1930 über eine zu lange Dauer der Verfahren bei den Arbeitsgerichten geklagt. Es wurden i m Durchschnitt 3,8 % der Streitsachen i n weniger als einer Woche, 16,9 % i n einer Woche bis zu 2 Wochen, 37,6 °/o i n 2 Wochen bis zu 1 Monat, 32,7 % i n 1 Monat bis zu 3 Monaten und 9 °/o i n 3 Monaten und länger erledigt 2 3 1 . Unter dem ArbGG 1926 sind also die Hoffnungen auf eine ebenso kurze Erledigungsdauer wie bei den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten nicht erfüllt worden. 2. Landesarbeitsgericht
Bremen
Für das Landesarbeitsgericht ergibt sich der Geschäftsgang i n den Jahren 1927 bis 1934 aus der folgenden Übersicht nach der A r t der Erledigung 2 3 2 : 229 230 231 232
1. 7. bis 31. 12. 1927. Nach Wogan, ArbG 1931, 391. Wogan, aaO, 392. SRB G.3.b.l2. N r 17.
IV. Geschäftsgang b. d. Arbeitsgericht u. d. Landesarbeitsgericht Bremen 101 anhängige Berufungen
Erledigt
1927 233 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934
40 77 91 142 138 109 66 52
33 73 76 119 110 83 55 42
17 38 34 58 56 51 26 12
16 35 42 61 54 32 29 30
Insgesamt
715
591
292
299
Jahr
Davon durch Urteil Sonst. Erl.
Nach 1934 sank die Zahl der anhängigen Berufungen weiter ganz erheblich ab 2 3 4 . I m Jahre 1942 waren nur noch 11 Sachen anhängig 285 .
238 234 235
Ab 1. 7. 1927. Siehe unter I I I . Generalakten 765 — a/3 des L G Bremen.
Siebentes Kapitel
Die Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit von 1945 bis zur Gegenwart I. Rechtszustand im Jahre 1945 1. Vorübergehende
Aufhebung
der besonderen Arbeitsgerichtsbarkeit
Durch den Zusammenbruch des Deutschen Reiches i m Jahre 1945 war vorübergehend auch ein v ö l l i g e r S t i l l s t a n d d e r R e c h t s p f l e g e eingetreten. Durch Proklamation Nr 1 der Mil-Reg vom 30. August 1945 wurden zunächst alle deutschen Gerichte bis auf weiteres geschlossen. Nach dem Gesetz N r 77 der Mil-Reg über die „Schließung einzelner Organisationen und Dienststellen auf dem Gebiet der Arbeit " hatten die A r b e i t s g e r i c h t s b e h ö r d e n ihre T ä t i g k e i t bis auf weiteres e i n z u s t e l l e n . Durch Gesetz Nr 2 der Mil-Reg betr. deutsche Gerichte vom Juni 1945 wurde dann eine beschränkte Wiederaufnahme der deutschen Gerichtsbarkeit für Oberlandesgericht, Landgericht und Amtsgericht verfügt. Durch Ausführungsverordnung N r 1 zum Gesetz N r 2 der Mil-Reg vom 16. Februar 1946 wurde bestimmt, daß für Angelegenheiten, die früher zur ausschließlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gehört hatten, bis auf weiteres i n erster Instanz die A m t s g e r i c h t e zuständig seien, wobei die für die A r b e i t s s t r e i t i g k e i t e n maßgebenden Verfahrensvorschriften soweit als möglich angewendet werden sollten. Die Vorschriften über die Teilnahme von Laien an der Arbeitsrechtsprechung sollten jedoch erst dann wieder i n Kraft treten, wenn der zuständige Justizminister dieses bestimmte 2 8 6 . 2. Erste Maßnahmen zur Wiedererrichtung
der Arbeitsgerichte
I n Bremen wurden bereits seit J u l i 1945 durch den Landesgerichtspräsidenten i m Einvernehmen m i t dem Senator für Justiz und Verfassung erste Vorbereitungen zur Wiedererrichtung der Arbeitsgerichte getroffen. Jedoch erklärte sich die Mil-Reg erst Ende März 1946 damit ein2S6 v g l zu alledem Dersch-Volkmar, 6. Aufl, S 5; Dietz-Nikisch , S 40; Hueck-Nipperdey, 7. Aufl, Bd I S 887; Maus, ARSt I S 2.
II. Durchführung des Kontrollratsgesetzes Nr 21
103
verstanden, daß i m Bezirk des Landgerichts Bremen Arbeitsgerichte und auch ein Landesarbeitsgericht wieder gebildet wurden. Der Landgerichtspräsident schlug darauf dem Senator für Justiz und Verfassung die erforderlichen Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden zur Bestellung vor 2 8 7 . Dazu kam es aber nicht mehr, weil etwa zur gleichen Zeit das Kontrollratsgesetz N r 21 vom 30. März 1946: D e u t s c h e s A r b e i t s g e r i c h t s g e s e t z (KRG Nr 21) erlassen wurde. Damit war der durch die Schließung der Arbeitsgerichte immer fühlbarer werdende Mangel an Rechtsschutz auf dem Gebiete des Arbeitsrechts 288 behoben, wenn auch die tatsächliche Errichtung der neuen Arbeitsgerichte noch einige Zeit auf sich warten ließ.
I I . Durchführung des Kontrollratsgesetzes Nr 21 2. Grundgedanken
des Gesetzes
Das K R G N r 21 regelte nur die Organisation, die Besetzung und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte und verwies wegen des Verfahrens auf das ArbGG 1926 i n seiner ursprünglichen Fassung 289 . Ein besonderes Verfahren für Streitigkeiten über die Auslegung von Betriebsvereinbarungen sah das K R G Nr 21 aber nicht vor; auch das Beschlußverfahren führte es nicht wieder ein. M i t dem Erlaß des BremBetrRG vom 10. Januar 1949 (BremGBl S 7) war jedoch i m Lande Bremen diesem Mangel i m großen und ganzen abgeholfen worden (§ 46) 240 . Das K R G Nr 21 löste die Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte i n organisatorischer Hinsicht völlig aus ihrer engen Verbindung m i t den ordentlichen Gerichten i m Rahmen der Justizverwaltung heraus und unterstellte sie als s e l b s t ä n d i g e , b e s o n d e r e G e r i c h t s b a r k e i t der A r b e i t s b e h ö r d e n 2 4 1 . Das K R G Nr 21 ließ als bloßes Rahmen287
SRB G.3.b.l2. N r 72. Siehe etwa das Schreiben der Deutschen Angestelltengewerkschaft vom 2. 7. 1946 an den Präsidenten des Senats, in: SRB G.3.b.l2. N r 72. 189 Citron, D R Z 1947, 43—46, 70—74; Dersch-Volkmar, 6. Aufl, S 5—6; Dietz-Nikisch, S 40—43; Hueck-Nipperdey, 7. Aufl, Bd I S 887—88; Maus, ARSt I S 2—3. 240 Zur Streitfrage, ob und in welchem Umfang das Beschlußverfahren entsprechend dem ArbGG 1926 aF nach dem K R G N r 21 zulässig war, Citron, D R Z 1947, 72. 241 Welche Erwägungen für die organisatorische Neuregelung maßgebend waren, ist — mangels genauer Kenntnis der Zusammenhänge — nur aus dem Inhalt des K R G N r 21 abzuleiten. Es sollte sicherlich der vor allem von Seiten der Gewerkschaften immer wieder angegriffene „justizrechtliche" Charakter der Arbeitsgerichtsbarkeit nach dem ArbGG 1926 überwunden und die zuerst von Kaskel, ArbR 1919, 47, empfohlene Gestaltung verwirklicht werden. So Citron, D R Z 1947, 44; Maus, ARSt I S 3. Sehr kritisch Dietz888
104
1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945
gesetz landesrechtliche Neuregelungen zu. Bremen machte von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch 242 , zumal als zuständige Arbeitsbehörde iS des K R G N r 21 zunächst das Landesarbeitsamt Hannover, seit dem 4. J u l i 1946 bis zum 31. März 1950 das Landesarbeitsamt Bremen (zunächst Hauptarbeitsamt Enklave Bremen) fungierte. Zur Beilegung von Streitigkeiten in Arbeitssachen waren „ ö r t l i c h e u n d B e r u f u n g s a r b e i t s g e r i c h t e " in ganz Deutschland zu errichten. Die Arbeitsgerichte sollten unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes für folgende bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten z u s t ä n d i g sein: a) Streitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen; ferner Streitigkeiten zwischen tarifvertragsfähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, sofern es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit handelte, b) Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus dem Arbeits- oder Lehrverhältnis, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeits- oder Lehrvertrags oder aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeits- oder Lehrvertrages und aus dessen Nachwirkungen; ferner Streitigkeiten aus unerlaubten Handlungen, soweit diese m i t dem Arbeits- oder Lehrverhältnis i m Zusammenhange stehen. Ausgenommen waren: Streitigkeiten, deren Gegenstand die Erfindung eines Arbeitnehmers bildet, soweit es sich nicht nur um Ansprüche auf eine Vergütung oder Entschädigung für die Erfindung handelt. Streitigkeiten der nach § 481 des Handelsgesetzbuchs zur Schiffsbesatzung gehörenden Personen. c) Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsoder Lehrverhältnis i n Zusammenhang standen, d) Streitigkeiten aus Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz und Unfallverhütung, e) Streitigkeiten bezüglich Auslegung von Vereinbarungen zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern. Nikisch, S 41; vgl auch 6. Kap unter I. 1. die erste Ansicht über die Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit. 242 Neue Arbeitsgerichtsgesetze entstanden nur in den Ländern Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Baden.
II. Durchführung des Kontrollratsgesetzes Nr 21 2. Errichtung
105
der Arbeitsgerichte Bremen und Wesermünde sowie des Landesarbeitsgerichts Bremen
Nach vorbereitenden Verhandlungen zwischen dem Präsidenten des Landesarbeitsamtes Hannover und der Mil-Reg i n Bremen 2 4 3 wurde durch den Präsidenten des Landesarbeitsamtes unter dem 2. J u l i 1946 auf Grund des K R G Nr 21 die E r r i c h t u n g v o n A r b e i t s g e r i c h t e n im Bezirk des Landesarbeitsamtes, ua auch i n B r e m e n u n d W e s e r m ü n d e verfügt. Als Berufungsgericht war zunächst ein Landesarbeitsgericht i n Hannover mit einer Nebenstelle in Bremen vorgesehen. Doch wurde den bremischen Wünschen nach einem e i g e n e n L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t kurz darauf entsprochen 244 . Die B e z i r k e d e r A r b e i t s g e r i c h t e B r e m e n u n d W e s e r m ü n d e (ab 7. 2. 1947: B r e m e r h a v e n ) wurden mehrfach umgestaltet, zumal sich auch die gebietliche Zuständigkeit der Besatzungsmächte i n dieser Zeit wiederholt änderte. Ursprünglich sollten der Bezirk des Arbeitsgerichts Bremen sogar die Stadt Delmenhorst und der Bezirk des Arbeitsgerichts Wesermünde auch den Landkreis Wesermarsch umfassen. Bis zum 15. A p r i l 1948 gehörten zum Bezirk des Arbeitsgerichts Wesermünde (Bremerhaven) tatsächlich die Landkreise OsterholzScharmbeck und Wesermünde, während die Enklave Thedinghausen bis zum 28. Juni 1950 zum Bezirk des Arbeitsgerichts Bremen gehörte 245 . Die feierliche Eröffnung des Landesarbeitsgerichts Bremen und des Arbeitsgerichts Bremen erfolgte dann am 19. August 1946 durch Bürger148 Zum Verständnis des Folgenden: Zunächst waren von der Mil-Reg nicht nur die Stadt Wesermünde, sondern auch die Landkreise Wesermünde und Osterholz in die amerikanische Enklave Bremen einbezogen worden. Eine Vereinbarung zwischen amerikanischer und britischer Mil-Reg legte fest, daß mit Wirkung vom 10. 12. 1945 in der Stadt Wesermünde bei gleichwohl amerikanischer Besetzung die von der britischen Militärregierung erlassenen Gesetze Geltung haben sollten. Die Landkreise Wesermünde und Osterholz wurden wieder in die britische Besatzungszone aufgenommen. Durch die Verordnung 76 der britischen Mil-Reg vom 31. 12. 1946 wurde der Stadtkreis Wesermünde in das Land Bremen eingegliedert. Die Proklamation des damaligen Oberbefehlshabers der amerikanischen Streitkräfte in Europa und Militärgouverneurs im amerikanischen Besatzungsgebiet in Deutschland vom 23. 1. 1947 über die Errichtung des Bremischen Staates bestätigte diese Eingliederung namens der amerikanischen Mil-Reg. Schließlich gab die Stadtvertretung Wesermünde am 7. 2. 1947 der Stadt den Namen Bremerhaven. So August Meyer, aaO, S 21. 244 Verfügung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Hannover vom 29. 8. 1946 — 5/46 —. 246 Die Landkreise Osterholz-Scharmbeck und Wesermünde wurden durch Verfügung des Landesarbeitsamtes Hannover vom 15. 4. 1948 dem Arbeitsgericht Stade zugeordnet. Die Enklave Thedinghausen wurde nach Vereinbarung vom 28. 6. 1950 zwischen dem Senator für Arbeit und Wohlfahrt in Bremen und dem Niedersächsischen Minister für Arbeit dem Arbeitsgericht Verden zugeteilt.
106
1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945
meister Dr. Spitta als Vertreter von Bürgermeister Kaisen in Gegenwart von Vertretern der Mil-Reg, der deutschen Behörden, der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie i n Anwesenheit der inzwischen ernannten Berufsrichter und ehrenamtlichen Beisitzer des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts Bremen. A m 20. August 1946 wurde das Arbeitsgericht Wesermünde gleichfalls i n feierlicher Form eröffnet. 3. Vorsitzende und Beisitzer a) Befähigung und Rechtsstellung der Vorsitzenden A r t V I K R G N r 21 schrieb für die V o r s i t z e n d e n und stellvertretenden Vorsitzenden d e r A r b e i t s g e r i c h t e i m Gegensatz zu den §§ 6 und 36 ArbGG 1926 n i c h t die Fähigkeit zum Richteramt iS von § 2 GVG aF als „rechtsgelehrte Richter" vor. Vielmehr sollten die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden besondere Befähigung i n Arbeitsangelegenheiten haben und auf Grund ihrer früheren Tätigkeit, ihrer Ausbildung oder der Obliegenheiten, die sie in Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberverbänden ausgeübt haben, fähig sein, richterliche Aufgaben wahrzunehmen 246 . Sie brauchten nicht Berufsrichter zu sein; die V o r s i t z e n d e n und stellvertretenden Vorsitzenden d e r L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t e mußten jedoch „entsprechende juristische Befähigung", dh die B e f ä h i g u n g z u m R i c h t e r a m t besitzen 247 . Diese Regelung entsprach i m wesentlichen den i n § 12 Abs 2 GewGG 1890 zugelassenen Anforderungen, nicht aber den Vorschriften des § 2 BremAusfG z GewGG 1890, des § 11 Abs 1 KfmGG 1904 und des § 18 ArbGG 1926. Die R e c h t s s t e l l u n g d e r V o r s i t z e n d e n war nach dem KGR N r 21 recht problematisch; diese konnten nach dessen A r t V I I nur auf die Dauer von jeweils 3 Jahren bestellt werden, womit die an die p e r s ö n l i c h e U n a b h ä n g i g k e i t der Richter zu stellenden Anforderungen n i c h t e r f ü l l t waren (Art 135 Abs 1, A r t 136 Abs 2 BremLandesverf; A r t 97 GG) 2 4 8 , mit denen letztlich die notwendige Sicherung der Neutralität der Richter und der Objektivität der Rechtsprechung bezweckt wird. Trotz wiederholter Vorstöße namentlich des Deut249 Text Dietz, Das Arbeitsgerichtsverfahren (1948) S 10; auch Kassmann, Deutsches Arbeitsgerichtsgesetz, 4./6. Aufl, S 77. 247 Citron, D R Z 1947, 44—45; Dietz, § 18 Anm 5—8, § 36 Anm 6; Kassmann, Art V I Anm 1 und 2; Maus, ARSt I, S 3; derselbe, Der Prozeß vor den A r beitsgerichten (1950) S 17. 248 So Bettermann, Die Unabhängigkeit der Gerichte und der gesetzliche Richter, in: Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, I I I / 2 S 525; vgl auch Dietz-Nikisch, S 43.
II. Durchführung des Kontrollratsgesetzes Nr 21
107
sehen Arbeitsgerichtsverbandes eV 2 4 9 konnte die Anstellung der Vorsitzenden auf Lebenszeit erst durch das ArbGG 1953 erreicht werden. b) Erste Vorsitzende Gemäß der ausdrücklichen Regelung des A r t V I Abs 1 K R G N r 21 wurden auf Vorschlag der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände 250 zum ersten Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts Rechtsanwalt Dr. Hans Galperin und zum stellvertretenden Vorsitzenden Rechtsanwalt H. Stutzer ernannt. Zum Vorsitzenden des Arbeitsgerichts Bremen w u r den Hermann Kruse und zum Vorsitzenden des Arbeitsgerichts Wesermünde Herbert Jürgens als sog Fachrichter bestellt. Die Ernennung von stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgerichte blieb vorbehalten. c) Erste Beisitzer Auf Vorschlag der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände i m Lande Bremen wurden entsprechend A r t V I Abs 2 K R G N r 21 am 14. August 1946 zunächst je 15 Beisitzer für das Arbeitsgericht Bremen und das Landesarbeitsgericht Bremen sowie 19 Beisitzer für das Arbeitsgericht Wesermünde berufen und größtenteils bei der feierlichen Wiedereröffnung der Gerichte vereidigt. Dies waren beim A r b e i t s g e r i c h t B r e m e n aus dem Kreise der Arbeitgeber die Arbeitsrichter Glade, Grünwald, Henke, Herklotz, Hillebrandt, Huskamp, Koch, Kulenkampff, Pöppelmeier, Pusch, Seggel, Siemer, Dr. Schünemann und Wichlein, aus dem Kreise der Arbeitnehmer die Arbeitsrichter Aderkas, Adler, Brandt, Funke, Heinemann, Kempf, Klatte, Klingelhöfer, Kraut, Otten, Poppe, Seiler, Siegmund, Schüler und Weyers. Beim A r b e i t s g e r i c h t W e s e r m ü n d e (Bremerhaven) wurden erstmalig berufen aus dem Kreise der Arbeitgeber die Arbeitsrichter Berding, Kegel, Klawitter, Laskowski, Mainzer, Pritzbuer, Sander und Schütte, aus dem Kreise der Arbeitnehmer die Arbeitsrichter Priedel, Grimm, Hohn, Klug, Lagemann, Lohmüller, Mowatzky, Riga, Röpke, Schmele und Zirn. Schließlich wurden für das L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t B r e m e n aus dem Kreise der Arbeitgeber die Landesarbeitsrichter Ahrens, Althans, Beckmann, Bothe, Ger ding, Grüber, Dr. Her ding, Heyen, Krück, Lange, Panzer, Siemer und Schulze-Eckard, aus dem Kreise der Arbeitnehmer die Landesarbeitsrichter Brauckmüller, Blome, Göken, Hilgers, Janetzki, Meyer, Heinz, Mielitz, Lehmkuhl, Prokovosky, Raschen, Strulik und Zörner berufen. Von diesen ehrenamtlichen Richtern ist heute beim Arbeitsgericht Bre249
Vgl etwa MittArbGV 1951 N r 4 S 7. Zur Kritik an den Vorschlägen und an der Auswahl von Vorsitzenden der Arbeitsgerichte nach Art V I K R G N r 21 siehe nur Volkmar, A B l 1949, 25; Gerhard Müller, A B l 1949, 132; Rüstig, RdA 1950, 341. 250
108
1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945
merhaven keiner mehr i m Amt, während beim Arbeitsgericht Bremen allein der Arbeitsrichter Kulenkampff tätig ist, allerdings mit einer 4jährigen Unterbrechung seiner Dienstleistung. Beim Landesarbeitsgericht Bremen ist nur noch der Landesarbeitsrichter Althans seit dem 14. A u gust 1946 ununterbrochen i m Amt. Doch kann auch der Landesarbeitsrichter Seiler auf eine ununterbrochene Tätigkeit i m Dienste der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit zurückblicken; er war zunächst Arbeitsrichter beim Arbeitsgericht Bremen und ist seit 1956 als Landesarbeitsrichter tätig. Landesarbeitsrichter Heinemann war seit dem 14. August 1946 zunächst Arbeitsrichter und ist nach 4jähriger Unterbrechung seit dem 14. Oktober 1957 Landesarbeitsrichter. Den Landesarbeitsrichter Hilgers riß der Tod am 11. Februar 1965 nach 1 8 7 2 j ä h r i g e r Arbeitsdauer aus seinem Dienst in der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit. Die älteste Landesarbeitsrichterin Fräulein Göken ist nach über 17jähriger Tätigkeit beim Landesarbeitsgericht nach Eintritt i n den Ruhestand am 20. September 1963 ausgeschieden, kurz vorher am 13. September 1963 auch die langjährigen Landesarbeitsrichter Grünwald und Zörner. Senator Karl Weßling, Senator für Arbeit der Freien Hansestadt Bremen, gehörte dem Landesarbeitsgericht vom 25. August 1949 bis Dezember 1959 als Landesarbeitsrichter an. Diese wenigen Namen stehen für alle Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter, die durch ihr ehrenamtliches Wirken i n der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit zur Sicherung der sozialen Ordnung und des sozialen Friedens i n dem spannungsgeladenen Bereich des Arbeitslebens entscheidend beigetragen haben und beitragen. Die Landesarbeitsrichter Kurt Althans und Franz Seiler konnten am 15. August 1966 für ununterbrochenes 20jähriges ehrenamtliches Wirken in der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts geehrt werden. 4. Entwicklung
bis zum Inkrafttreten
des Arbeitsgerichtsgesetzes
von 1953
a) Geschäftsgang i n den Jahren 1946 und 1947 Sofort nach der Wiedereröffnung der Arbeitsgerichtsbarkeit i m Lande Bremen nahmen die Gerichte ihre Tätigkeit auf. Von August 1946 bis zum 31. Dezember 1946 wurden beim A r b e i t s g e r i c h t Bremen insgesamt 209 Klagen erhoben, so daß unter Berücksichtigung der von den ordentlichen Gerichten übernommenen Aktenfälle insgesamt 295 Rechtssachen anhängig waren. Von diesen wurden bis zum 31. Dezember 1946 226 Streitsachen erledigt. Die Mehrzahl der Streitigkeiten betraf Forderungen von Angestellten, was ua mit ihrer damals noch wesentlich besseren Rechtsstellung gegenüber den Arbeitern erklärt werden kann. Uberwiegend wurden Gehalts- und Lohnforderungen erhoben, während an zweiter Stelle Klageansprüche wegen Kündigung des Arbeitsverhältnisses standen. Die verhältnismäßig große Zahl der Entlassungsklagen
II. Durchführung des Kontrollratsgesetzes Nr 21
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ergab sich i m wesentlichen daraus, daß die Arbeitgeber es versäumt hatten, die Kündigungszustimmung des Arbeitsamtes nach der Arbeitsplatzwechsel-Verordnung vom 1. September 1939 (RGBl I S 1685) einzuholen. Diese Zustimmung war auch nach dem Kontrollratsbefehl N r 3 vom 17. Januar 1946 noch erforderlich. Eine erhebliche Zahl von Kündigungsklagen war darauf zurückzuführen, daß die Arbeitgeber gewerblicher Arbeiter nicht die Bestimmungen des § 123 GewO beachtet hatten. I n 12 Fällen wurde gegen Urteile des Arbeitsgerichts Bremen Berufung eingelegt. I m Jahre 1947 zeichnete sich beim Arbeitsgericht Bremen eine weitere ansteigende Entwicklung der Geschäftslage ab. I n diesem Jahr waren insgesamt 529 Klagen anhängig, von denen 504 entschieden w u r den. Die Klagen der Angestellten waren wieder zahlreicher als die der gewerblichen Arbeiter. Der geringste Streitwert betrug 1 RM, der höchste 53 445,— RM. Von 77 Urteilen, die das Arbeitsgericht erließ, wurden 28 mit der Berufung angefochten 251 . b) Arbeitsgerichtsbarkeit und Landesarbeitsamt Das Landesarbeitsgericht und das Arbeitsgericht Bremen waren zunächst provisorisch i n der B a u m w o l l b ö r s e untergebracht, bis sie am 1. Januar 1947 auf Anordnung des Präsidenten des damaligen Hauptarbeitsamtes i n dessen Dienstgebäude B ü r e n s t r a ß e 19 umzogen. Die gemeinsame Unterbringung von Arbeitsamt und Landesarbeitsamt sowie von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hat vor allem bei der rechtsuchenden Bevölkerung oft zu Mißverständnissen geführt. Insbesondere schien bei manchen Parteien die Ansicht vorzuherrschen, daß die Arbeitsgerichte keine selbständigen Gerichte seien. Die Folge war Mangel an Achtung gegenüber dem Gericht und auch ungebührliches Betragen 2 5 2 . Auch bei dem Landesarbeitsamt selbst scheint i n den ersten Aufbaujahren nicht volle Klarheit über Inhalt und Grenzen der Dienstaufsicht geherrscht zu haben. Solche Unklarheiten scheinen damals bei den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern weit verbreitet gewesen zu sein. Sonst wäre es nicht zu erklären, daß Arbeitsminister der Länder diese Behörden in den Jahren 1946 und 1947 anweisen mußten, sich in die A r beitsrechtsprechung nicht einzumischen und sich jeder rechtlichen Würdigung zu enthalten 2 5 3 . Der Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts Bremen betrachtete die Unterstellung der Arbeitsgerichtsbehörden unter die Verwaltung und D i e n s t a u f s i c h t des L a n d e s a r b e i t s a m t e s 251
1947. 152
1947.
Geschäftsbericht des Arbeitsgerichts Bremen für die Jahre 1946 und Geschäftsbericht des Arbeitsgerichts Bremen für die Jahre 1946 und
253 So zB Rundverfügungen des Niedersächsischen Ministers für Aufbau und Arbeit von 31. 3. 1946 und des Arbeitsministers des Landes NordrheinWestfalen 33/47; Generalakten des Senators für Arbeit.
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1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945
nur als b e f r i s t e t e Ü b e r g a n g s r e g e l u n g für die außergewöhnliche Zeit des Umbruches, m i t der verhindert werden sollte, daß Rechtspflege und Verwaltung getrennte Wege gingen 2 5 4 . Daß sich die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit auch das Vertrauen der Mil-Reg errang, folgt aus einem Schreiben des Zivildirektors der Mil-Reg i n Bremen, Thomas F. Dunn, vom 19. August 1947, i n welchem er seine Anerkennung ausspricht für die von den Arbeitsgerichten bis dahin geleistete gute A r beit 2 5 5 . c) Weiterer Ausbau ab 1948 Der Geschäftsanfall nahm i n der Folgezeit beim Arbeitsgericht Bremen ständig zu. Die Erledigung der Rechtsstreitigkeiten verzögerte sich dadurch erheblich, so daß es notwendig wurde, b e i m A r b e i t s g e r i c h t B r e m e n e i n e 2. K a m m e r e i n z u r i c h t e n . Diese wurde am 25. August 1948 errichtet; zu ihrem Vorsitzenden wurde Regierungsrat Dr. Kleen bestellt. Ab 1. A p r i l 1950 wurde die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit dann endlich der Verwaltung und Dienstaufsicht des Senators für Arbeit unterstellt 2 5 6 . A m 1. September 1951 folgte der organisatorischen auch die räumliche Trennimg zwischen Landesarbeitsamt und Arbeitsgerichtsbarkeit. Landesarbeitsgericht und Arbeitsgericht Bremen verlegten ihre Diensträume i n das Gebäude W a c h m a n n s t r a ß e 76, das seinerzeit noch von der Kanzlei der Bremischen Bürgerschaft m i t i n Anspruch genommen war, und zwar bis zum 28. Dezember 1954. Seitdem steht das Dienstgebäude Wachmannstraße 76 der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit allein zur Verfügung, bis das L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t infolge der personellen Ausdehnung des Arbeitsgerichts Bremen und des Landesarbeitsgerichts am 3. Dezember 1959 genötigt war, seinen endgültigen Dienstsitz i n den Räumen B r a h m s t r a ß e 2 5 zu nehmen. Aus den gleichen Gründen verlegte das A r b e i t s g e r i c h t B r e m e r h a v e n am 1. Oktober 1961 seine Diensträume i n das Gebäude der Handelskammer Bremerhaven, F r i e d r i c h-E b e r t-S t r a ß e 6, nachdem es bis dahin sein Domizil i n der I n d u s t r i e s t r a ß e 37 hatte. Beim Arbeitsgericht Bremen schied sein erster Vorsitzender Regierungsrat Kruse am 28. Februar 1951 wegen Erreichung der Altersgrenze aus. Zu seinem Nachfolger i m Vorsitz der 1. Kammer wurde am 1. A p r i l 1951 Hilmar Arnold, wiederum ein sog Fachrichter, bestellt. Wegen ständiger Zunahme der anhängigen Sachen mußte beim Arbeitsgericht Bremen kurz darauf am 15. M a i 1951 eine 3. Kammer gebildet werden, zu deren Vorsitzenden Rechtsanwalt Dr. Gutbrod ernannt wurde. 254 Protokoll über die Sitzung der Arbeitsamtsvorsitzenden im Lande Bremen vom 11. 9. 1947, Generalakten des L A G Bremen. 255 Generalakten des L A G Bremen. sse Verfügung des Senators für Arbeit und Wohlfahrt in Bremen vom 31.3. 1950.
III. Neuregelung der Arbeitsgerichtsbarkeit
111
I I I . Neuregelung der Arbeitsgerichtsbarkeit 1. Vorgeschichte des Arbeitsgerichtsgesetzes
von 1953
Der unter dem K R G N r 21 geltende Rechtszustand konnte aus verschiedenen Gründen nicht von Dauer sein 2 5 7 . Es widersprach nicht nur die Bestellung der Berufsrichter auf jeweils 3 Jahre den Anforderungen an die persönliche Unabhängigkeit der Richter (Art 97 GG). Vor allem aber mußte die in den Nachkriegs jähren verlorengegangene Rechtseinheit wiederhergestellt werden, die ohne ein oberes Bundesgericht als Revisionsgericht nicht gewährleistet war. Insoweit bestand zwischen allen Beteiligten volle Einmütigkeit. Dagegen war, insbesondere nachdem die Bundesregierung dem Bundesrat i m November 1951 den Entwurf eines A r b GG zugeleitet hatte, eine Reihe weiterer rechtspolitischer Fragen, wie ehedem vor Erlaß des ArbGG 1926, lebhaft umkämpft, insbesondere die Zulassung von Rechtsanwälten als Prozeßvertreter auch i n erster Instanz, die Verwendimg von Vorsitzenden ohne Befähigung zum Richteramt und — ganz besonders — die Ressortierung der Arbeitsgerichtsbarkeit bei der Arbeits- oder bei der Justizverwaltung. 2. Besonderheiten des Arbeitsgerichtsgesetzes
von 1953
a) Rechtseinheit und Verfahren Das von den gesetzgebenden Körperschaften schließlich verabschiedete Arbeitsgerichtsgesetz vom 3. September 1953 (BGBl I S 1267) (ArbGG 1953) 258 brachte mit der Beseitigung der Rechtszersplitterung i m A r beitsprozeßrecht und m i t der Schaffung des B u n d e s a r b e i t s g e r i c h t s m i t Sitz in Kassel die ersehnte R e c h t s e i n h e i t . Bei der Regelung des Verfahrens lehnte sich das ArbGG 1953 eng an das ArbGG 1926 an. Doch wurde das Beschlußverfahren i m Hinblick auf das inzwischen erlassene BetrVG eingehender geregelt. Die Möglichkeit schiedsgerichtlicher Erledigung von Einzelarbeitsstreitigkeiten schränkte das Gesetz erheblich ein (§ 101 Abs 2); den Güte- und Schiedsgutachtenvertrag schloß es sogar vollkommen aus. b) Befähigung und Rechtsstellung der Vorsitzenden Das ArbGG 1953 stellte auch die p e r s ö n l i c h e U n a b h ä n g i g k e i t d e r V o r s i t z e n d e n der Arbeitsgerichte dadurch sicher, daß es nach dreijähriger Amtsdauer ihre Weiterverwendung nur als auf Le257 Vgl zum Folgenden Dersch-Volkmar, 6. Aull, S 7—8; Dietz-Nikisch, S 43—46; Hueck-Nipperdey, 7. Aufl, Bd I S 888—889. 258 Das K R G N r 21 wurde durch Gesetz der Alliierten Hohen Kommission N r A-35 vom 11. 8. 1953 aufgehoben.
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1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945
benszeit ernannte Richter zuließ (§ 18 Abs 4). Die Präsidenten und weiteren Vorsitzenden der Landesarbeitsgerichte (§ 36) sowie die Bundesrichter am Bundesarbeitsgericht (§ 42) können nur als Richter auf Lebenszeit bestellt werden. Die hauptamtlichen Vorsitzenden der Arbeitsgerichte sollten, die hauptamtlichen Präsidenten und Vorsitzenden der Landesarbeitsgerichte mußten, wenn sie sich am Tage der Verkündung des Gesetzes (4. 9.1953) mindestens drei Jahre i m A m t befunden hatten, nach Maßgabe des § 115 Abs 1 und 2 auf ihren Antrag als auf Lebenszeit bestellte Richter übernommen werden. Grundsätzlich mußten die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte zwar die F ä h i g k e i t z u m R i c h t e r a m t besitzen; es konnte aber auch zum Vorsitzenden eines Arbeitsgericht bestellt werden, wer sich durch längere, mindestens fünfjährige Tätigkeit i n der Beratung arbeitsrechtlicher Angelegenheiten und i n der Vertretung vor Arbeitsgerichten umfassende Kenntnisse und Erfahrungen i m Arbeitsrecht erworben hatte (sog Fachrichter) (§ 18 Abs. 3). Alle Vorsitzenden der Arbeitsgerichte, die Präsidenten und Vorsitzenden der Landesarbeitsgerichte sowie die Bundesrichter am Bundesarbeitsgericht mußten i n jedem Falle b e s o n d e r e K e n n t n i s s e u n d E r fahrungen a u f d e n G e b i e t e n des Arbeitsrechts u n d d e s A r b e i t s l e b e n s besitzen. Durch das am 1. J u l i 1962 i n Kraft getretene D e u t s c h e R i c h t e r g e s e t z vom 8. September 1961 (BGBl I S 1665) (DRiG) sind die V o r s c h r i f t e n des ArbGG 1953 über die Zulassung sog F a c h r i c h t e r bei den Arbeitsgerichten und über das E r f o r d e r n i s b e s o n d e r e r K e n n t n i s s e u n d E r f a h r u n g e n auf den Gebieten des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens allerdings inzwischen a u f g e h o b e n worden. Das entsprach den Bestrebungen, für die Wahrnehmung des Richteramts i n allen Gerichtszweigen keine weiteren Voraussetzungen als die Befähigung zum Richteramt (§§ 5 bis 7 DRiG) zu fordern 2 5 0 . Wenn jetzt eine Vorschrift über besondere Voraussetzungen für das A m t des Berufsrichters i n der Arbeitsgerichtsbarkeit fehlt, so bedeutet das nicht, daß bei der Berufung eines solchen Richters seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen sowie seine frühere berufliche Tätigkeit außer acht zu lassen seien. Es war nur A b sicht des Gesetzgebers, diese Fragen der Personalpolitik zu überlassen, nicht aber gesetzlich zu regeln 2 6 0 . Selbst wenn der Vorbereitungsdienst zwischen der ersten und zweiten juristischen Staatsprüfung nach § 5 Abs 3 DRiG mindestens zwei Monate bei Gerichten für Arbeitssachen abzuleisten ist 2 6 1 , wäre es doch undenkbar, einen Bewerber insbesondere 259 Schmidt-Räntsch, § 88 Anm. 1. Die Überleitungs- und Übergangsbestimmungen von § 105 Abs. 1 und 2 sowie § 111 DRiG für Berufsrichter der Arbeitsgerichtsbarkeit sind im Lande Bremen ohne praktische Bedeutung geblieben. 260 Schmidt-Räntsch, § 9 Anm 22. 261 I m Lande Bremen wurden die Gerichtsreferendare seit 1957 drei Mo-
III. Neuregelung der Arbeitsgerichtsbarkeit
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zum Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts oder zum Bundesrichter am Bundesarbeitsgericht zu bestellen, der über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf den Gebieten des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens nicht verfügt 2 6 2 . c) Zulassung der Rechtsanwälte I n der Frage der Zulassung der Rechtsanwälte auch i n der ersten I n stanz wählte das ArbGG 1953 i n § 11 Abs 1 Sätze 2 bis 5 eine den Bedürfnissen der nicht organisierten Arbeitnehmer und den Interessen der A n waltschaft entgegenkommende Mittellösung, die noch durch die Vorschrift des § I I a (Erweiterung der Beiordnung über das Armenrecht hinaus) sachgerecht ergänzt wird. Doch sollte die Zulassung der Rechtsanwälte zur Prozeßvertretung vor den Arbeitsgerichten namentlich aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 12 Abs 1 GG) überhaupt nicht mehr beschränkt werden. Der i n § 11 Abs 1 Satz 5 ArbGG 1953 für die unbeschränkte Zulassung vorgeschriebene Streitwert von mindestens 300,— D-Mark w i r d heute bei der ganz überwiegenden Zahl der Streitsachen ohnehin erreicht. Bei den geringeren Streitwerten kommt aber nicht dem wirtschaftlichen Interesse der Anwaltschaft an gesteigerten Verdienstmöglichkeiten, sondern dem Anliegen der nicht organisierten Arbeitnehmer und auch Arbeitgeber, sich von Anfang an durch Rechtsanwälte vertreten lassen zu können, die größte Bedeutung zu. d) Ressortierung der Gerichte für Arbeitssachen I n der Frage der R e s s o r t i e r u n g d e r G e r i c h t e f ü r A r b e i t s s a c h e n ist das ArbGG 1953 nicht zu dem früheren Rechtszustand zurückgekehrt, wobei es sicherlich nicht ohne Bedeutung war, daß das Grundgesetz die Zuständigkeit des Bundesarbeitsministers für die Auswahl der Bundesrichter des Bundesarbeitsgerichts anstelle des Bundesjustizministers festgelegt hatte (Art 96 Abs 2 GG). Die Gerichte für Arbeitssachen sind i n allen Instanzen organisatorisch selbständige Gerichte geblieben, die weiterhin der Verwaltung und Dienstaufsicht der obersten Arbeitsbehörden der Länder und — hinsichtlich des Bundesarbeitsgerichts — des Bundesarbeitsministers unterstehen. Eine Verbindung mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist dadurch geschaffen, daß nate lang bei den Gerichten für Arbeitssachen ausgebildet. Nach der 2. V O zur Änderung der Justizausbildungsordnung vom 28. 9. 1965 (Brem GBl S 125) ebenso wie nach § 4 Abs 1 BremJAO vom 14. 3. 1965 (BremGBl S 27) werden die Referendare zwei Monate bei Gerichten für Arbeitssachen oder bei Behörden oder Stellen, die auf dem Gebiete des Arbeits- oder Sozialrechts tätig sind, ausgebildet, insbesondere bei Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden. 292 Dafür war selbst der 32. Deutsche Juristentag 1921 in Bamberg eingetreten; vgl 6. Kap. unter I. 1 am Ende. 8 Trinkhau«
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1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945
— m i t umgekehrten Vorzeichen wie das ArbGG 1926 — die obersten A r beitsbehörden der Länder i n den wichtigsten Fragen, insbesondere bei der Errichtung von Gerichten, bei der Verwaltung und Dienstaufsicht sowie bei der Bestimmung der Anzahl der Kammern, des Einvernehmens m i t den Landes Justizverwaltungen bedürfen (§§ 14,15,17, 33, 34, und 35). Die Frage der Organisation der Gerichte für Arbeitssachen ist aber nach wie vor lebhaft umstritten; insbesondere steht sie seit Jahren unter dem Stichwort des vom Deutschen Richterbund 2 6 3 und vom Deutschen Juristentag 2 6 4 für alle Gerichtszweige geforderten R e c h t s p f l e g e m i n i s t e r i u m s . Gegenüber diesen m i t großer Hartnäckigkeit verfolgten Bestrebungen ist auf die von Anfang an s e l b s t ä n d i g e geschichtliche Entwicklung der Arbeitsgerichtsb a r k e i t zu verweisen. Diese Gerichtsbarkeit hat sich durchaus eigenständig und sachbezogen auf den besonderen Lebensbereich der Arbeit und des arbeitenden Menschen herausgebildet; sie dient heute wie gestern über die konkrete Prozeßentscheidung hinaus dem Ausgleich sozialer Gegensätze und Spannungen sowie der Erhaltung des sozialen Friedens, der für das Leben i n der Gemeinschaft von so ausschlaggebender Bedeutung ist 2 6 5 . Darin liegt auch die M i t w i r k i m g der betroffenen und beteiligten Kreise am Aufbau und am Verfahren der Gerichte für Arbeitssachen i n gewisser S e l b s t a u t o n o m i e begründet. Dadurch erklärt sich auch der weitgehende Ausschluß des Schiedsverfahrens für Einzelstreitigkeiten, für das wegen der besonderen Ausgestaltung und Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit nur ausnahmsweise ein Bedürfnis anzuerkennen ist (§ 101 Abs 2). Das förderliche, zweckmäßige Zusammenwirken aller am Arbeitsrecht und seiner besonderen Gerichtsbarkeit ernsthaft interessierten Kreise auch i m Rahmen des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes eV ist für die Arbeitsgerichtsbarkeit und die i n ihr verkörperte Selbstgerechtsame t y pisch. Auch das P r i n z i p d e r f a c h l i c h e n N ä h e erfordert eine enge Verbindung mit dem zuständigen Minister oder Senator für die A r beitsgesetzgebung und Arbeitsverwaltung, der auf Grund seiner eigenen Aufgaben innerhalb desselben Lebensbereichs dem Arbeitsleben und seinen Schwierigkeiten erheblich näher steht und m i t dem i n ständiger Fortentwicklung begriffenen materiellen Arbeitsrecht und seinen besonderen Problemen wesentlich besser vertraut ist als das verhältnismäßig unbeteiligte Justizressort 266 . Bei der E i n h e i t d e s Arbeitsle283
Vgl nur die Erklärung vom 18. 6. 1965 — DRiZ 1965, 210. Der 42. Deutsche Juristentag 1957 in Düsseldorf kam unter dramatischen Begleitumständen (Auszug der Vertreter der anderen Gerichtsbarkeiten) zu der Empfehlung, „sämtliche Zweige der Gerichtsbarkeit der Aufsicht eines Ministers zu unterstellen". 265 So Bundesjustizminister Fritz Neumayer, MittArbGV 1954 N r 10 S 2. 286 So Nipperdey, MittArbGV 1954 N r 10 S 5. Die Arbeitsgerichtsbarkeit 264
IV. Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 in Bremen
115
bens, des A r b e i t s r e c h t s u n d s e i n e r Gerichtsbark e i t müßte die Arbeitsrechtsprechung also unmittelbar Schaden nehmen, wollte man sie aus der Verwurzelung i n ihrem besonderen Lebensbereich herausreißen 267 . Letzten Endes kommt es weniger auf eine organisatorische Einheit aller Gerichtszweige als vielmehr auf eine Einheit gewisser grundlegender Prinzipien, wie sie ua durch das DRiG gewährleistet sind, entscheidend an 2 6 8 . Die Ressortierung der Gerichte für Arbeitssachen bei den obersten Arbeitsbehörden setzt daher selbstverständlich auch voraus, daß der Aufgabenbereich der Dienstaufsicht und Verwaltung von Persönlichkeiten wahrgenommen wird, die mit den Besonderheiten des Arbeitsrechts und der Arbeitsgerichtsbarkeit wohlvertraut sind.
I V . Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 in Bremen 1. Bremische Regelungen Die zur Durchführung des ArbGG 1953 erforderlichen Regelungen bereitete der für die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit zuständige Senator für Arbeit vor. Nach seinen Entwürfen beschloß die Bürgerschaft (Landtag) das Gesetz über die Arbeitsgerichtsbarkeit vom 18.12.1953 (Brem GBl S 120) 269 und verabschiedete der Senat die Verordnung über die Geschäftsstellen der Arbeitsgerichtsbarkeit vom 1. 12. 1953 (Brem GBl S 117) 270 . Durch das Gesetz über die Arbeitsgerichtsbarkeit wurde der bestehende Zustand nur insoweit geändert, als die Zuständigkeit des A r beitsgerichts Bremerhaven um das stadtbremische Überseehafengebiet Bremerhaven erweitert wurde. Eine Anordnung des Senats vom 13. 10. 1953 (Brem GBl S 110) regelte ua auch die Bildung des i n § 18 Abs 2 A r b GG 1953 vorgesehenen Beratungsausschusses für die Ernennung von Vorsitzenden der Arbeitsgerichte 271 . ist auch keine sog Hausgerichtsbarkeit der Arbeitsminister und -Senatoren, wie dies für das Verhältnis zB der Finanzgerichtsbarkeit zu den Finanzministern und -Senatoren gesagt werden kann. 267 So Galperin, BetrVerf 1957, 81—82. 268 Nipperdey, aaO; vgl ferner grundlegend den Präsidenten des B A G Dr. Gerhard Müller, Struktur und Ressortierung der Rechtspflege (1965) und denselben, Die Ressortierung der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit, RdA 1966, 289—296 sowie den Beschluß der 38. Arbeitsministerkonferenz am 17./18. M a i 1966 in Meersburg, RdA 1966, 296. 269 Anh 1. M i t Rücksicht auf das Gebot des gesetzlichen Richters wählte Bremen für die Errichtung — im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern — ein Gesetz und nicht eine V O ; zustimmend Dersch-Volkmar, 6. Aufl., S 14 Anm. 5. 270 Anh 2. 271 Anh 3.
8*
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1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945 2. Vorsitzende der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit
Nach Inkrafttreten des ArbGG 1953 und nach der erforderlich gewordenen Neufassimg des bremischen Richterwahlgesetzes vom 18. 12. 1953 (BremBGl S 119) wurden sämtliche Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts und der Arbeitsgerichte Bremen und Bremerhaven auf ihren A n trag und nach Wahl durch den Richterwahlausschuß auf Lebenszeit bestellt, und zwar beim Landesarbeitsgericht dessen neuer Präsident Dr. Galperin, beim Arbeitsgericht Bremen Arbeitsgerichtsdirektor Dr. Kleen, Arbeitsgerichtsrat Arnold und Arbeitsgerichtsrat Dr. Gutbrod, beim Arbeitsgericht Bremerhaven Arbeitsgerichtsrat Jürgens. Da die Zahl der anhängigen Sachen i n der Folgezeit weiter zunahm, mußten beim Arbeitsgericht Bremen am 1. 8.1954 eine 4. Kammer (Vorsitzender: Arbeitsgerichtsassessor Menkens) und am 9. 4. 1956 eine 5. Kammer (Vorsitzender: Arbeitsgerichtsassessor Poppe) gebildet werden. Beim Arbeitsgericht Bremerhaven trat Arbeitsgerichtsrat Jürgens Ende 1955 i n den Ruhestand. Neuer Vorsitzender wurde nach zwischenzeitlicher Abordnung von Arbeitsgerichtsrat Dr. Gutbrod am 1. 2.1956 Arbeitsgerichtsassessor Oskar Schulz. Beim Arbeitsgericht Bremerhaven mußte dann mit Rücksicht auf den erheblich gestiegenen Zugang am 20. 8.1959 eine 2. Kammer geschaffen werden, deren Vorsitz Arbeitsgerichtsassessor Pillath übernahm, der jedoch am 30. 6.1961 wieder ausschied. Ein weiterer Wechsel trat beim Arbeitsgericht Bremerhaven bald darauf dadurch ein, daß der Vorsitzende, Arbeitsgerichtsrat Schulz, am 31.12.1961 aus dem bremischen Staatsdienst ausschied und am 1.1.1962 als Stadtrat i n den Magistrat der Stadt Bremerhaven eintrat. A n die Stelle von Arbeitsgerichtsrat Schulz trat Arbeitsgerichtsrat Menkens vom Arbeitsgericht Bremen. Den Vorsitz der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Bremen übernahm am 15.4.1962 Arbeitsgerichtsassessor Hillebrecht, während als Vorsitzender der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Bremerhaven am 1. Februar 1962 Arbeitsgerichtsassessor Armbrecht eintrat. Der wesentlich erhöhte Geschäftsanfall bei den Arbeitsgerichten Bremen und Bremerhaven wirkte sich bei dem L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t entsprechend aus. Deshalb mußte hier am 1. 5.1956 eine 2. Kammer, zunächst als Hilfskammer unter dem nebenamtlichen Vorsitz von Arbeitsgerichtsdirektor Dr. Kleen, gebildet werden. A m 1.10.1957 wurde die 2. Kammer hauptamtlich mit Landesgerichtsdirektor Dr. Trinkhaus besetzt, der am 1. Januar 1966 Nachfolger des hochverdienten, nach nahezu 20jährigem beispielhaften Wirken i n den Ruhestand getretenen Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Galperin wurde. Zum Landesarbeitsgerichtsdirektor wurde gleichzeitig Arbeitsgerichtsrat Menkens ernannt. Beim Arbeitsgericht Bremerhaven übernahm darauf Arbeitsgerichtsrat Armbrecht den Vorsitz der 1. Kammer, während Rechtsanwalt Grüninger am 7. März 1966 als Arbeitsgerichtsassessor und Vor-
IV. Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 in Bremen
117
sitzender der 2. Kammer neu bestellt wurde. A m 1. August 1966 schließlich wurde Arbeitsgerichtsrat Hillebrecht vom Arbeitsgericht Bremen für die Zeit bis zum 31. März 1968 als Vorberichterstatter an das Bundesarbeitsgericht abgeordnet. A n seiner Stelle wurde Rechtsanwalt Dr. Großmann zum gleichen Zeitpunkt unter Ernennung zum Arbeitsgerichtsassessor neuer Vorsitzender der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Bremen. 3. Geschäftsgang bei den Gerichten der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit a) Arbeitsgericht Bremen Der Geschäftsgang beim Arbeitsgericht Bremen seit seiner Wiedererrichtung (2. 8.1946) bis zum 31. Dezember 1966 ist folgender Übersicht nach der A r t der Erledigung zu entnehmen:
Jahr
Eingegangen
1946*7* 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 Insgesamt
Urteil
Erledigt durch Vergleich
Sonst. Erl.
295 539 1721 2 480 2 273 2 305 2 395 2 298 2 345 3 244 3 068 2 910 2 913 3 507 2 983 3 089 2 857 2 903 2 438 2 546 2 846
65 82 272 648 744 794 797 690 729 744 717 674 847 667 672 587 612 562 587 470 456
145 275 915 1062 915 699 791 696 755 810 890 953 782 771 897 678 684 823 678 705 802
85 155 458 735 684 612 792 735 831 894 1261 1612 1755 2 095 1252 1812 1542 1365 1812 1605 1474
51 955
12 416
15 726
23 566
I m D u r c h s c h n i t t dieser etwa 2072 Jahre ergibt sich, daß 23,8°/o der Rechtssachen durch streitiges, Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, 30,3 °/o durch Vergleich und 45,4 °/o auf sonstige Weise erledigt worden 171
Ab 2. 8. 1946.
118
1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945
sind. Neben dem unter d) zu erörternden Rückgang der anhängigen Sachen fällt die Zunahme der sonstigen Erledigungen seit 1956 auf. Sie dürfte ua damit zusammenhängen, daß rechtsähnliche oder gleichliegende Streitsachen (Massenklagen und dergl) i n der ersten Instanz bis zur Entscheidung von Musterprozessen durch das Landesarbeitsgericht oder durch das Bundesarbeitsgericht oder aber aus anderen Gründen für länger als 6 Monate zum Ruhen gebracht wurden und später insbesondere durch Klagrücknahme endgültige Erledigung fanden. b) Arbeitsgericht Bremerhaven Für dieses Gericht ist für 1946 (58), 1947 (181), 1948 (488) und 1949 (646) nur noch die Zahl der Eingänge feststellbar. Für die Jahre 1950 bis 1966 ergibt sich nach der A r t der Erledigung folgendes Bild:
Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 Insgesamt
Urteil
Erledigt durch Vergleich
Sonst. Erl.
810 1064 650 736 867 631 790 803 928 1327 737 734 718 692 634 860 863
222 268 194 215 242 292 159 242 245 431 262 248 233 235 202 277 463
246 363 208 234 200 203 225 242 211 548 261 157 213 198 151 144 132
281 457 252 288 304 261 355 329 342 404 288 273 315 297 260 342 279
13 844
4 430
3 936
5 327
Eingegangen
I m D u r c h s c h n i t t dieser 17 Jahre ergibt sich, daß 32°/o der Rechtssachen durch streitiges, Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, 28,4 °/o durch Vergleich und 38,5 °/o i n sonstiger Weise zur Erledigung kamen. c) Landesarbeitsgericht Bremen Die folgende Übersicht für das Landesarbeitsgericht umfaßt, wie beim Arbeitsgericht Bremen, die Zeit vom 2. August 1946 bis zum 31. Dezember 1966:
IV. Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 in Bremen
Jahr 1946 278 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 Insgesamt
119
Eingegangen
Urteil
Erledigt durch Vergleich
Sonst. Erl.
13 37 55 76 73 101 127 238 116 159 141 134 155 175 179 166 137 122 108 114 105
2 5 30 52 57 45 55 64 55 65 77 63 68 94 74 69 58 49 52 44 47
5 4 5 8 7 25 22 31 32 33 28 24 31 45 48 47 50 43 32 23 30
6 28 20 15 11 31 50 29 38 35 115 40 44 43 45 60 36 24 41 37 19
2 531
1125
573
767
I m D u r c h s c h n i t t dieser etwa 2OV2 Jahre wurden 44,4°/o der Berufungen durch streitiges, Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, 22,6 °/o durch Vergleich und 30,3 °/o i n sonstiger Weise erledigt. Entscheidungen i m Beschlußverfahren sind i n den Übersichten weder bei den Arbeitsgerichten noch beim Landesarbeitsgericht enthalten. d) Ergänzende Hinweise Die zur Verfügung stehenden statistischen Unterlagen sind leider unvollkommen; ihre — nur auf Bundesebene zweckmäßige oder mögliche — Verbesserung w i r d angestrebt. Doch w i r d der — bis Herbst 1966 anhaltende — zahlenmäßige R ü c k g a n g d e r K l a g e n u n d B e r u f u n g e n i n der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit vor allem m i t der A r b e i t s m a r k t l a g e erklärt werden müssen. Die — i m Jahre 1966 abgeschwächte — Hochkonjunktur dürfte manchen Arbeitgeber veranlaßt haben, auch solche unbedeutenden Ansprüche von Arbeitnehmern zu 278
Ab 2. 8. 1946.
120
1. Teil, 7. Kap.: Bremische Arbeitsgerichtsbarkeit seit 1945
erfüllen, die er für rechtlich zweifelhaft hielt. Nur bei größeren Streitgegenständen und bei Ansprüchen von grundsätzlicher Bedeutung für seinen Betrieb w i r d es der Arbeitgeber auf eine Klage haben ankommen lassen. Die Arbeitsmarktlage hat auch zu einer Umschichtung i n dem Personenkreis geführt, der heute überwiegend vor den Gerichten für Arbeitssachen Kündigungsschutz begehrt. Es handelt sich in den letzten Jahren zunehmend um A n g e s t e l l t e i n g e h o b e n e r o d e r l e i t e n d e r S t e l l u n g , wie Betriebsleiter, Werftleiter, Abteilungsleiter und Kapitäne 2 7 4 . Daneben hatten von jeher K l a g e n v o n A n g e s t e l l t e n der Freien Hansestadt Bremen und der Stadtgemeinde Bremen a u f H ö h e r g r u p p i e r u n g einen verhältnismäßig großen Anteil an der Gesamtzahl aller Klagen, während der Magistrat der Stadt Bremerhaven als Beklagter, insbesondere vor dem Landesarbeitsgericht, so gut wie gar nicht in Erscheinung tritt. Der Rückgang der Klagen und Berufungen i m Lande Bremen wurde und w i r d jedoch dadurch ausgeglichen, daß heute die einzelne Rechtssache im Durchschnitt einen h ö h e r e n A r b e i t s a u f w a n d als noch vor wenigen Jahren erfordert. Die Zahl der Klagen mit mehreren Ansprüchen (Objektive Klagehäufung), m i t Widerklagen oder zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüchen steigt offensichtlich an. Aus konjunkturbedingten Gründen gelangen ferner Rechtssachen m i t einem g r ö ß e r e n S c h w i e r i g k e i t s g r a d als früher zur gerichtlichen Entscheidung, während Streitsachen von geringer Bedeutung ebenso wie rechtlich oder tatsächlich einfachere Sachen zumeist außergerichtlich erledigt werden. Daß die S t r e i t w e r t e i n der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit von Jahr zu Jahr s t e i g e n , ist den nach diesen Werten berechneten und zum Soll gestellten Gerichtskostenbeträgen zu entnehmen. Sie stiegen von 37 473,60 D M i m Jahre 1957 auf 62 293,18 D M i m Jahre 1964. Die zahlenmäßige Abnahme der anhängigen Sachen w i r k t sich natürlich auf die Beschleunigung des Verfahrens iS des § 9 Abs 1 ArbGG 1953 günstig aus. Der B e s c h l e u n i g u n g s g r u n d s a t z , ehedem eine der großen Errungenschaften der neuen Arbeitsgerichtsbarkeit, scheint allerdings m i t der Entwicklung aller Löhne und Gehälter in der sog Wohlstandsgesellschaft auch für viele Arbeitnehmer h e u t e n i c h t m e h r v o n e x i s t e n t i e l l e r B e d e u t u n g zu sein. Darüber hinaus führen Terminsaufhebungen und -Verlegungen auf Antrag der Parteien und namentlich ihrer Prozeßbevollmächtigten verhältnismäßig oft zu einer Verlängerung der Verfahrensdauer. Die Gesamtdauer des Verfahrens w i r d schließlich i n Bremen noch dadurch beeinflußt, daß das Landesarbeitsgericht die Revision an das Bundesarbeitsgericht 274 Ähnliche Feststellungen trifft das BAG in seinem Geschäftsbericht für 1965, BAB1 1966, 543—547.
IV. Durchführung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1953 in Bremen
121
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Hechtssache wesentlich häufiger zuzulassen pflegt als die meisten anderen Landesarbeitsgerichte. So hat das Landesarbeitsgericht Bremen i m Jahre 1965 die Revision gegen jedes 7. Urteil zugelassen, das Landesarbeitsgericht Hamburg dagegen nur bei jedem 59. Urteil 2 7 6 .
175 So Rüstig , AuR 1966, 208—210; siehe auch allgemein zur Lage der A r beitsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland Hans G. Joachim , in: Das Arbeitsrecht der Gegenwart, 3. Bd S 64—81.
Achtes Kapitel
Die ehrenamtlichen Richter, insbesondere in der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit I. Bedeutung Heute ist die Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen i n allen Instanzen ohne die gleichberechtigte M i t w i r k u n g der ehrenamtlichen Richter ganz undenkbar. Die Bedeutung ihrer tätigen Teilnahme an der Arbeitsrechtsprechung w i r d durchweg anerkannt. Diese Würdigung beruht einmal darauf, daß die ehrenamtlichen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit k e i n e L a i e n r i c h t e r wie etwa die Schöffen und Geschworenen sind, deren A m t keine Vorbildung oder besondere Eignung voraussetzt. Vielmehr sind sie, ähnlich wie die Handelsrichter bei den Kammern für Handelssachen oder wie die ehrenamtlichen Richter der Sozialgerichtsbarkeit, sachverständige und erfahrene R i c h t e r aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in einem sorgfältigen Verfahren allein auf Grund ihrer Sach- und Fachkunde vorgeschlagen und berufen werden 2 7 6 . Sie müssen das 25. Lebensjahr vollendet haben und sollen — für die Berufung als Arbeitsrichter — mindestens 1 Jahr i m Bezirk des Arbeitsgerichts als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber tätig gewesen sein (§ 21 Abs 1 Satz 2 ArbGG 1953). Die Landesarbeitsrichter sollen wenigstens eine Amtszeit von 4 Jahren als Beisitzer eines Gerichts für Arbeitssachen aufweisen (§ 37 Abs 1), während für die Bundesarbeitsrichter noch ausdrücklich bestimmt ist, daß sie besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf den Gebieten des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens besitzen müssen (§ 43 Abs 2 Satz 1). Auch bietet das V o r s c h l a g s r e c h t der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts die Gewähr dafür, daß nur q u a l i f i z i e r t e B e i s i t z e r berufen werden. Denn es kann davon ausgegangen werden, daß alle vorschlagsberechtigten Verbände und Stellen selbst den größten Wert darauf legen, i m Interesse „ihrer" voll funktionsfähigen Arbeitsgerichtsbarkeit nur fähige ehrenamtliche Richter ernannt zu wissen. 278 Ähnlich Galperin, BetrVerf 1957, 85—86; Auffahrt , in: Das Arbeitsrecht der Gegenwart, 2. Bd S 94; G. Müller , RdA 1966, 296.
I. Bedeutung
123
Die b e s o n d e r e S a c h k u n d e insbesondere unserer Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter bedeutet eine w e r t v o l l e und n o t w e n d i g e U n t e r s t ü t z u n g j e d e s V o r s i t z e n d e n . Die beisdtzenden Richter sichern durch ihre Kenntnisse und Erfahrungen aus dem Arbeitsleben eine l e b e n s n a h e R e c h t s f i n d u n g . Das ist immer wieder von den Berufsrichtern anerkannt worden, seit es Gewerbe-, Kaufmanns- und Arbeitsgerichte gibt 2 7 7 . Zu der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Vorsitzendem und ehrenamtlichen Beisitzern, i n der das Recht zu finden ist, trägt jeder etwas Wesentliches bei, der Berufsrichter seine juristische Schulung und Erfahrung, seine methodische Arbeits- und Denkweise und sein Streben nach weiterer wissenschaftlicher Entwicklung des Arbeitsrechts; die ehrenamtlichen Richter wiederum vermitteln die gerade i m Arbeitsrecht so wichtigen Maßstäbe für die Beurteilung und Würdigung der verschiedensten Vorgänge des Arbeitslebens. Sie schaffen auch i n dem beschleunigten arbeitsrechtlichen Verfahren die Garantie dafür, daß sachgemäß und sozialgerecht geurteilt w i r d 2 7 8 . Darüber hinaus hat die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter an der Arbeitsrechtspflege zusammen m i t dem Selbstverwaltungsprinzip i n der Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit (Verbandsautonomie) 279 das besondere V e r t r a u e n d e r r e c h t s u c h e n d e n B e v ö l k e r u n g in die R e c h t s p r e c h u n g der G e r i c h t e für A r b e i t s s a c h e n sicherlich entscheidend gefördert. Diesem Umstand kommt für die soziale Ordnung und den sozialen Frieden i n dem spannungsgeladenen Bereich des Arbeitslebens eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu 2 8 0 . Wenn gelegentlich die Ansicht vertreten wird, bei den Beisitzern der Gerichte für Arbeitssachen handele es sich um — mehr oder weniger von den hinter ihnen stehenden Verbänden abhängige — Interessen- und Interessentenvertreter 281 , so entspricht dies, wie von Berufsrichtern der Arbeitsgerichtsbarkeit immer wieder bestätigt w i r d 2 8 2 , keinesfalls der Wirklichkeit. Das Gegenteil ist richtig: B e i d e B e i s i t z e r , ob sie aus dem Kreise der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer kommen, f ü h 277 Vgl nur Bewer , DRiZ 1927, 475; Aschaffenburg , ArbG 1928, 160; Steengrafe, ArbG 1928, 184; Gradenwitz , BB 1948, 410; Wentscher, MittArbGV 1958 N r 17 S 7—8; Meier-Scherling, RdA 1964, 370; G. Müller , RdA 1966,296. 278 So Kisch , S 37. 279 Dazu Bötticher, RdA 1962, 4; ähnlich Galperin, BetrVerf 1957, 81, 85—86. 280 Ebenso Galperin , BetrVerf 1957, 85. 281 So Rosenberg , Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 7. Aufl, § 21 I 3; ähnlich Werner Weber , ZSR 1957, 109. 282 So etwa Gradenwitz , BB 1948, 410; Wentscher, MittArbGV 1958 N r 17 S 8, die über ihre — sicherlich allgemeingültige — Erfahrung berichten, daß es in dem weitaus größten Teil der Rechtssachen wegen einhelliger Auffassung zu einer formellen Abstimmung gar nicht kommt.
124
1. Teil, 8. Kap.: Die ehrenamtlichen Richter
l e n s i c h , wie die Erfahrung lehrt, d u r c h a u s a l s u n a b h ä n gige, nur dem Gesetz und i h r e m Gewissen v e r a n t w o r t l i c h e R i c h t e r 2 8 3 . Die i n Bremen für Berufsrichter und ehrenamtliche Richter eingeführte g e m e i n s a m e A m t s t r a c h t ist dafür ein treffendes Symbol. Darin kommt zum Ausdruck, daß B e r u f s r i c h t e r u n d e h r e n a m t l i c h e R i c h t e r der Arbeitsgerichtsbarkeit nach dem geltenden Recht R i c h t e r m i t g l e i c h e n R e c h t e n und P f l i c h t e n sind.
I I . Rechtsstellung I m ArbGG 1953 fehlt zwar eine eigene Bestimmung darüber, daß die ehrenamtlichen Richter gleiche Rechte und Pflichten, insbesondere das gleiche Stimmrecht, wie die Berufsrichter haben. Nach § 53 Abs 2 kommt aber den Arbeitsrichtern, i n Verbindung mit § 64 Abs 3 ArbGG 1953 den Landesarbeitsrichtern grundsätzlich dieselbe Rechtsstellung zu wie den i n den Zivilkammern des Landgerichts beisitzenden Berufsrichtern. Sie sind also sachlich unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art 97 Abs 1 GG, § 1 GVG, § 45 Abs 1 Satz 1 DRiG). Es versteht sich von selbst, daß sie ihr Richteramt nur innerhalb der Sitzungen ausüben können, zu der sie der Reihe nach herangezogen werden ( § 3 1 ArbGG 1953). F ü r d i e D a u e r d e r V e r h a n d l u n g u n d B e r a t u n g d e r E n t s c h e i d u n g s i n d s i e jedoch, unbeschadet der Befugnisse des Vorsitzenden zur Prozeß- und Verhandlungsleistung und zur Leitung der Beratung, v o l l b e r e c h t i g t e M i t g l i e d e r d e r K a m m e r . Zunächst steht ihnen das Recht zu, vor der mündlichen Verhandlung, an der sie teilnehmen, von dem Vorsitzenden ü b e r d e n S a c h - u n d S t r e i t s t a n d der anstehenden Rechtssache ausreic h e n d u n t e r r i c h t e t zu werden, sei es, wie i m erstinstanzlichen Verfahren üblich, durch mündliche Unterrichtung oder, wie das i n der Berufungsinstanz zumeist geschieht, durch Gewährung von Akteneinsicht 284 . Denn nur, wenn ein Beisitzer mit den zur Entscheidung stehenden Sachen genügend vertraut ist, w i r d er stets i n der Lage sein, der Verhandlung zu folgen, i n der Beratung tatsächlich mitzuwirken und sich ein eigenes Urteil zu bilden. Zur Vorbereitung von Sitzungen m i t besonders schwierigen Rechtssachen kann vor dem Landesarbeitsgericht eine Vorberatung geboten sein. I n d e r V e r h a n d l u n g sind die ehrenamtlichen Richter befugt, s e l b s t ä n d i g u n d unmittelbar F r a g e n an die Parteien, Prozeßbevollmächtigten, Zeugen und Sach288
So zutreffend Galperin, BetrVerf 1957, 86. So auch Auffahrt, aaO, S 102; Dersch-Volkmar, 6. Aufl, § 53 Anm. 25; Schuldt, AuR 1960, 105. 284
III. Wahl und Berufung
125
verständigen zu richten. I n der Beratung und Abstimmung haben sie g l e i c h e s S t i m m r e c h t wie der Vorsitzende. Beim Landesarbeitsgericht haben sie auch das vollständige Urteil mit Tatbestand und Entscheidungsgründen zu unterzeichnen (§ 69 Abs 1 ArbGG 1953). Ausnahmsweise können sie sogar, wenn der Vorsitzende, zB durch längere Krankheit, verhindert ist, das Urteil entwerfen und unterschreiben 286 . I n der Übernahme und Ausübung ihres Amtes sind die ehrenamtlichen Richter gegen Behinderung oder Benachteiligung strafrechtlich geschützt
(§ 26). Neben diesen Rechten haben die ehrenamtlichen Richter als Träger der rechtsprechenden Gewalt — ganz natürlich — auch P f l i c h t e n aus der Übernahme ihres Amtes. Sie haben wie die Berufsrichter die selbstverständliche Pflicht zur Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit und Sachlichkeit ohne Ansehen der Person 286 . Ihre Schweigepflicht zur Wahrung des B e r a t u n g s g e h e i m n i s s e s gegenüber jedermann, auch nach Beendigung ihres Amtes (§ 45 Abs 3 i n Verbindung m i t § 43 DRiG), ist ebenfalls eine wesentliche Verpflichtung. Daß sie den Sitzungen, zu denen sie herangezogen werden, nicht ohne ausreichende Entschuldigung fernbleiben dürfen, versteht sich ebenso von selbst wie das Gebot, nur bei ernstlicher Verhinderung abzusagen. Ebenso unabweislich ist auch die Verpflichtung, i n jedem Falle mit abzustimmen (§ 195 GVG). Bei Verletzung ihrer Amtspflichten können die ehrenamtlichen Richter (das mag der Vollständigkeit halber festgestellt werden) gemäß § 28 i n Ordnungsstrafe genommen, bei groben Verstößen gegen die Amtspflichten auch amtsenthoben werden (§ 27 ArbGG 1953). Wenn sie auch keine Beamten i m strafrechtlichen Sinne sind, unterliegen sie genau wie die Berufsrichter den verschärften Strafbestimmungen über die Richterbestechung (§ 334 StGB) 2 8 7 .
I I I . Wahl und Berufung 1. Wahl Die Bestellung der ehrenamtlichen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit erfolgt seit dem ArbGG 1926 durch den Verwaltungsakt der Berufung (§ 20 Abs 1 ArbGG 1953). Das war nicht immer so. Denn nach dem B r e m G e w G G 1 8 7 7 und seiner Neufassung vom 17. A p r i l 1887 (BremGBl S 112) nebst den Regulativen vom 15. November 1877 (Brem285
BAG vom 20. 12. 1956 — 3 A Z R 333/56 — A P N r 1 zu § 315 ZPO. Siehe auch die Eidesformel der bremischen Arbeitsrichter und Landarbeitsrichter unter IV. 287 v g l Auffahrt, aaO, S 93. 286
126
1. Teil, 8. Kap.: Die ehrenamtlichen Richter
GBl S 112) und vom 9.März 1886 (BremGBl S 80) erfolgte die B e s t e l l u n g d e r B e i s i t z e r d u r c h W a h l . Wählbar als Beisitzer waren alle Reichsangehörigen, welche die i n den §§ 1—3 des bremischen Wahlgesetzes vom 31. M a i 1869 aufgeführten Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht zum deutschen Reichstag hatten, als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer i n der Stadt Bremen oder i m Landgebiet wohnten und seit mindestens 2 Jahren i m bremischen Staat ihren Aufenthalt besaßen (§ 3 BremGewGG 1877). Die Wahl der Beisitzer aus dem Stand der Arbeitgeber erfolgte durch den Gewerbeconvent nach einem von der Gewerbekammer m i t Genehmigung der Gewerbekommission des Senats aufgestellten Regulativ, während die Wahl der Beisitzer aus dem Stand der Arbeitnehmer unter Leitung der Gewerbekommission des Senats nach dem Regulativ vom 15. November 1877 / 9. März 1886 erfolgte. Das getrennt nach 8 Abteilungen durchzuführende Wahlverfahren war umständlich und hat sich wenig bewährt. Auch das B r e m A u s f G z G e w G G 1 8 9 0 und das B r e m A u s f G z K f m G G 1 9 0 4 nebst den dazu erlassenen Ausführungsverordnungen vom 6. März 1892 (BremGBl S 39) 288 und vom 12. November 1904 (BremGBl S 272) sowie die zu diesen Gesetzen erlassenen Ortsstatuten sahen die W a h l d e r e h r e n a m t l i c h e n R i c h t e r vor. Für das Gewerbegericht waren die Beisitzer nach je 4, für das Kaufmannsgericht nach je 2 gewerblichen Gruppen zu wählen, und zwar das erste Mal auf 3, später auf jeweils 6 Jahre. 2. Berufung Nach dem A r b G G 1 9 2 6 erfolgte die B e s t e l l u n g d e r B e i s i t z e r dann d u r c h B e r u f u n g , für die beim Arbeitsgericht und beim Landesarbeitsgericht Bremen die Senatskommission für Handel und Schiffahrt zuständig war. Sie berief die Beisitzer i m Einvernehmen m i t dem Landgerichtspräsidenten auf die Dauer von 3 Jahren (§§ 20 Abs 1, 37 Abs 1 ArbGG 1926). Die Beisitzer waren „in angemessenem Verhältnis unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten aus den Vorschlagslisten zu entnehmen, die von den in dem Gerichtsbezirk bestehenden wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie von den in § 22 Abs 2 Nr 2 bezeichneten Körperschaften" einzureichen waren. A u c h d a s A r b G G 1 9 5 3 sieht vor, daß die Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter von der obersten Arbeitsbehörde des Landes, i n Bremen durch den Senator für Arbeit, berufen werden, und zwar auf die Dauer von 4 Jahren. Die ehrenamtlichen Richter sind auch jetzt i n angemessenem Verhältnis unter Berücksichtigung der Minder288
Neufassung vom 11. 2. 1904 (BremGBl S 39).
I .
igung
127
heiten aus den Vorschlagslisten zu entnehmen, die der obersten Arbeitsbehörde des Landes von den i m Gerichtsbezirk bestehenden Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von den i n § 22 Abs 2 Nr 2 bezeichneten Körperschaften eingereicht werden (§ 20 Abs 1 ArbGG 1953). Wenn gefragt wird, ob das Wahlverfahren oder das B e r u f u n g s v e r f a h r e n z w e c k m ä ß i g e r ist, muß die Entscheidung zugunsten der Berufung ausfallen. Die Bundesrepublik Deutschland ist m i t einem lückenlosen Netz von Arbeitsgerichten überzogen. Würde man die Beisitzer nach den Wahlbestimmungen der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte bestimmen, wäre dazu ein nicht vertretbarer Aufwand an Arbeitszeit und Geid erforderlich, da die Beisitzerwahl bei einer jetzt alle Arbeitnehmer erfassenden Arbeitsgerichtsbarkeit einer öffentlichen Wahl annähernd gleich kommen würde. Abgesehen davon erscheint die Berufung schon deshalb der bessere Weg zu sein, weil die ehrenamtlichen Richter den von den Sozialpartnern eingereichten Vorschlagslisten entnommen werden. Damit ist nicht nur die Gewähr dafür gegeben, daß für diese wichtige Aufgabe wirklich geeignete Beisitzer berufen werden. Es w i r d dadurch i n der Arbeitsgerichtsbarkeit insbesondere der Grundsatz der S e l b s t v e r w a l t u n g und Verbandsa u t o n o m i e v e r w i r k l i c h t , der mit dem Grundrecht der K o a l i t i o n s f r e i h e i t (Art 9 Abs 3 GG; A r t 48 BremLandesverf) i m sachlichen Zusammenhang steht.
I V . Vereidigung Der nicht geringen Bedeutung des öffentlichen Beisitzeramtes und der damit verbundenen hohen Verantwortung trägt die eidliche Verpflichtung Rechnung, die, seit es i n der Gewerbe-, Kaufmanns- und Arbeitsgerichtsbarkeit ehrenamtliche Beisitzer gibt, gesetzlich vorgeschrieben ist. Zuerst war nur die Beeidigung durch den Vorsitzenden allgemein vorgeschrieben (§ 6 BremGewGG 1877), später auch die Eidesformel (§ 14 bzw 15 BremAusfVO z GewGG 1890; § 14 BremAusfVO z KfmGG 1904). Nachdem i n § 20 Abs 3 ArbGG 1926 die eidliche Verpflichtung der Beisitzer vor ihrer Dienstleistung durch den Vorsitzenden allgemein vorgeschrieben war, bestimmte die 3. BremAusfVO z ArbGG 1926 i n § 4 auch den Wortlaut der eidlichen Verpflichtung. Der Regelung des ArbGG 1926 entspricht auch die allgemein gehaltene Bestimmimg des § 20 Abs 2 ArbGG 1953. D i e V e r e i d i g u n g m u ß f ü r j e d e n e u e A m t s p e r i o d e w i e d e r h o l t w e r d e n 2 8 9 . Für die ehrenamtlichen Richter 289 So auch BVerwG vom 26. 10. 1962 — V I I P 1.62 — A P N r 2 zu § 20 ArbGG 1953; Dersch-Volkmar, 6. Aufl, § 20 Anm 9. Dementsprechend ist in
128
1. Teil, 8. Kap.: Die ehrenamtlichen Richter
i n der Freien Hansestadt Bremen schreibt § 6 des Bremischen Richtergesetzes vom 15. Dezember 1964 (BremGBl S 187) (BremRiG) den i n öffentlicher Sitzung des Gerichts zu leistenden Eid vor (§ 6 Abs 1 BremRiG): „Ich schwöre, das Amt eines Arbeitsrichters (Landesarbeitsrichters) getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, getreu der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe" Der Eid kann ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe" geleistet werden. Er ist die besondere, feierliche Form, i n welcher der Richter bekräftigt, seine Richterpflichten zu erfüllen. I n ihm ist der ethische und verfassungsrechtliche Gehalt der Pflicht auch eines ehrenamtlichen Richters umschrieben 200 .
V. Heranziehung zu den Sitzungen 1. In der Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsbarkeit Bei der Heranziehung zu den Sitzungen handelt es sich auch hinsichtlich der ehrenamtlichen Richter stets um die nicht leicht zu nehmende F r a g e d e s r i c h t i g e n g e s e t z l i c h e n R i c h t e r s . I m Gegensatz zu der seit dem ArbGG 1926 geltenden, zwingend vorgeschriebenen Heranziehung nach der Reihenfolge einer Liste galt nach der BremAusfVO z GewGG 1890 vom 6. März 1892 (BremGBl S 39) eine verhältnismäßig einfache Regelung, bei welcher der gesetzliche Richter sicherer als heute gewährleistet war. Die je 24 auf 6 Jahre gewählten Beisitzer aus den Kreisen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer waren i n alphabetischer Reihenfolge so heranzuziehen, daß jeder Beisitzer regelmäßig während eines Vierteljahres m i t w i r k t e (§ 13). Durch § 14 BremAusfVO von 11. 2.1904 (BremGBl S 39) wurde die konkrete Amtsdauer des einzelnen Beisitzers so bestimmt, daß jeder regelmäßig während zweier Monate mitwirkte. Eine entsprechende Regelung galt nach dem BremAusfG z KfmGG 1904. der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit stets verfahren worden, zumal die Betätigung eines nicht vorschriftsgemäß vereidigten Beisitzers, insbesondere eines Landesarbeitsrichters, ein absoluter Revisionsgrund und ein Grund für die Nichtigkeitsklage ist, weil die Richterbank nicht richtig besetzt ist (§ 551 Nr 1, § 579 Abs 1 N r 1 ZPO); vgl Dietz-Nikisch, § 20 Anm 23; ähnlich DerschVolkmar, aaO; Schmincke-Sell, 2. Aufl, § 20 Anm 11. 190 So Schmidt-Räntsch, DRiG, § 38 Anm 2.
V. Heranziehung zu den Sitzungen
129
2. In der Arbeitsgerichtsbarkeit Sehr viel größere praktische Bedeutung kommt dem Gebot des gesetzlichen Richters aber gegenwärtig zu. Da niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG), hat eine gezielte, auf den Einzelfall ausgerichtete Bestimmung des zuständigen Richters oder gerichtlichen Spruchkörpers (Kammer, Senat) zu unterbleiben 2 9 1 . Es muß der für die einzelnen Rechtssachen zuständige Richter i m voraus und allgemein objektiv bestimmbar sein 2 9 2 . Diesem Verfassungsgebot trägt die Vorschrift des § 31 ArbGG 1953 Rechnung, wonach die Arbeitsrichter zu den Sitzungen nach der R e i h e n f o l g e e i n e r L i s t e herangezogen werden, die der Vorsitzende vor Beginn des Geschäftsjahres oder vor Beginn der Amtszeit neu berufener Arbeitsrichter nach mündlicher oder schriftlicher Anhörung des Ausschusses der Arbeitsrichter (§ 29 Abs 2) aufstellt. Das Entsprechende gilt gemäß § 39 Abs 5 und § 43 Abs 3 auch für die Heranziehung der Landesarbeitsrichter. Die Aufstellung der Liste kann zwar auch i n der Weise erfolgen, daß eine Liste für alle Kammern des Gerichts insgesamt angefertigt wird, die von den Vorsitzenden der einzelnen Kammern für ihre Kammer — ausdrücklich oder stillschweigend — angenommen w i r d 2 9 3 . Zweckmäßiger ist jedoch eine Liste für jede einzelne Kammer, weil die Verteilung der ehrenamtlichen Richter auf bestimmte Kammern einer guten Zusammenarbeit m i t dem einzelnen Vorsitzenden und damit auch der Rechtsfindung nur förderlich sein kann. Bei der Bedingung der „Reihenfolge der Liste " müssen a l l g e m e i n g ü l t i g e R e g e l n aufgestellt werden, die von vornherein für alle in Zukunft an das Gericht gelangenden Sachen bestimmen, wie die ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen herangezogen werden 2 9 4 . Nur so kann das Gebot des gesetzlichen Richters erfüllt werden. Nach den geltenden Anordnungen über die G e s c h ä f t s v e r t e i l u n g bei den A r b e i t s g e r i c h t e n B r e m e n und B r e m e r h a v e n sowie beim L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t B r e m e n werden die Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter zu den Sitzungen nach der Reihenfolge der für die einzelnen Kammern getrennt aufgestellten Listen herangezogen, die der Anordnung beigefügt sind. I m Falle der zeitweiligen Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters t r i t t an seine Stelle der in der Liste nachfolgende Richter derselben Gruppe, der noch 291
Man spricht von einem Verbot des Richterentzuges und von einem Gebot rechtssatzmäßiger Richterbestimmung, 292 BVerfG vom 26. 2. 1954 — 1 BvR 537/53 — BVerGE 3, 359, 364; BVerfG vom 20. 3. 1956 — 1 BvR 479/55 — BVerfGE 4, 412, 417; BAG vom 28. 9. 1961 — 2 AZR 32/60 — B A G 11, 276 = A P Nr 3 zu § 551 ZPO mwN. 293 BAG vom 20. 1. 1963 — 4 A Z R 16/62 — A P N r 2 zu § 39 ArbGG 1953. 294 BAG vom 2. 3. 1962 — 1 A Z R 258/61 — A P N r 1 zu § 39 ArbGG 1953. 9
Trinkhaus
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1. Teil, 8. Kap.: Die ehrenamtlichen Richter
nicht zu einer Sitzung geladen worden ist. I n b e s o n d e r s u m f a n g r e i c h e n u n d s c h w i e r i g e n R e c h t s s a c h e n , die jeweils eine zeitraubende Einarbeitung i n den Prozeßstoff erfordern, sollen ohne Rücksicht auf die gewöhnliche Reihenfolge zu etwa notwendig werdenden weiteren Sitzungen als Beisitzer die „alten" Arbeitsrichter bzw. Landesarbeitsrichter herangezogen werden, die an der ersten Verhandlung der Rechtssache teilgenommen haben. Die Entscheidung hierüber t r i f f t der Vorsitzende der Kammer nach Anhörung der beteiligten Beisitzer. Diese Regelung, gegen die nach der überwiegenden Meinung 2 9 5 keine Bedenken zu erheben sind, gilt beim Landesarbeitsgericht auch dann, wenn i n derselben Sache mehrere Berufungen vorliegen. Allerdings ist es unzulässig, die auf Grund dessen zu einer weiteren Verhandlung i n derselben Rechtssache herangezogenen Arbeitsrichter oder Landesarbeitsrichter auch noch an der Verhandlung und Entscheidung weiterer an dem Sitzungstag anstehender Sachen mitwirken zu lassen 296 . Auch wenn bei Heranziehung zweier „Beisitzerpaare" für einen Sitzungstag eine wesentliche höhere Entschädigung i n Frage kommt, ist dies aus gerichtsverfassungsmäßigen Gründen nicht zu umgehen. Schwierigkeiten nicht nur für den für die Einhaltung der richtigen Reihenfolge verantwortlichen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern auch für die richtige Besetzung des Gerichts können schließlich unter Umständen entstehen, wenn ein nach der Reihenfolge der Liste herangezogener Beisitzer wegen V e r h i n d e r u n g kurzfristig absagt. Zwar w i r d es i m allgemeinen ohne weiteres möglich sein, dann irgendeinen anderen Beisitzer ersatzweise heranzuziehen. Es kann aber nur der i n der Liste nachfolgende Beisitzer geladen werden, der häufig ebenso kurzfristig nicht zur Verfügung steht. Es besteht dann die Gefahr, daß die Sitzung nicht durchgeführt werden kann. Es ist daher sehr erwünscht, k u r z f r i s t i g e A b s a g e n , wenn irgend möglich, zu v e r m e i d e n . Abgesehen davon w i r d regelmäßig unterstellt, daß ein sich für verhindert erklärender ehrenamtlicher Richter wirklich verhindert ist 2 9 7 . Der verhinderte Richter kommt erst wieder beim nächsten Turnus zum Zuge 2 9 8 .
295 BAG, aaO; Auffahrt, aaO, S 99—100; Dersch-Volkmar, 6. Aufl, § 31 Anm 3 b; Kassmann, RdA 1951, 372; Oehmann-Wagner, RdA 1951, 375; Schmincke-Sell, 2. Aufl, § 31 Anm 1; Schuldt, AuR 1960, 108; abweichend Dietz-Nikisch, § 31 Anm 5; Pohle, Anm zu A P N r 1 zu § 39 ArbGG. 296 Das würde auch der Auffassung des BAG, aaO, widersprechen. 297 BVerwG vom 27. 10. 1961 — V I I C 26/61 — NJW 1962, 268; Auffahrt, aaO. 298 Dersch-Volkmar, 6. Aufl, § 31 Anm 3 m w N ; Dietz-Nikisch, § 31 Anm 7.
VI. Entschädigung
131
VI. Entschädigung 1. In der Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsbarkeit Bei der Aufgabenstellung des Beisitzers i n der Arbeitsgerichtsbarkeit handelte es sich schon immer um ein E h r e n a m t , d a s e i n e B e z a h l u n g dieser T ä t i g k e i t als solcher ausschließt. Dennoch hat der Gesetzgeber von jeher eine g e w i s s e E n t s c h ä d i g u n g , insbesondere f ü r Z e i t v e r s ä u m n i s , gewährt. Schon des BremGewGG 1877 sah vor, daß die Beisitzer für jede Sitzimg, an der sie teilnahmen, eine Entschädigung von 1,50 M erhielten (§ 10 Abs 5). Der Beisitzer mußte jedoch, wenn er den Termin ohne Entschuldigung versäumte, auch selbst eine Strafe von 5,— M und i m Wiederholungsfalle von 10,— M zahlen (§ 10 Abs 6). Auch nach dem BremAusfG 1892 z GewGG 1890 stand dem Beisitzer eine Entschädigung für die Teilnahme an der Sitzimg i n Höhe von 3,— M für Zeitversäumnis zu (§ 7 Abs 2). Schon die Neufassung des BremAusfG (BremGBl 1904 S 45) sah auch eine Vergütung etwaiger R e i s e k o s t e n und außerdem eine Erhöhung der Entschädigung für Zeitversäumnis von 3,— auf 5,— M unter der Voraussetzung vor, daß die Sitzung am Vormittag begann und länger als bis 12 Uhr mittags dauerte (§ 7 Abs 2). Eine entsprechende Bestimmung enthielt § 7 Abs 1 BremAusfG z KfmGG. Die Entschädigung für Zeitversäumnis wurde später auf Antrag der Arbeitnehmerbeisitzer des Gewerbegerichts i n Bremen, die den Senat unter dem 22. Oktober 1907 u m Erhöhung der Entschädigungssätze ersucht hatten 2 9 9 , durch Verordnung vom 29. März 1908 (BremGBl S 37) auf 3,50 M und, wenn die Sitzimg am Vormittag begann und länger als 12 Uhr mittags dauerte, auf 6,— M erhöht. Die Höhe der Entschädigung für Zeitversäumnis mußte dann n a c h d e m E r s t e n W e l t k r i e g i n verhältnismäßig kurzen Abständen entsprechend dem Verfall von Löhnen und Preisen heraufgesetzt werden, zunächst durch Gesetz der Nationalversammlung vom 11. J u l i 1919 (BremGBl S 263) auf 15,— M bzw. bei längerer Sitzungsdauer auf 20,— M und — schon i m Zuge der I n f l a t i o n — durch Gesetz vom 15. Dezember 1922 (BremGBl S 703) rückwirkend ab 1. Oktober 1922 auf 100,— M. Auf dem Höhepunkt der Inflation i m Jahre 1923 mußte die Beisitzerentschädigung laufend durch Senatsbeschlüsse geändert werden, und zwar von 4500,— M am 1. J u n i 1923 über 2 580 000,— M am 10. September 1923 über 88 Milliarden M am 14. November 1923 auf 1590 Milliarden M am 3. Dezember 1923. Welche Mühe 299 Nachweise in: SRB G.4.d. N r 48. Die Beisitzer hatten den Antrag damit begründet, daß die langen Sitzungen des Gewerbegerichts es ihnen in vielen Fällen unmöglich machten, am Nachmittag noch die Arbeit wieder aufzunehmen. Aus dem Bericht des Vorsitzenden des Gewerbegerichts an die Senatskommission vom 31. 10. 1907 ergibt sich, daß von 44 Sitzungen im Jahre 1907 tatsächlich 25 Sitzungen länger als bis 12 Uhr gedauert hatten.
9*
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1. Teil, 8. Kap.: Die ehrenamtlichen Richter
für die Kanzlei des Gewerbe- und des Kaufmannsgerichts m i t der Berechnung und Auszahlung dieser Beträge an die Beisitzer unter diesen Umständen verbunden war, kann man sich unschwer vorstellen. Nach der Währungsreform von 1924 wurde die Entschädigung dann ab 1. Juni 1924 auf 2,50 Goldmark und ab 1. Dezember 1924 auf 3,75 Reichsmark festgesetzt 300 . 2. In der Arbeitsgerichtsbarkeit a) Bis 1945 Nach Inkrafttreten des ArbGG 1926 wurde die Entschädigung der A r beitgeber- und Arbeitnehmerbeisitzer der Arbeitsgerichtsbehörden durch gemeinsame Verordnung des Reichsarbeitsministers und des Reichsjustizministers vom 24. Juni 1927 (RGBl I S 129) neu geordnet. Danach erhielten die Beisitzer einmal für den ihnen aus der Wahrnehmimg des Beisitzeramts erwachsenen V e r d i e n s t a u s f a l l eine Entschädigung, die für jede angefangene Stunde der versäumten Arbeitszeit wenigstens 20 Reichspfennige und höchstens 1,50 R M betrug. Die Höhe der Entschädigung war i m Einzelfall unter Berücksichtigung der regelmäßigen Erwerbstätigkeit festzusetzen und wurde für höchstens 10 Stunden am Tag gewährt (§ 2). Daneben erhielten die Beisitzer noch für den mit ihrer Amtstätigkeit verbundenen A u f w a n d für jeden Sitzungstag eine Entschädigung, die für die Beisitzer der Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte bei einer Sitzungsdauer bis zu 4 Stunden auf 1,50 RM, bei längerer Sitzungsdauer auf 3,— R M festgesetzt war. Beisitzer, die nicht innerhalb der politischen Gemeinde des Sitzungsorts wohnen, erhielten außerdem eine weitere Entschädigung von 3,— R M für den Sitzungstag und jeden weiteren Reisetag. Für Beisitzer des Reichsarbeitsgerichts betrug diese Entschädigung 6,— bzw. 12,— R M (§ 2). Außerdem wurde den Beisitzern nach Maßgabe der §§ 3 und 4 der VO gegebenenfalls Ü b e r n a c h t u n g s g e l d und F a h r k o s t e n e n t s c h ä d i g u n g gezahlt. Die Entschädigungssätze wurden i n der Folgezeit mehrfach geändert, und zwar durch die 1. Änderungs-VO vom 26. Mai 1928 (RGBl I S 159), durch die 2. Änderungs-VO vom 24. September 1929 (RGBl I S 149), durch die 3. Änderungs-VO vom 17. Februar 1932 (RGBl I S 74) und durch die 4. Änderungs-VO vom 28. Februar 1934 (RGBl I S 173). b) Seit 1946 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter i n der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit zunächst — in 300
SRB G.4.d. N r 48.
VI. Entschädigung
133
unbefriedigender A r t und Weise — nach der reichsrechtlichen Verordnung über die Entschädigung der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerbeisitzer der Arbeitsgerichtsbehörden in der zuletzt geltenden Fassung entschädigt. Durch E r l a ß vom 25. Januar 1952 — I 46/52 — erteilte der S e n a t o r f ü r A r b e i t dann im Einvernehmen m i t dem Senator für die Finanzen mit Wirkung vom 15. Januar 1952 die Ermächtigung, an die Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter Entschädigungen nach Maßgabe der Verordnung über die Entschädigung der Schöffen und Geschworenen vom 1. August 1951 (BGBl I S 485) zu zahlen, und genehmigte außerdem eine Sonderregelung für die i n Bremen-Nord wohnenden Beisitzer. Diese vorläufige Regelung wurde durch die bundesrechtliche V e r o r d n u n g ü b e r d i e E n t s c h ä d i g u n g d e r e h r e n a m t l i c h e n B e i s i t z e r der G e r i c h t e für A r b e i t s s a c h e n vom 30. Juni 1954 (BGBl I S 194) abgelöst, nach deren § 1 die meisten Vorschriften der Verordnung über die Entschädigung der Schöffen und Geschworenen entsprechend galten. A n die Stelle der Verordnung vom 30. Juni 1954 ist gemäß A r t VT des Kostenrechtsänderungsgesetzes vom 26. J u l i 1957 (BGBl I S 900) das G e s e t z ü b e r d i e E n t s c h ä d i g u n g der e h r e n a m t l i c h e n B e i s i t z e r bei d e n G e r i c h t e n (BGBl I I I 366-1) getreten, welches wiederum durch A r t 2 des Änderungsgesetzes vom 21. September 1963 (BGBl I S 747) die jetzt geltende Neufassung erhielt. Danach erhalten die ehrenamtlichen Richter heute eine Entschädigung für Zeitversäumnis, für Fahrtkosten und für Aufwand. Der V e r d i e n s t a u s f a l l , der dem ehrenamtlichen Richter wegen der Teilnahme an der Sitzung entsteht, w i r d für jede Stunde der versäumten Arbeitszeit m i t wenigstens 3,— DM, höchstens 5,— D M vergütet. Als versäumt gilt auch die Zeit, während welcher der ehrenamtliche Richter seiner gewöhnlichen Beschäftigung infolge seiner Heranziehung nicht nachgehen kann (Zu- und Abgang). Die Entschädigung richtet sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge (§ 2). Nach § 3 des Gesetzes werden den ehrenamtlichen Richtern auch etwa notwendige F a h r t k o s t e n ersetzt. Außerdem erhalten sie, wenn sie innerhalb der Gemeinde, i n der die Sitzung stattfindet, weder wohnen noch berufstätig sind, nach § 4 eine Entschädigung für den mit ihrer Dienstleistung verbundenen A u f w a n d , und zwar ein Tagegeld von 5,— D M für jeden Tag, an dem sie aus Anlaß der Dienstleistung mehr als 5—8 Stunden, von 8,— D M für jeden Tag, an dem sie mehr als 8—12 Stunden, von 12,— D M für jeden Tag, an dem sie mehr als 12 Stunden von ihrem Wohnort abwesend sein müssen. Die anderen Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter erhalten ein Tagegeld von 4,— DM, wenn sie an einer Sitzung teilnehmen, die länger als 5 Stunden dauert. I m übrigen werden bei einer Sitzungsdauer bis zu 5 Stunden die nachgewiesenen notwendigen Auslagen bis zu 4,— D M ersetzt.
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1. Teil, 8. Kap.: Die ehrenamtlichen Richter
Es ist nicht zu verkennen, daß diese den Arbeitsrichtern und Landesarbeitsrichtern gewährte Entschädigung i m Einzelfall keinen vollen Ausgleich für den finanziellen Schaden darstellen kann, der ihnen durch die Teilnahme an einer Sitzung entstanden ist. Das gilt besonders für die Landesarbeitsrichter i m Hinblick auf den m i t dem vorbereitenden Aktenstudium und der Durchsicht der abgesetzten Entscheidung verbundenen Zeitverlust. Auch werden gerade Arbeitgeberbeisitzer, namentlich wenn sie Inhaber kleinerer Betriebe sind, durch die Abwesenheit von ihrem Unternehmen eine wirtschaftliche Einbuße erleiden, welche durch die Entschädigung nur zum Teil ausgeglichen werden kann. Es muß indessen immer wieder gewürdigt werden, daß das A m t des Arbeitsrichters und Landesarbeitsrichters ein E h r e n a m t ist, dessen Nachteile i m Interesse der Sache und i m Dienste der Allgemeinheit nun einmal i n Kauf genommen werden müssen. Das gilt ganz besonders für das e h r e n a m t l i c h e R i c h t e r a m t in der Arbeitsgerichtsbarkeit, in deren Rahmen und darüber hinaus im D e u t s c h e n A r b e i t s g e r i c h t s v e r b a n d e. V. a l l e B e t e i l i g t e n , n i c h t z u l e t z t d i e S o z i a l p a r t n e r u n d d i e aus ihren Kreisen berufenen ehrenamtlichen Richter, m i t den B e r u f s r i c h t e r n im Sinne der Selbstger e c h t s a m e z u s a m m e n w i r k e n , f ü r die der R o l a n d zu B r e m e n als S y m b o l auf dem M a r k t e s t e h t .
Neuntes Kapitel
Die Arbeitsgerichtsverbände und Bremen I. Die Arbeitsgerichtsverbände i m allgemeinen 1. Der Gewerbegerichtsverband Alsbald nach dem Inkrafttreten des Reichsgesetzes betreffend Gewerbegerichte vom 29. J u l i 1890 (GewGG) trat ein ausgesprochenes Bedürfnis hervor, zwischen den deutschen Gewerbegerichten eine möglichst enge Verbindung herzustellen. Die Zahl der Gewerbegerichte stieg damals i m Deutschen Reich von Jahr zu Jahr. Ihre Bedeutung für das w i r t schaftliche Leben und den sozialen Frieden, ihr wachsender Einfluß auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurden i n einer Zeit außerordentlicher sozialer Gegensätze und Spannungen immer mehr anerkannt 8 0 1 . Dennoch war der Wunsch nach einem Erfahrungsaustausch zwischen Vorsitzenden und Beisitzern der Gewerbegerichte, nach gegenseitiger Bekanntgabe wichtiger Urteile, Gutachten und Anträge sowie nach gemeinsamer wissenschaftlicher Durchdringung und Fortentwicklung des Arbeitsrechts sehr verständlich. Dank verdienstlicher Vorarbeiten des späteren Mainzer Oberbürgermeisters Dr. Gassner und des Stadtrats Dr. Flesch i n Frankfurt a. M. wurde zu diesem Zweck der „Verband deutscher Gewerbegerichte" am 11. Juni 1893 i n M a i n z gegründet 802 . Sein erster Vorsitzender war Dr. Gassner . Nachfolger i m Vorsitz waren später der Stadtrat Dr. Hiller i n Frankfurt a. M. und der Magistratsrat von Schulz i n Berlin. Zur Erreichung des Verbandszweckes dienten nach der Satzung die Herausgabe einer Druckschrift, die zunächst unter dem Titel „ M i t t e i l u n g e n d e s V e r b a n d e s d e u t s c h e r G e w e r b e g e r i c h t e " als Anhang zu den „Blättern für soziale Praxis", ab 1. A p r i l 1896 als Organ „ D a s G e w e r b e g e r i c h t " , vorerst als Teil der Zeitschrift „Soziale Praxis" und ab 1. Oktober 1899 ganz selbständig erschien. Der Verband unterhielt ferner ein A r c h i v , dessen Verwaltung vor allem bei der Samm801 Darüber Roscher , GewG 1903/04, 17; Schaefer , GewuKfmG 217—219, 221. 802 SozPrax 1893, I I 8.
1917/18,
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1. Teil, 9. Kap.: Die Arbeitsgerichtsverbände und Bremen
lung aller die Tätigkeit der Gewerbegerichte betreffenden Drucksachen und sonstigen Unterlagen (Statuten, Entscheidungen, Gutachten, Anträge und Berichte), bei der Erhebung regelmäßiger einheitlicher Berichte über den Geschäftsanfall der Gerichte, bei der Herausgabe des Verbandsorganes und i n der Vorbereitung der Verbandsversammlungen unter seinem langjährigen Geschäftsführer Rechtsanwalt Dr. Georg Baum 8 0 8 Hervorragendes leistete. Für die Verbandsarbeit wesentliches Organ war der Verbandsausschuß, dem jeweils auch ein bremischer Richter angehörte. 2. Der Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsverband Nach Inkrafttreten des Reichsgesetzes betreffend Kaufmannsgerichte vom 6. Juli 1904 (KfmGG) wurde der Name des Verbandes im Jahre 1905 in „ V e r b a n d d e u t s c h e r G e w e r b e - u n d Kaufmannsg e r i c h t e " geändert. Einer organisatorischen Umgestaltung des Verbandes bedurfte es nicht, da auch die Kaufmannsgerichte als Gemeindegerichte zu errichten waren; Vorsitzende der Kaufmannsgerichte waren überdies regelmäßig in Personalunion die Vorsitzenden der örtlichen Gewerbegerichte. Nur das Verbandsorgan wurde i n „ D a s G e w e r b e u n d K a u f m a n n s g e r i c h t " umbenannt. Die Zahl der Mitglieder des Verbandes (Gewerbe- und Kaufmannsgerichte) nahm mit den Erfolgen der Verbandsarbeit ständig zu. Während dem Verband i m Jahre 1893 erst 60 Gewerbegerichte angehörten, stieg die Mitgliederzahl bis zum Jahre 1918 auf 297. 3. Der Arbeitsgerichtsverband a) Der alte Verband Nach Inkrafttreten des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 23. Dezember 1926 löste sich der Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsverband nach fast 30jährigem Bestehen i n M a i n z am 20. Januar 1928 auf. Anschließend hielt als sein Rechtsnachfolger dort am 21. Januar 1928 der „ D e u t s c h e A r b e i t s g e r i c h t s v e r b a n d " seine 1. Verbandsversammlung ab 8 0 4 . M i t der Änderung der organisatorischen Verhältnisse (Errichtung der A r beitsgerichte als staatliche Gerichte) war ein starker personeller Wechsel i n der Mitgliedschaft verbunden. Vorsitzender des Arbeitsgerichtsverbandes wurde der Präsident des Arbeitsgerichts Berlin Dr. Depdne. Die Verbandszeitschrift erhielt jetzt den Titel „ D a s A r b e i t s g e r i c h t " . Nach der Machtübernahme durch das nationalsozialistische Regime wurde der Verband, um einem Zugriff der „ D e u t s c h e n A r b e i t s f r o n t " 803 804
Nach über 32jähriger Verbandstätigkeit am 16. 1. 1933 verstorben. Cuno f ArbG 1928, 101—106.
I. Die Arbeitsgerichtsverbände im allgemeinen
137
zuvorzukommen, i m Frühjahr 1933 in M a i n z , dem Ort seiner Gründung, aufgelöst. Während der nur zum Schein erfolgten Liquidation war Vorsitzender des Verbandes der Bremer Arbeitsgerichtsdirektor und spätere Amtsgerichtsdirektor Dr. Schmincke. Unter seinem Vorsitz wurde der Arbeitsgerichtsverband i n einer Sitzung am 18./20. J u l i 1936 i n G o s l a r endgültig a u f g e l ö s t und sein beträchtliches Vermögen, der Satzung entsprechend, in Teilbeträgen den bedeutenderen Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten überwiesen, um den Gerichten die Aufrechterhaltung einer möglichst reichhaltigen Bücherei zu gestatten. b) Der neue Verband A m 15. Dezember 1949 wurde der „ D e u t s c h e Arbeitsger i c h t s v e r b a n d e.V." mit Sitz i n K ö l n n e u g e g r ü n d e t 8 0 5 . Sein Zweck ist, die deutschen Arbeitsgerichte durch laufenden Gedanken» und Erfahrungstausch zu verbinden sowie Wissenschaft und Praxis des Arbeitsrechts zu fördern. Der Verband w i r d in Einzel- und korporativen Mitgliedschaften getragen von den Berufsrichtern und den ehrenamtlichen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeisitzern, von den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden, von der Arbeitsrechtswissenschaft und von den an der Arbeitsgesetzgebung sowie an der Verwaltung und Dienstaufsicht der Arbeitsgerichtsarbeit beteiligten Behörden, die i n dem Verbandsausschuß entsprechend vertreten sind. Organ des Verbandes sind die unregelmäßig erscheinenden „ M i t t e i l u n g e n d e s D e u t s c h e n A r b e i t s g e r i c h t s v e r b a n d e s e. V.", während sich die wissenschaftliche Abhandlung von Fragen des gesamten Arbeitsrechts und die Berichterstattung über Gesetzgebung, Rechtsprechung, Schrifttum und Praxis des Arbeitsrechts auf die ua auch von dem Verband mit herausgegebene Zeitschrift „ R e c h t d e r A r b e i t " verlagert hat. Erster Vorsitzender war von der Neugründung des Verbandes bis zur Nürnberger Verbandsversammlung am 13./14. Mai 1965 der bedeutende Arbeits- und Zivilrechtslehrer und erste Präsident des Bundesarbeitsgerichts Professor Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. Dr. h. c. Hans Carl Nipperdey, dessen Nachfolger der Präsident des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf Dr. Herbert Monjau wurde 8 0 6 . Die Zahl der Mitglieder beläuft sich z. Zt. auf etwa 6000.
305 309
MittArbGV 1951 N r 5 S 1. RdA 1965, 294.
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1. Teil, 9. Kap.: Die Arbeitsgerichts verbände und Bremen I I . Das Wirken bremischer Arbeitsrichter i n den Arbeitsgerichtsverbänden 1. Allgemeines
Die B e d e u t u n g d e r V e r b a n d s a r b e i t für ein erfolgreiches Wirken der Gewerbe-, Kaufmanns- und Arbeitsgerichte w u r d e v o n den V o r s i t z e n d e n der b r e m i s c h e n G e r i c h t e schon f r ü h e r k a n n t . Sie haben deshalb (Das Gewerbegericht Bremen trat dem Verband noch i m Gründungsjahr 1893 bei 3 0 7 ) a n d e m V e r b a n d s l e b e n v o n A n f a n g a n t ä t i g t e i l g e n o m m e n und die Ziele des Verbandes durch Einsendung von Entscheidungen, Gutachten und Erfahrungsberichten, durch wissenschaftlich-schriftstellerische Abhandlung aktueller Probleme, namentlich i n der Verbandszeitschrift, durch Übernahme von Referaten auf den regelmäßigen Verbandsversammlungen und Sitzungen des Verbandsausschusses sowie als Mitglieder dieses Ausschusses nicht unwesentlich gefördert. Bremen und seine Vertreter i m Verbandsausschuß konnten sich daher stets voller Anerkennung i m Rahmen des jeweiligen Verbandes erfreuen. 2. A. Blendermann und H. Grote Der erste Vorsitzende des Gewerbegerichts Bremen Dr. A. Blendermann war M i t g l i e d d e s V e r b a n d s a u s s c h u s s e s des Gewerbegerichtsverbandes seit der Karlsruher Sitzung des Verbandes vom 11. September 1897, wo er ein Referat über das Verfahren vor dem Einigungsamt hielt 3 0 8 . Er entwickelte sich m i t der Zeit zu einem E x p e r t e n f ü r d a s S c h l i c h t u n g s w e s e n i m Verbände. Auch sein Nachfolger Richter Dr. H. Grote, gehörte dem V e r b a n d s a u s s c h u ß an 3 0 9 . Er referierte auf dem Lübecker Verbandstage am 10./11. September 1901 über das damals sehr aktuelle Thema: „Das Verfahren in Einigungssachen bei Streiks und Aussperrungen in Deutschland und im Auslande" 310. Das Gewerbegericht Bremen hatte als Einigungsamt, insbesondere dank des tatkräftigen und mutigen Wirkens seines jeweiligen Vorsitzenden, bei der — damals rechtlich unklaren — Aufgabe der Beilegung von Gesamtstreitigkeiten, für deren Behandlung später das Schlichtungsverfahren eingeführt wurde, durchschlagende Erfolge zu verzeichnen 311 und Erfahrungen gesammelt, über die es i m Interesse der Allgemeinheit stets unverzüglich berichtete. 807 808 809 810 811
SozPrax 1894, 23. GewG 1897/98, 13—16. GewG 1899/1900, 18. GewG 1901/02, 44—46. So SozPrax 1895/96, 336.
II. Wirken bremischer Arbeitsrichter in den Arbeitsgerichtsverbänden 139 3. Otto Steengrafe Auch der spätere Landgerichtsdirektor Dr. Otto Steengrafe, zunächst hauptamtlicher Vorsitzender des Gewerbe- und des Kaufmannsgerichts und seit dem Jahre 1928 nebenamtlicher Vorsitzender des Landesarbeitsgerichts, nahm an der Verbandsarbeit lebhaften Anteil und leistete insbesondere organisatorisch-prozessuale Beiträge. Auf dem Kölner Verbandstag des Verbandes Deutscher Gewerbe- und Kaufmannsgerichte hielt er ein ausführliches rechtspolitisches Referat über die A u s g e s t a l t u n g d e r R e c h t s m i t t e l i n s t a n z 8 1 2 , nachdem er dazu zuvor bereits L e i t s ä t z e aufgestellt hatte 8 1 8 . Auf späteren Verbandsversammlungen ergriff er i n seiner ausgleichenden, humorvollen A r t als Diskussionsredner gern das W o r t 8 1 4 . 4. Henri Schmincke Noch größere Verdienste um die Verbandsarbeit erwarb sich Arbeitsgerichtsdirektor und Amtsgerichtsdirektor Dr. Henri Schmincke, seit dem 18. September 1913 bis zur Selbstauflösung des alten Arbeitsgerichtsverbandes am 18./20. J u l i 1936 ununterbrochen M i t g l i e d d e s V e r b a n d s a u s s c h u s s e s , seit dem 3. März 1928 2. stellvertretender Vorsitzender und seit Mai 1933 als 1. V o r s i t z e n d e r d e s zum Schein aufgelösten V e r b a n d e s Liquidator desselben. Während dieses seines jahrzehntelangen segensreichen Wirkens für den Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsverband und später für den Arbeitsgerichtsverband, das i h m erst durch die noch längere, ununterbrochene Amtsführung als Vorsitzender des Gewerbe-, Kaufmanns- und Arbeitsgerichts ermöglicht wurde, hat er sich nicht nur um die Förderung der Verbandsziele, sondern auch um die Fortentwicklung des Arbeitsrechts und die Anwendung des Arbeitsprozeßrechts hoch verdient gemacht. Neben seinem Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 und seinen außerordentlich zahlreichen Abhandlungen aktueller materiell-rechtlicher und prozessualer Probleme, die fast ausschließlich i n der Verbandszeitschrift erschienen, nahm er immer wieder auf den Verbandsversammlungen und Sitzungen des Verbandsausschusses zu Referaten und Diskussionsbeiträgen das Wort, u m so schwierige Fragen aus der Praxis und für die Praxis klären zu helfen. Besonders hervorzuheben ist sein großes, aufschlußreiches Referat, das er auf der Bremer Verbandsversammlung des Gewerbeund Kaufmannsgerichtsverbandes am 14./15. November 1924 über die 812 813
GewuKfmG 1910/11, 58—70. GewuKfmG 1909/10, 459—466.
314 ArbG 1928, 184 zum Referat: „Vorsitzender Arbeitsgerichtsbehörden."
und Beisitzer
bei den
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1. Teil, 9. Kap.: Die Arbeitsgerichtsverbände und Bremen
E r f a h r u n g e n m i t der n e u e n S ch 1 i ch t u n g sv er o r d n u n g vom 30. Oktober 1923 hielt 3 1 5 . Auf der Landestagung für Norddeutschland am 2./3. Juni 1930 i n Hamburg hielt Dr. Schmincke ferner ein Referat über „Hauptfragen des Schwerbeschädigtenrechts". Hoch anzurechnen ist Dr. Schmincke schließlich, daß er als Liquidator des alten A r b e i t s g e r i c h t s v e r b a n d e s dessen beträchtliches V e r m ö g e n den bedeutenderen A r b e i t s g e r i c h t e n und L a n d e s a r b e i t s g e r i c h t e n , u. a. auch dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Bremen, zur — damals wie heute notwendigen — E r g ä n z u n g i h r e r B ü c h e r e i e n zufließen ließ. Als ein „Kuriosum" sei vermerkt, daß der i m August 1946 als besonderer Gerichtszweig neuerrichteten bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit die Herausgabe der aus der Zuweisung des Arbeitsgerichtsverbandes wie aus bremischen Haushaltsmitteln beschafften arbeitsrechtlichen Fachliteratur, die den Gerichten für Arbeitssachen gerade in der Zeit ihres Aufbaues die Rechtsprechung hätte erleichtern können, vom damaligen Landgerichtspräsidenten verweigert wurde; sie wurde der Gerichtsbibliothek Domsheide einverleibt, die jedoch mit der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit stets gut zusammengearbeitet hat. 5. Hans Galperin I n der jüngsten Periode des am 15. Dezember 1949 neugegründeten A r beitsgerichtsverbandes wurde die Freie Hansestadt Bremen i m Verband durch eine Persönlichkeit besonders ehrenvoll vertreten, die sich als Richter, als Wissenschaftler und Rechtslehrer sowie als Mann des sozialen Ausgleichs innerhalb und außerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Arbeitsrechtswissenschaft sowie bei den Verbänden der Sozialpartner hohes Ansehen erworben hat. Der Vorsitzende und spätere Präsident des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Hans Galperin gehörte dem V e r b a n d s a u s s c h u ß des Arbeitsgerichtsverbandes seit seiner Neugründung an. Seine Mitarbeit i n diesem Spitzengremium war besonders rege und fruchtbar. Der Verbandsausschuß befaßte sich mit allen großen Gesetzgebungswerken der Nachkriegszeit auf dem Gebiete des Arbeitsrechts, vom Betriebsverfassungsrecht über das Arbeitsgerichtsgesetz und das Richterrecht bis zu dem Bundesurlaubsgesetz und dem Recht der Europäischen Gemeinschaften. Zu allen diesen Fragen hat Prof. Dr. Galperin i n Vorträgen und Diskussionen wertvolle Beiträge geleistet 318 und hat damit zum Erfolg der Tätigkeit des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes und seines Verbandsausschusses besonders beigetragen. Nicht zuletzt ist er durch bedeutsame H a u p t r e f e r a t e hervorgetreten. So hielt er in 815 m
GewuKfmG 1924/25, 233—240. Vgl nur MittArbG 1951 N r 5 S 4.
II. Wirken bremischer Arbeitsrichter in den Arbeitsgerichtsverbänden 141 einer Zeit außerordentlicher Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit auf dem Gebiete des Arbeitsrechts auf der 1. Verbandsversammlung am 7. Mai 1951 i n Hamburg nach Prof. Dr. Alfred Hueck das zweite — außerordentlich fundierte und von großer Sachkenntnis zeugende — Hauptreferat über: „Der gegenwärtige Stand: Bundesrecht, partielles Bundesrecht und Landesrecht im Arbeitsrecht"* 11, also über eines der seinerzeit schwierigsten Rechtsgebiete 318 . Auf der 3. Verbandsversammlung am 21. Mai 1955 in Mainz hielt Prof. Dr. Galperin wiederum das zweite, beifällig aufgenommene Hauptreferat über „Die betriebliche Ordnung"* 19. Schließlich hielt er aus Anlaß der 10. Wiederkehr des Tages der Verkündung des Betriebsverfassungsgesetzes am 10. Oktober 1962 auf der Sitzung des Verbandsausschusses i n Bad Godesberg nach Prof. Dr. Nikisch den zweiten Festvortrag über: „Betriebsverfassungsgesetz und betriebliche Partnerschaft" 320 und behandelte damit erneut ein Thema aus dem von i h m wissenschaftlich besonders erschlossenen Betriebsverfassungsrecht. Dem Verbandsausschuß des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes eV gehört seit dem 18. Mai 1967 neben Prof. Dr. Galperin der jetzige Präsident des Landesarbeitsgerichts, Dr. Hans Trinkhaus, an. Segensreich w i r k t e Prof. Dr. Galperin übrigens auch i m Rahmen des D e u t s c h e n J u r i s t e n t a g e s e.V., nachdem er am 19. Oktober 1955 auf dessen 41. Tagung zum Mitglied der Ständigen Deputation gewählt worden war. Wenn der Juristentag i n neuerer Z e i t 3 2 1 i n stetig zunehmendem Maße aus der Bedeutung des Arbeitsrechts als eines besonderen, selbständigen Rechtskreises in unserer industriellen Gesellschaft für seine Arbeit Folgerungen gezogen hat, so ist das sicherlich den Anregungen von Prof. Dr. Galperin m i t zu verdanken. Schon auf dem 43. J u r i s t e n t a g 1960 i n M ü n c h e n erörterte unter seinem V o r s i t z erstmals eine A r b e i t s g e m e i n s c h a f t unter sehr großer Beteiligung ein arbeitsrechtliches Thema, nämlich: „Der Einfluß des kollektiven Arbeitsrechts auf das Einzelarbeitsverhältnis" 322. A u f dem 45. J u r i 817 Abgedruckt in: Die Rechtseinheit im Deutschen Arbeitsrecht (1951) S 23—45; vgl auch Galperin, Normensetzung im Arbeitsrecht (Bundes-, Landes« und Besatzungsrecht), AR-Blattei, Rechtsquellen I I , Ausgabe 1952. 318 So Nipperdey, aaO, S 45—46. 319 RdA 1955, 260—263. 320 RdA 1962, 366—370. 821 Schon 1908 in Karlsruhe war als 1. Abteilungsthema das Problem des Tarifvertrages erörtert worden, während 1921 in Bamberg neben der damals sehr umkämpften Frage der Organisation der Arbeitsgerichte die rechtliche Form der Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital und am Gewinn des Unternehmens behandelt worden war. 822 Näheres Verhandlungen des 43. Dt. Juristentages, I I F; RdA 1960, 385. Referentin war die Bundesrichterin Dr. Marie Luise Hilger. A n der Diskussion beteiligten sich ua auch der damalige Arbeitsgerichtsrat Oskar Schulz, Bremerhaven, und der jetzige Arbeitsgerichtsassessor Dr. Großmann, Bremen.
142
1. Teil, 9. Kap.: Die Arbeitsgerichtsverbände und Bremen
s t e n t a g 1964 i n K a r l s r u h e trat wieder eine arbeitsrechtliche A r b e i t s g e m e i n s c h a f t zusammen, und zwar unter dem Vorsitz der Bundesrichterin Prof. Dr. Hilger m i t dem Thema: „Empfiehlt es sich, die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber abweichend vom Schuldrecht des BGB zu regeln?" 323. Prof. Dr. Galperin war hier stellvertretender Vorsitzender. Schließlich ist auf dem 46. J u r i s t e n t a g 1966 i n E s s e n eine a r b e i t s r e c h t l i c h e A b t e i l u n g nach Vorbereitung durch zwei Professoren-Gutachten und m i t einem Referenten gebildet werden 3 2 4 . Selbst wenn man sich bewußt ist, daß das Abteilungsthema: „Sinn und Grenzen der Vereinbarungsbefugnis der Tarifvertragsparteien" auch eine verfassungsrechtliche Komponente beinhaltet, ist das doch eine erfreuliche Anerkennung für das Arbeitsrecht, das „ b e g i n n t , neben dem ö f f e n t l i c h e n Recht und neben dem p r i v a t e n R e c h t zu e i n e r d r i t t e n S ä u l e u n s e r e s R e c h t s lebens zu werden"825.
I I I . Die Verbandsversammlungen in Bremen 1. Allgemeines Seit der Gründimg des Gewerbegerichtsverbandes i m Jahre 1893 sind die i m zweijährigen Turnus stattfindenden V e r b a n d s v e r s a m m l u n g enunddie L a n d e s t a g u n g e n d e r A r b e i t s g e r i c h t s v e r b ä n d e das n e u t r a l e F o r u m z u r f r e i e n D i s k u s s i o n a l l e r F r a g e n des A r b e i t s r e c h t s u n d d e r A r b e i t s g e r i c h t s b a r k e i t 8 2 6 . A n diesen offenen, freimütigen Erörterungen i m Anschluß an besonders aktuelle, stets auf hoher Stufe stehende Hauptreferate vornehmlich von Vertretern der Arbeitsrechtswissenschaft und an Kurzreferate namentlich von Berufsrichtern der Arbeitsgerichtsbarkeit, von Vertretern der einzelnen Sozialpartner und von Rechtsanwälten ist die Beteiligung der Fachgenossen aus den Verbänden, aus Verwaltung und Wissenschaft und Rechtsprechung regelmäßig sehr rege. A l l e B e t ei l i g t e n v e r b i n d e t das g e m e i n s a m e , e r n s t h a f t e I n t e r e s s e an der s c h n e l l e n u n d b e f r i e d i g e n 828 Näheres Verhandlungen des 45. Dt. Juristentages, I I G; ferner Adomeit, RdA 1964, 385—387. Referent war Prof. Dr. Franz Gamillscheg, Göttingen; vgl. auch von demselben, Die Haftung des Arbeitnehmers (1965). 824 Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentages 1966, Bd I I Teil D. 825 So schon Bührig in: Die Rechtseinheit im deutschen Arbeitsrecht (1951) S 76; zur Begründung zitiert in der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 22. 4. 1958 — 2 B v L 32, 34 und 35/56 — BVerfGE 7, 342 = A P N r 2 zu § 1 UrlaubsG Hamburg B1 682 R. 828 So Nipperdey, RdA 1965, 293.
III. Die Verbandsversammlungen in Bremen
143
den K l ä r u n g für die Praxis w i c h t i g e r Fragen, die nicht nur von neuen Gesetzen und Tarifvertägen, sondern ganz besonders in dem s t ä n d i g e n W a n d e l des A r b e i t s l e b e n s u n d d e r b e t r i e b l i c h e n G e g e b e n h e i t e n i m m e r w i e d e r n e u g e s t e l l t w e r d e n . Die Aussprachen und Begegnungen auf den Tagungen der Arbeitsgerichtsverbände haben denn auch gestern wie heute entsprechend der besonderen Ordnungsaufgabe der Arbeitsgerichtsbarkeit selbst zur Ordnung des Zusammenlebens i n unserer Industriegesellschaft und zur Erhaltung des sozialen Friedens wesentlich beigetragen. 2. Die Verbandsversammlung
von 1924
A m 14. und 15. November 1924 fand wegen der Schwierigkeiten der Inflationszeit, die die Verbandsarbeit lahmgelegt hatten, nach dieses M a l vierjähriger Pause eine V e r b a n d s v e r s a m m l u n g des Gewerbe« und Kaufmannsgerichtsverbandes erstmalig i n B r e m e n statt, die i n dem bis zum letzten Platz gefüllten Großen Saal des damaligen Museums am Domshof m i t 410 Teilnehmern für die damalige Zeit unerwartet gut besucht war und einen ausgezeichneten, harmonischen Verlauf nahm 3 2 7 . Der verlorene Erste Weltkrieg, der Versailler Vertrag, der wirtschaftliche Niedergang und die Inflation sowie — i m Zusammenhang damit — die Verarmung und Verelendimg weiter Volksschichten und die U n g e w i ß h e i t , was die Zukunft b r i n g e n w e r d e 3 2 8 , waren der Hintergrund der Tagung. Hinzu kam die damals sehr umkämpfte Frage der k ü n f t i g e n O r g a n i s a t i o n d e r A r b e i t s g e r i c h t e 3 2 9 . Die Verordnung über das Schlichtungswesen vom 30. Oktober 1923 (RGBl S 1043), durch deren vorläufige Regelung das Arbeitsgerichtswesen bis zur Errichtung allgemeiner Arbeitsgerichte erheblich ausgedehnt wurde, war vor einem Jahr i n Kraft getreten, hatte aber wegen der zahlreichen Unklarheiten der überstürzt erlassenen Verordnung zu erheblicher Rechtsunsicherheit und zu Ungleichheit i n der Rechtsanwendung geführt 3 3 0 . Dem trug das ausführliche Referat des Vorsitzenden des Gewerbegerichts und des Kaufmannsgerichts Bremen, Richter Dr. Schmincke 831: „Erfahrungen mit der neuen Schlichtung sv er Ordnung" Rechnung, an welches sich eine ausgedehnte Erörte327 Darüber GewuKfmG 1924/25, 169—172, 201—210; Schmincke, DRiZ 1925, 35—36. A m Vorabend der Verbandsversammlung hatten sich die Teilnehmer in der Jacobihalle versammelt, alte Bekanntschaften erneuert und neue angeknüpft. » So Grote, GewuKfmG 1924/25, 201. 329 Vgl Hueck-Nipperdey, 1./2. Aufl, Bd I I S 604. 380 Schmincke, DRiZ 1925, 26. 331 GewuKfmG 1924/25, 233—240.
144
1. Teil, 9. Kap.: Die Arbeitsgerichtsverbände und Bremen
rung zahlreicher Einzelfragen anschloß. Ein weiteres aktuelles Referat von Stadtrat Dr. Goldschmidt, Vorsitzender des Gewerbegerichts Magdeburg 3 3 2 : „Über die Bedeutung der Zivilprozeßnovelle für die Gewerbeund Kaufmannsgerichte" schloß sich an. Höhepunkt der Tagung war aber das i n glänzender Form vorgetragene Hauptreferat des damals i n Jena lehrenden Prof. Dr. J. W. Hedemann 333: „Das freie Ermessen in der Gerichtsbarkeit", das die Grenzen richterlicher Rechtsfindung aufzeigte ( F r e i h e i t = V e r a n t w o r t u n g ! ) und allen Hörern einen unvergeßlichen Genuß verschaffte, so daß sie noch lange danach i m Banne dieser Ausführungen standen 334 . Aber auch der inoffizielle Rahmen der Tagung fand allgemeinen Anklang, wie der Bericht eines Teilnehmers 335 erkennen läßt. „ F ü r den Nachmittag des ersten Verhandlungstages hatte die Aktiengesellschaft „Weser" zu einer Besichtigung ihrer Werke eingeladen, die mit einer Rundfahrt durch die Bremer Häfen begann und sodann einen Einblick i n ein großes Schiffbauunternehmen ermöglichte, der für die Binnenländer etwas vollkommen Neues war. Für den Abend dagegen konnten w i r einer Einladung des Bremer Senats i n dem altberühmten Ratskeller folgen, der den Verband zu einer reichen Weinspende eingeladen hatte. Eine humorvolle Begrüßungsansprache des Senators Hobelmann336 leitete die Versammlung ein. Zahlreiche Darbietungen von Teilnehmern, vielfach in den verschiedensten deutschen Mundarten, folgten. Der Abend war jedenfalls ein Beweis dafür, daß es jetzt doch wieder möglich ist, Angehörige der verschiedensten politischen und sozialen Richtungen ohne jeden Mißklang auf neutralem Boden zu einem gemütlichen Abend zu vereinigen." Der gesamte Tagungsverlauf berechtigte so zu der Hoffnung, daß der Verband, gleichviel i n welcher Form die Arbeitsgerichtsbarkeit neu geordnet würde, fortbestehen und fortarbeiten werde. 3. Die Landestagung von 1930 Zu erwähnen ist eine L a n d e s t a g u n g d e s inzwischen umgegründeten A r b e i t s g e r i c h t s v e r b a n d e s für Norddeutsch332
GewuKfmG 1924/25, 250—254. GewuKfmG 1924/25, 210—220. 334 So GewuKfmG 1924/25, 172. 335 GewuKfmG 1924/25, 172. 336 Senator Hobelmann hatte die Verbandsversammlung namens des Senats bereits bei ihrer Eröffnung mit anerkennenden Worten für die Arbeit der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte und ihres Verbandes begrüßt, wobei er die bremische Regelung für die Neuordnung des Arbeisgerichtswesens empfahl: GewuKfmG 1924/25, 203—204. 833
III. Die Verbandsversammlungen in Bremen
145
1 a n d , die am 2./3. Juni 1930 zwar nicht i n Bremen, aber doch i n der benachbarten Hansestadt H a m b u r g stattfand und zu deren Gelingen Bremer Teilnehmer wesentlich beitrugen. Außer dem bereits angeführten Referat von Arbeitsgerichtsdirektor Dr. Schmincke über „Hauptfragen des Schwerbeschädigtenrechts" 337 beantworteten sie, wie damals auf Landestagungen üblich war, zahlreiche „Einzelfragen aus der arbeitsgerichtlichen Praxis u, jeweils m i t kurzer Zusammenfassung des Ergebnisses, und zwar der damalige Richter, spätere Landgerichtsdirektor Friedrich Ellermann 338: Ist die zweiwöchige Frist, binnen deren nach dem Spruch des Innungsausschusses Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden muß (ArbGG §111 Satz 1 Nr 2, Satz 2)3S0, in dem Sinne eine Ausschlußfrist, daß durch Fristversäumnis auch der Anspruch verlorengeht? Kann der Kläger, der die Frist versäumt hat, nochmals den Innungsausschuß anrufen? Rechtsanwalt Dr. Georg Daseking 340, langjähriger Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Arbeitgeberverbände i m Lande Bremen, nahm zu der — durch die Gesetzgebung inzwischen überholten — Frage Stellung: Welche Bedeutung hat die aufschiebende Wirkung der Rechtsbeschwerde, wenn das Arbeitsgericht bereits die Ersatzzustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes erteilt hat? Kann das Betriebsvertretungsmitglied noch Lohnzahlung bis zur Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts verlangen? Schließlich beantwortete der damalige. Richter, spätere Landgerichtsdirektor Dr. Hans Heumann 3 4 1 die Frage: Wirkt eine Betriebsvereinbarung sofort auf das Einzelarbeitsverhältnis ein oder bedarf es hierzu erst noch des Ablaufs der Kündigungsfrist? Alles i n allem trug diese Landestagung zu einer Klärung zahlreicher Fragen für die Praxis des Arbeitslebens bei. 887
ArbG 1930, 369—377. 338 ArbG 1930, 404. Er verneinte die erste Frage und hielt es für zulässig, den Innungsausschuß noch anzurufen, um nach versäumter Frist die notwendige Prozeßvoraussetzung für das weitere Verfahren vor dem ArbG zu schaffen. Nach der herrsch Meinung zum alten und neuen Recht ist die zweiwöchige Klagefrist jedoch eine Ausschlußfrist; vgl Rohlfing-Rewolle, ArbGG, § 111 Anm. 10 mwN. 889 Jetzt § 111 Abs. 2 ArbGG 1953. 840
ArbG 1930, 407. ArbG 1930, 410. Er kam zu dem auch heute noch anerkannten Ergebnis, daß Betriebsvereinbarungen ebenso wie Tarifverträge sofort auf das Arbeitsverhältnis einwirken; vgl Galperin-Siebert, §52 Anm 55 mwN. 841
10 Trinkhaas
146
1. Teil, 9. Kap.: Die Arbeitsgerichtsverbände und Bremen 4. Die Landestagung von 1958
Außerordentlich harmonisch verlief auch die 1. B r e m e r L a n d e s t a g u n g d e s A r b e i t s g e r i c h t s v e r b a n d e s a m 27. J u n i 1958 i m Festsaal des Neuen Rathauses. Die Veranstaltung war, namentlich auch durch auswärtige Mitglieder aus Hamburg und Niedersachsen sowie durch ehrenamtliche Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter, ausgezeichnet besucht, wie überhaupt auch an den Landestagungen des Verbandes überall ein großes Interesse zu verzeichnen ist. I n der durch Senator Gerd van Heukelum, Senator für Arbeit, namens des Senats begrüßten Versammlung wurde ein Vortrag über „Rechtsprobleme der betrieblichen Einigung" 3* 2 von Prof. Dr. Neumann-Duesberg gehalten. Es schlossen sich am Vormittag noch allgemein verständliche, aus der Rechtsprechung schöpfende Referate von Dr. Walter Franke 3 4 3 , DGB Bremen, jetzt Geschäftsführer der Arbeiterkammer, über „Erstattung des Verdienstausfalls durch Betriebsratstätigkeit" und von Dr. Eberhard Wehr**\ Vereinigung der Arbeitgeberverbände i m Lande Bremen, über „Die Ausgleichsquittung" an. Nachdem die auswärtigen Gäste während der M i t tagspause Gelegenheit gehabt hatten, an einer Führung durch die historischen Räume des Alten Rathauses teilzunehmen sowie den St. PetriDom und die Böttcherstraße zu besichtigen, folgten am Nachmittag ein besonders die praktische Handhabung (überwiegende Tätigkeit) betreffendes Referat von Gewerkschaftssekretär Hugo Schmidt, D A G Bremen, über „Probleme der Eingruppierung bei den Angestellten des öffentlichen Dienstes" und ein neue Wege aufzeigendes Referat von Arbeitsgerichtsrat Oskar Schulz 345, jetzt Stadtrat i n Bremerhaven, über „Sicherung oder Versicherung im Rahmen der Sorge für die in den Betrieb eingebrachten Sachen der Arbeitnehmer". A n den Vortrag und an alle Referate schloß sich eine lebhafte, durchaus gehaltvolle Aussprache an, die bei allen Diskussionsteilnehmern von dem Bemühen u m sachliche K l ä rung praktisch bedeutsamer Fragen getragen war. A m Abend der Landestagung ehrte der Senator für Arbeit den Vorstand des Arbeitsgerichtsverbandes durch einen Empfang i m Gästehaus des Senats. 5. Die Verbandsversammlung
von 1963
Die 7. V e r b a n d s v e r s a m m l u n g d e s A r b e i t s g e r i c h t s v e r b a n d e s nach dem Zweiten Weltkrieg fand am 10./11. Oktober 1963 i n B r e m e n i m Großen Saal des Saalbaues „ D i e G 1 o c k e" statt 342 343 344 345
Abgedruckt MittArbGV MittArbGV MittArbGV
in: Festschrift für Bogs (1959) S. 275—292. 1958 N r 17fe 10—11. 1958 N r 17 S 8—10. 1958 N r 17 S 13—14.
III. Die Verbandsversammlungen in Bremen
147
und war m i t über 600 Teilnehmern ausgezeichnet besucht 346 . Namens des Senats wurde die Versammlung durch den Senator für Justiz und Verfassung, Dr. Graf, begrüßt. A m 2. Tag überbrachte Staatssekretär Dr. Claussen die Grüße des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung und trat hierbei erneut für die Beibehaltung der Ressortierung der A r beitsgerichtsbarkeit ein. Den ersten Hauptvortrag hielt Prof. Dr. h. c. Rolf Dietz 347, München, über „IQ Jahre ArbeitsgerichtsgesetzIn einem Kurzreferat über „Kündigung und Schadensersatzansprüche beim Gruppenarbeitsverhältnis" befaßte sich der jetzige Arbeitsgerichtsrat Wilfried Hillebrecht 348, Bremen, eingehend m i t der Entwicklung des Gruppenarbeitsverhältnisses und den hierzu entstandenen Problemen. A m Nachmittag des 1. Verhandlungstages warf Rechtsanwalt KarZ Langer 3 4 9 , D A G Hamburg, i n seinem Referat: „Die Schiedsgerichtsbarkeit in Arbeitssachen" die Frage auf, ob die Schiedsgerichtsbarkeit, selbst i n dem durch das ArbGG 1953 begrenzten Umfang, überhaupt notwendig sei. Er wandte sich insbesondere gegen die i n zwei Rechtszügen ausgebaute Bühnenschiedsgeiichtsbarkeit. I n der Diskussion wurde jedoch überwiegend die gegenteilige Auffassung vertreten und die besondere Bewährung der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit betont. A m zweiten Verhandlungstag hielt Prof. Dr. Theo Mayer-Maly 350, jetzt Salzburg, einen m i t besonders anhaltendem Beifall aufgenommenen Vortrag über „Probleme einer Kodifikation des Arbeitsrechts, dargestellt am Beispiel des österreichischen EntwurfsEr stellte in seinen Ausführungen 10 Thesen heraus: 1. Von den vier hauptsächlichen Möglichkeiten der Ordnung eines Rechtsgebietes (Fallrecht, Präjudizienrecht, Einzelgesetze, Kodifikation) empfiehlt sich für das deutsche Arbeitsrecht der Gegenwart allein die Kodifikation. 2. Da nur eine auf Dauer angelegte Kodifikation sinnvoll ist, erscheint es geboten, in diese starke Elastizitätsfaktoren einzubauen. 3. Der Vertrag als Elastizitätsfaktor des Arbeitsrechts ist bei Anerkennung einer Ordnungsfunktion des nachgiebigen Rechts und bei Einbau kollektivrechtlicher Sicherungen zum Ausgleich wirtschaftlicher Schwäche durchaus unbedenklich. 4. Reinen Ordnungsanliegen gebührt im Zug der Kodifikationsarbeit ein Vorrang gegenüber Reformprojekten. Auch gilt es, die Grenzen der 848 847 848 849 860
10»
RdA 1963,413—414; MittArbGV 1964 N r 25 S 1. RdA 1963, 361—368. MittArbGV 1964 N r 25 S 3—7. MittArbGV 1964 N r 25 S 8—11. RdA 1964, 1—7.
148
1. Teil, 9. Kap.: Die Arbeitsgerichtsverbände und Bremen
Möglichkeit erfassen.
einer gesetzgeberischen Änderung
von Sozialstrukturen
zu
5. Eine Arbeitsrechtskodifikation sollte der Isolierung des Arbeitsrechtes entgegenwirken und versuchen, das Arbeitsrecht sinnvoll in die privat- und öffentlich-rechtliche Grundordnung einzufügen. 6. Eine Neufassung der §§ 611—630 BGB sollte die grundsätzlichen Maximen des Individualarbeitsrechts aufnehmen. Ausführungsbestimmungen, berufliche und sonstige Differenzierungen sowie das kollektive Arbeitsrecht gehören in ein Arbeitsgesetzbuch. 7. Der Kodifikationsentwurf darf kein arbeitsrechtliches Problem von größerer Bedeutung ungeregelt lassen, auch nicht den Arbeitskampf. 8. Ein Kodifizieren 9. Praktische genswert.
in Etappen wäre bedenklich.
Erprobung
10. Neben die ministerielle treten.
des Kodifikationsentwurfs Vorbereitungsarbeit
erscheint erwä-
sollten Privatentwürfe
I n einem Kurzreferat sprach Rechtsanwalt Dr. Hier semann351, Gütersloh, über „Bundesurlaubsgesetz und UrlaubstarifeEr behandelte besonders das neue Bundesurlaubsgesetz, das i n § 13 den — allerdings nicht uneingeschränkten — Vorrang der Tarifverträge festlegt. Der Vortragende sprach sich für den grundsätzlichen Vorrang der Tarifverträge aus. Zuletzt referierte Assessor Dr. Farthmann 352, W W I Düsseldorf, über „Rechtsprobleme zur Einziehung des Gewerkschaftsbeitrages durch den Arbeitgeber". Er vertrat die Auffassung, daß diese Einziehung rechtlich zulässig und aus praktischen und sozialpolitischen Gründen auch erwünscht sein müsse. Auch an dieses Referat schloß sich, wie an die übrigen Vorträge und Referate, eine lebhafte, ausführliche Diskussion an, aus der sich ergab, daß die Zulässigkeit der Einziehung der Gewerkschaftsbeiträge durch den Arbeitgeber noch recht umstritten ist. A m Abend des 1. Tages gab Senator Karl Weßling, Senator für Arbeit der Freien Hansestadt Bremen, dem Verbandsausschuß i m Kaminsaal des Rathauses einen eindrucksvollen Empfang, während zahlreiche Tagungsteilnehmer namentlich aus dem Binnenlande am Nachmittag des 2. Tages an einer Stadtrundfahrt teilnahmen, die sich durch die alte, weitgehend wieder aufgebaute Stadt, durch die großen Neubaugebiete und durch die erweiterten, modernisierten Häfen führte. Auch die Bremer Verbandsversammlung verband wieder alle am Arbeitsrecht und seiner besonderen Gerichtsbarkeit interessierten Kreise einschließlich der So351 352
BB 1963, 1301—1303. AuR 1963, 353—356.
III. Die Verbandsversammlungen in Bremen
149
zialpartner, der Behörden, der Arbeitsrechtswissenschaft und der A n waltschaft i n sichtbarer, beispielhafter A r t und Weise. Bisher war der Deutsche Arbeitsgerichtsverband einmalig i n seiner A r t . Ganz nach seinem Beispiel ist nun am 3. Februar 1965 i n Essen ein D e u t s c h e r S o z i a l g e r i c h t s v e r b a n d e. V. gegründet worden, der entsprechend die Verbände der Sozialpartner und Kriegsopfer, die Verwaltungsbehörden und Träger von Sozialleistungen sowie Vertreter der Sozialrechts- und medizinischen Wissenschaften m i t den ehrenamtlichen und Berufsrichtern der Sozialgerichtsbarkeit i n der Pflege und Förderung des Sozialrechts verbindet 3 5 3 .
353 RdA 1965, 217; Sgb 1965, 64, 157—160; Friede, richter" 1965, 15—16; DRiZ 1965, 348—349.
Beil z Sgb „Der Sozial-
Zehntes Kapitel
Die Beiträge bremischer Arbeitsrichter zur Entwicklung des Arbeitsrechts I. Allgemeines Die i n anderem Zusammenhang bereits gewürdigten Verdienste der ehrenamtlichen Arbeitsrichter und Landesarbeitsrichter an der Rechtsprechung werden nicht geschmälert, wenn hier besondere Leistungen von Berufsrichtern der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit für die Entwicklung des Arbeitsrechts hervorgehoben werden. Die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte haben nun einmal die mündliche Verhandlung vorzubereiten, die Verhandlung und die Beratung zu leiten sowie die Entscheidung abzusetzen. Schon diese verantwortungsreiche, zugleich aber auch sehr befriedigende Aufgabenstellung macht die Arbeitsgerichtsbarkeit in h e r v o r r a g e n d e m Maße geeignet, Richterpersönlichkeiten zu entwikk e 1 n 8 5 4 . Sie erfordert, recht verstanden, den ganzen Mann. Denn das Arbeitsrecht ist auch heute noch ein nur zum Teil kodifiziertes Rechtsgebiet; auch kann der Gesetzgeber dem schnellen Wechsel der Verhältnisse des Arbeitslebens nur, wenn überhaupt, langsam folgen. Der Berufsrichter der Arbeitsgerichtsbarkeit hat daher seit den Anfängen des Arbeitsrechts nicht selten rechtsschöpferische Pionierarbeit zu leisten und den Wahrheitsgehalt selbst einer herrschenden Meinung als ständige Frage nach Sinn und Richtigkeit des Rechts namentlich unter veränderten Umständen stets aufs neue zu prüfen. Damit geht die immer wieder notwendige Neuorientierung an der sozialen Wirklichkeit und den praktischen Erfordernissen Hand i n Hand, die durch die segensreiche Einrichtung des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes und durch die notwendige Teilnahme der ehrenamtlichen Richter m i t Sach- und Fachkunde an der Arbeitsrechtsprechung wesentlich gefördert wird. Geradezu unerläßlich bleibt aber gleichwohl die w i s s e n s c h a f t l i c h e Grundleg u n g f ü r d i e R e c h t s p r e c h u n g i n Lehr- und Handbüchern, Kommentaren und Monographien sowie durch Abhandlung spezieller Fragen i n Fachzeitschriften und Fortsetzungswerken. D i e beste 864
So Herschel , RdA 1957, 333 = MittArbGV 1957 N r 16 S 1.
II. Henri Schmincke
151
Rechtsprechung ist schon immer eine wissenschaftlich fundierte Rechtsprechung g e w e s e n855. Das gilt besonders für die Arbeitsrechtsprechung,. auf die die Wurzeln der Arbeitsrechtswissenschaft zurückgehen 856 . Daher ist es kein Zufall, daß die der Praxis wie der Wissenschaft nahestehenden B e r u f s r i c h t e r d e r d e u t s c h e n A r b e i t sg er i c h t s b a r k . e i t i n d e m w i s s e n s c h a f t l i c h e n S c h r i f t t u m des A r b e i t s r e c h t s a u ß e r g e w ö h n l i c h s t a r k v e r t r e t e n sind. Auch bei den Beruf srichtern der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit war dies von Anfang an nicht anders, wobei sich erweist, daß sich ihre bedeutendsten Vertreter nicht nur wissenschaftlich-schriftstellerisch, sondern umfassend auch i m Rahmen des Arbeitsgerichtsverbandes und darüber hinaus besonders verdient gemacht haben.
I L Henri Schmincke Arbeitsgerichtsdirektor und Amtsgerichtsdirektor Dr. Henri Schmincke ist i m Schrifttum durch seinen Kommentar zum ArbGG 1926 und durch zahlreiche Abhandlungen zumeist i n der Zeitschrift des Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsverbandes bzw. des Arbeitsgerichtsverbandes hervorgetreten. 2. Kommentar
zum ArbGG
Der auf die Bedürfnisse der Praxis zugeschnittene Kommentar, i n Gemeinschaft mit Amts- und Landgerichtsrat Dr. Seil, Vorsitzendem beim Arbeitsgericht Berlin, w a r i n der großen Reihe von Erläuterungswerken zum ArbGG 1926 einer der wenigen, die eine Neuauflage erlebt haben 8 5 7 . Dies zeigt schon, daß er sich i n der Praxis besondere Geltung zu verschaffen wußte. Er wurde damals als eine wertvolle Ergänzung zum Kommentar von Dersch-Volkmar zum ArbGG (jetzt 6. Aufl. 1955) angesehen. 2. Die
Abhandlungen
Seine Zeitschriften-Aufsätze behandelten neben arbeitsrechtlichen Einzelproblemen i m großen Umfang verfahrensrechtliche Fragen. Sie sollen in memoriam möglichst vollständig i n der Reihenfolge ihrer Veröffentlichungen verzeichnet werden. 355
So Nipperdey, MittArbGV 1954 N r 10 S 5. So Sinzheimer, S 1246—1247. 867 2. Aufl 1927, Verlag J. Heß, Stuttgart, 596 Seiten, Besprechung der 1. Aufl von KaUee, ArbG 1927, 216, der 2. Aufl, ArbG 1928, 408. 358
152 1. Teil, 10. Kap.: Die Beiträge bremischer Arbeitsrichter zur Entwicklung a) Arbeitsrechtliche Abhandlungen Kann der Handlungsgehilfe schon nach der Kündigung langen? — GewuKfmG 1913/14, 331—333 Urlaubsfragen
ein Zeugnis ver-
— GewuKfmG 1919/20, 22—24
Zwei Fragen aus den Verordnungen vom 9. 1. und 3. 9. 1919 — GewuKfmG 1919/20, 83—85 Betriebsvertretungsverhältnis bei Nichtbeteiligung bei der Wahl zum Betriebsrat — GewuKfmG 1921/22, 205—207 Der Kündigungsschutz des BetrRG und die Kündigungsbestimmungen für Gewerbearbeiter — GewuKfmG 1922/23, 126—128 Die Bedeutung von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsordnungen für die Regelung der Arbeitszeit — GewuKfmG 1923/24, 245—246 Politische Betätigung eines Betriebsratsmitgliedes im Betrieb — GewuKfmG 1924/25, 339 Analoge Anwendung des § 254 BGB auf Ansprüche aus fristloser Entlassung? — GewuKfmG 1924/25, 479—481 Zweifelsfragen aus dem KSchG vom 9. 1. 1926 — ArbG 1925/26, 466—468 Bedeutung von Schiedssprüchen tariflicher Schiedsgerichte in Gesamtrechtsstreitigkeiten und ihre Einwirkung auf Einzelarbeitsverhältnisse — NZfA 1929, 133—136 Bestellung des Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl durch den Arbeitsgerichtsvorsitzenden — ArbG 1928, 233—235 Die Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbeschädigteneigenschaft des Arbeitnehmers — ArbG 1928, 416—419 Hauptfragen des Schwerbeschädigtenrechts — ArbG 1930, 369—377 Die Bestellung eines Ersatzwahlvorstandes nach § 23 Abs. 5 BetrRG — ArbG 1930, 221—225 Die Einwirkung der Notverordnungen vom 1. Dezember 1930 und vom 9. Januar 1931 auf das Arbeitsrecht — ArbG 1931, 51—55 Die Notverordnung vom 5. Juni 1931 und ihre arbeitsrechtlichen Auswirkungen — ArbG 1931, 233—235 Arbeitsrecht in der neuen Notverordnung — ArbG 1932, 1—6 Die neuen Notverordnungen und das Arbeitsrecht — ArbG 1932, 244—246 Wichtige arbeitsrechtliche 329—333
Neuerungen
— ArbG
1933, 227—232, 273—276,
Außerdem hat Dr. Schmincke, der seit dem 21. September 1936 auch Vorsitzender des Hafenschiedsgerichts für die bremischen Häfen 3 5 8 war, das Blatt „ H a f e n a r b e i t e r I " (Ausgabe 1936) der Arbeitsrecht-Kart e i 3 5 9 bearbeitet. 858 Seit dem 29. 6. 1939 war er ferner Vorsitzender des Seeamtes Bremerhaven. 859 Herausgegeben von Kallee, jetzt AR-Blattei, herausgegeben von Sitzler.
153
II. Henri Schmincke b) Verfahrensrechtliche Abhandlungen Schlichtungsausschuß und Rechtsanwälte Verfassung
und Verfahren
— GewuKfmG 1919/20, 87—90
— GewuKfmG 1923/24, 93—94
Die Verordnung zur Beschleunigung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Verhältnis zu den Kaufmanns- und Gewerbegerichten und den Berufungsgerichten — GewuKfmG 1923/24, 121—123 Die Erfahrungen mit 1924/25, 233—240
der
neuen
Schlichtungsverordnung
— GewuKfmG
Arbeitsgerichte
und Rechtsmittelausschluß — GewuKfmG 1923/24, 269—271
Arbeitsgerichte
und Rechtsanwälte — JW 1925, 1833—1835
Zum Aufbau der Arbeitsgerichtsbehörden Gebühren und Auslagen im Verfahren N Z f A 1927, 463—474 Die Heranziehung 197—199
— DRiZ 1927, 282 vor den Arbeitsgerichtsbehörden
der Beisitzer der Arbeitsgerichtsbehörden
Der Innungsausschuß für Lehrlingsstreitigkeiten gesetz — ArbG 1927, 399—403 Arbeitsgericht
und Seeschiffahrt durch Vertreter
— ArbG 1927,
nach dem Arbeitsgerichts-
— ArbG 1928, 351—352
Kostenfragen des arbeitsgerichtlichen Prozeßvertretung 1932, 313—317
—
Mahnverfahrens — ArbG 1930,468—471
wirtschaftlicher
Vereinigungen
— ArbG
Der B o m b e n t o d riß dem um das Arbeitsrecht und seine Gerichtsbarkeit, um den Arbeitsgerichtsverband und die Arbeitsrechtswissenschaft hoch verdienten Richter, der nach Vollendung des 65. Lebensjahres noch i m Dienst verblieben war, kurz darauf am 24. Februar 1945 i m Gerichtsgebäude die Feder für immer aus der Hand.
I I I . Hans Galperin I n ganz ähnlicher Weise bietet sich das bisherige wissenschaftliche Werk des nach Vollendung des 65. Lebensjahres am 31. Dezember 1965 i n den Ruhestand getretenen Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Hans Galperin i n einem bedeutenden Kommentar, dem zum BetrVG, und i n einer Fülle von Abhandlungen i n Festschriften, Fachzeitschriften und sonstigen Sammelwerken dar. I . Der Kommentar
zum BetrVG
Der besonders hoch eingeschätzte, wissenschaftlich und praktisch orientierte Kommentar zum BetrVG 3 6 0 , i n 3. Aufl. i n Gemeinschaft m i t dem 380
1. Aufl (1953), 2. Aufl (1953), 3. Aufl (1958), 4. Aufl (1963), 860 Seiten,
154 1. Teil, 10. Kap.: Die Beiträge bremischer Arbeitsrichter zur Entwicklung dann verstorbenen Prof. Dr. Wolf gang Siebert, w i r d i n Kürze i n 5. Aufl. erscheinen. Diese schon für sich sprechende Tatsache gibt noch nicht einmal vollständig wieder,, welche hohe Anerkennung dem Kommentar von seinen Benutzern i n der Praxis der Betriebe und Verbände wie i n der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Arbeitsrechtswissenschaft gleichermaßen gezollt wird. 2. Die
Abhandlungen
I n den einzelnen Abhandlungen sind die verschiedensten, i m Vordergrund des allgemeinen Interesses stehenden Fragen zu den Rechtsquellen des Arbeitsrechts, aus dem Arbeitsverhältnisrecht, dem Betriebsverfassungsrecht und dem Tarif-, Koalitions- und Arbeitskampfrecht sowie zur Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit stets in besonders verständlicher, systematisch gegliederter, anspruchsvoller A r t und Weise abgehandelt. Neben der Vorliebe des Autors für kollektivrechtliche Gedankenführung w i r d sein erfolgreiches Bemühen um die Entwicklung der arbeitsrechtlichen Methode fast überall* sichtbar. a) Rechtsquellen des Arbeitsrechts Die autonome Rechtsetzung im Arbeitsrecht, in: Festschrift für Erich Molitor (1962), 143—160 Normensetzung im Arbeitsrecht (Bundes-, Landes- und Besatzungsrecht), AR-:Blattei, Rechtsquellen I I , Übersicht über die arbeitsrechtlichen Nor^ men (Ausgabe 1952) Der gegenwärtige Stand: Bundesrecht, partielles Bundesrecht und Landesrecht im Arbeitsrecht, in: Die Rechtseinheit im Deutschen Arbeitsrecht (1951), 23—45.
b) Arbeitsverhältnisrecht Haftungsfragen, in: Jahrbuch der Arbeiterkammer Bremen (1929). Die Verteilung der Betriebsgefahr, DRZ 1948, 193—197 Zur Theorie der Lehre von der Betriebsgefahr, RdA 1949, 8—12 Unwirksamkeit der Kündigung und Kündigungsschutz, BB 1948, 305—306 Die Rechtsnatur des Ruhegehaltsanspruchs, DB 1949, 251 Die Arbeitsverhältnisse Entnazifizierter: Die Rechtslage in der US-Zone t DB 1949, 335 Die außerordentliche Kündigung nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung, DB 1949, 610-^611 Begriff und Wesen des Betriebs im Arbeitsrecht, BAB1 1950, 61—65 Das Weisungsrecht des Arbeitsgebers, D B 1952, 186—188 Verlagsgesellschaft „Recht und Wirtschaft", Heidelberg, besprochen ua von Bulla, BB 1963, 823; Kaufmann, NJW 1964, 28; Schröder, RdA 1963, 471; Weihrauch, AuR 1964, 111—113.
