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German Pages 408 [409] Year 1979
ERNST WERNER
DIE GEBURT EINER GROSSMACHT — DIE OSMANEN
FORSCHUNGEN ZUR MITTELALTERLICHEN
GESCHICHTE
Herausgegeben von H. Sproemberg f , H. Kretzschmar "j", E. Werner, E. Müller-Mertens und G. Heitz
BAND 13
A K A D E M I E - V E R L A G - B E R L I N 1978
ERNST WERNER
DIE GEBURT EINER GROSSMACHT DIE OSMANEN (1300-1481) Ein Beitrag zur Genesis des türkischen Feudalismus
Mit 7 Karten Dritte, bearbeitete und erweiterte Auflage
A K A D E M I E - V E R L A G 1978
-
B E R L I N
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag 1966 Lizenznummer: 202 • 100/271/78 Gesamtherstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen - 5 1 3 1 Bestellnummer: 753 319 7 (2090/13) • LSV 0225 Printed in GDR DDR 4 8 , - M
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort zur dritten Auflage
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Abkürzungen
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I. Einleitung I I . Das seldschukische Erbe 1. Grenzkampf und Keichsgründung: Der Weg von Mantzikert nach Sivas und Konya' 2. Staat und Gesellschaft im Sultanat Konya 3. Die Seldschuken und Byzanz 4. Äußere und innere Krise: Turkmenen, Mongolen, süfis, bäbä'is und achls I I I . Niedergang und Aufstieg: Die anatolischen Beylikler 1. Aufstand der Turkmenen 2. Beylikler und Ghäzltum 3. Der Sieg deB Neuen: Die Osmanen
11 24 25 43 51 57 84 85 91 99
IV. Byzanz und die Türken 1. Kaiser, Feudaladel und kleinasiatische Türken 2. Die Osmanen und Byzanz in der ersten Phase der türkischen Landnahme
123 123 142
V. Der Kampf um die Feudalisierung des Staates: Murad I. und Bayazld I. 1. Konsolidierung im Innern und Machterweiterung nach außen 2. Timur und Bayazld
163 163 183
VI. Antifeudale Reaktion: Die Zeit der Volksaufstände 1. Aufbruch der Stammeskrieger 2. Yürüken und Wlachen 3. Die Bedr-eddlnbewegung 4. Die südosteuropäischen Staaten und die italienischen Handelsrepubliken nach 1403
194 194 207 217
VII. Expansive Restauration: Murad I I 1. Patriarchalischer Beginn 2. Neuer Machtgewinn 3. Christliche spahi 4. Abdankung und Wiederkehr: Murad II. und der junge Mehmed . . . . VIII. Militanter Feudalismus: Mehmed el-Fätih, padiääh-i 'alem 1. Der türkische Weltenherrscher 2. Wirtschaft und Gesellschaft
234 243 243 248 265 269 273 273 300
5
3. Byzantinisch-slavische Einflüsse 4. Organisation und Verwaltung 5. Der gescheiterte Versuch einer turkmenischen Großreichbildung: Uzun Hasan I X . Rückblick und Ausblick Verzeichnis abgekürzt zitierter Quellen und Literatur
328 332 337 346
. .
Personen- und Sachregister
359 378
Karten I. Die seldschukische Eroberung Kleinasiens I I . Anatolien nach 1300 H L Das türkische Vordringen auf dem Balkan zwischen 1331 und 1396 IV. Zerfall des bosnischen Königreiches im 15. Jahrhundert V. Venezianischer Kolonialbesitz und das türkische Vordringen im 15. Jahrhundert VI. Politische Karte des Vorderen Orients 1448 VII. Uzun Hasans Reich 1468-1478
. . .
35 92 172 256 292 339 343
VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE
Der Entschluß des Autors und des Verlages zu einer dritten Auflage erforderte eine teilweise Neufassung des Werkes, da kapitelweise Ergänzungen, wie sie in der zweiten Auflage 1972 vorgenommen wurden, nicht mehr möglich waren. Weitere Quellen- und Literaturnachträge hätten die Gedankenführung des Autors beeinträchtigt und wären der Lesbarkeit des Buches abträglich gewesen. Deshalb erfolgte eine Neubearbeitung auf Grund neuen Materials und neuer Überlegungen. Die Gesamtkonzeption blieb unverändert, da sie sich auch unter Berücksichtigung neuer Forschungen und kritischer Einwände und Hinweise als tragfähig erwies. In Details ergaben sich Korrekturen und Umstellungen. Nicht geringe Schwierigkeiten bereitete die Wahrung der Proportionen, da eine Fülle neuer Einzelheiten zu Abschweifungen verlockte. Dadurch wären aber die großen Linien verwischt und die Entwicklungsetappen des osmanischen Feudalismus überdeckt worden. Daher fanden sie nur sparsame Beachtung und Einfügung. Alle anderen Fragen und Probleme, die sich hinsichtlich der Charakterisierung und Einschätzung feudaler Produktions- und Klassenverhältnisse aufdrängten und die neu durchdacht werden mußten, finden in den jeweiligen Kapiteln Berücksichtigung, so daß sich an dieser Stelle eine Diskussion erübrigt. Leipzig, im Juni 1977
Ernst Werner
ABKÜRZUNGEN
ACICB
Actes du colloque international de civilisations balkaniques, Sinaia 1962 Actes X I V Actes du XIV e Congrès international des études byzantines; Bucarest 6-12 September 1971, 1.1. Bukarest 1974 AIE SEE I I e r Congrès international des études balkaniques et sud-est européennes. Actes I I I : Histoire (Ve~XV e ss.; X V e - X V I I e ss.) Sofia 1969 Belleten Türk Tarih Kurumu, Ankara BOAS Bulletin of the School of Oriental and African Studies, University of London BS Byzantinoslavica, Praha BST Balkan Studies, Thessaloniki BZ Byzantinische Zeitschrift, München DOP Dumbarton Oaks Papers, Washington ÉB Études balkaniques, Sofia GIDBH Godisnjak istorijske drustva Bosne i Hercegovine, Sarajevo GZMS Glasnik zemaljskog muzeja u Sarajevo JE SO Journal of the Economic and Social History of the Orient, Leiden JÖG Jahrbuch der österreichischen Byzantinischen Gesellschaft, Wien ProceedProceedings of the X l l l t h International Congress of Byzantine Stuings X I I I dies, London 1967 RE SEE Revue des études sud-est européennes, Bucureçti RI Revue des études islamiques, Paris WZKM Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes ZDMG Zeitschrift der Deutsch-Morgenländischen Gesellschaft, Wiesbaden ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin BB IIC
BH3aHTHÖCKHÜ BpeMeHHHK, MocKBa IlajiecTHCKHä c6opHHK, MocKBa-JIeHHHrpafl
I. EINLEITUNG
„Die großen Ereignisse unserer Epoche . . . gestatten es, tiefer und allseitiger in die vergangene Geschichte der menschlichen Gesellschaft einzudringen . . . Das Studium der gegenwärtigen historischen Prozesse bereichert die Geschichtswissenschaft mit neuem Material, mit neuen theoretischen Leitsätzen, die uns nicht nur Kenntnisse über die gegenwärtige Epoche vermitteln, sondern auch die vergangene Geschichte tiefer zu verstehen helfen."1 Die ungeheure Dynamik des Weltgeschehens in den verflossenen dreißig Jahren eröffnete den Historikern ganz neue Seiten in der Betrachtung vergangener Gesellschaftsformationen. Vor allem aber weitete sich ihr geographischer Horizont. Neue Völker traten in die Arena der Weltgeschichte und gestalteten als Akteure das Gesicht unseres Planeten mit. Das erwachte Asien und das immer mehr erwachende Afrika und Lateinamerika steuern wie einst im Altertum und Mittelalter wieder wertvolle Bausteine zur Weltkultur bei. Vor den befreiten Völkern steht als Aufgabe nicht nur der Aufbau einer nationalen Wirtschaft und eines antiimperialistischen Staatswesens, sondern nicht minder die Ausarbeitung eines wissenschaftlichen Geschichtsbildes, das die Gegenwart aus der Vergangenheit begreifen hilft und progressive Traditionen bewahrt und pflegt. Diese Selbstbesinnung ist bei den Völkern Asiens und Afrikas besonders deshalb bedeutsam, weil deren Geschichte von den einstigen Kolonialherren verzerrt und verfälscht dargeboten wurde, um der Geschichtslosigkeit der Unterworfenen die Geschichtsträchtigkeit der Herren gegenüberzustellen. Eine Gesellschaft, ein Staat, ist aber ohne Vergangenheit nicht denkbar. Geschichte ist das Gedächtnis der Menschheit. Sie bewahrt und reproduziert all das, was ihr teuer ist, und auch das, was sie verabscheut.2 Die Vergangenheit jener Völker mit zu erhellen helfen, erfordert nicht allein die internationale Solidarität mit den jungen Nationalstaaten, sondern sie gehört zu den wichtigsten Aufgaben marxistisch-leninistischer Historiographie. Sie muß ein möglichst geschlossenes und lückenloses Bild jenes Weges herausarbeiten, den die Menschheit bis zum gegenwärtigen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab zurückgelegt hat, denn ohne die Kenntnis dieses Weges ist keine bewußte Vorwärtsbewegung möglich.3 Vor dieser Aufgabe steht auch die Feudalismusforschung, der eine nicht zu unterschätzende praktische Bedeutung für den revolutionären Kampf des Proletariats in der Gegenwart zukommt. Die Überreste des Feudalismus in abhängigen 1 2 3
Ivanow, G. M., S. 635. Qvlyga, A. W., Über den Gegenstand, S. 1289. Derselbe, S. 1296.
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Ländern oder in Staaten, die erst kurze Zeit politisch selbständig sind, spielen eine ökonomisch wie politisch negative Rolle. Der Imperialismus stützt sich in seiner expansiven Politik vordergründig auf die reaktionären Kräfte in diesen Ländern, deren ökonomische Basis feudalen Ursprungs ist. Er bemüht sich, die feudalen Relikte zu erhalten und zu stabilisieren, um die Ausplünderung der Völker fortzusetzen und zugleich die Entwicklung der Produktivkräfte zu behindern. „Die Erforschung des Feudalismus und seiner Gesetzmäßigkeiten beschränkt sich deshalb nicht allein auf das Studium einer längst zurückgelegten Entwicklungsetappe der menschlichen Gesellschaft. Sie ist ein aktuelles Problem, das von großer theoretischer wie auch von unmittelbarer praktischer, revolutionärer Bedeutung ist."4 Am Lehrstuhl für allgemeine Geschichte des Mittelalters der Karl-Marx-Universität in Leipzig ergaben sich für die Themenwahl — der Entwicklung des osmanischen Feudalismus in der Frühzeit nachzugehen — günstige Voraussetzungen, da seit Jahren Byzanz und Südosteuropa im Forschungsprogramm des Kollektivs Berücksichtigung finden und zum anderen die Türken einen grundherrlichen Feudalismus hervorbrachten und ihn in den islamischen Orient trugen.5 Der osmanische Feudalismus darf als Beispiel für den „relativen Synchronismus des Geschichtsprozesses", der es gestatte, „von einer Periode des Mittelalters im Weltmaßstab zu reden"6 genommen werden, wodurch er für die komparative und typologische Untersuchungsmethode von Wert ist. Zugleich gab die „Association internationale d'études du Sud-Est européen" durch ihre Organisierung und Stimulierung der internationalen Forschungsarbeiten über südosteuropäische Geschichte, ihre Konferenzen und Kongresse, Anregungen für die intensivere Beschäftigung mit der türkischen Geschichte. Neue Fachzeitschriften, wie die „Études balkaniques" (Sofia), die „Revue des études sud-est européennes" (Bukarest), die „Studia albanica" (Tirana), die „Balkan Studies" (Thessaloniki), das „Archivum ottomanicum" (s'Gravenhage) und die „Turcica" (Strasbourg) erleichtern den Literatur- und Forschungsüberblick, wenn auch nicht an eine einigermaßen vollständige, gar nicht zu reden von einer lückenlosen Erfassung des weit verstreuten Materials zu denken ist. Was die türkischen Urkunden betrifft, so glaubte F. Babinger für das 15. Jh. noch weitgehend auf Archivstudien verzichten zu können. Er schrieb : „An dieser Stelle muß betont werden, daß sich aus türkischen Archivbeständen für jene Zeiträume so gut wie keine Einzelheiten, geschweige denn grundstürzende Erkenntnisse gewinnen lassen."7 Recherchen bulgarischer, jugoslavischer, französischer und türkischer Gelehrter haben dieses Urteil korrigiert. Neben älteren Editionen und Übersetzungen von Diplomen und Känünnäme von F. KraelitzGreifenhorst (1921) und G. Elezovic (1940) verfügen wir heute über wichtige neue Ausgaben von N. Beldiceanu und I. Beldiceanu-Steinherr in den „Actes des 4
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Politische Ökonomie. Vorkapitalistische Produktionsweisen. Allgemeine Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung des Kapitalismus. Bd. 1, Berlin 1976 (Parteihochschule beim ZK der K P d S U — Lehrstuhl Politische Ökonomie) S. 128. Marx, K. Engels, F., Werke, Bd. 20, Berlin 1962, S. 164 (Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft). Vgl. Werner, E., Methoden und Möglichkeiten komparativer Mediävistik. ZfG. X X I , 1973, S. 542-547. Babinger, F., Briefschaften, S. VIII. Ähnlich Fekete, L., Uber Archivalien und Archivwesen in der Türkei. Acta orientalia III, Budapest 1953, S. 179—205.
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premiere sultana" (1960, 1964) sowie ihre diplomatischen Analysen (1967). Timarregister aus Albanien und Bulgarien edierten H. Inalcik, V. P. Mutafcieva und B. A. Cvetkova, (1951, 1960), Sammlungen von Katasterbeschreibungen, defterler über Timarvergaben 1455 im viläyet Vlk und im Gebiet des Isa-Beg Ishakovic publizierten H. Sabanovic (1964), H. Hadzibegic, A. Hanzic und E. Kovacevic (1972). Gesetze aus der Zeit Bayazids II. (1481—1512), die einen älteren, auf die Regierung Mehmeds II. zurückgehenden Stand widerspiegeln, edierte ö . L. Barkan 1943 in lateinischer Schrift. Aus diesen Originalquellen lassen sich nicht allein wichtige Erkenntnisse über das Timarsystem, sondern auch über ethnische, religiöse und kulturelle Phänomene im 15. Jh. gewinnen. Weniger ergiebig zeigen sich dagegen die türkischen Chroniken. „Wären die abendländischen Geschichtsforscher ausschließlich oder vorzugsweise auf frühosmanisches Quellengut angewiesen, so vermöchten sie schwerlich ein einigermaßen zutreffendes Bild von den inneren Verhältnissen im alten Osmanenreich zu gewinnen."8 Sie dienten vorzugsweise panegyrischen Zwecken und der Unterhaltung des Sultanshofes. Urug ben 'Adii und Ahmedi beginnen ihre Vorreden mit dem Hinweis, daß sie die Geschichte der Sultane niederschrieben, um ein Gegenstück zu Heiligenviten, Wundererzählungen; sähnäme und Heldenpreis zu schaffen.9 Eine Reihe frühosmanischer anonymer Chroniken liegen in einer wortgetreuen lateinischen Übersetzung aus dem 16. Jh. vor. Der schlesische Edelmann Philipp Haniwald von Eckersdorf, der als Gesandtschaftssekretär in Istanbul weilte, ließ sich von Murad Beg, einem türkischen Dolmetscher, eine Abschrift des berühmten Geschichtswerkes Mehmed Nesri's aus Germiyän anfertigen und übersetzen. Der deutsche Gelehrte Johannes Löwenklau aus Amelsbüren, der 1594 in Ungarn starb, schrieb diesen Codex Hanivaldanus aus und vereinigte ihn zusammen mit der sogenannten Verancsisschen Chronik zu seinem berühmten Geschichtswerk „Historiae Musulmanae Turcorum."10 P. Wittek schätzt diese Kompilation hoch ein, wenn er meint: „So kann der des Türkischen unkundige Historiker sich freudig an das Studium der H. M. machen, die so ziemlich alles Wesentliche enthalten, was uns die alten Chroniken über das 14. und 15. Jh. berichten."11 Die „Geschichte des Hauses Osman" aus der Feder des Derwisches Ahmed, genannt 'Asiqpasazäde, der 1400 im östlichen Anatolien geboren wurde und unter Murad II. an Feldzügen in Rumelien teilnahm, liegt inzwischen in deutscher Übersetzung von R. F. Kreutel vor. Wenn Ahmed auch im wesentlichen nur eine bis 1485 reichende Darstellung bietet und diese gegenüber seinen Vorlagen nicht übermäßig durch Fakten bereicherte,12 so vermittelt er uns doch interessante 8
Babinger, F., Die Aufzeichnungen, S. 5; Derselbe, Aufsätze und Abhandlungen I, S. 126. Ménage, V. L., S. 178: Urug verfaßte sein Werk erst unter Bayazld II., vgl. BeWiceanU-Steinherr, I., Un legs pieux du chroniqueur Uruj. BOAS X X X I I I , 1970, S. 360. 10 Vgl. Kissling, H. JDeutsche Schicksale in der Türkei im 15., 16. und 17. Jahrhundert. Leipziger Vierteljahrsschr. für Südost-Europa 4, 1940, S. 203; Babinger, F., Herkunft und Jugend Hans Lewenklaw's. Südost-Forschungen 9, 1944, S. 165—174. 11 Wittek, P., Zum Quellenproblem der ältesten osmanischen Chroniken (mit Auszügen aus NeSri). Mitt. zur osmanischen Geschichte I, 1921, S. 149. Nesris Werk war aber eine reine Kompilation älterer Vorlagen, behält dennoch durch die Zusammenstellung seinen Wert. Vgl. Ménage, V. L., Neshrl's History of the Ottomans. The sources and development of the text. London Orientai Series vol. 16, London 1964. 12 So Wittek, P., Neues zu 'Aälkpaäazäde, Mitt. II, 1923/25, S. 162f. 9
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Einzelheiten, die sich sonst nicht finden. Vor allem gibt er Stimmungsbilder religiöser Kreise wieder, die auf Opposition gegen zentralstaatliche Maßnahmen, welche einer raschen Feudalisierung Vorschub leisteten, schließen lassen. Überhaupt zeigt sich die altosmanische Chronistik beim näheren Zusehen oft aussagekräftiger, als man zunächst vermutet. Sie überliefert zwar keine zuverlässigen Daten, treibt Schönfärberei, verwandelt Niederlagen in Siege, katzbuckelt vor den Herrschern und verschweigt Unruhen und Mißstimmungen, schreckt aber dennoch vor verdeckter Herrscherkritik nicht zurück, etwa gegenüber der Innenpolitik Bayazids I. Auch lassen sich mit Vorsicht Rückschlüsse über den Gegensatz zwischen alter Stammesdemokratie und feudaler Zentralisation, zwischen synkretistischem Derwischtum und orthodoxen 'ulemä' ziehen, die in willkommener Weise das aus anderen Quellen gewonnene Bild ergänzen und bereichern. Die von A. S. Tveritinova 1961 auf Grund einer Leningrader Hs. in Faksimile publizierte „Bedä'i 'ül-weqä'i" (erstaunliche Begebenheiten) des Qoga Hüsejn (17. Jh.) aus Sarajevo belegt unsere Beobachtung um ein weiteres Mal. Hüsejn bietet wichtige Nachrichten über den Kampf der Söhne Bayazids I. um den Thron nach 1402, über Janitscharenunruhen unter Mehmed II. sowie über die Einbeziehung der Stammeskrieger unter Orhan in das türkische Heer. Ein sicherer Führer durch das dornige Gestrüpp osmanischer Chronistik ist das bis heute unentbehrliche Standardwerk Franz Babingers: „Die Geschichtsschreiber der Osmanen und ihre Werke" (1927), das mit vollem Recht in der Laudatio zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum des Verfassers vom Präsidenten der Bayrischen Akademie der Wissenschaften als unentbehrlich für jeden Historiker zitiert wurde. 13 Leider war es dem unermüdlichen Gelehrten nicht mehr beschieden, eine erweiterte und verbesserte Neuauflage, die ein dringendes Desiderat der Osmanistik bleibt, selbst zu besorgen. Unentbehrlich für die Darstellung osmanischer Geschichte sind die byzantinischen Quellen. „Die türkischen Studien können . . . nicht der Unterstützung durch die Byzantinisten entraten."14 Auch auf diesem Gebiet befinden wir uns in der glücklichen Lage, ein erstklassiges Handbuch zu besitzen, das seit seiner ersten Auflage 1942 in der internationalen Fachwelt Bewunderung und Anerkennung fand, die „Byzantinoturcica" von Gyula Moravcsik, in zweiter Auflage 1958 im Akademie-Verlag Berlin erschienen.15 Es ist ganz besonders für unsere Monographie nützlich, da es die Nachrichten der byzantinischen Geschichtsschreiber über die Turkvölker sorgfältig verzeichnet und ihren historischen Wert kritisch einschätzt. Der Verlauf der Untersuchung wird zeigen, welch reiches Material über sozial-ökonomische Verhältnisse bei Türken und Osmanen die byzantinischen Gewährsmänner sammelten, obwohl politische und religiöse Interessen bei ihnen im Vordergrund standen. Als wertvoll erweisen sich die europäischen Reise- und Erlebnisberichte. „Der Ablauf der großartigen osmanischen Reichsgeschichte kann unmöglich ohne sorgfältige und peinliche Erforschung nicht orientalischer Quellen auf wissenschaftlich begründete und leidenschaftslose Weise geklärt werden. . ."16 Die Rela13
Jb. der Bayrischen Akad. d. Wiss., München 1964, S. 2. Babinger, F., Aufsätze und Abhandlungen I, S. 127. Sachkundige und weiterführende Rezensionen durch A. P. Kaidan im BB XVI, 1959, S. 271—286. « Babinger, F., Briefschaften, S. VIII.
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tionen des französischen Edelmannes Bertrandon de la Broquiere (1432—1437), des Spaniers Pero Tafur (1435—1439) oder des Deutschen Georg von Ungarn (1478) wnrden seit eh und je von der Forschung herangezogen. Weniger Beachtung fand die „Historia turchesca" des Gianmaria Angiolello ( | 1525), die der Rumäne I. Ursu unter dem falschen Namen Donado da Lezze 1910 herausgab17 und die auf Autopsie beruht. Sie enthält wichtige Angaben über das gespannte Verhältnis zwischen Murad II. und Mehmed II., über christliche Hilfstruppen, yaya, müsellem, Janitscharen und spahi. Nicht minder bedeutsam für die zweite Hälfte des 15. Jh. sind die erst 1956 von F. Babinger edierten „Aufzeichnungen des Genuesen Iacopo de Promontorio de Campis". Dieser Patrizier und Großkaufmann lebte 25 Jahre am Hofe Murads II. und Mehmeds II. und war deren Vertrauensmann in Finanzangelegenheiten. Eine besondere Kostbarkeit stellen die „Erinnerungen" eines wohl serbischen Janitscharen, Konstantin von Ostrovica, dar. Es handelt sich nach den jüngsten Untersuchungen von Renate Lachmann um das Werk eines aus mehreren Quellen schöpfenden Redakteurs. Er verarbeitete vor allem die mündlichen oder schriftlichen Memoiren eines Ex-Janitscharen, der 1453 als junger, vielleicht achtzehnjähriger Bursche dem serbischen Hilfskontingent zur Eroberung Konstantinopels angehörte und 1455 mit zwei Brüdern in Novo Brdo von den Türken gefangen genommen, nach Anatolien verschleppt und zum Janitscharen gemacht wurde. Zwischen 1456 und 1463 nahm er an mehreren Feldzügen Mehmeds II. teil, geriet schließlich in ungarische Gefangenschaft und bekannte sich erneut zum Christentum. Er haßte die Osmanen und machte aus seinem Haß kein Hehl. Seine Beschreibungen der Kriegsordnung unter dem Fätih sowie des Auftretens von tanzenden Derwischen gewähren interessante Einblicke in das Leben und Treiben im Reiche des großen Sultans.18 Über die Behandlung versklavter Bevölkerung sowie über Terrormaßnahmen Mehmeds II. gegenüber inneren Feinden erfahren wir einiges von dem deutschen Geschützgießer Jörg von Nürnberg, der sich 1456 in Bosnien Herceg Stjepan Vukcic ( | 1466) als Geschützmeister verdingte, 1460 von den Türken gefangen genommen wurde, aber seine Stellung beibehielt. 1470 sandte ihn der Sultan als Späher nach Alexandrien, wo er mit Hilfe eines Franziskanermönches nach Italien floh und sich in den Dienst Papst Sixtus' IV. begab.19 Unter den zeitgenössischen slavischen Chroniken ragt die Konstantins des Philosophen hervor. Er schrieb 1431 eine Biographie des serbischen Despoten Lazarevic, die u. a. die Ereignisse nach der Schlacht bei Ankara 1402 schildert und wichtige Hinweise über die Herrschaft Müsäs auf dem Balkan bietet.20 Gesandtschafts- und Geschäftsberichte Ragusas sowie Venedigs sind gleichfalls ergiebige und unentbehrliche Quellen zur inneren und äußeren Geschichte des 17 18 19
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Richtigstellung des Verfassernamens durch Babinger, F., Aufsätze und Abhandlungen I, A. 4, S. 152. Neuerdings ins Deutsche übersetzt von B. Lachmann u. a.: Memoiren eines Janitscharen oder Türkische Chronik. Slavische Geschichtsschreiber VIII, Graz-Wien-Köln 1975. Jörg v. Nürnberg, S. 11. Ein vollständiges Verzeichnis europäischer Türkendrucke aus dem 16. Jh. findet sich bei Göllner, C., Turcica. Die europäischen Türkendrucke des XVI. Jahrhunderts. I. Bd. Bucure?ti-Berlin 1961. Zu den Lebensdaten des Verfassers vgl. das Vorwort von Popovic, P., Grape cpncne 6norpa$Hje, S. XLIV. Eine deutsche Übersetzung bringt Braun, M., Lebensbeschreibung.
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Osmanenstaates. Eine Auswahl steht uns in den „Notes et extraites" N. Jorgas sowie in den „Régestes" (drei Bände) und den „Délibérations" (zwei Bände) F. Thiriets zur Verfügung. Der diplomatischeVerkehr zwischen Ragusa und Ungarn, der Einblicke in Pläne und Absichten der magyarischen Krone gegenüber der türkischen Gefahr gewährt, spiegelt sich in zahlreichen Briefen und Urkunden wider, welche Thallöczy und Gelcich 1887 in einem „Diplomatorium" publizierten. Die päpstliche Diplomatie in der Levante kann aus den „Lettres secrètes et curiales", die G. Mollat aus vatikanischen Registern zusammenstellte, sowie den Akten der avignonesischen Päpste, die A. L. Täutu besorgte, aber auch aus zahlreichen Spezialstudien eruiert werden. Allerdings beabsichtige ich nicht den Verlauf der äußeren Geschichte und damit der internationalen Beziehungen im 14. und 15. J h . darzulegen, sondern ich konzentriere mich auf die innere Entwicklung der osmanischen Gesellschaft, Klassenspaltung und Staatsgriindung. Die fördernden und hemmenden äußeren Faktoren finden dabei nur insoweit Berücksichtigung, soweit sie die Genesis des türkischen Feudalismus beeinflußten oder typischen Charakter trugen. Demgegenüber finden die erreichbaren und sprachlich zugänglichen Quellen zur seldschukischen Geschichte ungeteilte Aufmerksamkeit, denn viele Erscheinungsformen der osmanischen Gesellschaftsstruktur und Staatsorganisation sind nur aus dem seldschukischen Erbe heraus verständlich. An erster Stelle steht die „Seldschukengeschichte" des Ibn Bïbï, die er im Frühjahr 1281 abschloß und die über äußere und innere Ereignisse in Anatolien wichtige Daten überliefert. Dank der ausgezeichneten deutschen Übersetzung von H. W. Duda ist sie uns zugänglich. Für das geistige und religiöse Leben Anatoliens bieten die Heiligenleben der tanzenden Derwische, die Afläk! zwischen 1318 und 1353 in persischer Sprache aufzeichnete und die Cl. Huart 1918 und 1922 ins Französische übertrug, reiches Material. Über die Situation des Sultanats unter den Mongolen und den Aufstieg der türkischen beylikler informiert der Perser Karim al-din Aqsaräyi, der seine „Seldschukengeschichte" 1323 niederschrieb. Sie ist die einzige autochthone Überlieferung für die Geschichte Rüms in den Jahren 1282 bis 1323 und enthält wichtige Angaben über die Verwaltung des zerfallenden Reiches sowie eindrucksvolle Schilderungen der ökonomischen und sozialen Krise. F. Içiltan übersetzte sie 1943 ins Deutsche. Ein Gegenstück zu den europäischen Reiseberichten bilden die Beschreibungen des arabischen Kaufmanns Ibn Battüta, der in den Jahren nach 1330 Kleinasien durchstreifte und vor allem das Leben der achï schildert, die in den anatolischen Städten eine dominierende Rolle spielten und auch die Entstehung des Osmanenstaates beeinflußten. Eine französische Übersetzung ermöglicht die Benutzung. Das gleiche gilt für die „Taten 'Umur Pasas", eines bedeutenden türkischen Begs von Smyrna, der als Verbündeter Kaiser Kantakuzenos' in die byzantinischen Thronwirren eingriff. Der Verfasser war ein Türke, Enverï, der 1465 sein Werk abschloß. Er griff auf zeitgenössische Vorlagen zurück und bietet Einblicke in ein Grenzemirat auf dem Gipfelpunkt seiner Macht in den dreißiger Jahren des 14. Jh., „womit er uns hilft, das zu begreifen, was zur gleichen Zeit an anderen Orten geschah. Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich um eine einzigartige Quelle."2121
Lemerle, P., S. 10.
