Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft als Problem des allgemeinen Verbandsrechts: Ein Beitrag zur Überwindung des Dualismus von Personengesellschaften und Körperschaften [1 ed.] 9783428508891, 9783428108893

Die (persönlich haftenden) Gesellschafter sind die Handlungsorgane der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesells

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Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft als Problem des allgemeinen Verbandsrechts: Ein Beitrag zur Überwindung des Dualismus von Personengesellschaften und Körperschaften [1 ed.]
 9783428508891, 9783428108893

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ANDREAS B E R G M A N N

Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft als Problem des allgemeinen Verbandsrechts

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 273

Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft als Problem des allgemeinen Verbandsrechts Ein Beitrag zur Überwindung des Dualismus von Personengesellschaften und Körperschaften

Von Andreas Bergmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität des Saarlandes hat diese Arbeit im Jahre 2001/2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-10889-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ

Meinem Großvater, dem Kaufmann Paul Thamm * 12. Dezember 1912 in Bischofsburg , Kreis Rößel (Ostpreußen) t l l . Mai 2001 in Uelzen (Niedersachsen)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2001/2002 von der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes als Dissertation angenommen. Mein außerordentlicher Dank gilt meinen beiden akademischen Lehrern Prof. Dr. Dr. Michael Martinek, M.C.J. (New York) und Prof. Dr. Helmut Rüßmann, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen und mit denen ich mich nicht nur in juristischer Hinsicht tief verbunden fühle. Prof. Dr. Dr. Martinek betreute diese Arbeit als Doktorvater. Bei der Bearbeitung des Themas ließ er mir jede nur erdenkliche Freiheit. Er hatte für Fragen stets ein offenes Ohr. Prof. Dr. Rüßmann, der mich als seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter stets förderte, war Zweitgutachter. Herzlichen Dank schulde ich Herrn Dipl. Handelslehrer Reginald Riebeling für die mehrfache mühselige Korrektur des Manuskripts und Frau Caroline Jung für ihre unentbehrliche Hilfe bei der Fertigstellung der Arbeit. Besonderen Dank schulde ich meinen Eltern, Herrn PräsVG Dr. Karl Walter Bergmann und Frau Helga Bergmann, die mir jeden nur erdenklichen Rückhalt und Unterstützung gaben. Die Arbeit wurde mit dem Dr.-Friedrich-Feldbausch-Preis für die besten wirtschaftsrechtlichen Dissertationen des Jahres 2001/2002 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes ausgezeichnet. Zusätzlich wurde die Arbeit von verschiedener Seite finanziell gefördert. Aus dem erlauchten Kreise möchte ich stellvertretend nur die Vereinigung der Freunde der Universität des Saarlandes nennen. Für die Lektüre der Arbeit sei Folgendes angemerkt: die Arbeit verwendet eine eigene Begrifflichkeit, die im Gange der Arbeit entwickelt wird und auf die im weiteren Verlauf Bezug genommen wird. Dadurch kann ein schneller Lektürezugriff, insbesondere ein Querlesen der Arbeit, erschwert werden. Als Beispiele seien genannt die Unterscheidung zwischen der abstrakten und konkreten Handlungsverfassung der Verbände, die Trennung in einen ein- und zweigliedrigen Organbegriff und die Deutung der Begriffe Selbstorganschaft und Fremdorganschaft als Organisationsprinzipien der originären Mitgliederselbstverwaltung bzw. der abstrakten Organverwaltung. Als hilfreich können sich daher das Sachregister und die an das Ende eines jeden Paragraphen gestellten kurz zusammengefassten Ergebnisse der vorangegangenen Ausführungen erweisen. Saarbrücken, Juli 2002

Andreas Bergmann

Inhaltsübersicht

§1

Einleitung

25 1. Teil

Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

38

1. Abschnitt Das organschaftliche Handeln

38

§2

Das Eigenhandeln der Gesellschaft

38

§3

Die Handlungsverfassung des Verbandes

62

§4

Unbeschränkte Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungsverfassung ...

101

2. Abschnitt Grundsätze organschaftlichen Handelns

171

§5

Die organschaftliche Treue-und Sorgfaltspflicht

171

§6

Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

181

2. Teil Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung §7

Einführung

209 209

1. Abschnitt Systeme der abstrakten Organ Verwaltung (Fremdorganschaft)

210

§8

Die Aktiengesellschaft

210

§9

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

218

2. Abschnitt Systeme der originären Mitgliederselbstverwaltung

238

§ 10 Die offene Handelsgesellschaft

238

§ 11 Die Kommanditgesellschaft

251

10

Inhaltsübersicht 3. Abschnitt Organisationsverfassungen zwischen Selbst- und Fremdorganschaft

261

§ 12 Zwischen formeller Selbstorganschaft und materieller Fremdorganschaft: die GmbH & Co 261 §13 Die Partenreederei

269 4. Abschnitt

Die allgemeinen Prinzipien der organisatorischen Gewaltenteilung

299

§ 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

299

§15 Fremd-und Eigenverwaltung

332

§ 16 Keine Überbewertung der Unterschiede

338

3. Teil Das Verhältnis fremdorganschaftlicher und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

343

§ 17 Der nicht eingetragene Verein und die (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Extremformen des Grundtyps des Verbandsrechts

343

§18 Die Handelndenhaftung

413

§ 19 Die atypische Handlungsverfassung und die Erfüllung gesetzlicher Pflichten

458

4. Teil Der Wechsel der Handlungsverfassung Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft

485

§ 20 Verbandssouveränität und Handlungsfähigkeit

485

§ 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung

505

§ 22 Das Abspaltungsverbot

543

§ 23 Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft

549

§ 24 Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft 568 Literaturverzeichnis

582

Sachregister

597

Inhaltsverzeichnis §1

Einleitung

25

Α. Das Prinzip der Selbstorganschaft

25

B. Ein allgemeiner Teil des Gesellschaftsrechts

30

C. Die fremdorganschaftlich verfasste Personengesellschaft als Problem des allgemeinen Verbandsrechts

35

D. Der Gang der Darstellung

37

L Teil Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

38

1. Abschnitt Das organschaftliche Handeln §2

38

Das Eigenhandeln der Gesellschaft

38

A. Die Unterscheidung zwischen organschaftlichem Handeln und Dritthandeln ..

38

B. Die juristische Person

44

I. Die Lehre Friedrich Karls von Savignys (sog. Fiktionstheorie) II. Theorie der realen Verbandspersönlichkeit (v. Gierke)

45 48

III. Aufgabe des gesellschaftsrechtlichen Dualismus

51

IV. Eine allgemeine Verbandslehre

56

V. Die HandlungsVerfassung der juristischen Person als rechtskonstruktive Fremdbeschreibung der sozialen Handlungsfähigkeit VI. Ergebnis

58 61

12 §3

Inhaltsverzeichnis Die Handlungsverfassung des Verbandes

62

A. Die Handlungsorganisation

62

B. Der eingliedrige Organbegriff

66

I. Die Organschaft bei den Personengesellschaften II. Der eingliedrige Organbegriff als das Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft)

68

C. Der zweigliedrige Organbegriff

72

D. Die Handlungsfähigkeit des Verbandes

74

I. Die abstrakte und konkrete HandlungsVerfassung II. Die unechte organschaftliche Gesamtvertretung

§4

66

74 76

1. Die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien

77

2. Aktiengesellschaft, Genossenschaft und GmbH

78

3. Der gesamtvertretungsberechtigte Prokurist als Gesellschaftsorgan ..

79

III. Der Wegfall der konkreten Handlungsverfassung

84

1. Die Regelung der §§ 29 BGB, 85 AktG

84

2. Die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 29 BGB, 85 AktG auf die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGBGesellschaft

85

3. Die Anwendung des § 29 BGB auf die GmbH & Co

89

4. Die Anwendbarkeit des § 29 BGB im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien

96

5. Die Partenreederei

97

6. Der nicht rechtsfähige Verein

100

7. Schlussbemerkung

100

E. Ergebnis

101

Unbeschränkte Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungsverfassung

101

A. Begrenzung der Vertretungsmacht durch den Verbandszweck (ultra-viresDoktrin)

101

I. Die Begrenzung der Vertretungsmacht im Idealverein auf den Vereinszweck

102

II. Die Begrenzung der Vertretungsmacht in der Vorgesellschaft

107

Inhaltsverzeichnis III. Die Begrenzung der Vertretungsmacht auf den Liquidationszweck 1. Die Entwicklung der Rechtsprechung vom Reichsoberhandelsgericht bis zum BGH a) Die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts

109

109 109

b) Die weitere Gang in der Rechtsprechung von Reichsgericht und Kammergericht bis zur Aufgabe des ultra-vires-Gedankens 112 c) Das Ende der ultra-vires-Lehre im Recht der Liquidationsgesellschaft

115

d) Die Ausweitung des Verkehrsschutzes

116

e) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

118

f) Die unbeschränkte Vertretungsmacht des Liquidators

120

2. Die Auffassungen in der Literatur

120

3. Die Gesetzgebungsgeschichte

122

a) Die Nürnberger Kommission (ADHGB)

122

b) Folgende Gesetzesvorhaben des ausgehenden 19. Jahrhunderts ...

124

c) Die kommentarlose Übernahme in HGB und BGB

126

d) Das Aktiengesetz von 30. Januar 1937

128

e) Die unbegrenzte Vertretungsmacht der Liquidatoren in der neueren Gesetzgebung 129 IV. Die europarechtliche Komponente V. Die unbegrenzte Geltung des ultra-vires-Gedanken VI. Kein ultra-vires-Problem VII. Die Ultra-vires-Lehre und Begriff der juristischen Person

132 137 138 139

VIII. Die dogmatische Bewältigung: Der relative Gleichlauf der Handlungsverfassung 142 IX. Keine Beschränkung der Vertretungsmacht auf den Vereinszweck im Recht des Ideal Vereins 146 X. Zwischenergebnis

148

14

Inhaltsverzeichnis Β. Die Kontinuität der HandlungsVerfassung und § 146 HGB I. Der Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung

149 149

II. Die fakultative Fremdorganschaft im Recht der oHG im Abwicklungsstadium als Rechtsmacht der Gesellschafter zur Durchbrechung der (Kontinuität) der Handlungsverfassung 152 1. Die Fremdorganschaft als Abweichung vom Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung 152 2. § 146 Abs. 1 S. 1 HGB als Ausfluss der Organisationshoheit der Gesellschafter 154 C. Die Kontinuität der Handlungsverfassung beim Wechsel der Rechtsform I. Der gesetzliche Rechtsformwechsel II. Die Kontinuität der Handlungsverfassung III. Die nachträgliche Rechtsformverfehlung D. Ergebnis

159 159 162 167 170

2. Abschnitt Grundsätze organschaftlichen Handelns §5

Die organschaftliche Treue-und Sorgfaltspflicht

171 171

A. Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht als allgemeiner Grundsatz des Verbandsrechts 171 B. Die organschaftliche Treuepflicht (duty of loyality) I. Inhalt der organschaftlichen Treuepflicht II. Die Rechtsnatur der organschaftlichen Treuepflicht III. Organschaftliche und mitgliedschaftliche Treuepflicht C. Die organschaftliche Sorgfaltspflicht (duty of care)

172 172 173 175 176

I. Die Rechtsnatur der Haftung nach §§ 93 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG .. 176 II. Der allgemeine Haftungsmaßstab D. Ergebnis

179 181

Inhaltsverzeichnis §6

Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

181

A. Die Ausnahme vom allgemeinen organschaftlichen Haftungsmaßstab

181

B. Die Entstehungsgeschichte des § 708 BGB

184

C. Herkunft aus dem römischen Recht

187

D. § 708 BGB in der Rechtswirklichkeit

189

I. Der nicht rechtsfähige Verein II. Die Gemeinschaft, §§ 741 ff. BGB III. Die Publikumsgesellschaft und die GmbH & Co

190 190 191

1. Die Publikumsgesellschaft

191

2. Die GmbH & Co

191

3. Reaktionen der Literatur

195

E. Erklärungsversuche

196

F. De lege ferenda

198

G. Die diligentia quam in suis zwischen Selbstorganschaft und fehlender Kapitalgarantie 199 I. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien

200

II. Die unbeschränkte Haftung als Rechtfertigung der beschränkten Diligenzpflicht 202 H. Die Erklärung der beschränkten Diligenzpflicht aus der Handlungsverfassung

204

I. Ergebnis

208

2. Teil Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung §7

Einführung

209 209

1. Abschnitt Systeme der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) §8

210

Die Aktiengesellschaft

210

A. Die Position des Vorstandes im interorganisatorischen Bereich

210

I. Die Reichweite der Organkompetenz 1. Die Verteilung der Vertretungskompetenz

211 211

16

Inhaltsverzeichnis 2. Die Verteilung der Geschäftsführungsbefugnis

211

3. Strukturentscheidungen

212

II. Überwachung des Vorstandes

212

1. Durch den Aufsichtsrat

212

2. Durch die Hauptversammlung

213

3. Individuelles Informationsrecht

213

III. Die personelle Abhängigkeit

§9

214

B. Die intraorganisatorische Verfassung des Vorstandes

216

C. Wahrung der Verbandssouveränität

218

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

218

A. Die Handlungsverfassung der GmbH zwischen Selbst- und Fremdorganschaft

220

B. Die gesetzestypische HandlungsVerfassung

224

I. Die interorganisatorische Gewaltenteilung 1. Geschäftführung

224 224

a) Weisungsbefugnis

225

b) Umfang der Geschäftsführungsbefugnis

226

aa) Ausschließliche Kompetenzen der Gesellschafterversammlung

226

bb) Außergewöhnliche Geschäfte

227

cc) Gewöhnliche Geschäfte

227

2. Vertretung

227

3. Grundlagenentscheidungen

227

4. Personelle Abhängigkeit der Geschäftsführung

228

a) Grundsatz der jederzeitigen Widerruflichkeit

228

b) Die zwingende Grenze des § 38 Abs. 2 GmbHG

231

5. Informationsrechte a) Individuelle Informationsrechte (§ 51a GmbHG)

232 232

b) Kollektives Informationsrecht der Gesellschafterversammlung ... 232

Inhaltsverzeichnis II. Intraorganisatorische Willensbildung

233

1. Geschäftsführung

233

2. Vertretung

233

C. Die personalistische GmbH

233

D. Fazit

238 2. Abschnitt Systeme der originären Mitgliederselbstverwaltung

§ 10 Die offene Handelsgesellschaft A. Die Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft I. Geschäftsführung

238 238 239 239

1. Die Kompetenzzuweisung an die Gesellschafter

239

2. Die Willensbildung innerhalb der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter

240

3. Grundsatz der Gesamtverantwortung

240

4. Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis

242

5. Umfang der Geschäftsführungsbefugnis

245

a) Kompetenz für die gewöhnlichen Geschäfte

245

b) Kompetenzverschiebung bei außergewöhnlichen Maßnahmen ... 245 c) Grundlagengeschäfte

246

d) Weisungsabhängigkeit

246

II. Vertretungskompetenzen 1. Umfang

249 249

2. Willensbildung innerhalb der Gruppe der vertretungsberechtigten Gesellschafter 249 3. Entziehung der Vertretungsmacht III. Informationsrechte 1. Kollektive Informationsrechte (gerichtet gegen den geschäftsführenden Gesellschafter)

249 249 250

2. Das (individuelle) Informationsrecht (gerichtet gegen die Gesellschaft) 251 B. Fazit 2 Bergmann

251

18

Inhaltsverzeichnis

§11 Die Kommanditgesellschaft

251

A. Die Handlungsverfassung der Kommanditgesellschaft I. Die Geschäftsführung

252 252

1. Gesetzestypische Organisation

252

a) Der laufende Geschäftsbetrieb

252

b) Außergewöhnliche Geschäfte

253

2. Gesellschaftsvertragliche Abweichung von der gesetzestypischen Handlungsorganisation: der geschäftsführende Kommanditist 254 II. Vertretung

257

III. Grundlagengeschäfte

259

IV. Kontroll- und Informationsrechte:

259

B. Fazit

260 3. Abschnitt

Organisationsverfassungen zwischen Selbst- und Fremdorganschaft

261

§ 12 Zwischen formeller Selbstorganschaft und materieller Fremdorganschaft: die GmbH & Co

261

A. Die formal-rechtliche Situation

262

B. Materielle Fremdorganschaft

263

I. Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft 263 1. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

264

2. Organisatorische Haftung als Korrelat organisatorischer Kompetenzen 265 II. Die Weisungsabhängigkeit des GmbH-Geschäftsführers C. Fazit

267 268

§13 Die Partenreederei

269

A. Rechtsnatur der Partenreederei

272

B. Die Handlungsverfassung

275

I. Zwischen Selbst- und Fremdorganschaft

275

1. Selbstorganschaft

275

2. Fremdorganschaft

279

II. Geschäftführung und Vertretung bei Selbstorganschaft

283

Inhaltsverzeichnis

19

III. Der Korrespondentreeder als das Handlungsorgan der fremdorganschaftlich verfassten Partenreederei 1. Außenkompetenzen des Korrespondentreeders

284 284

2. Einschränkungen der Vertretungsmacht des Korrespondentreeders ... 288 3. Die Geschäftsführungsbefugnisse 4. Mehrere dung)

Korrespondentreeder

290 (intraorganisatorische

Willensbil290

5. Sorgfalt des Korrespondentreeders

290

6. Kompetenzverteilung zwischen der Gesamtheit der Mitreeder und dem fakultativ bestellten Korrespondentreeder 291 a) Weisungsabhängigkeit des Korrespondentreeders

291

b) Grundlagenkompetenzen der Mitreeder

293

7. Kontrollrechte

293

a) Individuelles Informationsrecht (§ 498 S. 2 HGB)

294

b) Kollektive Informationspflicht

294

8. Die Personalkompetenz der Gesamtheit der Mitreeder a) Die Bestellungskompetenz

294 294

b) Das Mehrheitserfordernis bei Bestellung des Korrespondentreeders 296 C. Fazit

298

4. Abschnitt Die allgemeinen Prinzipien der organisatorischen Gewaltenteilung § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

299

A. Die Gesamtvertretung

299

B. Die Einzelermächtigung (§§ 78 Abs. 4 AktG, 25 Abs. 3 GenG, 125 Abs. 2 Abs. 2 S. 2 HGB)

300

I. Die dogmatische Einordnung der Einzelermächtigung

2*

299

302

II. Die Rechtsnatur der Ermächtigung als historischer Entwicklungsprozess

305

III. Die Einzelermächtigung im Rahmen der unechten organschaftlichen Gesamtvertretung !

311

20

Inhaltsverzeichnis C. Die Regelungskompetenz der Aktivvertretung und die Bestimmung der Anzahl der Organwalter in fremdorganschaftlich verfassten Systemen 314 I. Regelungskompetenz der Aktiv Vertretung (Gesamt- oder Einzel Vertretung) bei Aktiengesellschaft und GmbH 315 II. Bestimmung der Zahl der Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer .... 323 1. Die GmbH

323

2. Die Aktiengesellschaft

324

III. Ein allgemeiner Rechtsgedanke

327

1. Die Regelungskompetenz hinsichtlich der Art und Weise der Vertretung 327 2. Bestimmung der Zahl der Vorstandsmitglieder

331

3. Fazit

332

D. Ergebnis

332

§ 15 Fremd- und Eigenverwaltung

332

§16 Keine Überbewertung der Unterschiede

338

3. Teil Das Verhältnis fremdorganschaftlicher und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

343

§17 Der nicht eingetragene Verein und die (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Extremformen des Grundtyps des Verbandsrechts 343 A. Die Undurchführbarkeit einer Abgrenzung von nicht eingetragenem Verein und BGB-Gesellschaft B. Die Verweisung des § 54 S. 1 BGB I. Vom Sinn und Unsinn der Verweisung des § 54 S. 1 BGB II. Die Verweisung auf die §§ 705 ff. BGB

343 350 350 352

III. Die §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB und die Lehre vom Typenzwang

355

IV. Die Haftung im nicht eingetragenen Verband

356

1. Die Haftung im nicht eingetragenen Verein

357

2. Die Haftung in der (nicht eingetragenen) einfachen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts 359

Inhaltsverzeichnis V. Die gesetzlichen Sondervorschriften für den nicht eingetragenen Verein VI. Die Handlungsverfassung des nicht eingetragenen Vereins C. Der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein und die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft I. Anwendbares Normenprogramm II. Grundsätzliches III. Das Betreiben eines Handelsgewerbes

361 364 366 366 367 370

IV. Probleme der wirtschaftlichen Korporation vor Inkrafttreten des BGB .. 376 1. Abgrenzung societas universitas im Bereich des Pr. ALR

377

2. Die Lehre von der modifizierten societas

383

V. Fälle hingenommener Fremdorganschaft in der Rechtsprechung

387

VI. Der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein und die (Publikums-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts 391 D. Formen körperschaftlich organisierter Gesellschaften I. Das tradierte Recht der Vorgesellschaften als Beispiel körperschaftlich verfasster Gesellschaften des bürgerlichen Rechts 1. Die heutige Rechtsanschauung

394 394 395

2. Die tradierte Einordnung der Griindungsgesellschaft als Gesellschaft oder Verein des bürgerlichen Rechts 396 II. Die nicht eingetragene Genossenschaft

397

1. Die Vorgenossenschaft

398

2. Die nicht eingetragene Dauergenossenschaft

398

III. Körperschaftlich verfasste oHG und BGB-Gesellschaft als Rechtsfolge des Rechtsformzwangs bei Rechtsform Verfehlung ^ 400 1. Der Rechtsformzwang bei der Rechtsformverfehlung

400

2. Die nachträgliche Rechtsform Verfehlung bei der unechten Vorgesellschaft 403 a) Die unechte Vorgesellschaft als BGB-Gesellschaft oder offene Handelsgesellschaft 403 b) Die unechte Vorgesellschaft als Erweiterung des gesellschaftsrechtlichen numerus clausus 404 3. Die Handlungsorganisation E. Ergebnis

409 412

22

Inhaltsverzeichnis

§18 Die Handelndenhaftung A. § 54 S. 2 BGB im Gesamtsystem des Verbandsrechts B. Die §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG

413 413 413

I. Von Art. 211 Abs. 2 ADHGB zu §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG 413 II. Europarechtliche Vorgaben III. §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG auf dem Prüfstand

432 434

C. Die Vorschrift des § 54 S. 2 BGB

438

I. Die Entstehungsgeschichte

439

II. Das Verhältnis zu § 179 BGB

443

III. Der Handelndenbegriff iSd § 54 S. 2 BGB

444

1. Die Vorgaben der zweiten Kommission

444

2. Die Handhabung der Rechtspraxis

445

D. Die fehlende Vorschrift im Genossenschaftsrecht I. Das preußische Genossenschaftsgesetz II. Das GenG vom 1. Mai 1889

450 450 453

III. § 18 des Entwurfs eines Genossenschaftsgesetzes von 1938/1939 und § 14 Referentenentwurf 1962 453 IV. Anwendbarkeit des Gedankens der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG auf die nicht eingetragene Genossenschaft

454

E. Die Bedeutung des allgemeinen verbandsrechtlichen Gedankens einer subsidiären Organhaftung für die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft 457 § 19 Die atypische Handlungsverfassung und die Erfüllung gesetzlicher Pflichten A. Die verbandsinterne Verantwortlichkeit als Annex der Geschäftsführung

458 458

B. Privatautonome Modifikationen der Handlungsverfassung bei offener Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft 459 I. Der Ausschluss von persönlich haftenden Gesellschaftern von der Geschäftsführung und die Buchführungspflicht 463 II. Der (ausschließlich) geschäftsführende Kommanditist

469

III. Die verbandsinterne Verantwortung für die Erfüllung steuerlicher Pflichten durch den Verband 470 IV. Insolvenzantrag

476

Inhaltsverzeichnis C. Berührungspunkte mit der Lehre vom fehlerhaften Organ I. Die Rechtsprechung zum fehlerhaft bestellten Organ II. Die Rechtsprechung zum faktischen Organ D. Ergebnis

All 478 480 484

4. Teil Der Wechsel der Handlungsverfassung Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft § 20 Verbandssouveränität und Handlungsfähigkeit

485 485

A. Der Ausschluss aller Gesellschafter von der organschaftlichen Vertretung

485

B. Selbstorganschaft und der Gedanke der Verbandssouveränität

494

C. Die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft

496

I. Die „Vermögensverwaltungsstelle für Offiziere und Beamte KGaA" (RGZ 74, 297; 82, 360) II. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 1937 D. Ergebnis § 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung A. Der Gleichlauf von Herrschaft und Haftung I. Der Grundsatz des Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung

498 503 505 505 506 506

II. Der unternehmensleitende Kommanditist

508

III. Der zwingenden Charakter des § 170 HGB

516

IV. Herrschaft und Haftung als zwingendes Ordnungselement der gesetzlichen Typenordnung 522 V. Der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung als rechtspolitisches Ziel 528 VI. Der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung als wirtschaftsverfassungsrechtlicher Grundsatz VII. Die Umkehrung: Keine Haftung ohne Herrschaft

530 532

VIII. Selbstorganschaft als Ausgleich fehlender Vorschriften der Kapitalsicherung 533

24

Inhaltsverzeichnis Β. Unbeschränkte Haftung als Ausgleich der Rechtsmacht, die Gesellschafter unbeschränkt verpflichten zu können 534 C. Ergebnis

§ 22 Das Abspaltungsverbot

543 543

A. Die fremdorganschaftliche Verfassung als Verstoß gegen das Abspaltungsverbot (BGHZ 36, 292) 543 B. Ergebnis § 23 Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft

549 549

A. Die organisationsrechtlichen Durchbrechungen des Prinzips der originären Mitgliederselbstverwaltung 549 I. Die Liquidationsgesellschaft II. Der Ausschließungsprozess B. Die faktische Durchbrechung der Selbstorganschaft

549 553 559

I. Die Holiday Inn-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, BGH, NJW 1982, 1817 561 II. Publikumsgesellschaft und Selbstorganschaft III. Die jüngste Rechtsprechung C. Ergebnis

565 567 568

§ 24 Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft 568 A. Der Ausgangspunkt

568

B. Originäre statt abgespaltene Rechte

570

C. Kompetenzverteilung der abstrakten Handlungsverfassung

570

D. Publizität der Drittorganschaft

573

E. Haftung des Fremdgeschäftsführers nach außen

575

F. Eine mögliche Handlungsverfassung

577

I. Die Handelsgesellschaft auf Einlagen

578

II. Der Entwurf einer einfachen Gesellschaft für Bosnien-Herzegowina von Rüßmann 579 Literaturverzeichnis

582

Sachregister

597

§ 1 Einleitung Α. Das Prinzip der Selbstorganschaft Das Prinzip der Selbstorganschaft gilt als eines der Grundprinzipien des Personengesellschaftsrechts, das dem umfassenden Dispositionsspielraum bei Abfassung von Personengesellschaftsvertragen eine - zumindest nominale1 - Grenze setzt2. Einiges ist über sie geschrieben worden. So manche Dissertation stellt sie in ihren Mittelpunkt 3 ; auch in den wesentlichen Beiträgen zur Diskussion rund um Typenzwang und Typenfreiheit fehlte sie nicht und so wurde ihr mal mehr, mal weniger Platz eingeräumt4. Das überwiegende Verständnis der Selbstorganschaft geht heute dahin, dass sie die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung in der werbenden5 Gesellschaft den Gesellschaftern zwingend vorbehält 6. Nach dieser Lesart bedeutet Selbstorganschaft Unternehmensführung durch Gesellschafter, Fremdorganschaft hingegen, wie vor allem im Bereich der Kapitalgesellschaften anzutreffen, treuhänderische Fremdverwaltung durch Dritte 7 . Der Bundesgerichtshof versteht unter Selbstorganschaft das zwingende Gebot, dass in einer Personengesellschaft stets eine Vertretung allein durch die persönlich haftenden Gesellschafter möglich sein muss8, oder anders gewendet, dass die organschaftliche Vertretungsbefugnis nur ei1 Vgl. Reuter, FS-Mestmäcker, S. 271 (278). 2 HGB-Großkommentar / Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 34; Schlegelberger/Martens, § 114, Rdnr. 50 ff. 3 ZB: Bürck, Selbstorganschaft oder Drittorganschaft in der OHG und KG?, 1968; Werra, Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft, 1991; Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997. 4 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 f. = S. 213 ff.; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, § 10 II 2 = S. 178 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 (5) b = S. 116 ff., § 17 = S. 189 ff.; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, § 5 III = S. 148 ff., § 10 ff. = S. 328 ff. 5 Für die Liquidationsgesellschaft gilt § 146 HGB, der überwiegend als Ausnahme zur Selbstorganschaft gesehen wird, vgl. Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, § 13 III 4 = S. 232; aA Schlegelberger/K. Schmidt, § 125, Rdnr. 5, der darin nur eine Modifikation der Selbstorganschaft sieht. 6 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 6 IV 1 a = 343. 7 Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 116 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 I 1 = S. 215; Helm/Wagner, BB 1979, 225 (228); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 6 IV 1 = 343 f.; vgl. auch Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 178 f.

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§ 1 Einleitung

nem Gesellschafter und nicht einem Dritten zustehen kann9. Daraus folgt für die Rechtsprechung, dass im Gesellschaftsvertrag nicht alle persönlich haftenden Gesellschafter wirksam von der Vertretung ausgeschlossen werden können oder dass in einer Kommanditgesellschaft nicht der einzig persönlich haftende Gesellschafter wirksam an die Mitwirkung eines Kommanditisten gebunden werden kann 10 . Nicht aber verbiete der Grundsatz der Selbstorganschaft, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, dass ein Dritter durch Gesellschafterbeschluss oder von vorneherein im Gesellschaftsvertrag im weiten Umfange mit Geschäftsführungsaufgaben betraut und mit umfassender Vollmacht ausgestattet wird 11 , was mithin als faktische Preisgabe des Prinzips der Selbstorganschaft gedeutet wird 1 2 (siehe unten § 23 B). Differenzierter geht heute nur K. Schmidt zu Werke: Für ihn besteht das Prinzip der Selbstorganschaft zunächst einfach nur darin, dass eine Gesamthand, anders als eine Körperschaft, ihre Leitungsorgane hat und nicht erst durch Bestellung erhält 13 . Selbstorganschaft in diesem Sinne dürfe nicht bei Personengesellschaften als zwingend und bei Körperschaften als fakultativ angesehen werden, sondern sie sei bei den einen vorhanden, bei den anderen nicht. Erst in einem zweiten Schritt erkennt auch K. Schmidt die Selbstorganschaft als zwingendes Organschaftsmonopol der unbeschränkt haftenden Gesellschafter an und findet ihre Rechtfertigung in der das Personengesellschaftsrecht noch beherrschenden Vorstellung, persönliche Haftung könne eine Kapitalsicherung im Unternehmen ersetzen (keine Kapitalgarantien, keine Insolvenzantragspflichten) 14. Auf eine Klärung des Begriffspaars Selbst- und Fremdorganschaft wird an dieser Stelle verzichtet. Sie wird an späterer Stelle erfolgen (§ 3 Β II). Die Problematik ist mit dem Vorangestellten hinreichend umrissen.

s BGHZ 26, 330 (333), Urt. v. 06. 02. 1956, Az: II ZR 210/56. 9 BGHZ 33, 105 (108), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: I I ZR 260/59; BGHZ 36, 292 (295), Urt. v. 22. 01. 1962, Az: I I ZR 11/61; vgl. auch Reuter, JZ 1986, 16 (18); Löffler, NJW 1983, 2920 (2921). 10 BGHZ 41, 367 (369), Urt. v. 25. 05. 1964, Az: I I ZR 42/62. π BGH, NJW 1982, 1817, Urt. v. 05. 10. 1981, Az: I I ZR 203/80; BGH, in: NJW 1982, 877 (878), Urt. v. 16. 11. 1981, Az: I I ZR 213/80; BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: I I ZR 74/81; BGH, in: MittRhNotK 1994, 224, Urt. v. 20. 09. 1993, Az: Π ZR 204/92; OLG Köln, MittRhNotK 1993, 37 (38) = DStR 1992, 1771 Lt., Urt. v. 12 U 58/ 91; OLG Köln, in: NZG 1999, 769 (772), Urt. 25. 11. 1998, Az: 13 U 185/97; KG, in: BauR 2000, 114, Urt. v. 22. 12. 1998, Az: 27 U 429/98. 12 OLG Köln, in: NZG 1999, 769 (772), Urt. 25. 11. 1998, Az: 13 U 185/97: „Einschränkung des Grundsatzes der Selbstorganschaft"; KG, in: BauR 2000, 114, Urt. v. 22. 12. 1998, Az: 27 U 429/98: „faktische Einschränkung des Grundsatzes der Selbstorganschaft"; ebenso: Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 709, Rdnr. 6; H.P. Westermann, FS-Lutter, 2000, S. 955 (963) spricht von einer Durchbrechung des Prinzips der Selbstorganschaft; vgl. auch Erman-Η. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 709, Rdnr. 4. 13 K. Schmidt, in: Schlegelberger, § 125, Rdnr. 6. 14 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 1997, § 14 II 2 = S. 415 ff.

§ 1 Einleitung

Das Prinzip der Selbstorganschaft - verstanden zunächst als der zwingende Ausschluss externer Personen von „organschaftlichen" Befugnissen - ist in dieser Funktion manchen ein reglementierender Dorn im Auge, eine „ungewohnte Zwangsfürsorge" 15, während es von Reuter als die letzte, noch nicht geschliffene Feste auf dem Weg der völligen Angleichung von Personen- und Kapitalgesellschaften verbittert verteidigt wird 1 6 . Doch es gibt zwischen diesen Extremen auch vorsichtige, reservierte Stimmen, wie zB Barbara Grunewald, die in ihrem Lehrbuch feststellt: „Was genau dieser Grundsatz besagt, ist aber alles andere als deutlich" 1 7 . Die Unsicherheit über den Inhalt des Prinzips der Selbstorganschaft liegt daran, dass allzu oft die „Diskussion um die Selbstorganschaft" 18 auf die spektakulären Probleme verengt wird, ob alle Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen werden können, ob dem Kommanditisten entgegen § 170 HGB die organschaftliche Vertretungsbefugnis eingeräumt werden darf und letztlich, ob Dritte zu organschaftlichen Geschäftsführern und Vertretern iSd §§ 114 ff., 125 ff. HGB berufen werden können 19 , als dass vorgelagerte, aber trockenen Fragen nach der Stellung und Funktion der Selbst- und Fremdorganschaft in der Struktur der Organisationsverfassungen der verschiedenen Verbandsformen - nicht nur den Personengesellschaften - noch weiter interessieren könnten20. Unter dieser Reduzierung hat die Diskussion gelitten. Selbst- und Fremdorganschaft müssen als Problem des allgemeinen Verbandsrechts verstanden werden 21. Es geht darum, gemeinsame Grundsätze zu finden und diese „vor die Klammer" des besonderen Verbandsrechts zu ziehen. Dann erst kann die Frage beantwortet werden, ob eine Personengesellschaft, die den Kredit ihrer Gesellschafter schätzt, aber deren Fehlmanagement leid ist, einen Dritten mit der organschaftlichen Führung der Gesellschaft betrauen kann. Über die Frage, ob es ein praktisches Bedürfnis nach Fremdorganschaft gibt, ist viel geschrieben worden 22 . Ihr soll hier daher nicht weiter nachgegangen werden. 15 Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 (5) b = S. 116 ff. (124); Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 443 ff. 16 Reuter, FS-Mestmäcker, S. 271 (278); derselbe, FS-Steindorf, S. 229 (232 ff.) 17 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1999, Rdnr. 1. A. 41. is So der Titel des Buches von Werra, Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft, 1991. 19 Vgl. nur Helm/Wagner, BB 1979, 225 ff. 20 So die Worte von K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307 (320): „Sobald die... Diskussion um die Formularbuchweisheiten zur Selbstorganschaft verlassen wird, macht uns das Rechtsinstitut deutlich, wie schnell wir an die Grenzen unseres Wissens um die Binnenstruktur der Verbände geraten". 21 In K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage 1997, § 14 I I 2 = S. 415 ff. finden sich die Ausführungen zur Selbst- und Fremdorganschaft im ersten Teil des Lehrbuchs, der mit „Allgemeine Lehren" überschrieben ist. 22 Vgl. nur Helm/Wagner, BB 1979, 225 ff.; Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 11 ff.

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§ 1 Einleitung

Die folgenden der Rechtsprechung entlehnten Beispielsfälle können aber das Problem veranschaulichen: 1. Der Kaufmann Du Mont, Inhaber eines kleinen Verlagsimperiums, war im Jahre 1861 verstorben 23. Das Geschäft fiel an die Erben, von denen keiner die Leitung des Unternehmens übernehmen konnte oder wollte. Die Erben gründeten eine offene Handelsgesellschaft 24, die das Verlagsgeschäft tragen und führen sollte, und vereinbarten, dass der Kaufmann A zum Prokuristen bestellt werde und alle Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sein sollten (siehe dazu unten § 20 A). 2. Zwei Aktiengesellschaften gründeten eine offene Handelsgesellschaft. Zur Vertretung wurde unter Ausschluss der gesetzlichen Vertreter der beiden Aktiengesellschaften ein Vorstand bei der oHG gebildet und mit X als einzigem Vorstandsmitglied besetzt25. 3. Einer Kommanditgesellschaft 26 oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien 27 ist die Geschäftsführung und Vertretung durch ihren einzigen Komplementär nicht mehr zumutbar. Kann dem persönlich haftenden Gesellschafter sowohl die Geschäftsführungs- als auch die Vertretungsbefugnis entzogen werden (§§ 161 Abs. 2, 117, 127 HGB, 278 Abs. 2 AktG) und ein Kommanditist oder ein Dritter mit der organschaftlichen Leitung der Gesellschaft betraut werden? 4. Eine Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft mit über 140 Mitgliedern will einen Dritten zum Handlungsorgan der Gesellschaft bestellen28. 5. Der Kreditgeber in der Sanierung einer notleidenden offenen Handelsgesellschaft will an der Unternehmensleitung beteiligt werden 29.

Ein Nachdenken über die Frage des zwingenden Charakters der Selbstorganschaft ist keine sinnlose Zeitverschwendung. Die Gesetzeslage ist nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Zwar ist die Regelung der §§ 705 ff. BGB, 105 ff., 161 ff. HGB, 278 ff. AktG bis in alle Einzelheiten auf das System der Mitgliederselbstverwaltung, das die Selbstorganschaft darstellt, abge23

Handelsgericht zu Köln, in: Centrai-Organ für den deutschen Handelsstand 1862, 99, Rathskammerbeschluss v. 25. 04. 1862. 24

Dies geschah bereits nach Einführung des ADHGB. 5 KG, in: OLGRspr. 42, 214 = Das Recht 1923 Nr. 365, Beschluss v. 16. 06. 1922, Zivilsenat la. Der Gesellschaftsvertrag bestimmte weiterhin, dass als Vorstandsmitglieder der oHG nur Aktionäre der beteiligten Gesellschaften in Frage kämen. 26 BGHZ 51, 198 = JZ 1969, 469, Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67; BGH, in: ZIP 1997, 2197 (2198), Urt. v. 03. 11. 1994, Az: I I ZR 353/96. 27 Für die KGaA: RGZ 74, 297, Urt. v. 24. 10. 1910, Az: 170/10; vgl. auch RGZ 82, 360, Urt. v. 06. 06. 1913, Az: I I 99/13; RGZ 74, 301, Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 80/10. 2

2 « ZB: BGH, in: NJW 1982, 877, Urt. v. 16. 11. 1981, Az: I I ZR 213/80; BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: II ZR 74/81; BGH, in: MittRhNotK 1994, 224 = WM 1994, 237, Urt. v. 20. 09. 1993, Az: II ZR 204/92. 2 9 Vgl. ROHG 9, 214, Urt. V. 12. 03. 1873, Az: II 109/73 zu der Frage, ob Gesellschaftsgläubiger zu Liquidatoren der Gesellschaft bestellt werden können. Ausweislich § 146 HGB = Art. 133 ADHGB ist eine fremdorganschaftliche Gestaltung der Organisationsverfassung in der Liquidation möglich. Für die werbende Gesellschaft: Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 187 ff.

§ 1 Einleitung

stimmt 30 . Die Selbstorganschaft ist das typische Organisationsprinzip der BGBGesellschaft, der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien 31 . Nur über den zwingenden Charakter dieses Organisationsprinzips gibt die gesetzliche Regelung doch keine Auskunft. Der Gesetzgeber hat kein ausdrückliches Verbot der fremdorganschaftlichen Handlungsverfassung ausgesprochen32. § 109 HGB stellt die Regelung der verbandsinternen Willensbildung (Geschäftsführung) ausdrücklich zur Disposition des Gesellschafts Vertrages. § 125 Abs. 1, Abs. 4 HGB lässt den Ausschluss eines persönlich haftenden Gesellschafters von der Vertretung der Gesellschaft zu und das Reichsgericht hat es als einen „Schluss zwingender Logik" bezeichnet, dass das, was für einen Gesellschafter bestimmt werden kann, auch für jeden bestimmt werden kann 33 . Natürlich liegt eine Interpretation des § 125 HGB nahe, dass zwar ein Ausschluss einzelner Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft möglich ist, aber niemals der Ausschluss aller Gesellschafter. Bliebe die Frage, ob § 125 HGB eine zwingende Vorschrift ist. Dafür scheint bei einfacher gesetzessystematischer Betrachtung § 109 HGB zu sprechen, der das Innen Verhältnis ausdrücklich zur Disposition des Gesellschaftsvertrages stellt; bei § 125 HGB dagegen, eine Norm des Außenverhältnisses der Gesellschaft, fehlt ein entsprechender Vorbehalt zugunsten einer abweichenden Regelung durch den Gesellschaftsvertrag. Aber eine gesetzessystematische Betrachtung belegt genau das Gegenteil. Die Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft in den §§ 105 ff. HGB finden sich im ersten Abschnitt des zweiten Buches des HGB. § 109 BGB findet sich nun im zweiten Titel dieses Abschnitts, der sich dem Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander zuwendet, § 125 HGB dagegen im dritten Titel, der das Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten zum Gegenstand hat. Es liegt nahe, dass sich die Bedeutung des § 109 HGB auf den zweiten Titel beschränkt und keine Schlüsse auf den dritten Titel zulässt. Im dritten Titel seinerseits findet sich nun bei den Vorschriften der §§ 123 Abs. 3, 126 Abs. 2, 128 S. 2, 130 Abs. 2 HGB die ausdrückliche Bestimmung, dass eine entgegenstehende Vereinbarung Dritten gegenüber keine Wirkung hat. Bei § 125 HGB dagegen fehlt eine entsprechende Bestimmung, was im Umkehrschluss eher für als gegen den dispositiven Charakter dieser Norm spricht. Die Gesetzesmaterialien schweigen sich zu der Frage weitgehend aus. Aber es finden sich doch Andeutungen, die es zumindest als fraglich erscheinen lassen, dass die Selbstorganschaft zum zwingenden Dogma erhoben werden sollte. So heißt es in Art. 87 Abs. 1 des re vidierten Entwurfs eines österreichischen Handels-

30 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 156. 31 Auch die Partenreederei ist grundsätzlich entsprechend dem Prinzip der Selbstorganschaft verfasst im Sinne der ursprünglichen Mitgliederselbstverwaltung. Gesetzestypisch ist aber die „Fremdorganschaft" in Person des Korrespondentreeders, §§ 492 ff. HGB. 32 Vgl. nur Helm/Wagner, BB 1979, 225 (230). 33

RGZ 74, 297 (301), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10.

§ 1 Einleitung

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rechts, der neben anderen Entwürfen der Nürnberger Kommission zur Beratung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch zugrunde lag 34 : Art. 87 rev. Öster. EntwADHGB. (1) Die Führung der Firma 35 kann einem, oder mehreren Mitgliedern der Gesellschaft und im letzteren Falle diesen gemeinschaftlich, oder jedem besonders übertragen werden, wird sie einem Bevollmächtigten übertragen, welcher nicht Mitglied ist, so soll sich diese Eigenschaft aus der Unterzeichnung erhellen. (2)...

(3)... Natürlich ließe sich dem das Argument entgegenhalten, dass die Vorschrift nur die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung eines Dritten betreffe, nicht dagegen die Übertragung die organschaftlichen Vertretungsmacht. Doch kann man im Gegenzug darauf hinweisen, dass bei Abfassung des ADHGB die Unterscheidung zwischen organschaftlicher und rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht keine Selbstverständlichkeit war 36 , und sich auch sonst schon einmal eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung im Laufe der Rechtsentwicklung zur organschaftlichen Handlungsmacht gemausert hat 37 . Zudem ist bis heute umstritten, ob die Vertretungsmacht des § 125 HGB rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen (organschaftlichen) Charakter hat 38 . Diese Unsicherheit gewinnt rechtsformübergreifenden Charakter, wenn sie auf die Frage ausgedehnt wird, ob es überhaupt ein organschaftliches Eigenhandeln der Gesellschaft gibt, oder dies im Grunde vielleicht nichts anderes ist als gewöhnliches Vertreterhandeln. Damit ist die Ebene des allgemeinen Verbandsrechts berührt: gibt es überhaupt organschaftliches Handeln?

B. Ein allgemeiner Teil des Gesellschaftsrechts Das Gesellschaftsrecht ist ein sich in steter Entwicklung befindliches Rechtsgebiet. Sein bestehender Formenreichtum und der Einfluss einer innovativen Praxis sorgen für dauernde Bewegung. Trotz eines formellen numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen stampft die unbändige Phantasie einer nimmermüden 34 Nach Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (434) lässt sich aus Art. 87 des revidierten österreichischen Entwurfs nicht viel gewinnen: die Vorschrift spreche alleine die Möglichkeit aus, die Vertretung einem Bevollmächtigten zu übertragen, der nicht Mitglied der Gesellschaft ist. Dass dieser Bevollmächtigte dann der einzige Vertreter der Gesellschaft und die Gesellschafter ausgeschlossen sein sollen, sei dagegen mit keinem Worte erwähnt. 35 Die Begriffe „Führung der Firma" und „Vertretung der Gesellschaft" sind gleichbedeutend (Weinhagen, Archiv für die Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts, Bd. 1 (1863), 149(151)). 36 Vgl. nur RG, in: JW 1928, 964 (965), Urt. v. 24. 01. 1928, Az: V I I 490/27. 37 Gemeint ist die Stellung des Korrespondentreeders der Partenreederei (§§ 492 ff. HGB), der heute allgemein als das Handlungsorgan der Gesellschaft bezeichnet wird, auf der Hamburger Seerechtskonferenz aber als „Mischung" zwischen Prokurist und Handlungsbevollmächtigter gedacht war; siehe § 13 Β 12. 38 Vgl. Hueck, Das Recht der oHG, 4. Auflage, 1971, § 201 Fn. 2 = S. 277 f.