III. Hans Galperin
155
Rechtsnachfolge, BB 1952, 322—324 Der Grundsatz der Gleichbehandlung, RdA 1953, 169—172 Haftung des Arbeitnehmers bei positiver Vertragsverletzung, insbesondere in Fällen schadengeneigter Arbeit, AR-Blattei, Haftung des Arbeitnehmers I I I , Positive Vertragsverletzung (Ausgabe 1956) Zum Recht der Arbeitnehmer auf Weiterbeschäftigung im Falle der Betrieb snachfolge, RdA 1955, 187 Wirkung und Unwirksamkeit der Änderungskündigung, DB 1958, 799—803, 838—841 Der Wegfall der Geschäftsgrundlage
im Arbeitsrecht, BetrVerf 1958, 41—46,
61—66
Die Anfechtung von Willenserklärungen des Arbeitnehmers wegen Drohung mit Entlassung oder Anzeige, DB 1961, 238-^-242 Betriebsnachfolge und Betriebsinhaberwechsel, DB 1962, 1078-^-1081, 1113 bis 1114 Ehrenschutz und Arbeitsverhältnis, DB 1963, 1321—1325, 1358—1362 (auch als Broschüre im Verlag Handelsblatt, Düsseldorf, erschienen) Der wichtige Grund zur außerordentlichen Kündigung, DB 1964, 1114—1118 Begriff und Wesen des Betriebsverbandes, in: Das Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd. 1 (1964), 75—92 Grundgedanken und Struktur des Kündigungsschutzgesetzes, RdA 1966, 361—366 Die Rechtsmängel der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, BB 1966, 1458 bis 1465
c) Arbeitsschutzrecht Arbeitszeit schütz im Baugewerbe unter Berücksichtigung der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften, BetrVerf 1954 Nr. 4 S. 1—4 Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst, DB 1960, 695-698- 723—726 (auch als Broschüre im Verlag Handelsblatt, Düsseldorf, erschienen) Die Einwirkung öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutznormen auf das Arbeitsverhältnis, BB 1963, 739—743
d) Betriebsverfassungsrecht Die Vertretung des Betriebsrates im Äufsichtsrat, WuA 1926, 57—58 Das Einspruchsrecht des Betriebsrates bei Einzelkündigungen, WuA 1926, 91—92 Die Kündigungsbeschränkungen des Betriebsrätegesetzes, in: Jahrbuch der Arbeiterkammer Bremen (1927) Form und Inhalt der Betriebsvereinbarung, DB 1948, 4^6 Das Bremische Betriebsrätegesetz, RdA 1949, 91—93 Grundlagen und Grenzen der Betriebsvereinbärung, BB 1949, 374—376 Betriebsvereinbarung und Arbeitsbedingungen, BB 1950, 25—27 Der Stand des kollektiven und des öffentlichen Arbeitsrechts, DRZ 1950, 148—150 Die Grenzen der Mitbestimmung, BB 1951, 257—260
156 1. Teil, 10. Kap.: Die Beiträge bremischer Arbeitsrichter zur Entwicklung Die wirtschaftliche Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, DB 1952, 804—806 Die Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter in den Ausschüssen des Aufsichtsrats, Die Mitbestimmung 1954, 117—119 Die Beschlußfähigkeit des unvollständigen Auf sichtsrats, BB 1954, 605—609 Die betriebliche Ordnung, RdA 1955, 260—263 Die Organstellung des Betriebsrates, RdA 1959, 321—327 Möglichkeiten der betrieblichen Rechtsetzung, erläutert am Urteil des BAG zum „Rosenmontagsfall", BB 1960, 453—457 Betriebsverfassungsgesetz und betriebliche Partnerschaft, RdA 1962, 366 bis 370 Kann die Struktur der Beteiligungsrechte im BetrVG durch Tarifvertrag geändert werden? DB 1966, 620—625 Die Stellung des Arbeitgebers in der Betriebsverfassung, in: Festschrift für Hans Schmitz (1967), 55—67 Die Mitbestimmung der Betriebsräte in wirtschaftlichen Fragen und bei der Aufstellung von Sozialplänen, BB 1967, 469—472 e) T a r i f - , K o a l i t i o n s - u n d A r b e i t s k a m p f r e c h t Der Streik im Lichte des geltenden Rechts, WuA 1925, 97—98 Das privatrechtliche Verhältnis der gewerblichen Berufsvereine zu ihren Mitgliedern, W u A 1926, 19—20 Die Beitragspflicht der im bremischen Staatsgebiet von Dienststellen der Bundesrepublik beschäftigten Arbeitnehmer zur Organisation der Bremischen Arbeitnehmerkammern, RdA 1953, 5—11 Organisationszwang und Koalitionsfreiheit, in: Festschrift für Walter Bogs (1959), 87—105 Probleme des § 9 TVG, RdA 1955, 368—371 Aussperrung und Mutterschutz, RdA 1959, 41—50 Begriff und Legitimität der Aussperrung, BB 1965, 93—99 Inhalt und Grenzen des kollektiven Koalitionsrechts, AuR 1965, 1—9 Sozialadäquanz und Arbeitskampf Ordnung, in: Festschrift für Hans Carl Nipperdey (1965), 197—220 f)
Arbeitsgerichtsbarkeit
Die
Arbeitsgerichtsbarkeit als besondere Gerichtsbarkeit, BetrVerf 1957, 81—87 Die Vereinheitlichung aller Gerichtsbarkeiten und die Gerichte für Arbeitssachen, ZSR 1957, 133—136
I V . Andere Richter A u c h zahlreiche andere R i c h t e r der bremischen A r b e i t s g e r i c h t s b a r k e i t sind, w e n n auch n i c h t e n t f e r n t i n d e m U m f a n g e w i e D r . Schmincke und P r o f . D r . Galperin, i m S c h r i f t t u m h e r v o r g e t r e t e n . D e r erste V o r s i t z e n d e
I V . Andere Richter
157
des Gewerbegerichts B r e m e n , R i c h t e r D r . A. Blendermann 8Ä1, berichtete a u f G r u n d seiner E r f a h r u n g e n , d i e er als V o r s i t z e n d e r des m i t d e m Gew e r b e g e r i c h t v e r b u n d e n e n E i n i g u n g s a m t e s g e s a m m e l t hatte, w i e d e r h o l t ü b e r diese d a m a l i g e F o r m des Schlichtungswesens. Sein Nachfolger, R i c h t e r D r . H. Grote 862, ist i n der V e r b a n d s z e i t s c h r i f t des G e w e r b e g e r i c h t s v e r bandes ebenfalls m e h r f a c h z u W o r t g e k o m m e n . L a n d g e r i c h t s d i r e k t o r D r . Otto Steengrafe 363 w a r V o r s i t z e n d e r des Landesarbeitsgerichts n u r i m N e b e n a m t . So e r k l ä r t es sich, daß er, größtenteils auf V e r b a n d s v e r s a m m l u n g e n , n u r prozessuale T h e m e n b e h a n d e l t hat. D e r spätere Senatspräsid e n t a m Hanseatischen Oberlandesgericht i n H a m b u r g , D r . Friedrich Priess 364, j e t z t M i t i n h a b e r eines H a m b u r g e r Bankhauses, h a t w i e d e r u m als V o r s i t z e n d e r des A r b e i t s g e r i c h t s w i e d e r h o l t arbeitsrechtliche F r a g e n abgehandelt. Selbst der l a n g j ä h r i g e U r k u n d s b e a m t e des G e w e r b e - u n d des K a u f m a n n s g e r i c h t s u n d später des A r b e i t s g e r i c h t s B r e m e n , J u s t i z o b e r i n s p e k t o r Adolf Fiedler 365, seit J a h r e n i m Ruhestand, h a t z u r F e d e r gegriffen. I n der Z e i t nach 1945 s i n d außer Prof. D r . Galperin ua A r b e i t s g e r i c h t s d i r e k t o r D r . Erwin Kleen 366 u n d P r ä s i d e n t des L a n d e s arbeitsgerichts, D r . Hans Trinkhaus 3* 7, i m S c h r i f t t u m v e r t r e t e n . So e r g i b t 361 Der Vergleich im Bremer Stuhlrohrarbeiter-Strike und das einigungsamtliche Verfahren der Gewerbegerichte, SozPrax 1895/96, 169—170; Das Einigungsamt im Bremer Hafen-Strike, SozPrax 1896/97, 277—283; Einigungsämter am Gewerbegericht Bremen, GewG 1896/67, 74—77; Das Verfahren vor dem Einigungsamt, GewG 1897/98, 13—16. 382 Der Schadensbeweis beim Vertragsbruch, GewG 1899/1900, 21—24; Das Verfahren in Einigungssachen bei Streiks und Aussperrungen in Deutschland und im Auslande, GewG 1901/02, 44—46. 363 Die Verweisung an das Sondergericht und die Zivilprozeßnovelle, GewuKfmG 1909/10, 217—219; Die Ausgestaltung der Rechtsmittelinstanz, GewuKfmG 1909/10, 459—466; Vorsitzender und Beisitzer bei den Arbeitsgerichtsbehörden, ArbG 1928, 184. 364 Pension im Konkurs, N Z f A 1932, 69—75; Arbeitsvertragsrecht, Lehrverträge in der Krise, ArbG 1932, 183—186; Haftung des Konzerns für Arbeitsverträge der Tochterunternehmungen, ArbG 1932, 281—285; Pension im Konkurse, ArbG 1933, 170—173. 365 Empfiehlt sich die Einführung einer Gerichtskostenvorschlußpflicht bei den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten? GewuKfmG 1924/25, 443—445. 366 Der ältere Angestellte im Arbeitsrecht (1956), Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg, 97 Seiten, besprochen von Berger, RdA 1958, 197. 867 Handbuch der Versicherungsvermittlung, Bd I (1955), Verlag Duncker & Humblot, Berlin, 637 Seiten, besprochen ua von Dersch, RdA 1957, 114—115; J. v. Gierke, ZHR, 119, 71—72; Herschel, BAB1 1956, 564; Möller, BB 1956, 216; Schröder, ZfV 1956, 33, und zahlreiche Zeitschriften-Aufsätze, u.a.: Zur Verjährung nach neuem Recht der Handelsvertreter, BB 1955, 1062—1063; Der Einfirmenvertreter im Recht der Handelsvertreter, BB 1956, 593—594; Bremisches Arbeitnehmerkammergesetz, BB 1956, 688; Das neue Seemannsgesetz, RdA 1957, 368—376; Der Urlaub im Versicherungsgewerbe, ZfV 1957, 285—288; Der Urlaub der Versicherungsvertreter, ZfV 1957, 610—612; Arbeitsrechtliche Probleme des Handelsvertreterrechts, RdA 1958, 11—16; Die Auskunft des Arbeitgebers und ihre Grenzen, RdA 1961, 221—229, Das neue
158 1. Teil, 10. Kap.: Die Beiträge bremischer Arbeitsrichter zur Entwicklung sich, daß zahlreiche R i c h t e r d e r bremischen A r b e i t s g e r i c h t s b a r k e i t , w e n n auch i n u n t e r s c h i e d l i c h e m U m f a n g , z u r w e i t e r e n E n t w i c k l u n g des A r beitsrechts b e i g e t r a g e n haben.
Bundesurlaubsrecht — unter besonderer Berücksichtigung der Versicherungswirtschaft, ZfV 1963, 393—398; Zustellungspröbleme bei Seeleuten und Binnenschiffern, Hansa 1964, 1359—1361; Der Begriff „AngestellterAR-Blattei, Angestellter I (Ausgabe 1965); Provision, Provisionsvorschuß, Provisions^ garantie, AuR 1966, 236—240; Provisionsvereinbarungen mit Arbeitnehmern, D B 1967, 859—864.
Zweiter
Teil
Die Rechtsprechung der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit Vorbemerkungen I. Die Rechtsprechung bis 1945 1. Allgemeines Entscheidungen der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte stehen heute nur noch insoweit zur Verfügung, als sie i n den Fachzeitschriften abgedrückt sind, insbesondere i n der Zeitschrift des Gewerbegerichtsverbandes bzw. des Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsverbandes. Da von den Vorsitzenden der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte Bremerhaven, Geestemünde und Lehe nur ganz vereinzelt Urteile eingesandt wurden (die Zahl der streitigen Entscheidungen dieser Gerichte war ohnehin verhältnismäßig klein), liegt uns fast ausschließlich die Rechtsprechimg des G e w e r b e - und des K a u f m a n n s g e r i c h t s B r e m e n vor. Zahlenmäßig ist sie schon deshalb nicht besonders groß, weil mehr als die Hälfte aller Rechtssachen i n dem damals üblichen besonders beschleunigten, summarischen Verfahren durch Prozeßvergleich Erledigung fanden. Auch ist zu berücksichtigen, daß der Geltungsbereich des Gewerbegerichtsgesetzes und des Kaufmannsgerichtsgesetzes nur einen beschränkten Teil aller Arbeitsstreitigkeiten erfaßte, bis durch die vorläufige Regelung des Art. I I § 2 der Verordnung über das Schlichtungswesen vom 30.10.1923 (RGBl S 1043) m i t Wirkung vom 1.1.1924 die Arbeitsgerichtsbarkeit auf alle Arbeitsstreitigkeiten ausgedehnt wurde. Seit dieser Zeit, vor allem aber nach Inkrafttreten des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 23.12.1926 (RGBl I S 507) am 1. 7.1927, wächst die Zahl der veröffentlichten Entscheidungen namentlich des A r b e i t s g e r i c h t s B r e m e n ständig, zumal sich während des wirtschaftlichen Niederganges nach dem Ersten Weltkrieg die s o z i a l e n S p a n n u n g e n b i s z u m J a h r e 1932 i m m e r m e h r v e r s t ä r k t e n u n d auch die A r b e i t s Streitigkeiten zunehmend beeinf l u ß t e n . I n dieser Zeit, i n der Deutschland i n sozialer Hinsicht einem Pulverfaß glich, spielte das B e s c h l u ß v e r f a h r e n nach den §§ 80
160
2. Teil: Brem ARS: Vorbemerkungen
bis 90 ArbGG 1926 i n betriebsverfassungsrechtlichen Streitsachen aus dem BetrRG 1920 auch zahlenmäßig eine b e d e u t e n d e R o l l e . Alte Vorsitzende des Arbeitsgerichts berichten, daß i n dieser Zeit manche Einzel- oder Gesamtstreitigkeit „auf das politische Gleis geschoben" wurde. Nach der Machtübernahme durch das nationalsozialistische Regime am 30.1.1933 (vgl über diese Zeit Wenzel, JZ 1965, 751—757) war alsbald ein außergewöhnlicher Rückgang i m Geschäftsanfall der Arbeitsgerichte zu verzeichnen. Der weitaus größte Teil aller Streitfälle wurde jetzt durch die „Deutsche Arbeitsfront" am grünen Tisch geschlichtet oder durch die mit umfassenden Vollmachten ausgestatteten „Treuhänder der Arbeit" entschieden, denen das Gesetz zur Ordnung der Nationalen A r beit vom 20.1.1934 (RGBl I S 45) u. a. auch die Erledigung der sich aus der Betriebsverfassung ergebenden Streitigkeiten übertragen hatte. Dem hatte die Neufassung des ArbGG vom 10. 4.1934 (RGBl I S 319) ua durch S t r e i c h u n g d e r V o r s c h r i f t e n ü b e r d a s B e s c h l u ß v e r f a h r e n Rechnung getragen. Gesamtstreitigkeiten gab es nach der g e w a l t s a m e n B e s e i t i g u n g d e r Gewerks c h a f t e n und der S e l b s t a u f l ö s u n g d e r A r b e i t g e b e r v e r b ä n d e als Träger der Tarifverträge ohnehin nicht mehr; ihre Funktion war schon mit dem Gesetz vom 19. 5.1933 (RGBl I S 285) ebenfalls auf Treuhänder der Arbeit übergegangen. Die ArbeitsplatzwechselVO vom 1. 9.1939 (RGBl I S 1685) und der Lohnstop der Kriegswirtschaf ts-VO vom 4. 9.1939 (RGBl I S 1609) taten später ein übriges, so daß Amtsgerichtsdirektor Dr. Schmincke zuletzt als einziger Vorsitzender des Arbeitsgerichts Bremen nur noch „nebenamtlich m i t einem Viertel seiner richterlichen Arbeitskraft zur Verfügung" stand. Aus der Zeit von 1933 bis 1945 liegen daher nur einzelne Entscheidungen bremischer Arbeitsgerichte vor. Das bis 1945 stets nur durch einen nebenamtlichen Vorsitzenden versehene Landesarbeitsgericht war schon bis 1939 wenig hervorgetreten. Während des Zweiten Weltkrieges trat es kaum noch i n Erscheinung. 2. Gegenstände der Rechtsprechung a) Grundbegriffe des Arbeitsrechts Immer wieder hatten sich die Gerichte m i t den für die Geltung des Arbeitsrechts maßgeblichen Grundbegriffen zu befassen, wie dem des — i m Mittelpunkt des Arbeitsrechts stehenden — A r b e i t n e h m e r s (BremARS Nr 43, 45), der a r b e i t n e h m e r ä h n l i c h e n P e r s o n (Nr 40, 41), des A n g e s t e l l t e n (Nr 19, 23) zur Abgrenzung von dem des A r b e i t e r s und dem des H a n d l u n g s g e h i l f e n (Nr 215 bis 218). Jede dieser Entscheidungen ist auch heute noch gültig.
I. Die Rechtsprechung bis 1945
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b) Arbeits- und Treuepflicht des Arbeitnehmers Die A r b e i t s p f l i c h t einerseits und das D i r e k t i o n s r e c h t des Arbeitgebers andererseits waren wiederholt näher zu bestimmen, wobei nicht nur auf die Branchenüblichkeit (BremARS N r 51), sondern auch auf die Betriebsüblichkeit (Nr 161) abgestellt wurde. Zum m i t w i r kenden Verschulden des Arbeitgebers bei der M a n k o h a f t u n g des Verkaufsfahrers (Nr 379) sind ebenso wie zu den Pflichten gegenüber einem S c h m i e r g e l d a n g e b o t (Nr 287) und zum W e t t b e w e r b s v e r b o t (Nr 581, 583) für gewerbliche Angestellte und Handlungsgehilfen Entscheidungen verschiedener Gerichte zu verzeichnen. c) Vergütungspflicht des Arbeitgebers Neben Fragen des L o h n a b z u g e s durch die Betriebskrankenkasse (BremARS Nr 361) oder für übernommenes Werkzeug (Nr 362) oder für ein zu Geschäftszwecken überlassenes, aber abhanden gekommenes Fahrrad (Nr 220) wurde zu dem Problem der L o h n v e r w i r k u n g i S von § 134 GewO (Nr 374) Stellung genommen. I m Rahmen der Lohnfortzahlung bei A r b e i t s v e r h i n d e r u n g ist der Begriff der verhältnismäßig erheblichen Zeit erläutert worden (Nr 64), während ein weiteres Urteil die auch heute noch umstrittene Frage der Untersuchung durch den Vertrauensarzt berührt (Nr 246). Wieder andere Entscheidungen befassen sich m i t der Grundsatzfrage des B e t r i e b s r i s i k o s schon i m Sinne der heute herrschenden Lehre (Nr 147, 148). d) Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Pflichten aus dem Fürsorgegedanken und sonstige Pflichten des A r beitgebers waren ebenfalls mehrfach Gegenstand von Entscheidungen, insbesondere aber zum U r l a u b s r e c h t . Hier handelte es sich um die Zulässigkeit der Feststellungsklage bei der Geltendmachung des Urlaubsanspruchs (BremARS N r 525), um tarifliche Urlaubsansprüche (Nr 528), um das Verbot der Erwerbstätigkeit während des Urlaubs (Nr 506), um die Urlaubsabgeltung bei Kurzarbeit (Nr 511) und um die Frage des rechtsmißbräuchlichen Urlaubsanspruchs (Nr 527). Mehrere Entscheidungen betreffen Probleme der W e i h n a c h t s g r a t i f i k a t i o n (wie etwa Nr 195). Die Frage der Fälligkeit des Anspruchs auf ein Zwischenzeugnis (Nr 589) und der Ergänzung eines Zeugnisses (Nr 587) ist ebenso behandelt wie die Berichtigung der A r b e i t s b e s c h e i n i g u n g (Nr 47, 48). Daneben spielen S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e g e g e n d e n A r b e i t g e b e r wegen Führung schwarzer Listen (Nr 441) und wegen Arbeitsvertragsbruchs i S von § 124 b GewO (Nr 570) eine Rolle. 11
Trinkhaus
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2. Teil: BremARS: Vorbemerkungen e) Beendigung des Arbeits- und Lehrverhältnisses
Die erste veröffentlichte Entscheidung des Gewerbegerichts Bremen vom 28. 5.1894 (SozPrax 1894, I I 38) betraf die auf den inzwischen aufgehobenen § 132 GewO (jetzt §§ 21, 27 HandwO) gestützte Klage eines Schlachterlehrlings, der m i t seinem Meister keinen schriftlichen Lehrvertrag abgeschlossen hatte und von i h m ohne jeden Grund aus der Lehre entlassen worden war. Der Meister wurde verurteilt, seinen Lehrling wieder anzunehmen; der weitere Klagantrag des Lehrlings, den Meister für den Fall, daß er dem Urteil nicht Folge leiste, zu einer Geldoder Haftstrafe zu verurteilen, jedoch aus prozessualen Gründen m i t dem Anheimgeben abgewiesen, gegebenenfalls zu beantragen, daß der Meister durch Geld- oder Haftstrafen dazu angehalten werde. Auch zahlreiche andere Erkenntnisse betrafen Streitigkeiten aus der fristlosen Kündigung des L e h r v e r h ä l t n i s s e s (BremARS N r 343, 344, 346, 347, 349), die eine auch noch heute bedeutungsvolle Kasuistik bieten. Ferner wurden die Anrufung und die Zusammensetzung des I n n u n g s a u s s c h u s s e s entschieden (Nr 352, 353). I m Vordergrund standen jedoch zahllose Entscheidungen um die f r i s t l o s e Kündigung d e s A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e s (Nr 259, 260, 263, 265, 267, 271, 283, 286, 287) mit zumeist auch heute noch gültigen Grundsätzen und u m die A n f e c h t u n g d e s A r b e i t s v e r t r a g e s (Nr 12, 16). Einzelfragen betreffen das b e f r i s t e t e A r b e i t s v e r h ä l t n i s (Nr 92), die Beweislast für vom Gesetz abweichende Kündigungsfristen (Nr 328) und die Anwendbarkeit des § 124 a GewO auf Betriebsratsmitglieder und auf Schwerbeschädigte (Nr 291). f) Kollektives Arbeitsrecht I m Mittelpunkt des kollektiven Arbeitsrechts steht die Rechtsprechung zum BetrRG 1920, welche die großen sozialen Spannungen der damaligen Zeit deutlich widerspiegelt. Trotz der i n vieler Hinsicht abweichenden Rechtslage nach dem BetrVG 1952 sind doch die hier berücksichtigten Entscheidungen zur Wahl des B e t r i e b s r a t e s (Nr 121,140,146), zur Freistellung von der Arbeit (Nr 129, 130), zur Lohnfortzahlung bei Arbeitsversäumnis (Nr 134, 135), zu den Kosten der Geschäftsführung (Nr 123), zu den sonstigen Rechten und Pflichten des Betriebsrates (Nr 128), zur Verhinderung an der Amtsausübung (Nr 136, 137) sowie zum Ausschluß wegen grober Pflichtverletzung (Nr 127, 141,142) und zur Versetzung von Betriebsratsmitgliedern (Nr 139) bei Beachtung der gegebenen Hinweise auch heute noch von Wert. Daneben sind zu Fragen des T a r i f v e r t r a g s r e c h t s , wie zur Nachwirkung (Nr 490) und zur Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages (Nr 482—484) nur wenige Entscheidungen zu verzeichnen. Auch soweit einige dieser Entscheidungen von der heute herrschenden Auffassung abweichen, sind sie doch sozial-
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politisch und sozialhistorisch von Interesse. Das gilt besonders von dem an sich bedeutsamen Urteil des Gewerbegerichts Bremen vom 20. 5.1926 — HansGZ ArbR 1927, 11 = ArbR 1927, 751 — über die W i r k u n g e n v o n S t r e i k u n d A u s s p e r r u n g (Zivilrechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei damals üblicher Arbeitskampfkündigung, aber wirtschaftlicher Schwebezustand), die nach der grundsätzlichen Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 28.1.1955 — GS 1/54 — B A G 1, 291 = A P N r 1 zu A r t 9 GG Arbeitskampf — wesentlich anders aufzufassen sind (Unzulässigkeit außerordentlicher fristloser Einzelentlassungen durch den Arbeitgeber wegen Vertragsverletzung bei legitimem Streik, Zulässigkeit der fristlosen Lösung der Arbeitsverhältnisse der streikenden Arbeitnehmer i m Wege der kollektiven Abwehraussperrung). Andere Entscheidungen wie die des Gewerbegerichts Bremen vom 8. 7.1926 und des Landgerichts Bremen vom 26. 2.1927 — HansGZ ArbR 1927, 62 = ArbR 1927, 867 — über die gesamtschuldnerische Schadenshaftung von Arbeitnehmern, die unter Bruch des Arbeitsvertrages an der Maifeier teilnehmen, sind durch die jahrzehntelang umkämpfte sozialpolitische Entwicklung überholt, die m i t der Erklärung des 1. M a i zum gesetzlichen Feiertag ihren Abschluß gefunden hat.
I I . Die Rechtsprechung von 1946 bis 1965 1. Allgemeines a) Da das nationalsozialistische Regime auf dem Gebiet des Arbeitsrechts die i n der Weimarer Republik erzielten wesentlichen Fortschritte vernichtet und die soziale Selbstverwaltung durch Führerprinzip und staatliche Zwangsreglementierung ersetzt hatte, mußten i m Arbeitsrecht — i m Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten wie dem bürgerlichen Recht — völlig neue Grundlagen geschaffen werden. Das Ziel des Neuaufbaues war i n Anknüpfung an das bis 1933 geltende Recht die W i e d e r h e r Stellung eines d e m o k r a t i s c h e n , von den G r u n d s ä t zen sozialer G e r e c h t i g k e i t u n d sozialer S e l b s t b e stimmung getragenen modernen Arbeitsrechts u n t e r E i n s c h l u ß d e r A r b e i t s g e r i c h t s b a r k e i t (HueckNipperdey, Bd I S 22—25; Nikisch, Bd I S 27—29). Insbesondere drängten die bald wieder ins Leben gerufenen Gewerkschaften und Verbände der Arbeitgeber nach angemessener Beteiligung, die ihnen zunächst rein tatsächlich und dann auch durch die Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21.10.1947 (BremGBl S 251) (Art 46—51) i n Gestalt der K o a l i t i o n s f r e i h e i t und der T a r i f h o h e i t zuerkannt wurde. Damit und namentlich auch m i t dem BremBetrRG vom 10.1.1949 (BremGBl S 7), das dann durch das BetrVG vom 11.10.1952 li*
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2. Teil: Brem A S : Vorbemerkungen
(BGBl I S 681), durch das PersVG des Bundes vom 5. 8.1955 (BGBl I S 477) und das BremPersVG vom 3.12.1957 (BremGBl S 161) abgelöst wurde, war das kollektive Arbeitsrecht wiederhergestellt. I m Interesse der Neuordnung des Arbeitslebens selbst, namentlich zur Sicherung der Arbeit i n den lebenswichtigen Betrieben, mußten, als „das Leben und die Existenz der Gemeinschaft durch das Fehlen der elementarsten Bedürfnisse einer Stadt in Gefahr waren (so die ErmächtigungsVerfügung des Chefs der Militär-Regierung, Colonel Welker, vom 22. 6. 1945 — SRB S. 1. a. Nr 364), die b i s h e r i g e n Zwangsvors c h r i f t e n , vor allem die Arbeitsplatzwechsel-Verordnung vom 1. 9. 1939, einstweilen beibehalten werden. Der Kontrollratsbefehl N r 3 der Militär-Regierung gab dazu die erforderliche Ermächtigung (Brennert, ARSt I S 70—132; Galperin, ARSt I S 137—164). Nachdem vorübergehend die Verordnung vom 15. 6.1945 (BremGBl S 17) f ü r a l l e A r b e i t s verhältnisse ein außerordentliches Kündigungsr e c h t z u m 30. 6.1945 festgelegt hatte, trat am 26. 9.1945 das M i l i tärregierungsgesetz Nr 8 mit dem v o r l ä u f i g e n Beschäftig u n g s v e r b o t f ü r e h e m a l i g e N a t i o n a l s o z i a l i s t e n in Kraft (Brennert, ARSt I S 71), das i n der Folgezeit auch i n Bremen zu zahlreichen Entlassungen führte. Eine weitere Verordnung des Senats vom 8.12.1945 (BremGBl S 16) regelte dann die Heranziehung zu lebenswichtigen Arbeiten i m Zuge einer A r b e i t s v e r p f l i c h t u n g . Landesgesetzliche Regelungen des Arbeitsverhältnisrechts schlossen sich m i t dem U r l a u b s g e s e t z der Freien Hansestadt Bremen (BremUrlG) vom 4. 5.1948 (BremGBl S 67), geändert durch Gesetz vom 25. 4. 1949 (BremGBl S 71) nebst Durchführungsbestimmung vom 19. 7.1949 (BremGBl S 153) und mit dem G e s e t z ü b e r d e n H a u s a r b e i t s t a g (BremHATG) vom 29. 6.1948 (BremGBl S 95) nebst Durchführungsbestimmungen vom 8.10.1948 (BremGBl S 188), da sie die Verabschiedung der Landesverfassung voraussetzten, erst verhältnismäßig spät an. b) Die als besondere Gerichtsbarkeit für Arbeitssachen Anfang August 1946 wiedergeschaffene bremische Arbeitsgerichtsbarkeit stand unter diesen Umständen vor einer umfassenden Aufgabe. Unter unzulänglichen äußeren Arbeitsbedingungen sahen sich die Arbeitsgerichte Bremen und Bremerhaven sowie das Landesarbeitsgericht Bremen, bis zur Errichtung des Bundesarbeitsgerichts durch das ArbGG 1953 zweite und zugleich letzte Instanz, vor eine Fülle von schwierigen und verantwortungsvollen Entscheidungen aus dem gesamten individuellen und kollektiven A r beitsrecht gestellt, die, wie etwa die zum E i n f l u ß d e r K r i e g s folgen auf bestehende A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e oder auf b e t r i e b l i c h e R u h e g e h ä l t e r oder aber zur Entl a s s u n g e h e m a l i g e r N a t i o n a l s o z i a l i s t e n oder schließlich — bis zum Inkrafttreten des KSchG vom 10. 8.1951 (BGBl I S 499) —
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zum K ü n d i g u n g s s c h u t z n a c h d e n §§ 1 3 8 , 2 4 2 B G B , neue, fruchtbare Gedanken und Überlegungen erforderten. Auch damals ergab sich also die der Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbehörden von jeher i n besonderem Maße gestellte Aufgabe, neue Rechtsprobleme i m schnellen Wechsel der Verhältnisse des Arbeitslebens einer ersten rechtlichen Klärung zuzuführen und dabei häufig rechtsschöpferische Arbeit zu leisten (Nipperdey). Mangels einer die Rechtseinheit herstellenden Revisionsinstanz war es deshalb, bevor das Bundesarbeitsgericht seine höchstrichterliche Tätigkeit i m Jahre 1954 aufnahm, unumgänglich notwendig, die bedeutsamen Entscheidungen der deutschen Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte zu veröffentlichen. Dies ist i m großen Umfang insbesondere i n der Zeitschrift „Recht der Arbeit" und in der von den Präsidenten und Vorsitzenden der Landesarbeitsgerichte mit herausgegebenen — gebundenen — Entscheidungssammlung „Arbeitsrechtliche Praxis" (AP) größtenteils mit erläuternden Anmerkungen erster Sachkenner geschehen. Namentlich in dieser Sammlung, die Mitte 1954 durch die Loseblattausgabe „Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgericht;s" (AP) fortgesetzt wurde, sind besonders zahlreiche Entscheidungen i n erster Linie des Landesarbeitsgerichts, aber auch der Arbeitsgerichte Bremen und Bremerhaven größtenteils mit Tatbestand und Entscheidungsgründen abgedruckt. Auch nach der Errichtung des Bundesarbeitsgerichts sind viele, insbesondere rechtskräftige Entscheidungen der bremischen Arbeitsgerichtsbarkeit i n A P und i n den Fachzeitschriften veröffentlicht worden, so daß, obwohl die Arbeitsgerichtsbarkeit der Freien Hansestadt Bremen der Zahl ihrer Berufsrichter nach zu den kleinsten Gerichtszweigen für Arbeitssachen gehört, für die Bremische Arbeitsrechtssammlung eine verhältnismäßig große Zahl von abgedruckten Entscheidungen und Leitsätzen zur Verfügung steht. 2. Gegenstände der Rechtsprechung a) Rechtsquellen und Grundbegriffe des Arbeitsrechts Auch wenn nach 1945 die Rechtsetzung erst langsam wieder begann, hatte sich die Arbeitsgerichtsbarkeit schon bald mit der für das Arbeitsrecht typischen Fülle der R e c h t s q u e l l e n zu befassen. I m Zusammenhang m i t der Anwendung und Auslegung von Gesetzen hat das L A G seine Aufgabe darin gesehen, die Gesetze selbst bei kritikwürdigen Auswirkungen so anzuwenden, wie sie beschlossen und verkündet sind, dabei aber auch unter Abweichung vom fehlerhaften Wortlaut ihren Sinn aus dem Zusammenhang der organischen Ordnung des gesamten Rechtssystems zu begreifen (BremARS Nr 172, 567). So manches Mal hat sich das Gericht nicht gescheut, deutlich auszusprechen, daß die geltenden gesetzlichen Bestimmungen, zB des BremUrlG (Nr 540) „in zahlreichen
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2. Teil: BremARS: Vorbemerkungen
Fällen zu außerordentlich unbefriedigenden und den Notwendigkeiten der Wirtschaft und des Arbeitslebens keineswegs entsprechenden Ergebnissen führen" müßten. Der ständige Kontakt Bremens mit anderen Bundesländern, vor allem m i t Niedersachsen, durch Personen (Reisende, Monteure) und Betriebe (Baubetriebe) ergab schon früh das Problem des i n t e r l o k a l e n A r b e i t s r e c h t s . Das L A G hat als Anknüpfungspunkt für die Rechtsanwendung den wirtschaftlich-technischen Mittelpunkt des Betriebes angesehen (Nr 234). Die sich auf der Grundlage des § 9 des Tarifvertragsgesetzes vollziehende A b l ö s u n g d e r a u t o r i t ä r e n Tarifordnungen d u r c h a u t o n o m e T a r i f v e r t r ä g e soll möglichst total verlaufen, es sei denn, daß ein anderer Wille der Tarifvertragsparteien erkennbar w i r d (Nr 481). Nachdem das L A G zunächst vielfach noch das Schwergewicht auf den Arbeitsvertrag als den vorherrschenden Ansatzpunkt für arbeitsrechtliche Lösungen gelegt hatte (Nr 252), ist es schon wenig später darangegangen, die kollektiven Merkmale des Arbeitsrechts herauszustellen und Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis vor allem auch als Teile der betrieblichen Gesamtordnung zu sehen (Nr 156, 196). Diese Wandlung der Arbeitsverfassung des Betriebes zu einem sozialen Arbeitsgefüge führte dazu, daß das einzelne Arbeitsverhältnis durch eine zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber abgeschlossene B e t r i e b s v e r e i n b a r u n g m i t normativer K r a f t erfaßt w i r d (Nr 156). Später (Nr 116, 196) hat das L A G die betriebliche Übung als unmittelbar geltendes normatives Recht und damit als selbständige Rechtsquelle angesehen. Geht man davon aus, daß die B e t r i e b s ü b u n g einen Tatbestand innerhalb eines geschlossenen Rechtskreises darstellt und die Lebenswirklichkeit einer Gemeinschaft ausdrückt, dann beherrscht sie als Bestandteil der objektiven Rechtsordnung des Betriebes ebenso wie die Betriebsvereinbarung sämtliche Arbeitsverhältnisse innerhalb des Betriebes nach Gesetzesart. Später hat das L A G mehr auf das E i n v e r s t ä n d n i s d e s A r b e i t g e b e r s m i t der R e c h t s b i l d u n g abgestellt (Nr 435) und sich damit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts über die Geltung der Betriebsübung als Inhalt des Arbeitsverhältnisses angenähert, dabei jedoch darauf hingewiesen, daß eine endgültige dogmatische Klärung noch nicht erfolgt sei. Auch i m Arbeitsleben ist die Geltung von G e w o h n h e i t s r e c h t möglich, sofern neben der längeren Handhabung eine allgemeine Rechtsüberzeugung festzustellen ist (Nr 172, 481). Die A r b e i t n e h m e r e i g e n s c h a f t einer Person hat das L A G vor allem durch Abgrenzung gegenüber anderen Rechtstypen festgestellt. I m Gegensatz zu Gesellschaftern und den gemäß den §§ 1356, 1617 BGB
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oder aufgrund anderer Bindungen mitarbeitenden Angehörigen leistet der Arbeitnehmer i n persönlicher Abhängigkeit Dienste nach Weisung gegen Entgelt (Nr 52, 63). Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers i m Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt i n der Regel, wenn auch nicht immer (sog faktisches Arbeitsverhältnis: N r 28) auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages, der damit das entscheidende individuelle Gestaltungsmittel des Arbeitsrechts bleibt. Zur Begründung der Arbeitnehmereigenschaft genügt eine T e i l b e s c h ä f t i g u n g , sofern sie regelmäßig ausgeübt wird, wie etwa die Tätigkeit eines Musikers an den Wochenenden (Nr 495) und die Arbeit einer landwirtschaftlichen Hilfskraft für einige Stunden i n der Woche (Nr 479). Die Einteilung der Arbeitnehmer i n Arbeiter und Angestellte ist i n erster Linie nach der Verkehrsanschauung und den Tätigkeitsmerkmalen vorzunehmen, wobei ein größeres Maß von geistiger Regsamkeit, Vielseitigkeit, Selbständigkeit und vor allem Verantwortung gegenüber dem Betrieb für die A n g e s t e l l t e n e i g e n s c h a f t spricht (Nr 21, 22). Für die Bildung der Verkehrsanschauung hat das Angestelltenversicherungsgesetz vom 20.12.1911 und das Berufsgruppenverzeichnis vom 8. 3. 1924 eine Rolle gespielt. L e h r v e r h ä l t n i s s e und ähnliche Ausbildungsverhältnisse sind Arbeitsverhältnisse besonderer Art, deren Charakter i n erster Linie durch die Ausbildung bestimmt w i r d (Nr 28, 342). Ein solches Ausbildungsverhältnis besteht auch zwischen den Mutterhäusern der Schwesternschaft vom Roten Kreuz und den Lernschwestern (Nr 594). Ein A n l e r n v e r h ä l t n i s setzt wie ein Lehrverhältnis ein bestimmtes Berufsbild voraus (Nr 28). Die Beschäftigung eines Volontärs gegen eine Belohnung oder Aufwandsentschädigung stellt ebenfalls ein Ausbildungsverhältnis dar (Nr 574). Die a r b e i t n e h m e r ä h n l i c h e P e r s o n muß bei persönlicher Selbständigkeit wirtschaftlich unselbständig i n dem Maße sein, das i m allgemeinen bei einem abhängigen Arbeitsverhältnis zu bestehen pflegt (Nr 211, 593). Arbeitsverhältnisse unter Einschaltung eines Mittelsmannes (Nr 387) können besonders bei Musikern bestehen (Nr 198, 478). Ein Barometer des Arbeits- und W i r t schaftslebens war i n der Hafenstadt Bremen stets die H a f e n a r b e i t . Schon vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Gesamthafenbetrieb vom 3. 8.1950 (BGBl I S 352) wurde die Verordnung für die stadtbremischen Häfen vom 11. 3.1947 (BremGBl S 45) erlassen. Das L A G verdeutlichte die Stellung des Gesamthafenarbeiters zum Gesamthafenbetrieb und hielt einen Anspruch auf Betriebszügehörigkeit auch hier für gerechtfertigt (Nr 185). Ein weiteres Urteil (Nr 199) zur Arbeitseinteilung und Wiederbestellung von Hafenarbeitern begegnet besonderem Interesse. Die weitgehende Anwendung des deutschen Arbeitsrechts auf die bei den ausländischen Streitkräften beschäftigten deutschen Arbeitnehmer nach Abschluß des T r u p p e n v e r t r a g e s von 1955 (Nr 329, 450) bedeutete einen politischen und arbeitsrechtlichen Fortschritt.
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2. Teil: Brem ARS: Vorbemerkungen
Den B e t r i e b im arbeitsrechtlichen Sinn hat das L A G als eine auf räumlichem Zusammenhang beruhende Einheit sachlicher und anderer Mittel zur fortgesetzten Verfolgung eines oder mehrerer Zwecke innerhalb einer Schaffensgemeinschaft definiert (Nr 113, 114). Unter Betonung seiner technischen Eigenständigkeit gegenüber dem Unternehmen ist der Betrieb als eine geschlossene personenrechtliche Gemeinschaft aufzufassen (etwa Nr 149), die durch Vereinbarung oder Übung autonomes Recht setzen kann. Eine vom übrigen Betrieb des Unternehmens getrennte Betriebsstätte kann auch bei einer stark eingeschränkten und teilweise von einer Zentralverwaltung abhängigen Betriebsorganisation als selbständiger Betrieb angesehen werden, wenn die Betriebsstätte innerhalb des Aufgabenkreises des gesamten Unternehmens einen eigenen, selbständigen und deutlich abgegrenzten Betriebszweck hat (Nr 114) wie etwa eine Betriebskrankenkasse (Nr 117). b) Arbeits- und Treuepflicht des Arbeitnehmers Die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung ist i m Rahmen des Arbeitsvertrages durch Anordnungen des Arbeitgebers näher zu bestimmen (Nr 160). G r e n z e n d e s D i r e k t i o n s r e c h t s ergeben sich aus der Natur der Sache, der Betriebszugehörigkeit, der Einzelvereinbarung und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Nr 138, 159, 160, 565, 566). Darüber hinaus kann die Arbeitspflicht nur bei betrieblichen Notständen oder bei ausdrücklicher Zustimmung des Arbeitnehmers erweitert werden (Nr 160). Zur Konkretisierung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers hat das L A G anfangs ein weitgehendes Weisungsrecht des Arbeitgebers bejaht (Nr 381), aber auch stets zum Ausdruck gebracht, daß diese Berechtigung nicht die V e r s e t z u n g d e s A r b e i t n e h m e r s auf einen anderen Arbeitsplatz gegen den Willen des Arbeitnehmers zu schlechteren Bedingungen beinhaltet (Nr 138, 565). Eine Verpflichtung zur Leistung von M e h r a r b e i t ergibt sich noch nicht aus ihrer Zulässigkeit gemäß den öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitbedingungen, insbesondere der Arbeitszeitordnung, sondern erst aus dem Arbeitsvertrag bzw dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unter Berücksichtigung seiner Fürsorgepflicht (Nr 381). Der Umfang der bezahlt verlangten Mehrarbeit ist vom Arbeitnehmer zu beweisen, doch können ihm die Grundsätze vom Beweis des ersten Anscheins zu Hilfe kommen (Nr 384). Fälle der A r b e i t s v e r w e i g e r u n g sind vom Gericht stets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände, vor allem i m Hinblick auf ein Zurückbehaltungsrecht behandelt worden (Nr 31, 138, 363). Daß Verträge frei geschlossen werden können, aber auch einzuhalten sind, die Notwendigkeit ihrer Einhaltung durch richterlichen Hoheitsspruch i n Form einer einstweiligen Verfügung vor Augen gehalten werden kann (Nr 69, 70) und ihr Bruch zur Schadensersatzpflicht führt (Nr 71), galt in Not-
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zeiten wie heute. Grundsätzliches zur Frage der H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g des Arbeitnehmers b e i s c h a d e n s g e n e i g t e r T ä t i g k e i t wurde schon früh gesagt und durch die Zeit bestätigt (Nr 201—207). I n einer Hansestadt wie Bremen kommt dabei auch der M a n k o h a f t u n g eine erhebliche Bedeutung zu. Das L A G hat i n ausführlicher Würdigung der beiderseitigen Interessen, des Handelsbrauches und der Verkehrsanschauung die Verantwortlichkeit des Filialleiters, Lagerverwalters und Verkaufsfahrers für die von ihnen verwalteten Bestände einerseits und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung einer reibungslosen Arbeitsorganisation andererseits herausgestellt (Nr 376—378). Ein Recht zur Minderung oder Zurückhaltung des Arbeitsentgelts besteht auch bei schuldhafter S c h l e c h t l e i s t u n g nicht (Nr 17, 446). Bei einer aus Partnern bestehenden Betriebsgemeinschaft, aber auch i m Rahmen des individuellen Arbeitsverhältnisses ist ohne eine weitgehende T r e u e p f l i c h t des Arbeitnehmers eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht möglich. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich verpflichtet, sich nach besten Kräften für das Wohl der Betriebsgemeinschaft einzusetzen und Schäden von ihr abzuwenden. Er unterliegt demzufolge bestimmten M i t t e i l u n g s - u n d S c h w e i g e p f l i c h t e n (Nr 298). Wenn auch ein zum Ausscheiden aus dem Betrieb entschlossener Arbeitnehmer seine A b k e h r a b s i c h t i n gewissem Umfang betätigen darf, so ist es ihm doch verwehrt, einen solchen Abkehrwillen bei anderen Arbeitnehmern hervorzurufen und zu unterstützen (Nr 278, 318). Die Verletzung der Treuepflicht kann sich insbesondere auf R u h e g e l d k ü r z u n g e n (Nr 278, 437) auswirken. c) Vergütungspflicht des Arbeitgebers Ein weiterer Schwerpunkt der Rechtsprechung lag bei der g e r e c h t e n E n t l o h n u n g . Die Brem-Landesverfassung vom 21.10.1947 bildete hier mit dem Recht auf Arbeit (Art 49), auf den Achtstundentag und die Bezahlung der gesetzlichen Feiertage (Art 55) sowie dem Recht der Frauen und Jugendlichen auf gleichen Lohn (Art 53) vielfach die Grundlage. Die Vereinbarung eines H u n g e r l o h n e s mußte wiederholt für unwirksam erklärt werden (Nr 367, 459). Der typische Fall einer vergütungspflichtigen T e i l b e s c h ä f t i g u n g unmittelbar nach dem letzten Kriege war die Tätigkeit einer Flüchtlingsfrau auf einem Bauernhof gegen Sachbezüge (Nr 479). Dabei wandte sich das L A G m i t Recht gegen die Ausnützung der Flüchtlinge. Vor allem i n den Jahren nach 1945 traten, zB wegen Ausfällen i n der Energieversorgung oder wegen Anordnungen der Militär-Regierung, häufig B e t r i e b s s t ö r u n g e n auf, die die Frage nach dem Schicksal des Lohnanspruchs aufwarfen. Das L A G hat dazu mit ausführlicher dogmatischer Begründung (vgl Galperin, DRZ 1948, 193—197, und RdA 1949, 8—12) dargelegt, daß der Arbeit-
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2. Teil: Brem ARS: Vorbemerkungen
geber als Unternehmer i n guten und schlechten Zeiten das B e t r i e b s r i s i k o trägt. Eine Verteilung der Betriebsgefahr und demzufolge eine Minderung des Lohnanspruchs ist ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt, wenn wegen der Größe des Schadens die Fortführung des Betriebes ausgeschlossen oder erheblich gefährdet w i r d (Nr 149). Ist dagegen der Betrieb schon völlig zusammengebrochen, so liegt eine konkursähnliche Situation vor, die eine Kürzung des Lohnes verbietet. Für den Monat Juni 1948 hat das Gericht wegen der Währungsreform eine Lohnminderung aus übergesetzlichem Notstand bejaht (Nr 366). Der zentrale Gesichtspunkt für die Entwicklung des Grundsatzes vom Betriebsrisiko ist die s o z i a l e B e t r i e b s g e m e i n s c h a f t , so daß diese Rechtsregeln beispielsweise nicht auf Engagementsverträge m i t Artisten anzuwenden sind, bei denen lediglich eine kurzfristige und lose Beziehung der Vertragspartner besteht, die ausschließlich den Bestimmungen des BGB zu unterstellen ist (RdA 1948, 192 i n Hinweis zu Nr 150). Der dem Arbeitgeber zur Entkräftung des A n n a h m e v e r z u g s gemäß § 615 BGB obliegende Beweis der böswilligen Unterlassung der Erlangung anderweitiger Dienste durch den Arbeitnehmer gilt m i t dem Hinweis auf die allgemeine Arbeitsmarktlage auch heute noch nicht als geführt, da die Frage der Arbeitsmöglichkeiten für einen bestimmten Arbeitnehmer nur individuell beantwortet werden kann und insbesondere vom Berufsbild, dem Alter, dem Gesundheitszustand und der Entfernung zum Wohnort des Arbeitnehmers abhängt (Nr 29, 30). Mangelnde Arbeitsbereitschaft des Arbeitnehmers schließt den Annahmeverzug jedoch aus (Nr 31). Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze über die S c h a d e n s h a f t u n g der Körperschaften des öffentlichen Dienstes für ein Verschulden ihrer Vertreter und Beauftragten bei E i n s t e l l u n g s v e r h a n d l u n g e n hat das L A G auch auf die Fälle angewendet, i n denen der Arbeitnehmer zwar nicht aus Erklärungen, wohl aber aus der ungebührlich langen Verzögerung der Entscheidung über die Bewerbung den Schluß ziehen muß, daß er bald eingestellt werde. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht entfällt jedoch, wenn der Arbeitnehmer auf bestimmte Verzögerungsumstände (Wechsel des Dienststellenleiters, Einholung eines ärztlichen Fachgutachtens und dergl) hingewiesen wurde (Nr 170). V o r s t e l l u n g s k o s t e n sind bei Aufforderung zur Vorstellung durch den Arbeitgeber grundsätzlich zu ersetzen (Nr 576). M i t zunehmenden Arbeitsmöglichkeiten taucht die Frage der Bezahlung von M e h r a r b e i t gemäß der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung auf (Nr 106). Auch die Bezahlung der W o c h e n f e i e r t a g e ist verschiedentlich Gegenstand der Rechtsprechung gewesen (Nr 174—177). Das Problem der w i e d e r h o l t e n E r k r a n k u n g stand neben anderen Fragen (so N r 53) insbesondere bei der Zahlung des A r b e i t g e b e r z u s c h u s s e s zum Krankengeld (Nr 53, 244) zur Entscheidung. I n den für Bremen ebenfalls bedeutsamen Handelsbereich gehören Entschei-
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düngen über P r o v i s i o n s f r a g e n (Nr 415, 416). Zur G r a t i f i k a t i o n wurden ua die Möglichkeit der Verhinderung von Rechtsansprüchen durch Vorbehalt der Freiwilligkeit (Nr 190, 193, 194), die Notwendigkeit der G l e i c h b e h a n d l u n g aller Arbeitnehmer nach sachlichen Gesichtspunkten (Nr 189—191, 193), die Zulässigkeit des Ausschlusses ausgeschiedener oder demnächst ausscheidender Arbeitnehmer von freiwilligen Gratifikationen (Nr 190, 192, 193) und die Möglichkeit der Berücksichtigung individueller Umstände, insbesondere des Verhaltens des Arbeitnehmers i m Betrieb (Nr 189), und die Voraussetzung für den W i d e r r u f einer vorbehaltlos übernommenen Verpflichtung (Nr 196) herausgestellt. Bei den V e r s o r g u n g s a n s p r ü c h e n war besonders aktuell ihre Beurteilung bei B e t r i e b s n a c h f o l g e ( N r 434). Entscheidungen des LAG, welche die Anpassung von Ruhegehältern an das gestiegene Lohnniveau einerseits und die Anrechnung von durch die Rentenreform erhöhten Sozialversicherungsrenten zum Gegenstand haben, gelangten sämtlich i n die Revisionsinstanz. Die für die Pfändbarkeit wichtige Frage, ob eine vorweggeleistete Zahlung L o h n v o r s c h u ß oder D a r l e h e n ist, hat das L A G eingehend untersucht (Nr 375) I n der Annahme der V e r w i r k u n g von Lohnansprüchen ist das Gericht jedenfalls i n den ersten Nachkriegs jähren vorsichtig gewesen, da die Geltendmachung während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses häufig eine Kündigung auslöste (Nr 366, 387, 477, 572). d) Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Mehrfach hat das L A G hervorgehoben, daß sich aus der Eingliederung des Arbeitsverhältnisses i n das kollektive Spannungsfeld der betrieblichen Ordnung für alle Arbeitnehmer der Anspruch ergibt, unter gleichen Bedingungen ebenso behandelt zu werden wie die übrigen Mitglieder der Betriebsgemeinschaft. Sonderregelungen sind nur dann zulässig, wenn sie auf sachlichen Erwägungen beruhen und keine Verletzung der Rechtsordnung oder der guten Sitten darstellen (Nr 187, 189—191). Als Ausfluß der Fürsorgepflicht wurde die Vertragspflicht des Arbeitgebers bejaht, dafür Sorge zu tragen, daß dem Arbeitnehmer durch Anmeldung und Abführung der Beiträge die Vergünstigungen der S o z i a l v e r s i c h e r u n g zugute kommen (Nr 231). Gleichfalls erstreckt sich die Fürsorgepflicht auf die ordnungsgemäße Verwahrung des zum Arbeitsplatz mitgebrachten oder auf einer Betriebsfahrt mitgeführten E i g e n t u m s d e s A r b e i t n e h m e r s (Nr 180,181). Besonders m i t dem U r l a u b s r e c h t war das L A G sehr häufig beschäftigt. Dabei hat das zur Gesetzestreue verpflichtete Gericht i n mancher der zahlreichen Entscheidungen zum alten BremUrlG (siehe den Hinweis zu N r 540) zum Ausdruck gebracht, daß das Ergebnis der gesetzlichen Bestimmungen i n zahlreichen Fällen zu außerordentlich unbefriedigenden und den Notwendigkeiten
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2. Teil: Brem ARS: Vorbemerkungen
der Wirtschaft und des Arbeitslebens keineswegs entsprechenden Ergebnissen führen müsse. Auch nach Erlaß des Bundesurlaubsgesetzes vom 8. 1. 1963 (BGBl I S 2) (BUrlG) haben viele dieser Entscheidungen ihre Bedeutung behalten, so über Urlaubsansprüche bei Teil- und Doppelbeschäftigung (Nr 524, 534), über Freizeitgewährung und Urlaubsabgeltung bei Arbeitsplatzwechsel (Nr 521, 524), über die Festlegung des Urlaubszeitraumes (Nr 177, 503, 555), über Rechtsmißbrauch (Nr 529—533, 540, 541), über die grundsätzliche Unpfändbarkeit der Urlaubsvergütung (Nr 549) und über die Pfändbarkeit i m Verhältnis zu gesetzlichen Unterhaltsansprüchen (Nr 548). Zum BUrlG wurden ua die Fragen der vollen oder anteiligen Urlaubsgewährung beim Ausscheiden zum 30. Juni (Nr 526), der Anrechnung von Schonzeiten auf den Urlaub (Nr 501) und der Konkurrenz von Gesetz und Tarifvertrag (Nr 553) behandelt. I m H a u s a r b e i t s t a g s r e c h t interessierte vor allem die Vereinbarkeit des BremHATG mit dem Gleichheitssatz (Art 3 GG) (Nr 229), das Merkmal des eigenen Hausstands (Nr 223), die Abgeltung bei Nichtgewährung (Nr 221) und die anderweitige Verteilung der Arbeitszeit bei Ganztags(Nr 228) und bei Halbtagsbeschäftigung (Nr 225). e) Beendigung des Arbeitsverhältnisses H e i m k e h r e r aus Krieg und Gefangenschaft begehrten die Fortsetzung ihres ruhenden Arbeitsverhältnisses (Nr 232, 586). Die gerade in der Nachkriegszeit häufig auftretende Frage der B e t r i e b s n a c h f o l g e hat das L A G m i t grundlegenden Ausführungen nach dem gemeinschafts- und organisationsbezogenen Betriebsbegriff behandelt, dabei aber die individualrechtliche Billigung durch die Beteiligten für erforderlich gehalten (Nr 118—120, 256, 434). Eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der S t i l l e g u n g von Betrieben durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse hat das L A G abgelehnt (Nr 60). Das Problem der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch A u f h e b u n g s v e r t r a g spielte besonders i m Zusammenhang mit dem M u t terschutz (Nr 388) und dem unbefugten Fernbleiben des Arbeitnehmers vom Arbeitsplatz (Nr 91) eine Rolle. Dieser Beendigungsgrund wurde auch anhand des Lehrverhältnisses (Nr 342) und bei Einstellung eines Arbeitnehmers zur Erledigung bestimmter Arbeiten (Fertigstellung eines Küstenmotorschiffes: N r 93) untersucht. Die i n der Praxis, besonders bei Angestellten, häufigen P r o b e z e i t v e r e i n b a r u n g e n m i t und ohne Befristung wie auch der Abschluß von Kettenarbeitsverträgen waren Gegenstand zahlreicher Entscheidungen (Nr 95,96,100—102,411—414). M i t der Frage der A n f e c h t u n g d e s A r b e i t s v e r t r a g e s wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung, besonders bei Vorstrafen und bei Schwangerschaft, hat sich das L A G mehrfach befaßt (Nr 11, 13—15). Die Einhaltung von F o r m v o r s c h r i f t e n stand verschiedentlich zur Ent-
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Scheidung (wie etwa Nr 253), i n der ersten Nachkriegszeit vor allem i m Hinblick auf das Erfordernis der Zustimmung des Arbeitsamtes zur K ü n digung gemäß der Arbeitsplatzwechsel-Verordnung und dem Kontrollrats-Befehl Nr 3 (Nr 277; ferner RdA 1949, 77 und A P 50 Nr 9). Vor allem aber mußte sich das L A G m i t den fristlosen Kündigungen und Suspendierungen von Arbeitsverhältnissen früherer N a t i o n a l s o z i a l i s t e n auf Grund einer individuellen oder generellen (Militär-Regierungs-Gesetz Nr 8) Anordnung der Militär-Regierung befassen (Nr 276, 312; ferner ARSt X I I I , 288, 420—422). Die entlassenen oder suspendierten Personen erhoben später, meistens nach ihrer Entnazifizierung, den A n spruch auf Wiedereinstellung und beriefen sich dabei vor allem auf das Gesetz zu A r t 131 GG (Nr 586, 592). Obwohl das Recht zur a u ß e r o r d e n t l i c h e n K ü n d i g u n g gemäß § 626 BGB, § 133 c GewO, § 70 HGB fortlaufend bestand, waren die als wichtige Gründe heranzuziehenden Umstände häufig zeitbedingt, wie die schon eingangs geschilderten Lösungsmöglichkeiten zeigten. Der Kartoffeldiebstahl eines Eisenbahnbediensteten aus Not i m Herbst 1947 war damals anders zu beurteilen als heute, und das L A G hat i n diesem Fall seine wegweisende Ansicht begründet, daß es keine absoluten K ü n d i gungsgründe gibt, sondern eine umfassende Interessenabwägung unter Heranziehung aller maßgeblichen Einzelumstände erforderlich ist (Nr 273). Das wurde besonders wichtig für Kündigungen auf Grund von Krankheiten (Nr. 257, 258, 281), Verdächtigungen und Denunziationen (Nr 295, 319), liederlichem Lebenswandel (Nr 285), Vertragsbrüchen (Nr 307, 309), beharrlicher Arbeitsverweigerung (Nr 264, 266) und Verletzung der Treuepflicht (Nr 278). Gegen o r d e n t l i c h e Kündigungen gab das L A G bis 1951 in Ausnahmefällen einen aus den §§ 138, 242 BGB abgeleiteten Kündigungsschutz (Nr 255). Nach Inkrafttreten des KSchG hatte sich das Gericht häufig mit den Fragen der betriebs-, personen- und verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung und von Nebenproblemen zu befassen (Nr 5, 329, 330). Entsprechend der Bedeutung der Betriebsgemeinschaft ist dabei insbesondere eine Störung dieser Ordnimg durch den Arbeitnehmer kaum ertragbar, so daß beispielsweise der Verkauf von Waren und Zeitungen i m Betriebe entgegen einem Verbot durch Betriebsvereinbarung einen zur Kündigung berechtigenden Grund i m Verhalten darstellt (Nr 135), nicht dagegen die Zugehörigkeit eines Schlossers zur KPD, wenn dadurch der Betrieb nicht tangiert w i r d (Nr 324). Wichtig bleibt auch bei der ordentlichen Kündigung nach der Rechtsprechung des L A G die I n t e r e s s e n a b w ä g u n g (Nr 314). Besondere Rechtsregeln wurden im ö f f e n t l i c h e n D i e n s t sichtbar: Notwendige Sparmaßnahmen können Kettenarbeitsverträge rechtfertigen und Kündigungen bedingen (Nr 96, 256), doch ist wegen der Größe und Organisation der öffentlichen Betriebe eine verstärkte Verpflichtung zur an-
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2. Teil: Brem ARS: Vorbemerkungen
derweitigen Unterbringung denkbar (Nr 281). Das L A G hatte sich weiter m i t dem Kündigungsschutz der nicht unter das KSchG fallenden Personen (Nr 330), der Betriebsratsmitglieder (Nr 323) und der älteren Angestellten i S des AngKSchG (Nr 24) auseinanderzusetzen. Auch Probleme der Freizeit zur Stellensuche und des qualifizierten Z e u g n i s s e s w u r den i m Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses allgemeingültig behandelt (Nr 297, 588). f) Kollektives Arbeitsrecht I m T a r i f v e r t r a g s r e c h t diente schon bald das Tarifvertragsgesetz vom 9. 4.1949 (WiGBl S 55) als Grundlage. Häufig tauchten Fragen des tariflichen Geltungsbereichs auf (Nr 476, 492). Besondere Mühe hat das Gericht auf die Probleme der Eingruppierung i m öffentlichen Dienst und der Eingruppierungsausschüsse verwandt (Nr 163, 167,168, 473; ferner A P 50 N r 9; A P 53 N r 31 und 37). I n jüngster Zeit war ua über die Rückwirkung tariflicher Regelungen (Nr 491) und die Geltung von Tarifverträgen ohne Tarifgebundenheit (Nr 493) zu entscheiden. Das Schwergewicht der Rechtsprechimg des L A G auf dem wiederhergestellten Gebiet der B e t r i e b s v e r f a s s u n g lag vor und nach I n krafttreten des BetrVG auf der sachgerechten Rechtsanwendung unter Förderung der betrieblichen Ordnung und der Erhaltung des Betriebsfriedens (Nr 323). Die Beschlußfassung über eine politische Protestresolution (Nr 126) war ebenso zu verurteilen wie die Verteilung von Einladungszetteln zu politischen Kundgebungen (Nr 110, 125). A u f die Einhaltung der zwingenden Formvorschriften mußte stets geachtet werden (Nr 133). Bei einer Übertragung nur eines Betriebsteils können zwar die Arbeitsverhältnisse übergehen, nicht aber die Betriebsratsmandate, da sich die Zusammensetzung des Gesamtbetriebes und damit die Grundlage für das Betriebsratsamt wesentlich verändert hat (Nr 133). Eine Überbewertung der K o l l e k t i v m o m e n t e des Arbeitslebens hätte allerdings der Rechtsentwicklung nach 1945 nicht entsprochen. Das L A G hat deshalb den I n d i v i d u a l i n t e r e s s e n stets den gebührenden Platz eingeräumt. Der Kollektivmacht wurden Schranken gesetzt bei der Beeinträchtigung entstandener Individualansprüche; eine Betriebsvereinbarung kann zB nicht die Stundung von fälligen Lohnforderungen anordnen, mag das auch wirtschaftlich wünschenswert sein (Nr 156). Auch das A r b e i t s k a m p f r e c h t stand i m Mittelpunkt des Verhältnisses von individuellem zu kollektivem Arbeitsrecht. Bei Arbeitskämpfen, die trotz der Notzeiten selten vorkamen, hat das L A G den individual-rechtlichen Einschlag darin gesehen, daß die Durchführung eines wilden Streiks die Einhaltung der Kündigungsfrist voraussetzt, der Arbeitgeber den Streik m i t einer fristlosen Entlassung bekämpfen
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kann (Nr 132: Einer der seltenen Fälle, i n denen das B A G später einen anderen Weg beschritten hat) und das Maßregelungsverbot sich nicht auf rechtswidrige Handlungen eines Arbeitnehmers erstreckt (Nr 380). A n dererseits kann sich der individualrechtliche Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG nicht gegenüber dem Kollektivakt der Aussperrung durchsetzen (Nr 90). Diese Übersicht über die Gegenstände der Rechtsprechung des L A G Bremen seit 1946 läßt nur ihre groben Umrisse erkennen. Sie wäre überdies unvollständig ohne die keinesfalls zu unterschätzende Rechtsprechung der Arbeitsgerichte Bremen und Bremerhaven, die nicht nur i n der schweren Nachkriegszeit Bedeutendes geleistet und, wie die Veröffentlichung mancher rechtskräftigen Entscheidung auch i n A P beweist, zur Entwicklung des Arbeitsrechts und der Arbeitsrechtsprechung nicht unwesentlich beigetragen haben. I n der bremischen Arbeitsrechtssammlung sind denn auch zahlreiche, noch heute bedeutsame Entscheidungen der bremischen Arbeitsgerichte berücksichtigt worden. Insbesondere beim Arbeitsgericht Bremen hat der aus der Verbandsarbeit gekommene A r beitsgerichtsrat Hermann Kruse durch würdige, respekterheischende Verhandlungsführung das Vertrauen i n die Arbeitsrechtspflege nach dem Zusammenbruch von 1945 wieder neu begründet. Schließlich w i r d m i t besonderer Befriedigung und Dankbarkeit festgestellt werden müssen, daß die ersten zwei Jahrzehnte bremischer Arbeitsrechtsprechung nach dem Zweiten Weltkrieg durch den langjährigen Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Bremen Prof. Dr. Hans Galperin entscheidend geprägt worden sind.
I I I . Zur bremischen Arbeitsrechtssammlung selbst I n die als Leitsatzsammlung aufgebaute bremische Arbeitsrechtssammlung sind außer Entscheidungen bremischer Gewerbe-, Kaufmannsund Arbeitsgerichte bis Ende 1965 auch einzelne Entscheidungen anderer Gerichte, ua des Fachsenats für Personalvertretungssachen des Oberverwaltungsgerichts Bremen, des früheren Reichsarbeitsgerichts, des Bundesarbeitsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, aufgenommen worden, die insbesondere zum bremischen Recht ergangen sind. Einzelne ältere Entscheidungen aus den ersten Anfängen der Arbeitsrechtsprechung sind aus i n erster Linie sozialhistorischen Gründen berücksichtigt worden, wie zB die jeweils einzige Entscheidung der Gewerbegerichte Geestemünde und Lehe. Es versteht sich von selbst, daß gerade die älteren Entscheidungen nur m i t besonderer Vorsicht verwertet werden können. I n jedem Falle sollten die für die Praxis des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens i m Lande Bremen be-
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2. Teil: B r e A R S : Vorbemerkungen
stimmten Hinweise zu den einzelnen Entscheidungen werden.
herangezogen
Ein Verzeichnis der i n die Sammlung aufgenommenen Entscheidungen und ein Stichwortverzeichnis finden sich i m Anschluß an die Sammlung. I n dem Stichwortverzeichnis ist, soweit in der Sammlung Entscheidungen nicht unter einem besonderen Stichwort abgedruckt sind, auf andere Stichworte verwiesen, zB so; Anhaltende Krankheit s Kündigung, fristlose. Auf weitere Entscheidungen zum gleichen Stichwort w i r d zB so hingewiesen: Aufhebungsvertrag sa Mutterschutz. Das Abkürzungsverzeichnis befindet sich i m Vorspann hinter dem Inhaltsverzeichnis, das Schrifttumverzeichnis am Schluß des Werkes.
Bremische Arbeitsrechtssammlung (BremARS) 1898—1965 Abfindung
Nr 1
Höhe KSchG §§ 7, 8 1. Bei Bemessung der Abfindung ist zu berücksichtigen, daß es sich nicht um einen Schadenersatz aus unerlaubter Handlung handelt, so daß zB der Verdienstausfall bis zur Aufnahme einer neuen Arbeit nicht ersetzt werden kann. Auch handelt es sich weder um eine Lohnfortzahlung noch um eine Vertragsstrafe oder Wohlfahrtsmaßnahme. Vielmehr soll der Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes entschädigt werden, ohne daß ein sozial gerechtfertigter Kündigungsgrund vorliegt. Außer der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der wirtschaftlichen Lage beider Parteien sind auch alle sonstigen Umstände zu bewerten, die für die Bemessung in Frage kommen können, zB Alter, Familienstand und Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers, Ausgaben anläßlich des Arbeitsplatzwechsels sowie auch die Dauer der Erwerbslosigkeit. 2. Wenn der Arbeitnehmer sechs Jahre beschäftigt war, nach sieben Wochen eine neue Stelle gefunden hat und seine Frau in seinem bisherigen Betrieb weiterbeschäftigt ist, erscheint eine Abfindung in Höhe von vier bis fünf Monatsverdiensten angemessen. Dabei ist berücksichtigt, daß der Arbeitgeber die Verhängung einer Sperrfrist durch das Arbeitsamt verhindert und den Arbeitnehmer ein gewisses Verschulden an der Kündigung getroffen und er nur durchschnittlich gearbeitet hat. L A G Bremen vom 15.12.1954 — Sa 97/54 — BB 1955, 319 Hinweis: Zustimmend Herschel-Steinmann,
Abfindung
§ 8 Anm 2.
Nr 2
Wesen KSchG §§ 7, 8 Die Abfindung stellt einen sozialrechtlichen Ausgleich für die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen ideellen und materiellen Nachteile des Arbeitnehmers sowie eine Endschädigung für die Aufgabe seiner durch längere Betriebsangehörigkeit erworbenen Rechte dar. L A G Bremen vom 20. 8.1952 — Sa 25/52 — RdA 1952, 398 - DB 1952, 764 = ARSt I X , 58, 77 - WA 1952, 345 Hinweis: Zur Rechtsnatur der Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (soziales Schmerzensgeld) BAG vom 20. 6. 1958 — 2 AZR 271/55 — A P Nr 1 zu § 113 A V A V G aF — und vom 15. 12. 1960 — 2 AZR 79/59 — BAG 10, 244 - A P Nr 21 zu S 3 KSchG; Auffahrt-Müller , § 8 Anm 5 mwN. Für Prozeßvergleiche ist wichtig, daß die Abfindung dem Abzug zur Lohnsteuer und zur Sozialversicherung nicht unterliegt. Wenn und soweit sie — ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung — in Wirklichkeit eine Entschädigung für den Verlust von Arbeitsentgelt bis zum ordentlichen Kündigungstermin (§ 7 Abs 2 KSchG) darstellt, ist sie allerdings Arbeitsentgelt iS von § 96 Abs 1 AVAVG, so daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit ruht, für die der Arbeitslose die Abfindung bezieht. Ist sie jedoch echte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, wird sie vom Arbeitsamt nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet; vgl Draeger-Buchwitz-Schönfelder , 5 96 Anm 4; Leder , BB i960, 97. 12
Trinkhaas
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Abfindungsvergleich
Abfindungsvergleich
Nr 3
Dritter: Arbeitnehmer-Kraftfahrer BGB § 397 1. Ist der Kraftfahrzeugschaden des Geschädigten (Klägers) sowohl durch seinen Arbeitnehmer-Kraftfahrer als auch durch einen anderen SchädigerVersicherungsnehmer mit verursacht und verschuldet worden und erklärt sich der Geschädigte in einem mit dem Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer des Schädigers abgeschlossenen Vergleich wegen aller Ersatzansprüche aus Anlaß des Schadensfalles gegen diesen und jeden Dritten ein für allemal für abgefunden, so steht dem begünstigten Dritten ein Leistungsverweigerungsrecht zu. 2. Dritter im Sinne des Abfindungsvergleichs ist auch der ArbeitnehmerKraftfahrer des Geschädigten. L A G Bremen vom 12. 8. 1959 — n Sa 57/59 — BB 1959, 1030 - ARSt X X I I I , 194 - VersR 1961, 143 Hinweis: Ähnlich OLG Düsseldorf vom 17. 7.1956 — 4 0 90/56 — VersR 1956, 665
Abtretung von Lohn- und Gehaltsansprüchen
Nr 4
an Kundenkreditbank BGB §§ 133, 157, 242, 398 Eine Kundenkreditbank, die sich mit der Finanzierung von Kraftfahrzeugverkäufen beschäftigt, kann aus einer Lohn- und Gehaltsabtretung des Darlehnsnehmers, die sich in Kleindruck auf der Rückseite des Darlehnsvertrages befindet, nur dann Rechte herleiten, wenn der Darlehnsnehmer von dieser Klausel Kenntnis erhalten hat oder aber bei der Antragstellung besonders darauf aufmerksam gemacht worden ist, daß mit seinem Antrag zugleich auch eine Lohn- und Gehaltsabtretung verbunden sei. L A G Bremen vom 1. 12. 1965 — 1 Sa 76/62 - f 105/61 — BB 1966, 535 = DB 1966, 188 AuR 1966, 158 - ARSt 1966, 82 — Hinweis: Auch nach dem BAG vom 19. 5. 1962 — 5 AZR 40/62 — muß eine sicherungshalber gegebene Lohnzession wegen der damit für den Zedenten (Arbeitnehmer) und seine Familie verbundenen einschneidenden Folgen eindeutig sein; sie kann nur in voller Kenntnis ihrer Bedeutung rechtswirksam abgegeben werden.
Änderungskündigung
Nr 5
Anwendung des KSchG KSchG § 1 Das KSchG gilt auch für Kündigungen, die lediglich zum Zweck der Änderung einzelner Arbeitsbedingungen erklärt werden, und zwar auch dann, wenn gleichzeitig ein Angebot des Arbeitgebers zum Abschluß eines geänderten Arbeitsvertrags gemacht wird (Änderungskündigung). L A G Bremen vom 17. 4.1957 — I Sa 141/56 — A P N r 24 zu § 1 KSchG mit i m wesentl zustimm Anm Herschel = BB 1957, 547 = DB 1957, 460 = ARSt X V I I I , 360 Hinweis: Ebenso in ständiger Rechtsprechung das BAG, zB vom 26. 2. 1957 — 3 AZR 278/54 - BAG 4, 1 = A P Nr 23 zu § 1 KSchG, vom 15. 2; 1957 — 1 AZR 391/55 — BAG 4, 22 •= A P Nr 33 zu § 1 KSchG — und vom 12. 1. 1961 — 2 AZR 171/5» — BAG 10, 288 - AP N r 10 zu § 620 BGB Änderungskündigung. Über Wirkung und Unwirksamkeit der Änderungskündigung vgl ferner Galperin, DB 1958, 799—803, 838—841.
Änderungskündigung
Nr 6
Auslegung: Mitteüung niedrigerer Vergütung BGB §§ 133, 157 I n der Mitteilung, daß ein Arbeitnehmer eine niedrigere Vergütung erhalten werde, liegt keine Änderungskündigung.
Änderungskündigung
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L A G Bremen vom 23. 7.1958 — I Sa 35/58 — W A 1958, 247 Hinweis: Was gewollt ist, kann nur durch Auslegung des Partei willens unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles ermittelt werden, wobei aber zu beachten ist, daß die Kündigung deutlich zum Ausdruck gebracht werden muß: HueckNipperdey, Bd I S 546.
Änderungskündigung
Nr 7
F o r t s e t z u n g des A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e s : A r b e i t s b e d i n g u n g e n BGB
§§ 611, 625, 305
W i r d nach e i n e r K ü n d i g u n g des A r b e i t s v e r t r a g e s das A r b e i t s v e r h ä l t n i s f o r t gesetzt, n a c h d e m der A r b e i t n e h m e r die K ü n d i g u n g als unberechtigt z u r ü c k gewiesen h a t u n d ohne daß eine Ä n d e r u n g d e r A r b e i t s b e d i n g u n g e n v e r e i n b a r t w o r d e n ist, so g i l t das A r b e i t s v e r h ä l t n i s als z u d e n a l t e n B e d i n g u n g e n fortgesetzt. E i n e V e r t r a g s ä n d e r u n g k o m m t auch d a n n nicht durch schlüssige H a n d l u n g zustande, w e n n d e r A r b e i t g e b e r z w a r e r k l ä r t , er w o l l e die D i e n s t e n u r z u d e n g e ä n d e r t e n B e d i n g u n g e n entgegennehmen, g l e i c h w o h l a b e r die F o r t s e t z u n g des Arbeitsverhältnisses duldet, obgleich d e r A r b e i t n e h m e r u n mißverständlich erklärt hat, er wolle nur zu den alten Bedingungen w e i t e r arbeiten. N a c h a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e n (§§ 625, 305 B G B ) h a t d e r j e n i g e , d e r d i e Ä n d e r u n g eines bestehenden V e r t r a g s h e r b e i f ü h r e n w i l l , d a f ü r z u sorgen, daß die Rechtslage e i n d e u t i g k l a r g e s t e l l t w i r d , a n d e r f a l l s er a n d i e bisherigen B e d i n g u n g e n g e b u n d e n bleibt. L A G Bremen vom 22. 12. 1954 — Sa 96/54 — BB 1955, 96 - D B 1955, 123 = SAE 1955, 84 Hinweis: Nach Hueck-Nipperdey, Bd I S 549 F N 32; Hueck, § 1 Anm 30 c, wird in der stillschweigenden Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nach einer Änderungskündigung des Arbeitgebers regelmäßig eine Zustimmung zu den abgeänderten Bedingungen gesehen, es sei denn, daß er nicht nur Verwahrung gegen die Verschlechterung der Bedingungen einlegt, sondern binnen 3 Wochen Klage gegen die Kündigung auf Grund des KSchG erhebt (Galperin, DB 1958, 802; Gramm, DB 1954, 721, und Kunze-Wiesler, BB 1960, 293, halten einen Vorbehalt vor Ablauf der DreiWochen-Frist nicht für nötig). Dagegen wird bei einem bloßen Änderungsvorschlag des Arbeitgebers ohne Kündigung eine stillschweigende Zustimmung zu dem Vorschlag des Arbeitgebers nur angenommen, wenn dafür besondere Umstände sprechen, insbesondere wenn der Arbeitgeber durch Anschlag bekanntgibt, daß die neuen Arbeitsbedingungen von einem bestimmten Tag an gelten sollen und die Arbeitnehmer weder einzeln noch durch den Betriebsrat Widerspruch erheben, vor allem aber, wenn sie die Arbeit vorbehaltlos nach den neuen Bestimmungen verrichten. I m wesentlichen zustimmend Nikisch, Bd I S 269—270. Nach BAG vom 8. 7.1960 — 1 AZR 72/60 — A P N r 2 zu § 305 BGB — ist beim Vorschlag einer Vertragsänderung durch den Arbeitgeber ohne Änderungskündigung in der widerspruchslosen Weiterarbeit des Arbeitnehmers dann in der Regel eine Einverständniserklärung zu sehen, wenn neue Bedingungen für die eigentliche Arbeitsleistung (zB Löhne, Zuschläge usw) angeboten wurden, nicht dagegen, wenn es sich um Bedingungen handelt, die, wie zB eine vorgeschlagene Änderung einer Ruhegeldordnung, für den Arbeitnehmer nicht unmittelbar und sogleich bei der Arbeit praktisch werden. Diese Grundsätze sollen jedoch nach der Lebenserfahrung, den Anschauungen des Arbeitslebens und den allgemeinen Auslegungsregeln nur in der Regel gelten. Die Umstände des einzelnen Falles und das Verhalten der Parteien im konkreten Fall können eine andere Auslegung rechtfertigen.
Änderungskündigung
Nr 8
Notwendigkeit: Direktionsrecht BGB
§ 611
E i n e Ä n d e r u n g s k ü n d i g u n g ist n u r d a n n n o t w e n d i g , w e n n die vorgesehene Ä n d e r u n g d e r A r b e i t s b e d i n g u n g e n nicht schon i m R a h m e n des W e i s u n g s rechts des A r b e i t g e b e r s einseitig h e r b e i g e f ü h r t w e r d e n k a n n . L A G Bremen vom 14.12.1955 — Sa 130/55 — DB 1956, 259 - WA 1956, 220
Änderungskündigung Wesen BGB
Nr 9
§§ 133, 157
D i e K ü n d i g u n g z u r Ä n d e r u n g des A r b e i t s v e r t r a g s ist e n t w e d e r als u n b e d i n g t e K ü n d i g u n g m i t gleichzeitigem n e u e n V e r t r a g s a n g e b o t oder als a u f \2*
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Akkordvertrag
schiebend bedingte Kündigung anzusehen, wenn erst bei Ablehnung neuen Bedingungen gekündigt sein soll.
der
L A G Bremen vom 24.11. 1948 — Sa 31/48 — ArbrEntsch 1949, 17 mit krit Anm Hueck = ARSt I I , 833, 903 » WA 1949, 55 Hinweis: Zu den beiden Formen der Änderungskündigung, zwischen denen sachlich kein Unterschied besteht, vgl Molitor, S 46—47; Nikisch, Bd I S 699—703.
Akkordvertrag
Nr 10
Auslegung — Kündigung vor Arbeitsende: Maurerkolonne BGB §§ 157, 242, 612 1. Eine mündliche Akkordabsprache zwischen einem Bauunternehmer und einer Maurerkolonne, die weder unter der Bedingung der Fertigstellung bestimmter Bauobjekte noch unter einer entsprechenden Befristung des A r beitsvertrages getroffen worden ist, kann auch auf Großbaustellen nicht ohne weiteres dahin ausgelegt werden, daß die vereinbarten Akkordpreise nur für den Fall der Fertigstellung eines der Kolonne als erste Aufgabe zugewiesenen Baublocks gelten sollen. Dies ist vielmehr von den Einzelheiten der Absprache und von der Verkehrssitte am Ort des Bauvorhabens abhängig. 2. Die Mitglieder einer Maurerakkordkolonne handeln nicht treuwidrig, wenn sie das von ihnen eingegangene Arbeitsverhältnis frist- und vertragsgemäß, jedoch vor Beendigung der Arbeiten an einem ihnen zugewiesenen Baublock einer Großbaustelle kündigen und für die geleistete Arbeit den vereinbarten Akkordpreis fordern. Gegenüber diesem Anspruch ist, soweit vertragliche Einwendungen nicht möglich sind, der Einwand der Arglist nur dann gegeben, wenn die Kolonne von vornherein darauf ausgegangen war, nur den leichtesten Teil der übernommenen Akkordarbeit auszuführen. L A G Bremen vom 11. 3.1964 — 1 Sa 10/63 — DB 1964, 1302 = AuR 1965, 58 = WA 1965, 8 Hinweis: Zur Lohnberechnung bei Abbruch der Beschäftigung vor Beendigung der Akkordarbeit vgl die grundsätzlichen Ausführungen von Jaerisch, Lohnanspruch bei unvollendeter Akkordarbeit (1925). I n der Übertragung und Annahme einer Akkordarbeit liegt mangels besonderer Abrede nicht der Abschluß einer bis zur Beendigung der Arbeit befristeten Vertrages: So Jaerisch, S 30; Staudlnger-Nipperdey-Neumann, § 620 Anm 13; Hueck-Nipperdey, Bd I S 532.
Anfechtung des Arbeitsvertrages
Nr 11
Arglistige Täuschung: Wahrheitswidrige Erklärung (Intimer Verkehr) BGB §§ 119, 123; MuSchG § 9 1. Der Arbeitsvertrag einer schwangeren Arbeitnehmerin kann nach §§ 119, 123 BGB angefochten werden, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Arbeitnehmerin entgegen ihrer bei der Einstellung abgegebenen Erklärung in diesem Zeitpunkt bereits schwanger gewesen ist. Eine Anfechtung wegen Irrtums kann allerdings nur dann Erfolg haben, wenn das Fehlen der Schwangerschaft mit Rücksicht auf die besondere Gestaltung des Arbeitsverhältnisses als verkehrswesentliche Eigenschaft anzusehen ist. Dies ist jedoch nicht nur bei Tänzerinnen und Mannequins der Fall, sondern muß auch für die Verkäuferin in einem kleinen Obst- und Gemüsegeschäft anerkannt werden, wenn wegen der geringen Zahl der Arbeitskräfte notwendigerweise alle Betriebsangehörigen mit schweren Körben und Säcken hantieren müssen. Die Erreichung des Zwecks eines solchen Arbeitsverhältnisses würde über das Durchschnittsmaß erschwert, wenn von vornherein eine Behinderung durch Schwangerschaft eintreten würde. 2. Eine auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer Schwangeren gerichtete Willenserklärung kann nur dann als Irrtumsanfechtung gedeutet werden, wenn sie sich auf die sofortige Vernichtung des Arbeitsverhältnisses
Anfechtung des
retvertrages
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richtet. Wird die schwangere Arbeitnehmerin dagegen nach Abgabe der Erklärung noch mehrere Tage weiter beschäftigt, so liegt eine Anfechtungserklärung ihrem Wesen nach nicht vor, soweit nicht überhaupt eine Bestätigung des Vertrags nach § 144 BGB anzunehmen ist. 3. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann nur auf Tatsachen gestützt werden, die bereits vor oder doch beim Abschluß des Arbeitsvertrages vorgelegen haben, nicht dagegen auf spätere Ereignisse. Sie ist daher nicht möglich, wenn bei einer Arbeitnehmerin, die bei ihrer Einstellung das Vorliegen einer Schwangerschaft verneint hat, eine Woche später die Regel ausbleibt, auch wenn an diesem Tage die Arbeitaufnahme noch nicht erfolgt war. 4. Verneint eine Arbeitnehmerin, die kleinen Anlaß hat, sich schwanger zu fühlen, bei ihrer Einstellung die Frage des Arbeitgebers nach einem intimen Verkehr, so kann der Arbeitgeber auf Grund dieser Tatsache das Arbeitsverhältnis auch dann nicht anfechten, wenn sich die Erklärung alsbald infolge des Beginns einer Schwangerschaft als unrichtig herausstellt. Zwar kann die offensichtliche Lüge der Arbeitnehmerin bei ihrer Bewerbung nicht als rechtlich zulässig anerkannt werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Notwehr gegen einen rechtswidrigen Angriff auf ihre Intimsphäre durfte sie nur die zur Abwehr des Angriffs erforderlichen Maßnahmen ergreifen und hierzu hätte die Zurückweisung der taktlosen Frage genügt, da ein Recht der Arbeitnehmerin auf Einstellung, das auch durch eine Lüge durchgesetzt werden darf, nicht anerkannt werden kann. Die Anfechtung eines Arbeitsverhältnisses ist jedoch nur wegen arglistiger Täuschung hinsichtlich solcher Tatsachen zulässig, die nach der Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes vom Standpunkt eines verständigen Arbeitgebers aus wesentlich sind. L A G Bremen vom 24. 2. 1960 — I Sa 160/59 — BB 1960, 743 - DB 1960, 500 - AuR 1960, 186 = BlfStR i960, 333 = WA 1960, 153 Hinweis: Der Arbeitgeber ist berechtigt, eine Stellenbewerberin bei den Einstellungsverhandlungen in angemessener Form nach dem Bestehen einer Schwangerschaft zu befragen; die Bewerberin ist auch zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet. Die von ihr in Kenntnis der Schwangerschaft erklärte wahrheitswidrige Antwort rechtfertigt die Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber wegen arglistiger Täuschung. Der Kenntnis der Schwangerschaft steht die Kenntnis der Bewerberin von solchen Umständen gleich, die den sicheren Schluß auf das Bestehen einer Schwangerschaft zulassen. Eine auf ungewisse Anhaltspunkte gestützte Vermutung genügt nicht: So BAG vom 22.9.1961 — 1 AZR 241/60 — A P Nr 15 zu § 123 BGB mit zT krit Anm Larenz. Ohne Befragen besteht eine Offenbarungspflicht der werdenden Mutter über ihren Zustand nur unter besonderen Umständen. Siehe BAG vom 8. 6.1955 — 2 AZR 14/54 — BAG 2, 32 «=* AP Nr 2 zu § 9 MuSchG mit krit Anm Beitzke; Hueck-Nipperdey, Bd I S 194 mit F N 49; Nikisch, Bd I S 671; Staudinger-Nipperdey-Neumann, § 611 Anm 92—93. — Zur Frage, wann die Schwangerschaft einer neueingetretenen Arbeitnehmerin den Arbeitgeber zur Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs 2 BGB berechtigt, vgl ArbG Bremen vom 20. 2.1953 — I I Ca 2051/53 — A P Nr 1 zu § 119 BGB BremARS N r 13 m w N im Hinweis.
Anfechtung des Arbeitsvertrages
Nr 12
Irrtum über Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers: Probebäcker BGB § 119; GewO § 122 Ein Arbeitsvertrag kann wegen Unfähigkeit des Arbeiters nur angefochten werden, wenn diesem die für seine Stellung erforderlichen Fähigkeiten oder Eigenschaften vollständig fehlen. GewG Bremen vom 8. 4.1910 — GewuKfmG 1909/10, 178 Hinweis: Nach der heute wohl herrsch Ansicht reicht nicht jeder Irrtum über den Grad der Leistungsfähigkeit aus. Es muß sich um ganz bestimmte Mängel handeln, die den Arbeitnehmer nach der Verkehrsauffassung für den übertragenen Aufgabenbereich, für die betreffende Stellung als ungenügend erscheinen lassen. Vgl HueckNipperdey, Bd I S 193 m w N ; ähnlich Nikisch, Bd I S 188—189; Staudinger-NipperdeyNeumann, S 611 Anm 92.
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Anfechtung des
retvertrages
Anfechtung des Arbeitsvertrages
Nr 13
Schwangerschaft — Mutterschutz BGB §§ 119, 123, 142; MuSchG § 9 1. Das Arbeitsverhältnis unterliegt der Anfechtung gemäß §§ 119, 123 BGB. 2. Nach Eingliederung in den Betrieb kann das Arbeitsverhältnis nicht mit rückwirkender Kraft, sondern nur mit der Rechtswirkung „ex nunc" angefochten werden. 3. I m Falle einer begründeten Anfechtung ist für eine Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen des Mutterschutzgesetzes kein Raum. 4. Die Tatsache der Nichtschwangerschaft wird nicht allgemein bei Vertragsabschluß vorausgesetzt. Diese Tatsache ist aber dann als Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs 2 BGB beachtlich, wenn sie der Arbeitnehmerin erkennbar als wesentlich dem Vertragsabschluß zugrunde gelegt worden ist. ArbG Bremen vom 20. 2. 1953 — I I Ca 2051/53 — A P N r 1 zu 8 119 BGB mit krit Anm Larenz = BB 1953, 679 Hinweis: Wie LS 1 und 2 L A G Bremen vom 24. 5.1950 — Sa 21/50 — Brem ARS N r 17; ebenso BAG vom 5.12.1957 — 1 A Z R 594/56 — B A G 5, 159 - A P N r 2 zu § 123 BGB, jedoch mit der Maßgabe, daß der Arbeitgeber beim Arbeitsverhältnis einer Schwangeren seine bei der Einstellung abgegebene Willenserklärung, nicht das Arbeitsverhältnis selbst anfechten kann. Darüber hinaus wird zu LS 4 von der überwiegenden Meinung die Schwangerschaft im allgemeinen nicht als verkehrswesentliche Eigenschaft angesehen, während in den Sonderfällen einer Bühnenkünstlerin, eines Mannequins, einer Sportlehrerin oä die Anfechtung wegen verkehrswesentlichen Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs 2 BGB zugelassen wird. Vgl nur Bulla, § 5 Anm 14, 83 und 84; Köst , § 9 Anm 55 mwN. Zum Recht des Arbeitgebers, eine Stellenbewerberin bei den Einstellungsverhandlungen in angemessener Form nach dem Bestehen einer Schwangerschaft zu fragen, und zur Wahrheitspflicht der Bewerberin: BAG vom 22. 9.1961 — 1 AZR 241/60 — B A G 11, 270 = A P N r 15 zu § 123 BGB.
Anfechtung des Arbeitsvertrages
Nr 14
Verschweigen einer Tbc BGB §§ 119, 123 1.Die Anfechtung eines Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung durch Verschweigen einer Krankheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Bewerber erkennen mußte, daß sein Gesundheitszustand für die Entschließung seines künftigen Arbeitgebers von wesentlicher Bedeutung war oder doch sein mußte. Dies ist für einen lungenkranken Bewerber, der sich um eine Stelle in einem Lebensmittelgeschäft bemüht, zu bejahen. 2. Wird ein Rechtsgeschäft wegen arglistiger Täuschung angefochten, so ist in dieser Erklärung in der Regel gleichzeitig eine Irrtumsanfechtung enthalten. 3. Die Anfechtung eines Arbeitsvertrages ist auch dann grundsätzlich zulässig, wenn der geltendgemachte Anfechtungsgrund gleichzeitig auch zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt. L A G Bremen vom 5. 12. 1956 — 1 Sa 118/56 — BB 1957, 41 -= D B 1957, 24 = ArbGeb 1957, 705
Anfechtung des Arbeitsvertrages
Nr 15
Verschweigen früherer schwerer Krankheit BGB §§ 119 Abs 2, 123 Abs 1 Eine Offenbarungspflicht des Stellenbewerbers, deren Verletzung den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigen könnte, besteht nicht, wenn der Bewerber seit vielen Jahren mit dem Arbeitgeber persönlich bekannt war und darüber hinaus weiß, daß der Arbeitgeber von dritter Seite über eine bereits mehrere Jahre
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zurückliegende schwere Erkrankung des Bewerbers (Lungenentzündung mit anschließender Bronchitis) unterrichtet worden ist. I n einem solchen Falle genügt es, wenn der Bewerber die ihm gestellten Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis auch wegen I r r tums über eine persönliche Eigenschaft des Bewerbers nicht anfechten, wenn der von ihm eingestellte Arbeitnehmer nach einiger Zeit erneut an Bronchitis erkrankt, da er in Kenntnis des früheren schlechten Gesundheitszustandes des Bewerbers dessen Anfälligkeit für erneute Erkrankungen dadurch in Kauf genommen hat, daß er darauf verzichtet hat, sich durch eine ärztliche Untersuchung oder auf andere Weise volle Klarheit über die Leistungsfähigkeit des Bewerbers zu verschaffen. L A G Bremen vom 4.11.1964 — 1 Sa 70/64 — DB 1965, 74 = BB 1965, 165 = WA 1965, 38 Hinweis: Ähnlich BAG vom 12. 12. 1957 — 2 AZR 574/55 — BAG 5, 182 «= A P N r 2 zu 8 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß, wonach der Arbeitgeber den künftigen Arbeitnehmer über solche Umstände nicht zu unterrichten braucht, die sich von selbst aus der Sachlage ergeben. Zum Umfang der Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich seines Gesundheitszustandes vgl BAG vom 7. 2. 1964 — 1 AZR 251/63 — A P N r 6 zu 8 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß.
Anfechtung des Arbeitsvertrages
Nr 16
Verschweigen von Streik im Betrieb BGB §123 Verschweigt der Arbeitgeber bei Abschluß des Arbeitsvertrages dem Arbeitnehmer, daß sein Betrieb von einem Streik betroffen ist, so kann der Arbeitnehmer den Vertrag gemäß § 123 BGB anfechten. ArbG Bremen vom 12. 9.1927 — HansGZ ArbR 1927, 169 Hinweis: Zum Verschweigen bevorstehenden Betriebsinhaberwechsels durch den Arbeitgeber vgl L A G Hamm vom 22. 1. 1959 — 6 Sa 699/58 — BB 1959, 707.
Anfechtung des Arbeitsvertrages
Nr 17
Wirkung ex nunc BGB §§ 119, 123, 142, 612 §142 BGB ist mit dem personenrechtlichen Charakter des Arbeitsverhältnisses und mit § 612 BGB nicht vereinbar. Ein Arbeitsvertrag wird deshalb durch begründete Anfechtung erst mit Wirkung vom Tag der Anfechtung an (ex nunc) und nicht rückwirkend (ex tunc) aufgelöst. L A G Bremen vom 24. 5.1950 — Sa 21/50 — A P 51 N r 86 - BB 1950, 674 = DB 1950, 360 = WA 1951, 72 = ARSt I V , 701, 704 Hinweis: Herrsch Meinung; vgl BAG vom 5.12. 1957 — 1 AZR 594/56 — BAG 5, 159 = A P N r 2 zu 8 123 BGB.
Anfechtung des Vertretervertrages
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Bezirksvertreter: Vorstrafe wegen Untreue BGB §§ 119 Abs 2, 123, 142 1. Die Anfechtung eines Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung ist nur dann möglich, wenn für den Arbeitnehmer eine Pflicht zur Offenbarung seiner Verhältnisse bestanden hat. 2. Bei Verhandlungen über den Abschluß eines Diehstvertrages, der zur Begründung eines engen persönlichen Vertrauensverhältnisses führen soll (z B Bezirksvertretervertrag), ist der Dienstverpflichtete gehalten, den Dienstherrn über alle Umstände aufzuklären, die für dessen Entschließung erkennbar von wesentlicher Bedeutung sein müssen. Ohne eine ausdrückliche Frage braucht der Dienstverpflichtete jedoch seine gesamten persönlichen Verhältnisse nicht darzulegen, insbesondere braucht er dem Dienst-
184
Angestellteneigenschaft
herrn keine Kenntnis von einem schwebenden Strafverfahren zu geben, wenn er damit rechnen darf, daß dieses Verfahren zu seinem Gunsten ausfällt. 3. Für die Hechtsbeziehungen zwischen einem kaufmännischen Unternehmer und dessen Bezirksvertreter ist das Bestehen eines ungetrübten Vertrauensverhältnisses notwendig, da der Bezirksvertreter Repräsentant seiner Firma ist und von seiner Person auf den Ruf seiner Firma geschlossen wird. Die persönliche Integrität und der einwandfreie kaufmännische Ruf des Bezirksvertreters stellen daher stets eine Eigenschaft seiner Person dar, die im Verkehr als wesentlich angesehen wird. Wird nachträglich eine Vorstrafe wegen Untreue bekannt, so begründet dies ohne weiteres einen wesentlichen Irrtum im Sinne des § 119 Abs 2 BGB. 4. Aus der Tatsache, daß ein Dienstherr auf Grund des günstigen persönlichen Eindrucks den Anstellungsvertrag mit dem Dienstverpflichteten abgeschlossen hat, ohne eine bereits angeforderte Auskunft abzuwarten, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß der Dienstherr den Vertrag im Bewußtsein der Unsicherheit seiner Rechtsstellung hat schließen wollen und bereit gewesen ist, eine nicht zufriedenstellende Auskunft in Kauf zu nehmen. L A G Bremen vom 8.12.1954 — Sa 86/54 — DB 1955, 170 «= WA 1955, 138 Hinweis: Nach BGH vom 15. 6. 1951 — I ZK 121/50 — BGHZ 2, 331 = L M ZPO § 440 Nr 1 ist im Gegensatz zu LS 4 — solchenfalls eine Anfechtung unbegründet, wenn sich die beim Vertragsabschluß gehegte Mutmaßung (hier: hinsichtlich der persönlichen Vertrauenswürdigkeit des Dienstverpflichteten) als unrichtig erwies. Zur Bedeutung von Vorstrafen für das Arbeitsrecht vgl Hueck-Nipperdey, Bd I S 193—194 mwN.
Angestellteneigenschaft
Nr 19
Nicht nur vorübergehende Angestelltentätigkeit: Bauleiter GewO § 133 a 1. Ist ein Bauleiter für die ganze Dauer eines auf 10—12 Monate vorgesehenen Baues fest angestellt, kommt eine fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 133 a GewO nicht in Betracht. 2. Für die Frage, ob ein Angestellter nicht lediglich vorübergehend mit der Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder einer Betriebsabteilung beauftragt ist, ist es unbeachtlich, ob das Arbeitsverhältnis als solches von kürzerer oder längerer Dauer ist. Es kommt allein darauf an, ob die betreffende Person überhaupt ihrer regelmäßigen Beschäftigung nach Aufsichtsperson ist oder ob sie nur vorübergehend einmal, d h aushilfsweise, mit der Aufsicht betraut wird, während sie regelmäßig gewöhnlicher Arbeiter ist. L G Bremen vom 26. 2.1898 — GewG 1897/98, 116 Hinweis: Ahnlich RAG vom 16.1.1940 — 140/39 — ARS 38, 139; Boldt-Steffens, Anm I I 3; Landmann-Rohmer, § 133 a Anm 2 a am Ende.
§ 133 a
Angestellteneigenschaft
Nr 20
Schaufensterdekorateur HGB § 59 Die Schaufensterdekoration, ausgeführt in schöpferischer Selbständigkeit, verbunden mit handwerklichem Können, dient ausschließlich der Werbung und nimmt damit eine entscheidene Funktion für den Umsatz als wesentliche Erscheinungsform eines Einzelhandelsgeschäftes ein. ArbG Bremen vom 7.11.1957 — BB 1958, 738 Hinweis: Ebenso für Schaufensterdekorateure, die die Schaufenster nach eigenen Ideen gestalten: L A G Düsseldorf vom 6.11.1959 — 4 Sa 448/59 — A P Nr 15 zu $ 59 HGB.
Angestelltenfcündigungsschutz A ngestellteneigenschaf t
185 Nr 21
Schlepperführer in Tiefbauunternehmen AVG §1; BinnSchiffG §§20, 131; GewO § 133a; RTO für kaufm und techn Angestellte im Baugewerbe 1. für die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern kommt es neben der ideologischen Einstellung des Arbeitnehmers zu seinem Betrieb auf die geringere oder größere Verantwortlichkeit seiner Arbeitsleistung an. 2. Schlepperführer in Tiefbauunternehmen sind als Angestellte anzusehen. L A G Bremen vom 24. 3. 1948 — Sa 1/48 — RdA 1949, 344 mit krit Anm Dietz Hinweis: Wenn das L A G auch im Ergebnis zu Recht zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt, so wird doch die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten nach ihrer ideologischen Einstellung heute allgemein abgelehnt; vgl Hueck-Nipperdey, Bd I S 72—74 F N 10. Nach der Verkehrsanschauung ist zunächst ohne Rücksicht auf die konkrete Gestaltung des Einzelfalles Angestellter, wer büromäßige Arbeiten verrichtet oder kaufmännische Dienste leistet oder als Bühnenmitglied oder Musiker tätig ist. Angestellter ist in der Regel ferner, wer im technischen Teil des Betriebes eine überwiegend leitende, beaufsichtigende oder eine vergleichbare Tätigkeit ausübt. Reichen diese Maßstäbe nicht aus, so bleibt letzten Endes entscheidend, ob nach dem Gesamtbild der von dem Arbeitnehmer verrichteten Arbeit die geistige Leistung im Vordergrund steht: vgl Trinkhaus, AR-Blattei, Angestellter I, C I, V und V I mwN.
Angestellteneigenschaft
Nr 22
Schuppenschreiber im Hafen- und Speicherbetrieb AVG§1 Nr 3 1. Ob ein Arbeitnehmer Angestellteneigenschaft hat, ist nach der Verkehrsanschauung und den Tätigkeitsmerkmalen seiner Arbeit zu beurteilen. Das Überwiegen körperlicher, mechanischer oder geistiger Arbeit ist dabei nicht unbedingt ausschlaggebend, sondern es kommt darauf an, ob die Tätigkeit ein größeres Maß von geistiger Regsamkeit, Vielseitigkeit, Selbständigkeit und vor allem Verantwortung gegenüber dem Gesamtbetrieb erfordert oder ob es sich um einen eng begrenzten und schematisch geregelten Arbeitskreis handelt. 2. Aus der Bezeichnung „Schuppenschreiber" kann nicht abgeleitet werden, daß es sich hierbei um Büroarbeit handelt. Die Schuppenschreiber im Kajeund Speichereibetrieb der bremischen Häfen sind nicht Angestellte, sondern Arbeiter. L A G Bremen vom 2.11.1949 — Sa 50/49 — AP 50 Nr 140 Hinweis: Die Entscheidung beruht auf einer von der herrschenden Meinung abweichenden Auffassung von den Merkmalen des Angestelltenbegriffs. Es kommt auch für die Frage, ob — stets zum Angestellten machende — Büroarbeit gegeben ist, nicht auf den Ort, sondern auf die Art der Tätigkeit entscheidend an; vgl Trinkhaus, ARBlattei, Angestellter I, C I V 1 mwN. Die Schuppenschreiber der Bremer LagerhausGesellschaft werden dementsprechend seit Jahren als Angestellte geführt.
Angestellteneigenschaft
Nr 23
Vorübergehende Angestelltentätigkeit: Polier GewO § 133 a Zeitweilige Erledigung von Polierarbeiten durch einen Maurer ändert lediglich seine Entlohnung, macht ihn aber nicht zum Polier. Gew Bremen vom 12. 6.1924 — HansGZ ArbR 24, 84
Angestelltenkündigungsschutz
Nr 24
Beschäftigungsdauer: Zeitlich getrennte Beschäftigungen AngKSchG § 2 Abs 1 Die Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungsabschnitte eines Angestellten bei demselben Arbeitgeber oder dessen Rechtsvorgänger ist nach
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Angestelltenkündigungssdratz
§ 2 Abs 1 AngKSchG zulässig, aber nicht zwingend vorgeschrieben. Das Gericht hat im Einzelfall darüber zu entscheiden, ob eine Zusammenrechnung notwendig erscheint. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen den beiden Beschäftigungsabschnitten ein innerer Zusammenhang besteht und die spätere Wiedereinstellung des Angestellten durch seine frühere Tätigkeit wesentlich mitbestimmt worden ist. Es kommt nicht darauf an, ob das erste Dienstverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers oder des Angestellten aufgelöst worden ist. L A G Bremen vom 5.1. 1949 — Sa 45/48 — RdA 1949, 424 mit krit Anm Hueck - WA 1949, 90 = ARSt I I , 715, 716, 808, 810 Hinweis: Ebenso L A G Bremen vom 18.1. 1950 — Sa 70/49 = Brem ARS Nr 366 — und die ständige Rechtsprechung des RAG sowie die heute herrsch Ansicht; Nachweise bei Nikisch, Bd I S 712; abweichend Hueck in Anm RdA 1949, 424, und bei Hueck-Nipperdey, Bd I S 579—580 mit F N 46.
Nr 25 AngKSchG § 2 Abs 1 Getrennte Beschäftigungsabschnitte sind für die Berechnung der Voraussetzungen einer verlängerten Kündigungsfrist nach § 2 Abs 1 AngKSchG zusammenzurechnen, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht. L A G Bremen vom 18.1.1950 — Sa 70/49 — A P 50 N r 147
Nr 26 AngKSchG § 2 Abs 1 Getrennte Beschäftigungsabschnitte eines Angestellten sind dann nicht zusammenzurechnen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers derart verändert haben, daß die Zusammenrechnung für den Arbeitgeber unzumutbar erscheint. ArbG Bremerhaven vom 30. 3.1951 — Ca 13/51 — RdA 1951, 479 Hinweis: Da die Praxis nach den Umständen des einzelnen Falles entscheidet, ob zwischen den verschiedenen Beschäftigungen ein innerer Zusammenhang besteht, erscheint das auf außergewöhnlicher Sachlage beruhende Urteil des Arbeitsgerichts jedenfalls nicht abwegig.
Angestelltenkündigungsschutz
Nr 27
Rechtsnachfolge AngKSchG §2 Abs 1 1. Die Rechtsnachfolge im Sinne des §2 AngKündschG hängt nicht von der gewählten Rechtsform des Ubernahmevorganges ab, da in diesem Zusammenhang nicht die Person des Arbeitgebers, sondern der Betrieb Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist. 2. Ein Rechtsnachfolgeverhältnis kann nicht nur im Falle der Übernahme eines ganzen Unternehmens vorliegen, sondern auch beim Übergang selbständiger Betriebsteile und ggf sogar bei der Übertragung unselbständiger Betriebsteile auf ein anderes Unternehmen. 3. Ein Arbeitnehmer kann Ansprüche aus einem Rechtsnachfolgeverhältnis nur dann herleiten, wenn a) eine räumliche und organisatorisch zusammengefaßte und geschlossene Betriebseinheit übernommen worden ist, b) der Betrieb ohne wesentliche Änderung des Geschäftszwecks fortgeführt wird und c) der Arbeitnehmer selbst auf dem gleichen Arbeitsplatz weiterverwendet wird.
Annahmeverzug
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4. Eine Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz liegt nicht vor, wenn im Falle der Übernahme eines räumlich abgesonderten Betriebsteils ein Angestellter der Zentralverwaltung des ursprünglichen Gesamtunternehmens einige Zeit später ebenfalls in den Rechtsnachfolgebetrieb eintritt. Es muß vielmehr eine unmittelbare, tatsächliche und im eigentlichen Sinne arbeitsrechtliche Beziehung des Arbeitnehmers zu dem übernommenen Betriebsteil selbst vorliegen. L A G Bremen vom 7. 9.1949 — Sa 31/49 — A P 50 N r 16 mit zustimm Anm Nikisch =• DB 1949, 504 W A 1950, 5 = ARSt i n , 575 Hinweis: Ähnlich die herrsch Meinung; vgl Hueck-Nipperdey, Bd I S 578—579 mit F N 42; Nikisch, Bd I S 712—713 mwN.
Anlernverhältnis
Nr 28
Begriff — Fachhilfsarbeiter graphisches Gewerbe BGB §§ 611, 306, 612 Abs 2, 812 1. Ein Anlern Verhältnis muß auf ein festes und bestimmtes Berufsziel ausgerichtet sein. 2. Ein Anlernverhältnis, das die Ausbildung zum Fachhilfsarbeiter im graphischen Gewerbe zum Inhalt hat, ist gemäß § 306 BGB nichtig. 3. Die im Rahmen eines solchen nichtigen Anlernverhältnisses geleistete Hilfsarbeitertätigkeit ist aus dem Gesichtspunkt des faktischen Arbeitsver^ hältnisses in Verbindung mit §612 Abs 2 BGB nach den zuständigen Tarifsätzen für Hilfsarbeiter im graphischen Gewerbe zu vergüten. L A G Bremen vom 29. 7. 1959 — I Sa 60/59 — A P N r 1 zu 8 611 BGB Anlernverhältnis = BB 1959, 1103 = DB 1959, 1031 = ArbGeb 1959, 601 - ARST X X I I I , 169 = W A 1959, 264 = AfP I V , 80
Annahmeverzug
Nr 29
Böswilligkeit des Arbeitnehmers BGB §§ 615 Satz 2, 294, 295 Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß der Arbeitnehmer anderweitige Dienste zu erlangen böswillig unterlassen habe, trägt der Arbeitgeber. Dazu genügt es im allgemeinen nicht, daß sich der Arbeitgeber auf den großen Bedarf an Arbeitskräften jeglicher Art, also auf die allgemeine Arbeitsmarktlage, beruft. Wie die Erfahrungen des Arbeitslebens und namentlich der Arbeitsämter bei der Vermittlung lehren, kann die Frage der Arbeitsmöglichkeit für einen bestimmten Arbeitnehmer in aller Regel nur individuell beantwortet werden. Es kommt neben dem Berufsbild des Arbeitnehmers, seinem Alter und seinem Gesundheitszustand auf seinen Wohnort entscheidend an. L A G Bremen vom 19. 3.1963 — 2 Ta 1/63 — BB 1964, 556 = DB 1963, 903 - AuR 1963, 282, 285
Nr 30 BGB § 615 Satz 2 Die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt des A n nahmeverzuges nach § 615 BGB wegen Zurückweisung eines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers entfällt wegen böswilliger Unterlassung einer anderweitigen Verwendung der Dienste nur dann, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise die durch den Verzug des Arbeitgebers entstandene Rechtslage ausnutzt. Das Vorliegen einer Schädigungsabsicht ist zwar nicht erforderlich, doch genügt andererseits nicht schon ein bloßes Untätigbleiben des Arbeitnehmers, selbst wenn es auf Nachlässigkeit beruht, um den schweren Vorwurf eines böswilligen Handelns zu rechtfertigen. Böswilliges Handeln liegt danach nicht vor, wenn sich ein mit Rücksicht auf eine Erkrankung fristlos entlassener
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Annahmeverzug
Arbeitnehmer nach Wiederherstellung seiner Gesundheit und Zurückweisung seines Arbeitsangebots nicht sofort beim Arbeitsamt zur Vermittlung meldet, weil er auf Grund unklarer Erklärungen des Arbeitgebers zunächst noch mit einer Fortsetzung des alten Arbeitsverhältnisses rechnet. L A G Bremen vom 4.11. 1964 — 1 Sa 70/64 — DB 1965, 74 = BB 1965, 165 = AuR 1965, 151, 152 = WA 1965, 38 Hinweis: Zum Begriff der Böswilligkeit vgl grundsätzlich BAG vom 18.10. 1958 — 2 AZR 291/58 — BAG 6, 306 » A P N r 1 zu § 615 BGB Böswilligkeit — und BAG vom 18. 1. 1963 — 5 AZR 200/62 — BAG 14, 31 = AP Nr 22 zu § 615 BGB. Danach ist zur Böswilligkeit nicht die Absicht der Schadenszufügung erforderlich. Dem Arbeitnehmer muß der Vorwurf gemacht werden können, daß er während des Annahmeverzuges des Arbeitgebers trotz Kenntnis aller objektiven Umstände — Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Rechtsfolgen für den Arbeitgeber — dennoch vorsätzlich untätig geblieben ist oder die Aufnahme der Arbeit verhindert hat. Nach BAG vom 18. 6. 1965 — 5 AZR 351/64 — handelt der Arbeiter im allgemeinen nicht böswillig, wenn er während des Annahmeverzuges kein anderweitiges Dauerarbeitsverhältnis eingeht, das ihm die Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz erschweren könnte.
Annahmeverzug
Nr 31
Fristlose Kündigung: Wegfall der Arbeitsbereitschaft BGB §§ 615, 273, 293, 294, 295, 298; KSchG § 11 Abs 2 1. Eine unwirksame fristlose Kündigung kann in eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin nur dann umgedeutet werden, wenn überzeugende Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Arbeitgeber mit der fristlosen Entlassung gleichzeitig auch eine fristgemäße Kündigung hatte verbinden wollen. Die Tatsache, daß der Arbeitgeber bei der fristlosen Entlassung eine Auslauffrist in Aussicht gestellt hat, genügt hierfür nicht ohne weiteres. 2. Der Arbeitnehmer kann im Falle einer im Zusammenhang mit einer fristlosen Entlassung ausgesprochenen grundlosen Verdächtigung durch den Arbeitgeber (Vorwurf des Diebstahls) seine Dienstleistung zurückhalten, da ihm die Erfüllung der vertraglichen Pflicht zur Arbeitsleistung nicht zuzumuten ist, solange der Arbeitgeber seine Nebenpflicht nicht erfüllt, die notwendigen persönlichen Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit im Betriebe zu schaffen. I n der Zurückhaltung der Dienstleistung kann in einem solchen Falle keine Verweigerung der Arbeit erblickt werden, vielmehr gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer gegen seine fristlose Entlassung erkennbar Widerspruch erhebt. 3. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers nach § 615 BGB entfällt, wenn ein zunächst wirksam erklärtes Leistungsangebot nachträglich gegenstandslos wird. Das kann der Fall sein, wenn die Leistung unmöglich wird, aber auch dann, wenn der Arbeitnehmer nachträglich erklärt, daß er zur Leistung der von ihm geschuldeten Dienste nicht mehr bereit oder nicht mehr in der Lage sei. Der Annahmeverzug besteht nur so lange fort, als auch das Leistungsangebot des Arbeitnehmers fortbesteht. 4. Ein fristlos entlassener Arbeitnehmer kann nach ständiger Rechtsprechung den Arbeitgeber dadurch in Annahmeverzug setzen, daß er gegen seine Entlassung Widerspruch erhebt. Ein solcher Widerspruch ist auch grundsätzlich in der Erhebung der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erblicken, da in der Klageerhebung regelmäßig ein Leistungsangebot im Sinne des § 293 BGB zu erblicken ist. Es kommt jedoch stets auf die besonderen Umstände des Falles an, die für die Auslegung der mit der Klagerhebung verbundenen Erklärungen entscheidend sind. Hat der Arbeitnehmer daher unmittelbar vor oder gleichzeitig mit der Klagerhebung dem Arbeitgeber gegenüber erklärt, daß er seine Dienste nicht erbringen könne und wolle, so kann auch aus der Erhebung der Kündigungsschutzklage seine Arbeitsbereitschaft nicht entnommen werden. L A G Bremen vom 29.1.1964 — 1 Sa 88/63 — DB 1964, 337 - AuR 1964, 222 = W A 1964, 135 Hinweis: Die Revision gegen diese Entscheidung wurde durch Urteil des BAG vom 25. 3.1965 — 5 AZR 99/64 — zurückgewiesen.
Arbeitgeberstellung Annahmeverzug
189 Nr 32
Fristlose Kündigung: Zurücknahme BGB § 615 Ein Arbeitgeber, der ohne wichtigen Grund ein Arbeitsverhältnis gekündigt hat, kann zwar diese Kündigung nicht einseitig zurücknehmen, gerät jedoch nicht in Annahmeverzug (§ 615 BGB), wenn er sich sofort zur Annahme der Dienste des Arbeitnehmers bereit erklärt. Der Arbeitnehmer, der gleichwohl seine Tätigkeit einstellt, hat demgemäß keinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts. L A G Bremen vom 23. 3. 1960 — 1 Sa 5/60 — BB 1960, 664 * DB 1960, 643 = AuR 1960, 280 = SAE 1960, 53 - WA i960, 165 Hinweis: Zur Beendigung des Annahmeverzuges bei Bereitschaft des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung vgl etwa Staudinger-Nipperdey-Mohnen, § 615 Anm 24, bei nachträglicher Unmöglichkeit der Leistung oder nachträglichem Unvermögen des Arbeitnehmers: BAG vom 18. 8.1961 — 4 AZR 132/60 — AP N r 20 zu § 615 BGB. Ausnahmsweise bleibt der Annahmeverzug bei unbegründeter Entlassung trotz Bereitschaft zur Weiterbeschäftigung bestehen, wenn der Arbeitgeber nach einer grundlosen Verdächtigung des Arbeitnehmers nicht zuvor die Nebenpflicht erfüllt, die notwendigen persönlichen Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit i m Betriebe zu schaffen: So L A G Bremen vom 29.1.1964 — 1 Sa 88/63 — DB 1964, 337 - AuR 1964, 222 - WA 1964, 135 = Brem ARS N r 31.
Arbeitereigenschaft
Nr 33
Außenkontrolleur einer Gaststätte (Tanzcafé) GewO § 133 a; BGB § 622 1. Der Außenkontrolleur eines Tanzcafés, der teils im Treppenhaus, teils unmittelbar vor dem Eingang des Cafés die ganz vorwiegend jugendlichen Gäste zu begrüßen und nach Anweisung des Arbeitgebers auszulesen hat, ist auch dann nicht als gewerblicher Angestellter oder als Angestellter zur Leistung von Diensten höherer Art anzusehen, wenn er seine Aufgabe mit Menschenkenntnis und Takt zu lösen hat. Für einen gehobenen Charakter der Tätigkeit spricht auch nicht die Bekleidung dieses Arbeitnehmers (schwarze Hose, roter Sacko, weiße Wäsche mit silberfarbener Krawatte), die heute im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe ganz allgemein, selbst bei einfachen Portiers mit Arbeiterstellung, so oder ähnlich üblich ist. Der Arbeitnehmer kann sich jedenfalls dann nicht mit Erfolg auf seine verhältnismäßig hohe Vergütung von 600,— D M brutto monatlich berufen, wenn der Arbeitgeber wegen der Arbeitsmarktlage aus einem personellen Notstand heraus die über den einschlägigen Tariflöhnen liegende entsprechende Forderung des Arbeitnehmers erfüllt hat. 2. Ein entscheidendes Anzeichen für die Bewertung der Tätigkeit des Arbeitnehmers ist darin zu sehen, daß in dem räumlich geltenden Lohnund Gehaltstarif für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe Portiers in Cafés, Restaurants, Kabaretts usw mit oder ohne eigene Livree, Einlaßkarten-Kontrolleure und dergleichen als gewerbliche Arbeitnehmer in Arbeiterstellung klassifiziert werden. L A G Bremen vom 19. 8.1960 — 2 Sa 74/60 — DB 1960, 1506
Arbeitgeberstellung
Nr 34
kraft Rechtsscheins: Gesamthafenbetrieb Ein Dritter kann als Arbeitgeber in Anspruch genommen werden, wenn er sich selbst als Arbeitgeber bezeichnet und Arbeitgeberfunktionen übernimmt. Eine Haftung kraft Rechtsscheins greift jedoch grundsätzlich nur dann und nur in dem Umfange ein, als das Bedürfnis nach Schutz des Vertrauens im Rechtsverkehr eine solche Haftung nach Treu und Glauben ausnahmsweise erfordert. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer
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Arbeitgeberstellung
trotz der mißverständlichen Haltung des Dritten die wirkliche Rechtslage von vornherein gekannt hat und einem Irrtum über die Person seines Arbeitgebers nicht unterlegen ist. L A G Bremen vom 27.1. 1960 — I Sa 74/59 — D B i960, 296 «= ARSt X X I V , 86 Hinweis: Die Entscheidung erging i m Anschluß an BGH vom 11. 3.1955 — I ZR 82/53 — BGHZ 17, 13 in dem Rechtsstreit eines Gesamthafenarbeiters gegen 1. den Gesamthafenbetrieb Bremen, 2. den Hafenbetrlebsverein in Bremen eV, der vor der Gründung des besonderen Gesamthafenbetriebes Bremen eV als Verwaltungsträger des nach dem Gesamthafenbetriebsgesetz vom 3. 8. 1950 (BGBl I S 352) gebildeten Gesamthafenbetriebes Bremen wirkte. — Das RAG vom 30. 9. 1936 — 26/36 — ARS 28, 299 — hatte einen Schutz des guten Glaubens hinsichtlich der Arbeitgebereigenschaft grundsätzlich abgelehnt, Ausnahmen aber unter besonderen Umständen zugelassen, insbesondere wenn ein Arbeitgeber das Hauptgeschäft veräußert und nur seine Filiale fortführt, ohne den Angestellten der Filiale die veränderte Rechtslage mitzuteilen.
Arbeitgeberstellung
Nr 35
kraft Rechtsscheins: Vorgesellschaft HGB §§ 24, 25; BGB § 242 Ein Arbeitnehmer kann unter Berufung auf den Rechtsschein Ansprüche aus dem Arbeitsvertrage auch gegen solche Personen geltend machen, die ohne Gesellschafter eines Unternehmens oder Mitinhaber eines Betriebs zu sein, nach außen hin diesen Anschein erweckt haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine zur Übernahme des Betriebs gegründete Gesellschaft oder Vorgesellschaft infolge fehlerhafter Rechtsgrundlagen im Innenverhältnis der Gesellschafter nicht zur Entstehung gelangt, soweit der Sachverhalt dem betroffenen Arbeitnehmer nicht selbst bekannt ist. L A G Bremen vom 19. 3.1952 — Sa 84/51 — A P 53 N r 209 mit krit Anm Latenz — RdA 1952, 358 «= DB 1952, 491 = SAE 1952, 33 = W A 1952, 232
Arbeitnehmer
Nr 36
Begriff ArbGG § 5 Die tatsächliche Gestaltung der Dienstleistung ist entscheidend dafür, ob ein abhängiges Arbeitsverhältnis vorliegt. Dabei kommt es wesentlich auch auf die wirtschaftliche Selbständigkeit oder Abhängigkeit an. L A G Bremen vom 26. 10. 1955 — Sa 113/55 — A P N r 3 zu § 5 ArbGG 1953 mit zustimm Anm Hueck = DB 1956, 1111 - ARSt X V I I , 130 Hinweis: Nach allgem Meinung kommt es für die Arbeitnehmereigenschaft auf die persönliche Abhängigkeit, also darauf ausschlaggebend an, ob der Dienstverpflichtete in erheblichem Maße (im wesentlichen) weisungsgebunden ist: BAQ vom 7. 2.1957 — 2 AZR 440/54 — A P N r 18 zu § 611 BGB Urlaubsrecht mit zustimm Anm Dersch — und vom 19. 5. 1960 — 2 A Z R 197/58 — A P N r 7 zu 8 5 ArbGG 1953 mit zustimm A n m Nikisch; Hueck-Nipperdey, Bd I S 41—46 mwN. Die wirtschaftliche Unselbständigkeit ist nicht für die Arbeitnehmereigenschaft, sondern für die Rechtsstellung als arbeitnehmerähnliche Person iS von 8 5 Abs 1 Satz 2 ArbGG und von § 2 Satz 2 BUrlG entscheidendes Merkmal.
Arbeitnehmer
Nr 37
mit Prokura BetrVG § 4, § 76 1. Der Arbeitnehmerbegriff in § 76 Abs 2 Satz 2 und 3 BetrVG deckt sich mit dem Arbeitnehmerbegriff in § 4 BetrVG. 2. Prokuraerteilung allein schließt die Arbeitnehmereigenschaft gemäß §4 Abs 2 Buchst c BetrVG nicht unter allen Umständen aus. Zu §4 Abs 2 Buchst c BetrVG gehört nur diejenige Kategorie von Angestellten, die einerseits leitende Angestellte sind und andererseits Prokura erhalten haben oder eines der anderen qualifizierenden Merkmale des § 4 Abs 2 c BetrVG erfüllen. L A G Bremen vom 15. 7.1959 — I SaB 1/59 — A P N r 9 zu 8 76 BetrVG - RdA 1961, 44 - DB 1959, 1116 - WA 1959, 257
Arbeitnehmerähnliche Person
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Arbeitnehmer i m Aufsichtsrat einer A G Wahl für den dritten und die weiteren Arbeitnehmersitze BetrVG §§ 76, 4, 77, 84, 87; WahlO z BetrVG § 32; AktG GG Art 80
Nr 38 §§ 80, 86, 90 aF;
Dort, wo es sich um die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern handelt, die nicht „Arbeitnehmervertreter in einem Betrieb des Unternehmens" sein müssen, d h bei allen Vertretern der Anteilseigner und denjenigen Vertretern der Arbeitnehmer, die für den dritten und die weiteren Arbeitnehmersitze im Aufsichtsrat kandidieren, ist für den Ausschluß der Wählbarkeit ausschließlich § 90 Abs 1 in Verbindung mit § 80 Abs 1 Satz 2 und § 86 A k t G maßgebend, und auch bei der Prüfung der Wählbarkeit der Bewerber um den ersten und zweiten Arbeitnehmersitz im Aufsichtsrat müssen diese Vorschriften zusätzlich berücksichtigt werden. L A G Bremen vom 15. 7. 1959 — I SaB 1/59 — A P N r 9 zu 8 76 BetrVG - RdA 1961, 44 « DB 1959, 1115 = W A 1959, 257
Arbeitnehmerähnliche Person
Nr 39
Handelsvertreter HGB § 1 Nr 7, §§ 4, 84 a F; ArbGG § 5 Abs 1 Satz 2 1. Wirtschaftlich schwache Handelsvertreter, die im Sinne des § 4 H G B Minderkaufleute sind und deren Gewerbebetrieb über den Umfang des Kleingewerbes nicht hinausgeht, werden regelmäßig als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sein, insbesondere dann, wenn sie selbst keine eigene Handelsniederlassung haben und ohne eigenes Betriebskapital sowie ohne eine nennenswerte kaufmännische Organisation ihre Tätigkeit ausüben. 2. Ein Handelsvertreter kann trotz seiner Eigenschaft als selbständiger Agent nach § 84 H G B als arbeitnehmerähnliche Person zu betrachten sein, wenn er seine Tätigkeit auf der untersten Sprosse einer umfangreichen Vertriebsorganisation zum Verkauf von Gebrauchsartikeln an die unmittelbaren Verbraucher ausübt. Dies gilt insbesondere dann, wenn er mit anderen Untervertretern gemeinsam in einer sogenannten Kolonne arbeitet, da sich aus der Art und Weise dieser Beschäftigung ergibt, daß der Vertreter seiner sozialen und wirtschaftlichen Stellung nach wirtschaftlich völlig von seinem Auftraggeber abhängig ist. L A G Bremen vom 10. 10. 1951 — Sa 65/51 — BB 1952, 405 = WA 1952, 336 Hinweis: Die Entscheidung erging vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des HGB vom 6. 8.1953 (HVG), das nach Art 3 die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auf Rechtsstreitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis solcher Einfirmenvertreter iS des 8 92 a HGB beschränkt, die während der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Dauer während dieser im Durchschnitt nicht mehr als 500,— D M an Vergütung einschl Provision und Aufwendungsersatz verdient haben. Für den Urlaubsanspruch nach 8 2 BUrlG ist der allgemeine Begriff des arbeitnehmerähnlichen Handelsvertreters jedoch noch von Bedeutung.
Arbeitnehmerähnliche Person
Nr 40
Kopfschlächter ArbGG 1926 § 5 1. Arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 5 ArbGG sind persönlich selbständig, aber wirtschaftlich abhängig. 2. Die Kopfschlächter auf dem Schlachthof der Stadt Bremen sind arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 5 ArbGG. R A G vom 8.1.1936 — 235/1935 — ARS 27, 326 mit zustimm Anm Dersdi
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Arbeitnehmerähnliche Person
Arbeitnehmerähnliche Person
Nr 41
Versicherungs-Bezir'ksdirektor ArbGG 1926 § 5 1. Für die Frage, ob ein Agent arbeitnehmerähnliche Person ist und damit der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts unterfällt, ist der Umstand, daß die Bezahlung nicht durch Gehalt, sondern durch Provision erfolgt, keineswegs entscheidend. Wohl aber ist für die Entscheidung dieser Frage der Grad der Abhängigkeit des Agenten von der von ihm vertretenen Firma, der Grad der Abhängigkeit im geschäftlichen Handeln und die Höhe der erzielten Umsätze, die Beschäftigung und Einstellung von unterstelltem Personal, das Ausmaß der persönlichen Beschränkung und Betätigung nur für ein oder mehrere Unternehmen von Bedeutung. 2. Der Bezirksdirektor einer Versicherungsgesellschaft, der im allgemeinen freie Hand hat und nur bei Vereinbarungen mit den Berufsorganen und Provisionsvertretern der Genehmigung seiner Gesellschaft bedarf, im übrigen die volle Verantwortung wie auch die Zahlung für dieses Personal und das volle wirtschaftliche Risiko für dessen Tätigkeit hat, ist keine arbeitnehmerähnliche Person, auch wenn ihm die Pflicht zur monatlichen Abrechnung und Überweisung der Kassenbestände obliegt, der Gesellschaft ein Revisionsrecht ihm gegenüber zusteht und er eine Verpflichtung zur Kautionsstellung hat. 3. Hat ein Arbeitsgericht zu Unrecht seine sachliche Zuständigkeit in einem Rechtsstreit zwischen einer Versicherungsgesellschaft und ihrem Bezirksdirektor angenommen, so muß das Landesarbeitsgericht unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils auf Antrag den Rechtsstreit sofort an die zuständige Kammer für Handelssachen des Landgerichts verweisen. L A G Bremen vom 15. 8.1929 — 39/29 — ArbRspr 1929, 368
Arbeitnehmereigenschaft
Nr 42
Artist GewO §§ 124 a, 33 a Nach der Verkehrsauffassung sind Artisten, deren im Vordergrund der Engagementsvertrages stehende Darbietungen ebenso wie der Betrieb des Arbeitgebers keinem höheren Kunstinteresse dienen, als — persönlich abhängige — Arbeitnehmer anzusehen, insbesondere wenn sie in das Programm und in den Betrieb des Arbeitgebers während der ganzen Öffnungszeit vollständig eingeordnet und verpflichtet sind, den Weisungen des A r beitgebers auch hinsichtlich der einzelnen Darbietungen zu folgen, selbst wenn solche Weisungen, vor allem pflichtwidrig, tatsächlich nicht gegeben werden. Das gilt um so mehr, wenn noch dazu im Engagementsvertrag auf den mit der Internationalen Artistenloge abgeschlossenen Tarifvertrag Bezug genommen wird. L A G Bremen vom 8. 9.1964 — 2 Sa 40/64 — AuR 1965, 151
Arbeitnehmereigenschaft
Nr 43
Büfettier GewGG § 3 1. Der Büfettier, der das Büfett einer Gaststätte auf eigene Rechnung hat, die Getränke und Zigarren zu bestimmten Preisen vom Gastwirt bezieht und sie ebenfalls zu bestimmten Preisen an die Gäste verkauft, ist Gewerbegehilfe, nicht aber selbständiger Gewerbetreibender. 2. Das gilt auch dann, wenn der Verdienst des Büfettiers allein in der Differenz zwischen den Übernahme- und Verkaufspreisen und dem Mehr
Arbeitnehmereigenschaft
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besteht, das sich beim glasweisen Ausschenken der vom Gastwirt in Fässern oder Flaschen bezogenen Getränke ergibt. Die Vereinbarung eines festen Lohnes ist für das Vorliegen eines gewerblichen Arbeitsverhältnisses nicht erforderlich. LG Bremen vom 12. 6.1911 — GewuKfmG 1911/12, 91 Hinweis: Dem § 3 GewGG entspricht heute in etwa 8 5 ArbGG.
Arbeitnehmereigenschaft
Nr 44
Diakonisse ArbGG 1953 § 5 1. Entgegen der früheren Feststellung des Reichsarbeitsgerichts (ARS 12, 450) ist die eingesegnete Diakonisse einer evangelischen Diakonissenanstalt weder Arbeitnehmerin noch als arbeitnehmerähnliche Person anzusprechen. 2. Das Arbeitsgericht ist deswegen für Rechtsstreitigkeiten einer Diakonisse und ihrer Anstalt sachlich nicht zuständig. ArbG Bremen vom 31. 5.1956 — I Ca 578—9/55 — AP N r 4 zu 9 5 ArbGG 1953 = W A 1956, 294 Hinweis: Ebenso für die Schwestern vom Roten Kreuz BAG vom 18. 2.1956 — 2 AZR 294/54 — AP Nr 1 zu 8 5 ArbGG 1953 mit krit Anm Herschel, der vor Verallgemeinerung des Urteils warnt.
Arbeitnehmereigenschaft
Nr 45
Versicherungsinspektor KfmGG § 5; HGB § 59 1. Ein von einem Lebens Versicherungsunternehmen als Versicherungsinspektor angestellter, hauptsächlich mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen beschäftigter Mitarbeiter ist Handlungsgehilfe und nicht selbständiger Versicherungsagent, wenn er insbesondere vertraglich verpflichtet ist, Reisen nur nach den ihm erteilten Aufträgen und genauen Weisungen auszuführen, an jedem Tage der Reise dem Vorstande oder der Subdirektion zu berichten und seine Anschrift aufzugeben und auf Aufforderung des Vorstandes jederzeit im Büro des Unternehmens zu erscheinen, wenn er seine Tätigkeit ausschließlich dem Unternehmen zu widmen hat und wenn ihm ein monatliches Mindesteinkommen aus Provisionen garantiert ist. 2. Auf die Bezeichnung als Versicherungsinspektor kommt es nicht entscheidend an, wenn dem Mitarbeiter nicht auch die Tätigkeit eines solchen (Überwachung der unteren Organe oder Verhandlung mit den Versicherungsnehmern nach Eintritt des Versicherungsfalles) übertragen ist. L G Bremen vom 15. 2.1910 — GewuKfmG 1909/10, 206 Hinweis: Die Entscheidung entspricht in etwa der Begriffsbestimmung des Handelsund Versicherungsvertreters in 8 84 Abs 1 in Verb mit 8 92 Abs 1 und des Angestellten in 8 84 Abs 2 HGB idF des H V G vom 6. 8. 1953 (BGBl I S 771), wonach für die persönliche Selbständigkeit oder Unselbständigkeit auf die Freiheit oder Bindung in der Tätigkeitsgestaltung und Arbeitszeitbestimmung, also auf die Weisungsfreiheit oder -gebundenheit abgehoben wird. Dazu BSG vom 28.10.1960 — 3 R K 13/56 — BSGE 13, 130 = A P N r 1 zu 8 165 RVO = Sgb 1961, 249 (Strikte Weisungsgebundenheit und ausgedehnte Berichtspflicht: Mindestens 20 Berichtskarten im Monat mit Datum des Arbeitstages und Poststempel des Arbeitsortes!); Schlegelberger-Schröder, 8 84 Anm 6; Trinkhaus, Bd I S 42—64; derselbe, RdA 1958, 11—16 mwN. Daß es nicht auf die von den Parteien gewählten Bezeichnungen, sondern auf die tatsächliche Gestaltung des Vertragsverhältnisses entscheidend ankommt, ist allgemein anerkannt; vgl nur BAG vom 7.12.1957 — 2 AZR 440/54 — AP N r 18 zu 8 611 BGB Urlaubsrecht mit zustimm Anm Dersch; L A G Bremen vom 26.10.1955 — Sa 113/55 = Brem ARS N r 36. Dagegen dürfte das Angewiesensein nur auf Provision von geringerer Bedeutung sein, da auch die Vergütung des Handlungsgehilfen nach 8 65 HGB allein darin bestehen kann. — Nach Art 3 H V G gelten allerdings nur solche Handels- und Versicherungsvertreter als Arbeitnehmer iS von 8 5 ArbGG, wenn ihnen ebenso wie den in 8 92 a HGB genannten Einfirmenvertretern rechtlich oder faktisch eine Tätigkeit für andere Unternehmer unmöglich ist und wenn sie während der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses, 13
Trinkhaus
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Arbeitnehmererfindung
bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 500,— D M auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschl Provision und Aufwendungsersatz bezogen haben. So speziell für Versicherungsvertreter BAG vom 15. 7. 1961 — 5 A Z H 472/60 — A P N r 1 zu § 92 a HGB. Nach BAG vom 21. 1. 1966 — 3 AZR 183/65 — AP Nr 2 zu § 92 HGB sind bei der Entscheidung der Frage, ob der für eine Versicherungsgesellschaft arbeitende Versicherungsvermittler selbständiger Versicherungsvertreter oder Angestellter ist, alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Dabei kommt der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses wesentliche Bedeutung zu. Anknüpfungspunkte für die Selbständigkeit eines Versicherungsvermittlers sind (im Anschluß an Trinkhaus, Bd I S 46 ff) seine Weisungsfreiheit, seine Freiheit im Einsatz der Arbeitskraft, das eigene Unternehmen und das eigene Unternehmerrisiko. Es genügt, wenn diese Voraussetzungen im wesentlichen erfüllt sind. Dazu Trinkhäus, AuR 1966, 236.
Arbeitnehmererfindung
N r 46
bei unbeschränkter Inanspruchnahme: Fallenlassen durch ArbeitgeberVergütung ArbNErfG §§9, 10 Abs 2, 16, 43 Abs 1; RL 1959 Nr 14 und 15; DVP 1943 § 4 Abs 2, §§ 5, 7; PatG §§ 30 Abs 1, 31; BVFG §§ 82, 87 Abs 1; BGB §§ 133, 157, 242, 823 Abs 2 1. Die Rückwirkungsklausel des §43 Abs 1 ArbNErfG erstreckt sich nach dem Wortlaut des Gesetzes zwar nur auf patentfähige Übergangserfindungen. Entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes genügt es jedoch, wenn der Arbeitgeber die Erfindung als vermeintlich patentfähig für sich in A n spruch genommen hat. 2. Verwertet der Arbeitgeber eine von ihm unbeschränkt in Anspruch genommene Diensterfindung vor der Patenterteilung, dann ist es ihm in unserer von Treu und Glauben beherrschten Rechtsordnung verwehrt, sich auf die Nichtpatentfähigkeit der Erfindung zu berufen. Das gilt insbesondere dann, wenn sich der Arbeitgeber vor Eintritt eines auch nur einstweiligen Patentschutzes nach § 30 Abs 1 Satz 2 PatG gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber potentiellen Verletzern und Kunden, auf eine erfolgte Patentanmeldung und sein tatsächliches Monopol beruft, wenn er Lizenzen anbietet und vergibt und dergleichen mehr. 3. Läßt der Arbeitgeber die Patentanmeldung einer von ihm unbeschränkt in Anspruch genommenen Diensterfindung ohne vorherige Mitteilung an den Arbeitnehmer und ohne dessen Zustimmung schuldhaft und rechtswidrig fallen, so daß eine patentamtliche Entscheidung über die Patentfähigkeit ausgeschlossen ist, dann ist dem Arbeitgeber entsprechend § 10 Abs 2 ArbNErfG der Einwand der mangelnden Patentfähigkeit der Diensterfindung verwehrt. Anstelle des mit dem Fallenlassen der Patentanmeldung erloschenen Vergütungsanspruchs steht dem Arbeitnehmer dann ein Schadensersatzanspruch nach Vergütungsgrundsätzen zu (§ 823 Abs 2 BGB in Verb mit § 7 D V O 1943 = § 16 ArbNErfG). 4. Unter der Voraussetzung der Patentfähigkeit kommt es für die Fälligkeit der Ansprüche auf Erfindervergütung auf Art, Umfang und Erträgnisse einer tatsächlichen Verwertung der Diensterfindung entscheidend an. Bei außerbetrieblicher Nutzung durch Vergabe von Lizenzen mit entsprechenden Erträgnissen wird, wenn die Gesichtspunkte des Anteilsfaktors im wesentlichen geklärt sind, die Fälligkeit der Vergütung alsbald angenommen werden dürfen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Vergütung von vornherein in partiarischer Form vorgesehen ist und bei außerbetrieblicher Nutzung durch Lizenzvergabe in erster Linie in Frage kommt. 5. Vor der Vertreibung begründeten Teilansprüchen auf laufende Erfindervergütung auf Grund außerbetrieblicher Nutzung durch Lizenzvergabe steht § 82 B V F G jedenfalls dann entgegen, wenn die entsprechenden Lizenzerträgnisse des Arbeitgebers mit der Vertreibung verloren gegangen sind (§ 87 Abs 1 N r 1 BVFG). Auch ist eine Erfindervergütung nicht als
Arbeitsbescheinigung
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Lohn oder Gehalt i S von § 87 Abs 1 N r 3 B V F G anzusehen, wenn sie einmalig oder in größeren Abständen (wenn auch laufend) zu leisten ist. 6. Der Erfindungswert einer Diensterfindung kann auch dann nach oder entsprechend R L 1959 Nr 14 und 15 berechnet werden, wenn der Arbeitgeber die Rechte an der Diensterfindung zwecks außerbetrieblicher Nutzung auf eine Patentverwertungsgesellschaft übertragen hat, aus der er laufend lizenzähnliche Gewinne zieht. 7. Es ist dem Arbeitgeber nicht anzulasten, wenn er von Auslandsanmeldungen einer gegen Ende des zweiten Weltkrieges unbeschränkt in Anspruch genommenen Diensterfindung Abstand genommen hat, nachdem die Patentanmeldung in den sog FIAT-Berichten der Alliierten veröffentlicht worden war. 8. A n einen stillschweigenden Verzicht auf entstandene Ansprüche auf Erfindungsvergütung ist ebenso wie an die Verwirkung solcher Ansprüche ein strenger Maßstab anzulegen. L A G Bremen vom 16. 2. 1965 — I I Sa 85/55, 2 Sa 104/61 — DB 1965, 635 = AuR 1965, 221 Hinweis: I n der Revisionsinstanz haben sich die Parteien verglichen. — Wie LS 1 BGH vom 28. 6. 1962 — 1 ZR 28/61 — BGHZ 37, 281 = A P Nr 2 zu § 12 ArbNErfG; wie LS 2 B G H vom 2. 12. 1960 — 1 ZR 23/59 — A P Nr 1 zu § 12 ArbNErfG = L M Nr 1 zu § 12 ArbEG; Volmer, BB 1964, 1226—1227; derselbe, ArbNErfG, § 2 Anm 18; wie LS 3 Volmer, ArbNErfG, § 10 Anm 14—15. Ebenso wie LS 4 BGH vom 2.12.1960 und vom 28. 6.1962 (aaO); Volmer, ArbNErfG, Einl 77—78, § 12 Anm 2; derselbe Anm zu A P Nr 2 zu § 12 ArbNErfG; ähnlich Friedrich, GRUR 1962, 26—27. Zu LS 6 vgl Reimer-Schade-Schippel, ArbNErfG, 3. Aufl, § 11, RL Nr 16 Anm 2. Ahnlich wie LS 8 Riemschneider-Barth, Gefolgschaftserfindung, 2. Aufl (1944) S 121; Reimer-Schade-Schippel, § 9 Anm 30; Volmer, § 9 Anm 50; ebenso zur Verwirkung des Rechts auf Inanspruchnahme BGH vom 24.11. 1961 — I ZR 156/59 — A P N r 1 zu § 5 ArbNErfG = L M Nr 2 zu DVO/ArbNErfindungsVO.
Arbeitsbescheinigung
Nr 47
Anspruch — Rechtsweg AVAVG §170 Abs 2 aF 1. Nach § 170 Abs 2 A V A V G kann der Arbeitnehmer auf Ausstellung einer Bescheinigung klagen. Für die Klage ist das Arbeitsgericht zuständig. 2. Erhält der Arbeitnehmer eine unvollständige Bescheinigung, so ist auch eine Klage auf Ergänzung der Bescheinigung durchaus möglich, da in diesem Fall der Arbeitgeber seine Pflicht auf Ausstellung der Bescheinigung nur zum Teil erfüllt hat. 3. Händigt der Arbeitgeber aber eine vollständig ausgefüllte Bescheinigung aus, d h eine solche, in der angegeben ist, ob der Arbeitnehmer entlassen worden ist oder selbst die Arbeit eingestellt hat, so hat er die ihm nach § 170 Abs 2 A V A V G obliegende Verpflichtung erfüllt, da diese Bestimmung ihn nur verpflichtet, den Lösungsgrund anzugeben. Ein privatrechtlicher A n spruch auf Berichtigung von tatsächlichen Angaben ist zu verneinen. Inwieweit diese Angaben zutreffend sind, unterliegt lediglich der Prüfung durch die Instanz im Unterstützungsprozeß. ArbG Bremen vom 22. 10. 1928 — 727/28 — SAE 1929, 345 Hinweis: Abweichend hinsichtlich des Anspruchs auf Berichtigung einer unrichtigen Bescheinigung L A G Kiel vom 16. 3. 1956 — 2 Sa 21/56 — BB 1956, 623 «= DB 1956, 750 gegen die wohl herrsch Meinung: Hueck-Nipperdey, Bd I S 470 m w N in F N 51.
Arbeitsbescheinigung
Nr 48
Änderung AVAVG
§ 170 Abs 2 aF
Der Arbeitnehmer kann auf Abänderung einer Arbeitsbescheinigung aus § 170 A V A V G klagen, wenn er ein rechtliches Interesse an der Abänderung hat. Ein solches liegt nicht vor, wenn ein Grund für die Lösung des Arbeits-
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Arbeitsgerichtliches Verfahren
Verhältnisses angegeben ist, der eine Versagung der Arbeitslosenunterstützung nach § 93 A V A V G nicht rechtfertigt. ArbG Bremen vom 9. 11. 1927 — K A 246, Arbeitsbescheinigung, Einzelf. Hinweis: § 170 Abs 2 aF entspricht jetzt § 174 Abs 2 A V A V G nF — Die Entscheidung deckt sich auch heute noch mit der herrsch Lehre, obwohl auch eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Ausstellung der Arbeitsbescheinigung besteht; vgl Hueck-Nipperdey, Bd I S. 470 mwN.
Arbeitsgerichtliches Verfahren
Nr 49
Verhandlungsmaxime Die Verhandlungsmaxime gilt auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren, bezieht sich aber lediglich auf die Feststellung des Tatsachenstoffes. Erklärungen der Parteien über die Gültigkeit oder das Außerkrafttreten eines Tarifvertrages betreffen jedoch eine Frage der Rechtsanwendung, in der der Richter vom Parteivorbringen unabhängig ist. L A G Bremen vom 11. 8. 1954 — Sa 18/54 — DB 1954, 803 = WA 1954, 318; 1955, 8
Arbeitspapiere
Nr 50
Zurückbehaltung bei Arbeitsvertragsbruch BGB §§ 242, 273, 611 Der Arbeitnehmer, der seine Dienstleistung trotz des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses vertragsbrüchig verweigert, kann bis zur rechtswirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Herausgabe seiner Arbeitspapiere unter Berufung auf die Schutz- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht geltend machen, da der Arbeitgeber aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht verpflichtet ist, dem Vertragsbrüchigen Arbeitnehmer die anderweitige Verwertung seiner Arbeitsleistung zu erleichtern. Er kann nicht gezwungen werden, seinen gesetzlichen Anspruch auf Erfüllung der Arbeitspflicht aufzugeben, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht, darf allerdings auch in einem solchen Falle sein Recht zum Besitz der Arbeitspapiere nur schonend ausüben. Es bleibt daher unentschieden, ob der Arbeitgeber unter besonderen Umständen auch während des Fortbestandes eines Arbeitsverhältnisses verpflichtet sein kann, dem Arbeitnehmer die Steuerkarte und die Invalidenkarte herauszugeben. L A G Bremen vom 11. 12. 1963 — 1 Sa 85/63 — DB 1964, 189 = AuR 1964, 124 = WA 1964, 74 Hinweis: Die überwieg Ansicht verneint ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Vgl Gros, AR-Blattei, Arbeitspapiere I, E I I 3 b mwN. Soweit die Aushändigung ausschließlich gefordert wird, damit sie zur Durchsetzung des Arbeitsvertragsbruchs einem anderen Arbeitgeber vorgelegt werden können, ist das aber nicht unbedenklich.
Arbeitspflicht
Nr 51
Art der Tätigkeit: Verkäufer HGB § 59 Der Verkäufer in einem Manufakturwarengeschäft ist nicht verpflichtet, alte Betten zu reinigen. KfmG Bremen vom 15. 5. 1911 — KfmG 1910/11, 214 Hinweis: Vgl auch L A G Bremen vom 20. 9. 1950 — Sa 39/50 — BremARS Nr 160.
Arbeits- und Gesellschaftsverhältnis
Nr 52
Abgrenzung ArbGG § 2; BGB §§ 611, 705, 706 Abs 3 Für die Beantwortung der Frage, ob ein Gesellschaftsverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt, kommt es jeweils auf die Umstände des einzel-
Arbeitsunfähigkeit
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nen Falles an. Entscheidend ist, ob der eine Vertragspartner dem anderen gegenüber weisungsberechtigt ist und damit die Stellung des Prinzipals bzw des Arbeitgebers einnimmt, während der andere Vertragspartner in persönlicher Abhängigkeit Dienste gegen Entgelt leistet. L A G Bremen vom 29. 3. 1957 — I I Sa 5/57 — A P N r 1 zu § 611 BGB Arbeits- und Gesellschaftsverhältnis mit zustimm Anm Götz Hueck = DB 1957, 407 = RdA 1958, 77
Arbeitsunfähigkeit
Nr 53
Begriff — Wiederholte Erkrankung ArbKrankhG § 1 1. Voraussetzung für den Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß ist nicht der Bezug des für die ersten sechs Wochen erhöhten Krankengeldes, sondern der Bezug von Krankengeld schlechthin. 2. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 1 Abs 1 Satz 1 des Arbeiterkrankheitsgesetzes ist bei zwei zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen nicht nach sozialversicherungsrechtlichen, sondern nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob es sich bei den zwei Erkrankungen um einen einheitlichen Versicherungsfall gehandelt hat, ob insbesondere nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Anschluß an die erste Erkrankung noch Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat. 3. Es ist darauf abzustellen, ob praktisch eine Ausheilung nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit anzunehmen ist, weil der Arbeiter zwischen den beiden Erkrankungen im Sinne des Arbeitslebens längere Zeit die völlige Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hatte, wenn auch das Leiden vom medizinischen Standpunkt aus nicht völlig ausgeheilt war. L A G Bremen vom 13. 5. 1959 — I I Sa 117/58 — BB 1959, 992 = DB 1959, 951 « ARSt X X I I I , 26, 29 =« W A 1959, 277 Hinweis: Ebenso BAG vom 17. 3. 1960 — 2 AZR 471/58 - AP N r 15 zu § 1 ArbKrankhG BAG vom 16. 9. 1961 — 1 AZR 123/60 — A P N r 34 zu § 1 ArbKrankhG. Das BAG fordert jedoch, daß der Arbeiter bei wiederholter Erkrankung an einem medizinisch nicht ausgeheilten Grundleiden in der Zwischenzeit länger als 6 Monate voll gearbeitet hat.
Arbeitsunfähigkeit
Nr 54
Nachweis durch ärztliches Zeugnis GewO § 123 Abs 1 Nr 3 1. Es besteht kein Gewohnheitsrecht, daß der Arbeitnehmer im Falle seiner Erkrankung innerhalb von drei Tagen unaufgefordert ein ärztliches Zeugnis beizubringen hat. 2. Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit braucht an den Arbeitgeber nicht als Einschreibebrief abgesandt zu werden. ArbG Bremen vom 30. 4. 1959 — I Ca 147/59 — DB 1959, 836 = W A 1959, 207 Hinweis: Das ArbG lehnt die Ansicht des L A G Düsseldorf vom 11. 1. 1957 — 4 Sa 514/56 — DB 1957, 432 zu Recht ab; zustimmend, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist und soweit es sich nicht um eine kürzere Erkrankung handelt, Schelp-Trieschmann, S 23. Nach der ganz überwiegenden Meinung (Hessel , S 20; Hueck-Nipperdey, Bd I S 337 F N 63; Nikisch, Bd I S 620; Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 616 Anm 32; Stauding er-Nipperdey-Mohnen, § 616 Anm 26; L A G Mannheim vom 26. 4. 1954 — Sa 210/53 — A P 54 Nr 165) ist der Arbeitnehmer ohne entsprechende Vereinbarung zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses nur auf berechtigtes Verlangen des Arbeitgebers, namentlich bei Erkrankungen von längerer Dauer oder bei berechtigten Zweifeln an der Krankmeldung, verpflichtet.