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Der türkische Text wurde in Lateinschrift mit einer französischen Übersetzung von I. Mölikoff-Sayar ediert. Für die Anatolienpolitik Murads I. und Bayazids I. besitzen wir eine von H. H. Giesecke besorgte Schrift, „Gelage und Kampf" des Ästaräbädl, die er 1396 oder 1398 am Hofe seines Gönners Ahmed in Sivas verfaßte. Sie zeichnet sich durch Wahrheitsliebe und zurückhaltendes Urteilsvermögen aus. Nicht weniger bedeutsam sind die Berichte des Franziskaners Simon von St. Quentinüber den Aufstand des Bäbälshäq sowie die Mongolenherrschaft. Vincenz von Beauvais nahm sie in sein „Speculum historiale "auf.22 In jüngster Zeit ist es IST. Beldiceanu und I. Beldiceanu-Steinherr gelungen, in türkischen Archiven osmanische Steuerregister zu entdecken, welche einen Einblick in seldschukische Verhältnisse gestatten und wichtige Ergänzungen und Kontrollen zu den erzählenden Quellen bieten. Weitere schriftliche Quellen finden bei ihrer Benutzung Erwähnung und Charakterisierung. Eine vollständige Beschaffung und Verarbeitung der unübersehbaren Sekundärliteratur war auch in dieser Auflage nicht möglich. Wieweit die wichtigsten Arbeiten erfaßt wurden, muß der Fachmann entscheiden. Ein Blick in internationale Bibliographien zeigt, daß heute schon die reine Sammeltätigkeit von Titeln enorme Schwierigkeiten bereitet und kaum noch von einer Person zu bewältigen ist.23 Die sowjetische Osmanistik und Turkologie konnte auf den Standardwerken V. A. Gordlevskijs und V. V. Bartol'ds auf- und weiterbauen. Besondere Verdienste erwarb sich die leider zu früh verstorbene Moskauer Historikerin A. S. Tveritinova, die ältere Chroniken edierte, Sultanserlasse und agrargeschichtliche Quellen übersetzte und interpretierte. Der Leningrader Osmanist A. D. Novicev bot eine für Studenten und Dozenten bestimmte Gesamtdarstellung türkischer Geschichte, die in den ersten drei Kapiteln unsere Periode behandelt. Eine eingehende Würdigung des Werkes erfolgte bereits an anderer Stelle.24 Darüber hinaus untersuchten beide Forscher antifeudale Volksaufstände im ersten Drittel des 15. Jh. und boten Quellenanalysen zu den Bewegungen Bedr-eddlns und Bürklüge Mustafas. Mit der seldschukischen Früh- und Spätzeit beschäftigen sich A. A. Ali-zade und R. A. Gusejnov, während S. G. Agadzanov neue Beiträge zur Geschichte der Oghuzen und Turkmenen Mittelasiens liefert. Der bedeutende Leningrader Orientalist I. P. Petrusevskij bereichert unsere Kenntnisse über die Qoyunlu in Azerbaidzän sowie über den Islam im Iran. D. E. Eremeev steuert ethnographische Arbeiten zur Entwicklung der Yürüken bei. Bedeutsame Ergebnisse zur Agrar- und Stadtgeschichte auf dem Balkan unter 22
Zu Simon von St. Quentin vgl. Cohen, Gl., in: The Encyclopaedia of Islam, n. e. 1.1, LeidenLondon 1960, S. 844. Es seien nur zwei Beispiele angeführt: Kornrümpf, H.-J., Osmanische Bibliographie mit besonderer Berücksichtigung der Türkei in Europa. Handbuch der Orientalistik, I. Abteilung, Ergänzungsband VIII, Leiden-Köln 1973 und Tietze, A., Turkologischer Anzeiger (TA 1), WZKM 67, 1975, S. 339—488. 24 Werner, E., Bemerkungen zu einer neuen marxistischen Darstellung der Geschichte der Türkei im Zeitalter des Feudalismus. ZfG. XI, 1963, S. 1516—1525; eine vollständige Bibliographie aller in der Sowjetunion zwischen 1917 und 1958 erschienenen Studien über die Türkei liegt in einem Sonderband des Orientalischen Instituts der sowjetischen Akademie der Wissenschaften, Moskau 1959, vor: EnSjmorpaiJiHH TypijHH. Die die Geschichte betreffenden Arbeiten sind auf den Seiten 54-122, 13.-17. Jh. S. 56-58, zusammengestellt.
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2 Werner, Ogmanen
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türkischer Herrschaft können den Forschungen der bulgarischen Osmanistik entnommen werden. Pionierarbeit leisteten vor allem B. A. Cvetkova, V. A. Mutafcieva und N. Todorov. Sie widmeten sich zugleich der Edition und Übersetzung türkischen Archivmaterials aus der Sofioter Nationalbibliothek. Aus der Feder der drei genannten Gelehrten besitzen wir grundlegende Monographien und Einzeluntersuchungen, welche die internationale Diskussion über die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Osmanenreiches wesentlich befruchteten und auf ein höheres Niveau hoben. 25 Das gleiche gilt für die jugoslavische Forschung, die sich vor allem um das 1950 gegründete Orientalische Institut in Sarajevo gruppiert. Souveräne Kenner der türkischen Materialien, wie B. Djurdjev, H. Sabanovic, N. Filipovié, H. Hadzibegic, A. Suceska und M. Vasic haben in den verflossenen 30 Jahren Hervorragendes geleistet. Für unser Thema sind ihre Ergebnisse grundlegend. Naturgemäß konzentrierte sich ihre Aufmerksamkeit vordergründig auf Balkanprobleme. Vor allem das Timar- und bäuerliche Abgabensystem in Bosnien ist Gegenstand ihrer Untersuchungen. Hinzu treten Beiträge über Bergbau, Handel und Städte. 26 Erwähnenswert ist hier vor allem das Buch des Belgrader Historikers I. Bozic, das einen erschöpfenden Überblick über die Beziehungen Dubrovniks zu den Osmanen bietet. Es wird ergänzt durch Arbeiten des großen Kenners ragusanischer Dokumente, B. Krekic. Ganz neue Beleuchtung findet das fetret devri, das Interregnum nach 1402, durch ein kenntnisreiches Werk N. Filipovic's, das nicht nur die Politik Müsäs und Bedr-eddïns zum Gegenstand hat, sondern eine tieflotende Sozialgeschichte des frühosmanischen Staates darstellt, die seinen Klassencharakter und den Klassenkampf als Movens seiner Genese sichtbar macht. Die rumänische Osmanistik knüpfte an die Arbeiten des großen Byzantinisten N. Jorga an und setzte sein Werk auf Grundlage des historischen Materialismus fort. 27 Führend traten dabei M. M. Alexandrescu-Dersca Bulgaru, M. Guboglu und M. A. Mehmet hervor. Ihre Auffassungen über eine Reihe von Problemen der inneren Geschichte des Osmanenreiches decken sich dabei nicht immer mit unserer Sicht, ohne daß in Grundfragen Meinungsverschiedenheiten beständen. 28 Die traditionsreiche ungarische Turkologie, die von so hervorragenden Gelehrten wie J. Németh, L. Fekete, F. von Laszlö oder Gy. Kaldy-Nagy getragen wird, orientierte sich in der Hauptsache auf Quellenpublikationen und -analysen des 16. und 17. Jh., fällt deshalb nicht mehr in unseren zeitlichen Rahmen. Arbeiten zur Geschichte Ungarns unter König Sigismund und Hunyadi fanden dagegen Berücksichtigung, soweit sie in einer Weltsprache zugänglich sind. 25
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Ein Über- und Ausblick findet sich bei Cvetkova, B., Sources et travaux de l'orientalisme bulgare. Annales ÉSC 18, 1963, S. 1153-1182. Vgl. dazu das Referat von Kabrda, J., Les études orientales en Yougoslavie (L'activité de l'Institut Oriental a Sarajevo). Archiv orientâlni 25, 1957, S. 146—155 und Cvetkova, B., Bibliographie des ouvrages parus dans les pays slaves sur les aspects économiques et sociaux de la domination ottomane. JESO VI, 1963, S. 319-326. Vgl. Alexandrescu-Dersca Bulgaru, M. M., Nicoleas Iorga — a Romanian historian of the Ottoman Empire. Bibliotheca historica romaniae, Studies 40, Bukarest 1972 ; Markov, W., Bahner, W. Irrnscher, J., Mcolae Iorga (1871—1940). SB. des Plenums und der problemgebundenen Klassen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Jg. 1972, Nr. 2. Nunmehr liegt eine zusammenfassende Darstellung türkischer Geschichte von den seldschukischen Anfängen bis 1918 aus der Feder M. Mehmets vor: Istoria Turcilor. Bucuresti 1976. Unsere Zeit behandelt der Autor auf den Seiten 13—174.
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Die albanische Mediävistik ist für uns durch ihre Arbeiten über Skanderbeg und seine Zeit von Wert, wobei allerdings eine gewisse Überschätzung und Idealisierung des Volkshelden und gelegentliche anachronistische Vergleiche in Kauf genommen werden müssen. Beachtenswerte Beiträge verdanken wir A. Buda, K . Biçoku und S. Pulaha. Griechische Beiträge zur Osmanengeschichte konnten vor allem dem seit 1960 bestehenden Publikationsorgan „Balkan Studies" entnommen und berücksichtigt werden. Gelegentliche nationale Überziehungen, wie sie sich beispielsweise in der „History of Macedonia" 1973 von A. E. Vacalopoulos finden, bedürfen der Korrektur, mindern aber den wissenschaftlichen Wert seriöser Forschungen nicht und waren für die vorliegende Darstellung eine echte Hilfe. Das trifft insbesondere für das Werk B. D. Papoulias zu. In weit stärkerem Maße litt und leidet die türkische Historiographie an nationalistischen Überspitzungen und Verzeichnungen. F. Babinger warf ihr Einseitigkeit, Oberflächlichkeit, unerfreuliche Liebedienerei sowie fehlende Kenntnis der Wirtschafts- und Sozialgeschichte vor. Ihr ginge überdies zumeist die Fähigkeit ab, „den Ansichten anderer Forscher Achtung und ehrliche Haltung entgegenzubringen."29 Nicht viel anders lautet das Urteil der Sowjetturkologie. A. S. Tveritinova überschrieb 1953 einen Aufsatz mit dem Titel: „Fälschungen der Geschichte der mittelalterlichen Türkei in der kemalistischen Historiographie."30 A. P. Novosel'cev bezichtigt die modernen türkischen Historiker in ihrer Mehrzahl des Panturkismus und Panislamismus sowie der Übernahme reaktionärer Erfindungen. Immerhin böten sie in vielen Fällen interessante und schwer zugängliche Materialien.31 Es stimmt weitgehend, daß der Nationalismus eine Konstante in der modernen türkischen Historiographie bildet und Chauvinismus und verdeckter Panturkismus auch in der kemalistischen Türkei nicht völlig ausgerottet wurden. Die offizielle Geschichtsschreibung huldigte frühgeschichtlichen Phantastereien, stempelte die Proto-Hettiter zu Proto-Türken, um auf diese Weise die rasche Turkisierung Kleinasiens im 12. und 13. Jh. mit einer Autochthonentheorie erklären zu können.32 In den letzten 10 bis 15 Jahren traten jedoch diese Tendenzen erfreulicherweise zurück. Wichtige orientalische Handschriften zur seldschukischen und frühosmanischen Geschichte wurden ediert und oft ins Neutürkische übersetzt, der osmanischen Sozialstruktur Aufmerksamkeit geschenkt, religiöse Strömungen neu beleuchtet. Selbst der eingefleischte Antikommunist und Nationalist M. F. Köprülü trug in einer Reihe von Schriften ganz wesentlich zur Kenntnis des anatolischen Derwischtums, zur süfischen Mystik und zur Genesis des osmanischen beyliks bei. In einer breit angelegten Studie über das Wesen des waqf bediente er sich schon 1942 soziologischer Kategorien. Er kritisierte jene Gelehrten, die jeweils nur die juristische Form sahen und das soziale Milieu unberücksichtigt ließen, aus dem 29 Babinger, F., Die Osmanen, S. 199. M In BB VII, S. 9. 31
H3yqeHHe HCTopnii (JeojjajibHoii P o c c h h b KanHTajiHCTHHecKHx CTpaHax b nocneBoeHHHö neppiofl.
AHCCCP. H h c t . McTopmi M o c K B a 1962, CTp. 119. 32 So selbst der seriöse Yinanç, M. H., S. 161. Allgemein Werner, E., Panturkismus und einige Tendenzen moderner türkischer Historiographie. ZfG X I I I , 1965, S. 1342—1354. 2*
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heraus erst Institutionen wie die waqüf verstellbar würden.33 D. h. natürlich nicht, daß er im Klassenkampf das bewegende historische Moment sieht, leugnet er doch überhaupt die Klassenstruktur der Gesellschaft. Aber er bereicherte die Osmanistik durch seine profunde Kenntnis orientalischer und türkischer Handschriften. Keine Darstellung türkischer Geschichte kann an seinem Werk vorübergehen. Die bulgarische Historikerin V. A. Mutafcieva akzeptierte seine These, daß das Timarsystem türkisch-seldschukischen, nicht aber byzantinisch-slavischen Ursprungs ist, wie uns scheint zurecht. Wir werden Gelegenheit nehmen, im Verlaufe unserer Untersuchungen auf seine Standpunkte näher einzugehen. Ö. L. Barkan, H. Inalcik und M. Akdag haben in jüngster Zeit wichtige Beiträge zur osmanischen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte beigesteuert, die eine echte Bereicherung darstellen. Allerdings vermögen auch sie sich nicht von der Vorstellung zu lösen, daß der Türkeneinbruch auf dem Balkan eine große Wohltat für Slaven und Griechen gewesen sei. Ebenso betrachten sie die Auseinandersetzungen zwischenJSiegern und Besiegten nicht als Klassen- und Befreiungskämpfe, sondern als Opposition gegen ein herrschendes Volk, das gleichsam als Kollektiv die Macht ausübte und nicht seinerseits in Herrschende und Ausgebeutete zerfiel. Ihre Verdienste bestehen vor allem darin, daß sie die ersten Phasen der osmanischen Invasion als Landnahme erkannten und sich gegen die Einseitigkeit der Wittekschen These von einem reinen ghäzivät wandten. Desgleichen machen sie durch sorgsame Analysen überlieferter defterler aus dem 15. Jh. das Spahisystem durchschaubarer. Konservativer verhält sich in dieser Hinsicht der Altmeister türkischer Geschichtsschreibung, I. H. Uzun§arsili. Einmal ist für ihn Geschichte politische Geschichte, und zum anderen leugnet er de facto jeden nichttürkischen Einfluß auf die osmanische Staatwerdung. Für die Balkanvölker bedeutete das Osmanenjoch nach ihm Befreiung von Grausamkeit und Willkür der eigenen Herren und Rückkehr zu Ordnung, Sicherheit und Frieden.34 M. Akdag und 0. Turan jagen ihrerseits einer fiktiven Wirtschaftseinheit des Marmarameeres nach und idealisieren die Seldschukenherrschaft übermäßig, eine Tendenz, die sich auch bei Cl. Cahen und T. T. Rice nachweisen läßt, allerdings in abgeschwächter Form. Akdag und Turan unterstreichen aber richtig den türkischen Grundcharakter des seldschukischen und osmanischen Anatoliens und decken vitale Relikte oghuzischer Vergangenheit auf, die G. Öney auch in der Kunst findet. Eine gesonderte Monographie widmet F. Sümer der oghuzischen Antike, in welcher er mit Hilfe statistischen Materials aus dem 16. Jh. den Versuch unternimmt, Toponomie und Anthropologie zu verbinden, um Ausbreitung und Siedlung der 24 Stämme in Kleinasien nachzuspüren.35 So interessant die von ihm beigebrachten Archivalien im einzelnen sind, so krankt doch seine Methode an der fehlenden Konfrontation mit zeitgenössischen Berichten, die nur zu oft seinen errechneten Zahlen widersprechen,36 wie überhaupt größere Vorsicht bei der Heranziehung jungen Materials am Platze wäre. 33 34 35 36
Köprülü, M. F., L'institution, S. 43. Uzungar?Ui, I. H., Osmanli tarihi, Bd. 1/2, S. 61. Sümer, F., Oguzlar, über die Stämme und ihre Organisation, S. 199ff. Derselbe, S. 208f. mit den dort aufgeführten Tabellen.
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Wenig ergiebig für unsere Fragestellung ist das Buch von M. A. Köymen über die Geschichte der Großseldschuken, das sich vorwiegend mit der Darbietung politischer Ereignisse begnügt und in der These gipfelt, die Turkstämme hätten im islamischen Orient die bedeutendsten Staaten gegründet und müßten in allen eroberten Gebieten als Autochthone betrachtet werden.37 Die Beschaffung türkischer Fachliteratur stieß nach wie vor auf beachtliche Hindernisse, so daß hier bedauerliche Lücken klaffen, die auch in der dritten Auflage nicht geschlossen werden konnten. Besser gestellt war es dagegen mit der Erfassung westeuropäischer Publikationen. Besonders willkommen sind die „Documents et Recherches sur l'économie des pays byzantins, islamiques et slaves et leurs relations commerciales au Moyen âge" der VT. Sektion der École pratique des Hautes Études zu Paris. Namen wie F. Thiriet, I. Mélikoff-Sayar, N. Beldiceanu und I. Beldiceanu-Steinherr wurden bereits erwähnt. Frau Beldiceanu verdanken wir darüber hinaus kritische Studien zur frühosmanischen Diplomatik, wodurch wir jetzt in der Lage sind, Falsches von Echtem eindeutiger zu scheiden. P. Lemerle, der Organisator und Herausgeber der „Documents", schrieb ein schon klassisch zu nennendes Buch über das beylik Aydin, dem exemplarische Bedeutung zukommt.38 Für die Seldschukenperiode dienen die zahlreichen, quellenmäßig fundierten Artikel Cl. Cahens als Führer durch die sich oft widersprechende orientalische Chronistik und Annalistik. Ihm kommt das Verdienst zu, den Grundstein für eine Wirtschafts- und Sozialgeschichte Anatoliens im 1. bis 13. Jh. gelegt und die ältere Darstellung V. A. Gordlevskijs ergänzt und berichtigt zu haben. Seine Forschungsergebnisse faßte er inzwischen in einer großen Synthese über die Zeit von 1071 bis 1330 in englischer Sprache zusammen (1968), in welcher er sich als Meister der Darstellung erweist. Das Lebenswerk F. Babingers und die sachkundigen, weiterführenden Forschungen seines Schülers H. J. Kissling fanden in unserem Buch ausgiebige Verwertung. Sie setzten die traditionsreiche bürgerliche Osmanistik in Deutschland vor 1933 fort, die bereits im 19. Jh. Wesentliches zur osmanischen Frühgeschichte beigesteuert hat. Es möge genügen, einen Gelehrten wie G. Jacob zu zitieren und an die von ihm geleiteten Studien und Monographien in der „Türkischen Bibliothek" zu erinnern. P. Wittek lieferte Bleibendes zur Geschichte des Sultanats Rum und widmete sich, ähnlich wie Fau Beldiceanu, frühosmanischer Diplomatik. Sp. Vryonis, Jr. leistete Beachtliches für die Geschichte des Griechentums in Kleinasien während und nach dem Seldschukeneinfall sowie unter osmanischer Herrschaft und hob den destruktiven Charakter der Türkeninvasion für die einheimische Bevölkerung hervor. Wenn man auch den Standpunkt des Autors nicht völlig teilt,39 so regen seine Auffassungen doch zu neuen Überlegungen an, die das überwiegend positive Bild bei Cahen relativieren können. Alles in allem darf man sagen, daß der internationalen Osmanistik heute nicht Köymen, M. A., Büyük Selcuklu Imparatorlugu Tarihi. Cilt II, ikinci imparatorluk devri. Türk Tarih Kurumu Yayinlarï V I I , 23. Ankara 1954, bes. S. 12 ff., 403f. 38 Vgl. die Rezension von Franees, E., im BB XV, 1959, S. 275-278. 39 Dazu meine Besprechung des Buches „The Décliné" in der ZiG X X I , 1973, S. 1109 f. 37
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nur die Aufgabe zufällt, Handschriften zu edieren, sondern ebenso das gedruckt vorliegende Material neu zu interpretieren,40 um die Klassenstruktur der Osmanen und ihres Reiches zu erhellen. Damit verbunden ist das Desiderat nach einer Art Zwischenbilanz des bisher Erreichten, um die offen gebliebenen und weiter zu diskutierenden Fragen zu katalogisieren und andererseits tragfähiges Vergleichsmaterial für die allgemeine Geschichte bereitzustellen. Nach A. W. Gulyga besteht der Gegenstand der Geschichtswissenschaft in der Untersuchung der Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung in ihren konkreten Erscheinungsformen. Sie müsse die historische Wirklichkeit als Einheit von Notwendigem und Zufälligem wiedergeben und den von der Menschheit zurückgelegten Weg in seiner ganzen Verschlungenheit und Kompliziertheit darstellen.41 Es geht also keineswegs um eine Illustrierung bekannter, allgemeiner Gesetze, sondern um die Aufdeckung ihrer spezifischen Erscheinungsformen in jedem Fakt. Das historische Faktum seinerseits erhält erst dann einen wissenschaftlichen Charakter, „wenn es vom Standpunkt der Formationstheorie analysiert und sein Platz im Entwicklungsprozeß und der Formationsfolge herausgefunden wurde. Dieser so ermittelte Standort hängt seinerseits wieder vom Klassencharakter der historischen Tatsache ab. Das Herausfinden, für welche Klasseninteressen der in Frage stehende Prozeß und „auf Kosten" welcher Klasse er verläuft, bedeutet, die wirkliche, objektive Realität des Prozesses erkennen und hebt den Fakt auf die Stufe eines wissenschaftlichen Erkenntnisses."42 Die dafür zur Verfügung stehenden Quellen sind o b j e k t i v e Zeugnisse der Vergangenheit, denn ihr Wesen wird durch konkrete historische Verhältnisse bestimmt, unter denen sich die Ideologie des Autors bildete. Damit sind sie spezifische Formen der Widerspiegelung der objektiven historischen Vergangenheit.43 Sie geben uns zugleich einen Einblick in die objektiven Möglichkeiten individuellen Handelns. Nach G. J. Gleserman erzeugen die Menschen die Möglichkeiten für ihr Handeln nicht nach eigenem Ermessen. Diese Möglichkeiten werden von objektiven Bedingungen, vom Entwicklungsstand der Gesellschaft usw. bestimmt. Aber die Realisierung von derartigen Möglichkeiten hängt in erster Linie von ihrer Aktivität, ihrem Willen und ihrer Energie ab, wodurch der Persönlichkeit eine bedeutsame Rolle im Geschichtsverlauf zukommt.44 Wir werden Gelegenheit haben, diese theoretischen Überlegungen anhand politischer Praktiken einer Reihe von Sultanen und ihren Kontrahenten konkretisieren zu können. Hinzu kommt ein weiteres. Geschichtserkenntnis ist retrospektiv, sie geht von der Gegenwart zur Vergangenheit, von der Folge zur Ursache. Deshalb hängen die Schlußfolgerungen des Historikers nicht nur von dem überlieferten Material ab, sondern nicht weniger von der P e r s p e k t i v e , in der er dieses Material sieht. Veränderungen der welthistorischen Perspektiven ziehen Revisionen älterer, oft 40
Diese Forderung erhob nachdrücklich Kabrda, F., Les problèmes de l'étude de l'histoire de la Bulgarie à l'époque de la domination turque. BS. XV, 1954, S. 190. 41 Ghilyga, A. W., Über den Charakter, S. 43. 42 Danilov, A. /., Ivanov, V. V., Kim, M. P., Kulcushin, Ju. S., Sakharof, A. M., Sivachev, N. V., History and Society. CISH XIV International Congress of Historical Sciences, San Francisco 1975, S. 65. « Ivanov, G. M., S. 618 und 625. 44 Gleserman, G. J., Probleme des sozialen Determinismus. In: Die Gesetzmäßigkeit der sozialen Entwicklung. Berlin 1975, S. 26.
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recht lieb gewordener Geschichtskonzeptionen nach sich. Das heißt aber, daß die Erkenntnis eines jeden Geschichtsprozesses unbegrenzt ist und damit jede Stufe dieser Erkenntnis relativ, nicht absolut, nicht endgültig.45 Beide Faktoren, perspektivische Sicht und relative Erkenntnismöglichkeit, bestimmen auch unsere Konzeption. Dabei soll die perspektivische Sicht nicht als bloßer Reflex zeitgeschichtlicher gesellschaftlicher Verhältnisse aufgefaßt werden. Eine Revision historischer Konzeptionen ist nicht allein auf Grund politischer Gegenwartsforderungen vollziehbar, sondern nur im Zusammenhang mit der Entwicklung der Fachdisziplin selbst, ist ihr immanent. Sie hat ihre eigene Logik, ihre eigene Kontinuität und Gesetzmäßigkeit.46 Das bedeutet, daß Entwicklungsstand und Entwicklungsrichtung der Disziplin in jedem Falle Berücksichtigung finden muß. Endziel bleibt jedoch die Verallgemeinerung und nicht einfache Systematisierung von Tatsachenmaterial, die zumeist in flachem Empirismus endet. Die von der dialektischen Logik geforderte allseitige Kenntnis der Zusammenhänge und die Vermittlung des Gegenstandes sind jedoch nicht nur für unsere Thematik unerreichbar, „. . . die Forderung der Allseitigkeit wird uns aber vor Fehlern und vor Erstarrung bewahren."47 Die Staatwerdung primitiver Gesellschaftsformationen, der Übergang zur militärischen Demokratie und weiter zur Klassenspaltung gehören zu den Grundfragen marxistischer Mediävistik. Sie wurden auch in der DDR in jüngster Zeit unter welthistorischem Aspekt untersucht und einer Lösung näher gebracht.48 Die Betonung der Rolle der Volksmassen als Haupttriebkraft der Geschichte bei der Herausbildung einzelner Gesellschaftsformationen fand ungeteilte Aufmerksamkeit und regte zu weiteren Forschungen über diesen Gegenstand an.49 In diese Forschungsrichtung reiht sich auch unsere Darstellung zwanglos ein. Sie ist damit zugleich ein Beitrag zur weiteren Diskussion über die genannten Probleme.50 «5 Kon, I. 8., Bd. 2, S. 103. « Derselbe, S. 122. 47 Lenin, W. I., Werke, Bd. 32, Berlin 1961, S. 85 (Noch einmal über Gewerkschaften). 48 Vgl. Beiträge zur Entstehung des Staates. Hrsg. von J. Herrmann und I. Sellnow. Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der AdW der DDR, Berlin 19763. 49 Vgl. die Rolle der Volksmassen in der Geschichte der vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen. Hrsg. von J. Herrmann und I. Sellnow. Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der AdW der DDR. Berlin 1975. 50 Die Transkription türkischer, persischer und arabischer Namen und Sachbezeichnungen erfolgt nach der von B. Hartmann, Die Religion des Islam. Eine Einführung. Berlin 1944 (Kolonialwissenschaftliche Forschungen, Bd. 5) benutzten vereinfachten Form. Eingebürgerte Worte behalten ihre übliche Schreibweise, z. B. Koran, Kadi, Schah, Derwisch, Janitschar, Seldschuken usw.