§ 1 Einleitung

Kautelarjurisprudenz unter dem Deckmäntelchen der Typenfreiheit ständig neue Gesellschaftsformen aus dem Boden. Durch Typenvermischung und andere atypische Gestaltungen werden immer neue Organisationsformen nach dem Baukastenprinzip zusammengestellt39. Das Gesellschaftsrechts wurde umfassend in den Dienst der Organisationsbedürfnisse der Wirtschaft gestellt40. Schulte geht soweit, den numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen in einen „numerus clausus der Namen" umzutaufen: es bestehe zwar eine Bindung dahin, verbandsrechtliche Gebilde nach einem der zur Verfügung stehenden Rechtsformzusätze wie offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder GmbH zu benennen (vgl. §§19 HGB, 4 AktG, 4 GmbHG), jedoch gebe es keinerlei Bindung dahin, was sich hinter den Namen organisatorisch verberge 41. Daran konnte auch der große Diskurs Anfang der 70er Jahre über Typenzwang und Typengesetzlichkeit 4 2 nichts ändern. Der Verlauf dieser Diskussion hat vielmehr dazu geführt, die Lehre von der gesellschaftsrechtlichen Typengesetzlichkeit als vollständig überholt und nicht einschlägig zu bezeichnen43. Für die Rückbesinnung auf ein institutionelles Rechtsdenken plädiert heute denn auch nur noch eine kleine Minderheit 44. Überwiegend geht man heute davon aus, dass auch das Gesellschaftsrecht vom Grundsatz der Privatautonomie beherrscht wird. Auch atypische Gestaltungen sind zulässig, wenn nicht zwingendes Recht 45 , gesetzliche Verbote, die guten Sitten oder die „allgemeinen Grenzen der Privatautonomie" dies verbieten 46 . Als Produkte dieser Entwicklung seien genannt die seit dem Beschluss des Reichsgerichts vom 4. Juli 1922 anerkannte GmbH & Co. 47 , die auch gesetzliche Bestätigung gefunden hat (zB §§ 130a, 172a HGB) und die nunmehr abschließend geklärte Frage nach der Zulässigkeit der GmbH & Co. KGaA 4 8 , die im Gefolge der HRefG von 1998 ebenfalls unter den gesetzgeberischen Segen gestellt wurde, vgl. § 279 Abs. 2 AktG nF 49 . Ein Ende ist nicht in Sicht. Die

39 Dellmann, FS-Hengeler, 1972, 64: es ist in der Praxis üblich geworden, Elemente aus unterschiedlichen Gesellschaftsformen zu vermischen. 40 Reuter, FS-Mestmäcker, S. 271 (277).

41 Schulte, FS-Η. Westermann, 1974, S. 525. 42 Dazu: Κ . Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III = S. 116 ff.; Flume, Die Personengesellschaft, § 13 I = S. 189 ff. 43 Dazu: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III 2 f. = S. 125. 44 ZB: Reuter, FS-Mestmäcker, S. 271 (277 ff.). 45 Insofern will K. Schmidt am Terminus der Typengesetzlichkeit festhalten: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III 3 a = S. 126. 46 ZB: Κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III a = S. 126 f.; Flume , Die Personengesellschaft, § 13 I = S. 191. 47 RGZ 105, 101, Beschluss v. 04.07. 1922, Az: II Β 2/22. 48 BGHZ 134,392, Beschluss vom 24. 02. 1997, Az: II ZB 11 /96. Der Leitsatz lautet u. a.: Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann grundsätzlich persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sein. 49 Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 278, Rdnr. 9.

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§ 1 Einleitung

ruhelose Praxis entwickelt weitere Organisationsformen, zB die Stiftung & Co. K G 5 0 oder die Auslandskapitalgesellschaft & Co. KG 5 1 . Bei der Frage nach der Zulässigkeit dieser Konstruktionen in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft spielt die Frage der Selbstorganschaft eine nicht unbedeutende Rolle, da über die Organe der Komplementärgesellschaft mittelbar Drittorganschaft vorliegt. So war auch der BGH jüngst bei der Frage nach der Zulässigkeit der GmbH & Co. KGaA genötigt, sich zu dieser Frage zu äußern 52. Solche atypischen Gestaltungen bewegen sich großenteils außerhalb der gesetzlich positivierten Normalverfassung der einzelnen Rechtsformen. Um die daraus entstehenden Probleme in den Griff zu bekommen, muss entweder auf vergleichbare Regelungen anderer Rechtsformen oder auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden 53. Die Entwicklung allgemeiner Lehren des Verbandsrechts hat daher ihren guten Sinn und ist nicht Selbstzweck. Sie gibt das Rüstzeug zur Konfliktbewältigung, wenn das geschriebene Recht schweigt oder die Parteien eine Gestaltung vorgezogen haben, die vom gesetzestypischen Regelungsprogramm abweicht. Das gilt auch für die Problematik der Selbst- und Fremdorganschaft. Die gesetzliche Normierung der §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB ist auf den (wirtschaftlichen) personalistischen und selbstorganschaftlich verfassten Verband zugeschnitten. Lässt man eine fremdorganschaftliche Handlungsverfassung zu, bewegt man sich im gesetzgeberischen Niemandsland. Man bedarf des Rückgriffs auf allgemeine verbandsrechtliche Grundsätze der Fremdorganschaft. Das Problem lässt sich auch unter umgekehrten Vorzeichen denken: ein fremdorganschaftlich verfasster Verband möchte zu einer selbstorganschaftlichen Konstruktion finden. Ein Rückgriff auf die allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsätze der Selbstorganschaft wird notwendig. Und schließlich können allgemeine Grundsätze der Selbst- und 50 Dazu Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 7 II 3 = S. 188, § 56 VII 3 = S. 1666 f. 51 Dazu Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 56 V I I 3 = S. 1665 f. 52 BGHZ 134, 392 (397), Beschluss vom 24. 02. 1997, Az: II ZB 11/96. 53 So steht die GmbH & Co. mit Blick auf ihre Finanzverfassung der GmbH oder der Aktiengesellschaft wesentlicher näher, als der normalen offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft (BGHZ 62, 216 (227), Urt. v. 18. 03. 1974, Az: II ZR 167/72). Daher finden die aus dem Recht der Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften bekannten Vorschriften über die Kapitalerhaltung und sonstige Vorschriften, die ausgleichen wollen, dass keine natürliche Person unbeschränkt haftet, auf die GmbH & Co. KG Anwendung. Dies teilweise aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (so insbesondere die §§ 130a, 130b, 177a HGB, die auch die Überschuldung zum Insolvenzgrund erheben oder die §§ 129a, 172a HGB, die die sinngemäße Anwendung der §§ 32a, 32b GmbHG hinsichtlich der zur Abwendung einer Zahlungsunfähigkeit oder Uberschuldung gewährten Gesellschafterdarlehen.), zum anderen durch die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte entsprechende Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf die GmbH & Co. KG in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (dazu: Kühler, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 21 IV 2 = S. 303 ff.; Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 56 V 1 = S. 1655 ff.; BGHZ 60, 324, Urt. v. 29. 03. 1973, Az: II ZR 25/70; BGHZ 69, 274, Urt. v. 29. 09. 1977, Az: II ZR 157/76; BGHZ 110, 342, Urt. v. 19. 02. 1990, Az: II ZR 268/88.).

§ 1 Einleitung

Fremdorganschaft helfen, Lücken im gesetzgeberischen Regelungsprogramm zu lösen. Obwohl die Partenreederei originär selbstorganschaftlich verfasst ist, widmet sich das Gesetz ausschließlich dem Korrespondentreeder als dem Handlungsorgan der Gesellschaft. Das deutsche Gesellschaftsrecht ist gekennzeichnet durch eine Tendenz zur Desystematisierung. Es besteht ein teilweise unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener Gesetze, die zum Teil auf unterschiedlichen Stufen in Entwicklung und Detailfreudigkeit stehen. Diese Desystematisierung betrifft auch das Recht der Handlungsorganisation und damit den Regelungsbereich der Selbst- und Fremdorganschaft. Man denke nur an die sogenannte Handelndenhaftung der §§ 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG, die den Organwalter des Handlungsorgans der Vorgesellschaften und des nicht rechtsfähigen Vereins trifft. Es drängt sich nicht gerade auf, warum im Genossenschaftsrecht eine entsprechende Regelung fehlt (siehe unten § 18 D). Die Wissenschaft nimmt das beiläufig zur Kenntnis und behilft sich damit, die §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Vorgenossenschaft analog anzuwenden54, wobei aber übersehen wird, dass das Fehlen einer Vorschrift kein gesetzgeberischer Lapsus sondern Absicht war 55 . Auch das unterschiedliche Tatbestandsverständnis des § 54 S. 2 BGB im Vergleich zu den §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG bei gleichem Wortlaut leuchtet nicht ein. Zwar ist das Bürgerliche Gesetzbuch über 30 Jahre jünger als das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 186156, aber es trennen nur wenige Jahre vom GmbHG von 1892. Hält man an der strengen dogmatischen Trennung zwischen nicht rechtsfähigem Verein und Β GB-Gesellschaft fest, mag man auch ein Gerechtigkeitsdefizit ausmachen, dass zwar der nicht rechtsfähige Verein von der Handelndenhaftung des § 54 S. 2 BGB betroffen wird, nicht aber die Publikumsgesellschaft im Gewände der BGB-Gesellschaft; sofern man diese Verbände nicht mit Großfeld und Reuter, was sich aber in der wissenschaftlichen Diskussion als nicht konsens- und mehrheitsfähig erwiesen hat, als „nicht rechtsfähigen" Verein einordnet 57. 54 Vgl. Beuthien, GenG, 13. Auflage, 2000, § 13, Rdnr. 12 m. w. N.; Beuthien, ZIP 1996, 305 (313); vgl. auch OLG München, in: HRR 1941 Nr. 704, Urt. v. 02. 04. 1940, Az: 4 U 667/38; aA: Scholz, JW 1938, 3149 (3150). 55 Motive eines Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, in: Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 2, Parlamentarische Materialien (1866-1922), S. 78 ff. (98) (= Stenographische Berichte des Preußischen Landtages (Abgeordnetenhaus) 1866, Aktenstück Nr. 86). 56 Art. 211 ADHGB war der Vorläufer des heutigen § 41 Abs. 1 S. 2 AktG. 57 Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, 1977, S. 48 ff.; Reuter, FS-Semler, S. 931 (936). Nahe liegt der Einwand, dass das Handlungsorgan der Publikumspersonengesellschaft, das wegen des Grundsatzes der Selbstorganschaft ja Mitglied der Gesellschaft ist, bereits aufgrund seiner Mitgliedschaft haftet. Doch wird § 54 S. 2 BGB weit verstanden. Auch der rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte haftet, wenn er im Namen des nicht rechtsfähigen Vereins handelt (Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 54, Rdnr. 16). Anders wäre dies für den Bevollmächtigten der BGB-Gesellschaft. 3 Bergmann

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§ 1 Einleitung Hingewiesen sei auch auf die Partenreederei, die heute als die maritime Schwester der offenen Handelsgesellschaft verstanden wird 5 8 . Bei ihr hat der Gesetzgeber in § 492 HGB ausdrücklich die Option zur fremdorganschaftlichen HandlungsVerfassung vorgesehen; die gesetzliche Regelung erwähnt für die offene Handelsgesellschaft die Möglichkeit einen Dritten zum Organwalter zu bestellen expressis verbis nur für die Liquidationsgesellschaft, § 146 Abs. 1 S. 1 HGB. Das erklärt sich daraus, dass im Recht der Partenreederei zur Zeit der Beratungen zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch das Bedürfnis nach Einschaltung Dritter in die Organisationsverfassung der Gesellschaft bereits anerkannt war, man sich innerhalb der Nürnberger Kommission dagegen für das Recht der offenen Handelsgesellschaft, die dem damaligen Leitbild einer Haftungs- und Arbeitsgemeinschaft der das Geschäft selbst führenden Unternehmensträger entsprechend ausstaffiert wurde, keine Gedanken machte59.

Der Kernbestand des gesetzlich geregelten deutschen Gesellschaftsrechts ist, sieht man mal vom Aktienrecht ab, teilweise weit über 100 Jahre alt. Das positivierte Recht der Personenhandelsgesellschaften entspricht in seiner Substanz immer noch der Gestalt, die es im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 gefunden hat. Das ist solange unschädlich, wie man nicht mit der Lehre von Typenzwang und Typengesetzlichkeit auf die Idee verfällt, bestimmte Typenmerkmale zu unumstößlichen „Wesensmerkmalen" zu erheben, die gegen abweichende gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen resistent sein sollen. Die gesetzliche Positivierung der deutschen Gesellschaftsrechtskodifikationen ist überwiegend - wo nicht gerade gezielt gegen Missbräuche vorgegangen wurde oder mit der GmbH eine Gesellschaftsform quasi aus der Retorte geschaffen wurde - eine rechtstechnische Fremdbeschreibung vorgefundener organisatorischer Realstrukturen. Für die offene Handelsgesellschaft als Mitunternehmergemeinschaft ist die eigenständige Mitgliederselbstverwaltung das naheliegende Organisationsmodell. Anders bei der Partenreederei, die das Bedürfnis kannte, Dritte in die unmittelbare Unternehmensführung einzubinden. Die gesetzliche Regelung spiegelt noch heute die organisationsrechtlichen Bedürfnisse von damals wieder. Aber die wirtschaftlichen Verhältnisse und auch die Realstrukturen der Gesellschaften ändern sich. Körperschaftlich organisierte „Personengesellschaften" (Publikumsgesellschaften) sind keine Seltenheit mehr. Die Rechtswirklichkeit hat reagiert. Auch wenn die Rechtsprechung nominell noch an der Selbstorganschaft festhält, lässt sie doch faktisch die Einbindung Dritter in die Unternehmensführung zu. Diese Ablösung der verbandsorganisatorischen Realstruktur von der gesetzlich vorgegebenen Normalstruktur macht den Rückgriff auf eine ungeschriebene allgemeine Verbandslehre notwendig. Der Gesetzgeber wird meist nur tätig, wenn er glaubt, tagespolitischen Handlungsbedarf ausmachen zu können. Großangelegte Reformen verkümmern auf dem langen 58 K. Schmidt, Die Partenreederei - Stiefkind des Unternehmensrechts?, 1996, S. 9, 11; derselbe, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, passim. 59 Eine Erklärung im Gleichlauf von Herrschaft und Haftung zu suchen, kann keinen Erfolg haben. Einmal haften auch die Mitreeder persönlich und unbeschränkt, wenn auch nur pro rata (§ 507 HGB), zum anderen hat der deutsche Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet, den Grundsatz im deutschen Gesellschaftsrecht zu verwirklichen.

§ 1 Einleitung

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Weg zum ausgefertigten und verkündeten Gesetz zu Reförmchen und bleiben Stückwerk 60 oder werden, wie die Schuldrechtsreform, in blindem Aktionismus und kürzester Zeit beratungsresistent durchgepeitscht. Für einen strengen Gesetzespositivismus insgesamt ist das keine gute Basis. Immerhin wurde jüngst im Gefolge des HRefG der Kaufmannsbegriff grundlegend modernisiert und damit „mittelbar" das Recht der Personenhandelsgesellschaften und der BGB-Gesellschaft den heutigen Erfordernissen angepasst. Bezeichnenderweise hat sich die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft fernab der gesetzlichen Normierung vollzogen. Der gesellschaftsrechtliche Ist-Zustand wird durch das geschriebene Gesetzesrecht nicht mehr vollkommen wiedergegeben. Umso wichtiger sind allgemeine Lehren, die das notwendigerweise entstehende Vakuum schließen. Aus dem manchmal unvollkommenen und unstimmigen, aber nun einmal vorgegebenen Normenbestand, sowie aus den Erkenntnissen der in Rechtsprechung und Kautelarjurisprudenz lebenden Rechtspraxis, der Wissenschaft und Lehre ist ein „Allgemeiner Teil des Gesellschaftsrechtslehre" zu entwickeln. Der preußische Entwurf zu einem Handelsgesetzbuch sah noch einen Allgemeinen Teil des Rechts der Handelsgesellschaften in den Artt. 85 bis 90 vor, der aber die Beratungen zum ADHGB nicht überlebte 61. In den Beratungen wurde hervorgehoben, dass es nicht genügend gerechtfertigt sei, den Bestimmungen über die einzelnen Handelsgesellschaften einen allgemeinen Teil vorausgehen zu lassen, zumal erhebliche Einwände dagegen beständen, ob es möglich sei, alle Arten von Handelsgesellschaften unter einen Hut zu bringen 62 . Es wurde beschlossen, von der Idee eines allgemeinen Teil zu lassen, und das dort Geregelte in die besonderen Bestimmungen der einzelnen Handelsgesellschaften aufzunehmen 63.

C. Die fremdorganschaftlich verfasste Personengesellschaft als Problem des allgemeinen Verbandsrechts Selbstorganschaft ist ein allgemeines verbandsrechtliches Phänomen. Dieses Organisationsprinzip der Mitgliederselbstverwaltung, das den persönlich haftenden Gesellschaftern die organschaftlichen Leitungsbefugnisse zuweist, findet sich nicht nur bei den klassischen Personengesellschaften (BGB-Gesellschaft, offene Han60 Man denke nur an das Vorhaben einer GmbH-Reform, das 1980 zu einer GmbH-Novelle wurde; vgl. insoweit: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 33 I I 2 = S. 986 ff. 61 Als Handelsgesellschaften galten die oHG, die stille Gesellschaft und die Aktiengesellschaft (Art. 86 des preußischen Entwurfs). 62 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1, S. 154. 63 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1, S. 274; vgl. auch schon S. 154.

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§ 1 Einleitung

delsgesellschaft, Kommanditgesellschaft), sondern auch bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien 64 ; auch § 9 Abs. 2 S. 1 GenG bestimmt, dass die Mitglieder des genossenschaftlichen Vorstandes Genossen sein müssen. Selbstorganschaft ist kein Phänomen, das auf die Gesamthandsgesellschaften fixiert wäre. Im Gegenzug ist die Fremdorganschaft nicht auf „rechtsfähige" Kapitalgesellschaften oder Körperschaften beschränkt. Auch die Partenreederei, die EWIV und der nicht eingetragene Verein, die allesamt heute von der herrschenden Meinung als Gesamthandsgesellschaften begriffen werden, ist die Möglichkeit der Berufung Dritter in die Handlungsorganisation nicht fremd. Dieser summarische Überblick zeigt, dass mit dem tradierten gesellschaftsrechtlichen Dualismus, der versucht das Gesellschaftsrecht durch Gegensätze zu erklären 65, kein Staat zu machen ist. Es wird im weiteren Verlauf der Arbeit für die Besinnung auf einen verbandsrechtlichen Monismus plädiert. Diese Forderung erhält ihren Auftrieb dadurch, dass der Arbeit ein einheitlicher Begriff der juristischen Person zugrunde gelegt wird. Die Gesamthandslehre ist spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 tot 6 6 : die Gesamthandsgesellschaft ist rechtsfähig. Durch nichts anderes aber, als durch die Rechtsfähigkeit, zeichnet sich die juristische Person aus. Insbesondere die schon von Laband bemühte Differenzierung nach der persönlichen Mitgliederhaftung ist angesichts der unstreitigen Rechtsfähigkeit der Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht tragfähig 67. Selbstorganschaft und Fremdorganschaft ist ein Ausschnitt der Gesamtlehre von der Handlungsfähigkeit der juristischen Person. Am Ende steht eine gemeinsame Organschaftslehre für alle Verbandsformen. Die Ausflüge in ein allgemeines Verbandsrechts sind nicht Selbstzweck. Sie schaffen die Grundlagen zur Absicherung des eingeschlagenen Weges. Kern der Arbeit bleibt die Frage, ob es für die offene Handelsgesellschaft, für die Kommanditgesellschaft, die BGB-Gesellschaft, aber auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, für die bei monistischer Betrachtung nichts anderes gelten kann, möglich ist, vom Prinzip der Selbstorganschaft abzuweichen und - untechnisch gesprochen - Dritte in die Handlungsorganisation der Gesellschaft zu integrieren. Es ist nicht Ziel der Arbeit, eine allgemeine Organschaftslehre in all ihren Facetten zu entwickeln. Allgemeine Grundsätze werden nur dort gebildet, wo dies für die Beantwortung der Frage wesentlich ist. Dies gilt für das Eigenhandeln des Verbandes, die Handlungsorganisation als Instrument zur Herstellung der Handlungsfähigkeit, 64

Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine Kapitalgesellschaft, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. 65 Die Gegensätze lauten entweder juristische Person und Gesamthand oder Körperschaft und Personengesellschaft. 66 BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00. 67 Laband, ZHR Bd. 30 (1885), 469 (502 f.): „Vereinigungen, bei welchen das objektive Recht die Mitglieder von der Haftung für die zur Erreichung der Gemeinschaftszwecke eingegangenen Verbindlichkeiten befreit, sind juristische Personen; Vereinigungen, bei welchen Mitglieder als solche für die zur Erreichung der Gemeinschaftszwecke eingegangenen Verbindlichkeiten haften, sind Rechtsverhältnisse".

§ 1 Einleitung

die Grundsätze organschaftlichen Handelns (duty of care und duty of loyality) und allgemeine Grundsätze der Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung innerhalb der Organisationsverfassung. Die Selbst- und Fremdorganschaft wird nur - wie es dem allgemeinen Verständnis entspricht - für die Handlungsorgane der verschiedenen Gesellschaftsformen behandelt. Eine Differenzierung nach Selbst- und Fremdorgan wäre auch für die Besetzung für Kontrollgremien wie Aufsichts- oder Beiräte möglich, ebenso für das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung .

D. Der Gang der Darstellung Der Gang der Darstellung ist durch das Vorgesagte determiniert. Im ersten Abschnitt wird das Eigenhandeln der Verbände in den Mittelpunkt gestellt. Auf der Grundlage eines gesellschaftsrechtlichen Monismus wird anknüpfend an einen einheitlichen Begriff der juristischen Person die Handlungsfähigkeit der Verbände zu entwickeln sein. Die Handlungsfähigkeit des Verbandes wird hergestellt durch seine Handlungsorganisation oder Handlungsverfassung, also durch die Zuweisung organschaftlicher Befugnisse an die Gesellschaftsorgane. Das wird die Stelle sein, um die Begriffe Selbst- und Fremdorganschaft zu klären. Im Anschluss daran wird der Grundsatz der unbeschränkten Handlungsfähigkeit der privatrechtlichen Verbände niedergelegt (keine ultra-vires-Lehre) und im Kontext zur Lehre von der Kontinuität der Handlungsverfassung begründet. Sodann werden die allgemeinen Grundsätze des organschaftlichen Handelns niedergelegt. Im zweiten Abschnitt werden anhand bestehender gesetzestypischer Handlungsverfassungen die Ausformungen der Selbst- und Fremdorganschaft in der Verbandswirklichkeit untersucht und versucht, daraus allgemeine Grundsätze zu entwickeln. Der dritte Abschnitt wird sich dem Verhältnis von Selbst- und Fremdorganschaft zuwenden. Der vierte Abschnitt schließlich wird die Frage klären, ob eine fremdorganschaftlich verfasste oHG oder Kommanditgesellschaft rechtstechnisch und wertungsmäßig möglich ist.

1. Teil

Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes 1. Abschnitt

Das organschaftliche Handeln § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft A. Die Unterscheidung zwischen organschaftlichem Handeln und Dritthandeln Der Grundsatz der Selbstorganschaft wird vom Bundesgerichthofs dahin verstanden1, dass die „eigentliche gesellschaftliche Geschäftsführung, wie sie § 114 HGB im Auge hat" und „die organschaftliche Vertretungsbefugnis eines vertretungsberechtigten Gesellschafters nicht auf einen Dritten (Nicht-Gesellschafter) übertragen werden kann, daß also ein Dritter nicht organschaftlicher Vertreter einer Personenhandelsgesellschaft sein kann". Dann heißt es weiter: „Dieser Grundsatz schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, daß ein Dritter mit einer umfassenden Vollmacht (Generalvollmacht), die auch noch über den gesetzlich festgelegten Umfang einer Prokura hinausgeht, ausgestattet wird. Die Erteilung einer solchen Vollmacht ist der Personalhandelsgesellschaft ebenso wenig verwehrt wie einer natürlichen Person oder einer juristischen Person. Eine Umgehung des Verbots einer Übertragung der organschaftlichen Vertretungsbefugnis kann darin nicht erblickt werden. Der Generalbevollmächtigte erhält durch eine solche Vollmacht nicht etwa die Stellung eines gesetzlichen (organschaftlichen) Vertreters der Personalhandelsgesellschaft, diese Stellung verbleibt vielmehr bei dem zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Gesellschafter".

Diesen Ausführungen liegt zugrunde, was heute weitgehend Anerkennung in der Rechtswissenschaft gefunden hat: die qualitative Unterscheidung zwischen der Handlung eines Gesellschaftsorgans für seinen Verband (als Eigenhandeln der Ge1 BGHZ 36, 292 (293 ff.), Urt. v. 22. Ol. 1962, Az: I I ZR 11/61: Hervorhebungen durch den Verfasser. Vgl. auch BGH, NJW 1982, 1817, Urt. v. 05. 10. 1981, Az: I I ZR 203/80; BGH, in: NJW 1982, 877 (878), Urt. v. 16. 11. 1981, Az: I I ZR 213/80; BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: I I ZR 74/81; BGH, in: MittRhNotK 1994, 224, Urt. v. 20. 09. 1993, Az: I I ZR 204/92; OLG Köln, MittRhNotK 1993, 37 (38) = DStR 1992, 1771 Lt., Urt. v. 12 U 58/91; OLG Köln, in: NZG 1999, 769 (772), Urt. 25. 11. 1998, Az: 13 U 185/97; KG, in: BauR 2000, 114, Urt. v. 22. 12. 1998, Az: 27 U 429/98.

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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sellschaft) und der (beliebigen) Einschaltung eines bevollmächtigten Dritten 2. Diese Einsicht ist keine Selbstverständlichkeit. Namhafte Rechtswissenschaftler konnten und wollten keinen Unterschied erkennen zwischen der Organschaft und der Stellvertretung, insbesondere zwischen der Organschaft und der gesetzlichen Vertretung 3: wenn man Organ und Vertreter scharf voneinander trenne, so müsse sich doch dieser Unterschied in einer Verschiedenheit der rechtlichen Behandlung zeigen. Tatsächlich aber würden alle wesentlichen Rechtssätze der Vertretungslehre auf die Organe angewandt. Nur in einem Punkt gelte verschiedenes Recht4: die juristische Person hafte unbedingt für den Schaden, den ein Organ in Ausführung seiner Verrichtung Dritten zufüge (§ 31 BGB), während für Delikte eines Vertreters allenfalls nach § 831 BGB mit Exculpationsmöglichkeit gehaftet werde, für das Delikt eines gesetzlichen Vertreter eine Haftung sogar überhaupt nicht bestehe. § 31 BGB sei aber nicht Ergebnis einer theoretischen Deutung des Organs, sondern eine reine BilligkeitsVorschrift 5. Ein Unterschied ist augenfällig. Die gewillkürte Stellvertretung einerseits und die organschaftliche Vertretung andererseits erfüllen verschiedene Funktionen. Die gewillkürte Vertretung erweitert die Privatautonomie des Vertretenen; dieser kann auch ohne den Vertreter handeln, es wird nur seine tatsächliche Möglichkeit, am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen, erweitert. Die organschaftliche Vertretung eröffnet dagegen - ebenso wie die gesetzliche Vertretung (zB eines Geschäftsunfähigen) - dem Vertretenen überhaupt erst die Möglichkeit, rechtswirksam zu handeln6. Aufschluss darüber, wodurch sich organschaftliches 2 ZB: Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. (100); Pawlowski, ZHR Bd. 136 (1973), 69 (73). Unter starkem Einfluss der Organtheorie: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 101 = S. 256 ff. passim; derselbe, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 16 I I 1 b = S. 545 ff.; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 103 IV 2 = S. 618. Für die Organtheorie: v. Gierke , Dt. Privatrecht I, 1895, § 67 I = S. 519; derselbe, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 623 f.; Laband, AcP Bd. 73 (1888), 161 (187 f.). Auch der Fiktionstheorie ist diese Einsicht nicht unzugänglich, wie Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, 9. Auflage, 1906, § 59 Fn. la = S. 268 f. zeigt, wo man es „schief findet, bei Organhandeln von Vertretung zu sprechen. 3 ZB: v. Thür, BGB AT, 1910, § 32 I I = S. 461 f., 465; vgl. Enneccerus/Nipperdey, AT, 15. Auflage, 1959, § 103 IV = S. 617 Fn. 14 aE. Weitere Nachweise bei H. J. Wolff, ganschaft und juristische Person, Band 2, § 13 11 = S. 281 Fn. 1.

BGB Or-

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Insofern zustimmend: H J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 13 14 = S. 291 Fn. 5. 5 v. Thür, BGB AT, 1910, § 32 I I = S. 463 f. Allerdings will v. Thür auf S. 465 einen richtigen der Kern der Organtheorie darin ausmachen, dass Organe nicht nur - ununterscheidbar zum Vertreter - nach außen tätig würden, sondern auch das innere Leben der jur. Person produzierten (Geschäftsführung). In dieser Hinsicht seien die Organe keine Vertreter, denn § 164 BGB beschränke die Vertretung auf Rechtsgeschäfte. 6 Pawlowski, ZHR Bd. 136 (1973), 69 (73); John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 78 unterscheidet insofern zwischen der notwendigen Handlungsorganisation, damit die Rechtsperson überhaupt handeln kann, und einer möglichen Handlungsorganisation durch die Bestellung eines zusätzlichen rechtsgeschäftlichen Vertreters. Ahnlich H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 13 II 3 = S. 296 ff. Vgl. auch schon Windscheid/

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Handeln von der gesetzlichen Vertretung abhebt, gibt diese Funktionsbeschreibung nicht. Der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage liegt in der Anerkenntnis der Handlungsfähigkeit des Verbandes. Das ist die Spielwiese der sogenannten Vertreter- und Organtheorie 7 . Nach der von Friedrich Karl von Savigny vorgetragenen Vertretertheorie ist die juristische Person zwar Vermögens-, aber handlungsunfähig. Ähnlich dem Unmündigen oder Wahnsinnigen, muss sie durch eine natürliche, dazu verfassungsmäßig berufenen Person - als ihrem gesetzlichem Vertreter 8 - vertreten werden 9 . Das als richtig unterstellt, könnte die juristische Person als solche aus sich heraus keine Rechtsgeschäfte abschließen, sie bedürfte des gesetzlichen Vertreters; ebenso wäre die juristische Person deliktsunfähig, denn „jedes wahre Delict setzt dolus oder culpa voraus, mithin Gesinnung und Zurechnung, kann also bey juristischen Personen eben so wenig vorkommen, als bey Unmündigen oder Wahnsinnigen" 1 0 . Vergleicht man die Vereinbarkeit dieses Ansatzes mit dem heutigen Normenbestand, fällt die Schwierigkeit auf, die die Vertretertheorie mit der dogmatischen Erfassung des § 31 BGB hat 1 1 . Sie kann diese Regelung nur als Billigkeitsvorschrift erklä-

Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, 9. Auflage, 1906, § 59 = S. 268 f. Fn. la, die es „schief finden, bei juristischen Personen von Vertretung zu sprechen. Mit dem Begriff der Vertretung verbinde man den Gedanken einer Handlung jemandes für einen anderen, die dieser denkbar selbst vornehmen könne, aber nicht vornehmen will oder tatsächlich nicht vornehmen kann, oder von deren Vornahme ihn das Recht wegen Mangelhaftigkeit seiner Einsichts- und Willensfähigkeit ausschließt. Bei der juristischen Person könne aber etwas anderes als ein Handeln durch Organe gar nicht vorkommen. 7 Die Diskussion über die Handlungsfähigkeit des Verbandes war Teil der Auseinandersetzung über das recht verstandene Wesen der juristischen Personen. Der Frage nach der Handlungsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaften wurde lange Zeit keine Bedeutung zugewiesen. Das ist angesichts der tradierten Gesamthandslehre auch konsequent. Wird die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft nicht erkannt, wird ja in der Tat niemand anderes vertreten als die Gesellschafter {Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 257). Heute ist geklärt, dass auch die sogenannten Personengesellschaften, von der BGB-Gesellschaft bis hinauf zur Kommanditgesellschaft rechtsfähig sind (BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00). Damit stellt sich auch hier das Problem der Organschaft: ist der von den Gesellschaftern zu trennende Rechtsträger auch handlungsfähig? (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 10 I 3 = S. 261 f.; vgl. Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. (109): „Je stärker sich die Personengesellschaft rechtlich verselbstständigt, desto mehr nehmen die vertretungsbefugten Personengesellschafter organgleiche Aufgaben wahr"). 8

Soergel /Schultze-v. Lasaulx, 11. Auflage, § 26, Rdnr. 3. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 90, S. 282 f.; Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 I 4 = S. 377; vgl. auch: Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 4 II 3 a = S. 212; Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, 9. Auflage, 1906, § 59 = S. 268 f., die von einer fingierten Handlungs- und Willensfähigkeit sprechen; unklar Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 103 IV = S. 615 ff., die zwar der Organtheorie folgen wollen, aber davon sprechen, dass die Handlung der Organe nur als Handlung der juristischen Person „gedacht" wird. 10 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 95, S. 317; Hervorhebungen im Original. 9

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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ren 12 : auch wenn die juristische Person als willenloses Wesen nicht fähig sei, eine unerlaubte Handlung zu begehen, so müsse ihr doch angesonnen werden, wenn sie durch die künstlich gewährte Vertretung die Möglichkeit gewinne, am Rechtsverkehr teilzunehmen, auch die Nachteile zu tragen, welche diese Vertretung mit sich bringt 13 . Im „denkbar schärfsten Gegensatz"14 zur Vertretertheorie positioniert sich die Organtheorie, die sich deutlich formuliert bei Otto von Gierke findet: die Verbandsperson ist handlungsfähig; sie ist kein der Vertretung durch andere Personen bedürftiges Begriffsding, sondern ein lebendiges Wesen, das als solches durch seine Organe will und handelt. Die Vertretung, die hier stattfinde, habe nichts mit der Stellvertretung des einen für den anderen gemeinsam15. Die juristische Person handelt selbst und unmittelbar; „ihr Vorstand tritt nicht als ein von ihr verschiedenes Rechtssubject dem Dritten gegenüber, sondern die juristische Person handelt durch ihn, sie bedient sich desselben wie sich die physische Person des Mundes und der Hand zur Abgabe von Willenserklärungen bedient" 16 . Entsprechend ist die juristische Person deliktsfähig 17. Die Organtheorie hat keine Schwierigkeiten § 31 BGB als einen aus dem Wesen der juristischen Person folgenden Grundsatz zu erklären, hadert dann aber ihrerseits mit dem Wortlaut des § 26 Abs. 1 S. 1 HS 2 BGB, wenn dort vom gesetzlichen oder verfassungsmäßig berufenen Vertreter gesprochen wird. Allerdings lässt sich weder aus § 26 BGB noch aus § 31 BGB eine Entscheidung zugunsten einer der beiden Theorien begründen 18. Folgten die Ausführungen der ersten Kommission, materiell auf einem Konglomerat von Fiktions- und Zweckpersonifikationstheorien ruhend 19, - auch wenn weitgehend pragmatisch gehal11 Soergei / Schultze-v. Lasaulx, 11. Auflage, § 31 Rdnr. 2: § 31 BGB kann zwar nicht als Beweis der Organtheorie gesehen werden, lässt sich aber am einfachsten von der Organtheorie erklären; vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, S. 30. 12 Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 III 1 = S. 384; auch v. Thür, BGB AT, 1910, § 32 II = S. 464. 13 Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, 9. Auflage, 1906, § 59 = S. 271 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht 1,1980, § 4 II 3 a = S. 212 f.; so auch die Motive I, S. 102 f. 14

v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 603. 15 v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 59 II 4 = S. 4729; derselbe, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 603 ff.; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 255; vgl. auch Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. ( 94 f.); unklar: Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 103 IV = S. 615 ff. 16 Laband, AcP Bd. 73 (1888), 161 (187 f.). 17 v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 67 V = S. 528 ff. is Flume, Die juristische Person, 1983, § 1 III = S. 21; Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, S. 31. 19 Vgl. Motive I, S. 78; deutlicher noch Gebhard im Vorentwurf: „Wenn Wissenschaft und Gesetzgebung nicht dabei stehen geblieben sind, das subjektlose Vermögen als ein solches zu behandeln, sondern sich veranlaßt sieht, dem so gearteten Vermögen in einer vorgestellten Person einen Mittelpunkt zu geben, wie ihn das Personenvermögen im Menschen hat, so liegt

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

t e n 2 0 - noch der Vertretertheorie 21 , hat sich die zweite Kommission angesichts der daran geübten Kritik einer Stellungnahme enthalten. Dies kulminiert in der Formulierung des § 26 Abs. 1 S. 1 HS 2 BGB: Das Gesetz sagt nicht, wie es die Vertretertheorie verlangen würde, dass der Vorstand gesetzlicher Vertreter ist, sondern dass er die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat. Bei ihren Formulierungsanstrengungen war die zweite Kommission bemüht, einerseits dem Missverständnis zu begegnen, dass der Entwurf hinsichtlich des Wesens der juristischen Person einer bestimmten Theorie folge, und andererseits die Vorteile zu wahren, die sich aus dem Hinweis auf die Stellung eines gesetzlichen Vertreters für die Bemessung der Vertretungsmacht des Vorstandes ergeben. Die Qual der Wahl zwischen Vertreter- und Organtheorie sollte der Wissenschaft vorbehalten bleiben: „Die Entscheidung der Konstruktionsfrage, ob die juristische Person ein handlungsfähiges Wesen sei und durch ihre Organe sich im Verkehr bethätige oder ob sie handlungsunfähig sei und deshalb eines Vertreters bedürfe, soll der Wissenschaft überlassen bleiben" 22 . Wie § 26 B G B nichts für die Vertretertheorie hergibt, so kann aus § 31 BGB nichts für die Organtheorie gewonnen werden. Der Gesetzgeber hat sie in der Tat als solche Billigkeitsvorschrift in das Gesetz übernommen, wie sie von der Vertre-

in diesem Vorgehen keineswegs der Versuch, mit Hülfe einer erkünstelten Konstruktion die Wirklichkeit zu beugen; das Recht eignet sich, indem es mit der juristischen Persönlichkeit operiert, eine dem Leben geläufige Vorstellung an; es bringt in der Form der Gleichsetzung des subjektlosen Vermögens und des Personenvermögens zum Ausdruck, daß die vermögensrechtlichen Normen, welche zunächst für das Personenvermögen und dessen Bestandteile berechnet sind, auch auf das subjektlose Vermögen und dessen Bestandteile Anwendung finden. Der Begriff der juristischen Persönlichkeit dient der Technik des Rechts; die Vorstellung, daß es sich bei der Anerkennung einer juristischen Person um die künstliche Kreation eines wirklichen Subjekts handele, ist unhaltbar" (Vorentwurf der Redaktoren zum BGB, Allgemeiner Teil, Teil 2, Abschn. I I Tit. 1. II, S. 42). Vgl. auch Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, 9. Auflage, 1906, § 49 = S. 114. 20 Motive I, S. 79: „Den Begriff der juristischen Person zu konstruieren und zu rechtfertigen ist Aufgabe der Wissenschaft". Nur der Inhalt der juristischen Persönlichkeit müsse festgestellt werden, um das Verständnis der Vorschriften nicht zu erschweren. „Das Wesen der juristischen Persönlichkeit besteht für das bürgerliche Recht darin, daß die an sich nur natürlichen Personen zustehende Rechtsfähigkeit kraft positiver Satzung einem Personenvereine oder einem Vermögensinbegriff beigelegt i s t . . . . Man kann noch weiter gehen und aufstellen, die juristische Persönlichkeit sei überhaupt gleichbedeutend mit dieser Vermögensfähigkeit". 21 Motive I, S. 94: „Die Körperschaft als künstlich geschaffene, willenlose Trägerin von Rechten bedarf der Vertretung. Nur durch Vertreter kann sie am Verkehre teilnehmen"; ähnlich Formulierung auf S. 103: „So zweifellos die Körperschaft an sich als willenloses Wesen nicht fähig sei kann, ..."; so auch der Vorentwurf: „Wenn die Willens- und Handlungsunfähigkeit juristischer Personen nicht verkannt wird, so liegt es auch zu Tage, daß es bezüglich derselben an der ersten Voraussetzung gebricht, unter welcher sie von privatrechtlichen Folgen eigenen schuldhaften Verhaltens getroffen werden könnten". Eine andere Frage sei, ob sie kraft Gesetzes für das unerlaubte Verhalten ihrer Vertreter haftbar zu machen sei (Vorentwurf der Redaktoren um BGB, Allgemeiner Teil, Teil 2, Abschn. I I Tit. 1. II, S. 103). 22

Protokolle I, S. 509.

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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tertheorie bezeichnet wird. Der Vorentwurf der Redaktoren zum B G B lehnte eine Haftung für außervertragliche Schadens Verursachung überhaupt a b 2 3 . Die erste Kommission änderte - auf dem Boden der Vertretertheorie - die Marschrichtung; aus Billigkeitserwägungen. Zu § 31 B G B heißt es: „Die Vorschrift beruht auf Zweckmäßigkeitsrücksichten. So zweifellos die Körperschaft an sich als willenloses Wesen nicht fähig sein kann, eine unerlaubte Handlung zu begehen", so zeige sich doch in der neueren Rechtsentwicklung die Neigung, eine Haftung der Körperschaft für die unerlaubten Handlungen ihrer Vertreter eintreten zu lassen. „Diese Neigung gründet sich in einem schwer von der Hand zu weisenden Verkehrsbedürfnisse. .. .Zur Begründung dieser Haftbarmachung hat man mit Recht darauf verwiesen, daß, wenn die Körperschaft durch die Vertretung die Möglichkeit gewinne, i m Rechtsverkehr handelnd aufzutreten, ihr auch angesonnen werde müsse, die Nachteile zu tragen, welche die künstlich gewährte Vertretung mit sich bringe" 2 4 . In Hinblick auf die herrschende Meinung, die § 31 BGB zu einem Prinzip der allgemeinen Repräsentantenhaftung ausgebaut hat, sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen: in der zweiten Kommission wurde die Ansicht einer Minderheit, die die Haftung des § 31 BGB auf jede Schadensverursachung eines Angestellten der Körperschaft ausdehnen wollte, von der Mehrheit verworfen: § 31 BGB regele nur die Haftung des Vereins, die auf dessen besonderen Verhältnissen zu seinen Organen beruhe. Dagegen sei die Frage, inwieweit eine verschuldensunabhängige Haftung für das Verhalten Dritter anzuerkennen ist, für juristische Personen nicht anders zu entscheiden, als für natürliche. Diese Frage sei erst bei den Beratungen des Abschnittes über die unerlaubten Handlungen zu entscheiden25. Bei der Erörterung des § 831 BGB wurde dann beschlossen, dass sich eine Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn nur bei eigenem schuldhaften Verhalten rechtfertige; aus der Vorschrift des (späteren) § 31 BGB lasse sich nichts Gegenteiliges herleiten, da sie ihren Grund in Besonderheiten habe26. Nimmt man diese Äußerungen ernst, verbietet sich eine Anwendung des § 31 BGB über den organschaftlichen Bereich hinaus. Der isolierte Blick auf Vertreter- und Organtheorie führt alleine nicht weiter. Sie müssen als Annex eines umfassenderen Verständnisses der juristischen Person betrachtet werden. Erst der Blick auf die hinter der Vertreter- und Organtheorie ste23 Vorentwurf der Redaktoren um BGB, Allgemeiner Teil, Teil 2, Abschn. II Tit. 1. II, S. 103 ff. 24

Motive I, S. 102 f.; für die Motive (S. 102) ist es selbstverständlich, dass bei Erfüllung einer Verbindlichkeit - also im rechtsgeschäftlichen Bereich - nach der Vorschrift des heutigen § 278 BGB gehaftet wird. Der Entwurf distanziert sich von Ansätzen, die über die Vorschrift des § 31 BGB hinausgehen wollen und die juristische Person nicht nur für das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter verantwortlich machen wollen, sondern auch für das ihrer Angestellten und Vertreter: „Der vorliegende Entwurf erkennt nicht an, daß wer eine Person zur Verrichtung von Leistungen bestellt, ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden für die unerlaubten Handlungen einzustehen habe, welche die Person bei Ausführung ihrer Verrichtungen begeht..., und es ist kein Grund vorhanden, die Körperschaften in dieser Hinsicht ungünstiger zu stellen als die physischen Personen" (Motive I, S. 104, § 46 aE). 25 Protokolle I, S. 523. 26 Protokolle II, S. 603.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

henden Lehren von der juristischen Person zeigt, wie es zur Annahme einer handlungsunfähigen juristischen Person kommen konnte.

B. Die juristische Person Auch wenn es eine nicht mehr zu überblickende Vielzahl von Theorien zur Erklärung der juristischen Person gibt 27 , lassen sie sich doch überwiegend danach scheiden, welchen Raum sie der vorrechtlichen, sozialen Realität des Verbandes, der mit Rechts- und Handlungsfähigkeit ausgestattet werden soll, einräumen. Wer die soziale Realität des Verbandes - Teubner nennt ihn den corporate actor 2S nicht hinreichend zu Kenntnis nimmt, wird dessen (soziale) Handlungsfähigkeit nicht erkennen und keine Veranlassung haben, ihm auf rechtlicher Ebene Handlungsfähigkeit, also Geschäfts- und Deliktsfähigkeit zuzuweisen. Ein solches tatsächlich handlungsunfähiges Etwas bedarf - schon aufgrund des Fehlens eigener Handlungsmöglichkeiten - gleich dem „Unmündigen oder Wahnsinnigen" des gesetzlichen Vertreters, dessen Handeln zwar der Gesellschaft über die Zurechnungsnorm des § 164 BGB zuzurechnen ist, aber doch kein eigenes Handeln des Verbandes ist. Das Recht reagiert auf das von ihm in der sozialen Realität Vorgefundene 29. Das Rechtsinstitut der juristischen Person ist wie das Rechtsinstitut der natürlichen Person die Verrechtlichung von in der sozialen Realität vorgefundenen Wirklichkeiten 30 . Das Rechtsinstitut der natürlichen Person knüpft am Menschen an. Der Mensch ist eine biologisch-soziale Wesenheit, ausgestattet mit natürlicher Hand27 Vgl. nur die umfassende Darstellung bei H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 1. 28 Teubner, KritV 1987, 61 (64). Teubner macht sich mit dem Handwerkszeug der Sozialwissenschaften auf die Suche nach einer vorrechtlichen Identität der juristischen Person, die er in folgender - in ihrer Kompaktheit allerdings dunklen - These umschreibt: „Die juristische Person ist weder Fiktion noch hat sie als Substrat die „leiblich-geistige Einheit" der realen Verbandspersönlichkeit, noch ist sie nur ein verselbständigtes Sondervermögen. Aber auch mit dem Begriff des sozialen Handlungssystems, ja selbst mit dem der formalen Organisation ist noch nicht das Substrat getroffen. Vielmehr ist in systemtheoretischer Sicht die soziale Realität der juristischen Person ein „Kollektiv": die sozial verbindliche Selbstbeschreibung eines organisierten Handlungssystems als zyklische Verknüpfung von Identität und Handlung" (Hervorhebung im Original). Dieses soziale Substrat nennt Teubner corporate actor. 29 Vgl. Regelsberger, Pandekten, Band 1, 1893, § 75 I = S. 291: „Das positive Recht schafft in der Regel diese socialen Gebilde nicht; es findet sie als Erzeugnisse des Gemeinlebens vor und bekleidet sie dem Bedürfnis und seiner Aufgabe entsprechend mit Rechtsfähigkeit". 30 Vgl. v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 59 I I 2 = S. 471; auch Raiser, AcP Bd. 199 (1999), 104 (137): die juristische Person sei ein im sozialen Leben als eigenständige Einheit auftretender handlungsfähiger Verband und eine Organisation, welche das geltende Recht gleich natürlichen Personen prinzipiell als uneingeschränkt rechtsfähig anerkennt.