Arbeitsunfähigkeit
Nr 55
Verschulden: Begriff ArbKrankhG § 1 Abs 1, § 2 Abs 2, §§ 3 und 4 a F Eine die Leistungspflicht des Arbeitgebers nach § 1 ArbKrankhG, § 616 BGB oder § 63 HGB ausschließende Schuld des Arbeitnehmers liegt nur vor, wenn
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Arbeitsunfähigkeit
letzterer seine gesundheitliche Beschädigung oder Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich oder doch grob leichtfertig herbeigeführt hat. Dies gilt auch dann, wenn es sich um einen Unfall bei der betrieblichen Arbeit selbst, also nicht außerhalb des Dienstes handelt. L A G Bremen vom 9. 6. 1961 — 1 Sa 137/60 — DB 1961, 1070 - AuR 1961, 380 = WA 1961, 224 Hinweis: Der Verschuldungsbegriff IS des $ 616 BGB, 5 63 HGB, 9 133 c GewO und $ 1 ArbKrankhG ist im einzelnen, namentlich dogmatisch, umstritten; vgl Soergel-SiebertWlotzke-Volze, § 616 Anm 15—24, 64 mwN. Abweichend von der wohl noch überwiegenden Auffassung des Verschuldens als eines Verschuldens gegen sich selbst, also eines — leichtfertigen oder gegen die guten Sitten verstoßenden — Verhaltens, das ein verständiger Mensch schon im eigenen Interesse unterläßt, wird zunehmend darauf abgestellt, ob das die Krankheit oder den Unfall herbeiführende Verhalten des Arbeitnehmers derart war, daß eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers gegen die Treupflicht des Arbeitnehmers verstoßen würde; dazu wird — im Einklang mit der Haftungsbeschränkung bei schadensgeneigter Arbeit — ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten gefordert; vgl Hueck-Nlpperdey, Bd I S 332—333; ähnlich Nikisch, Bd I S 615; BAG vom 21. 1. 1960 — 2 AZR 523/58 — A P Nr 13 zu § 1 ArbKrankhG — und vom 5. 4. 1962 — 2 AZR 182/61 — AP Nr 28 zu § 63 HGB. Wenn auch zwischen den verschiedenen Ansichten im Ergebnis kein erheblicher Unterschied besteht, so würde doch die Entscheidung nach der neueren, auf den Treugedanken abstellenden Ansicht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles getroffen werden können. Gerade für die Beurteilung eines Verschuldens an einem Arbeitsunfall würde dies von Vorteil sein.
Arbeitsunfähigkeit Verschulden: Sportunfall ArbKrankhG § 1 Abs l y§2
Nr 56 Abs 2, § 3 und
§4nF
Den Arbeiter trifft dann kein Verschulden an seiner Arbeitsunfähigkeit, wenn sie bei der Ausübung des Schisports in einer die Leistungsfähigkeit des Arbeiters nicht wesentlich übersteigenden Art und Weise eingetreten ist, insbesondere ein leichtsinniges, waghalsiges Verhalten nicht festgestellt werden kann. L A G Bremen vom 20. 8. 1963 — 2 Sa 53/63 — DB 1963, 1610 = BB 1964, 220 = WA 1963, 332 = AuR 1964, 89 Hinweis: Ähnlich BAG vom 30. 5. 1958 — 2 AZR 451/55 — BAG 5, 307 = A P N r 5 zu § 63 HGB; speziell für das ArbKrankhG BAG vom 21. 1. 1960 — 2 AZR 523/58 — A P Nr 13 zu S 1 ArbKrankhG.
Arbeitsunfähigkeit
Nr 57
Vertrauensärztliche Untersuchung BGB § 626 1. Ein erkrankter Arbeitnehmer ist im allgemeinen nicht verpflichtet, sich durch einen Vertrauensarzt des Arbeitgebers untersuchen zu lassen, sondern braucht bei längerer Erkrankung lediglich die Bescheinigung eines Arztes seiner Wahl vorzulegen. Angaben über die Ursachen der Krankheit sind nur bei wiederholten gleichartigen Erkrankungen erforderlich. 2. Der Arbeitgeber kann von dem erkrankten Arbeitnehmer im allgemeinen nicht verlangen, daß er sich von einem Vertrauensarzt des Arbeitgebers untersuchen läßt. Das Verlangen kann aber dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, daß über die Arbeitsfähigkeit hinaus bestimmte körperliche Eigenschaften des Arbeitnehmers (z B Kraftfahrtauglichkeit) festgestellt werden, die für die Ausführung seiner Arbeit von Bedeutung sind. Der Arbeitnehmer braucht den Vertrauensarzt des Arbeitgebers aber auch in diesem Falle nur insoweit von seiner ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, als es sich um die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit handelt. 3. Der Arbeitgeber kann von dem erkrankten Arbeitnehmer grundsätzlich kein Attest eines Amtsarztes fordern. Gehört der Arbeitnehmer einer Kran-
Arbeitsunfähigkeit
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kenkasse an, so ist er jedoch verpflichtet, sich gegebenenfalls der Untersuchung durch den Vertrauensarzt der Krankenkasse zu unterziehen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. 4. Ein erkrankter Arbeitnehmer verstößt nicht gegen seine Treupflicht aus des Arbeitsverhältnis, wenn er sich nach einer Untersuchung durch den Vertrauensarzt des Arbeitgebers weigert, diesen Vertrauensarzt allgemein von seiner ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, nachdem er sich damit einverstanden erklärt hat, daß dem Arbeitgeber eine ärztliche Beurteilung hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit vorgelegt wird. Die Weigerung des Arbeitnehmers ist insbesondere dann berechtigt, wenn der Vertrauensarzt des Arbeitgebers bei früheren Erkrankungen den Standpunkt eingenommen hat, daß die Beschwerden vorgetäuscht oder übertrieben worden seien. L A G Bremen vom 28. 3. 1956 — Sa 10/56 — A P Nr 17 zu § 626 BGB » BB 1956, 623 DB 1956, 623 = RdA 1958, 239 - ARSt X V I , 476, 478 = W A 1956, 253 Hinweis: Die Entscheidung entspricht hinsichtlich der Pflicht zur Untersuchung durcäi den Amtsarzt oder den Vertrauensarzt des Arbeitgebers der überwieg Meinung. Vgl Nikisch, Bd I S 620; Frey, AuR 1956, 298; Schelp-Trieschmann, S 25; Hessel, S 20; Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 616 Anm 34; G. Hueck, ablehn Anm zu L A G Berlin vom 25. 10. 1955 — 5 Sa 663/55 - A P N r 4 zu § 611 BGB Treuepflicht. — Soweit in LS 3 die Pflicht zur Untersuchung durch den Vertrauensarzt der Krankenkasse auf Verlangen des Arbeitgebers ausgesprochen wird, ist auf die nicht unberechtigte Kritik von Aye, BB 1956, 1033, zu verweisen, der auch Hessel, aaO, beigetreten ist. Ob ein Arbeitnehmer im Einzelfall dem Vertrauensarzt des — regelmäßig der zuständigen L V A angeschlossenen — Vertrauensärztlichen Dienstes vorzustellen ist, darüber befindet allein die Krankenkasse. Der Arbeitgeber steht außerhalb des Rechtsverhältnisses der Krankenkasse zum Vertrauensarzt.
Arbeitsunfähigkeit
Nr 58
Nachweis — Berufskrankheit: Sehnenscheidenentzündung BAT §§ 7, 37; 6. Beruf skrankheiten-VO vom 28. 4. 1961 1. Eine Behördenangestellte kann den Nachweis ihrer Arbeitsunfähigkeit infolge einer Erkrankung, der ihr nach § 37 B A T obliegt, nicht nur durch Vorlage ärztlicher Atteste sondern auch durch das Zeugnis des behandelnden Arztes im Hechtsstreit führen. Der Nachweis ist auch dann geführt, wenn zwar Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der Diagnose des behandelnden Arztes bestehen, gleichwohl aber Bettlägerigkeit und Arbeitsunfähigkeit der Patientin für die Dauer der streitigen Zeit feststellbar sind. Der Anspruch auf Fortzahlung der Krankenbezüge entfällt nicht schon deshalb, weil die erkrankte Angestellte sich unter Verletzung ihrer tariflichen Pflicht nach § 7 Nr 2 B A T geweigert hat, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Eine solche Sanktion hätte in der tariflichen Regelung ausdrücklich bestimmt werden müssen. Zweck der tariflichen Bestimmung war jedoch offensichtlich nur, die im Schrifttum umstrittene Frage der Zulässigkeit amtsärztlicher Kontrolluntersuchungen zu regeln. 2. Der Anspruch auf Fortzahlung der Krankenbezüge kann nach § 37 N r 1 B A T entfallen, wenn eine erkrankte Angestellte durch uneinsichtiges Verhalten den Heilungsprozeß grob fahrlässig behindert. Es ist jedoch fragwürdig, ob eine erkrankte Arbeitnehmerin, die nach ihrer geistigen Einstellung als überzeugte Vegetarierin zur homöopathischen Behandlungsweise neigt, schon dann arbeitsvertragswidrig handelt, wenn sie eine allopathische Behandlung mit Sulfonamiden ablehnt, auch wenn diese Behandlung den Heilungsprozeß möglicherweise hätte beschleunigen können. Jedenfalls aber ist Voraussetzung für die Feststellung einer Behinderung des Heilungsprozesses, daß sich die Patientin einer tatsächlich erfolgten Anordnung des behandelnden Arztes zum Schaden ihrer Gesundheit widersetzt hat. 3. Eine Behördenangestellte, die Anspruch auf verlängerte Fortzahlung der Krankenbezüge wegen eines Arbeitsunfalls oder wegen Eintritts einer Berufskrankheit nach § 37 Nr 2 Abs 2 B A T erhebt, ist für das Vorliegen der von ihr behaupteten Voraussetzungen beweispflichtig und darlegungspflichtig. Das gilt iiisbesondere auch für den Nachweis einer der in der 6. V O über
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Arbeitsunfähigkeit
Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 28. 4. 1961 aufgeführten Berufskrankheiten. Die Diagnose des behandelnden Arztes (Sehnenscheidenentzündung) reicht insoweit nicht aus, wenn die im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Nr 43 der Anlage zur 6. BerufskrankheitenVO) vorgeschriebene Anamnese und Ausschließung außerberuflich gelegener Schädigungsmöglichkeiten unterblieben ist. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn infolge eines früheren Bruchs des erkrankten Handgelenks mit älteren krankhaften Veränderungen gerechnet werden mußte und die Patientin die vom Unfallarzt und auch vom Amtsarzt für unerläßlich erachtete Röntgendurchleuchtung des Handgelenks verweigert. Das gilt auch dann, wenn die Patientin eine allergische Beeinträchtigung ihrer Gesundheit infolge der Röntgenaufnahme befürchtet. 4. Voraussetzung der Anerkennung einer Sehnenscheidenentzündung als Berufskrankheit ist ferner die Feststellung, daß die Erkrankung zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit überhaupt gezwungen hat. L A G Bremen vom 18. 12. 1964 — 1 Sa 46/64 — DB 1965, 367 = AuR 1965, 185 Hinweis: Wie LS 4 BAG vom 6. 8. 1965 — 2 AZR 68/65. Danach genügt es nicht, wenn infolge der Sehnenscheidenentzündung lediglich eine zeitweilige Arbeitsunfähigkeit eintritt und auch eine Rückfallgefahr nicht festgestellt werden kann.
Arbeitsunfähigkeit
N r 59
Verschulden: Verkehrsunfall als Fußgänger (Blutalkoholgehalt) ArbKrankhG § 1 Abs 1 1. Dem Arbeiter ist es bei einem Blutalkoholgehalt von 1,53 °/oo nicht verboten, sich als Fußgänger im Straßenverkehr zu bewegen. Denn die Vorschrift des § 315 a Abs 1 N r 2 StGB, in deren Rahmen ein Alkoholgehalt des Blutes von 1,5 °/oo beim Kraftfahren stets als genügend erachtet wird, betrifft Fußgänger nicht. 2. Abgesehen von der Strafbarkeit nach § 315 a StGB ist die Angetrunkenheit oder Trunkenheit im Straßenverkehr kein abstrakter Haftungsgrund, sondern stellt für den Fußgänger wie für den Kraftfahrer nur ein Verhalten dar, das im Falle seiner Ursächlichkeit für den eingetretenen Schadenserfolg je nach den Umständen ein Verschulden des Schädigers begründen kann. Es kommt entscheidend darauf an, ob der Unfall dem Arbeiter nach der Sachlage auch im nüchternen Zustand hätte zustoßen können. L A G Bremen vom 6. 7. 1965 — 2 Sa 33/65 — Hinweis: Zu LS 1 vgl BGH vom 11. 4. 1957 — 4 StR 482/56 — BGHSt 10, 265, 268. Wie LS 2 BGH vom 24. 1. 1956 — V I ZR 331/54 — L M N r 13 zu § 1 HaftPflG; Floegel-Hartung, StVG § 9 Anm 11; Schwarz-Dreher, § 315 a Anm 2 B, b; Wussow, T Z 479.
Arbeitsverhältnis
N r 60
Automatische Auflösung: Betriebsstillegung infolge außergewöhnlicher Nachkriegsverhältnisse BGB § 615 Auch in dem Falle, daß der gesamte Betrieb eines Unternehmens zum Erliegen kommt und der Arbeitgeber infolgedessen möglicherweise zur sofortigen und fristlosen Kündigung aller Arbeitsverträge berechtigt ist, muß im Interesse der Rechtssicherheit gefordert werden, daß eine solche Kündigung auch tatsächlich ausgesprochen wird, mindestens durch öffentliche Bekanntmachung oder in einer anderen geeigneten Form. Von einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die tatsächlichen Verhältnisse allein kann jedenfalls dann nicht die Rede sein, wenn der vom Gesetzgeber für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vorgeschriebene Rechtsbehelf der Kündigung durchführbar ist. L A G Bremen vom 7. 10. 1947 — Sa 11/46 — ARSt I, 272 Hinweis: Nach BAG vom 3. 10. 1961 — 3 AZR 138/60 — und vom 12. 3. 1963 — 3 AZR 60/62
Arbeitsverhältnis
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— AP N r 4 und 5 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage — können Arbeitsverhältnisse, wenn außergewöhnliche Umstände eine an sich zulässige Kündigung unmöglich oder doch unzumutbar machen, ausnahmsweise ihr Ende finden, ohne daß eine besondere rechtsfeststellende oder rechtsgestaltende Erklärung abgegeben wird. Das kann der Fall sein, wenn die tatsächlichen Grundlagen für eine Beschäftigung des Arbeitnehmers durch äußere Ereignisse sowohl für den Arbeitgeber wie auch für den Arbeitnehmer erkennbar dauernd oder doch auf unabsehbare Zeit weggefallen sind. Der Arbeitnehmer kann sich dann auf das Fehlen einer Kündigungserklärung nicht berufen. Vgl auch Hueck-Nipperdey, Bd I S 527 F N 1.
Arbeitsverhältnis, einheitliches
Nr 61
mit zwei Arbeitgeberfirmen: Kündigung BGB § 611; HGB §§ 70 Abs 1, 72 1. Wenn zwei Kommanditgesellschaften, die sich aus denselben Gesellschaftern zusammensetzen, jedoch verschiedene Firmenbezeichnungen führen, in einem einheitlichen Arbeitsvertrage einen Reisevertreter zur Bearbeitung desselben Vertreterbezirks für beide Firmen gegen eine einheitliche Vergütung anstellen, so liegt ohne Rücksicht auf die rechtliche oder wirtschaftliche Einheit der beiden Firmen ein einheitliches und gemeinschaftliches Arbeitsverhältnis aller drei Beteiligten vor. Innerhalb dieses Arbeitsverhältnisses kommt die Arbeitgeberstellung beiden Firmen zu, die insoweit eine Arbeitsgemeinschaft, im Rechtssinne also eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht bilden, die als solche der eigentliche Vertragspartner und damit auch Arbeitgeber des von ihr angestellten Reisevertreters ist. 2. I n einem solchen Falle wird durch die von einer beteiligten Firma ausgesprochene fristgemäße Kündigung das einheitliche Arbeitsverhältnis aufgelöst. Die Kündigung wirkt somit auch gegen die andere Arbeitgeberfirma. Diese kann infolgedessen später aus denselben Kündigungsgründen das A r beitsverhältnis nicht erneut kündigen und insbesondere keine fristlose Entlassung aussprechen. Die Kündigungsgründe sind vielmehr durch die vorausgegangene fristgemäße Kündigung verbraucht. L A G Bremen vom 4. 3. 1964 — 1 Sa 73/63 — DB 1964, 627 - WA 1964, 228 Hinweis: Zu unterscheiden von den zeitlich nicht kollidierenden Doppelarbeitsverhältnissen mit zwei Arbeitgebern; vgl BAG vom 19. 6. 1959 — 1 AZR 565/57 «= BAG 8, 47 «= A P Nr 1 zu § 611 BGB Doppelarbeitsverhältnis. Dem einheitlichen Arbeitsverhältnis mit zwei rechtlich verschiedenen, wirtschaftlich einheitlichen Arbeitgebern ähnelt das Vertragsverhältnis eines Versicherungsvertreters, der auf Grund eines Vertrages (oder auch mehrerer Verträge) damit beauftragt ist, Geschäfte für mehrere Versicherer zu vermitteln oder abzuschließen, die zu einem Versicherungskonzern oder zu einer zwischen ihnen bestehenden Organisationsgemeinschaft gehören, sofern die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einem dieser Versicherer im Zweifel auch die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den anderen Versicherern zur Folge haben würde (9 92 a Abs 2 HGB).
N r 62 BGB § 611 Besteht ein einheitliches Arbeitsverhältnis mit mehreren Unternehmungen, die zwar rechtlich verschiedene Personen darstellen, jedoch eine wirtschaftliche Einheit bilden, so wirkt die von einer dieser Rechtspersonen ausgesprochene Kündigung für und gegen sämtliche Beteiligten. L A G Bremen vom 21. 1. 1949 — Sa 53/48 — A P 50 N r 212 = ARSt I I , 1080, I I I , 122. V, 218, 223 = SAE 1949, 56 = WA 1949, 152 Hinweis: Das L A G hatte die Revision gegen dieses Urteil an das Deutsche Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet zugelassen, welches die Revision jedoch mit Urteil vom 27. 4. 1949 verwarf.
Arbeitsverhältnis zwischen Verlobten
N r 63
Merkmale BGB §§ 611, 612 1. Es wird nicht entschieden, ob gegen die Annahme eines ernsthaften A r beitsverhältnisses zwischen Verlobten eine mehr oder minder starke tat-
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Arbeitsverhinderung
sächliche Vermutung spricht oder ob ohne jede Vermutung nach den gesamten Umständen des Falles der Wille der Beteiligten zu ermitteln ist. Denn auch wenn ohne jede tatsächliche Vermutung festzustellen ist, ob zwischen den Verlobten ein Arbeitsvertrag — stillschweigend — geschlossen wurde oder ob die Dienste lediglich aus Gefälligkeit, ohne Übernahme einer Verpflichtung geleistet wurden, kann ein Arbeitsverhältnis nicht angenommen werden. 2. Gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen Verlobten spricht insbesondere der geringe Umsatz und Gewinn eines reinen Familiengeschäfts, in dem auch vorher keine Gehilfen beschäftigt werden konnten, so daß die Verlobte auch keinen vorhandenen oder freigewordenen Arbeitsplatz besetzt hat. Gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sprechen neben dem unerheblichen Umfang der Arbeitsleistung und dem Fehlen der für Arbeitsverhältnisse typischen Weisungsgebundenheit weiter die Nichtzahlung einer Vergütung in einem langen Zeitraum und die Tatsache, daß die Verlobte nicht zur Sozialversicherung angemeldet wurde. Daß die Verlobte als Lebensgefährtin ihres Verlobten für dessen Bankkonto Zeichnungsvollmacht hatte, ist unerheblich. 3. Die Tatsache, daß der Verlobte seiner Verlobten eine spätere Belohnung in bestimmter Höhe zugesagt hat, die er in familiengemäßer Weise von Todes wegen erfüllen wollte, spricht eher gegen als für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. L A G Bremen vom 21. 1. 1959 — I I Sa 87/58 — DB 1959, 575 - W A 1959, 164 Hinweis: Zum Arbeitsverhältnis zwischen Verlobten vgl insbesondere Nikisch Bd I S 115—116 mwN. Nach der Rechtsprechung gilt eine Vergütung für eine vollberufliche Arbeit nach § 612 Abs 1 BGB als vereinbart, wenn die beabsichtigte Eheschließung nicht zustande kommt: BAG vom 15. 3. 1960 — 5 AZR 409/58 — AP Nr 13 zu § 612 BGB.
Arbeitsverhinderung
N r 64
Verhältnismäßig erhebliche Zeit BGB § 616 Abs 1 1. Wann eine Verhinderung des Arbeiters für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit anzunehmen ist, richtet sich nach der Dauer der Verhinderung und ihrem Verhältnis zur vertragsmäßigen Dauer des Arbeitsverhältnisses. 2. Für die vertragsmäßige Dauer des Arbeitsverhältnisses ist die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist maßgebend. I m Verhältnis zu der sich aus der 14tägigen Kündigungsfrist des § 122 GewO ergebenden ist eine Verhinderung an der Arbeitsleistung während 9 Tagen eine Verhinderung für eine erhebliche Zeit, so daß § 616 Abs 1 BGB keine Anwendung findet. GewG Bremen vom 30. 10. 1900 — GewG 1900/01, 66 Hinweis: Nach RAG vom 19. 3. 1932 — 526/31 — ARS 14, 556 mit zustimm Anm Hueck; ähnlich L A G München vom 9. 11. 1949 — AP 51 Nr 155 mit zustimm Anm Dersch — ist die Frage, welche Zeit als nicht erheblich anzusehen ist, nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden. I n erster Linie kommt es auf die Dauer der Verhinderung und auf deren Verhältnis zur Gesamtdauer der Beschäftigung, aber auch auf die Art der zu leistenden Arbeit und dergl an. Zu berücksichtigen ist nach Nikisch, Bd I S 616, ferner die mutmaßliche künftige Dauer des Arbeitsverhältnisses. Dagegen soll die Dauer der Kündigungsfrist nach Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 616 Anm 25; Staudlnger-Nipperdey-Mohnen, § 616 Anm IS mwN, regelmäßig kein geeigneter Maßstab sein.
Arbeitsvertrag
N r 65
Abweichung von Vorverhandlungen — Tarifwidrige Abrede BGB § 242 1. Unterzeichnet ein Arbeitnehmer nach Arbeitsaufnahme einen Vertragsentwurf, der eine gegenüber den Vorverhandlungen wesentlich verlängerte
Arbeitsvertrag
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Probezeit vorsieht, so kann er sich später nicht auf Sittenwidrigkeit dieses Vertragsschlusses berufen, mag auch das Verhalten des Arbeitgebers nicht billigenswert sein und sich ggf als Verschulden beim Vertragsschluß darstellen. 2. Wird in einem Arbeitsvertrag die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis vereinbart, so wird dadurch eine in demselben Vertrage enthaltene tarifwidrige Abrede nicht wirkungslos, da die Tarifnormen zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht galten. L A G Bremen vom 26. 1. 1955 — Sa 1/55 — BB 1955, 194, 287 Hinweis: Erhält der Arbeitnehmer nach Abschluß des Arbeitsvertrages eine schriftliche Bestätigung der getroffenen Abrede, so ist er nach L A G Düsseldorf vom 6. 11. 1953 — 3 Sa 145/53 — DB 1954, 132 zum Reden verpflichtet, wenn er mit der Fassung der in der schriftlichen Bestätigung niedergelegten Bedingungen nicht einverstanden ist. Mit der widerspruchslosen Entgegennahme einer solchen Bestätigung wird das Angebot des Arbeitgebers auf Einstellung zu diesen Bedingungen vom Arbeitnehmer durch sein Verhalten angenommen.
Arbeitsvertrag
N r 66
Auflösende Bedingung: Pachtung der Betriebsräume BGB § 620 Haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, daß die Wirksamkeit des A r beitsvertrags von der Pachtung der Betriebsräume abhängig sein soll, so liegt eine echte auflösende Bedingung des Arbeitsvertrags vor. Fehlen solche Vereinbarungen, dann kann die Auflösungsmöglichkeit mit Rücksicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gegeben sein. L A G Bremen vom 8. 12. 1954 — Sa 165/54 — BB 1955, 227 - DB 1955, 244 Hinweis: U m eine auflösende Bedingung kann es sich nicht nur dann handeln, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vor dem Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung: Pachtung der Betriebsräume bereits aufgenommen hat; anderenfalls kommt eine aufschiebende Bedingung in Frage. — Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wird im Arbeitsrecht im allgemeinen nicht als besonderer Auflösungsgrund anerkannt; vielmehr endet auch in solchen Fällen das Arbeitsverhältnis in aller Regel erst durch Kündigung. Eine sehr begrenzte Ausnahme wird, wenn überhaupt, nur unter außergewöhnlichen Verhältnissen wie denen der unmittelbaren Nachkriegszeit anerkannt, die eine an sich zulässige Kündigung unmöglich oder doch unzumutbar machen. Das soll der Fall sein, wenn die tatsächlichen Grundlagen für eine Beschäftigung des Arbeitnehmers durch äußere Ereignisse sowohl für den Arbeitgeber wie auch für den Arbeitnehmer erkennbar dauernd oder doch auf unabsehbare Zeit weggefallen sind: BAG vom 3. 10. 1961— 3 AZR 138/60 — A P N r 4 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage; vgl auch Hueck-Nlpperdey, Bd I S 527 mit F N 1 mwN.
Arbeitsvertrag
N r 67
Auflösende Bedingung: Unrentabilität BGB § 620 Die Klausel eines Arbeitsvertrages: „Sollte aus besonderen Gründen oder Unrentabilität dieser Neuregelung die Stellung eines Verkaufsleiters wieder eingestellt werden, so übernimmt H e r r . . . seine bisherige Tour und Kundschaft, wie sie vor September 1956 war, in unveränderter Form zu den damaligen Verdienstmöglichkeiten." ist unter dem Gesichtspunkt einer auflösenden Bedingung zu beurteilen. Eine solche ist dann anzunehmen, wenn ungewiß ist, ob das Ereignis," nämlich die „besonderen Gründe" oder die „Unrentabilität der Neuregelung" überhaupt eintreten wird. Als wirksame auflösende Bedingung kann die Klausel aber deshalb keine Anerkennung finden, weil sich ihr Eintritt oder Nichtantritt objektiv nicht einwandfrei feststellen läßt. Das Vorliegen „besonderer Gründe" oder der Eintritt der „Unrentabilität der Neuregelung"
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Arbeitsvertrag
ist von einer durchaus willkürlichen Bestimmung durch den Arbeitgeber abhängig, die der rechtlichen Anerkennung im Wege steht. L A G Bremen vom 17. 9. 1958 — I I Sa 60/58 — A P N r 1 zu § 620 BGB Bedingung — BB 1959, 634 = DB 1959, 575 - RdA 1959, 440 = W A 1959, 163 Hinweis: Daß der Arbeitsvertrag nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit auch unter einer auflösenden Bedingung geschlossen werden kann, ist anerkannt. Bei ihr ist im Gegensatz zu dem zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis iS von § 620 BGB (Einstellung für das Weihnachtsgeschäft oder für eine bestimmte Baustelle) ungewiß, ob das künftige Ereignis überhaupt eintreten wird. Bei der auflösenden Bedingung muß sich jedoch, wenn sie rechtswirksam sein soll, der künftige Eintritt oder Nichteintritt, ähnlich wie beim befristeten Arbeitsverhältnis der sachlich bestimmte Beendigungsgrund objektiv einwandfrei feststellen lassen; sie darf also nicht einer willkürlichen Bestimmung durch den Arbeitgeber überlassen bleiben, weil es sich dann in Wirklichkeit um eine Kündigung handeln würde; vgl Hueck-Nipperdey, B I S 531—532 mwN.
Arbeitsvertrag
N r 68
Bedingung: Sofortiger Antritt BGB §§ 133,157 Erhält ein Handlungsgehilfe am 30. Dezember nachmittags 2 Uhr in Breslau die Drahtnachricht „Angestellt, wenn sofort antreten", so gilt die Bedingung als erfüllt, der Vertrag also als zustande gekommen, wenn er die Stelle in Bremen am 2. Januar antritt. KfmG Bremen vom 9. 3. 1910 — KfmG 1909/10, 213
Arbeitsvertragsbruch
N r 69
Einstweilige Verfügung: Arbeitsleistung BGB § 611; ZPO § 888 Abs 2, § 940 Die mangelnde Vollstreckbarkeit einer Verurteilung des Arbeitnehmers zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrage nach § 888 Abs 2 ZPO schließt weder die Verurteilung im ordentlichen Verfahren noch den Erlaß einer einstweiligen Verfügung aus. Das Wesen des gerichtlichen Verfahrens liegt nicht in der Vollstreckung, sondern in der Rechtsprechung, d h in der Befriedung eines Streitfalles durch den richterlichen Spruch. Das Rechtsschutzinteresse der Arbeitgeberin ist auch bei einem Antrage auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung dadurch genügend ausgewiesen, daß ihr daran liegt, dem Antragsgegner die von ihm bestrittene Rechtslage durch das Gericht in hoheitlicher Form vor Augen halten zu lassen. Der Grundsatz, daß das Wesen des gerichtlichen Verfahrens durch den richterlichen Spruch bestimmt wird und nicht durch die Beugung des Willens einer der richterlichen Entscheidung widerstrebenden Partei, gilt für das summarische Verfahren ebenso wie für das ordentliche Verfahren. Es kann auch die Eilbedürftigkeit der Entscheidung nicht deshalb verneint werden, weil das arbeitsgerichtliche Verfahren besonders beschleunigt werden kann, da auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache ein vom Gesetzgeber selbst anerkanntes Bedürfnis zur einstweiligen Regelung besteht. Dieses Bedürfnis kann auch dann bestehen, wenn der Anspruch auf Leistung der vertraglich versprochenen Dienste bereits im ordentlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht anhängig ist. L A G Bremen vom 17. 4. 1964 — 1 Sa 22/64 — BB 1964, 1486 1964, 315 - WA 1964, 203
DB 1964, 847 = AuR
Nr 70 BGB § 611; ZPO §§ 888, 940 1. Ein Arbeitnehmer ist nicht deshalb zur fristlosen Kündigung seines A r beitsverhältnisses berechtigt, weil er anderswo eine günstigere Stelle erhalten kann. 2. Der Vertragsbrüchige Arbeitnehmer kann zur Arbeitsleistung verurteilt
Armenanwalt
205
werden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 940 ZPO ist auch der Erlaß einer entsprechenden einstweiligen Verfügung möglich. 3. Ob ein selbständig einklagbarer Anspruch auf Unterlassung der Arbeit bei einem anderen Arbeitgeber besteht, bleibt dahingestellt. Jedenfalls ist eine einstweilige Verfügung in dieser Hinsicht nicht zulässig. L A G Bremen vom 9. 11. 1955 — Ta 15/55 — A P N r 3 zu § 611 BGB AnsDruch auf Arbeitsleistung mit zustimm Anm Hueck = BB 1955, 1089 = DB 1955, 1144 - WA 1956, 66 Hinweis: Nach der überwiegenden Meinung ist ein Urteil auf Arbeitsleistung ebenso wie (bei Notwendigkeit: Verhinderung wesentlicher Nachteile usw) eine einstweilige Verfügung zulässig, nicht aber auf Unterlassung der Arbeit bei einem anderen Arbeitgeber. Vgl Hueck-Nipperdey, Bd I S 211—212 F N 60—61 mwN.
Arbeitsvertragsbruch
N r 71
Schadensersatz bei Anwerbung der Ersatzkraft: Verkaufsfahrer BGB § 276; GewO § 124 b 1. Der Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund beendet und die weitere Dienstleistung verweigert, ist aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung verpflichtet, dem Arbeitgeber den durch seinen Vertragsbruch entstehenden Schaden zu ersetzen. Dieser Schaden umfaßt auch die Aufwendungen des Arbeitgebers für die Anwerbung einer Ersatzkraft, soweit sie durch die vorzeitige Verweigerung der Dienstleistung verursacht worden sind. Der Arbeitgeber kann infolgedessen nicht die Erstattung von Lohnbeträgen fordern, die er im Rahmen einer Eignungsprüfung mehrerer Bewerber für die von ihm wegen mangelnder Eignung nicht endgültig eingestellten Bewerber aufgewendet hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn nach Lage der Sache (Verkaufsfahrer) eine solche Eignungsprüfung auch im Falle der fristgerechten Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich gewesen wäre. 2. Das Gericht kann anstelle eines der Höhe nach teilweise nicht gerechtfertigten Schadensersatzanspruchs wegen Arbeitsvertragsbruchs eines A r beitnehmers (Gewerbegehilfen) dem Arbeitgeber keine Entschädigung in Höhe des wöchentlichen Ortslohnes nach § 124 b GewO zusprechen, da nach der gesetzlichen Regelung die Geltendmachung des einen Anspruchs den anderen Anspruch ausschließt. L A G Bremen vom 11. 12. 1963 — 1 Sa 85/63 — DB 1964, 189 - AuR 1964, 124 = WA 1964, 74 Hinweis: Nach BAG vom 30. 6. 1961 — 1 AZR 206/61 — B A G 11, 175 » A P Nr 1 zu § 276 BGB Vertragsbruch darf der Arbeitgeber im Falle des Vertragsbruchs des Arbeitnehmers eine — der Größe nach angemessene — Zeitungsanzeige auf Kosten des Arbeitnehmers aufgeben, um eine Ersatzkraft zu beschaffen.
Armenanwalt
N r 72
Keine Beiordnung für Teilforderung ArbGG § 11 a; ZPO § 114 Die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11 a ArbGG setzt nicht voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Deshalb darf die Beiordnung nicht auf einen Teil der Klagforderung beschränkt werden. L A G Bremen vom 19. 3. 1963 — 2 Ta 1/63 — BB 1964, 556 « DB 1963, 903 = AuR 1963, 282 Hinweis: Ebenso Dersch-Volkmar, 6. Aufl, § 11 a Anm 2 S 375. Es ist lediglich zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist. Zum Begriff der Mutwilligkeit Dersch-Volkmar, § 11 a Anm 4.
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Armenrecht
Armenrecht
Nr 73
im arbeitsgerichtlichen Verfahren ArbGG § 12 Abs 4; ZPO § 114 Abs 1, § 115 1. Eine Partei bedarf, auch wenn sie an sich die persönlichen Voraussetzungen des § 114 Abs 1 ZPO erfüllt, im arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht des Armenrechts, weil nach § 12 Abs 4 ArbGG Kostenvorschüsse nicht erhoben werden. Denn die Wirkung des Armenrechts besteht lediglich in der einstweiligen Befreiung (Stundung) von Gerichtskosten, «gebühren und -auslagen jeder Art. 2. Nach § 115 ZPO bewirkt die Bewilligung des Armenrechts allerdings auch, daß künftig erwachsende Gerichtskosten bis zur Anordnung der Nachzahlung von der betreffenden Partei nicht zu entrichten sind. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine Nebenwirkung der Armenrechtsbewilligung. Wenn sie gewünscht wird, kann ein entsprechender Antrag später gestellt werden. Bei dieser Sachlage kann ein Bedürfnis für ein zu Beginn des A r beitsprozesses eingereichtes Gesuch um einstweilige Kostenbefreiung nicht anerkannt werden. ArbG Bremen vom 2. 8. 1960 — 2 Ca 2316/60 — BB 1960, 1061 Hinwels: Ebenso insbesondere für den Fall, daß der Partei gern § 11 a ArbGG ein Rechtsanwalt beigeordnet ist: L A G Düsseldorf vom 7. 3. 1963 — 7 Ta 10/63 — KostRsp ArbGG § 12 N r 22 mit ablehn Anm Tschischgale; derselbe, Kostenrecht in Arbeitssachen, 2. Aufl, S 134—136 m w N der herrsch Meinung.
Armenrecht
N r 74
Nachzahlungsanordnung: Zuständigkeit ZPO § 125 Nachzahlungsanordnungen gegen eine bisher mittellose Partei erläßt für den gesamten Hechtsstreit das Prozeßgericht des ersten Rechtszuges, wenn das Verfahren beendet ist. L A G Bremen vom 31. 12. 1955 — Sa 101/52 — A P N r 1 zu § 79 GKG mit zustimm Anm Pohle
Arzt i n Krankenanstalt
N r 75
Vergütung für Blutuntersuchungen ADO Abs b zu KrT § 3; BGB § 305 1. Insoweit A D O Abs b zu § 3 K r T (Krankenhaustarifordnung) die Wendung enthält: „ . . . die von anderen Stellen veranlaßt und von diesen bezahlt werden . . . " ist hiermit nur eine dritte dem Arbeitgeber gegenüber selbständige Rechtspersönlichkeit gemeint. Für Blutuntersuchungen, die von der Polizeiverwaltung veranlaßt und von angestellten Ärzten der Chirurgischen Abteilung der Krankenanstalten durchgeführt werden, besteht kein Vergütungsanspruch gemäß der ADO; denn PolizeiVerwaltung und Krankenhausanstalten sind Einrichtungen desselben Rechtsträgers, der Stadtgemeinde Bremen. Die von der Polizei Verwaltung der Krankenanstalt gewährte „Bezahlung" für die Blutuntersuchungen ist keine Bezahlung im Rechtssinne, sondern nur ein interner Ausgleich zwischen zwei Haushalten der Gemeinde. 2. Wenn aber die angestellten Ärzte der Chirurgischen Abteilung der Städtischen Krankenanstalten monatelang bzw. jahrelang eine Vergütung auch bei Blutuntersuchungen auf Veranlassung der Polizeiverwaltung erhalten haben, dann haben sie im Wege der stillschweigenden Vereinbarung einen arbeitsvertaglichen Anspruch erworben. Der Arbeitgeber (Stadtgemeinde) kann diese Ansprüche nicht durch einseitige Maßnahme in Fortfall bringen. L A G Bremen vom 27. 7. 1955 — Sa 71/55 — RdA 1955, 440
Aufrechnung Aufhebungsvertrag
207 Nr 76
Widerspruchslos hingenommene Kündigung Eine widerspruchslos hingenommene oder einverständliche Kündigung kann als Aufhebungsvertrag gedeutet werden, wenn sie das Ergebnis einer Verhandlung ist und ein neues Vertragsverhältnis neben den bisherigen A r beitsvertrag tritt. L A G Bremen vom 12. 1. 1949 — Sa 51/48 — ARSt I I I , 304 = SAE 1949, 60 = W A 1949,
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N r 77 BGB §§ 305, 625 Die widerspruchslose Entgegennahme einer Kündigung kann nicht als zweiseitiger Aufhebungsvertrag gedeutet werden. Wohl aber kann aus dem Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages zwischen denselben Parteien geschlossen werden, daß der alte Arbeitsvertrag damit aufgehoben werden sollte. Eine tatsächliche Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ohne erneuten Vertragsschluß genügt dagegen nicht zur Annahme eines stillschweigenden Aufhebungsvertrages. L A G Bremen vom 24. 2. 1960 — I Sa 160/59 — BB 1960, 743 = DB 1960, 500 = AuR 1960, 187 = BlfStR 1960, 333 = W A 1960, 153 Hinweis: Nach herrsch Meinung kann eine unberechtigte Kündigung meist in ein Angebot auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses umgedeutet werden, das vom Arbeitnehmer ausdrücklich oder stillschweigend angenommen werden kann. Jedoch darf in der bloßen Unterlassung eines sofortigen Widerspruchs gegen eine solche Kündigung eine Zustimmung des Arbeitnehmers nicht gesehen werden. Anders verhält es sich aber, wenn der Arbeitnehmer ohne der Kündigung zu widersprechen, seine Arbeitspapiere abholt oder ein Arbeitszeugnis verlangt: Hueck-Nipperdey, Bd I S 528 F N 3 mwN.
Aufrechnung
N r 78
mit unpfändbarer Lohnforderung BGB §§ 394, 780, 781 1. I n einem Aufrechnungsvertrage kann auch mit dem unpfändbaren Teil einer Lohnforderung rechtswirksam aufgerechnet werden, da § 394 BGB lediglich die Aufrechnung gegen eine der Pfändung nicht unterliegende Forderung verbietet, nicht dagegen die Aufrechnung mit einer solchen Forderung. Das ist aus Wortlaut und Sinngehalt der Vorschrift zu schließen, die lediglich der Sicherung des Existenzminimums des Schuldners dient, keineswegs aber den Schuldner in der freien Verfügung über seine Forderungen beschränken soll. 2. Auch in einem Aufrechnungsvertrage kann die Aufrechnung nur dann rechtswirksam erfolgen, wenn sich zwei zur Aufrechnung geeignete Forderungen gegenüberstehen. Die zur Aufrechnung verwendete Lohnforderung eines Arbeitnehmers wird daher nicht erledigt, wenn der Arbeitgeber mit einem RückZahlungsanspruch aufgerechnet hat, der ihm tatsächlich nicht zustand. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer beim Abschluß eines mündlichen Aufrechnungsvertrages durch seine Erklärungen einen Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers anerkannt hatte, da sowohl für ein selbständiges Schuldversprechen nach § 780 BGB als auch für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB vom Gesetz Schriftform gefordert wird. L A G Bremen vom 8. 1. 1964 — 1 Sa 91/63 — DB 1964, 268 = AuR 1964, 187 = W A 1964, 100 Hinweis: Daß mit einer unpfändbaren Lohnforderung aufgerechnet werden kann, entspricht der überwiegenden Meinung.
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Aufrechnung
Aufrechnung
Nr 79
trotz Ablauf tariflicher Ausschlußfrist BGB § 390 Satz 2 Forderungen, die wegen Versäumung einer tariflichen Ausschlußfrist nicht mehr geltend gemacht werden können, können gleichwohl in analoger Anwendung der Vorschrift des § 390 Satz 2 BGB zur Aufrechnung gestellt werden. L A G Bremen vom 18. 3. 1964 — 1 Sa 120/63 — DB 1964, 737 - AuR 1964, 376 - WA 1964, 219 Hinweis: Diese Frage ist umstritten. Wie das L A G Bremen der BGH vom 30. 1. 1958 — V I I ZR 33/57 — BGHZ 26, 304 = A P Nr 1 zu 5 390 BGB mit krit Anm Tophoven — unter Beschränkung auf verfallene Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber; zustimmend Löscher, in: RGR-Komm z BGB, 11. Aufl, § 390 Anm 5; SoergelSiebert-Schmidt, BGB, 9. Aufl, § 390 Anm 4. Das BAG vom 18. 1. 1962 — 5 AZR 177/61 — AP Nr 2 zu § 390 BGB mit krit Anm Zöllner — hat die entsprechende Anwendung des § 390 Satz 2 BGB für verfallene Tarifansprüche der Arbeitgeber gegenüber der Lohnausgleichskasse für Arbeitsausfälle in der Winterperiode abgelehnt, ohne sich jedoch mit der Ansicht des BGH auseinanderzusetzen. Dieser Auffassung ist das L A G Düsseldorf vom 11. 8. 1964 — 8 Sa 229/64 — DB 1965, 222 — und vom 3. 2. 1965 — 2 Sa 479/64 — BB 1965, 541 — entgegengetreten, indem es die Anwendung des S 390 BGB für Ausschlußfristen allgemein verneint. Eine grundsätzliche Entscheidung des BAG steht noch aus.
Aufwendungsersatz
N r 80
für Warenauslieferung mit eigenem Wagen: Handelsvertreter HGB § 87 d Die durch den Transport von verkauften Geräten zum Käufer entstandenen Kosten sind im Zweifel nicht als im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen i S von § 87 d H G B anzusehen. Mangels ausdrücklicher Vereinbarungen kann aber im Einzelfall nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte angenommen werden, daß der Handelsvertreter den Weitertransport und die Auslieferung der in Frage kommenden Geräte stillschweigend auf eigene Kosten übernommen hat, wenn er die Transporte im wesentlichen mit eigenem Kraftwagen, für dessen Benutzung er keine Entschädigung beanspruchen kann, auf eigenen Wunsch durchgeführt hat, um dadurch besseren Kontakt mit seinen Kunden erzielen und u U neue Aufträge hereinholen zu können. L A G Bremen vom 5. 7. 1960 — I I Sa 130/59 — DB 1960, 1212 - AuR 1961, 56 = SAE 1960, 74 Hinweis: Zur Unkostentragung nach Handelsvertreterrecht vgl allgemein Schröder, DB 1956, 417—419, 441—442.
Ausbildungskosten
N r 81
Führerschein: Rückzahlungsklausel GG Art 12; BGB §§ 138, 618 Ist eine Angestellte vereinbarungsgemäß verpflichtet, einen von ihrem A r beitgeber für die Erlangung eines Führerscheins verauslagten Betrag zurückzuzahlen, wenn sie vor einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Betriebe ausscheidet, so entfällt der RückZahlungsanspruch des Arbeitgebers gemäß § 70 Abs 2 HGB, wenn er durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Angestellte veranlaßt hat. L A G Bremen vom 18. 1. 1961 — 1 Sa 159/60 — BB 1961, 567 Hinweis: Nach ständiger Rechtsprechung des BAG, zB vom 24. 1. 1963 — 5 AZR 100/62 — AP Nr 29 zu Art 12 GG ist eine Rückzahlungsklausel, die die vom Arbeitgeber verauslagten Ausbildungskosten betrifft, zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben dem Arbeitnehmer zuzumuten ist und vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entspricht.
Ausgleichsquittung Ausgleichsquittung
209 Nr 82
Nachträglicher Verzicht auf Urlaubsentgelt BGB §§ 133,134,242; TVG §4 Abs 4 Für die Frage, ob eine von dem Arbeitnehmer beim Empfang der Schlußabrechnung unterzeichnete Ausgleichsquittung einen Verzicht auf Gehalt oder einen nachträglichen Verzicht auf für gehabten Urlaub erhaltenes U r laubsentgelt enthält, ist der wirkliche Kern des Vorganges entscheidend, nicht aber die Tatsache, daß der vom Arbeitgeber nachträglich vorgenommene, auch so bezeichnete Abzug von Urlaubsentgelt tatsächlich zu einer Verringerung des an den Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden gezahlten Gehalts geführt hat. L A G Bremen vom 20. 3.1962 — 2 Sa 157/61 — BB 1962, 1161; 1963, 514 - DB 1962, 1411 = WA 1962, 257 = AuR 1962, 381
Ausgleichsquittung
N r 83
Urlaubsanspruch: Minderjähriger Lehrling BremUrlG §§ 2, 7; BGB §§ 133,134,154,397 1. Ein minderjähriger Lehrling kann ohne Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtswirksam weder einen Verzicht auf seinen Urlaubsanspruch aussprechen, noch einen Erlaßvertrag abschließen oder ein negatives Schuldanerkenntnis abgegeben. Die Vorschrift des § 113 BGB über die Arbeitsmündigkeit ist mit Rücksicht auf das besondere rechtliche Wesen des Lehrverhältnisses als eines Ausbildungs- und Erziehungsverhältnisses auf rechtsgeschäftliche Erklärungen eines Lehrlings nicht anwendbar und betrifft im übrigen lediglich die Vermögenssorge, nicht aber die im Rahmen des Lehrvertrages im Vordergrund stehende Personensorge. 2. Die in einer Ausgleichsquittung enthaltene Erklärung, der Urlaubsanspruch sei abgegolten, ist mit Rücksicht auf das Verbot des Abkaufs des Urlaubs nach § 134 BGB nichtig. 3. Für die Entstehung des Urlaubsanspruchs und die Berechnung der Wartezeit ist nach dem BremUrlG die Betriebszugehörigkeit und nicht die Funktion des Arbeitnehmers entscheidend, so daß die gesamte Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers auch dann zu berücksichtigen ist, wenn er im Anschluß an seine Lehrzeit als Geselle weiterbeschäftigt wird. Die Wartezeit braucht im Rahmen des neuen Arbeitsverhältnisses nicht nochmals zurückgelegt zu werden. 4. Bescheinigt ein Arbeitnehmer bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung, daß keinerlei Ansprüche mehr aus dem Arbeitsverhältnis bestehen, ist jedoch vorher über den U r laubsanspruch nicht gesprochen worden und enthielt auch die Bescheinigung keinen Hinweis auf den Urlaubsanspruch, so kann aus der Ausgleichsquittung nicht gefolgert werden, daß Urlaubsansprüche vom Arbeitnehmer nicht mehr geltend gemacht werden sollen. Ein Erlaßvertrag setzt nach § 154 Abs 1 BGB eine Einigung auch über diesen Punkt voraus. I m übrigen muß der Wille der Parteien auch im Wortlaut Ausdruck finden. 5. Ein Verzicht, ein negatives Schuldanerkenntnis oder ein Erlaßvertrag in bezug auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers sind nach § 2 BremUrlG rechtsunwirksam, da der Anspruch auf Gewährung eines Erholungsurlaubs durch bezahlte Freizeit unabdingbar ist. Diese Bestimmung ist mit Rücksicht auf den allgemeinen Schutzzweck der zur Erhaltung der Arbeitskraft und im Interesse der Allgemeinheit erfolgten Urlaubsregelung als eine gesetzliche Regelung mit zwingendem Charakter anzusehen. L A G Bremen vom 6. 11. 1957 — I Sa 87/57 — BB 1958, 157, 738 - BetrVerf 1958, 77 WA 1958, 54 Hinweis: Ebenso wie LS 1 L A G Düsseldorf vom 27. 1. 1955 — 2 a Sa 310/54 — A P N r 1 zu § 21 HandwO mit zustimm Anm G. Hueck. Die LS zu der Ausgleichsquittung entsprechen der herrsch Meinung, zustimmend Dersch-Neumann, § 13 Anm 60; SoergelSiebert-Wlotzke-Volze, 8 611 Anm 143; Wehr, Die Ausgleichsquittung, MittArbGV 1958 Nr 17 S 9. 14
Trinkhaus
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Auskunft des Arbeitgebers
Auskunft des Arbeitgebers
Nr 84
Ungünstige Angaben BGB § 630 Der Arbeitgeber ist nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zur Auskunfterteilung über den Arbeitnehmer berechtigt und verpflichtet und darf gegenüber einem neuen Arbeitgeber auch solche Tatsachen nicht verschweigen, die nachteilig sind. Er ist daher auch dann nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die ungünstige Auskunft zur Entlassung des A r beitnehmers aus seinem neuen Arbeitsverhältnis führt. Eine Schadensersatzpflicht entsteht lediglich dann, wenn der Arbeitgeber bei der Erteilung der Auskunft unrichtige Angaben gemacht hat. Hat der Arbeitgeber bei der Auskunftserteilung auf eine von ihm erstattete Strafanzeige hingewiesen, um die Festnahme des ohne polizeiliche Abmeldung verschwundenen A r beitnehmers zu erreichen, so liegt eine schuldhafte Verletzung der Verpflichtung zur Erteilung einer wahrheitsgemäßen Auskunft auch dann nicht vor, wenn bei späterer Durchführung des Strafverfahrens eine Verurteilung des Arbeitnehmers wegen Unterschlagung in Ermangelung der subjektiven Voraussetzungen nicht erfolgen kann. L A G Bremen vom 18. 3. 1964 — 1 Sa 120/63 — DB 1964, 737 1964, 219
AuR 1964, 376 = WA
Hinweis: Die Auskünfte des Arbeitgebers, zu denen er anderen Arbeitgebern gegenüber sogar verpflichtet ist, müssen nach BAG vom 25. 10. 1957 — 1 AZR 434/55 — AP Nr 1 zu § 630 BGB richtig im Sinne einer wahrheitsgemäßen Zeugniserteilung sein. Ungünstige Punkte dürfen nicht verschwiegen werden; vgl Trinkhaus, RdA 1961, 222— 223, 225—227 mwN.
Ausschlußfrist
N r 85
Auslegung: Ansprüche aus dem Heuer Verhältnis TVG §§ 4, 1; TV für die deutsche Seeschiffahrt § 63 1. Die Verfallklausel in § 63 T V für die deutsche Seeschiffahrt erfaßt mit „Ansprüchen aus dem Heuer Verhältnis" alle Ansprüche sowohl des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers, namentlich auch Ansprüche des Arbeitgebers wegen sogenannter Schlechtleistung des Arbeitnehmers. 2. Unter Ansprüchen aus dem Heuerverhältnis im tariflichen Sinne sind an sich nur entstandene, fällige Ansprüche zu verstehen. Dafür genügt es, daß der geschädigte Arbeitgeber die geltend gemachten Schäden dem Grunde nach kannte, daß er alle Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs mit Ausnahme des Schadensbetrages für gegeben halten mußte. L A G Bremen vom 7. 10. 1959 — I I Sa 106/59 — BB 1960, 211 » DB 1960, 328 1960, 153
AuR
Hinweis: Ausschlußfristen sind an sich eng auszulegen, weil sie die Geltendmachung arbeitsvertraglicher Rechte stark einschränken; vgl nur BAG vom 17. 7. 1958 — 2 AZR 312/57 — BAG 6, 170 «= AP N r 10 zu § 611 BGB Lohnanspruch. Ist aber die Ausschlußklausel weit gefaßt und bezieht sie sich auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, dann werden auch übertarifliche oder auf Gesetz beruhende Ansprüche erfaßt; HueckNipperdey-Stahlhacke, § 4 A n m 146, die auch LS 2 in Anm 143 zustimmen.
Ausschlußfrist
N r 86
Beachtung von Amts wegen — Treu und Glauben TVG §4 Abs 4 Satz 3 1. Tarifliche Ausschlußfristen haben das Erlöschen der nicht rechtzeitig geltend gemachten Ansprüche zur Folge und sind von Amts wegen zu beachten, und zwar auch dann, wenn die Geltung einer Ausschlußfrist einzelvertraglich durch Bezugnahme auf eine entsprechende tarifliche Bestimmung w i r k sam vereinbart worden ist. Macht ein bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer aufgrund der in einem späteren Tarifvertrage rückwirkend erfolgten Er-
Ausschlußfrist
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höhung seines Arbeitsentgelts Nachzahlungsansprüche geltend, muß er sich auch eine, in dem neuen Tarifwerk enthaltene Ausschlußklausel entgegenhalten lassen, und zwar auch dann, wenn die Erhöhung der tariflichen Vergütung und die Ausschlußklausel in zwei verschiedenen, jedoch am selben Tage abgeschlossenen und eine Einheit bildenden Tarifverträgen enthalten sind. Es handelt sich dann nicht um eine rückwirkende Ausschlußklausel, sondern lediglich darum, daß die neue tarifliche Regelung nur als Ganzes in Anspruch genommen werden kann. 2. Ausschlußfristen dienen der Befriedung im Arbeitsleben und entfallen daher nach dem Grundgedanken des § 242 BGB, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Zusicherungen seines Arbeitgebers darauf vertrauen durfte, daß seine Ansprüche auch ohne fristgerechte Geltendmachung erfüllt werden würden. Diese Voraussetzung ist auch dann gegeben, wenn der zuständige Personalsachbearbeiter einen mündlich erhobenen Anspruch als nicht begründet bezeichnet, gleichzeitig jedoch eine Benachrichtigung für den Fall zusagt, daß sich eine Änderung zugunsten des Arbeitnehmers ergeben würde. Trotz des formellen Ablaufs einer Ausschlußfrist ist die Arbeitgeberin in einem solchen Falle verpflichtet, die Geltendmachung des Anspruchs zuzulassen. L A G Bremen vom 29. 4. 1964 — 1 Sa 79/63 - DB 1964, 1031 = AuR 1965, 29 - W A 1964, 262 Hinweis: Nach BAG vom 27. 3. 1963 — 4 AZR 72/62 — A P Nr 9 zu § 57 BetrVG ist das Erlöschen eines Rechtes durch Ablauf einer Ausschlußfrist von Amts wegen zu beachten. Auch die Anwendung einer Ausschlußfrist steht unter dem Grundgedanken des § 242 BGB und entfällt, wenn der Arbeitnehmer auf Grund von Zusicherungen des Arbeitgebers darauf vertrauen durfte, sein Anspruch werde auch ohne fristgerechte Geltendmachung erfüllt. Andererseits entbindet eine vom Arbeitgeber erklärte Leistungsverweigerung nicht von der Einhaltung der Ausschlußfrist.
Ausschlußfrist
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für gesetzliche Ansprüche: Krankengeldzuschuß ArbKrankhG § 1; TVG § 4 Abs 4 Satz 3; RTV Bau § 9; BGB § 242 1. Die tarifliche Ausschlußfrist ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Sie ergreift auch Ansprüche, die, wie der Anspruch auf Krankengeldzuschuß, gesetzlich gestaltet und unabdingbar sind. 2. Dem Arbeitgeber ist allerdings, mag er auch nur einen kleinen handwerklichen Betrieb unterhalten, eine Verletzung seiner Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis anzulasten, da er sich nach dem Inkrafttreten des Arbeiterkrankheitsgesetzes nicht über den Umfang seiner neuen Leistungsverpflichtungen unterrichtet hat. Auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wird jedoch durch die Ausschlußklausel des § 9 R T V Bau ergriffen. Dies würde nur dann nicht gelten, wenn es sich nicht um einen vertraglichen Schadensersatzanspruch handeln würde, sondern um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung. 3. Der Gesichtspunkt, daß der Arbeitgeber eine rechtzeitige Erkundigung fahrlässig und möglicherweise auch grobfahrlässig unterlassen hat, reicht nicht aus, um schlechthin die Anwendung der tariflichen Ausschlußfrist als rechtsmißbräuchlich auszuschließen. 4. Die Bezugnahme des Arbeitgebers auf die tarifliche Verfallklausel stellt sich auch nicht ohne weiteres als Selbstwiderspruch oder gegensätzliches Verhalten (venire contra factum proprium) dar. Die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die rechtzeitige schriftliche Geltendmachung eines Nachzahlungsanspruchs im Vertrauen auf die Erklärungen bzw auf die Abrechnungen seines Meisters unterlassen, würde für eine solche Feststellung nur dann genügen, wenn Tatsachen hinzutreten würden, die dafür sprechen, daß der Arbeitnehmer in der Tat durch ein vom Arbeitgeber zu vertretendes Verhalten zur Untätigkeit veranlaßt worden ist. Insoweit genügt es nicht, wenn der Arbeitnehmer wiederholt Bedenken gegen die Höhe des ihm ge-
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Ausschlußfrist
währten Krankengeldzuschusses geäußert hat. Der Arbeitnehmer kann sich auch nicht darauf berufen, daß er vom Arbeitgeber keine Abrechnung über den jeweils ausgezahlten Zuschuß erhalten habe. Denn der Arbeitnehmer hatte, selbst wenn er in einzelnen Fällen keine Abrechnung über den Zuschuß erhalten hat, jedenfalls die Möglichkeit, die zur Nachprüfung erforderlichen Daten und Beträge aus den Verdienstbescheinigungen und der Krankengeldberechnung zu entnehmen. L A G Bremen vom 5. 5. 1965 — 1 Sa 97/64 — BB 1965, 990 = D B 1965, 1183 - AuR 1965, 349 Hinweis: LS 1 stimmt mit der im Schrifttum überwiegenden Meinung und mit ständiger Rechtsprechung des BAG zB vom 23. 6. 1961 — 1 AZR 239/59 — BAG 11, 150 « AP N r 27 zu § 4 T V G Ausschlußfristen, überein. Gegen die Zulässlgkeit tariflicher Ausschlußfristen für gesetzliche Mindestansprüche werden Jedoch zunehmend Bedenken erhoben, besonders für gesetzliche Mindesturlaubsansprüche; vgl nur Borrmann, DB 1955, 509; derselbe, BUrlG, 5 1 Anm 18; Dersch-Neumann, BUrlG, 3. Aufl, § 13 Anm 73; Herschel, Anm zu AP N r 1 zu § 4 T V G Ordnungsprinzip und zu A P Nr 1 zu § 1 T V G Bezugnahme auf Tarifvertrag; Schelp-Trieschmann, Das Arbeitsverhältnis im Krankheitsfalle S 100—101; Sehelp, Anm zu A P Nr 28 zu 8 4 T V G Ausschlußfristen; Stahlhacke, BUrlG, 8 1 Anm 65. Ebenso jetzt für einen gesetzlichen Mindesturlaubsabgeltungsanspruch L A G Bremen vom 7. 9. 1966 — 1 Sa 95/66. Danach kommt es im Anschluß an Hueck-Nipperdey, 6. Aufl, Bd I I S 452, darauf an, ob der Gesetzgeber dem Tarifgeber gestattet hat, die gesetzlichen Mindestansprüche in die Verfallklausel einzuschließen. — Zu LS 3 kann nach BAG vom 19. 12. 1958 — 2 AZR 141/58 — B A G 7, 160 = A P N r 4 zu 8 611 BGB Urlaubskarte die Frage, ob gegenüber dem Einwand des Ablaufs einer tariflichen Ausschlußfrist der Gegeneinwand der Arglist begründet ist, nicht grundsätzlich ein für alle Male, sondern nur nach den Besonderheiten des einzelnen Falls entschieden werden. Allerdings steht der Ablauf der Ausschlußfrist des 8 9 Abs 1 RTV Bau dem Anspruch des entlassenen Bauarbeiters auf Übergabe der ordnungsgemäß geklebten Urlaubskarte regelmäßig dann nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber grob fahrlässig es unterlassen hat, die Urlaubsmarken zu kleben. Zu LS 4 ist auf BAG vom 24. 6. 1960 — 1 AZR 29/58 — AP Nr 5 zu 8 4 T V G Ausschlußfristen zu verweisen. Danach beginnt die Frist für die Geltendmachung unter Umständen erst mit der verzögerten Erteilung der Abrechnung über den betreffenden Anspruch.
Ausschlußfrist Geltendmachung T V G §§ 4,1; TV für die deutsche Seeschiffahrt
Nr 88 § 63
1. Unter Geltendmachung im tariflichen Sinne ist, da weder gerichtliche noch schriftliche Geltendmachung erfordert ist, jede Inanspruchnahme durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten zu verstehen. 2. Zur Geltendmachung reicht es aus, daß die Ansprüche dem Grunde nach so bezeichnet sind, daß der Verpflichtete erkennen kann, inwieweit Forderungen erhoben werden. L A G Bremen vom 7. 10. 1959 — I I Sa 106/59 — BB 1960, 211 - DB 1960, 328 - AuR 1960, 153 Hinweis: LS I stimmt mit der allgem Meinung überein; vgl Hueck-Nipperdey-Stahlhacke, 8 4 Anm 138, die in Anm 140 auch LS 2 zustimmen. Danach brauchen nicht im einzelnen alle Tatsachen zum Grunde und namentlich auch nicht zur Höhe des Anspruchs dargelegt zu werden; ebenso BAG vom 10. 4. 1963 — 4 AZR 95/62 — BAG 14, 156 = A P Nr 23 zu 8 615 BGB.
Ausschlußfrist
Nr 89
Schriftliche Geltendmachung — Rechtsmißbrauch BGB §§ 242, 616; RTV Bau vom 17. 4. 1950 1. Die Berufung auf die fehlende schriftliche Geltendmachung gemäß der Verfallklausel des § 9 R T V Bau vom 17. 4. 1950 idF vom 8. 2. 1952 kann unter Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen. Das ist zB dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer einen tariflichen Restlohnanspruch innerhalb der Fünfwochenfrist nach dem tatsächlichen Ausscheiden mündlich geltend macht, der Arbeitgeber nicht ohne weiteres ablehnt, sondern seine endgültige Stellungnahme von einer einzuholenden Auskunft abhängig macht und
Aussperrung
213
erst nach Ablauf der für den Arbeitnehmer festgelegten Fünfwochenfrist die Ablehnung ausspricht. 2. Die in § 4 R T V Bau aufgeführten Ausnahmefälle, in denen trotz nicht geleisteter Arbeit der Lohn weitergezahlt wird, stellen eine teilweise Angleichung an die §§ 616 BGB, 63 H G B und 133 c Abs 2 GewO dar mit derselben Folgerung, daß diese Bezüge niemals über das fristgemäße Ende eines Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen. Der Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes für 18 Stunden bei schwerem Betriebsunfall ist demgemäß auch nur bis zum tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen. ArbG Bremen vom 10. 2. 1955 — I Ca 9/55 — RdA 1955, 200 Hinweis: Macht der Arbeitnehmer Ansprüche nicht in der vorgeschriebenen Form geltend, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer unverzüglich auf diesen Mangel hinzuweisen, wenn er sich später darauf berufen will: Tophoven, Anm zu AP Nr 1 zu § 4 T V G Ausschlußfristen; Gaul, Tarifliche Ausschlußfristen S 64.
Aussperrung
N r 90
Begriff — Nichtanwendbarkeit des KSchG und MuSchG BGB § 620; KSchG § 1; MuSchG § 9 1. Die zur Abwehr eines Streiks durchgeführte Aussperrung der Lohnempfänger eines Betriebes ist eine sozial adäquate und rechtmäßige Maßnahme des Arbeitskampfes, deren kollektiv-rechtliche Zulässigkeit der Gesamtaktion das Gepräge gibt, so daß ihre Durchführung auch auf der individualrechtlichen Ebene der Arbeitsverträge nicht rechtswidrig ist. 2. Die Abwehraussperrung ist stets eine Gesamtlösung der Arbeitsverhältnisse der Ausgesperrten und als solche in rechtlicher Hinsicht keine Kündigung, sondern ein Lösungstatbestand eigener Art, der den Regeln des Kündigungsrechts nicht unterliegt. 3. Da die Abwehraussperrung keine Kündigung aus Anlaß eines Arbeitskampfes, sondern ein hiervon rechtlich durchaus verschiedener kollektiver Tatbestand ist, können auch die Bestimmungen des Kündigungsschutzrechts im Einzelfall nicht angewendet werden. 4. Der kollektive Charakter einer Abwehraussperrung wird nicht dadurch beseitigt, daß sie als Arbeitskampfmaßnahme von einem einzelnen Arbeitgeber gegen seine Belegschaft durchgeführt wird. 5. Das Kündigungsverbot des § 9 MuSchG findet auf eine kollektive Gesamtlösung aller Arbeitsverhältnisse im Wege der Abwehraussperrung keine Anwendung, da es sich nicht um Kündigungen im individualrechtlichen Sinne handelt. Eine ausdehnende Anwendung der Vorschrift auf kollektive Arbeitskampfmaßnahmen läßt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des § 9 MuSchG rechtfertigen. 6. Die Rechtmäßigkeit der Abwehraussperrung wird durch die besondere Schutzbedürftigkeit werdender Mütter jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn diese sich bereits vorher am Streik beteiligt und die Arbeit niedergelegt haben. Sie bringen dann durch ihre Streikbeteiligung zum Ausdruck, daß sie sich in erster Linie als Glied ihres Kollektivs fühlen und entsprechend handeln wollen. Dann aber können sie auch weder eine Beschränkung der kollektiven Kampfregeln zu ihren Gunsten, noch eine von ihnen selbst bereits abgelehnte Neutralisierung fordern. Die Frage wird nicht entschieden, ob auch die Abwehraussperrung derjenigen unter das Mutterschutzgesetz fallenden Arbeitnehmerinnen rechtlich zulässig ist, die sich ihrerseits an keiner Arbeitskampfmaßnahme beteiligt haben. L A G Bremen vom 30. 7. 1958 — I Sa 32 und 33/58 — BB 1958, 1021 - DB 1958, 959 ArbGeb 1958, 556 = ARSt X X I , 136 - WA 1958, 236 Hinweis: Ähnlich BAG vom 28. 1. 1955 — GS 1/54 — BAG 1, 291 = A P N r 1 zu Art 9 GG Arbeitskampf. Gegenüber werdenden Müttern und Wöchnerinnen gilt die Nichtanwendbarkeit des KSchG und MuSchG nach BAG vom 19. 10. 1960 — 1 AZR 373/58 — BAG 10, 111 = AP N r 11 zu Art 9 GG Arbeitskampf jedenfalls dann, wenn sie sich aktiv am Streik beteiligen.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
214
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Nr 91
Fernbleiben von der Arbeit BGB § 620 Abgesehen von einem — in zulässiger Weise — befristeten Arbeitsverhältnis (und von dem Tode des Arbeitnehmers) endet ein Arbeitsverhältnis nicht von selbst, insbesondere auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer ohne ausreichenden Grund der Arbeit eine gewisse oder längere Zeit fernbleibt. Ob in einem solchen Verhalten des Arbeitnehmers nach den Umständen des Einzelfalles eine — wirksame oder unwirksame außerordentliche fristlose — Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer liegt, ist eine andere Frage. L A G Bremen vom 5. 3. 1963 — 2 Sa 6/63 — DB 1963, 770 = AuR 1963, 249 - W A 1963, 146
Befristetes Arbeitsverhältnis
Nr 92
Auslegung: Schwerbeschädigter (Bauarbeiter) SchwBeschG 1923 § 13; BGB § 620 I n der mit einem schwerbeschädigten Bauarbeiter getroffenen Abrede, daß entsprechend dem Fortschreiten der Bauarbeiten Entlassungen stattfinden sollen, liegt nicht der Abschluß eines Arbeitsvertrages auf bestimmte, sondern auf unbestimmte Zeit. ArbG Bremen vom 4. 12. 1930 — 871/30 — ArbG 1931, 65 Hinweis: Auch mit einem Schwerbeschädigten kann an sich ein befristeter Arbeitsvertrag geschlossen werden, es sei denn, daß bei Abschluß des Vertrages für die Befristung keine sachlichen Gründe vorgelegen haben. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Parteien oder jedenfalls einer Partei müssen gegenüber dem Gewicht der Arbeitsplatzsicherung für Schwerbeschädigte durch die kündigungsrechtlichen Vorschriften des §§ 14, 19 SchwBeschG 1953 für den befristeten Vertrag sprechen. So BAG vom 28. 2. 1963 — 2 AZR 345/62 — BAG 14, 108 = AP Nr 25 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. Die sachlich bestimmten Beendigungsgründe für ein befristetes Arbeitsverhältnis müssen der willkürlichen Entschließung der Parteien entzogen und objektiv feststellbar sein: RAG vom 29. 4. 1931 — 500/30 — ARS 13, 10; L A G Bremen vom 17. 9. 1958 — I I Sa 60/58 — A P N r 1 zu § 620 BGB Bedingung - BremARS N r 67. Die Frage, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Falle, in dem von 400 beim Bau der Vergrößerung der Getreideverkehrsanlage beschäftigten Bauarbeitern im Zeitpunkt der entfristeten Entlassung des Schwerbeschädigten nur noch 40 benötigt wurden, erfüllt waren, hat das Arbeltsgericht sicherlich zu Recht verneint.
Befristetes Arbeitsverhältnis
Nr 93
Bestimmte Arbeit: Übertragung anderer Arbeit — Weiterbeschäftigung BGB §§ 620 Abs 2, 625,119 , 779,242 1. Ist ein Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung einer bestimmten Arbeit befristet, so bedeutet dies nicht ohne weiteres, daß der Arbeitnehmer ausschließlich nur mit dieser Arbeit beschäftigt werden darf. Wird er im Rahmen des Weisungsrechts des Arbeitgebers während der Vertragsdauer auch mit der Ausführung anderer Arbeiten beauftragt, so fällt dadurch die vereinbarte Befristung des Arbeitsvertrages nicht fort. 2. Wird die Vereinbarung über eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers lediglich auf Grund eines Irrtums beider Parteien über die Rechtsnatur des bis dahin bestehenden Arbeitsverhältnisses getroffen, so kann sich keine Partei auf die Vereinbarung berufen, ohne damit gegen Treu und Glauben zu verstoßen, auch wenn die besonderen Voraussetzungen einer Anfechtung nach §§ 119, 779 BGB nicht gegeben sind. Die Einrede der Arglist ist insbesondere gegenüber Ansprüchen derjenigen Partei gegeben, die zur unrichtigen Auffassung der Vertragsschließenden über die Geschäftsgrundlage durch eine falsche Behauptung über die Rechtslage Veranlassung gegeben hat. L A G Bremen vom 10. 10. 1951 — Sa 67/51 — BB 1952, 229 «= SAE 1952, 27 «= WA 1952,
207
Befristetes Arbeitsverhältnis Befristetes Arbeitsverhältnis
215 Nr 94
für bestimmte Reise eines Reisebusses BGB § 620 Abs 1 Ist ein Arbeitnehmer als Fahrer eines Reisebusses für eine bestimmte Reise angestellt, deren Dauer sich nach objektiven Merkmalen, wenn auch nicht auf den Kalendertag genau, bestimmen läßt, so muß der Arbeitsvertrag als für einen bestimmten Zeitraum, die Dauer der Reise, abgeschlossen gelten. Die Dauer eines solchen Arbeitsverhältnisses wird in der Regel nicht durch eine vorzeitige, außergewöhnliche Beendigung, sondern durch die planmäßige, normale Erledigung der Reise bestimmt. L A G Bremen vom 25. 10. 1960 — 2 Sa 41/60 — DB 1961, 1620 = RdA 1962, 48 « AuR 1962, 89 •= WA 1961, 295 Hinweis: I m Gegensatz zu dem Heuerverhältnis, das nach § 23 SeemG ausdrücklich „auf bestimmte Zeit, Insbesondere auch für eine Reise", begründet werden kann, ist beim Arbeitsverhältnis an Land eine solche Befristung zwar selten, aber ebenfalls zulässig; vgl. Hueck-Nipperdey, Bd I S 531.
Befristetes Arbeitsverhältnis
Nr 95
im öffentlichen Dienst: Kettenverträge — Vorausverzicht — BGB §§ 134,138, 620; BAT § 5 1. Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist rechtsunwirksam, wenn bei Abschluß des Vertrages für die Befristung keine sachlichen Gründe vorgelegen haben. 2. Die Rechtswirksamkeit von Kettenverträgen im öffentlichen Dienst hängt davon ab, ob ein verständiger Dienstherr, der sich in gleicher Weise der Verantwortung für die öffentlichen Belange wie für seine Angestellten bewußt ist, bei Prüfung aller Umstände den Arbeitsvertrag mehrfach befristet hätte. 3. Bei einem lebens- und kaufmännisch berufserfahrenen älteren Angestellten, der sich in fast drei Jahren bei drei verschiedenen Dienststellen desselben Dienstherrn in ganz unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen als Justizangestellter und als Verwaltungsangestellter der Verg.-Gruppen I X bis V I I I B A T voll bewährt hat, bedarf es verständigerweise nicht einer erneuten Erprobung für eine Tätigkeit mit den Merkmalen der Verg.-Gr. V I I I einer anderen Dienststelle. 4. Rechtlich unerheblich ist, daß sich der — den Schwerbeschädigten gleichgestellte — Angestellte mit der wiederholten Befristung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich einverstanden und außerdem erklärt hat, sich nicht darauf berufen zu wollen, daß mit ihm Kettenverträge geschlossen seien. Denn in ihrem Kern läuft diese von Bediensteten des Dienstherrn herbeigeführte Erklärung auf einen unzulässigen Vorausverzicht auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG und auf den besonderen Arbeitsplatzschutz nach dem SchwBeschG hinaus, deren Umgehung der Zeitvertrag diente. L A G Bremen vom 19. 1. 1965 — 2 Sa 89/64 — Hinweis: Wie LS 1 BAG vom 12. 10. 1960 — GS 1/59 — B A G 10, 65 - A P Nr 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, wie LS 2 BAG vom 26. 11. 1955 — 2 AZR. 516/54 — A P Nr 14 zu § 1 KSchG. Vgl zur Ablehnung einer Höhergruppierung im öffentlichen Dienst mit Bezugnahme auf den Stellenplan LAG Bremen vom 9. 6. 1954 — Sa 42/54 — BremARS Nr 166.
Befristetes Arbeitsverhältnis
Nr 96
Kettenverträge BGB §§ 134,138; TOA § 1 Abs 4; ATO § 19 Abs 2 1. Ketten Verträge sind hinsichtlich der vereinbarten Befristung nichtig, wenn
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Befristetes Arbeitsverhältnis
sie zur Umgehung der gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen abgeschlossen werden. 2. Auch davon abgesehen kann der Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu einer rechtswirksamen Kündigung fordern, wenn in den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Vertragsparteien keine ausreichenden Gründe für den Abschluß aufeinander folgender befristeter Arbeitsverhältnisse liegen. 3. Kettenverträge sind nicht nur bei Vorliegen eines Dauerarbeitsplatzes unzulässig. Sie sind in der Regel nur dann wirtschaftlich und sozial gerechtfertigt, wenn von vornherein nur eine objektiv begrenzte Arbeitsleistung in Frage steht, deren Erfüllung sich später wider Erwarten verzögert. 4. Haushaltsmäßige Beschränkungen oder der Mangel an Planstellen rechtfertigen für sich allein den Abschluß von Kettenverträgen im öffentlichen Dienst nicht. 5. § 19 Abs 2 A T O über die Begrenzung der Beschäftigung von Aushilfsangestellten gelten nur für Arbeitsverhältnisse auf unbestimmte Dauer und schließen daher nicht aus, daß im öffentlichen Dienst befristete Arbeitsverträge auch für einen Zeitraum von mehr als 6 bzw 9 Monaten abgeschlossen oder verlängert werden. L A G Bremen vom 10. 2. 1954 — Sa 167/53 — A P 54 Nr 146 = BB 1954, 258 = DB 1954, 235 Hinweis: Nach BAG vom 21. 10. 1954 — 2 AZR 25/53 — BAG 1, 128 = AP N r 7 zu 5 1 KSchG — sind mehrfach befristete Arbeitsverträge (KettenVerträge) nicht in jedem Falle unzulässig. Die Befristung ist jedoch unwirksam, wenn sie dem Arbeitnehmer den Kündigungsschutz nimmt und ein verständiger Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen hätte. Diese Grundsätze gelten auch für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst.
Befristetes Arbeitsverhältnis
N r 97
Musiker im Gaststättengewerbe BGB §§611, 620; GewO §§122, 133 a; TO für in Gaststätten beschäftigte Musiker und Kapellenleiter vom 8. 1. 1936 /15. 1. 1937 / 25. 4. 1937 §3 Bei Abschluß eines Arbeitsvertrages ist die Einstellung des Arbeitnehmers auf unbestimmte Zeit die Regel; das gilt auch für das Arbeitsverhältnis von Musikern innerhalb des Gaststättengewerbes. Wer demgegenüber die Einstellung auf bestimmte Zeit behauptet, behauptet damit die Vereinbarung einer auflösenden Befristung, die er als Ausnahmetatbestand zu beweisen hat. ArbG Bremen vom 18. 11. 1949 — Ca 2060/49 — AP 50 Nr 60 Hinweis: Für die Frage, ob ein Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Dauer oder befristet abgeschlossen anzusehen ist, ist auch die Verkehrssitte zu berücksichtigen, die in dem engeren Wirtschaftsbereich besteht. Darüber hinaus macht das Streben des Gesetzgebers, dem länger beschäftigten Arbeitnehmer für seinen Arbeitsplatz durch das KSchG Bestandsschutz zu verleihen, den unbefristeten und demnach dem KSchG unterliegenden Arbeitsvertrag auch zu der „sozialstaatlich privilegierten und sozialstaatlich gesehen erwünschteren Regelung"; so BAG vom 26. 11. 1955 — 2 AZR 516/54 — AP Nr 14 zu § 1 KSchG. Es spricht daher eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, so daß derjenige, der sich auf die Vereinbarung einer Befristung beruft, dafür beweispflichtig ist; ebenso Hueck-Nipper dey, Bd I S 533; Nikisch, Bd I S 671.
Befristetes Arbeitsverhältnis
N r 98
Saisonarbeiten: Vereinbarung der Befristung BGB § 620 Ist ein Arbeitsverhältnis nicht für eine bestimmte Zeit befristet abgeschlossen, so ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer — nach Beendigung der Saison — ohnehin entlassen hätte, wenn er den entsprechenden Willen dem Arbeitnehmer tatsächlich nicht kundgegeben hat. L A G Bremen vom 19. 3. 1963 — 2 Ta 1/63 — BB 1964, 556 - DB 1963, 903 « AuR 1963, 285
Befristetes Arbeitsverhältnis Befristetes Arbeitsverhältnis
217 N r 99
zur Aushilfe und darauf zur Probe: Kaffee-Verkäuferin BGB §§ 620, 625; HGB §§ 66, 67, 69 War eine Verkäuferin in einem Kaffee-Spezialgeschäft zunächst 3 Monate durchlaufend „zur Aushilfe" beschäftigt, dann liegen für die nochmalige Befristung eines anschließenden Arbeitsverhältnisses „zur Probe" auf 3 Monate sachliche Gründe nicht vor, so daß sich der Arbeitgeber wegen objektiver Funktionswidrigkeit des Hechtsgeschäftes (hier: Umgehung zwingender Vorschriften über Mindest-Kündigungsfristen) gegenüber der Verkäuferin nicht auf die Befristung berufen kann. Das gilt insbesondere dann, wenn der erste befristete Arbeitsvertrag „zur Aushilfe" nach seinem wirklichen Inhalt und entgegen seiner Bezeichnung in Wahrheit mindestens überwiegend als Probearbeitsvertrag anzusehen ist und die Tätigkeit einer Verkäuferin in einem Kaffee-Spezialgeschäft eine Beurteilung der Fähigkeit und Leistungen schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit zuläßt. Die übliche Probezeit beträgt bei einfachen kaufmännischen Angestellten im Einzelhandel im allgemeinen 2 bis 3 Monate. L A G Bremen vom 18. 4. 1963 — 2 Sa 136/62 — BB 1963, 1136 = DB 1963, 1222 - AuR 1963, 346 Hinweis: Die Entscheidung folgt der Rechtsprechung des BAG, insbesondere vom 12. 10. 1960 — GS 1/59 — 4 AZR 65/56 — AP Nr 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, wonach die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtswirksam ist, es sei denn, daß bei Abschluß des Vertrages für die Befristung keine sachlichen Gründe vorgelegen haben. I n diesem Fall kann sich der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber nicht auf die Befristung berufen, wenn diese dem Arbeitnehmer den Schutz von zwingenden Kündigungsschutzbedingungen entzieht. — Hinsichtlich der Dauer der Probezeit von Angestellten ebenso Niklsch, Bd I S 679; Walter, S 11.
Befristetes Arbeitsverhältnis
N r 100
zur Probe: Auslegung — Kündigung BGB § 620 Abs 1, §§ 133, 157 Bei einer Vertragsformulierung: „Die ersten drei Monate gelten als Probezeit, während der täglich gekündigt werden kann. Bei Weiterbeschäftigung über die Probezeit hinaus ist der Arbeitnehmer fest angestellt" liegt ein befristeter Vertrag vor, für den eine Kündigungsmöglichkeit kraft Gesetzes nicht vorgesehen ist. Eine Kündigung während der Probezeit ist deshalb nur zulässig, wenn und soweit dies ausdrücklich vereinbart ist. I n der Vereinbarung einer befristeten Probezeit liegt nicht etwa von selbst eine erleichterte Kündigungsmöglichkeit, z B mit der kürzesten gesetzlichen Kündigungsfrist. Vielmehr haben in Ermangelung einer entgegenstehenden Abrede beide Parteien die Pflicht, die vereinbarte Probezeit tatsächlich einzuhalten. L A G Bremen vom 9. 3. 1955 — Sa 10/55 — BB 1955, 638 «= DB 1955, 560, 584
Befristetes Arbeitsverhältnis
N r 101
zur Probe: Gefängnisaufseher BGB § 620 Abs 1, § 138; TO . A § 16 Abs 1 1. Die Vereinbarung eines befristeten oder eines Probearbeitsverhältnisses von mehr als vier Monaten Dauer mit einem Angestellten des öffentlichen Dienstes ist durch die Bestimmungen der A T O und der TO.A nicht ausgeschlossen. 2. Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist nur dann rechtswirksam, wenn besondere sachliche Gründe die Vereinbarung sozial gerechtfertigt erscheinen lassen. Das ist z B der Fall, wenn die Befristung der Prüfung der
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Befristetes Arbeitsverhältnis
charakterlichen Eignung und Zuverlässigkeit eines Gefängnisaufsehers dienen soll. 3. Die Befristung eines neuen Angestelltenverhältnisses stellt gegenüber einem bereits als Arbeiter beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer keinen Verstoß gegen die guten Sitten dar. 4. Ein zur Probe befristet beschäftigter Angestellter hat jedenfalls dann keinen Anspruch auf endgültige Übernahme, wenn nicht völlig aufklärbare Vorkommnisse das Bedenken rechtfertigen, daß der Arbeitnehmer nach Alkoholgenuß nicht verläßlich ist. L A G Bremen vom 25. 3. 1959 — I Sa 6/59 — BB 1959, 597 = DB 1959, 519 - WA 1959, 197 Hinweis: Wie LS 1 und 2 insbesondere BAG vom 12. 10. 1960 — GS 1/59 — 3 AZR 65/56 — AP Nr 16 zu § 620 BGB Befristeter Vertrag.
Befristetes Arbeitsverhältnis
N r 102
zur Probe: Rundfunksprecher BGB § 620 Abs 1, §§ 138, 189 1. Gegen die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge ist dann nichts einzuwenden, wenn beim Ablauf des Arbeitsvertrags schwere Bedenken gegen die Brauchbarkeit des Arbeitnehmers bestehen und nach Beratung mit dem Betriebsrat dem Arbeitnehmer eine auf sechs Monate befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses als Bewährungsfrist gewährt wird. 2. Eine Probezeit von sechs Monaten ist zwar ungewöhnlich lang; gegen diese Dauer bestehen im vorliegenden Falle aber dann keine Bedenken, wenn sie im Tarifvertrag vorgesehen ist. Eine Probezeit von zwölf Monaten für eine Rundfunksprecher, die nicht in einem Tarifvertrag zugelassen ist, kann nicht mehr als sozial vertretbar anerkannt werden. 3. Ist bei einem befristeten Probearbeitsverhältnis die Vereinbarung der Probezeit nichtig, so bleibt der Vertrag im übrigen gemäß § 139 BGB rechtswirksam; das Arbeitsverhältnis endet also durch Zeitablauf. Der Fall liegt anders als bei der Umdeutung eines insgesamt nichtigen Probearbeitsvertrags in ein gewöhnliches Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit. L A G Bremen vom 26. 1. 1955 — Sa 1/55 — BB 1955, 194, 287 Hinweis: Gegen LS 3 bestehen mit der herrsch Meinung Bedenken. Schon die einmalige Befristung eines Arbeitsvertrages kann nämlich nach BAG vom 12. 10. 1960 — GS 1/59 — B A G 10, 65 = AP N r 16 zu § 620 BGB Befristeter Vertrag unwirksam sein, wenn bei Abschluß des Vertrages für die Befristung keine sachlichen Gründe vorgelegen haben. I n diesem Falle kann sich der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber nicht auf die Befristung berufen, wenn diese dem Arbeitnehmer den Schutz von zwingenden Kündigungsschutzbestimmungen nimmt. Waren nun im konkreten Falle für die vereinbarte, allzu lange Probezeit und damit für die entsprechende Befristung sachliche Gründe nicht gegeben, muß das Arbeitsverhältnis als unbefristet behandelt werden, zumal bei einer vereinbarten Probezeit von zwölf Monaten der Kündigungsschutz des KSchG eingreift. Vgl auch L A G Bremen vom 18. 4. 1963 — 2 Sa 136/62 — Brem ARS Nr 413. •
Berufsjahre
N r 103
Anrechnung russischer Internierung BGB § 242; GG Art 1 Abs 1 Werden nach einem Tarifvertrag Zeiten der Kriegsgefangenschaft auf die Berufs- bzw Gehilfen jähre angerechnet, dann ist dieses ein Akt der Wiedergutmachung. Das Gebot der Menschenwürde verlangt es, Zeiten russischer Internierung einer weiblichen Arbeitnehmerin als Kriegsmaßnahme der Kriegsgefangenschaft gleichzusetzen. Dies gilt zumindest dann, wenn die während dieser Zeit eingetretenen gesundheitlichen Schädigungen vom Versorgungsamt anerkannt sind. ArbG Bremen vom 18. 6. 1959 — 1 Ca 125/59 — ARSt X X I I I , 174 = WA 1959, 267
Berufung Berufung
219 Nr 104
gegen Zweites Versäumnisurteil: Begründung ZPO §§ 513 Abs 2, 538 Nr 5, 539; ArbGG § 68 1. Nach §513 Abs 2 ZPO kann die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil auch darauf gestützt werden, daß die Partei durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle (Inhaftierung in der Ostzone) am Erscheinen verhindert gewesen und diese Tatsache vom Arbeitsgericht entgegen § 337 ZPO trotz Kenntnis des Sachverhalts nicht berücksichtigt worden sei. 2. I m Falle der Aufhebung eines zweiten Versäumnisurteils ist die Sache gemäß §538 Nr 5 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, da §68 ArbGG lediglich die Anwendbarkeit der Bestimmung des §539 ZPO ausschließt und im übrigen auch eine ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts zur Entscheidung über die Rechtzeitigkeit des Einspruchs der Partei gegen das erste Versäumnisurteil und gegebenenfalls über einen Wiedereinsetzungsantrag besteht. L A G Bremen vom 11. 10. 1950 — Sa 43/50 — ARSt V, 577, 621 = SAE 1951, 27 1951, 71
WA
Hinweis: Zustimmend zu LS 2 Wleczorek, 8 513 Anm B I V b 2 m w N der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte.
Berufung
Nr 105
gegen Zweites Versäumnisurteil: Berufungssumme ZPO §§ 513 a, 519 b; ArbGG §§ 8 Abs 2, 61 Abs 3, 64 Auch für die Berufung gegen ein Zweites Versäumnisurteil gilt das Erfordernis der Berufungssumme. L A G Bremen vom 10. 3. 1950 — Sa 10/50 — A P 51 N r 105 mit zustimm Anm NeumannDuesberg Hinweis: Ebenso unter Bezugnahme auf die dem § 64 Abs 1 ArbGG rechtsähnliche Vorschrift des § 511a Abs 1 ZPO L A G Freiburg vom 31. 5. 1951 — Sa 61/50 — AP 53 N r 86 mit zustimm Anm Wleczorek; Dersch-Volkmar, 8 64 Anm 16; Dletz-Nlklsch, 8 64 Anm 11; Rohlflng-Rewolle, 8 59 Anm 6; Steln-Jonas-Schönke, ZPO, 18. Auf, 8 513 Anm I V ; a. A. Brennert, RdA 1957, 268.
Berufung
Nr 106
Zulässigkeit bei Berichtigung der Streitwertfestsetzung ArbGG § 64; ZPO § 319 1. Für die Zulässigkeit der Berufung ist der Wert des Streitgegenstandes maßgebend, auch wenn er erst im Wege des Berichtigungsbeschlusses festgesetzt worden ist. 2. Der Berichtigungsbeschluß ist wirksam, wenn er unter Beteiligung der bei der Urteilsverkündung mitwirkenden Richter zustande gekommen ist. 3. Aus einer übertariflichen oder überdurchschnittlichen Bezahlung allein kann noch nicht gefolgert werden, daß damit auch eine etwaige Mehrarbeit abgegolten sein soll. Eine besondere Bezahlung dieser Mehrarbeit entfällt aber, wenn die übertarifliche oder überdurchschnittliche Vergütung gerade mit Rücksicht auf etwa anfallende Mehrarbeit gezahlt worden war. 4. Für im. Haushalt beschäftigte Hausgärtner gelten die Vorschriften der A Z O nicht. L A G Bremen vom 1. 9. 1954 — Sa 75/54 — A P N r 1 zu 8 611 BGB Mehrarbeitsvergütung mit krit Anm Hörstel Hinweis: LS 1 entspricht allgem Meinung; vgl nur Dersch-Volkmar, 8 66 Anm 18; DletzNiklsch, 8 61 Anm 20 mwN. Wird die Zulässigkeit der Berufung erst durch den Berichtigungsbeschluß eröffnet, so beginnt die. Berufungsfrist mit der Zustellung des Be-
220
Berufung
schlusses zu laufen: Dersch-Volkmar, § 66 Anm 17; Dietz-Nikisch, aaO. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Berichtigung der Streitwertfestsetzung nach § 319 ZPO möglich ist, siehe BAG vom 19. 5. 1960 — 4 AZR 103/58 — B A G 9, 222 = A P Nr 11 zu § 319 ZPO mit im Ergebnis zustimm Anm Baumgärtel. Entgegen LS 2 kann jedoch nach der sonst einhelligen Auffassung die Berichtigung auch in anderer Besetzung des Gerichts erfolgen: BGH vom 8. 3. 1956 — I I I ZR 265/54 — BGHZ 20, 188 = L M Nr 19 zu § 319 ZPO; BAG vom 5. 5. 1960 — 2 AZR 511/58 — AP Nr 4 zu § 319 ZPO; BaumbachLauterbach, g 319 Anm 3 A ; Stein-Jonas, § 319 Anm I I ; Thomas-Putzo, § 319 Anm 3; Wieczorek, § 319 Anm C I a; Zöller, § 319 Anm 1 d. Für eine auf besondere Ausnahmefälle beschränkte nachträgliche Berichtigung des verkündeten Urteilstenors Menkens, AuR 1966, 174—175.
Berufung
Nr 107
Zulassung: Form ArbGG § 61 Abs 3 Satz 2, § 64 Abs 1 Findet ein Rechtsmittel gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts nach dem Wert des Streitgegenstandes nicht statt, so ist die Berufung auch dann zulässig, wenn sie vom Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil zwar nicht ausdrücklich zugelassen worden ist, das Arbeitsgericht jedoch im verkündeten Urteilsspruch erklärt hat, die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung werde bejaht, und wenn sich aus der Bezugnahme auf § 64 ArbGG in den Urteilsgründen sowie aus der gleichzeitig mit dem Urteilsspruch verkündeten Rechtsmittelbelehrung ergibt, daß die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden sollte. LAG Bremen vom 5. 8. 1964 — 1 Sa 58/64 — BB 1964, 1006 = DB 1964, 1231 = WA 1964,
328
Hinweis: Das Urteil geht von dem anerkannten Grundsatz aus, daß die Urteilsformel dann, wenn sie nicht eindeutig ist, unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen auszulegen ist; vgl nur BAG vom 10. 3. 1955 — 2 AZR 508/54 — BAG 1, 289 - A P N r 3 zu 5 64 ArbGG 1953 mit im Ergebnis zustimm Anm Pohle .
Berufung
Nr 108
Zulassung wegen bestimmter Rechtsfrage: Unbeschränkte Nachprüfung ArbGG §§ 61 Abs 3, 64 Abs 1 und 2; ZPO § 537 Auch wenn das Arbeitsgericht die Berufung gegen ein Urteil nur aus einem bestimmten Rechtsgrunde zugelassen hat, unterliegen der Entscheidung des Berufungsgerichts sämtliche sachlichen und rechtlichen Streitpunkte, die den geltend gemachten Anspruch betreffen. L A G Bremen vom 28. 6. 1950 — Sa 31/50 — BB 1950, 842 1953, 31 = WA 1950, 364, 380
ARSt V, 321, 405 -
AuR
Hinweis: Allgem Meinung; vgl nur BGH vom 8. 5. 1953 — V ZR 54/52 — BGHZ 9, 357. Anders bei Beschränkung der Zulassung auf einen von mehreren selbständigen Ansprüchen: BAG vom 28. 3. 1956 — 2 AZR 550/55 — BAG 2, 326 - A P N r 45 zu § 72 ArbGG 1953; Dietz-Nikisch , § 64 Anm 27 mwN.
Berufungsfrist
Nr 109
bei Urteilszustellung ohne Rechtsmittelbelehrung ArbGG § 66 Durch die Zustellung eines Urteils ohne gleichzeitige Rechtsmittelbelehrung wird die Berufungsfrist nicht in Lauf gesetzt. Die Berufungsfrist beginnt erst mit der Zustellung des Ergänzungsbeschlusses. L A G Bremen vom 28. 9. 1949 — Sa 32/49 — AP 50 Nr 74 mit ausführt, z T krit Anm Wieczorek Hinweis: Ebenso Dersch-Volkmar,
9 9 Anm 15; Dietz-Nikisch,
§ 9 Anm 42, 5 66 Anm 3.
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Beschlußverfahren Beschlußverfahren
Nr 110
Amtsbetrieb ArbGG § 83; BetrVG § 23 Die Aufklärungspflicht des Arbeitsgerichts im Beschlußverfahren umfaßt nicht die Verpflichtung, im Rahmen eines Ausschlußverfahrens nach §23 BetrVG selbständige Ermittlungen zur Überführung eines beschuldigten Betriebsratsmitgliedes anzustellen. Es ist in einem solchen Falle Aufgabe des Antragstellers, den Sachverhalt darzulegen und die Beweismöglichkeiten zu bezeichnen, soweit sie sich nicht bereits aus dem Vortrage der Beteiligten ergeben. L A G Bremen vom 16. 8. 1962 — 1 TaBV 1/62 — DB 1962, 1442 - AuR 1962, 380 1963, 45 = WA 1963, 22
SAE
Hinweis: Zum Verfahrensgrundsatz der „Offizialmaxime" (Pohle, Anm zu SAE 1961, 9: „Dispositionsmaxime"; zustimmend Galperin-Siebert, Anh (82 Anm 11) BAG vom 15. 7. 1960 — 1 ABR 3/59 — A P Nr 10 zu § 76 BetrVG.
Beschluß verfahren
N r 111
Gerichtlicher Vergleich: Zulässigkeit ArbGG §§ 57 Abs 2, 80 Abs 2t 81 Abs 2, 84, 87 Abs 2; BGB § 134; BetrVG §§ 49 Abs 3, 56, 57 1. Der Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs ist im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nicht ausgeschlossen. Einer vergleichsweisen Erledigung stehen weder die Vorschriften der §§ 80 Abs 2, 84, 87 Abs 2 ArbGG noch der das Beschlußverfahren beherrschende Grundsatz des Amtsbetriebes entgegen. Das Gericht darf im Gegenteil auch im Beschlußverfahren nur im Rahmen der gestellten Anträge tätig werden, die von den Beteiligten nach § 81 ArbGG zurückgenommen werden können. Es ist daher nicht zu erkennen, warum es ausgeschlossen sein soll, daß die Beteiligten sich im Beschlußverfahren nicht auch über diejenigen Streitpunkte sollen verständigen können, die den von ihnen dem Gericht unterbreiteten Gegenstand des Beschlußverfahrens bilden. Für die Zulässigkeit einer vergleichsweisen Regelung im Beschlußverfahren spricht im übrigen auch die in den §§ 80 Abs 2 und 87 Abs 2 ArbGG erfolgte Verweisung auf die im § 57 Abs 2 ArbGG enthaltenen Vorschriften über die Verhandlung vor der Kammer, die eine gütliche Erledigung der Streitsache während des ganzen Verfahrens vorsehen. 2. Die sog Dispositionsbefugnis der Beteiligten ist beim Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs im Beschlußverfahren lediglich durch den Grundsatz begrenzt, daß auch eine vergleichsweise Regelung zwingenden und somit unabdingbaren Vorschriften der Rechtsordnung nicht widersprechen darf. Vergleichsweise Regelungen sind somit auch dann unzulässig, wenn sie gegen unabdingbare Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts verstoßen, d h insbesondere gegen organisatorische Bestimmungen des BetrVG, oder wenn sie eine grundsätzliche unzulässige Einschränkung der gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrates zum Gegenstand haben. Bei Vergleichen, die dem Betriebsrat gesetzlich nicht vorgesehene oder strittig gewordene betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse zusprechen, kommt es dagegen von Fall zu Fall darauf an, ob der getroffenen Regelung zwingende rechtliche Bedenken — etwa aufgrund eines Widerspruchs zum Gesellschaftsrecht oder zur Struktur der Mitbestimmungsregelung — entgegenstehen. Eine lediglich für einen Einzelfall geltende Verständigung über den Umfang der Beteiligungsrechte des Betriebsrats wird dadurch jedoch niemals getroffen, da sie jedenfalls nach § 57 BetrVG zulässig ist. 3. Das Beschlußverfahren wird durch den rechtswirksamen Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs beendet. Diese Tatsache ergibt sich aus dem unter Beteiligung des Gerichts abgeschlossenen Vergleich selbst. Eine zusätzliche Feststellung der vergleichsweise erfolgten Beendigung des Beschlußver-
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Beschlußverfahren
fahrens durch Gerichtsbeschluß ist nicht erforderlich. Eine solche Notwendigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz des Amtsbetriebes, da die gerichtliche Mitwirkung zum Wesen des gerichtlichen Vergleichs gehört und das Gericht ohnehin danach die Verantwortung für Form und Inhalt des Vergleichs trägt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Form Vorschrift des § 81 Abs 2 ArbGG, da es sich in diesem Falle um eine einseitige Erklärung eines Beteiligten handelt, deren Wirksamkeit der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt, so daß eine gerichtliche Feststellung hier im I n teresse der Rechtsklarheit liegen kann. Lediglich diesen Gesichtspunkt hat auch das B A G für den Fall der Erledigung des Verfahrens durch Wegfall des Rechtsschutzinteresses in seinem Beschluß vom 3. Juni 1960 (AP N r 21 zu § 56 BetrVG) betont. L A G Bremen vom 21. 7. 1965 — 1 TaBV 1/65 — BB 1965, 1108 = DB 1965, 1256 1965, 356
WA
Hinweis: Ähnlich B A G vom 17. 10. 1963 — 1 ABR 4/63 — A P N r 9 zu 8 81 ArbGG.
Beschlußverfahren
N r 112
Rechtsschutzinteresse BremPersVG § 76 Abs 2; ArbGG §§ 80—91 Entfällt in dem Beschlußverfahren in Personalvertretungssachen in der Beschwerdeinstanz das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers, so ist trotzdem eine Entscheidung in der Sache geboten, wenn ein anderer Beteiligter ein rechtlich beachtliches Interesse an einer solchen Entscheidung hat. Dieses Interesse ist zu bejahen, wenn nach den gegebenen Umständen anzunehmen ist, daß die Meinungsverschiedenheit im örtlichen Personalrat erneut auftreten und dann wiederum zum Gegenstand eines Beschlußverfahrens gemacht werden wird. OVG Bremen vom 26. 3. 1962 — P V 4/61, B 2/62 — Hnlweis: Ähnlich L A G Düsseldorf vom 2. 12. 1954 — 3 BV Ta 10/54 — BB 1955, 197; vgl auch BAG vom 21. 6. 1957 — 1 ABR 1/56 — A P N r 2 zu § 81 ArbGG mit krit Anm Pohle, der für analoge Anwendung des § 172 ZPO eintritt, so daß der Antrag im zweiten und dritten Rechtszuge nur mit Zustimmung aller Beteiligten zurückgenommen werden kann.
Betrieb
N r 113
Begriff BetrVG § 3 1. Die organisatorischen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes sind ihrem Wesen nach zwingender Natur und lassen lediglich in den vom Gesetz geregelten Fällen eine Anpassung an besonders gelagerte Betriebsverhältnisse zu, während sie im übrigen der Verfügung der Betriebsangehörigen entzogen sind. 2. Es kommt darauf an, die betriebsratsfähigen Einheiten (Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsrechts) so abzugrenzen, daß eine wirklich betriebsnahe und von Vertrauen und Verständnis getragene Lösung der aus den alltäglichen Arbeitsvorgängen sich ergebenden Fragen und Probleme möglich wird. Dies ist aber nur dort gewährleistet, wo die arbeitstechnische Organisation und die organisatorisch gewachsene Schaffensgemeinschaft sich decken und der in solchem Rahmen gewählten Betriebsvertretung sowohl die Vertrautheit mit allen arbeitstechnischen und personellen Gegebenheiten der betrieblichen Arbeit als auch die menschliche Fühlungnahme mit den einzelnen Betriebsangehörigen ermöglichen. 3. Von einer einheitlichen und geschlossenen Schaffensgemeinschaft kann nur dort wirklich gesprochen werden, wo in gemeinsamer Tätigkeit ein einheitliches arbeitstechnisches Ziel erstrebt wird. 4. Bei der Vereinigung mehrerer Betriebe mit verschiedenen arbeitstech-
Betrieb
m
nischen Zwecken zu einem einheitlichen Unternehmen verlieren diese Betriebe regelmäßig ihre betriebliche Selbständigkeit nicht, wenn die Vereinigung lediglich eines entfernteren Zweckes wegen erfolgt, der mit der eigentlichen betrieblichen Arbeit nicht unmittelbar zusammenhängt, sondern lediglich ihre wirtschaftliche Verwendung betrifft. Die Zentralisierung der verwaltungsmäßigen (insbesondere personellen) und kaufmännischen Funktionen schafft für sich allein niemals eine derartige Verbundenheit und Verflechtung der einzelnen Unternehmensteile in persönlicher oder sachlicher Beziehung, daß danach ein einheitlicher Gesamtbetrieb gerechtfertigt werden könnte, der sämtliche Werke des Unternehmens umfaßt. 5. Die zentrale kaufmännische Verwaltung eines Unternehmens kann ein betriebsratsfähiger Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsrechts sein. Die arbeitstechnische Zweckbestimmung der Zentralverwaltung besteht in der zentralen Erledigung der mit den Arbeitsverfahren der einzelnen Werke nicht notwendig verbundenen Verwaltungsfunktionen auf personellem, kaufmännischem und gegebenenfalls auch sachlichem Gebiet. Der Zentralverwaltung obliegt auch die Unterstützung des Unternehmers in der Erfüllung seiner unmittelbaren unternehmerischen Gesamtaufgaben. Wenn die Zentralverwaltung sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht des Personals und der Einrichtungen eines Einzelbetriebes bedient, sondern dafür eine besondere Organisation hat, stellt sie in der Hegel einen selbständigen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsrechts dar. L A G Bremen vom 13. 6. 1953 — Sa B 1/53 — SAE 1953, 64 — Hinweis: Ähnlich zu den vom Gesetzgeber vorausgesetzten Begriffen selbständiger Betrieb, Nebenbetrieb und Betriebsteil im Sinne des § 3 BetrVG BAG vom 9. 5. 1958 — 1 ABR 5/57 — BAG 6, 19 A P Nr 1, vom 1. 2. 1963 — 1 ABR 1/62 — B A G 14, 82 - A P N r 5 und vom 5. 6. 1964 — 1 ABR 11/63 — A P N r 7 zu § 3 BetrVG. I n dem grundlegenden Beschluß vom 1. 2. 1963 betont das BAG, es sei für das BetrVG nicht ohne weiteres maßgeblich, was in anderen Rechtsnormen, z B im Tarifvertragsrecht oder in dem auf ein anderes Ziel ausgerichteten Kündigungsschutzrecht unter dem Begriff des Betriebes oder Betriebsteils verstanden werde. Bei der Prüfung, ob selbständige Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorliegen, könne auch nicht allein der Wortlaut des § 3 BetrVG entscheidend sein. Vielmehr müsse die Grundtendenz der übrigen Vorschriften des BetrVG gewertet und diese bei der Auslegung des § 3 BetrVG ebenso berücksichtigt werden wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Das BAG bezeichnet dann eine Reihe von für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkten, u a: a) Kein Betrieb — die entsprechende Größe vorausgesetzt — soll ohne Betriebsrat sein. b) Der Betrieb ist i m Gegensatz zum Unternehmen zu sehen; das Hauptgewicht liegt in der Organisation; bei der Zweckbestimmung kommt es weniger auf die wirtschaftliche (kaufmännische) als auf die arbeitstechnische Seite an. c) Der Begriff des Betriebes, Nebenbetriebes oder Betriebsteils setzt, soweit es um die Frage der Abgrenzung geht, eine Belegschaft voraus, die möglichst oberhalb der Grenze der Betriebsratsfähigkeit liegt, d) Als Wille des Gesetzgebers ist eine Lösung zu unterstellen, bei der ein unfruchtbares Nebeneinanderherarbeiten mehrerer in ihrem Aufgabenbereich sich überschneidender Betriebsräte und eine unerquickliche Rivalität vermieden werden. e) Da der Betriebsrat der berufene Vertreter der Belegschaft ist, ist ein möglichst enger Kontakt zwischen beiden zu fordern. Die Belegschaft muß wissen, welchen Arbeitskollegen sie das Vertrauen schenken kann, als ihre Vertreter im Betriebsrat zu wirken. Das setzt nach Möglichkeit eine im persönlichen Zusammenarbeiten erworbene nähere Verbundenheit innerhalb der Belegschaft voraus, f) U m seine Aufgaben erfüllen zu können, muß der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber häufig verhandeln. Die Auslegung des Gesetzes muß deshalb auch unter dem Gesichtspunkt erfolgen, wie diese Verhandlungen möglichst nutzbringend gestaltet werden können, g) Es ist davon auszugehen, daß es dem Gesetzgeber darum gegangen ist, möglichst sichere und stabile Verhältnisse zu schaffen. Deshalb ist eine möglichst klare Regelung als gewollt anzusehen. Das gilt auch insofern, als eine klare Abgrenzbarkeit gefordert werden muß.
Betrieb
N r 114
Selbständige Betriebsabteilung 1. Ein Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinne setzt voraus, daß eine auf räumlichem Zusammenhang beruhende Einheit sachlicher und anderer Mittel zur fortgesetzten Verfolgung eines oder mehrerer Zwecke innerhalb einer schaffenden Gemeinschaft vorliegt. Räumlicher Zusammenhang ist nicht gleich-
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Betriebliche Ordnungsstrafe
bedeutend mit räumlicher Geschlossenheit. Es genügt, wenn eine unmittelbar wirksame räumliche Beziehung und Verbindung benachbarter Betriebsteile vorhanden ist. 2. Hat eine Betriebsstätte innerhalb des Aufgabenkreises des Gesamtunternehmens einen eigenen selbständigen und deutlich abgegrenzten Betriebszweck, so kann sie auch bei einer stark eingeschränkten und teilweise von der Zentralverwaltung abhängigen betrieblichen Organisation als selbständiger Betrieb angesehen werden. 3. Eine selbständige Betriebsabteilung setzt des Vorhandensein einer abgegrenzten eigenen technischen Organisationseinheit sowie einen besonderen technischen Zweck voraus. L A G Bremen vom 22. 2. 1950 — Sa 59/49 — DB 1950, 132 Hinweis: Zum Begriff der Betriebsabteilung IS von § 13 Abs 3 KSchG gehört nach BAG vom 30. 5. 1958 — 1 AZR 478/57 — AP Nr 13 zu § 13 KSchG das Vorliegen einer personellen Einheit und einer organisatorischen Abgrenzbarkeit, weiter das Vorhandensein eigener technischer Hilfsmittel und eines eigenen Betriebszwecks, der auch in einem bloßen Hilfszweck bestehen kann. Zum Begriff des Betriebsteils IS von S 3 BetrVG vgl BAG vom 23. 9. 1960 — 1 ABR 9/59 — A P Nr 4 zu § 3 BetrVG. Danach setzt dieser Begriff lediglich voraus, daß es sich um eine Betriebsstelle handelt, die im Hinblick auf die Zahl der in ihr beschäftigten Arbeitnehmer von einiger Bedeutung und gegenüber dem Hauptbetrieb deutlich abgrenzbar ist.
Betriebliche Ordnungsstrafe
N r 115
M T V für Arbeiter der Länder (MTL) vom 14.1.1959 Betriebliche Ordnungsstrafen gegen Arbeitnehmer können nur dann verhängt werden, wenn in einer tariflichen Regelung oder in einer Betriebsvereinbarung eine Rechtsgrundlage für eine solche Maßnahme geschaffen worden ist. Nach dem M T L ist die Verhängung einer Ordnungsstrafe nicht zulässig. Das schließt jedoch nicht aus, daß der öffentliche Dienstherr dem Arbeitnehmer bei Verletzung einer vertraglichen Dienstpflicht seine Mißbilligung ausspricht. L A G Bremen vom 8. 12. 1965 — 1 Sa 81/63 + 69/65 — DB 1966, 76 - AuR 1966, 124 ARSt 1966, 70 — Hinweis: Nach BAG vom 25. 2. 1966 — 4 AZR 179/63 — AP N r 8 zu 5 66 PersVG — sind Straf- oder Bußordnungen, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus vom sog Führer des Betriebes oder der Verwaltung auf Grund einer besonderen Büß- oder Strafgewalt uneingeschränkt einseitig erlassen worden sind, ohne Rücksicht auf ihren Inhalt, weil typisch nationalsozialistisch, unanwendbar geworden. — Bei der Verhängung von Ordnungsstrafen oder Bußen durch den Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern, die im öffentlichen Dienst des Bundes stehen, hat der Personalrat ein Mitwirkungsrecht. Die Einhaltung der Vorschriften über Form und Durchführung der Mitwirkung ist Wirksamkeitsvoraussetzung einer vom Arbeitgeber beabsichtigten mitwirkungsbedürftigen Maßnahme. Die Verhängung einer Geldbuße durch den Arbeitgeber ohne die erforderliche Mitwirkung des zuständigen Personalrats ist unwirksam. Vgl auch May er-Cor ding, Betriebsstrafe und Vereinsstrafe im Rechtsstaat, NJW 1966, 225 m w N ; ferner speziell Schnupp, Beteiligung der Personalvertretungen in Disziplinarangelegenheiten sowie bei Dienst- und Ordnungsstrafen, ZBR 1967, 173.
Betriebliche Ü b u n g
N r 116
Kurzarbeit BGB § 242 1. Betriebliche Übungen sind bereits früher als sog konkrete Ordnungen anerkannt worden und werden auch heute von der Rechtsprechung überwiegend als Arbeitgeber und Arbeitnehmer verpflichtend anerkannt, wenn durch eine fortgesetzte tatsächliche Handhabung der Arbeitsbedingungen als Ausdruck der Lebens Wirklichkeit einer Gemeinschaft ein objektiver Tatbestand geschaffen wird, d h wenn sich eine bestimmte betriebliche Ordnung innerhalb der Betriebsgemeinschaft ohne Widerspruch durchzusetzen vermag. 2. I n einem solchen Falle muß die betriebliche Übung als Bestandteil der
Betriebsabteilung
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objektiven Rechtsordnung des Betriebes angesehen werden. Sie beherrscht auch ohne Abänderung aller einzelnen Arbeitsverträge sämtliche Arbeitsverhältnisse innerhalb des Betriebes nach Gesetzesart. L A G Bremen vom 10. 2. 1954 — Sa 2/54 — AP 54 N r 132 mit ablehn Anm Denecke Hinweis: Nach der herrsch Meinung im Schrifttum und der ständigen Rechtsprechung des BAG, zB vom 9. 3. 1961 — 5 AZR 114/60 — A P Nr 5 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, wohnt einer im Betrieb bestehenden Übung weder als sog konkrete Ordnung des Betriebes eine normative Kraft inne noch stellt sie ein betriebliches Gewohnheitsrecht dar, das seine Wirkung aus eigener Kraft begründet. Die rechtliche Bedeutung der betrieblichen Übung beruht vielmehr auf der Möglichkeit, ihren Inhalt zur Grundlage einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung zu machen oder sie als Konkretisierung der Treue- und Fürsorgepflicht zur Vertragsauslegung und Vertragsergänzung heranzuziehen. Damit weitgehend übereinstimmend Hueck-Nipperdey, Bd I S 150—155 mwN.
Betriebsabteilung
N r 117
Begriff — Betriebskrankenkasse BetrVG § 3; RVO §§ 245, 327, 338 Abs 1, 362 Abs 1 1. Die Betriebskrankenkasse ist als Träger der Krankenversicherung der Arbeitnehmer eines Betriebes eine selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts, die zwar nach § 245 RVO vom Arbeitgeber errichtet wird, deren Geschäfte jedoch gemäß §338 Abs 1 in Verbindung mit §327 RVO ausschließlich von ihrem eigenen Vorstand und ihrer Vertreterversammlung besorgt werden, die als Selbstverwaltungsorgane der Kasse tätig werden. Der Arbeitgeber hat zwar Sitz und Stimme in den paritätisch zusammengesetzten Kassenorganen und hat auch gemäß §362 Abs 1 RVO die Betriebskrankenkasse mit dem zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal auf seine Kosten auszustatten und demgemäß auch gegebenenfalls einen Geschäftsführer zur Verfügung zu stellen, dessen Befugnisse sich nach der Satzung richten, gleichwohl führt jedoch die Betriebskrankenkasse rechtlich ein unabhängiges Eigenleben. Der etwaige Geschäftsführer und das Personal der Betriebskrankenkasse sind daher der Geschäftsleitung weder hinsichtlich ihrer Verwaltungsaufgaben unterstellt noch ihr verantwortlich. Die Geschäftsleitung kann keinerlei Anweisungen erteilen und ist zu einer Einflußnahme auf die Verwaltung der Kasse lediglich auf dem Wege über die paritätisch besetzten Kassenorgane befugt. 2. Die Betriebskrankenkasse ist keine Abteilung des Betriebes, sondern eine eigenständige und mit eigener Rechtsform ausgestattete Einrichtung, die dem Betriebe lediglich angegliedert ist. Das vom Arbeitgeber gemäß §362 Abs 1 RVO zur Verfügung gestellte Kassenpersonal ist demgemäß zur Dienstleistung bei der Kasse abgeordnet, auch wenn es gehaltsmäßig und disziplinar der Geschäftsleitung des Betriebes unterstellt bleibt. 3. Als Betriebsabteilung ist jede organisatorisch abgrenzbare Arbeitsgruppe eines Betriebes anzusehen, die über eigene technische Betriebsmittel für die übertragenen betrieblichen Arbeiten verfügt und auch einen eigenen Betriebszweck verfolgt. Jede Betriebsabteilung muß daher notwendigerweise einen Bestandteil des Betriebes bilden. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Aufgabe der Abteilung dem arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebes dient und die Abteilung der Betriebsleitung auch weisungsmäßig untersteht. Das ergibt sich aus der Struktur eines jeden Betriebes als einer einheitlichen arbeitstechnischen Organisationseinheit unter einer zentralen Spitze. 4. Der Leiter einer Arbeitsgruppe kann auch im Sinne einer tariflichen Vergütungsregelung nur dann als Abteilungsleiter angesehen werden, wenn die von ihm geführte Arbeitsgruppe als eine Betriebsabteilung organisiert worden ist und er selbst als Leiter der Gruppe unmittelbar der Geschäftsleitung des Betriebes untersteht. L A G Bremen vom 2. 12. 1964 — 1 Sa 81/64 — DB 1965, 74 - BB 1965, 205 - AuR 1965, 151 Hinweis: Zum Begriff der Betriebsabteilung IS von § 13 Abs 3 KSchG vgl BAG vom 30. 5. 1958 — 1 AZR 478/57 — AP Nr 13 zu fi 13 KSchG. 15
Trinkhaus
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Betriebsnachfolge
Betriebsnachfolge
Nr 118
für Betriebsteil: Vorgesellschaft zur Gründung eines Nachfolgeunternehmens HGB §§24,25 1. Auslegung eines Vertrages zur Übernahme einer Filmarbeitsgemeinschaft als Vorvertrag zur Gründung einer Vorgesellschaft zur Vorbereitung der Finanzierung und Gründung des Nachfolgeunternehmens sowie zur Sicherung der vorhandenen Vermögenswerte: Die Gesellschafter der Vorgesellschaft treten in diesem Falle nicht in die ursprüngliche Filmarbeitsgemeinschaft ein, die entweder als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht oder als offene Handelsgesellschaft aufgefaßt werden kann. Eine Haftung der Vorgesellschaft gemäß §§ 24, 25 H G B findet nicht statt. 2. Der provisorische Charakter einer Vorgesellschaft zur Vorbereitung der Finanzierung und Gründung eines Nachfolgeunternehmens sowie zur Sicherung vorhandener Vermögenswerte schließt eine Betriebsnachfolge im arbeitsrechtlichen Sinne nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn die Fortführung des alten Betriebs lediglich im Rahmen von vorläufigen Überbrückungs- und Sicherungsmaßnahmen erfolgte. Eine Betriebsnachfolge kann in einem solchen Falle auch hinsichtlich eines Betriebsteils erfolgen, z B einer Werksküche. 3. Die Mitglieder einer Vorgesellschaft müssen für die Handlungen und Erklärungen ihrer Mitgesellschafter einstehen, wenn diese vor der endgültigen Übernahme des in Aussicht genommenen Unternehmens bereits einen Betriebsteil fortgeführt haben, ohne die Weiterbeschäftigung der dort tätigen Arbeitnehmer auszuschließen. L A G Bremen vom 19. 3. 1952 — Sa 84/51 — A P 53 N r 209 = RdA 1952, 358 - DB 1952, 491 = SAE 1952, 33 - W A 1952, 232
Betriebsnachfolge
N r 119
Weiterbeschäftigung BGB §§ 419, 611 1. I m Falle der betrieblichen Rechtsnachfolge kann die Übernahme der Arbeitnehmer stillschweigend dadurch erfolgen, daß das Arbeitsverhältnis durch Fortsetzung der betrieblichen Arbeit auf den neuen Betriebsinhaber übergeleitet wird. Ein besonderer Rechtsakt ist nicht erforderlich. Die Arbeitnehmer haben jedoch andererseits keinen Anspruch auf Übernahme durch den neuen Betriebsinhaber. Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis richten sich bei Ablehnung der Übernahme gegen den früheren Betriebsinhaber. 2. Durch die Übernahme eines Teils der Arbeitnehmerschaft durch den neuen Betriebsinhaber entsteht kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung für die nicht übernommenen Betriebsangehörigen. L A G Bremen vom 12. 7. 1950 — Sa 33/50 — A P 51 N r 110 mit im wesentlichen zustimm Anm Molitor - BB 1950, 815 - DB 1950, 584 - ARSt V, 314 - W A 1951, 6
Betriebsnachfolge
N r 120
Wirkung auf Arbeitsverhältnisse BGB § 613 Satz 2 1. Die Bestimmung des §613 Satz 2 BGB, wonach der Anspruch auf die Dienstleistung im Zweifel nicht übertragbar ist, hat nur dann einen Sinn, wenn mit dem Wechsel des Dienstberechtigten eine inhaltliche Änderung der Dienstleistungen verbunden ist. Bei der überwiegenden Zahl der Arbeitsverhältnisse ist das heute nicht anzunehmen. Dem Arbeitnehmer ist es in der Regel gleichgültig, wer ihm als Arbeitgeber gegenübersteht. Entscheidend ist für ihn vielmehr die Art der Tätigkeit und der Inhalt der Arbeits-
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Betriebsrat
bedingungeri. Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, daß der Arbeitgeber nach dem mutmaßlichen Willen der Parteien bei Abschluß eines Arbeitsverhältnisses das Recht haben soll, im Falle des Betriebsübergangs den Anspruch auf die Arbeitsleistung auf den neuen Betriebsinhaber zu übertragen. 2. Das Landesarbeitsgericht vermag nicht der im Schrifttum zum Teil vertretenen Ansicht zu folgen, nach der die Arbeitsverhältnisse im Falle der Betriebsnachfolge zwingend und ohne Berücksichtigung des Parteiwillens auf den Erwerber übergehen. Für die Übertragung der Arbeitsverhältnisse ist vielmehr die Zustimmung sowohl des neuen Arbeitgebers als auch der Arbeitnehmer erforderlich, die sich jedoch stillschweigend aus der Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse ergeben kann. I n diesem Falle tritt der Etwerber des Betriebes in die bisherige Betriebsgemeinschaft ein und ist, ohne daß es des Abschlusses neuer Arbeitsverträge bedarf, zur Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer zu den für ihre bisherigen Arbeitsverhältnisse geltenden Arbeitsbedingungen verpflichtet. L A G Bremen vom 15. 11. 1961 — 1 Sa 129/61 — BB 1962, 958 « DB 1962, 1084 1962, 380
AuR
Hinweis: Vgl auch L A G Bremen vom 7. 9. 1949 — Sa 31/49 — A P 50 N r 16 mit zustimm Anm Nikisch - BremARS N r 27, vom 12. 7. 1950 — Sa 33/50 — A P 51 N r 110 = BremARS N r 119, vom 13. 9. 1950 — Sa 72/49 + 94/49 — AP 51 Nr 111 - BremARS N r 434, beide mit im Ergebnis zustimm Anm Molitor. Die Entscheidung entspricht der nach wie vor überwieg Ansicht. Vgl nur Hueck-Nipperdey, Bd I S 514—521 m w N ; Galperin-Siebert, § 1 Anm 50—55 c; anderer Ansicht insbesondere Nikisch, Bd I S 657—662 mwN. Das BAG vom 18. 2. 1960 — 5 AZR 472/57 — B A G 9, 62 « A P Nr 1 zu 8 419 BGB Betriebsnachfolge — und vom 29. 11. 1962 — 2 AZR 176, 62 — B A G 13, 333 - A P N r 6 zu § 419 BGB Betriebsnachfolge — hat jedenfalls bei leitenden und zu Diensten höherer Art verpflichteten Angestellten, zu deren Tätigkeit ein besonderes Vertrauensverhältnis notwendig ist, Insbesondere bei Lehrern an Privatschulen, angenommen, daß eine Betriebsübernahme nicht zu einem ohne weiteres und von selbst eintretenden Übergang des Arbeitsverhältnisses von dem bisherigen auf den neuen Arbeitgeber führe. Solchen Angestellten könne vielmehr aus Anlaß der Betriebsübernahme ordentlich gekündigt werden, wenn dem nicht ausnahmsweise überwiegende Interessen des Arbeitnehmers entgegenstünden.
Betriebsrat
N r 121
Ablauf der Wahlperiode ohne Neuwahl BetrRG § 43 Findet mangels Wahlbereitschaft der Arbeitnehmer keine Wahl eines neuen Betriebsrates statt, so erlischt doch mit Ablauf der Wahlperiode das Amt des alten. GewG Bremen vom 26. 4. 1923 — SchlW 23, 132 Hinweis: Herrsch Ansicht auch zu § 21 BetrVG; vgl nur Galperin-Siebert, mwN.
Betriebsrat
§ 21 A n m 11
N r 122
Kosten der Geschäftsführung: Kommentare BetrVG §39 1. Ein Betrieb mit 110 Arbeitnehmern, darunter 40 Lehrlinge, muß dem Betriebsrat gemäß §39 Abs 1 BetrVG je einen Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz und zum Jugendarbeitsschutzgesetz zur Verfügung stellen. 2. Der Betriebsrat kann die Kommentare auswählen. Ist jedoch bei der Betriebsleitung der vom Betriebsrat gewünschte Kommentar vorhanden und steht er dem Betriebsrat zur Mitbenutzung zur Verfügung, dann kann er nicht die Beschaffung eines weiteren Exemplars zu seiner alleinigen Benutzung verlangen. 3. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf die Überlassung einer Textsammlung arbeitsrechtlicher Gesetze in Loseblattform, wenn diese Samm-
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Betriebsrat
lung auch eine erhebliche Zahl von Vorschriften enthält, die für den Betriebsrat bedeutungslos sind. Wohl aber muß der Arbeitgeber die für den Betrieb in Frage kommenden wichtigsten Gesetze und Verordnungen in Einzelexemplaren zur Verfügung stellen, wenn auch nur zur gemeinsamen Benutzung durch Betriebsrat und Betriebsleitung. ArbG Bremerhaven vom 20. 8. 1964 — 1 Ca 295/64 — AuR 1964, 347 - BB 1964, 1083 — Hinweis: Nach der herrsch Meinung kann der Betriebsrat auf jeden Fall Gesetzestexte der für die Betriebsarbeit wichtigsten Gesetze fordern, in mittleren oder größeren Betrieben auch kommentierte Ausgaben nach seiner Wahl. Dabei wird es namentlich in kleineren Betrieben im allgemeinen genügen, wenn der Arbeitgeber diese Bücher an einer jederzeit zugänglichen Stelle zur Mitbenutzung bereitstellt. So Fitting-Kraegeloh , § 39 Anm 14; ähnlich Galperin-Siebert , Anm 16 zu § 39 mwN; Hässler, Die Geschäftsführung des Betriebsrates (1964) S 48.
Betriebsrat
N r 123
Kosten der Geschäftsführung: Reisen zu einem anderen Betriebsrat BetrRG § 36 Zu den notwendigen Kosten der Geschäftsführung des Betriebsrates im Sinne des § 36 BetrRG gehören nicht Kosten einer Reise zum Zwecke einer Rücksprache mit dem Betriebsrat eines anderen Betriebes in Lohnfragen. GewG Bremen ohne Datum — Jadesohn-Potthoff 1914—1925, 157 Hinweis: § 36 BetrRG entspricht im wesentlichen § 39 BetrVG. Ob eine Reise des Betriebsrates zur ordnungsmäßigen Durchführung der Betriebsratsaufgaben gehört, ist stets Tatfrage und hängt — ähnlich wie bei Versäumnis von Arbeitszeit iS von § 37 Abs. 2 BetrVG — davon ab, ob ein bestimmter betriebsbezogener Anlaß gegeben ist. So für die Teilnahme der Betriebsratsmitglleder an Betriebsrätekonferenzen und Schulungen BAG vom 10. 11. 1954 — 1 AZR 19/53 — BAG 1, 158 » A P N r 1 zu § 37 BetrVG — und — einengend — für die Teilnahme an gewerkschaftlichen Veranstaltungen BAG vom 22. 1. 1965 — 1 AZR 289/64 — A P N r 10 zu § 37 BetrVG = AuR 1965, 285 mit krit Anm Herschel, wie das GewG Bremen für Besprechungen mit Betriebsräten fremder Betriebe oder sonstige Veranstaltungen, die dem Erfahrungsaustausch der Betriebsräte dienen, ablehnend Fitting-Kraegeloh , § 37 Anm 18; Vogt, DB 1953, 378; vgl auch Hässler, Die Geschäftsführung des Betriebsrates (1964) S 45—46.
Betriebsrat
N r 124
Zutritt zu den zur Verfügung gestellten Räumen BetrRG § 36 Den Mitgliedern des Betriebsrates darf das Betreten der dem Betriebsrat zur Verfügung gestellten Büroräume auch während der Arbeitszeit nicht verwehrt werden, soweit sie sich in pflichtmäßiger Ausübung ihres Amtes befinden. GewG Bremen vom 3. 11. 1921 — SchlW 4, 20 Hinweis: Die Entscheidung hat auch für die entsprechende Vorschrift des § 39 Abs 2 BetrVG Bedeutung, wenngleich der Betriebsrat nach L A G Düsseldorf vom 10. 8. 1954 — 1 BVTa 7/54 — DB 1954, 784 = SAE 1955, 74 — nicht das unbeschränkte Hausrecht an den zur Verfügung gestellten Räumen hat. Für das Hausrecht des Betriebsrates an diesen Räumen dagegen Fitting-Kraegeloh, § 39 Anm 12.
Betriebsratsmitglied
N r 125
Ausschluß wegen grober Pflichtverletzung BetrVG § 23 Abs 1, § 49 Abs 1, § 51 1. Die Tatsache, daß durch Mißverständnisse, Meinungsverschiedenheiten und Ungeschicklichkeiten auf Seiten beider Betriebspartner eine schwere Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat verursacht worden ist, genügt allein nicht, um den Ausschluß des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat zu rechtfertigen. Der Ausschluß ist nur zulässig, wenn dem Betriebsratsvorsitzenden eine grobe Ver-
Betriebsratsmitglied
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letzung oder Vernachlässigung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachgewiesen werden kann. 2. Verfehlungen eines Betriebsratsmitgliedes gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis können zur Begründung eines Ausschlußantrages nur dann herangezogen werden, wenn sie sich zugleich als grobe Verletzungen betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die Verstöße eines Betriebsratsmitgliedes gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrage so schwerwiegend sind, daß sie eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses hätten rechtfertigen können. Die Vernachlässigung der Arbeitspflicht, unkorrektes Verhalten bei der Angabe der geleisteten Arbeitsstunden, Verleitung anderer Arbeitnehmer zum Alkoholgenuß während der Arbeitszeit und ähnliche Vertragsverletzungen rechtfertigen demgemäß nicht den Ausschluß aus dem Betriebsrat. Fordert jedoch ein Betriebsratsmitglied andere Arbeitnehmer auf, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten, so stellt dies auch eine Verletzung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Betriebes dar. 3. Zur Begründung eines Ausschlußantrages können auch solche Verfehlungen herangezogen werden, die sich während der vorausgegangenen Amtsperiode ereignet haben, wenn das beteiligte Betriebsratsmitglied erneut in den Betriebsrat gewählt worden ist. 4. Die Verteilung von Einladungszetteln, in denen zu einer gewerkschaftlichen Protestaktion gegen eine von der Bundesregierung geplante gesetzliche Regelung (Krankenkassenreform) aufgerufen wird, stellt sich, wenn sie von einem Betriebsratsmitglied vorgenommen wird, als eine Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflicht zur parteipolitischen Neutralität im Betrieb und zur Unterlassung von Propaganda dar. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Propagandaaktion von einem Betriebsratsmitglied durchgeführt wird, das als Angehöriger einer Montagegruppe auf einem fremden Betriebsgelände tätig ist. 5. Die Mitglieder des Betriebsrates können ihre gewerkschaftliche Organisation über Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten im Betriebe unterrichten, da dem Betriebsrat nicht nur die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber, sondern auch das Zusammenwirken mit den im Betriebe vertretenen Gewerkschaften zur Pflicht gemacht ist. Ein Betriebsratsmitglied darf sich jedoch in keiner Weise an einer öffentlichen Anprangerung der sozialen Einstellung seines Arbeitgebers beteiligen und macht sich einer groben Pflichtverletzung auch dann schuldig, wenn er in Kenntnis einer solchen Absicht der örtlichen Gewerkschaftsleitung gegen die Herausgabe oder Verteilung eines derartigen Flugblattes nichts unternimmt. L A G Bremen vom 16. 8. 1962 — 1 TaB 1/62 — DB 1962, 1442 1963, 45 = WA 1963, 22
AuR 1962, 380 -
SAE
Hinweis: Wie LS 2 BAG vom 3. 12. 1954 — 1 AZR 150/54 — BAG 1, 184 = AP N r 2 zu § 13 KSchG; wie LS 3 BAG vom 2. 11. 1955 — 1 ABR 30/54 — BAG 2, 175 - AP N r 1 zu § 23 BetrVG. Siehe auch L A G Bremen vom 21. 2. 1951 — Sa 65/50 — BremARS Nr 323 — und vom 21. 10. 1953 — Sa B 5/53 — BremARS Nr 126.
Betriebsratsmitglied
N r 126
Ausschluß wegen grober Pflichtverletzung: Politisierung der Betriebsversammlung BetrVG § 23 Abs 1, § 44, § 49 Abs 2, § 51 Satz 2 Die Behandlung allgemeinpolitischer oder parteipolitischer Fragen in einer Betriebsversammlung ist unzulässig. Ein die Betriebsversammlung leitendes Betriebsratsmitglied, das solche Gegenstände in der Betriebsversammlung erörtern läßt, verstößt gegen seine gesetzlichen Pflichten und kann deshalb aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden. Auch eine einmalige schwere
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Betriebsratsmitglied
Pflichtverletzung kann als grobe Verletzung im Sinne des §23 BetrVG angesehen werden. L A G Bremen vom 21. 10.1953 — Sa/B 5/53 — BB 1953, 946 - DB 1953, 971 Hinweis: Die Rechtsbeschwerde gegen die vorstehende Entscheidung wurde durch Beschluß des BAG vom 4. 5.1955 — 1 ABR 4/53 — A P N r 1 zu § 44 BetrVG zurückgewiesen. Es handelte sich um die Erörterung eines auswärtigen Stahlhelm-Aufmarsches auf der Betriebsversammlung einer Bremer Großwerft und die Beschlußfassung über ein Protesttelegramm.
Betriebsratsmitglied
Nr 127
Ausschluß wegen grober Pflichtverletzung — Verwirrung BetrRG § 39 Abs 2 aF Ebenso wie ein Arbeitnehmer nicht mehr fristlos entlassen werden kann, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis des Entlassungsgrundes längere Zeit nicht von seinem Entlassungsrecht Gebrauch gemacht hat, entfällt auch der Grund zur Amtsenthebung des Betriebsrats wegen gröblicher Verletzung seiner Pflichten und ungebührlichen Benehmens, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis des Grundes eine längere Frist hat verstreichen lassen, ohne den Antrag auf Amtsenthebung bei der zuständigen Stelle einzureichen. GewG Bremen vom 3. 3.1927 — HansGZ ArbR 1927, 202 - ArbR 1927, 872 Hinweis: Die Entscheidung ist auch unter dem geltenden Recht des § 23 Abs 1 BetrVG von Bedeutung, wonach auf Antrag auch des Arbeitgebers das Arbeitsgericht den Ausschluß eines Mitgliedes aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrates namentlich wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Befugnisse beschließen kann. — Zum Ausschluß eines Betriebsratsmitgliedes nach § 23 BetrVG vgl BAG vom 3.12. 1954 — 1 AZR 150/54 — BAG 1, 185 = AP N r 2 zu § 13 KSchG vom 2.11. 1955 — 1 ABR 30/54 — BAG 2, 175 = AP N r 1 zu § 23 BetrVG und vom 22. 5.1959 — 1 ABR 2/59 — AP N r 3 zu § 23 BetrVG. — Zur prozeßrechtlichen Verwirkung des Klagerechts gegen eine außerordentliche Kündigung vgl BAG vom 2.11.1961 — 2 AZR 66/61 — B A G 11, 353 = AP Nr 1 zu § 242 BGB Prozeßverwirkung.
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Besprechungen in der Arbeitszeit BetrRG §§ 35, 30 Abs 1 1. Es kann den Mitgliedern des Betriebsrates nicht verwehrt werden, auch während der Arbeitszeit dringende Angelegenheiten miteinander zu besprechen. Es würde zu weit gehen, in ausdehnender Anwendung des Grundsatzes des § 30 Abs 1 BetrRG zu verlangen, daß auch Besprechungen einzelner Betriebsratsmitglieder untereinander grundsätzlich nur außerhalb der Arbeitszeit stattzufinden haben. 2. Dagegen kann ein allgemeines Recht der Betriebsratsmitglieder, jederzeit während der Arbeit zwecks Erhebung einer Beschwerde den Betrieb zu verlassen, nicht anerkannt werden. Denn es ist in erster Linie Pflicht der Betriebsratsmitglieder, die produktive Arbeit zu fördern. Ihr Amt ist ein Ehrenamt, und deshalb haben sie ihre Amtspflichten nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeit zu erfüllen. GewG Bremen vom 3.11.1921
SchlWes 1922, 20
Hinweis: Nach dem geltenden Recht des § 30 BetrVG finden Sitzungen des Betriebsrates oder eines von ihm eingesetzten Ausschusses im Gegensatz zu der früheren Regelung grundsätzlich während der Arbeitszeit statt; vgl Fitting-Kraegeloh, § 30 Anm 6 und 7; Galperin-Siebert, § 30 Anm 1, l a und 9 mwN. Das Entsprechende dürfte auch für dringende Besprechungen zwischen einzelnen Betriebsratsmitgliedern nach den Grundsätzen der §§ 37 Abs 3 und 53 Abs 1 BetrVG zu gelten haben. Ob das Verlassen des Betriebes zwecks Erhebung einer Beschwerde zur ordnungsmäßigen Durchführung der Aufgaben des Betriebsrates erforderlich ist, ist auch nach geltendem Recht zweifelhaft, hängt aber von den Umständen des Einzelfalles ab; vgl Galperin-Siebert, §37 Anm 15—17.
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Freistellung von der Arbeit BetrRG § 35 Die Betriebsratsmitglieder haben kein gesetzliches Hecht auf Befreiung von produktiver Arbeit. Duldet der Arbeitgeber solche Befreiung stillschweigend, so entsteht daraus für die Betriebsratsmitglieder kein Anspruch auf diese Befreiung. Hat allerdings der Arbeitgeber eine solche Befreiung mit dem Betriebsrat vereinbart, so kann er sich nicht einseitig wieder aufheben. GewG Bremen vom 9. 3.1922 — SchlWes 1922, 169 Hinweis: Nach dem geltenden Recht des 9 37 Abs 3 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsmäßigen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die Arbeitsbefreiung muß dann, nach herrsch Ansicht auch hinsichtlich Dauer und Umfang, vom Arbeitgeber gewährt werden. Vgl Galperin-Siebert, § 37 Anm 29—35 mwN. Entgegen der Ansicht des Gewerbegerichts wird ein stillschweigend erteiltes Einverständnis des Arbeitgebers nach allgemeinen Grundsätzen einer ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Betriebsrat gleichzusetzen sein, insbesondere wenn es in größeren Betrieben selbstverständlich ist, daß der Betriebsratsvorsitzende, gegebenenfalls auch noch ein weiteres Betriebsratsmitglied, vollständig von der Arbeit freigestellt wird.
Nr 130 BetrRG § 35 1. Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern kann nicht nur durch Vereinbarung, sondern auch durch Gerichtsbeschluß erfolgen. 2. Dies gilt nicht nur dafür, ob in der Vergangenheit Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts verlangt werden konnte, sondern auch bei Streitigkeiten darüber, ob nach dem bisherigen Umfang der Betriebsratsaufgaben zu erwarten ist, daß auch künftig ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder ihre Arbeitszeit ganz oder teilweise notwendig zur ordnungsmäßigen Durchführung der Aufgaben des Betriebsrates gebrauchen werden. 3. Ob Freistellung beansprucht werden kann, ist Tatfrage und kann nur damit begründet werden, daß die besonderen Verhältnisse des Betriebes den Antrag rechtfertigen. ArbG Bremen vom 6.12.1928 — 846/28 — SAE 1929, 141 Hinweis: LS 1 entspricht der Regelung in § 82 Abs 1 Buchst i BetrVG. Zu LS 2 ist der Anspruch auf Bezahlung der versäumten Arbeitszeit als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis im Urteilsverfahren geltend zu machen: BAG vom 6. 7.1962 — 1 AZR 488/60 — AP N r 7 zu § 37 BetrVG. Die Frage der Notwendigkeit einer Arbeitsversäumnis kann aber ebenso wie die Freistellungsfrage i m Beschlußverfahren nach § 82 Abs 1 Buchst i BetrVG geklärt werden. Dazu Galperin-Siebert, Vorbem 19 vor § 21, Anm 28 und 29 zu § 37 sowie Anm 3 und 3 a zu § 82. LS 3 zu den Voraussetzungen der Freistellung entspricht in etwa der Rechtslage nach § 37 Abs 3 BetrVG.
Betriebsratsmitglied
Nr 131
Fristlose Kündigung: Beobachter in Kündigungsstreit BetrVG § 37 Abs 2; KSchG § 13 1. Der Betriebsrat ist berechtigt, einen Beobachter zu einem arbeitsgerichtlichen Termin in einem Kündigungsschutzstreit eines Betriebsangehörigen zu entsenden, wenn der Fall — etwa infolge Beunruhigung der Belegschaft — allgemeine Bedeutung für die betriebliche Ordnung erlangt hat. Die Wahrnehmung des Termins ist dann in erster Linie Aufgabe des von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellten Betriebsratsvorsitzenden. Ist dieser jedoch verhindert oder erscheint infolge der besonderen Wichtigkeit des Hechtsstreits die Entsendung eines zweiten Vertreters geboten, so haben auch diese anderen mit der Terminswahrnehmung beauftragten Betriebsratsmitglieder Anspruch auf Lohnausfallerstattung nach § 37 Abs 2 BetrVG.
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Betriebsratsmitglied
2. Die vorherige Einholung der Genehmigung der Betriebsleitung ist nicht erforderlich. Eine betriebliche Praxis dieser Art ist unverbindlich und rechtswidrig. I m Interesse der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Verringerung des mit der Amtsausübung des Betriebsrats verbundenen persönlichen Risikos kann jedoch eine vorherige Fühlungnahme zweckentsprechend sein. 3. Läßt sich aus den Vorgängen in der Betriebsratssitzung nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, daß ein Betriebsratsmitglied mit der Wahrnehmung eines Termins vor dem Arbeitsgericht beauftragt worden ist, ist es fraglich, ob ein Anspruch auf Lohnausfallerstattung besteht. Hat das Betriebsratsmitglied jedoch gutgläubig gehandelt und sich lediglich in Bezug auf die sachliche Abgrenzung seiner Befugnisse geirrt, so ist in der Teilnahme an dem Gerichtstermin trotz des damit verbundenen Ausfalls der Arbeitszeit keine vorwerfbare Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu erblicken. 4. Das gilt auch dann, wenn das Betriebsratsmitglied die ausgefallene Arbeitszeit im Tageszettel als Betriebsratstätigkeit vermerkt und Bezahlung beansprucht hat. Der Arbeitgeber kann in einem solchen Falle die fristlose Entlassung des Betriebsratsmitgliedes auch nicht damit begründen, daß sie durch den Verdacht einer unredlichen Handlung gerechtfertigt werde, da bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände kein sachlich gerechtfertigter Anlaß für einen solchen Verdacht besteht, selbst wenn im Tageszettel eine halbe Stunde „Betriebsratstätigkeit" versehentlich zuviel angeschrieben worden war und auch über die Dauer der aufgewendeten Zeit für die Terminswahrnehmung Streit besteht. L A G Bremen vom 2. 10. 1963 — 1 Sa 67/63 — DB 1964, 1302 = WA 1964, 360 = BB 1964, 1123 = AuR 1965, 27 Hinweis: Nach L A G Freiburg vom 17. 5.1954 — I Sa 71/54 — AP Nr 3 zu § 37 BetrVG (Dazu Neumann-Duesberg, S 304—306); Blank, AuR 1959, 279; Flttlng-Kraegeloh, § 37 Anm 16 kann die Teilnahme an einem Prozeß als Zuhörer nur in Ausnahmefällen notwendige Arbeitsversäumnis darstellen. Allerdings ist es eine andere Frage, ob in dem Verhalten eines Betriebsratsmitgliedes eine — grundsätzlich Verschulden voraussetzende — beharrliche Arbeitsverweigerung bzw ein wichtiger Grund zur fristlosen Entlassung erblickt werden kann; vgl Galperin-Siebert, § 37 Anm 17 mwN.
Betriebsratsmitglied
Nr 132
Fristlose Kündigung: Teilnahme an wildem Streik KSchG § 13 1. Die Beteiligung an einem von der Gewerkschaft nicht gebilligten Streik im Betrieb (unbefristete Arbeitsniederlegung aus Anlaß eines Streiks) stellt ebenso einen Grund zur fristlosen Entlassung des Betriebsratsmitglieds dar wie dessen Versuch, einen außerhalb des Betriebs ausgebrochenen Streik auf den Betrieb auszudehnen. 2. Bei einem von der Gewerkschaft gebilligten Streik ist dem Betriebsratsmitglied eine fördernde Teilnahme am Streik gegen seinen Arbeitgeber nicht schlechthin verboten. L A G Bremen vom 19. 3. 1952 — Sa 9/52 — A P 53 Nr 2 mit zustimm Anm Hoenlger
Betriebsratsmitglied
Nr 133
Kündigungsschutz bei Betriebsübergang KSchG § 13 1. Bei Betriebsübergang genießen Betriebsratsmitglieder nur dann Kündigungsschutz, wenn sie auch nach der Übernahme Betriebsratsmitglieder sind. 2. Die Übernahme von Betriebsratsmitgliedern im Falle der Betriebsnachfolge setzt voraus, daß sich an der sozialen Zusammensetzung des Betriebes
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durch die Übernahme nichts ändert und die Arbeitnehmerschaft im wesentlichen die gleiche bleibt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn über die Hälfte der Arbeitnehmer ausscheidet. L A G Bremen vom 10.10.1952 — Sa 68/52 — BB 1952, 886
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Nr 134
Lohnfortzahlung bei Arbeitsversäumnis BetrRG § 35 Ein Betriebsratsmitglied, das infolge einer außerhalb der Arbeitszeit stattfindenden Sitzung seinen Dienst in der nächstfolgenden Arbeitsschicht nicht versieht, kann trotzdem Entlohnung für diese Schicht verlangen, wenn die Versäumnis infolge der vorangegangenen Anstrengungen notwendig war. GewG Bremen vom 1. 7. 1921 — GewuKfmG 1920/21, 211 Hinweis: Jetzt § 37 BetrVG. Zu den Voraussetzungen der Lohnfortzahlungspflicht bei Arbeitsversäumnis BAG vom 8. 3. 1957 — 1 AZR 113/55 — BAG 4, 75 = A P Nr 4 zu § 37 BetrVG. Nach L A G Hamm vom 10. 12. 1953 — 1 Sa 490/53 — BB 1954, 226 = SAE 1954, 53; Dietz, BetrVG, §30 Anm 10 a; Fitting-Kraegeloh, §30 Anm 6, ist ein Lohnanspruch bei Betriebsratssitzungen außerhalb der Arbeitszeit grundsätzlich nicht gegeben. Nach dem Grundsatz des § 37 Abs 1 BetrVG („unentgeltlich als Ehrenamt") ist es sogar nicht angängig, den Betriebsratsmitgliedern für außerhalb der Arbeitszeit abgehaltene Sitzungen Lohn zu zahlen; so L A G Baden-Württemberg vom 30. 7.1960 — 4 Sa 27/60 — DB 1960, 983; Fitting-Kraegeloh, § 37 Anm 7 mwN. Vgl auch Walter Franke, Erstattung des Verdienstausfalls durch Betriebsratstätigkeit, MittArbGV 1958 Nr 17 S 10—12.
Nr 135 BetrRG § 35 Während der Arbeitszeit darf ein Betriebsratsmitglied Amtsgeschäfte nur im Falle einer objektiven, innerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises liegenden und von ihm gegebenenfalls nachzuweisenden Notwendigkeit ausüben. Das Betriebsratsmitglied muß dabei neben dem Interesse an der Vertretung der Belegschaft auch sorgsam das Interesse an einer geordneten Betriebsführung berücksichtigen. Dieses verlangt insbesondere, daß sich das Betriebsratsmitglied bei Arbeitsversäumnis ebenso wie bei vorübergehender Entfernung vom Arbeitsplatz beim Vorgesetzten abmeldet. L A G Bremen vom 26.1. 1928 — 35/27 — SAE 1928, 86 Hinweis: Gleiche Rechtslage nach § 37 Abs 2 BetrVG. Nach BAG vom 8. 3. 1957 — 1 AZR 113/55 — B A G 4, 75 - AP N r 4 zu § 37 BetrVG — setzt die Lohnfortzahlungspflicht im Falle einer Arbeitsversäumnis von Betriebsratsmitgliedern im Einzelfall nicht voraus, daß der Arbeitgeber der Arbeitsversäumnis zustimmt, sondern nur, daß sich das Betriebsratsmitglied abmeldet und bei der Abmeldung die Gründe der Arbeitsversäumnis in großen Zügen angibt. Einer Angabe dieser Gründe bedarf es dann nicht, wenn es sich um Regelung von Angelegenheiten handelt, die nur den Betriebsrat oder die Belegschaft betreffen, ohne die Belange des Arbeitgebers zu berühren. Ob die Arbeitsversäumnis IS des § 37 Abs 3 BetrVG erforderlich war, beurteilt sich nicht nur nach dem subjektiven Ermessen des Betriebsrates. Hinzukommen muß vielmehr, daß ein vernünftiger Dritter die Arbeitsversäumnis bei Berücksichtigung der Interessen des Betriebes einerseits, des Betriebsrates und der Belegschaft andererseits für sachlich geboten halten würde.
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Nr 136
Verhinderung an Amtsausübung: Umstrittene fristlose Kündigung BetrRG §§ 39, 96 Das Gericht gibt seine frühere Ansicht (Entscheidung vom 28. 4. 1921), daß bei fristloser Kündigung der Arbeitnehmer bis zur Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit aus dem Betriebe ausscheide, somit auch sein aktives und passives Wahlrecht zum Betriebsrat verliere, auf zugunsten der Ansicht, daß die Wirkung der fristlosen Kündigung nur die sei, daß der Arbeitnehmer bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung ver-
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Betriebsratsmitglied
hindert ist, seine Rechte aus dem Arbeitsvertrage einschließlich der ihm durch die Wahl zum Betriebsrat erwachsenen Rechte auszuüben. GewG Bremen vom 26. 4.1923 — JAR 4, 156 Hinweis: Jetzt endet die Mitgliedschaft i m Betriebsrat nach § 24 BetrVG ua durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses. I m Schrifttum wird die vom GewG Bremen zuletzt vertretene Ansicht im allgemeinen geteilt: Dietz, BetrVG, § 25 Anm 5; FittingKraegeloh, § 24 Anm 14; Galperin-Siebert, § 24 Anm 9—11. Nach L A G Gleiwitz vom 4. 2. 1932, ARS 17 L A G 23 kann vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer eine vorläufige Entscheidung des Arbeitsgerichts im Wege der einstweiligen Verfügung herbeigeführt werden; ähnlich L A G Frankfurt aM vom 4. 6. 1957 — I LAR 191/57 — A P Nr 2 zu § 25 BetrVG; vgl auch Fitting-Kraegeloh, aaO, mwN.
Nr 137 BetrRG §§ 39, 96 Die Abwesenheit des von einer Kündigung betroffenen Betriebsratsmitgliedes und die Zuziehung seines Ersatzmannes zur Beschlußfassung des Betriebsrates entspricht dem Sinn des Gesetzes, wonach der Beteiligte wohl gehört werden kann und muß, aber nicht an der Beratung und Abstimmung selbst teilnimmt. GewG Bremen vom 6. 1. 1927 — HansGZ 1927, 15 Hinweis: Wenn auch der Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder durch § 13 KSchG anders geregelt ist als durch § 96 BetrRG, so entspricht doch die Entscheidung einem allgemeinen Grundsatz. Nach § 25 Abs 1 Satz 2 BetrVG rückt an die Stelle eines zeitweilig verhinderten Betriebsratsmitgliedes ein Ersatzmitglied, das während iler Dauer der Stellvertretung grundsätzlich alle Rechte und Pflichten eines Betriebsratsmitgliedes hat. So auch L A G Düsseldorf (Köln) vom 20. 12. 1957 — BB 1958, 412; Dietz, BetrVG, § 25 Anm 5 und 12; Fitting-Kraegeloh, § 25 Anm 8; Hueck-Nipperdey, Bd I I S 725 F N 1; abweichend Galperin-Siebert, § 25 Anm 5.
Betriebsratsmitglied
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Versetzung: Begriff BremBetrRG § 28 1. Nur dann liegt eine Versetzung eines Arbeitnehmers vor, wenn ihm ohne Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen und im Rahmen seines Arbeitsvertrags vom Arbeitgeber auf Grund seines Weisungsrechts ein anderer Arbeitsplatz im Betrieb zugewiesen wird. 2. Der Arbeitnehmer kann nur umgruppiert, insbesondere in ein niedriger entlohntes Arbeitsverhältnis übergeführt werden auf dem Wege über eine Änderungskündigung, also durch Aufhebung des alten Arbeitsvertrags unter gleichzeitigem oder anschließendem Abschluß eines neuen Arbeitsvertrags. 3. Nur im Falle 2 wird der volle Kündigungsschutz wirksam. Soweit davon ein Betriebsratsmitglied betroffen wird, hat die Zustimmung des Betriebsrats hierzu keinen Einfluß auf die Wirksamkeit der Kündigung. L A G Bremen vom 20. 12. 1950 — Sa 52/50 — A P 52 N r 62 = BB 1951, 250 =« DB 1951, 252 = ARSt V I , 271, 282, 292, 359 = WA 1951, 186, 198 Hinweis: Die Entscheidung entspricht i m wesentlichen dem geltenden Recht, wenn auch der allgemeine Begriff der Versetzung durch § 60 Abs 3 BetrVG wesentli-*i eingeschränkt ist. Vgl dazu nur Fitting-Kraegeloh, 5 60 Anm 14—22; Galperin-Siebert, Vorbem 21 vor § 21 und § 60 Anm 30—36 mwN.