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II. DAS SELDSCHUKISCÖE ERBE
„Die Eroberung Kleinasiens durch die Seldschuken ist zweifellos eines der wichtigsten Ereignisse der mittelalterlichen Geschichte, wenn man die großen Folgen, die sich daraus ergaben, bedenkt."1 Dieser Einschätzung eines türkischen Historikers kann man vorbehaltlos zustimmen, auch wenn man seine Idealisierung der Seldschukenherrschaft nicht zu teilen vermag.2 Auch R. A. Gusejnov betrachtet Mantzikert als Epocheneinschnitt und sieht im Sultanat Konya den Vorposten der islamischen gegenüber der lateinischen Welt.3 Anatolien wurde ethnisch zur Türkei und der Vorposten des Islam zur Ausgangsbasis einer weit nach Europa hineingetragenen Offensive. Die beiden Reichsgründungen der Seldschuken und Osmanen waren nicht zwei verschiedene Phänomene, sondern zwei aufeinanderfolgende Staatsformen, die weithin auf den gleichen ethnischen, sozialen und politischen Grundlagen beruhten. 4 Sicher darf man die Kontinuität nicht verabsolutieren und im Osmanenreich nur eine Fortsetzung des Sultanats Konya sehen, wie etwa M. F. Köprülü und M. Akdag5, aber auf keinen Fall lassen sich die Beziehungen auf eine geographische und ethnische Kontinuität reduzieren und alle Aufbauelemente in Gesellschaft und Staat von Byzanz und den Balkanslaven herleiten. Die Frage, wieweit das Sultanat Rüm nicht seinerseits eine Synthese byzantinischer und türkischer Kulturelemente darstellt, ergibt sich zwanglos aus der Problemlage. Es ist nicht beabsichtigt, in diesem Kapitel eine Gesamtdarstellung der Seldschukengeschichte in Kleinasien zu versuchen oder auf alle strittigen Fragen einzugehen. Das würde den Verfasser sprachlich überfordern und den sowieso weitgesteckten Rahmen seines Themas vollkommen sprengen. Es soll daher in einer knappen Skizze nur das für die spätere osmanische Entwicklung Wesentliche zusammengefaßt und erläutert werden. 1
Turan, 0., L'islamisation, S. 137. Derselbe, Les souverains seldjoukides et leur sujets non-musulmans. Studia islamica 1, 1953, S. 72f., 90. 3 Gusejnov, B. A., Ha HCTOPHH OTHOinemiit BH3aHTHH c cenbßHtyKaMH. IIC 23, 1971, S. 162f. 4 So Akda$, M., Osmanli imparatorlugunun, S. 230. 5 Köprülü, M. F., klammert jeden byzantinischen Einfluß aus der osmanischen Staatwerdung aus: AIcune osservazioni intorno all' influenza delle istituzione bizantine sulle istituzione ottomane. Fubblicazioni dell Istituto per l'Oriente t. ßO, Roma 1953 (mir nicht zugänglich). I. Dujöev wandte dagegen zurecht ein, daß nur ein breit angelegter Quellenvergleich eine befriedigende Antwort geben könnte: BS XXIV, 1963, S. 217. 2
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1. Grenzkampf und Reichsgründung : Der Weg von Mantzikert nach Sivas und Konya Der große Türkeneinbruch im 11. Jh. in die mittel- und vorderasiatische Staatenwelt war eine große Völkerwanderung, vergleichbar mit den Wanderbewegungen der Hunnen, Germanen, Slaven und Araber in früheren Zeiten.6 Türkische Stämme schoben sich schon lange vor dem 11. Jh. in den transkaukasischen Raum, vor allem nach Azerbaidzän, ein und bereiteten die Inbesitznahme des Landes vor.7 Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie jedoch eine Minderheit ohne bedeutsame linguistische und kulturelle Einflußnahme auf die einheimische Bevölkerung. Seit dem Ende des 8. Jh. bildete sich am Syr Darja ein Stammesbund türkischer Nomaden heraus, das äl der oghuzischen Jabgü. Im 10. Jh. erhoben sie das Nomadenlager stadtähnlichen Charakters Jängikänt zu ihrem politischen Mittelpunkt. S. P. Tolstov führt die oghuzische Kultur auf die hephtalitische des 5. und 6. Jh. zurück8 und V. A. Gordlevskij vermutet, daß sich bei ihnen bereits in Mittelasien die alte Sippenverfassung aufgelöst habe.9 Die Siedlungsgebiete der Oghuzen sind in der Forschung umstritten. S. G. Agadzanov untersuchte alle vorhandenen Nachrichten und kam zu dem Schluß, daß ihre Häuptlinge schon im 8. Jh. am Kampf um das westtürkische Erbe beteiligt waren.10 Ursprünglich dürfte der Name Oghuz einen Stamm oder eine Stammesvereinigung bezeichnet haben, der erst später legendenumrankt zu einem Häuptling und Stammesvater umstilisiert wurde.11 Der Stamm zeltete vor allem am Aral- und nördlichen Kaspisee sowie am Unterlauf des Syr Darjas.12 Der arabische Reisende und Gesandte Ibn Fadian, der diese Nomaden um 920 besuchte, vermerkte, daß er „unter den Oghuzen Leute gesehen (habe), welche 10000 Pferde und 100000 Schafe besitzen."13 Tolstov schließt daraus, daß ein reger Warenaustausch mit den Städten des Syr-Darja-Gebietes bestanden haben müsse. Bereits im 8. und 9. Jh. habe sich eine Arbeitssteilung zwischen Steppe und Oase entwickelt, wobei die Steppenreiche die seßhafte Bevölkerung dank ihrer militärischen Überlegenheit unterwarfen und tributpflichtig machten. Die natürliche Folge sei eine starke soziale Differenzierung innerhalb der Nomaden gewesen.14 Außer Zweifel steht die militärische Überlegenheit, die sieh die Hirten vor allem durch ihre Pferdezucht sicherten. Nicht zu übersehen ist die ökonomische Abstufung innerhalb nomadischer Gesellschaften, d. h. die Koexistenz von reinen -, Halbnomaden und Seßhaften.15 6
Cohen, Cl., Le problème, S. 347. Ghisejnov, B. A., Superpositions ethniques en Transcaucasie aux XI e et X I I e siècles. Turica I I , 1970, S. 72. 8 Tolstov, S. P., S. 264. Bartol'd verlegt die Urheimat der Oghuzen in die Nordostmongolei: II, 1. S. 553. 9 Gordlevskij, V. A., S. 97. 10 Agad&anov, S. G., S. 128. Zur Auflösung des westtürkischen Khaganats 660 Gumilev, L. N. 7
11
flpeBHne
TiopKH. M o c r a a 1967, CTp. 244.
Gumilev, a. a. O., S. 62. !2 Agad£anov, S. 72. 13 Tojjan, A. Z. F., Ibn Fadlân, § 38, S. 33. 14 Tolstov, S. 266. 15 Êdanko, T. A., HoMa^N3M B Cpe^Heit A3HH H Ka3axcTaHe. HcTopiin, apxeonorHH H 3THorpa$HH Cpe^Hefi ABHH. Mocraa 1968, CTp. 275 CJI.
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Auch die Oghuzen zerfielen vom 10. Jh. an in diese drei Gruppen, wobei zunächst die ersten beiden eindeutig überwogen. Der spärliche Ackerbau, der ein niedriges Niveau aufwies, produzierte etwas Hirse und deckte keineswegs den Bedarf an Getreide.16 Die soziale Differenzierung und die Klassenbildung kann bei Nomaden nach I. Sellnow über den Viehbesitz erfolgen, der rascher zu indivduellem Eigentum tendiert als Land. Viehzucht forderte geradezu die Organisation kleiner Produktionseinheiten, wodurch individuelles Eigentum entstand. Dennoch konnten auch dann noch soziale Abschichtungen fehlen, die nach Sellnow erst Seuchen und Kriegszüge hervorriefen.17 W. König, der in nomadischer Viehzucht eine „spezialisierte Entwicklungsrichtung der Produktivkräfte auf der Grundlage eines bestimmten Entwicklungsniveaus der Produktion" sieht, leitet wie Sellnow Abhängigkeitsverhältnisse von Eigentumsdifferenzierungen an Herden ab. Sie habe in der Regel jedoch nicht zur Herauskristallisierung scharf abgegrenzter Klassen und Schichten geführt, sondern vielmehr eine Mobilität sozialer Verhältnisse ermöglicht, weshalb es keine Voraussetzung für die Entstehung von Feudalismus gegeben habe, auch wenn die Nomadenwirtschaften in andere Produktionsweisen integriert wurden.18 Sowjetische Untersuchungen beweisen aber das Gegenteil. S. G. Agadzanov zeigt für die Oghuzen des 10. Jh. die Eigentumsusurpation durch den Sippen- und Stammesadel, die zum Verfall der Weidegemeinschaften führte und das kara budun, das einfache Volk, der Steppenaristokratie gegenüberstellte. Die enteigneten Weiden dienten als ökonomisches Zwangsmittel für die Leistung von Produktenrente, die Nachbarschaftshilfe verwandelte sich in Ausbeutung, im känkäs, der Volksversammlung, gab die Aristokratie den Ton an, und bei der Wahl des khans bildete das kara budun nur noch den Umstand.19 S. E. Tolybekov nennt diesen gesellschaftlichen Zustand patriarchalischen Feudalismus. Er sei durch das ständige Streben großer Herdenbesitzer nach Erhöhung des Viehbestandes gekennzeichnet, wobei Sklaven und „Schutzbefohlene" (konsu) ausgebeutet wurden, ohne daß wesentliche Veränderungen der Produktionsweise erfolgten. Was sich geändert habe, seien die kriegerischen Unternehmungen gewesen, deren Aktionsradius erheblich wuchs und die sich mehr und mehr auf die Eroberung von ackerbautreibender Bevölkerung konzentriert habe, um Steuern und Tribute einzutreiben. Von einem Landmonopol der Steppenaristokratie könne keine Rede sein, ihr Reichtum hätte sich aus Herden und Arbeitskräften zusammengesetzt. Verharrten Nomaden auf dieser Entwicklungsstufe und gingen nicht zum Ackerbau über, dann seien sie in der Regel über kurz oder lang von der historischen Bildfläche verschwunden.20 16
Agadianov, S. 87-97; Istorija Turkmenskoj SSR., S. 184. Sellnow, /., Grundprinzipien einer Periodisierung der Urgeschichte. Ein Beitrag auf Grundlage ethnographischen Materials. Berlin 1961, Völkerkundliche Forschungen Bd. 4, S. 470f. 18 König, W., Die Nomadenviehzucht als wirtschaftlich-kultureller Typ. Ethnographisch-archäologische Zschr. 15, 1974, S. 455, 459-461. » Agadianov, S. 108, 112, 115-118, 142. 20 Tolybekov, 8. E., S. 77 u. 79f. „konsu" bedeutet im Chazarischen ursprünglich „Nachbar". Später nannte man Hirten so, die sich in den Schutz von Aristokraten begeben hatten. Schließlich wurde es zum Pejorativ „Armer, elend". Vgl. Badloff, W., Versuch eines Wörterbuches der Türk-Dialekte. Bd. II. 1. St. Petersburg 1905, Sp. 525 (anastatischer Neudruck Moskva 1964). 17
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Karl Marx hat dieses Phänomen folgendermaßen charakterisiert: „Bei wandernden Hirtenstämmen . . . erscheint die Erde gleich den anderen Naturbedingungen in elementarischer Unbegrenztheit . . . Sie verhalten sich zu ihr als ihrem Eigentum, obgleich sie dies Eigentum nie fixieren . . . Angeeignet und reproduziert wird in der Tat nur die Herde, nicht die Erde, die aber stets temporär gemeins c h a f t l i c h benutzt wird an dem jedesmaligen Aufenthaltsplatz."21 In der Tat widerspricht die reine Viehwirtschaft einem Übergang von Weiden in Sippen- oder Familieneigentum, denn das bedeutete Verzicht auf Vermehrung der Herden, Gefährdung der Reproduktion des wichtigsten Produktionsmittels. Zunächst war deshalb die Weideregulierung durch Häuptlinge und khane keine Monopolisierung und Aneignung des Weidelandes durch eine Feudalaristokratie.22 Daraus zieht V. F. Sachmatov den Schluß, daß die Feudalisierung nicht über den Boden, sondern über die Herden erfolgte, wenn diese in Privateigentum übergingen und sich die Kollektivwirtschaft des Stammes in Individualwirtschaften der Familien auflöste, wobei die Steppenaristokratie die Arbeitskraft armer Stammesmitglieder für ihre Belange ausnutzte und zugleich die Funktion der Organe der Sippendemokratie usurpierte.23 Damit stehen wir vor der Frage, ob Herden oder Weideland die ökonomische Basis des Nomadenfeudalismus darstellten. Unter marxistischen Historikern sind darüber die Meinungen geteilt. Wir haben bereits einige Ansichten kennengelernt. Herden bildeten die Hauptquelle des Lebensunterhaltes. Aber daraus sollte man nicht den Schluß ziehen, daß sie die ökonomische Grundlage der Nomadengesellschaft ausmachten. Mit der Vermehrung der Herden war automatisch eine extensive Vergrößerung der Weideflächen und ihre Einhegung durch reiche Vieheigentümer verbunden. Eigentumsdifferenzen im Viehbestand waren nach S. Natsagdorj nicht in der Lage, die Gentilordnung ein für allemal zu zerstören und eine Klassenstruktur hervorzubringen. Dazu bedurfte es der Usurpierung von Weideland in Verbindung mit Viehreichtum. Erst diese ökonomische Konzentration in den Händen der Steppenaristokratie schuf Bedingungen für die Ausbeutung der einfachen Hirten. Diese besaßen zwar auch Vieh, aber die Zahl reichte kaum zum Unterhalt der Familien, weshalb sie wirtschaftlich von dem Feudaladel abhingen. M. a. W. Land und Herden im Eigentum des Adels waren die Grundlage der feudalen Produktionsweise asiatischer Nomaden, wobei sehr bald das Staatsland eine dominierende Rolle spielte.24 D. E. Eremeev kommt zu dem Schluß, daß bei den Turkvölkern der größte Teil des Weidelandes, das formal der gemeinsamen Verwaltung und Nutzung des Stammes oder der Sippe unterlag, sich de facto in der Verfügungsgewalt der reichen Viehzüchter, der Steppenaristokraten befand.25 Diese Entwicklungsetappe erreichten die Oghuzen im 10. Jh. Sie spiegelte sich u. a. in Wandlungen im oba, dem blutsverwandtschaftlichen Bund, wider. Das oba stellte eine Vereinigung von Familien und Zelten dar, die ihren Ursprung auf einen 21
Marx, K., Grundrisse, S. 390. 22 Sachmatov, V. F., S. 34 und 59. 23 Derselbe, S. 47. 2i Natsagdorj, Sh., Main characters of feudalism of nomds. (The Mongolian Society as an example). Papers of the Mongolian Delegates to the X I V International Congress of Historical Sciences. Ulan-Bator 1975, S. 4f. 25 Eremeev,
D. E., 9THoreHe3, CTp. 78.
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gemeinsamen Stammvater zurückführten. Ökonomisch basierte es auf gemeinsamem Weidebesitz und kollektiver Nutzung. Größere Vereinigungen von oba zielten auf Raub und Beutemachen, auf Expansion.26 Derartige kriegerische Unternehmungen stimulierten die ökonomische und soziale Differenzierung der oba-Mitglieder, verwandelten die militärischen Anführer in Aristokraten und die militärische Demokratie in Klassenherrschaft.27 Nunmehr war auch die Zeit gekommen, den Schamanismus aufzugeben und sich nach einer neuen Religion umzusehen, welche die Klassengesellschaft sanktionierte. Dazu bot sich der Islam an, der gerade im 9. und 10. Jh. in Mittelasien typisch feudale Züge angenommen hatte.28 Nicht zufällig traten in der gesellschaftlichen Entwicklung am weitesten fortgeschrittene Oghuzen des Syr-DarjaGebietes zuerst zu ihm über. Von dem Ringen zwischen Schamanismus und Islam erzählt die „Oghuzengeschichte", des Rasïd ad-Dïn. Der Vater des legendären Oghuz beklagt sich vor den Großen seines Stammes über den ungeratenen Sohn : „Mein Sohn Oghuz ist in seiner Kindheit glückhaft, glückbegünstigt und würdig der Krone und des Reiches gewesen. Nun habe ich aber vernommen, daß er sich von seinem Glauben abgewendet und einen anderen Gott erwählt hat. Das bedeutet eine große Schmach und Schande (für uns). Wie können wir es ertragen, daß ein junger Mann uns und unsere Gottheit verrät und mißachtet?" Die Versammlung beschloß, Oghuz und seinen Anhang zu töten.29 Der Sieg des Sohnes im Kampf gegen die heidnische Reaktion unter seinem Vater und seinen Oheimen, die umkamen, war ein Sieg Allahs und entschied die Annahme des Islam durch sein Volk.30 Die älteren Schichten der oghuzischen Heldenliedersammlung, das „Kitäb-i Dede Qorqut", spiegeln noch recht deutlich den Übergang vom Schamanen zum muslimischen Derwisch wider, wobei die alten heidnischen Anschauungen und Praktiken in islamischem Gewände weiterlebten.31 Die Mission erfolgte von den Städten aus. A. Haneda vertritt die Meinung, daß die muslimischen Städte Islamisierung und Seßhaftigkeit bei den Türken bewirkt hätten.32 Hier übersieht er aber die vorausgegangene innere Dynamik in den Stämmen und vergißt die Tatsache, daß die kriegerischen Ideale auf die Nomaden große Anziehungskraft ausübten, den frühfeudalen Expansionsdrang nicht nur stimulierten, sondern mit einer religiösen Aureole umgaben. Das zitierte „Kitab" beinhaltet 12 Erzählungen in Prosa, gemischt mit Gedichten und stammt wahrscheinlich aus der zweiten Hälfte des 15. Jh. Der Sagenstoff ist jedoch viel älter und reflektiert zwei historische Schichten: Die Kämpfe der Oghuzen im 8. bis 11. Jh. untereinander sowie gegen Pecenegen und Qipcaq sowie die Kriege der Aqqoyunlu im 15. Jh. gegen die Georgier und das Kaiserreich von Trapezunt. Der Verfasser kannte nach W. Björkman die alte oghuzische Tradition recht gut.33 26 27 28 31 32 33
Agadzanov, S. 104; Cuisenier, J., Parenté et organisation sociale dans le domaine turc. Annales ÉSC 27, 1972, S. 931. Istorija Turkmenskoj SSR., S. 195. Ebenda, S. 198. » Rasid ad-Dïn, 1. S. 19. M Derselbe, 2. S. 19. Mollov, R., Kerem et Asli et ses variantes balkaniques. ËB 2/3, 1965, S. 284. Haneda, A., Les nomades et les villes. CISH XIV International Congress of Historical Sciences. San Francisco 1975, S. lOf. Björkman, W., Die altosmanische Literatur. Philologiae Turcïae Fundamenta II. Ed. L. Gazin, T. Gökbilgin, A. Bombaci, Fahir Iz, J. Deny, H. Scheel. Wiesbaden 1965, S. 405.
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Aus dem Werk geht hervor, daß im 10. Jh. ein reicher Nomadenadel existierte, der dem khan im Kriege und auf der Jagd diente. Die Unterwerfung der Hirten erfolgte in patriarchalischen Formen, die recht deutlich den Übergang von der militärischen Demokratie zu feudalen Abhängigkeitsformen erkennen lassen.34 F. Sümer idealisiert die aus dem Epos ableitbaren sozialen Verhältnisse, indem er die als Helden gefeierten khane und begs zu Helfern und Schützern der Armen und Schwachen umstilisiert.35 Schutz der yoksul und är, der Armen und der einfachen Krieger, bedingte immer Dienste und Abgaben. Ähnlich wie bei den Mongolen existiert© schon im 10. Jh. bei den Oghuzen eine ausgebildete Hierarchie, die jedoch nicht nur in der Unterordnung von Individuen, sondern von Stämmen bestand. So gab es Herren- und Sklavenstämme.36 Die Oghuzen übertrugen mit ihrer Herrschaft auch ihren Namen im 10. Jh. auf alle Stämme der Steppen Nordturkmenistans und Südwestkazachstans.37 Auch die Turkmenen wurden in ihr äl eingegliedert.38 Cl. Cahen erklärt das Wort Turkmene mit „muslimischer Nomade" und führt seine Entstehung auf die Islamisierung des Ghâzïtums zurück.39 J. Mélikoff versteht darunter türkische Voll- und Halbnomaden vor- und frühosmanischer Zeit.40 F. Sümer setzt Oghuzen und Turkmenen ethnisch gleich und glaubt in letzteren den nomadisierenden Zweig des Stammesbundes sehen zu dürfen.41 Nach R. A. Gusejnov gebrauchten die Zeitgenossen im 9. und 12. Jh. den Namen Oghuzen im Vergleich zu Turkmenen in einem umfassenderen Sinne. Turkmenen waren für sie eine Stammesgruppe der Oghuzen, die sich ethnisch und politisch aus dem Stammesverband abgesondert hatte. Im 13. Jh. hätte dann die ethnische Färbung des Namens dominiert. Wohl nicht zufällig habe man jetzt „yürük" als Synonym für Turkmene gebraucht.42 Von Hause aus waren die Turkmenen Türken, die sich mit indoeuropäischer Urbevölkerung vermischt hatten und den Bauern Chorasäns und Chorezmiens näher standen als die Oghuzen.43 Im 11. Jh. nannten sich die Seldschuken oft Turkmenen, was auf die Bezeichnung der Seldschukenstämme zu Beginn des 11. Jh. als „Turkmenen" zurückgeht.44 Die Seldschuken, so genannt nach ihrem Häuptling Selgüq, saßen am Mittellauf des Syr Darja, im Gebiet von Sygnak und dem Karatavorgebirge. Ihr Stamm34
Dede Korkut, S. 125, 127f. 35 Sümer, F., Oguzlar, S. 4 0 8 ^ 1 1 . Brice, W. C., Turkish colonization, S. 25. 37 Istorija Turkmenskoj SSR., S. 178. 38 Agadianov, S. 17. 39 Cahen, Turkey, S. 8. v ädogcov xal ävmvvjuojv), die allerlei Gesindel (tivol avQ(psrcodsig) um sich sammelten, mit Räuberei anfingen und außer Bogen und Köcher nichts mit sich führten. Sie hielten sich in den Schluchten der Gebirge auf und plagten die benachbarten Länder und Städte der Rhomäer durch häufige Einfälle." 48 Das traf auch für Männer wie die Germiyän-oghullari zu, die Partei für die Zentralgewalt ergriffen. Sie hatten sich de facto eine Stellung angemaßt, die außer auf dem Schwert auf keiner anderen Grundlage beruhte. Die Sultane verpflanzten sie deshalb mit ihren raub- und beutehungrigen Turkmenen nach dem Aufstand des öimri nach Westkleinasien in das Gebiet von Kutäyek. Um 1300 hatten sie jedoch ihren Machtbereich bereits bis Ankara erweitert und sich die Aydin-, Saruhan- und Karasi-oghullari botmäßig gemacht. 49 Wahrscheinlich bestand das beylik aus einer Konföderation, zu der auch kurdische Stammesgruppen gehörten, die einen religiösen Einfluß auf benachbarte Turkmenenclans ausübten.50 Die Aydinherrscher, denen wir noch im nächsten Kapitel begegnen werden, führten ihre Ahnen auf Mehmed Beg, einen subasi des Germiyän Pasa Yaküb Beg, « Derselbe, B d . 1. V . 5 . S. 1 3 7 f . so Flemming, B., S. 7 8 .
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« Cahen,
C l „ N o t e s p o u r l'histoire, S. 3 5 3 f .
zurück. Er hatte Aydïn zusammen mit dem Mentese emïr und seinem Schwiegersohn Sasa Beg erobert. Nachdem Sasa ermordet worden war, gelangte Mehmed in den Besitz von Aydïn. Von einer Verleihung durch einen Seldschukensultan war keine Bede. Die Abhängigkeit zu Germiyän war sehr lose und hörte bereits unter seinem berühmten Sohne 'Umur Pasa (1334—1348) ganz auf.51 Der Pasatitel, eine Abkürzung von padisäh, weist bereits auf eine Besonderheit dieser Beylikherrscher hin. Er tauchte zu Beginn des 13. Jh. auf und wurde von den militanten Derwischen getragen. Die turkmenischen begler übernahmen ihn, um gleichzeitig damit eine religiöse Weihe und Führerschaft zu demonstrieren.52 Sie sahen in ihren Eroberungszügen Mission und Sendung. Sfitische Züge waren dabei unverkennbar. Die Aydïnoghullarï bedienten sich der grünen Fahne und schwuren bei den sï'itischen Märtyrern 'Ali, Sa'fer, Hasan und Husein.53 Wieder gewann die Ghäzi-Idee Bedeutung. Enveri, der uns mit seinem „Düstürnäme" (Buch der Unterweisungen) die Heldentaten 'Umur Pasas überlieferte, widmete sein Werk dem Ghâzïtum.54 Sein Heros fastete vor der Schlacht, betete die ganze Nacht hindurch und vertiefte sich in den Koran. Sein ganzes Trachten, Tag und Nacht, galt nur dem heiligen Kriege. Er widerstand seinen Begierden, denn wer sich überwandt, der würde große Siege erringen und ewig leben, niemals sterben.55 Der Dichter Ahmedï aus Amasya oder Sivas, der für Schach Suleiman von Germiyän (1363—1388) ein umfangreiches „Iskendernäme" (Alexanderbuch) schrieb, das aber erst zwei Jahre nach dem Tode seines Gönners zu einem vorläufigen Abschluß kam,56 feierte in überschwenglichen Worten den Glaubenskämpfer : „Der Glaubenskämpfer ist das Werkzeug der Religion Gottes. Ohne Zweifel wird seine Lage gut sein. Der Glaubenskämpfer ist Gottes Diener, er reinigt diese Erde von dem Schmutz des Heidentums. Der Glaubenskämpfer ist sicherlich Gottes Schwert. Der Glaubenskämpfer wird der Schutz und die Zuflucht der Gläubigen. Von demjenigen, der auf dem Wege Gottes Märtyrer geworden ist, glaube nicht, daß er gestorben ist. Der Glückliche lebt!" 57 Der Ghäzititel bekam eine ethische Aufwertung, die deutlich Anklänge an die futuvva zeigt. Der ghäzi erhielt von seinem „Herrn" in feierlicher Form eine Waffe überreicht, wodurch er symbolisch in den Rang der Unerschrockenen auf51 Akin, H., S. 93, 94f. Mélikoff-Sayar, I., Le Destän, S. 45, A. 7. « Dieselbe, S. 81, A. 1. 54 Enverï schloß seinBuch in Reimform 1465 ab und schöpfte aus einer zeitgenössischen Quelle, die bis 1348 genaue Angaben überlieferte. Er bietet damit genaue Einblicke in ein anatolisches emirät, wodurch er uns in die Lage versetzt, die innere Dynamik eines türkischen Grenzbeyliks kennen zu lernen. Vgl. Lemerle, P., S. 7, 10, 245. 55 „Le pacha ne buvait pas, il priait jour et nuit, il implorait le Seigneur devant le Coran." MélikoffSayar, Le Destän, S. 95, 1287 f. „Le devoir du pacha, jour et nuit, est la guerre saint, en résistant au désir, il doit se punir sans cesse" S. 108, 1811 f. „Celui qui surmente le désir fera de grandes victoires, il restera éternellement vivant, il ne mourra pas." S. 108, 1813 f. 56 Kortantamer, T., S. 23, zur Herkunft S. 100. 57 Altosmanische Chroniken, S. 6. 52
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stieg. P. Wittek sieht in dieser Zeremonie eine Parallele zum westlichen Ritterschlag.58 Die mächtigen Germiyän-oghullar! verliehen allen Grenzbeglern mit Ausnahme der Osmanen den begehrten Ghäzititeln. Sie waren Patrone der kleinen Grenzemire, und ihr beylïk stellte das Hinterland der ghäzi dar.59 Im Alltag der Glaubenskämpfer blieb von den ethischen Maximen des ghäzivät nicht viel übrig. Hier regierte der Koranspruch „ 0 ihr, die ihr glaubt, kämpfet wider die Ungläubigen an euren Grenzen, und wahrlich, lasset sie Härte in euch verspüren. Und wisset, daß Allah mit den Gottesfürchtigen ist."60 Nach islamischem Gesetz sollte der heilige Krieg bis zur Eroberung der Welt geführt werden. Nur wenn es die Interessen der muslimischen Gemeinde erforderte, durften befristete Waffenstillstände geschlossen werden. Trotzdem galten bestimmte Regeln in der Kriegsführung. So sollten keine „wilden" Angriffe stattfinden, sondern man wollte den Kampf ehrenhaft und rechtmäßig eröffnen, d. h. man stellte die Ungläubigen vor die Wahl, entweder den Islam anzunehmen oder sich als Schutzbefohlene unter die Herrschaft der Muslime zu begeben. Sie zahlten dann eine Kopf- und Grundsteuer, behielten ihre bewegliche Habe, durften ihrer Religion anhängen und entgingen Tod und Sklaverei.61 Für die türkischen ghäzi spielten solche Regeln keine Rolle. Unter dem Gesichtspunkt der sarfa waren ihre Überfälle „wilde" Kriege, ohne Auf- oder Ankündigungen, ohne jene Ritterlichkeit, die wir im Akritas-Epos kennenlernten. Der wahrscheinlich im 14. oder zu Beginn des 15. Jh. in Anatolien verfaßte „Volksroman" über die Fahrten des Sayyjd Batthäl, jenes legendären Stammvaters Dänismends, gibt sehr drastisch das wieder, was die einfachen ghäzi dachten. Zur Schwester Kaiser Konstantins gewandt, rief der Recke aus : „Wir sind nun einmal Wölfe und ihr (die Griechen — E. W.) Schafe . . . Verzichtet irgendein Wolf jemals auf den Genuß eines Schafes?"62 Gier und Ungestüm dieser bozkurtlar steigerten sich um so mehr, je mehr Nomaden in die beylikler strömten und je schwächer die byzantinische Verteidigung wurde. Seit der Rückeroberung Konstantinopels 1261 und der Verlagerung der byzantinischen Aktivitäten unter den Paläologen nach Europa verfiel die griechische Abwehrkraft in Anatolien, brach das Werk der Wittelc, P., Deux chapitres, S. 308. Derselbe, The Rise, S. 37. M Koran I X . 123, S. 199. 61 Hering, G., S. 233—235; Haneberg, E., Das muslimische Kriegsrecht. Abhandlungen der Königl. Bayr. Akademie der Wiss. Phil.-Philolog. Kl. X I I . 2., S. 217-295. 62 Ethé, H., I V , S. 16. Der Herausgeber und Übersetzer spricht dem Roman jede Historizität ab und sieht in den Erzählungen und Episoden nur Legenden und Märchen. Demgegenüber erbrachte 8t. P. Kyriakides den Nachweis, daß das Epos einige historische Ereignisse aus dem 9. und 10. Jh. in romanhafter Form wiedergibt: Éléments historiques byzantins dans le roman épique turc de Sayyid Battäl. Byzantion X I . 1936, S. 563—570. I m Roman taucht der Empörer Bâbek auf, der richtig in Täbriz lokalisiert wird, denn er kämpfte mehr als 20 Jahre lang (815— 837) in Azerbaidään gegen die Soldaten des Kalifen (VI. S. 180). Wenig belangreich ist die Kritik M. Hartmanns in der Orientalischen Literaturzeitung 1899, S. 103: „Es ist merkwürdig, daß niemandem die Gleichheit des Battalromanes mit dem arabischen Delhemma-Kreise aufgefallen ist. . . Den „alttürkischen Volks- und Sittenroman" aus den Köpfen wieder herauszubringen, wird nicht ganz leicht sein", denn die türkischen Bearbeiter interpretierten ihn für i h r e Z e i t um und versahen ihn mit Ideen und Vorstellungen, die ihnen vertraut und geläufig waren. Nur so erklärt sich ja auch seine Beliebtheit in allen Kreisen der türkischen Bevölkerung. Deshalb strahlt er nicht den Geist des Arabertums im 9. und 10. Jh., sondern die Vorstell imgsweit des türkischen Ghäzitums im 14. und 15. Jh. aus.