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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lungsfähigkeit. Hierauf reagiert das Rechtssystem: § 1 BGB weist ihm die Rechtsfähigkeit zu; nach den Maßgaben der §§ 104 ff., 827 ff. BGB ist er rechtsgeschäftlich und deliktisch handlungsfähig 31. Durch diese Verrechtlichung wird aus dem Menschen die natürliche Person 32. Das gleiche gilt für die juristische Person. Das Rechtssystem reagiert auf den corporate actor; aus der in der sozialen Wirklichkeit existierenden überindividuellen Wirkungseinheit wird die juristische Person. Es wird sich zeigen, dass die Vertretertheorie Folge eines Ansatzes ist, der die soziale Handlungsfähigkeit des corporate actors nicht wahrnimmt.

I. Die Lehre Friedrich Karls von Savignys (sog. Fiktionstheorie)

Die Vertreterlehre geht auf die Deutung der juristischen Person durch v. Savigny zurück. Die Lehre v. Savignys ist das Ergebnis des Zusammentreffens zweier Grundeinstellungen: eines Gesetzespositivismus, der die Geltung von Normen keineswegs auf bloße Geschichtlichkeit zurückführt, sondern auf den staatlichen Normbefehl, und einer von Kant übernommenen Bestimmung der subjektiven Vermögensrechte als Willensmacht des sich in sittlicher Autonomie selbst bestimmenden Menschen33. Dieser ursprüngliche Begriff der Person ist nach v. Savigny Modifikationen durch das positive Recht zugänglich; er kann ausgedehnt und auf irgendetwas außer dem einzelnen Menschen übertragen werden 34. Ein solches „künstliches, durch bloße Fiction angenommenes Subject" 35 nennt er juristische Person, eine Person, die bloß zu juristischen Zwecken angenommen wird. In ihr findet er einen Träger subjektiver Rechte neben dem einzelnen Menschen36. Die Zuweisung subjektiver Rechte an ein anderes Gebilde als den Einzelmenschen ist für v. Savigny materielle Fiktion, d. h. die Anordnung der Rechtsfolgen eines natürlichen Sachverhalts auf einen anderen, der in Wahrheit der Dinge so nicht besteht37. Keineswegs leugnet v. Savigny - wie manchmal unterstellt 38 - die soziale

31 Vgl. Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. (92). 32

In diesem Sinne ist auch die natürliche Person juristische Person. Wieacker, FS-Huber, S. 339 (361 f.); vgl. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 60, S. 2: „Alles Recht ist vorhanden um der sittlichen, jedem einzelnen Menschen inwohnenden Freyheit willen. Darum muss der ursprüngliche Begriff der Person oder des Rechtssubjects zusammen fallen mit dem Begriff des Menschen, und diese ursprüngliche Identität läßt sich in folgender Formel ausdrücken: Jeder einzelne Mensch, und nur der einzelne Mensch, ist rechtsfähig"; Soergel / Schultze-v. Lasaulx, 11. Auflage, Vor § 21, Rdnr. 5 spricht insoweit von einer unbewiesenen Prämisse. 34 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 60 = S. 2, § 85 = S. 236. 35 vgl. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 85 = S. 236. 36 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 85 = S. 236. 3 7 Wieacker, FS-Huber, S. 339 (362). 3 « ZB: v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 58 V 1 a = S. 463 f. 33

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Realität der Wesenheiten, die die Eigenschaft juristische Person erstreben, oder betrachtet diese sozialen Wesenheiten als „ F i k t i o n " 3 9 . Die Frage nach der sozialen Realität dessen, dem die Eigenschaft „juristische Person" zukommt, das Wesen des menschlichen Verbandes wird von v. Savigny nicht problematisiert, sie ist für ihn eine selbstverständliche Gegebenheit, gehört aber nicht zu seinem Rechtsbegriff der juristischen Person 40 . Für v. Savigny erschöpft sich das Begriff der juristischen Person in der privatrechtlichen Eigenschaft der Vermögensfähigkeit; ihm geht es nicht um das Wesen der Sozialgebilde, die juristische Person sind, sondern nur um die Vermögensfähigkeit der Sozialgebilde, deren Existenz nicht zu diskutieren i s t 4 1 . Die entscheidende und zutreffende Erkenntnis, die die Fiktionstheorie vermittelt, besteht darin, dass die Rechtsfähigkeit juristischer Personen auf positivrechtlicher Zuweisung beruht 4 2 : der als solcher existierende corporate actor wird erst dann zur juristischen Person, wenn ihm das Rechtssystem Rechtsfähigkeit, also die Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten zu sein, zuweist 4 3 , wie j a auch der Mensch erst zur natürlichen Person wird, wenn ihm durch das Rechtssystem zumindest Rechtsfähigkeit zugewiesen wird; dass das deutsche Recht hierzu gem. 39 Aber auch das gibt es: So definieren Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, 9. Auflage, 1906, § 57 = S. 255 f. in dem Bemühen subjektlose Rechte zu vermeiden die juristische Person als „eine nicht wirklich existierende, nur vorgestellte Person, welche als Subject von Rechten und Verbindlichkeiten behandelt wird". 40 Flume, Die juristische Person, 1983, § 1 I 2 = S. 4; Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 8 II 4 = S. 198 f. So unterscheidet v. Savigny zwischen juristischen Personen, die ein notwendiges Dasein haben, wie zB Gemeinden und Städte und gewillkürten (missverständlich künstlich genannt) juristischen Personen, die ihr Dasein dem willkürlichen Entschluss einzelner verdanken (System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 86 1 = S. 242 f.). Dass juristische Personen für v. Savigny Realitäten sind, ergibt sich daraus, dass der Staat für ihn die wichtigste juristische Person ist (System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 86 3 = S. 245). 41 Flume, Die juristische Person, 1983, § 112 = S. 11. So bestimmt v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 85, S. 239 f. den Begriff der juristischen Person: „sie ist ein des Vermögens fähiges künstlich angenommenes Subjekt (Anm. des Verfassers: Diese missverständliche Formulierung bezieht sich auf die Ausgangsthese der alleinigen Rechtsfähigkeit des Menschen, die aber kraft Normbefehls auf etwas anderes Ubertragen werden kann, d. h. die materielle Fiktion). - Indem nun hier das Wesen der juristischen Person ausschließend in die privatrechtliche Eigenschaft der Vermögensfähigkeit gesetzt wird, soll damit keineswegs behauptet werden, daß an den wirklich vorhandenen juristischen Personen nur allein diese Eigenschaft zu finden oder doch von Wichtigkeit wäre. Im Gegenteil setzt sie stets irgend einen von ihr verschiedenen selbstständigen Zweck voraus, der eben durch die Vermögensfähigkeit gefördert werden soll, und der an sich oft ungleich wichtiger ist als diese. Nur für das System des Privatrechts sind sie durchaus Nichts als vermögensfähige Subjecte, und jede andere Seite ihres Wesens liegt völlig außer dessen Gränzen". 42 Wieacker, FS-Huber, S. 339 (361); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 8 I I 4 = S. 198 f. Das wird auch nicht von der Lehre der realen Verbandspersönlichkeit bestritten: v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 19 f.; derselbe, Dt. Privatrecht I, 1895, § 63 II = S. 487 f. 4

3 Vgl. schon Regelsberger, Pandekten, Band 1, 1893, § 75 I = S. 291.

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet ist, ist eine andere Frage. Vor übertriebenem Gesetzespositivismus sollte man sich allerdings hüten: dem geschriebenen Recht muss ein solcher Rechtssatz, der der vorrechtlichen Wesenheit Rechtsfähigkeit zuweist, nicht angehören44. Auf die vorpositiven Strukturen der Wesenheiten, denen die Rechtsfähigkeit zugesprochen wird, geht v. Savigny nicht ein. Auch wenn er die reale Existenz der sozialen Gebilde nicht verleugnet, so bleibt ihm doch die ihnen innewohnende soziale Handlungsfähigkeit, die Anknüpfungspunkt der Verrechtlichung zur Geschäfts- und Deliktsfähigkeit ist, verborgen. Daher korrespondiert für v. Savigny der Rechtsfähigkeit bei den Gebilden, die juristische Person sind, keine Handlungsfähigkeit 45. Auf die Willensmacht des einzelnen Menschen fixiert, bleibt für ihn im Dunklen, dass der Wille einzelner Personen in dem Willen einer überindividuellen Wirkungseinheit aufgehen kann und so den originären Willen dieser Wirkungseinheit bildet 46 . So steht v. Savigny vor dem selbstverursachten Dilemma ein der Vermögensrechte fähiges Rechtssubjekt geschaffen zu haben, das aber mangels Geschäftsfähigkeit die Bedingungen zum Erwerb derselben nicht erfüllen kann 47 . Diesen Widerspruch löst v. Savigny durch das Rechtsinstitut der Vertretung auf 48 . Folge ist, was als Vertretertheorie bereits vorgestellt wurde: der Wille des Vertreters wird der juristischen Person „in Folge einer Fiction, als ihr eigener Wille" nur zugerechnet 49, ist aber nicht Eigenhandeln der juristischen Person, sondern Eigen44 Der anerkennende Rechtssatz kann sowohl dem Gesetzesrecht, dem Gewohnheitsrecht (v. Gierke , Dt. Privatrecht I, 1895, § 63 II = S. 487), als auch dem Bereich der Rechtsfortbildung angehören. Das ist mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaften geschehen. 4 5 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2,1840, § 90 = S. 282: „Handlungen setzen ein denkendes und wollendes Wesen, einen einzelnen Menschen, voraus, was eben die juristischen Personen als bloße Fictionen nicht sind". Die Handlungsfähigkeit kann für v. Savigny durch die Fiktion »juristische Person" nicht ersetzt werden. 46

Vgl. Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 255: „Die Organträger oder Organpersonen sind nicht wie die Stellvertreter einer anderen Rechtsperson so zugeordnet, daß ihr Handeln an die Stelle des Handelns dieser tritt und ihr deshalb zugerechnet wird, sondern sie sind - als Organe, d. h. wenn sie so die juristische Person verwirklichend tätig werden Teile der juristischen Person selbst, in denen diese überhaupt erst zu Leben kommt", bzw. konkretisiert wird. 47 Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. (99) spricht von einem „Mißverhältnis zwischen Plan und Ergebnis: Wenn eine juristische Person erdacht werden soll, so sollte dabei nicht nur ein fremder Hilfe bedürftiges juristisches Persönchen herauskommen". 48 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 90 = S. 282 f.; dagegen Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. (99): Wenn eine juristische Person erfunden werden soll, so sollte dabei nicht nur ein fremder Hilfe bedürftiges juristisches Persönchen herauskommen. 49 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 94 = S. 312. Darin bestehe eben das Wesen der juristischen Person (v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 91 III = S. 292). In Konsequenz der Versagung der rechtlichen Handlungsfähigkeit, geht der juristischen Person für v. Savignys auch die Deliktsfähigkeit ab, denn „jedes wahre Delict setzt dolus oder culpa voraus, mithin Gesinnung und Zurechnung, kann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

handeln der für die juristische Person handelnden Organe. Verschulden des Organs ist - auch wenn die juristische Person nach der heutigen Rechtsordnung dafür haftet (§ 31 BGB) - kein Eigenverschulden der juristischen Person; Wissen und Kenntnis des Organs ist nicht Wissen und Kenntnis der juristischen Person, sondern Gegenstand der Frage, ob sie der juristischen Person zugerechnet werden 50. Die rechtsgeschäftliche Vertretung der juristischen Person durch das Organ ist für die Vertretertheorie in gleicher Weise Stellvertretung wie das Stellvertretungshandeln des gesetzlichen Vertreters oder des Bevollmächtigten51.

II. Theorie der realen Verbandspersönlichkeit (v. Gierke)

Den einseitigen Blick auf die positivrechtliche Seite in der Verleihung der Rechtsfähigkeit vermeiden die Theorien, die wie die Lehre von der realen Verbandspersönlichkeit versuchen, die Wirklichkeit der sozialen Wesenheiten zu erfassen. Otto v. Gierke knüpft an der sozialen Realität des Verbandes als real existierender Verbandsperson an 52 . Diese Erkenntnis, dass es ein vorrechtliches Substrat gibt, kann natürlich, wie es schon die richtige Einsicht der Lehre v. Savignys war, nichts daran ändern, dass „eine juristische Person als solche nur kraft des positiven Rechts zu bestehen vermag" 53 . Der Verband ist nur kraft Rechtssatzes juristische Person. Hier bietet sich der bereits oben gezogene Vergleich zur natürlichen Person an. Die vorrechtliche Existenz der Verbandes ist ebenso wenig wie die schlichte Existenz des Menschen eine Schöpfung des objektiven Rechts, aber wie der Mensch nur durch Anerkennung durch das objektive Recht zur natürliche Person also bey juristischen Personen eben so wenig vorkommen, als bey Unmündigen oder Wahnsinnigen" (v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 95, S. 317, Hervorhebungen im Original). Erst recht unterfällt nach v. Savignys die juristische Person nicht dem Strafrecht (System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 94 = S. 312). Schwierigkeiten bereitet der Lehre v. Savignys insbesondere der Besitzerwerb, weil er wegen seiner rein faktischen Natur mit einer solchen Fiktion - die juristischen Handlungen der Vertreter werden der juristischen Person als eigene Handlung angerechnet - nicht vereinbar scheint. Undoktrinär (Flume, Die juristische Person, 1983, § 1 I 4 = S. 15) erkennt v. Savigny an, dass man sich über diese Schwierigkeiten dadurch hinwegsetzte, dass „man die allgemeinen Vertreter oder Vorsteher der juristischen Person, auch in Ansehung des Besitzerwerbes, an die Stelle der juristischen Person treten ließ" (v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 91 III = S. 292). Vgl. auch Puchta in: Rudorff(Hrsg.), Georg Friedrich Puchta's kleine civilistischen Schriften, 1851, S. 504 ff. 50 Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 14 = S. 377. 51 Flume, Die juristische Person, 1983, § 111 = S. 379. 52 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 8 II 3 = S. 197; Flume, Die juristische Person, 1983, § 1 II = S. 18 sieht den Verdienst v. Gierkes darin, die Wirklichkeit der Gebilde, die juristische Personen sind, gegenüber den diese Wirklichkeit verneinenden Theorien bewusst gemacht zu haben. 53 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 19 f.; derselbe, Dt. Privatrecht I, 1895, § 63 II = S. 487 f.; der anerkennende Rechtssatz könne sowohl dem Gesetzesrecht als auch dem Gewohnheitsrecht angehören (Dt. Privatrecht I, 1895, § 63 II = S. 487).

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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wird, wird der Verband nur insoweit zur juristischen Person, wie das Recht seine Rechtsfähigkeit anerkennt 54. Das Wahrnehmen der sozialen Verbandsrealität zahlt sich aus. Denn es bringt die Erkenntnis, dass der Verband als solcher willens- und handlungsfähig ist 5 5 . Er ist - um in der Terminologie v. Gierkes zu bleiben - kein totes Begriffsding, das - „gleich dem Kinde oder Wahnsinnigen"56 - der Vertretung durch andere Personen bedarf, sondern ein lebendiges Wesen, das als solches will und handelt. An dieser Stelle schließt sich der Kreis zwischen Handlungsfähigkeit und Organ. Der Wille des Verbandes wird durch seine Organe gebildet und betätigt57. Was ein Verbandsorgan in seinem Kompetenzbereich tut oder nicht tut, ist eine Handlung oder ein Unterlassen der Körperschaft selbst; das Wollen oder Nichtwollen der zuständigen Organe ist der Wille der Gesellschaft, dass Wissen oder Nichtwissen der maßgebenden Organe das Wissen des Verbandes58. Auf dem Boden der Organtheorie kann erklärt werden, was der Unterschied ist zwischen Organhandeln und Stellvertretung: Organhandeln ist das unmittelbare Eigenhandeln der Gesellschaft. Handeln des Stellvertreters ist dagegen kein originäres Eigenhandeln der Gesellschaft. Es wird ihr erst über die Vorschriften der Stellvertretung zugerechnet. Zur Unterscheidung von Organhandeln und Stellvertretung heißt es bereits bei v. Gierke : „Natürlich können für eine Körperschaft auch Stellvertreter handeln. Denn vermöge der Gleichstellung von Verbandspersonen und Einzelpersonen im Individualrecht sind im Allgemeinen auch die individualrechtlichen Stellvertretungsverhältnisse beiden Personenklassen in gleicher Weise zugänglich. Alleine eine derartige Vertretung bleibt von ihrer Vertretung durch ihr Organ grundsätzlich verschieden" 59. Wie genau die vorrechtliche Wesenheit bezeichnet werden soll, ob mit Teubner als corporate actor 60 , oder mit Rittner oder Flume als überindividuelle Wirkungseinheit 61, kann in54 v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 59 I I 2 = S. 471. Indem v. Gierke die Brücke vom Faktum der Verbandsrealität zur Rechtsfolge der Verbandspersönlichkeit zieht, engt er den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers gegenüber den Verbänden ein; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 8 I I 3 = S. 197. 55 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 603; derselbe, Dt. Privatrecht I, 1895, § 59 II 4 = S. 472 f., § 67 I = S. 518. 56 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 603 f. 57 v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 59 II 4 = S. 472. 58 v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 67 I = 518 f.; vgl. BGH, in: W M 1959, 81 (84), Urt. v. 23. 10. 1958, Az: II ZR 127/57: „Das Wissen eines Organmitglieds ist das Wissen der Rechtsperson". 59 v. Gierke , Dt. Privatrecht I, 1895, § 67 I = S. 519. Die Vertretung durch ein Organ sei keine Stellvertretung des einen für den anderen, sondern Darstellung des Ganzen durch den Teil, v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 59 I I 4 = S. 472. 60 Teubner, KritV 1987, 61 (64); Hervorhebung im Original. 61 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 229: „Die juristische Person ist eine überindividuelle Wirkungseinheit der Rechtsordnung", die zur Verwirklichung einer bestimmten rechtlich verfassten Substanz objektiven Geistes dienen soll, die dem Personalen 4 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes soweit offen bleiben, als dass sie im sozialen Leben als eigenständige Einheit auftretender handlungsfähiger Verband wahrgenommen wird 6 2 .

Die juristische Person ist also handlungsfähiges Rechtssubjekt. Sie handelt durch ihre Organe, bzw. das Handeln ihrer Organe ist das Handeln der juristischen Person. Damit ist der Begriff des organschaftlichen Handelns mit Inhalt gefüllt. Bleibt die Frage, ob dies auf die Gesamthandsgesellschaften übertragen werden kann. Man denke an die Bemerkung v. Gierkes: „Insbesondere ist nicht zu billigen, wenn die Praxis bisweilen den Repräsentanten einer blossen Rechtsgemeinschaft zur gesamten Hand als deren „Organ" bezeichnet". Rittner hält es auf dem Boden der tradierten Gesamthandslehre für verfehlt, bei Gesamthandsgesellschaften von „organschaftlicher Vertretung" zu reden, da bei der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft niemand anderes vertreten werde, als die Gesellschafter 63. Auf dem Boden der Vertretertheorie lässt es Flume mit der herrschenden Meinung angehen, auch bei Personengesellschaften von organschaftlicher Geschäftsführung und Vertretung zu sprechen, denn dadurch werde verdeutlicht, dass die Gesamthandsgesellschaft ebenso wenig handlungsfähig sei wie die juristische Person und deshalb eines Organs bedürfe, das für sie handelt64 Es sei aber zu berücksichtigen, dass „der Gesellschafter der Personengesellschaft keine Organstellung hat wie der Vorstand der juristischen Person, sondern zugleich in eigener Sache tätig ist" 6 5 . Die „Besonderheit der Geschäftsführung und Vertretung des Gesellschafters für die Gesellschaft bestehe darin, daß der Gesellschafter nicht für die Gesellschaft als eine ihm gegenüber verselbständigte Person, sondern für die Personengemeinschaft handelt, die er selbst in seiner Person mit bildet" 66 . Der Ansatz Rittners ist heute überholt. Die Gesamthandsgesellschaft ist als rechtsfähig anerkannt und tritt als Rechtssubjekt neben die Gesellschafter. Aber selbst wenn man die Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaft anerkennt, zöaber dadurch verhaftet bleibt, dass Rechtspersonen in sie eingegliedert werden, die jene Substanz - in bestimmter Weise - immerfort konkretisieren. Flume spricht von Wirkungseinheit und verweist auf den Ansatz von Rittner, vgl. Flume, Die juristische Person, 1983, § 1 V = S. 26 Fn. 53. 62 Vgl. Raiser, AcP Bd. 199 (1999), 104 (137). 63 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 257. Wenn § 125 HGB von der Vertretung der Gesellschaft spreche, handele es sich dabei lediglich um eine Abbreviatur. Vgl. Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (436); Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 I 1 = S. 214. 64 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 10 I = S. 131. Da Flume auf dem Boden der Vertretertheorie steht, misst er der Charakterisierung als organschaftlich keine besondere Bedeutung zu. So auch schon für die juristische Person: Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 I = S. 379: Die rechtsgeschäftliche Vertretung der juristischen Person durch das Organ sei in gleicher Weise Stellvertretung wie das Stellvertretungshandeln des gesetzlichen Vertreters oder des Bevollmächtigten. Die Besonderheit der Organe bestehe nur darin, dass sie der juristischen Person nicht als Fremde gegenüberständen, sondern ihr - durch Verfassung - zugehörig sind und wie die Mitglieder zur juristischen Person als dem idealen Ganzen gehören. 65 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 15 II 2 = S. 265. 66 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 101 = S. 131.

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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gert man doch einen Moment, den Organbegriff der juristischen Person auf die Personengesellschaft zu übertragen. Der Grund dafür findet sich im Dualismus des deutschen Gesellschaftsrechts, der klassischen dogmatischen Zweiteilung des deutschen Gesellschaftsrechts in Gesamthandsgesellschaften und juristische Personen, die - um eine Formulierung v. Gierkes zu gebrauchen - „durch eine unüberbrückbare begriffliche Kluft getrennt" 67 sein sollen. Das leuchtet nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaft nicht mehr ein. Warum soll der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien - gem. § 278 Abs. 1 AktG zweifellos eine juristische Person - ein Organ anderer Qualität sein als der persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft iSd § 161 HGB mit vielleicht vielen hundert kapitalistisch beteiligten Kommanditisten? Hier wird als Antwort angeboten: seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Personengesellschaften - ausgenommen bleiben natürlich schlichte Innengesellschaften - gibt es diesen Unterschied nicht mehr. Die Kommanditgesellschaft, die offene Handelsgesellschaft, aber auch die BGB-Gesellschaft und der nicht eingetragene oder konzessionierte Verein sind genauso juristische Person wie die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Aktiengesellschaft, die Genossenschaft, die GmbH oder der eingetragene Verein. Das gleiche gilt für die (echten) Vorgesellschaften. Sie sind nicht werdende juristische Personen, die erst mit der Eintragung zur juristischen Person werden; sie sind mit ihrer Entstehung juristische Person. Die Eintragung hat nur Bedeutung für die Haftung der Gesellschafter. Solange sich die Gesellschafter die Haftungsfreistellung durch Herbeiführung der Eintragung nicht verdient haben, haften sie grundsätzlich für die Schulden der Gesellschaft unbeschränkt.

I I I . Aufgabe des gesellschaftsrechtlichen Dualismus

Eine Definition der juristischen Person muss zwei Anforderungen gerecht werden: einmal muss sie auf das vorrechtliche Substrat, die überindividuelle Wirkungseinheit, als vorrechtlich gegebene soziale Realität hindeuten, zum zweiten muss sie auf die Legitimationswirkung durch das positive Recht hinweisen, durch die der corporate actor auf juristischer Ebene rechts- und handlungsfähig 68 wird. Dementsprechend kann mit Raiser die juristische Person als ein im sozialen Leben als eigenständige Einheit auftretender handlungsfähiger Verband und Organisation beschrieben werden, welche das geltende Recht gleich natürlichen Personen als uneingeschränkt rechts- und handlungsfähig anerkennt 69. Mit diesem Verständnis der juristischen Person hat man die theoretische Basis gelegt zur Überwindung des überkommenen gesellschaftsrechtlichen Dualismus. 67 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 339. Vgl. zB: Flume, Die Personengesellschaft, § 7 I = S. 89: Der wahre Gegensatz lautet Gesamthand und juristische Person. 68 Gemeint ist die rechtliche Handlungsfähigkeit, also Geschäfts- und Deliktsfähigkeit. 69 Raiser, AcPBd. 199 (1999), 104 (137).

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Der überkommene gesellschaftsrechtliche Dualismus ist spätestens seit der Normierung des identitätswahrenden Formwechsels zwischen Personengesellschaften und Körperschaften durch §§ 191, 202 UmwG sowie der (zusätzlichen) Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaften durch den Bundesgerichtshof 70 aus dem Spiel. Die vom Umwandlungsgesetzgeber angenommene Identität 71 von Personengesellschaft und Körperschaft, also Gesamthand und juristischer Person, zerbricht die klassische dogmatische Zweiteilung. Raiser untersucht, worin sich Gesamthand und juristische Person noch unterscheiden. Sein Ergebnis fällt negativ aus: die Gesamthand als gesellschafts- und verbandsrechtliche Kategorie sei überholt 72. So auch Timm: „Es lässt sich mit Fug und Recht feststellen, daß der Gesetzgeber ... mit der Normierung der Rechtsträgerschaft der GbR in § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG und dem Identitätsprinzip in § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG die klassische dogmatische Zweiteilung des Gesellschaftsrechts in juristische Personen einerseits und Gesamthandsgesellschaften ... seit Jahresbeginn 1995 „aus den Angeln gehoben hat,,... Die Anerkennung der Rechtssubjektivität der Gesamthandsgesellschaften zwingt vielmehr dazu, den lange Zeit propagierten Dualismus zwischen den juristischen Personen des Privatrechts (Verein, AG, GmbH) und den Gesamthandsgesellschaften (OHG, KG, BGB-Außengesellschaft) insoweit als obsolet zu betrachten". Die Folge: offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die BGB-Gesellschaft, die EWIV und die Partnerschaftsgesellschaft sind als juristische Personen einzuordnen 73. Dem ist zuzustimmen. Die Gesamthandsgesellschaften erfüllen alle Anforderungen, die an den Begriff der juristischen Person gestellt werden. Auf vorrechtlicher Ebene kann kein Unterschied gefunden werden. Die Personengesellschaften werden weitgehend im sozialen Leben genauso als ein als eigenständige Einheit auftretender handlungsfähiger Verband und Organisation wahrgenommen, wie die klassischen juristischen Personen. Der Organisationsgrad eines nicht eingetragenen Vereins oder einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft oder einer offenen Handelsgesellschaft muss nicht hinter dem einer - vielleicht personalistischen - Kapitalgesellschaft oder ei70 BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00. 71 Dabei kann nicht, wie im Schrifttum gelegentlich versucht wird, die Identitätswahrung als rechtliche Fiktion abgetan werden. Die Gesetzesbegründung ist eindeutig: § 202 UmwG „enthält die für jeden Formwechsel gültige Aussage, daß der Rechtsträger in der neuen Rechtsform, die in dem Umwandlungsbeschluß - zulässigerweise - bestimmt worden ist, weiterbesteht (vgl. § 194 Abs. 1 Nr. 1). Die aus dem geltenden Recht übernommene Formulierung macht deutlich, daß bei einem Formwechsel die Identität des Rechtsträgers erhalten bleibt" (BR-Drucksache 75/94, S. 144). Der Umwandlungsgesetzgeber von 1969 meinte noch, dass das Gesellschaftsvermögen der Personenhandelsgesellschaften nicht der Gesellschaft selbst, sondern den Gesellschaftern gehöre. Daher war ein Rechtsformwechsel zwischen oHG und Kapitalgesellschaft aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen (BTDrucksache V/3165, S. 8 f.).

72 Raiser, FS-Zöllner, S. 469 ff. (470). 73 Timm, ZGR 1996, 247 (251 f.); bereits derselbe, NJW 1995, 3209 (3210).

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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nem eingetragenen Verein mit nur wenigen Mitgliedern zurückbleiben. Eine Personengesellschaft kann - in Anleihe an Reuter - ebenso Satzungsgesellschaft sein, also von den Interessen der Mitglieder losgelöste, überindividuelle Interessen verfolgen, wie eine Kapitalgesellschaft Vertragsgesellschaft sein kann, also die individuelle Interessenverfolgung der Gesellschafter in den Mittelpunkt stellt 7 4 . Man denke auch an die schon als eigenständige Rechtsform wahrgenommene GmbH & Co. KG, die formal-juristisch aber Kommanditgesellschaft und damit Gesamthandsgesellschaft ist. Natürlich wurde versucht, dies zu leugnen. Der juristischen Person als überindividuelle Wirkungseinheit stellt Rittner die Gesamthandsgesellschaften gegenüber, deren Gesellschafter stets Selbstunternehmer blieben und nicht in einer höheren Willensgemeinschaft als Glieder aufgingen 75. Dem widerspricht zu Recht Flume: Auch die Gesamthand ist eine überindividuelle Wirkungseinheit; der überindividuelle Zweck konstituiere sie in gleicher Weise wie die juristische Person 76. Zutreffend stellt Raiser fest, dass die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und erwerbswirtschaftliche BGB-Gesellschaft nicht weniger als überindividuelle Willens- und Wirkungseinheiten wahrgenommen werden als die klassischen juristischen Personen77. A u f der rechtlichen Ebene wird der Begriff der juristischen Person durch die Rechtsfähigkeit (und Handlungsfähigkeit) umschrieben. Die Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaften ist geklärt. Dann ist es inkonsequent und widersprüchlich, die Gesamthandsgesellschaften aus dem Begriff der juristischen Person auszuklammern, obwohl sie dessen Merkmale erfüllen 7 8 . Die herrschende Lehre, die mit Flume und v. Gierke prominente Vertreter h a t 7 9 , setzt die Unterscheidung zwi74 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 62; dazu: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 I 2 b = S. 86; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 1IV 1 b aa = S. 75. 7 5 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 251 ff., zB S. 254. 76 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 7 I = S. 89. Der Unterschied zwischen Gesamthand und juristischer Person liege darin, dass die eine Personenverband (Gruppe), die andere Verbandsperson (Organisation) ist (AT, 1/1, 1977, § 7 II = S. 94). 77 78

Raiser, AcP Bd. 199 (1999), 104 (137 ff.). Vgl. Raiser, AcP Bd. 199 (1999), 104 (127) ; derselbe, FS-Zöllner, S. 469 ff. (482).

79 „Der Unterschied zwischen der Gesamthandsgesellschaft und der juristischen Person besteht darin, daß die Gesamthand, wie Gierke gesagt hat, als „kollektive Einheit", als Gruppe der in ihr vereinigten Personen zu verstehen ist, während bei der juristischen Person die Organisation als solche, als Person verabsolutiert wird" (Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 7 II = S. 89). Weiter: „Das Problem des Verhältnisses von Gesamthandsgesellschaft und juristischer Person ist, wenn man die Gesamthandsgesellschaft als Wirkungseinheit versteht, nicht mehr ein Problem der Rechtszuständigkeit ... Aber gerade, wenn man erkennt, daß hinsichtlich der Rechtszuständigkeit die Gesamthandsgesellschaft der juristischen Person grundsätzlich gleichsteht, tritt der Unterschied, daß die Gesamthandsgesellschaft ein Personenverband und die körperschaftliche juristische Person eine Verbandsperson ist, um so deutlicher hervor, daß nämlich die Gesamthandsgesellschaft als Personengemeinschaft in ihren Mitgliedern existiert, während die juristische Person als Organisation in ihrer Existenz gegenüber den Mitgliedern verselbständigt ist" (Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 7 II = S. 93 f.).

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

sehen Gesamthandsgesellschaft und juristischer Person als gegeben voraus und verpackt sie mit dem schönen Begriff vom Gegensatz zwischen Personenverband (Gruppe) und Verbandsperson (Organisation) 80. Wenn man aber, wie gerade Flume dies tut 8 1 , die juristische Person als eine mit Rechtsfähigkeit versehene Wirkungsoder Organisationseinheit definiert, und gleichermaßen den Gesamthandsgesellschaften Rechtsfähigkeit zuspricht, muss man sich die Inkonsequenz vorhalten lassen, die Gesamthandsgesellschaften dem Begriff der juristischen Person zu entziehen, obwohl sie dessen Merkmale erfüllten. Hier liegt das Dilemma der herrschenden Meinung: „Es gibt nur die Alternative, entweder den Begriff der juristischen Person allein durch die Rechtsfähigkeit zu definieren und dann konsequent alle rechtsfähigen Verbände als juristische Personen einzuordnen oder als zusätzliches Begriffsmerkmal ein bestimmtes Strukturmerkmal zu verlangen, woraus zwingend folgt, daß es zwei Arten von rechtsfähigen Personenvereinigungen gibt, juristische Personen und andere (Gesamthandsgesellschaften), in denen sich dieses Merkmal nicht findet" 82 . Die dualistische Betrachtungsweise kann nur richtig sein, wenn sich ein solches Element finden lässt83. Aber ein solches Element fehlt, wie Raiser und bereits früher Schreiber nachgewiesen haben84. Das gesuchte Differenzierungskriterium liegt nicht in der unbeschränkten Haftung. Die Frage der Mitgliederhaftung hat nichts mit der Zuordnung eines Verbandes zu Gesamthandsgesellschaften oder juristischen Personen zu tun 85 . Es gibt Gesamthandsgesellschaften, in denen kein Gesellschafter haftet, so der nicht eingetragene Idealverein und die Idealgesellschaft des bürgerlichen Rechts86, während es andererseits juristische Personen mit unbeschränkter Haftung gibt: die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschusspflicht (§§ 6 Nr. 3, 105 GenG). Wenn die HaftungsVerfassung der wirt-

80 Dazu Raiser, FS-Zöllner, S. 469 ff. (476 ff., 480 ff., 482). 81 Flume , Die juristische Person, 1983, § 1 V = S. 29. 82 Raiser, FS-Zöllner, S. 469 ff. (482 ff.). 83 Vgl. schon Schreiber, Die KGaA,1925, § 2 = S. 14. 84 Schreiber, Die KGaA,1925, § 2 = S. 31 f.; Raiser, AcP Bd. 194 (1994), 495 (503 ff.); derselbe, FS-Zöllner, S. 469 ff. (484 ff.). Auch Wieland kann kein der Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, GmbH gemeinsames Merkmal auffinden, das es rechtfertigen würde, sie von der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft getrennt zu betrachten (Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 35 II 2= S. 408 ff.); vgl. § 35 IV = S. 428: „Doch ist das Bemühen, allgemein anerkannte Unterscheidungsmerkmale aufzufinden, bis auf den heutigen Tag fruchtlos geblieben". 85 Nach Wiedemann, Gesellschaftsecht I, 1980, § 4 I 3 b = S. 203 kann es juristische Personen mit haftenden Mitgliedern geben, ist also die Haftung keine logische Konsequenz des Rechtsinstituts; aber umgekehrt sei keine Enthaftung der Mitglieder ohne Anerkennung als juristische Person möglich. 86 Vgl. zur Haftung der Idealgesellschaft: OLG Breslau, in: OLGRspr. 32, 362 (363), Urt. v. 18. 02. 1916; zustimmend: Soergéi-Schultze-v. Lasaulx, 10. Auflage, § 714, Anm. 9; Harry Westermann, Personengesellschaftsrecht, 4. Auflage 1979, Rdnr. 379; vgl. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 16IV 5 = S. 331.

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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schaftlich tätigen Gesamthandsgesellschaften regelmäßig eine gesetzliche, unbeschränkte Außenhaftung vorsieht, die der juristischen Personen regelmäßig aber nicht, so ist das keine Folge der Natur der Gesamthandsgesellschaft, sondern Folge unterschiedlicher Gläubigerschutzregeln und einer unterschiedlichen Finanzverfassung. In den Vorgesellschaften haften die Gesellschafter nicht deswegen, weil die Gesellschaft noch keine juristische Person ist, sondern weil sich die Gesellschafter wegen der noch fehlenden Eintragung die Haftungsbegrenzung noch nicht verdient haben. Bei wirtschaftlichen Verbänden setzt die Haftungsbegrenzung die Eintragung voraus. Der früher populäre Gedanke, dass eine Personengesellschaft nur angenommen werden könne, wenn wenigstens ein Gesellschafter persönlich hafte 87 , hat „negative" Gesetzgebungsgeschichte geschrieben88. Er war im Spiel, als sich im Gesetzgebungsvorfeld zur GmbH der Oechselhäusersche Entwurf, der eine oHG mit beschränkter Haftung vorsah, trotz freundlicher Aufnahme in Industrie- und Handelskreisen, nicht durchsetzen konnte 89 . Das Wesensmerkmal der oHG als personalistische Gesellschaft wurde in der unbeschränkten Haftung der Gesellschafter gesehen90. Wenn es an der unbeschränkten Haftung fehlen sollte, war für eine „Personengesellschaft" nach dem Vorbilde der oHG kein Raum. Deshalb wurde die GmbH ins Leben gerufen, die weniger oHG, dafür aber mehr Aktiengesellschaft sein sollte 91 . Auch innerhalb der Organisationsstruktur lässt sich ein trennender Unterschied nicht finden. Weder muss eine juristische Person immer körperschaftlich (zB personalistische GmbH), noch eine Gesamthand immer personalistisch (kapitalistische Personengesellschaft) organisiert sein; § 130 Abs. 3 HGB nF hat die Handels87 ZB Laband, ZHR Bd. 30 (1885), 469 (502 f.). 88

Schon bei den Verhandlungen der Nürnberger Kommission zum Wesen der offenen Handelsgesellschaft hat die unbeschränkte Haftung eine mögliche Einordnung als juristische Person erschwert; vgl. Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1, S. 154 ff. (IX. Sitzung vom 18. 02. 1857), S. 274 ff. (XXXII. Sitzung vom 09. 03. 1857). So führte eine Auffassung aus, dass das Wesen der oHG mit dem Wesen der juristischen Person notwendig in Widerspruch gerate. Denn man wolle doch gewiss nicht, dass für die Obliegenheit der Gesellschaft die von ihr wesentlich verschiedenen Persönlichkeiten der Gesellschafter nicht verpflichtet würden. Wolle man diese Folge, die aus dem Wesen der juristischen Person folge, vermeiden, werde man sich selber untreu; denn man müsse, um die beschriebenen Konsequenzen zu vermeiden, formulieren: die Handelsgesellschaft sei eine juristische Person, aber die Gesellschafter sind die Personen, die mit ihrem Vermögen für die Schulden dieser Person einzustehen haben. Was diese Auffassung anprangert, ist heute geltendes Recht: die offene Handelsgesellschaft ist eine von der Persönlichkeit der Gesellschafter zu trennende Rechtsperson (juristische Person), für deren Schulden die Gesellschafter aber haften. 89

Raisch, FS-Knur, S. 165 ff. (168). Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 34. 91 Vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 35, 31 ff. 90

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Personengesellschaften sogar ein Stück weiter in Richtung Körperschaft verschoben. Auch der Grundsatz der Selbstorganschaft kann das Merkmal nicht liefern. Mit der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine Körperschaft nach dem Vorbild der Personenhandelsgesellschaften selbstorganschaftlich verfasst (§ 278 Abs. 2 AktG); in der Genossenschaft müssen die Vorstandsmitglieder Genossen sein (§ 9 Abs. 2 S. 1 GenG); mit der EWIV und der Partenreederei wurden zwei Gesamthandsgesellschaften ausdrücklich die Möglichkeit zugestanden, einen Gesellschaftsfremden zum Geschäftsführer bzw. Korrespondentreeder zu bestellen (Art. 19 der EWIV-Verordnung, § 492 HGB). Und auch die Vorgesellschaften sind bereits nach dem Vorbild der eingetragenen Gesellschaft verfasst. Die Unterscheidung zwischen juristischer Person und (rechtsfähiger) Gesamthandsgesellschaft kann nicht länger aufrechterhalten werden. Alle Außengesellschaften, auch die Vorgesellschaften sind als juristische Personen einzuordnen; die Rechtsfigur der Gesamthand ist im Gesellschaftsrecht am Ende 92 . Der Organbegriff gilt daher für alle rechtsfähigen Verbände. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem organschaftlichen Handeln eines persönlich haftenden Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft und dem Handeln eines Geschäftsführers einer GmbH.

IV. Eine allgemeine Verbandslehre

An die Stelle des überholten Dualismus kann eine allgemeine Verbandslehre treten. Die dualistische Lehre hat sich, indem sie die verschiedenen Arten der Gesellschaften unter entgegengesetzte Denkformen subsumierte und diese zu leitenden Prinzipien der rechtlichen Beurteilung erhob, die Möglichkeit zu einem umfassenden Systemverständnis selbst verbaut 93. Nur eine vergleichende Methode, die die einzelnen verbandsrechtlichen Elemente und ihr Zusammenwirken (Organisationsprinzip der Handlungsverfassung, Haftungsverfassung, etc.) untersucht, kann die einzelnen Rechtsformen des Gesellschaftsrechts stimmig erklären. Die herrschende Lehre war durch ihren Ausgangspunkt gezwungen, Ungleichartiges zu vereinigen, Gleichartiges zu trennen, indem sie das eine mal die Einheits-, das andere mal die Vielheitsvorstellung in die Dinge hineinlegte94. Mit den Begründern einer allgemeinen Verbandslehre, Wieland und Schreiber, ist an die Stelle des Dualismus folgende Aussage zu stellen: von der „losen" BGB-Gesellschaft bis hinauf zur Aktien92 Raiser, FS-Zöllner, S. 469 ff. (486). 93 Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 35 = S. 402 f. 94 Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 35 = S. 403 f.: „Derselbe Entstehungsvorgang wird hier zum Vertrag, dort zum Kreations- oder Gesamtakt; was sich hier als Komplex von Forderungsrechten darstellt, erscheine dort als Mitgliedschaft; den Vertretern der Gesellschaft werden die Organe der Körperschaft gegenübergestellt; der unbeschränkten Haftung der offenen Handelsgesellschaft wird die angeblich beschränkte Haftung der Aktiengesellschaft als solcher fälschlich gegenüber gestellt".

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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gesellschaft baut sich eine ununterbrochene, durch keine Zäsur zu trennende Stufenfolge gesellschaftlicher Gebilde auf; es zeigt sich ein Bild allmählicher Abstufungen, von den sehr weit abstrahierten Organisationsformen der Aktiengesellschaft und Publikumsgesellschaften bis hin zur ursprünglichen Mitgliederselbstverwaltung in der personalistisch verfassten Β GB-Gesellschaft 95. Man muss sich hüten, die gerade überwundene Zweiteilung des Gesellschaftsrechts durch eine andere zu ersetzen. Daher ist in seiner Absolutheit auch der Satz von Stoll nicht zu akzeptieren: „Die wahren Gegensätze lauten nicht Gesellschaft und juristische Persönlichkeit, sondern Gesellschaft und Verein" 96 . Zwar sind Selbstorganschaft als Mittel der ursprünglichen Mitgliederselbstverwaltung in personalistischen Zusammenschlüssen und Fremdorganschaft als abstrahierte Form der Unternehmensverwaltung in körperschaftlichen Verbänden unterschiedliche Organisationsformen, aber sie sind doch nur die Extremformen auf einer ununterbrochenen, durch keine Zäsur zu trennende Stufenfolge organisatorischer Abstrahierung 97, die zudem in beliebiger Vermischung auftreten können: die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine weitgehend abstrahierte Körperschaft, aber doch selbstorganschaftlich verfasst, während die personalistischste GmbH doch ihre fremdorganschaftliche Handlungsorganisation behält. Das wird hier dazu führen, an Stelle der Differenzierung zwischen „nicht rechtsfähigem" Verein und BGB-Gesellschaft den „einheitlichen" nicht eingetragenen Verband zu setzen (siehe unten § 17). Eine Zweiteilung im Sinne Stolls lässt zudem die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und idealen Verbänden aus dem Blick. Eine wirtschaftliche Körperschaft ist anders verfasst als ein Idealverein (siehe unten) 98 . Und doch kann auch das Kriterium der Zweckverfolgung nicht zum Unterscheidungsmerkmal im Gesellschaftsrecht erhoben werden. Es gibt mehrere Begriffspaare (Fremdorganschaft - Selbstorganschaft; wirtschaftlicher - idealer Zweck; etc.), von denen ein Verband mal mehr das eine, mal mehr das andere erfüllt. Ziel muss es sein, auf den Verband die Vorschriften anzuwenden, die der konkreten Organisation entsprechen: es ist nicht ausschließlich danach zu differenzieren, ob ein Verein oder eine Gesellschaft vorliegt, sondern zu untersuchen, welche Norm der vorliegenden Situation am nächsten kommt 99 . Diese

95 Schreiber, Die KGaA,1925, § 2 = S. 31 f.; Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 35 IV = S. 427. 96 Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49. 97 Vgl. Neubecker, Vereine ohne Rechtsfähigkeit, 1. Teil: Grundbegriffe und geschichtlicher Überblick, 1908, S. 15: „Damit sind die beiden Extreme festgelegt, die konträren Gegensatz bezeichnen. Und die Gegensätze sind nur konträr! Wie zwischen Schwarz und Weiß unendliche viele Sorten Grau denkbar sind, so unendlich viele Spielarten zwischen dem ausgeprägtesten „Verein" ... und der ausgeprägtesten „Gesellschaft" ...". 98 Das kann man in der gesetzlichen Regelung festmachen: die §§ 25 ff. BGB sind auf den Idealverein zugeschnitten, die §§ 705 ff. haben eher die wirtschaftliche Gesellschaft im Auge; der Wirtschaftsverein ist seinerseits geregelt im Genossenschaftsgesetz und im Aktiengesetz. 99 Vgl. BGH, in: NJW 1979,2304 (2305) „Forum S", Urt. v. 02.04.1979, Az: II ZR 141 / 78.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Einheitsbetrachtung kann der hier vorgelegte Begriff der juristischen Person leisten. Alle dem deutschen Recht bekannten Rechtsformen - mit Ausnahme der Innengesellschaften - sind juristische Personen, unabhängig von der Frage ihrer wirtschaftlichen oder idealen Zweckverfolgung oder Organisationsverfassung. Eine pauschale und nicht weiter substantiierte Behauptung, die Selbstorganschaft gehöre zum Wesen der Personen- oder Gesamthandsgesellschaften 100 , wäre demnach unhaltbar. Das Prinzip der Selbstorganschaft ist Organisationsprinzip der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft, wie es zugleich Organisationsprinzip der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist. Die Folge dieses weiten Begriffs der juristischen Person kann man als freie Körperschaftsbildung betrachten. Die Erkenntnis, dass jede überindividuelle Wirkungseinheit durch Zuweisung der Rechts- und Geschäftsfähigkeit zur juristischen Person aufsteigt, führt zusammen mit dem Rechtsformzwang, der jeden Verband, sofern er nicht die Voraussetzung einer besonderen Rechtsform erfüllt, als (rechtsfähige) offene Handelsgesellschaft oder (rechtsfähige) BGB-Gesellschaft einordnet, dazu, dass jede Außengesellschaft rechtsfähig und damit juristische Person ist. Allerdings muss man sich von der Vorstellung lösen, der Einordnung eines Verbandes als juristische Person außer der Erkenntnis seiner Rechts- und Handlungsfähigkeit besondere Rechtsfolgen entnehmen zu können. Die Frage der Haftung der Gesellschafter hängt nicht von der Frage ab, ob der Verband juristische Person ist, sondern ob der Verband in einer Rechtsform eingetragen ist, die zumindest für einen Teil der Gesellschafter eine Haftungsbeschränkung kennt (Kommanditgesellschaft, GmbH).