Betriebsratsmitglied
Nr 139
Versetzung von Montagetätigkeit zur Werkstatt BetrRG § 96 Ein Betriebsratsmitglied kann auch gegen seinen Willen von einer Montagetätigkeit zur Werkstatt versetzt werden. Denn die Bestimmung des §96 BetrRG, die die Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes in einen anderen Betrieb von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig macht, beruht dar-
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auf, daß mit einer solchen Versetzung die Eigenschaft als Betriebsratsmitglied regelmäßig erlischt. Es soll also durch § 96 BetrRG dem Arbeitgeber unmöglich gemacht werden, ein Betriebsratsmitglied durch Versetzung in einen anderen Betrieb seines Amtes zu entkleiden. Da aber das Amt des Betriebsrates nicht davon abhängt, ob er in der Werkstatt oder auf Montage arbeitet, kann diese Vorschrift hier nicht zur Anwendung kommen. GewG Bremen vom 23. 11. 1922 — GewuKfmG 1922/1923, 68 = ArbR 1923, 186 Hinweis: Nach geltendem Recht würde die Zulässigkeit der Versetzung davon abhängen, ob sie nach dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechtes einseitig ausgesprochen werden kann, ob sie weder eine Störung oder Behinderung der Tätigkeit des Betriebsrates zur Folge hat noch eine Benachteiligung des Betriebsratsmitgliedes beinhaltet (§ 53 Abs 1 und 2 BetrVG) und ob sie nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten nach § 60 BetrVG bedarf. Vgl Galperin-Siebert, Vorbem 21 vor § 21, § 60 Anm 30—36 mwN. Der entschiedene Fall (Montagetätigkeit) würde nach geltendem Recht u U unter die Ausnahmeregelung des § 60 Abs 3 Satz 2 BetrVG fallen.
Betriebsratsmitglied
Nr 140
Wahl zwecks Gewährung des Kündigungsschutzes KRG Nr 22 Art IX Ein Betriebsratsmitglied kann sich gegenüber einer Kündigung nicht auf seine Stellung als Betriebsratsmitglied berufen, wenn seine Wahl in den Betriebsrat lediglich zu dem Zwecke erfolgt ist, um ihm Schutz gegen eine beabsichtigte Kündigung zu gewähren. L A G Bremen vom 29. 10. 1947 — Sa 26/47 — RdA 1948, 153 mit zustimm Anm Molitor
Betriebsratsvorsitzender
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Ausschluß aus dem Betriebsrat BetrRG § 39 Abs 2 Wenn die Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Leistung von Überstunden tarifvertraglich festgelegt ist, so enthält die Aufforderung des Betriebsratsvorsitzenden an die Belegschaft durch Anschlag, die Leistung von Überstunden abzulehnen, eine gröbliche Verletzung seiner Amtspflichten. ArbG Bremen vom 5. 5. 1927 — HansGZ ArbR 1927, 85 Hinweis: Ähnlich GewG Bremen vom 6. 3. 1924 — GewuKfmG 1923/24, 164. — 8 39 Abs 2 BetrRG entspricht jetzt § 23 Abs 1 BetrVG.
Nr 142 BetrRG § 39 Abs 2 Ein Betriebsrats Vorsitzender (Betriebsobmann), der aus politischer Unduldsamkeit Lehrlinge zur Beschädigung eines einer Mitarbeiterin gehörenden Fahrrades anstiftet, an dem eine dem Obmann mißliebige Fahne angebracht ist, ist wegen gröblicher Verletzung seiner Amtspflichten des Amtes zu entheben. ArbG Bremen vom 20. 6. 1927 — 1/27 — Potthoff-Jadesohn-Meissinger 1928, 133 Hinweis: Jetzt § 23 Abs 1 BetrVG. Vgl zum Fall parteipolitischer Betätigung in aufreizender Form gegen den Widerspruch anderer Betriebsangehöriger auch L A G Bremen vom 21. 10. 1953 — Sa/B 5/53 — Brem ARS N r 126.
Betriebsratswahl
Nr 143
Ergänzung der Wählerliste während der Wahlhandlung BetrVG §§ 6, 18; WO z BetrVG § 4 Eine während der Wahlhandlung durch ein einzelnes Mitglied des Wahlvorstandes oder einen Wahlhelfer vorgenommene Ergänzung der Wählerliste
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durch N a c h t r a g u n g n e u eingetretener Belegschaftsmitglieder ist e i n V e r stoß gegen wesentliche V o r s c h r i f t e n ü b e r das W a h l v e r f a h r e n u n d rechtf e r t i g t d i e A n f e c h t u n g d e r B e t r i e b s r a t s w a h l nach § 18 B e t r V G . L A G Bremen vom 30. 6. 1961 — 1 Ta BV 1 — 4/61 — BB 1961, 933 = DB 1961, 1103
Betriebsratswahl
Nr 144
Ungültigkeit: Wirkung BetrRG
§ 43
D i e H a n d l u n g e n , d i e d e r b e i d e r u n g ü l t i g e n W a h l g e w ä h l t e B e t r i e b s r a t bis z u r gerichtlichen U n g ü l t i g k e i t s e r k l ä r u n g seiner W a h l v o r g e n o m m e n hat, sind r e c h t s w i r k s a m . D e n n d i e U n g ü l t i g k e i t s e r k l ä r u n g h a t erst v o n d e m T a g e i h r e r V e r k ü n d u n g a n rechtliche W i r k u n g . GewG Bremen vom 24. 4. 1922 — ArbR 1922, 761 = SchlWes 1922, 151 Hinweis: Die Entscheidung entspricht der herrsch Meinung über die Wirkung der Ungültigkeit der Betriebsratswahl nach Wahlanfechtung gemäß § 18 BetrVG; vgl Galperin-Siebert, § 18 Anm 21 mwN. Davon zu unterscheiden sind die Nicht-Wahl und die Nichtigkeit einer Wahl in ganz besonderen Ausnahmefällen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen ist, daß auch der Anschein einer Wahl nicht mehr vorliegt: BAG vom 2. 3. 1955 — 1 ABR 19/54 — BAG 1, 317 = A P Nr 1 zu 5 18 BetrVG; Galperin-Siebert, § 18 Anm 25—29.
Betriebsratswahl
Nr 145
U n g ü l t i g k e i t d e r G r u p p e nw ä h l : N i c h t b e t e i l i g u n g e i n e r G r u p p e BetrRG
§ 16
D i e V o r s c h r i f t des § 16 B e t r R G ist z w i n g e n d e r N a t u r . Sie f ü h r t u n a b w e n d b a r z u d e m Schluß, daß e i n B e t r i e b s r a t , d e r aus A r b e i t e r n u n d A n g e s t e l l t e n bestehen m u ß , nicht besteht, w e n n diese B e d i n g u n g nicht e r f ü l l t ist. Es k a n n also aus e i n e r W a h l , a n der sich eine A r b e i t n e h m e r g r u p p e , die i m B e t r i e b s r a t v e r t r e t e n sein m u ß , nicht beteiligt, k e i n B e t r i e b s r a t hervorgehen. GewG Bremen vom 15. 5. 1922 — SchlWes 1922, 231 Hinweis: Das BetrVG hat in Abweichung von der Regelung des BetrRG von einer Aufspaltung des einheitlichen Betriebsrates in zwei getrennte Gruppenräte Abstand genommen, um eine Majorisierung der Minderheitsgruppen zu verhindern. Reicht bei der — nach § 13 Abs 2 BetrVG neben der Gemeinschaftswahl zulässigen — Gruppenwahl nur eine Gruppe eine Liste ein, so genügt es nach BAG vom 11. 4. 1958 — 1 ABR 4/57 — BAG 5, 274 - AP Nr 1 zu § 6 WO, daß diese Liste so viele Bewerber enthält, wie auf diese Gruppe Betriebsratsmitglieder und Ersatzmänner entfallen würden, wenn auch die andere Gruppe eine Liste eingereicht hätte. Die allein auf Grund einer solchen Liste erfolgte Wahl ist wirksam.
Betriebsratswahl
Nr 146
U n g ü l t i g k e i t s e n t s c h e i d u n g : Geschäftsführung des a l t e n Betriebsrates BetrRG
§ 43 Abs 1
W i r d eine B e t r i e b s r a t s n e u w a h l f ü r u n g ü l t i g e r k l ä r t , so t r i t t d e r a l t e B e triebsrat, d e r bis z u r N e u w a h l i m A m t e w a r , w i e d e r i n sein früheres A m t ein. GewG Bremen vom 24. 4.1922 — SchlWes 1922, 151 Hinweis: Das BetrVG enthält zwar keine dem § 43 Abs 1 BetrRG entsprechende ausdrückliche Vorschrift. Doch wird im Interesse des ungestörten Fortganges des betriebsverfassungsrechtlichen Geschehens anzunehmen sein, daß der fehlerhaft gewählte Betriebsrat auch nach Feststellung der Wahlungültigkeit die laufenden Geschäfte bis zu einer ordnungsgemäßen Neuwahl weiterführt: Galperin-Siebert, § 18 Anm 23; aM Fitting-Kraegeloh, § 18 Anm 36; Dietz, g 18 Anm 20, 20 a.
Betriebsrisiko Betriebsrisiko
237 Nr 147
B e t r i e b s e i n s t e l l u n g w e g e n des V e r h a l t e n s eines T e i l s d e r A r b e i t n e h m e r BGB
§§ 615, 323
W i r d die L e i t u n g eines Großbetriebes durch „passive Resistenz" u n d b e drohliches V e r h a l t e n eines erheblichen T e i l s d e r A r b e i t e r s c h a f t z u r B e triebseinstellung v e r a n l a ß t , so k ö n n e n d i e u n b e t e i l i g t e n , v o l l a r b e i t s w i l l i g e n A r b e i t e r k e i n e n E r s a t z des Lohnausfalls beanspruchen. GewG Bremen vom 2. 5. 1919 — GewuKfmG 1918/19, 261 Hinweis: Bestätigt in der Berufungsinstanz durch LG Bremen, GewuKfmG 1919/20, 139. Für die Frage, ob „passive Resistenz" und bedrohliches Verhalten einer Gruppe von Arbeitnehmern dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung aller Abeitnehmer unmöglich oder unzumutbar machen, kommt es stets auf die Umstände des einzelnen Falles an. — Zu Begriff und Umfang des Betriebsrisikos insbesondere im Falle eines Teilstreiks vgl BAG vom 8. 2. 1957 — 1 ARZ 338/55 — BAG 3, 346 = A P Nr 2 zu § 615 BGB Betriebsrisiko. Danach findet der Grundsatz, wonach der Arbeitgeber grundsätzlich das Betriebsrisiko trägt, keine Anwendung, wenn auf Grund des Verhaltens der Arbeitnehmer eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht besteht. Namentlich auch im Falle eines Teilstreiks soll der Arbeitgeber nicht verpflichtet sein, denjenigen arbeitswilligen Arbeitnehmern, für die eine Beschäftigungsmöglichket nicht besteht, den Lohn weiterzuzahlen (Solidarität der organisierten Arbeitnehmer bzw Klassensolidarität). Die Lohnzahlungspflicht bleibt dagegen bestehen, wenn der Fortfall der Beschäftigungsmöglichkeit auf eine Aussperrung zurückzuführen ist.
Betriebsrisiko
Nr 148
Schließung einer Gaststätte a m H e i l i g a b e n d : M u s i k e r BGB
§§ 295, 323, 615
D e r L o h n a n s p r u c h eines M u s i k e r s b l e i b t u n b e r ü h r t , w e n n die A r b e i t a m 24. D e z e m b e r w e g e n a n g e o r d n e t e r Schließung des Gaststättenbetriebes ausfällt. ArbG Bremen vom 11. 1. 1935 — Ca 12/35 — ARS 26 ArbG 23 Hinweis: Die Entscheidung wird von Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 615 Anm 38, zu Recht als Fall zeitweiliger Betriebsstillegung infolge behördlicher Maßnahmen gewertet, in dem der Lohnanspruch von der überwiegenden Rechtsprechung ohne Einschränkung bejaht wurde; ebenso bei Ausfall von Musikveranstaltungen infolge Landestrauer L A G Hannover vom 19. 12. 1934 — 10 S 158/34 — ARS 22, L A G 169. Zu dieser Fallgruppe gehört auch die Entscheidung des L A G Bremen vom 8. 9. 1964 - 2 Sa 40/64 — BremARS Nr 150 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BAG.
Betriebsrisiko
Nr 149
Stromausfall B G B § 615 A u c h w e n n h ö h e r e G e w a l t u n d u n v o r h e r s e h b a r e Ereignisse d i e F o r t f ü h r u n g des Betriebs b e h i n d e r n , b l e i b t nach d e r L e h r e v o m Betriebsrisiko i m G r u n d satz der L o h n - oder Gehaltsanspruch der A r b e i t n e h m e r e r h a l t e n , soweit diese selbst arbeitsbereit sind. E i n e V e r t e i l u n g des Schadens, der sich aus u n v e r s c h u l d e t e n B e t r i e b s g e f a h r e n f ü r das U n t e r n e h m e n ergibt, k o m m t n u r i n Betracht, w e n n d e r Schaden e i n e n solchen U m f a n g a n n i m m t , daß die F o r t f ü h r u n g des Betriebs u n m ö g l i c h gemacht oder erheblich gefährdet w i r d . L A G Bremen vom 30. 4. 1947 — Sa 6/47 — ArbrEntsch 1948, 2 1948, 32 mit zustimm Anm Nikisch
BB 1947, 247 =• SJZ
Hinweis: Das Problem des Betriebsrisikos im engeren Sinne betrifft die Frage, ob der Arbeitnehmer bei einer weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer desselben Betriebes verschuldeten Betriebsstörung seinen Lohnanspruch behält, obwohl er seine Arbeit nicht leisten kann. Das BAG hat die Rechtsprechung des RG (Sphärentheorie), des RAG und der Landesarbeitsgerichte im großen und ganzen fortgesetzt und sich für eine arbeitsrechtliche, vom BGB (§§ 323, 615) unabhängige Lösung entschieden; vgl BAG vom 8. 2. 1957 — 1 AZR 338/55 — BAG 3, 346 » AP N r 2 zu § 165 BGB Betriebsrisiko. Danach trägt der Arbeitgeber grundsätzlich das Betriebsrisiko, selbstverständlich erst recht das davon zu unterscheidende Wirtschaftsrisiko, zB in Gestalt des Absatzmangels: BAG vom 8. 3. 1961 — 4 AZR 223/59 — AP Nr 13 zu § 615 BGB Betriebs-
238
Betriebsri
rlsiko. Der Grundsatz über das Betriebsrisiko findet jedoch ausnahmsweise keine Anwendung, wenn auf Grund des Verhaltens der Arbeitnehmer eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht besteht; vgl dazu GewG Bremen vom 2. 5. 1919 — Brem ARS N r 147 mit Hinweis. Eine besondere Ausnahme vom Grundsatz gilt ferner in Fällen, in denen Betriebsstörungen den Bestand des Betriebes gefährden. Dann müssen sich die Arbeitnehmer nach der überwiegenden Meinung eine Kürzung oder gar den völligen Wegfall ihres Lohnanspruchs auf Zeit gefallen lassen; siehe Hueck-Nipperdey, Bd I S 354; Galperln, DRZ 1948, 193 und RdA 1948, 8; zweifelnd Nikisch, Bd I S 600. Eine Entscheidung des B A G steht hierzu noch aus. — Zur Verteilung des Betriebsrisikos unter den Nachkriegsverhältnissen vgl noch L A G Bremen vom 20. 8. 1947 — Sa 13/47 — BB 1947, 411, und vom 22. 11. 1947 — Sa 12/46 — RdA 1948, 192. Dagegen ist in L A G Bremen vom 27. 8. 1947 — Sa 15/47 — BB 1947, 411 — im Falle eines völlig zusammengebrochenen Betriebes eine konkursähnliche Situation angenommen worden, die eine Kürzung des Lohnes verbietet.
Betriebsrisiko
Nr 150
Zurücknahme der Erlaubnis für Nachtkabarett: Tänzerin GewO
§§ 33 a, 53 Abs 2; BGB
§§ 324, 615
D a s U n t e r n e h m e r r i s i k o i n d e r B r a n c h e v o n N a c h t k a b a r e t t s m i t sog Schönh e i t s t ä n z e n u n d S t r i p - t e a s e - V o r f ü h r u n g e n besteht i n d e r F o r m des B e t r i e b s risikos gerade auch i n e i n e m durch polizeiliche V e r f ü g u n g e n ungestörten Geschäftsverlauf. D e r G e f a h r e i n e r Z u r ü c k n a h m e d e r E r l a u b n i s g e m ä ß § 33 a G e w O k a n n seitens des A r b e i t g e b e r s n u r durch a u ß e r g e w ö h n l i c h e organisatorische M a ß n a h m e n v o r b e u g e n d e r A r t begegnet w e r d e n . T r i f f t d e n A r b e i t g e b e r , d e r es t r o t z ernstlicher V e r w a r n u n g durch die G e w e r b e p o l i z e i v e r a b s ä u m t h a t , solche M a ß n a h m e n z u treffen, das V e r s c h u l d e n a n d e r p o l i zeilich v e r f ü g t e n E i n s t e l l u n g d e r V e r a n s t a l t u n g e n , so h a t e r a u f j e d e n F a l l das Betriebsrisiko z u tragen, z u d e m es gehört, daß er d i e A r b e i t s k r a f t v o n A r b e i t n e h m e r n , d i e e r sich v e r t r a g l i c h verpflichtet h a t , nicht v e r w e r t e n k a n n . A u f das V e r s c h u l d e n des A r b e i t g e b e r s k o m m t es i n diesem Z u s a m m e n h a n g nicht e i n m a l an. L A G Bremen vom 8. 9. 1964 — 2 Sa 40/64 — AuR 1965, 151 Hinweis: Abweichend L A G Bremen vom 22. 11. 1947 — Sa 12/46 — RdA 1948, 192, wonach die Grundsätze über die Verteilung des Betriebsrisikos nur auf Arbeitsverhältnisse innerhalb eines auf längere Dauer berechneten Betriebes, nicht dagegen auf Artistenverträge für ein auf 1 Monat beschränktes einmaliges Gastspiel Anwendung finden sollten. I m Falle eines behördlichen Verbots von öffentlichen Lustbarkeiten aus Anlaß eines Brandunglücks mit vorübergehend nicht gegebener Beschäftigungsmöglichkeit für eine auf 2 Monate engagierte Tanz- und Schaukapelle hat das BAG vom 30. 5.1963 — 5 AZR 282/62 — A P N r 15 zu fi 615 BGB Betriebsrisiko — dagegen dem Kapellenleiter den Anspruch auf Fortzahlung des vereinbarten Entgelts nach den Grundsätzen über die Tragung des Betriebsrisikos zuerkannt.
Betriebsstillegung
Nr 151
Begriff BetrRG
§ 96
E i n e Betriebsstillegung i S des B e t r R G l i e g t nicht v o r , w e n n d i e gesamte Belegschaft entlassen w i r d , u m d e n B e t r i e b m i t n e u eingestellten A r b e i t e r n fortzusetzen. GewG Bremen vom 5. 3. 1925 — GewuKfmG 1924/25, 393 Hinwels: Der Begriff der Betriebsstillegung bedeutet auch IS von § 72 Abs 1 Buchst a BetrVG nach BAG vom 17. 9. 1957 — 1 AZR 352/56 — A P N r 8 zu § 13 KSchG; ähnlich L A G Bremen vom 15. 11. 1950 — Sa 55/50 — A P 51 N r 40 mit zustimm Anm Molitor = BremARS N r 152 — die vollständige und planmäßige, ernstlich gewollte Einstellung der betrieblichen Arbeit für einen von vornherein nicht übersehbaren und jedenfalls wirtschaftlich erheblichen Zeitraum unter Aufgabe des Betriebszweckes und Entlassung der Arbeitnehmerschaft. Eine von Anfang an überschaubare Betriebspause genügt nicht: L A G Bremen vom 22. 2. 1950 — Sa 59/49 - BremARS N r 114; GalperinSiebert, § 72 Anm 9 mwN.
Betriebsstillegung Betriebsstillegung
239 Nr 152
Begriff — Teilstillegung KSchG § 13 1. Unter Betriebsstillegung wird die „endgültige Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft verstanden, die ihren Grund und zugleich ihren sichtbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die Erzeugung von Sachwerten in der ernstlichen Absicht einstellt, auf eine Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne zu verzichten". 2. Arbeiten nebensächlicher Art sowie die Weiterbeschäftigung einzelner Arbeitnehmer zur Vorbereitung neuer Betriebsmöglichkeiten oder mit Rücksicht auf Kündigungsvorschriften stehen der Annahme einer Stillegung nicht entgegen. 3. Eine Teilstülegung muß sich auf eine selbständige Betriebsabteilung beziehen, die ihrerseits einen selbständigen Betriebszweck mit eigens dafür beschäftigten Arbeitnehmern verfolgt. Die Betriebsabteilung ist nicht selbständig, wenn eine im übrigen einheitliche Belegschaft je nach Bedarf für den einen oder den anderen Betriebszweck tätig wird. 4. Die Einschränkung oder Stillegung einer Betriebsanlage läßt die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nicht zu. Die Bestimmung, daß eine Kündigung nur zuzulassen ist, wenn das Betriebsratsmitglied nicht anderweitig beschäftigt werden kann, ist weit auszulegen. Es ist jede Einsatzmöglichkeit im Gesamtbetrieb in Betracht zu ziehen. L A G Bremen vom 15. 11. 1950 — Sa 55/50 — A P 51 Nr 40 mit Anm Molitor - BB 1951, 25 = DB 1951, 18 = ARSt V, 789 - W A 1951, 67 Hinweis: Zur Betriebsstillegung bei Kriegs- und Nachkriegs er eignissen L A G Bremen vom 7. 10. 1947 — Sa 11/46 — ARSt I, 272.
Betriebsstillegung
Nr 153
Betriebsnachfolge: Verpachtung des Betriebes (Gaststätte) HGB § 25; BGB § 419; BremBetrRG § 28 1. I m Falle der Entlassung der gesamten Belegschaft und anschließender Verpachtung der Betriebsanlagen haben die Mitglieder des früheren Betriebrates keinen Rechtsanspruch auf Übernahme und Weiterbeschäftigung gegen den Betriebsnachfolger. Ihre Ansprüche gegen den früheren Betriebsinhaber sind davon abhängig, ob eine Stillegung des Betriebes stattgefunden hat. 2. Eine Betriebsstillegung im Sinne des Betriebsverfassungsrechts kann auch im Falle einer Verpachtung des Betriebes angenommen werden, wenn der frühere Betriebsinhaber vor der Verpachtung alle Arbeitsverträge durch Kündigung zum Erlöschen gebracht und damit die betriebliche Schaffensgemeinschaft endgültig aufgelöst hat. 3. Bleibt im Falle der Übernahme eines Betriebes die Identität der Organisation und des Betriebszwecks erhalten, so ist eine stillschweigende Überleitung der bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Betriebsnachfolger anzunehmen, wenn und soweit die Arbeitnehmer auf ihrem Arbeitsplatz verbleiben und von keiner Seite ausdrücklicher Widerspruch erfolgt. Ein A n spruch auf Übernahme durch den neuen Betriebsinhaber besteht jedoch nicht. Aus dem Fortbestehen des Betriebes und der betrieblichen Ordnung können rechtliche Forderungen nur zugunsten derjenigen Arbeitnehmer gezogen werden, die dem fortgesetzten Betrieb tatsächlich angehören. 4. Dem geltenden deutschen Recht ist ein allgemeiner oder aus der Betriebsverfassung abgeleiteter Anspruch der Arbeitnehmer auf Zugehörigkeit zum Betrieb fremd. Der Betrieb hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und kann
Betriebsrame
240
daher auch nicht die Grundlage für Mitgliedschaftsrechte oder Träger vertraglicher Pflichten sein. 5. Der Betriebsrat ist nicht eine Vertretung des Betriebes, sondern vertritt die Arbeitnehmerschaft. Seine Mitglieder haben daher im Falle der Betriebsnachfolge keine anderen Rechte als die übrige Belegschaft, insbesondere keinen Rechtsanspruch auf Übernahme durch den neuen Betriebsinhaber, jedenfalls dann nicht, wenn die betriebliche Schaffensgemeinschaft vorher aufgelöst worden ist. L A G Bremen vom 4. 7. 1951 — Sa 37/51 — A P 52 Nr 50 mit zT krit Anm Dletz «= BB 1951, 558 = DB 1951, 800 = ARSt V I I , 163, 178 = SAE 1952, 5 mit zustimm Anm Beitzke = WA 1952, 5 Hinweis: Der Begriff der Stillegung des Betriebes iS von § 28 BremBetrG ist im wesentlichen der gleiche wie nach § 13 Abs 2 KSchG und § 72 Abs 1 Buchst a BetrVG; vgl auch den Hinweis zu GewG Bremen vom 5. 3. 1925 — GewuKfmG 1924/25, 393 = BremARS Nr 151. Die Entscheidung des L A G folgt derjenigen des RAG vom 1. IG. 1930 — 194/30 — ARS 11, 208. Danach kann mit Verpachtung oder Veräußerung eines (Fabrik-) Betriebes durchaus eine Stillegung (iS von § 96 BetrRG) seitens des verpachtenden oder veräußernden bisherigen Betriebsinhabers verbunden sein, wenn nämlich der bisherige Inhaber alle Arbeitsverträge zum Erlöschen bringt und damit (allein oder im Zusammenwirken mit dem Ubernehmer des Betriebes) nicht lediglich den Zweck verfolgt, die Betriebsratsmitglieder in der Ausübung ihrer Rechte zu beeinträchtigen, nämlich sie zu maßregeln. Demgegenüber steht nach Fltting-Kraegeloh, § 22 Anm 5, die die Entscheidung des L A G ablehnen, nicht entgegen, daß der Übernahme der Arbeitnehmer durch den neuen Arbeitgeber eine vorsorgliche Kündigung seitens des bisherigen Arbeitgebers vorausgegangen ist; vgl auch Hueck, § 13 Anm 22. Richtigerweise dürfte die Frage, ob bei Verpachtung oder Veräußerung eine Stillegung des Betriebes anzunehmen ist, davon abhängen, ob der neue Betriebsinhaber die alte Belegschaft ganz oder doch zum weitaus größten Teil übernimmt: Galperin-Siebert, 9 72 Anm 12.
Betriebsübernahme
Nr 154
Haftung für rückständige tarifliche Ansprüche HGB §§ 59, 25 Abs 1; BGB § 419 1. Die Betriebsübernahme löst auch dann keine Haftung für rückständige Ansprüche eines Arbeitnehmers aus seinem bisherigen Arbeitsverhältnis aus, wenn der neue Betriebsinhaber den Betrieb unverändert fortführt und das bisherige Arbeitsverhältnis fortsetzt. Das gilt auch für Tantiemeansprüche, die von dem früheren Betriebsinhaber für die Zeit vor der Betriebsübernahme versprochen worden sind, und zwar auch dann, wenn die Berechnung der Ansprüche infolge der zunächst noch fehlenden Berechnungsgrundlagen erst nach erfolgter Betriebsübernahme möglich wird. 2. Nach § 25 Abs 1 H G B haftet derjenige für alle im Betriebe eines Handelsgeschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt. Belanglos ist dabei die Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes oder ein Zusatz, der auf eine veränderte Rechtsform (GmbH) hinweist. Werden dagegen wesentliche Bestandteile der bisherigen Firmenbezeichnung, bei der Firma eines Einzelkaufmanns insbesondere der Familienname, weggelassen, kann von der Fortführung der bisherigen Firma nicht mehr gesprochen werden, da auf den nach §§ 18, 24 H G B zu bestimmenden Firmenkern abzustellen ist. 3. Überträgt ein Einzelkaufmann, der zwei Handelsgeschäfte unter verschiedenen Firmen geführt hat, diese beiden Handelsgeschäfte auf zwei verschiedene juristische Personen, so kann keine von ihnen nach § 419 BGB in Anspruch genommen werden. L A G Bremen vom 18. 3. 1964 — 1 Sa 119/63 — DB 1964, 627 » AuR 1964, 315 «= WA 1964, 229 Hinweis: Nach BAG vom 26. 5. 1955 — 2 AZR 38/54 — BAG 2, 127 = AP N r 1 zu § 613 BGB — haftet der neue Arbeitgeber aus dem Gesichtspunkt der Betriebsübernahme nicht für rückständige Lohnschulden des früheren Arbeitgebers.
Betriebsversammlung Betriebsvereinbarung
241 Nr 155
Verbot des Verkaufs i m Betriebe GG Art 5; BremBetrRG § 28 Abs 6 1. Durch Betriebs Vereinbarung kann der Verkauf von Waren und Zeitungen im Betriebe rechtswirksam verboten werden. 2. Ein solches Verbot verstößt nicht gegen Art 5 GG. L A G Bremen vom 2. 7. 1952 — Sa 34/52 — AP 52 Nr 150 mit zustimm Anm Hueck BB 1952, 575 Hinweis: Das Verbot des Warenhandels oder der Vertreibung von Druckschriften im Betriebe fällt nach Fitting-Kraegeloh , § 56 Anm 37; Galperin-Siebert, § 56 Anm 70; Hueck-Nipperdey, Bd I I S 829, jetzt unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 56 Abs 1 Buchst f BetrVG.
Betriebsvereinbarung
Nr 156
Wirkung — Voraussetzungen — Zulässigkeit: Gehaltsstundung KRG Nr 22 Art V b 1. Die Betriebs Vereinbarung hat normative Wirkung. 2. Zum Abschluß einer Betriebsvereinbarung ist nur der Betriebsrat als Ganzes berechtigt, nicht nur eine Fachgruppe desselben und auch nicht die Betriebsversammlung. 3. Mindesterfordernis für einen gültigen Beschluß des Betriebsrates ist die vorherige Ladung sämtlicher Mitglieder unter Mitteilung des Verhandlungsgegenstandes. 4. Soweit eine Angelegenheit durch Tarifvereinbarung geordnet ist, ist eine Betriebsvereinbarung nicht zulässig. 5. Konkrete Ansprüche aus den Einzelarbeitsverträgen sind der Regelung durch Betriebsvereinbarung entzogen. L A G Bremen vom 27. 10. 1948 — Sa 24/48 — RdA 1949, 270 mit zustimm Anm Dietz «= DRZ 1949, 256 mit zustimm Anm Citron = SAE 1949, 38 = ARSt I I , 474, 487, 658, 678 « WA 1949, 11 Hinweis: Nach § 59 BetrVG sind Betriebsvereinbarungen, soweit Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden, nicht zulässig, es sei denn, daß ein Tarifvertrag den Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zuläßt. Zur Tarifüblichkeit BAG vom 6. 12 1963 — 1 ABR 7/63 — AP Nr 23 zu § 59 BetrVG; zur ergänzenden Regelung zum Tarifvertrag BAG vom 20. 12. 1961 — 4 AZR 213/60 — AP Nr 7 zu § 59 BetrVG.
Betriebsversammlung
Nr 157
Einberufung durdi Arbeitgeber BetrRG §§ 45, 46 Abs 2 1 Der Arbeitgeber kann jederzeit einen Teil seiner Arbeitnehmer zu Besprechungen und Zusammenkünften einladen und dabei die Zahl der Versammlungsteilnehmer beliebig beschränken. 2. Solche Versammlungen sind keine Betriebsversammlungen im Sinne des Gesetzes, auch wenn in ihnen Gegenstände behandelt werden, die für den gesamten Betrieb und für die gesamte Belegschaft von wesentlichem Interesse sind. GewG Bremen vom 23. 4. 1921 — GewuKfmG 1921/22, 13 Hinweis: Trotz der nur unvollkommenen, teilweise abweichenden Regelung der Betriebsversammlung durch die §§ 45—49 BetrRG 1920 hat die Entscheidung unter dem geltenden Recht der §§ 41—45 BetrVG entsprechende Bedeutung. Der Arbeitgeber braucht sich nicht darauf zu beschränken, daß auf seinen Wunsch vom Betriebsrat eine Betriebsversammlung oder, wenn die Eigenart des Betriebes eine gemeinsame Versammlung und gleichzeitige Anwesenheit aller Arbeitnehmer ausschließt, eine Teilversammlung, einberufen wird (§ 42 Abs 2, § 41 Satz 3 BetrVG). Ist er selbst Veranstal16
Trinkhaus
242
Dauerstellung
ter einer Versammlung aller Arbeitnehmer oder einzelner Gruppen von ihnen, die dann keine Betriebsversammlung IS von § 41 BetrVG ist, wird er doch, abgesehen von dem Verbot parteipolitischer Betätigung (§ 51 Satz 2 BetrVG), alles zu unterlassen haben, was geeignet ist, die Arbeit und den Frieden des Betriebes zu gefährden (§ 49 Abs 2 BetrVG) und den Betriebsrat oder die Sondervertretungen in der Ausübung ihrer Tätigkeit zu stören oder zu hindern (§ 53 Abs 1 BetrVG). Vgl Galperin-Siebert, § 41 Anm 8; Vogt, Die Betriebsversammlung (1965) S 41 mwN.
Dauerstellung
Nr 158
Vereinbarung: Bedeutung für Kündigungsschutz KSchG § 1 Abs 1 und 2 1. Bei der Vereinbarung einer Dauerstellung kommt es für die Beurteilung der Rechtsfolgen auf die Umstände des einzelnen Falles an. Von diesen hängt es ab, ob mit der Bezeichnung als Dauerstellung lediglich die Unterscheidung von einer Aushilfsstellung erfolgen sollte oder darüber hinaus eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers für den Normalfall festgelegt werden sollte, die auch bei der Beurteilung der dringenden betrieblichen Erfordernisse einer Kündigung im Sinne des § 1 Abs 2 KSchG zu berücksichtigen ist. 2. Erfordert die Stillegung oder Auflösung einer Betriebsstätte die Kündigung eines dort beschäftigten Arbeitnehmers, so entfällt die soziale Rechtfertigung dieser Kündigung grundsätzlich nicht schon deshalb, weil der A r beitgeber die Möglichkeit hatte, den entlassenen Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb seines Unternehmens unterzubringen. Eine solche Verpflichtung kann sich jedoch für den Arbeitgeber dann ergeben, wenn die Versetzung in einen anderen Betrieb nach Geist und Inhalt des Arbeitsvertrages zumutbar und notwendig erscheint, insbesondere wenn entsprechende Zusagen oder Zusicherungen gemacht worden waren. Letzteres kann auch dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber vor der Einstellung von einer Dauerstellung gesprochen hat. L A G Bremen vom 25. 2. 1953 — Sa 74/52 — A P 54 N r 90 mit zustimm Anm Hueck — RdA 1953, 239 = BB 1953, 292 = DB 1953, 276 - WA 1953, 198
Direktionsrecht
Nr 159
Grenzen BGB §§ 611,242 Je genauer der Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag festgelegt ist, desto kleiner ist der für das Weisungsrecht des Arbeitgebers verbleibende Spielraum. Fehlt dagegen die nähere Angabe der Tätigkeit, ist das Weisungsrecht nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu gestalten. ArbG Bremen vom 5. 2. 1959 — 1 Ca 387/58 — ARSt X X I I , 463
Direktionsrecht
Nr 160
Lohn für vertragsfremde Mehrarbeit BGB § 612 1. Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Arbeiten zu verrichten, die A r beitnehmern der gleichen Art nach der Verkehrssitte und den Betriebsverhältnissen zugemutet werden können. 2. Eine Erweiterung der Arbeitspflicht darüber hinaus tritt nur in Fällen eines betrieblichen Notstandes oder bei ausdrücklicher Zustimmung des A r beitnehmers ein. 3. Der veränderte Arbeitseinsatz darf nicht zu einer Lohnminderung führen.
4. Der Vertragslohn ist im allgemeinen auch für Mehrarbeit zu entrichten,
Direktionsrecfat
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selbst wenn es sich um andersartige Arbeit handelt, sofern sie im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geleistet wird. 5. Anders ist es, wenn die außerhalb der vertraglichen Arbeitszeit geleistete Arbeit in keinem Zusammenhang mit den vertraglich übernommenen Pflichten steht. I n einem solchen Falle ist mangels Vereinbarung der übliche Lohn zu zahlen. 6. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die zusätzliche Arbeit dem Arbeitnehmer als Vergünstigung auf seinen Wunsch übertragen wird. L A G Bremen vom 20. 9. 1950 — Sa 39/50 — A P 52 N r 110 mit im wesentUchen zustimm Anm Hueck
Direktionsrecht
Nr 161
Nicht betriebsübliche Arbeit BGB §§ 611, 615; GewO § 123 Abs 1 Nr 3 1. Die mit dem Abfüllen und Verpacken von Putzcreme beschäftigten Arbeiterinnen einer Putzcremefabrik sind nicht verpflichtet, auf Verlangen ihres Arbeitgebers Kartons für eine Kartonagenfabrik zu fertigen, wenn derartige Arbeiten in ihrer Fabrik sonst nicht ausgeführt werden. 2. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung liegt daher nicht vor, wenn die Arbeiterinnen sich weigern, die betriebsfremden Arbeiten zu übernehmen. GewG Bremen vom 2. 7. 1901 — GewG 1901/02, 9 Hinweis: Die Entscheidung entspricht der auch heute noch herrsch Meinung; vgl Hueck-Nipperdey, Bd I S 200—201; Nikisch, Bd I S 285; Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 611 Anm 40; Staudinger-Nipper dey-Neumann, § 611 Anm 111; L A G Bremen vom 20. 12. 1950 — Sa 52/50 — A P 52 N r 62 mit zustimm Anm Nikisch = BremARS N r 138.
Direktionsrecht
Nr 162
Umsetzung während Kündigungsfrist: Verkaufsstellenverwalterin BGB § 611 Der Arbeitgeber kann verlangen, daß eine Verkaufsstellenverwalterin, deren Arbeitsverhältnis gekündigt ist, während der restlichen Dauer der Kündigungsfrist in einer anderen Verkaufsstelle am gleichen Ort als Verkäuferin arbeitet. ArbG Bremen vom 21. 2. 1961 — 3 Ca 3220/60 — DB 1961, 847 = WA 1961, 199 mit ablehn Anm Napp Hinweis: Napp erhebt aaO gegen die Entscheidung — sicherlich zu Recht — Bedenken, weil die Arbeitnehmerin nach dem Arbeitsvertrag Anspruch auf Beschäftigung als Verkaufsstellenverwalterin gehabt habe. Nur in Ausnahmefällen könne einem Arbeitnehmer zugemutet werden, vorübergehend geringwertigere Arbeit zu leisten. Ein solcher Fall habe der Entscheidung jedoch nicht zugrunde gelegen, weil Kündigung und Versetzung während der Kündigungsfrist aus Rationalisierungsgründen erfolgt seien. Diese Kritik entspricht auch der herrsch Meinung; vgl den Hinweis zu BremARS N r 161. Siehe auch ArbG Bremen vom 6. 10. 1960 — 1 Ca 323/60 — Wa 1961, 6, wonach die Rückwandlung der zunächst in beiderseitigem Einverständnis eingeführten echten Fünf-Tage-Woche mit 45 Wochenstunden und vollem Lohnausgleich (für 48 Stunden) in die Sechs-Tage-Woche mit 48 Wochenstunden nur durch Änderungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder durch fristgerechte Änderungskündigung erfolgen kann.
Direktionsrecht
Nr 163
Zuweisung geringwertigerer Tätigkeit TOA §§ 3,22 1. § 22 T O A gibt dem öffentlichen Arbeitgeber nur das Recht zur Versetzung des Angestellten, nicht aber zu einer Änderung des Vertragsinhaltes. 2. Der tarifliche Anspruch auf Bezahlung nach der VergGr V b TOA kann dem Angestellten durch Übertragung einer anderen Tätigkeit nach Verset-
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Eingruppierung
zung nur im Wege der Vertragsänderung, und zwar entweder durch Änderungskündigung oder durch vertragliche Vereinbarung, genommen werden. 3. Die Versetzung des Angestellten mit Zurückführung seiner Tätigkeitsmerkmale entsprechend der im Arbeitsvertrag vereinbarten Vergütungsgruppe führt nicht dazu, daß damit die Verdrängung der tarifwidrig gewordenen Vergütungsgruppe durch zwingende Tarifnormen ohne weiteres endet. 4. Der öffentliche Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß ihm bei der Versetzung des Angestellten, der nach seinem Arbeitsvertrage in die VergGr V I b eingereiht war, nicht bekannt gewesen sei, daß dieser nach der VergGr V b T O A besoldet werden müsse, und daß er aus diesem Grunde auch nicht in der Lage gewesen sei, gegenüber dem Angestellten eine Änderungskündigung zum Zwecke der Herabstufung auszusprechen. I m Rechtsleben, nicht zuletzt auch im Arbeitsleben, stehen Vertragspartner häufig vor Entscheidungen über die Auslegung und rechtliche Beurteilung eines Tatbestandes. Das mit solchen Entscheidungen verbundene Risiko kann ihnen jedoch von niemandem abgenommen werden. L A G Bremen vom 3. 9. 1958 — I I Sa 41/58 — AP Nr 40 zu § 3 TO A «= DB 1958, 1331 = RdA 1959, 317 = WA 1958, 313 Hinweis: Ebenso wie LS 1 BAG vom 10. 11. 1955 — 2 AZR 591/54 — BAG 2, 221 = AP N r 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, wie LS 2 BAG vom 25. 2. 1958 — 3 AZR 184/55 — AP Nr 10 zu § 13 KSchG. Nach BAG vom 14. 12. 1961 — 5 AZR 180/61 — AP Nr 17 zu § 611 BGB Direktionsrecht schließt es die sich aus der tariflichen Normenwirkung ergebende Vergütungsautomatik aus, das Direktionsrecht soweit auszudehnen, daß von ihm Versetzungen auf Arbeitsplätze bzw Zuweisungen von Arbeiten ergriffen werden, die den Tätigkeitsmerkmalen einer anderen Vergütungsgruppe entsprechen als derjenigen, durch die das betreffende Arbeitsverhältnis seine Konkretisierung erfahren hat, auch wenn — im Falle der Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit — die Fortzahlung der Vergütung der bisherigen höheren Vergütungsgruppe zugesichert wird. Das Direktionsrecht kann sich in diesen Fällen nur auf die Zuweisung einer Tätigkeit innerhalb des Bereichs der Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsgruppe erstrecken, auf die sich das Arbeitsverhältnis konkretisiert hat.
Eingruppierung
Nr 164
Anwendbares Recht TOA §3 Für die Nachprüfung der tariflichen Eingruppierung eines Arbeitnehmers ist das Recht maßgebend, das zur Zeit des Urteils (letzte mündliche Verhandlung) gilt, auch wenn zur Zeit der Klagerhebung andere rechtliche Bestimmungen in Kraft waren. L A G Bremen vom 11. 8. 1954 — Sa 18/54 — DB 1954, 803 - WA 1954, 318; 1955, 8 Hinweis: U m Mißverständnissen vorzubeugen, ist klarzustellen: Die Entscheidung setzt voraus, daß das maßgebliche Tarifrecht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung rückwirkend geändert worden war. Grundsätzlich ist nämlich das Tarifrecht nur in seinem zeitlichen Geltungsbereich anwendbar, so daß der Klaganspruch, je nachdem, für welche Zeit er erhoben ist, bei Änderung der Tätigkeitsmerkmale getrennt nach Zeitabschnitten vor und nach Inkrafttreten der Rechtsänderung zu beurteilen ist. — Zu der heute überholten Rechtsprechung auf der Grundlage der Eingruppierungsausschüsse vgl L A G Bremen vom 20. 10. 1948 — Sa 22/48 — AP 50 Nr 119 mi zustimm Anm Peters = BremARS Nr 167, vom 22. 6. 1949 — Sa 25/49 — AP 50 Nr 9 mit zustimm Anm Herschel, vom 28. 9. 1951 — Sa 24/51 — AP 53 Nr 31 mit krit Anm Neumann-Duesberg = BremARS Nr 169 und vom 7. 11. 1951 — Sa 75/51 — AP 53 Nr 37 mit zustimm Anm Neumann-Duesberg.
Eingruppierung
Nr 165
bei allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen mit Beispielen TOA § 3 Abs 2 1. Die Arbeitsgerichte sind nicht befugt, eine unzureichende tarifliche Vergütungsordnung aus Billigkeits- oder Zweckmäßigkeitsgründen zu berichtigen. Das ist Sache der beteiligten Sozialpartner. 2. Soweit die Vergütungsordnung der TOA bei den einzelnen Gruppen be-
Eingruppierung stimmte Beispiele genannt hat, kann das Gericht im Einzelfall nicht noch zusätzlich nachprüfen, ob die Tätigkeit des Arbeitnehmers die abstrakten (allgemeinen) Tätigkeitsmerkmale der in Frage kommenden Vergütungsgruppe erfüllt oder überschreitet. 3. Bei der Eingruppierung kommt es nicht auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Angestellten, sondern allein auf die ihm ausdrücklich übertragenen Aufgaben und den Aufgabenkreis seiner dienstlichen Tätigkeit an. L A G Bremen vom 15. 12. 1954 — Sa 88/54 — DB 1955, 220 Hinweis: Ähnlich wie LS 2 RAG vom 28. 5. 1940 — 272/39 — ARS 40, 167; ebenso BAG vom 9. 9. 1964 — 4 AZR 159/63 und 4 AZR 195/63 — sowie vom 11. 11. 1964 — 4 AZR 324/63 — AP Nr 2 bis 4 zu § 1 T V G Tarifverträge: BAVAV.
Eingruppierung
Nr 166
im öffentlichen Dienst: Stellenplan TOA § 3 Abs 2 Ein berechtigter Anspruch auf Höhergruppierung kann im öffentlichen Dienst nicht mit einer Bezugnahme auf den Stellenplan zurückgewiesen werden. Auch der öffentliche Arbeitgeber ist zur Zahlung des Tariflohns verpflichtet. Maßgebend sind die Merkmale derjenigen Tätigkeit, die zur Erfüllung der übertragenen Arbeiten sachlich notwendig ist. L A G Bremen vom 9. 6. 1954 — Sa 42/54 — DB 1954, 540 = RdA 1954, 480 Hin weis: Ebenso BAG vom 23. 9. 1954 — 2 AZR 31/53 — BAG 1, 85, 91 » A P N r 1 zu § 3 TOA.
Eingruppierung
Nr 167
Rechtsnatur — Nachprüfbarkeit TOA §3 Abs 2 Die Eingruppierung eines Behördenangestellten in eine bestimmte Vergütungsgruppe der T O A ist kein Verwaltungsakt, sondern ein einseitiges privatrechtliches Rechtsgeschäft des Arbeitgebers, zu dessen Nachprüfung infolgedessen die Arbeitsgerichte zuständig sind. L A G Bremen vom 20. 10. 1948 — Sa 22/48 — A P 50 Nr 119 mit zustimm Anm Peters Hin weis: Mit dieser Entscheidung wurde die frühere Ansicht des RAG, z B in den Entscheidungen vom 16. 1. 1940 — 132/39 — ARS 38, 98 — und vom 29. 5. 1940 — 284/39 — ARS 39, 419 —, widerlegt, daß die Eingruppierung eines Angestellten ausschließlich von der dafür zuständigen Behörde zu erfolgen habe und dann bindend sowie der arbeitsgerichtlichen Nachprüfung entzogen sei. Diese Ansicht beruhte auf eindeutig autoritären Gedankengängen, wie sie während der nationalsozialistischen Herrschaft üblich waren. Heute ist mit der ständigen Rechtsprechung des BAG, zB vom 23. 9. 1954 — 2 AZR 31/53 — BAG 1, 85 • - AP Nr 1 vom 2. 12. 1955 — 2 AZR 59/54 — AP Nr 8 — und vom 31. 1. 1956 — 3 AZR 185/54 — BAG 2, 310 = AP Nr 11 zu § 3 TOA, allgemein anerkannt, daß die Richtigkeit der Eingruppierung durch die Gerichte für Arbeitssachen nachprüfbar ist, und zwar nicht nur bei der ersten Einreihung, sondern auch bei dem Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe. I m übrigen ergibt sich der Anspruch eines Angestellten auf Höhergruppierung und auf die entsprechende Vergütung unmittelbar aus der nicht nur vorübergehend übertragenen höherwertigen Tätigkeit; einer besonderen Änderung des Arbeitsvertrages bedarf es dazu nicht. Eingruppierung und Höhergruppierung durch den Behördenleiter sind deklaratorische, nicht konstitutiv wirkende Feststellungen der Zugehörigkeit zu der betreffenden Vergütungsgruppe. Vgl jetzt §§ 22, 23 BAT.
Eingruppierung
Nr 168
Überwiegende Tätigkeit TOA § 3 Abs 2 1. Welche Tätigkeit bei einem aus verschiedenen, tariflich nicht gleich zu bewertenden Einzeltätigkeiten zusammengesetzten Aufgabenbereich eines
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Eingruppierung
Angestellten überwiegt, ist im Rahmen der T O A in der Regel nach der für die einzelne Tätigkeit aufgewandten Zeit zu beurteilen. 2. Je nach den Umständen können einzelne Tätigkeiten ohne eigene Bewertung gemeinsam mit einer höherwertigen Tätigkeit bewertet werden, sofern auf Grund eines unmittelbaren, inneren Zusammenhangs zwischen diesen Tätigkeiten die geringer zu bewertende Tätigkeit letztlich ein Teilstück der höherwertigen Aufgabe darstellt. 3. I n dem nicht einheitlichen Arbeitsbereich eines in der Bauaufsicht tätigen technischen Angestellten (sog Baukontrolleur) sind den höherwertigen ingenieurmäßigen Rohbau- und Schlußabnahmen als sog Randzeiten die Zeiten für die folgenden an sich geringwertigen Teiltätigkeiten hinzuzurechnen: Vorbereitung der Abnahmen im Bauamt, Fahrt zur Baustelle und Rückfahrt zum Bauamt sowie abschließende Bearbeitung der Abnahmen im Büro. Diese Teiltätigkeiten hängen mit der eigentlichen Abnahmetätigkeit sachlich unmittelbar zusammen, weil sie der Vorbereitung und Ausführung der Haupttätigkeit dienen. Weiter ist die ebenfalls an sich geringer zu bewertende Teiltätigkeit Kontrolle der bei den Abnahmen festgestellten Mängel der Haupttätigkeit hinzuzurechnen, weil sie in der Regel dem Vollzug der Abnahmetätigkeit dient. L A G Bremen vom 26. 11. 1963 — 2 Sa 103/62 — Hinweis: Die Divergenz-Revision gegen dieses Urteil wurde durch Beschluß des BAG vom 19. 2. 1964 — 4 AZR 541/63 — als unzulässig verworfen. — Die Feststellung der für die Eingruppierung besonders im öffentlichen Dienst maßgeblichen überwiegenden Tätigkeit (§ 3 Abs 2 TOA) oder überwiegend auszuführenden Tätigkeit (§ 22 Abs 1 BAT) bereitet erfahrungsgemäß größere Schwierigkeiten. Eine einheitliche Arbeitsleistung darf nicht künstlich in einzelne Arbeitsgänge zerlegt werden; sie ist viel* mehr nur insgesamt und einheitlich zu bewerten: BAG vom 6. 1?. 1961 — 4 AZR 285/60 — A P N r 82 zu § 3 TOA. Für die Eingruppierung des Angestellten spielt dann die Frage, welche Tätigkeit überwiegt, keine Rolle: BAG vom 26. 6. 1963 — 4 AZR 277/62 — A P N r 99. Wie LS 1 und 2 BAG vom 8. 6. 1910 — 4 AZR 38/59 — B A G 9, 269 = A P N r 66. Eigenständige Teiltätigkeiten, von denen keine die überwiegende Tätigkeit des Angestellten bildet, sind jede für sich daraufhin zu prüfen, ob sie die Tätigkeitsmerkmale der begehrten Verg-Gruppe erfüllen. Der Vergütungsanspruch ist gerechtfertigt, wenn die Zusammenrechnung derjenigen Teiltätigkeiten, bei denen die Merkmale erfüllt sind, mehr als die Hälfte der Gesamttätigkeit ergibt: BAG vom 20. 3. 1963 — 4 AZR 13/62 — A P N r 97 — und vom 12. 2. 1964 — 4 AZR 57/63 — A P N r 109 zu § 3 TOA. — Zur Rechtsprechung des BAG zur Eingruppierung von Angestellten im öffentlichen Dienst vgl allgemein Poelman, AuR 1964, 101—108, 137—141.
Eingruppierung
Nr 169
Uricundsbeamte der Arbeitsgerichte TOA §3 Abs 2 Die Urkundsbeamten der Arbeitsgerichte haben Anspruch auf Bezahlung nach der Vergütungsgruppe V b TOA. L A G Bremen vom 28. 9. 1951 — Sa 24/51 — A P 53 N r 31 mit i m Ergebnis zustimm Anm Neumann-Duesberg
Einstellungsverhandlungen
Nr 170
Ungebührliche Verzögerung: öffentlicher Dienst BGB § 276 1. Die vom B A G entwickelten Grundsätze über die Schadenshaftung der Körperschaften des öffentlichen Dienstes für ein Verschulden ihrer Vertreter und Beauftragten bei Einstellungsverhandlungen sind auch dann anzuwenden, wenn zwar keine Erklärungen abgegeben worden sind, aus denen der Bewerber den Schluß ziehen konnte, der von ihm gewünschte Vertragsschluß sei bereits beschlossene Sache und werde in Kürze erfolgen, die Einstellungsverhandlungen jedoch in schuldhafter Weise über eine lange Zeit hingezogen und die Entscheidung über die Bewerbung so ungebührlich lange verzögert wird, daß bei dem Bewerber der Eindruck entstehen muß, er
Einstweilige Verfügung
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könne mit einer demnächstigen Einstellung rechnen und brauche sich nicht mehr um eine anderweitige Beschäftigung zu kümmern. 2. Von einer Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt kann auch bei ungewöhnlich langer Dauer der Einstellungsverhandlungen nicht gesprochen werden, wenn der Bewerber darauf hingewiesen wird, daß sich die Bearbeitung seines Einstellungsgesuchs infolge besonderer Umstände (zB eines bevorstehenden Wechsels in der Person des an der Entscheidung beteiligten Dienststellenleiters) verzögern würde, oder wenn dem Bewerber erklärt wird, daß erhebliche gesundheitliche Bedenken gegen seine Einstellung aufgetreten seien, die durch Einholung eines amtsärztlichen Fachgutachtens überprüft werden müßten, bevor eine Entscheidung erfolgen könne. Dies gilt erst recht dann, wenn dem Bewerber bereits vorher gesagt worden war, er müsse wegen näher bezeichneter Bedenken mit einer Ablehnung seines Gesuchs rechnen, der Bewerber jedoch durch Einschaltung einer anderen Stelle und deren Fürsprache erreicht, daß die ärztliche Ergänzungsuntersuchung zur Überprüfung seines Gesundheitszustandes und zur etwaigen Ausräumung der aufgetauchten Bedenken angeordnet wird. Der Bewerber muß in einem solchen Falle die weitere Verzögerung des Einstellungsverfahrens hinnehmen und kann sein Verhalten nicht darauf einstellen, daß er bei einem für ihn günstigen Ergebnis der ärztlichen Begutachtung doch noch mit einer günstigen Entscheidung über seine Bewerbung rechnen könne. 3. Für den Eintritt eines Vertrauensschadens bei schuldhaft verzögerten Einstellungsverhandlungen spricht unter den derzeitigen Arbeitsmarktverhältnissen im allgemeinen bereits der erste Anschein. Das gilt jedoch nicht, wenn sich ergibt, daß der Erlangung eines anderen Arbeitsplatzes in der Person bzw im Verhalten des Bewerbers liegende hinderliche Umstände entgegengestanden haben, z B eine länger dauernde Arbeitsunfähigkeit durch Erkrankung während des Einstellungsverfahrens oder aber die Forderung eines nach der Arbeitsmarktlage ungewöhnlich hohen Arbeitsentgelts, die zu Schwierigkeiten bei der Vermittlung des Bewerbers führt. L A G Bremen vom 14. 7. 1965 — 1 Sa 12/65 — DB 1965, 1330 = W A 1965, 350 - BB 1966 S 579 Hinweis: Vgl zur Haftung öffentlicher Körperschaften für Verschulden von — auch nicht abschlußbevollmächtigten — Vertretern bei Vertragsverhandlungen BAG vom 10. 11. 1955 — 2 AZR 282/54, vom 7. 6. 1963 — 1 AZR 276/62 — und vom 27. 6. 1963 — 5 AZR 383/62 — A P N r 1, 4 und 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß.
Einstweilige Verfügung
N r 171
Gehaltsfortzahlung während Kündigungsstreit ZPO § 940 1. Das Landesarbeitsgericht, das über eine Berufung in einem Kündigungsstreit zu entscheiden hat, ist auch als Gericht der Hauptsache für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in bezug auf das streitige Arbeitsverhältnis zuständig. 2. Ist in einem Kündigungsschutzstreit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses streitig, so kann gemäß § 940 ZPO durch einstweilige Verfügung auch die Fortzahlung des Gehalts oder eines Teiles desselben für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist angeordnet werden, doch muß eine solche Regelung eine seltene Ausnahme bleiben, da die Vollziehung der einstweiligen Verfügung bereits eine vollständige oder teilweise Befriedigung des Arbeitnehmers herbeiführt. Zwischen der in Unterhaltssachen allgemein üblichen vorläufigen Unterhaltsregelung und einer einstweiligen Anordnung der Gehaltsfortzahlung besteht auch in rechtlicher Hinsicht ein so wesentlicher Unterschied, daß eine derartige Maßnahme nur in ganz besonders gelagerten Fällen in Frage kommen kann und vom Gericht nur zur Abwendung einer dringenden und auf andere Weise nicht zu beseitigenden Notlage getroffen werden kann. 3. Eine Gehaltsfortzahlung kann in einem Kündigungsschutzstreit durch
Enteignung
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einstweilige Verfügung nach § 940 ZPO nicht angeordnet werden, wenn es der gegen Arbeitslosigkeit versicherte Arbeitnehmer unterläßt, sich nach Ablauf der Kündigungsfrist beim Arbeitsamt zu melden und die Gewährung des Arbeitslosengeldes zu beantragen. Eine gerichtliche Regelung ist in einem solchen Falle zur Abwendung wesentlicher Nachteile nicht nötig, da der Arbeitnehmer jederzeit in der Lage ist, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu beseitigen, in die er nach Einstellung der Gehaltszahlungen des Arbeitgebers geraten ist. Vom Arbeitnehmer muß auch verlangt werden, daß er von sonstigen, ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Möglichkeiten zur Beschaffung der Mittel für seinen Lebensunterhalt Gebrauch macht, insbesondere daß er sich um einen anderen Arbeitsplatz bemüht. L A G Bremen vom 20. 4. 1961 — 1 Sa 48/61 — WA 1961, 269 Hinweis: Nach L A G Kiel vom 26. 8. 1958 — 1 Ta 30/58 — AP Nr 1 zu § 940 ZPO ist, soweit der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, der zum Unterhalt notwendige Bedarf anderweitig auf Grund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen gesichert. Damit entfällt eine der Voraussetzungen zum Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Ähnlich LAG Baden-Württemberg vom 19. 4. 1961 — 7 Ta 4/61 — BB 1961, 977.
Enteignung
N r 172
d u r d i Gesetz: Merkmale GG Art 14, 2, 19, 20; BremGesetz betr Alters- und Hinterbliebenenversorgung § 9; BGB § 242 1. Die Entziehung von Ansprüchen aus dem sog Weihnachtsgesetz von 1912 stellt eine unzulässige Enteignung nicht dar, auch wenn man darin einen Einzeleingriff des Gesetzgebers erblickt und den Enteignungsbegriff auf alle privaten Vermögensrechte ausdehnt. Die neue bremische Versorgung im Gesetz vom 19. 12. 1952 ist zur Bereinigung der eingerissenen Unordnung und Unklarheit auf dem Versorgungsgebiet und zum Zwecke einer sozial fortschrittlichen Anpassung des Versorgungsrechts an die veränderten Verhältnisse, d h aber zum Wohl der Allgemeinheit notwendig gewesen. 2. Das BremGesetz vom 19. 12. 1952 hat darüber hinaus nicht nur frühere Versorgungsansprüche entzogen, sondern zugleich eine „Abgeltung" vorgenommen, so daß nicht von einer entschädigungslosen und deshalb verfassungswidrigen Enteignung gesprochen werden kann. Der Kläger kann daher höchstens die Angemessenheit der gewährten Entschädigung bestreiten und eine weitere Enteignungsentschädigung fordern. Sein Klagantrag (Hilfsantrag) schließt jedoch diesen Anspruch nicht ein. Außerdem wäre das L A G insoweit sachlich unzuständig, da für Ansprüche aus Art 14 Abs 3 GG die ausschließliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. 3. Der Kläger ist aber ausreichend und gerecht entschädigt worden, mag diese Entschädigung auch lediglich in seiner versorgungsmäßigen Besserstellung bestehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß auch die Beklagte nach der neuen Regelung erhöhte Aufwendungen zu machen hat und nach Art 14 Abs 3 GG kein „Schadensersatz", sondern ein billiger Ausgleich zu gewähren ist, ist die Regelung als angemessen zu erachten, und zwar auch dann, wenn die Verbesserung zukünftig auch allen anderen langdienenden bremischen Behördenangestellten zugute kommen wird, die bisher keine Versorgungsansprüche hatten. Es gibt keinen Rechtssatz, daß Ungleiches unter allen Umständen ungleich behandelt werden muß. L A G Bremen vom 23. 6. 1954 — Sa 105/52 — AP Nr 1 zu Art 14 GG = ARSt X I I I , 107, 112, 195
Entlassung
Nr 173
Begriff: Weggehenlassen des Arbeitnehmers Betriebsvereinbarung vom 30. 9. 1955 für die Haake-Beck-Brauerei AG § 10 Abschn IV Das „Weggehenlassen" eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber stellt keine Entlassung im Sinne des Arbeitsrechts dar; ihm kommt keine recht-
Feiertagsbezahlung
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liehe Bedeutung zu. Insbesondere stellt das Ausscheiden des Arbeitnehmers auf Grund eigener Kündigung, im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber oder infolge des Ablaufs eines befristeten Vertrages keine Entlassung im Rechtssinne dar. L A G Bremen vom 21. 1. 1959 — I Sa 77/50 — BB 1959, 707 = DB 1959, 407 = WA 1959, 148
Feiertagsbezahlung
N r 174
Unabdingbarkeit FeiertagslohnzG § 1; BGB §§ 134, 242 1. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung der Vergütung für diejenige Arbeitszeit, die infolge gesetzlicher Feiertage ausfällt, ist unabdingbar. Eine Vereinbarung, nach der die Feiertage nicht bezahlt werden sollen, ist deshalb rechtsunwirksam. 2. Der Arbeitnehmer, der sich damit einverstanden erklärt hat, daß die Feiertage nicht bezahlt werden sollen, handelt nicht treuwidrig oder arglistig, wenn er nachträglich die Bezahlung verlangt. ArbG Bremen vom 2. 5. 1961 — 3 Ca 3151/61 — BB 1961, 677 = DB 1961, 710 Hinweis: Ebenso BAG vom 23. 2. 1961 — 5 AZR 110/60 — AP Nr 2 zu § 611 BGB Akkordkolonne; LAG Bremen vom 9. 3. 1960 — I Sa 164/59 — BremARS Nr 175.
Feiertagsbezahlung
N r 175
Wochenfeiertage: Akkordarbeit Feiertag slohnzG § 1 1. Die Lohnausfall Vergütung für Wochenfeiertage ist beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen grundsätzlich auch den im Akkordlohn beschäftigten Arbeitnehmern zu zahlen, denn der Arbeitgeber hat für die ausgefallene Arbeitszeit den vollen Arbeitsverdienst einschließlich aller Zuschläge zu vergüten, den die Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Es ist nicht richtig, daß der Akkördlöhner deshalb keinen erstattungsfähigen Lohnausfall erleidet, weil sich sein Lohn nach dem Ergebnis der Arbeit bemißt. Mag auch der Zeitfaktor in diesem Falle nicht allein entscheidend sein, so büßt doch der Akkordlöhner beim Ausfall eines Arbeitstages die damit verbundene Verdienstmöglichkeit ein. Die Möglichkeit einer Nachholung der Arbeit kann ebenfalls nach dem Gesetz nicht berücksichtigt werden. 2. Die Lohnausfallvergütung steht zwar in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der tatsächlich ausgefallenen Arbeitszeit, doch muß entsprechend dem Wesen der Akkordarbeit zur Erzielung eines angemessenen Ergebnisses die Lohnausfallvergütung eines Akkordarbeiters nach seinem Durchschnittsverdienst berechnet werden. Auch sonst muß bezahlte Mehrarbeit berücksichtigt werden, wenn sie ohne die Arbeitsrühe auch am Wochenfeiertag geleistet worden wäre. 3. § 1 FeiertagslohnzG ist zugunsten der Arbeitnehmer zwingend. Der Anspruch kann somit nach Grund und Höhe weder durch Einzelarbeitsvertrag noch durch Kollektivvereinbarung eingeschränkt werden. L A G Bremen vom 9. 3. 1960 — I Sa 164/59 — BB 1960, 627 = DB 1960, 582 = AuR 1960, 250 = WA 1960, 167 Hinweis: Wie LS 1 und 2 BAG vom 23. 9. 1960 — 1 AZR 508/59 — BAG 10, 29 = A P Nr 11 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; Hueck-Nipperdey, Bd I S 271. Wie LS 3 BAG vom 23. 2. 1961 — 5 AZR 110/60 = AP Nr 2 zu § 611 BGB Akkordkolonne; Hueck-Nipperdey, Bd I S 272.
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Feiertagsbezahlung
Feiertagsbezahlung Wochenfeiertage: Urlaub FeiertagslohnzG § 1; BremUrlG
Nr 176 § 6 Satz 3
Wird einem der Arbeitnehmer der gesetzliche Urlaub im Anschluß an das im übrigen beendete Arbeitsverhältnis gewährt und verlängert sich demgemäß das Arbeitsverhältnis um die Zahl der Urlaubstage, so sind zwar Wochenfeiertage, die in diesen Zeitraum fallen, auf den Urlaub nicht anzurechnen, doch kann der Arbeitnehmer eine Lohnausfallvergütung für diese Wochenfeiertage deshalb nicht fordern, weil die Arbeit an diesen Tagen für ihn nicht infolge des Verbots der Feiertagsarbeit ausgefallen ist, sondern aus einem anderen Grunde. Eine Lohnausfallvergütung kommt aber nur dann in Frage, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich einen Lohnanspruch infolge des Wochenfeiertags verloren hat. L A G Bremen vom 6. 11. 1957 — I Sa 87/67 — BB 1958, 157, 738 = BetrVerf 1958, 77 = WA 1958, 54 Hinweis: Die Entscheidung wird von Frey, Die Feiertagsbezahlung, 2. Aufl, S 51 kritisch erörtert. Nach L A G Bremen vom 4. 11. 1959 — I I Sa 115/59 = BremARS N r 177 — und (für auf arbeitsfreie Samstage fallende gesetzliche Feiertage) vom 14. 2. 1962 — 1 Sa 163/61 — BremARS Nr 556 — sind denn auch gesetzliche Wochenfeiertage regelmäßig nicht als Urlaubstage auf die Urlaubszeit anzurechnen und besonders zu bezahlen; zustimmend Dersch-Neumann, § 3 Anm 27, 27 a mwN.
N r 177 FeiertagslohnzG
§1
Nimmt ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis selbst ordentlich, fristgemäß gekündigt hat, seinen tariflichen Resturlaub während der entsprechenden, restlichen Laufzeit des Arbeitsverhältnisses, so sind zwei Wochenfeiertage, die in diesen Zeitraum fallen, nicht als Urlaubstage anzurechnen und nach dem Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen besonders zu bezahlen. Der Arbeitsausfall an den beiden Wochenfeiertagen ist solchenfalls für den beurlaubten Arbeitnehmer, ebenso wie für die nicht beurlaubten Arbeitnehmer, ausschließlich die Folge der gesetzlich angeordneten Feiertagsruhe, nicht seines Urlaubs. L A G Bremen vom 4. 11. 1959 — I I Sa 115/59 — BB 1960, 1132 = DB 1960, 211 = AuR i960, 121 Hinweis: Ebenso BAG vom 6. 5. 1963 — 1 AZR 114/62 — A P N r 15 zu § 1 FeiertagslohnzG. Fällt aber infolge des gesetzlichen Wochenfeiertages im Betrieb die Arbeit nicht aus und unterbleibt die Arbeit des Arbeitnehmers nur deshalb an dem gesetzlichen Wochenfeiertag, weil er sich i m Urlaub befand, dann erhält er nach BAG vom 14. 5. 1964 — 5 AZR 239/63 — A P N r 94 zu § 611 BGB Urlaubsrecht kein Feiertagsgeld nach dem FeiertagslohnzG.
Friedenspflicht
N r 178
nach Tarifvertrag: Auslegung Dazu: L A G Bremen vom 6. 5. 1953 — Sa 75/53 — A P 54 Nr 87 mit im Ergebnis zustimm Anm Hoeniger = BB 1953, 501 = DB 1953, 536 «= ArbGeb 1953, 582 = ARSt X , 458, 474 = WA 1953, 251
Fürsorgepflichtarbeit Begriff FürsPflVO
N r 179
§ 19
1. Für die Frage, ob ein Beschäftigter Pflichtarbeit im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Unterstützungsverhältnisses geleistet oder in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gestanden hat, kommt es nicht allein auf die von den Parteien gewählten Bezeichnungen, sondern vor allem darauf an,
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
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ob es sich um zusätzliche, gemeinnützige Arbeiten gehandelt hat, die sonst überhaupt nicht oder doch nicht zu dieser Zeit und in diesem Umfange verrichtet worden wären, oder um solche, die sowieso jedenfalls hätten verrichtet werden müssen. 2. Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht entgegen, daß größtenteils arbeitsunwillige Pflichtarbeiter monatelang mit Erdbewegungsarbeiten (Umgraben und Einplanieren) beschäftigt werden, die mit Motorpflügen und anderen neuzeitlichen Maschinen in wenigen Tagen hätten erledigt werden können, und daß die Beschäftigung der Pflichtarbeiter erkennbar dazu bestimmt war, sie an geregelte Arbeit zu gewöhnen und anzuhalten, sich durch das Arbeitsamt in Arbeit vermitteln zu lassen. L A G Bremen vom 6. 6. 1961 — 2 Ta 10/61 — Hinweis: Die Entscheidung entspricht herrsch Meinung; vgl nur Dersch-Volkmar, § 2 Anm 91; Hueck-Nipperdey, Bd I S 39; Nikisch, Bd I S 117. Dagegen stehen Notstandsarbeiter iS von § 140 A V A V G (§ 139 aF) zu dem Unternehmer in einem privat-rechtlichen Arbeitsverhältnis; vgl L A G Kiel vom 15. 10. 1954 — 2 Sa 216/54 — A P N r 1 zu 9 139 A V A V G Notstandsarbeiter mit zustimm Anm Dersch; Draeger-Buchwitz-Schönef eider, § 140 Anm 25.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Nr 180
Eigentum des Arbeitnehmers in Baubude — Feuerversicherung BGB §§ 157, 242, 254,278, 618 Ein Bauunternehmer hat auf Grund seiner allgemeinen arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht eine Sorgepflicht für die während der Arbeitszeit in der Baubude aufbewahrte Straßenkleidung seiner Arbeiter. Die Inbetriebnahme eines Ofens in einer solchen Baubude begründet wegen der damit verbundenen Feuersgefahr die weitere Verpflichtung des Arbeitgebers, zusätzlich eine Feuerversicherung zugunsten der Arbeiter einzugehen. Anderenfalls ist der Arbeitgeber bei Brandverlust der aufbewahrten Sachen für den Schaden ersatzpflichtig. ArbG Bremen vom 3. 5. 1949 — Ca 592/49 — A P 50 N r 118 = RdA 1950, 157 mit im Ergebnis zustimm Anm Bulla Hinweis: Obwohl 9 618 BGB als zu schützende Rechtsgüter nur Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer (beispielhaft) nennt, ist heute die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ohne weiteres auf das berechtigterweise in den Betrieb oder zur Arbeitsstelle mitgebrachte Eigentum des Arbeitnehmers ausgedehnt, insbesondere auf Kleidung, Gerätschaften und Fahrräder, während die Fürsorgepflicht für mitgebrachte Kraftfahrzeuge noch umstritten ist. Vgl. Hueck-Nipperdey, Bd I S 405—409 m w N in F N 56—65. Das BAG vom 4. 2. 1960 — 2 AZR 290/57 — B A G 9, 31 = A P Nr 7 zu 9 618 BGB macht die Entscheidung von den Besonderhelten des Einzelfalles abhängig. Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Versicherung der vom Arbeitnehmer in den Betrieb eingebrachten Sachen gegen Feuer und Diebstahl wird i m allgemeinen nur bei Verkehrsüblichkeit in einer bestimmten Branche oder Gegend sowie unter besonders gefährlichen Verhältnissen angenommen, soweit die Versicherung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Die Versicherungspflicht ist vielfach tarifvertraglich geregelt, zB für die Effekten der Besatzungsmitglieder von See- und Binnenschiffen. Dazu L A G Bremen vom 26. 3. 1958 — I I Sa 4/58 —; vgl auch allgemein Oskar Schulz, Sicherung und Versicherung im Rahmen der Sorge für die in Betrieb eingebrachten Sachen der Arbeitnehmer, MittArbGV 1958 N r 17 S 13—14.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Nr 181
Eigentum des Arbeitnehmers im Kraftwagen des Arbeitgebers BGB § 618 1. Das Gesetz regelt zwar ausdrücklich nur den Schutz des Arbeitnehmers vor den sein Leben und seine Gesundheit bedrohenden Gefahren; doch ist schon seit geraumer Zeit in Rechtslehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt, daß sich darüber hinaus aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch dessen Verpflichtung ergibt, die von seinen Arbeitnehmern üblicher- oder sonst berechtigterweise zur Arbeitsstelle mitgebrachten
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Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Kleidungsstücke und andere Sachen vor Verlust und Beschädigung zu bewahren. 2. I m Falle einer Verletzung dieser Obhutspflicht des Arbeitgebers sind die sich ergebenden Ansprüche des Arbeitnehmers nach arbeitsrechtlichen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen und nicht nach den einengenden Vorschriften über die unentgeltliche Verwahrung, die Geschäftsbesorgung oder etwa nach den Regeln eines selbständigen Beförderungsvertrages. 3. Den Arbeitgeber trifft eine Obhutspflicht für das bei einer Geschäftsfahrt in seinem Kraftwagen beförderte Gepäck eines mitreisenden Arbeitnehmers. L A G Bremen vom 24. 11. 1954 — Sa 92/54 — A P Nr 2 zu § 618 BGB mit zustimm Anm Dersch = BB 1955, 508 = DB 1955, 171 = SAE 1955, 56 = ARSt X I V , 76
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
N r 182
Mitgebrachtes Arbeitsgerät: Benutzungsvergütung — Haftung BGB §§ 611, 618, 242 1. Der Arbeitnehmer, der unaufgefordert eigenes Handwerkszeug in den Betrieb des Arbeitgebers mitbringt und dieses bei seiner Arbeit benutzt, hat keinen Anspruch auf Entschädigung für die Benutzung, wenn keine entsprechende Vereinbarung getroffen worden ist. 2. Kommt in dem Betrieb des Arbeitgebers Handwerkszeug des Arbeitnehmers abhanden, das dieser unaufgefordert und ohne Wissen des Arbeitgebers mitgebracht hat, obwohl ausreichendes Werkzeug im Betrieb zur Verfügung steht, so haftet der Arbeitgeber für diesen Verlust nicht.
ArbG Bremen vom 4. 8. 1959 — 3 Ca 3431/59 — BB 1959, 956 = DB 1959, 952 Hinweis: Der Arbeitnehmer war als Kraftfahrer und Tischler in einer Baustoff- und Kohlengroßhandlung beschäftigt.
Funktionsnachfolge Begriff BGB § 419; Brem Gesetz über die Landwirtschaftskammer 20. 3. 1956 §§ 18, 20—22, 25
N r 183 Bremen vom
1. Der Rechtsgedanke der Funktionsnachfolge (nicht zu verwechseln mit der sog Staatensukzession) ist aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes im sozialen Rechtsstaat entwickelt worden. Demgemäß wird aus der Verknüpfung bestimmter Verbindlichkeiten mit einem bestimmten öffentlichen Aufgabenbereich die rechtliche Verantwortlichkeit und Haftung des jeweiligen Trägers dieses Aufgabenbereichs gefolgert. Es handelt sich dabei nicht um die Folgen eines Vermögensübergangs, sondern um die Übernahme der Hinterlassenschaft einer untergegangenen oder jedenfalls nicht mehr handlungsfähigen Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts durch einen neuen Rechtsträger. Voraussetzung ist somit die Kontinuität der Ordnungsfunktionen beider Rechtsträger, d h die Übernahme der wesentlichen Aufgaben sowie die wesentlich unveränderte Fortführung der Organisation. 2. Das Rechtsinstitut der Funktionsnachfolge hat zwar grundsätzlich nur im Bereich der öffentlich-rechtlichen Verwaltung Bedeutung. Es kann jedoch in gleicher oder doch in entsprechender Weise ebenfalls auf Vorgänge in dem weiteren Bereich staatlichen und somit öffentlichen Lebens angewendet werden, der inhaltlich gleichstehende Erscheinungsformen aufweist. Eine Funktionsnachfolge ist deshalb im Ausnahmefall auch zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Personen trotz des grundlegenden Unterschieds in ihrem rechtlichen Aufbau möglich, wenn hierbei Ordnungsfunktionen des öffentlichen Lebens von einem Rechtsträger auf den anderen übertragen werden, wie beispielsweise bei der Ersetzung einer nach dem Kriege in der Form eines privat-rechtlichen Vereins gegründeten Landwirt-
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Gewerkschaft
schaftskammer durch eine neu geschaffene Landwirtschaftskammer öffentlichen Rechts. 3. Ebenso wie bei der Betriebsnachfolge findet auch bei der Funktionsnachfolge ein automatischer Übergang der zwischen dem alten Rechtsträger und seinen Arbeitnehmern begründeten Arbeitsverhältnisse auf den neuen Rechtsträger gegen dessen ausdrücklich geäußerten Willen nicht statt. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Übernahme in den Dienst des neuen Rechtsträgers besteht daher nicht. Wohl aber muß ein Übergang der alten Arbeitsverhältnisse auf den neuen Rechtsträger angenommen werden, wenn der oder die Arbeitnehmer in der neuen Organisation ihren alten Arbeitsplatz behalten haben und von dem neuen Rechtsträger nach Aufnahme seiner Tätigkeit weiter beschäftigt worden sind. L A G Bremen vom 7. 1. 1959 — I Sa 97/57 — BB 1959, 338, 412 = DB 1959, 407 Hinweis: Ähnlich knüpft BAG vom 20. 3. 1958 — 2 AZR 247/55 — A P Nr 2 zu § 419 BGB Funktionsnachfolge — an den Vertrauenstatbestand an, der durch die Kontinuität der Ordnungsfunktion geschaffen wird, die von der öffentlichen Verwaltung und den inhaltlich gleichstehenden Erscheinungsformen des staatlichen Lebens ausgehen; vgl auch Steinbömer, Die Funktionsnachfolge (1957) S 17, 21—24, 96—107 mwN.
Gesamthafenarbeiter Rechtsverhältnis BremVO zur Bildung eines Gesamthafenbetriebes
Nr 184 vom 11. 3. 1947
Das Dauerrechtsverhältnis zwischen dem Gesamthafenbetrieb und den Gesamthafenarbeitern ist als ein Arbeitsverhältnis im weiteren Sinne anzusehen, auf das die allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften grundsätzlich anzuwenden sind. L A G Bremen vom 10. 5. 1950 — Sa 4/50 — AP 50 Nr 262 mit insoweit zustimm Anm Hu eck
Gesamthafenbetrieb Rechtsstellung BremVO zur Bildung eines Gesamthafenbetriebes
Nr 185 vom 11. 3. 1947 BGB § 611
Gesamthafenbetrieb ist weder eine juristische Person noch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er kann jedoch Rechte und Pflichten haben und ist parteifähig. Der Gesamthafenbetrieb ist keine Dachorganisation der Einzelhafenbetriebe und nicht der Arbeitgeber der von ihm vermittelten Arbeiter. Das Einzelarbeitsverhältnis entsteht mit der Aushändigung des Arbeitsvermittlungsscheines. Lohnansprüche der Arbeiter richten sich gegen den Einzelhafenbetrieb. Der Arbeiter hat Anspruch auf den Garantielohn, wenn der Gesamthafenbetrieb den Arbeitnehmer für weniger als 5 Schichten in der Woche vermittelt hat. L A G Bremen vom 14. 12. 1949 — Sa 61/49 — AP 50 Nr 117 mit zustimm Anm Claussen = DB 1950, 48 = ARSt I V , 21 Hinweis: Die Rechtsstellung des Gesamthafenbetriebes ergibt sich jetzt aus dem GesamthafenbetriebsG vom 3. 8. 1950 (BGBl I S 352). Dazu Claussen RdA 1950, 416; Wiebel, RdA 1953, 291; Plett, RdA 1955, 50; Gramm, RdA 1958, 330.
Gewerkschaft
Nr 186
Haftung für Kassenfehlbeträge von Vorstandsmitgliedern BGB § 27 Abs 3, §§ 54, 667, 276, 282 1. Das zum ehrenamtlichen Wahlkassierer bestellte Vorstandsmitglied eines selbständigen Ortsvereins einer Gewerkschaft haftet dem Ortsverein auf Grund dieser Rechtsstellung für Kassenfehlbeträge nach vereinsrechtlichen Grundsätzen, d h gemäß § 27 Abs 3 BGB in Verbindung mit §§ 667, 276, 282
254
Gleichbehandlung
BGB, da die an sich nach § 54 BGB auf nicht rechtsfähige Vereine anzuwendenden Vorschriften des Rechts der Gelegenheitsgesellschaft zur körperschaftlichen Verfassung im Widerspruch stehen. Das für die Kasse des Ortsvereins verantwortliche Vorstandsmitglied hat demgemäß zu beweisen, daß es einen Fehlbestand in der Kasse nicht zu vertreten hat. 2. Das mit der Kassenführung beauftragte Vorstandsmitglied eines nicht rechtsfähigen Vereins wird von der Haftung für Kassenfehlbeträge nicht dadurch befreit, daß es mit Wissen der anderen Vorstandsmitglieder die Kassengeschäfte einem Dritten überträgt. Die Entbindung von dem Kassiereramt kann nur die Mitgliederversammlung aussprechen. Wohl aber kann in der Duldung der Kassenführung durch einen Dritten ein mitwirkendes Verschulden des Vereins liegen, zumal wenn außer dem Vorstande auch die Revisoren ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen. L A G Bremen vom 23. 10. 1957 — I Sa 134/56 — ArbGeb 1958, 42 = BetrVerf 1958, 78 = W A 1958, 26
Gleichbehandlung
N r 187
Gehalt — Arbeitnehmer innerhalb des Konzerns BGB § 242; GG Art 3 1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der sog Gleichbehandlungsgrundsatz allgemein auf die Lohnzahlung angewendet werden kann oder ob dies nur bei Vorliegen besonderer Umstände möglich ist. Jedenfalls kann von einer Verletzung des Grundsatzes nur dann die Rede sein, wenn von einer bestehenden, allgemein eingehaltenen Grundregel im Einzelfall aus sachfremden Erwägungen abgewichen wird. Dies ist nicht der Fall, wenn bei der Bemessung des Grundgehaltes eines Verkaufsassistenten das Alter, die Vorbildung, die Verkaufserfahrung und die persönliche Leistung im Einzelfall berücksichtigt werden und voneinander abweichende Beträge ergeben. 2. Ein vertragswidriges, weil herabsetzendes Verhalten des Arbeitgebers kann nicht darin erblickt werden, daß er zum Ausdruck bringt, er sähe die Beschäftigung weiblicher Verkaufsassistenten nicht gern, weil ihre Tätigkeit körperlich sehr anstrengend sei (Transport schwerer Nähmaschinen in die Häuser der Kunden). Die Einstellung beruht auf sachlichen Gründen (vgl § 618 BGB). 3. Ein Arbeitnehmer kann Ansprüche aus dem sog Gleichbehandlungsgrundsatz nicht darauf stützen, daß in einem anderen Unternehmen, das zum selben Konzern gehört, für gleichartige Fälle eine günstigere Regelung gelte. Es fehlt insoweit die erforderliche innere Beziehung zwischen den in Frage kommenden Arbeitnehmern. L A G Bremen vom 18. 1. 1961 — 1 Sa 159/60 — BB 1961, 567 Hinweis: Nach BAG vom 28. 2. 1962 — 4 AZR 352/60 — AP N r 31 zu § 242 BGB Gleichbehandlung — gehört der Gleichbehandlungsgrundsatz dem Einzelarbeitsvertragsrecht an. Ist in einem Arbeitsvertrag eine bestimmte Vergütung ausdrücklich wirksam vereinbart worden, dann ist hinsichtlich der Vergütung für eine sog Gleichbehandlung eines Arbeitnehmers mit anderen Arbeitnehmern, die eine höhere Vergütung erhalten, obwohl die von ihnen zu erbringenden Dienste nach Inhalt und Umfang gleichartig sind, grundsätzlich kein Raum.
Gleichbehandlung
N r 188
Sondervorteile für einzelnen Arbeitnehmer BGB§§ 242, 611 Es steht dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht entgegen, daß der A r beitgeber dem einzelnen Arbeitnehmer durch besondere Abmachung die Gewährung von Sondervorteüen verspricht. L A G Bremen vom 18. 1. 1950 — Sa 71/49 — BB 1950, 816 = ARSt I V , 155 = 1950, 142
WA
Hinweis: ÄhnUch L A G Stuttgart vom 22. 7. 1953 — I I Sa 121/53 — A P N r 1 zu § 611 BGB
Gratifikation
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Lohnanspruch —, wonach Vertragsfreiheit, Günstigkeitsgrundsatz und Leistungsgedanke die Gleichbehandlung ausschließen können. Auch nach BAG vom 4. 5. 1962 — 1 AZR 250/61 — A P Nr 32 zu § 242 BGB Gleichbehandlung — hat der Grundsatz der Vertragsfreiheit den Vorrang vor dem arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung.
Gratifikation
Nr 189
Ausschluß: Längere Krankheit — Störung des Betriebsfriedens BGB §§ 242, 611 1. Für alle Arbeitnehmer eines Betriebes ergibt sich aus der Eingliederung ihrer Arbeitsverhältnisse in das kollektive Spannungsfeld der betrieblichen Ordnung der Anspruch, unter gleichen Bedingungen ebenso behandelt zu werden wie die übrigen Mitglieder der Betriebsgemeinschaft. Sonderregelungen sind lediglich dann zulässig, wenn sie auf sachlichen Erwägungen beruhen und keine Verletzung der Rechtsordnung oder der guten Sitten darstellen. 2. Die Weihnachtsgratifikation als Anerkennung für die geleisteten Dienste der Arbeitnehmer kann im Einzelfall einem Betriebsangehörigen vorenthalten werden, der im ganzen Geschäftsjahr wegen andauernder Krankheit so gut wie nichts für den Betrieb geleistet hat. Gelegentliche Behinderung eines sonst pflichttreuen Betriebsangehörigen durch unverschuldete Krankheit rechtfertigt dagegen in der Regel keinen Ausschluß von der Gratifikationszahlung. 3. Der Ausschluß eines Arbeitnehmers von der Gratifikationszahlung wegen Störung des Betriebsfriedens und unkollegialen Verhaltens gegenüber den Mitarbeitern stellt keine Benachteiligung aus sachfremden oder willkürlichen Gesichtspunkten dar, da der Anspruch auf Gleichbehandlung gerade aus dem kollektiven Zusammenhang der betrieblichen Arbeit und der engen Verbundenheit aller Mitglieder der Betriebsgemeinschaft abzuleiten ist. I m übrigen genügt jede vernünftige wirtschaftliche oder soziale Überlegung des Arbeitgebers zur Rechtfertigung einer Abweichung von der allgemeinen Regelung im Einzelfall. L A G Bremen vom 22. 4. 1953 — Sa 80/53 — A P 53 Nr 205 mit zustimm Anm Bötticher = BB 1953, 831 = DB 1953, 651 « SAE 1953, 78 = W A 1953, 304
Gratifikation
Nr 190
Gleichbehandlung: Arbeitnehmer in gekündigter Stellung BGB § 242 1. Ein klagbarer Anspruch der Arbeitnehmer entsteht nicht, wenn der A r beitgeber bei der Ausschüttung freiwilliger sozialer Leistungen unmißverständlich zum Ausdruck bringt, daß daraus für die Zukunft Rechtsansprüche nicht hergeleitet werden können, oder wenn ausdrücklich auf die Freiwilligkeit der Leistung hingewiesen wird. 2. Der Grundsatz der Gleichbehandlung schließt die Vertragsfreiheit nicht aus und kann als Anspruchsgrundlage nur dann dienen, wenn die Zurücksetzung eines benachteiligten Arbeitnehmers auf Willkür beruht und kein sachlich einleuchtender Grund für die verschiedenartige Behandlung zu finden ist. Der Grundsatz bedeutet somit nicht, daß jeder Betriebsangehörige schlechthin die gleichen Ansprüche haben müßte wie irgendein anderer. 3. Der Arbeitgeber wird durch den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht gehindert, bei Gewährung freiwilliger und zusätzlicher Leistungen aus sachlichen Erwägungen Unterschiede und Abstufungen zu machen. Ohne triftigen Grund darf er jedoch einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmergruppe von einer Gratifikation nicht ausschließen, die er allen Betriebsangehörigen gewährt.
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Gratifikation
4. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer von der Gratifikationszahlung auszuschließen, ohne daß es darauf ankommt, von welcher Seite die Kündigung erfolgt ist. Die Gratiiikation behält neben dem Belohnungscharakter ihr aus der Betriebsgemeinschaft abgeleitetes Wesen als Zeichen der Treue und Verbundenheit der Betriebsangehörigen und als Ansporn für noch zu leistende Dienste. Die Rücksichtnahme des Arbeitgebers auf die zukünftigen betrieblichen Verhältnisse stellt daher keine unsachliche Überlegung dar. Dies gilt auch im Falle der Gewährung einer Weihnachtsgratifikation. 5. Die Beschränkung einer freiwilligen und zusätzlichen Leistung des A r beitgebers auf die im ungekündigten Arbeitsverhältnis befindlichen Arbeitnehmer stellt weder eine Verletzung des Grundrechts der Freizügigkeit noch eine Verletzung des Grundrechts der freien Berufswahl dar. L A G Bremen vom 30. 1. 1952 — Sa 99/51 — BB 1952, 405 = DB 1952, 416 = MDR 1952, 691 = RdA 1952, 239 = SAE 1952, 56 «= WA 1952, 223 Hinweis: Ebenso BAG vom 4. 6. 1956 — 2 AZR 213/54 — AP Nr 4 zu § 611 BGB Gratifikation; L A G Bremen vom 11. 10. 1950 — Sa 51/50 — BremARS Nr 194, vom 27. 10. 1954 — Sa 89/54 — BremARS Nr 191, vom 30. 9. 1959 — I Sa 72/59 — BremARS Nr 192 und vom 25. 5. 1961 — 2 Sa 36/61 = BremARS Nr 193.
N r 191 BGB § 242 1. Der Grundsatz der Gleichbehandlung bedeutet keineswegs, daß jeder Betriebsangehörige schlechthin die gleichen Ansprüche haben müsse wie irgendein anderer; er schließt insbesondere auch nicht die Schaffung einer Sonderregelung gegenüber einer im übrigen geltenden Grundregel aus, wenn dies auf Grund sachlicher Erwägungen geschieht und keine willkürliche Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer oder auch einzelner Arbeitnehmergruppen eintritt. Daher ist der Arbeitgeber berechtigt, eine freiwillige Sonderleistung ausschließlich bestimmten und von ihm bei der Auslegung näher bezeichneten Gruppen seiner Belegschaft zukommen zu lassen, ohne daß die nichtbedachten Gruppen hieraus eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes herleiten können. 2. Grundsätzlich kann der. Ausschluß der in gekündigter Stellung stehenden Arbeitnehmer von der Gewährung einer Gratifikation nicht als unzulässige Benachteiligung angesehen werden. Da die Gratifikation als eine Art Treueprämie aufzufassen ist, braucht sie sich nicht auf die Belohnung zurückliegender treuer Dienste zu beschränken, sondern kann daneben auch Ausdruck der Treue und Verbundenheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Zukunft und insofern wesentlich davon abhängig sein, ob die Verbundenheit ungestört fortbesteht oder durch eine Kündigung erschüttert worden ist. LAG Bremen vom 27. 10. 1954 — Sa 89/54 — BB 1954, 996 = DB 1954, 979 Hinweis: Ebenso BAG vom 4. 10. 1958 — 2 AZR 213/54 — AP Nr 4 zu § 611 BGB Gratifikation; L A G Bremen vom 11. 10. 1950 — Sa 51/50 — BremARS Nr 194, vom 30. 1. 1952 — Sa 99/51 — BremARS Nr 190, vom 30. 9. 1959 — I Sa 72/59 — BremARS Nr 192 und vom 25. 5. 1961 — 2 Sa 36/61 — BremARS Nr 193.
N r 192 BGB § 242 Eine sachfremde Beschränkung der Gratifikationszahlung liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber solche Arbeitnehmer ausschließt, die ihren A r beitsvertrag selbst gekündigt haben oder deren Arbeitsvertrag gekündigt worden ist. L A G Bremen vom 30. 9. 1959 — I Sa 72/59 — BB 1960, 171, 173 = DB 1960, 64 = ARBlattei, Krankheit des Arbeitnehmers, Entsch 29 mit zustimm Anm Gros = AuR 1960, 121 = WA 1960, 63
Gratifikation Gratifikation
257 Nr 193
Gleichbehandlung: Arbeitnehmer in gekündigter Stellung — Offenbarungspflicht des Arbeitgebers BGB §§ 242, 611 1. Ein Arbeitgeber verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er bei Vorbehalt der Freiwilligkeit solche Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, von der Gewährung der Weihnachtsgratifikation ausschließt, Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse der Arbeitgeber gekündigt hat, aber eine Weihnachtsgratifikation gewährt. 2. Für die zulässige Gruppenbildung bei der Gewährung der Gratifikation ist nicht die Anzahl der Gruppenmitglieder, sondern nur die sachliche Abgrenzbarkeit von anderen Gruppen der Belegschaft maßgebend. 3. Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, den von der Gewährung einer Gratifikation ausgeschlossenen Arbeitnehmern erkennbar zu machen, daß sie bei eigener Kündigung von dem Bezug der Gratifikation ausgenommen würden. Denn selbst wenn eine solche Offenbarungspflicht des Arbeitgebers anzunehmen wäre, könnte sie doch nur den Sinn und Zweck haben, den Belegschaftsmitgliedern die Kontrolle dahin zu ermöglichen, ob der Arbeitgeber den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet oder verletzt hat. Diesem Anliegen trägt der Arbeitgeber dadurch ausreichend Rechnung, daß er nach der Auszahlung der Gratifikation die entsprechende Rückfrage eines ausgeschlossenen Arbeitnehmers beantwortet. Selbst wenn mit der Offenbarungspflicht des Arbeitgebers auch bezweckt werden sollte, daß die Arbeitnehmer den Ausspruch beabsichtigter Kündigungen in Kenntnis des neuen Verteilungssystems jedenfalls kurze Zeit zurückstellen könnten, könnte dies bestenfalls doch nur für den Fall gelten, daß der Arbeitgeber eine Weihnachtsgratifikation jahrelang, wenn auch unter Vorbehalt der Freiwilligkeit, auch an Arbeitnehmer in gekündigter Stellung gewährt hat und er neuerdings diese Praxis zum Nachteil solcher Arbeitnehmer ändern will. L A G Bremen vom 25. 5. 1961 — 2 Sa 36/61 — BB 1961, 1166 = DB 1961, 1491 « MDR 1961, 1046 » RdA 1962, 48 = AR-Blattei, Gratifikation, Entsch 9 =* AuR 1962, 89 WA 1961, 298 Hinweis: Nach BAG vom 4. 10. 1956 — 2 AZR 213/54 — AP Nr 4 zu § 611 BGB Gratifikation — verstößt der Arbeitgeber nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn er solche Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsvertrag gekündigt haben, von der Weihnachtsgratifikation ausschließt.
Gratifikation
Nr 194
Mehrjährige vorbehaltlose Zahlung: Dienstordnungs-Angestellte VO vom 16. 12. 1939; RVO § 705 1. Durch § 705 RVO wird der Rechtsweg für vermögensrechtliche Ansprüche der Dauerangestellten nicht ausgeschlossen. Die vorgeschriebene Anrufung des Reichsversicherungsamts vor Klageerhebung stellt lediglich eine Prozeßvoraussetzung dar, deren Nichterfüllung nach Wegfall des Reichsversicherungsamts jedoch einer Sachentscheidung durch das Arbeitsgericht nicht mehr entgegensteht. 2. Dauerangestellte, deren Rechtsverhältnisse dem Beamtenrecht durch Dienstordnung angeglichen worden sind, bleiben dennoch privatrechtliche Angestellte und sind demgemäß sämtlichen privatrechtlichen Normen und Grundsätzen des Arbeitsrechts unterworfen. 3. Nach mehrjähriger vorbehaltloser Zahlung einer Weihnachtszuwendung entsteht ein Rechtsanspruch auf Fortzahlung derselben. Dies gilt grundsätzlich auch für Dauerangestellte. 4. Die Verordnung über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen im öffentlichen Dienst vom 16. 12. 1939 (RGBl S 2425) gilt auch heute noch. 17
Trinkhaus
258
Gratifikation
5. Die Berufsgenossenschaften sind bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts. 6. Der Grundsatz der Gleichbehandlung schließt die im Rahmen der Gesetze gewährleistete Vertragsfreiheit nicht aus und kann als Anspruchsgrundlage nur dann dienen, wenn die Zurücksetzung des benachteiligten Arbeitnehmers auf Willkür beruht. Eine unterschiedliche Behandlung von Dauerangestellten in beamtenähnlicher Stellung und TO.A-Angestellten bei der Gewährung einer Weihnachtszuwendung ist danach nicht ausgeschlossen. L A G Bremen vom 11. 10. 1950 — Sa 51/50 — A P 51 Nr 102 mit zustimm Anm Hueck
Gratifikation
N r 195
Regelmäßige Gewährung BGB § 611 Die regelmäßige Gewährung einer Weihnachtszuwendung begründet einen Rechtsanspruch darauf. KfmG Bremen vom 16. 3. 1910 — GewuKfmG 1909/10, 155 Hinweis: Nach der jetzt herrsch Meinung entsteht im Bereich der freien Wirtschaft aus dreimaliger vorbehaltlosen Zahlung einer freiwilligen Zuwendung ein Rechtsanspruch für die Zukunft. Dieser Grundsatz soll nach BAG vom 6. 3. 1956 — 3 AZR 175/55 — BAG 2, 302 » A P N r 3 zu 5 611 BGB Gratifikation auf den Bereich des öffentlichen Dienstes nur mit Einschränkung übertragen werden. Inzwischen sind die Weihnachtszuwendungen im öffentlichen Dienst weitgehend tarifvertraglich geregelt.
Gratifikation
N r 196
Regelmäßige vorbehaltlose Zahlung — Widerruf BGB § 242 1. Nach ständiger Rechtsprechung entsteht durch fortgesetzte regelmäßige und vorbehaltlose Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für sämtliche Arbeitnehmer des Betriebes ein Rechtsanspruch auf Fortzahlung der üblich gewordenen Vergütung für die Zukunft. Dieser Anspruch steht auch den Arbeitnehmern zu, die neu in den Betrieb eintreten. 2. Nach der Verkehrssitte werden typisierte und regelmäßig geleistete Vergütungen in barem Geld nicht als Schenkung aufgefaßt, es sei denn, daß die Zuwendungen ausdrücklich nicht im Hinblick auf bereits geleistete oder zukünftige Dienste erfolgen und beide Parteien über den Schenkungscharakter der Leistung einig sind. 3. Der Arbeitgeber kann eine von ihm ausdrücklich oder stillschweigend übernommene Gratifikationsverpflichtung nicht nach seinem freien Ermessen widerrufen, sondern höchstens im Falle einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebs. 4. Eine durch betriebliche Übung entstandene Gratifikationsverpflichtung ist ein Bestandteil der autonomen betrieblichen Ordnung und wirkt damit beherrschend auf die Arbeitsverträge sämtlicher Betriebsangehörigen (normative Wirkung). Sie wird jedoch nicht Bestandteil des einzelnen Arbeitsvertrages. L A G Bremen vom 18. 4. 1951 — Sa 18/51 — BB 1951, 530 ~ DB 1951, 603 « ARSt VI, 645 = SAE 1951, 59 mit z T krit Anm Dietz - W A 1951, 319 Hinweis: LS 1—3 entsprechen der herrsch Meinung; für die Entstehung eines Rechtsanspruchs reicht in der Regel eine Zahlung in drei aufeinanderfolgenden Jahren aus: BAG vom 6. 3. 1956 — 3 AZR 175/55 — AP N r 3 zu § 611 BGB Gratifikation mwN. Die in LS 4 vertretene Auffassung von der normativen Wirkung der betrieblichen Übung stimmt nicht mit der herrsch Ansicht überein; vgl dazu den Hinweis zu Brem ARS Nr 116.
259
Hafenarbeiter
Nr 197
Gratiiikation Zusage BGB § 611
1. Erklärt der Geschäftsherr dem kurz vorher eingetretenen Angestellten (Handlungsgehilfen) bei vorbehaltloser Auszahlung der Weihnachtsgratifikation, daß im Geschäft (Seefischgroßhandel) die Auszahlung von Weihnachtsgratifikationen üblich sei und daß der Angestellte im nächsten Jahr eine entsprechend höhere Gratifikation erhalten solle, dann ist die Erwartung des Angestellten auf eine Gratifikation zu einem Hechtsanspruch geworden. 2. Der Angestellte kann dann eine Gratifikation in angemessener Höhe fordern, wobei die vergleichbaren Angestellten gewährten Gratifikationen zum Vergleich heranzuziehen sind. KfmG Bremerhaven — GewuKfmG 1911/12, 279 Hinweis: Vgl KfmG Bremen Nr 195.
vom 16. 3. 1910 — GewuKfmG 1909/10, 155 -
Gruppenarbeitsverhältnis
Brem ARS
N r 198
Eigengruppe—Betriebsgruppe: Fristlose Kündigung (Unterhaltungsorchester) BGB § 626 1. Kann bei einem GruppenarbeitsVerhältnis keiner der in der Gruppe vereinigten Arbeitnehmer seine vertragsmäßige Arbeitsleistung ohne die vollwertige Mitwirkung der anderen Gruppenangehörigen erbringen, so folgt aus dieser Leistungsverbundenheit, daß die Einzelarbeitsverträge auch hinsichtlich ihrer Beendigung von einander abhängig sind (Eigengruppe). Der Arbeitgeber kann daher bei einem als Eigengruppe organisierten Orchester alle Arbeitsverträge aus wichtigem Grunde kündigen, wenn infolge mangelhaften Zusammenspiels und schlechter Disziplin der Orchestermitglieder die Gesamtleistung des Orchesters den vertraglichen Ansprüchen nicht genügt und die Mängel trotz Vorhalt nicht abgestellt werden. 2. Ein unter einheitlichem Namen auftretendes Unterhaltungsorchester, das durch seinen Kapellmeister Pauschalverträge mit den Inhabern von Vergnügungsstätten abschließt, ist auch dann als arbeitsrechtliche Eigengruppe anzusehen, wenn es sich auf Anfordern des Arbeitgebers um einige M i t glieder ergänzt und nach dem Tarifvertrag die einzelnen Orchestermitglieder in ein unmittelbares Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber treten. 3. Bei einem vom Inhaber einer Vergnügungsstätte oder dem von ihm hierzu beauftragten Kapellmeister aus Gründen der Organisation oder zur Vereinheitlichung der Gagenberechnung für die besondere Aufgabe als Betriebsgruppe zusammengestellten Orchester besteht keine gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Arbeitsverträge hinsichtlich ihrer Erfüllung und Beendigung. L A G Bremen vom 14. 5. 1952 — Sa 15/52 — BB 1952, 690 V I I I , 670 - WA 1952, 269
RdA 1952, 399 -
ARSt
Hinweis: wie LS 1 BAG vom 9. 2. 1960 — 2 AZR 585/57 — BAG 9, 44 = AP N r 39 zu 9 626 BGB; Nikisch, Bd I S 231 m w N ; wie LS 3, Scheffler, Die Gruppenarbeit (1927) S 41, 60.
Hafenarbeiter
N r 199
Arbeitseinteilung — Wiederbestellung BGB §§ 157, 611, 615; AZO § 12 Abs 1 1. Nach der Verkehrssitte in den stadtbremischen Häfen ist es üblich, daß nicht nur die Gesamthafenarbeiter sondern auch die in einem ständigen
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Hafenarbeiter
Arbeitsverhältnis beschäftigten Stammarbeiter der Hafeneinzelbetriebe lediglich zur Arbeitseinteilung zu den einzelnen Schichten bestellt werden, deren zeitliche Lage durch die tariflichen Sonderbestimmungen für die stadtbremischen Häfen festgelegt ist. Die rechtliche Folge dieser Tatsache ist, daß die verbindliche Zuteilung einer bestimmten Arbeitsschicht an die zur Arbeitseinteilung erschienenen Hafenarbeiter erst unmittelbar vor Schichtbeginn erfolgt. Der Arbeitgeber kommt infolgedessen nicht in Annahmeverzug, wenn er aus hafentechnischen Gründen (Schiffsverzögerung, Nichtzuteilung eines Liegeplatzes) nicht in der Lage ist, den Hafenarbeiter sofort zu beschäftigen. Der Verkehrssitte entspricht es vielmehr, daß in solchen Fällen die bei der Arbeitseinteilung überzählig gebliebenen Hafenarbeiter zur folgenden Schicht wiederbestellt werden und aufgrund dieser Weisung sich vor Beginn der folgenden Schicht erneut einzufinden haben. Ob und in welcher Höhe sie für den erneuten Arbeitsweg ein Wegegeld erhalten, ist der betrieblichen Regelung überlassen. Die Verkehrssitte erfordert jedoch von den Inhabern der Hafeneinzelbetriebe, daß sie den beim Arbeitseinsatz in einer Schicht überzählig bleibenden Hafenarbeitern die erforderliche Umbestellung zur folgenden Schicht so rechtzeitig (gegebenenfalls telegrafisch) mitteilen, daß ihnen ein unnötiger Weg zur Arbeitsstelle erspart bleibt. Diese Verpflichtung besteht aber nur dann, wenn aufgrund der einlaufenden Schiffs- und Hafennachrichten bereits am Vorabend übersehen werden kann, daß eine Arbeitszuteilung in der ersten Schicht nicht möglich sein wird. Die Inhaber der Hafeneinzelbetriebe sind darüber hinaus nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen verpflichtet, ihr Recht zur Wiederbestellung der Hafenarbeiter schonend auszuüben und dabei auf persönliche Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. 2. Die vorstehende Regelung gilt auch für diejenigen größeren Hafeneinzelbetriebe, die ihre Belegschaft in zwei Arbeitsgruppen eingeteilt haben, die im wöchentlichen Wechsel zur ersten oder zur zweiten Schicht erscheinen müssen. Diese Gruppeneinteilung stellt noch keine Konkretisierung der A r beitsverpflichtung der zur Gruppe gehörenden Hafenarbeiter dar, vielmehr werden auch diese Hafenarbeiter lediglich zur Arbeitseinteilung bestellt und nicht schon zur Arbeitsleistung in der für ihre Arbeitsgruppe aufgrund einer groben Vorplanung vorgesehenen Schicht. Auch diese Hafenarbeiter sind verpflichtet, einer Wiederbestellung zur folgenden Schicht Folge zu leisten. Dies gilt auch für die sog Vizen (Vorarbeiter). 3. Es entspricht der allgemeinen Übung in den stadtbremischen Häfen, daß die Inhaber der Hafeneinzelbetriebe im Rahmen ihrer Verpflichtung zur schonenden Ausübung ihres Rechts zur Arbeitseinteilung jeweils auch zu prüfen haben, ob es unter Berücksichtigung der Belange des Betriebes und des betroffenen Stauers erforderlich ist, dem überzählig gebliebenen Stauer für die ursprünglich vorgesehene Schicht eine Beschäftigung bei einem anderen Hafeneinzelbetrieb zu vermitteln, um einen doppelten Arbeitsweg zu vermeiden. Eine solche Vermittlung kommt jedoch nicht infrage, wenn der Stauer von seinem eigenen Arbeitgeber in der folgenden Schicht desselben Tages benötigt wird. 4. Bei der Wiederbestellung eines Hafenarbeiters zur Arbeitseinteilung in der folgenden Schicht sind die Bestimmungen der Arbeitszeitordnung über die im Verkehrsgewerbe zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zehn Stunden zu beachten. Diese Ruhezeit ist nicht gewährleistet, wenn ein Hafenarbeiter zur zweiten Schicht umbestellt wird, die bis 23 Uhr dauert, gleichwohl aber verpflichtet bleibt, am folgenden Morgen bereits wieder zur Arbeitseinteilung in der ersten Schicht zu erscheinen, die um 6 Uhr beginnt. Der Arbeitgeber hat in einem solchen Falle für eine organisatorische Anpassung der Arbeitszeitregelung an die zwingenden Arbeitsschutzvorschriften zu sorgen, soweit er keine Ausnahmebewilligung nach § 12 Abs 1 Satz 3 A Z O vom Gewerbeaufsichtsamt erhalten hat. Der Arbeitgeber hat auch dem zur nächsten Schicht wiederbestellten Hafenarbeiter gleichzeitig mit der Wiederbestellung zu eröffnen, in welcher Weise für die
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Einhaltung von Vorschriften über die Ruhezeit gesorgt worden ist. Andernfalls verstößt die Weisung gegen ein gesetzliches Verbot und berechtigt den Hafenarbeiter, die ihm zugemutete gesetzwidrige Arbeitsleistung in der zweiten Schicht zu verweigern. Der ausfallende Schichtlohn ist dem Hafenarbeiter in diesem Falle aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges vom Arbeitgeber zu zahlen. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß es Sache des Hafenarbeiters gewesen sei, nach Ableistung der Schicht seinerseits für eine Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften zu sorgen, soweit nicht im Betriebe für derartige Fälle eine allgemein geltende Regelung erfolgt ist. L A G Bremen vom 12. 6. 1963 — 1 Sa 114/62 — A P Nr 1 zu § 611 BGB Hafenarbeiter = DB 1963, 1363 « RdA 1963, 478 « AuR 1963, 381 Hinweis: Über Hafenarbeitsverhältnisse vgl auch BAG vom 19. 7. 1957 — 1 AZR 161/56 — und vom 23. 2. 1961 — 5 AZR 136/60 — AP N r 1 und 2 zu § 1 GesamthafenbetriebsG.
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gegenüber Arbeitnehmern eines anderen Betriebes BGB §§ 276, 421, 823; RVO §§ 898, 899 a F 1. Ein Arbeitnehmer haftet nicht für Schäden, die er einem anderen Arbeitnehmer leicht fahrlässig bei Ausführung schadensgeneigter Arbeit zufügt. 2. Dies gilt auch dann, wenn Arbeitnehmer verschiedener Betriebe bei der Abwicklung verschiedener und gleichzeitiger Arbeitsgänge zu einer Einheit verschmelzen mit der Folge einer gemeinsamen Unterordnung der hieran beteiligten Arbeitskräfte. ArbG Bremen vom 30. 11. 1961 — 1 Ca 275/60 — DB 1962, 475 = WA 1962, 105 Hinweis: LS 1 entspricht den Grundsätzen, die der GS des BAG vom 25. 9. 1957 — GS 4/56 — BAG 5, 1 = A P Nr 4 zu §§ 898, 899 RVO (aF) — für die Haftung unter Arbeitnehmern desselben Betriebes oder Unternehmens bei schadensgeneigter Arbeit aufgestellt hat. LS 2 entwickelt die Rechtsprechung für die Haftung unter Arbeitnehmern verschiedener Betriebe weiter. Ähnlich zum alten Rechtszustand für die Haftung unter zusammenarbeitenden Arbeitnehmern BAG vom 23. 11. 1962 — 1 AZR 304/61 — BAG 13, 326 = AP Nr 27 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers mit krit Anm G. Hueck •= BB 1962, 1378, 1963, 104 mit krit Anm Gumpert SAE 1963, 84 mit krit Anm Sieg = Sgb 1964, 375 mit krit Anm Trinkhaus. Wenn jetzt durch § 636 Abs 2 RVO nF der Ausschluß der Haftung des Unternehmers und — § 637 Abs 1 RVO nF — eines in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen auf Ersatzansprüche Versicherter (sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen) erstreckt wird, die Beschäftigte eines weiteren Unternehmens sind, so folgte der Bundesgesetzgeber damit — ausweislich der Materialien — der vom BGH z B in BGHZ 24, 247 vertretenen sog Mehr-Unternehmer-Theorie, nach der die Vorteile des Haftungsausschlusses bei ein und demselben Unfall mehreren Unternehmern zugute kommen können. Diese Rechtsprechung betraf jedoch die Haftung mehrerer Unternehmer bei Leiharbeitsverhältnissen und bei Arbeitsverhältnissen mit Arbeitsgemeinschaften von mehreren Unternehmern. Mit dieser Rechtsprechung setzt § 636 Abs 2 RVO nF voraus, daß der Beschäftigte eines weiteren Unternehmers in den Betrieb dieses Unternehmers eingegliedert ist (vgl nur Haase-Koch, Die Unfallversicherung, § 636 Anm 10; Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht, TZ 1933, 1951). Eine rein tatsächliche Zusammenarbeit von Arbeitnehmern verschiedener Arbeitgeber-Unternehmer genügt dafür also nicht. Das BAG vom 11. 1. 1966 — 1 AZR 268/65 — AP Nr 35 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers — hat mit Rücksicht auf diese Bedenken seine frühere Rechtsprechung dann auch aufgegeben.
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Schadensgeneigte Arbeit: Fernfahrer BGB §§ 276, 611, 282, 285 1. Schäden, die ein Arbeitnehmer bei gefahrengeneigter Arbeit verursacht, können von ihm nur dann in vollem Umfang ersetzt verlangt werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Bei geringer Schuld des Arbeitnehmers muß der Arbeitgeber dagegen solche Schäden in der Regel allein tragen, und in denjenigen Fällen, bei denen ein mittlerer Verschuldensgrad in Frage kommt, ist nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbar-
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keitsgesichtspunkten der entstandene Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal zu verteilen. 2. Die Beweislast für die Verursachung des Schadens trifft in jedem Falle den Arbeitgeber. Soweit dieser seinen Schadensersatzanspruch auf unerlaubte Handlung stützt, muß er auch die Schuld des Arbeitnehmers beweisen, kann sich aber hierbei auf die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins berufen, wenn beispielsweise dargetan werden kann, daß der Arbeitnehmer bei einem Verkehrsunfall ohne Zeichengebung nach links ausgebogen ist und dadurch eine typische Gefährdung des Gegenverkehrs herbeigeführt hat. Dem Arbeitnehmer verbleibt jedoch auch demgegenüber die Möglichkeit des Nachweises eines atypischen Geschehensablaufs. 3. Das Landesarbeitsgericht hat Bedenken gegen eine Übernahme der Rechtsprechung des BGH, wonach auch im Falle einer positiven Vertragsverletzung die im Gesetz für die Haftung bei Unmöglichkeit einer Leistung aufgestellte Schuldvermutung der §§282, 285 BGB analog anzuwenden ist, da eine solche Umkehrung der Beweislast zum Nachteil eines abhängigen Arbeitnehmers mit dem das Arbeitsrecht beherrschenden Schutzgedanken kaum vereinbar sein dürfte. Die Rechtsfrage bleibt jedoch unentschieden. 4. Die falsche Einschätzung der Verkehrssituation stellt ein Verschulden des Kraftfahrers dar. Das Verschulden ist jedoch als gering anzusehen, wenn der Fahrer eines schweren Lastzuges infolge ungünstiger Straßen Verhältnisse den Eindruck gehabt hat, ein die Unfallkurve nicht voll ausfahrendes, entgegenkommendes Fahrzeug fahre auf der abschüssigen Straße direkt auf ihn zu und er infolge dieser optischen Täuschung glaubt, zur Vermeidung eines lebensgefährlichen frontalen Zusammenstoßes nach links ausweichen zu müssen. Die Wahl einer objektiv unrichtigen Maßnahme stellt unter diesen Umständen eine typische Folge der allgemeinen menschlichen Unzulänglichkeit bei einer vom Selbsterhaltungstrieb diktierten Angstreaktion dar. L A G Bremen vom 5. 1. 1962 — 1 Sa 112/61 — DB 1962, 442 = ARSt X X V I I I , 69 = AuR 1962, 185 = WA 1962, 96 Hinweis: Nach BAG vom 30. 8. 1966 — 1 AZR 456/65 - AP N r 5 zu § 282 BGB ist die Beweislastregel des § 282 BGB für die Fälle der positiven Vertragsverletzung bei gefahrgeneigter Arbeit nicht anzuwenden, dh daß der Arbeitgeber ein Verschulden des Arbeitnehmers (Kraftfahrers) zu beweisen hat, wobei allerdings der erste Anschein zu Lasten des Arbeitnehmers dafür sprechen kann, daß er zB mit normaler Fahrlässigkeit (Schuld) den eingetretenen Schaden verursacht hat. Zur Widerlegung des Beweises des ersten Anscheins muß der Arbeitnehmer dann vortragen und bei Bestreiten des Gegners beweisen, daß Umstände vorgelegen haben, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt.
N r 202 BGB § 276 1. Der Arbeitnehmer haftet für einen Schaden, den er seinem Arbeitgeber rechtswidrig zugefügt hat, grundsätzlich auch dann, wenn die ihm vorzuwerfende Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt das Maß einer einfachen (also nicht qualifizierten) Fahrlässigkeit nicht übersteigt. Das gilt auch dann, wenn der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gemäß § 67 Abs 1 W G kraft Gesetzes auf einen Versicherer übergegangen ist, im Verhältnis zwischen Versicherer und Arbeitnehmer. Auch in einem solchen Falle ist jedoch nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei gefahrengeneigter Arbeit der entstandene Schaden im Wege des; innerbetrieblichen Schadensausgleichs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angemessen zu verteilen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer grob fahrlässig gehandelt hat oder wenn ihm umgekehrt nur eine geringe Schuld zur Last fällt. I m ersteren Falle muß der Arbeitnehmer den Schaden in der Regel in voller Höhe ersetzen, während im zweiten Falle der Arbeitgeber den entstandenen Schaden regelmäßig allein zu tragen hat.
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2. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit beruht auf der Abweichung vom gewöhnlichen Fahrlässigkeitsbegriff und setzt nach den auch bei arbeitsrechtlichen Ansprüchen anzuwendenden zivilrechtlichen Grundsätzen eine besonders schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch Außerachtlassen solcher Tatsachen voraus, die jedermann berücksichtigt und deren Beachtung sich bereits bei einfachsten und nahe liegenden Überlegungen aufdrängt. Ein leichtfertiges oder verantwortungsloses Handeln ist dagegen zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit nicht erforderlich. 3. Von einer geringen Schuld des Arbeitnehmers, die bei gefahrengeneigter Arbeit in der Regel zu seiner Freistellung von jeder Haftung führt, kann nicht nur in den Fällen gesprochen werden, in welchen der Schadenseintritt gewissermaßen schicksalshaft und infolge der allgemeinen menschlichen Unzulänglichkeit herbeigeführt wird. Es müssen vielmehr auch andere besonders leichte Fälle der Fahrlässigkeit einbezogen werden, doch muß es sich stets um Fälle leichtester Fahrlässigkeit mit einem besonders niedrigen Verschuldensgrad handeln. 4. Die Tätigkeit eines Fernfahrers ist eine typische gefahrengeneigte Arbeit. Ihre Gefahrengeneigtheit kann im Einzelfalle nicht schon deshalb ausgeschlossen werden, weil sich möglicherweise in einem bestimmten räumlichen Bereich oder während eines bestimmten zeitlichen Abschnitts eine besondere Gefahrenlage nicht nachweisen läßt. Die abweichende Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 3. 3. 1960 — 2 AZR 377/58 — AP Nr 22 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers — unterliegt grundsätzlichen Bedenken. 5. Bei der quotalen Verteilung eines Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei gefahrengeneigter Arbeit kommt es in erster Linie für die Bemessung der Schadensquote des Arbeitnehmers auf seinen Verschuldensgrad an, daneben aber auch auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die Belastung des Arbeitnehmers durch seine Schadensersatzverpflichtung. Dabei spielt auch die Höhe des Schadensbetrages und die wirtschaftliche Lage von Arbeitnehmern in entsprechender Stellung eine Rolle. Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts des betroffenen Arbeitnehmers ist dagegen nicht zu berücksichtigen. L A G Bremen vom 8. 4. 1964 — 1 Sa 50/62 — BB 1964, 759 - DB 1964, 738 = AuR 1964, 317, 1965, 59 -= WA 1964, 199 Hinweis: Die Entscheidung folgt im wesentlichen der herrsch Meinung, weicht jedoch in LS 4 von der Ansicht des BAG (aaO) ab, daß es für die Haftungserleichterung nicht auf die allgemeine, typische Gefährlichkeit der Arbeit, sondern auf die konkrete Gefahrenlage ankomme; gegen BAG wie L A G Bremen auch L A G Berlin vom 7. 7. 1960 — 4 Sa 18/60 — BB 1960, 1131; Gumpert, BB 1961, 372; Rewolle, DB 1961, 1067; Hueck-Nipperdey, Bd I S 232 F N 36 a; G. Hueck, Anm zu AP N r 22 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. — I m übrigen unterscheidet die Rechtsprechung heute die nicht grobe Fahrlässigkeit in eine normale und in eine — mit voller Haftungsbefreiung verbundene — besonders leichte Fahrlässigkeit, während die Rechtslehre diese Dreiteilung überwiegend ablehnt; vgl Gamillscheg, Die Haftung des Arbeitnehmers S 58—59 mit F N 233. Das LAG unterscheidet hier zwischen grober, einfacher (nicht qualifizierter) und geringer Fahrlässigkeit, während es früher die drei Stufen grobe, normale, leichte Fahrlässigkeit benannt hat: L A G Bremen vom 22. 6. 1949 — Sa 23/49 — Brem ARS N r 203. Das BAG vom 30. 8. 1966 — 1 AZR 456/65 — A P N r 5 zu § 282 BGB nimmt, vom Fall des fehlenden Verschuldens und vom Fall des Vorsatzes abgesehen, folgende dreifache Unterscheidung vor: Bei leichtester Fahrlässigkeit (leichtester Schuld) haftet der Arbeitnehmer nicht; bei grober Fahrlässigkeit (schwerer Schuld) haftet er in vollem Umfange; liegt seine Fahrlässigkeit (Schuld) zwischen diesen beiden Graden, so muß der Schaden je nach den Umständen aufgeteilt werden.
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Schadensgeneigte Arbeit: Kraftfahrer BGB §§ 276, 611 Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer nicht oder nicht in vollem Umfang Schadenersatzansprüche, wenn dieser als Kraftfahrer das Eigentum des Arbeitgebers leicht fahrlässig beschädigt, es sei denn, daß er an dem
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unternehmerischen Betriebserfolg — z B auf Grund eines Darlehensvertrags — nicht unerheblich interessiert ist. L A G Bremen vom 22. 6. 1949 — Sa 23/49 — AP 51 Nr 76 - BB 1950, 22 - DB 1949, 528 = RdA 1951, 75 mit zustimm Anm Dersch — AR-Blattei, Haftung des Arbeitnehmers, Entsch 2 mit zustimm Anm Bulla = ARSt I I I , 420 Hinweis: Nach dem BAG vom 8. 12. 1958 — 2 AZR 524/57 — BAG 7, 118 = AP Nr 1 zu § 276 BGB — ist allerdings für die Frage, ob eine schadens- oder gefahrengeneigte Arbeit vorliegt, darauf abzustellen, ob der konkrete Sachverhalt, der zu einem Schaden geführt hat, schadensgeneigt ist.
Nr 204 BGB § 276 Die Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer bei gefahrengeneigter Arbeit führt bei der Feststellung eines mittleren Verschuldensgrades zu einer quotalen Verteilung des Schadens nach Billigkeitsgrundsätzen, wobei die sich aus der Zumutbarkeit ergebenden Gesichtspunkte für die Schadensübernahme gegeneinander abzuwägen sind. Sind besondere Umstände, die zugunsten des Arbeitnehmers ins Gewicht fallen würden (längere Betriebszugehörigkeit, überdurchschnittliche familiäre Belastung) nicht feststellbar, muß er beim Vorliegen eines hohen Verschuldensgrades, der bereits an der Grenze der groben Fahrlässigkeit liegt, auf jeden Fall mehr als die Hälfte des Schadens übernehmen. Dabei ist jedoch auch die Dauer der Belastung, die sich aus der Höhe des entstandenen Schadens ergibt, zu berücksichtigen, ferner das Lebensalter des Arbeitnehmers und die Tatsache, daß ein Schaden beim betrieblichen Kraftverkehr zu einem Teile auch in das allgemeine Unternehmerrisiko fällt. L A G Bremen vom 11. 3. 1964 — 1 Sa 100/63 — DB 1964, 627 = AuR 1964, 250 = WA 1964, 201
Haftung des Arbeitnehmers
Nr 205
Schadensgeneigte Arbeit: Kraftfahrzeugschlosser BGB §§ 276, 611 1. Hat ein Arbeitnehmer, der mit einer Arbeit betraut ist, die mit besonderen Gefahren belastet ist, einen Schaden verursacht, der im Hinblick auf die Art der Tätigkeit als typische Fehlleistung anzusehen ist, so widerspricht es dem Wesen des Arbeitsvertrags sowie den über die Tragung der Betriebsgefahr entwickelten Grundsätzen, wenn der Arbeitgeber im Innenverhältnis Ersatz des entstandenen Schadens vom Arbeitnehmer dann verlangt, wenn dessen Verschulden leichte Fahrlässigkeit nicht überstiegen hat. 2. Bei der Feststellung des Grades des Verschuldens ist auch zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber Vorkehrungen zur Verhütung von Schäden getroffen oder durch seine eigenen Maßnahmen die Gefahrenlage noch erhöht hatte. 3. Auch der Kraftfahrzeugschlosser in einer großen Reparaturwerkstatt verrichtet eine mit typischen Gefahren belastete Arbeit, wenn er die von ihm unter seiner Mitwirkung auszubessernden Fahrzeuge auf ihre Betriebsfähigkeit zu prüfen, insbesondere einzufahren und danach an einer bestimmten Stelle im Werkhof abzustellen hat. L A G Bremen vom 23. 1. 1952 — Sa 85/51 — A P 53 N r 44 mit zustimm Anm Dersch = DB 1952, 536 = WA 1952, 233 Hinweis: Gamillscheg, Die Haftung des Arbeitnehmers (1965) zitiert die Entscheidung S 34 F N 133 und 134 sowie S 42 F N 169 als Beleg für die Erkenntnis, daß es dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers, seiner Sphäre zuzurechnen ist, wenn der Mensch, den er für seine Zwecke beschäftigt, versagt, insbesondere wenn die besondere Drucksituation (gerichtsbekannt gesteigertes Arbeitstempo in der Reparaturwerkstatt) auf Umständen beruhte, die vom Arbeitgeber beeinflußt sind. Gamillscheg empfiehlt jedoch, den Ausdruck „Betriebsgefahr" in diesem Zusammenhang besser zu vermeiden, da er schon seine feste Bedeutung im Recht der Gefährdungshaftung besitze.
Haftung des Arbeitnehmers Haftung des Arbeitnehmers
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Schadensgeneigte Arbeit: Lieferwagenfahrer (Bäcker) BGB §§ 276, 254 1. Der Fahrer eines Lieferwagens hat gefahrengeneigte Arbeit zu leisten und braucht daher nach den Regeln über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei gefahrengeneigter Arbeit nur bei grob fahrlässiger Verursachung eines Verkehrsunfalls in voller Höhe für den Schaden zu haften. Kann nur eine geringe Schuld des Arbeitnehmers festgestellt werden, so hat in aller Regel der Arbeitgeber den entstandenen Schaden allein zu tragen. Eine geringe Schuld des Fahrers ist anzunehmen, wenn sein Kraftwagen bei der Überholung eines parkenden oder langsam fahrenden Fahrzeuges auf dem Straßenbahngleis bei regenfeuchter Straße ins Rutschen kommt und nicht festgestellt werden kann, daß sich ein auf dem anderen Gleis entgegenkommender Straßenbahnzug beim Beginn des Überholmanövers bereits so weit genähert hatte, daß mit der Möglichkeit eines Zusammenpralls gerechnet werden mußte. 2. Ein Kraftfahrer, der sich etwa sechs Stunden nach seiner Rückkehr von einer längeren Überlandfahrt an das Steuer seines Wagens setzt, nachdem er zwei Nächte nicht geschlafen hatte und daher übernächtigt ist, handelt fahrlässig. Er kann daher nach den Regeln über den innerbetrieblichen Schadensausgleich bei gefahrengeneigter Arbeit von seiner Haftung für einen Unfallschaden nicht völlig freigestellt werden, und zwar auch dann nicht, wenn sich bei der verkehrstechnischen Beurteilung des Unfallhergangs selbst nur eine geringe Schuld feststellen läßt. Der entstandene Schaden muß in einem solchen Falle unter Berücksichtigung der gesamten Umstände (Lebensalter, Verkehrserfahrung, Verdiensthöhe, wiederholte Unfallverursachung usw.) zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt werden. 3. Den Arbeitgeber trifft auf Grund seiner Fürsorgepflicht und seiner Sorgfaltspflicht als Halter eines Kraftfahrzeugs ein überwiegendes mitwirkendes Verschulden, wenn er duldet, daß sich ein übermüdeter Arbeitnehmer an das Steuer seines Kraftwagens setzt. Dies gilt auch dann, wenn er selbst diese Übermüdung nicht festgestellt hatte, jedoch wußte, daß der Arbeitnehmer eine zweitägige Fernfahrt hinter sich hatte; denn der Arbeitgeber ist in einem solchen Falle verpflichtet, sich von der Fahrtüchtigkeit seines Arbeitnehmers zu überzeugen. L A G Bremen vom 17. 2. 1960 — I Sa 23/59 — BB 1960, 780 -= DB 1960, 296 = WA 1960, 93 Hinweis: Zu der Entscheidung bemerkt Gamillscheg, Die Haftung des Arbeitnehmers S 42—43: Wenn das L A G gerade darin, daß jemand übermüdet eine Arbeit beginne, eine Fahrlässigkeit sehe, die zur Mithaftung verpflichtet, sei das zweifellos richtig, doch zeige sich hier die Relativität des Verschuldens Vorwurfs. Gegenüber dem dritten Geschädigten und vor dem Strafrichter bleibe es dabei, daß ein solches Verhalten verwerflich sei. Für die Haftung gegenüber dem Arbeitgeber müsse indessen unterschieden werden. Habe der Arbeitgeber oder eine Person, deren Handeln ihm zuzurechnen sei, den Kraftfahrer bewußt oder auch nur bedingt bewußt übermäßig eingesetzt, so könne er ihm sein (leichtes) Verschulden am Unfall nicht entgegenhalten. Sei dies dem Arbeitgeber aber nicht bewußt gewesen und habe der Kraftfahrer nur versäumt, ausreichende Freizeit zu fordern, so sei seine Übermüdung nicht mehr Folge der Abhängigkeit des Arbeitnehmers, sondern allein seine Nachlässigkeit oder Unverantwortlichkeit. Dafür wird es aber so oder so stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommen.
Haftung des Arbeitnehmers
Nr 207
Schadensgeneigte Arbeit: Omnibusschaffner BGB §§ 276, 611 Auf die Grundsätze über die Haftungsbeschränkung bei schadengeneigter Arbeit kann sich der Arbeitnehmer nicht berufen, wenn er in grob fahrlässiger Weise einen Verkehrsunfall dadurch verschuldet hat, daß er als Omnibusschaffner (nicht Fahrer) ohne dienstliche Notwendigkeit entgegen
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Haftung des Arbeitnehmers
der ihm übertragenen Tätigkeit die Führung eines Omnibusses übernommen hat. L A G Bremen vom 8. 10. 1958 — I Sa 88/58 — BB 1958, 1208 X X I , 319 - WA 1958, 293
DB 1958, 1220 = ARSt
Hinweis: Zustimmend wegen vorsätzlicher, der groben Fahrlässigkeit gleichzustellender Mißachtung einer Weisung des Arbeitgebers Gamillscheg, Die Haftung des Arbeitnehmers (1965) S 49 F N 192.
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Unterlassung eines Rostschutzanstriches: Malergehilfe BGB §§ 276, 254 1. Ein Malergehilfe, der entgegen einer ausdrücklichen Anweisung seines Arbeitgebers zum Anstrich der Wände eines Treppenhauses anstelle von reiner Binderfarbe minderwertigere Leim-Binderfarbe verwendet, macht sich einer positiven Vertragsverletzung schuldig und haftet infolgedessen für den Schaden, der seinem Arbeitgeber durch notwendige Nachbesserungsarbeiten entsteht. Der Arbeitgeber ist jedoch beweispflichtig dafür, daß er die Verwendung von reiner Binderfarbe ausdrücklich angeordnet hat. Die Beweislast liegt ebenfalls beim Arbeitgeber, wenn dieser Schadensersatz wegen einer positiven Vertragsverletzung seines Malergehilfen durch Unterlassung des Rostschutzanstrichs von Eisenträgern begehrt, weil durch den nachträglichen Anstrich infolge der Abnahme und Wiederanbringung der Verschalung zusätzliche Kosten entstanden sind. Der Arbeitgeber hat den Nachweis, daß er ausdrücklich den Anstrich der Eisenträger angeordnet habe, auch gegenüber einem als Kolonnenführer eingesetzten Malergehilfen zu erbringen, wenn die fragliche Arbeit im Leistungsverzeichnis nicht aufgeführt ist. 2. Ein Malergehilfe, der in Abwesenheit seines Arbeitgebers auf der Baustelle im Auftrage der Bauherrin darauf hingewiesen wird, daß bestimmte Eisenträger einen Rostschutzanstrich erhalten müssen, verletzt seine Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wenn er nicht seinen Arbeitgeber unterrichtet. Dies gilt erst recht, wenn der Malergehilfe auf der Baustelle als Kolonnenführer eingesetzt ist. Unterbleibt infolge des vertragswidrigen Verhaltens des Malergehilfen der Anstrich und ergibt sich aus dieser Unterlassung ein Vermögensschaden für den Arbeitgeber, so ist der Malergehilfe schadensersatzpflichtig. Letzteres gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber selbst ebenfalls über die Notwendigkeit des Rostschutzanstrichs unterrichtet worden ist oder seine vertragliche Verpflichtung zur Ausführung dieser Arbeit kannte, weil dann die überwiegende Verantwortung und Schuld den Arbeitgeber selbst trifft und das mitwirkende Verschulden des Malergehilfen demgegenüber zurücktritt. L A G Bremen vom 23. 11. 1962 — 1 Sa 54/62 — DB 1963, 208 1963, 60
Handelsvertreter
AuR 1963, 126 = WA
Nr 209
Ansprüche auf Rechnungslegung und Auskunft: Abtretung HGB §§ 84, 87 c Der Handelsvertreter ist berechtigt, mit seinen Provisionsansprüchen auch die damit zusammenhängenden Ansprüche auf Rechnungslegung und Auskunftserteilung abzutreten. Die Abtretung von Ansprüchen auf Rechnungslegung allein ohne die gleichzeitige Abtretung der dazugehörigen Forderung ist unzulässig. L A G Bremen vom 22. 2. 1954 — Sa 96/54 — BB 1955, 97 = DB 1955, 123 — AR-Blattei, Handelsgewerbe I I I , Entsch 14 - SAE 1955, 84 Hinweis: Zustimmend Baumbach-Duden, § 87 c Anm 5 unter 6.
§ 87 c Anm 1 E; Schlegelberger-Schröder,
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Handelsvertreter Handelsvertreter
Nr 210
Aufwendungsersatz für Werbezwecke: Filmwerbung HGB § 87 d; BGB §§ 242, 675, 670 1. Aufwendungen für Werbezwecke sind, wenn die Werbung nicht zu den vereinbarten Vertragspflichten gehört, keine im regelmäßigen Geschäftsbetrieb eines Handelsvertreters entstandenen Aufwendungen. Es handelt sich vielmehr um Sonderaufwendungen, zu deren Erstattung der Unternehmer nach §§ 611, 675, 670 BGB verpflichtet ist, wenn der Handelsvertreter die Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Die Beschränkung der Erstattungspflicht nach § 87 d H G B kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung, da sie sich nur auf den Ersatz der laufenden Geschäftsunkosten bezieht. Duldet der Unternehmer daher die Durchführung einer Werbung durch seine Handelsvertreter, so muß er seinerseits für eindeutige Vereinbarungen hinsichtlich der Kosten der Werbung sorgen, wenn er diese Kosten nicht in voller Höhe übernehmen will. Dies gilt insbesondere im Falle einer Filmwerbung mit Filmstreifen, die der Unternehmer zur Verfügung gestellt hat. 2. Auf Handelsvertreter, die als Einfirmenvertreter mit verhältnismäßig geringem Einkommen tätig sind, ist der für die Verwirkung von Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrage geltende Grundsatz anzuwenden, daß während der Dauer des Vertragsverhältnisses eine Verwirkung der Ansprüche des Vertreters mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Abhängigkeit im Regelfall ausgeschlossen ist. Unklare Rechtsverhältnisse gehen in einem solchen Fall ebenfalls zu Lasten des Unternehmers. 3. Der Anspruch eines Handelsvertreters auf Erstattung von Sonderaufwendungen steht nicht im Widerspruch mit seinem eigenen früheren Verhalten, wenn er wirtschaftlich abhängig ist und bei ungeklärter Rechtslage die anteilmäßige Umlegung von Werbungskosten durch einen Bezirksleiter des Unternehmers zunächst duldet. Der Unternehmer kann in einem solchen Falle nach Treu und Glauben nicht den Schluß ziehen, der Handelsvertreter habe die aufgewendeten Kosten im Verhältnis zu ihm selbst endgültig übernehmen wollen. Es ist vielmehr seine Aufgabe, bei unübersichtlicher Rechtslage für deren Klarstellung zu sorgen. L A G Bremen vom 9. 3. 1955 — Sa 16/55 — DB 1955, 535 Hinweis: Zustimmend Baumbach-Duden, Anm 3.
§ 87 d Anm B; Schlegelberger-Schröder,
Handelsvertreter
8 87 d
Nr 211
Faktischer Einfirmenvertreter: Privatkundschaft HGB §§ 84, 92 a; HVG Art 3 1. Ein Handelsvertreter ist als selbständiger Gewerbetreibender anzusehen, wenn er im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Entscheidend ist hierfür der Vertragsinhalt und seine Durchführung in der Praxis, nicht dagegen die Bezeichnung im Anstellungsvertrage. Eine persönliche Abhängigkeit liegt nicht vor, wenn dem Vertreter weder ein bestimmter Tagesplan, eine Mindestarbeitszeit oder ein Arbeitspensum vorgeschrieben sind, und er nur allgemeinen Weisungen unterliegt und auf die Provision aus den von ihm vermittelten Geschäften angewiesen ist. Erst die Häufung solcher Merkmale kann jedoch in Grenzfällen die Arbeitnehmereigenschaft ausschließen. Wirtschaftliche Abhängigkeit schließt die persönliche Selbständigkeit nicht aus. 2. Handelsvertreter, die als Einfirmenvertreter tätig sind und während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses nicht mehr als 500,— D M monatlich verdient haben, unterliegen als arbeitnehmerähnliche Personen hinsichtlich der Ansprüche aus ihrem Anstellungsvertrage der Zuständig-
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Handelsvertreter
keit der Arbeitsgerichte. Ein Vertreter ist dabei als Einfirmenvertreter audi dann anzusehen, wenn ihm nach dem Vertrage zwar die Übernahme weiterer Handelsvertretungen gestattet ist, nach Art und Umfang seiner Tätigkeit jedoch nicht möglich erscheint. Letzteres ist nach der Lebenserfahrung regelmäßig bei allen Vertretern der Fall, die Privatkundschaft von Haus zu Haus besuchen müssen. L A G Bremen vom 9. 3. 1955 — Sa 16/55 — DB 1955, 535 Hinweis: Zustimmend Baumbach-Duden, § 92 a Anm 4.
§ 92 a Anm 1 B; Schlegelberger-Schröder,
Handelsvertreter
Nr 212
Kündigung während Probezeit HGB § 89 Abs 1, § 67 1. Die Vorschrift des § 67 H G B gilt gemäß § 89 Abs 1 H G B auch für Handelsvertreter. 2. Die Vereinbarung einer dreimonatigen Probezeit, während der von jedem Teil ohne Einhaltung einer Frist zum Monatsende gekündigt werden kann, verstößt gegen § 67 H G B und ist nichtig. Es kann nur unter Einhaltung der Mindestkündigungsfrist von einem Monat gekündigt werden. L A G Bremen vom 8. 6. 1955 — Sa 30/55 — BB 1956, 818 = DB 1956, 692 Hinweis: Ebenso OLG Nürnberg vom 23. 12. 1959 -
2 U 183/58 — BB 1959, 391.
Handelsvertretervertrag
Nr 213
Auflösende Bedingung: Befriedigende Auskunft Wird im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses eine auflösende Bedingung vereinbart, so muß genau unterschieden werden, ob der Vorbehalt dazu bestimmt ist, das Ende des Vertragsverhältnisses von dem Eintritt eines Ereignisses unmittelbar abhängig zu machen, oder ob das Ereignis einer Vertragspartei lediglich die Berechtigung geben soll, das Rechtsverhältnis durch fristlose Kündigung zu beenden. Letzteres ist in der Regel anzunehmen, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses von einer subjektiven Beurteilung abhängig sein soll, z B davon, ob eine einzuholende Auskunft befriedigend ausfällt. Für die Annahme einer echten Bedingung müßte festgestellt werden, daß nach dem Willen beider Vertragsparteien eine automatische Beendigung des Vertragsverhältnisses gewollt war. L A G Bremen vom 8. 12. 1954 — Sa 86/54 — DB 1955, 170 - WA 1955, 138
Handelsvertretervertrag
Nr 214
Vermutung der Vollständigkeit HGB § 85 Ist der Vertretungsvertrag beurkundet, hat die Vertragsurkunde die — widerlegbare — Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. L A G Bremen vom 5. 7. 1960 — I I Sa 130/59 — DB 1960, 1212 = AuR 1961, 56 = SAE 1960, 74 Hinweis: Nach BGH vom 24. 9. 1952 — I I ZR 305/51 — BGHZ 7, 187 — gilt ein Bestätigungsschreiben, durch das ein Vertragsabschluß festgestellt werden soll, unter Kaufleuten als Inhalt der Vereinbarung, wenn der Empfänger nicht unverzüglich widerspricht. Das gilt nur dann nicht, wenn sich das Bestätigungsschreiben inhaltlich so weit von dem Abgesprochenen entfernt, daß der Bestätigende selbst nicht mit einem Einverständnis des Empfängers rechnen kann. Nach B G H vom 26. 6. 1963 — V I I I ZR 61/62 — BGHZ 40, 42 — gilt dieser auf der Übung des redlichen Geschäftsverkehrs beruhende Grundsatz auch dann, wenn der Bestätigende nicht Kaufmann ist, aber ähnlich einem solchen am Geschäftsleben teilnimmt und erwartet werden kann, daß der Empfänger ihm gegenüber nach kaufmännischer Sitte verfährt. — Zur Vermutung der Vollständigkeit eines schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages ebenso Hueck-Nipperdey, Bd I S 168.
Handlungsgehilfe Handlungsgehilfe
269 Nr 215
Angestellter photographischer Kunstanstalt HGB §§ 2, 59 1. Eine photographische Kunstanstalt von größerem Geschäftsumfang, die im Jahresdurchschnitt 12 Reisende beschäftigt, betreibt ein Handelsgewerbe. 2. Der Angestellte, der den beträchtliche Zeit in Anspruch nehmenden Schriftwechsel, die Abrechnung mit den Reisenden und die Abschrift der Kassenkladde ins Reine besorgt, ist Handlungsgehilfe. KfmG Bremen vom 16. 11. 1909 — KfmG 1909/10, 119
Handlungsgehilfe
Nr 216
Filialleiterin einer Wäscherei H G B § 59 Die Leiterin einer Wäschereifiliale ist kaufmännische Angestellte. L A G Bremen vom 20. 10. 1927 — Rechtsbl GDA 1928, 88
Handlungsgehilfe
Nr 217
Milchverkäufer i m Außendienst H G B § 59 Ein Milchkutscher, der in einem für den Milchhändler eingeführten Gebiete die Milch vertreibt und Wochenlohn, daneben für je 100 Liter verkaufte Milch Provision bezieht, ist Gewerbegehilfe im Gegensatz zu einem Milchverkäufer, der in einem noch unbearbeiteten Absatzgebiete allein gegen Verkaufsprovision tätig und darum Handlungsgehilfe ist. KfmG Bremen vom 24. 11. 1909 — KfmG 1909/10, 119
Handlungsgehilfe
Nr 218
Schweineaufkäufer HGB § 59 Ein Schweineaufkäufer, der für einen Viehändler Landwirte besucht, um von ihnen Schweine zu kaufen, ist Handlungsgehilfe, auch wenn er zeitweise die Schweine füttert, ihre Ställe reinigt und die Tiere verlädt. KfmG Bremen vom 22. 6; 1910 — KfmG 1909/10, 254
Handlungsgehilfe
Nr 219
Vergütung zum Teil in Aktien HGB § 59; GewO § 15; BGB § 138 Das Gebot der Barvergütung und das Verbot des Trucksystems des § 115 GewO gilt grundsätzlich nicht für Handlungsgehilfen. Infolgedessen ist es zulässig, die Zahlung eines Teiles der Vergütung eines Handlungsgehilfen in Aktien zu vereinbaren, soweit diese Vergütung nach Lage des Einzelfalles nicht gegen die guten Sitten verstößt. KfmG Bremen vom 6. 6. 1924 — GewuKfmG 1923/24, 238
270
Handlungsreisender
Handlungsreisender
Nr 220
Fahrrad: Abzug des Kaufpreises vom Gehalt BGB §§ 138, 325, 328 1. Die Abrede, wonach der Handlungsreisende ein zu Geschäftszwecken zu benutzendes Fahrrad vom Prinzipal erwirbt und sich den Kaufpreis in Raten vom Gehalt abziehen lassen muß, widerspricht an sich nicht den guten Sitten. 2. Wenn aber das Rad ohne Verschulden des Angestellten abhanden kommt, so braucht sich dieser den Abzug nicht gefallen zu lassen, weil der Prinzipal nicht mehr in der Lage ist, ihm das Eigentum an dem Rade zu verschaffen. KfmG Bremen vom 11. 3. 1914 — GewuKfmG 1913/14, 353 Hinweis: Siehe auch L A G Bremen vom 7. 10. 1953 — Sa 127/53 — BremARS N r 459.
Hausarbeitstag
Nr 221
Abgeltung Brem HATG § 2; BGB § 280 Die Arbeitnehmerin, der entgegen dem Gesetz der Hausarbeitstag nicht gewährt worden ist, hat keinen Anspruch darauf, daß ihr der Hausarbeitstag in einem anderen Monat als Freizeit nachgewährt wird. Dagegen ist es trotz des gesetzlichen Abgeltungsverbots zulässig, der Arbeitnehmerin eine Entschädigung für die Vorenthaltung des Hausarbeitstages zu gewähren, wenn eine den Schutzzweck des Gesetzes erfüllende Freizeitgewährung ohne Verschulden der Arbeitnehmerin unmöglich geworden ist. Der Anspruch in Hohe des vollen Arbeitsentgelts für den vorenthaltenen Hausarbeitstag gründet sich als Schadensersatzanspruch auf eine sinngemäße Anwendung des § 280 BGB. L A G Bremen vom 20. 4. 1955 — Sa 27/55 — BB 1955, 767 - DB 1955, 851
Hausarbeitstag
Nr 222
Abgeltungsanspruch — Verjährung Brem HATG § 2; BGB §§ 280, 196 Abs 1 Nr 9 1. Der Arbeitgeber, der einer Arbeitnehmerin den Hausarbeitstag verweigert, muß dieser als Schadensersatz wegen Verletzung der Fürsorgepflicht einen Tagesverdienst zahlen. Voraussetzung ist, daß die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber zur Gewährung des Hausarbeitstages aufgefordert hat; doch braucht sie das nicht für jeden Monat erneut zu tun. 2. Der Anspruch auf Abgeltung der Hausarbeitstage verjährt in zwei Jahren. L A G Bremen vom 29. 2. 1956 — Sa 1 Und 6/56 — W A 1956, 202
Hausarbeitstag
Nr 223
Eigener Hausstand: Wohnheim BremHATG § 2; DVO § 1 1. Ein Wohnheim im Sinne des § 1 der Durchführungsbestimmungen zum Hausarbeitstagsgesetz liegt nur dann vor, wenn auch Vorkehrungen getroffen sind, daß die Wohnräume sowie die Bett- und Leibwäsche der Bewohnerinnen ohne ihre Mitwirkung sauber gehalten werden. 2. Die in einem Wohnheim untergebrachte Arbeitnehmerin hat keinen A n spruch auf einen freien Hausarbeitstag, wenn durch den Betrieb die volle Verpflegung der Arbeitnehmerin tatsächlich sichergestellt ist, auch wenn
Hausarbeitstag
271
die Arbeitnehmerin freiwillig auf die Teilnahme an der Verpflegung ganz oder teilweise verzichtet. 3. Die vollständige Verpflegung vom Morgenkaffee bis zum Abendessen muß durch tatsächlich vorhandene Einrichtungen gewährleistet sein. L A G Bremen vom 15. 6. 1949 — Sa 24/49 — A P 50 N r 99 « DB 1949, 408 » RdA 1950, 109 mit zustimm Anm Bulla
Hausarbeitstag
Nr 224
Geltung für Bundesbedienstete BremHATG
§ 1; GG Art 125
1. Die Anordnung des Reichsarbeitsministers über Arbeitszeitverkürzung für Frauen, Schwerbeschädigte und minderleistungsfähige Personen (Freizeitanordnung) vom 20. 10. 1943 (RAB1 I I I S 325) ist objektives Recht. 2. Das allgemeine Arbeitsrecht der Länder gilt auch für die Bediensteten des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften. 3. Das Bremische Gesetz über den Hausarbeitstag vom 29. 6. 1948 und die Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 8. 10. 1949 gelten im Lande Bremen als Bundesrecht fort. BAG vom 24. 6. 1954 — 1 ARV 2/54 — A P N r 1 zu fi 86 BVerfGG - BB 1955, 382
Hausarbeitstag
Nr 225
Halbtagsbeschäftigung: Frau mit besonderer Belastung BremHATG § 2 1. I m Bereich des Brem Hausarbeitstagsgesetzes steht der hausarbeitstagsberechtigten Frau mit besonderer Belastung, die im eigenen Haushalt ein Kleinkind oder schulpflichtiges Kind oder einen arbeitsunfähigen Angehörigen zu versorgen hat, auch dann der Anspruch auf Gewährung eines Hausarbeitstages zu, wenn die nach Dienstplänen unter Einbeziehung von Sonntagen ungleichmäßig verlegte wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt mindestens 24 Stunden beträgt und durch Arbeitszeitverlegung, abgesehen von Ersatzruhetagen für Arbeits-Sonntage, in jeder Woche ein Werktag von der Berufsarbeit freigestellt ist. 2. I m Rahmen der nach § 2 Abs 2 des Brem Hausarbeitstagsgesetzes für den Anspruch unschädlichen 12 Tage nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit sind, wenn überhaupt, nur solche Arbeits-Sonntage zu berücksichtigen, zu denen die Arbeitnehmerin an sich zum Dienst eingeteilt war. L A G Bremen vom 11. 1. 1962 — 2 Sa 134/61 — BB 1962, 563 Hinweis: Mit der fortschreitenden Verkürzung der Arbeitszeit, verbunden mit der weitgehenden Verwirklichung der 5-Tage-Woche, hat der gesetzliche Hausarbeitstag seine ursprüngliche Bedeutung in erheblichem Maße eingebüßt. Aktuell bleibt der Hausarbeitstag im Lande Bremen aber vor allem für halbtagsbeschäftigte Arbeitnehmerinnen mit besonderer Belastung iS von 9 2 Abs 1 Buchst b BremHATG. Vgl dazu Häßler, BlfStR 1967, 185.
Hausarbeitstag
Nr 226
46-Stunden-Wodie — 2 arbeitsfreie Samstage BremHATG §§ 1 und 2 Nach dem Hausarbeitstagsgesetz für Bremen entfällt der Anspruch auf einen Hausarbeitstag, wenn infolge Arbeitszeitverkürzung in der Woche durchschnittlich nicht mehr als 46 Stunden gearbeitet werden und gleichzeitig durch Arbeitszeitverlegung zwei oder mehr Sonnabende im Monat von der Berufsarbeit freigestellt werden.
272
Hausarbeitstag
BAG vom 28. 7. 1958 — 1 AZR 215/58 — A P Nr 2 zu 8 1 HausarbTG Bremen -= BB 1958, 1023 = DB 1958, 1132 « BAB1 Arbeitsschutz 1959, 251 Hinweis: Durch das Urteil wurde die abweichende Entscheidung des L A G Bremen vom 5. 3. 1958 — I Sa 132/57 — aufgehoben.
Hausarbeitstag
Nr 227
48-Stunden-Woche — mehrere arbeitsfreie Samstage BremHATG §§ 1, 2 I m Bereich des Hausarbeitstagsgesetzes von Bremen steht der hausarbeitstagsberechtigten Frau bei der 48-Stunden-Woche auch dann der Anspruch auf Gewährung eines Hausarbeitstages zu, wenn durch Arbeitszeitverlegung ein Sonnabend oder mehrere Sonnabende im Monat von der Berufsarbeit freigestellt sind. BAG vom 16. 5. 1961 — 1 AZR 425/60 — A P N r 4 zu 66 1, 2 HausarbTagsG Bremen
Hausarbeitstag
Nr 228
96-stündige Doppelwoche — 2 arbeitsfreie Samstage BremHATG §§ 1, 2 Nach dem bremischen Hausarbeitstagsgesetz entfällt der Anspruch auf einen bezahlten Hausarbeitstag im Monat nicht, wenn infolge Arbeitszeitverlegung in der 96-stündigen Doppelwoche jeder zweite Sonnabend von der Berufsarbeit freigestellt wird. L A G Bremen vom 26. 11. 1958 — I I Sa 92/58 — BB 1959, 269 Hinweis: Ebenso BAG vom 16. 5. 1961 — 1 A Z R 425/60 — AP N r 4 zu 66 1. 2 HausarbTagsG Bremen = BremARS Nr 227.