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Laskariden zusammen. Der 1310 gestorbene Polyhistor Georgios Pachymeres hob ausdrücklich hervor, daß man die anatolischen Themen wegen der Westpolitik der Kaiser schwächte, „während die Türken verwegener denn je wurden und in die Länder einfielen, ohne daß jemand das öde Gebiet verteidigte." E r erkannte, daß da« Verteidigungs- und Abwehrsystem der nikäischen basileis ohne Truppen nutzlos war. „Der ganze Bogen neuerbauter Festungen, Avala, die Kaystergegend, Magedon und das ganze weltberühmte Karien wurden von den Feinden heimgesucht. . . Da nämlich die zahlreichen Streitkräfte durch den Aufenthalt im Westen allmählich verbraucht waren, wurde die Gefahr für Kleinasien so groß, daß man nicht einmal von Konstantinopel zu Fuß nach Herakleia am Pontus wandern konnte, da das vom Sangarios umschlossene Gebiet und alles, was darüber hinaus liegt, eine Beute nicht der Bulgaren, sondern der Türken geworden war." 6 3 Die akritai erhielten keinen Sold, sollten aber hohe Steuern zahlen. Sie verließen deshalb ihre Posten, zerstreuten sich oder gingen zu den Türken über. Als Andronikos I I . 1284 die Flotte auflöste, verdingten sich griechische Matrosen bei den Türken als Seeräuber. 64 Diese aber, „wie sie selbst von den Mongolen besiegt und vertrieben worden waren, vertrieben . . . nun die Rhomäer. Und je schwächer sie gegen die Mongolen sich gezeigt hatten, um so stärker traten sie nun gegen die Rhomäer auf." 6 5 D. Angelov nannte diesen neuen türkischen Einbruch in Kleinasien „une véritable calamité pour sa population", da es den Anführern der Nomadenhorden nur um Raub und Sklavenfang gegangen sei.66 Durch das „Düstürnäme" Enverls erhalten wir einen Einblick in den ghäzi-Alltag. Als 'Umur mit seinen Banden auf Chios landete, ließ er alles umbringen, außer Knaben, Mädchen und jungen Frauen. 6 7 Bei einem Einfall in Monemvasia 1334/35 wurden die Männer erschlagen, Knaben, Mädchen und Frauen versklavt. 68 I n der Walachei bediente sich 'Umur 1341 terroristischer Methoden, indem er vor den Augen des Feindes Gefangene und Schafe zugleich abschlachtete, um den Eindruck zu erwecken, daß seine Krieger Menschenfleisch verzehrten. Darauf gab er wenig übriggebliebenen Gefangenen die Freiheit wieder, damit sie in ihrer Heimat das Schreckliche schildern konnten. 6 9 Offensichtlich handelt es sich bei diesen Episoden um organisierten Sklavenfang. I b n B a t t ü t ä bemerkte ausdrücklich in seinen Reiseerinnerungen, daß 'Umur, „Sohn des Sultan Mohammed, Sohn des Aydïn", Kriegsschiffe besaß, mit M Pachymeres, £?., Bd. 1, IV. cap. 27, S. 310. Lemerle, P., ist zuzustimmen, wenn er hervorhebt, daß der Anteil der Griechen am Vordringen der Türken in Westanatolien weit bedeutender war, als die Quellen vermuten lassen: S. 15, A . 2. Im nächsten Kapitel wird uns diese Präge noch ausführlich beschäftigen. Nikephoros Gregoras klagte : „Denn kurz zuvor war es geschehen, daß die Grenzwächter, die die Grenzen beschützen sollten, von hier weggezogen waren, um nicht vom kaiserlichen Fiskus für die jährliche Abgabe gezählt zu werden" Bd. 1, V. 5. S. 139. 86 „xal fiaov nçoç Uxv'&aç I&rjMovro, TOOOVTOV xaïa ' Pwfiaiwv fjvÔQÎÇovxo." Derselbe, V. 5. S. 138. 66 Angelov, D., Certains aspects, S. 223. 67 Mélikoff-Sayar, Le Destân, S. 59, 327. 68 Dieselbe, S. 79, 915f. 69 „ils le remirent en liberté, les prisonniers s'en allèrent. E n arrivant dans leurs maison ils poussèrent de grands cris et dirent : Ce sont des mangeurs d'hommes qui sont venus, ils nous tuent et se riourissent de notre chaire! Alors prenant leurs familles, ils s'enfuirent, ils abandonnèrent leurs pays et se dispersèrent dans la montagne et dans la forêt." Dieselbe, S. 92, 1277—1281. 64
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denen er Raubzüge in christliche Provinzen unternahm, um Sklaven zu fangen, die er mit nach Hause brachte und sie dann seinen Getreuen zum Geschenk machte.70 M. Alexandrescu-Dersca glaubt, daß der beg diese Menschen zur Wiederbevölkerung Lydiens verwandt habe, da diese Landschaften infolge der türkischen Razzien verödet gewesen seien.71 Das ist wenig wahrscheinlich, denn der Pasa bezog seine Einkünfte aus Seeraub, wie H. Akïn recht plausibel zu machen versteht.72 Die Sklaven behielt er nicht als Ackerbauer in seinem beylik, sondern er verkaufte sie gewinnbringend weiter. Hauptabnehmer war Venedig, das nach Kreta Arbeitskräfte importierte und zum anderen als Zwischenhändler von Sklaven auftrat, etwa in Rhodos. Der venezianische Sklavenhandel ist gut belegt.73 Mädchen und junge Frauen verschwanden teilweise in den beyliklern als Prostituierte. Ibn Battütä bringt darüber interessante Einzelheiten aus Denizli u. zw. aus Larende (Lädik). Er schreibt: „Die Menschen dieser Stadt verwerfen nicht die schlechten Sitten, vielmehr benehmen sich die Bewohner des ganzen Landes ebenso. Sie kaufen schöne junge griechische Sklavinnen und lassen sie sich prostituieren. Jede von ihnen muß an ihren Herren eine Abgabe zahlen. Ich habe sagen hören, daß die jungen Sklavenmädchen zusammen mit den Männern ins Bad gehen und daß jeder, der sich der Wollust hingeben möchte, sich im Bade befriedigen kann, ohne daß ihm daraus ein Vorwurf gemacht würde. Man erzählte mir auch, daß der Kadi dieser Stadt junge Sklavenmädchen besäße, die dieses schmutzige Geschäft betrieben."74 In beiden Fällen handelte es sich um Geldeinnahmen, welche die begler unter anderem zum Ausbau ihrer Residenzen anlegten. Bereits der Aydinherrscher Mehmed besaß eine Sommerresidenz in Bozdagh und einen Winterpalast in Birgi. Ibn Battütä, der sein Gast war, bewunderte den hier entfalteten Luxus. Neben dem Palast erhoben sich eine Moschee und eine medrese, an der chogas lehrten.75 In allen beyliklern läßt sich das Streben der Ghäziführer beobachten, ihre Macht zu konsolidieren und das Leben zu normalisieren. Dem diente auch die Ansiedlung von Nomaden. In den geschützten Becken der Hochfläche, an den taurischen und pontischen Hängen, siedelten sie sich im 14. Jh. rasch an. Die Zweiteilung in Nomaden und Bauern stabilisierte sich. In Westkleinasien bildeten erstere sogar eine Minderheit und erhielten den Namen yürük, die Wandernden.76 Man darf vielleicht die Katastrophentheorie nicht so weit treiben wie D. Angelov. Nomadenwirtschaft in Regionen, die für die Agrikultur nicht in Frage kamen, hatte ökonomisch gesehen eine durchaus positive Wirkung und kann mit Urbarmachung verglichen werden.77 Das Griechentum litt zweifellos stark, die Verheerungen und Zerstörungen waren beachtlich. Auch zeigten sich die Beylikherrscher zunächst weniger tolerant gegenüber ihren christlichen Untertanen als die Sultane in Konya. In Ephesos bewarfen Türken Christen mit Steinen, drohten in ihre Häuser einzubrechen und ihre Priester davonzujagen. 'Umur Pasas Bruder, ™ Ibn Battütä, S. 310 f. 71 Alexandrescu-Dersca, L'expédition, S. 22. » Akin, H., S. 97. 73 Thiriet, F., La Romanie vénitienne, S. 335. Ibn Battütä, S. 272. ™ Akin, H., S. 96. '6 Planhol, X., de, S. 253f. 77 Cohen, Gl., Turkey, S. 34.
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Chidïr Beg, weigerte sich, Bischof Matthäus die beschlagnahmten Karchenschätze herauszugeben.78 Ein völliger Zusammenbruch der Wirtschaft und eine völlige Turkisierung Westkleinasiens fand aber noch nicht statt. A. Wächter gelangte schon 1903 auf Grund eingehender Untersuchungen griechischer Synodalakten aus Smyrna zu dem Schluß, daß im emirät Aydïn eine große Zahl von Christen, nämlich Griechen, weiterlebten und ihre Gemeinden selbst das Wüten Timurs überstanden, wenn auch dezimiert.79 Selbst in den östlichen viläyets Tokat und Sivas gab es noch 1520 beachtliche Bevölkerungsgruppen, die sich zum Christentum bekannten. 80 Dennoch missionierten Derwische wie die bektâsï gezielt in Westanatolien, wobei sie verarmten christlichen Bauern im 14. Jh. materielle Unterstützung anboten, worin sich jener religiöse Wandel ankündigte, der zu Beginn des 14. Jh. Anatolien ein neues kulturelles Gepräge geben sollte. 81 Der Turkisierung öffneten sich auf diese Weise Tür und Tor. Turkisierung war jedoch nicht gleichbedeutend mit Nomadisierung. Vielmehr drang in den Westprovinzen die Agrikultur durch fließende Übergänge vom Halbnomaden zum Bauern vor. Die beylikler legten insgesamt auch dem Handel keine Hindernisse in den Weg. Germiyän und Kastamunu verkauften jährlich bis zu 6000 Pferde ins Ausland. 82 Die kretensischen Feudalherren deckten ihren Pferdebedarf in Aydin und Germiyän. Die Tiere waren zwar klein, aber ausdauernd und genügsam. 1348 wurden vom Consilium Grande allein 1000 hyperper für den Ankauf von Pferden „de partibus Turchie" als Kredit bereitgestellt. 83 1365 erhielt der proveditore in Kreta von der Metropole die Aufforderung „ad recuperandum equos de partibus Turchie."84 Ein Jahr zuvor war der gleiche Befehl in der Instruktion des Generalkapitäns zur See enthalten. 85 Ebenso versorgten sich die Venezianer in Aydin, Palatiya und Theologo mit Getreide, wie aus Anweisungen des Jahres 1346 hervorgeht.86 Aber die beyliks lieferten nicht nur Rohstoffe, sondern auch Fertigwaren. Die Tuchproduktion florierte, so in Lädik und Alasehir (Philadelphia). Rote Stoffe und weiße Turbane fanden in der ganzen näheren und weiteren Umgebung Absatz. InDiyarbekr und Alasehir erzeugte man darüber hinaus Seide, die der byzantinischen den Rang ablief und ihr Konkurrenz machte. 87 In den vierziger Jahren des 14. Jh. wurden die anatolischen emiräte zu wichtigen Getreideversorgern des byzantinischen Reiches, was Johannes Kantakuzenos in seinem Kampf gegen die Regentschaft ausnutzte. 88 '8 Vryonia, Jr., The Décliné, S. 311, 347. 79 Wächter, A., S. 46, 48. 80 Vryonis, Jr., S. 446. 81 Derselbe, S. 378-380, 258. 82 Uzunçarçili, I. H., Anadolu Beylikler, S. 108. 83 Thiriet, F., La Romanie, S. 355; derselbe, Délibérations I. Nr. 549, S. 215. Die Annahme P. de Tschihatschefs, daß die Pferdezucht infolge der türkischen Invasion in Kleinasien zurückgegangen sei, da die Nomaden das Kamel bevorzugten, entbehrt für unseren Zeitabschnitt jeder Quellengrundlage: Klein-Asien. Leipzig-Prag 1887, S. 96, 104f. «4 Thiriet, F., Délibérations II. Nr. 775, S. 32. 85 Ebenda, Nr. 760, S. 27. 86 Ebenda, Nr. 729, S. 16: Nr. 744, S. 21. 87 Uzunçarçïli, I. H., Anadolu Beylikler, S. 107f. 88 Kyrris, C. P., John Cantacuzenus, S. 32; zur Bedeutung für die Versorgung der Hauptstadt Zaehariadou, E. A., Sept traités, S. 239. 7 Werner, Osmanen
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Von dem militärischen Potential der einzelnen beylikler bietet I. H. Uzun§ar§ill durch Zusammenstellung aller diesbezüglichen Zeugnisse eine Vorstellung. So verfügten Germiyän über 200 000 Mann zu Fuß und zu Pferde, Karaman über 25000 Reiter, 25000 Fußsoldaten und Nomadenaufgebote, Mentese über 100000 Mann, Kastamunu über 20 000 berittene Krieger, Aydin über 70000 Mann, Karasi über 40000 Mann, Saruhan über 20000 Mann.»9 Wenn diese Kräfte auch nie gemeinsam gegen Byzanz operierten, so bedeuteten sie doch schon einzeln eine gefährliche Bedrohung für die geschwächte Ostfront. Im Unterschied zum Seldschukeneinbruch führten die ghäzi jetzt den Krieg unter religiösen Losungen und betrieben Proselytenwerbung und Sklavenfang. Das Seebeylik Mentese, das neben Landstreitkräften eine gut ausgerüstet© Flotte kleiner Schiffe besaß, damit bis nach Rhodos Piratenzüge unternahm, Ägypten und Aydin unterstützte und sich an der Mamlukenexpedition gegen Zypern beteiligte, 90 orientierte sich von vornherein auf eine Islamisierung seiner christlichen Untertanen. Sie wurde durch den Umstand erleichtert, daß die meisten Kleriker und Mönche beim Auftauchen der Türken nach Konstantinopel oder auf die westanatolischen Inseln geflohen waren. Ohne religiöse Leiter war es für die neuen Herren mit ihren Derwischen nicht allzu schwierig, die Griechen an den neuen Glauben heranzuführen. Die Mission wurde noch durch den in den beyliklern beheimateten volkstümlichen Islam, der manche christliche Elemente und Kultformen beinhaltete, erleichtert. Die Mentese-oghullarf unterstützten die missionierenden Derwische und gestatteten ihnen ihre Tätigkeit unter christlichen Bauern und Handwerkern, auch wenn sie dadurch Einkünfte, wie die gizya, verloren.91 Darin spiegelten sich die primitiven, auf Stammesvorstellungen zurückgehenden Institutionen und Regierungsmethoden der türkischen Emiräte wider. Großer Beliebtheit erfreuten sich die Waqfgründungen. Die neuen Dynastien errichteten in den eroberten Gebieten fromme Stiftungen für religiöse und soziale Zwecke, wie Moscheen, medresen, Hospize und Rasthäuser, aber sie förderten auch Gründungen von Familienwaqüf ihrer Gefolgsleute. Die Derwische forcierten auf diesen Stiftungen nicht nur die Islamisierung, sondern auch die Turkisierung. 92 Nachdem jedoch die natürlichen Grenzen oder das Nachbarbeylik erreicht worden waren, stagnierten diese Fürstentümer. Sie verharrten gewissermaßen auf einer Übergangsstufe zwischen militärischer Demokratie und primitivem Stammesfeudalismus. Ghäzi-Idee und Nomadenexpansion hatten ihnen Schwung und Kraft verliehen. Sobald jedoch ihre Ausdehnungsmöglichkeiten erschöpft waren, verebbten die Wellen. Glaubensstreiter und Nomaden wandten sich jetzt begs zu, die gegen die „Ungläubigen" noch im Felde standen. So versteinerte die 69
Uzunqarsili, Anadolu Beylikler, S. 73. oo Ebenda,'S. 21. 91 Wittek, P., Das Fürstentum, S. 115f. 92 Köprülü, M. F., L'institution, S. 30.
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Mehrzahl der beylikler schon in der ersten Hälfte des 14. Jh., und selbst so große Gebilde wie Karaman und Germiyän zeigten sich schon bald dem einstmals kleinen Osmanenemirät nicht mehr gewachsen.
3. Der Sieg des Neuen : Die Osmanen Bereits 1923 schrieb F. Giese, daß die Bildung des osmanischen Staates nur von der orientalischen Geschichte her betrachtet und begriffen werden könne.93 Vor allem darf man die Osmanen nicht von den Türken Anatoliens trennen, sie nicht unvermittelt der byzantinischen Kultur und dem byzantinischen Reich gegenüberstellen, ohne eigene Tradition, ohne Berücksichtigung der seldschukischenVergangenheit.94Der Aufstieg dieses kleinenbeyliks am nördlichen Grenzsaum zu Byzanz zu einem Groß- und Weltreich gibt der Forschung auch heute noch viele Fragen auf.95 Methodisch ist hier ein Hinweis von W . I . Lenin wichtig, der 1923 gegen eine Schematisierung historischer Prozesse auftrat und betonte, „daß bei allgemeiner Gesetzmäßigkeit der Entwicklung in der gesamten Weltgeschichte einzelne Etappen der Entwicklung, die eine Eigentümlichkeit entweder der Form oder der Aufeinanderfolge der Entwicklung darstellen, keineswegs ausschließen, sondern im Gegenteil anzunehmen sind."96 Zu diesen Eigentümlichkeiten gehört in unserem Falle die Wirkung des äußeren Faktors bei der osmanischen Staatwerdung, der gerade in frühen Epochen bedeutsam werden konnte, etwa hinsichtlich des Einflusses des geographischen Milieus oder der geopolitischen Situation.97 M. Akdag meint, den Schlüssel für den kometenhaften Aufstieg des kleinen beyliks in der Wirtschaftskrise Anatoliens um 1300 gefunden zu haben. Die ökonomische Properität Europas hätte zur Stagnation der Wirtschaft im östlichen Mittelmeerraum geführt und die „Einheit" des Marmarameeres erschüttert. Die Osmanen hätten diese Einheit neu gefestigt. Alle Bevölkerungsklassen seien durch die Krise in Bewegung geraten und hätten sich den Osmanen angeschlossen, da sie als Better in der Not aufgetreten seien.98 Zweifellos befanden sich Nomaden, Bauern und Handwerker infolge des Untergangs des Seldschukenstaates und der mongolischen Intervention in Bewegung. Aber dieser soziale Aufbruch hätte eigentlich in erster Linie den großen beyliklern zugute kommen müssen, wie den Karamanen und Germiyän. Das war jedoch nicht der Fall. Vor allem existierte niemals eine Einheit des Marmarameeres. Anatolien und das griechische Festland entwickelten sich ökonomisch und sozial unterschiedlich. Nach N. Filipovic erscheint es überhaupt fraglich, ob eine Wirt93 Giese, F., Das Problem, S. 247. 64 A. Gabriel kommt auf Grund kunsthistorischer Erwägungen zu dieser Einsicht. Er untersuchte die Moschee Murads I . in Brussa, die auf eine reiche und fortwirkende türkische Tradition vom 12. Jh. ab schließen läßt: La mosquée de Murad I è r à Brousse et le problème des origines de l'architecture ottomane. Vakiflar dergisi s. I I . Ankara 1942, S. 55, 56f. 95 Barkan, Ö. L., Les déportations, S. 67. 96 Lenin, W. I., Über unsere Revolution (Aus Anlaß der Aufzeichnungen N. Suchanows). Werke, Bd. 33, Berlin 1962, S. 463. 97 Z. B. Eybakov, B. A. in einer Diskussion über „Methodologische Probleme der Geschichtswissenschaft", S. 1103. 9S Akdag, M., Situation, S. 570: Derselbe, tarihi, S. 120-127.
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schafts- und Gesellschaftskrise mit rein organisatorisch-militärischen Mitteln gelöst werden kann." Noch weniger vermag die Auskunft G. Stadtmüllers zu befriedigen. Er macht den Machtinstinkt der Osmanen, die ihn wie alle Nomaden aus angeborener Kriegslust und Tapferkeit besäßen, für ihren Aufstieg verantwortlich.100 Wie steht es dann mit den übrigen turkmenischen Stämmen und Sippen, die doch von den gleichen Trieben beseelt sein mußten, ohne daß ihnen auch nur annähernd eine so dauerhafte und stabile Staats- und Reichsgründung gelang ? Bevor wir uns weiteren Erwägungen zuwenden, sollen Quellen und Spezialforschungen befragt werden, um den Gang der Ereignisse möglichst genau zu rekonstruieren und dann daraus einige Schlußfolgerungen abzuleiten. Die Osmanen führten sich auf den Oghuzenstamm kay! zurück und sollen der legendären Überlieferung nach nur 400 Familien gezählt haben. Rasid ad-Dln überliefert die Sage, nach der der Sohn des Oghuz, Kün Khan, einen Sohn namens Kay! gehabt hätte, der seinem Vater in der Herrschaft nachfolgte. Damit hätte der Stamm des Kayi höchsten Rang unter den Oghuzen gewonnen und sei zum berühmtesten der 5 türkischen Königsstämme aufgestiegen. Diese Vorrangstellung veranlaßte Dynastien wie die Ghaznaviden und Osmanen, ihre Häuser auf ihn zurückzuführen.101 Sultan Aläuddin Kaiqobäd II. soll dem Urahn Ertoghul Sommer- und Winterweiden im Gebiet von Eskisehir und ein Lehen in Söghüt übertragen haben, das Ertoghul mit dem Schwerte erweiterte und sich „Schwertland" eroberte.102 Über Ertoghul selbst ist sehr wenig bekannt. Daß er von einem Seldschukensultan belehnt worden sei, ist recht fraglich. I. Beldiceanu-Steinherr führt dagegen ins Feld, daß sein Enkel Orhan noch 1350 dem Ilkhan tributpflichtig war und sein Sohn Osman von ihm das Lehen Söghüt bestätigt erhielt. Ergo könne Ertoghul eine Legitimation, falls er überhaupt jemals eine erhielt, nur vom iranischen Hof bezogen haben.103 Leuchtet ihre Argumentation für Ertoghul ein, so weckt sie für Osman und Orhan Skepsis. Wir sahen, daß der innenpolitische Verfall des Ilkhanreiches zwischen 1284 und 1295 rapide um sich griff und daß sich das khaganat nach 1335 in voller Auflösung befand. R. Mantran gibt deshalb zu bedenken, daß die mongolischen emire viel zu sehr im Iran, Irak und in Azerbaidzän engagiert waren, als daß sie sich für die Vorgänge in Anatolien noch interessierten.104 Die ersten Osmanen dürften ähnlich begonnen haben wie die Qaramaniden oder die Germiyän-oghullari. N. Jorga meinte, es hätte sich bei ihnen allen um typische Söldnerbanden gehandelt, die sich den Meistbietenden verdingten.105 H. Inalcik sieht in Anlehnung an die altosmanische Historiographie in Osman einen Beschützer und Förderer von ghäzi, achls und Derwischen, nicht einen Stammesführer. Um ihn hätten sich garibs, streifende Krieger, gesammelt, denen er timare, waqüf und amläk aus den eroberten Ländereien übertragen habe. 106 Filipovic, M., rioraeH, CTp. 15. Stadtmüller, G., Osmanische Reichsgeschichte und balkanische Volksgeschichte. Vierteljahrsschrift für Südosteuropa 3. 1939, S. 7. Mi Rasid ad-Din, S. 8 f. 102 Nein, S. 192. 103 Beldiceanu-Steinherr, Recherches des actes, S. 72f. 104 Mantran, R., Rezension in der Revue historique 497. 1971, S. 2 0 6 f . 106 Inalcik, «b Jorga, N., Rapports, S. 129. H., L ' E m p i r e , S. 7 6 f . 99
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Laonikos Chalkokondyles, der in den achtziger Jahren des 15. Jh. seine „Historiarum demonstrationes" schrieb, berichtet, daß Ertoghul von allen Seiten Nomaden zugeströmt seien, mit denen er seine Eroberungen vorangetrieben habe. Er setzt dabei Türke mit Nomade gleich: „Es ist unbestreitbar, daß ihr Name das Verharren auf der nomadischen Lebensweise bedeutet und daß sie den größten Teil ihres Lebens damit verbringen."107 Die osmanische Staatsgründung verlief demnach teilweise als eine nomadische Landnahme, welche eine Fortsetzung der Expansion des 13. Jh. darstellte.108 Pachymeres betont weiterhin, daß sich unter dem Sohne Ertoghuls, Osman (1288—1326), seine Truppen durch den Zuzug von Türken aus benachbarten beyliks verstärkten.109 Für einen Rückschau haltenden Italiener des 16. Jh. mochte es sich bei diesen Leuten um nichts weiter als um Gesindel und bei ihrem Anführer um einen Räuberhauptmann handeln,110 aber damit erfaßt man nicht die historische Realität. Der älteste osmanische Chronist, 'AsiqpaSazäde, nannte Osman einen ghäzi und sah in seinen militärischen Unternehmungen gihäd.111 In einer Inschrift an der ältesten Moschee von Brussa aus dem Jahre 1337 nannte sich Orhan: „Sultan, Sohn des Sultans der ghäzi, ghäzi, Sohn des ghäzi, Dach der Horizonte, Held der Welt."112 A. S. Atiya vermutet hinter dieser Selbstdarstellung die Idee eines Gegenkreuzzuges, die mit dem Vordringen der Osmanen nach Europa Gestalt angenommen hätte.113 Nach P. Wittek beruhte das neue beylik nicht auf Stammesbindungen, da es keine echte Stammestradition gegeben habe, sondern auf einem reinen Ghäzibund.114 Diese Überbetonung des Ghäzigedankens fand vonseiten Ö. L. Barkans berechtigten Widerspruch. An dem Unternehmen der Osmanen beteiligten sich Türken aus vielen beyliks, und nicht zufällig trugen die Gefährten der neuen Dynastie nicht muslimische Namen, wie man bei dem Vorhandensein eines reinen Ghäziverbandes hätte annehmen müssen, sondern türkische.115 Andererseits handelte es sich aber auch nicht um eine reine Nomadenwelle, wie im 12. Jh., sondern die osmanische Expansion verlief in ihrer ersten Phase in Kleinasien in zwei Richtungen, dem Vordringen kleiner, gut organisierter „Grenzkämpfer", und dem Nachrücken nomadischer und bäuerlicher Kolonisten, die das eroberte Land fest in Besitz nahmen, ohne die autochthone Bevölkerung auszurotten oder zu vertreiben. In den von Muhij! ed-Din überarbeiteten und von Johannes Löwenklau ins Lateinische übersetzten anonymen osmanischen Chroniken (Codex Verantianus)116 wird ausdrücklich hervorgehoben, daß das Heer Osmans nur klein gewesen sei. Deshalb habe der Ghäzi das Vorfeld der Städte 107
„drjkoT dè xal Tovvo/ia avrò zàv vo/xaSixr¡v òianav 7igoj]QT¡ftévov xai rò ravrr/ tov ßiov nkéov aòró> noioéfievov." Chalkokondyles, 33d. 1. lib. I, S. 10. Zu Erthogul S. 11. 108 Barban, Ö. L., Les déportations, S. 70, 82. 109 Pachymeres, lib. IV. 25. S. 333. Die Altosmanischen Kalender datierten den Machtantritt Osmans und seine Investitur durch den Sultan erst in das Jahr 1299: Takvimler I, S. 8. 110 Angiolello, Gianmaria, S. 6. 111 Menzel, Th., Mystiker, S. 288. Wittel, P., Deux chapitres, S. 305. 113 Atiya, A. 8., The Crusades: Old ideas and new conceptions. Cahiers d'histoire mondiale II. 2. Paris 1954, S. 474. i« Wittek, P., The Rise, S. 13f. 115 Barkan, Ö. L., Les déportations, S. 82. il® Dazu Babinger, F., Geschichtsschreiber S. 73.