V. Die Handlungsverfassung der juristischen Person als rechtskonstruktive Fremdbeschreibung der sozialen Handlungsfähigkeit Die Rechtsordnung findet die überindividuellen, organisierten Wirkungseinheiten, denen es Rechts- und Geschäftsfähigkeit zuweist, in der sozialen Wirklichkeit v o r 1 0 1 . Der Prozess der Verrechtlichung ist eine rechtskonstruktive Fremdbeschreibung des vorgefundenen organisierten Sozialsystems 102 . Die gesetzlich fixierte Handlungsverfassung der juristischen Personen ist eine Fremdbeschreibung der vorgefundenen sozialen Organisationen in juristischer Begrifflichkeit. In der sozialen Realität ist der corporate actor bzw. die überindividuelle Wirkungseinheit eine selbsthandelnde, am Verkehr teilnehmende Wesenheit: das vorpositive Substrat der juristischen Person ist sozial handlungsfähig. Das Handeln bestimmter in die soziale Organisation integrierter Personen ist das Handeln des sozialen Systems selbst 103 ; ja, die so»oo So zB: BGHZ 41, 367 (369), Urt. v.40. 05. 1964, Az: II ZR 42/62. ιοί Vgl. schon Regelsbergen Pandekten, Band 1, 1893, § 75 I = S. 291. ι 0 2 Das Rechtssystem beobachtet mit den Mitteln seiner Begrifflichkeit, wie sich ein organisiertes Sozialsystem selbst betrachtet und von seiner Umwelt beobachtet wird (Teubner, KritV 1987,61 (71)). i° 3 Teubner, KritV 1987, 61 (73): das Handeln einzelner Personen wird dem System sozial zugerechnet.

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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ziale Realität der überindividuellen Wirkungseinheit konkretisiert sich erst im Handeln und Wollen ihrer Organpersonen 104. Das Sozialsystem hat eine Handlungsorganisation, die die soziale Handlungsfähigkeit des Verbandes herstellt; es ist - bereits auf vorrechtlicher Ebene - organschaftlich organisiert.

Die vorgefundene soziale Organisation wird in eine juristische Konstruktion gegossen und dem corporate actor wie ein Rechtskleid übergezogen. Bei der Maßanfertigung des Rechtskleides kann sich die Rechtsordnung mehr oder weniger viele Freiheiten herausnehmen 105. Es besteht eine Wechselbeziehung zwischen vorjuristischer und juristischer Organisationsstruktur: der Gesetzgeber orientiert sich regelmäßig an gewachsenen Strukturen; die wachsenden Strukturen ihrerseits können durch Entscheidungen des Rechtssystems in bestimmte Bahnen gelenkt werden. Jedes Sozialsystem hat seine ihm eigene innere Ordnung; wird das Rechtssystem darauf nicht hinreichend abgestimmt oder entwirft es - zB um vermeintlichen Missständen entgegenzuwirken - eine entgegengesetzte rechtliche Konstruktion, kann es das Sozialsystem in die gewünschte andere Richtung lenken, zerstörerisch wirken, aber auch wirkungslos verpuffen, je nachdem, ob sich das Beharrungsinteresse des Sozialsystems oder der gesetzgeberische Reformeifer als zäher erweist. Aber es gibt auch den umgekehrten Fall. Hat sich einmal eine feste Organisationsstruktur herausgebildet mag sie auch vom gesetzlichen Leitbild einer bestimmter Rechtsform abweichen wird das Rechtssystem unter massiven Druck gesetzt, die gewachsenen Strukturen anzuerkennen. Man denke nur an die GmbH & Co., die trotz Gejammers zuerst von der Rechtsprechung und dann vom Gesetzgeber anerkannt wurde. Gesetzeskonstruktion und soziale Organisationsstruktur können daher übereinstimmen, müssen es aber nicht. Die bestehende rechtliche Ausformung der Gesellschafsrechtsformen orientiert sich zwar weitgehend an gewachsenen Gesellschaftsstrukturen und gibt ihnen eine juristische Legitimationsbasis. Aber die Realstruktur der Organisationen befindet sich in einem ständigen Prozess der Änderung. Eine Gesetzesregelung, die gestern noch der Realstruktur entsprochen hat, kann heute bereits einer gedeihlichen Fortentwicklung im Wege stehen. Als die Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditge104

Im natürlichen, biologischen Sinne handelt nur und ausschließlich der Mensch und kein höheres Wesen aus Fleisch und Blut, aber im sozialen System ist diese in die Organisation eingebundene Handlung unmittelbar eine Eigenhandlung des konkreten Sozialsystems, durch welche sie überhaupt erst erkennbar in der sozialen Wirklichkeit wird. Dabei ist der Begriff Zurechnung zu vermeiden. In diesem Begriff schwingt immer unterschwellig mit, dass die Handlung eines Rechtssubjekts einem anderen Rechtssubjekt nur untergeschoben wird, ohne jedoch eine unmittelbare Eigenhandlung dieses Subjekts zu sein. 105 Dahinter steht die Frage, ob es eine sachlogische Beziehung zwischen vorpositiver Seinsstruktur und juristischer Konstruktion gibt. Gunther Teubner verneint diese Frage. Es gebe kein soziologisches Naturrecht der juristischen Person; das Rechtssystem sei in keiner Weise an die Selbstbeobachtung gebunden, es modelliere die Rechtskonstruktion nach rechtseigenen dogmatischen und rechtspolitischen Kriterien (Teubner, KritV 1987, 61 (71)). Eine Antwort, die vor Art. 9 GG nicht ohne weiteres Bestand haben kann.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

sellschaft in Gesetzesform gegossen wurde, orientierte sich der Gesetzgeber an den bestehenden Umständen. Die noch heute geltende gesetzliche Regelung dieser Verbandsformen entspricht im Wesentlichen der Regelung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861. Das Regelwerk der gesetzestypischen oHG und KG ist auf mehr oder minder personalistische Gesellschaften als Arbeits- und Haftungsgemeinschaften angelegt. oHG und KG waren im ausgehenden 19. Jahrhundert die typischen Rechtsformen kleinerer Unternehmen, in denen mehrere Personen auf gemeinsame Rechnung und gemeinsames Risiko zusammen wirkten. Ihre Verwandtschaft zu den Familienbetrieben, aus denen sich diese Rechtsformen entwickelten, und ihre Verwurzelung im vorindustriellen Zeitalter hingen ihnen noch an 1 0 6 . Die gesetzliche Regelung der §§ 105 ff. HGB (= Artt. 85 ff. ADHGB) ist bis in alle Einzelheiten mit diesem System der Mitgliederselbstverwaltung abgestimmt107. Die Nürnberger Kommission machte sich - es gab dazu ja auch keinen Anlass - über die Möglichkeit der fremdorganschaftlichen Verfassung keine Gedanken108. Doch die Realstrukturen auch der Personengesellschaften haben sich geändert. Heute wird ihr tatsächliches Erscheinungsbild von kapitalistisch organisierten Gesellschaften mitgeprägt. Hierauf hat die Rechtsordnung, zB durch die Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes für Publikumspersonengesellschaften, reagiert 109 . Auch hinsichtlich der Bestellung eines Dritten zum organschaftlichen Geschäftsführer einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft hat sich die soziale Realität der Verbandsstrukturen gewandelt. Mit der Anerkennung der Komplementärfähigkeit der GmbH im Personengesellschaftsrecht ist der (Fremd-)Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft bei materieller Betrachtung das „Vertretungsorgan" der Personengesellschaft geworden, auch wenn formaljuristisch das Prinzip der Selbstorganschaft gewahrt bleibt 110 . Ein Dritter kann auch mit Geschäftsführungsaufgaben und einer umfassenden Generalvollmacht betraut werden 111 . Das rechtlichen Verbot der Drittorganschaft kann beliebig umgangen wer106 Raiser, FS-Zöllner, S. 469 ff. (478 f.) 107 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 156. los Helm/Wagner, BB 1979, 225 (230 f.). Zu den Gesetzesmaterialien von ADHGB und HGB: Werra, Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft, 1990, S. 19 ff., 34 ff. 109 Siehe: Β GHZ 66, 82, Urt. v. 24. 11. 1975, Az: I I ZR 89/74; Β GHZ 69, 160, Urt. v. 12. 95. 1977, Az: II ZR 89/75; Β GHZ 71, 53, Urt. v. 13. 05. 1978, Az: II ZR 63/77; BGHZ 85, 350, Urt. v. 15. 11. 1982, Az: II ZR 62/82; BGH, in: NJW 1985, 972, Urt. v. 19. 11. 1984, Az: II ZR 102/84; in: NJW 1985, 974, Urt. v. 05. 11. 1984, Az: II ZR 111 /84. no Vgl. nur HGB-Großkommentar IHabersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 9. m BGH, NJW 1982, 1817, Urt. v. 05. 10. 1981, Az: II ZR 203/80; BGH, in: NJW 1982, 877 (878), Urt. v. 16. 11. 1981, Az: II ZR 213/80; BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: II ZR 74/81; BGH, in: MittRhNotK 1994, 224, Urt. v. 20. 09. 1993, Az: II ZR 204/92; OLG Köln, MittRhNotK 1993, 37 (38) = DStR 1992, 1771 Lt., Urt. v. 12 U 58/ 91; OLG Köln, in: NZG 1999, 769 (772), Urt. 25. 11. 1998, Az: 13 U 185/97; KG, in: BauR 2000, 114, Urt. v. 22. 12. 1998, Az: 27 U 429/98.

1. Abschn., § 2 Das Eigenhandeln der Gesellschaft

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den 112 . Was aussteht, ist die ausdrückliche Anerkennung durch die Rechtsprechung oder den Gesetzgeber, dass der Gedanke des zwingenden Prinzips der Selbstorganschaft überholt ist. Durch Rechtsfortbildung außerhalb des Gesetzes kann selbst ein Verbandsorgan wachsen, wo zunächst keines vorgesehen war. Man denke an das Rechtsinstitut des Korrespondentreeders im Recht der Partenreederei (siehe unten § 13 Β I 2). Da das Institut des Korrespondentreeders bei Abfassung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs noch nicht im hinreichenden Maße ausgebildet war, verzichtete man darauf, der Partenreederei seine Bestellung zur Pflicht zur machen 113 . Der Korrespondentreeder wurde von der Hamburger Seerechtskonferenz als seerechtliche Mischung zwischen Prokurist und Handlungsbevollmächtigten ausgestattet. Durch die Rechtsentwicklung ist er heute als das (fakultative) Handlungsorgan der Partenreederei anerkannt. Die bestehenden Verbände sind zugleich dem Recht vorgegebene und vom Recht geformte Willens- und Wirkungseinheiten, eben rechtlich gestaltete soziale Wirklichkeiten.

VI. Ergebnis

Die Verbände sind handlungsfähig: sie handeln durch ihre Organe, bzw. das Handeln der Organe ist das Handeln des Verbandes. Organschaftliches Handeln kann demnach definiert werden als das Eigenhandeln des Verbandes. Eine Unterscheidung hinsichtlich der Qualität des organschaftlichen Handelns zwischen juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften gibt es nicht. Vielmehr ist die Unterscheidung zwischen juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften, ebenso wie der Begriff der Gesamthandsgesellschaft überholt. Er ist aufzugeben. Auch die klassischen Gesamthandsgesellschaften sind juristische Personen, d. h. rechtsfähige und rechtlich handlungsfähige Wirkungseinheiten. Der Begriff der juristischen Person ist unabhängig von den Ausgestaltungen der Organisationsverfassung, einer persönlichen Haftung der Gesellschafter oder der Eintragung. Die Eintragung hat primär nur Bedeutung hinsichtlich der Haftung der Gesellschafter und der Handelndenhaftung der Organwalter (§§ 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG). An die Stelle des gesellschaftsrechtlichen Dualismus, sei er nun als Gegensatz zwischen juristischer Person und Gesamthand oder als Gegensatz zwischen Verein und Gesellschaft formuliert, muss eine monistische allgemeine Verbandslehre treten. Das hat zur Folge, dass auch die Unterscheidung zwischen Personengesellschaften und Körperschaften weitgehend unberechtigt ist. Wenn der Begriff hier dennoch ab und zu verwendet wird, dann nur, weil er sich in der Lehre eingespielt hat. Er bezeichnet die BGB-Gesellschaft, die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft, nicht aber - und hier zeigt sich seine Nichtberechtigung 112 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 II 2 c = S. 418: der Gestaltungspraxis bereitet das Prinzip der Selbstorganschaft keine Schwierigkeiten. h 3 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1520 f.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

trotz vergleichbarer Finanzverfassung, die EWIV und die Partenreederei oder trotz vergleichbarer Handlungsverfassung die Kommanditgesellschaft auf Aktien.

§ 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes A. Die Handlungsorganisation Drehte es sich bisher um das „Ob" der Handlungsfähigkeit des Verbandes, geht es nun um das „Wie". Die Handlungsfähigkeit des Verbandes wird hergestellt durch die Handlungsorganisation 114. Das Wesen der Handlungsorganisation besteht in der Errichtung und Einrichtung von Organen 115. Die Verfassung hat bestimmte Organe als ständige Einrichtungen zu setzen, das für ihre Bildung, Erhaltung und personelle Besetzung Erforderliche vorzuschreiben und den einzelnen Organen durch Abgrenzung von Zuständigkeiten (Kompetenzen) bestimmte Funktionen zuzuweisen116. Das Organ ist der Zuordnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse. In der Wissenschaft wird angemerkt, dass der Organbegriff des privaten Verbandsrechts noch weitgehend ungeklärt ist 1 1 7 . Dies liegt daran, dass der Organbegriff undifferenziert eingesetzt wird. Es gibt keinen einheitlichen Organbegriff im Verbandsrecht. Es muss unterschieden werden zwischen einem zweigliedrigen und einem eingliedrigen Organbegriff. Einmal ist das primäre Zuordnungsobjekt von organschaftlichen Rechten und Pflichten eine abstrakte Institution, zB der Vorstand der Aktiengesellschaft oder der Genossenschaft, ein anderes Mal werden die organschaftlichen Kompetenzen unmittelbar bestimmten Gesellschaftern zugeordnet, so bei den persönlich haftenden Gesellschaftern der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien 1 1 8 . Innerhalb des zweigliedrigen Organbegriffs ist weiter zu differenzieren zwischen dem (abstrakten) Organ, als dem von der Organisation errichteten Kompetenzkomplex, und den konkreten Organwaltern, als denjenigen physischen Personen, die jene Kompetenzen wahrneh114

John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 72 f., 74, 75: Der Wegfall der abstrakten Handlungsorganisation macht die Rechtsperson inexistent; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 II 1 = S. 414 f.: ohne Handlungsorgane ist ein Verband nicht aktionsfähig. 115 Der von v. Gierke geprägte Begriff des „Organs" ist längst zum Allgemeinplatz der gesellschaftsrechtlichen Dogmatik geworden, der selbst von entschiedensten Gegnern seiner Lehre heute mit Selbstverständlichkeit benutzt wird. So wird heute ohne weiteres vom Vorstand als dem Organ der AG oder vom Geschäftsführer als dem Organ der GmbH gesprochen. ZB: Flume, Die juristische Person, 1983, § 11 I = S. 377 als Anhänger der Vertretertheorie; vgl. H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 1111 = S. 224. 116 Vgl. v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 65 I = S. 497. 117 ZB: Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (467); Ulmer, in: Münchner Kommentar, 3. Auflage, § 705, Rdnr. 211. us Vgl. Peters, MDR 1951, 343.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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men 119 . So unterscheidet zB § 76 AktG zwischen dem abstrakten Verbandsorgan Vorstand (Abs. 1 und 2) und den zu bestellenden Organwaltern, den Vorstandsmitgliedern (Abs. 3). Innerhalb des eingliedrigen Organbegriffs gibt es keine Differenzierung zwischen Organ und Organwalter. Abstrakte und konkrete Handlungsorganisation fallen hier zusammen. Für das Recht der Handlungsorganisation ist daher zu unterscheiden zwischen dem eingliedrigen Organbegriff bei der BGB-Gesellschaft, der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien und dem zweigliedrigen Organbegriff bei Aktiengesellschaft, Verein, Genossenschaft und GmbH 1 2 0 . Der zweigliedrige Organbegriff

Der eingliedrige Organbegriff

H9 Grundlegend: H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 I = S. 229; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 1 b = S. 421; Beuthien, FSZöllner, S. 87 ff. (97 f.); aA: Flume, Die juristische Person, 1983, § 111 = S. 377 Fn. 3. ι 2 0 Dem zweigliedrigen Organbegriff folgt - auch wenn sich dies nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut erschließt - die GmbH, die Partenreederei, sofern ein Korrespondentreeder bestellt ist, und die abzuwickelnde offene Handelsgesellschaft, sofern ein Gesellschaftsfremder zum Liquidator bestellt wurde.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Die Normen der Organisationsverfassung können in zwei Gruppen unterteilt werden. Einmal in diejenigen Normen, die die Verhältnisse im abstrakten Organ, insbesondere die organinterne Willensbildung, regeln (miraorganisatorische Regeln), zum anderen in die Normen, die das Verhältnis der Organe untereinander und die Gesamtwillensbildung im Verband zum Gegenstand haben (mterorganisatorische Regeln), wobei es zwischen beiden Normbereichen durchaus Überschneidungen geben kann. Da beim eingliedrigen Organbegriff die Ebene der intraorganisatorischen Willensbildung fehlt, werden die auf dieser Ebene angesiedelten Probleme auf die Ebene der interorganisatorischen Willensbildung verlagert, so zB bei der Gesamtvertretung. Ob jemand, der Angelegenheiten eines Verbandes wahrnimmt, als Organ oder Organwalter am Prozess des Eigenhandelns des Verbandes beteiligt ist, oder nur als ein im Außenverhältnis durch den Verband Bevollmächtigter in Erscheinung tritt, bestimmt sich danach, ob er seine Befugnisse durch die Organisationsverfassung oder organschaftlichen Bestellungsakt zugewiesen erhält oder durch allgemeinen rechtsgeschäftlichen Einzelakt des Verbandes berufen wurde, wie jede natürliche Person einem Dritten Vollmacht einräumen kann. Dem persönlich haftenden Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft werden unmittelbar durch die mit Gesellschaftsvertrag errichtete Handlungsverfassung der Gesellschaft die organschaftlichen Befugnisse zugewiesen. Er ist Verbandsorgan. Der Vorstand als abstraktes Organ in der Handlungsorganisation einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft wird durch Errichtung der Satzung begründet. Durch den verbandsinternen organschaftlichen Bestellungsakt des zuständigen Organs wird das künftige Vorstandsmitglied zum Organwalter. Der rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte wird dagegen durch eine nach außen gerichtete Willenserklärung der selbst handelnden Gesellschaft berufen. Die Gesellschaft erteilt dem Dritten durch ihr Handlungsorgan gem. § 167 BGB Vollmacht. Dabei kann die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung eines Dritten formell im Gesellschaftsvertrag erfolgen 121 . Insofern handelt es sich dann um eine unechte bzw. nicht korporative Satzungsbestimmung122, die nicht Bestandteil der Handlungsverfassung des Verbandes ist. Der in der Lehre unternommene Versuch, den Organbegriff auf diejenigen Zuständigkeitskomplexe zu beschränken, deren Beschlüsse nicht nur intern wirken, sondern den Gemeinwillen bereits als solchen rechtsverbindlich nach außen formulieren 123 , ist zu eng 1 2 4 . Ein solcher Organbegriff vernachlässigt die verbandsinterne Willensfindung Der Verbandswille, der letztlich von dem Vertretungsorgan 121 Vgl. zB: BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: II ZR 74/81. 122 Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 I 1 d = S. 82 f. 123 ZB: Oertmann, BGB, 3. Auflage, 1927, Vorbemerkung zu § 21 BGB, Nr. 7 = S. 88 f. 124 H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 III 1 = S. 238; H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage, 1976, § 74 I a = S. 46; Ulmer, in: Münchner Kommentar, 3. Auflage, § 705, Rdnr. 211. Vgl. auch Β GHZ 16, 17 (25), Urt. v. 15. 12. 1954, Az: I I ZR 322/53: der Abschlussprüfer ist trotz fehlender Vertretungsmacht Organ der Gesellschaft.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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nach außen geäußert wird, wird vorher in einem internen Prozess gebildet, an dem auch andere „Organe" beteiligt sein können oder sein müssen125. Bevor das Vertretungsorgan nach außen auftreten darf, ist regelmäßig die rechtliche Kommunikation mit der restlichen Handlungsorganisation erforderlich; und es gibt auch Fälle, in denen ein regelmäßig nicht außenvertretungsberechtigtes Organ mit Wirkung für die Gesellschaft extern tätig werden kann 126 . Bevor der GmbH-Geschäftsführer ein außerhalb des Bereichs des gewöhnliches Geschäftsbetriebs liegendes Geschäft ausführen kann, bedarf er verbandsintern der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Beckmesserisch lässt sich zudem fragen, wie die internen Zuständigkeitssubjekte genannt werden sollen, wenn nicht Organ? Zweckmäßig ist es aber durchaus, innerhalb der verschiedenen Organe Differenzierungen vorzunehmen 127: nach solchen, die nach außen vertretungsbefugt sind, und bloß gesellschaftsintern geschäftsführungsbefugten; nach funktionsnotwendigen Organen (wie zB: Vorstand) und nicht funktionsnotwendigen Organen, wobei bei den nicht funktionsnotwendigen Organen weiter danach differenziert werden kann, ob sie fakultativ oder gesetzlich vorgeschrieben sind (zB: Aufsichtsrat bei mit- und nicht mitbestimmter GmbH). Nach ihrer Funktion lassen sich Leitungs-, Aufsichts- und Willensbildungsorgane unterscheiden oder nach ihrem organisatorischen Rang ein oberstes Organ mit Letztentscheidungskompetenzen und „nachgeordnete" Organe. So beschränkt sich das Problem der Selbstorganschaft auf die Handlungsorgane der Gesellschaft. Das Handlungsorgan ist in herkömmlicher Terminologie das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan, d. h. • der Vorstand bei Aktiengesellschaft, Genossenschaft, Verein, eG, • der Geschäftsführer bei GmbH, EWIV • der Korrespondentreeder bei der Partenreederei, das zugleich ein fakultatives Organ ist (§ 492 Abs. 1 HGB) • und der geschäftsführungs- und / oder vertretungsberechtigte Gesellschafter bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der BGB-Gesellschaft.

125

Man denke nur an den Fall, dass bestimmte Maßnahmen des Vorstandes der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen, § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, vgl. Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 111, Rdnr. 16. 126 Vgl. z ß § 112 AktG; zu anderen Fälle des Außenzuständigkeit des aktienrechtlichen Aufsichtsrats, Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 112, Rdnr. 1. 127 H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 III 1 = S. 238 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 I I 1 = S. 414 f. 5 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

B. Der eingliedrige Organbegriff I. Die Organschaft bei den Personengesellschaften

Insbesondere in der frühen Lehre wurde gefordert, man solle im Rahmen der gesamthänderischen Personengesellschaften die irreföhrenden 12S Bezeichnungen der organschaftlichen Vertretung oder organschaftlichen Geschäftsführung - die sich über die Jahrzehnte in der Rechtsprechung allmählich etabliert hatten 129 - vermeiden, weil die Personengesellschaften eben nicht mittelbar durch Organe, sondern durch die Gesamthänder selbst handelten130. Dadurch werde nur der Unterschied zwischen Personengesellschaften und den juristischen Personen verdeckt 131 . Der Grund für diese ablehnende Haltung wurde gleich mitgeliefert: Die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft, aber auch der nicht eingetragene Verein 132 , könnten mangels Rechtsfähigkeit überhaupt nicht vertreten werden. Bei ihnen werde niemand anderes vertreten als die Gesellschafter selbst; von organmäßiger Vertretung weit und breit keine Spur 133 . Wenn § 125 HGB von einer Vertretung der Gesellschaft spreche, so sei dies nichts anderes als eine Abbreviatur 134 . Erst ein Verband als voll ausgeprägtes Subjekt von Rechten und Pflichten benötige Subjekte, die seine Rechte wahrnähmen und als Organe bezeichnet würden; das liege eben im Recht der Personengesellschaften anders: die Gesamtheit der Gesellschafter sei als solche gerade nicht handlungsunfähig; im Wege der rechtsgeschäftlichen Vertretung 135 lasse sich darüber hinaus die Zurech128

H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, § 5 III 2 = S. 150. 129 Vgl. nur KG, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38, in: JW 1939, 38; Β GHZ 33, 105 (108 f.), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: II ZR 260/59; BGHZ 41, 367 (369), Urt. v. 25. 05. 1964, Az: II ZR 42/62; BGHZ 51, 198 (200), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67; BGH, Urt. v. 20. 09. 1993, II ZR 204/92, in: W M 1994, 237 (Lt. 1); OLG Köln, Urt. v. 25. 11. 1998, Az: 185/97, in: NZG 1999, 769 (Lt. 3). ,3

° Groschujf, JW 1939, 425. Schon v. Gierke : „Insbesondere ist nicht zu billigen, wenn die Praxis bisweilen des Repräsentanten einer blossen Rechtsgemeinschaft zur gesamten Hand als deren „Organ" bezeichnet" (Genossenschaftstheorie, 1887, S. 616 Fn. 1). Auch Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (436). ι3· Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 257; vgl. H. Westermann, Personengesellschaftsrecht, 4. Auflage, 1979, Rdnr. 152: Die Übernahme der Organ Vorstellung aus dem Körperschaftsrecht in das Recht der Personengesellschaften sei ein Stück Institutionenleihe, da die Personengesellschaft an sich keine Organe, sondern nur Gesellschafter kenne, die für sich und die Gesamtheit der Gesellschafter handelten. 132 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 262. 133 Lehmann/Dietz, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1970, § 14 II = S. 107; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 257. 134 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 257. 135 Über die Rechtsnatur der Vertretungsmacht der vertretungsberechtigten Gesellschafter herrscht Streit, ob sie als Bevollmächtigung, gesetzliche Vertretung oder als besondere Form der Ermächtigung einzuordnen war, m. w. N.: Hueck, Das Recht der oHG, 4. Auflage, 1971, § 20 I Fn. 2 = S. 277 f.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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nung der Handlungen der einzelvertretungsberechtigten Gesellschafter für und gegen die Gesamtheit der einzelnen Gesellschafter bewerkstelligen 1 3 6 . Dieses Denken entspringt voll und ganz der heute überholten Gesamthandslehre, die die Rechtsfähigkeit der althergebrachten Personengesellschaften noch nicht erkannt hat. Aber schon auf Grundlage der tradierten Lehre wurde von den Organen der offenen Personengesellschaft gesprochen: genau genommen vertrete der vertretungsberechtigte Gesellschafter zwar die einzelnen Gesellschafter als die wahren Rechtssubjekte, aber eben nicht als voneinander getrennte Einzelpersonen, sondern als geschlossene Gemeinschaft. Der Einheitsgedanke beim Auftreten nach außen rechtfertige es, auch hier von Organen zu sprechen 1 3 7 . Aber die heutige Dogmatik ist weiter. Bereits die moderne Gesamthandslehre, die die rechtliche Verselbstständigung der Gesamthand entdeckt hat, kommt nicht umhin, die Organqualität der Vertreter und Geschäftsführer anzuerkennen 138 . Dies gilt erst recht, wenn die „Personengesellschaften" als juristische Person anerkannt werden: sie sind rechtsfähige, handlungsfähige Verbände; und als solche handeln sie durch ihre Organe (vgl. oben § 2 Β II, III).

136 Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 30 ff.; Η. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, § 5 III 2 = S. 150 f. Die Organschaft bleibe den Verbandsformen vorbehalten, bei denen das eigene Zurechnungssubjekt nicht aus sich heraus handlungsfähig ist und auch gemeinschaftliches Handeln aller Verbandsmitglieder ohne besondere Zurechnung seitens des positiven Rechts noch per se keine Wirkung für und gegen die juristische Person entfalte. Vgl. H Westermann, Personengesellschaftsrecht, 4. Auflage, 1979, Rdnr. 146: die oHG bedürfe keiner besonderen Organe, da nach der gesetzlichen Regelung jeder Gesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und verpflichtet sei. 137 Hueck, Das Recht der oHG, 4. Auflage, 1971, § 20 I und Fn. 2 = S. 277; zustimmend: Fischer, NJW 1954, III (778). 138 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 10 I 3 = S. 262; vgl. auch Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 10 I = S. 131. Seine Bestätigung findet diese Begriffsbildung in Art. 16 Abs. 1 der EWIV-Verordnung (Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) vom 25. 07. 1985 (Abi. Nr. L 199/1). Dort heißt es: „Die Organe der Vereinigung sind die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder und der oder die Geschäftsführer. Der Gründungsvertrag kann andere Organe vorsehen; er bestimmt in diesem Fall die Befugnisse". Abgedruckt bei: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 391), der explizit von Organen der Vereinigung spricht. § 1 EWIVAG (Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, BGBl. I 1988, 514) verweist subsidiär auf die §§ 105 ff. HGB, d. h. die EWIV wurde vom nationalen Gesetzgeber gleich der oHG - der damaligen Dogmatik entsprechend - als Gesamthandsgesellschaft eingeordnet (Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 368, 354). Dabei war dem deutschen Gesetzgeber über Art. 1 Abs. 3 der EWIV-Verordnung die Möglichkeit eröffnet, die EWIV mit „Rechtspersönlichkeit" auszustatten, d. h. sie im Sinne des vergangenen Dualismus als juristische Person einzuordnen. Aber die nationale Rechtsordnung ordnete die EWIV bewusst als Gesamthandsgesellschaft ein, als eine Gesamthandsgesellschaft, die durch Organe handelt, und hat damit bestätigt, dass dem Recht der klassischen Gesamthandsgesellschaften die Organvorstellung alles andere als fremd war.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes II. Der eingliedrige Organbegriff als das Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft)

Die gesetzestypische Handlungsorganisation der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien folgt einem anderen Organisationsprinzip als das Verfassungssystem etwa der Aktiengesellschaft oder der Genossenschaft. Anders als bei Aktiengesellschaft und Verein sind die „organschaftlichen" Befugnisse keiner abstrakten Institution als Zuständigkeitskomplex (Vorstand) zugewiesen, sondern bestimmten oder auch allen Gesellschaftern. Die Zweiteilung in Organ und Organwalter passt hier nicht, weil es die Gesellschafter sind, denen bestimmte Verwaltungsrechte zugeordnet werden, und eben kein abstraktes Organ. Die oHG kennt nur geschäftsführungsbefugte und vertretungsberechtigte Gesellschafter, sie hat aber in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung kein abstraktes Leitungsorgan, vergleichbar der Institution „Vorstand" bei der Aktiengesellschaft 139. Dieses Phänomen beschränkt sich aber nicht auf die Personengesellschaften. Gleiches findet sich bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien 1 4 0 . Hier bestehen zwar die Institutionen Hauptversammlung und Aufsichtsrat, aber es fehlt an einem Vorstand oder einem vergleichbaren abstrakt bestimmten Organ. Die Leitungsfunktionen sind hier keinem abstrakten Organ zugeordnet, sondern den persönlich haftenden Gesellschaftern. Auf diese Verbände zugeschnitten ist der eingliedrige Organbegriff: Organe sind diejenigen Personen, die einzeln oder gemeinsam nach der Verbandsverfassung befugt sind, den Willen eines Verbandes zu bilden oder in die Tat umzusetzen141. Man muss also immer bedenken, dass ein anderer Organbegriff gemeint ist, wenn vom (persönlich haftenden) Gesellschafter als dem Organ der BGB-Gesellschaft, der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien die Rede ist. Die fehlende Unterscheidung zwischen eingliedrigem und zweigliedrigem Organverständnis verführte in der Vergangenheit dazu, den eingliedrigen Organbegriff - notfalls mit Gewalt - in den zweigliedrigen Organbegriff hineinzuzwängen. Semler meint hinsichtlich der Kommanditgesellschaft auf Aktien 1 4 2 , dass nicht dem einzelnen persönlich haftenden Gesellschafter die Organstellung zukomme, sondern der Gesamtheit der vertretungsberechtigten und geschäftsführungsbefugten Gesellschafter in ihrer jeweiligen Zahl und Zusammensetzung. In ihrer Gesamtheit seien sie das geschäftsführende Organ der KGaA 1 4 3 . Noch deutlicher ist Ritter: § 219 Abs. 2 AktG 1937 (= § 278 Abs. 2 AktG) lasse überhaupt keinen Zweifel daran, dass die persönlich haftenden Gesellschafter den Vorstand der 139 Vgl. Peters, MDR 1951, 343; RG, in: Rechtsprechung in Strafsachen Bd. 5 (1883), 359 (360), Urt. v. 10. 05. 1883, Az: III 913/83. 140 Vgl. BGHZ 134, 392 (393 f.), Urt. v. 24. 02. 1997, Az: II ZR 11/96. 141 Ulmer, in: Münchner Kommentar, 3. Auflage, § 705, Rdnr. 211. ι 4 2 Für die oHG und KG sind wegen der entsprechenden Handlungsstruktur dieselben Erwägungen einschlägig. 143 Geßler/ Hefermehl / Eckardt / Kropff/ Semler, AktG, Vor § 278, Rdnr. 38, die Verweise auf Flume sind unergiebig.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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KGaA im Sinne des allgemeinen Körperschaftsrechts bildeten 144 ; sie seien der geborene Vorstand der KGaA 1 4 5 . Das wird der Organisations Verfassung der Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht gerecht. Die organschaftlichen Kompetenzen werden unmittelbar den einzelnen Gesellschaftern zugewiesen. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien hat, wie das Gesetz in § 278 Abs. 3 AktG (= § 219 Abs. 3 AktG 1937) ausdrücklich sagt, keinen Vorstand 146 . Das heißt nicht, dass die Gesellschaft ohne Handlungsorgane dasteht. Die Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane sind - wie in der einfachen Kommanditgesellschaft - der oder die Komplementäre, §§ 278 Abs. 2 AktG, 161 Abs. 2, 105 ff. HGB. Jeder Komplementär für sich ist ein Organ der Gesellschaft und nicht Organwalter eines unbenannten Geschäftsführungsorgans. Es fehlt an einem Vorstand, dem als abstrakter Institution die organschaftlichen Kompetenzen zugeordnet werden. Die Kompetenzen werden unmittelbar dem einzelnen Gesellschafter zugewiesen. Zu Recht hat daher schon das Reichsgericht ausgeführt: „Die Kommanditgesellschaft auf Aktien hat dagegen keinen Vorstand" 147 . Die Vertretungsorgane sind die persönlich haftenden Gesellschafter; jeder Komplementär für sich ist Organ. Und darin liegt ein organisationsrechtlicher Unterschied zur Aktiengesellschaft. Hinter den hier gebrauchten Begriffen des eingliedrigen und zweigliedrigen Organs verbirgt sich ein Strukturunterschied. Einmal gilt - in Anlehnung an die Terminologie Beuthiens - das Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung, das den Mitgliedern unmittelbar die organschaftlichen Befugnisse zuweist, zum anderen der Grundsatz der abstrakten Organverwaltung, bei denen die organschaftlichen Befugnisse auf ein abstraktes Organ fokussiert werden 1 4 8 . Der Grundsatz der Selbstorganschaft als das Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung ist ein Organisationsprinzip. K. Schmidt umschreibt das so: „Dieses sog. Prinzip der Selbstorganschaft . . . besteht darin, daß die Organe einer Personengesellschaft (Gesamthand) nicht, wie bei der Körperschaft, erst besetzt werden müssen, denn die Gesamthand als in ihren Mitgliedern lebender Verband hat ihre Handlungsträger und erhält sie nicht e r s t " 1 4 9 . Die Formulierung bleibt i m gesellschaftsrecht144 Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 219, Anm. 5. Dabei beruft sich Ritter auf RG, in: JW 1927, 375, Urt. 28. 09. 1926, Az: II 525/25: In dieser Entscheidung werden der Vorstand einer AG und die persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA als Vertretungsorgane gleichgestellt. 145 OLG Hamburg, in: HansRGZ 1930, Β 195 (207), Urt. v. 18. 12. 1929, Az: Bf. IV 485/29. 146 Ebenso: RGZ 129, 261 (269), Urt. v. 27. 06. 1930, Az: II 70/30; abweichend: Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 219, Nr. 5: Der Vorstand fehle in Wirklichkeit überhaupt nicht. Der heutige § 278 Abs. 2 AktG lasse keine Zweifel daran, dass die persönlich haftenden Gesellschafter den Vorstand der KGaA bildeten. 147 RGZ 129, 261 (269), Urt. v. 27. 06. 1930, Az: II 70/30; BGHZ 134, 392 (393 f.), Urt. v. 24. 02. 1997, Az: II ZR 11/96; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 II 2 = S. 222. 148 Vgl. Beuthien/Ernst, ZHR Bd. 156 (1992), 227 (230 f.); Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. (99). 149 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 II 2 a = S. 416, Hervorhebung im Original; derselbe, GS Knobbe-Keuk, S. 307 ff. (310 f.); vgl. schon Roth, LZ 1912, 266 f.; Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 38 I = S. 474. Zu der Formulierung K. Schmidts ist klar-

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

liehen Dualismus der Trennung in juristische Person (Körperschaft) und Gesamthandsgesellschaft (Personengesellschaft) gefangen 150. Die Grenze zwischen Selbstorganschaft und Fremdorganschaft verläuft nicht zwischen den Personengesellschaften und den Körperschaften: so hat auch die weitgehend als Körperschaft verfasste Kommanditgesellschaft auf Aktien ihr originäres Handlungsorgan, während andererseits auf Seiten der Personengesellschaften die EWIV ihr abstraktes Handlungsorgan erst noch besetzen muss, die Partenreederei dies bei Belieben kann (§ 492 HGB). Genauer geht daher Wieland vor, wenn er sagt: „Individualistische Gesellschaften oder Personengesellschaften sind Vereinigungen, deren Mitgliedern die Geschäftsführung grundsätzlich als solchen zusteht (Selbstorganschaft), kollektivistische Gesellschaften sind Vereinigungen, deren Mitgliedern als solchen die Geschäftsführung nicht zusteht (Drittorganschaft)" 151. Zu den individualistischen Gesellschaften zählt Wieland die Β GB-Gesellschaft, die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien; kollektivistischen Charakter trügen Vereine, Genossenschaften und die Aktiengesellschaft. Die GmbH könne in die eine wie in die andere Richtung geformt werden. Aber selbst diese Unterteilung in individualistische und kollektivistische Gesellschaften kann nicht alle Phänomene erklären: Sowohl EWIV als auch die individualistischste GmbH müssen die Organwalter ihrer Handlungsorgane erst noch bestellen 152 . Die von K. Schmidt und Wieland herausgearbeiteten Erkenntnisse über den Inhalt des Prinzips der Selbstorganschaft als Organisationsprinzip entsprechen dem eingliedrigen Organbegriff. Von Selbstorganschaft ist zu sprechen, wenn die organschaftlichen Handlungsbefugnisse des Verbandes unmittelbar den Gesellschaftern zugewiesen werden und nicht einem abstrakten Verbandsorgan. Auch wenn die Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft gem. § 9 Abs. 2 S. 1 GenG Genossen sein müssen oder wenn allgemein die Satzung eines Vereins fest-

stellend hinzuzufügen, dass die Organe der Personengesellschaften nicht nur nicht besetzt werden müssen, sondern auch gar nicht besetzt werden können. Besetzt werden kann nur ein zweigliedriges Organ mit Organwaltern. Und auch die Körperschaft hat ihr Handlungsorgan. Der Vorstand besteht mit der Errichtung der Satzung; er ist nur noch unbesetzt. 150 Auch Beuthien bleibt im gesellschaftsrechtlichen Dualismus gefangen, da er das Prinzip der ursprünglichen Mitgliederselbstverwaltung als das Organisationsprinzip der Personengesellschaften, den Grundsatz der abgeleiteten Organverwaltung dagegen als Organisationsprinzip der Körperschaften betrachtet: Beuthien/Ernst, ZHR Bd. 156 (1992), 227 (230 f.); Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. (99). 151 Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 38 I = S. 474. Die Geschäftsführung in der kollektivistischen Gesellschaft stehe nicht den Mitgliedern als solchen zu. Wohl können Mitglieder zu Geschäftführern ernannt werden. Vielfach sei sogar die Mitgliedschaft Vorbedingung der Organschaft. Diese selbst aber begründe sich auf Bestellung (Handelsrecht I, 1921, § 38 I 2 = S. 475). 152 Anders im schweizerischen Recht, das eine GmbH mit geborenen Organen kennt, die sich aber auch für Drittorganschaft entscheiden kann; vgl. SchweizerOR 811 f.; MeierHayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 8. Auflage, 1998, § 18 Ν 73 ff.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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legt, dass nur Mitglieder zu Vorstandsmitgliedern bestellt werden können, so ist dies doch keine Selbstorganschaft im Sinne einer originären Mitgliederselbstverwaltung. Die Verwaltung der Gesellschaft liegt vielmehr bei einem durch die Satzung errichteten abstrakten Organ, zu dessen Organwalter nur bestellt werden kann, wer Verbandsmitglied ist. Das gilt selbst für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, dem im Gesellschaftsvertrag gem. § 35 BGB ein Sonderrecht auf die Geschäftsführung eingeräumt wurde. Handlungsorgan bleibt das abstrakte Amt des Geschäftsführers; der Gesellschafter muss erst noch zum Amtswalter bestellt werden, auch wenn er darauf einen Anspruch hat. Man sollte vermeiden, mit Blick auf die Selbstorganschaft von geborenen Organen oder geborenen Organwaltern zu sprechen. Eine solche Terminologie ist wegen der verschiedenen Organbegriffe ungenau. Ebenso wie die offene Handelsgesellschaft hat auch die Aktiengesellschaft ihr geborenes Organ. Mit Errichtung der Satzung ist auch der Vorstand errichtet, nur ist dieses Organ noch nicht mit Organwaltern besetzt. Aber auch von geborenen Organwaltern kann nicht gesprochen werden. Denn die Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaften kennt keine abstrakten Organe, die erst noch besetzt werden müssen. Allenfalls ein strukturübergreifender Begriff der Organperson, der sowohl Gesellschafter als das Organ der Personengesellschaften als auch den konkreten Organwalter des abstrakten Handlungsorgans der Körperschaften erfasst, könnte den Vergleich erlauben. Hinsichtlich der Handlungsebene hat dann die offene Handelsgesellschaft ihre geborene Organperson, während die Aktiengesellschaft sie erst noch bestellen muss.

Demnach kann ein selbstorganschaftlich verfasster Verband als ein solcher definiert werden, dessen organschaftliche Handlungsbefugnisse unmittelbar einzelnen, mehreren oder allen Gesellschaftern zugewiesen werden. Weder die Genossenschaft (§ 9 Abs. 2 S. 1 GenG) noch die personalistische GmbH fallen unter diesen Begriff der Selbstorganschaft. Ob dieses Prinzip zwingend ist, steht auf einem anderen Blatt. Auch die Prinzipien der originären Mitgliederselbstverwaltung und der abstrakten Organverwaltung dürfen nicht als unüberbrückbare Unterschiede verstanden werden. Mit zunehmender Abstrahierung, d. h. der Kulminierung der organschaftlichen Befugnisse in der Person eines Gesellschafters unter Ausschluss der übrigen Gesellschafter von der organschaftlichen Leitung, wird das Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung in Richtung abstrakte Organverwaltung verschoben153. 153

Nach Nitschke soll es keinen Sinn machen, von den Organen eines Verbandes zu sprechen, solange der gemeinschaftliche Wille von der Gesamtheit der Mitglieder gebildet und ausgeführt werden muss, wie das bei der GbR der Fall sei, §§ 709, 714 BGB; bei einem solchen Verband wären die Organe mit der Gesamtheit der im Verband zusammengefassten Personen identisch. Die Bildung von Organen bedeute vielmehr die fortschreitende Ausgliederung von Kompetenzen aus der Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit und ihre Zuweisung an bestimmte Einzelpersonen oder Personengruppen, die dann mit Wirkung für die Gesellschaft entschieden und handelten (Die Ausgliederung von Kompetenzen aus der Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit (als Bildung von Organen) bedeutet spiegelverkehrt den Ausschluss, die Beschränkung und die Zusammenfassung gesellschaftlicher Ein-

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Trotz der erheblichen Unterschiede im Grundsätzlichen können sich eingliedriger und zweigliedriger Organbegriff annähern. Wird in einer offenen Handelsgesellschaft zwischen den geschäftsführenden Gesellschaftern Gesamtgeschäftsführung vereinbart, dann erscheint es nach außen durchaus so, dass alle Komplementäre zusammen das geschäftsführende Organ bilden. Doch ändert das nichts daran, dass Zuordnungsendpunkt der organschaftlichen Kompetenzen der einzelne Gesellschafter bleibt. Umgekehrt nähert sich ein mehrgliedriges Vertretungsorgan mit Einzelgeschäftsführung dem eingliedrigen Organbegriff an. Aber auch hier bleibt Zuständigkeitssubjekt das Organ als Institution, dessen Kompetenzen nur vom Organwalter wahrgenommen werden. Veranschaulichen lässt sich dies mit dem Begriff der Zurechnung: beim eingliedrigen Organbegriff wird das Handeln des Gesellschafters als Organ des Verbandes der Rechtsperson unmittelbar zugerechnet. Beim zweigliedrigen Organbegriff wird das Handeln des Organwalters zunächst dem Organ als Organhandeln zugerechnet. Erst in einem zweiten Schritt wird dann das Handeln des Organs dem Verband als Eigenhandeln zugerechnet 154. Die Unterschiede zeigen sich besonders bei der Frage nach der entsprechenden Anwendbarkeit des § 29 BGB auf die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder BGB-Gesellschaft.