Hausarbeitstag
Nr 229
Verfassungsmäßigkeit BremHATG § 1; GG Art 3 I n der Gewährung eines bezahlten Hausarbeitstags an weibliche Arbeitnehmer mit eigenem Haushalt ist auch dann eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Geschlechter nicht zu sehen, wenn auch alleinstehenden ledigen Frauen mit eigenem Haushalt der Hausarbeitstag gewährt wird. Das Gesetz ist in seinem vollen Umfange gültig. L A G Bremen vom 22. 4. 1953 — Sa 77/53 — A P 53 N r 200 ablehn Anm Krüger = BB 1953, 386 « DB 1953, 402
RdA 1953, 200, 348 mit
Hinweis: Daß die Hausarbeitstagsgesetze der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nicht gegen Art 3 GG verstoßen und daher rechtswirksam sind, ist heute allgemein anerkannnt. Vgl nur für das Nordrhein-Westf H A T G BAG vom 14. 7. 1954 — 1 AZR 105/54 — BAG 1, 51 - AP Nr 1 zu Art 3 GG. Durch das BVerfG konnte dies nicht nachgeprüft werden: BVerfG vom 21. 9. 1954 — 1 BOL 14/54 — BremARS Nr 230.
Nr 230 BremHATG
§ 1; GG Art 3
Die Frage, ob das Hausarbeitstagsgesetz des Landes Bremen gegen Art 3 GG verstößt, ist durch das Bundesverfassungsgericht nicht nachprüfbar, da das Gesetz vor Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet worden ist (Art 100 Abs 1 GG). BVerfG vom 21. 9. 1954 — 1 BOL 14/54 — BB 1954, 969 - DB 1954, 931
Heimkehrer Heimarbeiter
273 Nr 231
Anmeldepflicht des Auftraggebers zur Sozialversicherung BGB §§ 276, 278; RVO §§ 162, 168 Abs 1; HAG § 2 Abu 2 1. Wenn und soweit ein Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibender zur Rentenversicherung der Arbeiter (Invalidenversicherung) versicherungspflichtig ist, ist an sich auch sein Auftraggeber auf Grund der öffentlichrechtlichen Vorschriften der RVO verpflichtet, ihn zur Sozialversicherung anzumelden und für ihn Beiträge an die zuständige Krankenkasse zu entrichten. Diese Pflicht besteht auch ohne besondere ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung aus der Fürsorgepflicht des Auftraggebers heraus als Vertragspflicht dem einzelnen Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibenden gegenüber. 2. Bei Verletzung einer entsprechenden Vertragspflicht haftet der Auftraggeber dem Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibenden nach den §§ 276, 278 BGB. 3. Bei der Frage, ob für den Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibenden Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Arbeiter bestanden hat, ist von der Feststellung auszugehen, ob der Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibende als Hausgewerbetreibender im Sinne des § 162 RVO anzusehen ist. Der sozialversicherungsrechtliche Begriff des Hausgewerbetreibenden stimmt mit dem arbeitsrechtlichen des Heimarbeitsgesetzes (§ 2 Abs 2) nicht überein. 4. Für Hausgewerbetreibende im Sinne des § 162 RVO besteht gemäß § 168 Abs 2 RVO in der Fassung der Ersten VO zur Vereinfachung des Leistungsund Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 (RGBl I S 41) Versicherungspflicht zur Kranken- und Rentenversicherung nicht, wenn die Dienstleistungen zwar laufend oder in regelmäßiger Wiederkehr, aber nur nebenher und gegen einen geringfügigen Entgelt (durchschnittlich nicht mehr als 65,— D M im Monat) ausgeführt wurden. Bei schwankendem Entgelt kann die Frage, ob er durchschnittlich 65,— D M im Monat übersteigt und sonach Versicherungspflicht besteht oder nicht, nur auf Grund einer verhältnismäßig sicheren Durchschnittsberechnung für einen angemessenen Zeitraum, etwa ein Jahr, getroffen werden. Das durch die Schätzung des zu erwartenden Verdienstes im Wege einer Durchschnittsberechnung gewonnene Ergebnis bleibt für die Frage der Versicherungspflicht auch dann maßgebend, wenn sich nachträglich am Jahresschluß herausstellt, daß der tatsächlich verdiente Entgelt von der Schätzung abweicht. L A G Bremen vom 10. 6. 1959 — I I Sa 153/58 — A P Nr 1 zu 5 2 H A G = BB 1959, 960 = DB 1959, 1032 «= RdA 1961, 132
Heimkehrer
N r 232
Arbeitsverhältnis 1. Die Verordnung zur Abänderung und Ergänzung des Arbeitsrechts vom 1. September 1939 gilt weiterhin für alle Heimkehrer, die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer vom 19. Juli 1950 nach Deutschland zurückgekehrt sind. Sie gilt auch für diejenigen Heimkehrer, die von den Entnazifizierungsbestimmungen betroffen wurden. 2. Der Anspruch des Heimkehrers auf Weiterbeschäftigung richtet sich in erster Linie gegen den Betrieb, in dem er früher tätig gewesen ist und wird durch ein Wechseln in der Person des Arbeitgebers nicht betroffen. Dies gilt auch für die Rechtsnachfolge im Falle einer Änderung der Behördenorganisation oder beim Staatenübergang. Grundsätzlich ist hier das Territorialprinzip maßgebend. Ist der frühere Bezirk der Behörde jedoch auf verschiedene Länder aufgeteilt worden, so richtet sich der Beschäftigungsanspruch gegen dasjenige Land, dessen Nachfolgebehörde den Dienstbetrieb der früheren Behörde unmittelbar fortgesetzt und die alte Organisation übernommen hat. 18
Trinkhaus
274
Interlokales Arbeitsrecht
3. Die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis leben mit der Rückmeldung des Heimkehrers ohne weiteres auf. Es genügt dazu die Erklärung des Heimkehrers, daß er seinen alten Arbeitsplatz beansprucht. Ein Arbeitsangebot braucht nicht mit dieser Erklärung verbunden zu werden. Es genügt die Rückmeldung bei derjenigen Behörde, die zur Zeit der Einberufung des Heimkehrers dessen Personalangelegenheiten bearbeitet hat. Die Rückmeldung muß jedoch ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. I m Einzelfall ist dabei die körperliche und seelische Verfassung des Heimkehrers zu berücksichtigen. Eine Verzögerung durch Beschaffung von politischem Entlastungsmaterial schließt dagegen die Verwirkung des Beschäftigungsanspruches nicht aus. 4. Auf Grund des Beschäftigungsverbotes der Militär-Regierung konnte auch das Arbeitsverhältnis eines Heimkehrers nach seiner Rückmeldung fristlos gekündigt werden. Eine solche Kündigung ist in der Mitteilung zu erblicken, daß mit Rücksicht auf die Entnazifizierungsbestimmungen eine Weiterbeschäftigung bzw Einstellung nicht möglich sei. Einer Zustimmung des Arbeitsamtes bedurfte es hierzu nicht. LAG Bremen vom 30. 5. 1951 — Sa 30/51 — A P 51 N r 260 mit zu LS 3 krit Anm Neumann-Duesberg « BB 1951, 616 = DB 1951, 508 «= ARSt V I I , 278—280 - WA 1951, 318
Interlokales Arbeitsrecht
N r 233
Anzuwendendes Urlaubsrecht Nach den Regeln des interlokalen Privatrechts entscheidet in erster Linie der Parteiwille über die Frage des anzuwendenden Rechts. Der Parteiwille kann ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden. Wenn beide Parteien im gleichen Lande beheimatet sind und in ihren Ausführungen ohne weiteres von der Anwendbarkeit des in diesem Lande geltenden Rechts ausgehen, kann eine stillschweigende Parteiautonomie angenommen werden. ArbG Bremen vom 29. 10. 1954 — I I Ca 2413/54 — RdA 1955. 240
Interlokales Arbeitsrecht
N r 234
Anzuwendendes Urlaubsrecht: Baustellen außerhalb Bremens BremUrlG; NiedersächsUrlG; EG BGB Art 7—31 1. Für die Rechtsanwendung im innerdeutschen Verkehr, das sogenannte interlokale Privatrecht, können die Regeln des internationalen Privatrechts nur analog, aber keineswegs schematisch herangezogen werden. Insbesondere erscheint es bedenklich, das anzuwendende Landesrecht nach einem hypothetischen Partei willen zu bestimmen oder nach dem jeweiligen Erfüllungsort für die in Frage kommende Leistung nach schuldrechtlichen Regeln. 2. Der Erfüllungsort der Arbeitsleistung prägt das Wesen des Arbeitsvertrages und ist daher als einheitlicher Erfüllungsort für das gesamte Arbeitsverhältnis anzusehen. Er bestimmt sich weder nach dem Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Arbeitnehmers noch nach dem Sitz des Unternehmens oder des Betriebes, sondern nach dem wirtschaftlichen und technischen Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses. Dies kann sowohl der Sitz des Unternehmens sein, wenn der jeweilige Einsatz von dort aus zentral geleitet wird, anderenfalls aber auch eine auswärtige Niederlassung oder Baustelle ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen selbständigen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsrechts handelt. 3. Für die arbeitsrechtlichen Beziehungen der Parteien des Arbeitsvertrages gilt das Landesrecht für denjenigen Ort, an dem sich der wirtschaftlichtechnische Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses befindet. Dies gilt auch für das Urlaubsrecht. § 1 des BremUrlG steht dieser Regelung nicht entgegen.
Kosten
275
L A G Bremen vom 18. 4. 1951 — Sa 15/51 — A P 51 N r 273 mit im Ergebnis zustimm Anm Beitzke - BB 1951, 643 - DB 1951, 548 - ARSt V I , 652 «= SAE 1951, 50 = WA 1951, 368 Hinweis: Nach Beitzke in der o a Anm sind Kündigungsschutz und Urlaubsrecht der Rechtsordnung zu entnehmen, welche das Arbeitsverhältnis als ganzes beherrscht, und das ist das Recht des Ortes, an welchem sich der Betrieb befindet, zu dem der Arbeitnehmer gehört. § 1 BremUrlG knüpfte den Urlaubsanspruch nach bremischem Recht nicht nur an das bremische Arbeitsstatut („Arbeitsverträge, bei denen sich alle übrigen Arbeitsbedingungen nach den für das Land Bremen gültigen Gesetzen, Tarif-, Betriebs« und Dienstordnungen richten"), sondern auch an die Arbeit in Bremen oder für einen Betrieb mit Sitz in Bremen, nach Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht Nr 251, „eine durch diese Häufung exorbitante Norm"; dazu Frey, AuR 1955, 34.
Koalitionsfreiheit
N r 235
Nichtige arbeitsvertragliche Vereinbarung GewO § 152 a F; BGB § 138 Eine Vereinbarung, durch die sich der Arbeiter dem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, keiner Gewerkschaft beizutreten, ist rechtsungültig. L G Bremen — GewG 1903/04, 150 Hinweis: S 152 GewO aF hob die Verbote der Koalitionsfreiheit auf, wurde aber seinerseits durch § 69 Abs 2 des Gesetzes zur Ordnung der Nationalen Arbelt vom 20. 1. 1934 (RGBl I S 45) aufgehoben. Art 48 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. 10. 1947 (Brem GBl S 251) sichert jetzt die positive und negative Koalitionsfreiheit: „Niemand darf gehindert oder gezwungen werden, Mitglied einer solchen Vereinigung zu werden." Art 9 Abs 3 Satz 2 des GG der Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 (BGBl S 1) erklärt ausdrücküch Abreden, die das Koalitionsrecht einzuschränken oder zu behindern suchen, für nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen für rechtswidrig. Vgl die Entscheidungen des BVerfG und des BAG in AP Nr 1 bis 7 zu Art 9 GG.
Konkursvorrecht
N r 236
Vergütungsansprüche für Leiharbeiter zwischen Unternehmern im Konkurs KO § 61 Nr 1 Stellt ein Unternehmer einem anderen Unternehmer Arbeitskräfte (Leiharbeiter) gegen eine Vergütung mit der Abmachung zur Verfügung, daß der Verleiher den Lohn weiterzahlt, so sind dessen Vergütungsansprüche im Konkurs des Entleihers nicht bevorrechtigt. ArbG Bremen vom 4. 11. 1952 — 3 Ca 3588/52 — BB 1953, 292 - DB 1953, 276
Kosten
N r 237
Einstweüige Verfügung: Zurücknahme des Antrages ArbGG 1953 § 12 Abs 3 Satz 2; GKG § 32 a F 1. Für das Verfahren wegen Erlasses einer einstweiligen Verfügung vor dem Arbeitsgericht wird keine Gebühr erhoben, wenn der entsprechende Antrag vor Beginn der angeordneten Verhandlung zurückgezogen worden ist. 2. Der Begriff „Klage" in § 12 Abs 3 Satz 2 ArbbGG umfaßt auch den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung. ArbG Bremen vom 10. 10. 1956 — I I I Ca 3310/56 — A P N r 3 zu S 12 ArbGG 1953 mit zustimm Anm Pohle •» RdA 1957, 40
Kosten
N r 238
Obsiegender Rechtsmittelkläger als Zweitschuldner G K G §§ 79, 72 a, 77, 82 Abs 2 a F; ZPO § 125 Der als Rechtsmittelkläger siegreiche Beklagte kann auch dann als Zweitschuldner der Kosten des Rechtsmittelverfahrens herangezogen werden, wenn seinem Gegner das Armenrecht bewilligt war. L A G Bremen vom 31. 12. 1955 — Sa 101/52 — A P N r 1 zu 9 79 G K G mit zustimm Anm Pohle 18*
276
Kosten
Kosten
Nr 239
Sachverständigenbeweis bei mehreren Rechtsmitteln GKG §§ 79, 72 a, 77, 82 Abs 2 aF Kosten eines Sachverständigenbeweises, der sowohl durch sein Rechtsmittel wie durch Rechtsmittel von Streitgenossen seines Gegners veranlaßt waren, sind gegen ihn nur mit dem Betrag festzusetzen, der bei gesonderter Erledigung seines Rechtsmittels entstanden wäre, wenn es sich bei den mehreren Rechtsmitteln um verschiedene Streitgegenstände handelt. Der festzusetzende Teilbetrag ist erforderlichenfalls durch Schätzung zu ermitteln. L A G Bremen vom 31. 12. 1955 — Sa 101/52 — A P Nr 1 zu § 79 GKG mit zustimm A n m Pohle
Kostenentscheidung
N r 240
bei Streitgenossen ZPO §§ 92, 99 Abs 1 1. Der Fall, daß von zwei Streitgenossen einer unterliegt und der andere obsiegt, ist in § 100 ZPO nicht geregelt, da sich diese Bestimmung nur auf den Fall des Unterliegens beider Streitgenossen bezieht. Die Vorschrift des § 92 ZPO muß dagegen Platz greifen, obgleich sie an und für sich nur den Fall des teilweisen Obsiegens und Unterliegens einer Partei betrifft. Die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten sind demgemäß zwischen dem Kläger und dem unterlegenen Streitgenossen zu teilen. 2. Die Vorschrift des § 99 Abs 1 ZPO bezieht sich nur auf den Fall, daß eine Entscheidung in der Hauptsache und im Kostenpunkt ergangen ist, jedoch nur gegen die Entscheidung über den Kostenpunkt allein ein Rechtsmittel eingelegt werden soll. Der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke schließt jedoch eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung auch dann aus, wenn die Revision eines Streitgenossen in der Hauptsache zurückgewiesen, der Rechtsstreit jedoch wegen der Kosten an das Berufungsgericht zurückgewiesen worden ist, weil die Kostenentscheidung von dem Ausgang des Verfahrens gegen einen Streitgenossen abhängig ist. Eine Ausnahme kann nur dann gelten, wenn die isolierte Kostenentscheidung tatsächlich eine Ergänzung eines vorausgegangenen und noch in der Rechtsmittelinstanz anhängigen Teilurteils darstellt. L A G Bremen vom 11. 7. 1962 — 1 Sa 35/61 —
Kiankengeldzuschuß
N r 241
bei begrenztem Krankengeld ArbKrankhG §§ 1, 2 a F 1. Nach den Bestimmungen des ArbKrankhG stellt das von der Krankenkasse zu gewährende Krankengeld im Falle der Erkrankung eines Arbeiters die Hauptleistung dar, so daß der Arbeitgeber lediglich einen Zuschuß zu leisten hat, durch welchen die Leistung der Krankenkasse derart ergänzt wird, daß die Gesamtleistung grundsätzlich 90 °/o des letzten Nettoarbeitsentgelts des erkrankten Arbeiters erreicht. Aus § 2 ergibt sich, welcher Betrag als Nettoarbeitsentgelt anzusehen ist. Eine Abweichung von dieser Berechnungsvorschrift ist grundsätzlich ausgeschlossen, da der Anspruch auf Krankengeldzuschuß nach § 6 unabdingbar ist. 2. Nach der vom Gesetzgeber in § 1 ArbKrankhG gewählten Berechnungsart kann im Einzelfalle eine Zuschußzahlung des Arbeitgebers ganz entfallen, der Zuschuß sich jedoch andererseits auch über den grundsätzlich beabsichtigten Rahmen hinaus erhöhen, wenn der Krankengeldsatz während des Berechnungszeitraums aus besonderen Gründen in einem ungünstigen Verhältnis zum Nettoarbeitsentgelt steht. Von dem Grundsatz, daß der
Krankengeldzuschuß
277
Arbeitgeber einen Krankengeldzuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem tatsächlich gezahlten Krankengeld und dem tatsächlichen Nettoarbeitsentgelt zu gewähren hat, ist eine Ausnahme nach § 1 Abs 1 Satz 2 nur dann zulässig, wenn die Krankenkasse eine Kürzung des Krankengeldes vorgenommen hat, da dann der fiktive Betrag des normalen (ungekürzten) Krankengeldes der Zuschußberechnung zugrunde zu legen ist. Von einer Kürzung kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn die Krankenkasse einen nachträglichen Abstrich von dem gesetzlich und satzungsgemäß an sich geschuldeten Krankengeld vornimmt und der erkrankte Arbeiter hierdurch eine Einbuße erleidet, die vom Arbeitgeber nicht auszugleichen ist. Dagegen muß der Arbeitgeber eine sich in anderen Fällen aus Gesetz oder Satzung ergebende Begrenzung der Krankengeldzahlung ausgleichen, beispielsweise dann, wenn das Nettoarbeitsentgelt des erkrankten Arbeiters im Einzelfalle die für die Berechnung des Krankengeldes allgemein festgesetzte obere Verdienstgrenze von 750,— D M monatlich übersteigt. L A G Bremen vom 16. 12. 1959 — I Sa 90/59 — BB 1960, 288 = DB 1960, 151 Hinweis: Ähnlich BAG vom 5. 5. 1960 — 2 AZR 271/58 — BAG 9, 197 = AP Nr 18 zu § 1 ArbKrankhG, wonach der Anspruch auf den Krankengeldzuschuß nicht davon abhängt, daß der Arbeiter einen Anspruch auf das gemäß § 182 Abs 1 Nr 2 Satz 2 RVO erhöhte Krankengeld hat.
Krankengeldzuschuß
Nr 242
Berechnung — Fehltage ArbKrankhG § 2 aF 1. Zahlung und Berechnung des Arbeitgeberzuschusses zum Krankengeld nach dem ArbKrankhG sind nach Kalendertagen vorzunehmen. 2. Der mit dem Krankengeld kombinierte Arbeitgeberzuschuß verfolgt den Zweck, den Arbeiter im Krankheitsfalle annähernd so zu stellen, als wenn er arbeiten würde. 3. Unter dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt i S von § 2 ArbKrankhG ist nicht das mathematische Mittel, sondern der Annäherungswert zu verstehen. Durch unverschuldete Krankheit des Arbeiters im maßgebenden Lohnabrechnungszeitraum entstandene Fehltage sind daher auszuscheiden. L A G Bremen vom 12. 3. 1958 — I I Sa 131/57 — A P Nr 6 zu § 1 ArbKrankhG = BB 1958, 809 » DB 1958, 632 >= RdA 1959, 358 = ARSt X X , 355 Hinweis: Die Entscheidung hat infolge der Neufassung des § 2 Abs 2 ArbKrankhG durch Gesetz vom 12. 7. 1961 (BGBl I S 913) nur noch begrenzte Bedeutung; vgl zur neuen Rechtslage insbesondere BAG vom 28. 11. 1963 — 2 AZR 111/63 — AP Nr 20 zu § 2 ArbKrankhG. Daß solche Arbeitsstunden, an denen der Arbeiter unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist, bei der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts zu berücksichtigen sind, ist in § 2 Abs 2 Satz 1 nF jetzt ausdrücklich bestimmt.
Krankengeldzuschuß
Nr 243
Berechnung: „Letzte Lohnperiode" ArbKrankhG § 2 aF 1. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob unter der letzten Lohnperiode im Sinne von § 2 Satz 2 ArbKrankhG stets die letzte abgerechnete Lohnperiode verstanden werden muß oder ob darunter die letzte Lohnperiode schlechthin zu verstehen ist. Denn im vorliegenden Falle war vor der am 1. Februar 1960 beginnenden Arbeitsunfähigkeit der Arbeiterin der Zeitraum vom 3. bis zum 30. Januar 1960 als Berechnungsgrundlage für den Zuschuß zum Krankengeld sowohl die letzte als auch die letzte abgerechnete Lohnperiode. Die Frage, ob für eine Lohnperiode abgerechnet ist, hängt bei arbeitsrechtlicher Betrachtung des Zuschusses als Arbeitsentgelt mit der Fälligkeit des Anspruchs auf den Zuschuß zusammen. Frühestens im Zeitpunkt der Fälligkeit des Zuschusses, nicht aber zu Beginn der abzurechnen-
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Krankengeldzuschuß
den Lohnperiode oder bei Fälligkeit des Krankengeldes, ist die Feststellung zulässig, für welche letzte Lohnperiode abgerechnet ist. 2. Zwischen Krankengeld und Arbeitgeberzuschuß besteht zwar insofern allgemeine Akzessorietät, als der Anspruch auf den Zuschuß davon abhängig ist, daß auch ein Anspruch auf Krankengeld besteht. Die Akzessorietät geht jedoch nicht soweit, daß für die Berechnung von Krankengeld und Zuschuß nur eine einheitliche Lohnperiode maßgebend sein kann. Die — von der betrieblichen Regelung abhängige — letzte Lohnperiode im Sinne des § 2 Satz 2 ArbKrankhG als Berechnungsgrundlage für das durchschnittliche Arbeitsentgelt ist mit dem durch die Satzung der Krankenkasse bestimmten Zeitraum für die Berechnung des Grundlohns und damit des Krankengeldes nicht etwa zwangsläufig verkoppelt. Eine solche Gleichschaltung wäre auch für die Masse der bei den Ortskrankenkassen versicherten Arbeiter unzähliger Betriebe im Gegensatz zu den bei Betriebskrankenkassen (mit in der Regel räumlich und persönlich enger Verbindung zwischen Betrieb und Kasse) versicherten Arbeitern praktisch undurchführbar. 3. Da die Höhe des Arbeitgeberzuschusses von dem nach der RVO und der Satzung der Krankenkasse richtig berechneten Krankengeld abhängt, erscheint ein Verfahren unzulässig, nach dem im Interesse einer einheitlichen Periode für die Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts einerseits sowie des Grundlohns und damit des Krankengeldes andererseits für die erste vierwöchige Lohnperiode 1960 ein fiktives Krankengeld ermittelt wird, das nicht mit der Satzung der Betriebskrankenkasse im Einklang steht. L A G Bremen vom 13. 12. 1960 — 2 Sa 119 + 123/60 — BB 1961, 753 «= AuR 1961, 251 = ARSt X X V I , 304 Hinweis: I n § 2 Abs 2 ArbKrankhG nF wird ausdrücklich von dem „letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum" ausgegangen.
Krankengeldzuschuß
Nr 244
Unabhängig vom erhöhten Krankengeld — Wiederholte Erkrankung ArbKrankhG §§ 1, 8 aF 1. Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeldzuschuß nach § 1 ArbKrankhG ist nicht die Zahlung des erhöhten Krankengeldes von 65 % des Grundlohnes nach § 182 Abs 1 Nr 2 Satz 1 RVO. Der Arbeitgeber ist zur Zuschußzahlung vielmehr auch dann verpflichtet, wenn die Krankenkasse nach den für sie geltenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften im Falle einer Fortsetzungskrankheit lediglich das nicht erhöhte Krankengeld von 50 °/o des Grundlohnes entrichtet. Eine andere Auslegung des ArbKrankhG kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß sich der Gesetzgeber bei der Zuschußregelung für die sogenannte gespaltene, kombinierte Lösung entschieden hat, da dies keineswegs der einzige tragende Grundsatz der gesetzlichen Regelung gewesen ist, vielmehr der Kompromißcharakter der Regelung beachtet werden muß. Ebensowenig kann aus der Akzessorietät des Krankengeldzuschusses zur Krankengeldleistung der Schluß gezogen werden, daß die arbeitsrechtlichen Ansprüche eines erkrankten Arbeiters nach sozialrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sind. Die beiden SechsWochen-Zeiträume in § 1 und § 8 ArbKrankhG sind somit nicht in jedem Falle identisch. Das ArbKrankhG wird vielmehr gerade durch seine rechtliche Zweiggleisigkeit gekennzeichnet. 2. Bei wiederholten Erkrankungen, die auf dasselbe Grundleiden zurückzuführen sind, behält der Arbeiter daher seinen Anspruch auf Krankengeldzuschuß für die zweite Erkrankung, wenn er zwischen den beiden Krankheitsfällen längere Zeit hindurch voll arbeitsfähig war. Es kommt somit nicht darauf an, ob das Leiden vom medizinischen Standpunkt aus bei der Wiederaufnahme der Arbeit nach dem ersten Krankheitsfall völlig ausgeheilt war oder noch weitere ärztliche Behandlung erforderte.
Kündigung L A G Bremen vom 17. 2. 1960 — I Sa 171/59 — DB 1960, 583 = WA 1960, 169 Hinweis: Bestätigt durch BAG vom 16. 9. 1961 — 1 AZR 123/60 — AP N r 34 zu § 1 ArbKrankhG.
Krankheit
Nr 245
Untersuchung durch Vertrauensarzt des Arbeitgebers HGB § 63 Der Handlungsgehilfe ist nicht verpflichtet, sich zum Beweise seiner Krankheit außer vom behandelnden Arzte (Kassenarzte) vom Vertrauensarzte des Geschäftsherrn untersuchen zu lassen. KfmG Bremen vom 15. 11. 1911 — KfmG 1911/12, 94
Nr 246 HGB § 63 Der Handlungsgehilfe ist nicht verpflichtet, sich bei Krankheit vom Vertrauensarzt des Geschäftsherrn untersuchen zu lassen, wenn es nicht vereinbart ist. KfmG Bremen vom 24. 1. 1912 — KfmG 1911/12, 166 Hinweis: Siehe auch L A G Bremen vom 28. 3. 1956 — Sa 10/56 — A P Nr 17 zu § 626 BGB mit krit Anm Schnorr von Carolsfeld = BB 1956, 1033 mit krit Anm Aye •» BremARS Nr 57.
Kündigung
Nr 247
auf Anordnung der Mil-Reg — Dissens 1. Eine Entlassung auf Grund einer Anordnung der Militär-Regierung bedeutet in der Regel keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bis zur Entscheidung über die politische Belastung des Arbeitnehmers. Vielmehr hat sie das Arbeitsverhältnis endgültig beendet. 2. Dissens kann nicht bei einer Kündigung vorliegen, sondern nur bei einer zweiseitigen Vereinbarung. Er setzt voraus, daß sich das Mißverständnis auf die Erklärung des Vertragspartners bezieht. L A G Bremen vom 12. 1. 1949 — Sa 51/48 — ARSt I I I , 304 1949, 218
Kündigung
SAE 1949, 60 «= WA
Nr 248
Formmangel: „schriftlich mit Begründung" BGB § 125 Satz 2; MTV des Einzelhandelsverbandes Nordsee vom 26. 4.1950/ 1. 10. 1952 §2 Nr 3 1. Eine ohne Begründung ausgesprochene Kündigung ist nach § 125 Satz 2 BGB nichtig, wenn im Tarifvertrag bestimmt ist, daß die Kündigung „schriftlich mit Begründung zu erfolgen hat". Diese Klausel kann nicht als eine bloße Ordnungsvorschrift angesehen werden, sondern stellt nach Wortlaut und Sinn eine zwingende Formvorschrift dar. 2. Ist für die Kündigung eine schriftliche Begründung zwingend vorgeschrieben, bei Kündigungsausspruch jedoch unterlassen worden, so kann die Begründung auch nachträglich vorgenommen werden, gegebenenfalls auch durch Zustellung eines Schriftsatzes im Kündigungsrechtsstreit. Die Kündigungserklärung wird in diesem Falle jedoch erst mit dem Zugang einer formgerechten Begründung wirksam, so daß die Kündigungsfrist erst von diesem Zeitpunkt ab läuft. Eine rückwirkende Nachholung der fehlenden Begründung würde weder mit dem Sinn einer vertraglichen oder tariflichen Formvorschrift noch mit der Nichtigkeitsfolge aus § 125 Satz 2 BGB zu vereinbaren sein. Andererseits kann nicht gefordert werden, daß Kündigungs-
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Kündigung
ausspruch und Kündigungsbegründung gleichzeitig und in einem einheitlichen Schriftstück erfolgen. L A G Bremen vom 2. 9. 1953 — Sa 123/55 — AP Nr 1 zu 8 125 BGB = BB 1954, 162 « DB 1954, 155 = RdA 1954, 160 « SAE 1954, 20 = WA 1954, 227
Kündigung
Nr 249
ohne Angabe der Gründe KSchG § 1 Eine Kündigung ist nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil bei Ausspruch der Kündigung die Kündigungsgründe nicht mitgeteilt wurden. L A G Bremen vom 6. 5. 1953 — Sa 101 + 103/52 — AP 54 N r 9 mit zustimm Anm Hueck «* BB 1953, 532 - DB 1953, 488 = ARSt X, 651, 659
Kündigung
Nr 250
Schlüssiges Verhalten — Mutterschutz BGB §§ 133, 157, 620; MuSchG § 9 1. Zu einer wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses genügt ein schlüssiges, konkludentes Verhalten, durch das der Kündigende dem anderen Teil mit der erforderlichen Bestimmtheit und Deutlichkeit klar und zweifelsfrei seinen Willen kundgibt, das Arbeitsverhältnis zu lösen. Dabei kommt es darauf an, wie die Erklärung vom Kündigungsempfänger im Zusammenhalt mit den ihm bekannten Umständen und dem Gesamtverhalten des Kündigenden nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte aufzufassen war. 2. Aus dem Verhalten eines Arbeitnehmers, der, wenn es ihm gerade paßt, mit oder ohne triftigen Grund leicht einmal „blaumacht", nach wenigen Tagen aber immer wieder zur Arbeit erscheint, kann, wenn er erneut einige Tage der Arbeit unentschuldigt fernbleibt (etwa im Gegensatz zu dem klaren Fall eines Arbeitnehmers, der von einem Schiff im Ausland vorsätzlich entweicht oder der ohne ausdrückliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auswandert), in aller Regel nicht vom Arbeitgeber auf einen erklärten Abkehrwillen des Arbeitnehmers geschlossen werden. Dies gilt namentlich auch dann, wenn es sich um eine durch das Kündigungsverbot des § 9 des Mutterschutzgesetzes geschützte Arbeitnehmerin handelt. 3. Die weitere Frage, ob in einem schlüssigen Verhalten des Arbeitnehmers, welcher der Arbeit unentschuldigt fernbleibt, überhaupt eine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses gesehen werden kann, kann hier dahinstehen. I n einem schlüssigen Verhalten des Arbeitnehmers, in dem der Abkehrwille genügend deutlich zum Ausdruck kommt, das aber als außerordentliche fristlose Kündigung unbegründet und daher unwirksam ist, kann jedoch ein Angebot zur einverständlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Aufhebungsvertrag) gesehen werden, das der Arbeitgeber ausdrücklich oder stillschweigend annehmen kann. L A G Bremen vom 5. 3. 1963 — 2 Sa 6/63 — DB 1963, 770 = AuR 1963, 249 1963, 146
Kündigung
WA
Nr 251
schriftliche: Wirksamwerden BGB § 130 Eine schriftliche Kündigung wird erst wirksam, wenn sie dem anderen Teil zugeht. Erhält dieser unter der Hand Kenntnis von der Kündigungsabsicht, so ist das bedeutungslos. L A G Bremen vom 28. 9. 1949 — Sa 30/49 — AP 50 Nr 96 mit zustimm Anm Hueck = BB 1950, 941 = ARSt I I I , 613, 644, 668 - WA 1950, 20
Kündigung Kündigung
281 Nr 25
Unwirksamkeit BGB §§ 138, 242 1. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein kündbarer Arbeitsvertrag und nicht ein gemeinschaftsbestimmtes Betriebszugehörigkeitsverhältnis. 2. Der Arbeitsvertrag ist kein reiner Leistungstauschvertrag schuldrechtlicher Art, sondern schafft auch eine wesentliche persönliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, deren Ausfluß die Treue- und Fürsorgepflicht ist. 3. Eine Kündigung ist nicht schon deshalb rechtsunwirksam, weil sie ohne ausreichende Gründe erfolgt oder unsozial oder unbillig erscheint, sondern nur dann, wenn sie sich als sittenwidrig, vertragswidrig oder treuwidrig darstellt. 4. Sie ist danach unwirksam, wenn sie unter willkürlicher Außerachtlassung der Interessen des Arbeitnehmers ausgesprochen wird; dagegen genügt nicht, daß der Arbeitgeber mit der Kündigung eigene Interessen verfolgt und dadurch den Arbeitnehmer objektiv schädigt. L A G Bremen vom 4. 8. 1948 — Sa 12/48 — RdA 1948, 193 mit zustimm Anm Hueck Hinweis: An die Stelle der auf § 242 BGB gestützten Klage ist die Kündigungsschutzklage wegen Sozialwidrigkeit auf Grund der Spezialvorschriften des KSchG vom 10. 8. 1951 (BGBl I S 499) getreten. Nur bei den seltenen Verstößen gegen Treu und Glauben, die nicht die Kündigungsgründe und die Auswahl der zu kündigenden Ar^ beitnehmer betreffen, verbleibt es bei der Anwendung des § 242 BGB, etwa bei gegensätzlichem Verhalten des Arbeitgebers, zB bei Kündigung eines aus fester Anstellung abgeworbenen Arbeitnehmers vor Ablauf von 6 Monaten. Die Nichtigkeit einer sittenwidrigen Kündigung (§ 138 BGB) kann der Arbeitnehmer nach § 11 Abs 3 Satz 1 KSchG jedoch unabhängig von den Vorschriften dieses Gesetzes geltend machen; vgl LAG Bremen vom 23. 1. 1952 — Sa 94/51 — Brem ARS Nr 330 und vom 26. 1. 1955 — Sa 1/55 — BremARS Nr 315 mit Hinweisen. Doch sieht das KSchG, wie aus § 7 Abs 1 Satz 3 hervorgeht, die offensichtlich willkürliche Kündigung (ohne triftige Gründe) und die aus nichtigen (nichtssagenden) Gründen erfolgte Kündigung nur als sozialwidrig an. Vgl Auffarth-Müller, §11 Anm 22; Herschel-Steinmann, Vorbem 3 vor §1; Hueck, Einl I I I , 5a und Anm 17 zu § 11.
Kündigung
N r 253
Zurücknahme: Schriftform BGB §§ 133,157 Die für die Kündigung vorgeschriebene Schriftform gilt nicht ohne weiteres auch für die Rücknahme einer Kündigung. LAG Bremen vom 10. 11. 1954 — Sa 68/54 — ARSt X I I I , 617 Hinweis: Die formlose Rücknahme einer Kündigung wird in aller Regel dem Vertragswillen schon deshalb entsprechen, weil die Rücknahme auch stillschweigend erfolgen kann, indem der Arbeitgeber sich nicht mehr auf die Kündigung beruft, sondern das Arbeitsverhältnis fortsetzt: Molltor, S 149; vgl § 625 BGB. Allerdings ist zu beachten, daß eine Kündigung nicht ohne Zustimmung des Kündigungsempfängers zurückgenommen werden kann. Diese Zustimmung kann aber ebenfalls stillschweigend zum Ausdruck gelangen, z B im voraus darin, daß der Kündigungsempfänger die Kündigung beanstandet: Molitor, aaO.
Kündigung
N r 254
Zustimmung des Arbeitsamtes ArbPlatzwechseiVO vom 1. 9. 1939 1. Ein nach dem Arbeitsvertrag vorgeschriebenes formales Kündigungsverfahren braucht nicht wiederholt zu werden, wenn der Kündigungsausspruch auf Grund des gleichen Tatbestandes wiederholt werden muß, weil zunächst die Zustimmung des Arbeitsamtes nicht vorgelegen hatte.
282
Kündigung,
a e n t e
2. Die Zustimmung des Arbeitsamts zur Kündigung stellt einen öffentlichreditlichen Verwaltungsakt dar, der das Gericht durch seine Tatbestandswirkung bindet. Das Gericht hat nur das gültige Zustandekommen eines solchen Verwaltungsaktes zu prüfen, nicht aber seine Rechtmäßigkeit. L A G Bremen vom 31. 8. 1949 — Sa 7/49 — WA 1950, 2
Kündigung, außerordentliche
Nr 255
mit Frist BGB § 626 Eine außerordentliche Kündigung kann auch unter Einhaltung einer gewissen Frist ausgesprochen werden. Aus der Kündigungserklärung muß sich jedoch unmißverständlich ergeben, daß eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden soll. L A G Bremen vom 19. 5. 1954 — Sa 38/54 — ARSt X I I , 393 Hinweis: Ebenso BAG vom 9. 12. 1964 — 2 AZR 46/53 — BAG 1, 237 = AP Nr 1 zu 5 123 GewO. Die für die außerordentliche Kündigung gewählte Frist kann nach der herrsch Meinung sogar derjenigen der ordentlichen Kündigung genau entsprechen: BAG vom 8. 10. 1957 — 3 AZR 124/55 — A P Nr 15 ZU § 626 BGB und vom 8. 10. 1957 — 3 AZR 136/85 — BAG 5, 20 = A P Nr 16 zu § 626 BGB ; Hueck-Nipperdey, Bd I S 59£—594 mwN.
Kündigung, betriebsbedingte
Nr 256
Arbeitsrückgang im öffentlichen Dienst: Meßziffernsystem KSchG §1 1. Gegen die Verwendung eines auf Erfahrungszahlen aufgebauten Meßziffersystems zur Feststellung der Übersetzung des Personalbestandes eines Betriebs sind Bedenken nicht zu erheben, wenn die Statistik ergibt, daß nicht nur an einem willkürlich gewählten Stichtag oder zufällig am Tage des Kündigungsausspruchs ein Personalüberschuß bestanden hat, sondern daß es sich um einen länger dauernden und erheblichen Arbeitsrückgang handelt, der unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Betriebsführung als ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Entlassung der überzähligen Arbeitnehmer anzusehen ist. Auch die Anwendung des Meßziffersystems enthebt den Arbeitgeber nicht der Prüfung, ob die Kündigung unter Berücksichtigung einer zu erwartenden Arbeitsentwicklung und sonstiger sozialer Umstände gerechtfertigt erscheint. Nicht eine einzelne Meßziffer kann als Unterlage hierfür dienen, sondern lediglich die Feststellung der aus einem Vergleich der Meßziffern während einer längeren Zeit ablesbaren Entwicklung der betrieblichen Arbeitsverhältnisse. Bei einer solchen Handhabung wird ein auf objektiven Tatsachen und langjährigen Erfahrungen beruhendes System einer schwerkontrollierbaren Schätzung des Arbeitgebers vorzuziehen sein. 2. Die wirtschaftliche Gestaltung eines Betriebes oder der Dienststelle einer Behörde oder öffentlichen Körperschaft ist in erster Linie Sache des Arbeitgebers. Die Gerichte können daher die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit einer Betriebseinschränkung nur dann nachprüfen, wenn eine solche Maßnahme offensichtlich gegen die Grundsätze einer vernünftigen Wirtschaftsführung verstößt und offenbare Fehlgriffe zum Nachteil der Arbeitnehmerschaft aufweist. Das Gericht kann dagegen nicht sein eigenes Ermessen hinsichtlich der wirtschaftlichen Gestaltung eines Betriebes an die Stelle eines im übrigen verständigen Ermessens des verantwortlichen Arbeitgebers setzen. 3. Die Verringerung des Personalbestandes einer Verwaltungsstelle des öffentlichen Dienstes aus betriebswirtschaftlichen Gründen (Arbeitsrückgang) stellt eine Verwaltungsmaßnahme dar, die nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung innerhalb der staatlichen Organisation einer Nachprüfung durch das Gericht nicht unterworfen ist. L A G Bremen vom 29. 10. 1952 — Sa 61/52 — BB 1953, 356 = ARSt I X , 424 1953, 199
WA
Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose
283 Nr 257
Anhaltende Krankheit HGB § 72 Abs 1 Nr 3 I m Falle einer fristlosen Entlassung nach § 72 Abs 1 N r 3 H G B wegen anhaltender Krankheit kommt es für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung nicht auf die subjektive Einstellung des Arbeitgebers an, sondern auf den objektiven Sachverhalt, d. h. darauf, ob nach ärztlichem Urteil mit einer Beendigung der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers in absehbarer Zeit gerechnet werden kann. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich hierüber vor Ausspruch der Kündigung Gewißheit zu verschaffen. L A G Bremen vom 4. 11. 1964 — 1 Sa 70/64 — DB 1965, 74 «= BB 1965, 165 = WA 1965, 38
Nr 258 BGB § 626 1. Eine anhaltende Krankheit kann auch im Sinne des § 626 BGB einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Es müssen jedoch bei der Abwägung der Belange beider Teile alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt werden, bevor festgestellt werden kann, daß die Weiterbeschäftigung des erkrankten Arbeitnehmers unzumutbar ist. Dabei fallen einerseits insbesondere eine längere Betriebszugehörigkeit und die soziale Auswirkung der Kündigung für den Arbeitnehmer ins Gewicht, auf der anderen Seite ist von Bedeutung, inwieweit die betriebliche Arbeit durch den Arbeitsausfall des Arbeitnehmers beeinträchtigt wird und welche Möglichkeiten für die Einstellung einer Ersatzkraft bestehen. Ergibt sich unter diesen Gesichtspunkten keine klare Lösungsmöglichkeit, so wird es in der Regel darauf ankommen, ob im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch mit einer nicht absehbaren weiteren Dauer der Arbeitsunfähigkeit gerechnet werden muß. Der Arbeitgeber ist auf jeden Fall verpflichtet, sich sachgemäß hierüber zu unterrichten, und zwar durch Befragung des erkrankten Arbeitnehmers bzw Anforderung einer ärztlichen Bescheinigung. Die Einholung einer Auskunft der Betriebskrankenkasse allein genügt nidit. 2. Ein häufiger Ausfall des Arbeitnehmers durch Krankheit kann einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Die Weiterbeschäftigung ist aber nur dann unzumutbar, wenn ein Zustand vorliegt, der auch für die Zukunft weitere Arbeitsausfälle erwarten läßt und somit eine Wiederholungsgefahr begründet. Eine Möglichkeit zur fristlosen Kündigung besteht daher nicht, wenn der Arbeitnehmer sich einer Operation unterzogen hat, um seine Anfälligkeit zu beseitigen und diese Anfälligkeit nach ärztlichem Gutachten behoben worden ist. L A G Bremen vom 6. 11. 1957 — I Sa 89/57 — BB 1958, 158 = BetrVerf 1958, 94 ArbGeb 1958, 43 = SAE 1958, 30 mit teilw krit Anm Bohn = WA 1958, 49 Hinweis: Ähnlich L A G Frankfurt aM vom 10. 3. 1953 — I V LA 427/52 — AP Nr 1 zu § 72 HGB. Vgl zu häufigen Erkrankungen eines Arbeitnehmers als wichtigen Grund L A G Bremen vom 28. 3. 1956 — Sa 10/56 — BremARS Nr 281.
Kündigung, fristlose
Nr 259
Arbeitsunfähigkeit GewO § 123 Abs 1 Nr 8 Zur „Fortsetzung" der Arbeit unfähig i. S. von § 123 Abs 1 N r 8 GewO kann nur sein, wer ursprünglich dazu fähig war und erst durch ein später aufgetretenes Gebrechen diese Fähigkeit verloren hat. Mangel an Geschicklichkeit oder gutem Willen zählt nicht dahin. GewG Bremen vom 18. 2. 1926 — GewuKfmG 1925/26, 331
284
Kündigung, fristlose
Kündigung, fristlose
Nr 2
Arbeits Verhinderung für nicht erhebliche Zeit: Kriegsausbruch HGB §§ 70, 63; BGB § 616 1. Ein Geschäftsführer, der sich beim Kriegsausbruch im Ausland auf U r laub befand, kann nicht fristlos entlassen werden, wenn der Zeitpunkt seiner Rückkehr zwar zunächst ungewiß ist, er dann aber nach etwa einem Monat doch zurückkehrt. Das gilt insbesondere dann, weil sich eine solche Unterbrechung der Dienstleistung mit Rücksicht auf den festen Vertragsschluß für 10 Jahre als verhältnismäßig unerheblich darstellt (vgl § 72 N r 3 HGB). 2. Für die Zeit seiner Arbeitsverhinderung stehen dem Geschäftsführer Gehaltsansprüche nach § 63 HGB nicht zu. KfmG Bremen vom 10. 10. 1914 — GewuKfmG 1914/15, 68
Kündigung, fristlose
Nr 261
Beamtenähnliches Dauerverhältnis: Strenger Maßstab BGB § 616 Bei einem beamtenähnlichen Dauerverhältnis muß an die Voraussetzungen eines wichtigen Kündigungsgrundes ein strenger Maßstab angelegt werden. Doch unterscheidet sich ein auf lebenslange Dauer abgestelltes Arbeitsverhältnis von einem öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis derart wesentlich, daß die Grundsätze des Beamtenrechts hinsichtlich vereinbarter Ruhegehaltsansprüche nicht analog angewendet werden können. L A G Bremen vom 21. 12. 1949 — Sa 60 + 63/49 — AP 50 N r 149 mit zustimm Anm Hueck - BB 1950, 72 = DB 1950, 48 - WA 1950, 69
Kündigung, fristlose
Nr 262
Beharrliche Arbeitsverweigerung: Ablehnung einer Versetzung (KaufhausAbteilungsleiterin) HGB §§ 70, 72 Abs 1 Nr 2 Es wird nicht entschieden, ob der Arbeitnehmer das Risiko einer etwa objektiv unberechtigten Arbeitsverweigerung (gegenüber einer Versetzungsanordnung) auch ohne Verschulden so oder so zu tragen hat oder ob unverschuldeter Irrtum über die Befugnis zur Arbeitsverweigerung das Recht zur außerordentlichen Kündigung ausschließt. Jedenfalls ist die Tatsache, daß sich der Arbeitnehmer in einem unverschuldeten Irrtum über die Berechtigung zu seiner Weigerung befunden hat, bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war. L A G Bremen vom 22. 5. 1962 — 2 Sa 16/62 — DB 1963, 735 =» AuR 1963, 317 Hinweis: I n der Revisionsinstanz haben sich die Parteien auf Vorschlag des BAG verglichen. Die Frage ist umstritten. Ein Verschulden des Arbeitnehmers fordern HueckNipperdey, Bd I S 602—604; Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 626 Anm 17; StaudingerNipperdey-Neumann, § 626 Anm 62; nach ihnen schließt ein Irrtum des Arbeitnehmers über die Berechtigung seiner Weigerung das Kündigungsrecht aus, falls der Irrtum seinerseits nicht verschuldet ist, wenn also der Arbeitnehmer trotz sorgfältiger Erkundigung und Prüfung der Rechtslage die Überzeugung gewonnen hat, daß er nicht verpflichtet sei, der Anordnung des Arbeitgebers nachzukommen. Anders Nikisch, Bd I S 736—737 mwN, der im Anschluß an das RAG nur verlangt, daß sich der Arbeitnehmer bewußt widersetzt hat. Das RAG vom 28. 2. 1958 — 1 AZR 491/56 — SAE 1958, 45 — verlangt offenbar Verschulden, L A G Bremen vom 20. 12. 1950 — Sa 52/50 — AP 52 N r 62 = Brem ARS Nr 138 — noch weitergehend Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit.
Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose
285 Nr 2
Beharrliche Arbeitsverweigerung: Einmaliger Vorgang GewO § 123 Abs 1 Nr 3 Die „Beharrlichkeit" i S des § 123 Abs 1 Nr 3 GewO setzt nicht unbedingt eine Wiederholung des Verhaltens voraus. Sie kann auch bei einmaligem Vorgang gegeben sein, wenn sie sich aus der hierbei und aus den Begleitumständen erkennbaren Willensrichtung entnehmen läßt. L A G Bremen vom 26. 1. 1928 — 35/27 — SAE 1928, 86 Hinweis: Jetzt herrsch Meinung. Vgl RAG vom 15. 2. 1936 — ARS 27, 298; BAG vom 12. 1. 1956 — 2 AZR 117/54 — BAG 2, 252 »»» A P N r 5 zu § 123 GewO.
Kündigung, fristlose
Nr 264
Beharrliche Arbeitsverweigerung: Objektive Wertung GewO § 123 Abs 1 Nr 3 1. Die — objektiv festgestellte — Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers schließt die Annahme einer beharrlichen Arbeitsverweigerung im Sinne von § 123 Abs 1 GewO denkgesetzlich aus. Unkorrekte Beweggründe des A r beitnehmers für die Ablehnung weiterer Arbeitsleistung und die Begleitumstände einer Krankmeldung sind für die Frage der Arbeitspflicht oder der Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers ohne Bedeutung, wenn er tatsächlich arbeitsunfähig war. Darauf, daß die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber beim Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht bekannt war, kommt es nicht entscheidend an. 2. Diese objektive Wertung des Kündigungstatbestandes ist dem Recht der außerordentlichen Kündigung nicht fremd. So kann im umgekehrten Falle eine außerordentliche Kündigung auch auf solche Gründe gestützt werden, die dem Kündigenden im Zeitpunkt der Kündigung noch gar nicht bekannt waren; sie müssen nur bereits vor Ausspruch der Kündigung objektiv bestanden haben. L A G Bremen vom 11. 8. 1964 — 2 Sa 33/64 — DB 1964, 1668 «= WA 1964, 371 Hinweis: Zur objektiven Wertung des wichtigen Grundes vgl Galperin, DB 1964, 1115.
Kündigung, fristlose
Nr 265
Beharrliche Arbeitsverweigerung: Unbefugtes Verweilen in Betriebsräumen GewO § 123 Abs 1 Nr 3 Weigert sich ein Arbeitnehmer beharrlich, der Aufforderung des Arbeitgebers zum Verlassen eines im Betriebe befindlichen Raumes, in dem er unbefugt verweilt, nachzukommen, so ist das zugleich eine beharrliche Verweigerung der Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeits vertrage, die den Arbeitgeber zur fristlosen Entlassung berechtigt. GewG Bremen vom 23. 4.1921 — GewuKfmG 1921/22, 14
Kündigung, fristlose
Nr 266
Beharrliche Arbeitsverweigerung: Widerstand gegen Versetzung (Bauarbeiter) GewO § 123 Abs 1 Nr 3 Eine beharrliche Arbeitsverweigerung liegt nicht vor, wenn ein Bauarbeiter zunächst erklärt, er werde einer Weisung des Arbeitgebers auf Versetzung an eine entferntere Baustelle nicht nachkommen, jedoch noch an demselben Tag nach Arbeitsschluß dem Arbeitgeber mitteilt, er werde die Weisung befolgen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Umsetzung für den Arbeitnehmer eine erhebliche Belastung mit sich bringt und im Betrieb die Übung
286
Kündigung,
r s e
besteht, die Arbeitnehmer möglichst auf der ihrer Wohnung am nächsten liegenden Baustelle einzusetzen. L A G Bremen vom 16. 1. 1957 — I Sa 131/56 — BB 1957, 329 - DB 1957, 120 - WA 1957, 105
Kündigung, fristlose
Nr 267
Beleidigung einer Handlungsgehilfin HGB §71 Nr 4 Die Äußerung des Geschäftsherrn über eine an einem Frauenleiden arbeitsunfähig erkrankte Handlungsgehilfin, sie könne sich die Krankheit nur nach Geschäftsschluß zugezogen haben, stellt eine erhebliche Ehrverletzung dar. KfmG Bremen vom 27. 10. 1909 — KfmG 1909/10, 70
Kündigung, fristlose
Nr 268
Beleidigung gegenüber Vertreter des Arbeitgebers GewO § 123 Abs 1 Nr 5 Ein Vorarbeiter ist nur dann Vertreter des Arbeitgebers i S des § 123 Abs 1 Nr 5 GewO, wenn er dem betreffenden Arbeitnehmer Weisungen erteilen darf. ArbG Bremen vom 11. 12. 1958 — 1 Ca 337/58 — WA 1959, 126 Hinweis: Ähnlich L A G Stuttgart vom 3. 11. 1950 — I I Sa 142/50 — A P 52 Nr 106 » BB 1951, 224 = DB 1951, 192 = SAE 1951, 39 mit zustimm Anm Sabin; zustimmend Rohlfing-Kiskalt-Wolff, § 123 Anm 7. I m Schrifttum wird, was auf das gleiche hinausläuft, teils auf die Vertretung im Befehlsrecht oder in der Aufsicht (Hueck-Nipperdey, Ba I S 606; Boldt-Steffens, § 123 Anm I I zu Nr 5), teils auf die Ausübung von Arbeitgeberfunktionen kraft entsprechender Stellung (Nikisch, Bd I S 738) abgestellt. Demgegenüber steht die Kenntnis des Vorgesetzten von einer Verfehlung des Arbeitnehmers nach § 123 Abs 2 GewO nur dann der des Arbeitgebers gleich, wenn der Vorgesetzte zur selbständigen Entlassung berechtigt ist: Landmann-Rohmer, § 123 Anm 12.
Kündigung, fristlose
Nr 269
Beschäftigungsverbot der MilReg BGB § 626 1. Ein Beschäftigungsverbot der Militär-Regierung bewirkt keine automatische Auflösung des Arbeitsverhältnisses. 2. Die fristlose Entlassung eines politisch belasteten Arbeitnehmers war auch ohne Zustimmung des Arbeitsamtes wirksam. 3. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung nach der Entnazifizierung besteht nur in Ausnahmefällen. L A G Bremen vom 7. 10. 1954 — Sa 119 + 134/54 — WA 1955, 19
Kündigung, fristlose
Nr 270
Beteiligung an rechtswidrigen Streikmaßnahmen GewO § 123 Abs 1 Nr 3 und 7 1. Streikende Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis noch nicht gekündigt worden ist, haben gleichwohl kein Recht, die Betriebsräume zu betreten, um dort auf die noch arbeitswilligen Betriebsangehörigen im Sinne der Streikbeteiligten einzuwirken. Verlassen sie die Betriebsräume trotz Aufforderung nicht, so stellt sich ihr Verhalten als Hausfriedensbruch dar. 2. Streikende Arbeitnehmer, die innerhalb der Betriebsstätte dort tätige Betriebsangehörige zur fristlosen Arbeitsniederlegung zu verleiten versuchen, erfüllen damit den Tatbestand des § 123 Abs 1 Nr 7 GewO. Sind sie zu die-
Kündigung,
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sem Z w e c k v o r h e r w i d e r r e c h t l i c h i n die B e t r i e b s r ä u m e e i n g e d r u n g e n oder w e i g e r n sie sich t r o t z m e h r f a c h e r A u f f o r d e r u n g , d i e B e t r i e b s r ä u m e z u v e r lassen, so e r f ü l l t dieses V e r h a l t e n w e i t e r h i n d e n T a t b e s t a n d des § 123 A b s 1 N r 3 GewO. L A G Bremen vom 6. 5. 1953 — Sa 75/53 — A P 54 N r 87 mit im Ergebnis zustimm Anm Hoeniger « BB 1953, 501 - DB 1953, 536 - ArbGeb 1953, 582 - ARSt X , 458 - W A 1953, 251
Kündigung, fristlose
Nr 271
Betriebseinschränkung BGB § 626 1. D e r wirtschaftliche N i e d e r g a n g eines U n t e r n e h m e n s w i r d , auch w e n n e r m i t erheblicher B e t r i e b s e i n s c h r ä n k u n g v e r b u n d e n ist, n u r u n t e r besonderen U m s t ä n d e n e i n e n w i c h t i g e n G r u n d z u r fristlosen E n t l a s s u n g eines A r b e i t n e h m e r s abgeben. 2. D a s g i l t auch f ü r nach z e h n j ä h r i g e r D i e n s t z e i t n u r aus w i c h t i g e n G r ü n d e n k ü n d b a r e Angestellte. L G Bremen vom 6. 5. 1924 — GewuKfmG 1924/25, 52 Hinweis: Es handelt sich um die erhebliche Einschränkung des Zugverkehrs auf der Bremen-Thedinghäuser Kleinbahn. Aus den Gründen: Die Beklagte mußte zur Sicherung des wirtschaftlichen Daseins ihrer langjährigen Angestellten alle Kräfte aufbieten und durfte Ertraglosigkeit ihres Unternehmens nicht scheuen, wenn ihr auch die dauernde Unterhaltung eines erhebliche Zuschüsse erfordernden Betriebes nicht wird zugemutet werden können. — Das entspricht jedenfalls für den LS 1 der herrsch Meinung zur Einstellung oder Einschränkung des Betriebes. Vgl nur L A G Berlin vom 16. 2. 1961 — 2 Sa 1/61 — BB 1961, 605; Hueck-Nipperdey t Bd I S 583; Nikisch, Bd I S 726.
Kündigung, fristlose
Nr 272
Dauerndes Zuspätkommen GewO
§ 123 Abs 1 Nr 3
D a u e r n d e s Z u s p ä t k o m m e n eines Gesellen t r o t z A b m a h n u n g e r f ü l l t als f o r t gesetzter V e r s t o ß gegen die Pflichten aus d e m A r b e i t s v e r h ä l t n i s d e n T a t bestand der b e h a r r l i c h e n A r b e i t s v e r w e i g e r u n g i S v o n § 123 A b s 1 N r 3 GewO. ArbG Bremen vom 26. 1. 1959 — 1 Ca 1/59 — ARSt X X I I , 410 Hinweis: Nach der herrsch Meinung ist bereits wiederholtes Zuspätkommen trotz Abmahnung als beharrliche Arbeitsverweigerung anzusehen. So etwa L A G Düsseldorf vom 30. 6. 1959 — 3 Sa 140/59 — BB 1959, 1307.
Kündigung, fristlose
Nr 273
D i e b s t a h l aus N o t TOB § 21 E i n aus N o t begangener D i e b s t a h l eines A r b e i t n e h m e r s d e r E i s e n b a h n ist nicht u n t e r a l l e n U m s t ä n d e n e i n w i c h t i g e r K ü n d i g u n g s g r u n d . L A G Bremen vom 28. 9. 1949 — Sa 30/49 — AP 50 Nr 96 mit zustimm Anm Hueck « BB 1950, 941 = ARSt I I I , 613, 644, 668 - WA 1950, 20 Hinweis: Es handelte sich um Kartoffeldiebstähle eines Hilfszugschaffners im Herbst 1947, als „Lohn- und Gehaltsempfänger mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, um auch nur die notwendigsten Nahrungsmittel herbeizuschaffen"; der Arbeitnehmer hatte für eine achtköpfige Familie zu sorgen. Galperin, DB 1964 1116, führt den Fall zu Recht als besonders eindrucksvolles Beispiel dafür an, daß es absolute Entlassungsgründe nicht gibt, daß die Schwere einer Verfehlung bei aller Bedeutsamkeit als Beurteilungselement nicht von der Abwägung aller für und gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sprechende Gründe enthebt.
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Kündigung, fristlose
Kündigung, fristlose
Nr 27
Eigengruppe: Artistengruppe GewO § 124 a Ist dem ein Nachtkabarett betreibenden Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem Mitglied einer zweiköpfigen Artistengruppe (Eigengruppe), die im Rahmen des auf einen Monat befristeten Engagementsvertrages zu täglich zwei Tanzduos und zwei Tanz- bzw Strip-teaseSoli verpflichtet ist, nach den Umständen des Falles nicht zuzumuten, so kann er grundsätzlich der ganzen Gruppe kündigen, auch wenn ein wichtiger Grund in der Person des anderen Mitgliedes nicht gegeben ist. Darüber hinaus kommt die außerordentliche Kündigung nur einzelner Mitglieder der Eigengruppe insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die weitere Tätigkeit der verkleinerten Gruppe für den Arbeitgeber nicht mehr von Interesse ist. L A G Bremen vom 8. 9. 1964 — 2 Sa 40/64 — AuR 1965, 151 Hinweis: Ähnlich im Falle einer Musikkapelle (Durch schlechtes Spiel eines einzelnen Kapellenmitgliedes hervorgerufene minderwertige Gesamtleistung) BAG vom 9. 2. 1960 — 2 AZR 585/57 — BAG 9, 44 = AP Nr 39 zu S 626 BGB — und L A G Bremen vom 14. 5. 1952 — Sa 15/52 — BremARS Nr 198.
Kündigung, fristlose
Nr 275
Einmalige Entgleisung: Schönheitstänzerin GewO § 124 a Dem Arbeitgeber, der sich als Unternehmer eines Nachtkabaretts mit sog Schönheitstänzen und Strip-tease-Vorführungen weder um die Richtlinien des Internationalen Variete-Theater und Circusdirektorenverbandes für das Auftreten von Schönheits- und Strip-tease-Tänzerinnen bemüht, noch sich an die von der Gewerbepolizei bei einer ernstlichen Verwarnung gegebenen Hinweise hält, noch den Artistinnen eigene allgemeine Weisungen erteilt, in denen eine absolute Grenze des sittlich Erlaubten gesetzt wird, ist es verwehrt, sich auf eine einmalige Entgleisung einer Artistin als wichtigen Kündigungsgrund zu berufen, die nicht vorgekommen wäre, wenn er namentlich jede Berührung mit dem Publikum untersagt hätte. Das gilt gerade auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner nach der Sachlage gegebenen Verpflichtung, jeden Auftritt einer Schönheits- und Strip-tease-Tänzerin selbst zu überwachen oder überwachen zu lassen, nicht nachkommt. L A G Bremen vom 8. 9. 1964 — 2 Sa 40/64 — AuR 1965, 151
Kündigung, fristlose
Nr 276
Entlassungsbefehl der Mil-Reg BGB § 626; BefreiG Art 64 Der Entlassungsbefehl der Militär-Regierung ergreift das privatrechtliche Arbeitsverhältnis nicht. Er stellt lediglich den Befehl an den Arbeitgeber dar, den Betroffenen nicht mehr zu beschäftigen. Der Arbeitgeber hat in solchem Falle das Recht zur fristlosen Entlassung. Wird eine privatrechtliche Kündigung des Arbeitsvertrages nicht ausgesprochen, so besteht das Arbeitsverhältnis fort. Die Vertragserfüllung ist jedoch zeitweilig unmöglich. Nach Rücknahme des Entlassungsbefehls wird der Arbeitsvertrag wieder voll wirksam. L A G Bremen vom 18. 6. 1947 — Sa 12/47 — BB 1947, 341; 1948, 105
Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose
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Entlassungsbefehl der Mil-Reg — Wiedereinstellung BGB § 626; BefreiG der Mil-Reg Art 64; BremVO vom 15. 6. 1945 (BremGBl S 17) §2 1. Für eine Kündigung auf Grund der Vagt'schen Verordnung war nach dem 30. Juni 1945 die Zustimmung des Arbeitsamtes gemäß § 2 erforderlich. 2. Durch abschriftliche Mitteilung der Entlassungsanordnung hat die Arbeitgeberin unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie dem Befehl der Militärregierung nachzukommen wünsche. Der Kläger konnte daher nicht darüber im Zweifel sein, daß die Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen wollte, zumal die Beklagte bereits vorher aus einem anderen Rechtsgrunde die Kündigung ausdrücklich erklärt hatte. 3. Artikel 64 des Befreiungsgesetzes für die US-Zone schließt einen Anspruch auf Wiedereinstellung nach Rehabilitierung grundsätzlich nicht aus. 4. Durch die Entlassung ehemaliger Nationalsozialisten auf Grund des Beschäftigungsverbotes der Militärregierung erfolgt nicht nur eine vorläufige Unterbrechung der Tätigkeit bis zur Rehabilitierung, sondern grundsätzlich die Auflösung des Arbeitsvertrages. Eine Suspendierung kann nur angenommen werden, wenn dies dem Willen beider Parteien entsprochen hat. 5. Rehabilitierte Nationalsozialisten haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Wiedereinstellung. Ausnahmen können in Sonderfällen zugelassen werden, wenn das Festhalten an der Kündigung nach Treu und Glauben einen Rechtsmißbrauch darstellen würde (falsche Denunziation durch den Arbeitgeber selbst oder einen seiner verantwortlichen Mitarbeiter) oder wenn die Wiedereinstellung vereinbart oder mehr oder weniger deutlich in Aussicht gestellt worden war. Lange Betriebszugehörigkeit begründet noch keinen Anspruch auf Wiedereinstellung. L A G Bremen vom 31. 5. 1950 — Sa 26/50 — AP 50 Nr 205 Hinweis: Bei der sog Vagt'schen Verordnung handelte es sich um die BremVO vom 15. 6. 1945 (BremGBl S 17), die der erste bremische „Regierende Bürgermeister" nach dem 2. Weltkrieg auf Grund einer Ermächtigung durch den Chef der Mil-Reg Colonel Welker (SRB S 1. a. Nr 364) erließ. Die VO sah für alle Arbeitsverhältnisse ein außerordentliches Kündigungsrecht bis zum 30. 6. 1945 vor. — Zu der umfangreichen Rechtsprechung zur Entlassung und Wiedereinstellung ehemaliger Nationalsozialisten siehe auch L A G Bremen vom 18. 6. 1947 — Sa 12/47 — BremARS N r 276, vom 7. 10. 1953 — Sa 127/53 — ARSt X I I I , 288 — und vom 7. 10. 1953 — Sa 119 + 143/53 — ARSt X I I I , 420 bis 422. — Das BVerfG vom 21. 1. 1953 — 1 BVR 520/52 — BVerfGE 2, 105, 110—113 — hat übrigens auch außerhalb des BefreiG für die amerikanische Zone die fristlose Entlassung eines erst während der nationalsozialistischen Herrschaft als Angestellter in den Verwaltungsdienst Übernommenen „Altparteigenossen" für berechtigt erklärt und einen wichtigen Grund überhaupt in der selbstverständlichen Pflicht aller Behörden und öffentlichen Verwaltungen gesehen, „ihren Personalkörper möglichst weitgehend von nationalsozialistischen Elementen zu säubern".
Kündigung, fristlose
Nr 278
Erbieten zur Abwerbung — Vorbereitung eigenen Betriebes BGB § 626; GewO §§ 133 b, 133 c 1. Einem Arbeitnehmer, der die Absicht hat, sich zu verändern, kann man es weder verwehren noch verdenken, wenn er gewisse Vorbereitungen trifft, um sich entweder im Erwerbszweig seiner bisherigen Arbeitgeberin selbständig zu machen, oder wenn er bestrebt ist, Möglichkeiten zu erkunden, die sich ihm für die Verwertung seiner beruflichen Erfahrungen in einem anderen Betrieb bieten können. Eine Einschränkung erfährt dieses Recht allerdings durch die dem Arbeitnehmer obliegende Treuepflicht und insbesondere seine Verpflichtung zur Wahrung der Geschäftsgeheimnisse seiner Arbeitgeberin. 2. Ein Arbeitnehmer, der sich Dritten gegenüber erbietet, Mitarbeiter seines Beschäftigungsbetriebes abzuwerben, d h zur Kündigung ihres Arbeitsver19
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hältnisses und zum Übertritt in einen anderen Betrieb zu veranlassen, verstößt dadurch gröblich gegen seine Treuepilicht. Das gilt auch dann, wenn er selbst ebenfalls die Absicht hat, sein Arbeitsverhältnis aufzulösen. Die Treuepflicht muß als Richtschnur für sein Verhalten bis zur Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses gelten. Eine Verletzung dieser Pflicht rechtfertigt die fristlose Entlassung. L A G Bremen vom 6. 7. 1955 — Sa 62/55 — A P Nr 10 zu 9 626 BGB mit zustimm Anm Herschel - DB 1956, 356, 378 - WA 1956, 162 Hinweis: Ähnlich wie LS 1 L A G Düsseldorf vom 8. 4. 1954 — 3 Sa 1/54 — A P N r 2 zu § 133 c GewO.
Kündigung, fristlose
Nr 279
Erklärung — Anhörung vor Ausspruch BGB §§ 242, 626 1. Die außerordentliche Kündigung muß als solche deutlich und zweifelsfrei sein. Denn es ist die Sache des Kündigenden, seinen Willen klar zum Ausdruck zu bringen. 2. Lehnt eine ausländische Reisegruppe den Arbeitnehmer-Kraftfahrer wegen unzureichender Verständigung ab, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung Gelegenheit zu geben, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen, den der Arbeitgeber als wichtigen Grund für eine solche Kündigung benutzen will. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht ausgeschlossen ist, daß die Anhörung des Arbeitnehmers zu einer anderen Beurteilung des Arbeitgebers führt. Die rechtserhebliche Unterlassung des Arbeitgebers hat nach Treu und Glauben zur Folge, daß eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers schon aus diesem Grunde unwirksam ist. 3. Es wird nicht entschieden, ob die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Fällen zulässig ist, in denen an sich die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gegeben ist. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind jedenfalls bei einem Arbeitsverhältnis dann nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber den Vertrag mit Kunden, zu deren Betreuung der Arbeitnehmer befristet angestellt ist, aus Kulanz vorzeitig aufhebt und von der Möglichkeit keinen Gebrauch macht, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. L A G Bremen vom 25. 10. 1960 — 2 Sa 41/60 — D B 1961, 1620 « RdA 1962, 48 » AuR 1962, 89 = WA 1961, 24, 295
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Nr 280
Fehlkalkulation: Werftangestellter in leitender Stellung KSchG §§ 7, 8, 11 Abs 1; GewO § 133 b 1. Ein schuldhaftes Verhalten eines Werftangestellten in leitender Stellung bei der Vorkalkulation eines Schiffsneubaues kann die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses insbesondere dann rechtfertigen, wenn der Angestellte gegen die Grundsätze ordnungsmäßigen Kalkulierens erheblich verstoßen und dadurch hohe Verluste der Werft verursacht hat. 2. Das gilt aber dann nicht, wenn dem Angestellten eine ausgesprochene Fehlkalkulation nicht vorzuwerfen ist und wenn gewisse Fehl- und Trugschlüsse im wesentlichen auf mangelnde eigene Erfahrungen des Angestellten auf dem Spezialgebiet und darauf zurückzuführen sind, daß auch die Werft über einschlägige Archiv- und Karteiunterlagen und spezielle betriebliche Erfahrungen nicht verfügte. Unter solchen Verhältnissen hat auch ein Werftangestellter in leitender Stellung Anspruch auf eine gewisse Nachsicht seines Arbeitgebers, selbst wenn durch seine Unterlassungen ein
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größerer Kalkulationsschaden eingetreten ist. Das gilt besonders dann, wenn die Werft, um den Auftrag auf jeden Fall zu erhalten, auf jegliche, sonst übliche Kalkulationsreserven bewußt verzichtet hat. L A G Bremen vom 13. 5. 1865 — 2 Sa 117/63
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Nr 281
Häufige Erkrankungen BGB § 626 1. Häufige Erkrankungen eines Arbeitnehmers bilden einen wichtigen Grund zur fristlosen Entlassung nur dann, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Wiederholte Erkrankungen in der Vergangenheit reichen nicht ohne weiteres aus, vielmehr muß ein Zustand vorliegen, der auch für die Zukunft die Fortdauer derartiger Krankheiten erwarten läßt. Es muß somit eine Wiederholungsgefahr bestehen oder infolge der Erkrankungen die Dienstfähigkeit zu verneinen sein. 2. Kann ein Arbeitnehmer nach längerer Betriebszugehörigkeit infolge überstandener Krankheit an seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden, so ist der Arbeitgeber — jedenfalls wenn es sich um einen Großbetrieb handelt — verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechende andere Arbeit zuzuweisen. Erst wenn auch das nicht möglich ist, ist eine Entlassung aus einem wichtigen Grunde zulässig. L A G Bremen vom 28. 3. 1956 — Sa 10/56 — A P N r 17 zu 8 626 BGB mit im Ergebnis zustimm Anm Schnorr von Carolsfeld — BB 1956, 623 — DB 1956, 623 — RdA 1958, 239 = ARSt X V I , 476, 478 » WA 1956, 253 Hinweis: Nach Dirk, Neumann, Kündigung bei Krankheit, 3. Aufl, S 30, soll LS 1 nur gelten, wenn der Arbeitnehmer wegen der wiederholten Krankheit auch nicht für die Dauer der Kündigungsfrist eingesetzt werden kann und selbst in dieser uU kurzen Zeitspanne mit einer Wiederholungsgefahr gerechnet werden muß.
Kündigung, fristlose
Nr 282
Handlungsreisender: Verletzung der Berichtspflicht HGB §§ 59, 86, 70 Der als Reisender tätige Angestellte verletzt seine Treupflicht, wenn er sich entgegen seiner arbeitsvertraglichen Informationspflicht weigert, seinem Arbeitgeber über ihm bekannt gewordene und für den Geschäftsbetrieb wichtige Tatsachen Aufschluß zu geben, selbst wenn ihm diese Tatsachen vertraulich mitgeteilt worden sind. Der Arbeitnehmer hat beim Widerstreit zwischen seinen und den Interessen des Unternehmens die eigenen Interessen zurückzustellen. Er gibt in solchem Fall dem Arbeitgeber einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung. L A G Bremen vom 1. 12. 1954 — Sa 94/54 — DB 1955, 123 - SAE 1955, 83
Kündigung, fristlose
Nr 283
Hehlerei nach Diebstahl durch Lehrling GewO § 123 Abs 1 Nr 7 1. Ein Arbeiter kann sofort entlassen werden, wenn er bei Diebstählen, die ein Lehrling begeht, als Hehler mitwirkt. 2. Der Begriff Familienangehörige in § 123 Abs 1 N r 7 GewO muß weit gefaßt werden; es fallen auch Lehrlinge, bezüglich deren dem Lehrherrn in gewissem Maße die Stellung des Inhabers der elterlichen Gewalt zusteht, unter diesen Begriff, selbst wenn sie nicht in die häusliche Gemeinschaft des Lehrherrn aufgenommen sind. GewG Bremen vom 8. 1. 1920 — GewuKfmG 1920, 125 = GewArch 19, 361 - JAR 1, 54
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Nr 2
Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses—Verwirkung: Leitender Angestellter BGB §§ 626, 242 1. Auch wenn das beanstandete Verhalten eines leitenden Angestellten durch besondere Verhältnisse entschuldigt wird, berechtigt die dadurch veranlaßte Behinderung weiterer vertrauensvoller Zusammenarbeit den A r beitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages. 2. Eine Verwirkung des Rechts zur fristlosen Kündigung tritt nicht ein, wenn und solange über die Kündigungsberechtigung ein Rechtsstreit schwebt, auch wenn die Kündigungserklärung später aus formellen Gründen nochmals wiederholt wird. 3. Eine Verwirkung des Rechts zur fristlosen Kündigung tritt auch dann nicht ein, wenn durch das Verhalten des Gekündigten ein Dauerzustand (vollständige Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses) geschaffen worden ist. L A G Bremen vom 31. 8. 1949 — Sa 7/49 — W A 1950, 2
Kündigung, fristlose
Nr 285
Liederlicher Lebenswandel: Kellner GewO § 123 Abs 1 Nr 2 1. Die Feststellung des liederlichen Lebenswandels hängt nicht von der Feststellung eines strafwürdigen Verhaltens des Arbeitnehmers ab. 2. Der liederliche Lebenswandel braucht nicht unmittelbar während der A r beitszeit zur Schau getragen zu werden. Es genügt, wenn durch den liederlichen Lebenswandel das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers beeinträchtigt wird. 3. Das Arbeitsverhältnis wird beeinträchtigt, wenn der gute Ruf des Arbeitnehmers gelitten hat und das Vertrauen des Arbeitgebers in die Solidität des Arbeitnehmers erschüttert ist. 4. Wiederholte Trunkenheit kann unter Berücksichtigung der Umstände des Falles als liederlicher Lebenswandel gedeutet werden. L A G Bremen vom 21. 9. 1955 — Sa 90/55 — DB 1956, 332 = ARSt X V I , 265 = WA 1956, 182
Kündigung, fristlose
Nr 286
Nachschieben von Gründen — Objektive Wertung GewO §§ 123,124 a Bei einer fristlosen Kündigung kommt es nicht auf die subjektiven Beweggründe, sondern auf die objektive Sachlage an. Der Kündigende kann auch noch nachträglich im Rechtsstreite andere als die bei der sofortigen Kündigung vorgebrachten, gegebenenfalls sogar erst später entstandenen Gründe vorbringen. L A G Bremen vom 26. 1. 1928 — 35/27 — SAE 1928, 86 Hinweis: Nach der herrsch Meinung ist bei fristloser Entlassung das Nachschieben von Kündigungsgründen, die erst nach der Kündigung entstanden sind, nicht zulässig. Solche Gründe kommen nur für eine neue Kündigung in Betracht. Vgl BAG vom 15. 12. 1955 — 2 AZR 228/54 — BAG 2, 245 = A P N r 1 zu § 67 HGB, vom 3. 5. 1956 — 2 AZR 388/54 — BAG 3, 13 = A P N r 9 zu S 626 BGB und vom 19. 12. 1958 — 2 AZR 390/58 — BAG 7, 165 = A P N r 1 zu § 133 b GewO.
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Nr 287
Nichtablehnung eines Schmiergeldangebotes: Technischer Angestellter GewO § 133 b Ein technischer Angestellter, dem Schmiergelder angeboten werden, hat die Pflicht, das Angebot klar und unzweideutig abzulehnen und die Sache sei-
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nem Vorgesetzten unverzüglich anzuzeigen. Eine Verletzung dieser Pflicht rechtfertigt in der Hegel die fristlose Entlassung, wenn nicht besondere U m stände das Verhalten des Angestellten entschuldbar erscheinen lassen. L A G Bremen vom 27. 11. 1936 — Sa 49/36 — ARS 29 L A G 40 = JW 1937, 1186 Hinweis: Soweit das Urteil eine unverzügliche Anzeige an den Arbeitgeber verlangt, wird dies von Hueck-Nipperdey, Bd I S 247 F N 32, so allgemein für zu weitgehend gehalten. Die Notwendigkeit einer Anzeige soll vielmehr von den Umständen des Einzelfalles abhängen, Insbesondere davon, ob schon ein bloßes Verschweigen des Vorfalles das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber beeinträchtigen kann.
Kündigung, fristlose
Nr 288
Postarbeiter BGB § 626; TV für die Arbeiter
der Deutschen Bundespost vom 6. 1. 1955
Die Kündigung eines über 15 Jahre bei der Post beschäftigten Arbeiters kann trotz der Kündigungsbeschränkung des § 26 T V - A r b gemäß § 27 T V Arb aus jedem wichtigen Grunde erfolgen. Die Kündigung wird rechtswirksam durch den Amtsvorsteher ausgesprochen, der nachträglich die Zustimmung der Oberpostdirektion einzuholen hat; die OPD kann die Kündigung aber auch selbst aussprechen. Die Zustimmung des Bundespostministeriums ist nicht erforderlich. L A G Bremen vom 28. 3. 1956 — Sa 10/56 — A P Nr 17 zu § 626 BGB mit im Ergebnis zustimm Anm Schnorr von Carolsfeld BB 1956, 623 = DB 1956, 623 •= RdA 1958, 239 = ARSt X V I , 476, 478 = WA 1956, 253 L A G Bremen vom 17. 5. 1960 — 2 Sa 23/60 — BB 1960, 1246 = 1961, 532 = DB 1960, 1312, 1367 = AuR 1961, 28, 91 = WA 1960, 332
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Nr 289
Rückwirkende Erklärung — Überschreitung der Krankmeldefrist BGB §§626, 254 Abs 2 1. Eine rückwirkend ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist nicht wegen der Rückdatierung unwirksam. Eine Rückwirkung ist jedoch ausgeschlossen. Eine rückwirkend ausgesprochene außerordentliche Kündigung wird grundsätzlich mit ihrem Zugehen wirksam, wenn sie den Umständen nach auch ohne Zeitbestimmung ausgesprochen worden wäre. 2. Die Fehlhandlung eines Arbeitnehmers im Sinne einer Pflichtverletzung erlangt ihre kündigungsrechtliche Bedeutung entweder durch den Umfang oder das Gewicht des dem Arbeitgeber zugefügten Nachteils, oder durch die hinter der objektiven Fehlhandlung liegende subjektive Einstellung des A r beitnehmers. Allein ein formaler Verstoß gegen eine Pflicht aus dem A r beitsverhältnis reicht nicht aus, um insbesondere eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. 3. Das Verlangen des Arbeitgebers auf Einhaltung der arbeitsverträglidien Krankmeldefrist ist dann fürsorgepflichtwidrig, wenn die Erkrankung des Arbeitnehmers sofortige Maßnahmen zur Feststellung und Behandlung der Krankheit erfordert und ihm daher nicht zuzumuten ist, die vertragliche Krankmeldefrist einzuhalten. 4. Meldet sich ein erkrankter Arbeitnehmer nicht formgerecht und rechtzeitig krank, so kann der Arbeitgeber ihn nicht voll mit den dadurch verursachten Nachteilen und Schäden belasten, wenn er eine ihm zumutbare Erkundigung unterläßt. Der Rechtsgedanke des § 254 Abs 2 BGB gilt auch im Kündigungsrecht. L A G Bremen vom 17. 5. 1960 — 2 Sa 23/60 — BB 1960, 1246; 1961, 532 = DB 1960, 1312, 1367 = AuR 1961, 28, 91 = WA 1960, 332 Hinweis: Dem deutschen Arbeltsrecht ist die Rückwirkung einer Kündigung grundsätzlich fremd; sogar die Anfechtung arbeitsvertraglicher Willenserklärungen gemäß §§ 119, 123 BGB hat nach einhelliger Meinung nur Wirkung für die Zukunft. — I n der Sache selbst hatte die fiebrig und bettlägerig erkrankte Arbeitnehmerin einer Kran-
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kenanstalt die Frist für die Krankmeldung um l 1 /« Stunden überschritten und anstelle eines vertraglich vereinbarten ärztlichen Attestes eine Verdienstbescheinigung der Krankenkasse vorgelegt, und zwar nicht innerhalb von 3, sondern nach 7 Tagen. Eine einmalige Pflichtverletzung dieser Art wird in der Regel nicht als Grund zur fristlosen Entlassung anzusehen sein, wenn die Krankheit tatsächlich besteht. So auch LAG Hamburg vom 7. 10. 1954 — 3 Sa 357/54 — BB 1955, 227.
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Schwerbeschädigte GewO §§ 123,124 a Schwerbeschädigten Arbeitern kann nicht nur in den Fällen des § 123 GewO, sondern auch gemäß § 124 a GewO aus wichtigen Gründen gekündigt werden. GewG Bremen vom 3. 9. 1921 — GewuKfmG 30, 315 — JAR 6, 349 Hinweis: Jetzt allgem Ansicht; vgl den Hinweis zu L A G Bremen vom 26. 1. 1928 — 35/27 = BremARS Nr 291.
Kündigung, fristlose
Nr 291
Schwerbeschädigte und Betriebsratsmitglieder GewO §§ 123 f 124 a § 124 a GewO, der beiden Vertragsteilen bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Recht zur fristlosen Auflösung des Dienstverhältnisses gibt, findet sowohl auf Schwerbeschädigte als auch auf Betriebsratsmitglieder Anwendung. L A G Bremen vom 26. 1. 1928 — 35/27 — SAE 1928, 86 Hinweis: Jetzt allgem Meinung; vgl nur BAG vom 3. 12. 1964 — 1 AZR 150/54 — BAG 1, 185 - A P Nr 2 zu 9 13 KSchG und vom 25. 2. 1963 — 2 AZR 313/62 — A P Nr 4 zu § 19 SchwBeschG.
Kündigung, fristlose
Nr 292
Umdeutung BGB § 140 Eine unwirksame fristlose Kündigung ist jedenfalls dann in eine fristgemäße Kündigung umzudeuten, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß der Kündigende auf jeden Fall das Arbeitsverhältnis nicht mehr fortsetzen wollte. LAG Bremen vom 22. 3. 1950 — Sa 7/50 — A P 50 Nr 214 mit zustimm Anm Nikisch BB 1950, 340 = DB 1950, 290 « WA 1950, 250 Hinweis: Vgl jetzt 9 11 Abs 2 KSchG; danach gilt eine unwirksame fristlose Kündigung im Zweifel nicht als Kündigung für den nächsten zulässigen Kündigungszeitpunkt. Nach BAG vom 7. 10. 1954 — 2 AZR 6/54 — A P Nr 5 zu § 1 KSchG enthält diese Bestimmung nur eine widerlegbare Vermutung; ebenso Herschel-Steinmann, 9 11 Anm 7, während Hueck, 9 11 Anm 10 und Nikisch, Bd I S 610, 748 darin eine Auslegungsregel sehen. Vermittelnd Auffarth-Müller, 9 11 Anm 15—16.
Kündigung, fristlose
Nr 293
Unbefugtes Verlassen der Arbeit: Weggehen nach Kränkung GewO § 123 Abs 1 Nr 3 Unbefugtes Verlassen der Arbeit liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz verläßt, weil er von dem Arbeitgeber gekränkt worden ist. ArbG Bremerhaven vom 13. 7. 1956 — Ca 293/56 — WA 1957, 11
Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose
295 Nr 2
Verdacht betrügerischen Verhaltens: „Ertrotzen" verweigerten Urlaubs HGB § 70 Abs 1 1. Die fristlose Entlassung eines zunächst nur zur Einarbeitung für einen leitenden Posten in Übersee angestellten Arbeitnehmers kann nicht darauf gestützt werden, daß er sich nach zweimaliger Ablehnung eines Erholungsurlaubs aus betrieblichen Gründen (Inventur) wegen eines von ihm bis dahin verheimlichten alten Magenleidens (Magenresektion, Anfälligkeit gegen Gastritis) für die gleiche Zeit hat krank schreiben lassen und denselben Urlaubsort wie ursprünglich vorgesehen aufgesucht hat. 2. Auch wenn der Verdacht nicht auszuräumen ist, daß der Angestellte den verweigerten Urlaub ertrotzen wollte und zu diesem Zweck die Krankschreibung erschlichen hat, reicht dieser Verdacht eines betrügerischen Verhaltens zur Hechtfertigung einer fristlosen Kündigung nicht aus, weil hier bei Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist keine ins Gewicht fallende Gefährdung des Betriebs zu befürchten ist. L A G Bremen vom 27. 7. 1960 — 1 Sa 56/60 — BB i960, 1168 = DB 1960, 1132
Kündigung, fristlose
Nr 295
Verdacht strafbarer Handlung — Verwirkung BGB §§ 626,242 1. Eine fristlose Kündigung kann in der Regel nicht auf den bloßen Verdacht einer unredlichen Handlung gestützt werden. Anders ist es, wenn im Falle eines unaufgeklärt gebliebenen Verdachts vom Arbeitgeber auf Grund der gesamten Umstände des Falles nicht erwartet werden kann, daß er zu dem belasteten Arbeitnehmer wieder Vertrauen gewinnt. 2. Eine unzulässige Verzögerung der fristlosen Kündigung kann nicht darin erblickt werden, daß eine Behörde zunächst den Ausgang eines gegen ihren Angestellten schwebenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft abwartet. L A G Bremen vom 26. 10. 1949 — Sa 38/49 — A P 50 N r 27 mit zustimm Anm Hueclc =• BB 1950, 93 - DB 1949, 503 = W A 1950, 41 Hinweis: Ähnlich BAG vom 12. 5. 1955 — 2 AZR 77/53 — BAG 2, 1 - AP Nr 1 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung.
Kündigung, fristlose
Nr 296
Verdacht strafbarer Handlung vor Arbeitsaufnahme GewO§ 133 b Der bloße Verdacht einer Unterschlagung reicht in der Regel nicht für eine fristlose Entlassung aus. Besondere Umstände können jedoch dann eine fristlose Entlassung begründen, wenn durch den nicht beseitigten Verdacht das zwischen den Vertragsparteien bestehende Vertrauensverhältnis derart zerstört worden ist, daß eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung — im Gegensatz zu einem auf langjähriger Zusammenarbeit beruhenden Vertrauensverhältnis — zwar nach Vertragsschluß, aber bereits vor Antritt der Stellung durch den Arbeitnehmer entsteht. L A G Bremen vom 8. 12. 1954 — Sa 165/54 — BB 1955, 227 « DB 1955, 244 = ARSt X I V , 54
Kündigung, fristlose
Nr 297
Verlassen des Betriebes zur Stellensuche HGB §§ 70, 72; BGB § 629 1. Ein kaufmännischer Angestellter, dessen Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber fristgemäß gekündigt worden ist, macht sich einer schweren Vertrags-
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Kündigung,
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Verletzung schuldig, wenn er trotz genereller Erlaubnis zur Stellensuche den Betrieb ohne Abmeldung für einen ganzen Tag verläßt und sich in einer sechs Bahnstunden entfernten Stadt vorstellt, ohne seine Firma von dieser Reise wenigstens fernmündlich zu unterrichten. 2. Der Vorfall rechtfertigt dennoch eine fristlose Entlassung nicht, wenn er sich zwei Tage vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der fristgemäßen Kündigung zuträgt. Die Weiterbeschäftigung für die beiden verbleibenden Tage ist dem Arbeitgeber bei Abwägung der Interessen beider Parteien zuzumuten, da eine fristlose Entlassung im kaufmännischen Leben eine langwährende Behinderung des Fortkommens des Angestellten darstellen würde. L A G Bremen vom 27. 1. 1960 — I Sa 96/59 — BB 1960, 631 = DB 1960, 444 = AuR 1960, 186 = ARSt X X I V , 167
Kündigung, fristlose
Nr 298
Vertrauensmißbrauch: Unwahre, geschäftsschädigende Äußerungen HGB § 72 Nr 1 1. Ein kaufmännischer Angestellter ist, solange sein — von ihm gekündigtes — Arbeitsverhältnis noch dauert, gehalten, für die Interessen seines Arbeitgebers einzutreten, soweit dies mit Recht und Billigkeit vereinbar ist. 2. Unwahre, geschäftsschädigende Äußerungen über den Arbeitgeber können, insbesondere wenn sie aus Verärgerung, gepaart mit Mangel an Pflichtgefühl, gefallen sind, eine Gefahrenlage schaffen, die für die Zukunft weitere Pflichtwidrigkeiten besorgen läßt, die kein Arbeitgeber in Kauf zu nehmen braucht, auch wenn das Arbeitsverhältnis nur noch von kurzer Dauer ist. Geschäftliche Unzuverlässigkeit ist einer der gröbsten Fehler, die einem kaufmännischen Angestellten nachgesagt werden können. L A G Bremen vom 10. 4. 1963 — 1 Sa 15/63 — DB 1963, 834
Kündigung, fristlose
Nr 299
Verweigerte Verpflichtung durch Handschlag HGB § 70 Verweigerte Verpflichtung durch. Handschlag zur gewissenhaften Erfüllung der Obliegenheiten ist nur dann wichtiger Grund zur fristlosen Entlassung, wenn diese Verpflichtung zum Inhalt des Arbeitsvertrages gehört. L G Bremen vom 24. 2. 1921 — GewuKfmG 1920/21, 241 Hinweis: Eine entsprechende Verpflichtung zur Ablegung und Bekräftigung des Gelöbnisses durch Handschlag ist zB in § 6 BAT für die Angestellten im öffentlichen Dienst vorgeschrieben.
Kündigung, fristlose
Nr 300
Verweigerung der Leibesvisitation GewO § 123 Wenn in der Arbeitsordnung (oder im Arbeits vertrage) über die Verpflichtung der Arbeiter zu körperlicher Untersuchung nichts gesagt ist, so berechtigt die Weigerung eines Arbeiters (auch Betriebsratsmitgliedes) nicht ohne weiteres zur fristlosen Entlassung. GewG Bremen vom 22. 1. 1925 — HansGZ ArbR 1925, 59 Hinweis: Eine Erweiterung der in §§ 123, 124 GewO an sich abschließend aufgeführten Kündigungstatbestände war früher in die Arbeitsordnung (Betriebsordnung) aufzunehmen. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung wird von der herrsch Meinung nach geltendem Recht grundsätzlich für zulässig gehalten: Boldt-Steffens, § 123 Anm I 1; Hueck-Nipperdey, Bd I S 600; Landmann-Rohmer, § 123 Anm 2b; Nikisch, Bd I S 721—722; Rohlfing-Kiskalt-Wolff, § 123 Anm 2b; Staudinger-Nipperdey-Neumann, § 626 Anm 56; Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 626 Anm 10; vgl auch BAG vom 17. 4. 1956 — 2 AZR 340/55 — BAG 2, 333 «= A P Nr 8 zu § 626 BGB.
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Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose
Nr
Verweigerung der Vorlage amtsärztlichen Zeugnisses BGB § 626 Legt der Arbeitnehmer ein privatärztliches Zeugnis über seine Arbeitsunfähigkeit vor, so ist der Arbeitgeber nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt, wenn der Arbeitnehmer der Forderung nach einem zusätzlichen amtsärztlichen Zeugnis nicht nachkommt. ArbG Bremen vom 2. 2. 1954 — 3 Ca 3387/53 — DB 1954, 620 Hinweis: Ähnlich L A G Bremen vom 28. 3. 1956 — Sa 10/56 — A P Nr 17 zu § 626 BGB BremARS Nr 7. Nach BAG vom 23. 2. 1967 — 2 AZR 124/66 — AP Nr 1 zu § 7 B A T — ist die Weigerung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, auch wenn die Untersuchungspflicht einzelvertraglich oder tarifvertraglich festgelegt ist, jedenfalls dann kein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung, wenn der Arbeitnehmer vertretbare Gründe für die Weigerung hat, auf deren Richtigkeit er vertraut und sie dem Arbeitgeber vor oder bei der Weigerung mitteilt.
Kündigung, fristlose
Nr 302
Verwirkung im Prozeß BGB §§ 626, 242 Eine und auch mals
Verwirkung des Rechts zur fristlosen Kündigung tritt nicht ein, wenn solange über die Kündigungsberechtigung ein Rechtsstreit schwebt, wenn die Kündigungserklärung später aus formellen Gründen nochwiederholt wird.
L A G Bremen vom 31. 8. 1949 — Sa 7/49 — WA 1950, 2
Kündigung, fristlose
Nr 303
Verwirkung — Umdeutung BGB §§ 626, 242; KSchG § 11 Abs 2 1. Läßt ein Arbeitgeber in Kenntnis eines wichtigen Grundes zur Kündigung geraume Zeit verstreichen, ohne gegen den betroffenen Arbeitnehmer vorzugehen, so verwirkt er damit das ihm zustehende Kündigungsrecht, es sei denn, daß er in der Zwischenzeit ernsthaft um Klärung des Sachverhalts zur Vorbereitung seines Entschlusses bemüht ist. 2. Erweist sich der ursprünglich zur Stützung einer fristlosen Kündigung angeführte wichtige Grund als unzureichend, so kann der Arbeitgeber im laufenden Verfahren weitere Kündigungsgründe nachschieben, wenn es sich dabei um Vorgänge handelt, die vor dem Zeitpunkt des ursprünglichen Kündigungsausspruchs liegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber von diesen Vorgängen erst nachträglich Kenntnis erhalten hat. Die Frage wird nicht entschieden, ob ein nachgeschobener Kündigungsgrund im anhängigen Verfahren lediglich dann verwertet werden darf, wenn er in einem inneren Zusammenhang mit dem ursprünglichen Kündigungsgrund steht. 3. Die Umdeutung einer fristlosen Entlassung in eine fristgemäße Kündigung setzt voraus, daß der Arbeitgeber jeden Zweifel darüber ausschließt, daß er bereits bei Ausspruch der fristlosen Kündigung den Willen gehabt hat, das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls auch fristgemäß zu beenden und daß diese Tatsache für den gekündigten Arbeitnehmer erkennbar gewesen ist. Dazu genügt nicht ohne weiteres, daß der Arbeitgeber den Arbeitsplatz anderweitig besetzt hat, weil er davon ausgegangen ist, das Arbeitsverhältnis sei durch die fristlose Entlassung rechtswirksam aufgelöst worden. Der Wille, gegebenenfalls auch fristgemäß kündigen zu wollen, muß vielmehr in der Kündigungserklärung mit unmißverständlicher Deutlichkeit zum Ausdruck kommen. L A G Bremen vom 6. 11. 1957 — I Sa 89/57 — BB 1958, 158 = BetrVerf 1958, 94 = ArbGeb 1958, 43 = SAE 1958, 30 mit teilw krit Anm Bohn = WA 1958, 49
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Kündigung, fristlose
Kündigung, fristlose
Nr
Verzicht BGB §§ 626, 242 Wenn Anlaß lichen neuer
ein Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers zum genommen hat, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentFrist zu kündigen, kann er diese Kündigung ohne das Hinzutreten Gründe nicht nachträglich in eine fristlose Kündigung umwandeln.
ArbG Bremen vom 29. 10. 1957 — 3 Ca 3398/57 — DB 1957, 1204 Hinweis: Ebenso RAG vom 9. 7. 1930 — 54/30 — ARS 9, 543; BGH vom 16. 11. 1961 — I I ZR 81/60 — DB 1962, 368; Hueck-Nipperdey, Bd I S 590—591; Niklsch, Bd I S 742—743; Staudinger-Nipperdey-Neumann, § 626 Anm 40.
Kündigung, fristlose
Nr 305
Weisungswidriges, schädigendes Verhalten: Zimmerpolier GewO §§ 133 b, 133 c Abs 1 Nr 3 1. Ein Zimmerpolier, dem auf seiner Baustelle die Ausführung von Holzverschalungen für Betonpfeiler übertragen worden ist, kann sich nicht darauf berufen, daß ihm an Stelle des vorgesehenen 25 mm dicken Schalholzes lediglich 18 mm dickes Schalholz zur Verfügung gestellt worden sei, wenn die Säulenverschalung beim Guß nachgibt. Er muß vielmehr mit fachgerechten Mitteln, gegebenenfalls durch Anbringen einer ausreichenden A n zahl von Zwingen, in einem solchen Falle dafür sorgen, daß die Verschalung auch bei Verwendung schwächeren Schalholzes die erforderliche Widerstandsfähigkeit besitzt. Er kann dagegen als Nichtfachmann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, daß beim Schütten eines Betonpfeilers durch übermäßig starkes Rütteln die Holzverschalung beschädigt wird bzw infolge unzureichenden Rütteins die Oberfläche der Betonpfeiler Löcher aufweist. Dies gilt in vermehrtem Maße dann, wenn zu der dem Zimmerpolier unterstellten Betonierungskolonne keine Betonfacharbeiter gehören und es sich um die nicht alltägliche Herstellung von Pfeilern in Sichtbeton handelt. 2. Ein Polier kann nicht wegen weisungswidrigen Verhaltens und Schädigung der Interessen seiner Arbeitgeberin fristlos entlassen werden, wenn ihm trotz Erhebung fachlicher Bedenken der Auftrag erteilt wird, eine beim Guß eines Betonpfeilers schadhaft gewordene Holzverschalung zu entleeren und die Arbeiter der Betonierungskolonne sich weigern, diese Arbeit auszuführen, weil sie sie für zu gefährlich halten. Das gilt erst recht dann, wenn der Polier lediglich ein Zimmerpolier ist und den Bauführer mit Rücksicht auf seine fachlichen Bedenken gebeten hatte, bei der Öffnung der Säulenverschalung zugegen zu sein, der Bauführer jedoch trotzdem die Baustelle verlassen hat. L A G Bremen vom 13. 10. 1965 — 1 Sa 38/64 — DB 1966, 80 - AuR 1966, 157
Kündigung, fristlose
Nr 306
Wochenfrist GewO § 123 Abs 2 Der Arbeitgeber kann nicht auf Feststellung des Rechts zur fristlosen Entlassung klagen, wenn die einwöchige Frist des § 123 Abs 2 GewO abgelaufen ist. GewG Bremen vom 15. 12. 1920 — GewuKfmG 1920/21, 123 = GewArch 1921, 259 JAR 2, 184
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Kündigung, fristlose durch Arbeitnehmer
Nr 307
Betriebsleiter: Unterstellung unter Vorgesetzten, der beleidigt hat GewO § 133 b Soll ein Betriebsleiter trotz seines Widerspruchs einem Geschäftsführer unterstellt werden, der ihn vorher beleidigt und mit Schlägen bedroht hat, so kann er zu Recht fristlos kündigen. L A G Bremen vom 3. 6. 1953 — Sa 102/52 — BB 1953, 502 « DB 1953, 555 306
Kündigung, fristlose durch Arbeitnehmer
WA 1953,
Nr 308
Plötzliche Studienmöglichkeit GewO § 133 b Ein Bautechniker, der zwecks Fortsetzung seines Studiums an einer Bauund Ingenieurschule auf Grund einer Anfrage von dieser Schule kurzfristig einen Studienplatz angeboten erhält, kann für sich einen wichtigen Grund nach § 133 b GewO in Anspruch nehmen, wenn mit Rücksicht auf den Semesterbeginn die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr möglich ist. ArbG Bremen vom 26. 1. 1961 — 1 Ca 450/60 — BB 1961, 291 = WA 1961, 94
Kündigung, fristlose durch Arbeitnehmer
Nr 309
Reisender: Verkleinerung des Bezirks HGB §§ 70, 71 Die Aufnahme bzw Fortsetzung der Tätigkeit eines Provisionsreisenden ist als unzumutbar anzusehen, wenn die Arbeitgeberin ihm am ersten Tage seiner Tätigkeit einen wesentlichen Teil des vertraglich zugesicherten Reisebezirks entzieht und einem anderen Arbeitnehmer überträgt. Ein solches Verhalten stellt einen wichtigen Grund zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer dar, da hierdurch das erforderliche Vertrauen erschüttert und die wirtschaftliche Vertragsgrundlage beseitigt wird. Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt dagegen nicht vor, wenn die Arbeitgeberin lediglich einen Austausch von Teilen des Vertreterbezirks in Vorschlag bringt und es dem Reisenden überläßt, zwischen der vorausgegangenen vertraglichen Regelung und dem neuen Vorschlag zu wählen. L A G Bremen vom 17. 4. 1964 — 1 Sa 22/64 — BB 1964, 1486 = DB 1964, 847 315 ~ WA 1964, 203
AuR 1964,
Hinweis: Ebenso bei Verkleinerung des einem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirks auch dann, wenn der Unternehmer dazu einseitig befugt ist: OLG Nürnberg vom 18. 9. 1958 — 3 U 23/58 — BB 1958, 1150 - MDR 1959, 929; S chleg elb er ger-S ehr öder, § 89 a Anm 11.
Kündigung, fristlose durch Arbeitnehmer
Nr 310
Strafantritt GewO § 124 Abs 1 Nr 1 Wird ein gewerblicher Arbeitnehmer zum Strafantritt geladen und hat er nicht mehr die Möglichkeit, sein Arbeitsverhältnis fristgemäß zu beenden, dann kann er es fristlos nach § 124 Abs 1 N r 1 GewO auflösen. Der Strafantritt liegt außerhalb seiner Willensentscheidung, und auf ein Verschulden kommt es hierbei nicht an. ArbG Bremen vom 16. 2. 1961 — 1 Ca 32/61 — BB 1961, 449 - DB 1961, 375 Hinweis: Die Entscheidung geht mit der herrsch Meinung davon aus, daß Unfähigkeit zur Fortsetzung der Arbeit IS von § 124 Abs 1 N r 1 und von § 123 Abs 1 Nr 8 GewO nicht nur durch Krankheit begründet, sondern auch in dem Antritt einer Freiheits-
300
Kündigung,
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strafe oder in längerer Untersuchungshaft gesehen werden kann und daß es dafür auch gleichgültig ist, ob der Kündigungsgrund vom Arbeitnehmer selbst verschuldet worden ist: Boldt-Steffens, § 124 Anm I I zu Nr 1, § 123 Anm I I zu Nr 8; Hueck-Nipperdey, Bd I S 607, 606; speziell für längere Untersuchungshaft als Entlassungsgrund für den Arbeitgeber: RAG vom 14. 11. 1931 — 237/31 — ARS 13, 487; ähnlich L A G Hannover vom 3. 11. 1959 — 1 Sa 381/59 — BB 1960, 366 mit — gegen generalisierende Betrachtungsweise — krit Anm Gumpert; Landmann~Rohmer, § 124 Anm 3, § 123 Anm 11; Nikisch, Bd I S 739—740, 741; Rohlfing-Kiskalt-Wolff, § 124 Anm 2, § 123 Anm 10.
Kündigung, ordentliche Sittenwidrigkeit BGB §§ 134, 138; FreizeitAO
N r 311 1943 § 3 Abs 1
Eine Kündigung, die erfolgt, weil Arbeiterinnen dem Gesetz entsprechend Mehrarbeit verweigern, ist sittenwidrig. ArbG Bremerhaven vom 22. 9. 1950 — Ca 443/50 — AP 51 Nr 142
Kündigung, personenbedingte
N r 312
Anweisung der Besatzungsmacht KSchG § 1 Abs 1 und 2 Wenn ein für die Besatzungsmacht tätiger Arbeitgeber von dieser Anweisung erhält, einen bestimmten Arbeitnehmer nicht mehr zu beschäftigen, so ist eine daraufhin ausgesprochene Kündigung personenbedingt. Es braucht sich hierbei nicht ausschließlich um die Leistungsfähigkeit oder die Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers oder um eine sonstige Beeinträchtigung seines Verhältnisses zum Arbeitgeber zu handeln. Es kann auch genügen, daß aus anderen Gründen in der Person des Arbeitnehmers eine weitere Verwendungsmöglichkeit auf seinem Arbeitsplatz nicht mehr besteht. Der Arbeitgeber braucht es nicht darauf ankommen zu lassen, daß durch den Entzug der Aufträge zahlreiche weitere Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren. Auf ein Verschulden des Gekündigten kommt es nicht an. L A G Bremen vom 10. 3. 1954 — Sa 10/54 — AP 54 Nr 123 = BB 1954, 288 = DB 1954, 260
Kündigung, personenbedingte
N r 313
Beschäftigung von Ehegatten in derselben Arbeitsgruppe KSchG § 1; GG Art 6 Abs 1 Aus dem Grundsatz des Art 6 Abs 1 GG ist nicht zu folgern, daß sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr aus dem Famüienverband niemals Nachteile ergeben dürften. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Arbeitgeber es aus verständlichen und überzeugenden Gründen ablehnt, zwei Ehegatten in seinem Betrieb im Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit oder überhaupt in derselben Arbeitsgruppe zu beschäftigen. Die Kündigung der später eingetretenen Frau ist gültig. L A G Bremen vom 30. 3. 1955 — Sa 29/55 — DB 1955, 535 = WA 1955, 189
Kündigung, personenbedingte
N r 314
Mangelhafte Arbeitsleistung: Steno-Kontoristin KSchG § 1 1. Mangelhafte Leistungen des Arbeitnehmers sind grundsätzlich als Gründe in seiner Person gemäß § 1 Abs 1 KSchG anzusehen, Es genügt allerdings nicht, daß in dem einen oder anderen Fall eine ungenügende Arbeitsleistung oder eine Nachlässigkeit des Arbeitnehmers festgestellt wird. Es ist vielmehr erforderlich, daß die objektive Eignung des Gekündigten bei pflicht-
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gemäßer Abwägung aller Umstände ausgeschlossen und dadurch die Kündigung unter Berücksichtigung der berechtigten Bedürfnisse des Betriebs bedingt wird. 2. Ist ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrage verpflichtet, verschiedene Aufgaben nebeneinander zu erfüllen, so genügt die Tatsache seiner mangelnden Eignung für einen wesentlichen Teil der ihm obliegenden Arbeiten als Grund zur fristgemäßen Kündigung. Es kann demgemäß einer Arbeitgeberin nicht zugemutet werden, eine ausdrücklich als Steno-Kontoristin eingestellte Arbeitnehmerin, die bei ihrer Tätigkeit in der Buchhaltung versagt, ausschließlich als Schreibkraft einzusetzen und von der Leistung der vertragsgemäß übernommenen Arbeiten in der Buchhaltung zu entbinden. 3. I n der Regel muß der Arbeitgeber bei ungenügenden Arbeitsleistungen den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung abmahnen, da sonst die Kündigung nicht als sozial gerechtfertigt erscheint. Die Abmahnung braucht aber nicht durch den Arbeitgeber persönlich zu erfolgen, sondern es genügt auch eine Beanstandung der Arbeitsleistungen durch andere Mitarbeiter, da der betroffene Arbeitnehmer sich auch in diesem Falle der Mängel seiner Arbeitsleistung bewußt wird und für Abstellung sorgen kann. 4. Erfolgt die Kündigung eines Arbeitnehmers aus einem Grunde in seiner Person oder in seinem Verhalten, so kann von ihm unrichtige Auswahl unter Berufung auf § 1 Abs 3 KSchG nicht behauptet werden. Auch im Rahmen des § 1 Abs 2 KSchG ist jedoch zu prüfen, ob die in der Person des Arbeitnehmers liegenden Kündigungsgründe die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in dem Sinne bedingen, daß sie auch unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Kündigung für den Arbeitnehmer einen pflichtgemäß abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen würden. I m Falle einer Leistungsschwäche wird dabei auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit von Bedeutung sein müssen. I m übrigen würde es jedoch eine ungerechtfertigte Überspannung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bedeuten, wenn ihm zugemutet würde, einen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, der trotz Abmahnung die gerügte Unfähigkeit oder Nachlassung in der Arbeit nicht abgestellt hat. L A G Bremen vom 25. 11. 1953 — Sa 147/53 — BB 1954, 381 = DB 1954, 156 «= ARSt X I I , 38, 60 = WA 1954, 81 Hinweis: Gibt ein Arbeitgeber einer Stenotypistin im Laufe einer zweijährigen Beschäftigungszeit hinreichend Gelegenheit ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern und sich einzuarbeiten, und nimmt sie diese Gelegenheiten nicht wahr, so kann er sich nach L A G Baden-Württemberg vom 22. 4. 1958 — I V Sa 110/57 — BB 1958, 776 = DB 1958, 604 auch dann von ihr trennen, wenn er bei ihrer Einstellung wußte, daß es sich um keine perfekte Stenotypistin handelte.
Kündigung, sittenwidrige
N r 315
Begriff
BGB § 138 Die Kündigung eines Arbeitsvertrages ist nur dann sittenwidrig, wenn die Auflösung des Vertragsverhältnisses einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Billigkeits- und Anstandsgefühl darstellt oder den Schluß auf eine böswillige oder verwerfliche Gesinnung zuläßt. Unbillig harte oder aus anderen Gründen sozialwidrige Kündigungen sind nicht ohne weiteres sittenwidrig, auch rücksichtslose und willkürliche Kündigungen rechtfertigen nicht ohne weiteres den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Von Willkür kann in der Regel nicht gesprochen werden, wenn die Kündigung wegen unzureichender Leistungen erfolgt, selbst wenn die Bewertung beanstandet werden kann. Auch ein Handeln des Arbeitgebers gegen seine Erklärungen (venire contra factum proprium) ist nicht ohne weiteres sittenwidrig, mag es auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht darstellen. L A G Bremen vom 26. 1. 1955 — Sa 1/55 — BB 1955, 194, 287
302
Kündigung, verhaltensbedingte
Hinweis: Nach BAG vom 23. 11. 1961 — 2 AZR 301/61 — BAG 12, 60 - AP N r 22 zu fi 138 BGB ist eine Kündigung nicht schon dann sittenwidrig, wenn sie sozialwidrig ist, sondern erst dann, wenn sie auf einem verwerflichen Motiv beruht oder dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Vgl auch L A G Bremen vom 23. 1. 1952 — Sa 94/51 — A P 53 N r 73 = Brem ARS N r 330.
Kündigung, verhaltensbedingte
N r 316
Abmahnung KSchG § 1 Eine vorhergehende Abmahnung des Arbeitgebers kann nur dann als Voraussetzung der Kündigung angesehen werden, wenn es sich um ein jederzeit abstellbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt. L A G Bremen vom 6. 5. 1953 — Sa 101 + 103/52 — AP 54 N r 9 mit zustimm Anm Hueck «= BB 1953, 532 = DB 1953, 488 ~ ARSt X , 651, 659
Kündigung, verhaltensbedingte
N r 317
Arbeitsverweigerung gegenüber unzumutbarer Versetzung BGB § 611; KSchG § 1 Abs 1 und 2 Wird der Arbeitnehmer an einen Arbeitsplatz versetzt, an dem er einem Vorgesetzten unterstellt ist, der ihn vorher tätlich angegriffen und beleidigt hat und dessen Verhalten zu Recht die Befürchtung begründet, daß er den Arbeitnehmer auch in Zukunft herabwürdigend behandeln werde, so ist der Arbeitnehmer berechtigt, die Arbeitsaufnahme am neuen Arbeitsplatz zu verweigern. Eine deswegen vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung ist sozialwidrig. L A G Bremen vom 20. 8. 1952 — Sa 25/52 — DB 1952, 764 = RdA 1952, 398 = WA 1952, 345
Kündigung, verhaltensbedingte
N r 318
Beleidigung des Arbeitgebers durch Ehefrau — Förderung des Abkehrwillens anderer Arbeitnehmer: Reisender KSchG §1 Abs 2 1. Der Ausspruch einer sozial gerechtfertigten fristgemäßen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses setzt nicht voraus, daß dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zuzumuten sei. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes kommt es vielmehr darauf an, ob der Ausspruch dieser Kündigung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Arbeitsverhältnisses und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien bei verständiger Würdigung billigenswert und angemessen erscheint. Bei der Beurteilung der Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine so schwerwiegende Belastung des Arbeitsverhältnisses herbeigeführt hat, daß auch ein sozial denkender Arbeitgeber es nicht fortgesetzt haben würde, ist somit auch das vorausgegangene Verhalten des Arbeitgebers und gegebenenfalls auch der an den Vorfällen beteiligten Mitarbeiter zu berücksichtigen. 2. Das Mißverhalten seiner Ehefrau kann einem Arbeitnehmer nicht als eine Verletzung seiner vertraglichen Pflichten angelastet werden. Es bleibt auch fragwürdig, ob einem Arbeitnehmer ein illoyales Verhalten schon dann vorgeworfen werden kann, wenn er seine Ehefrau wegen beleidigender Äußerungen über seinen Arbeitgeber und gegenüber anderen Mitarbeitern nicht auf der Stelle und in Gegenwart fremder Personen zurechtweist. Ein solches Verlangen wird nur bei ganz groben und schweren Ehrverletzungen gerechtfertigt erscheinen können, wobei auch die besonderen Umstände der Auseinandersetzung berücksichtigt werden müssen. Auf jeden Fall aber ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht gehalten, seiner Ehefrau so-
Kündigung, verhaltensbedingte fort nach Abschluß des Gesprächs ernste Vorhaltungen zu machen, damit sich ähnliche beleidigende Angriffe gegen seine Arbeitgeberin nicht wiederholen. Ein Arbeitnehmer, der dies unterläßt und sich somit von den Angriffen seiner Ehefrau auf seinen Arbeitgeber nicht distanziert, begeht eine schwere Treupflichtverletzung. 3. Ein Arbeitnehmer, der in einem auswärtigen Bezirk als Reisender tätig ist, ist aufgrund seiner Treupflicht zur Zurückhaltung verpflichtet, wenn ein anderer Arbeitnehmer ihm gegenüber eine Abkehrabsicht zum Ausdruck bringt. Er handelt treuwidrig, wenn er diese Abkehrabsicht dadurch unterstützt, daß er den anderen Arbeitnehmer zu einer Bewerbung bei einer anderen Firma veranlaßt und ihn ein Bewerbungsschreiben aufsetzen läßt. L A G Bremen vom 4. 3. 1964 — 1 Sa 114 +115/63 — DB 1964, 628 = AuR 1964, 348 WA 1964, 269
Kündigung, verhaltensbedingte
N r 319
Diebstahlverdacht — Verhinderung der Aufklärung: Lagerangestellter KSchG §1 Abs 2 1. Der auf Tatsachen gestützte und seinem Grade nach schwerwiegende Verdacht eines Diebstahls oder auch eines Diebstahlsversuchs kann zur sozialen Rechtfertigung einer fristgemäßen Kündigung ausreichen. Dabei sind jedoch die sämtlichen objektiven und subjektiven Voraussetzungen sorgfältig zu prüfen. 2. Ergibt sich dabei, daß die vorhandenen Anhaltspunkte für einen erheblichen Verdacht nicht ausreichen, so kann die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung gleichwohl als sozial gerechtfertigt angesehen werden, wenn sich andererseits aus dem Verhalten des beschuldigten Angestellten (Verhinderung der Aufklärung; Täuschungsversuch) berechtigte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Redlichkeit ergeben. 3. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um einen Lager angestellten handelt, der einen mehr oder weniger unkontrollierbaren Zugang zu einem wertvollen Warenlager hat, und die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, daß dem Verlangen des Arbeitgebers nach fristgemäßer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Vorrang zukommt. L A G Bremen vom 3. 7. 1963 — 1 Sa 47/63 — BB 1963, 938 - DB 1963, 1055 - AuR 1963, 318 Hinweis: Nach BAG vom 4. 11. 1957 — 2 AZR 57/56 — A P Nr 39 zu § 1 KSchG kann der durch Tatsachen begründete und seinem Grad nach erhebliche Verdacht eines Geschäftsdiebstahls jedenfalls eine fristgemäße Kündigung rechtfertigen, auch wenn der Arbeitnehmer selbst nicht durch eigenes schuldhaftes Verhalten einen berechtigten Grund für die Annahme des Verdachtes und für die Zweifel an seiner Ehrlichkeit gegeben hat. Andererseits muß sich der Arbeitnehmer, wenn dies dem Arbeitgeber nicht möglich ist, in der ihm zumutbaren Art und Weise um die Aufklärung der ihm zur Last gelegten Unredlichkeiten bemühen: L A G Bremen vom 26. 10. 1949 — Sa 38/49 — AP 50 Nr 27 »» BremARS N r 295; Hueck-NipperdLey, Bd I S 585 mwN.
Kündigung, verhaltensbedingte
N r 320
Disziplinwidrige Äußerungen: Eigenes Verschulden des Arbeitgebers KSchG § 1 Abs 1 und 2 Wenn der Arbeitgeber durch Verletzung der Fürsorgepflicht einen Zustand geschaffen hat, durch den er gezwungen ist, Entgleisung von Arbeitnehmern bis zu einem gewissen Grade hinzunehmen, weil diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem zugefügten Schaden stehen (z B Verschlimmerung eines Leidens des Arbeitnehmers durch Verschulden des Arbeitgebers), dann reichen disziplinwidrige Äußerungen des Arbeitnehmers zur Rechtfertigung seiner Entlassung nicht aus. Allerdings darf der Arbeitnehmer bei seinen Angriffen auf Dienstvorgesetzte das im Interesse der betrieblichen Ordnung erträgliche Maß nicht überschreiten. L A G Bremen vom 5. 1. 1955 — Sa 110/54 — BB 1955, 131 = DB 1955, 124, 268
304
Kündigung, verhaltensbedingte
Kündigung, verhaltensbedingte
Nr 321
Interessenabwägung KSchG § 1 Abs 1 und 2 Eine Kündigung ist schon dann durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt, wenn die berechtigten Bedürfnisse des Betriebs die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen der fraglichen Vorkommnisse rechtfertigen. Es ist nicht erforderlich, daß die Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar ist. Die Tatsache, daß Arbeitnehmer hartnäckig und schuldhaft seine Vertragspflichten oder die betriebliche Ordnung verletzt, rechtfertigt ohne weiteres eine ordentliche Kündigung. L A G Bremen vom 2. 7. 1952 — Sa 34/52 — A P 52 Nr 150 mit zustimm Anm Hueck = BB 1952, 575 = DB 1952, 595 = WA 1953, 79 Hinweis: Nach BAG vom 7. 10. 1954 — 2 AZR 6/54 — BAG 1, 99 - AP N r 5 zu § 1 KSchG — ist es nicht erforderlich, daß die Kündigung durch einen Grund verursacht sein muß, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der Kündigungsfrist hinaus überhaupt nicht mehr zumutbar erscheinen läßt. Vielmehr genügen solche Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Vgl auch Müller, Die personen- und verhaltensbedingte sowie die betriebsbedingte Kündigung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in: Das Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd 1, 19.
Kündigung, verhaltensbedingte
Nr 322
Längere Zeit zurückliegende Gründe KSchG § 1 Abs 1 und 2 Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers, die bereits längere Zeit zurückliegen, können eine Kündigung nicht bedingen, doch können sie unterstützend gewertet werden, um einem nicht verwirkten Kündigungsgrund größeres Gewicht zu verleihen. L A G Bremen vom 4. 8. 1954 — Sa 52/54 — BB 1954, 872 = DB 1954, 763 - AuR 1956, 222 mit zustimm Anm Mendlgo •» WA 1954, 272
Nr 323
Kündigung, verhaltensbedingte Meinungsfreiheit GG Art 5 Abs 1; BremLandesverf
Art 15 Abs 1; BGB §§ 134, 138
1. Die Bestimmungen des Grundgesetzes zum Schutze der freien Meinungsäußerung sind geltendes Hecht. Sachliche Kritik und berechtigte Opposition, z B auch durch Sammlung von Unterschriften, dürfen im Betrieb weder durch Maßregelung noch durch Terror verhindert werden. Eine Kündigung wegen einer solchen Wahrnehmung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung ist nach § 134 BGB rechtsunwirksam. 2. Eine Beschränkung der freien Meinungsäußerung liegt jedoch nicht vor, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit seinen Äußerungen oder Handlungen die notwendigen Grenzen der Rücksichtnahme auf die Ordnung und den Frieden des Betriebs verletzt hat, so daß die Maßnahmen des Arbeitgebers oder des Betriebsrats eine verständige Wahrnehmung berechtigter Interessen des Betriebes darstellen. L A G Bremen vom 21. 2. 1951 — Sa 65/50 — BB 1951, 225 - RdA 1951, 393 mit zT krit Anm Dietz Hinweis: Ahnlich BAG vom 23. 2. 1957 — 3 AZR 583/57 — BAG 7, 256 = A P Nr 1 zu Art 5 Abs 1 GG Meinungsfreiheit.
Kündigung, verhaltensbedingte Kündigung, verhaltensbedingte
305 Nr 324
Meinungs- und Vereinigungsfreiheit: Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst GG Art 5 Abs 1, Art 9 Abs 1 und 2; Brem Landesverf Art 2 Abs 2, Art 15 Abs 1, Art 17; BGB §§ 134, 138 1. Niemand darf durch ein Arbeitsverhältnis an der Ausübung seiner verfassungsmäßigen Rechte gehindert werden. Auch ohne einen gesetzlichen oder vertraglichen Hinweis umfaßt die besondere Treupflicht der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes das Bekenntnis zur verfassungsmäßigen demokratischen Staatsordnung und ein entsprechendes Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes. Diese Treuepflicht geht über die allgemeine Rechtspflicht eines jeden Staatsbürgers zur Treue gegen Volk und Verfassung hinaus und umfaßt auch die Wahrnehmung der Aufgaben und Belange des Staatsganzen und der Allgemeinheit. 2. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei ist nach Art 21 GG dem BVerfG vorbehalten und kann bis zum Zusammentreten des BVerfG auch nicht von einem anderen deutschen Gericht getroffen werden. 3. Die Kündigung eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst wegen Zugehörigkeit zu einer Partei, die die Grundordnung der Bundesrepublik ablehnt, stellt eine Verletzung der Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit nicht dar, wenn durch die Tätigkeit des Gekündigten die verfassungsmäßige Ordnung gefährdet wird. Dies kann der Fall sein, wenn der Gekündigte sich aktiv für die Bestrebungen seiner Partei einsetzt, ohnedies bei einer Dienststelle beschäftigt ist, deren besondere Aufgabe die Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt, oder wenn sich durch seine Weiterbeschäftigung eine unmittelbare Gefahr für die Allgemeinheit aus dem Auftrag des Gekündigten bzw aus dem Umfang seines Einflußbereiches ergibt. Bei einem in gewöhnlicher Arbeit beschäftigten Kraftfahrzeugschlosser in der Werkstatt eines Postamtes ist dies nicht der Fall. L A G Bremen vom 6. 6. 1951 — Sa 33/51 — RdA 1951, 277 Hinweis: Ist eine Partei vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt (KPD: BVerfG vom 17. 8. 1956, BVerfGE 5, 85), stellt nach der herrsch Meinung regelmäßig jede betriebliche oder außerbetriebliche Betätigung für eine derartige Organisation eine strafbare Handlung dar, die schon deshalb eine Kündigung rechtfertigen kann: Auffahrt-Müller, § 1 Anm 178—179; Herschel-Steinmann, § 1 Anm 39—39 a. Zu den Schranken der Meinungsfreiheit, insbesondere zur aktiven politischen Betätigung im Betriebe vgl BAG vom 3. 12. 1954 — 1 AZR 150/54 — BAG 1, 185 = A P Nr 2 zu § 13 KSchG — und vom 13. 1. 1956 — 1 AZR 167/55 — BAG 2, 266 «= AP Nr 4 zu 9 13 KSchG.
Kündigung, verhaltensbedingte
Nr 325
Unzureichende Leistungen KSchG § 1 1. Der Kündigungsschutz darf nicht dazu führen, zur Erhaltung der Arbeitsplätze einzelner Arbeitnehmer mit unzureichenden Fähigkeiten die leistungsmäßige Fortentwicklung des Betriebes zu hemmen. 2. Besteht eine sachliche Notwendigkeit zur Kündigung, so ist sie zulässig, auch wenn sie für den betroffenen Arbeitnehmer schwerwiegende Folgen hat. L A G Bremen vom 6. 5. 1953 — Sa 101/52, 103/52 — A P 54 Nr 9 » mit zustimm Anm Hueck. « BB 1953, 532 - DB 1953, 488 = ARSt X , 651, 659
Kündigung, verhaltensbedingte
Nr 326
Verlassen der Arbeitsstelle: Unwirksam bestellter Wahlvorstand KSchG § 1; BetrVG § 15 Abs 1, §§ 29, 33 1. Ein nicht rechtswirksam zum Mitglied des Wahlvorstandes bestellter Arbeitnehmer, dem diese Tatsache durch den Betriebsrat und einen Sek20
Tiinkhaug
306
Kündigung
v r b e i t
retär der im Betriebe vertretenen Gewerkschaft unter Anführung der Gründe mitgeteilt worden ist, verletzt schuldhaft seine vertragliche Arbeitspflicht, wenn er gleichwohl eigenmächtig die Arbeitsstelle verläßt, um während der Arbeitszeit eine Rechtsauskunft einzuholen und beim Arbeitsgericht ein Beschlußverfahren anhängig zu machen. Eine daraufhin ausgesprochene fristgemäße Kündigung ist sozial gerechtfertigt, da das Verhalten des Arbeitnehmers nicht nur eine Vertragsverletzung darstellt, sondern zugleich auch infolge der gezeigten Uneinsichtigkeit weitere Störungen der betrieblichen Ordnung befürchten läßt. Der Arbeitnehmer hätte seine Maßnahmen allenfalls außerhalb der Arbeitszeit treffen oder um Beurlaubung bzw Freistellung bitten müssen. 2. Die fehlerhafte Führung der Amtsgeschäfte des Wahlvorstandes stellt keine Vertragsverletzung dar, die den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt. Dies gilt auch dann, wenn ein Mitglied des Wahlvorstandes nicht rechtswirksam bestellt worden ist. Die Wahlvorbereitungen als solche sind ausschließlich eine Angelegenheit der Arbeitnehmerschaft. L A G Bremen vom 31. 1. 1962 — 1 Sa 160/61 — BB 1962, 599 = DB 1962, 442 - AuR 1962, 156 = WA 1962, 119
K ü n d i g u n g vor Arbeitsantritt
N r 327
Bindung an altes Arbeitsverhältnis — Schadensersatz BGB §§ 306, 276 1. Ein Arbeitsvertrag kommt auch dann rechtswirksam zustande, wenn der Arbeitnehmer bei Einhaltung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber die neue Stellung nicht rechtzeitig antreten kann. Es liegt dann nur ein persönliches Unvermögen zur Leistung vor, nicht aber eine objektive Unmöglichkeit der Leistung im Sinne des § 306 BGB. 2. Ein Arbeitsverhältnis kann bereits vor seinem Beginn gekündigt werden, jedoch läuft die vereinbarte oder gesetzliche Kündigungsfrist erst von dem Zeitpunkt ab, in dem nach dem Willen der Vertragspartner das Arbeitsverhältnis seinen Anfang nehmen sollte. 3. Ein Arbeitnehmer, der infolge seiner Bindung an ein bestehendes Arbeits^ Verhältnis seine Stellung zu dem vereinbarten Zeitpunkt nicht antreten kann, ist dem Arbeitgeber für den dadurch entstandenen Schaden aus dem Gesichtspunkt des Verzuges ersatzpflichtig. Zu diesem Schaden gehören in der Regel die Aufwendungen des Arbeitgebers für die Ausschreibung der Stelle und sonstige Aufwendungen, die mit der Neubesetzung der Stelle verbunden sind, insbesondere auch Kosten einer Vorstellungsreise der Ersatzkraft. L A G Bremen vom 31. 1. 1951 — Sa 2/51 — A P 52 Nr 94 mit zu LS 2 krit Anm Hueck = BB 1951, 223 = DB 1951, 212, 388 = ARSt V I , 376, 403, 445 WA 1951, 151 Hinweis: Die Entscheidung entspricht auch zu LS 2 der jetzt überwieg Meinung; so auch — mangels abweichender Vereinbarung — BAG vom 22. 8. 1964 — 1 AZR 64/64 — A P Nr 1 zu § 620 BGB; anderer Ansicht nach wie vor Hueck in Hueck-Nipperdey, Bd 1 S 555—556, der jedenfalls eine außerordentliche Kündigung vor Dienstantritt für zu> lässig hält, für die ordentliche Kündigung jedoch auf den Partei willen abstellt.
Kündigungsfrist
N r 328
Vertragliche: Beweislast GewO § 122 Der Arbeitgeber muß behaupten und beweisen, daß eine von § 122 GewO abweichende, kürzere, für beide Teile gleiche Kündigungsfrist vereinbart sei, wenn er mit der kürzeren Frist kündigt. LG Bremen vom 16. 3. 1898 — GewG 1897/98, 103
Kündigungstle Kündigungss
307 Nr 2
Arbeitnehmer bei alliierten Streitkräften KSchG § 1 1. Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes sind seit Inkrafttreten des Truppen Vertrags am 5. 5. 1955 grundsätzlich auf die Arbeitsverhältnisse deutscher Arbeitnehmer bei den in Deutschland stationierten alliierten Streitkräften anzuwenden. 2. Für die Kündigungsschutzklage ist die Bundesrepublik Deutschland passiv legitimiert. L A G Bremen vom 18. 1. 1956 — Sa 114/55 — BB 1956, 211 - DB 1956, 212 Hinweis: Nach BAG vom 15. 8. 1958 — 1 AZR 658/57 — BAG 6, 121 - A P Nr 22 zu Art 44 Truppenvertrag — kommt den Arbeitnehmern der Streitkräfte der Kündigungsschutz nach §9 1 bis 12 KSchG — erst — seit dem Inkrafttreten des T V A L und insbesondere nach dem Inkrafttreten des Truppenvertrages zugute.
Kündigungsschutz
Nr 330
außerhalb des KSchG KSchG §§ 1 Abs 1, 21, 23; BGB §§ 134, 138, 242; GG Art 5, 9 1. Ein Arbeitnehmer, der nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fällt, ist nicht schutzlos. Es kann sich auf die grundlegenden allgemeinen Rechtsnormen, die für das gesamte Zivilrecht Geltung haben, berufen. 2. Eine Kündigung wegen Zugehörigkeit zu einer politischen Partei verstößt gegen Art 5, 9 GG. 3. Das Anwendungsgebiet des § 138 BGB ist bei der Kündigung eng begrenzt. 4. Eine Kündigung ist nicht sittenwidrig, weil der kündigende Arbeitgeber nach außen hin einen falschen Grund angegeben hat. 5. Rechtsmißbräuchlich ist eine Kündigung nur bei offensichtlicher Treulosigkeit und offensichtlicher Willkür. L A G Bremen vom 23. 1. 1952 — Sa 94/51 — A P 53 N r 73 mit zustimm Anm Herschel - RdA 1952, 278 = BB 1952, 521 » DB 1952, 452 Hinweis: Nach BAG vom 29. 5. 1966 — 3 AZR 454/54 — A P Nr 2 zu § 184 BGB — ist eine Kündigung nicht schon dann sittenwidrig (8 138 BGB), wenn sie sozial widrig ist, sondern erst dann, wenn sie auf einem verwerflichen Motiv beruht oder dem Anstandsgefühl aller billig oder gerecht Denkenden widerspricht.
Kündigungsschutz
Nr 331
bei außerordentlicher Kündigung: Dreiwochenfrist KSchG §§3, 11 1. Für die Wahrung der Dreiwochenfrist des § 3 KSchG ist der Eingang der Klageschrift beim Arbeitsgericht maßgebend. 2. Ist die Frist des § 3 fruchtlos verstrichen, so können gegenüber einer fristlosen Kündigung nicht mehr das Fehlen eines wichtigen Grundes oder sonstiger gesetzlicher Voraussetzungen geltend gemacht werden, wohl aber sonstige allgemeine Nichtigkeitsgründe. L A G Bremen vom 12. 12. 1951 — Sa 83/51 — A P 52 Nr 149 mit zustimm Anm Hueclc - BB 1952, 31 - DB 1952, 20, 416 - ARSt V I I I , 47, 64, 68 - WA 1952, 231
Kündigungsschutzklage
Nr 332
Auflösungsantrag des Arbeitnehmers bei außerordentlicher Kündigung: Auflösungszeitpunkt KSchG §§ 7,11 Abs 1 1. Bei fristloser Kündigung ist das Arbeitsverhältnis in entsprechender A n wendung des § 7 Abs 2 KSchG zu dem Zeitpunkt aufzulösen, zu dem es bei
308
Kündigunghtge
begründeter außerordentlicher Kündigung geendet hätte, nicht erst zum Ablauf der Frist einer gar nicht ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. 2. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer kürzeren als der vereinbarten Kündigungsfrist ausgesprochen hat. L A G Bremen vom 13. 5. 1965 — 2 Sa 117/63 Hinweis: LS 1 entspricht der herrsch Meinung; vgl nur BAG vom 23. 1. 1958 — 2 AZR 71/56 — BAG 5, 354 = A P N r 11 zu S 13 KSchG; Auffahrt-Müller, § 11 Anm 13; HersehelSteinmann, $ 11 Anm 6b; Hueck, 9 11 Anm 7; Nikisch, Bd I S 798.
Kündigungsschutzklage
Nr 333
Einhaltung der Klagefrist — Nachträgliche Zulassung KSchG §§3, 4 1. I m Verfahren vor den Zivilgerichten genügt die Aufgabe eines Schreibens bei der Post nicht zur Einhaltung einer Klage- oder Rechtsmittelfrist. Das Schreiben muß vielmehr innerhalb dieser Frist beim Gericht eingegangen sein. Dies gilt auch für die Klagefrist nach § 3 KSchG. 2. Die Frist zur Klageerhebung nach § 3 KSchG ist eine Ausschlußfrist, die vom Amts wegen zu berücksichtigen ist und nicht durch Parteivereinbarung verlängert werden kann. 3. Eine Unkenntnis der gesetzlichen Ausschlußfrist rechtfertigt nicht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dies gilt auch dann, wenn die Fristversäumung durch eine als Prozeßvertreter vor dem ArbG bestellte rechtsunkundige Person verschuldet wurde. I n diesem Falle muß der Vertretene für die Folgen einer unsachgemäßen oder rechtsirrtümlichen Wahrnehmung seiner Rechte eintreten; denn er hat die Auswahl des Prozeßbevollmächtigten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenommen. L A G Bremen vom 28. 11. 1951 — Ta 13/51 — A P 53 N r 62 Hinweis: Vgl den Hinweis zu L A G Bremen vom 5. 11. 1951 — Ta 11/51 — AP 52 Nr 230 BremARS N r 338.
Kündigungsschutzklage
Nr 334
Fristversäumnis: Nichtanhörung des Betriebsrats KSchG § 3; BetrVG § 66 Die Versäumung der Frist des § 3 KSchG schließt die Berufung des Arbeitnehmers auf die Nichtanhörung des Betriebsrats gemäß § 66 BetrVG aus. L A G Bremen vom 2. 4. 1958 — I Sa 9/58 — BB 1958, 596 = DB 1958, 804 = ARSt X X , 463 SAE 1958, 46 = WA 1959, 98
Kündigungsschutzklage
Nr 335
Nachträgliche Zulässung: Etwaige gütliche Einigung KSchG § 4 Abs 1 1. Ein Arbeitnehmer, welcher der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich widerspricht, mit Rücksicht darauf die Zurücknahme der Kündigung erhofft und die fristgerechte Erhebung der Kündigungsschutzklage unterläßt, handelt auf eigenes Risiko. Eine vorsorgliche Kündigungsschutzklage kann durchaus in eine Form gekleidet werden, die den Bemühungen des Arbeitnehmers um eine gütliche Regelung nicht abträglich ist. 2. Die nachträgliche Zulassung kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber durch sein Verhalten berechtigten Anlaß zur Unterlassung der Klage gegeben hat, insbesondere wenn er dem Arbeitnehmer nahegelegt
Kündigunghtge hat, von der Erhebung der Klage Abstand zu nehmen, weil mit einer Rücknahme der Kündigung zu rechnen sei. L A G Bremen vom 8. 12. 1959 — I I Ta 13/59 Hinweis: Ebenso Hueck-Nipperdey, Bd I S 655; Auffahrt-Müller, Steinmann, § 4 Anm 1 a.
§ 4 Anm 4; Herschel-
Kündigungsschutzklage
Nr 336
Nachträgliche Zulassung: Falsche Auskunft KSchG § 4 Abs 1 1. Unkenntnis der Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage allein entschuldigt den Arbeitnehmer im allgemeinen nicht. Es muß heute von einem Arbeitnehmer verlangt werden, daß er sich mit den grundlegenden Voraussetzungen des Kündigungsschutzes vertraut macht oder aber im Zweifelsfall unverzüglich bei berufener oder geeigneter Stelle Auskunft einholt. 2. Als eine Stelle, die zur Erteilung von Rechtsauskünften in Kündigungs^ angelegenheiten geeignet oder berufen ist, kann der Rechtsschutzsekretär einer Gewerkschaft, die Auskunftstelle einer Arbeitnehmerkammer, die Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts öder ein Rechtsanwalt, nicht aber die Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft angesehen werden. Denn hier kann bei verständiger Betrachtung kein Rechtsuchender erwarten, daß die für die Auskunft über das Spezialgebiet des Arbeitsrechts erforderlichen Kenntnisse vorhanden sind. Die Staatsanwaltschaft ist für die Erteilung von arbeitsrechtlichen Auskünften auch nicht zuständig. L A G Bremen vom 6. 3. 1962 — 2 Ta 1/62 Hinweis: Wie LS 1 die allgem Ansicht, zB Auffahrt-Müller, § 4 Anm 3; Herschel-Steinmann, § 4 Anm 1; Hueck, § 4 Anm 2 a; Poelmann, RdA 1952, 205. Meinungsverschiedenheiten bestehen nur darüber, ob die Anfrage beim Betriebsrat stets genügt (AuffahrtMüller), ob sie nur beim Betriebsrat eines größeren Betriebes ausreicht (Hueck) oder beim Betriebsrat „nicht ohne weiteres" (Poelmann) bzw „im allgemeinen nicht" (Herschel-Steinmann). Die falsche Auskunft wird so oder so den Arbeitnehmer nur dann entschuldigen, wenn er verständigerweise erwarten durfte, daß die erforderliche Rechtskenntnis bei der befragten Person vorhanden sei. So auch Poelmann, aäO.
Kündigungsschutzklage
Nr 337
Nachträgliche Zulassung: Krankheit KSchG §4 Abs 1 Eine mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Krankheit des Arbeitnehmers kann die nachträgliche Zulassung der verspäteten Kündigungsschutzklage jedenfalls dann nicht begründen, wenn der nicht bettlägerige Arbeitnehmer durchaus in der Lage war, die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht schriftlich einzureichen. Dies gilt erst recht, wenn die von dem Arbeitnehmer in ähnlichen Angelegenheiten wiederholt bevollmächtigte Ehefrau zur schriftlichen Erhebung der Kündigungsschutzklage oder aber zur Erhebung der Klage zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts fähig war. L A G Bremen vom 1. 10. 1958 — I I Ta 8/58 Hinweis: Nach allgem Meinung sind die Schwere der Erkrankung und die persönlichen Verhältnisse dafür entscheidend, ob dem Arbeitnehmer die schriftliche Klagerhebung oder Beauftragung von Verwandten oder Hausgenossen mit den notwendigen Schritten möglich oder zumutbar war; vgl nur Auffahrt-Müller, § 4 Anm 8; Herschel-Steinmann, § 4 Anm 1; Linke, BB 1955, 935.
Kündigungsschutzklage
Nr 338
Nachträgliche Zulassung: Verschulden des Prozeßbevollmächtigten KSchG §4 Für die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG kommt es ausschließlich auf das Verschulden des Arbeitnehmers, nicht auf das seines Vertreters an.
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Kündigunghtge
L A G Bremen vom 5. 11. 1951 — Ta 11/51 — A P 52 Nr 230 mit ablehn Anm Hueck BB 1952, 492 - WA 1952, 202 Hinweis: Die herrsch Lehre stellt das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten dem eigenen Verschulden des Arbeitnehmers gleich. Ist die Versäumung der Klagefrist aber etwa auf falsche Auskunft der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts, einer Gewerkschaft oder eines Rechtsanwalts zurückzuführen, den der Arbeitnehmer zur Erhebung der Klage nicht bevollmächtigt hatte, so ist die Klage nachträglich zuzulassen; vgl Herschel-Steinmann, 8 4 Anm 1 mwN.
Kündigungsschutzklage
Nr 339
Streitgegenstand — Spätere fristlose Kündigung: Klageerweiterung KSchG §§ I , 3, 5, 6, 11; ZPO § 268 1. Die gegen eine fristgemäße Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage richtet sich ausschließlich gegen die im Klagantrag genannte Kündigungserklärung. Eine spätere fristlose Kündigung des gleichen Arbeitsverhältnisses aus einem anderen Rechtsgrund wird nicht ohne weiteres Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits. 2. Der Arbeitnehmer muß innerhalb von drei Wochen nach Zugang der fristlosen Kündigung entweder eine neue Kündigungsschutzklage erheben oder die bereits anhängige Klage innerhalb derselben Frist erweitern. Unterläßt er das, so kann er sich nicht mehr auf das Fehlen eines wichtigen Grundes berufen. Die fristlose Kündigung wird dadurch von Anfang an und endgültig rechtswirksam (§ 6 KSchG). 3. Hat der Vorsitzende des Arbeitsgerichts es unterlassen, den Kläger darauf aufmerksam zu machen, daß er seine Kündigungsschutzklage mit Rücksicht auf eine nachträglich erfolgte fristlose Kündigung auf diese erweitern müsse, so liegt hierin jedenfalls dann kein grober Verfahrensmangel, der u U entgegen § 68 ArbGG zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das ArbG führen könnte, wenn zwischen den Parteien zunächst eine vergleichsweise Regelung versucht worden ist und im ersten Termin zur streitigen Verhandlung die Dreiwochenfrist des § 3 KSchG bereits abgelaufen war. L A G Bremen vom 10. 12. 1958 — I Sa 73 + 106/58 — DB 1959, 59 = ArbGeb 1959, 154 = A R S t X X I , 576, 603 = W A 1959, 57
Hinweis: LS 1 und 2 entsprechen der herrsch Meinung; vgl BAG vom 13. und 17. 11. 1958 — 2 AZR 573/57 und 2 AZR 277/58 — A P N r 17 und 18 zu § 3 KSchG. Z u LS 3 ist auf BAG vom 30. 11. 1961 — 2 AZR 295/61 — A P N r 3 zu § 5 KSchG zu verweisen. Danach kann die Sache trotz S 68 ArbGG vom L A G an das ArbG zurückverwiesen werden, wenn das ArbG es versäumt hat, auf die Notwendigkeit des Antrages hinzuweisen.
Kündigungsschutzklage
Nr 340
Zweite Kündigung: Neue Klage oder Klageerweiterung KSchG §§ 1, 3, 6; ZPO § 268 Wird nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage vom Arbeitgeber eine neue Kündigung ausgesprochen, so bedarf es zur Erhaltung des Kündigungsschutzes für diese zweite Kündigung entweder der Erhebung einer neuen Kündigungsschutzklage oder der Erweiterung der bereits anhängigen Klage innerhalb der Dreiwochenfrist des § 3. L A G Bremen vom 22. 12. 1954 — Sa 105/54 — W A 1955, 236 Hinweis: Ebenso BAG vom 12. 10. 1954 — 2 AZR 36/53 — B A G 1, 110 = AP KSchG. Daß eine — neue — Kündigungsschutzklage auch durch Änderung terung einer schon anhängigen Klage erhoben werden kann, entspricht Meinung; vgl nur BAG vom 9. 3. 1961 — 2 AZR 502/59 — BAG 11, 46 = AP KSchG.
Lehrverhfiltnis
N r 5 zu fi 3 oder Erweider herrsch N r 31 zu fi 3
Nr 341
Beendigung — Nicht bestandene Abschlußprüfung GewO § 127 b; HGB § 77 1. Für den Abschluß der Lehre genügt es, daß die vereinbarte Ausbildungszeit zurückgelegt worden ist. Das Bestehen einer Abschlußprüfung ist dagegen nicht Voraussetzung des Lehrabschlusses.
erverhältnis
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2. Wenn in einem Tarifvertrag bestimmt ist, daß Lehrlinge, die nach Beendigung der Lehrzeit ihre Gehilfenprüfung nicht bestanden haben, bis zur bestandenen Prüfung 75 % des Tarif gehalts im ersten Gehilfen jähr erhalten, so bezieht sich dies lediglich auf den Fall der Nachlehre, zu welcher der Lehrling tariflich verpflichtet ist. 3. Wird jedoch zwischen dem Lehrherrn und dem Lehrling die Beendigung der Ausbildung vereinbart und der bisherige Lehrling nunmehr als Gehilfe weiterbeschäftigt, so ist ihm von diesem Zeitpunkt an der volle Gehilfenlohn zu zahlen. L A G Bremen vom 19. 4. 1960 — 2 Sa 4/60 — BB 1960, 1022 = DB 1960, 1131 «= AuR 1961, 29 « WA 1960, 303
Lehrverhältnis
Nr 342
Beendigung — Vorzeitige Gehilfenprüfung HGB § 77 1. Der Vertrag ist grundsätzlich stets dann als beendet anzusehen, wenn die zuständige Berufsorganisation dem Lehrling nach abgelegter Gehilfenprüfung bescheinigt, daß er die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse zur Ausübung seines Berufes besitzt. Das gilt auch für kaufmännische Lehrverhältnisse bei vorzeitiger Ablegung der Prüfung. 2. Es gibt keine Bestimmung, wonach das ablaufende Lehrverhältnis gekündigt werden muß oder das beendete Lehrverhältnis automatisch in ein Gehilfenverhältnis übergeht. Hierzu ist eine besondere Vereinbarung erforderlich, zu deren Abschluß aber die Parteien nicht verpflichtet sind. 3. Scheidet ein Lehrling nach vorzeitig abgelegter Gehilfenprüfung aus, so verstößt er damit nur dann gegen die arbeitsrechtliche Treuepflicht, wenn er den Lehrherrn bewußt in den Glauben versetzt hatte, daß er weiterhin bei ihm tätig sein wolle, um dadurch die vorzeitige Meldung zur Prüfung zu erreichen.
L A G Bremen vom 17. 9. 1947 — Sa 21/47 — BB 1948, 40 = RdA 1948, 77 mit zustimm Anm Wolters = WA 1948, 118
Lehrverhältnis
Nr 343
Fristlose Kündigung: Beharrliche Arbeitsverweigerung HGB §§ 70, 77 Ein Handlungslehrling darf nur insoweit mit dem Kassieren von Rechnungen beschäftigt werden, als es sich um seihe Ausbildung (Umgang mit Geld und Verkehr mit dem Publikum) handelt. Ein versicherungskaufmännischer Lehrling im 3. Lehrjahr darf aber jedenfalls gelegentlich zu dem Austragen und Einkassieren von Prämienrechnungen herangezogen werden. Weigert sich der Lehrling beharrlich, einem solchen Auftrage nachzukommen, kann er fristlos entlassen werden. KfmG Bremen vom 28. 5. 1912 und L G Bremen vom 13. 7. 1912 — GewuKfniG 1912/13, 59
Lehrverhältnis
Nr 344
Fristlose Kündigung: Erschwerung durch Mutter GewO § 127 Abs 2 Ein Lehrverhältnis kann vom Lehrherrn fristlos aufgelöst werden, wenn die Mutter des Lehrlings die Durchführung des Lehrverhältnisses erheblich erschwert. ArbG Bremen vom 1. 5. 1928 — ArbG 1928, 240 Hinweis: Vgl auch L A G Düsseldorf vom 31. 8. 1949 — Sa 154/49 — A P 50 Nr 177 ~ BB 1949, 688 - SAE 1949, 65, wonach eine erhebliche Beleidigung des Lehrherrn durch den Vater des Lehrlings ohne Beteiligung des Lehrlings nicht zur fristlosen Kündigung des Lehrverhältnisses berechtigen soll, wenn nicht nachteilige Einflüsse des Elternhauses die Erreichung des Lehrzieles in Frage stellen.
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Lehrverhältiiis
Lehrverhältnis
Nr 345
Fristlose Kündigung: Heirat und Auswanderung weiblichen Lehrlings HandwO § 25 Abs 2, §§ 26, 27; Art 2 Abs 1, Art 12 Abs 1 GG 1. Aus §26 HandwO ist der allgemeine Grundgedanke des Lehrlingsrechts abzuleiten, daß der Lehrling zur Beendigung des Lehrverhältnisses dann nicht gezwungen werden soll, wenn er die Lehre in seinem Handwerk nicht vollenden will, weil er sich — im Sinne der Freiheit der Berufswahl (Art 12 Abs 1, Art 1 Abs 1 GG) — einer anderen Berufsausbildung oder Berufsausübung zuwenden will, und damit der Lehrvertrag seinen Sinn verloren hat. Dieser Grundgedanke kann auf den Fall entsprechend angewendet werden, daß ein weiblicher Lehrling die Lehre in seinem Lehrhandwerk deshalb nicht vollenden will, weil er beabsichtigt, alsbald zu heiraten und seinem zukünftigen Ehemann als Hausfrau zur Seite zu stehen. 2. Die Erklärung, daß der weibliche Lehrling die Lehre aufgeben will, um zu heiraten, kann vom Lehrherrn nur dahin nachgeprüft werden, ob sie wahrheitsgemäß ist. 3. Auch die Absicht und Möglichkeit auszuwandern, kann nach den U m ständen des einzelnen Falles durchaus ein wichtiger Grund zur Auflösung des Lehrverhältnisses sein. Dies wird sich in der Regel aus dem Grundgedanken des Lehrvertrages ergeben, daß das Verbleiben des Lehrlings in der Familiengemeinschaft im allgemeinen den Vorrang vor dem Bestand des Lehrverhältnisses hat. L A G Bremen vom 7. 2. 1961 — 2 Sa 133/60 — AR-Blattei, Lehrvertrag — Lehrverhältnis, Entsch 15 = AuR 1961, 280 = WA 1961, 168 Hinweis: Vgl auch das in der Einleitung 1. des Ersten Teils zitierte interessante Ordel IV, 85 des bremischen Stadtrechts von 1303/1308 über fristlose Kündigung bei Heirat.
Lehrverhältnis
Nr 346
Fristlose Kündigung: Pflichtwidrigkeiten des Lehrlings HGB § 77 Abs 3, § 70 Abs 1; BGB § 138 Die Bestimmung im Lehrvertrage: „Vernachlässigt der Lehrling die ihm obliegenden Dienstpflichten, so hat er auf jeden Fall sofortige Entlassung zu gewärtigen", ist wirksam. Nur gröbliche Vernachlässigung der Dienstpflichten kann die Entlassung rechtfertigen. KfmG Bremen vom 2. 12. 1909 — KfmG 1909/10, 94
Lehrverhältnis
Nr 347
Fristlose Kündigung — Schadensersatzpflicht des Lehrherrn trotz fehlender Schriftform GewO § 127 f; BGB §§ 162, 826 Trotz mangelnder Schriftform können Schadensersatzansprüche wegen Auflösung des Lehrvertrages geltend gemacht werden, wenn der Lehrherr den Abschluß des schriftlichen Vertrages vereitelt hat. GewG Bremen vom 18. 2. 1926 — GewuKfmG 1925/26, 331 Hinweis: Für die nicht unter die HandwO fallenden gewerblichen Lehrverhältnisse macht § 127 f GewO die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen sowohl des Lehrherrn als auch des Lehrlings ua von der schriftlichen Abfassung des Lehrvertrages grundsätzlich abhängig. Die Entscheidung betrifft einen Fall, in dem der Lehrherr die schriftliche Vollziehung des Vertrages hintertrieben hatte. — Für Handwerkslehrlinge schreibt § 21 HandwO zwar auch den schriftlichen Abschluß eines Lehrvertrages vor. §27 HandwO fordert jedoch für Schadensersatzansprüche wegen von dem anderen Teil zu vertretender vorzeitiger Auflösung des Lehrverhältnisses nicht die Schriftform des Vertrages. Vgl dazu L A G Düsseldorf vom 27. 1. 1955 — 2 a Sa 310/54 — AP Nr 1 zu § 21 HandwO. — Für kaufmännische Lehrverhältnisse wird nur für Schadensersatzansprüche des Lehrherrn vorausgesetzt, daß der Lehrvertrag schriftlich geschlossen ist (§ 79 HGB).