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vernichtet und entvölkert, damit sich die befestigten Plätze ohne große Anstrengungen ergeben. Orhan übernahm diese Taktik und machte 1337 die Umgebung von Nikomedeia zur Einöde. 117 Auch Nesri erwähnt diese Methode. Nach der Einnahme Brussas 1326 soll ein griechischer dynatos zu Orhan gesagt haben: „. . . die Herrschaft über die Stadt aber hängt von der über das Land ab. Nun aber war unser ganzes Land euch untertänig und gehorchte uns nicht. . ."i« Selbst Bayazld I. behielt diese Methode noch bei. Die venezianischen Gouverneure von Modon und Koron meldeten 1402 dem Senat: „. . . villani nostri Communis . . . sunt ad talem condicionem deducti, quia non potuerunt seminare, nec aliquos fructus recoligere, quod pereunt fame . . . cadunt per stratas mortui." In Albanien war auf Grund dieser Kampftaktik bald keine Landbestellung mehr möglich, ausgenommen in unmittelbarer Nähe von Städten und Burgen. 119 Die altosmanischen Chronisten erfüllte es mit Stolz, daß das Heer Osmans nach allen Seiten Tag und Nacht Furcht und Schrecken verbreitete, Ungläubige plünderte, Frauen und Knaben versklavte und die übrige Bevölkerung erschlug.120 Der französische Dominikaner Jordan Catalani bestätigte in seinem Reisebericht aus dem ersten Viertel des 14. Jh. indirekt die türkischen Zeugnisse bzw. die Folgen des osmanischen Vorgehens in Westkleinasien: „Ista Turquia, quae Asia Minor vocatur, habitatur per Turcos et per paucos Grecos . . . Terra haec fertilis et valde, sed inculta quia Turci non multum curant."121 Allerdings wäre es falsch zu glauben, Osman habe seine Macht allein auf Kosten byzantinischer Territorien ausgeweitet. I. Beldiceanu-Steinherr wies nach, daß er die Gebiete von Inönü und Eskisehir türkischen beglern abnahm, wie er überhaupt die Gegensätze und Streitigkeiten zwischen den emiren weidlich auszunutzen verstand. 122 Dennoch traf die Westexpansion die griechische Bevölkerung hart. Oft erfaßte sie eine wahre Panik. Als 1032 der Heteriarch Muzalon bei Bapheos mit seinen alanischen Söldnern eine schwere Niederlage erlitt, schlössen sich ihm auf der Flucht viele Männer, Frauen und Kinder aus Magnesia an. Wer von ihnen mit den Reitern nicht Schritt halten konnte, verhungerte, erfror oder wurde von den nachrückenden Osmanen erschlagen bzw. gefangengenommen. Aber auch die Bewohner der östlich Pergamon gelegenen Landstriche packte Entsetzen. Niemand fühlte sich mehr sicher, jeder bereitete sich auf die Flucht vor. Gerüchte genügten, um die verängstigten Menschen von Haus und Hof zu treiben und ihr Glück in einer ungewissen Zukunft in den kleinasiatischen Seestädten oder den europäischen Reichsteilen suchen zu lassen. 123 Das Fragment einer Chronik von Gallipoli berichtet zum Jahre 1304 von einer 117
„. . . non magnus erat Turcorum id. temporis exercitus. . . Tandem ad solitudinem vastitatemque redacta fuit ea regio, propter quam causam istic et arbores, et saltus, et siluae deinceps exstiterunt." Löwenklau, J., lib. II. S. 141, 145. «8 Nesri, S. 216. 119 Jorga, N., Notes et extraites I., S. 118f., 120. 120 Altosmanische Chroniken, S. 21. 121 Mirabilia descripta. Les merveilles de l'Asie par le pere Jourdain Catalani de Severac. Ed. par H. Condier, Paris 1925, S. 124. Jordan starb 1336. m Beldiceanu-Steinherr, Recherches. S. 70 f. 123 Pachymeros lib. IV. 20 Bd. 2, S. 317f.
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Umsiedler welle, die ganz Anatolien erfaßt haben soll. Gemeint sind wahrscheinlich die zahllosen Flüchtlinge, die über den Bosporus oder den Hellespont.auf das europäische Ufer gelangen wollten. Zum anderen bezieht sich vielleicht der Schreiber auf Umsiedlungsmaßnahmen (s£oixio/j,oi), welche die Osmanen in Städten und Dörfern durchführten. 1 2 4 Nach den Einfällen in Lydien und Mysien wandte sich Osman Bithynien zu. I b n Battuta fielen die Ruinen auf, welche die Türken auf ihrem Vormarsch hinterlassen hatten. Pergamon lag in Trümmern, Ephesos war mit Schutt übersät. 125 Der aufmerksame Araber beobachtete auch Umbauten christlicher Gotteshäuser in Moscheen. 126 Darin spiegelte sich der religiöse Aspekt der Landnahme wider, an der bis auf Murad I I . Derwische aktiv teilnahmen, aber nicht die aristokratischen mevlevis, sondern volkstümliche Orden, allen voran die bektäsi. Urug ben'Ädil aus Edirne, der z. Z. Bayazlds I I . in einer Verwaltungsbehörde als Sekretär saß, 127 gibt in seinem Geschichtswerk folgende Begebenheit wieder: Der Bruder Orhans, 'Ali Pasa, sei Derwisch geworden. Als er eines Tages mit Orhan sprach, machte er ihn auf die geringe Zahl seiner Krieger und das Fehlen eines besonderen Kennzeichens des osmanischen Heeres aufmerksam. „Lasse alle Krieger rote Kopfbinden tragen, aber zugleich den Herrscher weißen Kopfschmuck, damit die Welt ein Zeichen für seine Kämpfer und ihn selbst hat." Orhan soll damit einverstanden gewesen sein und einen Boten zu Häggl Bektäs nach Amasya gesandt haben, um die Erlaubnis und den Segen des Heiligen für diese Neuerung einzuholen, was ihm auch gewährt wurde. 128 J . K . Birge hält den Kern der Erzählung für historisch, obwohl doch Bektäs gar nicht mehr lebte. Vor allem meint er, 'Ali sei bektäsi geworden und es gäbe gut bezeugte Beziehungen zwischen den Kopfbedeckungen osmanischer Krieger und den bektäsi. 129 H . H . Schäder vermochte demgegenüber bereits 1928 nachzuweisen, daß Urug und die Anonymen Chroniken die Mützenwahl im Sinne der Derwische fälschten. 'Asiqpasazäde und Nesri wissen nur, daß Aläeddin Orhan riet, seinem Heer ein Zeichen zu geben, das keine andere Truppe besaß, und ihm dafür weiße Mützen empfahl, weil die benachbarten emire und ihre Soldaten rote trügen. 130 Ebenso dürfte es sich auch bei der Konversion Aläeddins um eine pia fraus handeln. Offiziell nannte er sich Großemir und beg wie Orhan, wurde aber stets nur als Helfer der ghäzi und der asker tituliert, nicht Herr der ghäzi (sächib-i ghäzi) wie sein Bruder. Die Osmanen verstanden den Staat als Familieneigentum und wählten jeweils aus ihrer Mitte einen emir, der in wichtigen Angelegenheiten das Mitspracherecht seiner Brüder durchaus akzeptierte. 131 Wie wir erwähnten, traten die bektäsi frühzeitig in den Dienst der Osmanen und warben unter der türkischen Bevölkerung Anatoliens für die neue Dynastie, versuchten die turkmenische Religiosität zu neutralisieren und in orthodoxe Bahnen zu lenken. 132 Die Hofgeschichtsschrei124 125 126 127
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Schreiner, P., Studien, S. 187. Nachweise bei Angelov, D., Certains aspects, S. 227. Ihn Battiitä, S. 308. Ménage, V. L., On the recensions of Uruj's „History of the Ottomans". BOAS X X X , 1967, S. 314-322. Urug ben 'Ädil, Tewärich-i al-i 'Osmän. Bd. F. Babinger, Quellen werke des islamischen Schrifttums. II. Hannover 1925, S. 15, 89. Übersetzung von J. K. Birge, S. 47. Derselbe, S. 47. Schaeder, H. IL, Sp. 1048. Beldiceanu-Steinherr, I., Recherches des actes S. 97 f.
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bung brachte die Derwische und ihren berühmten Heiligen später in Verbindung mit einem Angehörigen des Hauses Osman, um den Aufstieg der Dynastie von vornherein fest mit ihnen zu verketten. Der Beeinflussung turkmenischer Stämme und Sippen durch die bektâsï begegnen wir auch bei der Frauenvereinigung der bägiyän, die sich an der osmanischen Expansion beteiligten und in Bektäs ihren Schutzheiligen verehrten. Nach M. F. Köprülü handelte es sich um bewaffnete turkmenische Frauen.133 Johannes Schiltberger begegnete auf seinen Fahrten mongolischen Frauen, die unter einer Anführerin bewaffnet in den Kampf zogen: „Und ihr sollet och wissen, das sie und ir frowen an den stritt ritten und schussen, vachten mit den hantbogen als die man. Und wann die frow an einen stritt ritt, so band sie an ein yetliche siten ein schwert und einen hantbogen."134 Von denDulgadïr-oghullarï in Ostanatolien erzählte man, daß 30 000 weibliche Krieger ihrem Kommando unterstanden. Der arabische Geograph al-Marwazi brachte die Amazonen mit den turkmenischen Kriegerinnen in Beziehung.135 Ihnen wie anderen ghâzï galt Hâggï Bektäs als Leitbild und Patron. Das Viläyetnäme des Heiligen mit seinen Legenden und Wundergeschichten diente dem Nachweis des Ghäzitums der bektâsï und dem Bestreben, die „Ungläubigen" zu beeindrucken, um sie zur Annahme des Islam reif zu machen. Bektäs erschien als Mitkämpfer Osmans und Orhans. Die Vita erwähnt einen 'Al! Sultan, der zu jenen 40 Helden gehörte, die von Mohammed im Traume den Befehl erhielten, sich zu Bektäs zu begeben. Als sie vor ihn traten, gürtete er sie mit Schwertern, segnete sie und sandte sie dann zu Orhan, dem gleichfalls durch ein Traumgesicht ihre Ankunft gemeldet worden war. Die 40 Gottesstreiter überquerten die Dardanellen und nahmen zusammen mit dem Bruder Orhans, Suleiman Pasa, Gallipoli. Jede eroberte Stadt plünderten sie und bekehrten die „Ungläubigen" oder aber versklavten sie. Nach vielen Heldentaten trennten sie sich, suchten sich bleibende Wohnsitze, wo sie tekkeler errichteten und die Bauern durch ihren Lebenswandel und ihre Wundertaten tief beeindruckten.136 Die ersten Osmanenherrscher stützten sich demnach genau so wie die meisten beylikler auf Derwische, die der turkmenischen Volksreligion eng verhaftet blieben und auch sïritischen Auffassungen entgegenkamen, selbst wenn sie, wie die bektâsï, der sfa nicht verpflichtet waren. Noch zur Zeit Bayazïds I. kursierten am Hofe zu Brussa sï'itische Lehren, etwa hinsichtlich der Vorzugsstellung des Propheten als letzten und größten Gesandten. Sogar der Sunnit Süleiman vermochte sich in einem Lobgedicht auf die Geburt des Propheten diesen Strömungen nicht zu entziehen, sondern er verarbeitete die Lehre, nach welcher das göttliche Licht von einem auserwählten Nachkommen Adams in einen anderen überging und von 'Ali auf den jeweiligen imäm von «2 Mélikoff, I., Le problème, S. 53. Köprülü, M. F., Les origines, S. 113. 134 Neumann, K. F., Reisen des Johannes Schiltberger aus München 1349—1427. München 1859, S. 91 f , 135 Vryonis, Jr., The Décliné, S. 266. 136 Birge, J. K., S. 53. Spätere Legenden machten manche Krieger zu bektäSI bzw. überhaupt zu Derwischen, obwohl sie nie einem Orden angehört hatten. Vgl. Kissling, H. J., Zum islamischen Heiligenwesen auf dem Balkan, vorab im thrakischen Raum. Ztschr. für Balkanologie I, Wiesbaden 1962, S. 51, 55. 133
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Geschlecht zu Geschlecht übertragen wird, in orthodoxem Sinne, indem er die Fusion Mohammed zuschrieb.137 Mit der Konsolidierung des Osmanenbeyliks gewann je länger je mehr die sunnitische 'ulemä — Tradition die Oberhand, die weder auf Islamisierung noch Versklavung der christlichen Bevölkerung orientierte, sondern gizya und resm zahlende Untertanen verlangte.138 Allerdings „fungierten als Vermittler des klassischen Islam weniger zünftige Theologen, sondern weit eher in der futuvva geschulte achi. Das wirft die in der modernen Forschung heiß umstrittene Frage nach der R o l l e des A c h l t u m s bei der Entstehung des Osmanenstaates auf. F. Giese meinte, daß die achi den ersten Osmanenbegs eine Truppe zur Verfügung gestellt hätten, mit welcher sie ihre Macht begründeten. Zur Stützung seiner These berief er sich auf 'Asiqpasazäde, der von „flinken jungen Leuten" weiß, welche sich um Osman gesammelt hätten und mit ihm in den Kampf gezogen seien. Giese glaubt in dieser Bemerkung einen Hinweis auf die fityän und damit auf die achi gefunden zu haben. Ebenso interpretiert er yoldas — Kampfgefährte, als yol atasi — Vorsteher einer Achibruderschaft. Schließlich bemüht er sich noch um die Herstellung eines Konnexes zwischen ach! und yeni ceri, da erstere weiße wollene Mützen, an deren Spitzen Lappen von einer Elle Länge und zwei Fingern Breite angenäht waren, trugen. Die gleiche Kopfbedeckung benutzten die Janitscharen, ebenso das kurze Messer und Hosen. Auch sie verpflichteten sich zur Ehelosigkeit.139 P. Wittek lehnte diese These entschieden ab. Er schrieb: „Die Achxbewegung in den Städten war ihrem Wesen nach friedlich. Im übrigen kam der Ghäzlstaat bereits in seinen Anfängen mit Stadtbürgern in Berührung. Die Kaufleute folgten den Eroberern und nahmen ihnen die Menschen- und Sachbeute ab." Was die weißen Mützen beträfe, so seien sie seit langem ein Ghäzisymbol gewesen. Die spahi hätten sie noch Jahrhunderte später benutzt.140 Die Erwähnung von achi in den ältesten osmanischen Quellen beweise nur, daß sich zahlreiche städtische Elemente aus dem Hinterland mit den Osmanen zusammengetan hätten, nichts mehr.141 Diese überspitzte Kritik fand in der Forschung geringen Widerhall. Ö. L. Barkan wies darauf hin, daß die Achiverbände, die in ganz Anatolien Filialen besaßen, den Osmanen zur Verfügung standen, da sie an einer Konsolidierung der staatlichen Verhältnisse interessiert gewesen seien.142 Ähnlich äußert sich A. D. Novicev.143 F. Taeschner teilt diese Auffassung und unterstreicht, daß sich noch Murad I. auf die achi gestützt habe und erst, als die Sultane fest im Sattel saßen, sie sich ihrer entledigt hätten.144 Auffallend ist, daß 137
Engelke, I., Sülejmän Tschelebi's Lobgedicht auf die Geburt des Propheten (Mewlid-i-Serif). Diss. Halle/Saale 1926, S. 16, 31 f. 138 Nicht nur auf religiösem, sondern auch künstlerischem Gebiet dominierte eindeutig das seldschukische Erbe: K. Otto-Dom und B. Anhegger, Das islamische Iznik. Istanbuler Forschungen, Bd. 13, Berlin 1941, S. 104f. Taeschner, F., Epigraphik, S. 122. Oiese, F., Das Problem, S. 258f. «o Wittek, P., Deux chapitres, S. 314, 309. i « Derselbe, The Rise, S. 42. 142 Barkan, ö. L., Les fondations, S. 59. 143 Noviiev, A. D., HcTopnH Typqmi, cTp. 27. 144 Taeschner, F., Akhl, S. 322.
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später die Gerberzunft in Ankara als einzige dem achi bäbä von Kirsehir unterstand, während alle anderen Zünfte der Stadt einem örtlichen Oberhaupt verpflichtet blieben. Gerade aber in Ankara hätte man wegen des einflußreichen Achitums erwartet, daß sein Geist in den Handwerkervereinigungen fortlebte. Die Sultane zerschlugen jedoch gerade wegen des großen Einflusses die organisatorische Basis und entwanden den achis alle politischen Positionen.145 B. Djurdjev argumentiert auf der gleichen Linie. Die begler, vor allem die Osmanen, vermochten erst nach ihrem Sieg über die ach! Handlungsspielraum zu gewinnen, da die Bruderschaften in Anatolien um Autonomie und Selbstverwaltung rangen. Sie müßten als eine gefährliche antifeudale Bewegung eingeschätzt werden. Nicht ach! hätten Osman und seine Nachfolger um sich geschart, sondern seldschukische spahi.146 Ganz anders lautet das Urteil N. Filipovic's, der in gewissem Sinne wieder die These von F. Giese auffrischt. Das anatolische Achitum habe wohl eine plebejische Komponente besessen, sei aber keineswegs antifeudal ausgerichtet gewesen, sondern habe sich um den Wiederaufbau einer Staatsmacht bemüht. Auch hätte es nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Lande unter Nomaden und Bauern Anhänger besessen, weshalb sich das osmanische beylik gut mit ihm stellte und achi Zutritt zu den höchsten Ämtern gewährte. Viele achi hätten die Reihen der ghäzi und spahi aufgefüllt und timare erhalten.147 Die gesamte frühosmanische Herrschaft habe auf den drei Pfeilern Achitum, heterodoxem Derwischtum und Ghäzitum geruht.148 Wir lernten im vorausgegangenen Kapitel bereits die militärische Tätigkeit einzelner achi kennen. Nicht nur in Anatolien, sondern auch in Azerbaidzän übten sie kriegerische Funktionen aus. So war etwa achi Suyä'u'd-Din Festungskommandant in Bam und stand im Dienste des khans Abu Sa'id.149 1380 bewährte sich der türkische achi Kücük als Truppenführer unter Schah Suya' in einer Schlacht bei Sultäniyya.150 In Ankara regierte der reiche achi Saraf al-Din die Stadt. Er soll, der türkischen Überlieferung zufolge, Murad 1360 das sehir übergeben haben, worauf der Großherr den sehirli reiche Geldspenden machte.151 Der gut unterrichtete Qoga Hüsejn gibt den Vorgang aber ganz anders wieder. In Ankara hätten sich der Karamanoghlu und die achi gegen Orhan und Murad gestellt.152 Weiterhin ist eine Waqfurkunde aus dem Jahre 1366 von Murad I. für achi Müsä erhalten, in der es heißt: „Diese biti wurde aus folgendem Anlaß geschrieben: Dem Träger dieses tevqi', Achi Müsä, habe ich für mein Heil hier und im Jenseits ein Stück Land im Kreise Malkara zu einem Familienwaqf gemacht und darnach zu einem Familienwaqf für seine Nachkommen in der männlichen 145 Derselbe, Das Zunftwesen in der Türkei. Leipziger Viertel]ahresschrift für Südost-Europa 5, 1941, S. 185. 146
Djurdjev, B., O yrmjaio, CTp. 36.
Filipovic, N., Princ Musa, S. lOf. 148 Derselbe, S. 23. 149 Qazwinl, Tarikh, S. 158. 150 Derselbe, S. 192. 151 „Ipsam id temporis Ancoram possidebant qui Akhileri dicebantur. Ubi iam proprius ad haec loca Murates Chan Gasis accessisset, prodierunt illi obuiam sponte sua, quos diximus, Akhiler; arcisque deditionem fecerunt. Opidi municipes, ingrediente Sultano Murate, pecunias in eum sparserunt." Löwenlclau, lib. V. S. 219. «2 Qoja Hüsejn, S. 61a (30). 147
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und auch in der weiblichen Linie. Denn ich habe ihm das Töchterlein meines Verwandten Seydi Sultan als Braut zugeführt und ihn mit dem Gürtel, mit dem ich selbst von meinen achl gegürtet worden bin, gegürtet und ihn in Malkara als achï eingesetzt." 153 F. Taeschner schloß daraus, daß Murad I. eine Art „Großmeister" oder doch zumindestens angesehenes Mitglied des Achïbundes gewesen sei.154 Auch A. Gölpinarlï meinte, Murad habe sich nach der Einnahme Ankaras den Ahigurt umgelegt. Der Schwiegervater Osmans, Ede Bali, sowie sein Neffe Hasan seien gleichfalls achï gewesen. 155 P. Wittek, der frühosmanische Urkunden studierte, bezeichnete das Diplom als Fälschung, die auf eine Schenkung Murads I. an Müsä zurückginge, der in Rumelien ein Stück Staatsland in einen waqf umwandeln durfte. 156 Ist es demnach höchst unwahrscheinlich, daß Murad dem Achibund angehörte, so bleibt doch die Frage nach seinem Einfluß auf die ersten emire. Orhan dürfte sich des Thrones mit Hilfe von achï bemächtigt haben. Achï Hasan überwachte die Erbteilung zwischen den Söhnen Osmans.157 Nizäm ed-Dïn Ahmed Pasa, Sohn achï Mahmuds, rvar z. Z. Orhans Wesir, wie aus einem waqüfnäme des Jahres 1340 ersichtlich ist. 158 Diese Beteiligung von achïs am Aufstieg der Dynastie darf aber nicht zu dem Schluß verführen, daß es sich um ein Bündnis von gleichberechtigten Partnern gehandelt habe. Die Osmanen nutzten nur ihren Einfluß, integrierten sie in den werdenden Staat und ordneten sie ihrer Herrschaft unter. Das alte Achï-Ideal städtischer Selbstverwaltung verblaßte und wich einer rasch voranschreitenden Zentralisierung. Die ulemisierte Autokratie errichtete ihren Machtapparat auf keinen föderativen Grundlagen und bediente sich zu seinem Aufbau ganz anderer sozialer Kräfte, als sie die städtischen Achïbûnde darstellten. Die achï besaßen in der Frühzeit des Osmanenstaates weder auf politischem noch religiösem Gebiet ein Monopol. Das beweist ihre Verwendung als Theologen am Hofe Orhans. C. Arnakis behauptet zwar, der emïr habe sie als Disputanten gegen den gefangenen Hesychastenführer Gregor Palamas eingesetzt, 159 aber J.Meyendorff hielt dem entgegen, daß es sich bei den von Palamas erwähnten chiones, die mit ihm über den Wahrheitsgehalt des Islam und des Christentums stritten, um christliche Apostaten gehandelt haben dürfte, die zum Judentum übergetreten seien, um Karriere zu machen. Die Türken hätten die Juden stets wohlwollend behandelt. 160 D. h. allerdings nicht, daß die achï im religiösen Leben keine Rolle gespielt hätten. Sie organisierten und leiteten zahlreiche fromme Stiftungen. Sowohl von Murad I. wie von Bayazïd II. besitzen wir Bestätigungsurkunden für 153
Neutürkische Ubersetzung der Urkunde von Gökbilgin, M. T., XV—XVI. asirlarda, S. 173f., russische von Tveritinova, A. S., ArpapHHÜ C T p o n , C T p . 167 CJI. ; französische von BeldiceanuSteinherr, / . , Recherches sur les actes, S. 174—176. 154 Taeschner, F., War Murad I. Großmeister oder Mitglied des Achibundes? Oriens VI, 1953, S. 2 5 - 2 8 . 155 Gölpinarli, A., Les organisations, S. 27. «6 Wittek, P., Urkunden, WZKM 58, S. 181, 191. 157 Beldiceanu-Steinherr, I., Recherches sur les actes, S. 172. 158 Filipovié, N., Princ Musa, S. 30, A. 5b. 159 Arnakis, C., Gregory Palamas, S. 114; derselbe, Gregory Palamas, The Xiovéç and the Fall of Gallipoli. Byzantion X X I I , 1952, S. 309; Arnakis, G. G., Futuwwa, S. 241. 160 Meyendorff, J., Grecs, Turcs et Juifs en Asie Mineure au X I V e siècle. Byzantinische Forschungen I. Amsterdam 1966, S. 214.
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derartige Konvente: In Saruhan die ach! Arslän, Earkun, Saban, Öarpuk, Yahsi und die Söhne des Yunus; in Mentese die achl Yusuf, Feke, Debagh Ümmet, Ismä'il. Zahlreiche Konvente gab esinAmasya undTokat. In Didymoteichos (Demotika) schenkte Bayazld I. einem ach! einen waqf, ließ eine zäviye bauen und übergab ihm noch dazu die Einkünfte eines Hauses in der Stadt. Zu Beginn des 16. Jh. gab es im viläyet Anatolien 623 Konvente dieser Art, davon 272 in Karaman. Das viläyet Rüm zählte 205.161 Man wird die achi-Konvente nicht automatisch als Missionszellen, wie C. Arnakis, bewerten dürfen.162 In den anatolischen Städten der vorosmanischen Periode arbeiteten die Bruderschaften mit christlichen Handwerkern zusammen, ohne daß von Bekehrungsversuchen die Rede war. Weit eher neigten sie hochislamischen Praktiken zu, was Glaubens Wechsel durch Überzeugung natürlich nicht ausschloß. In jedem Falle unterschieden sie sich von den Ghäzilosungen, die Bekehrung oder Sklaverei forderten. Damit schneiden wir die Frage nach dem V e r h ä l t n i s der b e g l e r zur christlichen B e v ö l k e r u n g , zunächst in Anatolien, an. Wir zitierten bereits eingangs einige Quellen über die Auswirkungen der türkischen Expansion auf die Griechen. D. Angelov zog bekanntlich aus diesen Zeugnissen den Schluß, daß der Osmaneneinbruch Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jh. zur Katastrophe für das Hellenen- und Christentum geführt habe.163 Versuche zur Zwangsbekehrung durch ghäzi und Derwische kamen vor. Der Patriarch Johannes X I V . (1333—1347) wandte sich in einem Brief an die Christen Nikäas und beschwor sie, ihrem Glauben trotz aller Bedrückungen treu zu bleiben, denn die Barbaren seien nur Herr über ihre Leiber, nicht aber über ihre Seelen.164 100 Jahre später klagte Georg von Ungarn darüber, daß die Türken versuchten, ihre Gefangenen zum Islam zu bekehren. Mit der Zeit würden die Sklaven schwach und folgten dem Willen ihrer sächibs.165 Exponenten eines Bekehrungsfeldzuges waren ghäziseiche. Sie tauchten nicht erst in Rumelien, sondern bereits 50 Jahre früher in Anatolien auf.166 In einer Waqferneuerung und -befreiung aus dem Jahre 1383 von Murad I. wurde beispielsweise der Tatbestand sanktioniert, daß ein Ghäziführer das Recht hatte, Ungläubige von den eroberten Ländereien zu vertreiben.167 Nach I. BeldiceanuSteinherr darf man daraus keinen allgemeinen Freibrief für die Glaubenskämpfer ableiten.168 Aber dennoch beweist die Urkunde, daß in den ersten Dezennien ghäzi und militante Derwische den Versuch unternahmen, den gihäd nach ihren Maximen zu betreiben.169 Die Osmanen teilten sie nicht, denn sie erstrebten ein Barkan, Les fondations, S. 62, 63f., 293. Arnakis, G., Gregory Palamas, S. 114. 163 Angelov, Certains aspects, S. 223f., 226. 164 Miklosich-Müller, Acta et diplomata graeca medii aevi sacra et profana. T. I., Wien 1860, S. 183 f., 197 f. 165 von Zyrickzee, Cornelius, S. 29: „. . . ductos in captiuitatem per successum temporis suo infectos veneno fidem Christi turpiter renegare facit". Georg wäre es beinahe selbst so ergangen. 166 Wittel, P„ Urkunden, W Z K M 54, S. 246. 167 Derselbe, W Z K M 53, 1957, S. 311: „Dem Inhaber des Schreibens Seih Olus hat das (Stück) Land, das er inne hat, Rustem Bey zum Waqf gemacht und gegeben. Es war sein Eigentum (als Land) von dem er (dessen) Ungläubige (Bewohner, Besitzer) vertrieben hatte". BeldiceanuSteiriherr, I., Recherches sur les actes, S. 195. 168 R I X X V , 1968, S. 257. 169 w i e gehwach in den türkischen Grenzemiraten insgesamt die seldschukische Hochkultur nach161 162
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Tributsystem. Nesrï erzählt, daß im beylik Osmans Sicherheit und Ruhe geherrscht hätten, so daß aus den benachbarten Gebieten Christen gekommen wären, um hier in Frieden zu leben. 170 Selbstverständlich muß man dabei den panegyrischen Charakter der altosmanischen Chroniken, die nach 'Urug ben Ädil die Tugenden der Herrscher preisen und ihren Platz neben den Geschichten der Heiligen, den sähnäme, den Mirakel berichten über Afräsiyäb und Rustem einnehmen müßten — in Rechnung stellen, so daß ein Zitat, wie das angeführte, f ü r sich allein nicht viel aussagt. 171 Auf der gleichen Linie liegt das Lob "Asiqpasazädes, wonach alle Dörfer wieder in ihren alten Stand kamen und sich bevölkerten und es dem Volke besser erging als unter byzantinischer Herrschaft. „Sogar aus den anderen Gebieten kamen nun die Leute herbei, weil sie gehört hatten, wie gut es den hiesigen Giauren erging." 172 Es ist gewagt, aus solchen Notizen wie T. Gökbilgin den Schluß abzuleiten, daß das grundherrliche Regiment und das Steuersystem auf den Prinzipien sozialer Gerechtigkeit und einer regelmäßigen Verwaltung beruht habe. 173 Wir sind jedoch nicht nur auf osmanische Quellen angewiesen, um uns ein Bild über die Lage zu machen. Der ägyptische Kanzleibeamte Sehâb-eddïn al-'Umarï, ein Zeitgenosse Osmans und Orhans, der zwischen 1300 und 1348 tätig war und genaue Einblicke in die Gesandtschaftsberichte am Mamlukenhof besaß, schrieb, obwohl er aus seiner Abneigung, ja seinem Haß gegen die Türken keinen Hehl machte, daß die Osmanen auf ihren Raubzügen nur die Arbeiter verschonen, obwohl sie sonst Ströme von Blut hinterließen. 174 1358 beunruhigte den Senat von Venedig die Flucht zahlreicher villani aus Kreta zu den Türken, weil sie ihre christlichen Herren nur ausbeuteten und nicht mehr schützten. 175 1400 begaben sich verschuldete Kretenser zu den Türken, wo sie sich als martolos verdingten. 176 I m 15. J h . gehörte die Tötung bäuerlicher Bevölkerung zur Ausnahme, denn die Osmanen „potius vult eos habere viuos et tributarios, quam cum effusione sanguinis capiendo possidere. Unde nullo occidere volunt homines nisi extrema necessitate compellantur. . ." 177 Nach der Eroberung Bithyniens kam es sogar nur in wenigen Fällen zur Vertreibung christlicher Geistlicher. Die griechischen Grundbesitzer behielten größtenteils ihre Güter und Einkünfte, und die Bauern „durften bei striktem Gehorsam den Befehlen der Türken gegenüber auf ein leidlich angenehmes Leben . . . hoffen." 178 Bereits 1284, nach der Auflösung des größten Teils der byzantinischen wirkte, zeigt sich u. a. im Urkundenwesen. Die Schreiber, die den begler zur Verfügung standen, waren in der Regel kaum gebildet. Die seldschukische Schreibtradition hielt sich nur in den einfachsten Formen, „die dann bis zur Primitivität absanken". Wittek, P., WZKM 56,1960, S. 276. 17 NeSrï, S. 204f. Ménage, T. L., S. 178. 172 'Asïqpaiazâde, 13. S. 83. «s Gökbilgin, T., L'empire, S. 559. 174 »y porta parout la ravage, poursuivit sans miserecorde les patrices, n'épargnant que les laboureurs, fit couler des flots du s a n g . . . . humilia complètement les infideles". Sehabeddïn, S. 340. Orhan und sein Gefolge nannte er perfide, haßerfüllt und schlecht: S. 365. 175 Thiriet, F., Regestes I, Nr. 327, S. 88. 176 Derselbe, Délibérations II, Nr. 966, S. 84. 177 von Zirickzee, Cornelius, V, S. 36. 178 Wächter, A., S. 53f.