C. Der zweigliedrige Organbegriff Die Handlungsorgane der Aktiengesellschaft, des Vereins, der Genossenschaft und der GmbH unterfallen dem zweigliedrigen Organbegriff. Es ist zwischen zwei Regelungsebenen zu differenzieren: zwischen dem abstrakten Zuständigkeitskomplex (dem Organ) und den konkreten Amtswaltern. Das Organ ist ein durch die Organisation objektiv eingeräumter, von der Individualität der organisatorisch mit ihm verbundenen Organwalter abstrahierter Komplex von Berechtigungen und Verpflichtungen, kurz „ein durch Organisation begründeter Zuständigkeitskomzelrechte, also gewissermaßen eine Umverteilung der den Gesellschaftern zugewiesenen Befugnisse, vgl. Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 6 1 = S. 98.). Den ersten Schritt in diese Richtung mache das Gesetz bei der oHG, da hier bestimmte Kompetenzen, das Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht (§§ 115, 125 HGB), den Gesellschaftern als Einzelpersonen zugewiesen sei. Hier könne man bereits von Organen sprechen. Einen weiteren Schritt stelle die Regelung der KG dar. Hier würden die Einzelrechte zur Geschäftsführung und Vertretung nicht allen Gesellschaftern, sondern nur noch einer bestimmten Gruppe, den Komplementären, zugewiesen. Allerdings fehlten bei oHG und KG Organe mit sonstigen Kompetenzen: Soweit nicht bestimmten Gesellschaftern Einzelrechte zugewiesen seien, müsse die Gesellschaftergesamtheit (einstimmig) beschließen und ggf. (gemeinschaftlich) handeln (Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 6 I = S. 95 ff.). Das was Nitschke beschreibt, sollte man nicht als Organbildung bezeichnen, denn jeder Verband braucht, um handeln zu können, Organe. Man sollte dies vielmehr als einen Prozess der Abstrahierung nennen: der Ubergang von originärer Mitgliederselbstverwaltung zu einem System der abstrahierten Organverwaltung. 154 Vgl. H. J. Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage, 1976, § 741 f 1 = S. 49.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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plex" 1 5 5 ; durch das - von der abstrakten Organisationsverfassung geordnete - Zusammenspiel der Gesellschaftsorgane wird der Verbandswille gebildet und endlich nach außen in die Tat umsetzt 156 . Das Organ kann wollen und handeln. Man spricht von dem Organwillen oder dem Organverhalten 157. Gerade angesichts kollegial besetzter Organe wird deutlich, dass zwischen dem Willen des und der Organwalter und dem Willen des Organs zu unterscheiden ist. Erst durch Anwendung der Organisationsnormen, die die Willensbildung innerhalb des Organs regeln, wird aus der Vielheit der Willenserklärungen der einzelnen Organwaltern der einheitliche Wille des Organs gebildet: der Wille der Organwalter wird katalysiert durch die Verbandsverfassung zu dem Willen des Organs. Dies geschieht zB im vereinsrechtlichen Vorstand durch Mehrheitsbeschluss (§§ 28 Abs. 1, 32 BGB), während im gesamtgeschäftsführungsbefugten aktienrechtlichen Vorstand Willensübereinstimmung aller Vorstandsmitglieder erreicht werden muss (§ 78 Abs. 1 S. 1 AktG) 1 5 8 . Nachdem der Wille eines Organs gefunden wurde, bestimmen in einem darauf folgenden Schritt die Verfassungsnormen, die das Zusammenspiel der Organe untereinander regeln, unter welchen eventuell sonstigen Voraussetzungen aus dem Willen eines Organs der Wille und sogar eine Handlung des Verbandes wird. Es muss also unterschieden werden, zwischen dem Teil der Organisationsverfassung, der die Willensbildung innerhalb der Organe regelt, und demjenigen Teil, der die Willensbildung zwischen den Organen regelt. Das Organ wird als der durch die Organisation errichtete abstrakte Zuständigkeitskomplex bezeichnet. Als solches ist es aber noch nicht in der Lage, seine Funktionen zur Erreichung des Verbandszweckes erfüllen zu können. Ein Organ kann erst dann wirksam handeln, wenn es konkrete Menschen gibt, die die im Organ zusammengefassten Zuständigkeiten wahrnehmen 159. Sobald das Organ mit bestimmten Personen besetzt wird, ist es eingerichtet 160. Die Personen, die rech155 H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 III 1 = S. 236; bei Wolff ist immer zu bedenken, dass er einen abweichenden Begriff der juristischen Person zugrunde gelegt hat. Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (468) definieren als Organ die Einrichtungen des Verbandes, denen Funktionen, die der Erreichung des Verbandszweckes dienen, zugewiesen sind. 156 Vgl. Ulmer, in: Münchner Kommentar, 3. Auflage, § 705, Rdnr. 211. 157 H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 III 2 = S. 242, der allerdings von seiner Theorie der juristischen Person und ihres Organs als rechtstechnische Abbreviatur ausgeht. 158 Drei Normengruppen regeln die organinterne Willensbildung: die übergeordnete Rechtsordnung, die Satzung und als Normgruppe dritter Ordnung die Geschäftsordnung: H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 III 2 = S. 244. 159 H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 III 3 = S. 248: innerhalb der Organisation im Verhältnis der Organe untereinander ist das einzelne Organ Berechtigungs- und Verpflichtungssubjekt. 160 H. J. Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage, 1976, § 74 IV a = S. 58; insofern ist es missverständlich, wenn Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (468) die statuta-

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

tens die dem Organ zugewiesenen Funktionen ausfüllen, sind die Organwalter 161. Erst durch die Besetzung mit konkreten Personen (Organwaltern) wird das Organ handlungs- und willensfähig. Hinsichtlich der Besetzung von Organen lässt sich zwischen geborenen und gekorenen Organmitgliedern unterscheiden 162. Folgt die besondere Mitgliedschaft im Organ unmittelbar aus der allgemeinen Mitgliedschaft im Verband, ohne dass es dazu noch eines besonderen Bestellungsaktes bedarf, so spricht man von geborenen Organträgern. So ist jedes Verbandsmitglied grundsätzlich kraft seiner Verbandsmitgliedschaft Mitglied des Organs „Mitgliederversammlung", also der Aktionär in der Hauptversammlung, der Genösse in der Generalversammlung. Gekorene Organwalter werden dagegen durch besonderen Bestellungsakt in ihr Amt eingesetzt163. Der Geschäftsführer einer GmbH - mag er Dritter oder Gesellschafter sein - bedarf stets der besonderen Bestellung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder im Gesellschaftsvertrag, § 6 Abs. 3 GmbHG. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn dem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag das Geschäftsführungsrecht als Sonderrecht 164 zugesichert wurde (§ 35 BGB). Inzwischen wird auch allgemein zwischen dem organisatorischen Akt der Organbestellung - die Person wird zum Organwalter gekürt - und dem regelmäßig zugrundeliegenden Anstellungsvertrag unterschieden 165.

D. Die Handlungsfähigkeit des Verbandes I. Die abstrakte und konkrete Handlungsverfassung

Die Handlungsfähigkeit ist eines der konstitutiven Elemente der Rechtsperson 166 . Bei den Verbänden wird sie hergestellt durch die Handlungsorganisation, also durch die Errichtung und Besetzung von Handlungsorganen, ohne die die Gesellschaft nicht handlungsfähig ist: kein Verband kann ohne Handlungsorganisation lische Zuweisung von Funktionen als die Einrichtung des Organs bezeichnen. Die abstrakte Zuweisung von Kompetenzen an ein verbandsinternes institutionelles Kompetenzsubjekt ist erst die Errichtung des Organs. 161 H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage, 1976, § 74 IV b 1 = S. 58; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 1 b = S. 421; bereits v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 65 I = S. 498: „Die Organe bedürfen menschlicher Träger, die sie jeweilig darstellen". 162 Κ . Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 1 b = S. 421; Beuthien/ Gätsch, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (468). 163 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 2 a = S. 422; Beuthien/ Gätsch, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (468). 164 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 2112 = S. 603. 165 H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 II 2 = S. 231 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 2 b = S. 422 f. 166 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 71 f., 73 ff.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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und Handlungsorgane sein 167 . Im Rahmen der Handlungsorganisation wird im Folgenden in Anlehnung an die Terminologie Johns zwischen der abstrakten und der konkreten Handlungsorganisation (Handlungsverfassung) unterschieden 168. Die abstrakte Handlungsorganisation meint den gesellschaftsvertraglichen Regelungskomplex, durch die der Handlungsapparat verfasst wird 1 6 9 , während die konkrete Handlungsorganisation die Personen bezeichnet, die die von der abstrakten Organisation geschaffenen Amter und Funktionen wahrnehmen. Beide Bereiche sind auch wenn sie beim eingliedrigen Organbegriff zusammenfallen - streng zu scheiden. Je nachdem, welcher Bereich der Handlungsorganisation betroffen ist, werden verschiedene Rechtsfolgen ausgelöst: der Wegfall der konkreten Handlungsorganisation berührt den Bestand des Verbandes alleine nicht: stirbt das einzige Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft, wird dadurch die Existenz der Gesellschaft nicht in Frage gestellt. Die Gesellschaft bleibt abstrakt handlungsfähig, da sie weiter über ein Handlungsorgan verfügt. Nur ist dieses neu zu besetzen (vgl. §§29 BGB, 85 AktG). Demgegenüber sichern und schaffen die Regeln der abstrakten Handlungsorganisation die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft. Durch eine Handlungsorganisation, welche dem Verband die Möglichkeit nehmen würde, als solcher selbständig zu wollen und zu handeln, würde das konstitutive Element der Handlungsfähigkeit als tragender Teil des Wesens der Verbände unmittelbar verloren gehen. Aus diesem Grund ist eine organisatorische Regelung unwirksam, die den Verband seiner Handlungsfähigkeit berauben würde. Nicht möglich wäre daher eine vertragliche Regelung, durch die ein Verein sein (abstraktes) Handlungsorgan beseitigen würde, ohne zugleich ein anderes Handlungsorgan zu errichten, denn Folge wäre ein handlungsunfähiger Verband, der nicht mehr am Rechtsverkehr teilnehmen könnte. Bei den Verbänden, bei denen die organschaftlichen Befugnisse unmittelbar den Gesellschaftern zugewiesen werden, fallen abstrakte und konkrete Handlungsorganisation notwendig zusammen. Der Wegfall eines geschäftsführenden Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft tangiert nicht nur die konkrete Handlungsverfassung, sondern auch die gesellschafts vertragliche Kompetenz Verteilung; würde dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft die Vertretungsmacht entzogen, wäre die Rechtsfolge, da die Gesellschaft ihr einziges Handlungsorgan verliert, ein handlungsunfähiger Verband. Das ist nicht möglich. Das folgt nicht aus dem Grundsatz der Selbstorganschaft, sondern daraus, dass eine Gesellschaft stets - zumindest abstrakt - handlungsfähig sein muss. Dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien können erst dann die organschaftlichen Handlungsbefugnisse entzogen werden, wenn zugleich durch eine Modifizierung

167 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 1011 b = S. 256, § 14 I I 1 = S. 414. 168 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 75 ff. 169 Das meint die Schaffung von Organen durch die Zuweisung organschaftlicher Kompetenzen an die Gesellschafter oder abstrakt gebildete Organe.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

der abstrakten Handlungsverfassung ein anderes Vertretungsorgan geschaffen würde; dies könnte darin liegen, ein abstraktes Organ vergleichbar dem Vorstand einer Aktiengesellschaft zu schaffen oder einem Kommanditisten die organschaftliche Vertretungsbefugnis zuzuweisen170. Die Frage, ob eine solche, von der gesetzestypischen Handlungsverfassung der Kommanditgesellschaft (§ 170 HGB!) abweichende Gestaltung der Handlungsorganisation möglich ist, betrifft die Problematik des zwingenden Charakters der Selbstorganschaft, die unten zu klären ist (siehe unten §§ 20 ff.). Zusammenfassend kann daher zum organisationsrechtlichen Grundsatz erklärt werden: eine satzungsmäßige Gestaltung, durch die der Verband seine abstrakte Handlungsfähigkeit verlieren würde, ist unwirksam.

II. Die unechte organschaftliche Gesamtvertretung

Ein allgemeiner verbandsrechtlicher Kristallisationspunkt dieser Problematik ist der Umfang der möglichen Gestaltungsfreiheit bei der organschaftlichen gemischten (oder unechten) Gesamtvertretung, §§ 125 Abs. 3 HGB, 78 Abs. 3 AktG, 25 Abs. 2 GenG. Von organschaftlicher gemischter (oder unechter) Gesamtvertretung spricht man, wenn eine Gesellschaft durch ein Organ oder Organmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen handelt; nicht zu verwechseln ist diese Konstellation mit der gemischten oder unechten Gesamtprokura, bei der der Prokurist zur rechtsgeschäftlichen Vertretung nur mit einem Organ oder Organmitglied der Gesellschaft berechtigt ist 1 7 1 . Nur im ersten Fall geht es um organschaftliches Handeln, d. h. um Eigenhandeln der Gesellschaft; der zweite Fall bleibt auf der Ebene der rechtsgeschäftlichen Vertretung, nur wird dort der Bevollmächtigte an die Mitwirkung eines Gesellschaftsorgans oder den Teil eines solchen gebunden. Die Funktion der organschaftlichen gemischten Gesamtvertretung ist die Erleichterung einer bestehenden Gesamtvertretung durch Organe oder Organwalter 172. In der Aktiengesellschaft und der GmbH ist die (echte) Gesamtvertretung die gesetzliche Regel, §§ 78 Abs. 2 S. 1 AktG, 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG. In der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien gilt zwar grundsätzlich Einzelvertretung durch alle persönlich haftenden Gesellschafter, aber der Gesellschaftsvertrag kann abweichend Gesamtvertretung durch alle vertretungsberechtigten Gesellschafter anordnen (§§ 278 Abs. 2 AktG, 161 Abs. 2, 125 Abs. 2 HGB). Die Gesamtvertretung ist ein Instrument der Selbstkontrolle innerhalb des Vertretungsorgans bzw. no Bejahend: RGZ 74, 297 (301), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10; RGZ 82, 360, Urt. v. 06. 06. 1913, Az: II 99/13. Ablehnend: BGHZ 51, 198, Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/ 67; BGH, in: ZIP 1997, 2197 (2198), Urt. v. 03. 11. 1994, Az: II ZR 353/96. 171 Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 16 III 3 c cc ccc = S. 468; auch: Roquette , FS-Oppenhoff, S. 335. 172 BGHZ 25, 330 (333), Urt. v. 06. 02. 1958, Az: II ZR 210/56; KGJ 44, 126 (127 f.), Beschluss v. 20. 10. 1912, Az: la. X 1069/12; Hüffen AktG, 4. Auflage, 1999, § 78, Rdnr. 16; Roquette, FS-Oppenhoff, S. 335 (340 f.).

1. Abschn., § 3 Die Handlungserfassung des Verbandes

77

zwischen den Vertretungsorganen. Da sie aber schwerfällig ist, ermöglicht das Rechtsinstitut der gemischten oder unechten Gesamtvertretung eine organschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch eine Organperson zusammen mit einem Prokuristen.

1. Die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien Gem. § 125 Abs. 3 S. 1 HGB kann vereinbart werden, dass ein oder mehrere Gesellschafter mit einem oder mehreren Prokuristen zur organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind. Nach allgemeiner Auffassung ist eine Vereinbarung unzulässig, die eine Vertretung der Gesellschaft ohne Mitwirkung eines Prokuristen ausschließt, also etwa die Bindung des einzigen Komplementärs oder aller Komplementäre an die Mitwirkung des Prokuristen 173. Zur Begründung wird dabei auf den Grundsatz der Selbstorganschaft verwiesen 174 , in dem Sinne, dass eine Personengesellschaft stets allein durch einen oder mehrere persönlich haftende Gesellschafter vertreten werden muss 175 . Der wahre Grund liegt woanders. Wäre eine Vertretung der Gesellschaft durch die persönlich haftenden Gesellschafter als den Vertretungsorganen der Gesellschaft ohne Bindung an den Prokuristen nicht mehr möglich, dann wäre dem Verband die Möglichkeit zum selbständigen Handeln genommen 176 ; er hätte seine Handlungsfähigkeit eingebüßt177. Die abstrakte Handlungsorganisation muss sicherstellen, dass immer eine Vertretung der Gesellschaft allein durch ihre Organe (als dem Eigenhandeln der Gesellschaft) möglich ist; eine abweichende Regelung ist unwirksam 178 .

173 HGB-Großkommentar/Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 57; Schlegelberger/£. Schmidt, 5. Auflage, § 125, Rdnr. 33; BGHZ 25, 330 (332 f.), Urt. v. 06. 02. 1958, Az: I I ZR 210/56; KG, in: JW 1939, 424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38; KGJ 44, 126, Beschluss v. 20. 10. 1912, Az: la. X 1069/12; Hueck, Das Recht der oHG, 4. Auflage, 1971, § 20 II 2 c = S. 287 f.: Das ergebe sich schon daraus, dass die Gesamtheit der Gesellschafter jederzeit die Möglichkeit haben müsse, eine bestehende Prokura zu widerrufen. AA: Marcus, DJZ 1910, 528. 174 HGB-Großkommentar / Haber sack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 57, 10; Schlegelberger//i:. Schmidt, 5. Auflage, § 125, Rdnr. 33, 6. 175 BGHZ 25, 330 (332 f.), Urt. v. 06. 02. 1958, Az: II ZR 210/56. 176 Ähnlich bereits: KGJ 44, 126 (127), Beschluss v. 20. 10. 1912, Az: la. X 1069/12. •77 Dann wäre ein unmöglicher Zustand herbeigeführt, der mit dem Wesen von oHG und KG als einer im Rechtsverkehr selbständig auftretenden Einheit unvereinbar wäre, vgl. BGHZ 51, 198 (200), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67 für den Fall, dass bei einer KG dem einzigen organschaftlich vertretungsberechtigten Gesellschafter die Vertretungsmacht entzogen wird. 178 Unvertretbar hingegen sind teilweise die Ausführungen des OLG Stuttgarts, in: Jahrbücher der Württembergischen Rechtspflege, Bd. 5 (1893), 71 (72), Urt. v. 06. 02. 1891. „Hiernach erscheint auch die Bestimmung zulässig, daß ein Prokurist nur in Gemeinschaft mit einem (persönlich haftenden) Gesellschafter, beziehungsweise ein Gesellschafter nur in Gemeinschaft mit einem Prokuristen die Firma zu zeichnen berechtigt ist, zumal da für deren

78

1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

2. Aktiengesellschaft,

Genossenschaft und GmbH

Bei der Aktiengesellschaft und der Genossenschaft ist die Zulässigkeit gemischter Gesamtvertretung ausdrücklich im Gesetz angeordnet, für die GmbH fehlt eine entsprechende Regelung, aber die Zulässigkeit der gemischten Gesamtvertretung wird in Hinblick auf die §§ 125 Abs. 3 HGB, 78 Abs. 3 AktG, 25 Abs. 2 GenG allgemein angenommen179. Nach allgemeiner Meinung darf aber die Anordnung gemischter Gesamtvertretung nicht dazu führen, dass die Vertretung der Gesellschaft durch den Vorstand oder die Geschäftsführer stets an die Mitwirkung eines Prokuristen geknüpft wird. Es kann nicht bestimmt werden, dass die Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer nur dann die Gesellschaft vertreten dürfen, wenn sie mit einem Prokuristen zusammen handeln; die Vertretungsbefugnis einer Kapitalgesellschaft muss so geregelt sein, dass die Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans die Gesellschaft unabhängig von der Mitwirkung eines Prokuristen vertreten können. So kann zB der alleinige Geschäftsführer einer GmbH oder der nur mit einer Person besetzte Vorstand einer AG nicht an einen Prokuristen gebunden werden 180 . Und schon das Kammergericht gab 1905 bezogen auf §§ 35, 37 GmbHG die richtige Begründung: „Schon die erste dieser Vorschriften will augenscheinlich den Geschäftsführern eine nach außen hin selbständige und von der Mitwirkung anderer Faktoren unabhängige Vertretungsbefugnis einräumen, was nach der der Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch § 13 des betreffenden Gesetzes beigelegten juristischen Persönlichkeit geboten war, weil eine rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft ohne eine entsprechende Selbständigkeit ihrer Vertretung untunlich ist" 1 8 1 . Das ist eben Folge der notwendigen Handlungsfähigkeit des Verbandes: eine Gesellschaft, gleich ob GmbH, Aktiengesellschaft oder offene Handelsgesellschaft, muss grundsätzlich selbst, und das heißt durch ihre Organe, handeln können. Nicht möglich ist ja auch die Bindung des Einzelkaufmanns an die Mitwirkung eines Prokuristen 182. Die Fähigkeit, selbst und frei handeln zu können, zeichnet eben die Rechtsperson, gleich ob natürliche Person oder juristische Person, aus.

Statthaftigkeit ein praktisches Bedürfnis spricht". Das Gericht folgert dies aus dem Grundsatz, dass sämtliche Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen werden können und diese auf einen Prokuristen übertragen werden kann. 179 Roquette , FS-Oppenhoff, S. 335; KG, in: JW 1934, 304, Beschluss v. 09. 11. 1933, Az: 1 b X 606/33. 180 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 30; Hüffen AktG, 4. Auflage, 1999, § 78, Rdnr. 16; Roquette , FS-Oppenhoff, S. 335 (337 f.); für die Aktiengesellschaft: KG, in: RJA 1, 50, v. 23. 04. 1900; für die GmbH: KG, in: RJA 5, 242, v. 12. 01. 1905; KG, in: JW 1934, 304, Beschluss v. 09. 11. 1933, Az: 1 b X 606/33. 181 KG, in: RJA 5, 242 (244), v. 12. 01. 1905. 182 HGB-Großkommentar/./oasi, 4. Auflage, § 48, Rdnr. 105; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 16 III 3 c cc ccc = S. 469.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

3. Der gesamtvertretungsberechtigte

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Prokurist als Gesellschaftsorgan

Das leuchtet ein, ist aber nicht unproblematisch. Die materielle Argumentation aus der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft heraus hat einen formellen Anknüpfungspunkt: den Organbegriff. Das Organ wurde definiert als der Zurechnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse. Im Rahmen der gemischten Gesamtvertretung nimmt der Prokurist nun aber unmittelbar Anteil an der organschaftlichen Außenvertretung der Gesellschaft. Er vertritt die Gesellschaft und nicht die andere gesamtgeschäftsführungsberechtigte Organperson 183. Ordnet man die Stellung des zur gemischten Gesamtvertretung berufenen Prokuristen als organschaftlich oder doch einer organschaftlichen Stellung angenähert ein, steht man vor einer überraschenden Folgerung: der zur unechten organschaftlichen Gesamtvertretung berechtigte Prokurist ist Teil der abstrakten gesellschaftlichen Handlungsorganisation. Die bisherige Argumentation kann nicht gehalten werden. Denn selbst wenn das einzige vertretungsberechtigte Vorstandsmitglied an den Prokuristen gebunden würde, wäre die Gesellschaft noch aus sich heraus handlungsfähig, da der Prokurist selbst Gesellschaftsorgan wäre. Bleibt daher die Frage, ob der an der Gesamtgeschäftsführung partizipierende Prokurist Organ der Gesellschaft ist, oder ob es darauf im Ergebnis gar nicht ankommt. Die Gesetzesmaterialien scheinen gegen die Organstellung des Prokuristen im Rahmen der §§ 125 Abs. 3 HGB, 78 Abs. 3 AktG, 25 Abs. 2 GenG zu sprechen. Zur Zeit der Ausarbeitung des Entwurfs zum HGB war die Frage nach der Zulässigkeit der gemischten Gesamtvertretung lebhaft umstritten 184 . Gerade vom Boden der Organtheorie aus, die scharf zwischen dem organschaftlichen Handeln der Gesellschaftsorgane und der Stellvertretung durch Prokuristen und andere Bevollmächtigte unterscheidet, ließ sich die gemischte Gesamtvertretung durch Gesellschaftsorgan und Prokuristen dogmatisch schwer erklären 185 . Die Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs gibt sich pragmatisch: „Im Verkehr lässt sie sich, wie die Erfahrung zeigt, nicht entbehren, und der Entwurf erklärt sie deshalb ... ausdrücklich für zulässig" 186 . Und dann heißt es: „Daß der 183 Der Prokurist, der in Gemeinschaft mit einem Geschäftsführer zur Vertretung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung befugt ist, vertritt die Gesellschaft und nicht die anderen gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer. Es kann nicht die Vertretungsmacht des im Einzelfall verhinderten oder nicht herangezogenen Geschäftsführers sein, die der Prokurist ausübt, denn die Geschäftsführungsbefugnis ist nicht übertragbar. Die Vertretung des Organs bei der Willensbildung und -erklärung ist rechtlich ausgeschlossen. Der zur gesetzlichen Vertretung einer Gesellschaft mit herangezogene Prokurist hat nicht fremde Pflicht zu erfüllen, sondern eine andere Person zu ersetzen. Das ist im Falle des § 125 HGB ein Gesellschafter, im Falle des § 71 Abs. 3 AktG ein Vorstandsmitglied und bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Geschäftsführer (BGHZ 13,61 (64 f.), Urt. v. 31.03.1954, Az: II ZR 57 / 53). 184 Vgl. Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 92. 185

v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 623 f., insbesondere S. 624 Fn. 1. Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 92; für die oHG. Für die AG wird auf diese Ausführungen verwiesen. 186

80

1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Umfang der gemeinsamen Vertretungsmacht des Gesellschafters und des Prokuristen sich nach dem Umfang der Vollmacht des letzteren richtet, bedarf keiner besonderen Hervorhebung" 187. Die Vertretungsmacht der in gemischter Gesamtvertretung handelnden Akteure sollte nach dem Willen der Entwurfsverfasser hinter der unbeschränkten Vertretungsmacht der Gesellschaftsorgane zurückbleiben. Im Rahmen der unechten Gesamtvertretung sollte der Prokurist weniger auf organschaftliche Ebene gehoben als die Organperson auf die Stufe des Prokuristen herabgesetzt werden. Allerdings sollte es sich bald rächen, dass die Entwurfsverfasser es unterlassen hatten, den Umfang der Vertretungsmacht bei der gemischten Gesamtvertretung gesetzlich ausdrücklich festzuschreiben. Denn seit RGZ 134, 303 entscheidet die absolut herrschende Meinung 188 in der Frage des Umfangs der Vertretungsmacht gegensätzlich: „Diese sog. unechte Gesamtvertretung, die bei der offenen Handelsgesellschaft im § 125 Abs. 3 HGB ihr Gegenstück hat, ist ihrem Wesen nach keine beschränkte Vertretung. Der Umfang dieser Vertretung richtet sich nicht nach der Macht des Prokuristen, sondern nach der Macht des Vorstandsmitglieds oder Gesellschafters". Die gegenteilige Auffassung, die in der Denkschrift zum Handelsgesetzbuches ausgesprochen worden war, sei angesichts der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht des Gesellschafters unhaltbar: denn § 125 Abs. 3 HGB stehe unmittelbar vor § 126 HGB; der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht des Gesellschafters sei also auch für den Fall seiner Gesamtvertretung im Zusammenwirken mit einem Prokuristen aufgestellt 189. Die Gesamtvertretungsmacht des Prokuristen wird der unbeschränkten Vertretungsmacht des Gesellschafters gleichgestellt, bekommt also organschaftlichen Umfang. Aber zum Organ erhebt das Reichsgericht den Prokuristen nicht: eine Gesellschaft werde auch durch eine unechte Gesamtvertretung gesetzlich - heute würde man sagen: organschaftlich - vertreten, allerdings werde dadurch der mitwirkende Prokurist nicht zum gesetzlichen (organschaftlichen) Vertreter 190. Diesen Befund kann man auf folgenden Nenner bringen: der Prokurist nimmt an der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft teil, ohne jedoch dadurch zum Gesellschaftsorgan zu werden. 187 Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 92; mit der Unbeschränktheit der Vertretungsbefugnis des Gesellschafters stehe dies nicht in Widerspruch, denn die Beschränkung habe nicht in der Vertretungsmacht des Gesellschafters sondern in derjenigen des Prokuristen ihren Grund.

iss Seit RGZ 134, 303 (306), Urt. v. 22. 12. 1931, Az: II Β 30/31. Heute zB: BGHZ 13, 61 (64), Urt. v. 31. 03. 1954, Az: II ZR 57/53; HGB-Großkommentar//fafo?™*cÄ:, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 61; Schlegelberger ! K. Schmidt, 5. Auflage, § 125, Rdnr. 42. 189 RGZ 134, 303 (306), Urt. v. 22. 12. 1931, Az: II Β 30/31; bereits früher: Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 49 IV = S. 594 Fn. 40: Der Umfang der Vertretungsmacht bestimmt sich nach der Vollmacht des Gesellschafters, nicht der des Prokuristen, da jene nicht beschränkt, diese dagegen erweitert werden kann. 190 RGZ 134, 303 (307), Urt. v. 22. 12. 1931, Az: II Β 30/31; vgl. Großkommentar zum Akt G / Meyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 16.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

81

Das erscheint inkonsequent. Der (formelle) Organbegriff wird eine Einordnung des an der unechten Gesamtgeschäftsführung beteiligten Prokuristen verlangen. Denn auch der Prokurist ist insoweit Zuordnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse. Man bedenke zudem, dass der Abschlussprüfer der §§ 316 ff. HGB in der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs als Organ der Gesellschaft eingeordnet wird 1 9 1 . Die Einordnung des Prokuristen als Gesellschaftsorgan ließe sich nur vermeiden, wenn man den formellen Organbegriff um ein materielles Element anreichert und für die Organeigenschaft ein Mindestmaß an Einbindung in die Handlungsverfassung des Verbandes verlangt; die Organeigenschaft folgte dann nicht alleine mehr aus der Kompetenzübertragung 192. Doch muss ein solches (berechtigtes) materielles Kriterium nicht dazu zwingen, den formellen Organbegriff aufzugeben. Es muss einfach getrennt werden in den formellrechtlichen Akt der Errichtung eines Verbandsorgans durch Kompetenzzuweisung und der davon zu trennenden materiellrechtlichen Frage, ob diese Errichtung rechtswirksam ist. Das entscheidende Kriterium ist der Grundsatz der Verbandssouveränität. Der Grundsatz der Verbandssouveränität verlangt, dass das Schicksal des Verbandes nicht von Personen abhängen darf, die nicht die gleichen Interessen verfolgen wie die Gesellschafter und deren Rechtsausübung nicht ausreichend beschränkt und kontrolliert werden kann 193 . Der Grundsatz der Verbandssouveränität fordert daher, dass die Geschäftsleitung jederzeit abrufbar sein muss 194 . Diesem Grundsatz würde eine Anbindung aller vertretungsberechtigten Gesellschafter oder aller Vorstandsmitglieder an die Mitwirkung eines Prokuristen nicht genügen. Denn der Prokurist ist nicht in einem Maße in die Handlungsorganisation der Gesellschaft integriert, als dass dem Grundsatz der Verbandssouveränität genügt wäre. Der Prokurist steht weitgehend außerhalb der Verbandsorganisation. Der Grundsatz der Verbandssouveränität verlangt in der fremdorganschaftlich verfassten Organisation, dass die Organwalter der abstrakten Handlungsorgane von den zuständigen Bestellungsorganen bestellt, durch ein Kontrollorgan kontrolliert und grundsätzlich jederzeit, zumindest bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, von dem Bestellungsorgan abberufen werden können. Das ist beim Prokuristen nicht so. Zwar reagieren die Verbandsorganisationen auf die hervorgehobene Stellung des Prokuristen und weisen zB in §§ 46 Nr. 7 GmbHG, 116 Abs. 3 S. 1 HGB die Entscheidung über die Bestellung eines Prokuristen der Gesellschafterversammlung oder der Gesamtheit der geschäftsführenden Gesellschafter zu; bei der Aktiengesellschaft fehlt eine entspre191 BGHZ 16, 17 (25), Urt. v. 15. 12. 1954, Az: II ZR 322/53; BGH, in: W M 1980, 526 (527), Urt. v. 24. 03. 1980, Az: II ZR 88/79; aA: Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, §318 Rdnr. 2. Allerdings würde der Abschlussprüfer auch einem materiellen Organ Verständnis genügen, da er gem. § 318 HGB von den Gesellschaftern gewählt wird und so der Grundsatz der Verbandssouveränität gewahrt bliebe. 192 So: Teubner, ZGR 1986, 565 (568); Ulmer, FS-Werner, 1984, 911 ff. (923); Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 37, Rdnr. 15; krit.: Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 27, Rdnr. 6. 193 Wiedemann, FS-Schilling, S. 105 ff. (111). 194 Vgl. § 77 Abs. 2 Nr. 12 RegE GmbHG (BT-Drucksache 7/253). 6 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

chende Vorschrift, doch kann gem. § 111 Abs. 4 S. 2 A k t G der Vorstand bei Bestellung des Prokuristen an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden w e r d e n 1 9 5 ; unter Art. 234 A D H G B war dies sogar die gesetzliche R e g e l 1 9 6 . Damit wird ein Ausgleich für die weitgehenden Befugnisse des Prokuristen geschaffen und eine gewisse Kontrolle durch andere Organe ermöglicht. Aber die Abrufbarkeit des Prokuristen ist bei der Anbindung aller Organpersonen an diesen nicht mehr gegeben. Kann der Geschäftsführer einer GmbH durch Beschluss des zuständigen Organs abberufen werden, würde dies beim Prokuristen nicht helfen 1 9 7 . Die Prokura wurde i m Außenverhältnis erteilt, sie kann nur vom (Außen-)Handlungsorgan widerrufen werden, das aber ohne den Prokuristen, den es j a abzuberufen gälte, gar nicht handeln kann. Der Grundsatz der Verbandssouveränität verhindert letztlich, dass alle vertretungsberechtigten Gesellschafter, Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer an die Mitwirkung des Prokuristen gebunden werden können, entweder weil man den Prokuristen aufgrund eines materiellen Organbegriffs nicht als Organ der Gesellschaft betrachtet und daher über die Schiene der Handlungsfähigkeit argumentieren kann, oder indem man eine solche Gestaltung der Handlungsverfassung als mit dem Grundsatz der Verbandssouveränität unvereinbar erklärt. Unzutreffend ist daher auf jeden Fall eine Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahre 1933 198 , die unreflektiert in der Kommentarliteratur übernommen wurde 199 . Der erste Teil des Leitsatzes200 fügt sich in das allgemeine verbandsrechtliche System ein: in dem Gesellschaftsvertrag (einer GmbH) kann, wenn nach ihr mindestens zwei Geschäftsführer zu bestellen sind, bestimmt werden, dass die Gesellschaft entweder gemeinschaftlich durch zwei Geschäftsführer oder einen Geschäftsführer und einen Prokuristen vertreten wird. Hier wird die Gesamtvertretung der Gesellschaft durch ihre Organe beschrieben, der zur Erleichterung eine gemischte Gesamtvertretung zur Seite gestellt wird; eine Vertretung allein durch die Handlungsorgane bleibt aber weiterhin möglich. Der inkriminierte Teil des Leitsatzes lautet dann: Diese Bestimmung gilt auch für den Fall, dass infolge Fortfalls eines Geschäftsführers vorrübergehend nur ein Geschäftsführer vorhanden ist. Erläuternd heißt es dazu in den Gründen: Hinsichtlich eines solchen Gesamtgeschäftsführers „kann auch bestimmt werden, daß er zusammen mit einem Prokuristen die Gesellschaft vertreten kann und daß diese Art der Vertretungsbefugnis auch bestehen soll, solange ent-

195 Kölner Kommentar zum Akt G/Mertens, 196

2. Auflage, § 78, Rdnr. 75.

Art. 234 ADHGB. Der Vorstand kann, sofern nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Generalversammlung ein anderes bestimmt ist, einen Prokuristen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats bestellen. Diese Beschränkung hat Dritten gegenüber keine rechtlichen Wirkung. 197 Hueck, Das Recht der oHG, 4. Auflage, 1971, § 20 II 2 c = S. 287 für die oHG: Es muss immer eine Vertretung durch Gesellschafter alleine möglich sein, da immer die Möglichkeit bestehen muss, eine bestehende Prokura zu widerrufen. 198 KG, in: JW 1934, 304, Beschluss v. 09. 11. 1933, Az: 1 b X 606/33. 199 ZB: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropjf, AktG, § 78, Rdnr. 30; kritisch Roquette, FSOppenhoff, S. 335 (337 ff., 341 ff.). 200 Die Entscheidung ist mit leicht verschieden lautenden Leitsätzen ebenfalls in der HRR 1934, 338 veröffentlicht.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

83

gegen dem Gesellschaftsvertrage nur ein Geschäftsführer vorhanden ist" 201. Die Konsequenz ist: der übrig gebliebene Gesamtgeschäftsführer kann zwar (immer noch) nicht allein die Gesellschaft vertreten, wohl aber unter Beteiligung des Prokuristen. Zu dieser Äußerung genötigt sah sich das Kammergericht im Zusammenhang mit der Handelsregistereintragung einer GmbH. Die Vorinstanz hatte die im ersten Teil des Leitsatzes beschriebene Satzungsklausel für unzulässig erachtet: falle von den zwei bestellten Geschäftsführern der eine vorübergehend weg, so sei der andere nicht in der Lage, die Gesellschaft allein zu vertreten, sondern sei an die Mitwirkung des Prokuristen gebunden. Dies verstoße gegen den Grundsatz, dass eine Gesellschaft immer durch ihre Organe alleine handeln können müsse. Dazu ist eigentlich nur zu sagen, dass eine unbedenkliche Ausgestaltung der abstrakten Handlungsorganisation nicht deshalb unzulässig wird, weil es im Falle des (vorübergehenden) Wegfalls der konkreten Handlungsorganisation - d. h. wegen des Wegfalls eines Geschäftsführers - zu einer vorübergehenden Handlungsunfähigkeit kommt. Der Verband ist aus sich heraus sehr wohl weiter handlungsfähig, entweder durch die Bestellung eines neuen Geschäftsführers durch das dazu vorgesehene Organ oder einer gerichtlichen Bestellung entsprechend den §§29 BGB, 85 AktG. Die Problematik liegt hier nicht auf der Ebene der abstrakten Handlungsorganisation, die zu einer Unwirksamkeit der Satzungsbestimmung führen würde, sondern auf Ebene der konkreten Handlungsorganisation, deren Fehlen aber eben nicht zur Unzulässigkeit einer ansonsten wirksamen Satzungsklausel führt. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, die Zulässigkeit eines Einmann-Vorstandes oder eines Einzelgeschäftsführers zu bestreiten mit dem Argument, dass beim plötzlichen Tod dieser Personen die Gesellschaft nicht mehr handeln könne. Darauf ist mit der Neubestellung eines Geschäftsführers bzw. Vorstandsmitglieds zu reagieren. Auf die konkrete Fragestellung übertragen bedeutet das: fällt einer der gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer weg, so kann die Gesellschaft solange nicht vertreten werden, bis der weggefallene Geschäftsführer durch einen neuen ersetzt wird, sei es durch die Gesellschaft, sei es durch das Gericht (§§ 29 BGB, 85 AktG). Ohne abweichende Satzungsbestimmung findet eine automatische Erweiterung der Vertretungsbefugnis des verbliebenen Geschäftsführers zur Einzel Vertretungsmacht nicht statt 202 ; das folgt aus Sinn und Zweck der echten Gesamtgeschäftsführung, die Gesellschaft vor allzu selbstherrlichem Auftreten ihrer Geschäftsführer zu schützen und deren gegenseitige Kontrolle zu institutionalisieren 203. Entgegen dem Kammergericht und der ihm folgenden Kommentarliteratur kann bei der gemischten Gesamtvertretung aber nicht aus einem „praktischen Bedürfnis" heraus nun der übrig gebliebene Gesamtgeschäftsführer in Verbund mit dem Prokuristen die Gesellschaft organschaftlich vertreten 204 . Die gemischte Gesamtvertretung dient der Erleichterung der organschaftlichen Gesamtvertretung durch die Geschäftsfüh-

201 KG, in: JW 1934, 304, Beschluss v. 09. 11. 1933, Az: 1 b X 606/33; Hervorhebung im Orginal. 202 BGHZ 34, 27 Lt. 1, Urt. v. 12. 12. 1960, Az: I I ZR 255/59; Roquette, FS-Oppenhoff, S. 335 (339). 203 Geßler!Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 15, 18; Brodmann, Aktienrecht, § 232 HGB, Anm. 3; vgl. schon KGJ 21, A 106 (109), Beschluss v. 28. 01. 1901, Az: 1 Y 26/01; BGH, in: AG 1986, 259, Urt. v. 25. 11. 1985, Az: II ZR 115/85. 204 Weiterhin möglich wäre natürlich eine Gesamtvertretung von Organ und Prokurist auf der Ebene der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung als Fall der gemischten Gesamtprokura; Roquette, FS-Oppenhoff, S. 335 (341). 6*

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes rer; es soll im Interesse einer leichteren Handhabung der Geschäfte gestattet sein, anstelle des an sich vertretungsberechtigten Geschäftsführers einen Prokuristen zuzuziehen, falls dieser voraussichtlich nicht immer verfügbar sein wird 2 0 5 . Nicht Sinn und Zweck der gemischten Gesamtvertretung ist es jedoch, die Gesamtvertretung nach ihrem personellen Wegfall aufrecht zu erhalten. Einschlägig zur Problembewältigung sind die Vorschriften zur Aufrechterhaltung der konkreten Handlungsorganisation, d. h. Neubestellung durch Gesellschaft oder Gericht. Gerade aus §§35 Abs. 1 GmbHG (76, 78 AktG) folgt, dass primär die Geschäftsführer zur Vertretung der Gesellschaft berufen sind. Die mögliche Mitwirkung des Prokuristen ist nur Arbeitserleichterung. Zumal die Aufwertung des Prokuristen mit dem Grundsatz der Verbandssouveränität nicht vereinbar ist.

I I I . Der Wegfall der konkreten Handlungsverfassung

Das abstrakte Organ als Zuständigkeitskomplex bleibt vorhanden, auch wenn es vorübergehend nicht besetzt ist 2 0 6 . Denn der abstrakte Zuordnungsendpunkt von verbandsinternen Rechten und Pflichten, der durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag beschrieben wird, besteht unabhängig von einem personalen Substrat. Allerdings ist das Organ und nachfolgend der Verband erst willens- und handlungsfähig, wenn das Organ mit Organwaltern besetzt, also eingerichtet ist 2 0 7 . Durch die Errichtung von Organen wird die abstrakte Handlungsfähigkeit des Verbandes sichergestellt. Durch die konkrete Handlungsorganisation wird die abstrakte Organisation mit Leben erfüllt. Es werden Amtswalter bestellt, die die in den Organen gebündelten Aufgaben wahrnehmen. Durch Fehlen oder Wegfall der konkreten Handlungsorganisation wird anders als bei Wegfall der abstrakten Handlungsorganisation der Bestand und die Existenz des Verbandes nicht berührt 208 . Vielmehr ist die konkrete Handlungsunfähigkeit durch Neubestellung eines Amtswalters zu beheben. Primär ist dazu das zuständige Bestellungsorgan berufen. Aber auch die gesetzliche Regelung reagiert in dringenden Fällen auf den Wegfall der konkreten Handlungsorganisation.

1. Die Regelung der §§ 29 BGB, 85 AktG Im Vereinsrecht ermächtigt § 29 BGB das Amtsgericht in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag die erforderlichen Vorstandsmitglieder zu bestellen (sog. Notbestellung). Für die Aktiengesellschaft enthält § 85 205 Vgl. KGJ 44, 126 (127 f.), Beschluss v. 20. 10. 1912, Az: 1 a X 1069/12. 206 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 1 b = S. 421; Beuthien/ Gätsch, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (468 f.); Beuthien, FS-Zöllner, S. 87 ff. (98). 207 Vgl. v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 1895, § 59 II 4 = S. 473 Fn. 17: handlungsunfähig ist eine Verbandsperson, solange ihr ein Organ fehlt; Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (469). 208 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 75.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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AktG eine entsprechende Regelung 209 . Entsprechend angewandt wird § 29 BGB bei GmbH und Genossenschaft 210. Fällt bei der GmbH der Geschäftsführer weg, so kann das Gericht auf Antrag gem. § 29 BGB einen neuen Amtswalter bestellen und so die konkrete Handlungsorganisation wieder herstellen. Die Normsituation der §§ 29 BGB, 85 AktG wird deutlich: fallen die Organwalter des abstrakten Handlungsorgans weg, können entsprechend diesen Vorschriften neue Amtswalter bestellt werden. Die Vorschriften sind auf den zweigliedrigen Organbegriff zugeschnitten: bei Erhalt der abstrakten Handlungsverfassung fällt die konkrete Handlungsorganisation weg.