Lehrverhältnis Lehrverhältnis
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Fristlose Kündigung: Streit über Lehrzeitdauer HandwO §24 Abs 2, §25 Abs 1 und 2, § 27, §30, §31 Abs 1, 2 und 4, §116; Erlaß des Reichswirtschaftsministers vom 22. 10. 1938 — III SW 18213/38 — 1. Gerade mit der Bestimmung, daß der Lehrling „der väterlichen Obhut des Lehrherrn anvertraut" ist (§24 Abs 2 Satz 1 HandwO), hat der Gesetzgeber die Fürsorgepflicht des Lehrherrn — im Verhältnis zur normalen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis — besonders betont und verstärkt. Daraus ergibt sich, daß die fristlose Auflösung des Lehrverhältnisses von dem Lehrherrn erst dann in Erwägung gezogen werden darf, wenn er alle anderen, ihm nach Lage der Sache zumutbaren Mittel und Maßnahmen erschöpft hat. 2. Für die Entscheidung kann unterstellt werden, daß die vom Lehrherrn mit den Lehrlingen für das Schlosser-Handwerk vereinbarte Lehrzeitdauer von 3 V2 Jahren wirksam war, obwohl für dieses Handwerk durch den Erlaß des Reichswirtschaftsministers vom 22. 10. 1938 — I I I SW 18213/38 — eine dreijährige Lehrzeit festgesetzt worden ist. Denn man wird die durch den Erlaß festgesetzten Lehrzeiten heute sicherlich nur als Mindestdauer der Lehre ansehen können, so daß Abweichungen nach oben bis zur Höchstdauer von vier Jahren zulässig sein dürften. 3. Der Lehrherr hatte bereits nach Wiedereingang der der Schlosser- und Maschinenbauer- Innung zur Eintragung in die Handwerksrolle vorgelegten Lehrverträge davon Kenntnis erhalten, daß die Innung nur eine dreijährige Lehrzeit für zulässig hielt. Die Lehrlinge haben dann — noch innerhalb der Probezeit — verlangt, daß nunmehr eine nur dreijährige Lehrzeit eingehalten werde. Unter diesen Umständen hat der Lehrherr sein etwaiges außerordentliches Kündigungsrecht schon gemäß § 25 Abs 2 Satz 2 HandwO durch Fristablauf verloren, wenn er erst über zwei Jahre später bei der Handwerkskammer den Antrag stellte, ihm „für die gründliche und vielseitige Ausbildung" seiner Lehrlinge „eine Lehrzeitdäuer von dreieinhalb Jahren zu gewähren", nach Ablehnung dieses Antrages wieder ein volles halbes Jahr verstreichen ließ, dann seinen Antrag wiederholte und, als die Handwerkskammer diesen Antrag erneut ablehnte, die Lehrlinge — wenige Monate vor dem Ende des 3. Lehrjahres — ultimativ aufforderte, ihm zu erklären, daß sie an der vereinbarten dreieinhalb jährigen Lehrzeit festhielten. Wenn die Lehrlinge diese Erklärung, wie bereits kurz nach Abschluß der Lehrverträge, nicht abgaben, so handelte es sich nicht um einen neuen Kündigungsgrund, sondern um das alte — wie unterstellt werden kann — Vertragsbrüchige Verhalten der Lehrlinge, das der Lehrherr wegen Zeitablaufs oder Verwirkung nicht mehr zur Begründung seiner gegen Ende des 3. Lehrjahres ausgesprochenen Kündigungen heranziehen konnte. 4. Der Lehrherr hatte keinen berechtigten Grund, den Streit um die Lehrzeitdauer auf den Rücken seiner Lehrlinge auszutragen. Nach Lage der Sache mußte sich der Lehrherr mit der grundsätzlichen Entscheidung der umstrittenen Lehrzeitdauer durch die Verwaltungsgerichte begnügen, nachdem er die Lehrverhältnisse wegen des Verhaltens der Lehrlinge bzw. ihrer gesetzlichen Vertreter nicht bereits im Laufe der Probezeit, wie durchaus möglich, aufgelöst hatte. L A G Bremen vom 30. 8. 1960 — 2 Sa 77 + 79/60, 2 Sa 78 + 80/60 — BB. 1960, 1289 -= AuR 1961, 90 = WA 1960, 342 Hinweis: Nach der Entscheidung des BVertuG vom 8. 6. 1962 — V I I 78/61 — AP Nr 1 zu § 30 HandwO — können die in der VO vom 23. 11. 1960 (BGBl I S 851) festgesetzten Lehrzeiten durch Vereinbarung in dem der Handwerkskammer zur Eintragung in der Lehrlingsrolle einzureichenden Lehrvertrag nicht verlängert werden.
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Lehrverhältnis
Lehrverhältnis
Nr 349
Fristlose Kündigung: Ungenügende Berufsschulleistungen GewO § 127 Abs 2 Ein Lehrling kann fristlos entlassen werden, wenn seine Leistungen in der Fortbildungsschule (Berufsschule) infolge des Mangels ah ausreichendem guten Willen dauernd ungenügend sind und die Eltern die Durchführung des Lehrzwecks erschweren. ArbG Bremen vom 1. 5. 1928 — ArbG 1928, 240 Hinweis: Siehe auch L A G Düsseldorf vom 18. 1. 1959 — 3 Sa 436/58 — BB 1959, 491. Danach ist es ein Grund zur fristlosen Entlassung, wenn der Lehrling die Pflicht, die ihm von der Berufsschule aufgegebenen Lernaufgaben zu erledigen, trotz Ermahnungen und Verwarnungen verletzt. Das gleiche soll gelten, wenn die Leistungen und Fähigkeiten des Lehrlings erkennen lassen, er werde das Lehrziel auf keinen Fall erreichen.
Lehrverhältnis
Nr 350
Haftung der Eltern für Unterschlagungen des Lehrlings: Großhandel BGB §§ 138, 254, 276 1. Die Bestimmung eines Lehrvertrages, die vorsieht, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt dem Lehrherrn neben dem Lehrling für alle durch diesen vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit rechtswidrig verursachten Schäden als Selbstschuldner haftet, ist weder sittenwidrig noch aus einem sonstigen Grund als nichtig anzusehen. 2. Beauftragt ein Lehrherr einen im fünften Monat beschäftigten Lehrling mit der Einzahlung von 1 000,— DM, so hält sich das im üblichen Rahmen der Lehrlingsausbildung, wie sie sonst im Großhandel erfolgt und erfolgen muß. Dem Lehrherrn kann keine schuldhafte oder nachlässige, den entstandenen Schaden mitverursachende Handlungsweise vorgeworfen werden. 3. Der Inhaber der elterlichen Gewalt haftet daher neben dem Lehrling, der das bei der Bank abzuliefernde Geld unterschlägt, als Selbstschuldner. L A G Bremen vom 8. 4. 1959 — I Sa 15/59 — BB 1959, 850 = WA 1959, 162
LehrverhSltnis
Nr 351
Haftung des Lehrlings für Geldverlust bei Inkasso: Großhandel BGB §§ 276, 611, 254 1. Die Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich in Fällen gefahrenbelasteter Arbeit sind nicht auf alle arbeitsrechtlichen Verhältnisse schlechthin anzuwenden, sondern nur dann, wenn die einem Arbeitnehmer übertragene Arbeit infolge der mit ihr verbundenen typischen Gefahrenlage den Eintritt eines Schadens besonders begünstigt. Ein solcher Tatbestand ergibt sich nicht aus dem Auftrage, Geld zu kassieren, abzuholen oder einzuzahlen. Tritt daher ein Geldverlust bei der Ausführung dieser Arbeit ein, so ist er ausschließlich auf mangelnde Sorgfalt zurückzuführen und nicht durch eine mit besonderen Gefahren verbundene Eigenart des Dienstes bedingt. 2. Grobe Fahrlässigkeit kann nicht festgestellt werden, wenn ein jugendlicher kaufmännischer Lehrling im 1. Lehrjahr infolge Unachtsamkeit einen Geldbeutel mit einkassiertem Geld verliert, da im jugendlichen Alter das Verantwortungsgefühl und die Fähigkeit zu vorausschauender Betrachtung erfahrungsgemäß wenig ausgebildet sind, so daß auch Sorglosigkeit und Unüberlegtheit in einem solchen Falle weitgehend durch Lebensalter und Entwicklungsstufe bedingt sind. 3. I n der Tatsache allein, daß ein jugendlicher kaufmännischer Lehrling mit dem Einkassieren von Geldbeträgen bis zu 2 000,— D M beauftragt worden
315
erverhältnis
ist, kann kein mitwirkendes Verschulden des Lehrherrn erblickt werden, wenn der Lehrling das einkassierte Geld verliert. Der Auftrag hält sich im Rahmen der üblichen Lehrlingsausbildung des Großhandels. 4. Der Lehrherr hat im Rahmen seiner im Lehrverhältnis wurzelnden Verpflichtung zur Fürsorge und Schutzaufsicht dafür zu sorgen, daß ein von ihm mit dem Einkassieren von Geldbeträgen beauftragter Lehrling die zur sicheren Aufbewahrung des Geldes erforderliche Ausrüstung (Geldtasche etc) erhält. Er hat darüber hinaus den Lehrling auch zur Vermeidung eines Geldverlustes mit genauen Anweisungen zu versehen und die Durchführung dieser Anweisungen auch im Einzelfall zu überwachen. Vernachlässigt der Lehrherr diese Pflichten, so trifft ihn im Falle eines Geldverlustes durch den Lehrling ein mitwirkendes Verschulden, das im Regelfalle die Unachtsamkeit des Lehrlings überwiegt. L A G Bremen vom 25. 7. 1956 WA 1957, 4
I Sa 71 + 83/56
— BB 1956, 1107 - DB 1956, 1088 =
Hin weis: Siehe audi L A G Bremen vom 8. 4. 1959 — I Sa 15/59 — Brem ARS Nr 350.
Lehrverhältnis
Nr 352
Innungsausschuß: Anrufung bei beendetem Lehrverhältnis GewGG § 84; GewO § 81 a a F Der Innungsausschuß für das Lehrlingswesen ist zuständig, wenn nach Ablauf der Lehrzeit der bisherige Lehrling auf Ausstellung eines Zeugnisses und Herausgabe des Arbeitsbuchs klagt. GewG Lehe vom 3. 6. 1904 — GewG 1904/05, 41 Hinweis: Nach der durchaus herrsch Lehre zu 8 111 Abs 2 ArbGG 1953 ebenso wie zu § 111 ArbGG 1926 braucht der Innungsausschuß nicht mehr angerufen zu werden, wenn das Lehrverhältnis beendet ist. Vgl BAG vom ia. 10 1961 — 1 A Z B 437/60 — BAG 11, 333 » A P N r 1 zu 5 111 ArbGG 1953.
Lehrverhältnis
Nr 353
Innungsausschuß: Paritätische Zusammensetzung ArbGG 1926 § 111 Abs 2 Der Innungsausschuß für Lehrlingsstreitigkeiten muß streng paritätisch zusammengesetzt sein. ArbG Bremen vom 2. 5. 1928 — ArbG 1928, 358 Hinweis: Gleicher Auffassung BAG vom 18. 10. 1961 — 1 AZR 437/60 — BAG 11, 333 = AP Nr 1 zu S 111 ArbGG 1953.
Lehrverhältnis
Nr 354
Innungsausschuß: Prozeß Voraussetzung ArbGG 1953 §111 Abs 2 Satz 3; ZPO § 528 Satz 2 Hat der Lehrherr entgegen § 111 Abs 2 Satz 3 ArbGG unterlassen, vor Beschreitung des Rechtsweges den bestehenden Innungsausschuß für Lehrlingsstreitigkeiten anzurufen, so mangelt es damit an einer von Amts wegen zu beachtenden Prozeßvoraussetzung. Hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit jedoch sachlich entschieden, so kann das Landesarbeitsgericht diesen Verfahrensmangel in entsprechender Anwendung des § 528 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs 2 ArbGG nur berücksichtigen, wenn der beklagte Lehrling im ersten Rechtszuge die Übergehung des Innungsausschusses ge^ rügt hat. L A G Bremen vom 7. 2. 1961 — 2 Sa 133/60 — AR-Blattei, Lehrvertrag — Lehrverhältnis, Entsch 15 = AuR 1961, 280 « WA 1961, 168
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Lehrverhältnis
Lehrverhältnis
Nr 3
Mangelhafte Ausbildung — Nichtbestehen der Abschlußprüfung: Küper HGB § 76 Abs 2; BGB §§ 254, 276 1. Ein Küpermeister, der einen Lehrling fast ausschließlich mit der Ladungskontrolle (Tallyarbeit) beschäftigt, verletzt damit seine Ausbildungspflicht, da dem Lehrling in einem solchen Falle keine Möglichkeit gegeben ist, sich alle für das Bestehen der Abschlußprüfung und die spätere Berufsausübung notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen. Der Lehrmeister kann sich nicht darauf berufen, daß ohne sein Verschulden in seinem Betriebe so gut wie ausschließlich nur noch Ladungskontrollarbeiten angefallen seien, da er nach Feststellung dieser Tatsache für eine ordnungsmäßige Ausbildung außerhalb seines Betriebes hätte Sorge tragen müssen. 2. Der Lehrherr haftet für den Schaden, der dem Lehrling durch das Nichtbestehen der Abschlußprüfung und die dadurch notwendig werdende Verlängerung der Lehrzeit entsteht, wenn die Ausbildung unzureichend war und nach dem Prüfungsergebnis die Ursächlichkeit dieses Umstandes für das Versagen des Lehrlings anzunehmen ist. Die Ursächlichkeit ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Lehrling in den praktischen Prüfungsfächern eine ungenügende Note erhalten hat. 3. Die Verpflichtung des Lehrherrn zum Schadensersatz für das Nichtbestehen der Abschlußprüfung durch den Lehrling infolge unzureichender Ausbildung kann sich nach dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens auf einen Bruchteil des entstandenen Schadens beschränken, wenn der Lehrling seinerseits von der ihm in der Berufsschule gebotenen Möglichkeit zur Aneignung der erforderlichen theoretischen Kenntnisse für den Lehrberuf nicht Gebrauch gemacht hat. L A G Bremen vom 29. 2. 1956 — Sa 147/55 — AP Nr 1 zu § 76 HGB = BB 1956, 372 « DB 1956, 332 = RdA 1957, 360 Hinweis: Nach L A G Düsseldorf vom 20. 12. 1960 — 8 Sa 389/60 — BB 1961, 452 = DB 1961, 342 — hat ein kaufm Lehrling keinen Grund zur fristlosen Auflösung eines Lehrverhältnisses, wenn weder er selbst noch sein Erziehungsberechtigter eine angeblich mangelhafte Ausbildung beanstandet haben. Nur dann, wenn die Industrie- und Handelskammer den Lehrherrn zur ordnungsgemäßen Ausbildung ermahnt und trotzdem die Ausbildung unzureichend bleibt, kann der Lehrling einen wichtigen Grund haben, das Lehrverhältnis fristlos zu lösen.
Lehrverhältnis
Nr 356
Vertragsbruch durch Lehrling: Einstweilige Verfügung ZPO §§ 940, 888 Abs 2 Ein Vertragsbrüchiger Lehrling kann auf Antrag des Lehrherrn durch einstweilige Verfügung angehalten werden, die ihm nadh dem Lehrvertrage obliegende Tätigkeit sofort wieder aufzunehmen. Dem Erlaß der einstweiligen Verfügung steht weder die fehlende Vollstreckungsmöglichkeit (§ 888 Abs 2 ZPO) noch die Tatsache entgegen, daß auch das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren dem Beschleunigungsgrundsatz unterliegt Die Verwirklichung des Rechts ist in erster Linie nicht die Aufgabe der Vollstreckungsorgane, sondern Sache der Rechtsprechung durch den Richter. Auch durch eine einstweilige Verfügung wird den Parteien jedoch die Rechtslage durch einen richterlichen Hoheitsakt nachdrücklich vor Augen gehalten. Demgegenüber ist es bedeutungslos, ob die Vertragsbrüchige Partei i m gerichtlichen Verfahren erklärt, sie werde auch einem Richterspruch keine Folge leisten. Das Rechtsschutzinteresse des Lehrherrn ist danach in Übereinstimmung mit der in Rechtsprechung und Rechtslehre überwiegenden Meinung zu bejahen, jedenfalls dann, wenn es sich um die Fortsetzung eines Lehrverhältnisses mit einem Lehrling im dritten Lehrjahre handelt, dessen Mitarbeit in einem kleinen Handelsgeschäft nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. L A G Bremen vom 23. 5. 1962 — 1 Sa 36/62 — BB 1962, 1000 « DB 1962, 1115 = AuR 1962, 346
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Leitender Angestellter Lehrvertrag
Nr 357
Formmangel: Kochlehre GewO §§ 126 b, 127 d, 127 f 1. Ein gewerblicher Lehrvertrag ist ungültig, wenn er nicht die in § 126 b Abs 1 N r 4 GewO angegebenen Bestimmungen enthält und vom Gewerbetreibenden oder seinem Stellvertreter nicht unterschrieben ist. 2. Aus einem ungültigen Lehrvertrag kann auf Fortsetzung des Lehrverhältnisses und auf Entschädigung geklagt werden. GewG Bremen vom 11. 1. 1912 — GewuKfmG 1911/12, 224 Hinweis: Vgl auch GewG Bremen vom 18. 2. 1926 «= GewuKfmG 1925/26, 331 — Brem ARS Nr 259 und 347
Leiharbeitsverhältnis
N r 358
Wesen — Lohnzahlungspflicht BGB §§611, 328 1. Ein Leiharbeitsverhältnis setzt voraus, daß der von seinem ursprünglichen Arbeitgeber zur Arbeitsleistung in einem fremden Betriebe abgeordnete Arbeitnehmer für unbestimmte oder doch längere Zeit in den neuen Betrieb eingegliedert wird. Ein Leiharbeitsverhältnis liegt infolgedessen nicht vor, wenn ein rechtsfähiger Verein in einem Dienstleistungsvertrage gegen eine ihm pauschal zufließende Vergütung die Wahrnehmung des laufenden Geschäftsbetriebs einer im Aufbau begriffenen Körperschaft des öffentlichen Rechts (Landwirtschaftskammer) übernommen hat, die selbst noch nicht über eine eigene Organisation verfügt. Die Rechtslage ändert sich auch dann nicht, wenn ein Vorstand der im Aufbau begriffenen Körperschaft gewählt wird und nunmehr dem Personal des Vereins hinsichtlich der auszuführenden Arbeiten Weisungen erteilt. Ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Personal des Vereins und der Körperschaft wird hierdurch nicht begründet. 2. Durch die Aufspaltung der Rechte und Pflichten aus dem vom verleihenden Arbeitgeber begründeten Arbeitsverhältnis wird bei einem Leiharbeitsverhältnis grundsätzlich keine Veränderung der Rechtslage hinsichtlich des rechtlichen Bandes und hinsichtlich der Lohnzahlungspflicht hervorgerufen. Die Lohnzahlungspflicht trifft vielmehr den Verleiher (ursprünglichen A r beitgeber) und geht auf den Entleiher — auch in der Form einer Mithaftung — nur dann über, wenn eine Abmachung nach § 328 BGB zugunsten des Arbeitnehmers zwischen Verleiher und Entleiher getroffen worden ist. 3. Bei einem Leiharbeitsverhältnis kann zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer ein die Verpflichtung zur Lohnzahlung einschließendes A r beitsverhältnis auch stillschweigend begründet werden, wenn die Abordnung des Arbeitnehmers ausschließlich im Interesse des Entleihers erfolgt ist und besondere Umstände oder Erklärungen den beiderseitigen Willen zur Begründung eines zweiten Arbeitsverhältnisses erkennen lassen. L A G Bremen vom 7. 1. 1959 — I Sa 97/57 — BB 1959, 338, 412 - DB 1959, 209, 407 Hinweis: Zum Leiharbeitsverhältnis siehe Hueck-Nipperdey, Bd I S 241—247 mwN.
Bd I S 521—526: Nikisch,
Leitender Angestellter
N r 359
nach BetrVG: Angestellten Versicherungspflicht und Rentenreform BetrVG § 4 Abs 2 Buchst c Ein Angestellter, der Aufgaben wahrzunehmen hat, die regelmäßig wegen ihrer Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens nur auf Grund persönlichen Vertrauens des Arbeitgebers und im Hinblick auf die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse übertragen zu werden pfle-
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Leitender Angestellter
gen, ist dennoch nicht leitender Angestellter im Sinne des § 4 Abs 2 Buchst c BetrVG, wenn sein Gehalt nicht D M 15 000,— jährlich übersteigt und demgemäß nach Art 1 § 5 Abs 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. 2. 1957 die Versicherungspflicht besteht. L A G Bremen vom 27. 11. 1957 — I Sa B 1/57 — BB 1958, 40 « DB 1958, 200 Hinweis: Ebenso die überwieg Meinung; vgl Galperin-Siebert, 5 4 Anm 19 mwN. Zum Begriff des leitenden Angestellten IS des S 4 Abs 2 Buchst c BetrVG vgl BAG vom 28. 9. 1961 — 2 AZR 428/60 — B A G 11, 278, 283 - A P N r 1 zu 5 1 KSchG Personenbedingte Kündigung — und vom 28. 4. 1964 — 1 ABR 2/64 — A P N r 4 zu § 4 BetrVG.
Leitender Angestellter
N r 360
nach BetrVG: Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat BetrVG §§ 76, 77 a Leitende Angestellte im Sinne des § 4 BetrVG können nicht als solche A r beitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gewählt werden, die gemäß §76 Abs 2 BetrVG Arbeitnehmer des Unternehmers sein müssen. ArbG Bremerhaven vom 21. 4. 1959 — Ca 567/59 — BB 1959, 599 Hinweis: Ebenso L A G Bremen vom 15. 7. 1959 — 1 Sa B 1/59 — Brem ARS N r 38. Leitende Angestellte des Unternehmens IS des 5 80 Abs 1 Satz 2 AktG sind niemals wählbar. Die beiden ersten Arbeitnehmersitze im Aufsichtsrat dürfen darüber hinaus auch nicht an Arbeitnehmer vergeben werden, die zwar von S 80 AktG nicht erfaßt werden, jedoch nach der insoweit vorgehenden Bestimmung des fi 4 Abs 2 BetrVG als leitende Angestellte anzusehen sind. Galperin-Siebert, 5 76 Anm 37 b mwN. § 80 Abs 1 Satz 2 AktG aF entspricht jetzt im wesentlichen 5 89 Abs 2 nF, der nur noch von Prokuristen und von zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten handelt.
Lohnabzug
N r 361
auf Beschluß der Betriebskrankenkasse BGB § 611 Der Arbeitnehmer braucht sich nicht auf Grund eines Beschlusses der Betriebskrankenkasse einen Lohnabzug für Heilmittel gefallen zu lassen. ArbG Bremen vom 15. 7. 1929 — ArbG 1929, 385
Lohnabzug
N r 362
Haftung für übernommenes Werkzeug BGB §§ 611,254 1. Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Arbeitnehmer einen Lohnabzug für verdorbenes oder verlorenes Werkzeug zu machen, wenn dieser sich durch Unterschrift verpflichtet hat, das Werkzeug beim Austritt vollzählig und in gutem Zustande abzuliefern. 2. Wird dem Arbeitnehmer keine genügende Aufbewahrungsmöglichkeit gewährt, kann ein solches mitwirkendes Verschulden des Arbeitgebers die Ersätzpflicht des Arbeitnehmers mindern oder ganz aufheben. Auch kann u U der Garantievertrag als unsittlich anzusehen sein. GewG Bremen vom 21. 2. 1913 — GewuKfmG 1912/13, 181
Lohnanspruch
N r 363
Arbeitsverweigerung bei Verdacht gegen Arbeitgeber BGB §§611, 615 Der Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, die Arbeit deshalb zu verweigern, weil er den Verdacht hat, eine polizeiliche Durchsuchung seiner Wohnung
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Lohnkürzung
sei durch den Arbeitgeber veranlaßt. I n solchem Falle kommt der Arbeitnehmer in Verzug und hat keinen Anspruch auf Lohnzahlung. L A G Bremen vom 26. 1. 1949 — Sa 27/48 — A P 50 Nr 135 mit zustimm Anm Nikisch = DB 1949, 286 - SAE 1949, 53 - ARSt I I I , 139 - W A 1949, 183
Lohnanspruch
Nr 364
nach Arbeitsunfähigkeit: Wiederaufnahme der Arbeit BGB §§ 611, 615, 616 Der Lohnanspruch für die Dauer der vertraglichen Kündigungsfrist entfällt, wenn der Arbeitnehmer es unterläßt, sich nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit im Anschluß an einen Unfall zur Wiederaufnahme der A r beit zu melden, und alsdann ein anderes Arbeitsverhältnis eingeht. L A G Bremen vom 9. 6. 1961 — 1 Sa 137/60 — DB 1961, 1070 = AuR 1961, 380 1961, 224
WA
Hinweis: Die Entscheidung folgt aus dem Grundsatz des 8 614 BGB: „Ohne Arbelt kein Lohn" und daraus, daß nach Beendigung der Arbeitsverhinderung iS des 8 616 BGB ein tatsächliches Leistungsangebot des Arbeitnehmers erforderlich gewesen wäre (8 615 BGB).
Lohngleichheit
Nr 365
Gelernter Kellner und Serviererin GG Art 3; RTV des Brem Gaststätten- und Hotelgewerbes vom 23. 9. 1953 § 16 Nr 2; LTV vom 26. 2. 1954 für Bremerhaven und vom 28. 7. 1954 für Bremen 1. Die Lohntafel des Lohntarifvertrages vom 26. 2. 1954 für das Gaststättenund Beherbungsgewerbe in Bremerhaven bestimmt für den „gelernten Kellner" einen Monatsverdienst in Höhe von D M 250,—. Die „Serviererin" wird im Gegensatz zur Lohntafel des Lohntarifvertrages vom 28. 7. 1954 für das Gaststätten- und Beherbungsgewerbe in Bremen nicht aufgeführt. 2. Eine in Bremerhaven beschäftigte Serviererin kann nicht einfach mit dem Hinweis darauf, sie leiste dieselbe Arbeit wie ein Kellner, den Lohnsatz eines gelernten Kellners verlangen. Dieser Lohnsatz bleibt nach dem Wortlaut des Lohntarifvertrages für Bremerhaven nur dem Kellner mit abgeschlossener Lehre vorbehalten. 3. Für eine Anwendung des § 16 N r 2 des Rahmentarifvertrages des bremischen Gaststätten- und Hotelgewerbes vom 23. 9. 1953 ist dann kein Raum, wenn in dem Lohntarifvertrag für eine Berufsgruppe (so in Bremerhaven die Serviererin) überhaupt keine Bestimmungen getroffen werden. § 16 Nr 2 des Rahmentarifvertrages lautet: Soweit in dem Lohntarif nicht besondere Löhne für weibliche Arbeitnehmer vorgesehen sind, gelten die Bestimmungen des Lohntarifes gleichmäßig für männliche und weibliche Arbeitnehmer. Das Problem des Lohngleichheitsgrundsatzes wird in diesem Falle gar nicht berührt. L A G Bremen vom 27. 7. 1955 — Sa 79 + 81/55 — DB 1955, 804 - BAB1 1956 B I V h
Lohnkürzung
Nr 366
nach Währungsreform: Übergesetzlicher Notstand BGB §§ 134, 242; biz LohnstopaufhG vom 3. 11. 1948 1. Auch eine vereinbarte Gehaltskürzung bedarf der Genehmigung der A r beitsbehörde nach den Lohnstopvorschriften und ist anderenfalls nach § 134 BGB rechtsunwirksam.
320
Lohnminderung
2. Eine Abweichung hiervon kann auf Grund eines übergesetzlichen Notstandes nur für die allererste Zeit nach der Währungsreform anerkannt werden (Monat Juni 1948). Insoweit waren auch die Arbeitnehmer wegen der Gefährdung der Fortexistenz des Betriebes und ihres Arbeitsplatzes zur teilweisen Übernahme des Lohnrisikos verpflichtet. Sie sind an die mit ihrem Einverständnis geschaffene konkrete Lohnordnung gebunden. 3. Für die Zeit nach dem 1. 7. 1948 ist kein Notstand mehr anzuerkennen. Hat der Arbeitgeber die Einholung der nach den Lohnstopbestimmungen erforderlichen Genehmigung versäumt, so kann er sich nicht auf eine rechtswirksame Gehaltskürzung berufen. 4. Während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses kann in der Regel eine Verwirkung von Ansprüchen aus unberechtigter Gehaltskürzung nicht stattfinden. L A G Bremen vom 18. 1. 1950 — Sa 70/49 — AP 50 Nr 147 mit sehr krit Anm Herschel Hinweis: I n der oa Anm vertritt Herschel die Auffassung, die Berufung auf den tibergesetzlichen Notstand sei — rauschgifthaltigen Drogen vergleichbar — ein äußerstes Mittel, das, namentlich in Zivilsachen, nur dann zugelassen werden dürfe, wenn es zur Abwendung eines schwerer! existenzvernichtenden Unrechts völlig unvermeidbar sei; aus der Entscheidung sei nichts darüber zu entnehmen, welche konkreten Tatsachen bei dem Arbeitgeber einen konkreten Notstand ausgelöst hätten. Darüber hinaus rechtfertige ein übergesetzlicher Notstand niemals den Untergang oder die entgültige Kürzung des Lohnanspruchs, sondern höchstens, daß der Arbeitgeber den Lohn des Arbeitnehmers damals gekürzt auszahlen konnte; den Restlohn nachzuzahlen, sei der Arbeitgeber heute aber nicht gehindert.
Lohnminderung
N r 367
Voraussetzungen — Sittenwidrigkeit BGB §§ 611, 138 Abs 2, 612 Abs 2 Eine Lohnminderung in angemessenen Grenzen ist nicht nur wegen Minderleistungsfähigkeit oder fehlender Berufsausbildung zulässig, sondern auch dann, wenn dem Arbeitnehmer gestattet ist, häufig längere Arbeitspausen einzulegen und auch Privatarbeiten für eigene Rechnung im Betrieb zu verrichten. Selbst wenn aber in einem solchen Fall eine Lohnminderung um 7» des üblichen Arbeitsentgelts nicht angemessen ist, kann doch von einem sittenwidrigen Mißverhältnis oder einer wucherischen Ausbeutung nicht gesprochen werden, so daß eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsverträge rechtswirksam ist. L A G Bremen vom 5. 1. 1955 — Sa 111/54 — A P Nr 3 zu 5 611 BGB Lohnanspruch mit zustimm Anm Larenz = BB 1955, 478 «» DB 1955, 692 - WA 1955, 245
Lohnpfändung
N r 368
Einbehaltung zu hohen Betrages ZPO §§ 832, 835; BGB §§ 812 t 813 Hat ein Arbeitgeber auf Grund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses irrtümlich einen zu hohen Betrag vom Lohn einbehalten und dem Pfändungsgläubiger überwiesen, so kann der Arbeitnehmer (Schuldner) mit Rücksicht auf die §§ 812, 813 BGB eine nochmalige Bezahlung des durch die Pfändung nicht erfaßten Lohnbetrages an sich nicht mehr fordern. ArbG Bremen vom 19. 6. 1957 — V Ca 2655/56 —. SAE 1957, 110 Hinweis: Mit der Entscheidung ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß die schuldhaft unrichtige Einbehaltung und Abführung eines zu hohen Lohnbetrages eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber darstellen und ihn schadensersatzpflichtig machen kann.
Lohnpfändung Lohnpfändung
321 N r 369
Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses ZPO §§ 829, 832 1. Die Wirkung einer Lohn- oder Gehaltspfändung beschränkt sich auf das zur Zeit ihrer Vornahme zwischen Schuldner und Drittschuldner bestehende Rechtsverhältnis. Das Pfandrecht erlischt also grundsätzlich mit der Lösung dieses Verhältnisses und erstredet sich nicht mehr auf Ansprüche aus Rechtsbeziehungen, die zwischen Schuldner und Drittschuldner später neu geschaffen werden. 2. Das Pfandrecht behält seine Wirkung jedoch ausnahmsweise auch dann für das neu geschaffene Rechtsverhältnis, wenn die Beteiligten von vornherein in Aussicht genommen haben, die Zusammenarbeit in absehbarer Zeit fortzusetzen, es sich also nur um eine vorübergehende Lösung handelt. 3. Das Pfandrecht bleibt schließlich auch dann bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis nur zu dem Zwecke gelöst wurde, der Pfändung den Boden zu entziehen, und der Schuldner schon nach kurzer Zeit wieder eingestellt wird. ArbG Bremen vom 19. 4. 1955 — 3 Ca 3040/52 — DB 1955, 731 Hinweis: Ebenso L A G Hamm vom 8. 1. 1957 — 2 Sa 423/56 — BB 1957, 1110. Nach BAG vom 3. 10. 1957 — 2 AZR 41/57 — AP N r 2 zu 5 832 ZPO erfaßt eine Pfändung nicht nur den Lohn aus dem zur Zeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bestehenden Arbeitsvertrag, sondern darüber hinaus aus mehreren Arbeitsverträgen, wenn diese nach der im Arbeitsleben üblichen Verkehrsauffassung ein einheitliches Arbeitsverhältnis darstellen. Dies ist der Fall, wenn die zwischen zwei Arbeitsverträgen liegende Zeit wirtschaftlich einer Suspendierung des Arbeitsvertrages gleichkommt. Vgl auch Leininger, BB 1958, 112 und Riedel, MDR 1958, 897.
Lohnpfändung
N r 370
Verschleierter Arbeitsvertrag: Ehemann in Fachgeschäft der Ehefrau LohnpfändungsVO idF vom 22. 4. 1952 §§ 6, 9, 10 Abs 2 1. Bei Unterhaltsansprüchen ist der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluß festgesetzte pfandfreie Betrag vom Arbeitsgericht seiner Entscheidung solange zugrunde zu legen, bis der Schuldner gemäß § 9 LohnpfändungsG eine Abänderung des Pfändungsbeschlusses herbeigeführt hat. 2. Die Voraussetzungen des § 10 Abs 2 LohnpfändungsG sind gegeben, wenn eine Geschäftsinhaberin weder die erforderliche fachliche Vorbildung noch die Zeit zur Führung des Geschäfts hat und den Betrieb im wesentlichen ihrem fachlich vorgebildeten Ehemann überläßt. Auf den rechtlichen Willen der Beteiligten hinsichtlich der Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen kommt es nicht an. 3. Ein verschleiertes Arbeitseinkommen kann nicht festgestellt werden, wenn der Schuldner lediglich sein ehemännliches Verwaltungsrecht am Vermögen seiner Ehefrau ausübt. Dieser Fall ist aber nur dann gegeben, wenn sich die Tätigkeit des Ehemannes auf die bloße Aufsicht und Überwachung beschränkt, nicht aber dann, wenn er sich darüber hinaus in einem Geschäftsbetrieb der Ehefrau betätigt und Dienste nach Art eines Arbeitnehmers leistet. Eine familienrechtliche Verpflichtung des Ehemanns zur Dienstleistung in einem Geschäft der Ehefrau besteht nicht. 4. Die Festsetzung des verschleierten Arbeitseinkommens nach § 10 Abs 2 LohnpfändungsG hat unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles zu erfolgen, insbesondere also sind die Art der Dienstleistung, die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Dienstberechtigten und dem Schuldner sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dienstberechtigten zu berücksichtigen. Z u berücksichtigen ist ferner aber auch, ob die Pfändung wegen einer Unterhaltsforderung erfolgt ist, in welchem Falle besonders strenge Maßstäbe an die Leistung des Dienstberechtigten zu legen 21
Trinkhaus
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Lohnpfändung
sind, insbesondere wenn sich aus dem festgestellten Tatbestand ergibt, daß der Schuldner und der Dienstberechtigte gemeinsam die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs vereiteln wollen. I n einem solchen Falle kann es auch angemessen erscheinen, den überwiegenden Teil des Reingewinns aus einem Geschäft als Arbeitseinkommen des Schuldners festzusetzen, wenn das Geschäft praktisch nur vom Schuldner geführt und aufrecht erhalten wird. Dies ist anzunehmen, wenn die Ehefrau als Geschäftsinhaberin ein früher auf den Namen des Ehemanns betriebenes Geschäft fortsetzt, ohne selbst die erforderliche fachliche Vorbildung zu besitzen und außerdem auch noch ganztätig als Arbeitnehmerin tätig ist, während die Führung des Geschäfts dem Ehemann und Unterhaltsschuldner überlassen bleibt. L A G Bremen vom 2. 7. 1952 — Sa 24/52 — A P 54 N r 158 mit zustimm Anm Pohle — BB 1952, 1024 = DB 1952, 656 - RdA 1952, 439 - ARSt V I I I , 733 = WA 1952, 263 Hinweis: 8 10 Abs 2 LohnpfändungsG entspricht jetzt ( 850 h Abs 2 ZPO.
Lohnpfändung
N r 371
Verschleierter Arbeitsvertrag: Fingierter Anspruch LohnpfändungsVO idF vom 22. 4. 1952 § 10 Der in § 10 der LohnpfändungsVO fingierte Anspruch auf angemessene Entlohnung stellt keine echte Lohnforderung des Arbeitnehmers dar, sondern entsteht lediglich im Verhältnis des Gläubigers zum Drittschuldner, der sich an der Verschleierung des Lohrieinkommens beteiligt hat. Der Drittschuldner kann dem Anspruch aus § 10 der LohnpfändungsVO daher nicht entgegenhalten, daß er gegen die fingierte Lohnforderung mit Gegenforderungen gegen den Schuldner (Arbeitnehmer) aufrechnen wolle. L A G Bremen vom 30. 9. 1953 — Sa 81/53 — DB 1953, 867 = ARSt X I I , 192 1954, 132
WA
Hinweis: § 10 LohnpfändungsVO 1952 entspricht jetzt 5 850 h Abs 2 ZPO.
Lohnpfändung
N r 372
Verschleierter Arbeitsvertrag: Malermeister nach Konkurs ZPO § 850 h Abs 2; BGB § 1356 Abs 2 Die Ehefrau eines Malermeisters, die nach dessen wirtschaftlichem Zusammenbruch das Geschäft auf eigene Rechnung fortführt, ist gemäß § 850 h Abs 2 ZPO zur Zahlung einer angemessenen Vergütung verpflichtet, wenn ihr Ehemann ihr nicht nur gelegentlich mit Rat und Tat zur Seite steht, sondern ständig die Lehrlingsausbildung übernimmt, die Arbeitsstellen überwacht, sich um Erteilung von Aufträgen bemüht, bei Submissionen die Verhandlungen mit den Auftraggebern führt, die fachlichen Absprachen trifft und sich auch bei größeren Arbeiten an den Schlußabnahmen beteiligt, weil die Ehefrau und Geschäftsinhaberin fachlich nicht vorgebildet ist. Dienste dieser Art überschreiten auch bei einem kleineren Malergeschäft mit durchschnittlich fünf Gesellen den Umfang einer Mitarbeit nach § 1356 Abs 2 BGB, und zwar auch dann, wenn der Ehemann der Geschäftsinhaberin mit Rücksicht auf sein Lebensalter und seine beeinträchtigte Gesundheit nicht mehr in der Lage ist, körperlich mitzuarbeiten, und die Buchführung sowie die nicht fachlichen Kontorarbeiten von der Ehefrau erledigt werden. Es ist demgegenüber Sache der beklagten Ehefrau, diejenigen Umstände vorzutragen und unter Beweis zu stellen, die eine andere Würdigung des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betriebes zur Folge haben könnten. Etwaige Naturalleistungen der Ehefrau für ihren Ehemann sind auf den nicht pfändbaren Teil der angemessenen Vergütung zu verrechnen. Eine Aufrechnung mit Gegenforderungen der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemanne ist gegenüber der ausschließlich im
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Lohnverwirkung Verhältnis der Drittschuldnerin zum Gläubiger nach § 850 h Abs 2 ZPO nicht zulässig.
geschuldeten
Vergütung
L A G Bremen vom 27. 2. 1963 — 1 Sa 137/62 — A P N r 9 zu | 850 h ZPO 768 = AuR 1963, 187 - W A 1963, 116 - RdA 1963, 478
Lohnpfändung
BB 1963,
N r 373
Verschleierter Arbeitsvertrag: Sohn in technischer Großhandlung des Vaters ZPO §§ 850 d, 850 h Abs 2; BGB §§ 611, 612, 366 Abs 2 1. Der nach § 850 d ZPO erlassene Pfändungs- und Überweisungsbeschluß ergreift den unter Berücksichtigung des dem Schuldner belassenen Freibetrages verbleibenden Restbetrag des Arbeitseinkommens des Schuldners im Regelfall nicht, soweit der Schuldner unstreitig aus seinem Arbeitseinkommen an den pfändenden Gläubiger freiwillige Unterhaltszahlungen für den gleichen Zeitraum geleistet hat. Dagegen können etwaige Unterhaltszahlungen des Schuldners an andere Unterhaltsgläubiger, soweit sie im Pfändungsund Überweisungsbeschluß nach § 850 d ZPO nicht berücksichtigt worden sind, vom Drittschuldner nicht eingewandt werden, da die Gerichte für A r beitssachen an die vom Vollstreckungsgericht festgesetzte Pfändungsgrenze grundsätzlich gebunden sind. 2. Die Vergütung eines Schuldners ist im Sinne des § 850 h Abs 2 ZPO unverhältnimäßig gering, wenn sie erheblich unter der Vergütung liegt, die der Drittschuldner einem fremden Arbeitnehmer für eine entsprechende Dienstleistung gewähren müßte. Entscheidend sind dabei neben der Art und dem Umfang der Tätigkeit des Schuldners (Vertrauensstellung) auch die übrigen Umstände des Einzelfalles, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Drittschuldners. Bei verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Schuldner und Drittschuldner muß berücksichtigt werden, daß der Schuldner gegebenenfalls aus rechtlichen oder moralischen Gründen gehalten sein kann, seinen nicht mehr voll arbeitsfähigen Eltern ihre Existenzgrundlage zu erhalten; doch ist eine solche Verpflichtung gegenüber den der Pfändung zugrunde liegenden anderen Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners abzuwägen. Der Schuldner darf in einem solchen Falle nicht einen erheblichen Teil seiner Dienste unentgeltlich erbringen. 3. Zahlungen des Schuldners, die nach einer Pfändung seines Arbeitslohnes erfolgen, sind nach § 366 Abs 2 BGB auf die vor Zustellung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses aufgelaufenen älteren Unterhaltsrückstände zu verrechnen, wenn der Schuldner keine ausdrückliche Bestimmung über die Verwendung seiner Zahlungen trifft. 4. Die Wirkung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich des Arbeitslohnes eines Schuldners, der auf Grund einer einstweiligen Unterhaltsanordnung in einem Ehescheidungsstreit des Schuldners ergangen ist, entfällt mit der rechtskräftigen Beendigung des Ehescheidungsverfahrens, und zwar erst von diesem Zeitpunkt ab, so daß die Vollstreckung wegen der vorher fällig gewordenen Unterhaltsbeträge fortgesetzt werden kann. L A G Bremen vom 31. 1. 1962 — 1 Sa 154/61 — DB 1962, 476 1962, 141
AuR 1962, 183 -
Lohnverwirkung
WA
N r 374
Fristlose Entlassung rechtfertigendes Verhalten des Arbeiters GewO § 134 Die vereinbarte Lohnverwirkung gemäß § 134 GewO betrifft (im Geltungsbereich des § 133 h GewO) nur Fälle, in denen der Arbeiter das Arbeitsverhältnis selbst vorzeitig rechtswidrig löst, vor Ablauf des Arbeitsvertrages rechtswidrig mit seiner Arbeit aufhört, nicht aber Fälle, in denen der A r 21»
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Lohnvorscfauß
beiter durch sein Verhalten dem Arbeitgeber ein Recht zur fristlosen Entlassung gibt. GewG Bremen vom 9. 2. 1912 — GewuKfmG 1911/12, 247 Hinweis: Ebenso RAG vom 11. 7. 1928 — 64/28 — ARS 3, 196; Rohlfing-Kiskalt-Wolff, § 134 Anm 4; vermittelnd für den Fall, daß der Arbeitnehmer durch vorsätzliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten es darauf anlegt, fristlos entlassen zu werden: Böldt-Steffens, § 134 Anm n Abs 2; ähnlich Landmann-Rohmer, Anm 3.
Lohnvorschuß
N r 375
Abgrenzung zum Darlehen — Lohnpfändung BGB §§ 394 Abs 1, 400; ZPO § 850 d 1. Eine Vorauszahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer ist in der Regel nur dann als Darlehn zu betrachten, wenn es sich um einen die laufende Lohnzahlung erheblich übersteigenden Betrag handelt, dessen Hingabe für einen Zweck erfolgt, für den auch sonst üblicherweise ein Kredit in Anspruch genommen wird. Ist dies nicht der Fall und eine eindeutige Abrede nicht getroffen worden, so kommt es auf die Begleitumstände an. Für den Darlehenscharakter der Geldzahlung spricht die Vereinbarung einer späteren oder langsameren Rückzahlung unter Gewährung einer größeren Anzahl von Raten, die sich im Rahmen der Vorschriften der §§ 394 Abs 1 und 400 BGB halten, ferner auch die Berechnung von Zinsen. Ist dagegen der sofortige Beginn der Rückzahlung oder eine den pfändbaren Teil des Arbeitsentgelts übersteigende Höhe der Rückzahlungsraten abgemacht worden, so spricht dies für das Vorliegen eines Lohnvorschusses, zumal wenn die Vorauszahlung lediglich zur Überbrückung des Zeitraums bis zu den nächsten Lohnzahlungen erfolgt und dem Arbeitnehmer das Bestreiten seines laufenden Lebensunterhalts bis dahin ermöglichen soll. 2. Der Arbeitgeber ist berechtigt und nachträglich pfändenden Gläubigern gegenüber auch verpflichtet, einen von ihm gewährten Lohnvorschuß bzw die im Rahmen der Vorschußgewährung vereinbarten Beträge auf den pfändbaren Lohnanteil anzurechnen. Reicht der pfandfreie Lohnanteil für diesen Zweck aus, so sind die Ansprüche der Pfändungsgläubiger aus dem der Pfändung unterliegenden Lohnanteil zu befriedigen. L A G Bremen vom 21. 12. 1960 — 1 Sa 147/60 — BB 1961, 448 = DB 1961, 243 Blattei, Lohnpfändung, Entsch 10 «= AuR 1961, 158 = WA 1961, 65
AR-
Hinweis: Die Entscheidung folgt der herrsch Meinung (Nachweise bei Bischoff-Rochlitz, V, 37—42; Nikisch, Bd I S 361—362), gegen die aber zu LS 2 von Bischoff, BB 1952, 434; Larenz, Anm zu AP Nr 1 zu § 614 BGB Gehaltsvorschuß, beachtliche Bedenken erhoben werden. Da der Lohnanspruch am Zahltag schon um den Betrag des Vorschusses oder einer Rate vermindert ist, soll der Gläubiger des Arbeitnehmers auch nur den pfändbaren Teil dieses verminderten Anspruches beschlagnahmen lassen können.
M a n k o h a f t u n g : Filialleiter
N r 376
Mankoabrede — Schuldanerkenntnis BGB §§ 119, 123, 133, 157, 242, 780, 781 1. Es kann dahinstehen, ob nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens und nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) in der ausdrücklichen Übernahme der vollen Haftung für Warenfehlbestände durch einen angestellten Filialleiter überhaupt die Übernahme der Haftung auch für Zufallsschäden ohne Verschulden des Filialleiters zu sehen ist (verneinend zur Auslegung einer entsprechenden tarifvertraglichen Bestimmung BAG vom 12. 8. 1959 — 2 A Z R 75/59 — B A G 8, 91, 97 = A P N r 1 zu § 305 BGB mit zustimm Anm von Tophoven). Denn auch wenn das der Fall ist, ist eine vertragliche Abwälzung des Unternehmerrisikos des Arbeitgebers auf den Filialleiter nur rechtswirksam, wenn dem erhöhten Risiko, das in der vertraglichen Übernahme der Haftung auch für unverschuldete Fehlbestände liegt, ein wirtschaftlicher Ausgleich, etwa durch ein
Mankohaftung
325
angemessen erhöhtes Gehalt oder durch ein zusätzliches Mankogeld, gegenübersteht. Fehlt ein angemessener wirtschaftlicher Risikoausgleich, so verstößt die Mankoabrede als einseitige Belastung des Filialleiters gegen die guten Sitten, so daß ihr die rechtliche Anerkennung zu versagen ist (vgl nur BAG vom 9. 4. 1957 — 2 A Z R 532/54 — A P N r 4 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers mit zustimm Anm von G. Hueck m w N.). 2. Gegen die Annahme eines abstrakten, selbständigen Schuldanerkenntnisses i S von § 781 BGB oder eines abstrakten Schuldversprechens i S von § 780 BGB kann vor allem sprechen, daß der Filialleiter in der schriftlichen Erklärung die schuldbegründende Tatsache, nämlich einen bestimmten Fehlbestand in der von ihm bis dahin geleiteten Filiale, als solche anerkannt und sich dann weiter zur Abtragung dieses Fehlbestandes verpflichtet hat und in der Erklärung ein besonderer Vorbehalt für etwaige spätere Berichtigung des anerkannten Fehlbetrages enthalten ist. Gerade daraus geht der wirtschaftliche Zweck der Erklärung, dem Arbeitgeber eine Beweisurkunde gegen den Filialleiter in die Hand zu geben, deutlich hervor. Überhaupt ist ein nach Feststellung eines Mankos abgegebenes Schuldanerkenntnis in aller Regel kein Schuldversprechen oder abstraktes Schuldanerkenntnis i S der §§ 780, 781 BGB, sondern nur eine Beweisurkunde, die allerdings die Umkehrung der Beweislast, auch hinsichtlich der Höhe der Schuld, zur Folge hat. Es ist indessen auch möglich, daß eine solche Erklärung als ein bestätigendes Schuldanerkenntnis aufzufassen ist, das alle bei der Unterzeichnung vorhandenen Einwendungen endgültig abschneidet (LAG Bremen vom 5. 1. 1955 — Sa 109/54 — A P Nr 3 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers = BremARS N r 378). 3. Dem Arbeitgeber kann es nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 242 BGB) und wegen seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber unter ganz besonders gelagerten Umständen des Falles verwehrt sein, sich auf eine Beweisurkunde oder auf ein bestätigendes Schuldanerkenntnis zu berufen. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn zwischen dem vom Arbeitgeber festgestellten Manko und dem später ermittelten buchmäßigen Fehlbestand ein ausgesprochenes Mißverhältnis besteht, wenn dem Arbeitgeber während der nicht nur kurzfristigen Urlaubsvertretungen des Filialleiters durchaus ungewollt Fehler, namentlich bei der Belastung der Filiale mit Waren, unterlaufen sein können und wenn vor und nach den Urlaubsvertretungen nach der Verkehrsauffassung unerläßliche Bestandsaufnahmen nicht gemacht wurden. 4. Es kann für die Entscheidung auf sich beruhen, ob es sich bei der Mankohaftung des Filialleiters im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, das auch eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 675, 666, 667 BGB), um einen Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe des übergebenen Waren- und Kassenbestandes oder um einen Fall positiver Vertragsverletzung handelt und ob § 282 BGB unmittelbar oder entsprechend anwendbar ist. Denn selbst wenn danach der Filialleiter die Beweislast grundsätzlich dafür trägt, daß er die teilweise Unmöglichkeit der Rückgabe der ihm anvertrauten Werte nicht zu vertreten hat, so kann dies doch nur für den Regelfall gelten, in dem sich der Waren- und Kassenbestand ohne wesentliche Unterbrechung im Verantwortungs- und Risikobereich des Filialleiters befunden hat und dieser deshalb allein das ursächliche Ereignis aufklären kann. L A G Bremen vom 27. 8. 1963 — 2 Sa 30/62 — D B 1964, 775 = AuR 1964, 250
Mankohaftung: Filialleiter
N r 377
Mitwirkendes Verschulden: Unzureichende Kontrollen BGB §§ 254, 282 1. Grundsätzlich haftet ein Filialleiter für Fehlbeträge aus seiner Geschäftsführung. Bei entstehendem Manko muß er beweisen, daß ihn kein Verschuldentrifft.
326
Mankohaftung
2. Läßt der Arbeitgeber einen branchefremden Arbeitnehmer über 4 Monate unkontrolliert als Filialleiter arbeiten und ergibt sich dann anläßlich einer durchgeführten Revision ein Manko, so hat der Arbeitgeber aus dem Grundsatz des Mitverschuldens infolge mangelhafter Aufsichtspflicht einen Teil dieses Fehlbetrages zu übernehmen. 3. Besteht das Manko aus ohne Verschulden des Filialleiters nicht abgeführten Inkassobeträgen, so scheidet eine Haftung des Filialleiters aus, soweit ihm weisungsgebundene Vertreter diese Beträge für sich verbraucht haben, der Filialleiter unter Androhung einer Strafanzeige zur Ablieferung der Gelder aufgefordert und er diese auf Veranlassung des Arbeitgebers deswegen fristlos entlassen hat. ArbG Bremen vom 16. 6. 1955 — I Ca 615/55 — A P Nr 1 zu § 254 BGB mit hinsichtlich des mitwirkenden Verschuldens krit Anm Latenz — BB 1956, 400 «= DB 1956, 355 Hinweis: Die Entscheidung wird zustimmend zitiert ua von Barton, Die Mankohaftung von Filialleitern, S 54.
M a n k o h a f t u n g : Filialleiter
N r 378
Schuldanerkenntnis — Beweislast — Mitwirkendes Verschulden BGB §§ 611, 254, 276, 282, 665 ff, 675, 780, 781 1. Ein nach Feststellung eines Fehlbetrages abgegebenes Schuldanerkenntnis des Arbeitnehmers ist in der Regel kein Schuldversprechen oder abstraktes Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB, sondern nur eine Beweisurkunde, aus der sich allerdings die Umkehrung der Beweislast, und zwar auch hinsichtlich der Höhe der Schuld, ergibt. Es ist aber auch möglich, daß eine solche Urkunde als ein „bestätigendes Schuldanerkenntnis" aufgefaßt werden muß, das alle bei Unterzeichnung vorhandenen Einwendungen endgültig abschneidet. 2. Die Haftung des Filialleiters für einen Fehlbestand im Warenlager seines Zweiggeschäfts bzw für einen Fehlbetrag seiner Ladenkasse ergibt sich nicht nur aus dem Arbeitsverhältnis, sondern im Zusammenhang damit auch aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Geschäftsbesorgung und Verwahrung; denn der Filialleiter hat in einem solchen Falle nicht nur die von ihm versprochenen Dienste zu leisten, sondern ist darüber hinaus verpflichtet, den ihm übergebenen und laufend ergänzten Warenbestand sowie das erlöste Bargeld mit besonderer Sorgfalt zu verwalten und auf Verlangen seiner Arbeitgeberin herauszugeben. 3. Den Filialleiter trifft nach § 282 BGB die volle Beweislast dafür, daß ein festgestellter Fehlbestand nicht zu seinen Lasten geht und nicht von ihm zu vertreten ist. Die Höhe des Fehlbestandes oder Fehlbetrages hat dagegen der Arbeitgeber nachzuweisen, soweit nicht ein die Beweislast umkehrendes Anerkenntnis des festgestellten Fehlbestandes erfolgt ist. 4. Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer in Kenntnis seiner fachlichen Ungeeignetheit beschäftigt oder ihm die zur Kontrolle des Warenlagers erforderlichen Hilfsmittel nicht in ausreichendem Umfange zur Verfügung stellt, ist für die daraus entstehenden Schadensfolgen der mangelhaften Geschäftsführung seines Arbeitnehmers selbst verantwortlich, so daß die an sich bestehende Mankohaftung des Arbeitnehmers aus dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens ausgeschlossen wird. 5. Für die Haftung eines Fillialeiters für ein Manko in seinem Zweiggeschäft gelten im Regelfalle die Grundsätze über die beschränkte Schadenshaftung der Arbeitnehmer aus Arbeitsverhältnissen mit besonderer Schadensneigung nicht. Fehlgriffe des Arbeitnehmers durch ein typisches Abirren infolge allgemeiner menschlicher Unzulänglichkeit können nur dann zur Herabminderung seiner Verantwortung führen, wenn es sich um sehr umfangreiche Kassengeschäfte und große Umsätze in Gestalt zahlloser kleiner Einzelbeträge handelt (ARS 41, 58).
Mehrarbeit
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L A G Bremen vom 5. 1. 1955 — Sa 109/54 — A P N r 3 zu 5 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers mit zustimm Anm Larenz = BB 1956, 817 DB 1956, 552 Hinweis: Zustimmend audi Huedc-Nipperdey, Bd I S 231 F N 33 b m w N ; vgl auch BAG vom 30. 6. 1960 — 2 AZR 403/58 — A P N r 20 zu 5 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.
N r 379
Mankohaftung: Verkaufsfahrer Mitwirkendes Verschulden: Mangelhafte Sicherung der Waren BGB §§611,254
1. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, einem Verkaufsfahrer für ohne sein Verschulden vom Wagen abhanden gekommene Waren (Butter und Margarine) Abzüge vom Lohn zu machen, auch wenn dieser sich mündlich verpflichtet hat, für alles, was ihm vom Wagen abhanden kommt, Ersatz zu leisten. 2. Das gilt insbesondere dann, wenn der Verlust auf mangelhafte Sicherungsmöglichkeit der Waren auf dem Wagen, also auf Verschulden des A r beitgebers zurückzuführen ist. GewG Bremen vom 21. 2. 1913 — GewuKfmG 1912/13, 207 Hinweis: Siehe dazu L A G Bremen vom 5. 1. 1955 — Sa 109/54 — A P N r 3 zu fi 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers •» BremARS Nr 378 und vom 27. 8. 1963 — 2 Sa 30/62 — Brem ARS Nr 376; namentlich aber auch BAG vom 9. 4. 1957 — 2 AZR 532/54 — AP Nr 4 zu 9 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers und vom 30. 6. 1960 — 2 AZR 403/58 — AP N r 20 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Hueck-Nipperdey, Bd I S 231 F N 33 b.
Maßregelungsverbot
N r 380
Inhalt Durch ein tarifliches Maßregelungsverbot wird der Arbeitgeber verpflichtet, die von ihm entlassenen Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf eine etwaige Streikkündigung wiederum einzustellen bzw weiter zu beschäftigen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, auch solche Kündigungen rückgängig zu machen, die auf Grund von rechtswidrigen Handlungen eines Arbeitnehmers erfolgt sind, die über die bloße Streikbeteiligung hinausgehen. L A G Bremen vom 6. 5. 1953 — Sa 75/53 — A P 54 N r 87 mit im Ergebnis zustimm Anm Hoeniger « BB 1953, 501 - DB 1953, 536 - ArbGeb 1953, 582 = ARSt X , 458, 574 - WA 1953, 251 Hinweis: Vgl zu tariflichen Maßregelungs- oder Benach teiügungs verboten Hueck-Nlpperdey-Stahlhacke, 9 1 Anm 51, 9 4 Anm 88.
Mehrarbeit Grenzen bei Arbeitnehmerin mit Kind AZO § 3 Abs 2 §§ 14, 20; Freizeitanordnung Abs 1 Nr 3
N r 381 §§ 5, 6; BGB §138; GewO § 123
1. Das Gewerbeaufsichtsamt kann von den Arbeitszeitbeschränkungen der Freizeitanordnung vom 22. 10. 1943 Ausnahmen bewilligen. Diese besondere Ausnahmegenehmigung wird durch eine Genehmigung nach §§ 14 und 20 AZO nicht ersetzt 2. Ungeachtet einer Ausnahmegenehmigung des Gewerbeaufsichtsamts ist das Verlangen des Arbeitgebers, daß eine Arbeitnehmerin mehrere Überstunden bis zum späten Abend leisten soll, sittenwidrig und deshalb nichtig, wenn die Arbeitnehmerin dadurch gehindert wird, ihr Kind zu betreuen, und sie außerdem den Heimweg zu Fuß über eine nächtliche Landstraße zurücklegen muß. L A G Bremen vom 6. 12. 1950 — Sa 56/50 — A P 52 N r 44 mit in wesentl zustimm Anm Huecfc « BB 1951, 2 2 5 D B 1951, 272 - WA 1951, 187
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Mehrarbeitsvergütung
Mehrarbeitsvergütung
Nr 382
Abgeltung durch Entschädigung für Schlaf wachendienst: Krankenhaus BGB § 612; AZO §15 1. Die gemäß ministeriellen Runderlassen aus dem Jahre 1940 zu zahlende Entschädigung von 1,50 D M für jede Arbeitsbereitschaft (Schlafwache) gilt nach billigem Ermessen nur als Abgeltung dafür, daß sich ein Arbeitnehmer während des Schlafwachendienstes im Krankenhaus und damit am Arbeitsplatz unter Verzicht auf freie Verfügung über diese Zeit bereithalten muß. 2. Der Arbeitgeber muß unter billiger Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse auf Grund der Fürsorgepflicht nähere Bestimmungen treffen, sobald ein Arbeitnehmer während der Schlafwache tatsächlich Dienstleistungen erbringt; anderenfalls liegt eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben unter Ausnutzung der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers vor. ArbG Bremen vom 25. 1. 1962 — 1 Ca 593/97/60 — DB 1962, 444
Mehrarbeitsvergütung
N r 383
Abgeltung durch Weihnachtsgratifikation AZO § 15; BGB § 612 Werden die anläßlich des Weihnachtsverkaufs notwendigen Überstunden nicht gesondert aufgeschrieben und nicht spezifiziert bezahlt, so ist ein Wille der Vertragspartner zu unterstellen, daß diese Überstunden durch eine Weihnachtsgratifikation mit abgegolten werden sollen. ArbG Bremen vom 15. 1. 1959 — 1 Ca 465/58 — DB 1959, 436 = WA 1959, 110 Hinweis: Ob der Entscheidung über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung zukommt, muß bezweifelt werden. Es muß stets ersichtlich sein oder sich aus sonstigen Umständen des Falles ergeben, daß die Gratifikation die Vergütung für die Mehrarbeit und den Zuschlag gemäß § 15 AZO enthalten soll. Vgl nur Hueck-Nipperdey, Bd I S 278.
Mehrarbeitsvergütung
N r 384
Nachweis — Verwirkung BGB §§ 611, 242 1. Wird nachgewiesen, daß der Arbeitnehmer sich häufig über 8 Stunden in der Werkstatt aufgehalten hat und auch gearbeitet hat, so spricht in einem normalen Falle bereits der erste Anschein für die Leistung von Mehrarbeit. War dem Arbeitnehmer jedoch vom Arbeitgeber die Verrichtung von Privatarbeit für eigene Rechnung gestattet, oder war dem Arbeitnehmer die Einlegung besonderer Pausen während der Arbeitszeit erlaubt, so wird aus der bloßen Überschreitung des 8-Stunden-Tages noch nicht auf Mehrarbeit geschlossen werden können. 2. Grundsätzlich bestehen gegen eine Verwirkung von Lohnansprüchen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses Bedenken. Der Grundsatz der Verwirkung stellt aber einen Unterfall des Grundsatzes von Treu und Glauben dar, so daß es als Rechtsmißbrauch angesehen werden muß, wenn ein Arbeitnehmer Mehrarbeitsansprüche stellt, nachdem er jahrelang Mehrarbeit geleistet hat, ohne Bezahlung oder wenigstens die Feststellung des Umfangs seiner Mehrarbeit zu fordern. Die Erfüllung solcher Ansprüche ist nach Jahr und Tag unzumutbar, weil der Arbeitgeber dann zii einer sachgemäßen Nachprüfung der weit zurückliegenden Vorgänge nicht mehr imstande ist. L A G Bremen vom 5. 1. 1955 — Sa 111/54 — A P N r 3 zu 5 611 BGB Lohnanspruch mit zustimm Anm Latenz = BB 1955, 478 « DB 1955, 692 = NJW 1955, 130 - WA 1955, 245 Hinweis: Vgl auch L A G Bremen vom 1. 9. 1954 — Sa 75/54 — AP Nr 1 zu § 611 BGB Mehrart>eit§vergütung = BremARS N r 106. Der Arbeitnehmer, der im Prozeß von
Mittelbares Arbeitsverhältnis
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seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, muß, zumal wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zeitraum liegt, beim Bestreiten der Überstunden im einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die üblidie Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Er muß ferner eindeutig vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden sind: BAG vom 15. 6. 1961 — 2 AZR 436/60 — A P Nr 7 zu § 253 ZPO.
Mitbestimmung
Nr 385
Tägliche Arbeitszeit: Einzelne Arbeitnehmer BetrRG §78 Nr 2 Der Betriebsrat hat bei Abkommen mit einzelnen Arbeitnehmern über eine besondere Arbeitszeit nicht mitzuwirken. GewG Bremen vom 3. 11. 1921 — NZAR 1922, 693 = SchlWes 1922, 111 Hinweis: Unter dem geltenden Recht des § 56 Abs 1 Buchst a BetrVG wird allgemein angenommen, daß eine Änderung von Beginn und Ende der Arbeitszeit aus individuellen Gründen für einen oder einige wenige einzelne Arbeitnehmer mitbestimmungsfrei ist: BAG vom 7. 9. 1956 — 1 AZR 646/54 — BAG 3, 207 = AP Nr 2 zu § 56 BetrVG; L A G Düsseldorf vom 18. 12. 1958 — BB 1959, 850; Fitting-Kraegeloh, $ 56 Anm 18; GalperinSiebert, $ 56 Anm 27 mwN.
Mitbestimmung
Nr 386
Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen: Kantine BetrRG §66 Nr 9 Der Begriff „Wohlfahrtseinrichtung" war schon vor dem BetrRG dem Gesetzgeber bekannt. Nach § 134 b GewO a F waren als Wohlfahrtseinrichtungen anzusehen Einrichtungen, die in einem Betriebe zum Besten der Arbeiter getroffen und mit dem Betriebe verbunden sind. Dazu gehört auch eine Speiseanstalt, deren Betrieb fast ausschließlich auf die Abgabe von Mittagessen an die Arbeiter für geringen Preis beschränkt ist. Diese Einrichtung dient danach zur Förderung der Wohlfahrt der Arbeiter, mag sie auch gleichzeitig mit im Interesse des Arbeitgebers getroffen sein, und ist somit als Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des BetrRG anzusprechen. GewG Bremen vom 12. 8. 1920 — JAR 1, 126 Hinweis: Ebenso GewG Bremen vom 27. 2. 1927 — HansGZ ArbR 1927, 94 = ArbR 1927, 386. Nach dem geltenden Recht des § 56 Abs 1 Buchst e BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei der Verwaltung von 'Wohlfahrtseinrichtungen mitzubestimmen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb oder das Unternehmen beschränkt ist.
Mittelbares Arbeitsverhältnis
Nr 387
Hausmeister mit Patzfrauen BGB §§ 611, 613 1. Putzfrauen, die von dem Hausmeister eines städtischen Verwaltungsgebäudes zur Säuberung dieses Gebäudes auf Anweisung der Stadtverwaltung eingestellt werden, stehen auch dann in einem Arbeitsverhältnis zur Stadtgemeinde, wenn der unmittelbare Arbeitsvertrag lediglich zwischen ihnen und dem Hausmeister persönlich abgeschlossen worden ist. Sie stehen im Dienst der Stadtgemeinde, die sich ihrer Verpflichtung zur Instandhaltung und Reinigung ihrer Dienstgebäude nicht durch Zwischenschaltung der im städtischen Dienst stehenden Hausmeister und durch Pauschalisierung der Reinigungskosten entledigen kann. Dies gilt erst recht, wenn die gesamten Umstände auf ein mittelbares Dienstverhältnis hindeuten, insbesondere wenn die Lohnberechnung für die Putzfrauen durch die städtische Verwaltung und nach allgemeinen Dienstgrundsätzen erfolgt, mag auch die Auszahlung durch den Hausmeister geschehen.
380
Mutterschutz
2. Ein mittelbares Arbeitsverhältnis gelangt überall dort zur Entstehung, wo der Arbeitsvertrag zwar nach außen hin und formell im eigenen Nameii eines Mittelmannes abgeschlossen wird, die Arbeitsleistung selbst aber vereinbarungsgemäß nicht diesem Mittelsmann gegenüber zu erbringen ist, sondern gegenüber und im ausschließlichen Interesse eines Dritten, der auf diese Weise die Dienste des Arbeitnehmers mittelbar in Anspruch nimmt. Das mittelbare Arbeitsverhältnis entsteht auch ohne schuldrechtliche Abmachungen im Augenblick der Arbeitsaufnahme und der Eingliederung in den Dienstbetrieb des mittelbaren Arbeitgebers. 3. Der Begriff des mittelbaren Arbeitsverhältnisses ist sowohl von dem Fall des Abschlusses eines Arbeitsvertrages durch einen Vertreter im Namen des eigentlichen Arbeitgebers zu unterscheiden, als auch von dem Fall des Dienstverschaffungsvertrages, bei dem zwischen dem Mittelsmann und dem Arbeitnehmer ein unmittelbares Arbeitsverhältnis nicht besteht. Das mittelbare Arbeitsverhältnis setzt voraus, daß zwischen dem Mittelsmann und dem Arbeitnehmer ein unmittelbarer Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist. L A G Bremen vom 16. 1. 1952 — Sa 92/51 — A P 53 Nr 121 mit im Ergebnis zustimm Anm Hueck « BB 1952, 575 - DB 1952, 555 - WA 1952, 214
Mutterschutz
Nr 388
Aufhebungsvertrag: Anforderungen
MuSchG § 9 1. Der Kündigungsschutz nach § 9 MuSdhG entfällt auch dann nicht, wenn die werdende Mutter oder Wöchnerin zu erkennen gibt, daß sie bereit sei, die Kündigung hinzunehmen und nicht die Absicht habe, sich gegen die Kündigung zu wehren. Auch in einem solchen Falle bleibt trotz der Zur stimmungserklärung der beteiligten Arbeitnehmerin die Kündigungserklärung des Arbeitgebers der alleinige Aufhebungsgrund und kann daher nicht zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen. 2. Durch die Bestimmung des § 9 MuSchG wird eine ein verständliche Aufhebung des Arbeitsvertrages einer werdenden Mutter oder einer Wöchnerin nicht ausgeschlossen. Sie setzt aber den Abschluß eines echten Aufhebungsvertrages zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin voraus, der nicht schon im Unterlassen eines Widerspruchs gegen die Kündigung oder auch in einer Zustimmungserklärung der Arbeitnehmerin zur Kündigung des Arbeitgebers („Ja-wohl, ist gut") zu erblicken ist. Selbst aus einer Erklärung, die erkennen läßt, daß die Arbeitnehmerin auf den Mutterschutz zu verzichten bereit ist, kann noch nicht gefolgert werden, daß sie auch zum Abschluß eines zweiseitigen Aufhebungsvertrages hinsichtlich ihres Arbeitsverhältnisses bereit war, da hierzu eine aktive Mitwirkung der Arbeitnehmerin an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Die Voraussetzungen eines Vertragsschlusses unterliegen somit einer strengen Nachprüfung, wobei es entscheidend auch auf die Interessenlage ankommt. Aus der Tatsache, daß die gekündigte Arbeitnehmerin sich im Anschluß an die Kündigung nach einem anderen Arbeitsplatz umgesehen hat, läßt sich aber nur der Schluß ziehen, daß sie bereit war, sich mit der Kündigung abzufinden. L A G Bremen vom 24. 7. 1967 — Sa 67/57 — BB 1957, 1073 - DB 1957, 824 - ARSt X I X , 66 - BlfStR 1957, 318 « SAE 1957, 74 - W A 1957, 340 Hinweis: Für zu weitgehend wird die Entscheidung von Köst, 8 9 Anm 73 gehalten; zustimmend jedoch Bulla, MuSchG, 2. Aufl, § 9 Anm 41.
Mutterschutz
N r 389
Beschäftigungsverbot: Manglerin in Hotel MuSchG §§ 4,3 1. Das Mutterschutzgesetz regelt ein generelles und ein individuelles Beschäftigungsverbot. Ein individuelles Beschäftigungsverbot liegt vor, soweit der Arzt die Arbeitsleistung untersagt.
Mutterschutz 2. Die Erklärung des behandelnden Arztes, die Schwangere wäre nach seinem Dafürhalten an anderer Stelle im Hotelbetrieb anstatt in der Küche einsatzfähig gewesen, und allgemeine Ausführungen, daß bekanntlich Schwangere mit Schwangerschaftserbrechen sehr empfindlich gegen jegliche Art von Gerüchen oder auch bestimmte Speisen sind, und der Hinweis, er halte deswegen eine Versetzung in die Hotelküche für unangebracht, stellt kein individuelles Beschäftigungsverbot dar. 3. Ist eine Hotelküche mit reichlicher Lüftungsangelegenheit nach Prüfung des Gewerbeaufsichtsamts in gewerbehygienischer Beziehung nicht zu beanstanden, und ist es nach Darlegung dieser Behörde sogar üblich, M a l ierinnen in Hotels bei Schwangerschaft in die Küche zu versetzen, so ist ein Arbeitseinsatz dort zumutbar. Ein Beschäftigungsverbot ist in dieser Stellungnahme nicht enthalten. 4. Lehnt die schwangere Arbeitnehmerin trotzdem die Arbeit in der Hotelküche ab, ohne wenigstens den Versuch einer Arbeitsleistung zu unternehmen, hat sie zumindest keinen Lohnanspruch für diese Zeit. Arb Bremen vom 31. 5. 1956 — I Ca 205/56 — A P N r 1 zu § 4 MuschG mit zustimm Anm Theuerkauf - BB 1956, 1105 - BAB1 Arbeitsschutz 1957, 89 - WA 1957, 12
Mutterschutz
N r 390
Unzulässige Kündigung — Annahmeverzug MuSchG § S»; BGB § 615 1. Durch das Kündigungsverbot des § 9 Abs 1 MuSchG werden auch fristlose Entlassungen aus einem wichtigen Grunde betroffen, da die Vorschrift keinerlei Einschränkung der ausgesprochenen Kündigungssperre enthält. 2. Eine gegen das Kündigungsverbot des § 9 Abs 1 MuSchG verstoßende fristlose Entlassung ist nichtig. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig die Zustimmung der Obersten Arbeitsbehörde beantragt hat. Der Arbeitgeber muß sich in einem solchen Falle bis zur Entscheidung der Obersten Arbeitsbehörde mit einer Suspendierung unter Fortzahlung des Lohnes begnügen. Die dadurch entstehende kurzfristige Belastung des A r beitgebers ist notwendig und zumutbar, um eine gesundheitliche Schädigung von Mutter und Kind durch unnötige Aufregung und Prozesse zu vermeiden. 3. Hat der Arbeitgeber unmittelbar nach der fristlosen Entlassung einer schwangeren Arbeitnehmerin die Zustimmung der Obersten Arbeitsbehörde zur Kündigung beantragt, so kann gleichwohl ein Kündigungsschutzverfah^ ren nicht bis zur Entscheidung über diesen Antrag ausgesetzt werden, da die Kündigung schlechthin nichtig ist und die Zustimmung nicht zurückwirkenkann. 4. Die Berufung der entlassenen Arbeitnehmerin auf das Kündigungsverbot des Mutterschutzgesetzes kann sich dann als eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn so schwere Verstöße der Schwangeren gegen Gesetz und Recht vorliegen, daß die Inanspruchnahme des sozialen Schutzes einen offenbaren Mißbrauch der gesetzlichen Bestimmungen darstellt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Oberste Landesbehörde unter Mißbrauch ihres Ermessens die Zustimmung abgelehnt hat oder unerträglich verzögert. Das Vorliegen wichtiger Gründe zur fristlosen Entlassung schließt dagegen die Berufung auf den Mutterschutz nicht ohne weiteres aus. L A G Bremen vom 26. 1. 1955 — Sa 3/55 — BB 1955, 258 — DB 1955, 196 - WA 1955, 143 Hinweis: LS 1—3 entsprechen der allgem Meinung. Ähnlich wie LS 4 BAG vom 26. 4. 1956 — GS 1/56 — B A G 3, 66 - A P Nr 5 zu ft 9 MuSchG. Danach kommt der Arbeitgeber dann nicht in Annahmeverzug, wenn die Arbeitnehmerin sich so verhält, daß der Arbeitgeber nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeltslebens sowie des Sinnes und Zweckes des Mutterschutzes die Annahme der Leistung zu Recht ablehnt.
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ParteiändertiHg
Parteiänderung
Nr 391
Gewillkürter Parteiwechsel ZPO § 264 Eine Parteiänderung kann auch im Wege des willkürlichen Parteiwechsels zugelassen werden, und zwar auch nach Eintritt der Rechtshängigkeit, wenn die Zustimmung aller Beteiligten vorliegt. Gegen die Zulassung einer Parteiänderung auf einseitigen Antrag einer Partei bestehen dagegen auch dann Bedenken, wenn sie in Anwendung des § 264 ZPO vom Gericht für sachdienlich erachtet wird. Der Mangel des gerichtlichen Verfahrens wird jedoch geheilt, wenn sich die in den Rechtsstreit neu eingetretene Partei auf die weitere Verhandlung einläßt. Das gilt auch dann, wenn das Gericht irrigerweise die Parteiänderung im Wege einer Berichtigung der Parteibezeichnung zugelassen hat. L A G Bremen vom 23. 12. 1963 — 1 Sa 66/63 — DB 1964, 192 Hinweis: Die gewillkürte Parteiänderung ohne vorangegangene Rechtsnachfolge ist nicht gesetzlich geregelt. Die wohl überwiegende Meinung unterstellt den Pärteiwechsel nicht § 264 ZPO, sondern macht jedenfalls in der Berufungsinstanz den Pärteiwechsel in Analogie zu § 265 Abs 2 Satz 2 ZPO von der Zustimmung des alten und des neuen Beklagten abhängig, hält sie aber für entbehrlich, wenn sie aus Rechtsmißbrauch verweigert wird: BGH vom 13. 7. 1956 — V I ZR 32/55 — BGHZ 21, 255 — und vom 29. 11. 1961 — V ZR 181/60 — NJW 1962, 633, 635 mwN. Für den ersten Rechtszug wird die Zustimmung des neuen Beklagten für entbehrlich gehalten: BGH vom 13. 11. 1961 — I I ZR 202/60 L M N r 14/15 zu § 264 ZPO = NJW 1962, 347; Thomas-Pvtzo, Vorbem I V vor § 50 mwN. Wie das L A G Bremen: Baumbach-Lauterbach, § 264 Anm 2 c; SteinJonas, § 268 Anm I I . Da im entschiedenen Falle der Parteiwechsel des Beklagten bereits in erster Instanz eingetreten war, kam es auf diese Frage nicht entscheidend an.
Parteifähigkeit
N r 392
Gewerkschaft ZPO § 50 Abs 1; ArbGG § 10 1. Die aktive Parteifähigkeit eines nicht rechtsfähigen Vereins kann mit Rücksicht auf die ausdrückliche Verneinung im § 50 Abs 1 ZPO auch nicht aus der Tatsache abgeleitet werden, daß die nichtrechtsfähigen Vereine auf dem Gebiete des materiellen Rechts von der Rechtsprechung in einer Reihe von Fällen den Regeln des Vereinsrechts unterstellt werden. Allenfalls könnte aus dieser Erwägung eine Klage der im nichtrechtsfähigen Verein zusammengeschlossenen Mitglieder ohne Anführung ihrer Namen und A n schriften im Wege prozessualer Vereinfachung zugelassen werden. 2. Die Parteifähigkeit einer Gewerkschaft nach § 10 ArbGG setzt neben dem Vorhandensein einer körperschaftlichen Verfassung und einem eigenen Vermögen in jedem Falle auch die Tariffähigkeit voraus. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so kann auch der Unterverband einer Gewerkschaft — z B ein Ortsverein — vor den Arbeitsgerichten eine Klage erheben. Seine Parteifähigkeit ist auch dann zu bejahen, wenn er nicht nur selbständiger Verein ist, sondern zugleich auch Verwaltungsstelle des Hauptverbandes und seine Organe demgemäß in allen Angelegenheiten, die den Häuptverband angehen, von diesem abhängig sind. 3. Die selbständige körperschaftliche Verfassung des Unterverbandes einer Gewerkschaft setzt nicht das Vorhandensein einer eigenen Satzung voraus. Es genügt, daß nach der Satzung des ; Hauptverbandes die, Mitgliederversammlung eines Ortsvereins die höchste Instanz zur Entscheidung aller örtlichen Gewerkschaftsangelegenheiten ist und den Ortsvereinsvorstand zu wählen hat. Es ist auch nicht notwendig* daß der Unterverband eigene Beiträge erhebt. Es hat auch dann eigenes Vermögen, wenn er selbständig über einen Kassenbestand verfügen kann, der aus regelmäßigen Zuschüssen des Haupt Verbandes oder aus einem Anteil an dessen Mitgliederbeiträgen besteht.
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Personalratswahl
L A G Bremen vom 23. 10. 1957 — I Sa 134/56 — ArbGeb 1958, 42 - BetrVerf 1958, 78 = WA 1958, 26 Hinweis: Ebenso BAG vom 22. 12. 1960 — 2 AZR 140/58 — AP Nr 25 zu 5 11 ArbGG; Dersch-Volkmar, § 10 Anm 5 a; Dietz-Nikisch, % 10 Anm 29, 31; Hueck-Nipperdey, Bd I S 929 mit F N 1 b.
Personalakten
N r 393
Führung — Entfernung unzutreffender Feststellungen 1. Der öffentliche Dienstherr hat Personalakten, auch wenn insoweit weder tarifliche Vereinbarungen noch allgemeine dienstliche Anordnungen vorliegen, so zu führen, daß sie auch für Dritte ein vollständiges und richtiges Bild der Persönlichkeit des Arbeitnehmers ergeben. Dieser Grundsatz beschränkt sich nicht nur auf Dienstleistungsberichte, sondern gilt ganz allgemein für die Führung der Personalakten und den Umfang der Fürsorgepflicht des öffentlichen Arbeitgebers. 2. Der Arbeitnehmer hat infolgedessen einen rechtlichen Anspruch darauf, daß sachlich unzutreffende Feststellungen, die zu seinen Personalakten getroffen worden sind, aus den Personalakten wieder entfernt werden, wenn sie sein berufliches Fortkommen beeinträchtigen. Die dadurch herbeigeführte Unvollständigkeit der Personalakten ist jedenfalls dann in Kauf zu nehmen, wenn die zum Gegenstand einer Eintragung gemachten Vorgänge weder für die Führung noch für die Leistung des Arbeitnehmers charakteristisch sind. I n entsprechender Anwendung der für die Erteilung von Zeugnissen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dürfen nämlich auch in den Personalakten einmalige Vorfälle oder Umstände nicht aufgezeichnet werden, durch deren Verallgemeinerung das entscheidende Gesamtbild des Arbeitnehmers in unzulässiger Weise nachteilig beeinflußt werden kann. L A G Bremen vom 8. 12. 1965 — 1 Sa 81/63, 1 Sa 69/65 — DB 1966, 76 = ARSt 1966, 70 Hinweis: Ähnlich zur Berichtigung oder Entfernung von unzutreffenden Dienstleistungsberichten aus den Personalakten eines Angestellten BAG vom 25. 2. 1959 — 4 AZR 549/47 — BAG 7, 267 = AP N r 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht und zur Berichtigung oder Entfernung von unrichtigen Tatsachenangaben und Beurteilungen in den Personalakten eines Beamten BGH vom 27. 4. 1961 — I I I ZR 209/59 — L M Nr 4 zu 5 839 BGB = A P Nr 6 zu § 839 BGB. Nach dem BAG muß der Personalakten führende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes Dienstleistungsberichte so führen, daß sie unter Abwägung der beiderseitgen Interessen ein möglichst objektives Bild von der Person und den Leistungen des Arbeitnehmers ergeben. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, daß die Dienstleistungsberichte sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Angaben zutreffend sind als auch hinsichtlich der Bewertung von Führung und Leistungen des Arbeitnehmers nach pflichtgemäßem Ermessen des Arbeitgebers erstellt werden. Der Arbeitnehmer kann darauf klagen, daß der Arbeitgeber es unterläßt, einen unwahren oder hinsichtlich der Bewertung unrichtigen Dienstleistungsbericht zu den Personalakten zu bringen, oder daß, wenn das bereits geschehen ist, der Bericht je nach den Umständen berichtigt oder durch einen zutreffenden Dienstleistungsbericht ersetzt wird.
Personalratswahl Nichtigkeit: Voraussetzungen BremPersVG §§ 7,12,13,15,16,21,24, ArbGG §§ 64, 87, 89; ZPO § 233
N r 394 25, 69; WahlO
z BremPersVG
§§ 4, 8;
1. Nichtig ist die Wahl eines Personalrats wegen mangelnder Personalratsfähigkeit der Verwaltungseinheit, in der er gewählt worden ist, nur dann, wenn dieser Mangel „offensichtlich" ist. 2. Liegt kein Fall der Nichtigkeit vor, so kann eine gerichtliche Entscheidung darüber, daß die Verwaltungseinheit, bei welcher die Wahl stattgefunden hat, nicht für sich allein, sondern lediglich zusammen mit einer anderen Einheit persönalratsfähig sei, nur in einem Verfahren geltend gemacht werden, das eine Entscheidung mit Wirkung, insbesondere Rechtskraftwirkung, gegenüber allen beteiligten Einheiten und deren Personal-
334
Personalvertretung
räten ermöglicht. Eine bloße Anfechtung der Personalratswahl bei der erstgenannten Einheit ist nicht zulässig. 3. Macht eine Gruppe von ihrem Recht, im Personalrat vertreten zu sein, im Sinne des § 13 Abs 1 Satz 3 BremPersVG keinen Gebrauch, so können die beiden anderen Gruppen allein einen gültigen Beschluß nach § 15 Abs 2 BremPersVG darüber herbeiführen, daß nicht gruppenweise, sondern gemeinsam gewählt werden soll. Dabei ist unerheblich, ob jene Gruppe auf ihr Recht, vertreten zu sein, ausdrücklich verzichtet oder es lediglich unterläßt, in der dafür vorgesehenen Frist einen Gruppenwahlvorschlag einzureichen. V G H Bremen vom 18. 6. 1959 — PV 3/58, B 1/59 — AP N r 1 zu § 7 PersVG Bremen RdA 1961, 47 — Hinweis: LS 1 entspricht der ständigen Rechtsprechung des BVeriuG, insbesondere vom 3. 10. 1958 — V I I P 9.57 — BVerwGE 7, 251 - A P Nr 5 zu 5 7 PersVG mit zustimm Anm Galperin. LS 3 erscheint jedoch zweifelhaft. Nach Dietz, PersVG, $ 15 Anm 21 bis 23; Fitting-Heyer-Lorenzen, § 15 Anm 8; Molitor, PersVG, 2. Aufl, 9 15 Anm 8 ist zur Durchführung der Gemeinschaftswahl der Beschluß der Wahlberechtigten jeder Gruppe erforderlich; er bedarf der Mehrheit aUer Wahlberechtigten jeder Gruppe.
Personalvertretung
Nr 395
Begriff „Behörde" BremPersVG §§ 7,12 1. Der Begriff „Behörde" im Sinne des § 7 BremPersVG gleicht nicht in allen Einzelheiten dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Begriff der Behörde. I m Sinne des BremPersVG ist Behörde eine organisatorische Einheit innerhalb des Verwaltungsorganismus der bremischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die vom Wechsel der in ihr tätigen Personen unabhängig ist, bestimmten öffentlichen Zwecken dient und deren Leiter Aufgaben und Befugnisse von einem gewissen Gewicht hat, wie sie für den Leiter einer selbständigen Verwaltungseinheit typisch sind. Dazu müssen auch Aufgaben und Befugnisse gehören, welche die personellen und sozialen Angelegenheiten der Bediensteten der Einheit betreffen. 2. Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, daß das Landesausgleichsamt Bremen und die Heimatauskunftsstelle Übersee zusammen keine Behörde im Sinne des PersVG Bremen und damit keine personalratsfähige Einheit bilden. V H G Bremen vom 18. 6. 1959 — PV 3/58, B 1/59 — A P N r 1 zu 5 7 PersVG Bremen — RdA 1961, 47 —
Personalvertretung
Nr 396
Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht: Form BremPersVG § 69 Abs 2; ArbGG § 89 Die Beschwerdeschrift muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. QVG Bremen vom 11. 9. 1963 — PV 3/63. B 1/63 —
Personalvertretung
Nr 397
Ersatzmitglieder: Nachrücken BremPersVG §§ 29, 76 Abs 2; ArbGG §§ 80 ff 1. Es bleibt offen, ob gemäß § 29 Abs 2 BremPersVG nur ein Rückgriff auf Ersatzmitglieder derselben Liste zulässig ist. Ein Rückgriff auf gruppenfremde Ersatzmitglieder ist jedoch unzulässig. Ein Nachrücken solcher Ersatzmitglieder ist mit dem Gruppenvertretungsprinzip — einem tragenden Prinzip des Gesetzes — nicht vereinbar.
Personalvertretung 2. Ob in den Ausnahmefällen eine andere Entscheidung geboten ist, in denen eine Gruppe sich bei der Aufstellung von Wahl Vorschlägen nicht im Rahmen des § 8 Abs 1 WahlO z BremPersVG gehalten hat, oder in denen die gewählten Gruppenvertreter einschließlich der Ersatzmitglieder durch Rücktritt die Auflösung des Personalrats entgegen § 25 Abs 1 Buchst c BremPersVG erzwingen wollen, bleibt unentschieden. OVG Bremen vom 26. 3. 1962 — PV 4/61, B 2/62 — Hin weis: Wie LS 1 die herrsch Lehre; vgl nur Fitting-Heyer-Lorenzen, mwN; aM namentlich Dietz, PersVG, § 29 Anm 16.
Personalvertretung
§ 29 Anm 11
Nr 398
Gesamtpersonalrat: Zuständigkeit BremPersVG §§ 50,52 Abs 1 1. Der Gesamtpersonalrat hat ebenso wie ein Personalrat nicht in Fragen mitzubestimmen, welche auch Bedienstete betreffen, die nicht zu seiner Wählerschaft gehören (Repräsentationsgrundsatz). 2. Nach dem BremPersVG fehlt ein Gesamtpersonalrat, der zur Ausübung des Mitbestimmungsrechts bei Maßnahmen berufen ist, welche die Landesregierung (Senat) sowohl für Bedienstete der Stadtgemeinde Bremen oder der Verwaltungen des Landes Bremen als auch für solche der Stadtgemeinde Bremerhaven trifft. OVG Bremen vom 2. 3. 1964 — P V 1/62, B 2/62 — Hinweis: Vgl aber den Hinweis zu OVG Bremen vom 28. 8. 1961 — P V 2/61, B 2/61 — BremARS N r 407.
Personalvertretung
Nr 399
Mitbestimmung bei Erlaß von Ferienordnungen BremPersVG § 63 Der Erlaß einer Ferienordnung für die öffentlichen Schulen im Bereich des Landes Bremen unterliegt nicht dem Mitbestimmungsrecht nach dem BremPersVG. Die Ferienordnung ist weder bestimmt zur Regelung einer sozialen Frage noch kann sich das Mitbestimmungsrecht deshalb auf den Erlaß einer Ferienordnung erstrecken, weil sie besondere Auswirkungen auf den Bereich der sozialen Angelegenheiten der Lehrkräfte hat. Die sich aus dem Dienstverhältnis der Lehrer ergebenden Besonderheiten können bei der Auslegung der einzelnen Bestimmungen des BremPersVG nur beschränkt berücksichtigt werden. OVG Bremen vom 28. 8. 1961 — PV 1/61, *B 1/61 —
Personalvertretung
Nr 400
Mitbestimmung bei Erlaß von Prüfungsordnungen BremPersVG §§ 63 Satz 1, 65 Abs 1 Satz 1 1. Nach dem BremSchulVerwG ist es nicht erforderlich, daß Ordnungen für Lehrerprüfungen als Rechtsverordnungen erlassen werden. Werden sie in der Form von Verwaltungsanordnungen bekannt gegeben, so können sie wegen ihres für die Schulverwaltung und die Prüfungskandidaten verbindlichen Inhalts nicht als „gesetzliche Regelung" im Sinne der §§63 Satz 1, 65 Abs 1 Satz 1 BremPersVG angesehen werden. 2. Der Erlaß einer Ordnung für die 1. Lehrerprüfung unterliegt schon deshalb nicht der Mitbestimmung, weil sie für die an der Pädagogischen Hochschule Studierenden bestimmt ist und damit für einen Personenkreis, der nicht zu den Bediensteten der öffentlichen Verwaltung gehört.
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Personalvertretung
3. Die Frage, ob der . Erlaß einer Ordnung für die 2. Lehrerprüfung eine soziale oder personelle Maßnahme im Sinne des BremPersVG darstellt, bleibt offen. Sollte diese Frage zu bejahen sein, so ist der Gesamtpersonalrat des Landes Bremen zur Mitbestimmung berufen. OVG Bremen vom 28. 8. 1961 — P V 2/61, B 2/61 —
Personalvertretung N r 401 Mitbestimmung bei fristloser Kündigung: Form und Durchführung — Rechtsfolgen von Verstößen BremPersVG § 58, § 65 Abs 1 Buchst c und Abs 2 1. Der Mitbestimmung des Personalrates unterliegen gleichermaßen außerordentliche wie ordentliche Kündigungen von Arbeitern und Angestellten. 2. Auch vor einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung hat der Leiter der Dienststelle den Personalrat zu unterrichten und seine Zustimmung zu beantragen. Das Wesen der Mitbestimmung des Personalrates besteht darin, daß eine beabsichtigte Maßnahme, die der Mitbestimmung des Personalrates unterliegt, erst dann getroffen werden darf, wenn die Zustimmung des Personalrates zu der Maßnahme oder bei ablehnender Stellungnahme des Personalrates eine zustimmende Entscheidung der Einigungsstelle nach § 59 Abs 1 BremPersVG vorliegt. 3. Die Maßnahme der außerordentlichen Kündigung kann vom Leiter der Dienststelle auch nicht als vorläufige Regelung im Sinne von § 58 Abs 2 BremPersVG getroffen werden. Denn gerade durch eine außerordentliche fristlose Kündigung wird ein endgültiger Zustand herbeigeführt, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Als vorläufige Regelung kann bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung die Suspendierung des Arbeitnehmers vom Dienst oder die Erteilung des zustehenden Erholungsurlaubs in Betracht kommen. 4. Die Unterrichtung des Personalrates über eine beabsichtigte Maßnahme entspricht nur dann der gesetzlichen Form, wenn der Leiter der Dienststelle oder sein ständiger Vertreter den Personalrat — mündlich oder schriftlich — persönlich unterrichtet. Ständiger Vertreter ist nur derjenige, der den Leiter der Dienststelle nach dem Organisationsplan der Verwaltung laufend vertritt und in der Regel die Befugnis hat, „In Vertretung" zu zeichnen. 5. Das Fehlen der vorgängigen Unterrichtung des Personalrates führt ebenso wie das Fehlen seiner Zustimmung zu der bereits getroffenen Maßnahme zu ihrer Unwirksamkeit. L A G Bremen vom 21. 4. 1959 — I I Sa 115/58 — Hinweis: Wie LS 3 für die ordentliche Kündigung BAG vom 7. 2. 1958 — 1 AZR 190/57 — BAG 5, 203 = A P Nr 1 zu § 61 PersVG; Fitting-Heyer-Lorenzen, § 61 Anm 21 mwN. Ähnlich wie LS 4 BAG, aaO; Dietz, PersVG, 5 8 Anm 16 u 17; Fitting-Heyer-Lorenzen, § 8 Anm 1.
Personalvertretung
N r 402
Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten: Entscheidungen des Senats BremPersVG § 52 Die Mitbestimmung erstreckt sich auf Maßnahmen im Bereich der Dienststelle, welcher der Personalrat zugeordnet ist. Dagegen unterliegen Entscheidungen in personellen Angelegenheiten, die der Senat oder die Senatskommission für das Personalwesen in bezug auf Beamte nachgeordneter Dienststellen treffen, nicht der Mitbestimmung durch einen Personalrat. OVG Bremen vom 13. 9. 1965 -
I V 101/65, b B 20/65 —
Hinweis: Vgl jedoch den Hinweis zu OVG Bremen vom 28. 8. 1961 — PV 2/61, B 2/61 — BremARS Nr 407.
Personalvertretung Personalvertretung
337 Nr 403
Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten: Umfang (Tadelnde Hinweise) BremPersVG § 52 Abs 1, §§ 65—67 1. Nach der Fassung des BremPersVG vom 3. 12. 1957 ist es fragwürdig, ob hinsichtlich der sozialen und personellen Maßnahmen des Senats als Dienstherrn oder einzelner Senatoren in ihrem Geschäftsbereich ein Beteiligungsrecht des Personalrates besteht, da sich die Vorschriften lediglich auf Dienststellenleiter beziehen und zweifelhaft ist, ob ein weitergehender Wille des Gesetzgebers im Gesetz erkennbaren Ausdruck gefunden hat. 2. Das BremPersVG hat den Personalräten zwar in allen personellen Angelegenheiten schlechthin ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt, doch fällt unter den Begriff der personellen Maßnahmen nicht die Geltendmachung des vertraglichen Anspruchs auf ordnungsmäßige Erfüllung der Dienstleistung durch den öffentlichen Arbeitgeber, und zwar auch dann nicht, wenn die Feststellung der Verletzung einer Dienstpflicht mit einem tadelnden Hinweis verbunden wird. Eine solche Feststellung kann daher auch ohne Zustimmung des Personalrates getroffen werden. L A G Bremen vom 8. 12. 1965 — 1 Sa 81/63 + 69/65 — DB 1966, 76 — Hinweis: Vgl den Hinweis zu OVG Bremen vom 28. 8. 1961 — P V 2/61, B 2/61 — BremARS Nr 407.
Personalvertretung
N r 404
Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten: Umsetzungen BremPersVG §§ 65, 52—64, 66; BremLandesVerf Art 47 1. Dem Personalrat ist durch das BremPersVG grundsätzlich in allen personellen Angelegenheiten ein — umfassendes — Mitbestimmungsrecht eingeräumt, das nicht etwa auf die in dem in § 65 Abs 1 BremPersVG enthaltenen Katalog aufgezählten personellen Maßnahmen beschränkt ist. 2. Auch „Umsetzungen", die sich in der Richtung von „Versetzung und Abordnung" (§ 65 Abs 1 Buchst d BremPersVG) bewegen und geeignet sind, für den betroffenen Beamten in ihrer Auswirkung einer solchen Maßnahme gleichzukommen, werden von dem Mitbestimmungsrecht des Personalrates erfaßt. BVerwG vom 30. 10. 1964 — V I I P 2.64 — BVerwGE 19, 359 — A P Nr 1 zu 9 65 PersVG Bremen = DB 1965, 294 = PersVertr 1965, 41
Personalvertretung
N r 405
Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten: Pflichtstundenverteüung BremPersVG §§ 52, 58, 59, 61, 63; BremSchulVerwG § 3 1. Die Anordnung des Senators für das Bildungswesen, daß die Pflichtstunden, deren Zahl festgesetzt ist und die die Lehrkräfte grundsätzlich an 6 Wochentagen zu geben haben, im Rahmen eines Schulversuchs auf 5 Wochentage zu verteilen sind, unterliegt der Mitbestimmung durch den Personalrat. Diese Anordnung regelt eine soziale Angelegenheit im Sinne des § 63 BremPersVG. 2. Ob der Senator diese Anordnung in seiner Eigenschaft als Mitglied der Landesregierung oder als Schuldezernent der Stadtgemeinde Bremen zu treffen hat und ob die angeordnete Verteilung der Pflichtstundenzahl als eine „Festsetzung der Arbeitszeit" im Sinne des § 63 Buchst f BremPersVG zu werten ist, bleibt offen. 3. Das Recht des Personalrats, bei allen Maßnahmen, die der jeweilige Leiter der Dienststelle in sozialen Angelegenheiten trifft, gleichberechtigt mitzubestimmen, erstreckt sich auch auf solche, durch die eine soziale Frage „versuchsweise" geregelt werden soll. OVG Bremen vom 26. 3. 1962 — PV 3/61, B 1/62 — 22
Trinkhaus
338
Personalvertretung
Personalvertretung
Nr 406
Mitbestimmungsrecht: Zustimmung der Bediensteten BremPersVG § 52 Abs 2, § 69 Abs 1 1. Das Recht auf Mitbestimmung können die Bediensteten, die der Personalrat repräsentiert, weder beschränken noch aufheben. Der Personalrat verliert sein Recht auf Mitbestimmung insbesondere nicht dadurch, daß die von ihm vertretenen Bediensteten, deren soziale Belange betroffen werden, mit der von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme einverstanden sind oder sie sogar erbeten haben. 2. Ob in einem solchen Falle der Personalrat gemäß § 52 Abs 2 BremPersVG gehalten ist, dieser Maßnahme seine Zustimmung zu erteilen, unterliegt gemäß §69 Abs 1 BremPersVG nicht der Entscheidung der Verwaltungsgerichte. OVG Bremen vom 26. 3. 1962 — P V 3/61, B 1/62 — Hinweis: LS 1 entspricht allgem Ansicht. Nicht einmal die Personal Versammlung als Organ der Personalverfassung vermag das Mitbestimmungsrecht des Personalrates zu ersetzen, diesem bindende Weisungen zu erteilen oder seine Beschlüsse außer Kraft zu setzen: Fitting-Heyer-Lorenzen, § 49 Anm 3 mwN; für das BetrVG vgl FittingKraegeloh, § 41 Anm 18 und 19; Galperin-Siebert, § 44 Anm 5; Vogt, Die Betriebsversammlung (1965) S 15 F N 6. Die Personalversammlüng kann nach § 49 PersVG wie nach § 46 BremPersVG dem Personalrat nur Anträge unterbreiten und zu seinen Beschlüssen Stellung nehmen.
Personalvertretung
N r 407
Personalrat und Gesamtpersonalrat: Zuständigkeit BremPersVG §§ 50, 52, 63, 65 1. Das BremPersVG kennt keine Stufenvertretung. Es hat auch nicht das im PersVG des Bundes verankerte Prinzip der ausschließlichen Partnerschaft von Dienststelle und Personalrat übernommen. 2. I m Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Regelungen gewährt das BremPersVG ein Recht auf Mitbestimmung in allen sozialen und personellen Fragen. Dem Personalrat ist das Recht auf Mitbestimmung bei allen Maßnahmen zuerkannt, die nicht über den Bereich der Dienststelle und den Kreis der von ihm vertretenen Bediensteten hinausgehen. Dieses Recht besteht ohne Rücksicht darauf, welche Stelle kraft Zuständigkeitsnorm berechtigt ist, die Maßnahmen zu treffen. I n allen anderen Fällen ist entweder der Gesamtpersonalrat der jeweiligen Stadtgemeinde oder der Gesamtpersonalrat des Landes zur Mitbestimmung berufen. OVG Bremen vom 28. 8. 1961 — P V 2/61, B 2/61 — Hinweis: I m Gegensatz hierzu stehen die späteren Entscheidungen des OVG Bremen vom 2. 3. 1964 — PV 1/62, B 2/62 — BremARS Nr 398 und insbesondere vom 13. 9. 1965 — I V 101/65, b B 20/65 — BremARS N r 402, in der die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrates bei Entscheidungen des Senats in personellen Angelegenheiten von Beamten nachgeordneter Dienststellen verneint wird. Das L A G Bremen vom 8. 12. 1965 — 1 Sa 81/63 + 69/65 — BremARS N r 403 hält es wiederum für zweifelhaft, ob bei sozialen und personellen Maßnahmen des Senats als Dienstherrn oder einzelner Senatoren in ihrem Geschäftsbereich ein Beteiligungsrecht des oder überhaupt eines Personalrates besteht. Vgl auch BVerwG vom 18. 10. 1963 — V I I P 2.63 — BVerwGE 17, 43 = A P Nr 1 zu § 74 PersVG NRW. I n einer neuesten Entscheidung vom 21. 6. 1967 — 1 Sa 132/66 — ist das L A G Bremen im Einklang mit dem BVerfG vom 27. 4. 1959 — BVerfGE 9, 268 = AP N r 1 zu § 59 PersVG Bremen und dem BVerwG vom 30. 10. 1964 — BVerwGE 19, 359 «= A P Nr 1 zu § 65 PersVG Bremen davon ausgegangen, daß der bremische Gesetzgeber den Personalräten ein umfassendes Mitbestimmungsrecht in allen personellen Angelegenheiten habe einräumen wollen. Bei entsprechender, verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes könne nicht zweifelhaft sein, daß der Personalrat der Dienststelle das Mitbestimmungsrecht gegenüber dem Leiter der Dienststelle beanspruchen könne, der die in § 58 BremPersVG enthaltenen Vorschriften über Form und Durchführung der Mitbestimmung einzuhalten habe. I n diesem Sinne werde das Mitbestimmungsrecht des Personalrates nach dem BremPersVG in der bremischen Verwaltung auch seit vielen Jahren gehandhabt (Rundsdireiben der Senatskommission für das Personalwesen — 1/1 — vom 30. 6. 1959 betr Auslegung von Bestimmungen des BremPersVG bei fristlosen Entlassungen).
Pfändungs- und Überweisungsbeschluß Personalvertretung
339 N r 408
Teilnichtigkeit des BremPersVG BremPersVG §§ 59—61; GG Art 28, 33 Abs 5, 93 Abs 1 Nr 2 1. Die Nichtigkeit landesrechtlicher Vorschriften wegen Verletzung der Prinzipien des Art 28 Abs 1 und 2 G G kann im Verfahren des Art 93 Abs 1 Ziff 2 GG auch von einer Landesregierung geltend gemacht werden, 2. a) Die verfassungsmäßige Ordnung im demokratischen Rechtsstaat (Art 28 Abs 1 Satz 1 GG) setzt eine funktionsfähige und verantwortliche Regierung voraus. b) Zu den Regierungsaufgaben, die wegen ihrer politischen Tragweite nicht generell der Regierungsverantwortung entzogen und auf von Regierung und Parlament unabhängige Stellen übertragen werden dürfen, gehört die Entscheidung über die personellen Angelegenheiten der Beamten. 3. Es entspricht hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art 33 Abs 5 GG), daß über Personalangelegenheiten eines Beamten in der Regel allein die ihm vorgesetzten Dienstbehörden entscheiden. 4. Die §§ 59 bis 61 des Bremischen Personal Vertretungsgesetzes vom 3. Dezember 1957 (BremGBl S 161) sind nichtig, soweit sie in den Fällen der Mitbestimmung des Personalrates in personellen Angelegenheiten des Beamten die Entscheidung einer Einigungsstelle vorsehen. BVerfG vom 27. 4. 1959 — 2 BvF 2/58 — BVerfGE 9, 268 - A P N r 1 zu § 59 PersVG Bremen = RdA 1959, 479 = NJW 1959, 1171 - MDR 1959, 894 = DVB1 1959, 620 - NDBZ 1959, 154 = PersVertr 1959, 234, 245 = ZBR 1959, 152, 169 — Hinweis: Vgl auch die vorherige Entscheidung des Staatsgerichtshofes Hansestadt Bremen vom 5. 5. 1957 — St 1/56 — ZBR 1957, 234.
Pfändungs- und Überweisungsbeschluß
der Freien
N r 409
Auslegung ZPO §§ 829, 850 Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß ist ein hoheitlicher Gerichtsakt, der Schuldner und Drittschuldner mit solcher Eindeutigkeit bezeichnen muß, daß jedermann — auch ein nicht beteiligter Dritter — aus dem Beschluß selbst erkennen kann, welche Forderungen im einzelnen gepfändet worden sind. Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse sind danach nur beschränkt auslegungsfähig, da sie als Ausdruck obrigkeitsrechtlicher Gewalt unmittelbare Rechtswirkungen zwischen den betroffenen Privatpersonen auslösen und jeweils nur für den konkreten Einzelfall Recht setzen. Eine Auslegung kann daher nur auf Grund der Angaben in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß selbst erfolgen und darf keineswegs auf außerhalb desselben liegende Tatsachen gestützt werden. Das ist wegen des Interesses unbeteiligter Dritter und im Hinblick auf die Verkehrssicherheit notwendig. Grundsätzlich kann daher lediglich eine fehlerhafte Bezeichnung des Drittschuldners im Wege der Auslegung berichtigt oder ergänzt werden. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß kann dagegen im Falle der Bezeichnung eines falschen Drittschuldners im Wege der Auslegung keine W i r k samkeit gegen den wirklichen Drittschuldner erlangen, wenn es sich bei diesem um eine andere Person — sei es auch die Ehefrau — handelt. L A G Bremen vom 23. 12. 1963 — 1 Sa 66/63 1964, 156
DB 1964, 192 «= W A 1964, 171 -
AuR
Hinweis: Das L A G folgt der Entscheidung des BAG vom 12. 7. 1962 — 5 AZR 423/61 — A P N r 4 zu 8 850 ZPO, wonach Schuldner und Drittschuldner in dem Pfändungsbeschluß mit solcher Eindeutigkeit angegeben sein müssen, daß jedermann aus der Fassung des Beschlusses erkennen kann, welche Forderungen im einzelnen gepfändet sind. I m Gegensatz hierzu steht nach der herrsch Meinung, insbesondere nach dem B G H vom 25. 1. 1961 — V I I I ZR 22/60 — L M N r 5 zu ZPO 8 829 — auch die Bezeichnung 22»
340
Polizeiangestellter
eines falschen Drittschuldners der Wirksamkeit des Pfändungsbeschlusses gegen den wirklichen Drittschuldner nicht entgegen, wenn festgestellt werden kann, wer wirklich gemeint ist.
Polizeiangestellter
N r 410
Entlassung wegen Polizeidienstuntauglichkeit LuftschutzG vom 26. 6. 1935; TOA § 1 Abs 3; BGB §§ 621, 622, 138, 242 1. Die Heranziehung zum Sicherheits- und Hilfsdienst (Luftschutzpolizei) auf Grund des Luftschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 hat mit der Einstellung der Feindseligkeiten am 8. M a i 1945 durch Wegfall der Voraussetzungen der Dienstverpflichtung ihre Rechtswirkung verloren. 2. Wird nach Beendigung einer öffentlich-rechtlichen Dienstverpflichtung das Dienstverhältnis fortgesetzt und erfolgt eine neue Gehaltsfestsetzung, so ist hierin der Abschluß eines privat-rechtlichen Arbeitsvertrages zu erblicken. 3. Die TOA findet nach § 1 Abs 3 Nr d auf Angestellte im Polizeivollzugsdienst keine Anwendung. Auf die Kündigung solcher Angestellter findet § 621 BGB Anwendung. 4. Die Entlassung eines Polizeiangestellten wegen Polizeidienstuntauglichkeit ist nicht deshalb nach §§ 138, 242 BGB rechtsunwirksam, weil der Angestellte während des Krieges trotz seiner mangelnden Sehschärfe zunächst dienstverpflichtet und nach dem Kriege vorübergehend weiterbeschäftigt worden ist. Die Auswahl der für einen Betrieb oder eine Behörde brauchbaren und erforderlichen Arbeitnehmer ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers. Seinen Maßnahmen ist die rechtliche Wirksamkeit nur dann zu versagen, wenn sie ohne betriebliche Notwendigkeit die notwendige Rücksichtnahme auf die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers offensichtlich vermissen lassen. L A G Bremen vom 28. 6. 1950 — Sa 6/50 — A P 51 N r 118 mit zustimm Anm NeumannDuesberg
Probearbeitsverhältnis
N r 411
Auslegung — Bestätigungsschreiben — Dissens BGB §§ 133, 155, 157, 620 1. Beabsichtigt die Arbeitgeberin, ein befristetes ProbearbeitsVerhältnis abzuschließen, kommt dies jedoch bei dem mündlichen Einstellungsgespräch nicht eindeutig zum Ausdruck und behält sich die Arbeitgeberin vor, den Inhalt der mündlich besprochenen Arbeitsbedingungen schriftlich zu bestätigen, so kommt es für die Auslegung des Bestätigungsschreibens und damit für den Inhalt der getroffenen Vereinbarung darauf an, ob die A r beitnehmerin aus dem ihr zugegangenen Schreiben die Befristung ihres Probearbeitsverhältnisses entnehmen konnte. Dies ist nicht der Fall, wenn das Bestätigungsschreiben, wie folgt, lautet: „Wir nehmen Bezug auf Ihre persönliche Vorstellung und bestätigen Ihnen, daß wir Sie mit Wirkung ab 1. 7. 1960 als Kontoristin mit einem Monatsgehalt von 360,— D M brutto eingestellt haben. Es wurde eine Probezeit von 2 Monaten vereinbart. Während dieser Zeit steht es beiden Parteien frei, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden." Der Inhalt des Schreibens ist der typische Ausdruck für den überwiegend üblichen Abschluß eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit unter Vorschaltung einer begrenzten Probezeit mit erleichterten Kündigungsmöglichkeiten. 2. Bestätigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Abschluß eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit, wollte er aber eigentlich nur die Ver-
barbeitsverhältnis
341
einbarung einer auf zwei Monate befristeten Probezeit bestätigen, so tritt keine Nichtigkeit des Vertrages wegen eines versteckten Einigungsmangels (§ 155 BGB) ein. Ein solcher setzt nämlich voraus, daß die Erklärungen der Parteien im Rechtsverkehr einen verschiedenen Sinn haben. Ob die Erklärungsinhalte voneinander abweichen, richtet sich also nach objektiven Gesichtspunkten. Es kommt somit nicht darauf an, was die Parteien erklären wollten, sondern ausschließlich darauf, wie der andere Vertragspartner die Erklärung verstehen mußte und durfte. Liegt danach ein eindeutiger Sinn vor, so ist die Einigung so zustande gekommen, wie die streitig gewordene Erklärung im allgemeinen Rechtsverkehr nach Treu und Glauben aufzufassen ist. L A G Bremen vom 17. 11. 1960 — 1 Sa 116/60 — DB 1961, 1069 = AuR 1961, 381 = WA 1961, 207 Hinweis: Das Vorliegen eines fest befristeten Probearbeitsverhältnisses ist, da auch ein Probearbeitsverhältnis im allgemeinen auf dauernde Anstellung gerichtet ist, nicht zu vermuten, kommt also nur in Betracht, wenn ein entsprechender Wille der Parteien deutlich hervortritt. Die Beweislast trifft daher denjenigen, der sich auf die Befristung beruft; vgl Hueck-Nlpperdey, Bd I S 540 m w N in F N 51.
Probearbeitsverhältnis
N r 412
Auslegung — Schwangerschaft BGB § 620; MuSchG § 9 1. Die Klausel „Als Probezeit gelten vier Wochen nach Arbeitsaufnahme. Innerhalb dieser Zeit besteht tägliche Kündigung". Ist die typische Form für die Vereinbarung einer Probezeit mit erleichterter Kündigungsmöglichkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit. I n diesem Falle ist nur die Probezeit befristet, nicht dagegen das Arbeitsverhältnis als solches. Ein selbsttätig auslaufendes Probearbeitsverhältnis kann in einem solchen Falle nur beim Vorliegen einer ausdrücklichen Vereinbarung angenommen werden. 2. Erklärt der Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit, daß er das ursprünglich für unbestimmte Zeit eingegangene Arbeitsverhältnis wegen der inzwischen bekannt gewordenen Schwangerschaft der Arbeitnehmerin nicht fortsetzen wolle, so stellt diese Erklärung eine Kündigung dar, die nach § 9 MuSchG nichtig ist. Dies gilt auch dann, wenn die Erklärung noch während der Probezeit abgegeben worden ist. L A G Bremen vom 24. 2. 1960 — I Sa 160/59 — BB 1960, 743 - DB 1960, 500 - AuR 1960, 187 = BlfStR 1960, 333 = WA 1960, 153
Probearbeitsverhältnis
N r 413
befristetes: Mitteilungspflicht des Arbeitgebers BGB §§ 620, 625; HGB §§ 66, 67, 69 Hat sich der Arbeitgeber in einem auf 3 Monate befristeten Probearbeitsvertrag verpflichtet, dem Arbeitnehmer rechtzeitig vor Beendigung der Probezeit mitzuteilen, ob er den Arbeitnehmer nach Ablauf der Probezeit in ein festes Arbeitsverhältnis übernehmen werde, dann betrifft diese — ganz überwiegend im Interesse des Arbeitnehmers liegende — Mitteilungspflicht insbesondere den Fall, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht in ein festes Arbeitsverhältnis übernehmen will. Der Arbeitgeber verletzt seine vertragliche Pflicht zur rechtzeitigen Mitteilung der Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses erheblich, wenn er dem Arbeitnehmer seine Entscheidung, das Arbeitsverhältnis nicht fortzusetzen, erst einen Tag vor Ablauf der Probezeit mitteilt. Die Verletzung der vertraglichen Mitteilungspflicht durch den Arbeitgeber gibt dem Arbeitnehmer jedoch regelmäßig nur einen Schadensergatzanspruch, nicht aber einen Anspruch auf Abschluß eines neuen unbefristeten Arbeitsvertrages oder gar darauf, so behandelt
342
Probearbeitsverhältnis
zu werden, als ob ein solcher neuer Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer abgeschlossen wäre. L A G Bremen vom 18. 4. 1963 — 2 Sa 136/62 — BB 1963, 1136 - DB 1963, 1222 « AuR 1963, 346 Hinweis: Auch ohne ausdrücklich übernommene Verpflichtung des Arbeitgebers wird es allgemein als Gebot seiner Fürsorgepflicht angesehen, dem Arbeitnehmer so früh als möglich seine Entscheidung, ob er ihn in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit übernehmen will, zur Kenntnis zu bringen: Nikisch, Bd I S 672; Walter, S 36. Die Entscheidung entspricht im übrigen den Grundsätzen, die für die rechtsähnliche Anzeigepflicht des Lehrherrn bei befristetem Lehrverhältnis aufgestellt sind; vgl HuecJcNipperdey, Bd I S 758; Nikisch, Bd I S 882; Siebert, AR-Blattei, Lehrvertrag- Lehrverhältnis, I V K I I I 4; s auch L A G Leipzig vom 19. 6. 1942 — ARS 44, L A G 128; LAG Bremen vom 17. 9. 1947 — Sa 21/47 — RdA 1948, 77 mit zT krit Anm Wolters « BremARS Nr 342.
Probearbeitsverhältnis
N r 414
Dissens — Irrtumsanfechtung BGB §§ 119 Abs 2, 121, 620 1. Ein Hechtsirrtum kann eine Vertragspartei zur Anfechtung ihrer Willenserklärung nach § 119 Abs 1 BGB berechtigen, wenn in Verkennung der wirklichen rechtlichen Bedeutung ein Rechtsgeschäft abgeschlossen worden ist, dessen unmittelbare Rechtswirkungen sich von den in Wirklichkeit be^ absichtigten und erwarteten Rechtswirkungen grundsätzlich unterscheiden. W i l l daher ein Arbeitgeber kein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Dauer mit vorgeschalteter Probezeit abschließen, sondern lediglich ein auf zwei Monate befristetes Probearbeitsverhältnis, sind die von ihm abgegebenen Erklärungen jedoch objektiv als Bestätigung eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit anzusehen, so liegt ein erheblicher Rechtsirrtum vor, der zur Irrtumsanfechtung berechtigt. 2. Die Anfechtung wegen Rechtsirrtums muß nach § 121 BGB unverzüglich erfolgen. Die Frist beginnt zu laufen, sobald der Erklärende erkennt, daß er eine andere vertragliche Vereinbarung bestätigt hat, als von ihm ursprünglich beabsichtigt gewesen war. Kannte ein Arbeitgeber daher die rechtlichen Unterschiede zwischen einem befristeten Probearbeitsverhältnis und einer gewöhnlichen Probezeitvereinbarung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit, so muß er die Anfechtung sofort erklären, wenn der Arbeitnehmer zum Ausdruck bringt, daß er aufgrund des Bestätigungsschreibens das Zustandekommen eines befristeten Arbeitsverhältnisses behaupten will. L A G Bremen vom 17. 11. 1960 — 1 Sa 116/60 — DB 1961, 1069 = AuR 1961, 381 = WA 1961, 207
Provision
Nr 415
Begriff — Voraussetzungen: Transitgeschäfte im Exporthandel HGB §§ 65, 87 Abs 1 1. Unter „Provision" wird nach allgemeinem Sprachgebrauch und auch nach §§ 65, 87 Abs 1 H G B — soweit es sich nicht um eine sog Bezirksprovision handelt — lediglich eine meist zusätzlich zum Festgehalt gezahlte Vergütung verstanden, die als Erfolgsprämie für die Vermittlung oder jedenfalls für die Mitwirkung beim Zustandekommen bestimmter Geschäfte gewährt wird. Ein Anspruch auf Provision entsteht demgemäß grundsätzlich nur für solche während eines Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf die Tätigkeit des Berechtigten selbst zurückzuführen sind oder mit solchen Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden geworben hat. I n den Kreisen der Kaufleute werden jedoch abweichend von dieser Regel gelegentlich auch solche Sondervergütungen als Provision bezeichnet, die eine konkrete Mitwirkung des Provisionsberechtigten an den einzelnen Geschäften nicht voraussetzen (Umsatzbeteiligung oder tantiemeartige Ge-
343
Prozeßanerkenntnis
winnbeteiligung). Dies bedarf jedoch einer besonderen Vereinbarung oder Absprache, die der Auslegung im gerichtlichen Verfahren unterliegt. 2. Ohne eine besondere Vereinbarung ist auch im Exporthandel die Gewährung einer Umsatzbeteiligung für leitende Angestellte nicht üblich. Dies gilt auch für die Verprovisionierung von Transitgeschäften einer im Ausland ansässigen deutschen Firma, die durch den verantwortlichen Leiter ihrer deutschen Niederlassung abgewickelt werden. Ist für solche Transitgeschäfte eine Provision vorgesehen, so bedeutet dies nach der Handelsüblichkeit, daß der Provisionsanspruch nur dann entstehen soll, wenn der Provisionsberechtigte in irgendeiner Weise — gegebenenfalls mittelbar — beim Zustandekommen eines Transitgeschäfts entscheidend mitgewirkt hatte. Die Mitwirkung bei der Abwicklung allein genügt dagegen nicht. L A G Bremen vom 4. 9. 1963 — 1 Sa 104/62 — BB 1964, 328 = DB 1963, 1642 = WA 1964, 11 Hinweis: Zum Begriff der Provision vgl Trinkhaus, AuR 1966, 236—240.
Provision
N r 416
Übliche Provision — Nichtausführung des Geschäfts HGB §§ 87 a, 87 b, 86 a 1. Der Handelsvertreter, der die übliche Provision im Sinne von § 87 b H G B beansprucht, muß behaupten und beweisen, daß deren Höhe nicht durch Vereinbarung bestimmt worden ist. 2. Ist der Vertretungsvertrag beurkundet, hat die Vertragsurkunde die — widerlegbare — Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. 3. Lieferverzögerungen infolge eines hohen Auftragsbestandes begründen nicht die Unmöglichkeit für die Ausführung der Geschäfte und sind vom Lieferanten zu vertreten (§ 87 a Abs 3 Satz 2, Halbsatz 1 HGB). 4. Der Groß- oder Einzelhändler, als Unternehmer iS von § 87 a HGB, hat den Lieferverzug seines Lieferanten nicht ohne weiteres zu vertreten. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Unternehmer das auf dem Lieferverzug seines Lieferanten beruhende eigene Leistungsunvermögen zu vertreten hat, insbesondere, ob er Veranlassung hatte, an der Leistungsfähigkeit seines Lieferanten zu zweifeln, und ob er sich gegebenenfalls über die Warenmenge, auf die er rechnen konnte, und über die Lieferfristen Gewißheit verschafft und seinem Handelsvertreter dementsprechende Nachrichten hat zukommen lassen (§ 86 a Abs 2 HGB). Der Unternehmer darf sich nicht damit begnügen, ordnungsgemäß vpn dem Lieferanten bestätigte Aufträge nach mehrfachen Anrufen beim Auslieferungslager des Lieferanten „im Sande verlaufen" zu lassen. L A G Bremen vom 5. 7. 1960 — I I Sa 130/59 — DB 1960, 1212 1960, 74 mit zustimm Anm « W A 1961, 15
AuR 1961, 56 -
SAE
Hinweis: Die Entscheidung entspricht in allen Teilen der herrsch Meinung; vgl zu LS 1 Würdinger, § 87 b Anm 1, zu LS 2 Hueck-Nipperdey, Bd I S 168; Soergel-SiebertHefermehl, 8 125 Anm 10; Würdinger, § 85 Anm 1, zu LS 3 und 4 SchlegelbergerSchröder, 5 87 a Anm 37; Würdinger, 8 87 a Anm 6.
Prozeßanerkenntnis
N r 417
Anfechtung ZPO § 307; BGB § 119 Das prozessuale Anerkenntnis stellt sowohl eine Prozeßhandlung als auch ein materielles Rechtsgeschäft unter den Parteien dar und unterliegt demgemäß der Anfechtung. Da es sich aber bei diesem Anerkenntnis um eine Willensentscheidung handelt und nicht um eine Wissenserklärung, kann eine Anfechtung nicht darauf gestützt werden, daß der anerkannte und der wirkliche Tatbestand nicht übereinstimmen, sondern nur darauf, daß die
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Prozeßanfähigkeit
vor Gericht abgegebene Erklärung nicht dem wirklichen Willen der Partei entsprochen habe. LAG Bremen vom 28. 9. 1949 — Sa 32/49 — A P 50 N r 74 mit ausführt, zT krit Anm Wieczorek Hinweis: Die Rechtsnatur des Anerkenntnisses IS von § 307 ZPO ist umstritten. Reine, nicht anfechtbare Prozeßhandlung nehmen an Baumbach-Lauterbach, Lent, Nikisch, Rosenberg, Thomas-Putzo, ZPO 9 307 Anm 1 mwN. Nach der insbesondere von SteinJonas § 307 Anm I 2, vertretenen gemischten Theorie hat das Anerkenntnis eine Doppelnatur und unterliegt prozessualen und sachlich-rechtlichen Vorschriften, und zwar auch denen über Willensmängel.
Prozeßunfähigkeit
N r 418
seit Klageerhebung: Feststellung im Berufungsverfahren ZPO §§ 51, 52, 56; BGB § 104 Nr 2 Wird im zweiten Rechtszuge festgestellt, daß eine Partei infolge einer Geisteskrankheit bereits im Zeitpunkt der Klagerhebung prozeßunfähig gewesen ist und die Prozeßfähigkeit bis zur Schlußverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht auch nachträglich nicht wieder erlangt hat, so ist das von dieser Partei eingelegte Rechtsmittel nicht wegen der fehlenden Prozeßfähigkeit als unzulässig zu verwerfen. Die Partei ist vielmehr gemäß § 56 Abs 2 ZPO mit Vorbehalt zur Prozeßführung zuzulassen und das Verfahren beider Rechtszüge im Interesse der richtigen Rechtsfindung als eine Einheit zu betrachten. Der Berufungsrichter hat somit das Verfahren unter Abänderung der wegen mangelnder Prozeßfähigkeit der beteiligten Partei unzulässigen Vorentscheidung durch ein Prozeßurteil zu beenden, das die Abweisung der Klage wegen fehlender Prozeßfähigkeit ausspricht. L A G Bremen vom 11. 5. 1955 — Sa 87/54 — BAB1 1956 H I I I B1 1, 2 Hinweis: Nach BAG vom 6. 5. 1958 — 2 AZR 551/57 — BAG 6, 76 - AP N r 1 zu 5 56 ZPO — ist es, hat das Gericht Bedenken gegen die Prozeßfähigkeit einer Prozeßpartei, Sache dieser Partei, die Bedenken auszuräumen. Gelingt ihr das nicht oder weigert sie sich, einen Beweis für ihre Prozeßfähigkeit zu erbringen, so muß das Gericht davon ausgehen, daß eine Prozeßfähigkeit dieser Partei nicht unterstellt werden kann.
Prozeßvergleich
N r 419
Änderung des Protokolls ZPO §§ 160 Abs 1 Nr 1, 162, 319 Der Text eines protokollierten Vergleichs kann nicht ohne Zustimmung beider Prozeßparteien geändert werden, im besonderen ist die Vorschrift des § 319 ZPO nicht anwendbar. L A G Bremen vom 10. 6. 1953 — Ta 3/53 — A P N r 47 mit zustimm Anm Wieczorek
Prozeßvergleich
N r 420
Anfechtung BGB §§ 119, 123, 779 Ein Prozeß vergleich kann wegen Irrtums über die spezielle Vergleichsgrundlage gemäß §§ 779, 119, 123 BGB angefochten werden. L A G Bremen vom 8. 12. 1948 — Sa 26/48 — BB 1949, 143 = DB 1949, 72 = SAE 1949, 18 » WA 1949, 60
Prozeßvergleich
N r 421
Anfechtung — Entscheidung im gleichen Verfahren BGB §§ 779, 119, 123 Ein Prozeßvergleich im Verfahren vor den Arbeitsgerichten ist nach den Regeln des Bürgerlichen Rechts anfechtbar. Die Anfechtung kann in demselben Verfahren erfolgen, in dem der Vergleich abgeschlossen worden ist. L A G Bremen vom 30. 8. 1948 — Ta 2/48 — RdA 1948, 40 mit zustimm Anm Schiedermair
Prozeßvergleich Prozeßvergleich
345 Nr 422
Anfechtung — Verfahren ZPO § 794 Abs 1 Nr 1 Die Anfechtung eines Prozeßvergleichs kann sowohl durch Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsstreits als auch durch Erhebung einer neuen Klage erfolgen. L A G Bremen vom 7. 12. 1949 — Sa 64/49 — ARSt I I I , 833 Hinweis: Nach ständiger Rechtsprechung des BAG und des BGH ist der Streit über die Anfechtung, die Gültigkeit oder den Widerruf eines Prozeßvergleichs sowie über den Rücktritt vom Vergleich im gleichen Verfahren auszufragen. Eine neue Klage ist unzulässig. Vgl zuletzt BAG vom 16. 3. 1961 — 5 AZR 536/59 — AP Nr 10 zu § 794 ZPO; BGH vom 29. 9. 1958 — V I I ZR 198/57 — BGHZ 28, 171, 174—175.
Prozeßvergleich
N r 423
Irrtum über Arbeitslosengeld: Keine Unwirksamkeit BGB §§ 779, 119, 242 1. Bezieht sich der Irrtum einer Partei bei einem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Prozeßvergleich nicht auf einen streitausschließenden U m stand, so ist § 779 BGB unanwendbar. Eine entsprechende Anwendung des § 779 BGB muß angesichts des Ausnahmecharakters dieser Rechtsnorm und im Interesse der Rechtssicherheit im Zusammenhalt mit dem Grundsatz, daß geschlossene Verträge zu halten sind, unterbleiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich ein fristlos entlassener Arbeitnehmer in dem Vergleich gegen eine — geringfügige — Abfindung mit einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt, weil er für diesen Fall mit sofortiger Zahlung von Arbeitslosengeld rechnet, das Arbeitsamt aber eine vierwöchige Sperre verhängt. 2. Der Irrtum über bloße Nebenfolgen des Vergleiches ist i S von § 119 BGB bedeutungslos, wenn der auf ihren Eintritt gerichtete Wille einer Partei, etwa als Bedingung des Geschäfts, in der Erklärung keinen Ausdruck gefunden hat. U m eine solche Nebenfolge handelt es sich bei der Zahlung von Arbeitslosengeld mit oder ohne Sperrfrist. Der Irrtum über den Beginn der Zahlung des Arbeitslosengeldes ist solchenfalls entsprechend einem zwingendem Gebot der Rechts- und Verkehrssicherheit unbeachtlicher Motivirrtum. 3. Nur bei beiderseitigem (Motivirrtum oder) Irrtum über die Geschäftsgrundlage kann die Bindung des Erklärenden nach § 242 BGB — ganz oder teilweise — entfallen. L A G Bremen vom 15. 11. 1960 — 2 Sa 98/60 — BB 1961, 485 « DB 1961, 544 = ARSt X X V I , 369
Prozeßvergleich
N r 424
Unwiifesamkeit — Anfechtung: Tantiemeanspruch BGB §§ 779, 119, 123, 242 1. Wird bei einem Vergleich über einen Tantiemeanspruch nicht das Tantiemekonto des Arbeitnehmers, sondern eine Abrechnung des Arbeitgebers zugrunde gelegt, so bildet die in der Abrechnung erfolgte Zusammenstellung der einzelnen Zahlen keinen Bestandteil des „als feststehend angenommenen Sachverhalts". Der Vergleich ist in diesem Falle gemäß § 779 BGB nur dann unwirksam, wenn die der Abrechnung zugrunde gelegten Zahlenangaben im einzelnen unrichtig sind. 2. Die Anfechtung eines Vergleichs wegen Irrtums ist grundsätzlich zulässig, jedoch im Falle eines solchen Irrtums ausgeschlossen, der sich auf einen durch den Vergleich erledigten, umstrittenen oder ungewissen Punkt bezieht.
846
Prozeßvergleich
3. Die Anfechtung eines Vergleichs wegen arglistiger Täuschung ist auch dann zulässig, wenn es sich um einen Streitpunkt handelt, der gerade durch den Vergleich beseitigt werden sollte, die Vergleichsbereitschaft jedoch von der anderen Partei durch eine arglistige Täuschung über die Grundlagen des Streits herbeigeführt worden ist. 4. Ein Vergleich kann auch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam sein, wenn festzustellen ist, daß beide Parteien bei Kenntnis der wirklichen Sachlage den Vergleich nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs nicht abgeschlossen haben würden. L A G Bremen vom 5. 11. 1958 — I Sa 21/58 — BB 1959, 83 1958, 301
DB 1958, 1303 = WA
Prozeßvergleich
N r 425
Wider r u f s verzieht: Schlüssiges Verhalten ZPO §§ 514, 794; BGB §§ 394 Satz 1, 116 1. Der Streit über die Wirksamkeit des Widerrufs eines Prozeßvergleichs bei vorbehaltenem Widerrufsrecht ist durch Fortsetzung des Verfahrens zu klären, in dem der Prozeßvergleich geschlossen wurde. 2. Der Antrag auf Feststellung, daß der Rechtsstreit durch den Prozeßvergleich erledigt ist, ist zulässig. 3. Der unter Vorbehalt des Widerrufs geschlossene Prozeßvergleich ist aufschiebend bedingt durch den Verzicht auf den Widerruf. Der Verzicht auf den Widerruf ist formlos wirksam und kann entsprechend dem Rechtsmittelverzicht dem Gericht ebenso wie der anderen Partei gegenüber erklärt werden. 4. Ein Widerrufsverzicht durch schlüssiges Verhalten ist nicht ausgeschlossen, setzt jedoch voraus, daß der Verzicht gewollt war und auch gegenüber der Gegenpartei erklärt werden sollte. 5. Schweigen hat im Rechtsverkehr zwar grundsätzlich als Ablehnung zu gelten. Eine schlüssige Willenserklärung im Sinne eines Widerrufsverzichts kann jedoch vorliegen, wenn eine Partei während des Laufes der Widerrufsfrist durch ein Schreiben an die Gegenpartei den — wenn auch nicht ganz sicheren — Eindruck hervorruft, daß sie den Vergleich nicht widerrufen will, und wenn die Partei dann auf ein Antwortschreiben der Gegenpartei, sie werde davon ausgehen, daß der Vergleich endgültig zustande gekommen sei und den Vergleichsbetrag überweisen, wenn sie innerhalb bezeichneter Frist keine gegenteilige Nachricht erhalte, schweigt. L A G Bremen vom 6. 10. 1964 — 2 Sa 50/64 — DB 1965, 260 - VersH 1965, 296 - AuR 1965,121,152 Hin weis: Zu LS 1—4 Thomas-Putzo, 9 794 Anm 4 e, zu LS 5 Enneccerus-Nipperdey, Allgem Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl, 9 153 I I I .
Prozeßvertretung
N r 426
Anwaltszulassung: Form und Wirkung des Zulassungsantrages ArbGG § 11 Abs 1 Satz 2 1. Bei einem Prozeß mit einem Streitwert unter 300,— D M liegt in der Erteilung der Prozeß vollmacht an einen Rechtsanwalt und der Einreichung der Vollmacht durch den Anwalt beim Gericht konkludent der Antrag der Partei, ihren Rechtsanwalt gemäß § 11 Abs 1 Satz 2 ArbGG zur Prozeßvertretung zuzulassen. 2. Die gerichtliche Zulassung der Prozeßvertretung durch einen Anwalt wirkt auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück. ArbG Bremen vom 1. 3. 1965 — 4 Ca 4013/65 — BB 1965, 749 « AuR 1965, 282 Hin weis: LS 1 entspricht der überwieg Meinung; vgl nur ArbG Göttingen vom 10. 12. 1953 — AP Nr 3 zu 9 11 ArbGG; L A G Mainz vom 14. 1. 1954 — Ta 29/53 — BB 1954, 99;
Richteramt
347
L A G München vom 15. 1. 1954 — BeschwReg 87/53 I V — DB 1954, 260; L A G Hannover vom 16. 5. 1963 — 2 Ta 23/63 — BB 1964, 556. Die Frage der Rückwirkung der Zulassung entsprechend LS 2 ist lebhait umstritten; für Rückwirkung ua Dietz-Nikisch, § 11 Anm 81; Galperin, AnwBl 1954, 73; dagegen insbesondere Dersch-Volkmar, § 11 Anm 8; Rohlfing-Rewolle, § 11 Anm 9 £; Wieczorek, Anm zu AP Nr 3 zu 8 11 ArbGG.
Prozeßvertretung
N r 427
Sekretär einer Arbeiterkammer GewGG § 31 Der Sekretär einer Arbeiterkammer ist, auch wenn er eine Vollmacht der Zahlstelle einer Gewerkschaft besitzt, nicht als Vertreter in Prozessen von Mitgliedern der Gewerkschaft zuzulassen, wenn er ihr nicht selbst angehört, und zwar auch nicht als Untervertreter. GewG Bremen vom 28. 1. 1926, L G Bremen vom 30. 3. 1926 und HansOLG vom 5. 5. 1926 — HansGZ ArbR 1926, 126 Hinweis: Das Entsprechende gilt nach 8 H ArbGG jedenfalls für die Prozeß Vertretung vor den Landesarbeitsgerichten.
Prozeßvertretung
N r 428
Selbständige Vereinigung von Arbeitnehmern: Bund Deutscher Berufskraftfahrer ArbGG § 11 Abs 1 Der Bund Deutscher Berufskraftfahrer ist eine selbständige Vereinigung von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung. Die Tatsache, daß lediglich innerhalb des Kreisverbandes Bremen auf Wunsch diejenigen Mitglieder bleiben, die später selbständig Kraftfahrzeugunternehmen unterhalten, ist hierbei unbeachtlich, weil es sich nur um wirtschaftlich bedeutungslose Einzelfälle innerhalb des Kreisverbandes Bremen handelt. ArbG Bremen vom 8. 6. 1961 — 1 Ca 229/61 — ARSt X X V I I , 101
Prozeßvertretung
N r 429
Vertreter eines Spitzenverbandes ArbGG 1926 § 11 Beauftragte eines Spitzenverbandes von wirtschaftlichen Vereinigungen können nicht nur den Spitzenverband oder die ihm angeschlossenen Verbände, sondern auch die Mitglieder der angeschlossenen Verbände vor dem Landesarbeitsgericht vertreten. RAG vorn 29. 3. 1930 — 479/29 — ARS 9, 192 Hinweis: I m vorliegenden Falle war der Kläger, Mitglied des Deutschen Metallarbeiterverbandes, im ersten und zweiten Rechtszuge durch den Arbeitersekretär des Ortsausschusses des ADGB vertreten worden. Das RAG hob mit diesem Urteil eine abweichende Entscheidung des L A G Bremen vom 26. 9. 1929 — 50/1929 — ArbRspr 1929, 378 — auf. Durch die Neufassung des 8 11 ArbGG 1953 ist die nach früherem Recht umstrittene Frage im Sinne der Rechtsprechung des RAG klargestellt. Ebenso BAG vom 22. 12. 1960 — 2 AZR 140/58 — A P N r 25 zu 6 11 ArbGG 1953.
Richteramt
N r 430
Ausschluß von Ausübung: Beratung durch Beisitzer ZPO §41 Nr 4 Ein Arbeitnehmerbeisitzer ist nicht schon deshalb nach § 41 N r 4 ZPO vom der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, weil er vor Erhebung der Klage in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftssekretär den Kläger beraten hat. Die Vorschrift betrifft lediglich Personen, die berechtigt waren oder
348
Rückzahlungsanspruch
sind, als Prozeßbevollmächtigte, Beistände oder gesetzliche Vertreter einer Prozeßpartei aufzutreten. L A G Bremen vom 26. 1. 1955 — Sa 1/55 — BB 1955, 194, 287 Hinweis: Nach BAG vom 20. 4. 1961 — 2 AZR 71/60 — AP Nr 1 zu § 41 ZPO ist der einer Gewerkschaft angehörende Richter im Prozeß des DGB nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen.
Rückzahlungsanspruch
N r 431
ohne Rechtsgrund gezahltes Kindergeld BGB §§ 812, 818, 819 1. Die Rückzahlung eines ohne Rechtsgrund gezahlten Kindergeldzuschlages kann aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung des Arbeitnehmers nicht mehr gefordert werden, wenn die Zahlungen im Rahmen der Lebensführung laufend verbraucht worden sind und auch Ersparnisse nicht vorhanden sind. Ein Rückzahlungsanspruch kann dann nur nach §819 BGB begründet sein, wenn der Arbeitgeber nachweist, daß dem Arbeitnehmer der Mangel des rechtlichen Grundes der ihm gewährten Kindergeldleistung bekannt gewesen sei. 2. Die Angaben des Arbeitnehmers in einer Kindergelderklärung müssen in jeder Einzelheit sorgfältig und ehrlich gemacht werden. Erklärt danach ein im öffentlichen Dienst beschäftigter Pflegevater eines Kindes objektiv zutreffend, daß der Kindesvater nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt sei, obwohl er in Wirklichkeit über die Beschäftigung nicht unterrichtet ist, so kann sich daraus eine Verpflichtung zum Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung ergeben. Voraussetzung ist allerdings, 1. daß der Arbeitgeber bei wahrheitsgemäßer Darlegung der Zweifel die Kindergeldleistungen nur unter Vorbehalt gewährt haben würde und 2. daß außerdem später ohne Kenntnis beider Parteien der Kindesvater in den öffentlichen Dienst übernommen wird, dadurch eine Doppelzahlung des Kindergeldes erfolgt und eine Rückforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht möglich ist. L A G Bremen vom 8. 1. 1964 — 1 Sa 91/63 1964, 100
DB 1964, 268 = AuR 1964, 187 -
WA
Hinweis: Nach BAG vom 31. 3. 1960 — 5 AZR 441/57 — BAG 9, 137 » A P Nr 5 zu f 394 BGB kann sich nur ein gutgläubiger Arbeitnehmer auf den Wegfall seiner in der Zuvielzahlung liegenden Bereicherung berufen.
Ruhegehalt
Nr 432
Anspruchsvoraussetzung — Kürzung bei Notlage BGB §§ 162, 516, 759—761, 826 1. Ein Ruhegeld versprechen bedarf keiner Form. 2. Ein Anspruch auf Ruhegeld besteht nur, wenn das Arbeitsverhältnis bis zu dem für die Pensionierung maßgebenden Zeitpunkt fortbesteht. 3. Eine Kürzung oder Entziehung einer Pension ist dann gerechtfertigt, wenn die Auszahlung der vereinbarten Pension den Bestand des Unternehmens zu gefährden geeignet ist. ArbG Bremen vom 11. 6. 1948 — Ca 394/48 — RdA 1948, 117 Hinweis: Nach BAG vom 16. 3. 1956 — GS 1/55 — BAG 3, 1 = A P Nr 1 zu § 57 BetrVG — können die Leistungen an die Ruheständler auf Grund Vertrages mit dem Arbeitgeber oder dann geändert werden, wenn sich das Unternehmen in einer Notlage befindet, die die Fortzahlung des Ruhegeldes in der bisherigen Höhe nicht mehr tragbar erscheinen läßt.
Ruhegehalt Ruhegehalt
349 Nr 433
bei vorzeitigem Ausscheiden: Beamtenähnliche Versorgungsregelung BGB § 242 Bei einer beamtenähnlichen Versorgungsregelung kann trotz vorzeitigen Ausscheidens die Versorgungsberechtigung ausnahmsweise fortbestehen. Die Höhe der Versorgungsbezüge ist nach der Dauer der Tätigkeit zu berechnen. L A G Bremen vom 7. 10. 1954 — Sa 119/54 + 134/54 — WA 1955, 19
Ruhegehalt
N r 434
Betriebsübernahme — Widerruf BGB §§ 242, 419, 626 1. Bei Übernahme eines Betriebes gehen mangels einer anderweitigen Vereinbarung auch die Ruhegehaltsverpflichtungen gegenüber den früheren Betriebsangehörigen auf den neuen Inhaber über, da sie eine Auswirkung der früheren betrieblichen Arbeitsverhältnisse darstellen und damit einen Teil der betrieblichen Ordnung bilden. 2. Eine Kündigung des Ruhegehaltsvertrages ist unzulässig. Widerruf ist zulässig bei schweren Verletzungen der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber oder Betrieb oder bei Unzumutbarkeit infolge Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Ruhegehaltsverpflichten, aber nur dann, wenn die geordnete Fortführung des Betriebes gefährdet wird. Sie ist in letzterem Falle auch teilweise möglich. L A G Bremen vom 13. 9. 1950 — Sa 72/49 + 94/49 — AP 51 Nr 111 mit krit Anm Molitor « BB 1950, 818 - DB 1950, 536 - WA 50, 368
Ruhegehalt
N r 435
Gruppenlebensversicherung — Betriebliche Übung BGB § 242 1. Eine vertragliche Altersversorgung kann im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis auch dadurch erfolgen, daß der Arbeitgeber im Rahmen eines Gruppenvertrages mit einem Versicherungsunternehmen zugunsten des in Frage kommenden Arbeitnehmers eine Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall abschließt, deren Prämienzahlung er ganz oder zu einem Teil übernimmt. Die Parteien dès Arbeitsverhältnisses können in einem solchen Falle auch mündlich vereinbaren, daß der Arbeitgeber bei einem vorzeitigen, aber ehrenhaften Ausscheiden des Arbeitnehmers den ihn nach dem Versicherungsvertrage gegen das Versicherungsunternehmen zustehenden Anspruch auf Auskehrung seines Anteils am Rückkaufswert der Versicherung nicht geltend machen darf. 2. Der Inhalt eines Pensionsvertrages zwischen den Parteien eines Arbeitsverhältnisses kann durch betriebliche Übung eine Inhaltsbestimmung dahin erfahren, daß der Arbeitgeber bei ehrenhaftem Ausscheiden des Arbeitnehmers verpflichtet ist, einem beteiligten Versicherungsunternehmen gegenüber auf den ihm nach dem Versicherungsvertrage an sich zustehenden Anteil am Rückkaufswert der für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Lebensversicherung zu verzichten. 3. Die Lehre von der rechtsgestaltenden Wirkung der betrieblichen Übung ist als gefestigter Bestandteil des geltenden Arbeitsrechts anzusehen, obgleich noch keine allseitige befriedigende Antwort auf die Frage gefunden worden ist, wie diese Wirkung rechtlich erklärt werden kann. Die Entstehung subjektiver Rechte durch betriebliche Übung setzt aber voraus, daß während längerer Dauer und unter typischen Umständen bestimmte betriebliche Leistungen vorbehaltslos gewährt worden sind, so daß festgestellt
350
Ruhegehalt
werden kann, daß der Arbeitgeber ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das sein Einverständnis mit einer Rechtsbildung erkennen oder wenigstens vermuten läßt. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung des Arbeitnehmers ist dagegen grundsätzlich nicht erforderlich. 4. Ist der Arbeitgeber auf Grund einer betrieblichen Übung verpflichtet, bei ehrenhaftem Ausscheiden eines Arbeitnehmers (auch wenn dieser selbst gekündigt hat) auf seinen Anteü am Rückkaufswert einer zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossenen Lebensversicherung zu verzichten, so tritt eine Änderung dieser betrieblichen Übung nicht schon dadurch ein, daß der Arbeitgeber entgegen jahrelander Betriebspraxis in einem Falle seinen A n spruch auf den Rückkaufswert geltend macht. Soweit sich nicht eine gegenteilige Übung bereits durchgesetzt hat oder die betriebliche Handhabung durch Abschluß einer Betriebsvereinbarung konstitutiv geändert worden ist, muß vielmehr mindestens gefordert werden, daß der Arbeitgeber seinen Entschluß, zukünftig von einer betrieblichen Übung abzuweichen, ausdrücklich und unmißverständlich zur Kenntnis aller betroffenen Arbeitnehmer bringt. L A G Bremen vom 8. 2. 1961 — 1 Sa 168/60 — BB 1961, 607 - DB 1961, 611 - AuR 1961, 279 = WA 1961, 143 Hinweis: Das L A G Bremen vom 18. 4. 1951 — Sa 18/51 — SAE 1951, 59 - Brem ARS Nr. 196 — und vom 10. 2. 1954 — Sa 2/54 — AP 54 N r 132 » BremARS Nr 116 — hatte bereits die Auffassung vertreten, daß der betrieblichen Übung als einem Bestandteil der autonomen objektiven Rechtsordnung des Betriebes normative Wirkung zukomme. Nach der herrschenden Meinung wohnt einer im Betrieb bestehenden Übung weder als sogenannte konkrete Ordnung des Betriebes eine normative Kraft inne, noch stellt sie ein betriebliches Gewohnheitsrecht dar, das seine Wirkung aus eigener Kraft begründet. Die rechtliche Bedeutung der betrieblichen Übung beruht vielmehr auf der Möglichkeit, ihren Inhalt zur Grundlage einer ausdrücklichen oder stillschweigenden vertraglichen Vereinbarung zu machen oder sie als Konkretisierung der Treue- und Fürsorgepflicht zur Vertragsauslegung und Vertragsergänzung heranzuziehen: BAG vom 9. 3. 1961 — 5 AZR 114/60 — A P N r 5 zu § 242 BGB Betriebliche Übung. Dabei setzt die Entstehung subjektiver Rechte voraus, daß der Arbeitgeber ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das sein Einverständnis mit einer solchen Rechtsbildung erkennen oder wenigstens vermuten läßt. Der Arbeitgeber muß den Willen geäußert haben sich für die Zukunft zu binden: BAG vom 28. 2. 1956 — 3 AZR 90/54 — A P Nr 1 zu § 242 Betriebliche Übung. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich: BAG vom 27. 2. 1957 — 4 AZR 396/54 — AP Nr 21 zu s 242 BGB Ruhegehalt.
Ruhegehalt
N r 436
Kürzung bei Vorbehalt BGB §§ 242, 315 1. Die Herabsetzung eines Ruhegehalts durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers auf Grund eines vertraglichen Vorbehalts ist zulässig, unterliegt jedoch der Nachprüfung und gegebenenfalls Abänderung durch das Gericht gemäß §315 BGB, wenn sich die Maßnahme des Arbeitgebers als unbillig erweist. 2. Die Herabsetzung eines Ruhegehalts ist nicht schon deshalb als unbillig anzusehen, weil die Gehälter der tätigen Angestellten nicht gleichzeitig gekürzt werden. Eine Unbilligkeit liegt jedoch vor, wenn bei diesem Sachverhalt die tätigen Angestellten auch noch Sondervergütungen erhalten. L A G Bremen vom 22. 12. 1948 — Sa 43/48 — RdA 1949, 428 Hinweis: Zur Kürzung des Ruhegeldes bei Notlage des Unternehmens, die die Fortzahlung des Ruhegeldes in der bisherigen Höhe nicht mehr tragbar erscheinen läßt: BAG vom 16. .3 1956 — GS 1/55 — BAG 3, 1 A P N r 1 zu 8 57 BetrVG.
Ruhegehalt
N r 437
Widerruf: Schwere Verfehlungen BGB § 242 1. Hat der Arbeitgeber einem 45 Jahre für ihn tätig gewesenen Angestellten die Zahlung eines Ruhegehalts bedingungslos zugesagt, so hat der Ange-
Schadenersatzanspruch
351
stellte einen Rechtsanspruch auf das Ruhegehalt, auch wenn sich der Arbeitgeber die Festsetzung der Höhe des Ruhegehalts bis zum Ausscheiden des Angestellten aus dem Arbeitsverhältnis vorbehalten hat. Es ist dann lediglich zu ermitteln, in welcher Höhe der Ruhegehaltsanspruch entsprechend dem Willen des Arbeitgebers und nach vergleichbaren Verhältnissen als angemessen zu betrachten ist. 2. Der Arbeitgeber kann die Ruhegehaltszusage widerrufen, wenn sich der Ruheständler grobe Beleidigungen und andere Verfehlungen gegenüber seinem Arbeitgeber zuschulden kommen läßt. L A G Bremen vom 4. 6. 1947 — Sa 10/47 — BB 1949, 101, 488 - ARSt I, 108, 109 Hinweis: Zur Verwirkung des Anspruchs auf das Ruhegehalt (LS 2) ebenso BAG vom 30. 11. 1955 — 1 AZR 217/54 — A P N r 8 zu 5 242 BGB Ruhegehalt; L A G Bremen vom 21. 12. 1949 — Sa 60 + 63/49 — AP 50 N r 149 - BremARS Nr 438; vgl auch Galperin, DB 1950, 559.
N r 438 BGB § 242 Ein Ruhegehaltsversprechen kann widerrufen werden, wenn der Ruhegehaltsberechtigte schwere Verfehlungen gegen seine Treuepflicht begeht, insbesondere wenn er beleidigende Vorwürfe gegen ein Vorstandsmitglied seiner Arbeitgeberin erhebt. Entscheidend ist die Zumutbarkeit der weiteren Erfüllung des Ruhegehaltsversprechens für die Arbeitgeberin. Dies kann dazu führen, daß das Ruhegehalt im Wege des teilweisen Widerrufs auf den zur Existenzsicherung des Ruhegehaltsberechtigten notwendigen Betrag herabgesetzt wird. L A G Bremen vom 21. 12. 1949 — Sa 60 + 63/49 — A P 50 N r 149 mit im wesentlichen zustimm Anm Hueck - BB 1950, 72 - DB 1950, 48 = WA 1950, 69 Hinweis: I n der oa Anm erhebt Hueck gegen den letzten Teil des LS Bedenken und nimmt auf seine Anm zu ARS 45, 16 Bezug. Er neigt einer Kürzung des Ruhegehalts im Wege der Aufrechnung mit einem etwaigen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers nur in dem Umfange zu, in dem wirklich ein vom Arbeitnehmer verschuldeter Schaden dargetan wird.
Saisongewerbe Begriff BremUrlG
N r 439
§5
Ein Saisongewerbe kann nicht nur im Rahmen eines Saisonbetriebes ausgeübt werden, sondern auch im Rahmen einzelner Betriebsabteilungen eines Betriebes, der als solcher nicht als Saisonbetrieb anzusehen ist, mögen diese Betriebsabteilungen im arbeitsrechtlichen Sinne selbständig oder unselbständig sein. Die in einem fischverarbeitenden Industriebetrieb ausschließlich für die Betriebsabteilung Heringssalzerei (Landsalzerei) eingestellten Arbeitnehmer haben demgemäß nach § 5 Brem UrlG als Saisonarbeiter Anspruch auf Urlaub bereits nach zweimonatiger Betriebszugehörigkeit. L A G Bremen vom 21. 1. 1953 — Sa 93/52 — BB 1953, 116 - RdA 1953, 400 Hinweis: I m Gegensatz zu § 5 BremUrlG sieht das BUrlG für Arbeitnehmer von Saison- und Kampagnebetrieben keine verkürzten Wartezeiten für die Entstehung des Urlaubsanspruchs vor.
Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers
N r 440
Fahrt von einer Baustelle zur anderen RVO §§ 636, 637 Abs 1 Arbeitnehmer, die auf einer Fahrt von einer Baustelle zu einer anderen einen Unfall erleiden, haben weder gegen den Arbeitgeber noch dessen Erfüllungsgehilfen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld. L A G Bremen vom 29. 11. 1965 — 1 SHa 80/65 — ARSt 1966, 84 —
352
Schadenersatzanspruch
Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers
Nr 441
Schwarze Liste BGB § 824 Der Arbeitgeber (Werftbesitzer) ist schadensersatzpflichtig, wenn er einen früheren Arbeiter grundlos auf eine schwarze Liste setzt, so daß dieser deswegen von einem anderen Arbeitgeber nicht eingestellt wird. LG Bremen vom 22. 1. 1902 — GewG 1901/02, 144
Schichtarbeit
N r 442
Ausfall am Ostersonnabend: Betriebsvereinbarung RTV für die Arbeiter in der Klöckner-Hütte AG in Bremen §2 Nr 7; BGB § 615; FeiertagslohnzG § 1 1. Nach §2 N r 7 des Rahmentarifvertrages für die Arbeiter in der Klöckner-Hütte A G Bremen kann im Einvernehmen mit dem Betriebsrat angeordnet werden, daß an Werktagen vor und nach gesetzlichen Feiertagen Arbeitsschichten ausfallen. Eine mit Zustimmung des Betriebsrats ergangene Bekanntmachung über den Ausfall der Arbeitsschichten am Ostersonnabend hat demgemäß als Betriebsvereinbarung normative Wirkung auf die A r beitsverhältnisse. Die Arbeitgeberin kam infolgedessen nicht in Annahmeverzug, wenn sie am Ostersonnabend das Arbeitsangebot eines einzelnen Arbeitnehmers zurückwies, der an diesem Tage nach dem Arbeitsplan einen Anspruch auf Ableistung einer Arbeitsschicht gehabt hätte. Das gilt auch für die Arbeitnehmer der Hafen- und Verkehrsbetriebe, für welche in der gemeinsamen Bekanntmachung der Geschäftsleitung und des Betriebsrats bestimmt worden war, es müsse „so weit gearbeitet werden, wie es für die Versorgung des Betriebes notwendig ist". Nach dieser Regelung fiel ebenfalls die Arbeit am Ostersonnabend grundsätzlich aus und die Geschäftsleitung durfte keine Arbeit fordern, soweit sie nicht im Einzelfalle ausnahmsweise mit Rücksicht auf die Versorgung des Betriebes einen solchen Anspruch erheben konnte. I n allen anderen Fällen entfiel auch hier der Anspruch der Arbeitnehmer auf Beschäftigung. 2. Ist durch Betriebs Vereinbarung der Ausfall der Arbeitsschichten am Sonnabend vor Ostern mit normativer Wirkung angeordnet worden, so können die betroffenen Arbeitnehmer einen Lohnanspruch auch nach dem Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen vom 2. 8. 1951 nicht geltend machen. Einmal ist der Ostersonnabend kein Wochenfeiertag und zum anderen kann auch nicht festgestellt werden, daß die Arbeitszeit „infolge eines gesetzlichen Feiertages" ausgefallen ist, weil die Arbeitsruhe an den beiden Ostertagen selbst zwar einer der Beweggründe für die getroffene Regelung war, die entscheidende Ursache jedoch in den betrieblichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten zu suchen ist. L A G Bremen vom 14. 1. 1959 — I Sa 112/58 — BB 1959, 560 = DB 1959, 599 «= ArbGeb 1959, 333 « WA 1959, 180
Schiedsgerichtsbarkeit
N r 443
Schiedsklausel: Ausdrücklichkeit ArbGG 1926 § 91 Abs 1 Satz 1 1. Der Ausschluß der Arbeitsgerichtsbarkeit durch Schiedsvertrag muß ausdrücklich erfolgen. Soll durch Tarifvertrag die Arbeitsgerichtsbarkeit auch für Einzelrechtsstreitigkeiten ausgeschlossen werden, so muß aus der tariflichen Schiedsvertragsabrede klar zu erkennen sein, daß die Parteien des Tarifvertrages auch Einzelstreitigkeiten einem Schiedsgericht i S des § 91 ArbGG unterwerfen wollen. 2. Eine Tarifbestimmung, nach der „über Meinungsverschiedenheiten, die aus der Auslegung eines Vertrages entstehen, ein Tarifschiedsgericht anzu-
853
Schlechtleistung
rufen ist, das endgültig entscheidet", würde dieser Ausdrücklichkeit und Klarkeit entbehren. L A G Bremen vom 20. 10. 1927 — 14/27 — ArbRspr 1927, 77 Hinweis: § 91 Abs 1 Satz 1 ArbGG 1926 entspricht, abgesehen von der jetzt erforderlichen Voraussetzung, daß der persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages überwiegend Bühnenkünstler, Filmschaffende, Artisten oder Kapitäne und Besatzungsmitglieder IS der §§ 2 und 3 SeemG umfaßt, im wesentlichen $ 101 Abs 2 Satz 1 ArbGG 1953 (BGBl I I I 320—1).
Schiedsspruch
N r 444
Nachprüfung: Aufhebungsklage ArbGG § 110 Abs 1 Nr 2 Bei der rechtlichen Uberprüfung eines Schiedsspruchs auf Grund einer Aufhebungsklage ist die Würdigung des tatsächlichen Vorbringens der Parteien durch das Tarifschiedsgericht zugrunde zu legen. Das Arbeitsgericht hat lediglich nachzuprüfen, ob die Beweiswürdigung des Tarifschiedsgerichts rechtlich fehlerhaft ist, insbesondere, ob sie unter Verletzung der allgemeinen Regel des § 286 ZPO erfolgt ist. Dabei ist die freiere Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen Verfahrens insbesondere hinsichtlich der bei der Wahrheitserforschung zu beschreitenden Wege zu beachten, soweit der Schiedsvertrag selbst einschränkende Bestimmungen nicht enthält. L A G Bremen vom 1. 6. 1956 — I Sa 14/56 — BB 1956, 721 = DB 1956, 919 X V I , 620, 643 = WA 1956, 281
ARSt
Hinweis: Der revisionsähnliche Charakter der Aufhebungsklage rechtfertigt und erfordert nach BAG vom 31. 10. 1963 — 5 AZR 283/62 — A P Nr 12 zu § 101 ArbGG — die entsprechende Anwendung der für das Revisionsgericht geltenden Vorschriften, wenn und soweit sie einer analogen Anwendung fähig sind ($ 559 ZPO).
Schlechtleistung
N r 445
im Probearbeitsverhältnis: Kein Schadensersatz BGB § 276 Führt ein Probearbeitsverhältnis wegen mangelnder Bewährung eines Arbeitnehmers nicht zum Abschluß eines festen Arbeitsvertrags auf unbestimmte Zeit und ist der Arbeitgeber deshalb gezwungen, eine höher bezahlte andere Arbeitskraft einzustellen, so hat er gegen den Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Schlechtleistung. L A G Bremen vom 26. 9. 1961 — Sa 23/61 — AuR 1962, 91 - WA 1962, 20 Hinweis: Die Entscheidung nimmt nicht zu der Frage Stellung, ob ein Verschulden des Arbeitnehmers darin gesehen werden konnte, daß er eine Arbeit übernahm, für die er etwa die erforderlichen Kräfte und Fähigkeiten nicht besaß (Übernahmeverschulden; dazu Nikisch, Bd I S 301). Das Urteil verneint vielmehr die Ursächlichkeit der Schlechtleistung des Arbeitnehmers für einen etwaigen Schaden des Arbeitgebers wegen des Wesens des Probearbeitsverhältnisses, dessen Umwandlung in ein normales Arbeitsverhältnis der Arbeitgeber nicht beanspruchen konnte.
Schlechtleistung
N r 446
Keine Minderung der Vergütung — Zurückbehaltungsrecht BGB §§ 611, 273, 320 1. Es besteht für den Arbeitgeber grundsätzlich kein Recht zur Minderung oder Vorenthaltung des Gehalts eines Angestellten wegen nicht ordnungsgemäßer Leistung der Dienste, selbst wenn die Schlechtleistung schuldhaft erfolgt. Der Arbeitgeber kann in einem solchen Falle lediglich Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn ihm tatsächlich ein Schaden entstanden ist. 2. Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Gehaltszahlung nicht nach, so kann der Angestellte auf Grund seines fälligen Gehaltsanspruchs für die 23
Trinkhaus
354
S chlechtwetter regelung
zurückliegende Zeit seine eigene Arbeitsleistung verweigern, da ihm insoweit ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber zusteht. Durch die berechtigte Zurückhaltung seiner an sich geschuldeten Arbeitsleistung wird somit der Gehaltsanspruch des Angestellten auch für die Zeit der berechtigten Zurückhaltung nicht beeinflußt. L A G Bremen vom 15. 7, 1959 — I Sa 42 + 99/59 — BB 1959, 994 - W A 1960, 77 Hinweis: Zustimmend Soergel-Slebert-Wlotzke-Volze, 5 611 Anm 62.
Schlechtwetterregelung
Nr 447
Bereithaltungs- und Meldepflicht des Arbeitnehmers AVAVG § 143 i; BGB § 611 Besteht das Arbeitsverhältnis des Bauarbeiters auch während der Schlechtwetterzeit fort, so hat sich der Arbeiter nur zur Wiederaufnahme der Arbeit bereitzuhalten, während der Arbeitgeber den Arbeiter von der bevorstehenden Wiederaufnahme der Arbeit möglichst frühzeitig zu benachrichtigen hat. Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeiter für die Meldung auf der Baustelle oder auf dem Baubüro keinerlei Weisungen, so liegt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Arbeiter nicht vor, wenn er in einem außergewöhnlich strengen, anhaltenden Winter zwar zum Wintersport eine weite Reise antritt, aber einen Familienangehörigen beauftragt, ihn von der Wiederaufnahme der Arbeit telegrafisch zu unterrichten. L A G Bremen vom 20. 8. 1963 — 2 Sa 53/63 — D B 1963, 1610 1963, 332
Schuldanerkenntnis
BB 1964, 220 -
WA
Nr 448
Erklärung über Schuld an Verkehrsunfall BGB §§ 780, 781, 105 Abs 1, 123 1. Unterzeichnet ein Arbeitnehmer, der mit dem Kraftwagen des Arbeitgebers einen Verkehrsunfall verursacht hat, fünf Stunden danach eine Erklärung, wonach er den Unfall grob verschuldet habe und für die Kosten aufkommen wolle, so kann in dieser Erklärung weder ein selbständiges Schuldanerkenntnis (§781 BGB) noch ein Schuldversprechen (§780 BGB) erblickt werden. Es liegt jedoch ein rechts wirksames Eingeständnis der Schuld vor, so daß nunmehr der Arbeitnehmer seinerseits den Nachweis zu führen hat, daß ihn keine Schuld trifft. Nichtigkeit der Erklärung nach § 105 Abs 1 BGB auf Grund der Schockwirkung des Unfalls ist fünf Stunden danach regelmäßig nicht anzunehmen. 2. Eine Willenserklärung, mit der die Schuld an einem Unfall sowie die Haftpflicht anerkannt wird, kann nicht wegen Drohung angefochten werden, wenn der Arbeitgeber bei dem vorausgegangenen Gespräch für den Fall des weiteren Schweigens des Arbeitnehmers über den Unfallhergang Erkundigungen bei der Polizei in Aussicht gestellt hat. Der Hinweis des Arbeitgebers ist jedenfalls dann keine Drohung, wenn die Verkehrspolizei bereits vorher den Unfall aufgenommen hatte. L A G Bremen vom 17. 2. 1960 — I Sa 23/59 — BB 1960, 780 - DB 1960, 296 «= WA 1960, 93 Hinweis: Ahnlich wie LS 1 B G H vom 4. 10. 1960 — V I Z H 170/59 — VersR 1961, 85; Wussow, Tz 1754.
Schwerbeschädigtenobmann
Nr 449
Freistellung von der Arbeit SchwBeschG 1923 § 12 Der Schwerbeschädigtenobmann (Vertrauensmann) ist nicht berechtigt, seinen Arbeitsplatz ohne Zustimmung des Arbeitgebers zu verlassen, um seinen Obmannsgeschäften nachzugehen.
355
Schwerbeschädigter GewG Bremen vom 13. 3. 1924 — GewuKfmG 1924/25, 315
Hinweis: Die Entscheidung entspricht nach geltendem Recht ( S 13 SchwBeschG 1953) herrsch Meinung. Vgl Becker, § 13 Anm 18; Seilmann, S 13 Anm 14; grundsätzlich auch Rohwer-Kahlmann-Schroeder-Printzen, § 13 Anm 31, die jedoch für ständig wiederkehrende Verrichtungen des Vertrauensmannes die Zustimmung des Arbeitgebers von Fall zu Fall nicht für erforderlich halten. Für solche Fälle dürfte sie, wenn der Arbeitgeber die Regelmäßigkeit des Vorganges kennt, generell als erteilt anzusehen sein.
Schwerbeschädigter
N r 450
bei den alliierten Streitkräften Truppenvertrag Art 44; SchwBeschG § 14; BGB § 134; ZPO § 148 1. Seit dem Inkrafttreten des Truppenvertrages vom 5. 5. 1955 stehen die deutschen Arbeitnehmer bei den auf Grund des Truppenvertrages in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräften sowohl zu diesen als auch zu der Bundesrepublik selbst in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Die Arbeitgeberrechte und -pflichten sind gemäß Art 44 Truppenvertrag auf beide Arbeitgeber verteilt. 2. Für das Arbeitsverhältnis der deutschen Arbeitnehmer bei den auf Grund des Truppenvertrages in der Bundesrepublik stationierten Streitkräften gilt grundsätzlich deutsches Arbeitsrecht. Die Bestimmungen der deutschen Arbeitsschutzgesetzgebung, insbesondere des Schwerbeschädigtengesetzes sind ohne jede Einschränkung anzuwenden, soweit und solange die in Art 44 X Truppenvertrag vorgesehene gemischte Kommission Ausnahmeregelungen nicht getroffen hat. 3. Für die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer von der Beschäftigungsstelle ausgesprochenen Kündigung ist nach Art 44 V I I I Truppenvertrag ausschließlich die Bundesrepublik passivlegitimiert. Die Entscheidung erfolgt durch die deutschen Arbeitgerichte. Eine Abweichung von den Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechts kommt dabei lediglich dann in Frage, wenn es sich um eine Kündigung aus Sicherheitsgründen handelt und die in Art 44 X Truppenvertrag vorgesehene gemischte Kommission mit bindender Wirkung für die deutschen Arbeitsgerichte eine Entscheidung darüber getroffen hat, ob die Kündigung gerechtfertigt ist. L A G Bremen vom 2. 11. 1955 — Sa 91/55 1955, 477
BB 1955, 1089 -
DB 1955, 1168 = RdA
Hinweis: Ebenso wie LS 1 BAG vom 19. 8. 1958 — 1 AZR 297/56 — AP Nr 24 zu Art 44 Truppen vertrag; wie LS 2 schon nach Inkrafttreten des T V - A L BAG vom 20. 5. 1958 — 3 AZR 541/55 — BAG 6, 87 - A P Nr 17 zu Art 44 Truppenvertrag.
Schwerbeschädigter
N r 451
Einstellungspflicht SchwBeschG 1920 § 5 Die Pflicht zur Einstellung von Schwerbeschädigten setzt nicht voraus, daß der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz neu besetzen will. GewG Bremen vom 22. 4. 1926 — HansGZ ArbR 26, 116 Hinweis: Zum SchwBeschG 1953 wird für die Einstellungspflicht ebenfalls nicht vorausgesetzt, daß der Arbeitgeber über freie Arbeitsplätze verfügt oder Arbeitskräfte einstellen will. Es wird sogar die ordentliche Kündigung eines gesunden Arbeitnehmers unter Umständen aus betriebsbedingten Gründen für sozialgerechtfertigt angesehen (S 1 KSchG), weil ein Schwerbeschädigter einzustellen ist: BAG vom 15. 1. 1955 — 1 AZR 3/53 — BB 1955, 449; Becker, 9 3 Anm 3; Herschel-Steinmann, § 1 Anm 40 d.
Schwerbeschädigter
N r 452
Fristlose Kündigung SchwBeschG § 19 Abs 3, §§ 14, 15; GewO §§ 123, 124 a 1. Die Berechtigung zur fristlosen Entlassung eines schwerbeschädigten Gewerbegehilfen ist allein nach § 124 a GewO zu beurteilen. 23*
356
Schwerbeschädigter
2. Zwischen der Gesundheitsschädigung eines den Schwerbeschädigten Gleichgestellten, die sehr häufig mit einer raschen Erschöpfbarkeit und gesteigerten Reizbarkeit verbunden ist, und einem betrügerischen Verhalten besteht nicht einmal ein entfernter Kausalzusammenhang. Es ist im übrigen Sache eines schwerbeschädigten oder den Schwerbeschädigten gleichgestellten Klägers, sich auf § 19 Abs 3 Satz 2 SchwBeschG zu berufen und den unmittelbaren Zusammenhang iS dieser Vorschrift schlüssig darzulegen und unter Beweis zu stellen. L A G Bremen vom 25. 5. 1965 — 2 Sa 24 + 25/65 — Hinweis: Die Entscheidung folgt der herrsch Meinung; vgl BAG vom 25. 2. 1963 — 2 AZR 313/62 — A P N r 4, zu LS 2 auch BAG vom 29. 6. 1964 — 2 AZR 408/63 — AP Nr 5 zu § 19 SchwBeschG.
Schwerbeschädigter
N r 453
Lohnfortzahlung: Kriegsbeschädigung als Krankheitsursache SchwBeschG 1923 § 13 Ein Schwerbeschädigter hat keinen Anspruch auf Lohn für die Dauer einer durch seine Kriegsbeschädigung hervorgerufenen Krankheit. L A G Bremen vom 25. 1. 1930 — 85/29 — ArbG 1930, 100 Hinweis: Die Entscheidung erging auf Grund einer besonderen Bestimmung der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsordnung, nach welcher der Arbeitgeber „nur die Zeit bezahlt, während der wirklich gearbeitet wurde". Nach dem heute geltenden, auch für Arbeiter unabdingbaren Recht kommt es auf die Ursache der Erkrankung für die Lohnfortzahlung nach § 616 BGB, $ 63 HGB, 8 133 c Abs 2 GewO, 8 1 Abs 1 ArbKrankhG grundsätzUch nicht an.
Schwerbeschädigter
N r 454
Verschweigen von Schwerbeschädigteneigenschaft SchwBeschG 1923 § 3 Ein Kriegsbeschädigter, dessen Rentenverfahren bei Abschluß des Arbeitsvertrages noch schwebt und dessen Sdiwerbeschädigteneigenschaft erst später anerkannt wird, genießt, wenn er den Sachverhalt verschwiegen hat, nicht den Schutz des SchwBeschG. GewG Bremen vom 6. 9. 1923 — GewuKfmG 1924/25, 314 Hinweis: Nach BAG vom 13. 2. 1958 — 2 AZR 467/65 — BAG 5, 208 = AP Nr 11 zu 8 14 SchBeschG — wird die Schwerbeschädigteneigenschaft nach dem SchwBeschG 1953 (im Gegensatz zum SchwBeschG 1923) durch den Anerkennungsbescheid nicht begründet, sondern nur bewiesen. Auch bedarf nach BAG vom 3. 1. 1957 — 2 AZR 281/56 — BAG 3, 203 = AP Nr 4 zu 8 14 SchwBeschG — die Kündigung eines Schwerbeschädigten — abgesehen von den Fällen des 8 19 SchwBeschG 1953 — auch dann der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle, wenn der Arbeitgeber die Schwerbeschädigteneigenschaft des Arbeitnehmers nicht kennt.
Schwerbeschädigter
N r 455
Wirkung des Anerkennungsbescheides SchwBeschG § 1 Abs 1; 1. DVO § 1 Der Schwerbeschädigtenschutz beginnt auch nach dem SchwBeschG 1953 erst mit der Anerkennung der Schwerbeschädigteneigenschaft durch die zuständige Behörde (Versorgungsamt oder Hauptfürsorgestelle). Der Feststellungsakt wirkt rechtsbegründend. Eine Rückwirkung kommt ihm nicht zu. Die fristgemäße Kündigung eines Arbeitsverhältnisses verliert infolgedessen ihre Rechtswirksamkeit auch dann nicht, wenn nachträglich festgestellt wird, daß im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs die Voraussetzungen des § 1 SchwBeschG auf Seiten des gekündigten Arbeitnehmers vorgelegen haben. I m Kündigungsschutzverfahren selbst ist daher kein Raum für eine Beweiserhebung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Schwerbeschädigten-
Sittenwidrige Kündigung
357
schutzes nach § 1 SchwBeschG oder für eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung dieser Vorfrage in einem anderen Verfahren. L A G Bremen vom 16. 5. 1956 — I Sa 98/55 — BB 1956, 724 = DB 1956, 715 - A r b G e b 1956, 548 - WA 1956, 293 = WzS 1956, 146 Hinweis: Die Entscheidung widerspricht der herrsch Meinung zum SchwBeschG 1953, wonach die Schwerbeschädigteneigenschaft durch den Anerkennungsbescheid nicht begründet, sondern nur bewiesen wird. So insbesondere BAG vom 13. 2. 1958 — 2 AZR 467/55 — B A G 5, 208 = A P N r 11 zu § 14 SchwBeschG; Becker, § 1 Anm 26 mwN.
Schwerbeschädigter
N r 456
Zusatzurlaub: Kechtsmißbrauch SchwBeschG § 34; BGB § 242 Der Schwerbeschädigte kann Abgeltung des Zusatzurlaubs nach dem SchwBeschG nicht beanspruchen, wenn er in dem Urlaubs jähr nur etwa 3 Monate lang, also während einer verhältnismäßig kurzen Zeit, Arbeit geleistet hat und dann bis in das folgende Jahr hinein krank und arbeitsunfähig gewesen ist. ArbG Bremen vom 26. 4. 1960 — 3 Ca 3062/60 — BB 1960, 1020 = DB 1960, 1072 Hinweis: Die Entscheidung wird — wohl zu Recht — von Dersch-Neumann, Anh I I Anm 31, abgelehnt, weil es sich bei dem Urlaub für Schwerbeschädigte um einen zusätzlichen Urlaub handelt, der den Vorschriften über den Normalurlaub unterliege und daher von ihm abhängig sei. Das Arbeitsgericht habe im konkreten Fall übersehen, daß der Arbeitnehmer (im Urlaubs jähr) 3 Monate gearbeitet und daher sehr wohl Anspruch auf Erholungsurlaub gehabt habe.
Sittenwidrige Kündigung
N r 457
Anforderungen BGB §§ 138, 157, 242, 826 1. A n die Annahme einer sittenwidrigen Kündigung sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Tatbestand des venire contra factum proprium (Gegensätzliches Verhalten) ist kein Fall des sittenwidrigen Handelns. 2. Das KSchG schließt als Spezialbestimmung die Herleitung der Unwirksamkeit der Kündigung aus § 242 BGB wegen Verstoßen gegen Treu und Glauben aus. L A G Bremen vom 12. 12. 1951 — Sa 83/51 — AP 52 Nr 149 mit zustimm Anm Hueck = BB 1952, 31 - DB 1952, 20, 416 » ARSt V I I I , 47, 64, 68 - WA 1952, 231 Hinweis: Vgl den Hinweis zu BremARS N r 252.
Sittenwidrige Kündigung
N r 458
Anforderungen — Sozialwidrige Kündigung BGB § 138 1. Das Anwendungsgebiet des § 138 BGB ist bei der Kündigung auf eng zu begrenzende und besondere Tatbestände von erheblichem Gewicht einzuschränken. Zur Sozialwidrigkeit muß noch ein weiteres entscheidendes Moment hinzutreten. 2. Eine Kündigung ist nicht schon deshalb sittenwidrig, weil der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern, die ebenso schwere Pflichtverletzungen begangen haben, nicht kündigt. 3. Dagegen kann eine Kündigung sittenwidrig sein, wenn sie eine Tarnung gesetzwidriger Maßnahmen bedeutet oder wenn die Zustimmung des Betriebsrates arglistig erschlichen ist. 4. Eine sozialwidrige Kündigung ist nicht schon deshalb sittenwidrig, weil sie zu besonders nachteiligen Folgen für den betroffenen Arbeitnehmer führt, z B weil er Heimkehrer ist. Sie kann aber in einem solchen Fall
358
Sittenwidrige Vergütung
sittenwidrig werden, wenn die Kündigungsgründe völlig bedeutungslos und nichtig sind. L A G Bremen vom 10. 10. 1951 — Sa 60/51 — A P 53 N r 49 mit zustimm Anm Hueck Hinweis: Die Entscheidung ist noch unter der Herrschaft der Kündigungsschutzbestimmungen des Brem BetrHG ergangen, behält aber nach Hueck in der oa Anm für das KSchG ihre Bedeutung.
Sittenwidrige Vergütung
N r 459
Reisetätigkeit mit eigenem Pkw: Reisender BGB §§ 138, 612 Abs 2, 315 Eine Vereinbarung, durch die ein Reisender verpflichtet wird, gegen Zahlung eines Pauschbetrages von 50,— D M einen Monat lang Reisetätigkeit auszuüben und hierbei seinen eigenen Kraftwagen zu benutzen, stellt einen groben Verstoß gegen die guten Sitten und den geschäftlichen Anstand dar und ist nichtig. Die angemessene Vergütung ist in entsprechender Anwendung des § 612 Abs 2 BGB gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen festzusetzen. L A G Bremen vom 7. 10. 1953 — Sa 127/53 — ARSt X I I I , 288 Hinweis: Die Entscheidung kann bei dem eindeutigen Sachverhalt auch dann nicht in Zweifel gezogen werden, wenn der Reisende selbständiger Handelsvertreter iS von § 84 Abs 1 HGB gewesen sein sollte; vgl zu einem solchen Fall BAG vom 10. 3. 1960 — 5 AZR 426/58 — AP Nr 2 zu § 138 BGB. Das BAG wendet bei Nichtigkeit wegen Hungerlohnes 9 612 Abs 2 BGB unmittelbar an. Ist weder eine taxmäßige noch eine übliche Vergütung IS von § 612 Abs 2 BGB feststellbar, so ist § 316 BGB anwendbar, wonach die Bestimmung der Vergütung durch den Dienstpflichtigen als den Fordernden erfolgt, und zwar im Rahmen des billigen Ermessens (§ 315 BGB): Soergel-SlebertWlotzke-Volze, § 612 Anm 6 mwN. Vgl auch Trinkhaus, DB 1967, 861.
Sittenwidriger Arbeitslohn
N r 460
Unterschreitung des Tariflohns BGB § 138 Ein um etwa 20 % unter dem Tariflohn liegender Arbeitslohn ist bei freier Lohnvereinbarung nicht sittenwidrig. ArbG Bremen vom 22. 1. 1959 — 1 Ca 396/58 — ARSt X X I I , 417 Hinweis: Ähnlich BAG vom 10. 12. 1958 — 4 AZR 528/55 — A P Nr 13 zu § 138 BGB. Danach verstößt eine Vergütungsregelung nicht schon deshalb gegen die guten Sitten, weil die vereinbarte Vergütung erheblich unter der tariflichen liegt oder nicht angemessen erscheint.
Sonntagsarbeit
N r 461
Verbot: Lohnausfall bei Garantie GewO § 105 b Abs 1; BGB § 615 Ist einem Arbeitnehmer im Rahmen der kontinuierlichen Arbeitsweise eine Beschäftigung von jeweils 144 Arbeitsstunden innerhalb von je drei Wochen zugesagt worden und fällt ein Teil der Arbeitszeit dadurch aus, daß eine Schicht am Pfingstsonntag mit Rücksicht auf das Verbot der Sonntagsarbeit in § 105 b GewO nicht abgeleistet werden kann, so muß die Arbeitgeberin den Arbeitslohn für die ausgefallene Schicht erstatten. Diese Verpflichtung kann zwar nicht auf den vereinbarten Arbeitsplan gestützt werden, weil die Vereinbarung unzulässiger Sonntagsarbeit nichtig ist. Sie ergibt sich jedoch sowohl aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB) als auch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht, da die Geschäftsleitung rechtzeitig eine abweichende Regelung der Arbeitszeit entweder mit dem betroffenen Arbeitnehmer selbst oder im Wege einer normativen Betriebsvereinbarung mit ihrem Betriebsrat hätte vereinbaren müssen. Zu erstatten ist jedoch dem Arbeitnehmer lediglich der einfache Stundenlohn.
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Arbeitsverhältnis
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Er hat keinen Anspruch auf Bezahlung eines Sonntagszuschlages für die am Pfingstsonntag ausgefallene Arbeitsschicht. L A G Bremen vom 14. 1. 1959 — I Sa 112/58 - BB 1959, 560 - DB 1959, 599 = ArbGeb 1959, 333 - WA 1959, 180
Spesenersatz
N r 462
Nachträglich verlangter Tätigkeitsbericht: Versicherungsaußendienst BGB §§ 242, 666, 675 1. Der an sich begründete Anspruch eines Angestellten im Versicherungsaußendienst auf Spesenersatz kann nach den Umständen des Einzelfalles gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Angestellte unter Verletzung seiner vertraglichen Pflichten überhaupt keine spesenpflichtige Tätigkeit für seinen Arbeitgeber entfaltet hat oder für ein Konkurrenzunternehmen tätig geworden ist. Die Bezugnahme auf ein recht geringes Neugeschäft des Angestellten im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses reicht dafür aber nicht aus. Frühere Vertragsverhandlungen mit der Konkurrenz lassen Schlüsse auf eine spätere Vertragsverletzung des Angestellten jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn dieser das alte Arbeitsverhältnis seinerzeit verlängert und monatelang voll erfüllt hat. 2. Eine feste Übung in der Versicherungswirtschaft, Angestellte in gekündigter Stellung nicht mehr reisen zu lassen, kann nicht festgestellt werden. 3. Der Arbeitgeber kann von dem Angestellten nach §§666, 675 BGB verlangen, eine an sich ordnungsgemäße und den vertraglichen Vereinbarungen entsprechende Reisekosten-Rechnung in einzelnen Punkten zu ergänzen oder Fragen zu einzelnen Punkten zu klären, damit dem Arbeitgeber eine Nachprüfung möglich ist. Gegen die nachträgliche Geltendmachung eines solchen Anspruchs sind jedoch Bedenken zu erheben, wenn seit der Einreichung der Reisekosten-Rechnung eine längere Zeit verstrichen ist und der Arbeitgeber früher solche Auskünfte nicht gefordert und auch nicht zu erkennen gegeben hat, daß er sich dies für später vorbehalten wolle. 4. Das nachträgliche Verlangen des Arbeitgebers, neben der ReisekostenRechnung einen umfassenden Tätigkeitsbericht zu erstatten, ist für den A n gestellten, insbesondere nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, unzumutbar, wenn sich der Angestellte nach monatelanger unbeanstandeter Handhabung der Spesenabrechnung auf einen solchen Tätigkeitsbericht für die Vergangenheit nicht einzustellen brauchte. L A G Bremen vom 5. 11. 1963 -
Ständiges Arbeitsverhältnis
2 Sa 83/63 — DB 1965, 635
N r 463
Begriff: Wochenendmusiker TO für die in Gaststätten beschäftigten Musiker und Kapellmeister im Treuhänderbezirk Niedersachsen vom 7. und 8. 1. 1936 §§ 4, 8, 12 1. Für ein Dauerarbeitsverhältnis ist nicht erforderlich, daß es die volle Arbeitskraft des Arbeitnehmers in Anspruch nimmt und eine tägliche A r beitsleistung stattfindet. Auch ein teilbeschäftigter Arbeitnehmer kann als ständig beschäftigter Arbeitnehmer angesehen werden. 2. Musiker, die lediglich zum Wochenende in den Abendstunden beschäftigt werden, können gleichwohl in einem Dauerarbeitsverhältnis stehen und im Sinne der Tarifordnung ständig beschäftigt sein. Die Entscheidung hierüber kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände erfolgen. Liegt eine ausdrückliche vertragliche Abmachung nicht vor, so kann bei längerer Dauer und regelmäßiger Wiederholung der Wochenendarbeit hieraus auf ein ständiges Dauerarbeitsverhältnis geschlossen werden. 3. Bei einem Dauerarbeitsverhältnis können auch Wochenendmusiker die Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist von einem Monat für ständig
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Straßenbahnunternehmen
Beschäftigte fordern. Liegt ein Dauerarbeitsverhältnis nicht vor, so entfällt eine Kündigungsfrist überhaupt, da in diesem Falle ein Vertragsverhältnis jeweils nur für die einzelne Gelegenheit entsteht. L A G Bremen vom 20. 9. 1950 — Sa 23/50 — AP 51 Nr 173 mit zustimm Anm Dersch DB 1950, 524 = ARSt V, 307, 816 - WA 1950, 377
Straßenbahnunternehmen
N r 464
Nichtanwendung der GewO GewO § 6 Abs 1 Satz 1 1. Die Gewerbeordnung findet auf das Arbeitsverhältnis der von einem Straßenbahnunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer keine Anwendung, da ein solches Unternehmen unter den Begriff einer Eisenbahnunternehmung im Sinne des § 6 GewO fällt. Die Unterscheidung zwischen Eisenbahnen und Straßenbahnen im Eisenbahngesetz vom 29. 3. 1951 und die Unterstellung der Straßenbahn unter das Gesetz über die Beförderung von Personen zu Lande vom 6. Dezember 1937 gibt keine Veranlassung, von der bisherigen gewerberechtlichen Begriffsbestimmung der Eisenbahn als eines Betriebes zur Beförderung von Personen und Gütern auf Spurwegen abzuweichen, zumal das Vorhandensein zahlreicher Übergangsfälle eine gewerberechtliche und arbeitsrechtliche Unterscheidung zwischen eigentlichen Eisenbahnen und Straßenbahnen untunlich erscheinen läßt. 2. Der Ausschluß der Gewerbeordnung für Straßenbahnunternehmen erstreckt sich nicht nur auf den eigentlichen Fahrbetrieb, sondern auch auf alle Hilfseinrichtungen, die zur Aufrechterhaltung eines Straßenbahnbetriebes erforderlich sind. Die Gewerbeordnung ist daher auch auf Putzfrauen nicht anzuwenden, die auf einem Straßenbahnhof beschäftigt werden. L A G Bremen vom 6. 11. 1957 — I Sa 89/57 — BB 1958, 158 = BetrVerf 1958, 94 ArbGeb 1958, 43 = SAE 1958, 30 mit teilweise krit Anm Bohn = WA 1958, 49
Streik
N r 465
Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers BGB § 823 Abs 1, § 826 Arbeitnehmer, die schuldhaft gegen die Streikbedingungen des Tarifvertrages verstoßen, haften dem Arbeitgeber für den Streikschaden als Gesamtschuldner. GewG Bremen vom 8. 7. 1926 und LG Bremen vom 26. 2. 1927 — HansGZ ArbR 1927, 59 = ArbR 1927, 867 Hinweis: Nach BAG vom 20. 12. 1963 — 1 AZR 428/62 — AP N r 32 zu Art 9 GG Arbeitskampf — verpflichtet der rechtswidrige Streik bei Vorliegen eines Verschuldens zum Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung. Die Haftung der rechtswidrig streikenden Arbeitnehmer ist eine gesamtschuldnerische.
Streik
N r 466
Zulässige Streikhandlungen GG Art 9 Abs 1 1. Der von der Rechtsordnung erlaubte Streik erschöpft sich nicht nur in der Arbeitsniederlegung, sondern umfaßt darüber hinaus auch noch die weiteren Streikhandlungen, die den gewünschten Erfolg im Arbeitskampf herbeiführen oder sichern sollen, wie z B das Aufstellen von Streikposten und die Beeinflussung derjenigen Betriebsangehörigen, die sich am Streik nicht beteiligen. 2. Streikpropaganda innerhalb des Betriebes durch streikende Arbeitnehmer stellt keine erlaubte und von der Rechtsordnung gebilligte Streikmaßnahme
Streitwertfestsetzung
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dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn streikende Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers in die Betriebsräume eindringen. L A G Bremen vom 6. 5. 1953 — Sa 75/53 — A P 54 N r 87 mit im Ergebnis zustimm Anm Hoeniger «= BB 1953, 501 = DB 1953, 536 «= ArbGeb 1953, 582 = ArSt X , 458, - WA 1953, 251 Hinweis: Ähnlich BAG vom 29. 3. 1957 — 1 AZR 547/55 — BAG 4, 41 = A P Nr 5 zu Art 9 GG Arbeitskampf.
Streik, wilder
N r 467
Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers — Aufrechnung gegen unpfändbaren Lohnanspruch BGB § 823 Abs 1, § 394 1. Die Teilnahme an einem wilden, nicht von einer Gewerkschaft und auch nicht zur Erlangung von günstigeren Arbeitsbedingungen veranlaßten Streik ist eine vorsätzliche unerlaubte Handlung und verpflichtet als widerrechtlicher Eingriff in einen fremden Rechtskreis die teilnehmenden Arbeitnehmer gemäß § 823 Abs 1 BGB zum Schadensersatz. 2. Dieser Schadensersatzanspruch kann gegen die Lohnforderungen des Arbeitnehmers in voller Höhe aufgerechnet werden (§394 BGB). GewG Bremen vom 7. 7. 1922 — GewuKfmG 1922/23, 44 Hinweis: Das Urteil zu LS 1 entspricht der herrsch Meinung, insbesondere den Entscheidungen des BAG vom 4. 5. 1955 — 1 AZR 493/54 — BAG 2, 75 = A P Nr 2, vom 29. 9. 1955 — 2 AZR 504/54 — AP Nr 4 — und vom 20. 12. 1963 — 1 AZR 428/62 — AP Nr. 32, zu Art 9 GG Arbeitskampf. Dagegen hat der Arbeitgeber bei einem gewerkschaftlich organisierten oder genehmigten Streik zur Erreichung besserer Arbeitsbedingungen (sog rechtmäßiger sozialadäquater Streik) gegen streikende Arbeitnehmer keinen Schadensersatzanspruch, soweit nicht ein konkreter Rechtsverstoß im Arbeitskampf feststellbar ist. — Zu LS 2 kommt die bislang allgem Meinung zum Ausdruck, wonach der Arbeitgeber mit der aus vorsätzlich unerlaubter Handlung gegebenen Schadensersatzforderung gegenüber einer unpfändbaren Forderung des Arbeitnehmers trotz des Verbots des § 394 Satz 1 BGB aufrechnen kann. Das BAG vom 31. 3. 1960 — 5 AZR 441/57 — BAG 9, 137 •» A P Nr 5 zu § 394 BGB — macht zwischen Ansprüchen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung und vorsätzlicher Vertragsverletzung keinen Unterschied. Ob und inwieweit der mit § 394 Satz 1 BGB zugunsten des Arbeitnehmers gewollte Sozialschutz wegen einer von dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber verübten treuwidrigen und vorsätzlichen Nachteilszufügung weichen muß, soll sich aber nach den gesamten Umständen des Einzelfalles bestimmen, wobei das Gewicht des mit § 394 Satz 1 BGB gewollten Sozialschutzes und der Treueverstoß gegeneinander abzuwägen sind.
Streitwertfestsetzung
N r 468
Berichtigung ZPO §§ 319, 162, 314; ArbGG § 64 Abs 1 1. Eine offenbar unrichtige Streitwertfestsetzung in einem arbeitsgerichtlichen Urteil kann zwar vom Landesarbeitsgericht nicht nachgeprüft, wohl aber vom Arbeitsgericht selbst gemäß § 319 ZPO im Wege der Berichtigung abgeändert werden. Dies gilt auch dann, wenn die Streitwertfestsetzung auf der unrichtigen Wiedergabe des Klagantrages und der Klagsumme im Tatbestand des Urteils beruht, da für den Inhalt des Klagantrags nach §314 ZPO das Sitzungsprotokoll den Beweis liefert, es sei denn, daß die Vorschrift des § 162 ZPO nicht beachtet worden ist. 2. Die Berichtigung der Streitwertfestsetzung darf jedoch nicht dazu führen, daß durch nachträgliche Herabsetzung des Streitwerts unter die Berufungssumme die Berufungsfähigkeit des Urteils beseitigt wird. Eine solche Maßnahme würde sowohl dem Grundsatz der Rechtssicherheit als auch dem gesetzgeberischen Gedanken zuwiderlaufen, daß im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Parteien bereits bei Erlaß eines Urteils über seine Anfechtbarkeit Klarheit erhalten sollen. L A G Bremen vom 23. 3. 1960 — 1 Sa 5/60 — BB 1960, 664 «= DB 1960, 643 « AuR 1960, 280 = SAE 1960, 53 - WA 1960, 165
362
Streitwertfestsetzung
Hinweis: Nach BAG vom 19. 5. 1960 — 4 AZR 103/58 — BAG 9, 222 = AP Nr 11 zu § 319 ZPO — ist die Berichtigung einer Streitwertfestsetzung nur insoweit zulässig, als Unrichtigkeiten vorliegen, die aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei Erlaß oder Verkündung des Urteils ohne weiteres erkennbar sind. Eine offenkundig und auf den ersten Blick unrichtige und unter keinem rechtlichen oder vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigende Streitwertfestsetzung durch das L A G ist nach BAG vom 5. 4. 1962 — 5 AZR 486/61 — AP Nr 13 zu 5 72 ArbGG Streitwertrevision — für das Revisionsgericht zu der Frage der Statthaftigkeit einer Streitwertrevision nicht bindend. Das Entsprechende wird für die Statthaftigkeit einer Streitwertberufung zu gelten haben. Vgl. auch Menkens, AuR 1966, 174.
Streitwertfestsetzung
Nr 469
besondere für die Anwaltsgebühren: Prozeß vergleich ArbGG § 69; ZPO § 5; GKG § 10 a F 1. Eine Streitwertfestsetzung im Beschlußwege ist auch bei sonstiger Gebührenfreiheit notwendig, wenn Anwaltsgebühren entstanden sind und die Wertfestsetzung beantragt wird. 2. Dies gilt auch für die Berufungsinstanz, wenn eine Entscheidung durch Urteil nicht erfolgt oder eine abweichende Wertfestsetzung aus Gründen der Kostenberechnung notwendig erscheint. 3. Rückstände aus der Zeit bis zur Klageerhebung sind dem Streitwert nach § 10 G K G gemäß § 5 ZPO hinzuzurechnen. L A G Bremen vom 14. 8. 1954 — Sa 148/53 — A P N r 4 zu § 69 ArbGG 1953 mit zustimm Anm Tschischgale
Streitwertfestsetzung
Nr 470
besondere für die Kosten: Keine Neufestsetzung im Berufungsurteil ArbGG §§ 12, 61, 69; GKG §§ 17, 18 a F; ZPO §§ 319, 321 Die Festsetzung des Streitwertes gemäß §§61, 69 ArbGG erfolgt in erster Linie, um die Zulässigkeit der Rechtsmittel festzustellen. Neben dieser Wertfestsetzung im Urteil ist daher lediglich für die Zwecke der Kostenberechnung eine Wertfestsetzung durch Beschluß gemäß § 18 G K G (a F) zulässig. Eine solche Festsetzung ist auch zulässig, wenn im Urteil des Landesarbeitsgerichts eine Änderung des Streitwertes gemäß §69 Abs 2 ArbGG nicht erfolgt ist. Der Antrag auf Wertfestsetzung nach § 18 G K G ist an keine Frist gebunden und muß für jede Instanz besonders gestellt werden. L A G Bremen vom 2. 11. 1949 — Sa 53/49 — A P 50 N r 75 mit zustimm Anm Volkmar Hinweis: Ganz herrsch Meinung; vgl Tschischgale S 27—36 mwN. Siehe auch L A G Bremen vom 14. 8. 1954 — Sa 148/53 — A P N r 4 zu 8 69 ArbGG 1953 — und vom 22. 6. 1959 — I I Sa 24/58 — A P N r 1 zu 8 23 GKG 1957, beide mit zustimm Anm Tschischgale » Brem ARS Nr 469 und 471.
Streitwertfestsetzung
Nr 471
besondere für die Kosten: Teilweise Klagerücknahme ArbGG §§ 12 Abs 6 Satz 1, 61 Abs 2, 69 Abs 2; GKG §§ 22, 23 Das Landesarbeitsgericht kann einen besonderen Kostenstreitwert entsprechend §23 Abs 1 Satz 1 G K G dann festsetzen, wenn es nach teilweiser Klagerücknahme im Laufe des Berufungsverfahrens den Wert des Streitgegenstandes im Urteil gemäß § 69 Abs 2 ArbGG in Höhe des Restbetrages der Klagforderung neu festgesetzt hat. L A G Bremen vom 22. 6. 1959 — I I Sa 24/58 — A P N r 1 zu 8 23 GKG 1957 mit zustimm Anm Tschischgale - RdA 1959, 478 «= DB 1959, 864
Tariffähigkeit Streitwertfestsetzung
363 Nr 472
durch Arbeitsgericht: Bindung des L A G ArbGG §§ 64 Abs 1, 61 Abs 2 Die Wertfestsetzung im Urteil des Arbeitsgerichts bindet die übergeordnete Instanz selbst dann, wenn der Wert des Streitgegenstandes im ersten Hechtszuge unrichtig festgesetzt worden ist. L A G Bremen vom 25. 7. 1956 — I I Sa 80/56 — A P Nr 4 zu § 64 ArbGG 1953 mit zustimm Anm Tschischgale » RdA 1957, 40 Hinweis: Vgl aber den Hinweis zu Brem ARS Nr 468.
Tarifausschuß
N r 473
Rechtscharakter: Schiedsgutachtenstelle — Schlichtungsstelle ArbGG 1926 §§ 106 t 107; KRG Nr 35 Art I; BGB §§ 317—319 1. Tarifausschüsse können verschiedenen Rechtscharakter haben. Haben sie die Aufgabe, Arbeitnehmer, Arbeitnehmergruppen oder Betriebe in bestimmte tarifliche Vergütungsgruppen einzustufen, so sind sie in der Regel als Schiedsgutachtenstellen im Sinne der §§ 106, 107 ArbGG anzusehen. Liegt ihnen jedoch in diesem Zusammenhang auch eine Ergänzung des Vertragsinhalts im Sinne der §§317 ff BGB ab, so können sie entgegen der früheren Rechtslage gern Art I K R G Nr 35 auch als Schlichtungsstellen angesehen werden. 2. Auch im Verfahren vor einer tariflichen Schlichtungsstelle bildet das rechtliche Gehör der Parteien eine zwingend erforderliche Voraussetzung, jedenfalls dann, wenn es sich um die Schlichtung eines Streitfalles zwischen den Parteien von Einzelarbeitsverhältnissen handelt. 3. Die Entscheidung eines Tarifausschusses ist rechtsunwirksam, wenn seine Zusammensetzung bei der Beschlußfassung den im Tarifvertrag vereinbarten Bestimmungen nicht entsprochen hat. Dies gilt auch dann, wenn innerhalb des Tarifausschusses die Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite geschlossen abstimmen oder wenn die Beschlußunfähigkeit dadurch herbeigeführt worden ist, daß einzelne Beisitzer die Sitzung vorzeitig verlassen haben. Der Mangel der ordnungsmäßigen Besetzung des Tarifausschusses kann weder durch das Einverständnis der verbliebenen Beisitzer noch durch Beschlußfassung eines später zusammentretenden und ordnungsmäßig besetzten Tarifausschusses geheilt werden. L A G Bremen vom 4. 6. 1952 — Sa 30/1952 — BB 1952, 519 - DB 1952, 679 « ARSt V I I I , 763 « W A 1953, 63 Hinweis: Der Entscheidung lag das vor Inkrafttreten des ArbGG 1953 geltende Recht zugrunde. Das ArbGG 1953 hat den Schiedsgutachtenvertrag beseitigt, weil er in der Praxis häufig zu einer Verzögerung des Verfahrens geführt und eine unerwünschte Beeinträchtigung der staatlichen Gerichtsbarkeit dargestellt habe.
Tariffähigkeit
N r 474
des XJnterverbandes einer Gewerkschaft T V G §§ 2, 3 Aus dem Sinn der gewerkschaftlichen Organisation folgt, daß grundsätzlich auch selbständig organisierte Unterverbände zum Abschluß selbständiger Tarifverträge berechtigt sind, soweit ihre eigene Satzung oder die Satzung des Hauptverbandes ihre Tariffähigkeit nicht ausschließen. Besondere Voraussetzungen brauchen daher nicht nachgewiesen zu werden, insbesondere ist es nicht erforderlich, daß die Tariffähigkeit der Unterverbände in der Satzung des Hauptverbandes ausdrücklich hervorgehoben ist. Die Tariffähigkeit eines Unterverbandes wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Hauptverband nach seiner Satzung „möglichst einheit-
364
Tarifgebundenheit
liehe Kollektivverträge" anstrebt und demgemäß eine eigene und selbständige tarifliche Betätigung des Unterverbandes nur im örtlichen Rahmen und ausnahmsweise üblich ist, denn es handelt sich insoweit um keine rechtliche Beschränkung des Unterverbandes, sondern lediglich um das Ergebnis reiner Zweckmäßigkeitsüberlegungen. L A G Bremen vom 23. 10. 1957 — I Sa 134/56 — ArbGeb 1958, 42 = BetrVerf 1958, 78 - WA 1958, 26 Hinweis: Ähnlich BAG vom 22. 2. 1957 — 1 AZR 426/56 — BAG 3, 358 § 2 TVG.
Tarifgebundenheit
AP Nr 2 zu
Nr 475
Mitgliedschaft eines Komplementärs im Arbeitgeberverband T V G §§ 2, 3; HGB § 164 Eine Kommanditgesellschaft ist als tarifgebunden anzusehen, wenn der einzige persönlich haftende Gesellschafter Mitglied einer Tarifpartei ist, da im Regelfalle davon auszugehen ist, daß letzterer die Mitgliedschaft in einem tariffähigen Verbände in seiner Eigenschaft als alleiniger Leiter und Repräsentant seiner Gesellschaft hat erwerben und aufrechterhalten wollen. Entscheidend ist jedoch die besondere Interessenlage im einzelnen Falle. Dabei kann der Berechnung der Verbandsbeiträge und ihrer Übernahme durch die Gesellschaft entscheidende Bedeutung zukommen. L A G Bremen vom 1. 8. 1956 — I Sa 51/56 — A P Nr 1 zu § 4 T V G Tarifkonkurrenz mit zustimm Anm Gumpert = BB 1956, 1067 = DB 1956, 1040 = SAE 1957, 12 mit zustimm Anm Sabin = WA 1956, 358 Hinweis: Sehr ähnlich BAG vom 22. 2. 1957 — 1 AZR 426/56 — BAG 3, 358 = A P N r 2 zu § 2 TVG.
Tarifkonkurrenz
N r 476
Spezialitätsprinzip T V G § 4 Abs 1 1. Es gibt keinen tarifrechtlichen Grundsatz, wonach Manteltarifverträge den auf sie gestützten Lohntarifverträgen rangmäßig vorgehen und ebensowenig läßt sich ein solcher Vorrang im Verhältnis zwischen Bundestarifverträgen und Bezirkstarifverträgen feststellen. Der Wille der Tarifparteien, daß ein Tarifvertrag einem anderen vorgehen soll, kann ebenfalls nur dann Beachtung verdienen, wenn an den konkurrierenden Tarifverträgen auf beiden Seiten dieselben Verbände beteiligt sind. Ist das nicht der Fall, so hängt die rechtliche Befugnis eines Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverbandes zur Abweichung von einer tariflichen Regelung des Spitzen- oder Hauptverbandes ausschließlich davon ab, ob der organisatorisch untergeordnete Verband tariffähig ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so regelt sich die Geltung widersprechender Tarifbestimmungen nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz. 2. Der Grundsatz der Spezialität, d h der Vorrang des sachlich näheren und nach seinem Geltungsbereich engeren Tarifvertrages gilt auch für das Verhältnis räumlich weiterer und engerer Tarifverträge, also auch bei Tarifkonkurrenz zwischen einem Manteltarif vertrage auf Bundesebene und einem Lohntarifvertrag der Bezirksverbände. 3. Der persönliche Geltungsbereich eines Tarifvertrages für ein Handwerk kann auch Arbeitsverhältnisse solcher Arbeitnehmer umfassen, die keine mit dem Handwerk unmittelbar zusammenhängende Arbeit zu verrichten haben. Ein Tarifvertrag für das Schuhmachergewerbe, der für alle gewerblichen Arbeitnehmer und Heimarbeiter abgeschlossen worden ist und dessen Lohnstaffel sich auch auf „sonstige Arbeitnehmer" bezieht, ergreift somit auch das Arbeitsverhältnis einer Beifahrerin, die in einem zum betrieblichen
365
Tariflohn Geltungsbereich wird.
des
Tarifvertrages
gehörigen
Unternehmen
beschäftigt
L A G Bremen vom 1. 8. 1956 — I Sa 51/56 — AP Nr 1 zu 8 4 T V G Tarifkonkurrenz mit zustimm Anm Tophoven = BB 1956, 1067 = DB 1956, 1040 « SAE 1957, 27 «= WA 1956, 178 Hinweis: Zustimmend auch Hueck-Nipperdey-Stahlhacke , 8 4 Anm 268. Das Prinzip der betrieblichen, fachlichen, persönlichen und räumlichen Nähe (Spezialitätsprinzip) ist neben dem allgemein anerkannten Prinzip der Tarifeinheit das zweite Prinzip zur Lösung der Tarifkonkurrenz; vgl dazu BAG vom 22. 2. 1957 — 1 AZR 536/55 — BAG 3, 351 = AP N r 2 zu 8 4 T V G Tarifkonkurrenz und (speziell zum Vorrang des räumlich engeren TV) vom 19. 1. 1962 — 1 AZR 147/61 ~ A P N r 11 zu 8 5 T V G ; Hueck-NipperdeyStahlhacke, 8 4 Anm 260, zu LS 3 Anm 41 mwN.
Tarifliche Eingruppierung von Angestellten
N r 477
Änderung — Verwirkung tariflicher Ansprüche TO A§ 3; BGB § 242 1. Eine Änderung der nach § 3 TO A erfolgten Eingruppierung Angestellten kann nur zugleich mit einer Vertragsänderung erfolgen, d h mit Einverständnis des Angestellten oder durch Kündigung. 2. Die Verwirkung eines Tarifanspruches setzt voraus, daß das Verschweigen des Anspruchs als mißbilligenswert erscheint oder die nachträgliche Erfüllung dem Dienstberechtigten nicht zugemutet werden kann. L A G Bremen vom 23. 6. 1948 — Sa 7/48 — ARSt I I , 182, 362, 366, I I I , 809 •= WA 1948, 83 Hinweis: Ähnlich wie LS 1 für den Fall einseitiger Zuweisung einer Beschäftigung, die tariflich geringer bewertet ist als die bisherige Tätigkeit: L A G Bremen vom 3. 9. 1958 — I I Sa 41/58 — A P Nr 40 zu 8 3 TOA = BremARS Nr 163; insbesondere aber BAG vom 25. 2. 1958 — 3 AZR 184/55 — A P N r 10 zu 8 13 KSchG — und vom 14. 1. 1959 — 4 AZR 68/56 — BAG 7, 182 - A P N r 47 ZU 8 3 TOA.
Tarifliches Abgeltungsverbot
N r 478
für freie Tage BGB § 611; TVG § 4 Abs 1 Eine einzelvertragliche Vereinbarung, wonach an tariflich festgelegten dienstfreien Tagen gearbeitet werden muß, ist unwirksam, weil sie gegen das tarifliche Abgeltungsverbot für die freien Tage verstößt. Erfüllen die Arbeitnehmer gleichwohl die einzelvertragliche Arbeitspflicht und ist die vereinbarte Vergütung ausdrücklich auch für die tariflich dienstfreien Tage gezahlt, so können sich die Arbeitnehmer nicht darauf berufen, daß diese Vergütung kein Entgelt für die Arbeitsleistung an den „freien Tagen" dargestellt habe. L A G Bremen vom 15. 12. 1954 — Sa 60/54 — AP N r 1 zu 8 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis mit zustimm Anm Trieschmann = RdA 1955, 200
Tariflohn
N r 479
Verzicht — Verwirkung: Landwirtschaftliche Gehilfin BGB §§ 242, 611; TO für die landwirtschaftliche Betriebe des Bezirks Niedersachsen vom 1. 2. 1938 1. Die als landwirtschaftliche Gehilfin arbeitende Flüchtlingsehefrau hat Anspruch auf Tariflohn. 2. Verzicht und Verwirkung setzen Kenntnis des Anspruchs voraus. L A G Bremen vom 19. 5. 1948 — Sa 4/48 — RdA 1948, 231 mit im Ergebnis zustimm Anm Neumann-Duesberg Hinweis: I n der Anm zu dieser Entscheidung bemerkt Neumann-Duesberg einleitend: Das Urteil wendet sich mit Recht gegen die Ausnützung von Flüchtlingen. Der vorliegende Tatbestand ist typisch für unzählige gleichliegende Fälle! Die Klägerin arbeitete vereinbarungsgemäß gegen nicht als übermäßig anzusehende Naturalleistung an 3 Tagen wöchentlich durchschnittlich 8—10 Stunden auf dem Hof des Beklagten und molk außerdem täglich 3 Kühe.
Tarifordnung
366 Tarifordnung
Nr 480
Verdrängung durch Tarifvertrag T V G § 9 Abs 1 1. Jeder Tarifvertrag, der nach § 9 T V G eine Tarifordnung verdrängt, hebt diese auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer auf, d h sowohl für Nichtorganisierte als auch für Mitglieder anderer tariffähiger Verbände, die am Tarifvertrag nicht beteiligt sind. 2. Die Verdrängung einer Tarifordnung durch einen Tarifvertrag setzt voraus, daß der räumliche und fachliche Geltungsbereich des Tarifvertrages mindestens demjenigen der Tarifordnung gleichkommt, oder größer ist. I n persönlicher und zeitlicher Hinsicht bedarf es dagegen einer Übereinstimmung der Geltungsbereiche nicht. 3. Eine Tarifordnung tritt durch Abschluß eines Tarifvertrages nur insoweit außer Kraft, als durch den Tarifvertrag die Arbeitsbedingungen geregelt worden sind. I m übrigen bleibt die Tarifordnung bestehen. Eine Änderung der Tarifordnung durch einen konkurrierenden Tarifvertrag findet nur insofern statt, als durch Fortfall einzelner Bestimmungen der Tarifordnung deren Normenwirkung geändert wird. 4. Tarifordnungen treten mit dem Inkrafttreten eines konkurrierenden Tarifvertrages außer Kraft, frühestens jedoch mit dem Abschluß desselben. Eine rückwirkende Aufhebung einer Tarifordnung erfolgt nicht. L A G Bremen vom 12. 7. 1950 — Sa 32/50 — BB 1950, 534 - DB 1950, 360 = ARSt V, 406, 410 « SAE 1951, 29 mit zustimm Änm Sabin - WA 1951, 18 Hinweis: Die Entscheidung entspricht der herrsch Meinung mit Ausnahme von LS 2. Die Ansicht, daß ein Tarifvertrag für einen räumlich oder fachlich kleineren Geltungsbereich eine Tarifordnung für einen räumlich oder fachlich größeren Bereich überhaupt nicht verdrängen könne, auch nicht für seinen eigenen Bereich, wird nach BAG vom 12. 4. 1957 — 1 AZR 559/55 — BAG 4, 156 «= A P N r 3 zu § 9 T V G ; HueckNipperdey-Stahlhacke, § 9 Anm 2 m w N dem Zweck des Gesetzes, die behördlich festgesetzten Tarifbestimmungen möglichst rasch durch vereinbarte Tarifbestimmungen zu ersetzen, nicht gerecht.
N r 481 T V G §9 Abs 1 1. Wird eine Tarifordnung gemäß §9 T V G durch Abschluß eines Tarifvertrages außer Kraft gesetzt, so verlieren sämtliche Bestimmungen der Tarifordnung endgültig ihre Wirksamkeit, die sich auf den im Tarifvertrag geregelten Gegenstand als solchen beziehen. Dies ist zur Vermeidung einer Zerstückelung der Tarifnormen und zur Aufrechterhaltung der Übersichtlichkeit der Arbeitsbedingungen erforderlich. Eine andere Auslegung ist nur dann möglich, wenn sich aus den Bestimmungen des Tarifvertrages unmißverständlich ergibt, daß sie lediglich einen beschränkten Teil des in Frage stehenden Gegenstandes regeln sollten. Ist dies nicht der Fall, so wird beispielsweise durch eine neue Urlaubsregelung in einer Tarifvereinbarung das gesamte Urlaubsrecht der verdrängten Tarifordnung endgültig außer Kraft gesetzt. 2. Wird gemäß § 9 T V G eine Tarifordnung oder ein Teil einer Tarifordnung außer Kraft gesetzt, so bedeutet dies eine endgültige Aufhebung der verdrängten Bestimmungen. Tritt die aufhebende Tarifvereinbarung später ihrerseits außer Kraft, so können die aufgehobenen Bestimmungen der Tarifordnung nicht wieder angewendet werden. 3. Durch länger dauernde Anwendung einer bestimmten gesetzlichen Regelung wird während der Dauer der Geltung des Gesetzes kein Gewohnheitsrecht erzeugt, da sich ein solches seinem Wesen nach nur unabhängig vom Gesetz durch allgemeine Rechtsüberzeugung bilden kann. L A G Bremen vom 8. 10. 1952 — Sa 60/52 — DB 1953, 275 1953, 74
ARSt X , 216 -
Hinweis: Vgl dazu auch Galperin, Probleme des § 9 TVG, RdA 1955, 368—371 mwN.
WA
Tarifvertrag Tarifvertrag
367 Nr 482
Allgemeinverbindlicherklärung: Erweiterung des fachlichen Geltungsbereichs TVO § 2 1. Ein Tarifvertrag kann nur für den Berufskreis, für den der Tarifvertrag abgeschlossen ist, für allgemein verbindlich erklärt werden. Es ist daher unzulässig, den Geltungsbereich des Tarifvertrages auf Angehörige eines anderen Berufskreises auszudehnen. 2. Solche verschiedenen Berufskreise sind Versicherungsunternehmen einerseits und Versicherungsagenturen andererseits. KfmG Bremen vom 17. 5. 1921 — GewuKfmG 1920/21, 281 Hinweis: Zustimmend Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts (1927) S 111 mit F N 36. Jetzt zu 8 5 T V G herrschende Lehre; vgl nur Hueck-Nipperdey-Stahlhacke, 8 5 TVG Anm 27 mwN.
Tarifvertrag
N r 483
TVO §2 Die Allgemeinverbindlicherklärung kann niemals den Kreis der unter den Tarif fallenden Arbeitgeber oder Arbeitnehmer dergestalt erweitern, daß auch berufsfremde Personen, deren Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag nicht regeln wollte, Rechte aus dem Tarif herleiten können. GewG Bremen vom 21. 2. 1927 — ArbR 1927, 308
Tarifvertrag
N r 484
Allgemeinverbindlicherklärung: Spätere Vereinbarungen TVO §§ 2, 6 Von der Allgemeinverbindlicherklärung wird nur das erfaßt, was bei ihrem Ausspruch der zuständigen Behörde vorgelegen hat. Vereinbarungen, die von den Tarifvertragsparteien später, wenn auch im Einklang mit dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, getroffen werden, fallen nicht im voraus mit unter die Allgemeinverbindlichkeit. GewG Bremen vom 21. 2. 1927 — ArbR 1927, 308 Hinweis: Für spätere Änderungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages ist das auch zu 8 5 T V G selbstverständlich: vgl nur Huedk-Nipperdey-Stahlhacke, 8 5 Anm 41 mwN. Das dürfte formell aber auch für solche späteren, zB den Tarifvertrag authentisch interpretierenden Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien gelten, die mit dem durch objektive Auslegung zu ermittelnden Sinn der betreffenden Tarif normen übereinstimmen; vgl. Hueck-Nipperdey, Bd I I S 271.
Tarifvertrag Auslegung — Eindeutiger Wortlaut: „Schwerer Betriebsunfall" BGB §§ 133, 157; TVG § 1; MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer f einkeramischen Industrie § 4
N r 485 in der
Bei der Auslegung einer Tarifnorm ist von deren Wortlaut auszugehen. Ist der Wortlaut klar und unzweideutig, so ist für eine anderweitige Auslegung kein Raum. L A G Bremen vom 15. 1. 1958 — I I Sa 91-93/57 — BAB1 1958, 399 Hinweis: Nach BAG vom 2. 6. 1961 — 1 AZR 573/59 — BAG 11, 135 = AP N r 68 zu Art 3 GG — sind Tarifverträge in ihrem normativen Teil nach dem Grundsatz der Gesetzesauslegung auszulegen. Der Wille der vertragschließenden Tarifvertragsparteien kann nur dann berücksichtigt werden, wenn er in den Regelungen des Tarifvertrages einen erkennbaren Ausdruck gefunden hat. Der Grundsatz für die Auslegung von Verträgen, daß das von den Parteien gemeinsam Gewollte auch dann vereinbart ist, wenn die Parteien falsche Bezeichnungen wählen (falsa demonstratio), ist bei der Auslegung der normativen Bestimmungen eines Tarifvertrages nicht anzuwenden. Ähnlich Hueck-Nipperdey-Stahlhacke, 8 1 Anm 188 und 189 mwN.
368
Tarifrg
T a r i f r g
Nr 48
Auslegung: Lohnabkommen für „gewerbliche Arbeiter" BGB §§ 133, 157; GG Art 3; Lohnabkommen vom 8. 10. 1956 und 25. 12.1957 zum MTV vom 27. 2. 1950 für die Schiffswerften im Lande Bremen § 5 Nr 4 1. Erfolgt, nachdem längere Zeit hindurch die tariflichen Lohnabkommen die Frauenlöhne getrennt und niedriger festgesetzt hatten, in einem neuen Lohnabkommen im Hinblick auf die Rechtsprechung des B A G zu Art 3 GG (Lohngleichheitsgrundsatz) nur noch eine einheitliche Festsetzung der Löhne für „gewerbliche Arbeiter", so kann aus dieser Handhabung im Zweifel nicht geschlossen werden, daß die Regelung der Frauenlöhne von der tariflichen Regelung überhaupt ausgeklammert werden sollte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei den Tarifverhandlungen die Möglichkeit einer Ausklammerung der Frauenlöhne nicht ausdrücklich zur Sprache gebracht worden ist. 2. Werden in einem tariflichen Lohnabkommen Stundenlöhne für gelernte, angelernte und ungelernte „Arbeiter" festgesetzt, so handelt es sich hierbei nach der allgemeinen sprachlichen Übung und auch nach der allgemeinen Sprachregelung in gesetzlichen und anderen Normenordnungen lediglich um einen Oberbegriff. Die männliche Form der Bezeichnung einer politischen, sozialen oder beruflichen Gruppe steht danach regelmäßig stellvertretend sowohl für die männlichen als auch für die weiblichen Mitglieder. Dies gilt auf jeden Fall dann, wenn im strittigen ebenso wie in den vorausgegangenen Lohnabkommen bei der Umschreibung des fachlichen und persönlichen Geltungsbereichs lediglich von „Arbeitnehmern" die Rede ist und jedenfalls in den vorausgegangenen Lohnabkommen eine ausdrückliche Regelung besonderer Frauenlöhne erfolgt ist. L A G Bremen vom 9. 12. 1959 — I Sa 66/59 — BB 1960, 288 - DB 1960, 210
Tarifvertrag
N r 487
Auslegung: Soll- und Kann-Bestimmungen TVG § 1 1. Weder durch eine Soll-Vorschrift noch durch eine Kann-Bestimmung eines Tarifvertrages ist von vornherein ein klagbarer Rechtsanspruch gegeben. Die Entscheidung über die Erfüllung der Voraussetzungen einer SollVorschrift liegt ebenso wie die Anwendung einer Kann-Bestimmung im Ermessen des Arbeitgebers. Nur gibt die Kann-Bestimmung eine größere Freiheit des Ermessens. 2. Ein Rechtsanspruch kann in diesen Fällen dann bestehen, wenn bei der Anwendung der Vorschrift der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt wird. ArbG Bremen vom 3. 11. 1955 — I Ca 452/55 — AP Nr 1 zu § 1 T V G Auslegung mit hinsichtlich der Soll-Vorschrift krit Anm Nikisch = WA 1956, 30 Hinweis: I n der oa Anm meint Nikisch, die Tarif Parteien hätten mit der Soll-Vorschrift einen Rechtsanspruch verleihen wollen, dessen Voraussetzungen freilich nach ihrer Ansicht nur in Einzelfällen erfüllt sein könnten.
Tarifvertrag
N r 488
Günstigkeitsvergleich mit Arbeitsvertrag: Hafenarbeiter T V G § 4 Abs 3 und 4 1. Die Unabdingbarkeit der Tarif normen ist nicht erst durch das Tarif vertragsgesetz vom 9. April 1949 eingeführt worden, sondern gehört zum Wesen eines jeden Tarifvertrages. 2. Bei Prüfung der Frage, ob eine Begünstigung des Arbeitnehmers vorliegt, können nicht zwei oder mehrere Bestimmungen isoliert betrachtet werden,
Tarifvertrag
369
sondern es hat ein Gesamtvergleich zwischen dem Inhalt des Tarifvertrages und dem Inhalt des Arbeitsvertrages stattzufinden. 3. Bleibt zweifelhaft, ob eine gegenüber den Bestimmungen eines Tarifvertrages erfolgte Änderung der Arbeitsbedingungen (Einzelvertragliche Garantie von 24 Schichten im Monat gegen Wegfall der tariflichen Pausenbezahlung) zugunsten des Arbeitnehmers wirkt, so ist sie unzulässig. ArbG Bremen vom 3. 2. 1950 — Ca 2414/49 — A P 50 N r 293 mit zustimm Anm Nikisch
Tarifvertrag
N r 489
Nachwirkung T V G §4 Abs 5 1. Die Nachwirkung eines beendigten Tarifvertrages wird durch jede Gesamtvereinbarung oder Abmachung in einem Einzelarbeitsvertrag ausgeschlossen, soweit dadurch ein Gegenstand des normativen Teils des Tarifvertrages geregelt wird. 2. Eine Nachwirkung des Tarifvertrages findet nur hinsichtlich derjenigen Arbeitsverhältnisse statt, auf die der Tarifvertrag zur Zeit seiner Geltung anzuwenden war. Eine unmittelbare Wirkung der lediglich nachwirkenden Rechtsnormen auf neubegründete Arbeitsverhältnisse findet nicht statt. 3. Durch den Eintritt eines Arbeitnehmers in die an einem abgelaufenen Tarifvertrag beteiligt gewesene Gewerkschaft können weder unmittelbar noch im Wege der Nachwirkung tarifliche Lohnansprüche entstehen, wenn zuvor im Einzelarbeitsvertrag eine abweichende Lohnregelung getroffen worden war. L A G Bremen vom 28. 6. 1950 — Sa 31/50 — BB 1950, 842 1950, 364
ARSt V, 321, 405 = WA
Hinweis: Das Urteil stimmt mit der herrsch Meinung überein. Zu LS 1 vgl BAG vom 15. 12. 1961 — 1 AZR 207/59 — A P N r 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit; Hueck-NipperdeyStahlhacke, § 4 Anm 66; zu LS 2 BAG vom 13. 6. 1958 — 1 AZR 591/57 — BAG 6, 31 = AP N r 2 zu § 4 T V G Effektivklausel; Hueck-Nipperdey-Stahlhacke, § 4 Anm 69. Die Regelung eines außer Kraft getretenen Tarifvertrages ist nach BAG vom 6. 6. 1958 — 1 AZR 515/57 — BAG 6, 90 - AP Nr 1 zu § 4 T V G Nachwirkung — nicht schon dann als betriebsüblich anzuwenden, wenn bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach Ablauf des Tarifvertrages mit dem neu eingetretenen Arbeitnehmer nichts anderes vereinbart ist.
Tarifvertrag
N r 490
Rüdswirkung: Ausgeschiedene Arbeitnehmer TVO § 1 Legt sich ein Tarifvertrag, der für alle auf den Werften „beschäftigten" A r beiter und Arbeiterinnen gilt und durch den der Stundenlohn erhöht wird, Rückwirkung bei, so gilt er im Zweifel nur für solche Arbeiter, deren A r beitsverhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses noch bestanden haben. GewG Geestemünde vom 27. 1. 1920 — GewuKfmG 1919/20, 182 Hinweis: Wenngleich das Berufungsgericht den Gründen des GewG beigetreten ist (GewuKfmG 1919/20, 183 F N 1), steht die Entscheidung, die für den Willen der Tarifpartner zu sehr auf den Wortlaut „beschäftigten" abstellt, im Gegensatz zu der späteren Rechtsprechung des RAG (vgl Nikisch , Bd I I S 381—382 m w N in F N 116) und zu dem Urteil des BAG vom 20. 6. 1958 — 1 AZR 245/57 — A P N r 2 zu § 1 T V G Rückwirkung; ebenso Hueck-Nipperdey-Stahlhacke, § 1 Anm 32, § 4 A n m 49 mwN. Danach kommt eine rückwirkende Lohnerhöhung im Zweifel auch den zwischen Inkrafttreten und Abschluß des Tarifvertrages ausgeschiedenen Arbeitnehmern zugute, wenn Tarifgebundenheit sowohl beim Inkrafttreten wie beim Abschluß des Tarifvertrages bestanden hat.
N r 491 TVG §3 Abs 1 1. I n einem Tarif vertrage kann von den Tarif Vertragsparteien die Rückwirkung der vereinbarten Erhöhung der Arbeitsentgelte bestimmt werden, und 24
Trinkhaus
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Tarifvertrag
zwar auch für die bereits vor dem Abschluß und dem allgemeinen Inkrafttreten des Tarifvertrages beendeten Arbeitsverhältnisse. Eine solche Rückwirkung der tariflichen Regelung ist jedenfalls dann zulässig, wenn die vorgenommenen Höherstufungen bereits längere Zeit vorher allgemein erörtert worden sind und Tarifvertragsparteien zu erkennen geben, daß sie die vorher im Rückwirkungszeitraum bezahlten Vergütungen nicht mehr für ausreichend gehalten haben. Die tarifliche Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs in Höhe der Differenz der früheren und der späteren Vergütung stellt in einem solchen Falle eine rückwirkende Lohnerhöhung dar. 2. Aufgrund einer solchen rückwirkenden Lohnerhöhung können auch diejenigen vor dem Inkrafttreten des Tarifvertrages ausgeschiedenen Arbeitnehmer, die nicht tarifgebunden waren, für den Rückwirkungszeitraum die Nachzahlung der tariflichen Vergütungsdifferenz beanspruchen, soweit auf ihre Arbeitsverhältnisse die jeweils geltende tarifliche Regelung kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anzuwenden war. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Nachwirkung der beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem beendeten Arbeitsverhältnis, wenn die Arbeitnehmer im Rahmen einer Personalverminderung auf Wunsch ihrer Arbeitgeberin freiwillig vor Erreichung der Altersgrenze ausgeschieden sind und lediglich mit Rücksicht auf diese Tatsache nicht mehr unmittelbar in den Genuß einer nachträglichen und für die tarifgebundenen Arbeitnehmer rückwirkenden Tariferhöhung kommen konnten, die bereits vor ihrem Ausscheiden erörtert worden ist, und ihnen auch deshalb zugute gekommen wäre, weil ihre Arbeitgeberin grundsätzlich die tarifgebundenen und die nicht organisierten Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Vergütung gleichbehandelt hat. Die Gewährung einer Abfindung für das vorzeitige, freiwillige Ausscheiden beseitigt die nachwirkende Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin in einem solchen Falle nicht. L A G Bremen vom 29. 4. 1964 — 1 Sa 79/63 — DB 1964, 1031 1954, 262
AuR 1965, 29 = WA
Hinweis: Die Entscheidung bildet die Rechtsprechung des BAG zur vereinbarten Rückwirkung eines Tarifvertrages auf beendete Arbeltsverhältnisse tarifgebundener Arbeitnehmer, die zur Zeit seines Inkrafttretens oder nachher bestanden, in der Folgezeit, und zwar vor Vertragsschluß, jedoch ihr Ende gefunden haben, fort; vgl etwa BAG vom 20. 6. 1958 — 1 AZR 245/57 — A P Nr 2 zu § 1 T V G Rückwirkung; Hueck-NipperdeyStahlhacke, § 4 A n m 49.
Tarifvertrag
N r 492
Sachlicher (fachlicher) Geltungsbereich: Änderung des Betriebszwecks TVG § 4 Abs 1 Ein Tarifvertrag gilt zeitlich nur so lange für einen bestimmten Betrieb, als dieser den Betriebszweck verfolgt, der die Grundlage dafür bildet, daß der Betrieb dem sachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags untersteht. Durch eine Änderung des Betriebszwecks mit der Folge, daß der Betrieb vom sachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht mehr erfaßt wird, endet auch die Geltung des Tarifvertrags für diesen Betrieb. L A G Bremen vom 15. 12. 1954 — Sa 60/54 — A P N r 1 zu fi 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis mit zustimm Anm Trieschmann — RdA 1955, 200
Tarifvertrag
N r 493
Stillschweigende einzelvertragliche Vereinbarung T V G § 3; BGB § 242 1. Beim Fehlen einer ausdrücklichen einzelvertraglichen Abrede kann sich die Geltung von Tarifnormen zwischen Nichttarifgebundenen auch aus einer stillschweigenden Regelung ergeben, wenn nämlich die Arbeitsbedingungen regelmäßig nach einem bestimmten Tarifvertrag gestaltet werden. 2. Aus der betrieblichen Handhabung kann ein solcher Schluß allerdings nur dann gezogen werden, wenn sich aus dem Verhalten der Beteiligten ein-
371
Unständiges Arbeitsverhältnis
deutig der Wille ergibt, die Tarifnormen insgesamt zum Inhalt ihrer Einzelarbeitsverträge zu machen. L A G Bremen vom 3. 2. 1965 — 1 Sa 100/64 — BB 1965, 495 1965, 153 - WA 1965, 106 Hinweis: Ahnlich Hueck-Nlpperdey-Stahlhacke,
DB 1965, 366 -
AuR
( 3 Anm 5 mwN.
Nr 494
Tarifvertrag Zeitlicher Geltungsbereich T V G § 4 Abs 1
Wird durch Tarifvertrag der Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages in personeller Hinsicht erweitert, ohne daß gleichzeitig Vereinbarungen über den zeitlichen Geltungsbereich getroffen werden, so ist im Zweifel anzunehmen, daß auch die Bestimmungen über den zeitlichen Geltungsbereich des älteren Tarifvertrages übernommen werden sollten. L A G Bremen vom 11. 8. 1954 — Sa 18/54 — DB 1954, 803 - WA 1954, 318; 1955, 8
Nr 495
Ungebühr vor Gericht Unzureichend begründeter Strafbeschluß GVG §§ 178, 181f 182
1. Neben den Strafbeschlüssen ist auch deren Veranlassung in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen, wobei notfalls die Feststellung der Veranlassung des Strafbeschlusses in der Begründung dieses Beschlusses genügt. 2. Ein unzureichend begründeter Strafbeschluß ist nicht schlechthin nichtig. Die für den Strafbeschluß maßgeblichen Umstände sind durch eine nachträgliche Tatbestandsfeststellung in einer besonderen Sitzung darzutun. L A G Bremen vom 12. 7. 1954 — Ta 3/54 -
A P N r 1 zu 5 182 G V G -
Unständiges Arbeitsverhältnis
RdA 1954, 440
Nr 496
Abgrenzung — Feiertagsbezahlung: Hafenarbeiter BGB § 611; FeiertagslohnG § 1 1. Unständige Arbeitnehmer haben Anspruch auf Bezahlung des Lohnausfalls an Wochenfeiertagen, wenn sich infolge der im Interesse des Arbeitgebers und mit seinem Wissen und Wollen faktischen Wiederholung der täglichen Arbeitseinstellung nach Treu und Glauben laufende Hechtsbeziehungen arbeitsvertraglicher Art ergeben haben, auch wenn ein eigenes ständiges Arbeitsverhältnis nicht besteht. 2. Gegen die Umwandlung einer unständigen Beschäftigung in ein ständiges Beschäftigungsverhältnis auf Grund einer mehr oder weniger automatisch erfolgenden täglichen Erneuerung des Arbeitsvertrages bestehen Bedenken, wenn beide Vertragsparteien das Beschäftigungsverhältnis stets als ein unständiges Arbeitsverhältnis angesehen haben. L A G Bremen vom 1. 4. 19S3 — Sa 57/52 — DB 1953, 764 Hinweis: Siehe den Hinweis zu L A G Bremen vom 29. 5. 1962 — 2 Sa 146/61 — BremARS Nr 497.
Unständiges Arbeitsverhältnis
Nr 497
Begriff: Putzfrau eines Schiffsreinigungsbetriebes BGB § 620 Abs 2 1. Von einem einheitlichen, ständigen oder laufenden, auf unbestimmte Dauer gerichteten Arbeitsverhältnis wird bei unregelmäßigen, nicht im vor24«
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Urlaub
aus bestimmten, mehr oder weniger kurzfristigen Dienstleistungen nur gesprochen werden können, wenn der Arbeitnehmer auch während Unterbrechungen von nicht allzu langer Dauer laufend zur Verfügung des A r beitgebers steht, sei es, daß er regelmäßig nachfragen muß, ob Arbeit vorhanden ist, sei es, daß er sich auf Anforderung jederzeit zur Arbeit einzufinden hat. Von einer fortdauernden Verfügungsmacht des Arbeitgebers kann jedoch dann nicht mehr die Rede sein, wenn zwar eine laufende Wiederholung der Beschäftigung ins Auge gefaßt ist, der Arbeitnehmer sich aber weder zur Verfügung zu halten noch jeder Anforderung zur Arbeit zu folgen braucht. Die bloße Aneinanderreihung unständiger Beschäftigungen desselben Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber ergibt noch kein ständiges Arbeitsverhältnis. 2. Gegen die Annahme eines einheitlichen, auf unbestimmte Zeit gerichteten Arbeitsverhältnisses sprechen im Falle einer Arbeitnehmerin, die von einem Schiffsreinigungsbetrieb zu unregelmäßig anfallenden Schiffsreinigungsarbeiten herangezogen wird, insbesondere auch seine bisher geringe Dauer von rund 6 Monaten und die nur recht unregelmäßige Beschäftigung der Arbeitnehmerin an nur 45 Tagen des Zeitraumes eines halben Jahres mit einem Arbeitsentgelt von insgesamt 859,06 D M brutto, das für die Arbeitnehmerin nur einen Zuschuß zum Lebensunterhalt ihrer Familie bedeuten konnte. Damit steht im Einklang, daß die Arbeitnehmerin zu dem Personenkreis von Hausfrauen gehört, die nach der Auskunft des zuständigen A r beitsamts nicht als arbeitsuchend gemeldet sind und sich lediglich für eine gelegentliche Aushilfsbeschäftigung bei dem Arbeitgeber interessieren. Dagegen kommt der Tatsache der Aufbewahrung der Arbeitspapiere der A r beitnehmeriri im Büro des Arbeitgebers eine wesentliche Bedeutung nicht zu, da sie so oder so der Zweckmäßigkeit entsprach, nachdem beide Parteien eine Wiederholung der Beschäftigung von Fall zu Fall ins Auge gefaßt hatten. 3. Handelt es sich nach den Umständen des Falles um durch die Beendigung der jeweiligen Reinigungsarbeiten auf einem bestimmten Schiff befristete, zweckbestimmte, immer neue Arbeitsverhältnisse (§ 620 Abs 2 BGB), so kann es zwar nach Maßgabe der in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften im Einzelfalle gerechtfertigt sein, aus denselben rechtlichen Erwägungen, die von jeher zur Nichtanerkennung von sog. Ketten Verträgen im Kündigungsschutzrecht geführt haben, auch bei Aneinanderreihung an sich unständiger Beschäftigungen ein einheitliches Arbeitsverhältnis anzunehmen oder aber den betreffenden Arbeitnehmer entsprechend zu behandeln. L A G Bremen vom 29. 5. 1962 — 2 Sa 146/61 — B B 1963, 310 - DB 1963, 240 Hinweis: I m Sinne von LS 1 schon die ständige Rechtsprechung des RVA, zB A N 1917, 445; 1932, I V 22; EuM 48, 197 « ARS 43, RVA 53, und des RAG, zB ARS 19, 50. — Zu LS 2 vgl auch L A G Bremen vom 20. 9: 1950 — Sa 23/50 — A P 51 Nr 173 = BremARS Nr 463. — Zu LS 3 siehe L A G Bremen vom 28. 10. 1959 — I Sa 100/59 — DB i960, 92 — und BAG vom 19. 7. 1957 — 1 AZR 161/56 — A P N r 1 zu § 1 GesamthafenbetriebsG.
Urlaub
N r 498
Anrechnung bezahlter Nichtbeschäftigung
BremUflG §3 Es unterliegt der pflichtgemäßen Beurteilung des Arbeitgebers, ob eine Zeit der Nichtbeschäftigung als Urlaub zu rechnen ist oder nicht. Es geht aber nicht an, eine Zeit der Nichtbeschäftigung nachträglich als Urlaub anzurechnen. L A G Bremen vom 21. 10. 1959 — I I Sa 113/59 — BB 1960, 50 Hinweis: Die Unzulässigkeit nachträglicher Anrechnung von Fehltagen oder Zeiten der Nichtbeschäftigung auf den Urlaub entspricht allgemeiner Meinung. Vgl im einzelnen Dersch-Neumann, § 3 Anm 36—38 mwN.
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Urlaub Urlaub
Nr 499
Anrechnung von Abwesenheit von der Arbeitsstätte Mit dem Wesen des Urlaubsanspruchs ist es nicht vereinbar, eine Abwesenheit des Arbeitnehmers (Musikers) von der Arbeitsstätte nachträglich mit dem Urlaubsanspruch zu verrechnen. Dies gilt erst recht bei Gestellung eines Ersatzmannes. L A G Bremen vom 12. 7. 1961 — 1 Sa 45/61, 74-76/61 — DB 1961, 1460 « WA 1962, 2
Urlaub
Nr 500
Anrechnung von Aufenthalt in Jugenderholungsheim BGB §§ 611, 242; BremUrlG §§ 2, 8; HGB § 63 Der Aufenthalt eines nicht krank geschriebenen Lehrlings in einem Jugenderholungsheim ist auch dann auf den gesetzlichen Urlaub anzurechnen, wenn der Urlaub schulärztlich empfohlen und durch das zuständige Jugendamt und eine Zuschußzahlung der Krankenkasse, deren Mitglied der Lehrling ist, finanziert worden ist. ArbG Bremen vom 12. 3. 1957 — I I I Ga 3033/57 — A P Nr 24 zu § 611 BGB Urlaubsrecht mit zustimm Anm Dersch « BB 1957, 546 —' DB 1957, 408 = RdA 1958, 358 = SAE 1957, 56 mit zustimm Anm Dissinger = WA 1957, 281 Hinweis: Die Entscheidung entspricht auch nach dem geltenden Recht des § 10 BUrlG, wonach nur die einem Arbeitnehmer von einem Träger der .Sozialversicherung, einer Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder einem sonstigen Sozialleistungsträger gewährten Kur- oder Heilverfahren zeitlich nicht auf den Urlaub angerechnet werden, der überwieg Meinung; vgl nur Dersch-Neumann, § 10 Anm 20 mwN.
Urlaub
Nr 501
Anrechnung von Schonzeit nach Heilverfahren BUrlG § 10 Satz 1 und 2, § 11 Abs 2 1. Eine Schonzeit von zwei Wochen, deren Einhaltung einer Arbeitnehmerin vom Badearzt empfohlen worden ist, nachdem sie im Anschluß an ein von der Landes Versicherungsanstalt gewährtes Heilverfahren wieder arbeitsfähig geschrieben worden war, fällt nicht unter das Verbot der Anrechnung auf den Erholungsurlaub in § 10 Satz 1 BUrlG, da sich diese Vorschrift nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn auf Kur- oder Heilverfahren im eigentlichen Sinne beschränkt und somit andere gesundheitsfördernde Maßnahmen nicht betrifft. 2. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift oder des Rechtsgedankens des § 10 Satz 1 BUrlG auf andere gesundheitsfördernde Maßnähmen ist unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung ausgeschlossen, und zwar auch bei Berücksichtigung des . Gesichtspunktes, daß im medizinischen Sinne eine Einheit zwischen Kur- oder Heilverfahren, Nachkur und Schonzeit besteht. 3. Die Anrechnung einer im Anschluß an ein Heilverfahren gewährten Schonzeit auf den Erholungsurlaub setzt voraus, daß der Arbeitgeber vor Beginn der Schonzeit die Anrechnung erklärt hat. Die spätere Anrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Arbeitnehmerin nach Abschluß des Heilverfahrens den Arbeitgeber nicht über den Beginn der ihr vom Badearzt empfohlenen Schonzeit unterrichtet und das ihr in Aussicht gestellte Urlaubsentgelt nicht in Anspruch nimmt. L A G Bremen vom 22. 7. 1964 — 1 Sa 36/64 — BB 1964, 1258 - DB 1964, 1267 = WA 1964, 373 Hinweis: LS 1 und 2 entsprechen der ganz überwieg Ansicht. Selbst wenn die Schonzeit mit zur Kur gerechnet würde, wäre sie, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitsunfähig krank ist, nach § 10 Satz 2 BUrlG grundsätzlich auf den Urlaub anzurechnen: Dersch-Neumann, § 10 Anm 23 mwN. Wie LS 3 gegen nachträgliche Anrechnung von Genesungsurlaub auf den Urlaub: BAG vom 31. 7. 1957 — 4 AZR 163/55 — AP Nr 2.0 zu S 611 BGB Urlaubsrecht.
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Urlaub
Urlaub
Nr 502
Betriebsferien BGB §§ 611, 615; BremUrlG § 6 1. Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über einen Gemeinschaftsurlaub (Werksurlaub) verstößt nicht gegen den eigentlichen Zweck des Urlaubs und auch nicht gegen § 6 BremUrlG, weil der Urlaub grundsätzlich vom Arbeitgeber mit der gesetzlichen Betriebsvertretung nach Betriebsnotwendigkeiten festzulegen ist. 2. Wird einem Arbeitnehmer auf sein Urlaubsgesuch eindeutig erwidert, daß er im Falle eines später möglichen Gemeinschaftsurlaubs (Werksurlaubs) dann keinen Bezahlungsanspruch habe, falls er in dieser Zeit nicht beschäftigt werden könne, und besteht er trotzdem auf vorzeitigen Jahresurlaub, so hat er dieses finanzielle Risiko allein zu tragen. ArbG Bremen vom 29. 10. 1953 — I Ca 511/53 — A P N r 5 zu § 611 BGB Urlaubsrecht mit zustimm Anm Dersch « BB 1954, 162 - DB 1954, 215 = SAE 1954, 30 - WA 1954, 99 Hinweis: Daß gegen die — dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 56 Abs 1 Buchst e BetrVG unterliegende — Festlegung von Betriebsferien Bedenken nicht zu erheben sind, gilt heute als selbstverständlich. Vgl nur BAG vom 12. 10. 1961 — 5 AZR 423/60 — BAG 11, 318 - A P Nr 84 zu 8 611 BGB Urlaubsrecht.
Urlaub
Nr 503
Betriebsunterbrechung BUrlG § 7 Abs 1 und 4 Die Freistellung eines Arbeitnehmers von der Dienstleistung aus Anlaß einer Betriebsunterbrechung während einer Frostperiode kann nur dann auf den Jahresurlaub angerechnet werden, wenn der Arbeitgeber unter gleichzeitiger Bestimmung der Urlaubsdauer eine Beurlaubung in der Weise ausgesprochen hat, daß der Arbeitnehmer während der Dauer des Urlaubs frei über seine Zeit verfügen kann. Anderenfalls kann eine Anrechnung der Freizeit auf den Jahresurlaub nur dann erfolgen, wenn dies ausdrücklich von beiden Parteien vereinbart wird oder doch für beide Parteien klar ersichtlich ist, daß der Arbeitnehmer den vollen Jahresurlaub während der Betriebsunterbrechung nehmen soll. L A G Bremen vom 15. 1. 1964 — 1 Sa 92/63 — BB 1964, 390 1964, 188 « WA 1964, 101
Urlaub
DB 1964, 268 -
AuR
Nr 504
nicht während Krankheit BremUrlG § 8 Während der Dauer der Krankheit eines Arbeitnehmers kann Urlaub nicht gewährt werden. Der Urlaubsanspruch ist jedoch nach Wiederaufnahme der Arbeit zu erfüllen. L A G Bremen vom 19. 10. 1949 — Sa 45/49 — A P 50 Nr 68 mit zustimm Anm Dissinger « BB 1949, 687 - DB 1949, 576 = ARSt I I I , 701 « WA 1950, 33 Hinweis: Daß der Urlaubsanspruch während einer Erkrankung des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden kann, ist allgemein anerkannt; vgl Dersch-Neumann, § 9 Anm 7. Den besonderen Fall der Erkrankung während des Urlaubs (9 8 BremUrlG) regelt jetzt § 9 BUrlG.
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Nr 505
Übertragbarkeit — Abgeltung BremUrlG § 6 1. Ein Anspruch auf Barabgeltung eines im abgelaufenen Urlaubs jähr nicht genommenen Resturlaubs besteht nur, wenn der Urlaub aus zwingenden, triftigen Gründen nicht genommen oder gewährt wurde.
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2. Es kommt nicht darauf an, ob sich der Arbeitnehmer selbst für unabkömmlich gehalten hat, sondern ob er unter Anlegung eines objektiven Maßstabs tatsächlich unabkömmlich gewesen ist. 3. Nach §6 Satz 1 BremUrlG wird die Urlaubszeit für den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber kraft des ihm zustehenden Weisungsrechts, allerdings unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers, festgelegt. Einer Vereinbarung der Urlaubszeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf es nicht. 4. Macht der Arbeitnehmer, dessen Urlaubszeit durch den Arbeitgeber festgelegt worden ist, von dem Urlaub ohne zwingende, triftige Gründe keinen Gebrauch, so steht ihm bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Abgeltungsanspruch nicht zu . L A G Bremen vom 21. 10. 1959 — I I Sa 112/59 — BB i960, 94 = DB 1960, 91 = AuR 1960, 120 - SAE 1960, 18 = WA 1960, 67 Hinweis: Nach § 7 Abs 3 Satz 2 BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Jahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.
Urlaub
N r 506
Verbot von Erwerbstätigkeit — Rückforderungsanspruch BGB § 812 1. Während des Urlaubs darf keine andere Arbeit gegen Entgelt angenommen werden. 2. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, das ihm für die Dauer des Urlaubs gezahlte Urlaubsentgelt zurückzuzahlen, wenn er dem tarifvertraglichen Verbot zuwider während des Urlaubs in einem anderen Betriebe gegen Entgelt gearbeitet hat. 3. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer bei seinem Eintritt in den anderen Betrieb eine Vereinbarung über die Vergütung nicht getroffen hat, eine solche von diesem Arbeitgeber aber als selbstverständlich erachtet, dem Arbeitnehmer nachher auch tatsächlich angeboten, von diesem aber ausgeschlagen worden ist. GewG Bremen vom 11. 6. 1925 — HansGZ ArbR 1925, 189 - ArbR 1926, 416 Hinweis: LS 1 entspricht einem allgemeinen Grundsatz des Urlaubsrechts. Nach § 8 BUrlG darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubsrecht widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. I m Schrifttum wird zu 5 8 BUrlG der Wille zum Erwerb überwiegend gefordert: Boldt-Schlephorst, fi 8 A n m 5; Borrmann, § 8 Anm 2; Dersch-Neumann, fi 8 Anm 8; Kammann-Zlepke, fi 8 Anm 1; Schelp-Herbst, § 8 Anm 9; Schmelzer, S 33; Siara, fi 8 Anm 1; offenbar auch Stahlhacke, fi 8 Anm 3. Dagegen kommt es nach Heußner, Rdz 242, und Natzel, fi 8 Anm 8, auf die Gewährung eines Entgelts für den Begriff der verbotenen Erwerbstätigkeit nicht entscheidend an. Von der ganz überwieg Meinung wird dem Arbeitgeber ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (fi 812 Abs 1 Satz 2 BGB) zugebilligt; vgl nur Heußner, Rdz 246 mwN.
Urlaub
N r 507
Wesen — Urlaubsentgelt 1. Urlaub ist die Freistellung des Arbeitnehmers von der in dem Betrieb während der Urlaubszeit normalerweise geleisteten Arbeit unter Fortzahlung des Lohns, den er während dieser Zeit regelmäßig verdient haben würde. 2. Urlaub ist zwar nicht in erster Linie geldliche Vergütung. Er darf jedoch das Gesamteinkommen des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigen. GewG Bremen vom 15. 4. 1926 — 242/26 — Potthoff-Jadesohn-Meissinger, 1926/27, 77 Hinweis: Die Entscheidung entspricht der auch heute maßgeblichen Auffassung vom Wesen des Urlaubs und der Berechnung des Urlaubsentgelts. Vgl zu LS 1 und dem einheitlichen Anspruch auf bezahlte Freizeitgewährung Dersch-Neumann, § 1 Anm 41, 60—64, fi 11 Anm 18 jeweils mwN. LS 2 liegt das sog Lohnausfallprinzip zugrunde, nach
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Urlaub
dem, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, das Urlaubsentgelt zu berechnen ist. Vgl Dersch-Neumann, aaO. Nach dem Lohnausfallprinzip können vor oder während des Urlaubs eintretende Lohnerhöhungen berücksichtigt werden, was nach der auf einen zurückliegenden Berechnungszeitraum abstellenden Bezugsmethode im allgemeinen nicht möglich ist (§ 7 Satz 3 und 4 BremUrlG; L A G Bremen vom 8. 4. 1959 — I Sa 13/59 = BremARS Nr 545). § 11 Abs 1 BUrlG verbindet die Vorteile beider Berechnungsarten, indem er grundsätzlich von dem in den letzten 13 Wochen erzielten durchschnittlichen Arbeitsverdienst ausgeht, gegebenenfalls aber Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, berücksichtigt.
N r 508
Urlaub Zwölftelung: Verfassungsmäßigkeit BremLandesverf Art 56; BremUrlG § 9 Abs 1
Artikel 56 der Bremischen Landesverfassung, der jedem Arbeitenden einen unabdingbaren Anspruch auf einen bezahlten, zusammenhängenden Urlaub von mindestens 12 Arbeitstagen im Jahr gewährleistet, steht einer Zwölftelung des Urlaubs nicht entgegen, da nach Abs 2 Näheres durch Gesetz oder Vereinbarungen der beteiligten Stellen geregelt werden kann. Der Bestimmung kommt daher lediglich der Charakter einer Rahmenvorschrift zu (vgl § 9 Abs 1 BremUrlG). L A G Bremen vom 30. 11. 1960 — 1 Sa 122/60 — BB 1961, 604 = DB 1961, 508
Urlaubsabgeltung
N r 509
Aufrechnung mit Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung BremUrlG § 9 Abs 2; SchwBeschG § 33; BGB §§ 394, 823 Abs 2 1. Ein Arbeitnehmer, der sich vorsätzlich und in betrügerischer Weise mehrere Jahre hindurch den Zusatzurlaub für Schwerbeschädigte erschlichen hat, ist gemäß § 823 Abs 2 BGB dem Arbeitgeber in Höhe der rechtswidrig erlangten Urlaubsvergütung zum Schadenersatz verpflichtet. Er kann sich nicht darauf berufen, daß eine Schädigung des Arbeitgebers nicht eingetreten sei. 2. Gegen einen Urlaubsabgeltungsanspruch ist die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch aus unerlaubter Handlung ohne Rücksicht auf die beschränkte Pfändbarkeit der Urlaubsvergütung zulässig. L A G Bremen vom 5. 11. 1958 — I Sa 86/58 — DB 1959, 58 ARSt X X I , 632, 641 - WA 1959, 43
ArbGeb 1959, 154 =
Hinweis: Zustimmend Dersch-Neumann, § 1 Anm 79. Nach BAG vom 31. 3. 1960 — 5 AZR 441/57 — BAG 9, 137 = AP Nr 5 zu § 394 BGB — bestimmt sich, ob und inwieweit der mit § 394 Satz 1 BGB zugunsten des Arbeitnehmers gewollte Sozialschutz wegen einer von dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber verübten treuwidrigen und vorsätzlichen Nachteilszufügung weichen muß, nach den gesamten Umständen des Einzelfalles, wobei das Gericht den mit § 394 Satz 1 BGB gewollten Sozialschutz und den Treueverstoß gegeneinander abzuwägen hat. Der vom L A G entschiedene Fall würde auch nach diesen Grundsätzen nicht anders zu beurteilen sein, weil der Arbeitnehmer den mit dem Grundurlaub sachlich zusammenhängenden Zusatzurlaub durch bewußt wahrheitswidrige Angaben über eine Kriegsverwundung 10 Jahre lang erschlichen hatte.
Urlaubsabgeltung
N r 510
durch erhöhte Vergütung BremUrlG § 6 Abs 1 Satz 2 Die Abgeltung von Urlaubstagen durch erhöhte Vergütung (Musiker-Gage) verstößt gegen das Verbot der Abgeltung von Urlaubsansprüchen in § 6 Abs 1 Satz 2 BremUrlG und ist demgemäß nichtig. L A G Bremen vom 12. 7. 1961 — 1 Sa 45, 74—76/61 — DB 1961, 1460 = WA 1962, 2 Hinweis: Zustimmend Dersch-Neumann, § 7 Anm 81.
Urlaubsabgeltung Urlaubsabgeltung
377 Nr 511
Kurzarbeit Die Einführung von Kurzarbeit hat keinen Einfluß auf die Abgeltung nicht gewährten Urlaubs, wenn der Urlaubsanspruch schon vor Einführung der Kurzarbeit erworben war. GewG Bremen vom 14. 1. 1926, GewuKfmG 1925/26, 312 Hinweis: Nach § 11 Abs 1 Satz 3 BUrlG bleiben Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge Kurzarbeit, Arbeitsanfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, für die Berechnung des Urlaubsentgeltes außer Betracht. Das dürfte auch für die Urlaubsabgeltung zutreffen. Dem entsprach die Rechtslage nach § 7 Satz 3 BremUrlG. Dazu L A G Bremen vom 20. 11. 1948 — Sa 33/48 — RdA 1949, 275 mit zustimm Anm Hueck = BremARS Nr 546.
Urlaubsabgeltung
N r 512
Rüdeforderung — Ungerechtfertigte Bereicherung BGB §§ 166 Abs 1, 817 Abs 2, 818 Abs 3, 819 Abs 1 1. Hat ein Arbeitnehmer auf Grund einer AbgeltungsVereinbarung, die gegen ein Urlaubsgesetz und gegen die Regelung eines Tarifvertrages verstößt und daher rechtsunwirksam ist, eine Abgeltungszahlung für Urlaubstage und nicht geklebte Urlaubsmarken erhalten, so hat er diese Zahlung ohne rechtlichen Grund erlangt, und der Arbeitgeber ist nach § 812 BGB zur Rückforderung seiner Leistung berechtigt. Der Rückforderungsanspruch ist nach § 817 Satz 2 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber seihe Leistung im Bewußtsein der Gesetzwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit der Abgeltung bewirkt hat. Ohne Rücksicht darauf, ob die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB als Ausdruck des Rechtsgedankens von Treu und Glauben anzusehen ist oder Strafcharakter tragen sollte, läßt sich ihre Rechtsfolge in rechtsstaatlicher Sicht nur rechtfertigen, wenn der Leistende in Kenntnis der Gesetz- und Sittenwidrigkeit seines Tuns gehandelt hat. Ein Kennenmüssen des Verbots, auch im Sinne fahrlässigen Handelns, kann dagegen nicht genügen. 2. Enthält ein durch eine Vermittlungsagentur abgeschlossener Anstellungsvertrag eine gegen gesetzliche und tarifliche Vorschriften vorstoßende Vereinbarung einer Urlaubsabgeltung, so kommt es nach § 166 Abs 1 BGB für die Kenntnis der Gesetzwidrigkeit der Vereinbarung auch im Sinne des §817 Satz 2 BGB grundsätzlich nicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers selbst, sondern auf die Kenntnis seiner Vertreterin an. 3. Die Bereicherung eines Arbeitnehmers entfällt nicht schon dann nach § 818 Abs 3 BGB, wenn er eine rechtlich unzulässige Abgeltungszahlung für Urlaubstage und nicht geklebte Urlaubsmarken im Laufe einer längeren Zeit für die üblichen Getränke, Zigaretten o ä ausgegeben hat. Die Beträge sind in einem solchen Falle nicht zu besonderen Zwecken, etwa für eine verbesserte Lebenshaltung verbraucht worden. Die Berufung auf den Fortfall der Bereicherung ist darüber hinaus auch deshalb ausgeschlossen, weil von vornherein feststand, daß es sich um eine zweckgebundene Zahlung handelte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Zweckbindung aus der Aufteilung von Gehalt und Urlaubsabgeltung im Anstellungsvertrage und aus dessen Formulierung eindeutig ergibt und mindestens für die Zeit seit Erlangung der Kenntnis der Unzulässigkeit der Abgeltung (§ 819 Abs 1 BGB). L A G Bremen vom 24. 10. 1962 — 1 Sa 43—45/62 — BB 1963, 271 «- DB 1963, 243 = AuR 1963, 125 - WA 1963, 61 Hinweis: Nach BAG vom 7. 12. 1956 — 1 AZR 480/55 — BAG 4, 59 = A P N r 1 zu § 817 BGB — steht dem Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers, der gegen ein tarifliches Abgeltungsverbot verstößt, indem er statt Gewährung von Freizeit oder Urlaubsmarken eine durch den Tarifvertrag verbotene Abgeltung gewährt, die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB entgegen.
378
Urlaubsabgeltung
Urlaubsabgeltung
Nr 51
Voraussetzungen — Gewohnheitsrecht BremXJrlG
§§ 4—6, 9 Abs 2 und 10
1. Das Verbot des § 6 BremUrlG zur Abgeltung des Urlaubs mit Geld und sonstigen Vergütungen bedeutet lediglich das Verbot des Abkaufs des Freizeitanspruchs, schließt dagegen nicht die Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs in Geld für den Fall aus, daß der Freizeitanspruch nicht mehr verwirklicht werden kann. 2. Der vom Reichsarbeitsgericht aufgestellte Grundsatz, daß sich ein nicht mehr durch Freistellung von der Arbeit zu verwirklichender Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch umwandelt, ist Gewohnheitsrecht geworden. 3. Die Beschränkung der Urlaubsgewährung auf das Urlaubsjahr und die folgenden drei Kalendermonate in § 4 BremUrlG betrifft nur den Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers, bedeutet dagegen keine Verfallklausel für den Urlaubsanspruch überhaupt, so daß der Abgeltungsanspruch auch nach Ablauf der gesetzlichen Frist geltend gemacht werden kann. L A G Bremen vom 19. 10. 1949 — Sa 45/49 — A P N r 68 mit zustimm Anm Dissinger - BB 1949, 687 - DB 1949, 576 « ARSt I I I , 701 = WA 1950, 33 Hinweis: I n der oa Anm hebt Dissinger hervor, die Entscheidung sei für Bremen deswegen von rechtserheblicher Bedeutung, weil sie die — auch nach der Gesetzesänderung vom 25. 4. 1949 keineswegs vollkommen behobene — hauptsächlichste Zweifelsfrage des BremUrlG endgültig kläre. — Die Voraussetzungen der Urlaubsabgeltung sind jetzt in § 7 Abs 4 BUrlG geregelt.
Urlaubsabgeltung
N r 514
Voraussetzungen — Verzicht BremUrlG
§ 4 Abs 2 und 3, §§ 5 und 6; BGB §§ 284, 286
1. Anspruch auf Barabgeltung eines im abgelaufenen Urlaubs jähr nicht genommenen Urlaubs besteht nur, wenn der Urlaub aus zwingenden Gründen, beispielsweise wegen langdauernder Krankheit des Arbeitnehmers, nicht genommen oder gewährt wurde. 2. Ein solcher zwingender Grund ist nicht gegeben, wenn der Urlaub nur deshalb nicht gewährt wurde, weil ihn der Arbeitnehmer nicht verlangt hat. Hier kommt Abgeltung nicht in Betracht. 3. Die Urlaubsvergütung kann nachträglich unter Umständen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verlangt werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug gekommen ist. Wenn der Arbeitgeber auch nach §4 Abs 2 BremUrlG den Urlaub unaufgefordert zu gewähren hat, so begründet doch die Verletzung dieser Pflicht noch nicht ohne weiteres Schuldnerverzug. Wie allgemein im bürgerlichen Recht tritt gern § 284 BGB auch im Urlaubsrecht Verzug grundsätzlich erst ein, wenn eine Mahnung erfolgt. 4. Ein derartiger Anspruch auf nachträgliche Zahlung der Urlaubs Vergütung ist als reiner Schadensersatzanspruch verzichtbar. L A G Bremen vom 19. 8. 1953 — Sa 116/53 — A P Nr 1 zu 5 6 UrlG Bremen ~ DB 1954, 155 - RdA 1954, 160 « ARSt X I I , 97 - WA 1954, 98 Hinweis: Nach 6 7 Abs 3 Satz 2 BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Ist das nicht der Fall, besteht ein Urlaubsanspruch nicht mehr, so daß der an die Stelle des Freizeltanspruchs tretende Abgeltungsanspruch überhaupt nicht in Betracht kommt; vgl nur BAG vom 22. 6. 1956 — 1 AZR 41/55 — B A G 3, 60 = A P N r 10 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; Der sehNeumann, § 7 Anm 78 mwN.
Urlaubsabgeltung Urlaubsabgeltung
379 Nr 51
Wegfall: Arbeitsvertragsbruch BremUrlG
§ 9 Abs 3
1. Der Urlaubsanspruch entfällt nach § 9 Abs 3 BremUrlG nur dann, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag ungesetzlich fristlos aufgelöst hat. 2. Ein unerlaubtes Verlassen der Arbeitsstelle und ein unerlaubtes Fernbleiben (Arbeitsbummelei) führen also nicht ohne weiteres zum Verlust des Urlaubsanspruchs. Dieser tritt nur ein, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit in der Absicht verläßt, sie nicht wieder aufzunehmen. ArbG Bremen vom 3. 9. 1957 — I I I Ca 3159/57 — A P N r 1 zu § 9 UrlaubsG Bremen mit zustimm Anm Dersch « RdA 1958, 400 - W A 1957, 352 Hinweis: Nach § 7 Abs 4 Satz 2 BUriG geht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unter, wenn der Arbeitnehmer a) durch eigenes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, oder b) das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen außerdem eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt. Die vorliegende Entscheidung hat noch für die zweite Alternative Bedeutung.
N r 516 BremUrlG
§ 9 Abs 3
1. Nach §9 Abs 3 UrlaubsG Bremen erlischt jeder Urlaubsanspruch, wenn „ein Arbeitnehmer ungesetzlich, fristlos seinen Arbeitsplatz" verläßt. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn ein im Landesdurchgangslager untergebrachter Umsiedler auf Grund einer kurzfristigen Verlegungsanordnung der Lagerleitung in ein auswärtiges Lager verlegt wird und infolgedessen genötigt ist, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, bevor die vertragliche Kündigungsfrist abgelaufen ist. Der Arbeitnehmer gibt seine Arbeit dann nicht freiwillig auf, sondern infolge obrigkeitlichen Zwanges und handelt infolgedessen weder rechtswidrig noch ungesetzlich. 2. Ein ungesetzliches Verlassen des Arbeitsplatzes durch den Arbeitnehmer liegt vor, wenn die Handlungsweise des Arbeitnehmers nicht durch Rechtsgründe gedeckt, d h rechtswidrig ist. I m Sinne des § 9 Abs 3 Urlaubsgesetz Bremen ist jedoch in einem ungesetzlichen Verhalten des Arbeitnehmers lediglich ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken, das nicht nur objektiv rechtswidrig ist, sondern dem Arbeitnehmer auch zugerechnet werden kann. Eine erhebliche Verletzung der Treuepflicht braucht dagegen auf Seiten des Arbeitnehmers nicht vorzuliegen. L A G Bremen vom 28. 10. 1959 - I Sa 10/59 — A P Nr 4 zu § 9 UrlaubsG Bremen — BB 1960, 213 - DB 1960, 180 - RdA 1961, 133 - AuR 1960, 120 - WA 1960, 68 Hinweis: Dem ungesetzlichen Verlassen iS des fi 9 Abs 3 BremUrlG entspricht Jetzt die unberechtigte Lösung des Arbeitsverhältnisses iS von 9 7 Abs 4 BUrlG, die nach Dersch-Neumann, § 7 Anm 101, die der Entscheidung aber im Ergebnis zustimmen, kein Verschulden voraussetzt. Doch erschwert 5 7 Abs 4 Satz 2 BUrlG den Wegfall des Abgeltungsanspruchs durch das zusätzliche Merkmal der groben Verletzung der Treuepflicht, das nur unter besonders erheblichen und schwerwiegenden Umständen erfüllt werden kann, namentlich bei einer wesentlichen Geschäftsschädigung des Arbeitgebers durch den Vertragsbruch des Arbeitnehmers: L A G Bremen vom 5. 7. 1967 — l'Sa 34/67; ebenso Boldt-Schlephorst, fi 7 Anm 24 und 28; Borrmann, S 7 Anm 32; Dersch-Neumann, § 7 Anm 97; Siara, fi 7 Anm 22; Stahlhacke, fi 7 Anm 47.
Urlaubsabgeltung
N r 517
Wegfall: Unberechtigte Lösung des Arbeitsverhältnisses BUrlG §7 Abs 4 Unter einer unberechtigten vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des §7 Abs 4 BUrlG ist ein Verlassen des Arbeitsplatzes oder ein
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rlaubsanspc
unbefugtes Fernbleiben von der Arbeit unter Vertragsbruch im engeren Sinne zu verstehen, d.h. in der Absicht, sich allen rechtlichen Wirkungen des Arbeitsverhältnisses sofort und endgültig zu entziehen. ArbG Bremen vom 1. 3. 1965 — 4 Ca 4013/65 — DB 1965, 937 = AuR 1965, 283
Urlaubsanspruch
N r 518
Arbeitsunfähigkeit: Beendigung des Arbeitsverhältnisses BGB § 611; BremUrlG § 6 Abs 2 1. Der Urlaubsanspruch geht nicht dadurch verloren, daß der Arbeitnehmer zu dem Zeitpunkt, zu welchem das Arbeitsverhältnis auf Grund einer Kündigung oder einer Vereinbarung enden soll, krank und arbeitsunfähig ist. Vielmehr gilt auch in diesem Falle § 6 Abs 2 BremUrlG, nach dem sich das Arbeitsverhältnis um die restliche Urlaubszeit verlängert, wenn der Urlaub bis zur normalen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgeleistet werden kann. 2. Der Arbeitnehmer ist also in einem solchen Falle berechtigt, den Urlaub von seinem bisherigen Arbeitgeber noch für die Zeit nach dem Wiedereintritt seiner Arbeitsfähigkeit zu fordern. Voraussetzung ist allerdings, daß ihm dann auch noch die nötige Freizeit zur Verfügung steht. ArbG Bremen vom 23. 7. 1957 — I I I Ca 3244/57 — AP N r 2 zu § 6 UrlaubsG Bremen mit zustimm Anm Dersch « DB 1957, 1024 = RdA 1958, 400 WA 1957, 353 Hinweis: Das Urteil betrifft zwar nur eine sich aus § 6 Abs 2 BremUrlG ergebende besondere Rechtslage. Die Entscheidung hat aber entsprechende Bedeutung für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs 4 Satz 1 BUrlG. Allerdings verlängert sich das Arbeitsverhältnis nach dem BUrlG nicht um den Zeitraum, für den Urlaubsabgeltung gewährt wird, so daß der Arbeitnehmer trotz der Urlaubsabgeltung nicht gehindert ist, unmittelbar nach dem Ausscheiden eine neue Stellung anzutreten: Dersch-Neumann, 9 7 Anm 86, 9 9 Anm 17 mwN.
Urlaubsanspruch
N r 519
Aufrechnung gegen BGB §§ 399, 394; ZPO § 851 Abs 1 1. Die Aufrechnung gegen einen Urlaubsanspruch oder gegen den Anspruch auf Urlaubsvergütung ist grundsätzlich unzulässig, da die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Berechtigten nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Die Bestimmungen der §§399, 394 BGB, 851 Abs 1 ZPO sind nicht deshalb unanwendbar, weil ihnen die in den §§850 ff ZPO getroffene Regelung als lex specialis entgegensteht. Diese Vorschriften betreffen vielmehr ausschließlich den sozialen Pfändungsschutz und lassen die allgemeinen Regeln über Abtretung und Pfändung eines Anspruchs sowie über die Aufrechnung unberührt. Dies gilt auch dann, wenn die Urlaubsvergütung aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gefordert wird, denn auch dann ist die Leistung des Arbeitgebers dazu bestimmt, in einer dem Arbeitnehmer überlassenen Weise zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung seiner Arbeitskraft beizutragen. 2. Der Urlaubsanspruch ist ein einheitlicher Anspruch auf bezahlte Freizeit. Die Untrennbarkeit des Zahlungsanspruchs vom Freizeitanspruch folgt aus dem Sinn des Urlaubs, der die Erhaltung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers in seinem Interesse und im Interesse der Allgemeinheit gewährleisten soll. Die Urlaubs Vergütung kann daher ohne wesentliche Veränderung ihres Inhalts grundsätzlich nicht an einen Dritten gewährt werden. L A G Bremen vom 18. 4. 1956 — Sa 15/56 — BB 1956, 596 - DB 1956, 668 = WA 1956, 286 Hinweis: Nach der herrsch Meinung kann wegen der Zweckbestimmung und der höchstpersönlichen Natur des Urlaubsanspruchs grundsätzlich weder gegen den Urlaubsanspruch noch gegen die Ansprüche auf Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung
rlaubsanspc noch gegen den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen nicht gewährten Urlaubs aufgerechnet werden; zustimmend Dersch-Neumann, § 1 Anm 78 und 79 m w N ; ebenso für den Abgeltungsanspruch BAG vom 12. 2. 1959 — 1 AZR 43/56 — AP N r 42 zu § 611 BGB Urlaubsrecht.
Urlaubsanspruch
N r 520
Ausscheiden vor Ablauf der Wartezeit — Günstigkeitsprinzip BremUrlG § 9 1. Nach § 9 BremUrlG hat ein Arbeitnehmer, der zwölf Arbeitstage nachweisen kann, Anspruch auf einen eintägigen Urlaub, auch wenn einer der Arbeitstage ein Sonntag war. 2. Eine gesetzliche Urlaubsbestimmung geht der entsprechenden, für den Arbeitnehmer ungünstigeren Bestimmung eines tariflichen Urlaubsabkommens auch dann vor, wenn das Urlaubsabkommen daneben eine Reihe von Bestimmungen enthält, die dem Arbeitnehmer günstiger sind als das Gesetz. ArbG Bremerhaven vom 29. 9. 1950 — Ca 445/50 — A P 51 N r 95 mit zustimm Anm Nikisch Hinweis: Zur Frage des Günstigkeitsvergleichs nach geltendem Recht vgl den Hinweis zu Brem ARS N r 551.
Urlaubsanspruch
N r 521
bei Arbeitsplatzwechsel BGB §§ 242, 611 Urlaub; TVG § 4 Abs 4; Urlaubsabkommen für die gewerblichen Arbeiter auf den Werften im Lande Bremen vom 29. 3. 1959 §§ 2, 3; Brem UrlG §§ 3 Abs 1, 5 Abs 2y 6 Satz 3 1. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist an sich subsidiär und entsteht im allgemeinen nur, wenn ein Anspruch auf Freizeitgewährung entstanden war und nicht mehr erfüllt werden konnte. Ein Arbeitnehmer, der im Laufe des Urlaubsjahres den Arbeitsplatz wechselt und sowohl einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen seinen alten Arbeitgeber als auch einen Anspruch auf bezahlte Freizeit gegen den neuen Arbeitgeber hat, ist wegen der Subsidiarität des Abgeltungsanspruchs grundsätzlich gehalten, den Anspruch auf bezahlte Freizeit vorab geltend zu machen. Diese Grundsätze können aber dann keine Anwendung finden, wenn der tarifliche Restanspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung gegen den alten Arbeitgeber 7 Urlaubstage, sein normaler gesetzlicher Urlaubsanspruch gegen den neuen Arbeitgeber nur 5 Urlaubstage zur Grundlage hat. Denn die dem Arbeitnehmer günstigeren tariflichen Vorschriften gehen nach allgemeinen tarifvertragsrechtlichen Grundsätzen der Normenkollision begrenzteren gesetzlichen Bestimmungen vor. 2. Es wird nicht entschieden, ob die Rechtsfolge der Subsidiarität des Abgeltungsanspruchs jedenfalls dann nicht gilt, wenn der Anspruch auf bezahlte Freizeit als echter Urlaubsanspruch erst nach Rechtshängigkeit des Abgeltungsanspruchs entstanden ist. L A G Bremen vom 23. 9. 1959 — I I Sa 88/59 — BB 1960, 94 1960, 24 = ArbGeb 1960, 91 « SAE 1960, 19 = WA 1960, 17
DB 1960, 92 -
AuR
N r 522 BremUrlG
§ 9 Abs 3
Ein Arbeitnehmer, der gegen seinen früheren Arbeitgeber nur noch einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs in Geld erheben kann, während ihm für dasselbe Kalenderjahr gegen seinen neuen Arbeitgeber ein Anspruch auf bezahlte Freizeit zusteht, hat grundsätzlich kein Wahlrecht. Hat er jedoch bereits vor dem Entstehen seines zweiten Urlaubsanspruchs den Abgeltungsansprudi gegen seinen früheren Arbeitgeber geltend gemacht, so
382
Vrlaubsanspnicii
kann sich letzterer im Prozeß auf die Vorrangstellung des Anspruchs auf bezahlte Freizeit auch dann nicht berufen, wenn inzwischen der Kläger gegen seinen neuen Arbeitgeber einen Anspruch auf Vollurlaub erworben hat. Dem nachträglich entstandenen Anspruch auf bezahlte Freizeit kommt eine Vorrangstellung nicht zu, schon gar nicht, wenn es sich auch bei dem Anspruch gegen den neuen Arbeitgeber lediglich um einen Abgeltungsanspruch handelt. Auch ohnedies muß sich der neue Arbeitgeber auf die ihm bei der Einstellung mitgeteilte Rechtslage verlassen können. L A G Bremen vom 28. 10. 1959 — I Sa 10/59 — A P Nr 4 zu 5 9 UrlaubsG Bremen -= BB 1960, 213 - DB 1960, 180 - RdA 1961, 133 - AuR 1960, 120 = W A 1960, 68 Hinweis: Nach BAG vom 16. 10. 1959 — 1 AZR 529/58 — BAG 8, 168 - A P Nr 46 zu S 611 BGB Urlaubsrecht — hat bei Arbeitsplatzwechsel der ausgeschiedene Arbeitnehmer sowohl einen Urlaubsanspruch gegen den neuen Arbeltgeber wie einen Urlaubsabgeltungsanspruch gegen den früheren Arbeitgeber. Er muß zunächst den Urlaubsanspruch gegen den neuen Arbeitgeber geltend machen; der frühere Arbeitgeber kann ihn auf diesen Anspruch verweisen. Maßgebend ist der Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LAG. Der frühere Arbeltgeber, der auf Urlaubsabgeltung in Anspruch genommen wird, kann den Arbeitnehmer nicht auf Urlaubsansprüche verweisen, die der Arbeitnehmer in diesem Zeitpunkt noch gar nicht erworben hat. I n einer späteren Entscheidung vom 30. 11. 1961 — 5 AZR 96/61 — A P N r 85 zu 5 611 BGB Urlaubsrecht — stellt das BAG es jedoch dahin, ob es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankommt oder, wie vom L A G Bremen angenommen, auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Abgeltungsanspruchs. Dem L A G Bremen stimmen ua zu: Dersch-Neumann, § 6 Anm 20; Nikisch, Bd I S 528; vgl auch Borrmann, $ 6 Anm 8 F N 5.
Urlaubsanspruch
N r 523
bei Arbeitsplatzwechsel: Verzicht gegenüber früherem Arbeitgeber BGB §§ 242, 397, 780, 781 1. Der Arbeitnehmer, der bei der Einstellung erklärt hat, er habe seinen Urlaubsanspruch gegen seinen früheren Arbeitgeber gerichtlich geltend gemacht und demgemäß für das laufende Urlaubs jähr keinen Urlaub mehr zu beanspruchen, verletzt im Verhältnis zu seinem neuen Arbeitgeber Treu und Glauben, wenn er ohne sachliche Gründe in einem gerichtlichen Vergleich auf einen Teil seines Urlaubsanspruchs gegen den früheren Arbeitgeber verzichtet und insoweit den neuen Arbeitgeber in Anspruch nimmt. 2. Sachliche Gründe für einen Verzicht des Arbeitnehmers auf den Urlaubsanspruch gegenüber seinem früheren Arbeitgeber liegen vor, wenn der Prozeßausgang zweifelhaft ist. Der neue Arbeitgeber ist in diesem Falle mit Rücksicht auf die Unabdingbarkeit des Urlaubsanspruchs zur Gewährung des restlichen Urlaubs verpflichtet, auch wenn er bei der Einstellung des Arbeitnehmers damit gerechnet hat, der frühere Arbeitgeber werde den Urlaubsanspruch erfüllen müssen. L A G Bremen vom 20. 4. 1955 — Sa 22/55 — BB 1955, 961 = DB 1955, 536 = WA 1955, 208
Urlaubsanspruch
N r 524
Doppelarbeitsverhältnis
BremUrlG § 1 Ist ein Arbeitnehmer nebeneinander bei zwei Arbeitgebern tätig, so erwirbt er gegen jeden von ihnen einen Urlaubsanspruch. Dies gilt auch für eine in einer Krankenanstalt tätige Köchin, die über das Wochenende regelmäßig bei einem anderen Arbeitgeber als Köchin tätig ist. L A G Bremen vom 29. 7. 1953 — Sa 99/53 — BB 1963, 707 Hinweis: Zum alten Recht ebenso BAG vom 19. 6. 1959 — 1 AZR 565/57 — BAG 8, 47 A P N r 1 zu 8 611 BGB Doppelarbeitsverhältnis. Für das BUrlG dürfte grundsätzüch nichts anderes gelten.
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Urlaubsanspruch Urlaubsanspruch
Nr 525
Feststellungsklage ZPO
§ 256
D e r A n s p r u c h a u f U r l a u b b i l d e t d e n I n h a l t eines i n d e m A r b e i t s v e r h ä l t n i s e n t h a l t e n e n besonderen Rechtsverhältnisses, das G e g e n s t a n d e i n e r F e s t stellungsklage sein k a n n . GewG Bremen vom 20. 5. 1926 — HansGZ ArbR 1927, 11 Hinweis: Die Frage der Klage auf Urlaub ist in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten. Das BAG vom 12. 10. 1961 und 19. 1. 1962 — A P Nr 83 und 86 zu § 611 BGB Urlaubsrecht hält, auch soweit sich Grund oder Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs i m Streit befindet, die Feststellungsklage während und erst recht nach Ablauf des Urlaubsjahres für unzulässig. Vgl Dersch-Neumann, 5 7 Anm 45 mwN. Ist nur die Höhe des Urlaubsentgelts oder der Zeitpunkt des Urlaubsbeginns im Streit, muß der Arbeitnehmer stets Leistungsklage erheben. Dazu im einzelnen Dersch-Neumann, § 7 A n m 46 mwN. Urlaubsanspruch
N r 526
K e i n e Z w ö l f t e l u n g b e i Ausscheiden a m 30. J u n i BUrlG
§ 3 A b s 1, § 4, § 5 Abs 1 Buchst
c; BGB
§ 188 Abs 2; HGB
§ 66
D e r A r b e i t n e h m e r e r w i r b t m i t E r f ü l l u n g d e r gesetzlichen W a r t e z e i t v o n 6 M o n a t e n d e n v o l l e n U r l a u b s a n s p r u c h nach § 3 A b s 1 B U r l G . Dieser A n spruch beschränkt sich jedoch a u f e i n Z w ö l f t e l des J a h r e s u r l a u b s f ü r j e d e n v o l l e n M o n a t des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, w e n n d e r A r b e i t n e h m e r i m V e r l a u f d e r ersten H ä l f t e eines K a l e n d e r j a h r e s aus d e m A r b e i t s v e r h ä l t n i s ausscheidet. Scheidet e r m i t A b l a u f des 30. J u n i aus, so e r h ä l t e r jedoch d e n v o l l e n J a h r e s u r l a u b , d a sich die einschränkende V o r s c h r i f t des § 5 A b s 1 Buchst c B U r l G nicht a u f d e n F a l l bezieht, daß der A b l a u f des Arbeitsverhältnisses m i t d e m A b l a u f des ersten K a l e n d e r h a l b j a h r e s z u s a m m e n f ä l l t . Diese Tatsache ergibt sich z w a r nicht e i n d e u t i g aus d e m W o r t l a u t d e r gesetzlichen Vorschrift, w o h l aber aus d e m S i n n z u s a m m e n h a n g u n d d e r Entstehungsgeschichte des Bundesurlaubsgesetzes. D e r Gesetzgeber w o l l t e eine Z w ö l f t e l u n g des J a h r e s u r l a u b s i m Anschluß a n § 19 J A r b S c h G lediglich d a n n e i n t r e t e n lassen, w e n n das A r b e i t s v e r h ä l t n i s w e n i g e r als 6 M o n a t e bestanden h a t , w e n n es dagegen i m l a u f e n d e n U r l a u b s j ä h r m i n destens 6 M o n a t e bestanden h a t , d e m A r b e i t n e h m e r d e n v o l l e n U r l a u b s anspruch g e w ä h r e n . D i e s e r W i l l e h a t auch i n § 5 A b s 1 Buchst c B U r l G e i n e n allerdings u n v o l l k o m m e n e n A u s d r u c k gefunden. L A G Bremen vom 5. 8. 1964 — 1 Sa 58/64 — BB 1964, 1006 - DB 1964, 1231 = AuR 1964, 376 « WA 1964, 328 Hinweis: Ebenso die gleichfalls rechtskräftig gewordene Entscheidung des L A G Bremen vom 14. 8. 1964 — 2 Sa 57/64 — DB 1964, 1450 - WA 1964, 327 — und das nicht rechtskräftig gewordene Urteil vom 20. 10. 1965 — 1 Sa 57/65 — BB 1966, 125 - DB 1966, 78. Diese Entscheidung ist jedoch durch Urteil des BAG vom 16. 6. 1966 — 5 AZR 521/65 — AP N r 2 zu S 5 BUrlG — aufgehoben worden. Das höchstrichterliche Erkenntnis geht in fristenrechtlicher Betrachtung davon aus, daß auch der Zeitpunkt des Ablaufs eines Tages rechtlich noch zu diesem Tage und damit zu der Frist gehört, in die der Tag fällt. Es nimmt weiter an, daß der Gesetzgeber eine auf mittlerer Linie durchgeführte Urlaubszwölftelung als einen beiden Seiten gerecht werdenden Urlaubsgrundsatz ohne Ausnahmecharakter anerkannt habe. Diesem Grundsatz werde man aber am ehesten gerecht, wenn man die Zwölftelung auf der Basis der realen Teilung des Jahres in zwei gleiche Hälften durchführe, den 30. Juni also voll zur ersten Jahreshälfte rechne. Dem L A G sei zwar zuzugeben, daß die Gesetzesmaterialien für die von ihm vertretene Auffassung sprächen. Schon in der Begründung zum CDU/CSUEntwurf des Gesetzes sei gesagt, die Zwölftelung solle nach erfüllter Wartezeit Platz greifen, „falls das Arbeitsverhältnis im laufenden Urlaubsjahr weniger als sechs Monate bestanden hat". Diese Formulierung sei in den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit (BT-Drucksache IV/785) als Begründung zu § 5 Abs 1 Buchst c BUrlG im wesentlichen unverändert übernommen worden. Sie stimme insoweit mit § 19 Abs 2 Satz 2 JArbSchG überein, wonach der Jugendliche, der Innerhalb des Urlaubsjahres weniger als sechs Monate beschäftigt wird, für jeden vollen Beschäftigungsmonat Anteilsurlaub erhalte; es müsse aber ernstlich damit gerechnet werden, daß es sich bei den Formulierungen des CDU/CSU-Entwurfs und des Ausschußberichts lediglich um eine Ungenauigkeit handele, die möglicherweise mit einer früher anders
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rlaubsanspc
lautenden Formulierung des Gesetzentwurfs zusammenhänge und später versehentlich nicht berichtigt worden sei. Damit verlören die Gesetzesmaterialien die weitgehende Bedeutung, die ihnen das L A G Bremen beilege. Diese mit Vermutungen begründete Ansicht des BAG ist aber bedenklich; denn im Zweifel war davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die gleiche Urlaubsfrage für erwachsene Arbeitnehmer im BUrlG nicht anders als für Jugendliche in § 19 Abs 2 Satz 2 JArbSchG lösen wollte.
Urlaubsanspruch
Nr 527
nach Stichtag — Rechtsmißbrauch: W e i t e r b e s c h ä f t i g u n g aus sozialen G r ü n d e n BGB
§§ 242, 611
D e r A n g e s t e l l t e e r w i r b t k e i n e n Urlaubsanspruch, w e n n e r a m Stichtag n u r infolge b i t t w e i s e r W e i t e r b e s c h ä f t i g u n g noch i m B e t r i e b e t ä t i g ist, w ä h r e n d seiner T ä t i g k e i t k e i n e n U r l a u b i n n a t u r a v e r l a n g t , d e r i h m ohne weiteres h ä t t e e r t e i l t w e r d e n k ö n n e n , u n d d e n A r b e i t g e b e r auch sonst i n d e n G l a u b e n versetzt, daß er a m E n d e seiner T ä t i g k e i t U r l a u b s a b g e l t u n g nicht v e r langen werde. ArbG Bremen vom 7. 7. 1931 — ArbG 1931, 317 Hinweis: I n der Entscheidung greifen zwei anerkannte Grundsätze des Urlaubsrechts ineinander, der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (Rechtsmißbrauch) und das Abgeltungsverbot. Daß der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch auch dann erwirbt, wenn er am Stichtag nur aus sozialen Gründen noch vom Arbeitgeber beschäftigt wird, ist nicht zu bezweifeln. Fraglich kann nur sein, ob die Geltendmachung dieses Anspruchs deshalb unter Abwägung aller Umstände des Falles rechtsmißbräuchlich ist. Das kann aber nur i m Falle eines besonders groben Verstoßes gegen die Gebote anständigen Verhaltens in Betracht kommen: Dersch-Neumann, § 13 Anm 67 mwN. So hat das BAG vom 22. 6. 1956 — 1 AZR 296/54 — BAG 3, 77 « A P N r 9 zu 8 611 BGB Urlaubsrecht — das Begehren eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis aus sozialen Rücksichten trotz längerer Erkrankung vom Arbeitgeber nicht gekündigt war, wegen Rechtsmißbrauches für nicht begründet erachtet, weil der Arbeitnehmer für ein Urlaubs jähr mehr Urlaubstage vergütet verlangte, als er in diesem Urlaubs jähr überhaupt gearbeitet hatte. Zur unzulässigen Rechtsausübung bei Ausscheiden nach dem Stichtag siehe auch L A G Bremen vom 7. 6. 1950 — Sa 28/50 — — BremARS Nr 540. Zu dem auch nach § 7 BUrlG geltenden grundsätzlichen Abgeltungsverbot bei nicht gegebener Unmöglichkeit der Freizeitgewährung vgl L A G Bremen vom 19. 8. 1953 — Sa 116/53 — AP Nr 1 zu § 6 UrlGBremen = BremARS N r 514.
Urlaubsanspruch
Nr 528
N a c h w i r k u n g des T a r i f v e r t r a g e s TVO
§ 1
D e r A r b e i t n e h m e r geht des e r d i e n t e n t a r i f l i c h e n Urlaubsanspruches nicht dadurch verlustig, daß d e r T a r i f v e r t r a g , d e r d e n U r l a u b g e w ä h r t , v o r d e r U r l a u b s z e i t gelöst w i r d . GewG Bremen vom 17. 2. 1925 — GewuKfmG 1924/25, 430 Hinweis: Die Nachwirkung eines Tarifvertrages erstreckt sich nach BAG vom 13. 6. 1958 — 1 AZR 591/57 — BAG 6, 31 = AP Nr 2 zu § 4 T V G Effektivklausel — nur auf solche Arbeitsverhältnisse, die bereits zur Zeit der Geltung des Tarifvertrages begründet waren. Ob der Vorrang tarifvertraglicher Urlaubsregelung nach Maßgabe von § 13 BUrlG vor dem Gesetz auch für nachwirkende Tarifnormen gilt, ist eine andere Frage. Bejahend Dersch-Neumann, § 13 Anm 24; Stahlhacke, 5 13 Anm 7.
Urlaubsanspruch
Nr 529
Rechtsmißbrauch: A n f o r d e r u n g e n BGB §§ 242, 611 TVG § 4 Abs 4; Urlaubsabkommen für die gewerblichen Arbeiter auf den Werften im Lande Bremen vom 29. 3. 1959 §§ 2, 3; BremUrlG §§ 3 Abs 1, 5 A b s 2, 6 Satz 3 1. D e r E i n w a n d d e r unzulässigen Rechtsausübung gegenüber t a r i f l i c h e n U r l a u b s a n s p r ü c h e n ist n u r i n besonders krassen F ä l l e n gerechtfertigt, i n d e n e n ganz besondere U m s t ä n d e vorliegen. 2. D i e v o m Bundesarbeitsgericht (BAG v o m 22. 6. 1956—1 A Z R 2 9 6 / 5 4 — B A G 3. 77 = A P N r 9 z u § 6 1 1 B G B U r l a u b s r e c h t ) f ü r e i n e n z u U n g u n s t e n des
Urlaubsanspruch
385
Arbeitnehmers besonders zugespitzten Fall aufgestellten Rechtsgrundsätze macht sich das Landesarbeitsgericht zu eigen. 3. Der Kläger hatte die Entstehung seines Urlaubsanspruchs für das Urlaubsjahr 1959 jedoch keinem sozialen Entgegenkommen der Beklagten zu verdanken. 4. Die Frage, ob das Urlaubsbegehren des Klägers wegen Rechtsmißbrauchs unbegründet sei, ist auch unter Berücksichtigung der übrigen Umstände des Falles zu verneinen. Dabei ist nicht etwa das Mißverhältnis entscheidend, das zwischen der geringen Tätigkeitsdauer des Klägers im Urlaubs jähr 1959 (7 Tage) und der Anzahl der begehrten Urlaubstage (14 Tage) besteht. I m Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Falles sind vielmehr auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, die Person des Kündigenden, die Umstände, die zur Kündigung geführt haben, sowie die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu berücksichtigen (LAG Bremen vom 29. 8. 1951—Sa 22/51 A P 52 Nr 23 BremARS Nr 541). L A G Bremen vom 23. 9. 1959 — I I Sa 88/59 — BB i960, 94 1960, 24 = ArbGeb 1960, 91 « SAE 1960, 19 - WA 1960, 17
Urlaubsanspruch
DB 1960, 92 = AuR
Nr 530
Rechtsmißbrauch: Geringfügige Arbeitsleistung BremUrlG § 5; BGB § 242 Fordert ein Arbeitnehmer mehr Urlaubstage (12), als er im Urlaubsjahr überhaupt gearbeitet hat (5), so verstößt die Geltendmachung des Urlaubsanspruchs gegen Treu und Glauben und geschieht rechtsmißbräuchlich. ArbG Bremen vom 21. 6. 1961 — 5 Ca 5167/61 — DB 1961, 952 Hinweis: Die Entscheidung folgt der ständigen Rechtsürechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl nur BAG vom 22. 6. 1956 — 1 AZR 296/54 — BAG 3, 77 =» A P Nr 9 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; Dersch-Neumann, § 9 Anm 22—24 mwN. Es dürfen aber nicht allein Arbeitsleistung und Urlaubsbegehren gegenübergestellt werden: BAG vom 27. 9. 1962 — 5 AZR 561/61 — A P Nr 87 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; L A G Bremen vom 29. 8. 1951 — Sa 22/51 — A P 52 Nr 23 = BremARS N r 541 — und vom 23. 9. 1959 — I I Sa 88/59 — DB 1960, 92 « BremARS N r 529.
Urlaubsanspruch
Nr 531
Rechtsmißbrauch: Keine Tätigkeit im Urlaubs jähr BGB § 242; BremUrlG § 5 Wenn der Arbeitnehmer nach Erfüllung der Wartezeit im neuen Urlaubsjahr überhaupt nicht im Betrieb tätig geworden ist, entsteht kein neuer Urlaubsanspruch. ArbG Bremerhaven vom 6. 4. 1951 — Ca 179/51 — A P 53 Nr 170 mit krit Anm Dersch Hinweis: Das Arbeitsgericht nahm in der vorstehenden Entscheidung insbesondere auf L A G Bremen vom 7. 6. 1950 — Sa 28/50 — AP 51 Nr 47 - BremARS Nr 530 — Bezug. Dersch hielt das Urteil des Arbeitsgerichts Bremerhaven — wohl zu Recht — nicht für zweifelsfrei, zumal es sich im vorliegenden Falle um eine Fischarbeiterin handelte, die ihre reale Tätigkeit wegen bevorstehender Entbindung (nach dem MuSchG!) unterbrochen hatte, sodann ihre Tätigkeit wegen Erkrankung nicht wieder aufnehmen konnte und schließlich Mitte Februar des Urlaubsjahres ihre Arbeitspapiere erbat, weil sie schwere körperliche Arbeit nicht mehr verrichten konnte.
Urlaubsanspruch
Nr 532
Rechtsmißbrauch: Nachkriegsverhältnisse BGB § 242 War die Zeit der tatsächlichen Arbeitsleistung unmittelbar nach dem Krieg wegen der damaligen besonderen Verhältnisse auf zwei Monate unterbrochen, so verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn der Arbeitnehmer die Gewährung bzw Vergütung von Urlaub fordert. L A G Bremen vom 27. 8. 1947 — Sa 15/47 — ARSt I, 226 Betriebsrisiko 13 25
Trinkhaas
BB 1948, Sonderheft
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Urlaubsansprudi
Urlaubsanspruch
Nr 533
Rechtsmißbrauch: Selbstverschuldete Verhinderung BGB § 242 Muß laut tariflicher o ä Vorschrift der Urlaub nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nachgewährt werden, wenn er vorher nicht abgeleistet werden konnte, so gilt das jedenfalls nicht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub infolge einer selbstverschuldeten Verhinderung nicht nehmen konnte. Die Geltendmachung des Urlaubsanspruchs kann sich als unzulässige Rechtsausübung darstellen. L A G Bremen vom 27. 4. 1949 — Sa 19/49 — DB 1949, 286, 300 - W A 1949, 173
Urlaubsanspruch
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Teilbeschäftigte: Putzfrau BremUrlG §§ 2, 5, 7 1. Nach dem BremUrlG haben teilbeschäftigte Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch, wenn sie nicht nur gelegentlich, sondern in einem Dauerarbeitsverhältnis ständig eine Arbeit leisten, die sie beruflich voll auslastet. Das Urlaubsrecht ist nur für diejenigen Arbeitsleistungen geschaffen worden, die das berufliche Leben des Arbeitnehmers bestimmen und ausfüllen. 2. Eine Putzfrau, die wöchentlich an vier Tagen 20 Stunden arbeitet, ist beruflich voll ausgelastet und hat Anspruch auf Urlaub. 3. Die dreimonatige Wartezeit des BremUrlG ist kalendermäßig zu berechnen, auch wenn es sich um lediglich teilbeschäftigte Arbeitnehmer handelt. 4. § 7 BremUrlG ist nicht auf den Vergütungsanspruch teilbeschäftigter Arbeitnehmer anwendbar. Sie erhalten Urlaubsgeld in Höhe der Vergütung für die von ihnen regelmäßig abgeleistete tatsächliche Arbeitszeit. L A G Bremen vom 20. 9. 1950 — Sa 47/50 — A P 51 Nr 94 mit krit Anm Niktsch = DB 1950, 524 «= ARSt V I , 627 - WA 1951, 112 Hinweis: Die Entscheidung entspricht auch nach dem BUrlG der herrsch Meinung; vgl Dersch-Neumann, § 3 Anm 43 mwN. Die Vorschrift des § 11 Abs 1 BUrlG über die Berechnung des Urlaubsentgelts durfte ohne Einschränkung auch für Teilbeschäftigte gelten, wobei Teilbeschäftigung nicht als Kurzarbeit iS von Satz 2 anzusehen ist: Dersch-Neumann, § 11 Anm 59.
Urlaubsanspruch
N r 535
Wartezeit: Beginn BUrlG § 4 Die Wartefrist des § 4 BUrlG beginnt nicht erst mit der Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb, d h mit dem Beginn der tatsächlichen A r beitsleistung, sondern bereits mit dem Inkrafttreten des Arbeitsverhältnisses im rechtlichen Sinne, d h mit dem Tage, an dem der Arbeitnehmer vertragsgemäß seine Dienste antreten sollte. I m § 4 BUrlG wird allein auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abgestellt, so daß — von Fällen des Rechtsmißbrauches abgesehen — Fehltage des Arbeitnehmers den Ablauf der Wartezeit nicht hemmen können, und zwar gleichgültig, ob die Arbeitsversäumnisse vom Arbeitnehmer verschuldet sind oder nicht. ArbG Bremen vom 1. 3. 1965 — 4 Ca 4013/65 — BB 1965, 749 = DB 1965, 937 » AuR 1965, 283 Hinweis: Die Frage ist im Schrifttum umstritten. Wie hier Boldt-Schlephorst, § 4 Anm 3; Dersch-Neumann, 9 4 Anm 26; Gros, AR-Blattel, Urlaub V, A I I 2 a; Heußner, Rdz 72—73; Hueck-Nipperdey, Bd I S 118, 438; Schelp-Herbst, 9 4 Anm 8; anderer Auffassung Borrmann, 9 4 Anm 8; Kammann-Ziepke, 9 4 Anm 3, 4; Natzel, 9 4 Anm 13.
Urlaubsanspruch Urlaubsanspruch
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Wartezeit: Berechnung BremürlG §§ 5, 6 Soll sich nach dem Gesetz das Arbeitsverhältnis um die Zahl der Urlaubstage verlängern, die vor seiner normalen Beendigung nicht mehr gewährt werden konnten, so sind diese Tage in die vorgeschriebene Wartezeit nicht einzurechnen. ArbG Bremerhaven vom 6. 10. 1950 — Ca 493/50 — A P 51 Nr 112 mit zustimm Anm Nikisch
Nr 537 BremürlG
§ 5 Abs 1, § 4 Abs 3
1. Bei Berechnung der Wartezeit sind alle Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, ob sie nun auf Grund desselben Arbeitsverhältnisses oder nur als Aushilfe zurückgelegt sind. 2. Wird die Wartezeit erst gegen Ende des Urlaubsjahres erfüllt, so kann der Urlaub stets insoweit auf das folgende Jahr übertragen werden, als die noch verfügbaren Werktage für die Urlaubsgewährung nicht ausreichen oder infolge Erkrankung des Arbeitnehmers der Urlaub nicht mehr vor Jahresende gewährt werden kann. L A G Bremen vom 13. 7. 1955 — Sa 67/55 — DB 1955, 1228
Urlaubsanspruch
Nr 538
Wartezeit: Betriebszugehörigkeit BremürlG § 5 Abs 1 1. Die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers ist nur dann im Sinne des § 5 Abs 1 des BremUrlG unterbrochen, wenn eine völlige Lösung der arbeitsrechtlichen Beziehung der Partner des Arbeitsvertrages erfolgt ist. 2. Eine Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist deshalb nicht gegeben, wenn ein Bauhandwerker wegen des Eintritts von Frostwetter fristlos entlassen worden ist, die Vertragsteile bei dieser Entlassung aber sogleich vereinbart hatten, daß sich der Arbeitnehmer unmittelbar nach der Beendigung der Frostperiode wieder zur Arbeit bei dem alten Arbeitgeber einfinden sollte, der Arbeitnehmer auch sofort nach dem Ende des Frostwetters wieder eingestellt worden und der Arbeitgeber während der Zwischenzeit im Besitz der Arbeitspapiere des Arbeitnehmers geblieben ist. ArbG Bremen vom 14. 10. 1958 — I I I Ca 3285—86/58 — AP Nr 1 zu 8 5 Abs 1 UrlaubsG Bremen «= BB 1959, 306 = DB 1959, 576 - RdA 1959, 318 Hinweis: Ebenso BAG vom 20. 4. 1961 — 5 AZR 587/59 — A P Nr 2 zu 8 5 UrlaubsG Bremen. Nach 8 4 BUrlG wird nach der überwieg Meinung (Nachweise bei DerschNeumann, 8 4 Anm 37) der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem — rechtUchen, ununterbrochenen — Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses ist gegeben, wenn sie im Baugewerbe aus Witterungsgründen erfolgte und der Arbeitnehmer unmittelbar danach wieder angestellt wird: Dersch-Neumann, % 4 Anm 39 mwN.
Urlaubsanspruch
Nr 539
Wartezeit: Einmalige Erfüllung BremUrlG § 5 1. Die in § 5 BremUrlG bestimmte dreimonatige Wartezeit stellt eine aufschiebende Bedingung der Entstehung des Urlaubsanspruchs dar und braucht nur einmal erfüllt zu werden. Begrifflich zu unterscheiden ist davon der in der ursprünglichen Fassung des Urlaubsgesetzes festgelegte Stichtag, der lediglich den Beginn des jährlichen Urlaubs befristete. 25*
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2. Seit der Novelle vom 25. April 1949 kennt das bremische Urlaubsrecht einen Stichtag nicht mehr. Nach Zurücklegung der Wartezeit kann daher der volle Urlaub vom zweiten Urlaubs jähr an bereits am 1. Januar beansprucht werden. 3. Über die Auslegung eines Gesetzes findet keine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaft statt, die das Gesetz beschlossen hat. 4. Der Richter hat nicht die Aufgabe, besseres Recht zu schaffen, sondern hat die Gesetze so anzuwenden, wie sie beschlossen und verkündet worden sind. Dies gilt auch dann, wenn die Auswirkungen einzelner gesetzlicher Bestimmungen zu berechtigter Kritik Anlaß geben. Es kann ohne zwingende Gründe in einem solchen Falle auch nicht auf eine durch ein Versehen des Gesetzgebers geschaffene Lücke im Gesetz geschlossen werden. L A G Bremen vom 29. 8. 1951 — Sa 19 + 21751 — WA 1952, 17
Urlaubsanspruch
N r 540
Wartezeit — Rechtsmißbrauch BremUrlG §§ 5, 9 Abs 1; BGB § 242 1. Die gesetzliche Wartezeit nach § 5 Abs 1 Brem UrlG braucht nur einmal zurückgelegt werden. I m 2. Urlaubs jähr und später kommen Wartezeiten nicht mehr in Frage. 2. Nach Zurücklegung der Wartezeit im Vorjahr hat der Arbeitnehmer bereits mit Beginn des folgenden Urlaubsjahres, grundsätzlich also mit dem 1. Januar Anspruch auf den vollen Urlaub. Eine anteilmäßige Beschränkung unter analoger Anwendung des § 9 Abs 1 BremUrlG ist nicht zulässig. 3. Die Geltendmachung des vollen Urlaubsanspruchs eines bereits während der ersten Tage des Urlaubs jahres ausscheidenden Arbeitnehmers wird in der Regel als mißbräuchliche Ausnutzung eines gesetzlichen Rechts unzulässig sein. Ein Rechtsmißbrauch liegt jedoch nicht vor, wenn ein im Vorjahr bereits längere Zeit beschäftigter Arbeitnehmer den vollen Urlaubsanspruch nach mehrwöchiger Beschäftigung im neuen Urlaubs jähr erhebt. L A G Bremen vom 7. 6. 1950 — Sa 28/50 — A P 51 Nr 47 mit zustimm Anm Nikisch BB 1950, 480 = DB 1950, 372 - ARSt V I , 355 = WA 1951, 8
«=
Hinweis: I n den Entscheidungsgründen vertrat das L A G mit dem ArbG den Standpunkt, „daß das Ergebnis der jetzt in Bremen geltenden gesetzlichen Bestimmungen in zahlreichen Fällen zu außerordentlich unbefriedigenden und den Notwendigkeiten der Wirtschaft und des Arbeitslebens keineswegs entsprechenden Ergebnissen führen muß".
Urlaubsanspruch
N r 541
Wartezeit — Rechtsmißbrauch: Gesamtabwägung BremUrlG § 5 Abs 1; BGB §242 1. Ein gesetzlich begründeter Anspruch kann wegen Rechtsmißbrauchs nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Berufung darauf Treu und Glauben und dem allgemeinen Rechtsempfinden i n einem solchen Maße widerspricht, daß durch die Zulassung des Anspruchs seitens des Gerichts der Sinn der gesetzlichen Bestimmungen verfälscht und die Rechtsordnung als Ganzes verletzt würde. Es kommt dabei jeweils auf eine Gesamtbeurteilung des Einzelfalles an. Der Richter ist dagegen nicht befugt, über die gesetzlichen Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs hinaus dessen Geltendmachung von der Einhaltung zeitlich fest begrenzter Fristen ein für allemal abhängig zu machen. 2. Ob der nach Zurücklegung der Wartezeit bereits am 1. Januar entstehende Anspruch auf Gewährung des vollen Urlaubs als Rechtsmißbrauch zurückzuweisen ist, bestimmt sich nicht nur nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Tätigkeitsdauer im laufenden Urlaubs jähr allein,
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Urlaubsentgelt
sondern daneben kommt es auch auf die Umstände an, die zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, ferner auf die Person des Kündigenden (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) sowie auf die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten. 3. Einem ohne sein Verschulden am 7. Februar gekündigten Bauarbeiter, der seit dem 25. Juli des Vorjahres im Betriebe tätig war, kann Rechtsmißbrauch danach nicht entgegengehalten werden, wenn er Anspruch auf den vollen gesetzlichen Jahresurlaub erhebt. L A G Bremen vom 29. 8. 1951 — Sa 22/51 — A P 52 Nr 23 = BB 1951, 756 = DB 1951, 1018 - ARSt V I I , 453 = WA 1952, 18 Hinweis: Zustimmend auch für das BUrlG Dersch-Neumann,
§ 13 Anm 69.
N r 542
Urlaubsentgelt Auszahlung vor Urlaubsantritt BremUrlG § 7 Satz 5
Die Bestimmung, daß dem Arbeitnehmer die Urlaubs Vergütung vor Urlaubsantritt auszuzahlen ist, bedeutet keine Vorverlegung der Fälligkeit für ein am Monatsende zahlbares Gehalt. Vielmehr bleibt der Monatsletzte der regelmäßige Fälligkeitstermin. L A G Bremen vom 4. 8. 1948 — Sa 14/48 — BB 1948, 408 = DB 1949, 119 = RdA 1948, 104 mit krit Anm Jüttner = WA 1948, 243 Hinweis: Das Urlaubsentgelt ist ohne Rücksicht darauf, wann sonst die Vergütung fällig ist, vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen. Geschieht das nicht und handelt es sich auch nicht um eine geringfügige Differenz, so kann der Arbeitnehmer, nach DerschNeumann, § 11 Anm 75, den Urlaubsantritt zum festgesetzten Zeitpunkt verweigern. Zum etwaigen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers: L A G Bremen vom 12. 3. 1953 — Sa 11/52 — BremARS Nr 543.