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Flotte, liefen viele griechische Matrosen zu den Türken in den beylikler über.179 Ohne die Zusammenarbeit griechischer Seeleute mit den Türken wären die Osmanen nicht so bald zu einer schlagkräftigen Seemacht aufgestiegen und hätten die kleinasiatische Westküste unter ihre Kontrolle bringen können. Das flottenlose Byzanz vermochte seinerseits die Durchfahrt durch den Hellespont nicht mehr zu blockieren.180 Orhan verfügte bereits über eine bescheidene Flottenorganisation. 1352 operierten 9 türkische Schiffe an der Seite des genuesischen Eskaders. 181 Bayazidl. baute dann Gallipoli zu einer türkischen Flottenbasis aus. 182 „Der Anteil der Griechen am Vordringen der Türken war zweifellos weit bedeutender, als es die Quellen vermuten lassen."183 'Asiqpasazäde erwähnt unter Osman einen Griechen namens Araton, der für ihn Späherdienste leistete und als m a r t o l o s galt. 184 In der deutschen Übersetzung seiner „Historia" bezeichnete Hans Löwenklau diese Leute als Kundschafter: „Dagegen hett der Osman sich eben desselben auch betroffen und ein Kundschafter aus seinen Leuten heimlich abgefertigt: Türcken und Ungarn nennens Martelosen."185 Das Wort martolos ist von Neugriechisch armatolos, Gendarm, Wächter, abgeleitet. Nicht nur das Wort, sondern auch die Institution waren in Byzanz bekannt und wurden von den Eroberern übernommen. Die ältesten Quellen bezeichnen die martolosen als orthodoxe Griechen.186 Mit der türkischen Expansion auf dem Balkan gesellten sich ihnen albanische und südslavische Elemente hinzu. In Serbien kannte man ebenfalls in vortürkischer Zeit Dienstleistungen von martolosi als Führer und Kundschafter, wozu sie nun die Osmanen vor allem heranzogen. Nach M. Vasic bildeten sie unter Murad I. noch keine Organisation.187 Aber schon Ende des 14. Jh. faßten sie die Sultane in Verbänden zusammen und teilten sie in zwei Gruppen ein. Die erste erhielt einen Sold in Höhe von täglich 2 bis 3 aqce und mußte stets einsatzbereit sein. Die zweite stellte eine unbesoldete Truppe auf Abruf dar. Beide gehörten zur askeriKlasse und zahlten weder charäg, ispenge noch raya-Abgaben. Noch im 15. Jh. waren alle Befehlshaber Christen.188 Nach Gianmaria Angiolello bedienten sich auch die Karamanen und Uzun Hasan ihrer.189 In den christlichen Ländern haßte und fürchtete man sie, weil sie Menschen raubten und für die Osmanen spionierten. Einzelheiten über ihr Auftreten berichten Prozeßakten aus Kotor vom Jahre 1477. In Rumelien waren sie als Grenzer gegen Venezianer und Ungarn, aber auch als Gendarmen und Verwalter eingesetzt. Seit der ersten Hälfte des 15. Jh. 179
Ahrweiler, H., Byzance, IV, S. 9. Dieselbe, Byzance et la mer. S. 378. 181 Ballard, M., S. 443. IM Thiriet, F., Regestes I, Nr. 881, S. 208; Nr. 896 (1396) S. 211. 183 Lemerle, P., S. 15, A. 2. 184 'Asigpasazäde, 3. S. 24. 185 Löwenklau, H., Musulmanischer Histori Türkischer Nation. Frankfurt/M. 1561, S. 70. 186 Vasic, M., Martolosi, S. 25, 28, 145 f. 187 Derselbe, S. 31, 41. 188 Derselbe, S. 4 3 f „ 159. 189 „Ancora vi sonno christiani simili a'questi Aganzi et per esser christiani sono chiamati Martelossi; etiam di questi si trovo adunanza alla tuerra del Caraman et di Usuncasan di 5 in 6 mille, et hanno servito senza soldo come venturieri, et sono gran lodri et crudeli". Angiolello, O., S. 151. 180
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lassen sie sich in einem breiten Gebietsstreifen, der sioh von Nordwestbulgarien über Serbien und Bosnien bis nach Dalmatien und von hier bis auf die Peloponnes ausdehnte, nachweisen. Ihr Spionagenetz errichteten sie in allen Balkanstaaten. 1 9 0 Das griechische Renegatentum Kleinasien lieferte den Türken auch die gefürchteten a q i n g i , eine Freischärlerbande, die nach F. Giese nichts zu verlieren hatte als ihr Leben. 191 Unter aqin verstand man einen Beutezug in die Länder der Giauren. Das unterschied ihn vom echten ghäzivät. Ahmedi betonte ausdrücklich: „Der Glaubenskämpfer ist derjenige, der die Beute außer acht läßt. Wenn die Glaubenskriege die Beute als Ziel haben, sind sie reine Raubzüge — aqin." 192 Das aqin sollte unter einem beg erfolgen, durfte jedoch auch ohne ihn vonstatten gehen. Dann handelte es sich um ein cete (weniger als 100 Mann) oder ein harämili (mehr als 100 Mann). 193 I. H . Uzunsarsili bestreitet, daß es sich bei den aqingi um Räuber gehandelt habe, die nur zum Beutemachen in feindliches Gebiet eingedrungen seien. Sie hätten vielmehr eine reguläre Truppe gebildet, die nach einem genauen Plan an Grenzen operierte. I m Winter und Sommer beunruhigten sie den Gegner, machten Gefangene und überbrachten Nachrichten über die Stärke feindlicher Streitkräfte. 1 9 4 Zunächst war von regulären Operationen und Verbänden keine Rede. Laonikos Chalkokondyles unterstrich ausdrücklich, daß sie weder Sold noch Land vom beg, später vom Sultan, erhielten: „Sie folgten ihm überall dorthin, wohin er sie führt, immer auf Beute und Raub bedacht. Jeder einzelne von ihnen besitzt zwei Pferde, auf dem einen reitet er, das andere führt er so mit sich, u m es zum Verladen des Raubes zu benutzen." 195 Dukas bezeichnet sie als ein Unglück für die Christen. „Sie ergießen sich aus eigenem Antrieb {avröxkfjroi), einem Sturzbach gleich (cu? noioifzog QECÖV), ohne Proviant und Mittel (nfjgag), zumeist ohne Speer und Krummsäbel (äxivdxrjg) auf ihre Feinde. . . Die meisten besaßen keine andere Waffe als einen knotigen Knüttel (QÖjtakov). . . So fielen sie über die Christen her und fingen sie wie Vieh. So hausen sie seit dem Türkeneinbruch bis zur Gegenwart. Sie überschwemmten nicht nur die anatolischen Themen, sondern auch Thrakien. Sie plünderten vom Chersones bis Istrien." 1 9 6 , Diese „Renner und Brenner", deren Zahl wir nicht genau kennen, 197 ergänzten ihre Reihen nicht nur aus christlichen Bauern und Handwerkern unter osmanischer Herrschaft, sondern erhielten auch Zulauf von außerhalb. 1400 flohen viele verschuldete Kretenser zu den Türken, wo sie wohl nicht nur als Matrosen, sondern ebenso als aqingi Verwendung fanden. 198 H.-J. Kissling betrachtet die Aufstellung 190
Butorac, P., Proces o martolozima 1477 godine u Kotoru. Anali Hist. Inst. Jugoslav. Akad. Znanosti i Umjetnosti u Dubrovniku II, 1953, bes. S. 138—140; weitere Belege über Martolosen bei Anhegger, R., Martoloslar hakkinda. Türkiyat mecmusl c. VII—VIII, Istanbul 1942, S. 282-320. 191 192 diese, F., Das Problem, S. 268. Kortantamer, T., S. 236. 193 Melikoff-Sayar, I., Le Dcstän, S. 52, A. 5. 194 Uzun$arsiK, Akinci, S. 239. 195 ,,roiic yaQ drj innoÖQOfiovg xaÄoVßSvovg rov yevovg rovde, firfre aQXVv ^XovraS vno rov ßaoiXecog" Chalkokondyles lib. I, Bd. 2, S. 93. «6 Dukas X X I I I , S. 135. 197 Uzunqarsili nimmt für die erste Schlacht auf dem Kosovo Polje 1389 20000 Mann an. U m die Mitte des 15. Jh. waren es nach Idris Bitlisi bereits 40000: Akinci, S. 240. 198 „Cum de fidelibus nostre insule Crete, pro debitis, tarn communis, quam specialium personarum,
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dieser Freischärler als militärische Notwendigkeit, da die Reiterei im anatolischen beylik nur eine untergeordnete Rolle spielte und man erst mit der Expansion auf den Balkan rasch bewegliche Einheiten benötigte. Ob sie sich allerdings aus reinblütigen Türken mit sfitischem „Anhauch"199 rekrutierten, wie er vermutet, scheint mir fraglich, da sich diesen Schichten „Vorstaatlicher Elemente" sehr wohl wurzellose Leute zugesellen konnten und auch zugesellten. Die Sultane hoben sie aus privilegierten Gruppen aus, wie den Butterlieferanten (yaggï), Eisenschmieden (küregi) und den elligi, d. h. Muslimen, welche einem besonderen Rekrutierungsmodus unterworfen waren. Aber auch raya zog man heran, und nachweislich gab es unter ihnen auch Christen.200 Die Kommandeure der aqingï waren die ugbegler, welche nicht über Lehen, sondern über amläk verfügten und ganze Dynastien bildeten, wie die Evrenos, die Turachan, Michäl und Malqoc. Sie durften den charäg von den Ungläubigen auf ihren Ländereien einziehen, ein ganz außergewöhnliches Privileg, da die Grundsteuer sonst stets von den Sultanen direkt durch ihre Beauftragten eingetrieben wurde. Die ugbegler scharten ein starkes militärisches Gefolge um sich, dem sie timare austeilten. Die Evrenos brachten es allein auf 1500 Mann.201 Kein Wunder, daß sie bis auf Mehmed II. die Geschicke des Osmanenstaates wesentlich mit bestimmten.202 Unter ihnen befanden sich auch Renegaten. Ein Kampfgefährte Osmans, der byzantinische Befehlshaber der Festung Harmankaya, Köse Michäl, avancierte zum aqïngïbeg und vererbte seine Stellung.203 'Asiqpasazäde berichtet: „Nachdem Osman Ghâzï nun Bannerherr geworden war, zog . . . Köse Michäl immer mit ihm. Die Dienstleute dieser ghâzï waren zum Großteil Giauren aus Harmankaya."204 Sehr bald erhielten die aqïngï Vorrechte. So durften sie auf mïrï-Land zwei bis drei Paar Ochsen halten und den Acker von Sklaven bestellen lassen, ohne dafür das 'ösür entrichten zu müssen. Eine Gruppe befand sich im Einsatz, eine zweite kümmerte sich um die Feldbestellung.205 Aus einem Register des 16. Jh. (1516/17) für Bosnien ist ersichtlich, daß sie von ordentlichen Steuern, von Frondiensten, wie Pferderequirierungen, befreit waren.206 Aussicht auf Beute und derartige sint extra dictam insulam in magno numéro, qui, quia omnia sunt impotentes ad solvendum suis creditoribus, neo sperant posse reverti, disperduntur et major pars eorum se reduxit terras et loca Turchorum, ascendendo supter galeis et navigiis dictorum Turchorum, venientium ad damna locarum christianorum.. ." Jorga, N., Notes I, S. 99. Thiriet, F., Délibération II, Nr. 966, S. 84. 199 Kissling, H.-J., „Logistisches" zur frühosmanischen Heeresgeschichte. Die Welt des Islam XV, 1974, S. 87 f., 89. 200 Beldiceanu-Steinherr, I., En marge, S. 27; Angiolello, Oianmaria, S. 151. 201 Iacopo de Promontorio, S. 52. Zu den Malqoö Babinger, F., Aufsätze und Abhandlungen I, S. 355-377. 202 Grundlegend zu diesen Problemen Beldiceanu-Steinherr, / . , En marge, S. 28—31. a» Giese, F., Das Problem, S. 268f., Uzunçar§ili, Akïncï, S. 239. 204 'ASiqpasazäde 10. S. 32. 205 „Sonno proprio corsari di terra, huomini di male afare contra christiani. Ma hanno priuilegio ciascun di loro nel teritorio del Signore (des Sultans, E. W.) di poter Seminare per mano di loro schiaui tanto quanto potessono arare con due o tre para di boue senza pagare décima, di quali ne uanno col beghelerbei di Turchia di dicti huomini 6000, el resto restano a custodia e confini et cosi hinc inde doue bisogna vanno armati con aro, saette, spada, targhetta, maza di legno et lanciotto. Sono huomini 6000". Iacopo de Promontorio, S. 61. 206 Beldiceanu-Steinherr, I., En marge, S. 27.
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Eximierungen bildeten einen Anreiz für abenteuerlustige Männer wie für „Ungläubige", die ihren Lebensunterhalt bedroht sahen oder schon verloren hatten. Michäl Beg griff 1326 entscheidend in den Kampf um Brussa ein. E r verhandelte mit dem Stadtkommandanten und forderte ihn zur Übergabe auf. 207 E . Frances vermutete darin Methode, denn auch andere byzantinische Offiziere folgten diesem Beispiel. Die lokalen Aristokraten setzten dem Vordringen der Osmanen in Kleinasien kaum ernsthaften Widerstand entgegen. Frances erklärte sich diese Passivität mit dem Streben der griechischen Provinznotablen, eine militärische und finanzielle Emanzipation von der Reichszentrale zu erlangen. Zugleich hätten sie gehofft, sich auf diese Weise die usurpierten Domänen, die ihnen Andronikos I I . abzujagen versuchte, zu erhalten. 208 Frances verdächtigte jede Übergabe eines festen Platzes oder einer Stadt des Verrates und des Defetismus. Diese einfache Formel wird aber der komplizierten historischen Problematik nicht gerecht. Georgios Pachymeres schildert z. B. die katastrophalen Zustände, die in poleis wie Brussa und Pegas vor der Einnahme herrschten. Der Türkensturm führte zu Menschenballungen, die Hunger und Epidemien, vor allem die Pest (Àoi/uoç), heraufbeschworen. Die Leute starben wie die Fliegen. Dennoch forderten die kaiserlichen Beamten von den verzweifelten Bewohnern hohe Abgaben. Wer den Offenbarungseid leistete, wurde grausam gefoltert. 209 Die nikäischen akritai existierten nicht mehr, denn Konstantinopel hatte dafür gesorgt, daß ihre Güter unter den Hammer kamen und ihre Inhaber als Bettler vom Osten nach dem Westen flohen, um wenigstens das nackte Leben zu retten. 210 Welche Hilfe konnten überhaupt kleine Provinzgarnisonen vom Basileus erwarten? Sie sahen sich im Stich gelassen und auf sich selbst gestellt. 'Asiqpasazäde gibt in seiner fingierten Rede des Befehlshabers von Brussa an Orhan recht gut die Gefühle und Überlegungen wieder, welche so manchen Offizier bewegt haben mögen: „Wir haben sie (die Stadt — E. W.) aus vielen Gründen übergeben. Der eine ist der, daß dein Glück von Tag zu Tag wächst, während das unsere uns den Rücken kehrt. . . Wenn der Herrscher machtlos ist, dann ist das Land rasch verwüstet. Wir wurden durch unsere schlechten Kaiser mit fortgerissen. Aber die Welt ändert sich fortwährend. Nunmehr sind wir es, die einen solchen Wechsel erdulden müssen." 211 Eine einheitliche protürkische Haltung der Provinzaristokratie ab ovo gab es nicht. Die ersten Osmanenemïre suchten kein Bündnis mit den Byzantinern, sondern nur ihre Unterwerfung. Das Risiko für den griechischen Adel, bei dem Herrschaftswechsel mehr zu verlieren als zu gewinnen, war sehr groß. Sein Anschluß und seine Anbiederung an die Eroberer erfolgten auf Grund der Ausweglosigkeit der Situation, der fehlenden Abwehrkraft und Kampfbereitschaft des Volkes in Kleinasien. Sie waren auch nicht ohne materielle und religiöse Opfer möglich. Köse Michäl erkaufte sich das Vertrauen Osmans nicht zuletzt durch seinen Übertritt zum Islam. Genau so wie die entlassenen griechischen Matrosen, die geplagten und verschuldeten kretensischen Bauern nach einer neuen Existenz207 Qoja Hiisejn, 1, 35 a (28). 208 Frances, E., La féodalité, S. 270f. 209 Pachymeres, Oregorios, Bd. 1, V. 21, S. 415. 210 ,,ai fièv yàç 'Pœfiaixai ¿hvdfieiç ov% STCCDÇ ¿¡¡rjo&ivow, dAAd xal ngovoiaç tbiofaofaxàreç âvaxoXr^v (pevyovreç ¿ni ôvaewç cÔQfiwv, neQunoiovfievoi êavroîç fiovov xo Çfjv" Ders., Bd. 1, V. 9, S. 389. 211 'Asïqpasazâde nach der Übersetzung von Turan, O., Les souverains, S. 99f. 8 Werner, Osmanen
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möglichkeit bei den Türken suchten, so strebten die dynatoi nach einem modus vivendi mit ihnen. Herrschende und beherrschte Klasse in Kleinasien befanden sich in einer prekären Lage, auf die noch näher einzugehen sein wird. E. Frances reduzierte die Frage nach den Ursachen der Turkophilie im 14. Jh. auf die Verratspolitik des Adels wegen seiner Angst vor Volkserhebungen. Damit simplifizierte er das Gesamtphänomen und übersah den Zustrom christlicher Elemente zu den martolos und aqingi. Wir werden im Verlaufe der Darstellung noch darauf zurückkommen. Existierte im Osmanenbeylik bereits eine Staatsorganisation? D. Angelov nimmt an, daß schon unter Osman eine feudale Grundaristokratie, die sich aus Angehörigen der Dynastie, turkmenischen beglern und Militärführern zusammensetzte, in Erscheinung getreten sei. Ihr hätte Osman Domänen und Städte übertragen. Die einfachen ghäzl seien zu einem mittleren Grundadel aufgestiegen und hätten Lehen erhalten.212 Diese These läßt sich auf Grund türkischer Quellen verifizieren. Qoga Hüsejn meldet, daß Osman 1301/02 eroberte Ländereien seinen Brüdern, Söhnen und Getreuen übertrug und verteilte.213 Von 'Asiqpasazäde erfahren wir von einer Festlegung Osmans in dieser Richtung: „Und wem ich ein Lehen gegeben habe, dem darf man es ohne Grund nicht wegnehmen: wenn er stirbt, so soll man es seinem Sohne geben; auch wenn er noch ein Kind ist, soll man es ihm geben und dann sollen im Falle eines Krieges eben seine Diener ins Feld ziehen, bis er selber zum Felddienst taugt."214 Johannes Löwenklau überliefert das Wort „timar" für Lehen.215 Auch habe Orhan in der Gegend von Yenisehir (Nikäa) „villas et pagos" an seine Getreuen verteilt, Krieger auf timare angesetzt und ihnen Naturalien und Einkünfte bewilligt. Die christlichen Bewohner jener Ortschaften hätten sich von ihnen gerecht behandelt gefühlt.216 Die zitierten Chronisten lebten im 15. Jh. und später, hatten demzufolge den Staatsaufbau ihrer Zeit immer vor Augen. Was lag da näher, als daß sie Einrichtungen der Gegenwart auf die Vergangenheit übertrugen ? V. P. Mutafcieva fiel beim Studium des Werkes Hüsejns auf, daß er für Landzuweisungen durch Osman die Begriffe iqtä' und mülk ve mal, nicht jedoch timar gebrauchte. Sie schloß daraus, daß man für die frühe Periode noch nicht von timarlar sprechen dürfe, sondern vielmehr annehmen müsse, daß Osman wie die übrigen begler das eroberte Land unter die Familie aufteilte.217 Aus einer Stiftungsurkunde für die zäviye Sise zu Mekeci 1324 erfahren wir, daß Osman zwei Jahre vor der Einnahme Brussas regierte und sich an seiner Seite vier Söhne und eine Tochter Osmans sowie drei seiner eigenen Söhne befanden. Das verdeutlicht, daß das beylik anfangs als Familieneigentum galt, genau so wie bei allen anderen anatolischen beglern. Alle Familienmitglieder wählten ihr Oberhaupt, oft unter Beteiligung von NotaAngelov, D., Certains aspects, S. 229f. 2 " Qoga Hüsejn, 1. 30 a (27). 214 ' Asiqpasazäde, 15. S. 41. 215 „. . . ab Osmane timariis sive praediis, pro suo quisque merito liberaliter plane regia donatis." Löwenklau, J., I I . S. 159. 216 „. . . et in iis timaria militibus atribuebant, unde fruetus et reditus annuos perciperent. Erga eorumdem locorum incolas Christianos iuste se gerebant. . ." Ebenda I V . S. 193. 217 Qoga Hüsejn, 1.30a—30b: Mutafiieva, Arpapmrre OTHOineHHH, CTp. 29, 6. 57a. 212
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blen wie des erwähnten achl Hasan. Wichtige Entscheidungen traf der beg gemeinsam mit der Familie. 218 Orhan fungierte als primus inter pares, und jedes Familienmitglied, jeder beg, der sich ihm anschloß, betrachteten die Ländereien, welche sie sich mit ihren Schwertern erobert hatten, als ihr Eigentum. Ihre Söhne ließen sich dann von den Sultanen ihre Rechte bestätigen. Sie wurden ihnen erst nach und nach beschnitten, bis sich der Ghäzistaat in ein zentralisiertes Reich verwandelte. 219 Die Diplome, welche die ersten Osmanenherrscher ausstellten, waren noch Privaturkunden, deren Aussteller mehr oder weniger zufällig ein beg ist. Beweis hierfür sind nach J. Matuz die Stiftungsurkunden, welche genau so die Unterschriften von Zeugen trugen wie diejenigen eines jeden beliebigen nichtosmanischen Stifters. 220 Was die Ausgabe von timarlar betrifft, so kann man sie bereits bei den ugbeglern nachweisen. Ob sich auch Osman und Orhan diesem Brauch anschlössen, ist nicht sicher. Mutafcieva gibt zu bedenken, daß Landvergabungen an Kadi und andere „Diener" in Form von „Dienstwaqüf" erfolgten. Belohnungen für Männer im Staatsdienst, die Brücken oder Festungen bewachen und instandhalten mußten, hielten sich bis auf Mehmed II. 2 2 1 Demnach könne man von keinem Timarsystem sprechen, das erst unter Murad I. 1368 gesetzlich fixiert worden sei. 222 Dieser Einwand schließt aber nicht aus, daß vor 1368 Orhan oder Murad zu Lehensvergabungen griffen, nur dürfte dann von einer verbrieften Erblichkeit keine Rede gewesen sein. Ein fermän Mehmeds II. aus den Jahren 1478—1481 bestimmte ausdrücklich, unter Berufung auf altes Recht, daß das timar eines verstorbenen spahi zunächst eingezogen wird, bis man ein neues berät seinem Sohne, Bruder oder einer anderen tauglichen Person ausstellt. 223 Natürlich handelte es sich in der Frühzeit noch nicht um ein System, welches das gesamte Staatswesen durchdrang und die Militarisierung des Landes zum Prinzip erhob.224 Bis in die zweite Hälfte des 14. Jh. hielten sich Formen der militärischen Demokratie und man kann nicht, wie D. Angelov, schon unter Orhan von einer abgeschlossenen Feudalisierung ausgehen.225 Orhan begann mit einer ersten Ordnung seines Staatswesens. An die Spitze setzte er eine Art Minister mit dem Titel pasa, den er seinem Sohn Süleiman verlieh. Nach dessen Tode 1359 nahm das Amt der Prinzenerzieher Lala Sahin Pasa ein. Die eroberten Gebiete gliederte Orhan in viläyet und sangaq. Das viläyet kommandierte ein subasi.226 In dieser Gliederung und dieser primitiven staatlichen Struktur leuchtet überall alte oghuzische Tradition durch. Die Oghuzen kannten die Einrichtung von beylikler als Familieneigentum, 227 ebenso die Funktion des subasi als Anführer der Krieger.228 Der oberste Heeresführer unter Osman und 218
Beldiceanu-Steinherr, I., Recherches sur les aotes, S. 86f., Dok. 45. Dieselbe, S. 92, Dok. 6 X . 220 Matuz, J., Fragen der osmanisch-türkischen Quellenkunde. Orientalische Literaturzeitung 67, 1972, Sp. 237. 221 öökbilgin, M. T., X V ve XVI aslrlarda, S. 162, 268, 169, 296; Mutaf&ieva, ArpapHMTe OTHOrneHHH, CTp. 30. 222 Dieselbe, S. 31. 223 Beldiceanu, N., Les actes I. Nr. 18, S. 87. 224 Djurdjev, B., üpiuior, CTp. 124—125. 225 Angelov, D., Certains aspects, S. 230. 226 Sabanovic, H., Bosanski Paäaluk, S. 21. 22 228 ? Agadzanov, S. 0., S. 114. Derselbe, S. 145.