2. Die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 29 BGB, 85 AktG auf die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft Die entsprechende Anwendbarkeit des § 29 BGB auf die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft wird regelmäßig abgelehnt 211 . Eine Analogie sei mit dem Grundsatz der Selbstorganschaft unvereinbar, der besage, dass bei diesen Gesellschaften die Vertretungsbefugnis nur den Gesellschafter zustehen könne; zu berücksichtigen sei auch die unbeschränkte Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter 212. Damit wird der wahre Grund nicht getroffen. Der Grund der Unanwendbarkeit des § 29 BGB liegt in der Organisationsstruktur der gesetzestypisch verfassten offenen Handelsgesellschaft, die von der Identität von konkreter und abstrakter Handlungsorganisation (eingliedriger Organbegriff) bestimmt wird 2 1 3 . Die Normsituation des § 29 BGB kann überhaupt nicht eintreten; 209 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 1011 c aa = S. 257. 210 Staudinger /Weick, 13. Auflage, § 29, Rdnr. 3; Münchner Kommentar ! Reuter, § 29, Rdnr. 1; Palandt-Heinrichs, § 29, Rdnr. 1. 211 Münchner Kommentar/Reuter, § 29, Rdnr. 3; Staudinger /Weick, 13. Auflage, § 29, Rdnr. 5; Soergel /Hadding, § 29 Rdnr. 3 (hält aber Ausnahmen für körperschaftlich strukturierte Personengesellschaften für möglich); HGB-Großkommentar/Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 12; Schlegelberger/A:. Schmidt, 5. Auflage, § 125, Rdnr. 7; BGHZ 51, 198 (200), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67; hinsichtlich der Anwendbarkeit zweifelnd: RGZ 116, 116 (119), Urt. v. 11. 02. 1927, Az: II 129/26; aA für die KGaA: RGZ 74, 297 (301), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: Rep. I. 79/10; im Anschluss an RGZ 74, 297: Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 49 I I 2 = S. 588 Fn. 17: die Entscheidung betreffe zwar eine KGaA, aber für die oHG träfen dieselben Erwägungen zu. 212 Staudinger / Weick, 13. Auflage, § 29, Rdnr. 5; Soergel/Hadding, § 29 Rdnr. 3; Reiff, NJW 1964, 1940 (1941): der bestellte Vertreter einer Kapitalgesellschaft oder Vereins verfüge nur über das Körperschaftsvermögen, während er bei den Personengesellschaften die Gesellschafter unbeschränkt verpflichtete. Anders: Das Prinzip der Selbstorganschaft stelle die Handlungsfähigkeit der oHG sicher (HGB-Großkommentar/ Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 12; Schlegelberger/K Schmidt, 5. Auflage, § 125, Rdnr. 7). 213 Teilweise übereinstimmend: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 10 I 1 c bb = S. 257 f.; vgl. schon Peters, MDR 1951, 343: bei oHG und KG fehle ein Organ, Vorstand oder Geschäftsführer, das nach § 29 BGB besetzt werden könnte.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

der Tatbestand dieser Norm knüpft am zweigliedrigen Organbegriff an: das abstrakte Organ hat keinen Organwalter, der Vorstand steht ohne Vorstandsmitglied da. Es kommt zu einem Wegfall der konkreten Handlungsorganisation, der die gesellschaftsvertragliche Kompetenzverteilung der abstrakten Handlungsverfassung nicht tangiert. Der Verlust der Organperson beschränkt sich auf die konkrete Handlungsorganisation. Die organisationsrechtliche Ausgangssituation ist bei der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft eine andere. Fällt ein geschäftsführender Gesellschafter als Handlungsorgan der Gesellschaft weg, ist die abstrakte Handlungsverfassung, also die gesellschaftsvertragliche Grundlage der Handlungsorganisation betroffen; der Gesellschafter als der Zuordnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse (Organ) fällt weg. Ubertragen auf das Recht der Aktiengesellschaft würde dem die Situation entsprechen, dass der (abstrakte) Vorstand der Aktiengesellschaft wegfällt. Hier kann § 29 BGB nicht helfen. Dementsprechend muss der Problemlösungsmechanismus im Recht der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung, also der gesellschaftsvertraglichen Kompetenzzuweisung ansetzen. Das abstrakte Organisationsrecht der gesetzestypisch verfassten oHG und Kommanditgesellschaft ist ein selbstregeneratives System. Die abstrakte Handlungsorganisation passt sich - selbständig - den veränderten Verhältnissen an. Fällt in einer oHG der einzig vertretungsberechtigte Gesellschafter und damit das einzige Handlungsorgan weg, führt dies nicht zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft, sondern die Vertretungsmacht der verbleibenden Gesellschafter lebt wieder auf 2 1 4 . Eine andere Lösung in dem Sinne, dass die Vertretungsmacht der übrigen Gesellschafter nicht automatisch auflebt, sich die Gesellschafter vielmehr auf eine neue Vertretungsordnung einigen und dementsprechend den Gesellschaftervertrag ändern müssen, ist nicht möglich, da bis zu diesem Zeitpunkt die Gesellschaft ohne Handlungsorgan dastünde, also auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung handlungsunfähig wäre 215 . Die Konfliktbereinigung läuft genau andersherum ab. 214 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 127, Rdnr. 2; Fischer, L M § 140 HGB Nr. 8/9/10; BGHZ 33, 105 (107 f.), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: I I ZR 260/59. Vgl. den Fall BGHZ 41, 367, Urt. v. 25. 05. 1967, Az: II ZR 42/62: Bleibt nach dem Ausscheiden des einen von zwei gesamtvertretungsberechtigten Gesellschaftern aus einer Kommanditgesellschaft nur noch ein persönlich haftender Gesellschafter übrig, so vertritt dieser nunmehr allein die Gesellschaft. Fällt ein Gesamtvertreter fort, so erhält grundsätzlich nicht etwa der andere Gesellschafter, der mit ihm zusammen vertretungsberechtigt war, Alleinvertretungsmacht; denn ein solcher Zuwachs an Vertretungsmacht läge im Zweifel nicht im Sinne des Gesellschaftsvertrages, der die Einzelvertretung gerade ausgeschlossen hat. Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn in einer Kommanditgesellschaft nach dem Ausscheiden des einen von zwei gesamtvertretungsberechtigten Gesellschaftern nur noch ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist. Hier ist keine andere Lösung denkbar als die, dass der nunmehr einzige persönlich haftende Gesellschafter die Gesellschaft vertritt. Vgl. BGHZ 51, 198, Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67. 215 In diese Richtung tendiert Schreiber, Die KGaA,1925, § 8 = S. 115: durch das Ausscheiden oder den Ausschluss eines Komplementärs solle die gesellschaftsvertragliche Regelung der Geschäftsführung und Vertretung nicht automatisch geändert werden, vielmehr soll

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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Zunächst wird die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft durch das Wiederaufleben der Gesamtkompetenz aller Gesellschafter wiederhergestellt, dann bleibt es den Gesellschaftern unbenommen, durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages eine neue, angemessene Vertretungsordnung zu schaffen; notfalls mit einer Klage auf Zustimmung. Die Problembewältigung erfolgt auf der Stufe der abstrakten Handlungsorganisation durch eine Neuverteilung der organschaftlichen Kompetenzen. Das Recht der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft setzt auf anderer Ebene als § 29 BGB an. Verliert dagegen eine Kommanditgesellschaft mit ihrem einzigen Komplementär ihr Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan, so tritt die KG schon wegen Fehlens des persönlich haftenden Gesellschafters in das Abwicklungsstadium, wenn es ihr nicht gelingt, einen neuen Komplementär zu finden oder sich keiner der bisherigen Kommanditisten bereit findet, die Position des persönlich haftenden Gesellschafters einzunehmen216. Auf die Frage, ob nicht eventuell ein Dritter oder ein Kommanditist zum Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft bestellt werden kann, kommt es gar nicht an.

Das ist allerdings nur der Regelfall und gilt nur solange, wie sich die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die Β GB-Gesellschaft der gesetzlich typisierten Regelung entsprechend organisieren. Hält man es für zulässig, dass sich zB eine offene Handelsgesellschaft im Gesellschaftsvertrag durch Kompetenzzuweisung ein besonderes abstraktes Leitungsorgan gibt nach dem Vorbild der GmbH, also die Komplementäre nicht mehr die geborenen (eingliedrigen) Organe der Gesellschaft sind, dann kann sich die Normsituation des § 29 BGB sehr wohl ergeben: ist das Handlungsorgan aus welchen Gründen auch immer einmal unbesetzt und lebt aber die Vertretungsbefugnis der Komplementäre nicht automatisch wieder auf 2 1 7 , ist § 29 BGB einschlägig. Will man über die Norm des § 29 BGB in der offenen Handelsgesellschaft Fremdorganschaft begründen, ist die Vorschrift aber der falsche Weg. Fremdorganschaft bedeutet organisationsrechtlich betrachtet nichts anderes, als dass ein abstraktes Handlungsorgan geschaffen und mit dem anvisierten Dritten als Organwalter besetzt wird 2 1 8 . Es geht um einen Eingriff auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung. Kompetenzen sollen auf ein besonderes, privatautonom geschaffenes Organ übertragen werden. Damit hat § 29

die Neuregelung der Gesellschaft überlassen bleiben. Notfalls sei Klage auf Zustimmung zu erheben, es sei denn, die Verbandsverfassung ergebe, dass die Satzung praktisch eine Ersatzordnung bereit halte, die eingreifen solle, wenn die primäre Verfassung nicht mehr bestehe. 216 BGHZ 6, 113 (116), Urt. v. 14. 05. 1952, Az: II 40/51. Vgl. BGHZ 51, 198 (200), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67. 217 Möglich könnte aber natürlich eine gesellschaftsvertragliche Regelung dahin sein, dass im tatbestandlichen Falle des § 29 BGB die Vertretungsmacht der Komplementäre - eventuell vorübergehend bis zur Neubestellung - auflebt, bzw. die ganze Zeit neben derjenigen des abstrakten, mit einem Dritten besetzten Handlungsorgan fortbestand. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Partenreederei verwiesen werden. 218 Beuthien/Gätsch, 483 (486 f.).

ZHR Bd. 156 (1992), 459 (469); dieselben, ZHR Bd. 157 (1993),

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

BGB nichts zu tun. Der richtige Ansatzpunkt hierfür findet sich in den Vorschriften der §§ 146 Abs. 1 S. 1, 492 Abs. 1 HGB. Nichts zu schaffen mit § 29 BGB hat die Entscheidung BGHZ 33, 105 219 . In einem Ausschließungsprozess gegen den einzigen geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter einer oHG sollte diesem durch einstweilige Verfügung die Geschäftsführungs· und Vertretungsbefugnis entzogen werden. Der BGH erachtete eine solche Maßnahme für zulässig. Dadurch werde kein rechtlich unhaltbarer Zustand geschaffen, den es zu beklagen gäbe, wenn die Gesellschaft ohne Vertreter dastehe, da die Entziehung der Vertretungsmacht zur Folge habe, dass die Vertretungsbefugnis nun allen Gesellschaftern gleichermaßen zustehe220. Im weiteren Verlauf der Entscheidung hält es der Bundesgerichtshof wegen des liquidationsähnlichen Ausnahmecharakters der Situation für zulässig, für die Dauer des Ausschließungsprozesses die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis per einstweiliger Verfügung gem. § 940 ZPO auf einen Dritten zu übertragen, da ein sinnvolles, aber notwendiges Zusammenwirken der nunmehr gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafter während des Ausschließungsprozesses wegen irrationaler Reaktionen der Betroffenen typischerweise nicht zu erwarten ist. Darin liegt aber keine entsprechende Anwendung des § 29 BGB 2 2 1 . Vielmehr ist mit dem BGH § 146 Abs. 2 S. 1 HGB entsprechend heranzuziehen. Denn während es § 29 BGB nur um die Wiederherstellung der konkreten Handlungsorganisation geht, geht § 146 Abs. 2 S. 1 HGB darüber hinaus und ermöglicht ein richterliches Einwirken auf die abstrakte Handlungsorganisation, indem Kompetenzen von allen Gesellschaftern als den geborenen Liquidatoren der abzuwickelnden Gesellschaft auf bestimmte Personen, auch Gesellschaftsfremde, als Liquidatoren übertragen werden. Wenn ein Dritter zum Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft bestellt wird, wird auf Ebene der abstrakten Handlungsorganisation vorgegangen. Kompetenzen werden hier weggenommen und dort hingeschoben. Damit hat § 29 BGB nichts zu tun, wohl aber § 146 Abs. 2 S. 1 HGB. Erst recht nichts zu tun mit § 29 BGB hat BGHZ 51, 198. Danach kann dem einzigen Komplementär einer KG zwar die Geschäftsführungsbefugnis, nicht aber die Vertretungsbefugnis entzogen werden. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs obliegt die organschaftliche Vertretung einer KG zwingend dem Komplementär. Würde dem einzigen Komplementär die Vertretungsmacht entzogen, wäre danach mangels rechtlich zulässiger Ersatzlösung ein rechtlich unmöglicher Zustand geschaffen: eine handlungsunfähige KG. Die Problematik liegt wieder auf Ebene der abstrakten Handlungsorganisation und berührt den Fragenkreis des § 29 BGB nicht. Und wenn der BGH dagegen die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis für möglich ansieht, da sie nicht an den persönlich haftenden Gesellschafter gebunden sei, sondern auch den Kommanditisten übertragen werden könne und daher mit ihrer Entziehung allen Gesellschaftern zufalle, sofern der Gesellschaftsvertrag keine zulässige Ersatzlösung bereit hält, geht es wieder um die Ver219 Urt. v. 11. 07. 1960, Az: I I ZR 260/59. 220 BGHZ 31, 105 (107 f.), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: II ZR 260/59. Zustimmend Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 33 f., der dies Ergebnis mit der tradierten Gesamthandslehre begründet. 221 So aber: Soergel /Hadding, § 29 Rdnr. 3. Münchner Kommentar /Reuter, § 29, Rdnr. 4 stellt zwar zutreffend auf § 146 Abs. 2 S. 1 HGB ab, macht aber eine nahe Verwandtschaft zu § 29 BGB aus.

1. Abschn., § 3 Die Handlungserfassung des Verbandes

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Schiebung von organschaftlichen Kompetenzen auf Ebene der abstrakten Handlungsverfassung und nicht um § 29 BGB.

3. Die Anwendung des § 29 BGB auf die GmbH & Co. Unklar ist die Frage der Anwendung von § 29 BGB auf die GmbH & Co 2 2 2 . Keine Probleme bietet die Anwendung von § 29 BGB auf Ebene der Komplementär-GmbH 223 . Die Vertretung der Komplementär-GmbH erfolgt über den im Geschäftsführeramt gebündelten abstrakten Kompetenzkomplex, dessen Kompetenzen von einem konkreten Organ waiter wahrgenommen werden. Fällt dieser weg, liegt ein normaler Anwendungsfall des § 29 BGB vor: einem abstrakt bestimmten Organ als Zurechnungsendpunkt von organschaftlichen Kompetenzen ist irgendwie sein Amtswalter abhanden gekommen. Die Ebene der abstrakten Kompetenzverteilung bleibt unberührt, es werden keine Kompetenzen verschoben. Daraus dass die GmbH Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft oder offenen Handelsgesellschaft ist, ergeben sich keine Besonderheiten. Die abstrakte Handlungsorganisation der Grundgesellschaft wird ja nicht beeinträchtigt. Die GmbH war vorher vertretungs- und geschäftsführungsberechtigte Gesellschafterin und bleibt es danach. Insoweit ändert sich nichts. Im Anschluss an das OLG Saarbrücken 224 wird von einem Teil der Lehre die Anwendung des § 29 BGB unmittelbar auf die Handlungs Verfassung der zugrundeliegenden Kommanditgesellschaft für möglich gehalten 225 : „Der Senat hält es nicht für erforderlich darauf zu bestehen, daß in einem derartigen Fall der Vertreter für die juristische Person, nicht aber für die KG selbst zu bestellen ist" 2 2 6 . Der Entscheidung, die im Verfahren nach §§57 Abs. 1 Nr. 3, 63 FGG erging, lag (wohl 2 2 7 ) folgender vereinfachter Sachverhalt zugrunde: Eine Kommanditgesellschaft, deren einziger Komplementär eine GmbH war, war von der Bf. verklagt worden. Zur Fortsetzung eines anhängigen Rechtsstreits verlangte die Bf. die Bestellung eines 222 Bejahend: OLG Saarbrücken, in: OLGZ 1977, 291, Beschluss v. 21. 04. 1977, Az: 5 W 25/77; dem folgend: Soergel/Hadding, § 29 Rdnr. 3; Palandt-Zfewricfa, § 29, Rdnr. 1; ablehnend: Münchner KommentarIReuter, § 29, Rdnr. 5; ErmanIH. P. Westermann, § 29, Rdnr. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 10 I 1 c bb = S. 257 Fn. 5; vgl. auch BayObLGZ 1976,126, Beschluss v. 02. 06. 1976, Az: BReg 2 Ζ 84/75. 223 Münchner Kommentar I Reuter, § 29, Rdnr. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 10 I 1 c bb = S. 257 Fn. 5; vgl. auch BayObLGZ 1976, 126 (Lt. 2 u. S. 129 f.), Beschluss v. 02. 06. 1976, Az: BReg 2 Ζ 84/75. 224 OLGZ 1977, 291, Beschluss v. 21. 04. 1977, Az: 5 W 25/77. 225 Soergel /Hadding, § 29 Rdnr. 3; Palandt-Heinrichs, § 29, Rdnr. 1; ablehnend: Münchner Kommentar /Reuter, § 29, Rdnr. 5; Erman IH. P. Westermann, § 29, Rdnr. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 101 1 c bb = S. 257 Fn. 5. 226 OLG Saarbrücken, in: OLGZ 1977, 291 (294), Beschluss v. 21. 04. 1977, Az: 5 W 25/77. 227 Eine Sachverhaltsdarstellung ist in der Veröffentlichung nicht angegeben.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Pflegers für die KG. Grund dafür war, dass der Geschäftsführer der GmbH zugleich der Vertreter der Bf. war. Im Originalfall kam noch hinzu, dass es sich statt um eine deutsche GmbH um eine französische Société à responsabilité limitée handelte. Das Problem liegt auf der Hand. Zwar stehen sich im Ausgangsprozess zwei selbständige Parteien gegenüber, aber aus dem Wesen des Zivilprozesses folgt darüber hinaus, dass es notwendig ist, dass die für die Parteien handelnden Vertreter verschiedene Personen sind, gleich ob es sich um gesetzliche, organschaftliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter handelt. Daher kann im Prozess nicht ein und dieselbe Person als Vertreter beider Parteien und ebenso wenig eine Person zugleich als Partei und als gesetzlicher Vertreter der Gegenpartei auftreten 228. Dem Vertreter der klagenden Bf. war es daher unmöglich zugleich als der gesetzliche (organschaftliche) Vertreter der KG aufzutreten. Daher ist eine Prozessführung solange unmöglich, bis ein besonderer Vertreter nach materiellem oder Prozessrecht bestellt wird 2 2 9 . Die selbstregenerativen Kräfte im Organisationsrecht der Kommanditgesellschaft konnten im konkreten Fall nicht weiter helfen. Wäre ein zweiter vertretungsbefugter Gesellschafter vorhanden gewesen, so hätte dieser die Kommanditgesellschaft vor Gericht vertreten können. Das gilt selbst dann, wenn nur zwei Komplementäre vorhanden sind, die beide nur zur Gesamtvertretung der Gesellschaft befugt sind 230 . Dies lässt sich einmal zwanglos über den Weg einer Einzelermächtigung nach § 125 Abs. 2 S. 2 HGB konstruieren 231, indem der klagende Gesellschafter den anderen gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafter zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft ermächtigt und aus seiner Treuepflicht heraus ermächtigen muss 232 oder, indem man davon ausgeht, dass den übrigen gesamtvertretungsberechtigten Gesellschaftern Gesamtvertretungsmacht unter Ausschluss des klagenden Gesellschafters unmittelbar kraft Gesetzes zuwächst 233 . Für diesen Lösungsansatz kann bei BGHZ 41, 367 Anleihe genommen werden. Der BGH entschied: bleibt nach dem Ausscheiden des einen von zwei gesamtvertretungsberechtigten Gesellschaftern aus einer Kommanditgesellschaft nur noch ein persönlich haftender Gesellschafter übrig, so vertritt dieser nunmehr allein die Gesellschaft.

228 RGZ 7, 404 f., Urt. v. 18. 10. 1882, Az: Rep. I 355/82; RGZ 66, 240 (242 f.), Urt. v. 22. 06. 1907, Az: Rep. I 40/07; OLG Frankfurt a.M., in: NJW-RR 1997, 31, Beschluss v. 11.07. 1996, Az: 24 U 235/95. 229 Stein / Jonas / Bork, ZPO, 21. Auflage, § 51, Rdnr. 23; RGZ 7, 404 (405), Urt. v. 18. 10. 1882, Az: Rep. I 355/82; RGZ 66, 240 (243), Urt. v. 22. 06. 1907, Az: Rep. 140/07. 230 Für die Liquidationsgesellschaft RGZ 116, 116 , Urt. 11. 02. 1927, Az: II 129/26 mit einer Lösung über § 125 Abs. 2 S. 2 HGB; vgl. BGHZ 41, 367, Urt. v. 25. 05. 1964, Az: II ZR 42/62. 231 So RGZ 116, 116 (118), Urt. 11.02. 1927, Az: II 129/26. 232 § 181 BGB steht der Einzelermächtigung nicht entgegen, BGHZ 64, 72, Urt. v. 06. 03. 1975, Az: I I Z R 80/73. 233 Vgl. BGH, W M 1983, 60, Urt. v. 04. 11. 1982, Az: II ZR 210/81; Schlegelberger/tf. Schmidt, HGB, 5. Auflage, § 125, Rdnr. 45, 52.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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Dem Ausscheiden des Gesellschafters oder eines Erlöschens dessen Vertretungsmacht aus sonstigem Grund (BGHZ 41, 367 (368)) ist der Fall gleichzustellen, dass ein Gesellschafter an der Vertretung der Gesellschaft im Prozess gehindert ist. Der andere Gesellschafter könnte dann zur Alleinvertretung berechtigt die Gesellschaft vor Gericht vertreten. Dies konnte im konkreten Fall aber nicht weiter helfen, da nur ein Komplementär vorhanden war und gerade dieser an der Vertretung der Gesellschaft gehindert war. Das OLG Saarbrücken hatte sich vor diesem Hintergrund mit der angestrebten Pflegerbestellung auseinander zu setzen. Eine Pflegerbestellung gem. § 1913 BGB kam für das OLG nicht in Betracht, da an der Identität der Kommanditgesellschaft als Beklagte des zugrundeliegenden Rechtsstreits keine Zweifel bestanden. Das entspricht der absolut herrschenden Meinung. Eine Pflegschaftsbestellung nach § 1913 BGB ist zwar auch für eine juristische Person möglich, sofern sie als solche unbekannt ist. Dagegen scheidet dogmatisch eine Pflegerbestellung nach § 1913 BGB aus, wenn die juristische Person bekannt und nur ihre Organe verhindert sind 234 . Auch die Bestellung eines Abwesenheitspflegers nach § 1911 BGB iVm § 10 Abs. 1 Nr. 1 Zuständigkeitsergänzungsgesetz235 kam nicht in Betracht, da die vertretungsberechtigte Person sehr wohl erreichbar, wenn auch rechtlich von der Vertretung ausgeschlossen war. Eine Pflegerbestellung scheidet also grundsätzlich aus. Damit befindet sich das OLG Saarbrücken auf sicherem Boden, da allgemein im Anschluss an die Rechtsprechung des Kammergerichts eine Pflegschaft für die juristische Person außerhalb der §§ 1913, 1911 BGB iVm § 10 Abs. 1 Nr. 1 Zuständigkeitsergänzungsgesetz für unzulässig gehalten wird, also insbesondere auf § 1909 BGB nicht zurückgegriffen werden kann 236 . Denn es handele sich bei den §§ 1909 ff. BGB nicht um allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern um engbegrenzte Einzelfälle. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschriften ist deshalb kein Raum. Das gilt insbesondere für § 1909 BGB, der sich erkennbar nur auf natürliche Personen bezieht 237 . Gerade die wiederholte Zulassung der Pflegerbestellung in Sondergesetzen (zB: § 10 Abs. 1 Nr. 1 Zuständigkeitsergänzungsgesetz) bestätigt die Annahme, dass eine ausdehnende Anwendung auf juristische Personen mit dem Geist des Gesetzes an dieser Stelle nicht zu vereinbaren ist. Das OLG Saarbrücken denkt die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung der Pflegschaftsvorschriften an 2 3 8 für den Fall, dass das Vertretungsproblem nicht auf andere Weise aufgelöst werden kann. Doch findet das OLG aus seinem Dilemma einen Ausweg über § 29 BGB. Zwar sei § 29 BGB nach herrschender Meinung auf Personengesellschaften 234

Vgl. nur Münchner Kommentar /Schwab, 3. Auflage, § 1913, Rdnr. 8 ff. Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts (Zuständigkeitsergänzungsgesetz) v. 07. 10. 1952, BGBl. 1 1952,407 (408). 23 6 Münchner Kommentar/Schwab, 3. Auflage, Vor § 1909, Rdnr. 19, § 1909, Rdnr. 10; Palandt/Diederichsen, Einf ν § 1909, Rdnr. 5; KGJ 34, A 53, Beschluss v. 16. 05. 1907, Az: 1 X 520/07; KG, in: OLG-Rspr. 41, 79, Beschluss v. 14. 05. 1920. 23 7 KGJ 34, A 53 (54), Beschluss v. 16. 05. 1907, Az: 1 X 520/07; KG, in: OLG-Rspr. 41, 79, Beschluss v. 14. 05. 1920. Insbesondere auf die AG sei § 1909 nicht anwendbar, da es insoweit an einer Regelungslücke fehle, da mit den §§29 BGB, 85 AktG geholfen werden könne (vgl. KGJ 34, A 53 (54 f.)). 235

238

In diese Richtung geht wohl Erman / Η. Ρ Westermann, § 29, Rdnr. 4.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes nicht anwendbar, weil es der herrschenden Meinung als untragbar erscheine, dass der nach § 29 BGB bestellte Notvertreter die Gesellschafter persönlich verpflichten könne. Ob dies tatsächlich zutrifft, lässt das OLG offen, bemerkt aber dabei, dass jedes Vertretungsproblem auf Beklagtenseite in einem Rechtsstreit gelöst werden müsse. Jedenfalls käme das Argument der herrschenden Meinung nicht zum Zuge bei einer Kommanditgesellschaft, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH sei. Hier sei die Anwendung des § 29 BGB unbedenklich. Zudem verweist das OLG auf strukturelle Annäherung des GmbH & Co KG an die juristische Person. Um schließlich überflüssigen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, die daher rühren, dass es sich um eine französische Société à responsabilité limitée mit Sitz in Frankreich handelte 239 , hält es der Senat für möglich, dass der Vertreter nach § 29 BGB unmittelbar für die KG bestellt werden kann.

Zuzustimmen ist dem OLG Saarbrücken in seinem Ausgangspunkt. Jedes Vertreterproblem auf der Beklagtenseite in einem Rechtsstreit muss aufgelöst werden können, da es ansonsten wirklich zu der aberwitzigen Konsequenz kommen könnte, dass ein gegen den Verband begründeter Anspruch nicht durchgesetzt werden könnte. Man denke nur an die mit dem Ausgangsfall verwandte Situation, dass der einzige Komplementär einer Kommanditgesellschaft selbst gegen die Gesellschaft vorgeht. Für die Aktiengesellschaft, die GmbH und den Verein bieten hier die §§29 BGB, 85 AktG eine adäquate Lösungsmöglichkeit. Ist der Amtswalter aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an der organschaftlichen Vertretung des Verbandes gehindert, kann über §§ 29, 85 BGB geholfen werden 240 . Wegen der Anknüpfung an Vorstand oder Geschäftsführeramt, also an eine abstrakte Institution, bieten sie aber keine geeignete Handhabe für die Kommanditgesellschaft. Denn hier fehlen abstrakte Institutionen, die organschaftlichen Kompetenzen werden unmittelbar Gesellschaftern zugewiesen. Die Entscheidungen des Kammergerichts, die eine Anwendung der §§ 1909 ff. BGB verwerfen, beziehen sich denn auch auf die Aktiengesellschaft. Denn unabhängig vom abschließenden Charakter der Pflegschaftsvorschriften, kann jedes Vertretungsproblem dieser verklagten Gesellschaften über die §§ 29 BGB, 85 AktG oder der Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO gemeistert werden 241 . Umstritten ist das Verhältnis von § 29 BGB zu § 57 ZPO. Teilweise wird die Subsidiarität des § 57 ZPO gefordert 242 , wobei man sich auf den Wortlaut dieser Bestimmung beruft: „bis zum Eintritt des gesetzlichen Vertreters". Die Gegenansicht spricht dagegen einem 239 Deswegen kann ein zuständiges Registergericht im Inland nicht bestimmt werden und seine internationale Zuständigkeit möglicherweise nicht angenommen werden. Dagegen bereitet dies bei der KG mit Sitz in Saarbrücken keine Schwierigkeiten. 240 BayObLGZ 1998, 179 (183), Beschluss v. 12. 08. 1998, Az: 3Z BR 456/97; für eine Verhinderung nach § 181 BGB: Münchner Kommentar /Reuter, § 29, Rdnr. 7.

241 KGJ 34, A 53 (54 f.), Beschluss v. 16. 05. 1907, Az: 1 X 520/07; KG, in: OLG-Rspr. 41, 79 f., Beschluss v. 14. 05. 1920. 242 BayObLGZ 1998, 179 (184), Beschluss v. 12. 08. 1998, Az: 3Z BR 456/97; OLG Celle, in: NJW 1965, 504 (505), Beschluss v. 06. 11. 1964, Az: 9 Wx 4/64; Palandt-tfemrichs, § 29, Rdnr. 3.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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Antrag nach § 29 BGB das Rechtsschutzbedürfnis ab, wenn der einfachere Weg über § 57 ZPO offen steht 243 . Auch der historische Gesetzgeber sah angesichts des heutigen § 57 ZPO keinen Grund zur besonderen Fürsorge über den heutigen § 29 BGB, wenn der Verband verklagt werden sollte 244 . Die Verhältnisse werden klarer, wenn man die rechtlich verschiedene Stellung des notbestellten Organwalters einerseits und des Prozesspflegers andererseits beachtet. Das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied rückt zum konkreten Gesellschaftsorganwalter auf; es hat grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie ein normales Vorstandsmitglied 245. Das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied wird Teil der konkreten Handlungsorganisation. Dem Prozesspfleger wird dagegen keine Stellung innerhalb der Handlungsverfassung des Verbandes eingeräumt. Er steht außerhalb der Verbandsorganisation ohne eine organschaftliche Position zu erlangen 246. Der Weg über § 29 BGB entspricht dem Wesen der juristischen Person 247. Die juristische Person ist ein durch ihre objektive Handlungsorganisation handlungsfähiges, rechtsfähiges Sozialsystem. Dem entspricht es, Vertretungsprobleme auf Ebene der Handlungsorganisation zu bewältigen, um so die originäre Handlungsfähigkeit des Verbandes aus sich heraus wieder herzustellen. Andererseits aber stellt die gerichtliche Notbestellung einen massiven hoheitlichen Eingriff in das durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützte Kompetenzgefüge des Verbandes dar, zB bei der GmbH in das Bestellungsrecht der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) 248 . Die Beeinträchtigung durch Bestellung eines Prozesspflegers ist wegen dessen beschränkter Legitimation weniger einschneidend und berührt die Handlungsverfassung des Verbandes nicht, zumal für das Bestellungsorgan die Möglichkeit besteht, durch eigene Bestellung eines Organwalters das Amt des Prozesspflegers zu beenden249. Es wird daher stets auf den Einzelfall ankommen, welche Lösung angemessen ist: die Bestellung eines Gesellschaftsorgans (mit unbeschränkbarer organschaftlicher Vertretungsmacht aber einschränkbarer organschaftlicher Geschäftsführungsbefugnis) oder eines Prozesspflegers mit auf den konkreten Prozess gegenständlich beschränkter Rechtsstellung. Der Weg über § 29 BGB kommt dem Wesen der juristischen Person näher, ist aber wegen des Eingriffs in die konkrete Handlungsverfassung, der automatisch die Kompetenzen der Bestellungs-

243 Münchner Kommentar/Reuter, § 29, Rdnr. 8; Erman/ H. R Westermann, § 29, Rdnr. 2. 244 Motive I, S. 100; kritisch dazu: Staudinger/Coing, 11. Auflage (1957), § 29, Rdnr. 9: mit dem Wesen der juristischen Person unvereinbar. 245 OLG Stuttgart, in: MDR 1996, 198, Beschluss v. 12. 07. 1995, Az: 9 W 69/94; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 13. Auflage, Vor § 35, Rdnr. 20; Hüffer, AktG, 4. Auflage, § 85, Rdnr. 5. 246 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Auflage, Vor § 35, Rdnr. 23; OLG Stuttgart, in: MDR 1996, 198, Beschluss v. 12. 07. 1995, Az: 9 W 69/94. Ob jemand als Organ der Gesellschaft auftritt, entscheidet sich danach, ob er seine Befugnisse durch die objektive Verbandsorganisation oder nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsordnung zugewiesen bekommt (vgl. H J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, § 11 III 2 = S. 242). 247 Staudinger/ Coing, 11. Auflage (1957), § 29, Rdnr. 9. 248 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Auflage, Vor § 35, Rdnr. 12; BayObLGZ 1998, 179 (186), Beschluss v. 12. 08. 1998, Az: 3Z BR 456/97. Daraus folgt zB die Pflicht des Gerichts, die Geschäftsführungsbefugnis des Notgeschäftsführers auf das sachlich notwendige zu beschränken. Das Gericht kann aber nur die Geschäftsführungsbefugnis, nicht aber die Vertretungsmacht des von ihm bestellten Geschäftsführers einschränken (BayObLGZ 1998, 179(183)). 249 Vgl. Zöller / Vollkommen ZPO, § 57, Rdnr. 9: das Amt des Prozesspflegers endet durch die Prozessfähigkeit des Beklagten.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes organe berührt, für die Gesellschaft weit mehr belastend als eine Prozesspflegerbestellung. Sind zB mehrere Prozesse zu erwarten, ist der Weg über § 29 BGB eher geboten, als bei einem vereinzelten Prozess. Keinesfalls aber kann eine bereits stattgefundene Bestellung nach § 57 ZPO eine Bestellung nach § 29 BGB ausschließen. Denn beide Vorschriften setzen auf unterschiedlichen Ebenen an. Bei § 29 BGB geht es um die organschaftliche Ebene der konkreten Handlungsverfassung, die § 57 ZPO vorgeht. Ist der Verband wieder aus sich heraus handlungsfähig, bedarf es des Prozesspflegers nicht mehr, der seine Stellung verliert. Man muss immer bedenken, dass § 29 BGB auf Ebene der (konkreten) gesellschaftlichen Handlungsorganisation ansetzt und damit organisatorisch einen anderen Stellenwert einnimmt als die Prozesspflegerbestellung nach § 57 ZPO.

Für die Kommanditgesellschaft hilft § 29 BGB nicht weiter. Der Weg des OLG Saarbrücken ist ungangbar, zumal auch eine Beschränkung auf Kommanditgesellschaften, deren einziger persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH ist, nicht weiterhilft. Die Organisation der Trägergesellschaft wird nicht dadurch verändert, dass keine natürliche Person unbeschränkt haftet. Zumal bemerkt sei, dass die Anwendbarkeit von § 29 BGB nichts mit der unbeschränkten Haftung natürlicher Personen zu tun hat. Für die EWIV ist § 29 BGB anwendbar, auch wenn die Gesellschafter nach außen unbeschränkt haften (Art. 24 der EWIV-Verordnung 250). § 29 BGB ist wegen der Art der Handlungsverfassung auf die Kommanditgesellschaft nicht anwendbar, unabhängig davon, ob der einzige Komplementär eine GmbH ist. Die Organisationsstruktur der Handlungsverfassung einer Kommanditgesellschaft ändert sich nicht deshalb, weil nun keine natürliche Person mehr unbeschränkt haftet. Und sie ändert sich auch nicht dadurch, dass eine französische Société à responsabilité limitée persönlich haftender Gesellschafter ist 2 5 1 . Auf Ebene einer Komplementär-GmbH ist § 29 BGB anwendbar, aber nicht auf Ebene der KG als Trägergesellschaft. Das Vertretungsproblem muss auf andere Weise gelöst werden. Ein Lösungsansatz kann bei § 57 ZPO ansetzen. Ist das Vertretungsorgan einer Kommanditgesellschaft rechtlich an der Prozessführung für die Gesellschaft gehindert, zB bei Identität von organschaftlichem Vertreter und Gegenpartei, kann der KG ein Prozesspfleger bestellt werden 252 . Dabei kann § 57 ZPO nach einer gewichtigen Auffassung auch angewandt werden, wenn die Prozessfähigkeit erst während des Verfahrens wegfällt 253 . 250 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), vom 25. 07. 1985 (Abi. Nr. L 199/1). Abgedruckt bei: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 391. 251

Vgl. Münchner Kommentar /Reuter, § 29, Rdnr. 5. 5 Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Auflage, § 51, Rdnr. 23; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 57, Rdnr. 1; Musielak / Weth, ZPO, § 57, Rdnr. 1. 2 53 So m. w. N.: OLG Stuttgart, in: MDR 1996, 198, Beschluss v. 12. 07. 1995, Az: 9 W 69/94 unter Hinweis auf ein ersichtliches Redaktionsversehen des Gesetzgebers, der eine weitherzige Auslegung von § 57 ZPO gebiete. AA unter Hinweis auf §§ 241, 246 ZPO: Zöller/ Vollkommer, ZPO, § 57, Rdnr. 3; Musielak/Weth, ZPO, § 57, Rdnr. 2. Vgl. schon: KG, in: OLG-Rspr. 41, 79 (80), Beschluss v. 14. 05. 1920. 2 2

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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Durch die Bestellung eines Prozesspflegers wird aber nur eine Vertretung außerhalb der Handlungsorganisation geschaffen. Ebenso, wenn man den vom OLG Saarbrücken angedachten Lösungsweg zu Ende geht, und die Bestellung eines Pflegers analog den §§ 1909 ff. BGB für möglich hält. Auch dieses Szenario spielt außerhalb der Organisation der Gesellschaft. Im Recht der Kommanditgesellschaft (offenen Handelsgesellschaft) fehlt nun eine Vorschrift, die auf Ebene der Handlungsverfassung bei bestimmten, nicht anders auflösbaren Vertretungsproblemen die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft wiederherstellen kann, obwohl ihr Wesen als aus sich selber heraus handlungsfähiger Verband eine Problemlösung auch auf dieser Ebene verlangt. Eine analoge Anwendung des § 29 BGB hilft nicht weiter, da er auf eine andere Handlungsverfassung zugeschnitten ist. Abhilfe kann daher nur eine Vorschrift schaffen, die es ermöglicht, in bestimmten Situationen durch hoheitlichen Akt auf die abstrakte HandlungsVerfassung des Verbandes einzuwirken. Ernsthaft in Betracht kommt dafür nur eine entsprechende Anwendung eines modifizierten § 146 Abs. 2 HGB. Denn während es § 29 BGB nur um die Bestellung der konkreten Handlungsorganisation geht, geht § 146 Abs. 2 S. 1 HGB darüber hinaus und ermöglicht ein richterliches Einwirken auf die abstrakte Handlungsorganisation. Wenn ein Dritter zum Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan einer Kommanditgesellschaft bestellt wird, wird auf der Ebene der abstrakten Handlungsorganisation gearbeitet. Damit hat § 29 BGB nichts zu tun, wohl aber § 146 Abs. 2 S. 1 HGB. Allerdings muss § 146 HGB modifiziert, d. h. teilweise an § 29 BGB angenähert werden. Der Beteiligtenbegriff des § 146 HGB muss dem des § 29 BGB angepasst werden, und wegen des massiven Eingriffs in die Handlungsorganisation der Gesellschaft und der darauf abgestimmten Gewaltenverschränkung muss die Geschäftsführungsbefugnis eng begrenzbar sein. Zwar werden auf diese Weise zwei Vorschriften kombiniert, die nicht recht zueinander passen und auch bezieht sich § 146 HGB als Ausnahmevorschrift nur auf die Liquidation und liquidationsähnliche Sonderlagen. Aber wie der Fall des OLG Saarbrücken zeigt, kann es ein unabweisbares faktisches Bedürfnis nach der vorübergehenden (Not-)Berufung eines Dritten zum Gesellschaftsorgan geben. Die einzig mögliche Handhabe ist dann ein Weg, der zur Rechtsfolge des § 146 HGB führt: Einwirken auf die abstrakte Handlungsorganisation. Wegen des Ausnahmecharakters des § 146 HGB und des gravierenden Eingriffs in die Gesellschaftsstruktur, wird nur eine sehr vorsichtige Anwendung in Extremlagen in Frage kommen, wie sie sich im Ausgangsfall des OLG Saarbrücken darstellt. Ein einfaches Insichgeschäft nach § 181 BGB wird regelmäßig nicht darunter fallen. Und vor Gericht wird man sich regelmäßig mit § 57 ZPO zu behelfen haben. Das wird dem Wesen der Gesellschaft als aus sich heraus handlungsfähiges Subjekt zwar nicht annähernd so gerecht, wie die Hilfe auf organschaftlicher Ebene, ist aber letztlich wegen des geringeren Eingriffs in die Verbandsstruktur für die Gesellschaft weniger belastend. Das Ergebnis des OLG Saarbrücken ist daher letztlich zutreffend. Das Vertretungsproblem der KG muss auch auf Ebene der Handlungsverfassung lösbar sein. Den Weg dazu weist aber nicht § 29 BGB, sondern eine entsprechende Anwendung von § 146 HGB.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

4. Die Anwendbarkeit des § 29 BGB im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien Unklar stellt sich die Situation bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien dar. Obwohl ihre Handlungsverfassung derjenigen der Kommanditgesellschaft entspricht (§ 278 Abs. 2 AktG), will der überwiegende Teil der Lehre im Anschluss an RGZ 74, 297 2 5 4 auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien § 29 BGB bzw. § 85 AktG entsprechend anwenden255. In der Entscheidung ging es um die Frage, ob dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien die Vertretungsmacht entzogen werden kann. Das Reichsgericht bejahte diese Frage als den Schluss zwingender Logik 2 5 6 . Zur Beschaffung einer Vertretung könne dann § 29 BGB (bzw. § 85 AktG) angewandt werden. Ungeachtet der Zulässigkeit, dem einzigen Komplementär die organschaftlichen Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnisse zu entziehen, hat die aufgeworfene Problematik mit den §§ 29 BGB, 85 AktG nichts zu tun. Denn primär spielt sich das Geschehen auf Ebene der abstrakten Handlungsorganisation ab. Dem Komplementär werden seine organschaftlichen Kompetenzen entzogen. Er wird als Organ entmachtet. Die freigewordenen Kompetenzen müssen nun einem anderen Zuordnungsendpunkt zugewiesen werden, um die abstrakte Handlungsfähigkeit der KGaA zu bewahren. Dies geschieht dadurch, dass die organschaftliche Vertretungsmacht auf ein unbenanntes (abstraktes) Amt übertragen wird. Es wird ein neues Organ als Institution durch Kompetenzzuschreibung errichtet, das in einem zweiten, nachfolgenden Schritte mit einem konkreten Amtswalter zu besetzen ist. Das ist ein Fall des gegebenenfalls entsprechend anzuwenden § 146 Abs. 1 S. 2 AktG. Mit den §§ 29 BGB, 85 AktG hat das nichts zu tun. Es gelten wegen des gleichen Organisationsprinzips und übereinstimmender Interessenlage 257 die entsprechenden Konfliktsbewältigungsmechanismen wie bei der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft; die Anwendungsfrage der §§29 BGB, 85 AktG stellt sich nicht. Fällt der einzige Komplementär weg, so führt dies zur Auflösung der KGaA, da sie ebenso wenig wie eine KG ohne persönlich haftenden Gesellschafter bestehen kann 258 . Fällt der alleinver-

254 Urt. v. 24. 10. 1910, Az: Rep. I. 79/10. Bestätigung in RGZ 116, 116 (119), Urt. 11.02. 1927, Az: 11 129/26. 255 Soergel/Hadding, § 29 Rdnr. 1; Kölner Kommentar/Mertens, § 278, Rdnr. 78; Geßler/ Hefermehl / Eckardt / Kropff / Semler, AktG, § 278, Rdnr. 157 und § 289, Rdnr. 116; Palandt/ Heinrichs, § 29, Rdnr. 1; nicht eindeutig AktG-Großkommentar/Ztarz, § 278, Anm. 18; aA: Godin/Wilhelmi, § 278, Anm. 13; Münchner Kommentar /Reuter, § 29, Rdnr. 1. 256 RGZ 74, 297 (301), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: Rep. I. 79/10; zustimmend: Hüffer, AktG, 4. Auflage, § 278, Rdnr. 13; Kölner Kommentar/Mertens, § 278, Rdnr. 78; Geßler/Hefermehl /Eckardt/ Kropff/Semler, AktG, § 278, Rdnr. 155, 157; AktG-Großkommentar/ßarz, § 278, Anm. 18; aA: Godin/Wilhelmi, § 278, Anm. 13. 257 Münchner Kommentar /Reuter, § 29, Rdnr.l; Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 49 II 2 = S. 588 Fn. 17.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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tretungsberechtigte Komplementär weg, dann lebt die Vertretungsbefugnis der übrigen Komplementäre wieder auf 2 5 9 . Folgerichtig nimmt § 283 AktG auch nicht Bezug auf die Vorschriften über die Bestellung des Vorstandes und damit auch nicht auf den § 29 BGB entsprechenden § 85 AktG 2 6 0 . Gem. § 278 Abs. 2, Abs. 3 AktG hat die Kommanditgesellschaft auf Aktien eingliedrige Organe und eben keinen Vorstand, der irgendwie zu bestellen wäre.