N r 543
Urlaubsentgelt
Auszahlung vor Urlaubsantritt: Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers BremUrlG § 7 Satz 5; BGB § 276 Zahlt der Arbeitgeber das Urlaubsgeld nicht vor Antritt des Urlaubs und verweigert er auch den Urläubsgewährung, so hat er dem Arbeitnehmer den hieraus entstehenden Schaden zu ersetzen. L A G Bremen vom 12. 3. 1952 — Sa 11/52 — ARSt V I I I , 501 Hinweis: Die Auszahlung des Urlaubsentgelts vor Antritt des Urlaubs ist jetzt auch in § 11 Abs 2 BUrlG vorgeschrieben. Zu den Verstößen gegen diese Verpflichtung des Arbeitgebers vgl Dersch-Neumann, § 11 Anm 75.
Urlaubsentgelt Berechnung: Beendigung des Lehrverhältnisses BremUrlG § 6; HandwO § 28; AO über Erziehungsbeihilfen
N r 544 § 6
Ein Lehrling, der im Zeitpunkt der .Lehrbeendigung noch seinen Jahresurlaub gegen den ehemaligen Lehrherrn für die Zeit nach der Lehrbeendigung geltend macht, hat deswegen für diese Urlaubszeit nur Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsvergütung in Höhe der vorherigen Lehrvergütung. ArbG Bremen vom 19. 5. 1958 — 1 Ca 55/58 — A P N r 3 zu § 6 UrlaubsG Bremen = DB 1958, 1131 - RdA 1959, 318 = W A 1958, 253 Hinweis: Die Entscheidung dürfte auch für das geltende. Recht beachtlich sein. Zwar ist nach § 11 Abs 1 Satz 2 BUrlG bei Verdiensterhöhungen', die während des Berechnungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Das setzt bei einem Lehrling aber im allgemeinen voraus, daß er nach bestandener Prüfung als Geselle oder Gehilfe im Betrieb verbleibt: BAG vom 25. 11. 1958 — 2 AZR 265/58 — AP N r 1 t u § 2 UrlaubsG Württ.-Baden; Natzel, § 11 Anm 25. Es kann aber auch den Umständen des Einzelfalles genügen, daß der Lehrling insbesondere nach
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Urlaubsentgelt
vorzeitig abgelegter Prüfung während des Berechnungszeitraumes nach 9 6 Erziehungsbeihilfen AO oder auf Grund vertraglicher Vereinbarung Anspruch auf Gesellenlohn erhält. Vgl L A G Berlin vom 28. 9. 1962 — 3 Sa 68/62 — AP Nr 4 zu 9 6 ErziehungsbeihilfenAO; Dersch-Neumann, 9 11 Anm 24.
Urlaubsentgelt
Nr 545
Berechnung: Tarifliche Vorschrift BGB §§ 133, 157; BremUrlG § 7; MTV vom 31. 7. 1957 zwischen der Bremer Brauer-Sozietät und der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten §9 Nr 5 Bestimmt der Tarifvertrag für die Berechnung der Urlaubsvergütung, daß diese sich nach dem Durchschnittsverdienst eines bestimmten Zeitraums vor Urlaubsantritt richtet, so bleiben tarifliche Erhöhungen des Stundenlohns, die erst während der Urlaubszeit eingeführt worden sind, unberücksichtigt. Auf die Höhe des Lohnausfalls während der Urlaubszeit kommt es nicht an. L A G Bremen vom 8. 4. 1959 — I Sa 13/59 — BB 1959, 959 = ARSt X X I I I , 214 = WA 1959, 253 Hinweis: Von 9 11 Abs 1 und 2 BUrlG abweichende Vereinbarungen der Tarif Vertragsparteien können jetzt im Rahmen des 9 13 Abs 1 getroffen werden, soweit sie nicht das in 91 festgelegte Lebensstandardprinzip beeinträchtigen: Boldt-Schlephorst, 9 11 Anm 26; Borrmann, 911 Anm 22; Dersch-Neumann, 911 Anm 77. Schelp-Herbst, 913 Anm 6, halten in tarifvertraglichen Regelungen des Urlaubsentgelts beim Rückgriff auf den Verdienst eines vergangenen Zeitraumes eine Bestimmung wie die des 9 11 Abs 1 Satz 2 BUrlG (Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen) nicht für entbehrlich.
Urlaubsentgelt
Nr 546
Kurzarbeit BremUrlG §§ 3, 7 1. Nach §§ 3 und 7 BremUrlG kann der Arbeitnehmer auch bei verkürzter Arbeitszeit im Betriebe einen bezahlten Urlaub von 12 Arbeitstagen und für jeden Urlaubstag einen vollen Tagesverdienst beanspruchen. Infolge Kurzarbeit freibleibende Werktage sind in die Urlaubszeit einzurechnen, aber voll zu bezahlen. 2. Von einer Verkürzung der Arbeitszeit infolge eines vorübergehend auftretenden Notstandes muß auch dann gesprochen werden, wenn infolge der Ernährungslage für längere Zeit nur 5 Tage in der Woche gearbeitet worden ist. Anders ist es nur dann, wenn eine grundsätzliche Umstellung der Arbeitszeit des Betriebes auf weniger als 48 Wochenstunden erfolgt, so daß diese Arbeitszeit nunmehr die regelmäßige Arbeitszeit darstellt. L A G Bremen vom 20. 11. 1948 — Sa 33/48 — RdA 1949, 275 mit zustimm Anm Hueck
Urlaubsentgelt
Nr 547
Pfändbarkeit ZPO §§ 850 a, 850 c; BGB § 399 Urlaubsvergütung, die an Stelle des Arbeitslohnes während der Freizeit des Urlaubs gezahlt wird, ist schlechthin als Arbeitseinkommen anzusehen und unterliegt sowohl dem Lohnsteuerabzug, der Sozialversicherung als auch der Pfändung nach §§ 850 ff ZPO. Dies gilt nicht nur zugunsten gesetzlicher Unterhaltungsansprüche, sondern zugunsten aller Geldforderungen. ArbG Bremen vom 12. 4. 1956 — I Ca 486/55 — A P Nr 2 zu 9 »50 a ZPO mit zustimm Anm Pohle = BB 1956, 562 - WA 1956, 119 Hinweis: Die Ansicht des Arbeitsgerichts von der Pfändbarkeit des Urlaubsentgelts Wird in zunehmendem Maße im Schrifttum (Nachweise bei Dersch-Neumann, 9 1 Anm 68) mit der Begründung geteilt, dei Arbeitnehmer solle im Urlaub nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als während der Zeit der Tätigkeit. Dabei kommen jedoch Zweckbestimmung, Zweckgebundenheit und Einheitlichkeit des Ur-
Urlaubsentgelt
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laubs offensichtlich zu kurz. Es wird daher mit der nach wie vor überwieg Meinung davon auszugehen sein, daß der Anspruch auf das Urlaubsentgelt nicht gepfändet oder verpfändet werden kann. Ebenso L A G Bremen vom 11. 1. 1956.— Sa 146/55 — AP Nr 1 zu § 850 a ZPO mit krit Anm Pohle = BremARS N r 548 — und vom 3. 10. 1956 — I Sa 78/56 — AP Nr 17 zu § 611 BGB Urlaubsrecht mit zustimm Anm Dersch = BremARS Nr 549; Dersch-Neumann, § 1 Anm 69—71 mwN.
Urlaubsentgelt
N r 548
Pfändbarkeit wegen Unterhaltsansprüchen ZPO §§ 850 a Nr 2, 850 d Abs 1, 851 Abs 2; BGB § 399; GG Art 3 1. Die Übertragbarkeit und damit zugleich auch die Pfändung der Urlaubsvergütung ist gemäß § 399 BGB in Verbindung mit § 851 Abs 2 ZPO im Regelfalle trotz § 850 a Nr 2 ZPO unzulässig. Das schließt aber nicht eine Pfändung wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches der Angehörigen des Arbeitnehmers aus, da die Leistung an diesen Personenkreis „ohne Veränderung ihres Inhalts" erfolgen kann und lediglich eine vorweg genommene Verfügung unter Aufteilung des Vergütungsbetrages darstellt, die an sich eine rechtliche und sittliche Verpflichtung des Anspruchsberechtigten selbst sein würde. Wenn nämlich die Urlaubsvergütung nach heutiger Rechtsauffassung auch eine untrennbare rechtliche Einheit mit der zugehörigen Freizeitgewährung bildet und kein Arbeitslohn im eigentlichen Sinne ist, so behält sie dennoch den rechtlichen Charakter einer zur Sicherung des Unterhalts der gesamten Familie gewährten Leistung bei. 2. Das gleiche gilt für eine Pfändung wegen der gesetzlichen Unterhaltsansprüche eines unehelichen Kindes gemäß Art 3 Abs 3 GG. L A G Bremen vom 11. 1. 1956 — Sa 146/55 — AP N r 1 zu § 850 a ZPO mit krit Anm Pohle « RdA 1956, 317 - BB 1956, 339 = DB 1956, 164 - WA 156, 154
Urlaubsentgelt
N r 549
Unpfändbarkeit BGB §§ 399, 611; ZPO §§ 850 a Nr 2, 850 Abs 2; BremUrlG § 6 Abs 1 1. Der Anspruch auf Urlaubs Vergütung ist grundsätzlich unpfändbar (§ 851 Abs 2 ZPO). Er stellt kein während der Urlaubszeit fällig werdendes und weitergezahltes Arbeitsentgelt dar. Die Urlaubsvergütung kann infolgedessen auch der Höhe nach von dem Lohnanspruch abweichen. 2. Der Anspruch auf Urlaubsvergütung kann grundsätzlich nur im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Freizeit geltend gemacht werden, da beide Ansprüche eine rechtliche Einheit bilden. Die Urlaubsvergütung kann daher und mit Rücksicht auf den sozialen Zweck des Urlaubs nicht ohne Veränderung ihres Inhalts an einen Dritten gewährt werden. Sie ist daher unabtretbar nach § 399 BGB. 3. Der Anspruch auf Urlaub hat zwar wie alle sonstigen arbeitsrechtlichen Ansprüche sozialrechtlichen Charakter, jedoch schließt das die Anwendung der Bestimmungen des BGB nicht aus, soweit sich nicht im Einzelfall eine Modifizierung dieser Bestimmungen aus dem Wesen des Arbeitsverhältnisses zwingend ergibt. Die Bestimmung des §399 BGB ist danach anzuwenden. 4. Die Zweckgebundenheit des Anspruchs auf Urlaubsvergütung besteht jedenfalls dann, wenn es sich um die Erfüllung des Anspruchs im Zusammenhang mit bereits gewährter Freizeit handelt. 5. Die Sondervorschrift des §850a N r 2 ZPO schließt die Unpfändbarkeit des Anspruches auf Urlaubsvergütung nach § 851 Abs 2 ZPO nicht aus. Die als Beweggrund für die Schaffung des § 850 a N r 2 ZPO wirksam gewesene Rechtsansicht über den Rechtscharakter des Urlaubsanspruchs in Rechtslehre und Rechtsprechung ist überholt. Es sprechen auch keine rechtspolitischen Gesichtspunkte für die Aufrechterhaltung der Pfändbarkeit des A n spruchs auf Urlaubsvergütung. L A G Bremen vom 3. 10. 1956 — I Sa 78/56 — A P N r 17 zu § 611 BGB Urlaubsrecht mit zustimm Anm Dersch - RdA 1957, 198 - W A 1956, 390 - DB 1956, 1087
392
Urlaubsmarkenregelung
Urlaubsmarkenregelung
Nr 550
Eigentum an Urlaubskarte BremUrlG § 5 Abs 2, § 7; RTV Bau vom 6. 7. 1956 § 8 1. Zwischen dem Arbeitgeber, der eine Urlaubskarte der Gemeinnützigen Urlaubskasse für die Bauwirtschaft zur Einlösung vorlegt, und dem Arbeitnehmer, dem diese Urlaubskarte gehört, besteht ein Auftrags Verhältnis, auf Grund dessen der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer gemäß § 667 BGB den von der Urlaubskasse ausgezahlten Gegenwert der Urlaubsmarken herauszugeben. 2. Eigentümer der nach § 8 R T V Bau vom 6. Juli 1956 in Verbindung mit der in Anhang 2 getroffenen Urlaubsmarkenregelung ausgestellten Urlaubskarte ist der Arbeitnehmer, auf dessen Namen sie ausgestellt ist. Ihm steht auch sowohl der Anspruch auf Auszahlung des Urlaubsgeldes gegen die Gemeinnützige Urlaubskasse für die Bauwirtschaft als auch der Anspruch auf Freigabe der Urlaubskarte beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs 2 der Urlaubsmarkenregelung zu. Der Arbeitgeber, der den Urlaub gewährt, hat selbst keinen Anspruch gegen die Urlaubskasse aus eigenem Recht. L A G Bremen vom 24. 7. 1957 — Sa 57 + 65/57 — DB 1957, 824 = ARSt X I X , 104 «= WA 1957, 289 Hinweis: Die Urlaubsmarkenregelung im Baugewerbe ist durch den TV vom 12. 11. 1960 aufgehoben und wird danach nur noch abgewickelt. Es gilt jetzt die Urlaubskassenregelung. Vgl Dersch-Neumann, § 13 Anm 81—89 mwN.
Urlaubsrecht
N r 551
Günstigkeitsvergleich BremUrlG § 3 Abs 2, § 5 Abs 2, § 6 Satz 3, § 10 1. Bei der Anwendung des Günstigkeitsgrundsatzes ist nicht auf die Gesamtheit aller Arbeitnehmer des in Frage kommenden Wirtschaftszweiges und auch nicht auf die Gesamtheit aller Betriebsangehöriger abzustellen, sondern auf das einzelne Arbeitsverhältnis. Der einzelne Arbeitnehmer darf sich jedoch nicht etwa neben den von ihm in Anspruch genommenen günstigeren Tarifnormen auch noch auf besonders günstige Gesetzesnormen berufen. Der Günstigkeitsgrundsatz läßt sich nur rechtfertigen, wenn er zugleich als ein objektiver Maßstab aufgefaßt wird. 2. Bei dem Vergleich zwischen Gesetz und Tarifvertrag zur Feststellung der günstigeren Urlaubsregelung müssen sämtliche Bestimmungen einheitlich gewürdigt werden, die im inneren Zusammenhang miteinander stehen und dem gemäß auch vom Gesetzgeber bzw. von den Tarifpartnern gegeneinander abgewogen worden sind. Eine andere Lösung würde jede tarifliche Sonderregelung entwerten. Es kann daher beim Vergleich verschiedener Urlaubsregelungen im Einzelfall nicht nur auf die Urlaubsdauer abgestellt werden, sondern es müssen im Zusammenhang damit auch die Bestimmungen über die Wartezeit, das jährliche Entstehen des Urlaubsanspruchs und die Höhe der Urlaubsvergütung miteinander verglichen werden. L A G Bremen vom 24. 10. 1956 — I Sa 93/56 — BB 1956, 1067 = DB 1956, 1088 = ARSt X V I I , 463, 471 = WA 1957, 42 Hinweis: Ähnlich zum alten Recht BAG vom 20. 7. 1961 — 5 AZR 343/60 — BAG 11, 217 = AP Nr 3 zu § 10 UrlaubsG Hamburg. Der nach dem BremUrlG erforderliche Günstigkeitsvergleich, der in der Vergangenheit zu zahlreichen Arbeitsstreitigkeiten Anlaß gab, hat nach dem BUrlG, das nach Maßgabe seines § 13 Tarifverträgen den Vorrang einräumt (Vorrangsprinzip), seine größere praktische Bedeutung verloren. Das Günstigkeitsprinzip gilt danach nur noch für die Konkurrenz zwischen den §§ 1, 2 und 3 Abs 1 BUrlG und Tarifverträgen sowie zwischen dem ganzen Gesetz einerseits und Einzelarbeitsverträgen andererseits. Vgl im einzelnen Dersch-Neumann, § 13 Anm 25—28, 40—53.
Urlaubstage
393 Nr 552
BremUrlG
§ 10
Bei einem Günstigkeitsvergleich konkurrierender Urlaubsnormen ist nicht auf die Gesamtheit der betroffenen Arbeitnehmer abzustellen, sondern auf das einzelne Arbeitsverhältnis. Der einzelne Arbeitnehmer kann sich jedoch aus den konkurrierenden Urlaubsregelungen nicht die für ihn jeweils günstigeren Einzelbestimmungen heraussuchen, da dies zu einer Kombinierung der beiden Urlaubsregelungen führen würde, die nicht vorgesehen ist. Der Grundsatz der Günstigkeitsabwägung läßt sich vielmehr nur rechtfertigen, wenn sämtliche in einem offensichtlich inneren Zusammenhang miteinander stehenden Bestimmungen jeder einzelnen Urlaubsregelung zusammengefaßt und gruppenweise im Hinblick auf die urlaubsrechtliche Lage des betroffenen Arbeitnehmers miteinander verglichen werden. Dieser Vergleich kann jedoch nicht losgelöst vom EinzelarbeitsVerhältnis vorgenommen werden, so daß also nur solche Vorteile oder Nachteile in Betracht gezogen sind oder doch wirksam hätten werden können. Eine Verlängerung der Urlaubsdauer, die erst nach einer Betriebszugehörigkeit von vier Jahren wirksam wird, kann daher nicht berücksichtigt werden, wenn der Arbeitnehmer bereits nach viermonatiger Beschäftigung ausscheidet. L A G Bremen vom 30. 11. 1960 — 1 Sa 122/60 — BB 1961, 604 « DB 1961, 508
Urlaubsrecht
N r 553
Vorrang tarifvertraglicher Urlaubsregelungen BUrlG §3 Abs 1,§ 5 Abs I, § 13 Abs 1 1. Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs 1 Satz 1 und 2 BUrlG gilt das Vorrangsprinzip und nicht das Günstigkeitsprinzip. Der Vorrang abweichender Bestimmungen in Tarifverträgen i S von § 13 Abs 1 Sätze 1 und 2 BUrlG erstreckt sich gleichermaßen auf bei Erlaß des Gesetzes bestehende wie auf nach seinem Inkrafttreten neu vereinbarte tarifvertragliche Urlaubsregelungen. 2. Eine tarifvertragliche Urlaubsregelung, nach welcher der Urlaub für einen vorübergehend (nicht länger als 6 Monate) beschäftigten Arbeiter, der nicht Saisonarbeiter ist, einen Werktag (und damit weniger als ein Zwölftel des gesetzlichen und tarifvertraglichen vollen Jahresurlaubs) beträgt, weicht nicht von der unabdingbaren Grundnorm des § 3 Abs 1 BUrlG oder von allgemein anerkannten Urlaubsgrundsätzen ab. Aus der Gewährleistung eines vollen Urlaubsanspruchs von mindestens 15 bzw 18 Werktagen in § 3 Abs 1 ist nicht zu folgern, daß dieser auch bei kurzer, vorübergehender Beschäftigung, bei Arbeitsplatzwechsel und dergleichen nicht anders als nach Maßnahme von § 5 BUrlG eingeschränkt werden darf. L A G Bremen vom 3. 3. 1964 251
2 Sa 10/64 — BB 1964, 514 - DB 1964, 484 = AuR 1964,
Hinweis: Ebenso wie LS 1 und ähnlich wie LS 2 BAG vom 9. 7. 1964 — 5 AZR 463/63 — und 3. 12. 1964 — 5 AZR 486/63 — A P Nr 2 und 4 zu § 13 BUrlG; vgl auch Borrmann, § 5 Anm 15; Dersch-Neumann, § 5 Anm 34.
Urlaubstage
Nr 554
Arbeitsfreier Samstag: Anrechnung — Urlaubsentgelt BremUrlG § 3 Abs 3, § 7 Satz 2 und 3 1. I m Urlaubsrecht zählt der arbeitsfreie Samstag als Arbeitstag. 2. Für die Berechnung des Urlaubsgeldes kommt es nicht darauf an, wieviel Stunden im Betrieb an den in die Urlaubszeit fallenden Arbeitstagen gearbeitet werden.
394
Urlaubstage
L A G Bremen vom 28. 10. 1953 — Sa 142/53 — ARSt X I , 489, 491 Hinweis: Ähnlich mit der herrsch Meinung BAG vom 26. 10. 1956 — 1 AZR 184/56 — A P Nr 16 zu § 611 BGB Urlaubsrecht. Die Rechtslage ist nach der klarstellenden Vorschrift des § 3 Abs 2 BUrlG, wonach als Werktage alle Kalendertage gelten, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind, unverändert; vgl. nur Dersch-Neumann, 9 3 Anm 29—33 mwN.
Urlaubstage
N r 555
Arbeitsfreier Samstag: Betriebsferien — Anrechnung BremUrlG § 3 Abs 2, Abs 4 Satz 2, § 6 Satz 2; BGB §§ 242, 315; BetrVG § 56 Abs 1 Buchst c; MTV für die Süßwarenindustrie vom 12. 3. 1958/17. 7. 1959 § 9 1. Bei der auf Werktage als Urlaubstage abgestellten tariflichen Regelung können (abgesehen von der ausdrücklichen Regelung des § 3 Abs 4 Satz 2 BremUrlG) systematische Bedenken gegen die Behandlung der arbeitsfreien Sonnabende als Urlaubstage um so weniger erhoben werden, als es jedenfalls mit dem Erholungszweck des Urlaubs sachlich nicht begründet wäre, Arbeitnehmern, die nur 5 Tage in der Woche arbeiten, einen längeren Urlaub als solchen Arbeitnehmern zu gewähren, welche wöchentlich die gleiche Zeit an 6 Tagen arbeiten. 2. Die Festlegung des Urlaubsbeginns durch den Arbeitgeber auf einen arbeitsfreien Sonnabend wird in vielen — wenn nicht in den meisten —Fällen durchaus unbillig sein und gegen den unsere gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Unter besonders gelagerten Umständen kann aber eine abweichende Feststellung getroffen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Festlegung des Urlaubsbeginns auf einen arbeitsfreien Sonnabend im Wege betrieblicher Einigung des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat erfolgt ist und die Bestimmung der konkreten Urlaubszeit durch den Arbeitgeber weder im Sinne von §315 Abs 3 BGB als unbillig noch als unzulässige, mißbräuchliche Rechtsausübung des Arbeitgebers im Sinne von § 242 BGB erscheint. 3. Die Bestimmung der konkreten Urlaubszeit durch den Arbeitgeber ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn der Grundurlaub von 12 A r beitstagen nach dem Urlaubsplan in die Betriebsferien gelegt wird, bei deren Festsetzung auf die Interessen eines großen Teils der Arbeitnehmer Rücksicht genommen wurde, und wenn der über 12 Arbeitstage hinausgehende Urlaub wegen betrieblicher Notwendigkeit (Beginn der Hauptsaison für den Betrieb) nicht im unmittelbaren Anschluß an die Betriebsferien, sondern nur unmittelbar vor den Betriebsferien gewährt werden kann. L A G Bremen vom 13. 12. 1960 — 2 Sa 118 + 143/60 — BB 1961, 904 - DB 1961, 1071 » AuR 1961, 348 = WA 1961, 181 Hinweis: Zu den Schwierigkeiten bei der Anrechnung des arbeitsfreien Samstags im Interesse der gleichmäßigen Behandlung aller Arbeitnehmer und zu den sich bei Betriebsferien ergebenden Fragen vgl Dersch-Neumann, 9 3 Anm 32, 9 7 Anm 32—34.
Urlaubstage Wochenfeiertage: Anrechnung Urlaubsabkommen für die Metallindustrie 12.5.1961
N r 556 im
Unterwesergebiet
vom
1. Gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, sind auf die Urlaubszeit nicht anzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn ein gesetzlicher Feiertag auf einen arbeitsfreien Werktag fällt, beispielsweise auf einen Sonnabend im Rahmen der auf Montag bis Freitag verteilten 44—Stunden-Woche. Die Berechnung des Urlaubs erfolgt unabhängig von den Umständen, die die arbeitenden Betriebsangehörigen betreffen. Ein arbeitsfreier Werktag, auf den bei fünftägiger Arbeitszeit ein gesetzlicher Feiertag fällt, verliert daher grundsätzlich seinen Werktagscharakter und muß als Feiertag gewertet
Verein, nicht rechtsfähiger
395
werden. Die Urlaubszeit verlängert sich damit um einen weiteren echten Werktag. 2. Verlängert sich der Urlaub um einen Werktag, weil ein Wochenfeiertag in die Urlaubszeit fällt, so muß die Urlaubsvergütung auch für den Verlängerungstag entrichtet werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche der Wochenfeiertag auf den arbeitsfreien Sonnabend fällt, für welchen bei der Einrechnung in eine volle U r laubswoche sonst keine besondere Vergütung neben dem an den fünf ersten Wochentagen erzielten Wochenarbeitsverdienst gewährt wird. 3. Diese Berechnung der Urlaubs Vergütung gilt jedenfalls auf Grund des Urlaubsabkommens für die Metallindustrie im Unterwesergebiet vom 12. Mai 1961, da nach dieser Regelung der Wochenarbeitsverdienst von fünf Arbeitstagen lediglich die Urlaubsvergütung für volle Urlaubswochen darstellt und im übrigen für jeden einzelnen Urlaubstag die jeweils in Frage kommende tägliche Arbeitszeit zu vergüten ist. Wochen, in welche ein Wochenfeiertag fällt, sind keine vollen Urlaubswochen. L A G Bremen vom 14. 2. 1962 — 1 Sa 163/61 — BB 1962, 522 « DB 1962, 575 » AuR 1962, 187 = WA 1962, 145 Hinweis: Zustimmend Dersch-Neumann, § 3 Anm 27 a. Vgl auch BAG vom 7. 2. 1963 — 5 AZR 32/62 — AP Nr 2 zu S 611 BGB Urlaub und Fünf-Tage-Woche und LAG Bremen vom 4. 11. 1959 — I I Sa 115/59 — DB 1960, 211 = BremARS N r 177. Durch § 3 Abs 2 BUrlG ist zwar die frühere Streitfrage dahin geklärt, daß als Werktage iS des BUrlG alle Kalendertage gelten, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Doch kann gemäß § 13 von der Vorschrift des fi 3 Abs 2 BUrlG in Tarifvertragen abgewichen werden.
V e r e i n i n Liquidation
N r 557
Handlungsfähigkeit: Ausführung übernommener Dienstleistungen durch A n gestellte BGB § 49 Abs 1 Durch die Beschränkung der Rechtsfähigkeit eines Liquidationsvereins gemäß § 49 Abs 1 BGB wird auch die Vertretungsmacht der Liquidatoren in gleicher Weise begrenzt. Zu einer Liquidation gehört jedoch nicht nur die Umsetzung vorhandener Vermögensstücke in Geld und die Befriedigung der Gläubiger, sondern auch nach der ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes die Beendigung der laufenden Geschäfte, d h aber, die Erfüllung laufender vertraglicher Verpflichtungen. Ein Liquidationsverein kann daher auch weiterhin die vor Beginn der Liquidation vertraglich übernommenen Dienstleistungen durch seine Angestellten ausführen lassen. L A G Bremen vom 7. 1. 1959 — I Sa 97/57 — BB 1959, 412 » DB 1959, 292, 407
Verein, nicht rechtsfähiger
N r 558
Merkmale: Litauische Evang-Luth-Exilkirche ZPO § 50 Abs 2; BGB § 54 1. Die Litauische Evang-Luth-Exilkirche ist nach ihrer Organisation und nach den von ihr verfolgten Zwecken ein nicht rechtsfähiger Verein, d h eine zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks gegründete freiwillige Personenvereinigung, die auf Dauer angelegt und vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist sowie über eine körperschaftliche Verfassung und einen Gesamtnamen verfügt. Das Fehlen einer schriftlichen Satzung und gewisse Mängel in der Zusammenarbeit der Vereinsorgane schließen das Vorhandensein einer körperschaftlichen Verfassung nicht aus, ebensowenig die Tatsache, daß eine Liste der Mitglieder nicht vorhanden ist, da der in Frage kommende Personenkreis durch Volkstumszugehörigkeit, Sprache, Glauben und Schicksal fest umrissen und zusammengeschlossen ist und die nach jahrelanger Übung gebildeten Organe in der Lage sind, einen Gesamtwillen zu bilden und für den Verein zu handeln.
396
Vergleichsverzicht
2. Die Litauische Evang-Luth-Exilkirche kann als nicht rechtsfähiger Verein durch das zur Vertretung berufene Vereinsorgan Arbeitsverträge rechtswirksam abschließen und kündigen, 3. Dienstleistungen, die in der kirchlichen Betreuung einer zum selben Bekenntnis gehörenden Personengruppe bestehen, erfolgen nicht auf Grund und im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, wenn sie ehrenamtlich und aus allgemein menschlich-christlichen Gründen erfolgen und die seelsorgerische Betreuung nicht von der durch eine kirchliche Organisation gewährten geldlichen Unterstützung abhängt. L A G Bremen vom 29. 3. 1960 — I I Sa 153/59 — AuH 1960, 380
Vergleichsverzicht
Nr 559
Vergleich über tatsächliche Voraussetzungen tariflicher Ansprüche TVG § 4 Abs 4 Satz 1 Für die Rechtswirksamkeit eines Vergleichs über die tatsächlichen Voraussetzungen strittiger tariflicher Ansprüche ist die Billigung der Tarifvertragsparteien nicht erforderlich. Die Bestimmung des § 4 Abs 4 Satz 1 T V G ist einschränkend auszulegen, da sie eine erhebliche Beschränkung der Verfügungsgewalt aller tarifgebundenen Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zur Folge hat; sie ist daher nur dann anwendbar, wenn ein Arbeitnehmer im Wege eines Vergleichs entgegen der grundsätzlichen Unabdingbarkeit der Tarifnormen auf einen ihm zustehenden tariflichen Rechtsanspruch verzichtet. L A G Bremen vom 1. 6. 1956 — I Sa 14/56 — BB 1956, 721 = DB 1956, 919 = ARSt X V I , 620, 643 = WA 1956, 281 Hinweis: Der Entscheidung ist die jetzt herrsch Meinung gefolgt; vgl nur HuechNipp er dey-Stahlhacke, $ 4 Anm 124 mwN.
Verjährung
N r 560
Sdiadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung BGB §§ 195, 276 Schadensersatzansprüche aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung verjähren auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 195 BGB erst in 30 Jahren. L A G Bremen vom 8. 4. 1964 — 1 Sa 50/62 — BB 1964, 759 « DB 1964, 738 = AuR 1964, 317, 1965, 59 = WA 1964, 199 Hinweis: Ebenso BAG vom 24. 3. 1961 — 1 AZR 477/59 — AP Nr 1 zu § 195 BGB.
Verjährung
N r 561
Unterbrechung durch Zahlungsbefehl: Rückwirkung auf Antragstellung BGB § 209 Abs 2 Nr 1; ZPO § 261b Abs 3 Nach § 261 b Abs 3 ZPO tritt bei Beantragung eines Zahlungsbefehls eine Fristwahrung im Wege der Rückwirkung auf das Datum der Antragstellung nur dann ein, wenn der vor Ablauf der Frist eingereichte Antrag den gesetzlichen Erfordernissen entsprochen hat. Erfolgt dagegen die Zustellung des Zahlungsbefehls erst nach Ablauf einer Verjährungsfrist, weil der Antragsteller zunächst noch Beanstandungen des Rechtspflegers beseitigen mußte, so geht diese Verzögerung zu Lasten des Antragstellers und schließt die Fristwahrung aus. L A G Bremen vom 8. 4. 1964 — 1 Sa 50/62 — BB 1964, 759 «= DB 1964, 738 = AuR 1964, 317, 1965, 59 = WA 1964, 199 Hinweis: Nach herrsch Meinung geht eine von dem Antragsteller verschuldete Verzögerung der Zustellung zu seinen Lasten; so etwa BGH vom 29. 6. 1957 — I I ZR 88/57 — BGHZ 25, 66.
Versetzung Verlängerung des Arbeitsverhältnisses
397 Nr 562
über das 65. Lebensjahr hinaus BGB §§ 620 Abs 1, 625 Wird ein 65jähriger Arbeitnehmer weiterbeschäftigt, obwohl das Arbeitsverhältnis nach Tarifbestimmung mit Vollendung des 65. Lebensjahres ohne Kündigung endet, so entsteht ein neues Arbeitsverhältnis auf Zeit, das den Bestimmungen des KSchG unterliegt. ArbG Bremerhaven vom 19. 11. 1954 — Ca 601/54 — DB 1955. 123
Versäumnisurteil
N r 563
gegen Berufungskläger ZPO §§ 87, 542 1. Die ordnungsmäßig eingelegte und begründete Berufung des Berufungsklägers wird, wenn er im Termin nicht erschienen ist, als unbegründet durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. 2. Der Berufungskläger war zum Termin auch dann ordnungsmäßig geladen, wenn die Ladung seinem bisherigen Prozeßbevollmächtigten zugestellt war, der angezeigt hatte, daß er den Berufungsbeklagten nicht mehr vertrete. L A G Bremen vom 10. 10. 1951 — Sa 43/51 — AP 53 Nr 114 mit zustimm Anm Wieczorek
Versäumnisurteil
N r 564
Säumnis vor L A G ZPO §§ 330, 331, 542; ArbGG § 11 Abs 2 Erscheint vor dem Landesarbeitsgericht eine Partei zur mündlichen Verhandlung ohne einen nach § 11 Abs 2 ArbGG zur Prozeß Vertretung zugelassenen Vertreter, so ist sie säumig. Da sie selbst nicht verhandeln kann, gilt sie als nicht erschienen. Es gelten die Vorschriften über das Versäumnisverfahren. L A G Bremen vom 15. 10. 1947 — Sa 24/47 — RdA 1949, 37 mit zustimm Anm Poelmann
Versetzung
N r 565
Zulässigkeit: Kraftfahrer BGB § 611 I m Rahmen seiner Leitungs- und Weisungsbefugnis ist der Arbeitgeber zur Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz befugt, wenn die Versetzung im Interesse des Betriebs erforderlich ist und mit ihr weder eine Schmälerung des Lohns noch eine ungerechtfertigte Maßregelung des Arbeitnehmers verbunden ist. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei der Versetzung auf die Würde des Arbeitnehmers die gebotene Rücksicht zu nehmen. L A G Bremen vom 20. 8. 1952 — Sa 25/52 — DB 1952, 764 = RdA 1952, 398 = ARSt I X , 58, 77 »= WA 1952, 345 Hinweis: Zu Begriff und Zulässigkeit der Versetzung vgl BAG vom 10. 11. 1955 — 2 AZR 591/54 — BAG 2, 221 - A P N r 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht — und vom 20. 1. 1960 — 4 AZR 267/59 — BAG 8, 338 = AP Nr 8 zu S 611 BGB Direktionsrecht.
Versetzung
N r 566
Zulässigkeit: Kauf haus-Abteilungsleiterin BGB §§ 133, 157, 242; TVG § 4 Abs 3; KSchG §§ 11, 7, 8; MTV für die kaufm Angestellten, Lehrlinge, Anlernlinge und gewerbl Arbeitnehmer des Einzelhandels im Gebiet des Landes Bremen vom 5. 7. 1960 § 8 1. Bestimmt ein — im Gebiet eines Landes geltender — M T V im Rahmen einer erschöpfenden Regelung der Pflichten des Arbeitnehmers, insbeson-
Versetzung
398
dere auch der Versetzungsfrage, der Arbeitnehmer sei verpflichtet, sich in eine andere Betriebsabteilung versetzen zu lassen, dann ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, ohne sein Einverständnis seiner Versetzung in einen anderen Betrieb desselben Unternehmens Folge zu leisten. Die abweichende, umfassendere Versetzungsklausel des vor Inkrafttreten des M T V abgeschlossenen Einzelarbeitsvertrages wird als für den Arbeitnehmer ungünstigere Regelung durch die Versetzungsbestimmung des M T V verdrängt. 2. Selbst wenn in dem M T V keine erschöpfende Regelung der Versetzungsfrage zu sehen, wenn also die Versetzungsbestimmung des M T V nicht zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden ist, findet die Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers dort ihre Grenze, wo die von diesem erstrebte Maßnahme dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben, namentlich mit Rücksicht auf besondere persönliche Umstände wie vorgerücktes Alter und familiäre Verhältnisse, nicht zumutbar ist. Unzumutbarkeit kann bei einer Abteilungsleiterin eines Kaufhausbetriebes gegeben sein, die 52 Jahre alt, Kriegerwitwe und Eigentümerin eines Einfamilienhauses am Sitz des Betriebes ist sowie hier 2 unverheiratete Kinder von 21 und 24 Jahren zu betreuen hat. Das gilt auch dann, wenn gehobene Angestellte großer Kaufhäuser zu den Berufen gehören, bei denen Versetzungen nicht unüblich sind, und Kaufhausunternehmen ein besonderes Interesse daran haben, bewährte Angestellte namentlich in neu errichteten anderen Betrieben (Zweigniederlassungen) des Unternehmens als Führungskräfte einzusetzen. Der Arbeitgeber kann gleichwohl gehalten sein, sein Interesse an der Versetzung gegenüber den besonderen persönlichen Belangen der Abteilungsleiterin zurücktreten zu lassen. L A G Bremen vom 22. 5. 1962 — 2 Sa 16/62 — DB 1963, 735 - AuR 1963, 317 Hinweis: I n der Revisionsinstanz haben sich die Parteien auf Vorschlag des BAG verglichen.
Versetzung
N r 567
Zulässigkeit — Mitwirkung Betriebsrat: Bauarbeiter BGB § 611; BetrVG § 60 Abs 3 Satz 2 Die Versetzung eines Bauarbeiters von einer Baustelle zur anderen kann der Arbeitgeber ohne Mitwirkung des Betriebsrats im Rahmen seines Weisungsrechts durchführen. Ist die Versetzung aus betrieblichen Gründen erforderlich, so ist sie auch dann zulässig, wenn sie entgegen einer betrieblichen Übung durchgeführt wird, die Arbeiter möglichst auf der in der Nähe ihrer Wohnung liegenden Baustelle zu beschäftigen. L A G Bremen vom 16. 1. 1957 — I Sa 131/56 — BB 1957, 329 «* DB 1957, 120 = WA 1957, 105 Hinweis: § 60 Abs 3 Satz 2 BetrVG gestattet nach dem Willen des Gesetzgebers vor allem Entsendungen an auswärtige Baustellen im Baugewerbe oder die Beschäftigung von Monteuren an auswärtigen Orten ohne personelle Mitbestimmung des Betriebsrates, um den besonderen Verhältnissen üblicherweise nicht am gleichen Ort beschäftigter Arbeitnehmer Rechnung zu tragen.
Versorgungsanspruch
N r 568
nach Beamtenrecht — Fristlose Kündigung: Syndikus einer Arbeitnehmerkammer BGB §§ 242, 626 1. Den Syndikern der Arbeitnehmerkammern in Bremen steht ein Anspruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung „in Anwendung der für die Beamten bestehenden gesetzlichen Bestimmungen" zu, der hinsichtlich der beiden genannten Ansprüche eine völlige Gleichstellung der Syndiker mit den Beamten zur Folge hat, obgleich sich die sog Kammerbeamten im übrigen in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Kammer befinden. Die
Vertragsbruch des Arbeitgebers
399
Sonderstellung der Syndiker hat demgemäß zur Folge, daß nicht nur die Bemessung ihrer Versorgungsansprüche, sondern auch deren Entstehung u n d Fortfall nach den für die bremischen Beamten jeweils geltenden Bestimmungen zu beurteilen sind. 2. Der Versorgungsanspruch der Syndiker . der bremischen Arbeitnehmerkammern entfällt nicht ohne weiteres im Falle einer fristlosen Entlassung, auch wenn diese auf schwere Vertragsverletzungen gestützt worden ist, da die beamtenrechtlichen Vorschriften nicht entsprechend, sondern unmittelbar anzuwenden sind und die Versorgungsansprüche der Beamten nur dann entfallen, wenn die schwerste Dienststrafe, die Entfernung aus dem Dienst, verhängt worden ist. Der Versorgungsanspruch beschränkt sich jedoch auf Ruhegehalt bei Erreichung der Altersgrenze oder Dienstunfähigkeit sowie auf Hinterbliebenenversorgung und umfaßt kein Übergangsgeld. Einem fristlos entlassenen Syndikus stehen daher bis zum Eintritt des Versorgungsfalles irgendwelche Ansprüche gegen die Kammer nicht zu. 3. Ein fristlos entlassener Kammersyndikus, dem nach beamtenrechtlichen Vorschriften beim Eintritt des Versorgungsfalls ein Anspruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenen Versorgung zusteht, hat keinen Anspruch auf freiwillige Nachversicherung durch die Kammer, auch wenn er seine ursprüngliche Angestelltenversicherung auf Grund der Pensionszusage und mit Rücksicht darauf aufgegeben hatte, daß sein Gehalt die Versicherungsgrenze überschritt. L A G Bremen vom 27. 1. 1960 — I Sa 127/59 — AuR 1960, 282
Vertagung
N r 569
Erheblicher Grund — Wirkung als Aussetzung ZPO § 227 Abs 2 und 3, § 252; GG Art 103 1. Ein erheblicher Grund zur Vertagung des Rechtsstreits auf Antrag einer Partei besteht bei von Amts wegen in den Prozeß neu eingeführten gerichtsbekannten Tatsachen schon deshalb, weil der Partei das rechtliche Gehör (Art 103 GG) insoweit nicht versagt werden darf. Dieser Grundsatz verpflichtet das Gericht, auch gerichtskundige Tatsachen zum Gegenstand der Verhandlung zu machen. 2. I n einer unbefristeten Vertagung auf unbestimmte oder längere Zeit kann im praktischen Ergebnis eine Aussetzung des Verfahrens mit der Wirkung des § 249 ZPO oder auch mittelbar die Anordnung des Ruhens des Verfahrens (§ 251 ZPO) gesehen werden. Mit einem Auflagebeschluß wird aber ebensowenig wie mit einem Beweisbeschluß eine Sachlage herbeigeführt, die einer Aussetzung oder dem Ruhen des Verfahrens gleichkäme. Das gilt auch dann, wenn das Arbeitsgericht der betreffenden Partei für die Erfüllung der Auflage zwar keine Frist gesetzt, aber innerdienstlich Wiedervorlage der Akten verhältnismäßig kurzfristig verfügt hat. L A G Bremen vom 23. 6. 1964 — 2 Ta 14/64 — Hinweis: Wie LS 1 die ständige Rechtsprechung des BVerfG, zB vom 3. 11. 1959 — 1BVR 13/59 — BVerfGE 10, 177 182 = AP Nr 2 zu Art 103 GG. Überhaupt liegt ein erheblicher Grund für die Vertagung einer Verhandlung regelmäßig dann vor, wenn eine Partei sich zu Erklärungen infolge neuen Prozeßstoffes vorbereiten muß; vgl nur ThomasPutzo, § 227 Anm 3 a. Wie LS 2 Baumbach-Lauterbach, Einf 1 B vor § 148; Stein-Jonas, § 252 Anm I, 9 148 F N 4; Thomas-Putzo, § 252 Anm 1 b; Wieczorek, § 252 Anm A I a. I m Gegensatz zu dem vom L A G Bremen entschiedenen Fall lag der Entscheidung des L A G Berlin vom 12. 3. 1932, ArbRspr 1932, 147, eine „Vertagung" eines Kündigungsschutzverfahrens um 3 Monate zugrunde, und zwar aus völlig abwegigen Gründen.
Vertragsbruch des Arbeitgebers
N r 570
Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers: Kellner GewO § 124 b Satz 4 Der Gastwirt wird vertragsbrüchig und der Kellner kann sich als entlassen betrachten, wenn der Gastwirt dem Kellner seine Haupttätigkeit, das Ein-
400
Verweisung
ziehen der Rechnungen von den Hotelgästen, und damit die entsprechenden Trinkgelder entzieht, auf die der Kellner neben seinem geringen festen Lohn angewiesen ist. Dem Kellner steht daher ein Entschädigungsanspruch zu. GewG Bremen — GewG 1900/01, 10
Verweisung
N r 571
durch Versäumnisurteil des L A G ArbGG § 48 Abs 1, § 48 a Abs 4; ZPO §§ 276, 542 Hat das Arbeitsgericht die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit abgewiesen und beantragt in der Berufungsinstanz der Kläger hilfsweise Verweisung des Rechtsstreits an das sachlich zuständige Amtsgericht, so hat bei Säumnis des Beklagten die Verweisung durch Versäumnisurteil und unter gleichzeitiger Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts zu erfolgen. L A G Bremen vom 20. 5. 1959 — I Sa 25/59 — AP N r 2 zu § 276 ZPO = RdA 1959, 477
Verwirkung
N r 572
von Lohnansprüchen T V G §4 Abs 4 Satz 2 1. Die Verwirkung von Lohnansprüchen ist nach § 4 Abs 4 Satz 2 T V G nur für tarifliche Ansprüche ausgeschlossen. Haben die Parteien des Arbeitsvertrages als Außenseiter auf einen Tarifvertrag Bezug genommen, so unterliegen die Ansprüche aus dem Arbeitsvertrage der Verwirkung. 2. Während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses ist die Verwirkung von Lohnansprüchen regelmäßig ausgeschlossen. Die Verwirkung muß als Ausnahmevorschrift auf diejenigen Fälle beschränkt bleiben, in denen es sonst zu einer mißbräuchlichen Rechtsanwendung kommen würde. L A G Bremen vom 19. 7. 1950 — Sa 32/50 — BB 1950, 534 = DB 1950, 360 = ARSt V, 406, 410 = SAE 1951, 29 mit zustimm Anm Sabin « WA 1951, 18 Hinweis: Das Urteil entspricht der herrsch Meinung; vgl zu LS 1 BAG vom 22. 6. 1956 — 1 AZR 296/54 — B A G 3, 77 = AP N r 9 zu 8 611 BGB Urlaubsrecht; Hueck-NipperdeyStahlhacke, § 4 Anm 127 mwN, zu LS 2 BAG vom 23. 9. 1954 — 2 AZR 31/53 — BAG 1, 85 = A P Nr 1 zu § 3 TO.A; Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 611 Anm 139—141 mwN.
Volontär
N r 573
Arbeitsvertragsbruch GewO § 124 b 1. Löst ein Volontär grundlos vorzeitig ein befristetes Volontär Verhältnis, so hat der Arbeitgeber keinen Schadenersatzanspruch nach § 124 b GewO. 2. Der Arbeitgeber kann sich vor einer vorzeitigen grundlosen Beendigung dadurch schützen, daß er bei Abschluß des Volontärvertrages für diesen Fall die Zahlung einer Vertragsstrafe vereinbart analog der Praxis bei Abschluß von Lehrverträgen. ArbG Bremen vom 31. 3. 1960 — I Ca 88/60 — BB 1961, 95 = DB 1961, 104 = WA 1961, 45 = ARSt X X V , 447 Hinweis: Zum Inhalt des Volontärverhältnisses vgl L A G Bremen vom 21. 12. 1949 — Sa 68/49 — BremARS Nr 574; zum Volontärverhältnis insbesondere für Ärzte vgl BAG vom 21. 12. 1954 — 2 AZR 76/53 — BAG 1, 217 = A P Nr 1 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche ; L A G Bremen vom 20. 10. 1954 - - Sa 82/54 — BremARS Nr 575; allgemein vgl Hueck-Nipperdey, Bd I S 759 mwN.
401
Vorstellungskosten Volontär
Nr 574
Begriff — Urlaubsanspruch BremUrlG § 1 1. Der Volontär verrichtet im Gegensatz zum Lehrling zu Ausbildungszwekken Arbeiten einer Berufsgruppe ( z B als Elektroarbeiter), der er später nicht angehören will, die er aber als Vorbedingung für einen ganz anderen Beruf (zB Ingenieur) kennen lernen möchte. Ebenso wie beim Lehrling kommt beim Volontär noch hinzu, daß der Ausbildungszweck das Rechtsverhältnis bestimmt und die Mitarbeit des Volontärs grundsätzlich unentgeltlich geleistet wird. 2. Die Zahlung einer Vergütung ist nicht schlechthin ausgeschlossen, sie darf aber nur den Charakter einer Belohnung oder einer Aufwandsentschädigung haben. 3. Der Volontär hat keinen Rechtsanspruch auf Urlaub nach dem BremUrlG. L A G Bremen vom 21. 12. 1949 — Sa 68/49 — AP 50 Nr 142 mit hinsichtlich des Urlaubsanspruchs ablehn, sonst zustimm Anm Hueck Hinweis: I n der oa Anm bejaht Hueck den Urlaubsanspruch des Volontärs mindestens als arbeitnehmerähnliche Person und billigt ihm auch als Urlaubsentgelt die Fortzahlung der Ausbildungsbeihilfe zu, die keine Aufwandsentschädigung und daher wie die Erziehungsbeihilfe des Lehrlings zu behandeln sei. Dem entspricht die herrsch Meinung, die allerdings davon ausgeht, daß der Volontär IS von § 82 HGB keine Vergütung erhält und dann auch kein Urlaubsentgelt beanspruchen kann; vgl Der sehNeumann, § 2 Anm 57—59 mwN.
Volontärverhältnis
N r 575
Zulässigkeit — Inhalt: Arzt Eine Beschäftigung als Volontärassistenzarzt ist auch dann zulässig, wenn der Beschäftigte in einem Krankenhaus vollwertige ärztliche Tätigkeit bei der Versorgung der Patienten ausübt, sich jedoch auf eigenen Wunsch auf Grund eines zeitlich befristeten Vertragsverhältnisses in der Fachausbildung befindet und seine Tätigkeit für die ärztliche Versorgung der Krankenhauspatienten entbehrlich ist. I n diesem Falle erfolgt die Beschäftigung vorwiegend zum Zweck der weiteren fachlichen Ausbildung, so daß die Anwendung der Bestimmungen der Krankenhaus-Tarifordnung nach § 1 Abs 3 Buchst b K r T ausgeschlossen ist. L A G Bremen vom 20. 10. 1954 — Sa 82/54 — WA 1955, 133 Hinweis: Zum Inhalt eines Volontärverhältnisses, insbesondere für Arzte vgl BAG vom 21. 12. 1954 — 2 AZR 76/53 — BAG 1, 217 = AP Nr 1 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche.
Vorstellungskosten
N r 576
Ersatz bei nicht zustandegekommenem Arbeitsvertrag BGB § 611 Hat der Arbeitgeber einen Stellenbewerber aufgefordert, sich bei ihm vorzustellen, so hat er die Kosten der Vorstellungsreise ohne Rücksicht auf das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages zu erstatten. Eine Rückforderung kann auch dann nicht erfolgen, wenn der Arbeitnehmer seine Stellung später nicht antritt oder alsbald wieder verläßt. L A G Bremen vom 31. 1. 1951 — Sa 2j51 — A P 52 Nr 94 mit zustimm Anm Hueck — BB 1951, 223 = DB 1951, 212, 388 = ARSt V I , 376, 445 « WA 1951, 151 Hinweis: Siehe auch Hohn, BB 1958, 844; Mertz, AR-Blattei, Vorstellungskosten I. 26
Trinkhaas
402
Wahlvorstand
Wahlvorstand
Nr 577
Unwirksame Bestellung BetrVG § 15 Abs 1, 22, 29, 33 Die Bestellung des Wahlvorstandes muß durch Beschluß des Betriebsrates erfolgen. Dasselbe gilt für die Bestellung eines Ersatzmannes für ein ausgeschiedenes Mitglied des Wahlvorstandes. Die Berufung durch den Vorsitzenden des Betriebsrates allein stellt eine rechtswirksame Bestellung auch dann nicht dar, wenn ein zweites Betriebsratsmitglied nachträglich zustimmt. L A G Bremen vom 31. 1. 1962 — 1 Sa 160/61 — BB 1962, 599 = DB 1962, 442 = AuR 1962, 156 = WA 1962, 119 Hinweis: Allgem Meinung; zustimmend Galperin-Siebert, § 15 Anm 4 und 26. Das entspricht den Grundsätzen über die Beschlußfähigkeit und Beschlußfassung des Betriebsrates gern §§ 32, 33 BetrVG.
Wehrdienst
N r 578
Kündigung aus Anlaß des Wehrdienstes ArbPlatzSchutzG § 2 Abs 2 Sätze 1 und 2; KSchG §§ 1 Abs 2, 21 Abs 1 Satz 2 1. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines zum Wehrdienst einberufenen Arbeitnehmers „aus Anlaß des Wehrdienstes" ist als Verstoß gegen das relative Kündigungsverbot in § 2 Abs 2 Satz 1 ArbPlatzSchutzG vom 30. 3. 1957 rechtsunwirksam. Dies wird nach § 2 Abs 2 Satz 3 vermutet, wenn der Arbeitgeber die Kündigung vor dem Beginn des Wehrdienstes ausspricht, nachdem er von der Einberufung Kenntnis erhalten hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Einberufungsbescheid dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung zwar noch nicht zugegangen war, der Arbeitgeber jedoch durch eine Mitteilung des Arbeitnehmers sichere Gewißheit über die bevorstehende — wenn auch kalendermäßig noch nicht festgelegte — Einberufung erhalten hatte. 2. Der Arbeitgeber kann die gesetzliche Vermutung jedoch widerlegen, indem er den Beweis führt, daß die Kündigung ohne Rücksicht auf den Wehrdienst erfolgt ist, z B schon vor der Musterung des Arbeitnehmers beschlossen war oder aus betrieblichen Gründen erforderlich geworden ist. L A G Bremen vom 1. 7. 1964 — 1 Sa 121/63 — BB 1964, 1049 = DB 1964, 1230, 1231 = NJW 1965, 127 = WA 1964, 330
Wehrdienst
N r 579
Kürzung des Urlaubs bei Grundwehrdienst ArbPlatzSchutzG § 4 Abs 1 Satz 1 Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für ein Urlaubs jähr aus dem Arbeitsverhältnis zusteht, auch dann für jeden vollen Kalendermonat, den der Arbeitnehmer Grundwehrdienst leistet, um ein Zwölftel kürzen, wenn das Urlaubs jähr in Betrieben der Privatwirtschaft (Kalenderjahr) sich nicht mit dem Urlaubs jähr der Bundeswehr (1. April bis 31. März) deckt. ArbG Bremen vom 13. 11. 1959 — 2 Ca 2436/59 — BB 1960, 251 Hinweis: Ähnlich unter Bezugnahme auf die Regelung in § 53 SeemG: Dersch-Neumann, Anhang I Anm 14.
Wettbewerbsverbot Wettbewerbsverbot
403 Nr 580
Gewerblicher Angestellter: Fahrlehrer GewO § 133 f 1. Fahrlehrer sind gewerbliche Angestellte. Wird in ihrem Anstellungsvertrage ein Wettbewerbsverbot für zwei Jahre und für einen Umkreis von 15 k m festgelegt, so bedeutet dies nach § 133 f GewO eine unbillige Erschwerung ihres Fortkommens, da der Arbeitnehmer an seinem bisherigen Wohnort weder selbständig eine Fahrschule betreiben noch als angestellter Fahrlehrer tätig werden kann und daher nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gezwungen wäre, entweder seinen Wohnsitz oder seinen Beruf zu wechseln. Die Wettbewerbsabrede ist in einem solchen Falle insbesondere dann unverbindlich, wenn die für das Fortkommen des Arbeitnehmers nachteiligen Folgen weder durch eine geldliche Unterstützung noch durch andere Existenzhilfen erträglich gestaltet werden. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, daß eine Karenzentschädigung im Gesetz nicht vorgesehen ist und daher auch keine unabdingbare Voraussetzung des Wettbewerbsverbots darstellt. Fehlt sie jedoch, kann die schwere Beeinträchtigung der beruflichen Möglichkeiten des Arbeitnehmers lediglich durch das Vorhandensein besonders wichtiger Arbeitgeberinteressen gerechtfertigt werden. Der Schutz des Kundenstammes oder der Ausbildungsmethoden stellt bei einer Fahrschule ein solches Interesse nicht dar. 2. Ein nach § 133 f GewO wegen unbilliger Erschwerung des Fortkommens unverbindliches Wettbewerbsverbot kann nach dem Gesetz mit einem für beide Vertragsparteien tragbaren Inhalt aufrechterhalten werden. Es ist in einem solchen Falle jedoch nach § 308 Abs 1 Satz 1 ZPO Sache des Arbeitgebers, in tatsächlicher Beziehung darzulegen, welche beschränkteren Rechte er auf Grund der vertraglichen Abmachung geltend machen will. Eine U m deutung der Wettbewerbsklausel setzt ferner voraus, daß beide Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit ihrer Wettbewerbsabrede ein für den Arbeitnehmer tragbares Wettbewerbsverbot gewollt haben würden (§ 140 BGB). Ohne eine solche Feststellung kann das Gericht keine Vertragsumgestaltung vornehmen. L A G Bremen vom 15. 11. 1961 — 1 Sa 129/61 — BB 1962, 958 = DB 1962, 1084 = AuR 1962, 380 Hinweis: Ebenso für das Wettbewerbsverbot gegenüber einem angestellten Fahrlehrer für einen Umkreis von ebenfalls 15 k m ohne Karenzentschädigung BAG vom 21. 3. 1964 — 5 AZR 232/63 — BB 1964, 720 = DB 1964, 887.
Wettbewerbsverbot
N r 581
Handlungsgehilfe HGB § 75 Die Weigerung des Geschäftsherrn, dem Handlungsgehilfen sein Guthaben wegen unlauteren Wettbewerbs auszuzahlen, bedeutet zugleich eine Warnung, weiteren solchen Wettbewerb zu machen. KfmG Bremen vom 4. 12. 1908 — KfmG 1909/10, 251
Wettbewerbsverbot
N r 582
Handlungsgehilfe: Kündigungsfreiheit — Entschädigung bei Berufswechsel HGB § 74 Abs 2, § 74 b Abs 2, § 74 c Abs 1, § 75 Abs 3, § 75 a; BGB § 242 1. Die Kündigungsmöglichkeit eines Handlungsgehilfen wird durch ein von der Arbeitgeberin ausgesprochenes Wettbewerbsverbot in keiner Weise eingeschränkt, insbesondere entfällt nicht der Anspruch des Handlungsgehilfen auf die gesetzlich vorgesehene Entschädigung, wenn dieser sein Arbeitsverhältnis selbst fristgemäß aufgelöst hat. 26*
404
Wettbewerbsverbot
2. Die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs durch einen von einem Wettbewerbsverbot betroffenen Handlungsgehilfen stellt sich nicht als Hechtsmißbrauch dar, wenn dieser seinen früheren Beruf als Reisender aufgibt, um Fahrlehrer zu werden, soweit in seinem Verhalten kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 74 c Abs 1 Satz 1 HGB enthalten ist. 3. Böswilligkeit bei der Unterlassung der Verwertung der Arbeitskraft setzt auch im Sinne des § 74 c H G B keine Schädigungsabsicht voraus. Sie ist zu bejahen, wenn der Handlungsgehilfe trotz vorhandener und zumutbarer Arbeitsmöglichkeit bewußt untätig bleibt, ohne daß hierfür vernünftige Gründe angeführt werden können. Nicht böswillig ist es jedoch, wenn der durch ein Wettbewerbsverbot in seiner eigenen Branche beschränkte Reisende einen anderen Beruf ergreift, der eine gewisse, nicht unangemessen lange Ausbildungszeit erfordert (Fahrlehrer). Die Arbeitgeberin muß in einem solchen Falle die Entschädigung für das Wettbewerbsverbot auch während der Ausbildungszeit zahlen und kann sich nicht darauf berufen, daß ihr ehemaliger Angestellter während dieser Zeit als Reisender auf jeden Fall einen gewissen Verdienst erzielt haben würde. L A G Bremen vom 20. 5. 1959 — I Sa 28/59 — BB 1960, 212 1960, 51
DB 1960, 32 -
WA
Hinweis: Zu LS 3 vgl Grüll, S 25, unter Bezugnahme auf BAG vom 18. 10. 1958 — 2 AZR 291/58 — B A G 6, 309 = A P N r 1 zu § 615 BGB Böswilligkeit.
Wettbewerbsverbot
N r 583
Handlungsgehilfe: Vertragsstrafe HGB §§ 74, 74 a, 75 c 1. Die Gültigkeit der Konkurrenzklausel in dem Anstellungsvertrag des Handlungsgehilfen einer Linoleum- und Linkrustafabrik, wonach sich dieser verpflichtet, innerhalb zweier Jahre nach seinem Ausscheiden in keiner anderen deutschen Linoleum- und Linkrustafabrik tätig zu werden, ist nicht zu bezweifeln. Wenn sich das Verbot auch auf ganz Deutschland und auf alle deutschen Linoleum- und Linkrustafabriken erstreckt, so ist es dafür doch fachlich eng begrenzt. 2. Eine Vertragsstrafe ist nicht verhältnismäßig hoch, wenn der Schaden des Arbeitgebers einerseits sehr beträchtlich, obwohl ziffernmäßig nicht nachweisbar sein kann, der Handlungsgehilfe andererseits sich nach Abzug der Vertragsstrafe schon im ersten Jahre seiner neuen Tätigkeit (als Geschäftsführer einer Linkrustafabrik) noch wesentlich besser steht. KfmG Bremen vom 27. 9. 1907 — GewuKfmG 1907/08, 302 Hinweis: Zu LS 1 wird eine unbillige Erschwerung des Fortkommens iS des § 74 a Abs 1 HGB nicht angenommen, wenn ein räumlich unbegrenztes Wettbewerbsverbot bezüglich des Gegenstandes so eng begrenzt ist, daß es dem Angestellten durchaus noch die Möglichkeit einer angemessenen Betätigung in seinem Beruf beläßt: RAG vom 5. 4. 1939 — 193/38 — ARS 36, 28; Baumbach-Duden, § 74 a Anm 2 B; Grüll, S 36; Nikisch, Bd I S 461. Zu LS 2 vgl BAG vom 26. 9. 1963 — 5 AZR 61/63 — AP Nr 1 zu § 74 a HGB; Grüll, S 56—60.
Wiedereinsetzung
N r 584
Unabwendbarer Zufall: Rechtsirrtum BetrRG § 90 Falsche Auslegung von Fristbestimmungen auf Grund anerkannter Kommentare zum BetrRG begründet Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. L A G Bremen vom 1. 9. 1926 — 4/26 — Potthoff-Jadesohn-Meissinger,
1926/27, 123
Hinweis: $ 90 BetrRG enthielt eine § 233 Abs 1 ZPO rechtsähnliche Wiedereinsetzungsvorschrift. Dem Leitsatz kommt unter der Voraussetzung, daß abweichende Rechtsprechung zu der betreffenden Rechtsfrage nicht zu verzeichnen ist, allgemeine Bedeutung zu. Dagegen ist verschuldete Gesetzesunkenntnis kein Wiedereinsetzungsgrund: BAG vom 22. 6. 1956 — 1 AZB 22/55 — A P N r 8 ZU { 232 ZPO.
Zeugnis Wiedereinsetzung
405 Nr 585
Unabwendbarer Zufall: Neuer Prozeßbevollmächtigter ZPO § 233 Ein unabwendbarer Zufall, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist rechtfertigt, ist gegeben, wenn der schriftlich bevollmächtigte auswärtige Rechtsanwalt abwesend ist und nicht für die rechtzeitige Bearbeitung der eingehenden Post Sorge getragen hat. Ein zurechenbares Verschulden kann nur in der Person der Partei selbst oder des bereits bestellten Prozeßbevollmächtigten gefunden werden. L A G Bremen vom 1. 12. 1948 — Sa 39/48 — RdA 1948, 230 mit zustimm Anm Stemel
Wiedereinstellungsanspruch
N r 586
nach Entlassungsbefehl BefreiG der Mil-Reg Art 64 1. Der Entlassungsbefehl der Militär-Regierung stellte im Jahre 1945 für den Arbeitgeber einen wichtigen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses dar. Der Arbeitgeber hatte jedoch die Wahl, ob er dem Befehl durch Kündigung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses dem rechtlichen Bande nach nachkommen oder ob er lediglich bis zur Entscheidung im politischen Überprüfungsverfahren das Arbeitsverhältnis unter Fortfall der beiderseitigen Vertragspflichten unterbrechen wollte. 2. Ein Anspruch des entlassenen Arbeitnehmers auf Grund der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers besteht jedenfalls dann nicht, wenn der von ihm früher besetzt gewesene Arbeitsplatz inzwischen fortgefallen ist und ein sachliches Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung infolgedessen nicht mehr besteht. 3. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung ist trotz Widerspruchs gegen die Entlassung und Forderung der Wiedereinstellung als verwirkt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer im Anschluß daran ein anderes Arbeitsverhältnis eingeht und erst nach dessen Beendigung und nach Ablauf von fünf Jahren auf den früheren Anspruch zurückgreift. L A G Bremen vom 3. 9. 1952 — Sa 26/52 — AP 53 N r 124 mit zustimm Anm Reinhardt
Zeugnis
Nr 587
Ergänzung HGB § 73 Vermerkt der Arbeitgeber im Zeugnis, daß der Angestellte wegen Vertragsbruchs ausgeschieden ist, so kann dieser die Angabe der näheren Umstände verlangen. KfmG Bremen vom 1. 6. 1927, ArbG 1927, 264
Zeugnis
N r 588
Inhalt — Angabe des Beendigungsgrundes: Reisender BGB § 630; HGB § 73 1. I n einem Zeugnis über Leistung und Führung des Arbeitnehmers müssen zur Beschreibung seiner Tätigkeit die aus dem Gesetz ersichtlichen oder verkehrsüblichen Bezeichnungen gebraucht werden, um Verwechselungen zu vermeiden. Daneben ipüssen alle für die Beurteilung eines Arbeitsverhältnisses wichtigen Tatsachen so genau angegeben werden, daß der neue A r beitgeber sich ein vollständiges und klares Bild von der Persönlichkeit und der Beschäfigung des Arbeitnehmers machen kann.
406
Zeugnis
2. I m Zeugnis eines Reisenden muß dementsprechend zum Ausdruck gebracht werden, ob er lediglich am Sitz der Geschäftsniederlassung seiner Auftraggeberin als Stadtreisender oder in einem größerein Bezirk als Handlungsreisender im Sinne des § 55 Abs 1 H G B beschäftigt gewesen ist und welche Vollmachten er gehabt hat. Der Reisende kann nicht verlangen, daß er als Reisevertreter bezeichnet wird, da dies eine Verwechselung mit einem selbständigen Handelsvertreter nach § 84 H G B ermöglichen könnte. 3. Entlassungsgründe sind in einem qualifizierten Zeugnis nur dann anzugeben, wenn dies für das Gesamtbild wichtig erscheint oder verkehrsüblich ist. Als verkehrsüblich und für das Gesamtbild wichtig ist die Aufnahme der Tatsache in das Zeugnis anzusehen, daß der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis seinerseits aufgelöst hat. L A G Bremen vom 16. 9. 1953 — Sa 129/53 — A P 54 Nr 152 mit zustimm Anm Hueck = BB 1954, 227 = DB 1954, 352 = ARSt X I I , 114—116 = SAE 1954, 23 = WA 1954, 181 Hinweis: Ähnlich zum Inhalt und zur gerichtlichen Überprüfung des Zeugnisses BAG vom 23. 6. 1960 — 5 AZR 560/58 — AP Nr 1 zu § 73 HGB.
Zeugnis
N r 589
Zwischenzeugnis: Entstehung des Anspruchs BGB § 630; HGB § 73 1. Der Arbeitnehmer kann vom Tage der ordentlichen Kündigung an das Zeugnis (Zwischenzeugnis) fordern. 2. Ein solches Zwischenzeugnis kann gegen Erteilung des endgültigen Zeugnisses wieder zurückverlangt werden. L A G Bremen vom 8. 9. 1927 — 6/27 — ARS 2 L A G 34 mit zustimm Anm von Hueck Hinweis: Seitdem herrsch Meinung. Vor der Kündigung besteht nur ausnahmsweise ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis: Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, § 630 Anm 2; Tilka, AuR 1958, 79.
Zurückverweisung
N r 590
an Arbeitsgericht wegen Zuständigkeit ArbGG § 68; ZPO § 538 Ist eine Klage lediglich wegen sachlicher Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts abgewiesen worden, so kann trotz § 68 ArbGG die Zurückverweisung an die erste Instanz nach § 538 ZPO ausgesprochen werden. I m Geltungsbereich der 4. Vereinfachungs-VO kann das Berufungsgericht jedoch auch in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich und der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist. L A G Bremen vom 28. 6. 1950 — Sa 6/60 — A P 51 N r 118 = WA 1951, 17 Hinweis: Nach BAG vom 4. 12. 1958 — 2 AZR 282/57 — BÂG 7, 99 = AP N r 3 zu § 68 ArbGG mit zustimm Anm Pohle — ist eine Zurückverweisung des Rechtsstreits vom L A G an das ArbG wegen eines Mangels im Verfahren jedenfalls dann unzulässig, wenn der Mangel vom L A G noch beseitigt werden kann, zB durch Nachholung einer vom ArbG zu Unrecht unterlassenen Beweisaufnahme. Doch kann nach BAG vom 30. 11. 1961 — 2 AZR 295/61 — AP Nr 3 zu § 5 KSchG — trotz § 68 ArbGG zurückverwiesen werden, wenn das ArbG es entgegen § 5 KSchG versäumt hat, auf die Notwendigkeit des Feststellungsantrages gemäß § 3 KSchG, der nur vor dem ArbG nachgeholt werden kann, hinzuweisen.
Zuständigkeit
Nr 591
Arbeitnehmererfinder: Ansprüche auf Vergütung oder Entschädigung ArbGG 1953 §§ 2 Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2, 46 Abs 1; ZPO §§ 160 t 274 t 275; PatG § 51; VO über die Behandlung von Erfindungen von Gefolgschaftsmitgliedern vom 12. 7. 1942 (RGBl I S 466) und DVO vom 20. 3. 1943 (RGBII S 257) 1. Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch für Ansprüche eines Arbeitnehmers — Erfinders — zuständig, deren Erfüllung die Grundlage für die Be-
Zuständigkeit
407
rechnung der Erfindervergütung bildet. Auch in diesem Falle betrifft der Streit ausschließlich die Vergütung selbst. 2. Die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für A n sprüche eines Arbeitnehmers auf angemessene Erfindervergütung wird nicht dadurch berührt, daß der Arbeitgeber das Vorliegen einer Erfindung oder ihrer Überlassung bestreitet. Die Gerichte für Arbeitssachen haben über diesen Streitpunkt als Vorfrage zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um Tatbestände handelt, die an sich zur schlüssigen Begründung des Vergütungsanspruchs gehören. ' ' ' 3. Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch für Ansprüche eines früheren Arbeitnehmers auf Erfindervergütung für den Zeitraum nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers zuständig. L A G Bremen vom 7. 12. 1955 — Sa 84/55 — A P Nr 21 zu § 2 ArbGG 1953 mit zT krit im Ergebnis zustimm Anm von Volmer = BB 1956, 371 Hinweis: Für weite Auslegung der alten Rechtslage ebenso Dietz-Nikisch, § 2 Anm 128; L A G Hamm vom 12. 2. 1954 — 4 Sa 16/54 — A P N r 1 zu § 2 ArbGG 1953; Volmer, RdA 1954, 407 F N 2. — Nach §§ 39, 44 ArbNErfG sind allerdings vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes an (1. 10. 1957) für alle Rechtsstreitigkeiten über Erfindungen eines Arbeitnehmers die für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Gerichte für Arbeitssachen sind zuständig für Rechtsstreitigkeiten, die ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Erfindung zum Gegenstand haben, und für Rechtsstreitigkeiten über technische Verbesserungsvorschläge. Für am 1. 10. 1957 anhängige Verfahren bleiben die bis dahin zuständigen Gerichte zuständig (sog perpetuatio fori).
Zuständigkeit
N r 592
Dienstordnungsangestellte: Krankenkassen
ArbGG § 2; RegG §§ 7, 52 1. Die Gerichte in Arbeitssachen sind zuständig für die Klage eines dienstordnungsmäßigen Angestellten eines Sozialversicherungsträgers gegen eine nach § 7 Abs 2 RegG ergangene Entscheidung. 2. I m Verfahren vor den Gerichten in Arbeitssachen trifft den beteiligten Sozialversicherungsträger die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs 1 RegG. Eine Umkehrung der Beweislast findet weder mit Rücksicht auf die allgemein bekannten politischen Verhältnisse im Jahre 1933, noch auf Grund einer Häufung von Verdachtsgründen hinsichtlich enger Verbindung des Angestellten zum Nationalsozialismus, noch aus dem Gesichtspunkt des Beweises des ersten Anscheins statt, da insoweit allgemeine Erfahrungssätze nicht aufgestellt werden können. Auch die Parteimitgliedschaft als solche begründet keine Vermutzung für eine Anstellung oder Beförderung wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismus, und zwar auch dann nicht, wenn der betroffene Angestellte sogenannter alter Kämpfer gewesen ist. Entscheidend ist vielmehr stets die im Einzelfall zu treffende Feststellung einer rechtlich nicht zu billigenden ungerechtfertigten Begünstigung. 3. Bei entsprechender Anwendung des § 7 Abs 1 RegG gemäß § 52 RegG treten an die Stelle der beamtenrechtlichen Vorschriften die für das jeweilige Angestelltenverhältnis maßgebenden Laufbahnvorschriften des öffentlichen Dienstes über Einstellung, Anstellung und Beförderung, soweit sie für alle betroffenen Angestellten der in Frage kommenden Körperschaft bindende Wirkung hatten und nicht nur als innere Dienstanweisungen anzusehen waren. Die Verletzung von Dienstordnungen oder Prüfungsordnungen bei der Anstellung öder Beförderung erfüllt somit der Tatbestand des §7 Abs 1 RegG. Zugrunde zu legen sind aber nur im Zeitpunkt der tatsächlichen Anstellung bereits in Geltung befindliche Vorschriften, nicht dagegen Vorschriften, die rückwirkend in Kraft gesetzt worden sind. 4. Auch wenn eine formelle Verletzung von Laufbahnvorschriften nicht festgestellt werden kann, kann aus den besonderen Umständen des Einzelfalls, insbesondere auf Grund einer Abweichung von der bis 1933 herrschenden
408
Zuständigkeit
Übung oder beim Vorliegen ungewöhnlich rasch aufeinanderfolgender Beförderungen auf die Ursächlichkeit einer engen Verbindung des Angestellten zum Nationalsozialismus geschlossen werden. Dies setzt aber voraus, daß andere Ursachen auszuschließen sind. Die Tatsache, daß infolge der nationalsozialistischen Säuberungsaktion im Jahre 1933 zahlreiche Stellen neu besetzt werden mußten, bedeutet somit keine ungerechtfertigte Bevorzugung aus unsachlichen Gründen. L A G Bremen vom 17. 8. 1955 — Sa 69/55 — AP Nr 4 zu § 7 RegelungsG - RdA 1957, 119 = DB 1955, 900 - ARSt X V , 192, 235 = WA 1955, 293 Hinwels: Die Entscheidung entspricht der überwieg Meinung, nach der für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis von dienstordnungsmäßigen Angestellten einer Krankenkasse allein die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind. So zB BSG vom 28. 11. 1955 — 3 RK 10/55 — BSGE 2, 53 = AP Nr 15 zu § 2 ArbGG.
Zuständigkeit
Nr 593
Gesellschafter einer GmbH nach Abberufung
ArbGG §2 Abs 1 Nr 2, §5 Abs 1 Sätze 1 und 3, §48 1. Ist der Geschäftsführer einer GmbH durch Gesellschafterbeschluß abberufen und ist gleichzeitig sein Dienstverhältnis fristlos gekündigt worden, so gehört der auf Kündigungsfeststellungsklage des bisherigen Geschäftsführers gegen die GmbH anhängig gemachte Rechtsstreit auch dann nicht zur sachlichen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen, wenn der Kläger vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer Angestellter und Prokurist der GmbH gewesen ist. 2. Selbst wenn bei dem Rechtsverhältnis des Geschäftsführers einer GmbH systematisch gesellschaftsrechtliche und dienstrechtliche Bestimmungen auseinanderzuhalten sind, handelt es sich doch um ein einheitliches Rechtsverhältnis, das im Regelfalle nicht künstlich in die Wirkungssphäre als Geschäftsführer einerseits und als Arbeitnehmer andererseits aufgespalten werden kann. 3. Durch die Abberufung als Geschäftsführer der GmbH wurde der Kläger, abgesehen von der fristlosen Kündigung seines Dienstverhältnisses, auch nicht wieder zum Angestellten. Der Ausschluß des Klägers von der Arbeitnehmereigenschaft gemäß § 5 Abs 1 Satz 3 ArbQG besteht also für den Kündigungsrechtsstreit fort. L A G Bremen vom 30. 3. 1965 — 2 Sa 105/64 — WA 1955, 216 Entsch 18
AR-Blattei V B,
Hinweis: Ebenso für das Rechtsverhältnis des Vorstandsmitgliedes einer AG: LAG Dortmund vom 8. 10. 1937 — ARS 31, L A G 39; ebenso auch BAG vom 27. 10. 1960 — 5 AZR 578/59 — AP Nr 14 zu § 5 ArbGG 1953, wenn, wie hier, eine unterscheidbare und trennungsfähige Doppelstellung nicht gegeben ist.
Zuständigkeit
Nr 594
Lernschwester vom Roten Kreuz
ArbGG §5 Abs 1 Die Rechtsbeziehungen der Mutterhäuser der Schwesternschaft vom Roten Kreuz zu den Lernschwestern stellen ein arbeitsrechtliches Ausbildungsverhältnis dar, so daß zur Entscheidung über die Berechtigung einer fristlosen Kündigung die Arbeitsgerichte berufen sind. L A G Bremen vom 11. 2. 1953 — Sa 116/52 — A P 53 Nr 222 mit krit Anm Molitor RdA 1953, 401 = BAB1 1953, 12 = ARSt SC, 231
=
Hinweis: Nach BAG vom 18. 2. 1956 — 2 AZR 194/54 — BAG 2, 289 = A P N r 1 zu § 5 ArbGG — steht eine Schwester, die Mitglied einer Schwesternschaft vom Roten Kreuz ist, zu dieser nicht in einem Arbeits- oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnis iS des § 5 ArbGG; das gleiche soll für eine Schwester gelten, die zwar nicht Mitglied der Schwesternschaft ist, aber die Schwesterhordnung als für sich verbindlich anerkennt und sich dem Lebenskreis der Schwesternschaft anschließt. Das Entsprechende wird daher auch für eine Lernschwester vom Roten Kreuz zu gelten haben, auch wenn eine
409
Zuständigkeit
freie, karitativ oder religiös nicht gebundene Lernschwester (Krankenpftegeschülerin) nach BAG vom 29. 10. 1957 — 3 AZR 411/55 — B A G 5, 32 = A P Nr 10 zu § 611 BGB Lehrverhältnis — in einem der Berufsausbildung dienenden Beschäftigungsverhältnis steht; abweichend Hersehet, Anm zu A P Nr 1 zu 9 5 ArbGG; Molitor, Anm zu AP 53 Nr 222; Soergel-Siebert-Wlotzke-Volze, Bern 38 vor § 611; Staudinger-Nipperdey 'Neumann, § 611 Anm 18; vgl auch Galperin-Siebert, § 4 Anm 21.
N r 595
Zuständigkeit örtliche: Kraftfahrer eines Reisebus ZPO §§ 29, 35; BGB § 269 Abs 1
Für ein Arbeitsverhältnis, das sich für den Arbeitnehmer-Kraftfahrer im wesentlichen darin erschöpft, einen ihm von seinem Arbeitgeber am Sitz des Betriebes übergebenen Reisebus mit einer vorbestimmten Reisegruppe auf einer vorgeschriebenen Route zu lenken und den Bus nach Abschluß der Reise am Betriebssitz des Arbeitgebers wieder abzuliefern, bleibt es wegen der Natur der Sache unerheblich, daß die Dienstleistung außerhalb des Betriebssitzes des Arbeitgebers auf dieser Reiseroute zu erbringen ist, während nur verhältnismäßig wenige und zeitlich geringwertige Haupt- oder Nebenpflichten des Arbeitnehmers am Betriebssitz des Arbeitgebers zu erfüllen sind. Denn solchenfalls muß der Ort der Niederlassung des Reisedienst-Unternehmens als wirtschaftlich-technischer Mittelpunkt des A r beitsverhältnisses, als ruhender Pol dieser Beschäftigung und damit als Erfüllungsort im Sinne von § 269 Abs 1 BGB gelten, insbesondere, wenn hier auch noch der Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. L A G Bremen vom 25. 10. 1960 — 2 Sa 41/60 — DB 1961, 1620 = RdA 1962, 48 1962, 89 = WA 1961, 24, 295
AuR
N r 596
Zuständigkeit Zusammenhangsklage gegen Dritten ArbGG § 3 Abs 1
Der Gerichtsstand der Zusammenhangsklage nach § 3 Abs 1 ArbGG setzt nicht voraus, daß die Partei der Hauptklage und die Partei der Zusammenhangsklage identisch sind. Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts kann daher im Falle einer Zusammenhangsklage auch für einen Anspruch gegen einen Dritten gegeben sein, der in keinerlei Arbeitsverhältnis zum Kläger steht. Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Gewerkschaft für einen Kassenfehlbetrag neben einem Arbeitnehmer zugleich auch ein Vorstandsmitglied als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt. L A G Bremen vom 23. 10. 1957 — I Sa 134/56 — ArbGeb 1958, 42 = BetrVerf 1958, 78 = WA 1958, 26 Hinweis: Ebenso Dersch-Volkmar, SeII, 5 3 Anm 5.
$ 3 Anm 27; Dietz-Nikisch,
$ 3 Anm 11; Schmindke-
Zuständigkeit
N r 597
Zusammenhangsklage: Wirtschaftlicher Zusammenhang ArbGG 1926 § 3 Abs 1 1. Wenn jemand ein Darlehen unter der Bedingung gewährt, daß der Darlehensnehmer mit ihm ein Arbeitsverhältnis eingeht, so ist für Streitigkeiten aus diesem Vertrag das Arbeitsgericht nach § 3 ArbGG aus dem Gesichtspunkt des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs zuständig, auch wenn Darlehens- und Arbeitsvertrag äußerlich zwei getrennte Verträge darstellen. 2. Für die Annahme eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs kommt es auf einen in der Sphäre des Tatsächlichen liegenden Zusammenhang an. Entstehungsgrundlage ist hier ein einheitliches Lebensverhältnis,
410
Zustellung
das zwischen den Parteien besteht und bestimmt ist, ihren einheitlichen Zwecken zu dienen. L A G Bremen vom 22. 6. 1949 — Sa 23/49 — A P 51 Nr 76 = RdA 1951, 75 mit zustimm Anm Dersch Hinweis: Zustimmend auch Dersch-Volkmar, ebenso Dietz-Nikisch, § 3 Anm 22.
§ 3 Anm 44; Rohlfing-Rewolle,
Zustellung
§ 3 Anm 4;
N r 598
Heilung von Mängeln ZPO § 187 Satz 1 Die Heilung einer mangelhaften Zustellung nach § 187 Satz 1 ZPO setzt voraus, daß der Zustellungsempfänger das zugestellte Schriftstück jedenfalls so erhalten hat, daß er es im Besitz hatte und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen konnte. Die bloße Möglichkeit einer Kenntnisnahme genügt nicht. L A G Bremen vom 23. 12. 1963 — 1 Sa 66/63 — DB 1964, 192 Hinweis: Ebenso Baumbach-Lauterbach,
§ 187 Anm 2 A.
Zustellung
N r 599
Unwirksamkeit: Unrichtige Beurkundung ZPO §§ 190/191,181 Abs 1 Unvollständige und unrichtige Beurkundung des Zustellungsvorganges macht, wenn es sich um einen wesentlichen Fehler (§ 191 N r 1 bis 7 ZPO) handelt, die Zustellung unwirksam. L A G Bremen vom 10. 6. 1959 — I Sa 39/59 — A P Nr 1 zu § 191 ZPO = RdA 1959, 477 Hinweis: Herrsch Meinung; vgl Stein-Jonas, 9 190 Anm I ; BGH vom 15. 1. 1953 — I V ZR 180/52 — BGHZ 8, 314; abweichend Baumbach-Lauterbach, § 190 Anm 1, § 191 Anm 1.
Zwangsvollstreckung
N r 600
Einstellung: Nicht zu ersetzender Nachteil ArbGG § 62 Abs 1; ZPO § 707 Abs 1 Satz 2, § 719 Abs 1 1. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung ist im arbeitsrechtlichen Verfahren ausgeschlossen. 2. Nachteilige Folgen, die jede Zwangsvollstreckung für den Schuldner zwangsläufig nach sich zieht, können in der Regel einen nicht zu ersetzenden Nachteil nicht begründen. Aus grundsätzlichen Erwägungen darf dabei nicht auf die Person des Schuldners abgestellt werden, nicht einmal darauf, ob er durch die Vollstreckung seine Existenz verliert. Es kommt entscheidend darauf an, ob der Gläubiger den glaubhaft zu machenden Nachteil später nicht ersetzen kann. L A G Bremen vom 1. 9. 1961 — 2 Ta 15/61 — Hinweis: Wie LS 1 die überwieg Meinung; vgl nur Dietz-Nikisch, Ähnlich wie LS 2 Wieczorek, § 719 Anm B I I b 3 mwN.
§ 62 Anm 13 mwN.
Anhang 1. Gesetz über die Arbeitsgerichtsbarkeit vom 18. Dezember 1953 (BremGBl S 120 = SaBremR 32-a-l) Der Senat verkündet das nachstehende, von der Bürgerschaft (Landtag) beschlossene Gesetz: §1 I m Lande Bremen sind Gerichte für Arbeitssachen im Sinne des § 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 (BGBl I S 12Ö7) das Arbeitsgericht Bremen für den Bezirk der Stadtgemeinde Bremen ausschließlich des Ortsteils stadtbremisches Uberseehavengebiet Bremerhaven, das Arbeitsgericht Bremerhaven für den Bezirk der Stadtgemeinde Bremer^ haven einschließlich des Ortsteils stadtbremisches Überseehafengebiet Bremerhaven, das Landesarbeitsgericht Bremen mit dem Sitz in Bremen für den Bezirk des Landes Bremen. 92 Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsvorschriften erläßt der Senat.
*3 Dieses Gesetz tritt einen Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
2. Verordnung über die Geschäftsstellen der Arbeitsgeriditsbarkeit vom i. Dezember 1953 (BremGBl S 117) idF der V O vom 24. 6.195Ö (BremGBl S 63) (SaBremR 32-a-2) Auf Grund des § 7 Abs 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 (BGBl I S 1267) wird vom Senat verordnet:
81 (1) Die Geschäftsstellen der Arbeitsgerichte und des Landesarbeitsgerichts sind mit Urkundsbeamten zu besetzen. (2) Zum Urkundsbeamten der Geschäftsstellen kann nur ernannt werden, a) wer die Prüfung für den gehobenen Justizdienst abgelegt hat,
412
Anhang
b) wer die Prüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst abgelegt und an einem Einführungslehrgang mit abschließender Prüfung erfolgreich teilgenommen hat. § 3 Satz 2 gilt entsprechend 1. (3) Die näheren Vorschriften über die Zulassung, Ausbildung und Prüfung für den gehobenen Dienst der Arbeitsgerichtsbarkeit erläßt die Senatskommission für das Personalwesen im Einvernehmen mit dem Senator für Arbeit und dem Senator für Justiz und Verfassung. fi 2 M i t der einstweiligen Wahrnehmung von Geschäften eines Urkundsbeamten der Geschäftstelle kann der Senat auch solche Personen beauftragen, welche die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 nicht erfüllen. »3 Die Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die sich am Tage der Verkündung des Gesetzes mindestens drei Jahre im Amt befinden, sind auf ihren Antrag als Beamte auf Widerruf zu übernehmen. Sie haben an einem Lehrgang mit abschließender Prüfung teilzunehmen, den der Senator für Arbeit im Einvernehmen mit dem Senator für Justiz und Verfassung und der Senatskommission für das Personalwesen einrichtet. Nach bestandener Prüfung sind sie als Beamte auf Lebenszeit anzustellen.
§4 Den Arbeitsgerichten und dem Landesarbeitsgericht ist die erforderliche Zahl von Arbeitsgerichtswachtmeistern und sonstigen Beamten, Angestellten und Arbeitern beizugeben.
§5 Der Senator für Arbeit wird ermächtigt, die Dienstkleidung und Amtstracht in der Arbeitsgerichtsbarkeit zu regeln.
§6 Diese Verordnung tritt einen Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.
3. Anordnung über die Bildung von Beratungsausschüssen für die Ernennung von Vorsitzenden der Arbeitsgerichte und von Berufsrichtern der Sozialgerichte i m Lande B r e m e n vom 13. Oktober 1953 (BremGBl S 110 = SaBremR 32-b-l) Der Senat erläßt gemäß § 18 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 (BGBl I S 1257) und § 11 Abs 2 in Verbindung mit § 207 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 (BGBl I S 1239) folgende Anordnung:
Anhang
413
S1 Der Senator für Arbeit errichtet die Beratungsausschüsse für die Ernennung von Vorsitzenden der Arbeitsgerichte und von Berufsrichtern der Sozialgerichte für eine Amtsdauer von jeweils zwei Jahren. Die Amtsdauer beginnt mit der ersten Sitzung der Ausschüsse. 82 Der Beratungsausschuß für die Ernennung von Vorsitzenden der Arbeitsgerichte wird gebildet aus: Drei Vertretern Bremen;
der Vereinigung der Arbeitgeberverbände
im
Lande
zwei Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundes; einem Vertreter der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft; dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Bremen; dem aufsichtsführenden Richter des Arbeitsgerichts Bremen und dem Vorsitzenden des Arbeitsgerichts Bremerhaven. Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter zu ernennen. A n die Stelle der Berufsrichter treten im Verhinderungsfalle deren Stellvertreter.
83 (1) Der Beratungsausschuß für die Ernennung von Berufsrichtern der Sozialgerichte wird gebildet aus: Drei Vertretern der Vereinigung der Arbeitgeberverbände im Lande Bremen; zwei Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundes; einem Vertreter der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft; zwei Vertretern des Reichsbundes der Kriegs- und Zivilbeschädigten, Sozialrentner und Hinterbliebenen; davon ist ein Stellvertreter durch den Bund der hirnverletzten Kriegs- und Arbeitsopfer e.V. zu benennen; einem Vertreter des Verbandes der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands, dessen Stellvertreter durch den Bund der Kriegsblinden Deutschlands e.V. zu benennen ist; zwei mit der Kriegsopferversorgung vertrauten Personen, die vom Senator für Arbeit berufen werden, sowie dem Präsidenten des Landessozialgerichts Bremen und dem Direktor des Sozialgerichts Bremen. Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter zu ernennen. A n die Stelle der Berufsrichter treten im Verhinderungsfalle deren Stellvertreter. (2) (Als Übergangsvorschrift überholt)
84 (1) Die Vereinigung der Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften und die Verbände der Kriegs- und Arbeitsopfer reichen dem Senator für Arbeit Vorschlagslisten für ihre Vertreter und deren Stellvertreter bzw. für den von ihnen zu benennenden Stellvertreter ein.
414
Anhang
(2) Als Vertreter oder Stellvertreter können in die Beratungsausschüsse nur Deutsche im Sinne des Art 116 Abs 1 des Grundgesetzes berufen werden. Sie müssen die Voraussetzungen für das Amt des Arbeitsrichters bzw des Sozialrichters erfüllen. (3) Die Mitglieder der Beratungsausschüsse werden ehrenamtlich tätig. Auslagen und Entschädigungen für entgangenen Arbeitsverdienst oder Zeitverlust werden entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Beisitzer bei den Gerichten vom 26. Juli 1957 (BGBl I S 900)2 gewährt werden. 95 Der Senator für Arbeit führt den Vorsitz und beruft die Beratungsausschüsse zu ihren Sitzungen ein. Die Vorschläge des Senators für Arbeit werden in den Sitzungen frei besprochen. Die Mitglieder der Ausschüsse haben über den Verlauf der Beratung Stillschweigen zu bewahren. Das Ergebnis der Beratung wird in einer Niederschrift festgehalten. S6 Diese Anordnung tritt mit dem 13. Oktober 1953 in Kraft.
4. Anordnung über die Amtstracht i n der Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit vom 1. M a i 1954 (BremGBl S 59) Auf Grund von § 5 der Verordnung über die Geschäftsstellen der Arbeitsgerichtsbarkeit vom 1. Dezember 1953 (BremGBl S 117) und § 4 der Verordnung über die Geschäftsstellen der Sozialgerichtsbarkeit vom 27. April 1954 (BremGBl S 53) wird angeordnet: 1. Eine Amtstracht wird in der Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit getragen von den Richtern und den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
2. Die Amtstracht besteht aus einer Amtsrobe und einem Barett von schwarzer Farbe. Die Richter tragen den Besatz an der Amtsrobe und am Barett in Samt, die Urkundsbeamten in Wollstoff. Das Barett wird in der Arbeitsgerichtsbarkeit mit einer hellgrünen, in der Sozialgerichtsbarkeit mit einer hellblauen Besatzschnur versehen. 3. Zu der Amtstracht wird eine weiße Halsbinde getragen.
Die Amtstracht wird aus Haushaltsmitteln beschafft. Bremen, den 1. M a i 1954. Der Senator für Arbeit
Anhang
415
5. Anschriften der obersten Arbeitsbehörde des Landes B r e m e n und der bremischen Gerichte für Arbeitssachen Senator für
Arbeit
28 Bremen, Contrescarpe 73, Fernruf: 3611 Landesarbeitsgericht
Bremen
28 Bremen, Brahmsstr. 25, Fernruf: 44 921 Arbeitsgericht
Bremen
28 Bremen, Wachmannstr. 76, Fernruf: 44 921 Arbeitsgericht
Bremerhaven
285 Bremerhaven, Friedrich-Ebert-Str. 6, Fernruf: 21466
Die Zentralen verbinden mit dem gewünschten Teilnehmer
Verzeichnis der berücksichtigten Entscheidungen Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
BremARS
Nr
I . Gewerbegerichte 1. Bremen o.D. 30.10.1900 2. 7.1901 8. 4.1910 11. 1.1912 9. 2.1912 21. 2.1913 21. 2.1913 o. D. 2. 5.1919 8. 1.1920 12. 8.1920 15.12.1920 23. 4.1921 23. 4.1921 1. 7.1921 3. 9.1921 3.11.1921 3.11.1921 3.11.1921 9. 3.1922 24. 4.1922 15. 5.1922 7. 7.1922 23.11.1922 26. 4.1923 26. 4.1923 6. 9.1923 13. 3.1924 12. 6.1924 22. 1.1925 17. 2.1925 5. 3.1925 11. 6.1925 14. 1.1926 28. 1.1926 18. 2.1926
GewG 1900/01,10 GewG 1900/01,66 GewG 1901/02,9 GewuKfmG 1909/10, 178 GewuKfmG 1911/12,224 GewuKfmG 1911/12, 247 GewuKfmG 1912/13, 181 GewuKfmG 1912/13, 207 Jadesohn-Potthoff 1914—1925, 157 GewuKfmG 1918/19, 261 GewuKfmG 1920, 125 JAR 1, 126 GewuKfmG 1920, 123 GewuKfmG 1921/22, 13 GewuKfmG 1921/22, 14 GewuKfmG 1920/21,211 GewuKfmG 1930, 315 SchlW 4,20 SchlW 1922,20 N Z A R 1922, 693 SchlW 1922, 169 ArbR 1922, 761, SchlW 1922, 151 SchlW 1922, 231 GewuKfmG 1922/23, 44 GewuKfmG 1922/23, 68 SchlW 23, 132 JAR 4, 156 GewuKfmG 1924/25, 314 GewuKfmG 1924/25, 315 HansGZ ArbR 24, 84 HansGZ ArbR 1925, 59 GewuKfmG 1924/25, 430 GewuKfmG 1924/25, 393 ArbR 1926, 416, HansGZ ArbR 1925, 189 GewuKfmG 1925/26, 312 HansGZ ArbR 1926, 126 GewuKfmG 1925/26, 331
Vertragsbruch des Arbeitgebers Arbeitsverhinderung Direktionsrecht Anfechtung des Arbeitsvertrages Lehrvertrag Lohnverwirkung Lohnabzug Mankohaftung Betriebsrat
570 64 161 12 357 374 362 379 123
Betriebsrisikö Kündigung, fristlose Mitbestimmung Kündigung, fristlose Betriebsversammlung Kündigung, fristlose Betriebsratsmitglied Kündigung, fristlose Betriebsrat Betriebsratsmitglied Mitbestimmung Betriebsratsmitglied Betriebsratswahl Betriebsratswahl
147 283 386 306 157 265 134 290 124 128 385 129 144 145
Streik, wilder Betriebsratsmitglied Betriebsrat Betriebsratsmitglied Schwerbeschädigter Schwerbeschädigtenobmann Angestellteneigenschaft Kündigung, fristlose Urlaubsanspruch Betriebsstillegung Urlaub
467 139 121 136 454 449 23 300 528 151 506
Urlaubsabgeltung Prozeßvertretung Kündigung, fristlose
511 427 259
Entscheidungsverzeichnis Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
18. 15. 22. 20. 8. 6. 21. 21. 3.
GewuKfmG 1925/26, 331 242/26 HansGZ A r b E 1926, 116 HansGZ ArbR 1927, 11 HansGZ 1927, 62 HansGZ ArbR 1927, 15 ArbR 1927, 308 ArbR 1927,308 HansGZ ArbR 1927, 202
Lehrverhältnis Urlaub Schwerbeschädigter Urlaubsanspruch Streik Betriebsratsmitglied Tarifvertrag Tarifvertrag Betriebsratsmitglied
2.1926 4.1926 4.1926 5.1926 7.1926 1.1927 2.1927 2.1927 3.1927
417 Brem ARS Nr 347 507 451 525 465 137 483 484 127
2. Geestemünde 27. 1.1920
GewuKfmG 1919/20, 182
Tarifvertrag
490
3. Lehe 3. 6.1904
GewG 1904/05, 41
Lehrverhältnis
352
I I . Kaufmannsgerichte 1. Bremen 27. 9.1907 4. 12. 1908 27. 10. 1909 16. 11. 1909 24. 11. 1909 2. 12. 1909 9. 3. 1910 16. 3. 1910 22. 6. 1910 15. 5. 1911 15. 11. 1911 24. 1. 1912 28. 5. 1912 11. 3. 1914 10. 10. 1914 17. 5. 1921 6. 6. 1924 1. 6.1927
GewuKfmG 1907/08, 302 K f m G 1909/10, 251 K f m G 1909/10, 10, 70 K f m G 1909/10, 119 K f m G 1909/10, 119 K f m G 1909/10, 94 K f m G 1909/10, 213 GewuKfmG 1909/10, 155 K f m G 1909/10, 254 K f m G 1910/11, 214 K f m G 1911/12, 94 K f m G 1911/12, 166 GewuKfmG 1912/13, 59 GewuKfmG 1913/14, 353 GewuKfmG 1914/15, 68 GewuKfmG 1920/21, 281 GewuKfmG 1923/24, 238 ArbG 1927, 264
o.D.
K f m G 1911/12, 279
Wettbewerbsverbot Wettbewerbsverbot Kündigung, fristlose Handlungsgehilfe Handlungsgehilfe Lehrverhältnis Arbeitsvertrag Gratifikation Handlungsgehilfe Arbeitspflicht Krankheit Krankheit Lehrverhältnis Handlungsreisender Kündigung, fristlose Tarifvertrag Handlungsgehilfe Zeugnis
583 581 267 215 217 346 68 195 218 51 245 246 343 220 260 482 219 587
2. Bremerhaven Gratifikation
197
I I I . Arbeitsgerichte 1. Bremen 5. 5.1927 20. 6.1927 9.11.1927 27
Trinkhaus
HansGZ ArbR 1927, 85 1/27 K A 246
Betriebsratsvorsitzender Betriebsratsvorsitzender Arbeitsbescheinigung
141 142 48
418 Datum
Entscheidungsverzeichnis Aktenzeichen
1. 5.1928 ArbG 1928, 240 1. 5.1928 ArbG 1928, 240 2. 5.1928 22. 10.1928 6. 12.1928 15. 7.1929 4. 12.1930 7. 7.1931 11. 1.1935 11. 6.1948 3. 5.1949 18. 11.1949 3. 2.1950 4. 11.1952 20. 2.1953 29. 10.1953 2. 2.1954 29. 10.1954 10. 2.1955 19. 6.1955 16. 4.1955 3. 11.1955 12. 4.1956 31. 5.1956 31. 5.1956 10.10.1956 12. 3.1957 19. 6.1957 23. 7.1957 3. 9.1957 29. 10.1957 7. 11.1957 19. 5.1958 14. 10.1958 11. 12.1958 15. 1.1959 22. 1.1959 26. 1.1959 5. 2.1959 30. 4.1959 18. 6.1959 4. 8.1959 13. 11.1959 31. 3.1960 26. 4.1960 2. 8.1960 26. 1.1961 16. 2.1961 21. 2.1961 2. 5.1961 8. 6.1961 21. 6.1961
ArbG 1928, 358 727/28 848/28 ArbG 1929, 385 871/30 ArbG 1931, 317 Ca 12/35 Ca 394/48 Ca 592/49 Ca 2060/49 Ca 2414/49 3 Ca 3588/52 I I Ca 2051/53 I Ca 511/53 3 Ca 3387/53 I I Ca 2413/54 I Ca 9/55 3 Ca 3040/52 I Ca 615/55 I Ca 452/55 I Ca 486/55 I Ca 205/56 I Ca 578-9/55 I I I Ca 3310/56 I I I Ca 3033/57 V Ca 2655/56 I I I Ca 3244/57 I I I Ca 3159/57 3 Ca 3398/57 1 Ca 395/57 I Ca 55/58 I I I Ca 3285/58 1 Ca 337/58 1 Ca 465/58 1 Ca 396/58 1 Ca 1/59 1 Ca 387/58 I Ca 147/59 1 Ca 125/59 3 Ca 3431/59 2 Ca 2436/59 I Ca 88/60 3 Ca 3062/60 2 Ca 2316/60 1 Ca 450/60 1 Ca 32/61 3 Ca 3220/60 3 Ca 3151/61 1 Ca 229/61 5 Ca 5167/61
Hauptstichwort
BremARS Nr
Lehrverhältnis Lehrverhältnis Lehrverhältnis Arbeitsbescheinigung Betriebsratsmitglied Lohnabzug Befristetes Arbeitsverhältnis Urlaubsanspruch Betriebsrisiko Ruhegehalt Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Befristetes Arbeitsverhältnis Tarifvertrag Konkursvorrecht Anfechtung des Arbeitsvertrages Urlaub Kündigung, fristlose Interlokales Arbeitsrecht Ausschlußfrist Lohnpfändung Mankohaftung Tarifvertrag Urlaubsentgelt Mutterschutz Arbeitnehmereigenschaft Kosten Urlaub Lohnpfändung Urlaubsanspruch Urlaubsabgeltung Kündigung, fristlose Angestellteneigenschaft Urlaubsentgelt Urlaubsanspruch Kündigung, fristlose Mehrarbeitsvergütung Sittenwidriger Arbeitslohn Kündigung, fristlose Direktionsrecht Arbeitsunfähigkeit Berufsjahre Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Wehrdienst Volontär Schwerbeschädigter Armenrecht Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose Direktionsrecht Feiertagsbezahlung Prozeßvertretung Urlaubsanspruch
344 349 353 47 130 361 92 527 148 432 180 97 488 236 13 502 301 233 89 369 377 487 547 389 44 237 500 368 518 515 304 20 544 538 268 383 460 272 159 54 103 182 579 573 456 73 308 310 162 174 428 530
419
Entscheidungsverzeichnis Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
30.11 1961 1 Ca 175/60 25. 1.1962 1 Ca 593-97/60 1. 3.1965 4 Ca 4013/65 1. 3.1965 4 Ca 4013/65 1. 3.1965 4 Ca 4013/65
BremARS
Haftung des Arbeitnehmers Mehrarbeitsvergütung Urlaubsabgeltung Prozeßvertretung Urlaubsanspruch
Nr 200 382 517 426 535
2. Bremerhaven 22. 9.1950 29. 9.1950 6.10.1950 30. 3.1951 6. 4.1951 19.11.1954
Ca 443/50 Ca 445/50 Ca 493/50 Ca 13/51 Ca 179/51 Ca 601/54
13. 7.1956 21. 4.1959 20. 8.1964
Ca 293/56 Ca 567/59 1 Ca 295/64
Kündigung, ordentliche 311 Urlaubsanspruch 520 Urlaubsanspruch 536 Angestelltenkündigungsschutz 26 Urlaubsanspruch 531 Verlängerung des Arbeitsverhältnisses 562 Kündigung, fristlose 293 Leitender Angestellter 360 Betriebsrat 122
I V . Landgericht Bremen 26. 2.1898 16. 3.1898 22. 1.1902 o.D. 15. 2.1910 12. 6.1911 13. 7.1912 24. 2.1921 6. 5.1924 30. 3.1926 1. 9.1926 26. 2.1927
GewG 1897/98 GewG 1897/98, 103 GewG 1901/02, 144 GewG 1903/04, 150 GewuKfmG 1909/10, GewuKfmG 1911/12, GewuKfmG 1912/13, GewuKfmG 1920/21, GewuKfmG 1924/25, HansGZ ArbE 1926, 4/26 HansGZ 1927, 62
206 91 59 241 52 126
Angestellteneigenschaft Kündigungsfrist Schadensersatzanspruch Koalitionsfreiheit Arbeitnehmereigenschaft Arbeitnehmereigenschaft Lehrverhältnis Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose Prozeßvertretung Wiedereinsetzung Streik
19 328 441 235 45 43 343 299 271 427 584 465
V. HansOLG Hamburg 5. 5.1926
HansGZ ArbE 1926, 126
Prozeßvertretung
427
V I . Landesarbeitsgericht Bremen 8. 9.1927 20. 10.1927 20.10.1927 26. 1.1928 26. 1.1928 26. 1.1928 26. 1.1928 15. 8.1929 25. 1.1930 27«
6/27 Bechtsbl GDA 1928, 88 ArbBspr 1927, 77 35/27 35/27 35/27 35/27 39/29 85/29
Zeugnis Handlungsgehilfe Schiedsgerichtsbarkeit Betriebsratsmitglied Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose Arbeitnehmerähnliche Person Schwerbeschädigter
589 216 443 135 263 286 291 41 453
Entscheidungsverzeichnis
420 Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
BremARS
27.11.1936 30. 4.1947 4. 6.1947 18. 6.1947 27. 8.1947 17. 9.1947 7. 10.1947 15. 10.1947 29. 10.1947 24. 3.1948 19. 5.1948 23. 6.1948 4. 8.1948 4. 8.1948 30. 8.1948 20. 10.1948 27. 10.1948 20. 11.1948 24. 11.1948 1. 12.1948 8. 12.1948 22. 12.1948 5. 1.1949 12. 1.1949 12. 1.1949 21. 1.1949 26. 1.1949 27. 4.1949 15. 6.1949 22. 6.1949 22. 6.1949 31. 8.1949 31. 8.1949 7. 9.1949 28. 9.1949 28. 9.1949 28. 9.1949 19. 10.1949 19. 10.1949 26. 10.1949 2. 11.1949 2. 11.1949 7. 12.1949 14. 12.1949 21. 12.1949 21. 12.1949 21. 12.1949 18. 1.1950 18. 1.1950 18. 1.1950 22. 2.1950 10. 3.1950
Sa 49/36 Sa 6/47 Sa 10/47 Sa 12/47 Sa 15/47 Sa 21/47 Sa 11/46 Sa 24/47 Sa 26/47 Sa 1/48 Sa 4/48 Sa 7/48 Sa 12/48 Sa 14/48 Ta 2/48 Sa 22/48 Sa 24/48 Sa 33/48 Sa 31/48 Sa 39/48 Sa 26/48 Sa 43/48 Sa 45/48 Sa 51/48 Sa 51/48 Sa 53/48 Sa 27/48 Sa 19/49 Sa 24/49 Sa 23/49 Sa 23/49 Sa 7/49 Sa 7/49 Sa 31/49 Sa 30/49 Sa 30/49 Sa 32/49 Sa 45/49 Sa 45/49 Sa 38/49 Sa 50/49 Sa 53/49 Sa 64/49 Sa 61/49 Sa 60 + 63/49 Sa 60 + 63/49 Sa 68/49 Sa 70/49 Sa 70/49 Sa 71/49 Sa 59/49 Sa 10/50
Kündigung, fristlose Betriebsrisiko Ruhegehalt Kündigung, fristlose Urlaubsansprüche Lehrverhältnis Arbeitsverhältnis Versäumnisurteil Betriebsratsmitglied Angestellteneigenschaft Tariflohn Tarifliche Eingruppierung Kündigung Urlaubsentgelt Prozeßvergleich Eingruppierung Betriebsvereinbarung Urlaubsentgelt Änderungskündigung Wiedereinsetzung Prozeßvergleich Ruhegehalt Angestelltenkündigungsschutz Kündigung Aufhebungsvertrag Arbeitsverhältnis, einheitliches Lohnanspruch Urlaubsanspruch Hausarbeitstag Haftung des Arbeitnehmers Zuständigkeit Kündigung, fristlose Kündigung Angestelltenkündigungsschutz Kündigung, fristlose Kündigung Berufungsfrist Urlaubsabgeltung Urlaub Kündigung, fristlose Angestellteneigenschaft Streitwertfestsetzung Prozeßvergleich Gesamthafenbetrieb Kündigung, fristlose Ruhegehalt Volontär Angestelltenkündigungsschutz Lohnkürzung Gleichbehandlung Betrieb Berufung
Nr 287 149 437 276 532 342 60 564 140 21 479 477 252 542 421 167 156 546 9 585 420 436 24 247 76 62 363 533 223 203 597 284 302 27 273 251 109 513 504 295 22 470 422 185 261 438 574 25 366 188 114 105
Entsdieidungs Verzeichnis
421
Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
BremARS
Nr
22. 3.1950 10. 5.1950 24. 5.1950 31. 5.1950 7. 6.1950 28. 6.1950 28. 6.1950 28. 6.1950 28. 6.1950 12. 7.1950 19. 7.1950 19. 7.1950 13. 9.1950 20. 9.1950 20. 9.1950 20. 9.1950 11. 10.1950 11. 10.1950 15. 11.1950 6. 12.1950 20. 12.1950 31. 1.1951 31. 1.1951 21. 2.1951 18. 4.1951 18. 4.1951 30. 5.1951 6. 6.1951 4. 7.1951 29. 8.1951 29. 8.1951 28. 9.1951 10.10.1951 10.10.1951 10. 10.1951 10. 10.1951 5. 11.1951 28. 11.1951 12. 12.1951 12.12.1951 16. 1.1952 23. 1.1952 23. 1.1952 30. 1.1952 12. 3.1952 19. 3.1952 19. 3.1952 19. 3.1952 14. 5.1952 4. 6.1952 2. 7.1952 2. 7.1952
Sa 7/50 Sa 4/50 Sa 21/50 Sa 26/50 Sa 28/50 Sa 6/50 Sa 6/50 Sa 31/50 Sa 31/50 Sa 33/50 Sa 32/50 Sa 32/50 Sa 72 + 94/49 Sa 23/50 Sa 39/50 Sa 47/50 Sa 43/50 Sa 51/50 Sa 55/50 Sa 56/50 Sa 52/50 Sa 2/51 Sa 2/51 Sa 65/50 Sa 15/51 Sa 18/51 Sa 30/51 Sa 33/51 Sa 37/51 Sa 19 + 21/51 Sa 22/51 Sa 24/51 Sa 43/51 Sa 60/51 Sa 65/51 Sa 67/51 Ta 11/51 Ta 13/51 Sa 83/51 Sa 83/51 Sa 92/51 Sa 85/51 Sa 94/51 Sa 99/51 Sa 11/52 Sa 9/52 Sa 84/51 Sa 84/51 Sa 15/52 Sa 30/52 Sa 24/52 Sa 34/52
Kündigung, fristlose Gesamthafenarbeiter Anfechtung des Arbeitsvertrages Kündigung, fristlose Urlaubsanspruch Zurückverweisung Polizeiangestellter Berufung Tarifvertrag Betriebsnachfolge Tarifordnung Verwirkung Ruhegehalt Ständiges Arbeitsverhältnis Direktionsrecht Urlaubsanspruch Berufung Gratifikation Betriebsstillegung Mehrarbeit Betriebsratsmitglied Kündigung vor Arbeitsantritt Vorstellungskosten Kündigung, verhaltensbedingte Interlokales Arbeitsrecht Gratifikation Heimkehrer Kündigung, verhaltensbedingte Betriebsstillegung Urlaubsanspruch Urlaubsanspruch Eingruppierung Versäumnisurteil Sittenwidrige Kündigung Arbeitnehmerähnliche Person Befristetes Arbeitsverhältnis Kündigungsschutzklage Kündigungsschutzklage Sittenwidrige Kündigung Kündigungsschutz Mittelbares Arbeitsverhältnis Haftung des Arbeitnehmers Kündigungsschutz Gratifikation Urlaubsentgelt Betriebsratsmitglied Arbeitgeberstellung Betriebsnachfolge GruDpenarbeitsverhältnis Tarifausschuß Lohnpfändung Betriebsvereinbarung
292 184 17 277 540 590 410 108 489 119 480 572 434 463 160 534 104 194 152 381 138 327 576 323 234 196 232 324 153 539 541 169 563 458 39 93 338 333 457 313 387 205 330 190 543 132 35 118 198 473 370 155
Entscheidungsverzeichnis
422 Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
BremARS Nr
20. 8.1952 20. 8.1952 20. 8.1952 3. 9.1952 8. 10.1952 10. 10.1952 29. 10.1952 21. 1.1953 i i . 2.1953 25. 2.1953 1. 4.1943 22. 4.1953 22. 4.1953 6. 5.1953 6. 5.1953 6. 5.1953 6. 5.1953 6. 5.1953 6. 5.1953 6. 5.1953 3. 6.1953 10. 6.1953 13. 6.1953 29. 7.1953 19. 8.1953 2. 9.1953 16. 9.1953 30. 9.1953 7. 10.1953 21. 10.1953 28. 10.1953 25. 11.1953 10. 2.1954 10. 2.1954 22. 2.1954 10. 3.1954 19. 5.1954 9. 6.1954 23. 6.1954 12. 7.1954 4. 8.1954 11. 8.1954 11. 8.1954 11. 8.1954 14. 8.1954 1. 9.1954 7. 10.1954 7. 10.1954 20.10.1954 27.10.1954 10.11.1954 24.11.1954
Sa 25/52 Sa 25/52 Sa 25/52 Sa 26/52 Sa 60/52 Sa 68/52 Sa 61/52 Sa 93/52 Sa 116/52 Sa 74/52 Sa 57/52 Sa 77/53 Sa 80/53 Sa 101 + 103/52 Sa 101 + 103/52 Sa 101 + 103/52 Sa 75/53 Sa 75/53 Sa 75/53 Sa 75/53 Sa 102/52 Ta 3/53 Sa B 1/53 Sa 99/52 Sa 116/53 Sa 123/53 Sa 129/53 Sä 81/53 Sa 127/53 Sa B 5/53 Sa 142/53 Sa 147/53 Sa 2/54 Sa 167/53 Sa 96/54 Sa 10/54 Sa 38/54 Sä 42/54 Sa 105/52 Ta 3/54 Sa 52/54 Sa 18/54 Sa 18/54 Sa 18/54 Sa 148/53 Sa 75/54 Sa 119 + 134/54 Sa 119 +134/54 Sa 82/54 Sa 89/54 Sa 68/54 Sa 92/54
Abfindung Kündigung, verhaltensbedingte Versetzung Wiedereinstellungsanspruch Tarifordnung Betriebsratsmitglied Kündigung, betriebsbedingte Saisongewerbe Zuständigkeit Dauerstellung Unständiges Arbeitsverhältnis Hausarbeitstag Gratifikation Kündigung Kündigung, verhaltensbedingte Kündigung, verhaltensbedingte Friedenspflicht Kündigung, fristlose Maßregelungsverbot Streik Kündigung, fristlose Prozeßvergleich Betrieb Urlaubsanspruch Urlaubsabgeltung Kündigung Zeugnis Lohnpfändung Sittenwidrige Vergütung Betriebsratsmitgiied Urlaubstage Kündigung, personenbedingte Betriebliche Übung Befristetes Arbeitsverhältnis Handelsvertreter Kündigung, personenbedingte Kündigung, außerordentliche Eingruppierung Enteignung Ungebühr vor Gericht Kündigung, verhaltensbedingte Arbeitsgerichtliches Verfahren Eingruppierung Tarifvertrag Streitwertfestsetzung Berufung Kündigung, fristlose Ruhegehalt Volontärverhältnis Gratifikation Kündigung Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
2 317 565 586 481 133 256 439 594 158 496 229 189 249 316 325 178 270 380 469 307 419 113 524 514 248 588 371 459 126 554 314 116 96 209 312 255 166 172 495 322 49 164 494 469 106 269 433 575 191 253 181
423
Entscheidungsverzeichnis Datum
Aktenzeichen
1.12.1954 Sa 94/54 8.12 1954 Sa 86/54 8.12.1954 8.12.1954 8.12.1954 15.12.1954 15.12.1954 15.12.1954 15.12.1954 22.12.1954 22.12.1954 5. 1.1955 5. 1.1955 5. 1.1955 5. 1.1955 26. 1.1955 26. 1.1955 26. 1.1955 26. 1.1955 26. 1.1955 9. 3.1955 9. 3.1955 9. 3.1955 30. 3.1955 20. 4.1955 20. 4.1955 8. 6.1955 6. 7.1955 13. 7.1955 27. 7.1955 27. 7.1955 17. 8.1955 21. 9.1955 26.10.1955 2.11.1955 9.11.1955 7.12.1955 14.12.1955 31.12.1955 31.12.1955 31.12.1955 11. 1.1956 18. 1.1956 29. 2.1956 29. 2.1956 28. 3.1956 28. 3.1956 28. 3.1956 18. 4.1956 16. 5.1956 1. 6.1956
Sa 86/54 Sa 165/54 Sa 165/54 Sa 60/54 Sa 60/54 Sa 88/54 Sa 97/54 Sa 96/54 Sa 105/54 Sa 109/54 Sa 110/54 Sa 111/54 Sa 111/54 Sa 1/55 Sa 1/55 Sa 1/55Sa 1/55 Sa 3/55 Sa 10/55 Sa 16/55 Sa 16/55 Sa 29/55 Sa 22/55 Sa 27/55 Sa 30/55 Sa 62/55 Sa 67/55 Sa 71/55 Sa 79 + 81/55 Sa 69/55 Sa 90/55 Sa 113/55 Sa 91/55 Ta 15/55 Sa 84/55 Sa 130/55 Sa 101/55 Sa 101/55 Sa 101/55 Sa 146/55 Sa 114/55 Sa 1 + 6/56 Sa 147/55 Sa 10/56 Sa 10/56 Sa 10/56 Sa 15/56 I Sa 98/55 I Sa 14/56
Hauptstichwort
BremARS Nr
Kündigung, fristlose Anfechtung des Vertretervertrages Handelsvertretervertrag Arbeitsvertrag Kündigung, fristlose Tarifliches Abgeltungsverbot Tarifvertrag Eingruppierung Abfindung Änderungskündigung Kündigungsschutzklage Mankohaftung Kündigung, verhaltensbedingte Lohnminderung Mehrarbeitsvergütung Arbeitsvertrag Befristetes Arbeitsverhältnis Kündigung, sittenwidrige Richteramt Mutterschutz Befristetes Arbeitsverhältnis Handelsvertreter Handelsvertreter Kündigung, personenbedingte Urlaubsanspruch Hausarbeitstag Handelsvertreter Kündigung, fristlose Urlaubsanspruch Arzt in Krankenanstalt Lohngleichheit Zuständigkeit Kündigung, fristlose Arbeitnehmer Schwerbeschädigter Arbeitsvertragsbruch Zuständigkeit Änderungskündigung Armenrecht Kosten Kosten Urlaubsentgelt Kündigungsschutz Hausarbeitstag Lehrverhältnis Arbeitsunfähigkeit Kündigung, fristlose Kündigung Urlaubsanspruch Schwerbeschädigter Schiedsspruch
282 18 213 66 296 478 492 165 1 7 340 378 320 367 384 65 102 315 430 390 100 210 211 313 523 221 212 278 537 75 365 592 285 36 450 70 591 8 74 239 238 548 329 222 355 57 281 288 519 455 444
Entscheidungsverzeichnis
424 Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
BremARS Nr
1. 6.1956 25. 7.1956 25. 7.1956 1. 8.1956 1. 8.1956 3.10.1956 24.10.1956 5.12.1956 16. 1.1957 16. 1.1957 29. 3.1957 17. 4.1957 24. 7.1957 24. 7.1957 23.10.1957 23.10.1957 23.10.1957 23.10.1957 6.11.1957 6.11.1957 6.11.1957 6.11.1957 6.11.1957 27.11.1957 15. 1.1958 12. 3.1958 2. 4.1958 23. 7.1958 30. 7.1958 3. 9.1958 17. 9.1958 1.10.1958 8.10.1958 5.11.1958 5.11.1958 10.12.1958 26.11.1958 7. 1.1959 7. 1.1959 7. 1.1959 14. 1.1959 14. 1.1959 21. 1.1959 21. 1.1959 25. 3.1959 8. 4.1959 8. 4.1959 21. 4.1959 13. 5.1959 20. 5.1959 20. 5.1959 10. 6.1959
I Sa 14/56 I Sa 71 + 83/56 I I Sa 80/56 I Sa 51/56 I Sa 51/56 I Sa 78/56 I S a 93/56 1 Sa 118/56 I Sa 131/56 I Sa 131/56 I I Sa 5/57 I Sa 141/56 Sa 57 + 65/57 Sa 67/57 I Sa 134/56 I Sa 134/56 I Sa 134/56 I Sa 134/56 I Sa 87/57 I Sa 87/57 I Sa 89/57 I Sa 89/57 I Sa 89/57 I Sa B 1/57 I I Sa 91-93/57 I I Sa 131/57 I Sa 9/58 I Sa 35/58 I Sa 32 + 33/58 I I Sa 41/58 I I Sa 60/58 I I Ta 8/58 I Sa 88/58 I Sa 21/58 I Sa 86/58 I Sa 73 + 106/58 I I Sa 92/58 I Sa 97/57 I Sa 97/57 I Sa 97/57 I Sa 112/58 I S a 112/58 I Sa 77/58 I I Sa 87/58 I Sa 6/59 I Sa 13/59 I Sa 15/59 I I Sa 115/59 I I Sa 117/58 I Sa 25/59 I Sa 28/59 I Sa 39/59
Vergleichsverzicht Lehrverhältnis Streitwertfestsetzung Tarifgebundenheit Tarifkonkurrenz Urlaubsentgelt Urlaubsrecht Anfechtung des Arbeitsvertrages Kündigung, fristlose Versetzung Arbeits- und Geschäftsverhältnis Änderungskündigung Urlaubsregelung im Baugewerbe Mutterschutz Gewerkschaft Parteifähigkeit Tariffähigkeit Zuständigkeit Ausgleichsquittung Feiertagsbezahlung Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose Straßenbahnunternehmen Leitender Angestellter Tarifvertrag Krankengeldzuschuß Kündigungsschutzklage Änderungskündigung Aussperrung Direktionsrecht Arbeitsvertrag Kündigungsschutzklage Haftung des Arbeitnehmers Prozeßvergleich Urlaubsabgeltung Kündigungsschutzklage Hausarbeitstag Funktionsnachfolge Verein in Liquidation Leiharbeitsverhältnis Schichtarbeit Sonntagsarbeit Entlassung Arbeitsverhältnis Befristetes Arbeitsverhältnis Urlaubsentgelt Lehrverhältnis Personalvertretung Arbeitsunfähigkeit Verweisung Wettbewerbsverbot Zustellung
559 351 472 475 476 549 551 14 266 567 52 5 550 388 186 392 474 596 83 176 258 303 464 359 485 242 334 6 90 163 67 337 207 424 509 339 228 183 557 358 442 461 173 63 101 545 350 401 53 571 582 599
Entscheidungsverzeichnis
425
Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
BremARS
Nr
10. 22. 15. 15.
6.1959 6.1959 7.1959 7.1959
I I Sa 153/58 I I Sa 24/58 I S a B 1/59 I SaB 1/59
231 471 37
15. 29. 12. 23.
7.1959 7.1959 8.1959 9.1959
I Sa 42/59 I Sa 60/59 I I Sa 57/59 I I Sa 88/59
Heimarbeit Streitwertfestsetzung Arbeitnehmer Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einer A G Schlechtleistung Anlernverhältnis Abfindungsvergleich Urlaubsanspruch bei Arbeitsplatzwechsel Urlaubsanspruch Gratifikation Ausschlußfrist, Auslegung Ausschlußfrist, Geltendmachung Urlaub Urlaub Urlaubsabgeltung Urlaubsanspruch Feiertagsbezahlung Kündigungsschutzklage Tarifvertrag Krankengeldzuschuß Arbeitgeberstellung Kündigung, fristlose Versorgungsanspruch Haftung der Arbeitnehmers Schuldanerkenntnis Krankengeldzuschuß Anfechtung des Arbeitsvertrages Aufhebungsvertrag Probearbeitsverhältnis Feiertagsbezahlung Annahmeverzug Streitwertfestsetzung Verein, nicht rechtsfähiger Lehrverhältnis Kündigung, fristlose Aufwendungsersatz Handelsvertretervertrag Provision Kündigung, fristlose Arbeitereigenschaft Lehrverhältnis
23. 9.1959 30. 9.1959 7. 10.1959 7. 10.1959 21. 10.1959 21. 10.1959 28.10.1959 28. 10.1959 4. 11.1959 8.12.1959 9. 12.1959 16. 12.1959 27. 1.1960 27. 1.1960 27. 1.1960 17. 2.1960 17. 2.1960 17. 2.1960 24. 2.1960 24. 2.1960 24. 2.1960 9. 3.1960 23. 3.1960 23. 3.1960 29. 3.1960 19. 4.1960 17. 5.1960 5. 7.1960 5. 7.1960 5. 7.1960 27. 7.1960 19. 8.1960 30. 8.1960 25.10.1960 25. 10.1960 25. 10.1960 15.11.1960 17. 11.1960 17. 11.1960 30. 11.1960 30.11.1960
I I Sa 88/59 I Sa 72/59 I I Sa 106/59 I I Sa 106/59 I I Sa 112/59 I I Sa 113/59 I Sa 10/59 I Sa 10/59 I I Sa 115/59 I I Ta 13/59 I Sa 66/59 I Sa 90/59 I Sa 74/59 I Sa 96/59 I Sa 127/59 I Sa 23/59 I Sa 23/59 I Sa 171/59 I Sa 160/59 I Sa 160/59 I Sa 160/59 I Sa 164/59 1 Sa 5/60 1 Sa 5/60 I I Sa 153/59 2 Sa 4/60 2 Sa 23/60 I I Sa 130/59 I I Sa 130/59 I I Sa 130/59 1 Sa 56/60 2 Sa 74/60 2 Sa 77 + 79/60, 2 Sa 78 + 80/60 2 Sa 41/60 2 Sa 41/60 2 Sa 41/60 2 Sa 98/60 1 Sa 116/60 1 Sa 116/60 1 Sa 122/60 1 Sa 122/60
Befristetes Arbeitsverhältnis Kündigung, fristlose Zuständigkeit Prozeßvergleich Probearbeitsverhältnis Probearbeitsverhältnis Urlaub Urlaubsrecht
38 446 28 3 521 529 192 85 88 505 498 516 522 177 335 486 241 34 297 568 206 448 244 11 77 412 175 32 468 558 341 289 80 214 416 294 33 348 94 279 595 423 411 414 508 552
426
Entscheidungsverzeichnis
Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
13.12., 1960 13. 12.1960 21. 12.1960 18. 1.1961 18. 1.1961 7. 2.1961 7. 2.1961 8. 2.1961 20. 4.1961 25. 5.1961 6. 6.1961 9. 6.1961 9. 6.1961 30. 6.1961 12. 7.1961 12. 7.1961 1. 9.1961 26. 9.1961 15. 11.1961 15. 11.1961 5. 1.1962 11. 1.1962 31. 1.1962 31. 1.1962 31. 1.1962 14. 2.1962 6. 3.1962 20. 3.1962 22. 5.1962 22. 5.1962 23. 5.1962 29. 5.1962 16. 8.1962 16. 8.1962 24.10.1962 23. 11.1962 23. 12.1962 23.12.1962
2 Sa 118 + 143/60 2 Sa 119+123/60 1 Sa 147/60 1 Sa 159/60 1 Sa 159/60 2 Sa 133/60 2 Sa 133/60 1 Sa 168/60 1 Sa 48/61 2 Sa 36/61 2 Ta 10/61 1 Sa 137/60 1 Sa 137/60 1 TaBV 1-4/61 1 Sa 45, 74-76/61 1 Sa 45, 74-76/61 2 Ta 15/61 2 Sa 23/61 1 Sa 129/61 1 Sa 129/61 1 Sa 112/61 2 Sa 134/61 1 Sa 154/61 1 Sa 160/61 1 Sa 160/61 1 Sa 163/61 2 Ta 1/62 2 Sa 157/61 2 Sa 16/62 2 Sa 16/62 1 Sa 36/62 2 Sa 146/61 1 TaB 1/62 1 TaB 1/62 1 Sa 43-45/62 1 Sa 54/62 1 Sa 66/63 1 Sa 66/63
23.12.1962 27. 2.1963 5. 3.1963
1 Sa 66/63 1 Sa 137/62 2 Sa 6/63
5. 19. 19. 19. 10. 18. 18. 12. 3.
2 Sa 6/63 2 Ta 1/63 2 Ta 1/63 2 Ta 1/63 1 Sa 15/63 2 Sa 136/62 2 Sa 136/62 1 Sa 114/62 1 Sa 47/63
Urlaubstage Krankengeldzuschuß Lohnvorschuß Ausbildungskosten Gleichbehandlung Lehrverhältnis Lehrverhältnis Ruhegehalt Einstweilige Verfügung Gratifikation Fürsorgepflichtarbeit Arbeitsunfähigkeit Lohnanspruch Betriebsratswahl Urlaub Urlaubsabgeltung Zwangsvollstreckung Schlechtleistung Betriebsnachfolge Wettbewerbsverbot Haftung des Arbeitnehmers Hausarbeitstag Lohnpfändung Kündigung, verhaltensbedihgte Wahlvorstand Urlaubstage Kündigungsschutzklage Ausgleichsquittüng Kündigung, fristlose Versetzung Lehrverhältnis Unständiges Arbeitsverhältnis Beschlußverfahren Betriebsratsmitglied Urlaubsabgeltung Haftung des Arbeitnehmers Parteiänderung Pfändungs- und Überweisungsbeschluß Zustellung Lohnpfändung Beendigung des Arbeitsverhältnisses Kündigung Annahmeverzug Armenanwalt Befristetes Arbeitsverhältnis Kündigung, fristlose Befristetes Arbeitsverhältnis Probearbeitsverhältnis Hafenarbeiter Kündigung, verhaltensbedihgte
3.1963 3.1963 3.1963 3.1963 4.1963 4.1963 4.1963 6.1963 7.1963
Brem ARS Nr 555 243 375 81 187 345 354 435 171 193 179 55 364 143 499 510 600 445 120 580 201 225 372 328 577 556 336 82 262 566 356 497 110 125 512 208 391 409 598 372 91 250 29 72 98 298 99 413 199 319
427
Entscheidungsverzeichnis Datum
Aktenzeichen
20. 8.1963 2 Sa 53/63 20. 8.1963 2 Sa 53/63 27. 8.1963 2 Sa 30/62 4. 9.1963 1 Sa 104/62 2. 10.1963 1 Sa 67/63 5. 11.1963 2 Sa 83/63 26. 11.1963 2 Sa 103/62 11. 12.1963 1 Sa 85/63 11. 12.1963 1 Sa 85/63 8. 1.1964 1 Sa 91/63 8. 1.1964 1 Sa 91/63 15. 1.1964 1 Sa 92/63 29. 1.1964 1 Sa 88/63 3. 3.1964 2 Sa 10/64 4. 3.1964 1 Sa 73/63 4. 3.1964 1 Sa 1 1 4 + 115/63 11. 3.1964 1 Sa 10/63 11. 3.1964 1 Sa 100/63 18. 3.1964 1 Sa 119/63 18. 3.1964 1 Sa 120/63 18. 3.1964 1 Sa 120/63 8. 4.1964 1 Sa 50/62 8. 4.1964 1 Sa 50/62 8. 4.1964 1 Sa 50/62 17. 4.1964 1 Sa 22/64 17. 4.1964 1 Sa 22/64 29. 4.1964 1 Sa 79/63 29. 4.1964 1 Sa 79/63 23. 6.1964 2 Ta 14/64 1. 7.1964 1 Sa 121/63 22. 7.1964 1 Sa 36/64 5. 8.1964 1 Sa 58/64 5. 8.1964 1 Sa 58/64 11. 8.1964 2 Sa 33/64 8. 9.1964 2 Sa 40/64 8. 9.1964 2 Sa 40/64 8. 9.1964 2 Sa 40/64 8. 9.1964 2 Sa 40/64 6.10.1964 2 Sa 50/64 4. 11.1964 1 Sa 70/64 4. 11.1964 1 Sa 70/64 4. 11.1964 1 Sa 70/64 2. 12.1964 1 Sa 81/64 18. 12.1964 1 Sa 46/64 19. 1.1965 2 Sa 89/64 3. 2.1965 1 Sa 100/64 16. 2.1965 I I Sa 85/55,2 Sa 104/61 30. 3.1965 2 Sa 100/64 5. 5.1965 1 Sa 97/64 13. 5.1965 2 Sa 117/63 13. 5.1965 2 Sa 117/63 25. 5.1965 2 Sa 24 + 25/65
Hauptstichwort
BremARS
Nr
Arbeitsunfähigkeit Schlechtwetterregelung Mankohaftung Provision Betriebsratsmitglied Spesenersatz Eingruppierung Arbeitspapiere Arbeitsvertragsbruch Aufrechnung RückZahlungsanspruch Urlaub Annahmeverzug Urlaubsrecht Arbeitsverhältnis, einheitliches Kündigung, verhaltensbedingte Akkordvertrag Haftung des Arbeitnehmers Betriebsübernahme Aufrechnung Auskunft des Arbeitgebers Verjährung Verjährung Haftung des Arbeitnehmers Arbeitsvertragsbruch Kündigung, fristlose Ausschlußfrist Tarifvertrag Vertagung Wehrdienst Urlaub Berufung Urlaubsanspruch Kündigung, fristlose Arbeitnehmereigenschaft Betriebsrisiko Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose . Prozeßvergleich Anfechtung des Arbeitsvertrages Annahmeverzug Kündigung, fristlose Betriebsabteilung Arbeitsunfähigkeit Befristetes Arbeitsverhältnis Tarifvertrag . Arbeitnehmererfindung Zuständigkeit Ausschlußfrist Kündigung, fristlose Kündigungsschutzklage Schwerbeschädigter
56 447 376 415 131 462 168 50 71 78 431 503 31 553 61 318 10 204 154 79 84 560 561 202 69 309 86 491 569 578 501 107 526 264 42 150 274 275 425 15 30 257 117 58 95 493 46 593 87 280 332 452
428
Entscheidungsverzeichnis
Datum
Aktenzeichen
Hauptstichwort
6. 7.1965 14. 7.1965 21. 7.1965 13.10.1965 29.11.1965 1.12.1965
2 Sa 33/65 1 Sa 12/65 1 TaBV 1/65 1 Sa 38/64 1 SHa 80/65 1 Sa 76/62,105/61
8.12.1965 8.12.1965 8.12.1965
1 Sa 81/63,69/65 1 Sa 81/63,69/65 1 Sa 81/63, 69/65
Arbeitsunfähigkeit Einstellungsverhandlungen Beschlußverfahren Kündigung, fristlose Schadensersatzanspruch Abtretung von Lohnund Gehaltsansprüchen Betriebliche Ordnungsstrafe Personalakten Personalvertretung
BremARS
Nr 59 170 111 305 440 4 115 393 403
V I I . Reichsarbeitsgericht 29. 3.1930 8. 1.1936
479/29 235/35
Prozeßvertretung Arbeitnehmerähnliche Person
429 40
V I ! ! . Bundesarbeitsgericht 24. 6.1954 1 ARV2/54 28. 7.1958 1 A Z R 215/58 16. 5.1961 1 A Z R 425/60
Hausarbeitstag Hausarbeitstag Hausarbeitstag
224 226 227
I X . Bundesverfassungsgericht 21. 9.1954 27. 4.1959
Hausarbeitstag Personalvertretung
1 BOL14/54 2 BvF 2/58
230 408
Verwaltungsgerichtshof und (ab 1. 4. 1960) Oberverwaltungsgericht Bremen 18. 18. 28. 28. 28. 26. 26. 26. 26. 11. 2. 13.
6.1959 6.1959 8.1961 8.1961 8.1961 3.1962 3.1962 3.1962 3.1962 9.1963 3.1964 9.1965
P V 3/58, B 1/59 PV 3/58, B 1/59 PV 1/61, B 1/61 P V 2/61, B 2/61 PV 2/61, B 2/61 PV 4/61, B 2/62 PV 4/61, B 2/62 P V 3/61, B 1/62 P V 3/61, B 1/62 P V 3/63, B 1/63 PV 1/62, B 2/62 IV101/65, b B 20/65
Personalratswahl Personalvertretung Personalvertretung Personalvertretung Personalvertretung Beschlußverfahren Personalvertretung Personalvertretung Personalvertretung Personalvertretung Personalvertretung Personalvertretung
394 395 399 400 407 112 397 405 406 396 398 402
Bundesverwaltungsgericht 30.10.1964
V I I P 2.64
Personalvertretung
404
Schrifttumsverzeichnis Andree, Die geschichtliche Entwicklung in der Nachkriegszeit, insbesondere die Entstehung des Arbeitsgerichtsgesetzes, in Kaskel; Die Arbeitsgerichtsbarkeit, Arbeitsrechtliche Seminarvorträge, Berlin 1929. Aschaffenburg, Vorsitzende und Beisitzer bei den Arbeitsgerichtsbehörden, ArbG 1928, 146—165. Auffahrt, Die Rechtsstellung der ehrennamtlichen Richter, insbesondere bei den Gerichten für Arbeitssachen, in: Das Arbeitsrecht der Gegenwart, 2. Bd. (1965), S. 89—103. Auffahrt-Müller, a. M. 1960.
Kündigungsschutzgesetz,
Kommentar,
Berlin-Frankfurt
Aye, Vertrauensärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers auf Verlangen des Arbeitgebers, BB 1956, 1033. Bahlcke, Geschichtliche Grundlagen der Arbeitsgerichtsbarkeit bis zum Kriege, in: Kaskel, Die Arbeitsgerichtsbarkeit — Arbeitsrechtliche Seminarvorträge, Berlin 1929. Barton, Die Mankohaftung von Filialleitern, Berlin 1961. Baum, Handbuch für Gewerbe- und Kaufmannsgerichte, Berlin 1912. Baumbach-Duden, 1966.
Handelsgesetzbuch, Kommentar, 17. Aufl, München-Berlin
Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, Kommentar, 26. Aufl, München Berlin 1961. Becker, Schwerbeschädigtengesetz, Kommentar, 2. Aufl, Berlin-Frankfurt a. M. 1902. Bessell, Bremen, Die Geschichte einer deutschen Stadt, Leipzig 1935. Bettermann, Die Unabhängigkeit der Gerichte und der gesetzlichen Richter, in: Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, 3. Bd, 2. Halbband, Berlin 1959. Bewer, Eingliederung der Arbeitsgerichte in die Amtsgerichte, DRiZ 1921, 163—164. v. Bippen, Geschichte der Stadt Bremen, 3. Bd, Halle-Bremen 1904. Bischoff,
Lohnpfändung und Lohnvorschuß, BB 1952, 434—436.
Bischoff-Rochlitz,
Die Lohnpfändung, 3. Aufl, Heidelberg 1965.
Blank, Ersatz von Aufwendungen 278—280. Blendermann,
für
Betriebsratsmitglieder,
AuR
1959.
Das Verfahren vor dem Einigungsamt, GewG 1897/98, 13—16.
Böhmert, Beiträge zur Geschichte des Zunftwesens, Leipzig 1862. Bötticher, Die Richterbank der Landesarbeitsgerichte, RdA 1962, 1—5 -= NJW 1962, 87—92.
430
chiusverzeichnis
Boldt-Schlephorst, München 1963. Boldt-Steffens, Borrmann,
Bundesurlaubsgesetz,
Kommentar,
Köln-Berlin-Bonn-
Gewerbeordnung, Kommentar, Münster (Westf) 1955.
Kommentar zum Bundesurlaubsgesetz, Heidelberg 1963.
Branding, Die Einführung der Gewerbefreiheit in Bremen und ihre Folgen, Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 19, Bremen 1951. Brennert, Die arbeitsrechtliche Gesetzgebung in der amerikanischen Zone, ARSt I S 70—79. Bulla, Mutterschutzgesetz und Frauenarbeitsrecht, München-Berlin 1954. Citron, Zum neuen Arbeitsgerichtsgesetz, DRZ 1947, 43—56. — Zuständigkeit und Verfahren der neuen Arbeitsgerichte, DRZ 1947, 70—74. Cuno, Aus den Entwicklungsjähren des Gewerbegerichtsverbandes, 1928, 101—106. — Zur Statistik der Gewerbegerichte, GewG 1896/97, 84.
ArbG
Dersch, Betriebsräte-Gesetz vom 4. 2. 1940 nebst Wahlordnung, Mannheim-Berlin-Leipzig 1921. — Die Urlaubsgesetze, München-Berlin 1954.
Aufl,
3.
Dersch-Volkmar, Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz, 4. Aufl, MannheimBerlin-Leipzig 1927, 6. Aufl, Berlin-Frankfurt a. M. 1955. Dersch-Neumann,
Bundesurlaubsgesetz, 3. Aufl, München-Berlin 1964.
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Stichwortverzeichnis zur bremischen Arbeitsrechtssammlung (BremARS) s = siehe
Abfindung Abfindungsvergleich Abtretung von Lohn- und Gehaltsansprüchen Änderungskündigung Ärztliches Zeugnis s Arbeitsunfähigkeit Akkordarbeit s Feiertagslohn Akkordvertrag Amtsärztliches Zeugnis s Kündigung, fristlose Anfechtung des Arbeitsvertrages Anfechtung des Vertretervertrages Angestellteneigenschaft Angestelltenkündigungsschutz Anhaltende Krankheit s Kündigung, fristlose Anlernverhältnis Annahmeverzug Anstellung für Reise s Befristetes Arbeitsverhältnis Anwerbung der Ersatzkraft s Arbeitsvertragsbruch Arbeitereigenschaft Arbeitgeberstellung Arbeitnehmer Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einer AG Arbeitnehmerähnliche Person s a Handelsvertreter
s a = siehe auch
Arbeitnehmererfindung Arbeitnehmerin mit Kind s Hausarbeitstag, Mehrarbeit Arbeitsbescheinigung Arbeitsfreier Samstag s Urlaubstage Arbeitsgerichtliches Verfahren Arbeitspapiere Arbeitspflicht Arbeitsplatzschutz s Wehrdienst Arbeits- und Gesellschaftsverhältnis Arbeitsunfähigkeit s a Kündigung, fristlose, Lohnanspruch, Urlaubsanspruch Arbeitsverhältnis Arbeitsverhältnis, einheitliches Arbeitsverhältnis zwischen Verlobten Arbeitsverhinderung Arbeitsvertrag Arbeitsvertragsbruch s a Arbeitspapiere, Volontär Arbeitsverweigerung s Lohnanspruch Arglistige Täuschung s Anfechtung des Arbeitsvertrages Armenanwalt
Arbeitnehmereigenschaft
Armenrecht
Arbeitnehmererfinder s Zuständigkeit
Artist s Arbeitnehmereigenschaft
Stichwortverzeichnis zur BremARS Artistengruppe s Kündigung, fristlose Arzt in Krankenanstalt Aufhebungsvertrag s a Mutterschutz Auflösende Bedingung s Arbeitsvertrag Aufrechnung s a Urlaubsanspruch Aufsichtsrat s Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einer A G Aufwendungsersatz s a Handelsvertreter, Spesenersatz Ausbildungskosten Ausgleichsquittung Auskunft des Arbeitgebers Ausschlußfrist s a Aufrechnung Außenkontrolleur (Tanzcafä) s Arbeitereigenschaft Aussperrung Bauarbeiter s Schlechtwetterregelung Bauleiter s Angestellteneigenschaft Beamtenähnliches Dauerverhältnis s Kündigung, fristlose
Betriebliche Übung Betriebsabteilung s a Betrieb Betriebseinschränkung s Kündigung, fristlose Betriebsferien s Urlaub Betriebskrankenkasse s Betriebsabteilung, Lohnabzug Betriebsnachfolge Betriebsrat Betriebsratsmitglied Betriebsratsvorsitzender Betriebsratswahl Betriebsrisiko Betriebsstillegung Betriebsübernahme Betriebsvereinbarung Betriebsversammlung Bezirksvertreter s Anfechtung des Vertretervertrages Böswilligkeit des Arbeitnehmers s Annahmeverzug des Arbeitgebers Büfettier s Arbeitnehmereigenschaft
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Darlehen s Lohnvorschuß
Befristetes Arbeitsverhältnis
Dauerstellung
s a Probearbeitsverhältnis Beharrliche Arbeitsverweigerung s Kündigung, fristlose Beleidigung s Kündigung, fristlose Berufsjahre Berufskrankheit s Arbeitsunfähigkeit Berufung Berufungsfrist Beschäftigungsverbot s Kündigung, fristlose Beschlußverfahren Betrieb Betriebliche Ordnungsstrafe
437
Diakonisse s Arbeitenhmereigenschaft Dienstordnungsangestellte s a Zuständigkeit, Gratifikation Direktionsrecht s a Änderungskündigung, Arbeitspflicht, Mehrarbeit, Versetzung Doppelarbeitsverhältnis s Urlaubsanspruch Eigentum des Arbeitnehmers s Fürsorgepflicht
438
Stichwortverzeichnis zur BremARS
Einfirmenvertreter s Handelsvertreter Eingruppierung Einheitliches Arbeitsverhältnis s Arbeitsverhältnis, einheitliches Einstellungsverhandlungen Einstweilige Verfügung s a Arbeitsvertragsbruch, Lehrverhältnis Enteignung Entlassung Entlassungsbefehl s Wiedereinstellungsanspruch Erkrankung s Arbeitsunfähigkeit Faktisches Arbeitsverhältnis s Anlernverhältnis Feiertagsbezahlung s a Schichtarbeit, Unständiges Arbeitsverhältnis Fernbleiben von der Arbeit s Beendigung des Arbeitsverhältnisses Filialleiter s Mankohaftung Freie Tage s Tarifliches Abgeltungsverbot Friedenspflicht Fristlose Kündigung s Annahmeverzug, Kündigung, fristlose Fünf-Tage-Woche s Direktionsrecht Fürsorgepflichtarbeit Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Funktionsnachfolge Gefängnisaufseher s Befristetes Arbeitsverhältnis Gehaltsfortzahlung während Kündigungsstreit s Einstweilige Verfügung Geltendmachung s Ausschlußfrist Gesamthafenarbeiter Gesamthafenbetrieb s a Arbeitgeberstellung
Gesellschaftsverhältnis s Arbeits- und Gesellschaftsverhältnis Gewerkschaft s a Parteifähigkeit Gleichbehandlung Graphisches Gewerbe s Anlernverhältnis Gratifikation Gruppenverhältnis Günstigkeitsvergleich s Tarifvertrag Hafenarbeiter s a Tarifvertrag, Günstigkeitsvergleich Haftung des Arbeitgebers s Schadensersatzanspruch des A r beitnehmers Haftung des Arbeitnehmers Haftung für übernommenes Werkzeug s Lohnabzug Handelsvertreter s a Arbeitnehmerähnliche Person Handelsvertretervertrag Handlungsgehilfe Handlungsreisender s a Kündigung, fristlose Hausarbeitstag Heimarbeit Heimkehrer Heuerverhältnis s Ausschlußfrist Hungerlohn s sittenwidrige Vergütung Interlokales Arbeitsrecht s a Zuständigkeit, örtliche Internierung s Berufsjahre Irrtum über Leistungsfähigkeit s Anfechtung des Arbeitsvertrages Kaffee-Verkäuferin s Befristetes Arbeitsverhältnis Kellner s Kündigung, fristlose, Lohngleichheit
Stichwortverzeichnis zur BremARS Kettenverträge s Befristetes Arbeitsverhältnis Kindergeld s RückZahlungsanspruch Koalitionsfreiheit Konkursvorrecht Kopfschlächter s Arbeitnehmerähnliche Person Kosten Kostenentscheidung Kraftfahrer s Abfindungsvergleich Krankengeldzuschuß s a Ausschlußfrist Krankheit Kündigung Kündigung, außerordentliche Kündigung, betriebsbedingte Kündigung, fristlose Kündigung, fristlose durch Arbeitnehmer Kündigung, ordentliche Kündigung, personenbedingte Kündigung, sittenwidrige Kündigung, verhaltensbedingte Kündigung vor Arbeitsantritt Kündigungsfrist Kündigungsschutz Kündigungsschutzklage Kurzarbeit s Betriebliche Übung Lehrverhältnis s a Anlernverhältnis, Urlaubsentgelt Lehrvertrag Leiharbeitsverhältnis Leitender Angestellter s a Kündigung, fristlose Lernschwester vom Roten Kreuz s Zuständigkeit Lohnabzug Lohnanspruch Lohngleichheit Lohnkürzung Lohnminderung
439
Lohnpfändung s a Lohnvorschuß Lohnverwirkung Lohnvorschuß Mankohaftung: Filialleiter Mankohaftung: Verkaufsfahrer Maßregelungsverbot Maurerkolonne s Akkordvertrag Mehrarbeit s a Direktionsrecht Mehrarbeitsvergütung s a Berufung Minderjähriger Lehrling s Ausgleichsquittung Mitbestimmung Mittelbares Arbeitsverhältnis Montagetätigkeit s Betriebsratsmitglied Musiker s Befristeter Arbeitsvertrag, Gruppenarbeitsverhältnis, Tarifliches Abgeltungsverbot Mutterschutz s a Anfechtung des Arbeitsvertrages, Kündigung öffentlicher Dienst s Befristetes Arbeitsverhältnis, Betriebliche Ordnungsstrafe, Eingruppierung, Einstellungsverhandlungen, Kündigung, verhaltensbedingte, Personalakten, Personalvertretung Parteiändernng Parteifähigkeit Personalakten Personalratswahl Personalvertretung Pfändungs- und Überweisungsbeschluß Polier s Angestellteneigenschaft Polizeiangestellter
440
Stichwortverzeichnis zur BremARS
Probearbeitsverhältnis s a Befristetes Arbeitsverhältnis, Befristetes Arbeitsverhältnis, zur Probe Prokura s Arbeitnehmer Provision Prozeßanerkenntnis Prozeßunfähigkeit Prozeßvergleich Prozeßvertretung Rechtsmißbrauch s Urlaubsanspruch Rechtsnachfolge s Angestelltenkündigungsschutz Rechtsschein s Arbeitgeberstellung Reisender s Kündigung, fristlose, Zeugnis Richteramt
RückZahlungsanspruch Ruhegehalt Rundfunksprecher s Befristetes Arbeitsverhältnis Saisonarbeiten s Befristetes Arbeitsverhältnis Saisongewerbe Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers Schaufensterdekorateur s Angestellteneigenschaft Schichtarbeit Schiedsgerichtsbarkeit Schiedsspruch Schlechtleistung Schlechtwetterregelung Schlepperführer s Angestellteneigenschaft Schuldanerkenntnis Schuppenschreiber s Angestellteneigenschaft Schwangerschaft s Anfechtung des Arbeitsvertrages Schwerbeschädigtenobmann
Schwerbeschädigter s a Befristeter Arbeitsvertrag, Kündigung, fristlose Sittenwidrige Kündigung Sittenwidrige Vergütung Sittenwidriger Arbeitslohn Sonntagsarbeit Spesenersatz Sportunfall s Arbeitsunfähigkeit Ständiges Arbeitsverhältnis Stillegung s Betriebsstillegung Straßenbahnunternehmen Streik Streik, wilder Streitwertfestsetzung Stromausfall s Betriebsrisiko Syndikus einer Arbeitnehmerkammer s Versorgungsanspruch Tarifausschuß Tariffähigkeit Tarifgebundenheit Tarifkonkurrenz Tarifliche Eingruppierung von Angestellten Tarifliches Abgeltungsverbot Tariflohn Tarifordnung Tarifvertrag Tarifverzicht s Vergleichsverzicht Teilbeschäftigte s Putzfrau Truppenvertrag s Kündigungsschutz, Schwerbeschädigter Übergesetzlicher Notstand s Lohnkürzung Umsetzung während der Kündigungsfrist s Direktionsrecht Ungebühr vor Gericht
Stichwortverzeichnis zur BremARS Vnpfändbare Lohnforderung s Aufrechnung Unständiges Arbeitsverhältnis Urlaub Urlaubsabgeltung Urlaubsanspruch s a Ausgleichsquittung Urlaubsentgelt Urlaubsmarkenregelung Urlaubsrecht Urlaubstage Verein in Liquidation Verein, nicht rechtsfähiger Vergleichsverzicht Verjährung Verkäufer s Arbeitspflicht Verkaufsfahrer s Arbeitsvertragsbruch, Mankohaftung Verlängerung des Arbeitsverhältnisses Verlobte s Arbeitsverhältnis zwischen Verlobten Versäumnisurteil Verschulden s Arbeitsunfähigkeit Verschweigen einer Tbc, früherer schwerer Krankheit, von Streik im Betrieb s Anfechtung des Arbeitsvertrages Versetzung s a Betriebsratsmitglied, Kündigung, fristlose Versicherungs-Bezirksdirektor s Arbeitnehmerähnliche Person Versicherungsinspektor s Arbeitnehmereigenschaft Versorgungsanspruch Vertagung Vertragsbruch des Arbeitgebers
441
Vertrauensärztliche Untersuchung s Arbeitsunfähigkeit, Krankheit Verweisung Verwirkung s a Lohnkürzung, Mehrarbeitsvergütung, Tarifliche Eingruppierung von A n gestellten Volontär Volontärverhältnis: Arzt Vorbereitung eigenen Betriebes s Kündigung, fristlose Vorgesellschaft s Arbeitgeberstellung Vorstellungskosten Vorstrafe wegen Untreue s Anfechtung des Vertretervertrages Vorübergehende Angestelltentätigkeit s Angestellteneigenschaft Wahlvorstand Wehrdienst Wettbewerbsverbot Wiedereinsetzung Wiedereinstellungsanspruch Wiederholte Erkrankung s Arbeitsunfähigkeit Wochentage s Urlaubstage Zeugnis Zurückverweisung Zusammenhangsklage s Zuständigkeit Zuständigkeit s a Zurückverweisung Zustellung Zwangsvollstreckung Zweites Versäumnisurteil s Berufung