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Orhan war der beglerbeg, ebenfalls ein militärischer Rang bei den Oghuzen, welcher das Oberkommando des linken Heeresflügels beinhaltete.229 Die ugbegler, die unter den Osmanen eine Sonderstellung inne hatten und Erbgüter (amläk) besaßen, nahmen diese Position im 11. Jh. bei den Seldschuken in Mittelasien und im Vorderen Orient ein.230 Das oghuzische Erbe entsprach den gesellschaftlichen Verhältnissen im osmanischen beylik, weshalb es wiederbelebt werden konnte. Die frühosmanische Heeresorganisation war organisch in die Struktur des beyliks eingefügt. Qoga Hüsejn überlieferte uns darüber folgende Nachricht: Der Bruder Orhans, Aläeddln Pasa, sprach eines Tages zum beg: „Da zwischen den Muslimen und den Götzendienern eine religiöse und langwährende Feindschaft entstand, ist es unbedingt notwendig, die Zahl der spahi zu erhöhen, um das Land zu erweitern und den ghäzivät und gihäd zu führen. Ich meine, wir sollten eine Anzahl Fußsoldaten aufstellen, indem wir eine Ausschreibung für junge Türken durchführen, denen wir ein aqce pro Tag geben und die wir yaya nennen. . Je 100 Mann erhalten einen berittenen Anführer, je 1000 einen beg. Wenn sie ins Feld ziehen, dann laß ihnen den Sold auszahlen, wenn aber kein Kriegszug stattfindet, dann lasse den Sold im Staatsschatz. Jene aber, die ein Stück Land besäen und von ihm ernten, sollen vom 'ösür, von Steuern und Verpflichtungen befreit sein." Orhan fand den Rat seines Bruders gut, stellte Fußsoldaten, yaya, auf, gab ihnen müsellem als Hundertschafts- und yaya begler als Tausendschaftsführer.231 Die Altosmanischen Chroniken betonen gleichfalls, daß der Brauch, in Anatolien yaya zu rekrutieren, auf Orhan zurückgehe.232 Eine wichtige Rolle kam dabei dem Kadi von Iznik und Bilegik, Chalil Chayreddln Pasa, zu, der unter Murad I. zum Heeresrichter, kadiasker, avancierte.233 V. P. Mutafcieva bezeichnet die neuen Verbände als organisiertes Stammeskriegertum, die den ersten Schritt auf dem Wege zur Ablösung der allgemeinen Kriegspflicht aller freien Männer darstellten. Noch unter Osman und Orhan sei die Kriegspflicht durchaus die Regel gewesen. Mit den yaya habe die Besoldung in Kriegszeiten begonnen, ohne daß feudale Beziehungen entstanden. Die yaya seien freie Türken gewesen.234 De facto handelte es sich bei dieser Truppe um eine Übergangsphase von der militärischen Demokratie zur Klassenherrschaft des Frühfeudalismus, die zu einer allmählichen Verdrängung des freien Stammeskriegertums führte. Die yaya pasa und müsellem beg besaßen Lehen und waren de facto Timarioten. An der türkischen Herkunft des timar ist nicht zu zweifeln, byzantinische Anleihen stehen m. E. nicht zur Debatte.235 Ursprünglich hatten in die Reihen der yaya und müsellem nur muslimische Türken, keine Griechen, auch keine konvertierten, Zutritt. Von den müsellem verlangte man untadelige Stammesrein229 Derselbe, S. 115. 23» Derselbe, S. 221. 231 Qoga Hüsejn, 1. 44 b (18). 232 Altosmanische Chroniken, S. 22. 233 Uzungargili, I. H.t Qandarli, S. 461. 234 Mutafiieva, ArpapHHTe 0TH0iiieHHH, CTp. 26; KI>M B t n p o c a , CTp. 36. 235 Ba$tav, S., Ordo portae, S. 30; Perenyi, J., S. 102; Qibb-Bowen, S. 5 3 f . ; Mutafiieva, ArpapHHTe OTHomeHHH, CTp. 23.
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V. P.,
heit. 236 Das Timarsystem bildete sich in Keimformen in Anatolien heraus und darf wegen unbestrittener Ähnlichkeiten mit der byzantinischen pronoia nicht von ihr ohne weiteres abgeleitet werden, wie das Sp. Vryonis Jr. vorschlägt 237 und Cl. Cahen zu erwägen gibt. 238 Die Existenz von timarlar in Anatolien in vorosmanischer Zeit kann nach den Forschungen von I. Beldiceanu-Steinherr nicht mehr in Abrede gestellt werden, selbst wenn diese mit den osmanischen nur wenig Gemeinsamkeiten aufwiesen. 239 Die Übertragung des persischen Wortes auf eine osmanische Institution laßt eher an eine persisch-türkische Synthese denn eine griechisch-türkische denken, auch wenn ein Bedeutungswandel eintrat. Vielleicht bringt die von N. Beldiceanu in Angriff genommene Untersuchung über das timar mehr Licht in die gesamte Problematik. 240 Es allein auf Geldknappheit der Herrscher und Expansion nach Rumelien zurückzuführen, wie St. J. Shaw, 241 umgeht die Ursprungsfrage. Die Eroberung des Balkans begünstigte wohl Ausbreitung und Ausbau vorgebildeter Einrichtungen, veränderte jedoch nicht deren Grundstruktur. 242 In diesem Zusammenhang gibt es in der Forschung Meinungen, nach denen unter Orhan nicht nur besoldete Fußtruppen und „befreite" Reiterkontingente aufgestellt worden seien, sondern ebenso die J a n i t s c h a r e n . Sie sowie das devsirme führt D. Angelov auf den beg zurück.243 Die gleiche These vertritt B. D. Papoulia. 244 Das devsirme definiert sie folgendermaßen: „Es ist die vom türkischen Staat in Form eines Tributs durchgeführte, gewaltsame Abtrennung von Kindern der christlichen Untertanen aus ihrer ethnischen, religiösen und kulturellen Umgebung und ihre Verpflanzung in die türkisch-islamische, zum Zwecke ihrer Verwendung im Palast-, Militär- und Staatsdienst, wobei sie einerseits dem Sultan als Sklaven und Freigelassene dienen, andererseits die herrschende Schicht des Staates bilden sollen."245 Will man den sich widersprechenden Quellen eine konkrete Aussage abringen, dann muß man yeni ceri und devsirme trennen bzw. gesondert untersuchen. Die Altosmanischen Chroniken verlegten die Gründung des Sklavenkorps in die Zeit Murads I., erwähnten jedoch die Knabenlese nicht, sondern sprachen nur von Kriegsgefangenen: „Die jungen Burschen aus den Gefangenen sammelten sie. Dann nahmen sie von fünf je einen (pengik) und lieferten sie bei der Pforte ab. Dort gab man diese jungen Burschen in die Provinzen zu Türken, damit sie Türkisch lernen sollten, dann schickte man sie nach Anatolien. Die Türken ließen diese jungen Burschen auf dem Felde arbeiten und verwendeten sie, bis sie Türkisch gelernt hatten, einige Zeit. Dann, nach einigen Jahren, brachten sie sie zur Pforte, und man machte sie zu Janitscharen und nannte sie yeniceri."246 Dieses 236 237 239 240 241
242 243 244 245
So Tischendorf, P. A. von, Über das System der Lehen in den islamischen Staaten, besonders im osmanischen Staate. Diss. Leipzig 1871, S. 140f. Vryonis, Jr., The Décliné, S. 468-170. 238 Cohen, Cl., Turkey, S. 182f. Beldiceanu-Steinherr, Fiscalité, S. 270f. Beldiceanu, N., Recherches sur le timar ottoman depuis la fondation de l'État jursqu'au début du XVI e siècle. Zitiert von Beldiceanu-Steinherr, Fiscalité, S. 272, A. 243. Shaw, St. J., S. 63.
Djurdjev, B., Ilpmior, CTp. 125.
Angelov, D., Certains aspects, S. 232. Papoulia, B. D., Ursprung, S. 91. 246 Dieselbe, S. 1. Altosmanische Chroniken, S. 32.
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Zeugnis bewog einige Historiker wie A. S. Tveritinova 247 , A. D. Novicev 248 und I. H. Uzunçarsïlï249, die Gründung der „neuen Truppe" in die sechziger Jahre des 14. Jh. zu verlegen und Kara Chalïl Chayreddïn Pasa sowie den aus Konya stammenden 'ulemä' Molla Rüstern als Organisatoren anzusehen. Beide hätten nach Uzunçarsïlï 1364/65 ein Gesetz erlassen, nach dem nur Kriegsgefangene (esïrler) in das Korps eingegliedert werden durften. A. D. Novicev verbindet das pengik ab ovo mit der Sklaverei, die durch die große Zahl von Kriegsgefangenen gespeist worden sei, weshalb sich bald ein Abgabensystem, das pengik-resmi, entwickelt habe, welchem alle Krieger, die Gefangene einbrachten, unterlegen hätten. 250 Sp. Vryonis und H. Inalcik sehen zwischen devsirme und pengik eine enge Verwandtschaft, eine Übernahme der islamischen qul-Praxis, wie sie auch die Seldschuken kannten. In Kriegszeiten habe sich der Sultan ein Fünftel der Gefangenen vorbehalten. Auch sei es damals zu regelrechten Aushebungen von ghuläm (Sklaven) aus den Reihen der christlichen Bevölkerung gekommen. Diese ghuläm hätten nicht nur als Soldaten, sondern ebenso als Beamte Verwendung gefunden. Für Vryonis ist damit die Vorstufe des devsirme nachgewiesen, das nicht zufällig auch in Anatolien im 15. Jh. Anwendung fand. Habe man doch bis ins 17. Jh. von Brussa bis Batum Christenknaben für die Janitscharen rekrutiert.251 H. Inalcik sammelte Beispiele von Sklaven, die unter Orhan mit Verwaltungsaufgaben betraut waren. Murad I. komme das Verdienst zu, die Janitschareneinheit aus Kriegsgefangenen gebildet zu haben. Für Inalcik bedeutete das letztlich weiter nichts als den Ausbau des ghuläm-Systems. Abzuheben davon sei nur das devsirme als osmanische Neuerung, die man in das ghuläm-System integrierte. Da es sich beim Osmanenbeylik um ein ug handelte, das sich permanent mit dem dar al-harb konfrontiert sah, habe die Sklavenorganisation einen bedeutsameren Platz einnehmen müssen als in anderen islamischen Staaten. Die Einführung des devsirme erfolgte erst unter Bayazid I., unter dem „the ghuläm system came to füll development." 252 Ähnlich argumentiert C. Georgieva. Im devsirme sieht sie eine Fortsetzung islamischen Brauches, der durch Menschenmangel in Armee und Staatsapparat nach 1402 zu einem System erhoben wurde. Da Sultane, emlre und begs nicht durch wilde Menschenjagden ihre amläk und Lehen entvölkern lassen wollten, griffen sie zum Blutzehnt, der 1395 zum erstenmal Erwähnung fand, aber erst 1488 in Rumelien Einzug hielt. Unter Mehmed II. habe es sich dann um eine regelmäßige Abgabe gehandelt, die das pengik völlig verdrängte. 253 Die Janitscharen müßten demnach als ältestes Element des osmanischen qui-Systems, das die Tendenzen des Übergangs zur Sklaverei im Staate widerspiegle, betrachtet werden. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft seien negativer Art gewesen.254 247
Tveritinova, A. 8., die gleichzeitig an die Einführung des devsirme denkt: ®aJiBCH($HKaqHH, CTp. Noviiev, A. D., Hcropira Typqmi, CTp. 36 (1361 oder 1363). [18. 2® Uzunçarçili, Çandarlï, S. 462. 250 Noviiev, A. D., IleHHHK. In: Turcologia. Leningrad 1976, S. 307. 251 Vryonis, Jr., Seljuk Gulams and Ottoman Devshirmes. Der Islam 41, 1965, S. 244. 252 Inalcik, H., L'Empire, S. 83; derselbe, Ghuläm. The Encyclopaedia of Islam, N. E. Bd. II, 1965, S. 1085f. 253 Georgieva, C., Pa3BiiTne H xapaKTep Ha KptBHHH RaHtK B 6ï>JirapcKHTe semt. Annuaire de l'Université de Sofia. Faculté de Phil, et d'Histoire, t. LXI. liv. III. Sofia 1968, S. 4 4 - 4 6 . 254 Dieselbe, problèmes, S. 51, 55, 57.
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Kehren wir zu den Quellen zurück, dann muß die Knabenlese später als das Janitsoharenkorps angesetzt werden. Bartholomäus de J a n o schreibt, das devsirme sei 1348 eingeführt worden. 255 Unabhängig von ihm berichtet auch Georg von Ungarn, daß von diesem Jahre an der Blutzehnt im Osmanenreich Usus geworden sei. 256 F. Giese erklärte sich die späte Einführung des devsirme mit dem Überfluß an Kriegsgefangenen, der erst im 15. J h . abebbte, als die großräumigen Eroberungen zu Ende gingen. 257 P. Wittek vertraut dem Zeugnis Georgs nicht so recht. E r wendet ein, daß unser Gewährsmann das System nicht so genau kannte, weil er nur über die Versklavung von Knaben, deren Eltern auf chäss saßen, etwas wissen konnte, während Sinan Pasa in einem Brief vom J a h r e 1430 den Einwohnern Janinas versprach, sie bei freiwilliger Übergabe vom devsirme (maa/uov jiaidicov) auszunehmen. 2 5 8
Der Janitschare Konstantin von Ostrovica behauptet in seinen Erinnerungen, daß sich Sultan Bayazid I. ausgedacht habe, christliche Knaben auszumustern, zu erziehen und an seinen Hof zu nehmen, um mit ihnen alle „Burgen" zu besetzen. Diese Zöglinge habe er „Janczary" genannt. 259 Etwas genauer drückt sich Erzbischof Isidor von Thessalonike aus. Er schildert das große Unglück der Eltern, die ihre Kinder verlieren, und die Leiden, welche diese Kinder erwarten, weil sie gezwungen werden, ihre Sitten, Sprache und Kleidung zu ändern, zum Werkzeug jeder Grausamkeit und Schandtat, von Freien zu Sklaven, von Edlen zu Barbaren zu werden. Man bilde sie aus, um ihre eigenen Landsleute zu töten, Hunden und Habichten zu dienen und alle möglichen Qualen zu ertragen, ja sogar ihren christlichen Glauben zu verleugnen. Isidor besuchte selbst Anatolien, um gefangene Bewohner seiner Erzdiözese freizukaufen. Dadurch vermochte er sich einen guten Einblick in das System zu verschaffen. Wir kennen das J a h r seiner Reise: 1359.260 Sp. Vryonis vermutet, daß das devsirme vom kadiasker K a r a Chalil Chayreddln Pasa unter Murad I. gegen den Widerstand der 'ulemä' eingeführt und mit dem Janitscharenkorps gekoppelt worden sei. 261 Die Vita des hl. Philotheos von Chrysupolis in Makedonien meldet zum Jahre 1380: „In jener Zeit also wurde ein E d i k t vom Herrscher für das Sammeln der Kinder erlassen, wie es Brauch der Agarinai ist. . . Von allen nämlich, die entweder zwei oder drei oder auch zehn Kinder hatten, behielt man eines und dies mit Gewalt." 262 Chronologisch stimmt dieser Bericht mit den Altosmanischen Chroniken über255 Bartholomäus de Jano, Epistola de crudelitate Turcarum. Migne PG 158, col. 1067. 256 Man verlangte Jünglinge von 20 Jahren und darunter „missis nuncijs de quinquenio in quinquennium sibi adducere precipit et iubet, ut distributi per curias magnatum suorum in moribus et viribus et in armis erudiantur et exerceantur." Zyrickzee, Cornelius von, VII, S. 37. Zur periodischen Aushebung aller fünf Jahre Palmer, J. A. B., Fr. Georgius de Hungaria O. P. and the Tractatus de moribus, condicionibus et nequicia Turcorum. Bulletin of the John Rylands Library 55. Manchester 1951, S. 55. 257 Giese, F., Das Problem, S. 267f. 258 Wittel, P., Devshirme S. 272, A. 2, 274. 259 Konstantin von Ostrovica XIII, S. 31. 260 Vryonis, 8p., Isidor Glabas, S. 438. 261 Derselbe, S. 438. Das klassische islamische Recht kannte keinen „Blutzoll" Ungläubiger. Die Osmanen argumentierten, daß der Kriegszustand mit ihnen nie aufhöre, weshalb man auch bei Waffenruhe einen Teil der Bevölkerung versklaven dürfe: Papoulia, B. D., Ursprung, S. 52. 262 Zitiert nach Papoulia, S. 82.
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ein. Papoulia beruft sich jedoch auf die „Acht Paradiese" (Hest bihist) des Kurden Idris BitlTsi, der seit 1501 am Hofe Bayazids II., nach dessen Tode bei Selim I., weilte. 263 Idris schrieb, daß Janitscharen und devsirme auf Orhan zurückgingen. Da nun Papoulia glaubt, er schöpfte aus offiziellen Akten, gibt sie ihm gegenüber 'Asiqpasazäde, 'Urug und den Altosmanischen Chroniken den Vorzug und schenkt ihm Glauben. Sie führt weiter Ibn Battütä ins Feld, der während seines Besuches in Atalya 1333 eine Mamlukengarde, die dem emir der Stadt diente, beobachtete. Ähnliche Garden traf er in Kastamunu, Sinope und Kayseri. 264 Ihr Kommentar: „Interessant ist die Angabe insoweit, als ein anderer kleinasiatischer Emir im Jahr 1333 eine derartige Garde besaß. Es fragt sich also, warum wir nicht dasselbe für die Osmanen annehmen sollten, wenn es von einer wichtigen Quelle (Idris Bitlisi — E. W.) behauptet wird."265 Sp. Vryonis zeigt, daß die Verfasserin einem Irrtum zum Opfer fiel. Sie verwechselt nämlich die seit langem bekannten Sklavehkontingente und ghuläm mit den Janitscharen. Möglicherweise bedienten sich ihrer Orhan oder schon Osman.266 So richtig dieser Einwand ist, so falsch ist andererseits die Gleichsetzung vonigdis und devsirme.267 Wenn die seldschukischen ighdis überhaupt etwas mit ghuläm zu tun haben sollten, dann stammen sie jedenfalls nicht aus Zwangsaushebungen von gimmri-Kindern, womit eine Analogie zum devsirme fehlt. 268 Einen neuen Lösungsweg schlug I. Beldiceanu-Steinherr vor. Da unter den ersten Osmanenbegs die ghäzi recht selbständig operierten und emire anderer beyliks gleichfalls den ghäzivät betrieben, hätten sie sich in Thrakien selbständig gemacht, da das Haus Osman nicht an eine Eroberung dieser Provinz dachte. So müsse die Eroberung Adrianopels 1369 auch diesen beglern, nicht aber Murad zugeschrieben werden. Dieser mußte sich vielmehr in Anatolien gegen seine Brüder und seine Feinde im Osten wehren. Als dann 1366 Graf Amadeo von Savoyen Gallipoli einnahm, war ihm der Weg über die Dardanellen beim Fehlen einer Flotte versperrt. Erst als im Winter 1376/77 Andronikos III. Gallipoli auslieferte, konnte Murad in Europa aktiv werden. Die thrakischen begler unterwarfen sich dem khudavendigar, dem Großherrn, wie er sich nunmehr nannte, und zahlten ihm als Zeichen ihrer Ergebung das pengik. Murad übernahm einen Brauch dieser ghäzi und gründete das Janitscharenkorps. Erst später, etwa seit 1395, setzte eine geregelte Knabenlese, das devsirme, ein. 269 Leuchtet die chronologische Fixierung des Janitscharenkorps und des pengiks ein, so stößt das „Interregnum" in Thrakien auf Zweifel. R. Mantran hält dem entgegen, daß die Fortexistenz von Kadi und subasi beweise, daß die begler auch nach 1362—1377 Murad I. unterstellt blieben. Keine griechische oder türkische Quelle wisse etwas von ihrer Unabhängigkeit zu berichten. Häggi Ilbey und Evrenos erhielten nach dem Tode Suleimans ein Kommando über osmanische Kriegen Amadeo von Savoyen und die Byzantiner griffen nicht die thrakischen Türken 263 Babinger, F., Geschichtsschreiber, S. 45—49. 2M Ibn Battuta, S. 307, 309, 310f., 317. 265 Papoulia, Ursprung, S. 79. 266 Rezension in den „Balkan Studies" 5, 1964, S. 152. 267 Ebenda, S. 149. 2« Ménage, V. L., Some notes on the Devshirme. BOAS X X I X , 1966, S. 65. 269 Beldiceanu-Steinherr, Recherches sur les actes, S. 46—48, 116, 163f., 206f.; dieselbe, Rezension meiner 1. Auflage in R I X X X V I . 1968, S. 174f.; dieselbe, En marge, S. 37, 40, 42f.
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an. Schließlich vermöge Beldiceanu-Steinherr nicht plausibel zu machen, wie nach 15 Jahren Abwesenheit Murad seine Autorität über die begler so ohne weiteres wieder herstellen konnte, wenn diese zuvor auf eigene Taust Krieg geführt hätten. 2 7 0 Was die Sklaven angeht, so bediente sich ihrer die gesamte islamische Welt. Sie wurden notwendig, als sich die Sippenverfassung bei den Arabern auflöste und der Kalif ihres Schutzes verlustig ging. Die Verwendung von Sklaven bot ihm die Möglichkeit, sich gewissermaßen eine eigene Sippe neu zu schaffen, die ihn abschirmte. E r brauchte für seine Machtentfaltung Menschen, die von jeder Bindung und Abhängigkeit frei waren. Papoulia erkannte sehr klar, daß diese Institution als Adaptationsversuch islamisch-nomadischer Völker an neue Entwicklungsstufen zu werten ist, als Übergangsstadium von der Sippenauflösung zur Staatwerdung. 271 Diesen Prozeß durchliefen die Osmanen unter den ersten beglern. Daher finden wir überall Altes und sich bildendes Neues dicht nebeneinander, wie bei den aqïngï, den yaya und den müsellem. Sie waren auf der einen Seite noch dem Stamm und der Sippe verhaftet 2 7 2 und an das volkstümliche Derwischtum gebunden, wie die fingierte Rede 'Ali Pasas in der Chronik Urug ben c Ädil's zeigt, aber andererseits ketteten sie Sold und serbestlikler aller Art an die neue Dynastie. Neben ihnen zeichneten sich schon die Konturen eines Lehenskriegertums, der spahi, ab, und die klassische Slkavenorganisation erhielt durch das devsirme eine tiefgreifende Umwandlung. Cl. Cahen nennt zwei fundamentale Besonderheiten : 1. militärisch die Betonung der Infanterie, die in den klassischen muslimischen Staaten nur eine sekundäre Bolle spielte und sich zumeist aus freien Elementen rekrutierte, 2. sozial, da im Unterschied zu früher die Sklaven nicht mehr aus fremden Gebieten importiert wurden, sondern die Unterworfenen einen Blutzoll entrichten mußten. Cahen vermutet, daß man den Blutzehnt auch bei den Mongolen und sogar den Byzantinern finden könne und die Osmanen nur einem allgemeinen Trend gefolgt seien. 273 Ein Zeitgenosse, wie I b n Battütä, mochte bei einem Vergleich des osmanischen beyliks mit den Karaman- oder Germiyän-oghullari kaum Unterschiede feststellen und eher diesen die Siegespalme für die Zukunft prophezeien, der rückblickende Historiker vermag ex eventu die Möglichkeiten und Fähigkeiten dagegen weit klarer zu erkennen. Das osmanische beylik überwandt relativ rasch die Übergangsperiode von der militärischen Demokratie zur Klassenherrschaft, in ihm versteinerte sie nicht und endete nicht in einer Art Stammesfeudalismus. Schon früh begann die systematische Festigung der Ausgangsbasis in Anatolien. Orhan gliederte nach 1355 das kleine Karasi seinem emirät an, als nach dem Tode Aglan Begs Thronstreitigkeiten unter dessen Söhnen ausgebrochen waren. 274 So 270 272 273
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271 Mantran, R. in „Revue historique" 497, 1971, S. 206. Papoulia, Ursprung, S. 34. Nach N. Filopovii entstammten die yaya turkmenischen Bauernfamilien: Princ Musa, S. 266. Cahen, Cl., Note sur l'esclavage musulman et le devhirme ottoman. A propos de travaux récents. JESO XII. 1970, S. 211-128. Qofa Hüsejn 1. 47a (29) ; - Mordt'mann, J., Über das türkische Fürstengeschlecht der Karasi in Mysien. Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. I. 1911, S. 6f.
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wirkten innere und äußere Faktoren zusammen, die das osmanische beylik aus der anatolischen Isolierung herausführten und es zur Großmacht aufsteigen ließen. 1. Die geographische Lage an den Ufern des Sangarios, wo er sich am weitesten dem Marmarameere näherte. 2. Die geopolitische Situation durch die Nähe von Byzanz, welche die Expansion verlangsamte und nicht rasch, wie Cl. Cahen meint, zu einer Symbiose mit den Balkanstaaten und dem griechischen Kaiserreich führte, 275 sondern Osman, Orhan und Murad I. zwang, militärische Reformen und administrative Überlegungen anzustellen bzw. einzuführen, welche die Eroberungen überhaupt erst stabilisierten.276 3. Die frühzeitige Einschaltung „ulemisierter" Elemente als Gegengewicht gegen das Ghäzl- und Nomadentum und damit die Adaptation an das seldschukische Staatsideal. 4. Die begrenzten Expansionsmöglichkeiten der Nachbarbeyliks gegen christliche Länder und der Zustrom von ghäzl, die das Militärpotential der Osmanen auf kleinem Raum enorm anschwellen ließen.277 5. Die Absorbierung turkmenischen Druckes an den Westgrenzen und die Integration nomadischer Landnahme in die militärische Planung, wodurch die t ü r k i s c h e Nachschubbasis für die entscheidenden Phasen der Eroberung Rumeliens gesichert war. Anatolien bedeutete für die Osmanen weit mehr als nur ein historisches Präludium zu ihrem zukünftigen Reich, was Cl. Cahen übrigens bestreitet, 278 denn ohne die anatolischen Provinzen wäre der Staat biologisch nicht lebensfähig gewesen, hätte es kein Rumelien gegeben. 6. Die organische Verbindung herrschaftlicher und bäuerlich-nomadischer Landnahme mit dem volkstümlichen Islam der Derwische sowie ihre Einbeziehung in Expansion, Kolonisation und Massenbeeinflussung. 7. Die gezielte Absorbierung und Organisierung christlichen Renegatentums im Heerwesen und das Werben um Feudaladel und Bauern durch materielle und soziale Vergünstigungen. Mit diesem letzten Punkt verknüpft sich automatisch die Frage, wie sich Byzanz gegenüber dem neuen Machtgebilde verhalten würde, ob es willens und in der Lage war, Widerstand zu leisten und seine Bevölkerung zu verteidigen. 275 Cohen, Cl., Turkey, S. 360. Überzogen wird der geopolitische Gesichtspunkt von T. Oökbilgin, der von ihm überhaupt die Notwendigkeit einer Vereinigung Kleinasiens mit dem Balkanraum unter einem Souverän ableiten möchte: L'empire, S. 559. 277 So Taeschner, F., Der Weg, S. 210f.; Vanghan, D. M., S. 7. 278 Cahen, Cl., Turkey, S. 361.