5. Die Partenreederei Weitgehend ungeklärt ist die Anwendbarkeit des Rechtsgedanken der §§29 BGB, 85 AktG auf die Partenreederei 261. Man muss die Aufgabe dieser Vorschriften vergegenwärtigen. Sie wollen einen vorübergehenden Wegfall der konkreten Handlungsverfassung kompensieren, also den Fall, dass ein abstraktes Handlungsorgan aufgrund des Wegfalls eines Organ waiters vorübergehend nicht agieren kann. Dieser Fall kann bei der Partenreederei überhaupt nur dann eintreten, wenn entsprechend § 492 Abs. 1 HGB von der Möglichkeit Gebrauch gemacht und ein besonderes abstraktes Handlungsorgan - das herkömmlich ebenso wie der Amtswalter als Korrespondentreeder bezeichnet wird, aber doch streng von diesem zu trennen ist institutionalisiert wird. Macht die Partenreederei von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, d. h. verbleibt sie beim originären Prinzip der Selbstorganschaft, ist für den Rechtsgedanken der §§29 BGB, 85 AktG kein Raum. Die Grundkonstellation der §§85 AktG, 29 BGB kann gar nicht eintreten; es fehlt an einem abstrakten, zu besetzenden Organ. Nach den Grundsätzen der selbstregenerativen Selbstorganschaft bleibt der Verband stets handlungsfähig. Festhalten kann man also schon folgendes: sofern die Partenreederei nach dem originären Grundsatz der Selbstorganschaft verfasst ist, also das abstrakte Organ „Korrespondentreeder" nicht errichtet, kommt eine entsprechende Anwendung der §§85 AktG, 29 BGB nicht in Betracht. Aber auch eine Anwendung des § 146 Abs. 2 S. 1 HGB wird grundsätzlich ausscheiden. Die Entscheidung über die Ersteinsetzung des Korrespondentreeders, also die Entscheidung, ob überhaupt ein Korrespondentreeder bestellt werden soll 2 6 2 , ist der 258 Hüffen AktG, 4. Auflage, § 289, Rdnr. 9; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff/5^m/^A; AktG, § 289, Rdnr. 109 f., 112. Das gilt sogar, wenn sich die KGaA ein abstraktes Vorstandsorgan gegeben hat. 259 A A wohl Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff / Semler, AktG, § 289, Rdnr. 113, der einen entsprechenden Beschluss der Kommanditaktionäre mit Zustimmung aller Komplementäre verlangt. 260 Münchner Kommentar ! Reuter, § 29, Rdnr.l; das muss auch Soergel ! Hadding, § 29 Rdnr. 1 einräumen. 261 Wohl nur Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 225 f., der die Anwendbarkeit mit dem praktischen Bedürfnis in der mitgliederstarken Partenreederei bejaht. 262 So die Gesetzesterminologie in § 492 Abs. 1 S. 1 HGB: „Durch Beschluß der Mehrheit kann für den Reedereibetrieb ein Korrespondentreeder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt werden". Genauer wäre zu differenzieren zwischen der Errichtung des abstrakten Organs in einem ersten Schritt und der nachfolgenden Bestellung eines Amtswalters. Das 7 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Partenreederei und innerhalb dieses Verbandes der mit Stimmenmehrheit entscheidenden Gesamtheit der Mitreeder vorbehalten 263. Überhaupt nur dann, wenn gem. § 492 Abs. 1 HGB ein Korrespondentreeder bestellt, also ein abstraktes Handlungsorgan errichtet wurde, besteht für eine Anwendung der Vorschriften über die Notbestellung die erforderliche Basis: das Vorhandensein eines abstrakten Handlungsorgan, das durch den Wegfall der konkreten Handlungsorganisation (zB Tod des Korrespondentreeders) unbesetzt ist. Aber ein wesentlicher Unterschied besteht doch zu den Verhältnissen, die den §§85 AktG, 29 BGB zugrunde liegen. In den heute gesetzlich fixierten Vorschriften zur Notbestellung 264 handelt es sich stets um Gesellschaften, die ausschließlich über ihr abstraktes Handlungsorgan mit dem Rechtsverkehr in Kontakt treten. Die Aktiengesellschaft und der Verein handeln nach außen ausschließlich durch ihren Vorstand. Ein Handeln der Haupt- oder Mitgliederversammlung ist - bei aller Relevanz für die interne Willensbildung des Verbandes - eben kein wirksames Außenhandeln des Verbandes. Bei der Partenreederei muss das nicht so sein: sie ist auch ohne Korrespondentreeder handlungsfähig; die Partenreederei kann grundsätzlich unabhängig von der Bestellung eines Korrespondentreeders stets durch ihre Mitglieder selbst handeln und am Rechtsverkehr teilnehmen 265 . Eine unbefangener Lektüre der §§ 85 AktG, 29 BGB, 68 RegE GmbHG 2 6 6 scheint auch eher in die Richtung weisen zu wollen, die Vorschriften nicht auf die Partenreederei anwenden zu wollen, ist doch nach diesen Vorschriften der Organwalter nur in dringenden Fällen zu bestellen. Und die Dringlichkeit drängt sich bei der Partenreederei nicht auf den ersten Blick auf: die Gesellschaft bleibt durch ihre Partenreeder handlungsfähig; entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 78 Abs. 2 S. 2 AktG, 28 Abs. 2 BGB, 25 Abs. 1 S. 2 GenG, 35 Abs. 2 S. 3 GmbHG, 125 Abs. 2 S. 3 HGB wird man es für eine Abgabe der Willenserklärung der Gesellschaft gegenüber auch ausreichen lassen können, wenn die Willenserklärung einem Mitreeder zugeht; auch aus dieser Richtung folgt kein unmittelbarer Handlungsbedarf.

Aber Handlungsbedarf, der zu einer Anwendung des hinter §§85 AktG, 29 BGB stehenden Rechtsgedanken führt, kann aus der tatsächlichen Mitgliederstruktur der Gesellschaft kommen. Denn für die Partenreederei ist eine hohe Mitgliederzahl nichts Ungewöhnliches. Je höher die Mitgliederzahl, desto unmöglicher wird Gesetz fasst in § 492 Abs. 1 S. 1 HGB beide Akte zusammen und nennt sie recht undifferenziert Bestellung. 263 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 225. 264 Vgl. zB auch: § 127 Abs. 2 PrABG (Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten v. 06. 24. 1865, in: Gesetzessammlung für die Preußischen Staaten 1865, 705 ff.), vgl. dazu: RGZ 86, 340 (342 f.), Urt. v. 20. 03. 1915, Az: V 367/14; vgl. § 68 Abs. 1 RegE GmbHG (BT-Drucksache 7/253). 265 Vgl. Ruhwedel Die Partenreederei, 1973, S. 326; K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 34. 266 § 68 Abs. 1 S. 1 RegE GmbHG: Fehlt ein erforderlicher Geschäftsführer, so hat ihn in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten zu bestellen.

1. Abschn., § 3 Die Handlungsverfassung des Verbandes

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es für den Verband, unmittelbar durch seine Mitglieder zu agieren (Selbstorganschaft). Ist auch eine Außenvertretung durch die abstrakte Mehrheit 267 der Mitreeder möglich 268 , so wird sie doch an den tatsächlichen Begebenheiten scheitern: es wird mit steigender Zahl an Mitreedern immer schwieriger, die für eine wirksame Vertretung notwendigen Gesellschafter zusammenzutrommeln. Eine mitgliederstarke Reederei kann nur durch Bestellung eines Korrespondentreeders ihre faktische Handlungsfähigkeit bewahren, oder um es in der geläufigen Terminologie zu sagen: eine mitgliederstarke Partenreederei ist notwendigerweise körperschaftlich bzw. kapitalistisch organisiert, weist also ein abstraktes Handlungsorgan auf. Die Lage ist demnach nicht mehr so verschieden von der den §§85 AktG, 29 BGB zugrundeliegenden Situation: durch das Ausscheiden des Korrespondentreeders hat die Partenreederei ihre konkrete Handlungsverfassung verloren, wodurch sie faktisch (vorübergehend) handlungsunfähig wird. Die mitgliederstarke Partenreederei hat nun - wie Verein oder Aktiengesellschaft - die gleichen Schwierigkeiten, einen neuen Organwalter zu bestellen. Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung auf die Partenreederei. Alleine schon, um Abgrenzungsschwierigkeiten zu entgehen, ist § 29 BGB auf jede Partenreederei, die das Amt eines Korrespondentreeders eingerichtet hat, anzuwenden, obwohl Reedereien mit kleinen Mitgliederzahlen sicherlich den Wegfall des Korrespondentreeders verkraften können, und selbst in müheseliger Selbstverwaltung die Reederei fortführen können, wenn man sich auf die Bestellung eines neuen Korrespondentreeders nicht einigen kann. Man kann eben nicht daran vorübergehen, dass die Reederei gem. § 492 HGB einen Korrespondentreeder bestellt hat. Dadurch haben die Mitreeder zu erkennen gegeben, dass sie vom Prinzip der Selbstorganschaft abweichen möchten und die abstrakte Handlungsverfassung dahingehend verändern wollen. Eine andere Frage ist, ob es der Partenreederei möglich ist, eine ausschließliche Zuständigkeit des Korrespondentreeders zu begründen, in dem Sinne, dass dadurch konkurrierende Zuständigkeiten der Gesellschafter ausgeschlossen werden. Diese Frage sollte bejaht werden. Der Korrespondentreeder erhält dadurch die gleiche Stellung wie der Geschäftsführer einer GmbH. Die gesetzliche Regelung steht dem nicht entgegen. Die vertretungsmachtbeschränkenden Vorschriften des § 493 Abs. 4 und Abs. 5 HGB, die zumal in der Rechtsprechung zugunsten der allgemeinen Handlungsbefugnis des Korrespondentreeders aus § 493 Abs. 1 HGB - die immer mehr Richtung unbeschränkte Vertretungsmacht ausgedehnt wird - restriktiv interpretiert und zunehmend zurückgenommen werden, können allesamt als Vorschriften des Innenverhältnisses interpretiert werden. Auch das unmittelbare Weisungsrecht der mehrheitlich handelnden Mitreeder (§ 493 Abs. 4 HGB) gegenüber

267 Dabei meint Mehrheit hier nicht eine Mehrheit nach Köpfen, sondern nach Stimmen, vgl. § 491 Abs. 1 S. 1 HGB. 268 Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 IV 5 = S. 167 f.; K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 36 f.; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 326 f. *

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

dem Kapitän steht dem nicht entgegen, da der Kapitän ebenfalls als Organ der Gesellschaft angesehen wird, eine solche Weisung also ein verbandsinterner Vorgang bleibt 269 . Eine zwingende gesellschaftsrechtliche Weitung, die den totalen Ausschluss der Mitreeder von der Vertretung der Gesellschaft verbieten würde, gibt es nicht, wie die Weitungsdiskussion um den zwingenden Charakter der Selbstorganschaft belegen wird. Ist aber der Korrespondentreeder das ausschließliche Handlungsorgan, ist beim Wegfall des Amtswalters § 29 BGB anwendbar, da die Kompetenz der Mitreeder nicht auflebt.

6. Der „ nicht rechtsfähige " Verein Die Anwendbarkeit des § 29 BGB auf den nicht eingetragenen Verein ist umstritten 270 . Zu unrecht. Ist der „nicht rechtsfähige" Verein gleich einem Verein organisiert, d. h. verfügt er über ein abstraktes Handlungsorgan, liegt die Normsituation des § 29 BGB vor. Der Hinweis darauf, dass die Mitglieder des Vereins selbst immer zur Vertretung des Vereins berechtigt sind 271 , geht fehl. Ist der Verband körperschaftlich verfasst in dem Sinne, dass das ausschließliche Handlungsorgan der Vorstand ist, lebt die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter entsprechend dem Grundsatz der Selbstorganschaft nicht wieder auf. Die vorübergehende Handlungsfähigkeit ist durch Neubestellung der Vorstandsmitglieder oder entsprechend § 29 BGB zu beheben. Bereits v. Savigny hat für Korporation insoweit zutreffend ausgeführt: „selbst wenn alle Einzelne, ohne Ausnahme, gemeinschaftlich handeln, so ist dieses nicht so anzusehen, als ob das ideale Wesen, welches wir juristische Person nennen, gehandelt hätte" 272 . Handeln kann der „nicht rechtsfähige" Verein nur durch den Vorstand. 7. Schlussbemerkung Die Anwendbarkeit der §§29 BGB, 85 AktG ist nicht von der Rechtsform eines Verbandes abhängig, sondern von der Handlungsorganisation. Ist ein Verband entsprechend dem zweigliedrigen Organbegriff organisiert, besteht also die Trennung 269 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 221. 270 Die Anwendung des § 29 BGB bejahend: LG Berlin, in: NJW 1970, 1047 (1048), Beschluss v. 25. 07. 1969, Az: 84 AR 28/69; Münchner KommentarIReuter, § 29, Rdnr. 2; Staudinger/Weick, 13. Auflage, § 29, Rdnr. 4; Soergel / Hadding, § 29 Rdnr. 2; Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (315 f.); Habscheid, AcP Bd. 155 (1955), 375 (394 ff.). Ablehnend: OLG Braunschweig, in: Das Recht 1904, 420, v. 05. 02. 1904; OLG München, in: HRR 1937, Nr. 75, v. 13. 10. 1936, Az: 8 Reg. WX 288/36. Nur als obiter dictum: RGZ, 78, 52 (54 f.), Urt. v. 02. 12. 1911, Az: Rep. V 420/11; RGZ 174, 124 (124 f.), Urt. v. 28. 02. 1935, Az: IV 182/34; KG, in: RJA 15, 127, v. 30. 06. 1916. 271 Vgl. Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (515). 272 y. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 90 = S. 283.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der HandlungsVerfassung

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von Organ und Organwaltern, ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet. Für Verbände, die entsprechend dem eingliedrigen Organbegriff organisiert sind, also die organschaftlichen Kompetenzen unmittelbar den Gesellschaftern zuweisen (Selbstorganschaft), gibt die Vorschrift nichts her. Hier ist allenfalls § 146 Abs. 2 S. 1 HGB entsprechend anwendbar. Ist ein hoheitliches Eingreifen zum Erhalt der Handlungsfähigkeit eines Verbandes notwendig, ist § 29 BGB auf fremdorganschaftlich organisierte, § 146 Abs. 2 S. 1 HGB auf selbstorganschaftlich verfasste Verbände anwendbar.

E. Ergebnis Das private Verbandsrecht folgt keinem einheitlichen Organbegriff. Es muss unterschieden werden zwischen dem eingliedrigen und dem zweigliedrigen Organbegriff. Vor diesem Hintergrund wurde die Selbstorganschaft als Organisationsprinzip erfasst, dass unmittelbar den Gesellschaftern die organschaftlichen Handlungsbefugnisse zuweist (eingliedriger Organbegriff). Als fremdorganschaftlich kann eine Handlungsorganisation bezeichnet werden, die die organschaftlichen Kompetenzen abstrakten Organen (Vorstand) zuweist, die mit zu bestellenden Organwaltern (Vorstandsmitglieder) zu besetzen sind (zweigliedriger Organbegriff). Gesetzestypisch selbstorganschaftlich verfasst sind die Β GB-Gesellschaft, die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien, dagegen trotz § 9 Abs. 2 S. 1 GenG nicht die eingetragene Genossenschaft. Fremdorganschaftlich verfasst sind die Aktiengesellschaft, der Verein, die GmbH, die EWIV und - obwohl nur Genossen als Organwalter des Vorstandes in Betracht kommen - die eingetragene Genossenschaft. § 29 BGB ist auf selbstorganschaftlich verfasste Verbände nicht anwendbar, hier kommt allenfalls § 146 Abs. 2 S. 1 HGB in Betracht. § 29 BGB ist daher keine taugliche Grundlage, abweichend von der gesetzestypischen Handlungsverfassung in selbstorganschaftlich organisierten Verbänden Fremdorganschaft zu begründen.

§ 4 Unbeschränkte Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungsverfassung A. Begrenzung der Vertretungsmacht durch den Verbandszweck (ultra-vires-Doktrin) Grundsätzlich ist die Vertretungsmacht der Handlungsorgane privatrechtlicher Verbände unbeschränkt, vgl. nur §§ 126 Abs. 2 HGB, 82 Abs. 1 AktG, 37 Abs. 2 GmbHG, 27 Abs. 2 GenG 273 . Anders stellt sich die Lage bei juristischen Personen 273 Vgl. auch Art. 9 Abs. 1 S. 1 der EWG-Richtlinie 68/151 /EWG v. 09. 03. 1968, ABl. L 65/8 (gilt nur für AG, KGaA, GmbH; vgl. Art. 1 der Richtlinie): Die Gesellschaft wird

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

des öffentlichen Rechts dar. Hier gilt heute, dass die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur innerhalb ihres durch Gesetz und Satzung zugewiesenen Aufgabenbereichs wirksam handeln können. Außerhalb ihres Funktionsbereichs liegende Handlungen sind schlechthin unwirksam 274 . Aber auch für die Verbände des Privatrechts soll es in bestimmten Fällen Ausnahmen geben: namentlich im • Vereinsrecht, • Recht der Vorgesellschaft und • Recht der Liquidationsgesellschaft. Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass es sich hierbei entweder um außenrechtsrelevante Kompetenzverschiebungen oder Fehlinterpretationen des Organisationsrechts der Verbände handelt, der vom allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz der Identität und Kontinuität der Handlungsverfassung beherrscht wird.

I. Die Begrenzung der Vertretungsmacht im Idealverein auf den Vereinszweck

Eine Ausnahme der unbeschränkten Handlungsmacht des Vertretungsorgans wird für das Vereinsrecht diskutiert, in dem eine den §§ 126 Abs. 2 HGB, 82 Abs. 1 AktG, 37 Abs. 2 GmbHG, 27 Abs. 2 GenG entsprechende Vorschrift fehlt 2 7 5 . Für den Vorstand des idealen Vereins 276 , teilweise aber auch für die Vertretungsorgane aller Gesellschaften inklusive der Handelsgesellschaften 277, wird gefordert, dass Rechtsgeschäfte, die (erkennbar) außerhalb des Verbandszwecks liegen, nicht unter die Vertretungsmacht der Handlungsorgane fallen. Innerhalb dieses Bereichs sei Dritten gegenüber durch Handlungen ihrer Organe verpflichtet, selbst wenn die Handlungen nicht zum Gegenstand des Unternehmens gehören, es sei denn, daß diese Handlungen Befugnisse überschreiten, die nach dem Gesetz diesen Organen zugewiesen sind oder zugewiesen werden können. 274 BGHZ 20, 119 (123 ff.), Urt. v. 28. 02. 1956, Az: I ZR 84/54. Insoweit gilt für juristische Personen des öffentlichen Rechts - zumindest der Sache nach - die ultra-vires-Doktrin (Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 105 I 1 = S. 624 f., insb. Fn. 4). 275 in diese Richtung scheinen auch die Motive I, S. 97 hinzudeuten: „Die Vertretungsmacht des Vorstandes erstreckt sich auf alle innerhalb des Rechtskreises der Körperschaft liegenden Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen". 276 y. Thür, BGB AT, 1910, § 37 III = S. 527, der besonders auf den Charakter des Idealvereins abstellt. 277 Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 109 II = S. 657 f.: Keine Vertretungsmacht für Geschäfte, die erkennbar außerhalb des Verbandszweckes liegen. Besonders wird der Berührpunkt mit der ultra-vires-Lehre hervorgehoben. So auch Julius v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Auflage, 1958, § 341 1 b = S. 208 für die oHG, § 43 I I 3 b = S. 296 für die AG, der die Vertretungsmacht durch die Art des Unternehmens beschränken will. In diesem Umfang sei die ultra-vires-Lehre als geltendes Recht anzusehen. Vgl. für die Körperschaften auch Otto v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 630 ff.

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die ultra-vires-Lehre 278, nach der die Rechts- und Handlungsfähigkeit des Verbandes durch den Verbandszweck begrenzt wird, geltendes Recht 279 . Allerdings wird der Begriff der ultra-vires-Lehre recht undifferenziert in die Runde geworfen, insbesondere wenn man unter Heranziehung des § 177 BGB eine Genehmigung der Maßnahme durch Beschluss des Gesellschafterorgans für möglich halten w i l l 2 8 0 . Denn nur dann, wenn Geschäfte, die ultra vires sind, unheilbar nichtig sind, also eine Genehmigung durch die Mitgliederversammlung keine heilende Wirkung hat, handelt es sich um eine echte Beschränkung der Rechts- und Handlungsfähigkeit. Kein Gesellschaftsorgan kann dann innerhalb des bestehenden Verbandszwecks ein zweckfremdes Geschäft vornehmen; die Gesellschaft ist in diesem Bereich handlungs- und damit zusammenhängend rechtsunfähig. Der Umfang der Willensund Handlungsfähigkeit hängt vom Umfang der Rechtsfähigkeit ab. Die juristische Person kann Rechte, die sie nicht haben kann, auch nicht erwerben oder ausüben. Hält man dagegen eine Heilung durch Gesellschafterbeschluss für möglich, dann wird die Rechtsfähigkeit durch den Verbandszweck eben nicht begrenzt. Die Gesellschaft kann auch wirksam außerhalb dieses Bereichs handeln, nur kann dies dann nicht mehr das Vertretungsorgan alleine, sondern es wird an die Mitwirkung eines zweiten Organs, der Mitgliederversammlung gebunden. Die Gesellschaft als solche ist aber voll rechts- und handlungsfähig, nur zum Schutz des Verbandes wird die Kompetenz auf mehrere Schultern verteilt 281 . Das ist keine ultra-viresLehre sondern eine außenrechtswirksame Kompetenzverschiebung zugunsten des Gesellschafterorgans 282. In der älteren Entscheidung BGH, JZ 1953, 474 2 8 3 findet sich unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen des Reichsgerichts - ohne dass ihr Entscheidungserheblichkeit zukäme - die Auffassung, dass die Vertretungsmacht des Vorstandes dort endet, wo sie erkennbar außerhalb des Vereinszweckes liegt. Dieser Rechtsprechung hat sich ein großer Teil der Lehre angeschlossen284. Zu beobachten ist dabei häufig eine undifferenzierte Bezugnahme auf die ältere Rechtsprechung des Reichsgerichts und ein Hinweis auf die genannte Entscheidung des Bundesge278 Zur ultra-vires-Lehre: Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 105 I 1 = S. 624 Fn. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 8 V 2 = S. 221. 279 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 118; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 109 II = S. 658. 280 So zB Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 109 II aE = S. 658. 281 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 14 IV 1 a = S. 813. Für die Vor-GmbH: W Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 15 f. 282 Die Außenrechtswirksamkeit wird hervorgehoben, da bei den Handelsgesellschaften die Handlungsmacht der Handlungsorgane unbeschränkt ist. Auch wenn verbandsintern die Zuständigkeit der Gesellschafter notwendig sein sollte (zB § 116 Abs. 2 HGB), bleibt doch die ohne Zustimmung vorgenommen Handlung des Vertretungsorgans wirksam. Die verbandsinterne Kompetenzverschiebung auf Ebene der Geschäftsführung ist dann eben nicht außenrechtswirksam. 283 BGH, JZ 1953, 474, Urt. v. 30. 03. 1953, Az: IV ZR 176/52. 284 ZB ErmanIH. P. Westermann, § 26, Rdnr. 4.

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richtshofs. Viele der zitierten Entscheidungen betreffen juristische Personen des öffentlichen Rechts, für die sich andere Grundsätze entwickelt haben. In der moderneren Literatur wird verstärkt ein abweichender Ansatz verfolgt 2 8 5 . Es wird zwischen Innen- und Außenverhältnis unterschieden. Dem Handlungsorgan kommt eine unbeschränkte Vertretungsmacht zu, nur i m Innenverhältnis wird es durch den Vereinszweck gebunden. Überschreitet das Handlungsorgan erkennbar seine Befugnisse i m Innenverhältnis, kommt es auch jetzt nicht zu einer wirksamen Verpflichtung der Gesellschaft, da die Grundsätze der Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht eingreifen. A u f dogmatisch entgegengesetztem Weg gelangt man zu gleichen Ergebnissen. Da hier i m Grundsatz nichts anderes gilt als bei der Liquidationsgesellschaft sei auf die dortigen Ausführungen verwiesen. I m Folgenden sei der Weg der Rechtsentwicklung in der Rechtsprechung kurz nachgezeichnet: In einer Entscheidung des 3. Senats des Reichsgerichts aus dem Jahre 1885 ging es darum, ob ein preußischer Wegeverband (juristische Person des öffentlichen Rechts) durch seine Organperson außerhalb der Verbandszuständigkeit einen Vertrag wirksam abschließen konnte 286 . Das Gericht entschied: „Die juristische Person haftet vielmehr für die von ihrem Vertreter in dieser Eigenschaft für sie übernommenen Verpflichtungen nur insoweit, als ihre Vertreter innerhalb des ihnen überwiesenen Geschäftskreises gehandelt haben. Dieser Satz folgt unmittelbar aus dem Wesen der Stellvertretung" 287. Der Umfang der Vertretungsbefugnisse bestimme sich nach dem Zweck der juristischen Person, soweit Gesetz, Statuten oder sonstige Normen nichts Abweichendes bestimmten. Da diese Entscheidung die Verhältnisse öffentlich-rechtlicher juristischer Personen betrifft, kann aus ihr für das Privatrecht nichts gewonnen werden. Dasselbe gilt für eine weitere Entscheidung des 3. Senats des Reichsgerichts aus dem Sommer 1907. Wieder ging es um eine juristische Person des öffentlichen Rechts 288 . In den Gründen führte das Reichsgericht aus, dass der Satz, dass eine juristische Person durch ihre gesetzlichen Vertreter nur innerhalb des diesem zugewiesenen Rechtskreises rechtsgültig vertreten werden könne, jedenfalls für die Vertretung juristischer Personen des öffentlichen Rechts gelten müsse. Der Umfang der Vertretungsbefugnis bestimme sich aus der Verfassung, insbesondere Satzung und Zweck. Aus heutiger Sicht ist die Begründung der erstgenannten Reichsgerichtsentscheidung problematisch. Denn die Beschränkung der Befugnisse der Handlungsorgane ist im öffentli-

285 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 24 III 2 c = S. 694, 8 V 2 b = S. 222 f.; Flume, Die juristische Person, 1983, § 10 II 2 d = S. 369 ff.; Staudinger-Weick, 13. Auflage, § 26, Rdnr. 9; Münchner Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 26, Rdnr. 17. 286 RG, SeuffArch 40, 389; krit. zur Begründung des Urteils, aber im Ergebnis übereinstimmend: BGHZ 20, 119 (124 f.), Urt. v. 28. 02. 1956, Az: I ZR 84/54. 287 RG, SeuffArch, 40, 389 (390 f.). Der BGH kritisiert daran, dass es sich in Wirklichkeit nicht in erster Linie um eine Beschränkung der Befugnisse des Vertretungsorgans handele, sondern dass die juristische Person (des öffentlichen Rechts) als solche nicht außerhalb ihres Aufgabenkreises handeln kann (BGHZ 20, 119 (125)). 288 RG, Das Recht, 1907 Nr. 2497, Urt. v. 02. 07. 1907, Az: III 20/07; krit. zur Begründung des Urteils, aber im Ergebnis übereinstimmend: BGHZ 20, 119 (125), Urt. v. 28. 02. 1956, A z : I Z R 84/54.

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chen Recht nicht Folge des Wesens der Stellvertretung, sondern der Sache nach ein ultravires-Problem. Es handelt sich nicht „nur" um eine Begrenzung der Befugnisse des Organs, sondern der Wirkungskreis der gesamten juristischen Person ist durch ihren Aufgabenbereich beschränkt. Nur innerhalb dieses Zwecks kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts wirksam handeln; außerhalb dieses Bereichs liegende Handlungen entbehren schlechthin der Wirksamkeit. Es ist nicht auf die fehlende Befugnis des Organs abzustellen, sondern auf die fehlende Handlungsfähigkeit der juristischen Person als ganzer 289 .

Endlich um einen privatrechtlichen Verein ging es in einem Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1914 290 . Der 6. Senat konnte aber die Frage dahingestellt lassen, ob der Vorstand den Verein außerhalb des Verbandszweckes verpflichten kann, da die Übernahme einer Bürgschaft zum Erwerbe eines Vereinshauses nicht außerhalb des Vereinszwecks des Idealvereins lag. Wiederum um eine juristische Person des öffentlichen Rechts ging es in RGZ 145, 3 I I 2 9 1 . In den Urteilsgriinden stimmt der 6. Senat des Reichsgericht dem Berufungsgericht (Kammergericht) unbedenklich zu, wenn es ausführt, dass auf alle Fälle ein zweckfremdes Rechtsgeschäft einer juristischen Person dem Geschäftsgegner keinesfalls dann Rechte gewährt, wenn er die Zweckfremdheit bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen musste 292 . In seiner Urteilsbegründung stellt das Reichsgericht zusätzlich darauf ab, dass gleichzeitig ein erkennbarer Missbrauch der Vertretungsmacht vorlag. Einen anderen Weg für das Recht der juristischen Person des öffentlichen Rechts schlug das Urteil des 3. Senats des Reichsgerichts vom September 1937 ein 2 9 3 . Eine Innungskrankenkasse hatte ohne gesetzliche Ermächtigung die Besorgung von Versicherungsangelegenheiten für ihre Innungsmitglieder übernommen. Das Reichsgericht führte aus, dass sich das Verbot des § 25 Abs. 3 RVO, andere als die durch Gesetz übertragenen Geschäfte zu übernehmen, nur gegen den Versicherungsträger richte, jedoch nicht schlechthin das Rechtsgeschäft der Übernahme anderer Aufgaben betreffe. Handelten der Versicherungsträger oder dessen Organe verbotswidrig, so verletzten sie öffentlich-rechtliche Normen; die von ihnen eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen und vorgenommenen Rechtshandlungen entbehrten aber nicht der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit. Die Überschreitung des abgesteckten Wirkungskreises sollte nur für das Innenverhältnis beachtlich sein. Aber diese Auffassung hat sich für die juristische Person des öffentlichen Rechts nicht durchsetzen können.

289 Vgl. BGHZ 20, 119 (124 f.), Urt. v. 28. 02. 1956, Az: I ZR 84/54. 290 RGZ 85, 256 (261 f.), Urt. v. 11. 07. 1914, Az: V I 111 /14. 291 RGZ 145, 311 (314 f.), Urt. v. 05. 11. 1934, Az: V I 180/34. 292 Zuvor hatte das Kammergericht dahin gestellt gelassen, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts überhaupt außerhalb seiner Zweckbestimmung wirksam handeln könne, vgl. RGZ 145,311 (314). 293 RG, JW 1937, 3114 (3115), Urt. v. 07. 09. 1937, Az: III 49/37. Im Sachverhalt hatte eine Innungskrankenkasse ohne Ermächtigung die Besorgung von Versicherungsangelegenheiten für ihre Innungsmitglieder übernommen.

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Der 4. Senat des BGH hat in dem bereits erwähnten obiter dictum im Frühjahr 1953 für einen privatrechtlichen Verein ausgeführt 294, dass die Vertretungsmacht des Vorstandes eines eingetragenen Vereins, auch wenn sie nicht gem. § 26 Abs. 2 S. 2 BGB begrenzt ist, durch die Eigenart des Vereinszwecks beschränkt wird, und dass der Vorstand den Verein nicht verpflichten kann, soweit das abgeschlossene Geschäft erkennbar außerhalb des Rahmens des Vereinszweckes liegt. Dabei beruft sich der Bundesgerichtshof für seine nicht näher begründete Rechtsansicht auf die Reichsgerichtsentscheidung des Jahres 1907 und auf RGZ 145, 311. Beide Urteile bezogen sich aber jeweils auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, können also nicht ohne weiteres auf Verbände des Privatrechts übertragen werden. Denn für juristische Personen des öffentlichen Rechts ist spätestens seit BGHZ 20, 119 anerkannt, dass zumindest der Sache nach die ultra-vires-Lehren anwendbar sind 295 . Im konkreten Fall ging es darum, ob der Vorstand den Verein zu einer Satzungsänderung (konkret: Namensänderung) verpflichten kann. Der BGH führt aus, dass dies - in gleicher Weise wie die erkennbare Zwecküberschreitung - nicht mehr von der Vertretungsmacht des Vorstands gedeckt wäre; ähnlich wie dem Vertreter der oHG die Vertretungsbefugnis fehle, wo es um die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses gehe, sei dem Vorstand hier aus dem Wesen der Sache heraus eine Schranke gesetzt. Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass die Mitgliederversammlung das Geschäft in entsprechender Anwendung der §§ 177 Abs. 1, 182 Abs. 1 BGB billige. Die Entscheidung betrifft also eine Kompetenzverschiebung: dem Vorstand fehlt die organschaftliche Kompetenz, den Verein zu einer Satzungsänderung zu verpflichten. Die Mitgliederversammlung muss zumindest zustimmen, damit eine wirksame Außenhandlung des Verbandes vorliegen kann. Mit dem ultra-vires-Gedanken hat das nichts zu tun. Ganz allgemein fehlt dem Handlungsorgan im Verbandsrecht die Befugnis, die Gesellschaft zu einer Satzungsänderung zu verpflichten. Diese Kompetenz ist dem Gesellschafterorgan als dem Herren der Satzung zugewiesen. In BGHZ 20, 119 entschied der BGH, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts außerhalb ihres Funktionsbereiches nicht wirksam handeln können. Ob für juristische Personen des Privatrechts das gleiche gilt, ließ der 1. Senat des BGH dahinstehen.

In einer Entscheidung aus dem Jahre 1980 296 konnte der 2. Senat des BGH für einen privaten Verein die Frage offen lassen, ob eine Rechtshandlung, die der Vorstand außerhalb des Vereinszwecks vornimmt, wirksam ist. Festzuhalten bleibt: eine etwas genauere Analyse zeigt, dass die meisten Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, auf die man sich gerne beruft, wenn man die Vertretungsmacht des Vorstandes auf den Vereinszweck be294 BGH, JZ 1953, 474 (475), Urt. v. 30. 03. 1953, Az: IV ZR 176/52. Die Argumentation mit dem Vereinszweck war im konkreten Fall unnötig, vgl. Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 587 f. 295 BGHZ 20, 119 (126), Urt. v. 28. 02. 1956, Az: I ZR 84/54 lässt die Frage offen. 296 BGH, NJW 1980, 2799 (2800), Urt. v. 28. 04. 1980, Az: II ZR 193/79.

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grenzt sehen will, mit der fraglichen Materie nichts zu tun haben, da sie sich im Recht der juristischen Personen des öffentlichen Rechts bewegen, also für das privatrechtliche Verbandsrecht nichts hergeben. Diejenigen Entscheidungen nun, die privatrechtliche Vereine betreffen, lassen die Frage aber entweder unbeantwortet, oder beziehen nur obiter dicta Stellung.

II. Die Begrenzung der Vertretungsmacht in der Vorgesellschaft

Das zweite große Feld der Zweckbegrenzung der Vertretungsmacht findet sich im Rahmen des Gründungsrechts, wenn es um die Handlungsfähigkeit der Vorgesellschaften, besonders der Vor-GmbH geht 297 . Das Recht der Vor-GmbH wurde lange Zeit durch das sog. Vorbelastungsverbot bestimmt 298 . Das Stammkapital der entstandenen GmbH sollte von allen anderen als gründungsnotwendigen Verpflichtungen aus der Entstehungsphase freigehalten werden. Dies war einmal möglich durch Beschränkung des Übergangs von Verpflichtungen der Vorgesellschaft auf die fertige Gesellschaft (Filterfunktion), und zum anderen - schon vorgelagert durch Begrenzung der Fähigkeit der Handlungsorgane, andere als gründungsnotwendige Geschäfte für die GmbH zur Entstehung zu bringen; gerade bei der zweiten Möglichkeit steht dann wieder die Frage im Raum, ob dies nur eine Kompetenzverschiebung weg vom Handlungsorgan hin zur Gesellschafterversammlung darstellt, in dem Sinne, dass sie gründungsfremden Handlungen zustimmen kann, oder aber eine echte Begrenzung der Rechts- und Handlungsfähigkeit der Vorgesellschaft iSd ultra-vires-Lehre vorliegt 299 . Nachdem durch praktische Notwendigkeiten - insbesondere das Einbringen laufender Unternehmen als Sacheinlage das Vorbelastungsverbot mehr und mehr zurückgedrängt und der Vor-GmbH die Aufnahme werbender Tätigkeit möglich wurde, gab BGHZ 80, 129 3 0 0 das Vorbelastungsverbot endgültig auf. Die ersten drei Leitsätze der Entscheidung lauten: 1. Eine Vorgesellschaft wird durch Geschäfte, die ihr Geschäftsführer mit Ermächtigung aller Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abschließt, auch dann verpflichtet, wenn nach der Satzung nur Bareinlagen vereinbart sind. 2. Die Rechte und Pflichten aus solchen Geschäften gehen mit der Eintragung der GmbH voll auf diese über (kein sog. Vorbelastungsverbot). 3. Für die Differenz, die sich durch solche Vorbelastungen zwischen dem Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung ergibt, haften die Gesellschafter anteilig. 297 w. Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 14 ff. 298 Zum Vorbelastungsverbot: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 11 IV 2 b, c = S. 308 ff., 34 III 3 b bb = S. 1019 f. Siehe auch W. Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 14 f. 299 Wohl in diesem Sinne: Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 355; aber auch S. 358. 300 BGHZ 80, 128, Urt. v. 09. 03. 1981, Az: I I ZR 54/80.

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Zur Vertretungsmacht des Handlungsorgans der Gründungsgesellschaft führt der BGH aus 301 , dass sie in der Vorgesellschaft durch deren Zweck begrenzt sei, als notwendige Vorstufe zur juristischen Person deren Entstehung zu fördern und bis dahin das schon eingebrachte Vermögen zu erhalten und zu verwalten. Gehe es dabei um die Fortführung eines als Sacheinlage eingebrachten Handelsgeschäfts, so werde sich die Vertretungsbefugnis praktisch weitgehend mit der umfassenden Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer eingetragenen GmbH decken (§ 37 Abs. 2 GmbHG). Bei Bargründungen beschränke sich die Vertretungsmacht grundsätzlich auf solche Rechtshandlungen, die unerlässlich sind, die Eintragung herbeizuführen. Die Gründer seien aber nicht gehindert, die Vertretungsmacht der Geschäftsführer zu erweitern. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die Gesellschafter den Geschäftsführer übereinstimmend ermächtigten, bereits vor der Eintragung ein Geschäft zu betreiben. Dieser Beschluss bedürfe nicht der Form des § 2 GmbHG, da die Regelung der Organvertretungsmacht nur für die Vorgesellschaft Bedeutung habe. Dabei hält der BGH explizit die Meinung für zu eng, die eine Erweiterung der Vertretungsmacht nur durch die Satzung für möglich hält, grenzt sich aber auch von den Stimmen ab, die § 37 Abs. 2 GmbHG ins Gründungsstadium vorverlegen wollen 302 . Der Ansatz des BGH hat in der Literatur Beifall gefunden 303. Zur Begründung wird meist auf die Haftungsverfassung der Vor-GmbH verwiesen. Die Gesellschafter trifft (bei der echten Vor-GmbH) eine unbeschränkte Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung 304. Diesen Haftungsrisiken sollen die Gründer nicht ohne Einverständnis mit der vorzeitigen Geschäftsaufnahme ausgeliefert sein. Demgegenüber geht ein Teil der Lehre davon aus, dass die Vertretungsmacht des Geschäftsführers bereits in der Vor-GmbH unbeschränkt ist iSd §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG 305 . Der Rechtsverkehr soll geschützt werden. Wer einen Verband schaffe, könne das Risiko eines pflichtwidrigen Geschäftsführerhandelns nicht auf den Rechtsverkehr über301 Ähnliches hatte schon vorher Uwe John herausgearbeitet: John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 317 ff. und zusammenfassend S. 346. 3 02 BGHZ 80, 128 (139 f.), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80 unter Hinweis auf Ulmer, FS-Ballerstedt und Scholz/ Winter, GmbHG, 6. Auflage, § 11, Anm. 7. 3 3 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 8; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, 8. Auflage, 1989, § 11, Rdnr. 54 ff. 3 04 Vgl. BGHZ 134, 333, Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94: Die Gesellschafter einer Vor-GmbH haften für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft unbeschränkt. Es besteht eine einheitliche Gründerhaftung in Form einer bis zur Eintragung der Gesellschaft andauernden Verlustdeckungshaftung und einer an die Eintragung geknüpften Vorbelastungs- (Unterbilanz-)haftung. Die Verlustdeckungshaftung ist ebenso wie die Vorbelastungs- (Unterbilanz-) haftung eine Innenhaftung. Handelt es sich um eine sog. unechte Vor-GmbH, findet oHGoder GbR-Recht Anwendung. 3 5 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, § 11, Rdnr. 63 f.; derselbe, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 34 III 3 b bb = S. 1020, § 11 IV 2 b = S. 309. Gerade K. Schmidt geht zusätzlich davon aus, dass der Zweck der Vorgesellschaft nicht auf die Gründung beschränkt ist. W. Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 23 ff., insbesondere S. 29 ff.

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wälzen. Das Risiko, dass der Geschäftsführer seine internen Befugnisse überschreitet, ist vielmehr den Gründern zuzuweisen, die es durch Auswahl, Überwachung und Abberufung des Geschäftsführers beherrschen können. Danach bleibt es dabei, zwischen dem internen Dürfen (Ermächtigung der Gesellschafter zum Handeln) und dem externen Können zu unterscheiden. Handelt der Geschäftsführer evident eigenmächtig, werden Gesellschaft und Gesellschafter durch die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht geschützt. Hier soll es zunächst bei folgendem Ausblick bleiben (siehe unten § 4 A VIII): auf die Vorgesellschaft sind bereits die Regeln des Rechts der eingetragenen Gesellschaft anwendbar, sofern diese Vorschriften die Eintragung nicht voraussetzen 306 . Die Regelungen über die abstrakte Handlungsverfassung setzen die Eintragung aber nicht voraus. Vielmehr ist die Handlungsverfassung der Vorgesellschaft mit derjenigen der eingetragenen Gesellschaft identisch. Die Unterschiede liegen in der Finanz- und Haftungsverfassung, nicht aber auf der Ebene der Handlungsorganisation. Dass die Vorgesellschaft primär die Eintragung herbeizuführen hat, berührt nicht die Handlungs Verfassung. Sie gibt den konkreten Organpersonen nur vor, wie sie ihre Befugnisse auszuüben haben. Die Handlungsverfassung ist sogar Voraussetzung dafür, dass die Vorgesellschaft handlungsfähig ist und ihre Eintragung herbeiführen kann.

I I I . Die Begrenzung der Vertretungsmacht auf den Liquidationszweck

Der eigentliche Ort der Auseinandersetzung liegt im Recht der Liquidation. Wird die Vertretungsmacht der Handlungsorgane durch den Liquidationszweck beschränkt? Dies wird mit Hinweis auf die Rechtsprechung behauptet.

1. Die Entwicklung der Rechtsprechung vom Reichsoberhandelsgericht bis zum BGH a) Die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts Die zunächst maßgebliche Norm war Art. 137 ADHGB. Art. 137 ADHGB. (1) Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft zu versilbern; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten; sie können für dieselbe Vergleiche schließen und Kompromisse eingehen. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. (2)... 306 Lutter/Hommelhoff,

GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 3.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Art. 138 ADHGB. Eine Beschränkung der Geschäftsbefugnisse der Liquidatoren (Art. 137) hat dritten Personen gegenüber keine rechtliche Wirkung. Art. 144 ADHGB. (1) Ungeachtet der Auflösung der Gesellschaft kommen bis zur Beendigung der Liquidation in Bezug auf das Rechtsverhältnis der bisherigen Gesellschafter untereinander sowie der Gesellschaft zu dritten Personen die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts zur Anwendung, soweit sich aus den Bestimmungen des gegenwärtigen Abschnitts und aus dem Wesen der Liquidation nicht ein Anderes ergibt. (2)...

(3)... Im Februar 1873 bestimmte das Reichsoberhandelsgericht die Reichweite der Vertretungsmacht der Liquidatoren 307 . Die Vertretungsmacht sei durch Art. 137 ADHGB auf die Beendigung der laufenden Geschäfte beschränkt; neue Geschäfte seien nur zur Beendigung schwebender Geschäfte zulässig. Grundgedanke der gesetzlichen Regelung ist für das Reichsoberhandelsgericht, dass das Gesetz nur zur Erreichung des Liquidationszwecks und innerhalb dieser Grenzen die Fortdauer der Gesellschaft fingiert. Auch aus Art. 144 ADHGB folge nichts Abweichendes. Zwar befinde sich Art. 114 ADHGB 3 0 8 , der zu allen Arten von Geschäften ermächtige, im herangezogenen Abschnitt, aber aus Art. 137 ADHGB und dem dort festgestellten Zweck der Liquidation ergebe sich, dass die Vertretungsmacht des Liquidators nicht unbeschränkt sei iSd Art. 114 ADHGB. Art. 144 ADHGB verweise auf diese Bestimmungen nur insoweit, als sich aus den Bestimmungen über die Liquidation nichts anderes ergibt 309 . Das ist gelebte ultra-vires-Lehre. Im 19. Jahrhundert war die Vorstellung gängig, dass ein Verband mit seiner Auflösung fortfällt. Für die Durchführung der Abwicklung muss er also fingiert werden. Diese Fiktion erfolgt aber nur soweit, wie dies die Liquidation erfordert 310 . Außerhalb dieser Fiktion fehlt die Rechtsfähigkeit und dem notwendig korrespondierend insoweit die Handlungsfähigkeit. Zur Frage der Beweislast hinsichtlich eines vom Liquidator vorgenommenen neuen Geschäfts nahm 1874 des 2. Senat des Reichsoberhandelsgerichts Stellung 3 1 1 . Der Fall betraf eine Personengesellschaft. Das Reichsoberhandelsgericht führt aus, dass nach Art. 137 ADHGB der Liquidator neue Geschäfte nur zur Beendigung schwebender Geschäfte eingehen darf. Der Regel nach darf der Liquidator solche Geschäfte nicht eingehen. Aus diesem Regel- Ausnahmeverhältnis folgert das Reichsoberhandelsgericht, dass derjenige, der Rechte aus einem neuen 307 ROHG 9, 84, Urt. v. 18. 02. 1873, Az: 131/73. 308 Art. 114 ADHGB. (1) Jeder zur Vertretung der Gesellschaft befugte Gesellschafter ist ermächtigt, alle Arten von Geschäften und Rechtshandlungen im Namen der Gesellschaft vorzunehmen,... 309 ROHG 9, 84 (86 f.), Urt. v. 18. 02. 1873, Az: I 31 / 73. 310 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 11 V 4 a = S. 320; vgl. Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 104. 311 ROHG 13, 223, Urt. v. 06. 05. 1874, Az: II 266/74.

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Geschäft geltend machen will, beweisen muss, dass das Geschäft entweder zur Beendigung schwebender Geschäfte bestimmt gewesen war, oder dass er trotz Erfüllung der ihm obliegenden Erkundigungspflichten annehmen durfte, dass das neue Geschäft zur Beendigung schwebender Geschäfte eingegangen wurde 312 . Hier finden sich erste zarte Knospen eines aufkeimenden Verkehrsschutzes: es kommt nicht unbedingt darauf an, ob das abgeschlossene Geschäft wirklich der Beendigung schwebender Geschäfte diente, sondern nur darauf, ob der Geschäftspartner nach Erfüllung seiner Erkundigungspflicht davon ausgehen durfte. Mit dieser Gesetzesanwendung des Art. 137 ADHGB entfernt sich das Reichsoberhandelsgericht von den Hardlinern der Nürnberger Kommission, die der Ansicht waren, dass ein neues Geschäft nur dann zulässig sein kann, wenn dessen objektive Voraussetzungen auch tatsächlich vorliegen 313 . Im ersten Teil seiner Entscheidung hatte das Reichsoberhandelsgericht ausgeführt, dass eine Liquidationsgesellschaft keinen Prokuristen bestellen könne. Selbst die Gesellschafter, die die Auflösung beschlössen, könnten keinen Prokuristen bestellen 314 . Insoweit besteht eine echte Schranke der Handlungs- und Rechtsfähigkeit iSd ultra-vires-Lehre und nicht nur eine Kompetenzverschiebung weg von den Liquidatoren hin zu den Gesellschaftern. Die Liquidationsgesellschaft kann keinen Prokuristen bestellen; daran ändert auch die Zustimmung der Gesellschafter nichts. In einem Urteil vom April 1875 entschied der erste Senat des Reichsoberhandelsgerichts315 unter Hinweis auf § 43 GenG 1866, dass die Liquidatoren einer Genossenschaft keineswegs die gleiche unbegrenzte Vertretungsmacht hätten, wie die Vorsteher der (werbenden) Gesellschaft. Ihre Vollmacht umfasse lediglich den Bereich der Liquidation und erfasse selbstverständlich nicht solche Rechtsakte, die dem Liquidationszweck geradezu entgegenstehen.