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IV. BYZANZ U N D D I E TÜRKEN
Das Verhältnis der Byzantiner zu Türken und Osmanen hat von jeher die Forschung bewegt. Man suchte nach den Ursachen für das Vordringen der fremden Eroberer in KJeinasien und auf dem Balkan, man fragte nach Schuld oder Unschuld einzelner Herrscher, und man stellte Überlegungen über negative und positive Folgen der türkischen Expansion für Griechen und Balkanslaven an. Extreme Standpunkte, wie sie M. Braun vertrat, der die Osmanenherrschaft auf dem Balkan als Fortschritt gegenüber den vorausgehenden chaotischen Zuständen bezeichnete und die Osmanen zu Ordnungsfaktoren im südosteuropäischen Baume machte, die den Slaven eine eigenständige Kultur, Ruhe und Frieden gesichert hätten, 1 dürften heute wohl nur noch von der türkischen Historiographie verfochten werden, die von Wohltaten, Gerechtigkeit und Schutz für die Unterworfenen spricht.2 Der große Kenner südosteuropäischer Geschichte, Franz Babinger, nannte derartige Historiker „terribles simplificateurs", denen fast jegliche Kenntnis der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Balkanländer genauso abgehe wie die Fähigkeit, den Ansichten anderer Forscher Achtung und ehrliche Haltung entgegenzubringen. 3 Heute gilt dieses harte Urteil nur noch bedingt, da sich auch türkische Forscher um ein differenzierteres Bild bemühen und sozialgeschichtliche Quellen heranziehen. Man wird sich in jedem Falle bei der Wertung des Gesamtphänomens vor Einseitigkeiten hüten und berücksichtigen müssen, daß die Geschichte Südosteuropas im 14. und 15. Jh. noch manches Rätsel aufgibt. 4 Wir wollen in diesem Kapitel noch nicht auf die Auswirkungen der Eroberung Rumeliens eingehen, sondern nur die Frage erörtern, wieso die Osmanen hier so rasch Fuß fassen konnten. 1. Kaiser, Feudaladel und kleinasiatische Türken Die Türken galten zunächst in den Augen der Byzantiner als Barbaren, genau so wie Pecenegen, Alanen oder Awaren, die man mit diplomatischen Mitteln im Zaume halten und ihre Wehrkraft für die Belange des Reiches einsetzen wollte. 1
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Braun, M., Türkenherrschaft und Türkenkampf bei den Balkanslaven. Welt als Geschichte 3/4, 1940, S. 126, 128f. Z. B. Uzunfarsili, I. H., Osmanli tarihi, S. X X ; Oökbilgin, T., L'empire, S. 559; Inakik, H., 3 L'Empire, S. 84f. Babinger, F., Die Osmanen, S. 199. Derselbe, Aufsätze und Abhandlungen I. S. 77. In den letzten 20 Jahren hat allerdings die bulgarische, jugoslavische und rumänische Balkanistik wesentliche Beiträge zur Erhellung der Periode geliefert, die uns ein klareres Bild vermitteln. 123
Knapp 10 Jahre nach der Katastrophe von Mantzikert füllte Kaiser Alexios I. (1081—1118) die Reihen seiner Söldnertruppe mit ihnen auf.5 Nach 1204 konsolidierten sich die Verhältnisse in Kleinasien, da das Kaiserreich von Nikäa gutnachbarliche Beziehungen zum Sultanat Konya suchte. Die Laskariden, vor allem Dukas Vatatzes (1222-1254) und Theodor I I . (1254-1258) bemühten sich um eine „Anatolisierung" des neuen Staates, d. h. um eine feste Verankerung in der kleinasiatischen Bevölkerung, welcher der konstantinopolitanische Universalismus immer fremd geblieben war. Der ganze Staat erschien ihr als ungerechte und korrupte Institution, die ihre Untertanen nicht schützte, sondern nur ausbeutete. Der Fall der Hauptstadt galt ihr als gerechte Strafe und heilsame Lehre. In der Provinz beschlagnahmten Bauern weltlichen und kirchlichen Grundbesitz, und in Konstantinopel beteiligte sich das „Volk" an denPlünderungen der Kreuzfahrer.6 Ganz anders in Nikäa, wo die Laskariden mit dem systematischen Aufbau des Landes begannen, kleine Städte und Festungen an den Grenzen errichteten, Straßen anlegten, die Textilproduktion förderten und die Agrikultur hoben. H. Ahrweiler erwägt deshalb die Möglichkeit, daß Nikäa zur Wiege einer neuen, einer „helllenischen" Nation hätte werden können.7 Die Generation unter Theodor I I . dachte schon nicht mehr an die Rückeroberung Konstantinopels um jeden Preis. Sie „nationalisierte" gleichsam universalistische Ansprüche, indem sie ihnen einen Sinn gab, der den Bedingungen des Exils entsprach. Das Wort Hellene brachte man in Beziehung zu Rhomäer und grenzte es kulturell, sprachlich und ethnisch genau ein, d. h. man bezog es auf die „reinen" Griechen, die ihr Zentrum in Nikäa hatten.8 Aber dieser „Hellenismus" stellte nur die eine Seite des „Nationalismus" dar und nicht einmal die wichtigste. Weit bedeutender und typisch mittelalterlich war die religiöse Seite, die Orthodoxie. Der griechische Klerus prägte ihn um und gab ihm Ziel und Richtung: den Lateiner haß. Damit vergiftete er das Volk und stellte kirchliche über Staatsinteressen. Er verhinderte von vornherein jeden Ausgleich mit der westlichen Oikumene und verurteilte alle diplomatischen Bemühungen der Basileis zum Scheitern.9 Michael V I I I . (1259 —1282), der eidbrüchig den letzten Laskariden beseitigte, dem Clan der Paläologen den Thron eroberte und 1261 die Hauptstadt zurückgewann, zerstörte das Werk seiner Vorgänger in Nikäa. Er war Exponent jener Kreise des Adels, die 1204 fluchtartig Konstantinopel verlassen und in Kleinasien Unterschlupf suchen mußten. Sie betrachteten die Provinzialbevölkerung nur als reine Ausbeutungsobjekte, welche die Ressourcen für die Finanzierung einer illusionären Großmachtpolitik abgeben sollten. Sie begannen 1261 wieder dort, wo sie 1204 notgedrungen aufgehört hatten. Die „Konstantinopolisierung" des Reiches war gleichsam die Antwort des Adels auf die vorausgegangene „Anatolisierung" der Laskariden.10 Die Unionsverhandlungen Michaels, welche ihm Rückendeckung für seine Außenpolitik und Handlungsfreiheit im Innern verschaffen sollten, stießen 5 6 7 8
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Ostrogorsky, £?., Geschichte, S. 306. Ahrweiler, H., L'idéologie, S. 94-100. Dieselbe, L'expérience, S. 36. Angold, M., Byzantin „Nationalism" and the Nicean Empire. Byzantine and Modem Greek Studies I, 1975, S. 67f.; Irmscher, JNikäa als Zentrum des griechischen Patriotismus. R E S E E 8, 1970, S. 33-47. Ahrweiler, H., L'expérience, S. 25, 39f. Dieselbe, S. 37.
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vollends die kleinasiatischen Griechen von ihm ab, zerstörten in ihnen jedes Staatsbewußtsein und öffneten dem Fatalismus und Defetismus Tür und Tor.11 Der gebrochene Widerstandswille gegen den Feind aus dem Osten war die unausbleibliche Folge des reaktivierten Universalismus und Imperialismus. W. I. Lenin schrieb im Oktober 1917, daß es imperialistische Kriege ebenso auf dem Boden der Sklaverei als auch im Mittelalter gegeben habe. „Jeder Krieg, in dem beide kriegführenden Lager fremde Länder oder Völker unterdrücken, in dem sie um die Aufteilung der Beute kämpfen, darum, „wer mehr unterdrücken und mehr plündern darf", muß imperialistisch genannt werden."12 Die Restitutionspolitik Michaels auf dem Balkan gegen lateinische und griechische Reststaaten sollte nur den Ausgangspunkt für weitausgreifende Unternehmungen nach Westen — Sizilien — und Norden, Bulgarien — bilden. Dafür opferte er die ethnische Substanz in Kleinasien, die im Türkentum aufging. A. Bryer fragt sich zurecht, wieso Armenier, Georgier und trapezuntische Griechen der Turkmenenflut widerstanden, während die westanatolischen Hellenen von ihr begraben wurden. Seine Antwort: Weil sie gestützt auf örtliche Aristokraten und das Fehlen eines zentralisierten Staatswesens den Willen dazu hatten. Daher vermochten sie die Turkmenen nicht zu überrennen.13 Wenn D. Obolensky glaubt, daß die dichten Wälder des Pontusgebietes und Phrygiens Trapezunt und Nikäa vor den Nomaden geschützt hätten, 14 dann irrt er. Ohne die Bereitschaft des Volkes zum Kampf halfen die höchsten Berge und die dichtesten Wälder nichts. 1261 unterzeichnete Michael VIII. in Nymphaion mit den Genuesen einen Vertrag, welcher diesen wichtige Konzessionen in Stadt und Hafen Smyma garantierte. Bauern und Städter sahen sich nicht nur gegen die Türken im Stich gelassen, sondern auch noch an die verhaßten Lateiner verschachert. Ein Aufstand in Mysien zeigte der Regierung den Unmut der Bevölkerung über ihren Kurs. 1269 rückte der Despot Johannes Paläologos mit Söldnern gegen Lydien und die Küste Kariens vor, um die Gebiete gegen die uglar zu decken, die unter dem Druck der Mongolen standen. 1278 gelangen dem zukünftigen Kaiser Andronikos II. (1282—1328) einige Erfolge im Meandertal, ohne daß eine Entscheidung fiel. Die Auflösung der Flotte 1284 öffnete den Türken den Weg zur Küste und bedeutete eine tödliche Bedrohung der gesamten Provinz. 15 1298/99 versuchte der Feldherr Tarchaneiotes, aus eigenen Kräften inAnatolien aktiv zu werden. Als Anhänger der Arseniten fiel ihm der Patriarch Johannes XII. (1294—1303) in den Arm und vertrieb ihn. F. Tinnefeid erklärt das Scheitern des geplanten Unternehmens aus der Finanzmisere des Reiches, wofür die italienischen Seerepubliken, die Großgrundbesitzer und pronoiare die Verantwortung zu tragen gehabt hätten. Byzanz habe Söldner, auf die es mehr und mehr angewiesen blieb, nicht mehr bezahlen können. Die kleinasiatische Familie der Tarchaneiiten habe eine Sozial- und Finanzreform geplant, welche die Schlagkraft des Heeres garantieren sollte. Mit dem Abgang des Tarchaneiotes sei nicht nur die Abwehrpolitik Andronikos II. in Frage gestellt worden, sondern er habe überhaupt erst das siegreiche Vordringen der 11
Ebenda, S. 36. Lenin, W. I., Zur Revision des Parteiprogramms. Werke. Bd. 26, Berlin 1961, S. 148. »3 Bryer, A., Greeks and Türkmens. The Pontic Exception. DOP 29, 1975, S. 115f. 14 Obolensky, D., Byzantine frontier zones and cultural exchanges. Actes XIV. S. 306. 15 Ahrweiler, H., Byzance, IV. S. 9, 34 f. 12
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Osmanen ermöglicht. 16 Aber das Rezept, mit Söldnern im Osten einzugreifen, diente gerade zur Zersetzung der griechischen Wehrkraft! E s schrieb die Mobilisierung der eigenen K r ä f t e ab, weil die kaiserliche Politik in der Provinz Autorität und Vertrauen verloren hatte. Söldnerverbände wurden nicht nur zu finanziellen Klötzen am Bein der Regierung, sondern auch zu Plagen für die eigene Bevölkerung. 1263 verlegte Michael V I I I . in den wichtigen Militär- und Handelsstützpunkt Monemvasia auf Morea, den die Lateiner ein Jahr zuvor aufgeben mußten, eine starke türkische Garnison. Er baute die Stadt in eine Militärbasis um, von der aus er versuchte, ganz Morea mit Hilfe türkischer Mietlinge zurückzuerobern.17 Auch Andronikos I I . glaubte sein Heil in Söldnerhaufen erblicken zu sollen. Er warb um die berüchtigte katalanische Kompagnie, deren Anführer, Roger de Flor, er mit der Cäsarenwürde und der Hand seiner Nichte lockte. 1304 schlugen die Katalanen bei Philadelphia die Türken aufs Haupt und zwangen sie zum Abbruch der Belagerung. Den Griechen erwuchs aus diesem Sieg nur neues Leid. Die Katalanen machten in ihrer Plünderungswut keinen Unterschied zwischen Freund und Feind. Nikephoros Gregoras berichtete voller Empörung: „Männer und Frauen wurden als Sklaven mißbraucht, ihre Familienhabe für eigene Zwecke benutzt. Flüche aus tiefster Brust begleiteten ihren Weg. Sie ernteten viele Tränen, welche die Ärmsten, die so gewaltiges Unrecht von ihnen zu erdulden hatten, vergossen."18 Nach dem gewaltsamen Tode Rogers, den Andronikos beseitigen ließ, machten sie mit zwei Türkenhorden gemeinsame Sache und plünderten zwischen 1305 und 1311 in Makedonien und Thessalien, daß auf dem Lande bald kein Hahn mehr krähte und keine Herde mehr zu erblicken war.19 Nach ihrem Sieg 1311 über den Herzog von Athen besetzten sie Theben und eroberten den gesamten Dukat von Athen. Schon im Winter 1304/05, also noch zu Lebzeiten Rogers, operierten sie gemeinsam mit türkischen Freibeutern. Unter ihrem zweiten Generalvikar Alfonso Fadrique (1317—1330) erhoben sie Ansprüche auf Südeuböa und drangen in Negroponte ein, wobei sie sich zwischen 1318 und 1325 erneut mit anatolischen Türkenbanden liierten. Sie verkauften gefangene Christen aus dem fränkischen Morea an ihre Kampfgefährten und halfen ihnen bei Angriffen gegen Euböa und Naxos. Die Venezianer hatten trotz mancher Rückschläge die Insel Euböa unter ihre Kontrolle gebracht und Stützpunkte auf der Peloponnes und in Phteleon errichtet (1322). Dennoch beweisen die katalanisch-türkischen Episoden, daß die Positionen der Markusrepublik in der Ägäis keineswegs so stabil waren, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mochten. Zumeist überließ der Senat seinen Beamten in der Romania die Sorgen für die Verteidigung der festen Plätze. 1327, als die legitimen Erben der Herzöge den Katalanen Athen abjagen wollten, ging ihre Allianz mit den Türken in die Brüche. 1331 eroberte ein Ritterheer Gautier II. von Brienne, Sohn des letzten Herzogs, Leukas, Bonitsa und Arta. Zwar mußte Gautier ein Jahr drauf unverrichtete Dinge wieder abziehen, aber Alfonso arran16
Tinnefeld, F., Pachymeres und Philes als Zeugen für ein frühes Unternehmen gegen die Osmanen. BZ 64, 1971, S. 48f., 54. Zur Familie der Tarchaneiotes Ahrweiler, H., Byzance IV. S. 177. 17 Wittek, F., The Castle of Violets. From Greek Monemvasia to Turkish Menekshe. BOAS X X , 1957, S. 602. »8 Gregoras, Nikephoros, Bd. 1. VII. 3. S. 221. 19 Ebenda, VII. 6. S. 246.
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gierte sich mit Venedig. Er schloß mit der Republik einen Vertrag, der eine Beistandsklausel gegen die Türkengefahr enthielt. Damit gelang es 1331 dem Senat, zumindestens die Kompanie zu neutralisieren und sich ganz seinen diplomatischen und militärischen Vorbereitungen zum Zustandekommen einer antitürkischen Union zu widmen, die 1332 in Aktion trat. 20 Die Verheerungen, welche die Katalanen seit 1305 in Makedonien angerichtet hatten, führten hier zu einem sichtbaren Bevölkerungsrückgang. Sie hatten gnadenlos die Dörfer ausgeraubt, um sich zu verproviantieren und mit Winterbevorratung einzudecken. Die verängstigten Bauern verzogen sich in Wälder und Gebirge oder trieben ihr Vieh in sichere kastra. 1307 beunruhigten katalanische und türkische Marodeure den Athos, wo sie das große Kloster Chilandar belagerten. Wo immer sie ihr Unwesen trieben, kam es zu Menschenverlusten zwischen 25 und 45 Prozent. Noch ein Dezennium später waren sie nicht wieder ausgeglichen.21 Insgesamt kann man in der ersten Hälfte des 14. Jh. in den europäischen Reichsprovinzen ein Absinken der demographischen Kurve beobachten. H. AntoniadisBibicou errechnete, daß im Dorfe Stomion, das dem Kloster Xenophon steuerpflichtig war, von 22 Haushalten 1318 nur 15 Eheleuten gehörten. 6 von ihnen hatten keine Kinder, 7 ein Kind und zwei je zwei Kinder. In den sieben verbleibenden Herdstellen saßen Ledige. Der Familienkoeffizient für Stomion betrug 1300 4,16, 1318, 2,77, 1320 2,70 und 1338 nur noch 2,63. Mochte es sich auch hier um einen extremen Fall handeln, so wirft er doch ein bezeichnendes Licht auf den allgemeinen Trend.22 Ökonomische Depression, Unsicherheit und steigende Ausbeutung verursachten den Bevölkerungsrückgang. Kaiser Andronikos II. verstrickte sich je länger je tiefer in einer prekären Lage, da er sowohl gegen die Türken als auch gegen die Genuesen ins Hintertreffen geriet und ihm die Mittel zur Söldnerwerbung ausgingen. Das nutzte sein Enkel, der jüngere Andronikos, aus, um mit demagogischen Argumenten und Intrigen seinen Großvater vom Thron zu stoßen. 1327 ersuchte er ihn, ihm die Erlaubnis zum Betreten der Hauptstadt zu geben oder aber Vertreter des Senats, der ßovkfj, der Kirche und des gebildeten Teiles des Volkes zu ihm zu entsenden, um seine Pläne in aller Öffentlichkeit vortragen zu können. Der alte Kaiser schickte ihm die erbetene Vertretung, welcher er kundtat, daß es ihm um die Rettung des Reiches zu tun sei, die sein Großvater sträflich vernachlässige. Er wollte die ungerechten Besteuerungen und Grausamkeiten der Steuereintreiber, die ständig ihre Kompetenzen überschritten, abschaffen und die gesetzlich fixierten Geldeinkünfte für das Heer verwenden, um die Reichsfeinde bekämpfen zu können. Sein Großvater sähe untätig zu, wie die Türken Kleinasien eroberten. Das sollte unter seiner 20
Lemerle, P., L'émirat, S. 117; Jacoby, D., Catalans, Turcs et Vénitiens en Romanie (1305—1332) : un nouveau témoignage de Marino Sanudo Torsello. Studi medievali XV, 1974, S. 230—261 ; Koder, J., S. 73—75. Die wichtige Studie von Raymond-J. Loenertz, Les Ghisi, Dynastes vénitiens dans l'Archipel 1207—1390. Fondazione Giorgio Cini. Firenze 1975, war mir nicht erreichbar. 21 Vgl. Setton, K. M., Catalan Domination of Athenes 1311-1388. Cambridge (Mass.) 1948, S. 18ff.; Jacoby, D., S. 179; Bitten, H., Beziehungen zwischen Spanien und dem byzantinischen Bereich im Mittelalter (6.—15. Jahrhundert). Byzantinische Beiträge, hrsg. von J. Irmscher, Berlin 1964, S. 272-277. Das Buch von Koùtoulas, J., Les Catalans en Thessalie et en Phtiotide (1309— 1363). Athen 1959, war mir nicht zugänglich. 22 Antoniadis-Bibicou, H., Villages, S. 378.
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Regierung anders werden.23 Nach der erzwungenen Abdankung des alten Andronikos im Mai 1328 ergriff Andronikos I I I . (1328—1341) das Steuer. Zunächst ging es ihm um eine Begrenzung der Macht des hohen Feudaladels. Zu diesem Zwecke suchte und fand er die Gunst der Kirche. Er ließ den Bischöfen freie Hand in rebus ecclesiae und gewann auf diese Weise zuverlässige Mitarbeiter. Johannes X I V Kalekas (1334—1347) bestellte er 1334 zum Schutzherrn der Kaiserin Anna und zum Vormund seines Sohnes. Mit der Institution des Gerichtshofes, der xaêoXixol xQixai, die aus zwei Laien und zwei Klerikern bestand und die unabhängig von adeligen Einflüssen Recht sprechen sollte, griff er den Hofadel und die Magnaten frontal an.24 Der Großdomestikos Johannes K a n t a k u z e n o s bemüht sich in seiner ,,Historia", alle energischen Maßnahmen zur Konsolidierung des Staates seinem Rat zuzuschreiben. Auch behauptet er, der Kaiser habe ihm schon 1329 in Didymoteichos die Mitkaiserwürde angeboten. Die Kaiserin Anna und ihr Vater Andronikos Asen seien in ihn gedrungen, sie anzunehmen, er aber hätte abgelehnt. 1330 habe dann der Basileus bestimmt, daß Kantakuzenos nach seinem Ableben als Vormund und Regent seines noch ungeborenen Kindes gelte. D. M. Nicol nimmt diesen rührenden Bericht für bare Münze.25 In Wirklichkeit strebte er von Anfang an nach der Krone. ,,Wie viele Demagogen kämpfte er für die Tugend, um dann unter deren Deckmantel zur Macht zu gelangen. . . Er war ein dämonischer, auf Würde bedachter Schurke."26 Um seine westlichen Gegner in Schach zu halten, begab sich Andronikos I I I . 1328 mit Kantakuzenos nach Altphokäa, das damals noch griechisch war, wo er mit dem Vater 'Umur Pasas, Mehmed, zusammentraf. In Neuphokäa begegneten sich zum ersten Male der Großdomestikos und 'Umur. Beide verband von nun an eine enge Interessengemeinschaft. C. P. Kyrris macht wahrscheinlich, daß die Eroberung Smyrnas 1329 durch die Aydintürken von beiden Männern geplant worden sei, da sie ihnen Vorteile versprach: 'Umur gab sie einen Seestützpunkt für seine Piratenfahrten, Kantakuzenos ein Faustpfand gegen die Genuesen und seine Feinde im Innern, sei es selbst gegen den Kaiser.27 Es zeigte sich hier bereits ein Leitmotiv des späteren Usurpators : Zusammenarbeit mit den türkischen emiräten, um den ökonomischen Druck der italienischen Seerepubliken abwehren zu können. Da ihm aber keine schlagkräftige Flotte zur Verfügung stand, suchte er die Hilfe türkischer Piraten, die ihm ungefährlich schienen, weil sie wirtschaftlich für Byzanz keine Konkurrenten darstellten.28 Andronikos I I I . schloß 1335 nur deshalb einen Vertrag mit 'Umur, um gegen die Lateiner in Griechenland, die Thessalien bedrohten, vorzugehen. Ihm schwebte wohl eine Art Soldabkommen vor, nicht aber ein taktisches 23 Gregoras, Nikephoros, Bd. 1, I X . 2. S. 397; 3. S. 403, 407. Dazu Kyrris, C. P., The political organisation, S. 23; Angelov, D., K Bonpocy, CTp. 451. In den Rhodopen hatten Wlachen unter Syrbanos Partei für den jungen Andronikos ergriffen und sich 1322 gegen den alten Kaiser erhoben. Vgl. Asdracha, C., Les Rhodopes au X I V e siècle. Histoire administrative et prosopographie. Revue des études byzantines 34, 1976, S. 206. 24 Bosch, U. V., Kaiser Andronikos I I I . , S. 174f.; Matschke, Fortschritt, S. 129f. 25 Nicol, D. M., The Byzantine Family of Kantakouzenos (Cantacuzenus) ca. 1100—1460. Dumbarton Oaks Studies X I , Washington 1968, S. 41. 26 Bosch, V. V., Kaiser Andronikos I I I . , S. 184f. 27 Kyrris, C. P., John Cantacuzenus, S. 20f. 28 Derselbe, The causes, S. 370; Frances, E., Quelques aspects, S. 169f.
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Bündnis. Er und der Kreis um seine Gattin bemühten sich um eine westliche Intervention zugunsten des Reiches. Diesem Ziel sollte auch die Mission Barlaams in Avignon dienen, die er gegen den ausdrücklichen Willen des Großdomestikos unternahm, da sie dessen Ostpolitik störte, denn ein Kreuzzug hätte seine Konzeption zunichte gemacht. 29 Kantakuzenos wußte nur zu gut, daß er mit seiner antilateinischen Politik am längeren Hebelarm saß. Zunächst schlössen sich ihm 1335/36 die meisten Provinzmagnaten an, da sie das resolute Vorgehen des Kaisers gegen ihre Interessen verletzte. 30 Unionsverhandlungen aber riefen Kirche und Volk auf den Plan. Barlaam erklärte Papst Benedikt XII. (1334—1342) unumwunden, daß Andronikos fürchten müsse getötet zu werden, wenn er öffentlich die Union verkündete. 31 Kantakuzenos warb um die Gunst des Adels, der Kirche und städtischer Schichten. 1334 intervenierte er bei 'Umur Pasa, damit er die Tribute für die christlichen Einwohner Philadelphias abschaffte, „um sich aus Feinden Bundesgenossen zu machen."32 Andronikos holte sich seinerseits Hilfstruppen aus dem beylik Saruhan, um sie gegen die Genuesen verfügbar zu haben. Er bediente sich dabei der an seinem Hofe lebenden Geiseln des Saruhan oghlu als Druckmittel. Er benötigte dringend Söldner zur Belagerung Phokäas und Mitylenes. Der emïr kam nur ungern dem Wunsche des Kaisers nach, aber er fand sich bereit „aus Liebe zu seinen Söhnen."33 1337 zog Andronikos mit 2000 Aydintürken gegen die Albaner ins Feld. Sie hatten in Thessalien Handelskarawanen überfallen und ausgeraubt. Die Türken eigneten sich wegen ihrer leichten Bewaffnung und Beweglichkeit besonders für den Gebirgskrieg. Sie zerstreuten die Albaner, nahmen ihre Weiber und Kinder gefangen und verkauften sie dem Kaiser. 34 Andronikos dürfte beabsichtigt haben, durch Verträge die kleinasiatischen emiräte mehr an sich zu binden, um Kantakuzenos abzudrängen und seine Partei zu schwächen. Gerade der Entzug von Söldnern konnte im Kampf um die Macht im Innern die Entscheidung bringen.35 Als sich nach dem Tode Andronikos III. am 26. Oktober 1341 der Großdomestikos zum Kaiser proklamieren ließ, wurde das Türkenbündnis für ihn zu einer Existenzfrage. L.-P. Raybaud wies auf das bescheidene militärische Kräftepotential des Usurpators hin, über das er verfügte. So befehligten zwei seiner 29
Bosch, U. V., Kaiser Andronikos III., S. 136, 145; Kyrris, G. P., The causes, S. 371, 378f. Kyrris, C. P., The causes, S. 376. 31 „Videlicet, quia imperator non audet manifestare se, quod velit uniri vobiscum; quoniam, si manifestasset se, multi ex principibus suis, etiam ex populo, timentes, ne forte si ipse vellet.. . quaererent opportunitatem interficiendi illum." Barlaami Oratio pro unione. Migne PG 151, col. 1341. 32 Kantakuzenos, Joh., Bd. 1. II. 30. S. 483. 33 XaQxdvrjç ôè ßf} ëyjijv on ÔQâv, fjand^cro xal äxmv rrjv eÎQrjvrfii ôlà xo TCQOÇ rovç Tialôaç tpifagov, Derselbe, Bd. 1. II. 29. S. 480.' « Derselbe, II. S. 495-497; III. 64. S. 397f. Lemerle, P., L'émirat, S. 111. Die albanischen Hirten hatten seit 1330 die Stadtgebiete von Berat, Kamina und Valona bedrängt. Ihre Angriffe erstreckten sich auf die Niederungen, die infolge der Kämpfe zwischen dem Basileus, dem Despoten von Epirus und den Serben menschenarm geworden waren. Vgl. Thalloczy, L. V./Jireieh, J. K., Zwei Urkunden aus Nordalbanien. Illyrisch-albanische Forschungen I. München-Leipzig 1916, S. 132 f. 35 Kyrris, C. P., John Cantacuzenus, S. 19. 30
9 Werner, Osmanen
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Offiziere 1342 nur 1000 Mann. 1343 brachte Kantakuzenos insgesamt nur 5000 Fußsoldaten und 300 Reiter auf die Beine. 1348 verfügte Matthias Kantakuzenos lediglich über 500 Fußsoldaten und 300 Reiter. 1349 bestand die gesamte byzantinische Armee noch aus 3000 Mann, die einige Hundert Türken verstärken sollten, die aber schon bei der ersten Feindberührung das Weite suchten.36 Kantakuzenos orientierte sich zunächst ganz auf das emirät Aydin und 'Umur Pasa. In seinen Erinnerungen behauptet er, daß der beg vom Freund zum Sklaven geworden sei. „Er schickt ihm (Kantakuzenis — E. W.) nicht anders Hilfe, als daß er selbst vor ihm erscheint. Er setzt sich für ihn und seine Sache genau so ein, als ob er für sich allein Krieg führe."37 Diesen Eindruck gewannen auch die Gegner des Kaisers. Nikephoros Gregoras schreibt: „Dieser 'Umur wurde nun zu Kantakuzenos von einer tiefen Freundschaft ergriffen, und er versprach ihm freiwillig ( a v & a i g s T o v ) daß er während seines ganzen Lebens ihm und seinen Kindern, die er zu Nachfolgern bestimmte, dienen und Freundschaft halten würde."38 Während der Belagerung Thessalonikes 1343 soll der Pasa vom Pferd gestiegen sein und den Kaiser mit Proskynese begrüßt haben.39 Die türkischen Scharen hätten auch den Griechen keinen Schaden zugefügt. Allerdings riet er den Bauern, sich in feste Plätze zurückzuziehen, damit sie nicht Gefahr liefen versklavt zu werden.40 Selbstredend hielt er die Türken nicht für Reichsfeinde, sondern er glaubte in ihnen eine käufliche und lenkbare militärische Masse gefunden zu haben, der er sich nach Bedarf bedienen konnte.41 Wir wiesen bereits auf die antilateinische Haltung des Großdomestikos hin. Während der Belagerung Phokeas' 1335 hatte er sich bemüht, eine byzantinischtürkische Liga gegen Genuesen und Osmanen auf die Beine zu bringen, was ihn als überlegenen politischen Taktiker ausweist.42 Allerdings mußte er schon damals in venezianischem Fahrwasser segeln, um sich mit Genua messen zu können. Noch 1352 unterstützte Orhan die Genuesen gegen Venedig und seinen Schwiegervater.4a Im Bürgerkrieg gewannen seine Feinde bald die Oberhand, so daß Aydin seine einzige sichere Stütze blieb. Nicht nur die Kaiser in witwe, der megas dux Apokaukos und der Patriarch Johannes Kalekas bekämpften ihn und die Magnaten mit allen verfügbaren Kräften, sondern vor allem die Volkspartei in den Städten, die eine antifeudale Stellung bezog und dadurch den Bürgerkrieg in einen gewaltigen Klassenkampf verwandelte, trieben ihn in die Enge. Apokaukos gewann Ivan Alexander von Bulgarien und Stephan Dusan von Serbien für eine Koalition gegen den Emporkömmling. Ohne das Eingreifen der Kontingente 'Umurs wäre schon 1344 sein Operationszentrum Didymoteichos gefallen und seine Flucht nach Berrhoia mißglückt.44 Raybaud, L.-P., L e gouvernement et l'administration centrale de l'empire byzantin sous les premiers Paléologues (1258—1354). Société d'histoire du droit. Paris 1968, S. 248. 37 ,,. . . vwi ÔÈ OVXÉTI tpikoç rivai ßaaiMaz âÀAà ÔovAoç. . ." Kantakuzenos Bd. 2, I I I . 64. S. 398. œ Gregoras, N., Bd. 1. X I I . 7. S. 597. 39 ,,TOV Innov ànoßag o 'A/Uovç, TIQOOEXVVEI re rov ßaaiMa xai eßdöt^e JIQOÇ avrov jté'Çaç." Kantakuzenos, Bd. 2. I I I . 64. S. 393.