1876 führt der zweite Senat des Reichsoberhandelsgerichts aus, dass Art. 137 ADHGB nicht bloß für das Innenverhältnis der Liquidatoren zur Gesellschaft maßgebend ist, sondern auch Dritten gegenüber 316. Ein Dritter habe selbst zu prüfen, ob ein Abwicklungsgeschäft oder ein neues Geschäft zur Beendigung schwebender Geschäfte vorliege. Ausdrücklich bestätigt es seine bisherige Rechtsprechung, dass der Dritte zu beweisen habe, dass das neue Geschäft zur Beendigung schwebender Geschäfte eingegangen sei. 312 AA zur damaligen Zeit wohl Keyßner, ZHR Bd. 10 (1866), 327 (359), der davon ausgeht, dass die Gesellschaft ihren Einwand des neuen, nicht zur Abwicklung gehörigen Geschäfts zu führen hat, worauf replizierend der Dritte dartun muss, dass er - bei Aufwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns - zur Annahme berechtigt war, dass das geschlossene Geschäft ein Abwicklungsgeschäft war. 313

Zum Gesetzgebungsverfahren mit wörtlicher Wiedergabe der Protokolle: Keyßner, ZHR Bd. 10 (1866), 327 (351 ff.). 314 Allerdings kommt eine Umdeutung in eine Handlungsvollmacht in Frage (ROHG 13, 223 (225), Urt. v. 06. 05. 1874, Az: II 266/74). 315 ROHG 17, 210 (215), Urt. v. 23. 04. 1875, Az: 1456/75. 3 H 2, Urt. v. . . 1 8 , Az: II 4 / .

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

b) Der weitere Gang in der Rechtsprechung von Reichsgericht und Kammergericht bis zur Aufgabe des ultra-vires-Gedankens Für eine eingetragene Genossenschaft entschied 1899 das Reichsgericht 317, dass die durch den damaligen § 86 GenG (entspricht dem heutigen § 88 GenG) den Liquidatoren gezogenen Schranken nicht nur im Innenverhältnis zur Gesellschaft, sondern auch nach außen, Dritten gegenüber, maßgebend sind. Im konkreten Fall sah es das getätigte Geschäft als vom Liquidationszweck gedeckt an.

In einem ausführlich begründeten Beschluss des Kammergerichts des Jahres 1901 ging es um die Frage, ob sich eine in Liquidation befindliche GmbH an der Gründung einer neuen GmbH beteiligen kann 318 . Das Kammergericht führt aus, dass § 70 GmbHG nicht nur die Befugnisse des Geschäftsführers im Innenverhältnis festlege, sondern auch die Vertretungsmacht nach außen begrenze. Daran ändere auch die Aufführung des § 37 GmbHG, dessen Abs. 2 bestimmt, dass Dritten gegenüber Beschränkungen der Vertretungsmacht keine rechtliche Wirkung haben, in § 71 GmbHG nichts. Dies habe lediglich die Bedeutung, dass die Vertretungsmacht der Liquidatoren nicht über die in § 70 GmbHG gezogenen Grenzen hinaus mit Außenwirkung beschränkt werden könne. In seinen Erwägungen verweist das Kammergericht auf die Gesetzesbegründung: „Was die gesetzliche Vertretungsbefugnis der Liquidatoren betrifft, so ist dieselbe durch die im § 69 (§ 70 der jetzigen Fassung) bezeichnete Aufgaben begrenzt, und aus der in dem folgenden Paragraphen enthaltenden Bezugnahme auf den § 37 ergibt sich zugleich, daß eine weitere Beschränkung der Vollmacht Dritten gegenüber nicht mit Wirksamkeit erfolgen kann 4 ' 319 .

Das Kammergericht geht in der Folge davon aus, dass die Beteiligung an einer neu zu gründenden GmbH nicht von den in § 70 GmbHG umschriebenen Aufgaben umfasst ist, wonach die Liquidatoren das Gesellschaftsvermögen in Geld umzusetzen haben, ihnen aber keine Befugnisse dahingehend zustehen, das Gesellschaftsvermögen in andere Vermögensobjekte, zB einer Gesellschaftsbeteiligung umzusetzen. Da sich die Vertretungsmacht der Liquidatoren nach dieser Vorschrift bestimme, sei es den Liquidatoren mangels Vertretungsbefugnis grundsätzlich unmöglich, für die Gesellschaft eine Beteiligung an einer anderen Gesellschaft zu erwerben. Im Anschluss sieht sich das Kammergericht vor die Frage gestellt, ob die Gesellschafter durch einstimmigen Beschluss die Liquidatoren dazu ermächtigen können, für die Liquidationsgesellschaft einen Gesellschaftsvertrag abzuschließen. Nach Auffassung des Kammergerichts kann eine solche Ermächtigung nur dann er317 RGZ 44, 80, Urt. v. 30. 09. 1899, Az: V 137/99. Das klang auch schon in der Entscheidung RGZ 4, 61 (64), Urt. v. 23. 04. 1881, Az: 1678 / 80 an. Dort führt das Reichsgericht aus, dass ein neues Geschäft, das der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 43 GenG 1868 geschlossen hat, rechtswirksam ist. 318 KGJ 21, A 256, Beschluss v. 04. 02. 1901, Az: 1 Y 45/01. 319 Zitiert nach: KGJ 21, A 256 (258), Beschluss v. 04. 02. 1901, Az: 1 Y 45/01.

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teilt werden, wenn sie zum Zwecke der Liquidation erfolgt und Rechte Dritter nicht beeinträchtigt 320. Diese Rechtsansicht des Kammergerichts entspricht dem ultra-vires-Gedanken. Liquidationsfremde Geschäfte kann die Gesellschaft nicht abschließen. Selbst eine Ermächtigung der Gesellschafter vermag nicht zu helfen, da solche Geschäfte außerhalb des Rechtskreises der Gesellschaft liegen. Innerhalb des Rechtskreises „Liquidation" geht das Kammergericht von einer Kompetenzverteilung zwischen Liquidatoren und Gesellschafterversammlung aus. Für die typischen Liquidationsgeschäfte des § 70 GmbHG besteht Vertretungsmacht der Handlungsorgane. Für Geschäfte, die zwar den Rahmen des § 70 GmbHG sprengen, aber sich noch im Rahmen der Abwicklung bewegen, besteht eine nach außen wirkende Zustimmungskompetenz des Gesellschafterorgans. Die Gesellschaft handelt nur dann wirksam nach außen, wenn beide Organe tätig werden. Doch kann dieser Beschluss als der Startschuss in der Rechtsprechung angesehen werden, dem Gesellschafterorgan für über den engen Kreis des § 70 GmbHG hinausgehende Geschäfte die Kompetenzen zuzuweisen. Diese Entwicklung, die hier in der Rechtsprechung losgetreten wurde, wird Jahre später nach Vorarbeiten in der Literatur zur völligen Abkehr vom ultra-vires-Gedanken führen 321 : die Gesellschafterversammlung kann liquidationsfremden Geschäften zustimmen. In RGZ 72, 119 322 knüpft das Reichsgericht an die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts an 3 2 3 . § 149 HGB bestimme, dass während der Liquidation neue Geschäfte nur zur Beendigung schwebender Geschäfte vorgenommen werden könnten. Daraus folge, dass auch ein bisheriger Prokurist die frühere Vertretungsmacht verliere und die Gesellschaft nur noch in den Grenzen des § 149 HGB vertreten könne. Im Anschluss an die Entscheidung des Reichsoberhandelsgericht vom 1874 (s.o.) spricht das Reichsgericht aus, dass eine Liquidationsgesellschaft nicht nur keinen Prokuristen mehr bestellen, sondern auch keinen mehr haben könne. Eine früher bestellte Prokura wandele sich daher in eine Handlungsbevollmächtigung im Umfange des § 149 HGB um. Einen - von der Begründung her - Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten bietet RGZ 72, 326 3 2 4 . Die Generalversammlung einer Genossenschaft beschloss, die gesamte produzierte, nicht zum Eigengebrauch benötigte Milch ihrer Mitglieder zu erwerben. Jeder Genösse, der seine Milch selber verwerte, sollte eine Vertragsstrafe zahlen. Am gleichen Tage beschloss die Generalversammlung zudem die Auflösung der Genossenschaft. Die Vorinstanz (Kammergericht) hielt den Beschluss der Hauptversammlung nur dann für wirksam, wenn er dem Zweck diene, der Genossenschaft Mittel zu Erfüllung schwebender Verbindlichkeiten zu verschaffen, während er gesetzeswidrig und damit unwirksam sei, wenn dieser Zweck nicht bestand, da der Beschluss dann im Widerspruch zu dem Liquidations320 KGJ 21, A 256 (260 f.), Beschluss v. 04. 02. 1901, Az: 1 Y 45/Ol. 321 KG, JFG 4, 276 (280), Beschluss v. 25. 03. 1926, Az: 1 X 71 / 26 m. w. N. 322 RGZ 72, 119 (122 f.), Urt. v. 21. 10. 1909, Az: V I 477/08. Im konkreten Fall ging es um eine Kommanditgesellschaft in Liquidation. 323 Angeknüpft wird an ROHG 13, 223, Urt. v. 06. 05. 1874, Az: I I 266/74. 324 RGZ 72, 236, Urt. v. 27. 10. 1909, Az: 1615/08. 8 Bergmann

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zwecke stehe. Das Kammergericht stellte sodann fest, dass der Beschluss dem Liquidationszweck nicht diente und verwarf den Beschluss der Generalversammlung als ungesetzlich. Das Kammergericht wendet damit reinste ultra-vires-Lehre an. Liquidationsfremde Geschäfte stehen außerhalb der Rechts- und Handlungsfähigkeit der Gesellschaft. Nicht nur dem Handlungsorgan, der Gesellschaft als solcher fehlt die Handlungsmöglichkeit im liquidationsfremden Raum. Ob der Begründung des Kammergerichts zuzustimmen war, ließ das Reichsgericht offen. Das Reichsgericht geht davon aus, dass eine Belieferungspflicht der Genossen grundsätzlich nur solange besteht, wie die Gesellschaft ein Unternehmen betreibt. Dieses Stadium sei grundsätzlich mit der Auflösung beendet; allerdings dürfe man daraus nicht den Schluss ziehen, dass mit dem Eintritt der Liquidation der Geschäftsbetrieb sofort eingestellt werden müsse; schon die Erfüllung von Verbindlichkeiten könne den Weiterbetrieb erfordern. Die Aufgaben der Liquidation dürften nicht in einer Weise eingeengt werden, die für eine Genossenschaft mit dem Verlust an vorhandenem Vermögen verbunden wäre. Daher könne aus § 88 GenG nicht einfach hergeleitet werden, dass ein Betrieb, der den Abschluss von Milchabgabeverträgen voraussetzt, nach Eintritt der Liquidation nicht mehr zulässig sei. Vielmehr könne selbst dieses eine legitime Abwicklungshandlung sein. Im Anschluss an Heinrich Wimpfheimer sei der Begriff des „neuen Geschäfts" daher eng, der des „schwebenden Geschäfts" möglichst weit auszulegen325. Dies dürfe aber nicht dazu verleiten, dass über den Zeitpunkt, bis zu dem die Milch geliefert werden müsse, lediglich die Genossenschaft und deren Liquidatoren zu entscheiden hätten, vielmehr sei daran festzuhalten, dass die Fortsetzung des Betriebs im Liquidationsstadium grundsätzlich der Rechtfertigung bedürfe. Da im konkreten Fall das Verlangen, die zusätzliche Milch im Liquidationsstadium zu liefern, nicht durch liquidationsgerechte Zwecke gerechtfertigt werden konnte, brauchten sich die Genossen den Beschluss nicht gefallen zu lassen 326 . Auch in dieser Begründung schwingt die ultra-vires-Lehre mit. Außerhalb liquidationsgerechter Erwägungen kann eine Verbindlichkeit der Genossen der Genossenschaft gegenüber nicht bestehen. In einem Urteil des Jahres 1 9 2 2 3 2 7 war das Reichsgericht an die revisionsrechtlich nicht nachprüfbare Auslegung des Gothaischen Berggesetzes durch das O L G Celle gebunden. Das Oberlandesgericht hatte entschieden, dass den Liquidatoren zu abwicklungsfremden Geschäften nicht nur die gesetzliche Ermächtigung fehlte, sondern dass sie auch nicht dazu ermächtigt werden konnten. Die Rechts- und die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaft Gothaischen Rechts war also in bester ultravires-Manier auf den Liquidationszweck begrenzt. Außerhalb des Liquidationszwecks ist ein Handeln der Gesellschaft unmöglich. Diese Entscheidung des Reichsgerichts bedeutet keinen Rückfall in schon überwunden geglaubte ultravires-Abgründe; denn obiter dicta führt das Reichsgericht hier aus, dass i m Anwendungsbereich reichsrechtlicher Vorschriften die Auffassung überwiege, dass

325 RGZ 72, 236 (240), Urt. v. 27. 10. 1909, Az: I 615/08. Wimpfheimer, Die Gesellschaften des Handelsrechts und des bürgerlichen Rechts im Stadium der Liquidation, 1908, S. 161. 326 im konkreten Fall kam hinzu, dass der Austritt des beklagte Genossen gem. § 75 GenG wegen der Auflösung der Gesellschaft als nicht erfolgt galt. Jedenfalls solchen Genossen gegenüber sei das Verlangen der Genossenschaft gegenüber nicht gerechtfertigt, vgl. RGZ 72, 236 (242). 327 RGZ 106, 68 (72), Urt. v. 16. 12. 1922, Az: V 21/22.

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eine Ermächtigung der Liquidatoren zu liquidationsfremden Geschäften möglich sei. Das Reichsgericht liebäugelt mit der Anerkennung der unbeschränkten Rechtsund Handlungsfähigkeit der Liquidationsgesellschaft, wobei die Handlungskompetenz für „neue" Geschäfte auf mehrere Organe verteilt wird.

c) Das Ende der ultra-vires-Lehre im Recht der Liquidationsgesellschaft Am 25. März 1926 sprengte ein spektakulärer Beschluss des Berliner Kammergerichts in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung endgültig die Ketten, in die man die Liquidationsgesellschaft - entsprechend dem ultra-vires-Gedanken - bisher legte 328 . Der Ausgangspunkt der Entscheidung bringt nichts Neues: die Liquidatoren einer Kommanditgesellschaft besitzen keine unbeschränkte Vertretungsmacht, sondern sind nur innerhalb des durch § 149 S. 1 HGB bestimmten Geschäftskreises zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt; gegenläufige Auffassung könnten wegen des eindeutigen Wortlauts von § 149 S. 2 HGB keine Geltung beanspruchen 329. Neu ist dagegen: die Gesellschafter können die Vertretungsmacht der Liquidatoren über den durch das Gesetz gezogenen Rahmen entweder ganz allgemein oder für den Einzelfall erweitern. An den Einschränkungen, die das Kammergericht bisher gemacht hatte, dass nämlich auch die zusätzlichen Geschäfte, zu denen der Liquidator ermächtigt werden soll, dem Zweck der Abwicklung dienen und Rechte Dritter nicht verletzen, hält das Kammergericht nicht fest. Den Gesellschaftern wird damit die Befugnis zuerkannt, die Liquidatoren auch zu liquidationsfremden Geschäften zu ermächtigen oder solche nachträglich zu genehmigen 330 . Die Entscheidung leitet das Ende der ultra-vires-Lehre für die Liquidationsgesellschaften ein. Die Liquidationsgesellschaft ist unbegrenzt handlungs-

328 KG, JFG 4, 276, Beschluss v. 25. 03. 1926, Az: 1 X 71/26. 329 Das Kammergericht setzt sich kurz mit der Gegenauffassung Brodmanns zu § 70 GmbHG auseinander, der Brodmann dahingehend formuliert, dass der Liquidator nur im Innenverhältnis gebunden wird, seine Vertretungsmacht im Außenverhältnis aber unbeschränkt sei. Diese Ansicht sei zwar für das GmbHG rechtlich möglich, könne aber wegen des eindeutigen Wortlautes des § 149 S. 2 HGB für die Personenhandelsgesellschaften keine Geltung beanspruchen (KG, JFG 4, 276 (278)). 330 KG, JFG 4, 276 (280 f.), Beschluss v. 25. 03. 1926, Az: 1 X 71 / 26. Das Kammergericht schließt sich damit der damals herrschenden Literaturmeinung an, insbesondere Wimpfheimer, Die Gesellschaften des Handelsrechts und des bürgerlichen Rechts im Stadium der Liquidation, 1908. Zur Begründung verweist es insbesondere darauf, dass die Liquidation nicht dem Schutz der Gläubiger sondern lediglich dem Interesse der Gesellschafter diene. Auch die Beschränkung der zusätzlichen Ermächtigung auf den Liquidationszweck nähme der Ermächtigung jegliche Bedeutung, da die Liquidatoren ohnehin zur Abwicklung befugt seien. Schließlich weist das Kammergericht darauf hin, dass die Gesellschafter auch jederzeit befugt seien, die Liquidationsgesellschaft wieder in eine werbende Gesellschaft umzuwandeln. Den Gesellschaftern als den Herren der Gesellschaft stehe eben das Letztentscheidungsrecht über die Gesellschaft zu. 8*

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fähig. Zwar hat das Handlungsorgan immer noch keine unbegrenzte Außenkompetenz, aber im Zusammenwirken der Organe (Handlungsorgan und Gesellschafterorgan) kann die Gesellschaft unbeschränkt im Rechtsverkehr auftreten. Das ist eine außenrechtswirksame Kompetenzverschiebung zu Gunsten der Gesellschafter im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Vertretung der Gesellschaft.

d) Die Ausweitung des Verkehrsschutzes Dem Verkehrsschutzgedanken endgültig zum Durchbruch verhalf RGZ 146, 376 3 3 1 . Der Liquidator des verklagten eingetragenen Vereins „Der jungdeutsche Orden" war gleichzeitig Gesellschafter der „Deutschen Presse GmbH", die die Vereinszeitung „Der Jungdeutsche" herausgab. Gedruckt wurde die Zeitung bei der Klägerin, die der GmbH einen Wechselkredit eingeräumt hatte. Für diesen Kredit hatte sich der in Liquidation befindliche beklagte Verein, vertreten durch seinen Liquidator, verbürgt. In den Entscheidungsgründen wendet sich das Reichsgericht einmal gegen die Auffassung, dass die Vertretungsmacht der Liquidatoren unbeschränkt sei und § 49 BGB nur für die verbandsinterne Geschäftsführungsbefugnis von Bedeutung sei. Dies sei nicht mit § 48 Abs. 2 BGB zu vereinbaren, nach dem die Liquidatoren die Stellung des Vorstandes nur haben, soweit sich aus dem Liquidationszweck nicht Abweichendes ergibt. Insoweit bringt die Entscheidung nichts Neues. Das Reichsgericht verwirft aber nun explizit die Auffassung, die die Vertretungsmacht der Liquidatoren auf den Zweck des § 49 BGB derart beschränkt, dass alle Geschäfte, die nicht gegenständlich dem Zweck des § 49 BGB entsprechen, außerhalb der Vertretungsmacht der Liquidatoren lägen 332 . Der Grund: damit würden die Belange des redlichen Geschäftsverkehrs völlig außer Acht gelassen. Ob ein neues Geschäft iSd § 49 S. 2 BGB wirklich zur Beendigung schwebender Geschäfte dient, sei vom Vertragspartner oft gar nicht zu erkennen, selbst bei Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Das Reichsgericht lässt es deshalb ausreichen, dass jedes Geschäft, das in den Rahmen der in § 49 BGB bezeichneten Geschäfte fallen kann, grundsätzlich als ein solches angesehen wird. Das soll nur dann nicht gelten, wenn der Dritte bei sorgfältiger Prüfung hätte erkennen müssen, dass kein Liquidationsgeschäft vorliege. Die Frage der Beweislast hinsichtlich der Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt konnte das Reichsgericht im konkreten Fall offen lassen333. Durch diese Entscheidung erfährt der Verkehrsschutz eine deutliche Aufwertung. Nur noch solche Geschäfte fallen nicht unter die Vertretungsmacht, die erkennbar außerhalb des Liquidationszweckes liegen, wobei schon aus331 RGZ 146, 376, Urt. v. 04. 02. 1935, Az: V I 401/34. 332 Gerade diese Auffassung war bei Abfassung des späteren Art. 137 ADHGB dominant. Und gerade auf diesen Art. 137 ADHGB wird in den Motiven zum BGB für den Aufgabenbereich des Liquidators des Vereins verwiesen; Motive I, S. 115. 333 ROHG 13, 223 (226), Urt. v. 06. 05. 1874, Az: II 266/74 hatte die Beweislast dem Vertragspartner der Gesellschaft zugewiesen.

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reicht, dass das konkrete Geschäft der Liquidation zu dienen (abstrakt) geeignet ist. Diese Entscheidung knüpft an die 1874er Entscheidung des Reichsoberhandelsgericht hinsichtlich Art. 137 ADHGB an, auch wenn das Reichsgericht die Entscheidung nicht erwähnt und setzt den dort entwickelten Gedanken des Verkehrsschutzes fort. 1874 ist das Reichsoberhandelsgericht dem Rechtsverkehr insoweit entgegengekommen, dass selbst wenn das neue Geschäft tatsächlich nicht der Abwicklung dient, der Dritte doch zumindest geltend machen kann, dass er bei Beachtung der ihm obliegenden Erkundigungspflicht von einem zulässigen „neuen" Geschäft ausgehen darf. Jetzt reicht es auch, wenn das Geschäft (abstrakt) ein Liquidationsgeschäft sein kann und der Dritte die Liquidationswidrigkeit nicht kannte oder kennen musste. Dieser Ansatz führt zur ausschließlichen Prüfungsrelevanz der Frage, ob der Geschäftspartner bösgläubig hinsichtlich der Überschreitung des Liquidationszwecks ist; denn Rechtsgeschäfte, die bei einer vom Einzelfall losgelösten Betrachtung als liquidationsfremd erscheinen, wird es kaum geben 334 . Selbst die Beteiligung der Liquidationsgesellschaft an einer neu zu gründenden Gesellschaft kann vom Liquidationszweck getragen sein 335 . Mit dieser äußerst verkehrsfreundlichen Auslegung entfernt sich die Rechtsprechung mit Siebenmeilenstiefeln vom ursprünglichen Willen des Gesetzgebers. Eine derart großzügige Handhabung hatte er nicht gewollt. Vielmehr hat sich die Befürchtung einer Minderheit in der dritten Lesung zum ADHGB bewahrheitet, die den Wortlaut des späteren Art. 137 Abs. 1 S. 2 ADHGB als zu lax kritisiert hatte 336 . Sie befand, dass die Vorschrift nicht hinreichend deutlich mache, dass dem Dritten eine Erkundigungspflicht darüber obliege, ob das neue Geschäft wirklich erforderlich ist. Der Wortlaut könnte auch so verstanden werden, dass ein Handeln im Namen der Liquidationsgesellschaft genüge, soweit kein böser Glaube erwiesen sei 3 3 7 . In das Jahr 1935 fällt eine weitere Entscheidung des Kammergerichts 338. Der eingetragene Verein „Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Deutsch-Christlicher Orden" hatte gegen den Beklagten Klage auf Unterlassen erhoben wegen Beleidigung und Kreditgefährdung. Der Beklagte hatte in einem Buch behauptet339, dass der Gründer Johann Wilhelm Ellenberger, später von Zinnendorf, Jude gewesen sei. Das LG wies die Klage ab, weil der Verein durch die Aufnahme von Personen jüdischer Rasse zum Ausdruck gebracht hätte, dass er gegen Juden rassisch nichts einzuwenden habe. Der Verein legte

334 K. Schmidt, AcP Bd. 184 (1984), 529 (536). 335 Vgl. KGJ 21, A 256 (260 f.), Beschluss v. 04. 02. 1901, Az: 1 Y 45/01. 336 Gerade auf diesen Art. 137 ADHGB wird in den Motiven zum BGB für den Aufgabenbereich des Liquidators des Vereins verwiesen; Motive I, S. 115. 337 Keyßner, ZHR Bd. 10 (1866), 327 (354). 338 KG, JW 1936, 672, Urt. v. 05. 11. 1935, Az: 2 U 871 /35. Der Sachverhalt ist vereinfacht wiedergegeben. Im Originalfall handelte es sich um eine juristische Person, auf die gem. Art. 163 EGBGB die §§ 25 ff. BGB Anwendung finden. 339 Es handelt sich um Schneider, Robert, Die Freimaurerei vor Gericht, neue Tatsachen über Weltfreimaurerei, deutsch-christliche Orden und geheime Hochgrade.

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Rechtsmittel ein. Nach Erhebung der Berufung hatte der Verein seine Auflösung beschlossen, die Liquidatoren führten den Prozess aber fort. Das Kammergericht wies die Berufung zurück. Nach § 49 BGB sei die Aufgabe des Liquidators, das Vereinsvermögen flüssig zu machen, die Gläubiger zu befriedigen und den Rest an die Anfallberechtigten auszuantworten. Für Geschäfte, die nicht diesem Zweck dienten, habe er keine Vertretungsbefugnis. Die Weiterverfolgung eines Klageanspruchs, der auf kein wirtschaftliches Ziel gerichtet sei, liege außerhalb der Liquidationsaufgaben; das gelte sowohl für den auf den Ehrenschutz gestützten Anspruch, als auch für den Anspruch, soweit er aufgrund des § 824 BGB eine Kreditgefährdung als Klagegrundlage annehme, da der Verein nichts dafür vorgebracht habe, dass er im Liquidationsverfahren überhaupt als Kreditnehmer in Frage käme. Der 6. Senat des Reichsgerichts hat das Urteil des Kammergerichts später bestätigt 340 . Es sei unzweifelhaft, dass die Befugnisse der Liquidatoren sich nur auf die Erledigung vermögensrechtlicher Beziehungen erstrecken, die nach Auflösung des Vereins der abschließenden Regelung bedürfen. Nur insoweit gelte der Verein gem. § 49 Abs. 2 BGB als fortbestehend. Im Liquidationsstadium sei für die Verfolgung des ehemaligen Vereinszwecks kein Raum mehr. Die in RGZ 146, 376 begonnene Rechtsprechung hat das Reichsgericht später noch auf die in Liquidation befindliche GmbH ausgedehnt 341 . Ein Dritter muss mit der erforderlichen Sorgfalt prüfen, ob die vom Liquidator geschlossenen Geschäfte geeignet sind, der Liquidation zu dienen. Hätte der Dritte erkennen müssen, dass die geschlossenen Geschäfte nicht geeignet seien, der Liquidation zu dienen, so sind die Geschäfte unwirksam. I m konkreten Fall ging das Reichsgericht von der fehlenden Eignung aus und konnte wegen fehlender Zustimmung die Rechtsfrage unerörtert lassen, ob bei Zustimmung aller Gesellschafter die Liquidatoren zur Vornahme liquidationsfremder Geschäfte befugt sind oder durch Gläubigerrechte daran gehindert bleiben 3 4 2 .

e) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Anfang 1959 hatte der 2. Senat des Bundesgerichtshofs Gelegenheit, sich zur Thematik zu äußern 3 4 3 . I m konkreten Fall handelte es sich um eine oHG. Der Bundesgerichtshof setzt den in RGZ 146, 376 (wieder) aufgenommenen Weg der verkehrsfreundlichen Gesetzesanwendung durch die Rechtsprechung trotz originär verkehrsfeindlicher Gesinnung des Gesetzgebers f o r t 3 4 4 . Leider fehlt in dem Urteil

340 RG, JW 1936, 2651, Urt. v. 27. 04. 1936, Az: V I 474/35. 341 RG, HRR 1940 Nr. 232, Urt. v. 20. 09. 1939, Az: V I 28/39. Dabei weist das Reichsgericht noch einmal besonders darauf hin, dass sich die Bedeutung des § 70 GmbHG nicht im Innenverhältnis erschöpft, sondern die gesetzlich geordnete Vertretungsmacht der Liquidatoren betrifft. 342 Das KG, JFG 4, 276, Beschluss v. 25. 03. 1926, Az: 1 X 71 /26 hielt dies für zulässig, RGZ 106, 68 (72), Urt. v. 16. 12. 1922, Az: V 21 / 22 hatte sich in einem obiter dictum dahin geäußert. 343 BGH, W M 1959, 323 (324), Urt. v. 26. 01. 1959, Az: II ZR 174/57.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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jeder Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung. Die Problembewältigungsformel des Bundesgerichtshofs lautet: „Im allgemeinen wird eine Abwicklungsgesellschaft auch durch den Abschluß eines liquidationsfremden Geschäfts seitens des Liquidators gegenüber Dritten unmittelbar berechtigt und verpflichtet. Dieses ist im Interesse eines redlichen Geschäftsverkehrs geboten, weil es für den Dritten im Regelfall unübersehbar ist, ob ein einzelnes Geschäft noch in den Rahmen der Liquidation fällt oder nicht. Etwas anderes gilt nur, wenn der Dritte den liquidationsfremden Charakter des in Betracht kommenden Geschäfts kannte oder kennen musste. In einem solchen Fall ist der Dritte im Interesse eines redlichen Geschäftsverkehrs nicht schutzwürdig".

Die Verpflichtung ist der Regelfall, eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Dritte den liquidationsfremden Charakter kannte oder kennen musste. Eine wesentliche Frage, von der die Verkehrsfreundlichkeit der gewählten Lösung letztlich abhängt, die das Reichsgericht noch offen lassen konnte, entscheidet der Bundesgerichtshof nun - ohne dies zu erwähnen - in Abweichung zum Reichsoberhandelsgericht: die Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich der „Bösgläubigkeit" des Dritten trifft die Gesellschaft. Auch geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass eine Genehmigung liquidationsfremder Geschäfte durch die Gesellschafter in Betracht kommt. Die Gesellschaft ist also nicht auf den Liquidationszweck begrenzt, sondern unbegrenzt rechts- und handlungsfähig. Für die ultra-vires-Lehre ist spätestens seit dieser Entscheidung im Recht der Liquidationsgesellschaft kein Raum mehr. Diese Rechtsprechung wird in einem Urteil des 3. Senats des Bundesgerichtshof vom Ol. 12. 1983 bestätigt. Konkret ging es um eine Kommanditgesellschaft 345. Ein Geschäft sei nicht schon dann unverbindlich, wenn es objektiv nicht dem Liquidationszweck dient und damit von der Vertretungsmacht nicht mehr gedeckt sei. Vielmehr sei das Schutzbedürfnis des redlichen Geschäftsverkehrs zu berücksichtigen. Die Gesellschaft ist nur dann nicht an das liquidationsfremde Geschäft gebunden, wenn der Dritte weiß oder wissen muss, dass sich das Rechtsgeschäft nicht mehr im Rahmen der Liquidation hält. Zudem führt der Bundesgerichtshof aus, dass auch liquidationsfremde Geschäfte durch die Zustimmung aller Gesellschafter geheilt werden können. Darauf, dass der Gesetzgeber für das Aktienrecht neue Wege gegangen ist, geht der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung nicht ein. Nach § 269 Abs. 1 AktG 1965 ist die Vertretungsbefugnis der Liquidatoren nach außen unbegrenzt. Die Verpflichtung auf den Liquidationszweck wirkt grundsätzlich nur noch im Innenverhältnis. Der Gesetzgeber weicht damit vom bisherigen Ansatz der Rechtsprechung ab. Geht die Rechtsprechung immer noch im Grundsatz davon aus, dass die Vertretungsmacht begrenzt ist, um dann über Verkehrsschutzerwägungen das Ergebnis zu korrigieren, stellt der Gesetzgeber nun

344 Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 572 spricht von verkehrsfreundlicher Lösung trotz verkehrsfeindlicher Gesetzesfassung. 345 BGH, NJW 1984, 982, Urt. v. Ol. 12. 1983, Az: I I ZR 149/82; vgl. dazu K. Schmidt, AcPBd. 184(1984), 529.

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auf den Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht ab, wobei die Ergebnisse nun bei Schutzunwürdigkeit des Dritten über die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht korrigiert werden. Diese Gesetzesänderung bringt das Gesetz auf den Stand der Formel, die der BGH 1959 verwandt hat: „Im allgemeinen wird eine Abwicklungsgesellschaft auch durch den Abschluss eines liquidationsfremden Geschäfts seitens des Liquidators gegenüber Dritten unmittelbar berechtigt und verpflichtet. .. .Etwas anderes gilt nur, wenn der Dritte den liquidationsfremden Charakter des in Betracht kommenden Geschäfts kannte oder kennen musste".

f) Die unbeschränkte Vertretungsmacht des Liquidators In die Richtung, die der Aktienrechtsgesetzgeber vorgegeben hat, entschied das OLG Stuttgart 346 : Der zweite Leitsatz der rechtskräftigen Entscheidung lautet: der Umfang der Vertretungsmacht der Liquidatoren einer GmbH ist nicht beschränkt. Damit hat das OLG Stuttgart für das GmbH-Recht ausgesprochen, was heute schon im Recht der Aktiengesellschaft positiviertes Gesetzesrecht ist und auch der nicht umgesetzte RegE für ein (neues) GmbHG von 1972 vorgesehen hat: unbeschränkte Handlungsfähigkeit des Handlungsorgans des Verbandes. Begründet hat das OLG seine Ansicht nicht. Es begnügt sich mit einem Hinweis auf die herrschende Meinung.

2. Die Auffassungen in der Literatur Die heute überwiegende Auffassung in der Literatur geht davon aus, dass auch nach Auflösung des Verbandes die Vertretungsmacht der Liquidatoren unbeschränkt und unbeschränkbar ist 3 4 7 . Die richtige Lösung liege in der Trennung von Außen- und Innenverhältnis. Die Vertretungsmacht der Liquidatoren sei nach außen unbegrenzt. Im Innenverhältnis seien sie dagegen an den Liquidationszweck gebunden und dürften neue Geschäfte nur eingehen, soweit es die Abwicklung erfordert. Uberschreiten die Liquidatoren diese Grenze, so handeln sie zwar der Gesellschaft gegenüber pflichtwidrig, aber doch nicht ohne Vertretungsmacht. Diese Pflichtwidrigkeit kann nur über die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht nach außen durchschlagen.

346 OLG Stuttgart, ZIP 1986, 647 (648) und Lt. 2, Urt. v. 28. 02. 1986, Az: 2 U 148/85 (rechtskräftig). 347 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 8 V 2 b = S. 223, § 11 V 4 d = S. 322; Großkommentar HGB/Habersack, 4. Auflage, § 149, Rdnr. 45 ff.; Staudinger-Weick, 13. Auflage, § 49, Rdnr. 11 ff. (15); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 70, Rdnr. 2.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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Diese Auffassung, die gar nicht so neu ist 3 4 8 , wurde in der jüngeren Literatur von Karsten Schmidt vorangetrieben 349. Ihr kommt praktisch entgegen, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Sache nach auch von der unbeschränkten Vertretungsmacht der Liquidatoren ausgegangen wird, da die Beweislast für die fehlende Schutzwürdigkeit des Geschäftspartners der Gesellschaft auferlegt wird 3 5 0 . In der praktischen Rechtsanwendung führt die Rechtsfigur vom Missbrauch der Vertretungsmacht zu einer Versöhnung der Ansätze von Literatur und Rechtsprechung, da sie regelmäßig, wenn auch von verschiedenen Ausgangspunkten kommend, zu gleichen Ergebnissen gelangen351: Vorrang des Verkehrsschutzes, es sei denn, der Geschäftspartner ist nicht schutzwürdig 352. Der systematische Unterschied liegt in der Verkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Dem Ansatz der Rechtsprechung zufolge ist die Beschränkung der Vertretungsmacht auf den Liquidationszweck die Regel, die unter dem Vorbehalt des individuellen Vertrauensschutzes steht; nach der Lehre ist die Vertretungsbefugnis unbegrenzt, steht aber unter dem Vorbehalt des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Der Lehre stellt das Konzept der Rechtsprechung vom „Kopf auf die Füße" 353 . Der methodische Ausgangspunkt der Rechtsprechung wird für verfehlt gehalten: die Rechtsprechung geht von einer beschränkten Vertretungsmacht aus und korrigiert diesen verkehrsfeindlichen Ausgangspunkt durch Verkehrsschutzerwägungen, die allenfalls durch Rechtsscheinserwägungen zu rechtfertigen wären, jedoch so niemals gerechtfertigt wurden 354 . Allerdings gab es in der Literatur auch stets Stimmen, denen die Verkehrsfreundlichkeit der Rechtsprechung zu weit ging 3 5 5 . Der Wortlaut der Vorschriften sei eindeutig und mache keine Ausnahmen im Interesse der Verkehrssicherheit. Handeln die Liquidatoren außerhalb des Liquidationszwecks, handeln sie ohne Vertretungsmacht. Auf eine Erkennbarkeit der Liquidationswidrigkeit komme es nicht an. So seufzt Ritter angesichts der verkehrsfreundlichen Rechtsentwicklung: „So kann man mit einem ganz klaren Gesetz, das Befolgung erwarten darf, nicht umspringen" 356 .

348 Vgl. Brodmann, Aktienrecht, (1928), § 298, Anm. 1 d. 349 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 8 V 2 b = S. 223, § 11 V 4 d = S. 322; derselbe, AcP Bd. 174 (1974), 55; derselbe, AcP Bd. 184 (1984), 529. 350 Man kann von einem verkehrsfreundlichen Ergebnis bei verkehrsfeindlichem Ausgangspunkt sprechen, vgl. Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 572. 351 Großkommentar HGB IHabersack, 4. Auflage, § 149, Rdnr. 46.; K. Schmidt, AcP Bd. 174(1974), 55 (70, 76). 352 Der Verkehrsschutz ist deshalb notwendig, weil der Geschäftspartner oftmals selbst bei größter Sorgfalt nicht erkennen kann, ob das eingegangene Geschäft dem Abwicklungszweck noch oder schon nicht mehr entspricht. 353 Formulierung von K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 8 V 2 b = S. 223. 354 κ. Schmidt, AcP Bd. 184 (1984), 529 (535). 355 ZB Ritter, HGB, 2. Auflage, § 149, Anm. 2, 9 c. Ritter will dann die §§ 177 ff. BGB anwenden, geht also in der Sache auch von keiner ultra-vires-Lehre aus.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

An dieser Stelle ein weiterer Ausblick (siehe § 4 A VIII): man darf nicht dabei stehen bleiben, einfach nur den bisherigen Ansatz der Rechtsprechung dogmatisch stimmig und ansprechend nach dem heutigen Erkenntnisstand zu verpacken. Es darf nicht dabei stehen geblieben werden, die Vertretungsmacht der Liquidatoren als unbegrenzt zu bestimmen und in Missbrauchsfällen einzugreifen. Vielmehr muss die abstrakte Handlungsverfassung des Liquidationsverbandes - im Rahmen des Möglichen - der Handlungsverfassung des werbenden Verbandes angeglichen werden. Das geht über das hinaus, was einige Autoren verlangen. Man darf nicht bei der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht stehen bleiben, sondern muss auch die anderen Rechtsinstitute, die die Handlungsverfassung der werbenden Verbände kennt, übernehmen, zB die Möglichkeit der unechten organschaftlichen Gesamtvertretung der Gesellschaft durch eine Organperson zusammen mit einem Prokuristen 357 . Bisher wurde schon die Bestellung von Prokuristen wegen der begrenzten Vertretungsmacht der Liquidatoren als unzulässig angesehen. Das Ziel muss also lauten, die abstrakte Handlungsverfassung der Liquidationsgesellschaft derjenigen der werbenden Verbände anzugleichen. Dadurch wird ein Stück verfassungsmäßiger Identität geschaffen. Das Ergebnis muss lauten: die abstrakte Handlungsverfassung der Liquidationsgesellschaft ist - in gewissen Grenzen - mit der Handlungsverfassung der werbenden Gesellschaft identisch. 3. Die Gesetzgebungsgeschichte a) Die Nürnberger Kommission (ADHGB) Ausgangspunkt sind die Artt. 137, 138 ADHGB, die im Regelungsprogramm der oHG stehen. Das Recht der Aktiengesellschaft übernahm diese Vorschriften, Art. 244 Abs. 2 ADHGB. Art. 137 ADHGB. (1) Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft zu versilbern; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten; sie können für dieselbe Vergleiche schließen und Kompromisse eingehen. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. (2) Die Veräußerung von unbeweglichen Sachen kann durch die Liquidatoren ohne Zustimmung der sämtlichen Gesellschafter nicht anders als durch öffentliche Versteigerung bewirkt werden. Art. 138 ADHGB. Eine Beschränkung der Geschäftsbefugnisse der Liquidatoren (Art. 137) hat dritten Personen gegenüber keine rechtliche Wirkung. 356 Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 210, Anm. 2 a. 357 Bisher wurde die Bestellung von Prokuristen während der Liquidation als unzulässig angesehen, da die Vertretungsmacht der Liquidatoren als beschränkt angesehen wurde, also der Prokurist eine weiterreichende Handlungsvollmacht gehabt hätte, als das Handlungsorgan der Gesellschaft.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungs Verfassung

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Art. 244 ADHGB. (1) Die Liquidation geschieht durch den Vorstand, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluss der Aktionäre an andere Personen übertragen wird. (2) Es kommen die bei der offenen Handelsgesellschaft über die Anmeldung und das Rechtsverhältnis der Liquidatoren gegebenen Bestimmungen auch hier zur Anwendung, mit der Maßgabe, daß die Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister durch den Vorstand zu machen ist.

Aus dem Wortlaut des Art. 137 ADHGB ergibt sich nun nicht eindeutig, ob die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis nur für das Innenverhältnis Bedeutung erlangt; doch wollte der Gesetzgeber ihn aber gerade nicht so verstanden wissen. In den Motiven zu Art. 131 des Preußischen Entwurfes heißt es zur Problematik der „neuen", der Abwicklung nicht unmittelbar dienenden Geschäfte 358: „Ganz neue, mit der Liquidation nicht zusammenhängende Geschäfte sind die Liquidatoren nicht ermächtigt abzuschließen. Das folgt von selbst aus ihrer rechtlichen Stellung. Welche Geschäfte in jedem einzelnen Falle als zur Liquidation gehörig zu betrachten sind, richtet sich nach den Umständen; eine allgemeine Festsetzung hierüber ist der Natur der Sache nach nicht möglich. Der Dritte, welcher wissen muss, daß die Gesellschaft aufgelöst ist und sich in Liquidation befindet, muß beim Abschlüsse von Geschäften mit den Liquidatoren, mit der gehörigen Vorsicht zu Werke gehen".

In der ersten Lesung wurde dann - um bestehenden Bedürfnissen des Handelsverkehrs entgegen kommen zu können - der Entschluss gefasst, einen besonderen Artikel des Inhalts in das Gesetz aufzunehmen, dass der Liquidator, wenn er die schwebenden Geschäfte nicht abwickeln kann, ohne neue Geschäfte einzugehen, auch diese vorzunehmen berechtigt ist. Nach der zweiten Lesung hieß es im Art. 130 Abs. 2 des Entwurfs 359 : „Die Liquidatoren sind auch berechtigt, neue Geschäfte einzugehen, wenn sie ohne solche die schwebenden Geschäfte nicht erledigen können". Abs. 1 hatte bereits den Wortlaut des späteren Art. 137 Abs. 1 S. 1 ADHGB. In der dritten Lesung wurde von Bayern der Antrag Nr. 158 gestellt 360 , den Abs. 2 aus Art. 130 des Entwurfs zu streichen und stattdessen in Abs. 1 einzufügen, dass die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen könnten, und die strenge Vorschrift des Abs. 2 als eine nur für das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Liquidatoren geltende Vorschrift in einem besonderen Artikel zu fassen 361 . Grund für den Antrag war die Verkehrsfeindlichkeit des Entwurfs zu diesem Zeitpunkt. Zum einen wurde dem Dritten eine Erkundigungspflicht auferlegt, ob die Liquidation nicht etwa noch in anderer Weise als durch Abschluss eines neuen 358 Wiedergegeben bei Keyßner, ZHR Bd. 10 (1866), 327 (350 f.). 359 Abs. 1 entsprach dem S. 1 des späteren Art. 137 ADHGB, Abs. 3 des Entwurfs entsprach Art. 137 Abs. 2 ADHGB und Abs. 4 dem Art. 140 ADHGB; vgl. Keyßner, ZHR Bd. 10 (1866), 327 (351). 360 Selbst der Antragssteller ging davon aus, dass Abs. 1 des Entwurfs (= Art. 137 Abs. 1 S. 1 ADHGB) auch für das Außen Verhältnis gilt, also die Vertretungsmacht beschränkt. 361 Dazu: Keyßner, ZHR Bd. 10 (1866), 327 (351 ff.).

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Geschäftes erfolgen könne, und zum anderen verlangte der Entwurf, dass die Liquidation auch tatsächlich nicht in anderer Weise möglich ist, obwohl ein Dritter gar nicht in der Lage ist, sich dessen zu versichern. Mit klarer Mehrheit wurde der Antrag abgelehnt, die bzgl. der Eingehung neuer Geschäfte aufzustellende Bestimmung nur auf das Innenverhältnis zu begrenzen und es wurde im Gegenzug der Antrag angenommen, dass diese Bestimmung auch auf das Verhältnis zu Dritten zu beziehen sei. So kam man zu der Fassung „Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen". Selbst dies stellt noch zu Art. 130 Abs. 2 des Entwurfs nach der zweiten Lesung eine erhebliche Erleichterung dar. In der Fassung nach der zweiten Lesung hätte nicht einmal die höchste Zweckmäßigkeit, sondern nur die Unmöglichkeit, anders zu verfahren, die Liquidatoren zur Eingehung neuer Geschäfte berechtigt. Von der Mehrheit gewollt war also die Deutung des späteren Art. 137 Abs. 1 ADHGB dahingehend, dass die Vorschrift nach innen und außen gleichermaßen gilt und dem Dritten so eine Erkundigungspflicht auferlegt wird, ob das neue Geschäft zur Beendigung schwebender Geschäfte erforderlich ist. Eine Minderheit opponierte in der dritten Lesung gegen diese, wie sie fand, zu laxe Abfassung der Vorschrift. Man sah eine Gefahr in der zu offenen Formulierung. Aus ihr könne gefolgert werden, dass es, soweit nicht böser Glaube vorliegt, genügt, dass im Namen der Liquidationsfirma gezeichnet wird 3 6 2 . Und in der Tat ist das der heutige Stand der Rechtsprechung zu § 149 HGB 3 6 3 . Schon das Reichsoberhandelsgericht hat sehr früh dem zutiefst verkehrsfeindlichen Willen der Gesetzesverfasser den totalen Gehorsam verweigert. Es hielt zwar am bis heute in der Rechtsprechung fast unangefochtenen Dogma der Außenwirkung fest, rückt aber doch von der Forderung ab, dass die Voraussetzungen für den Abschluss eines neuen Geschäfts tatsächlich vorliegen müssen, soweit der andere bei Erfüllung seiner Erkundigungsobliegenheit von deren Vorliegen ausgehen darf 364 . Und das Reichsoberhandelsgericht musste sich wegen dieser Verkehrsfreundlichkeit Tadel gefallen lassen 365 . Es sei an den Seufzer von Carl Ritter erinnert: „So kann man mit einem ganz klaren Gesetz, das Befolgung erwarten darf, nicht umspringen" 366 .

b) Folgende Gesetzesvorhaben des ausgehenden 19. Jahrhunderts Am 1. Mai 1889 folgte das (heutige) GenG 367 , in dem es dann in wesentlicher Übereinstimmung mit Art. 137 ADHGB in § 86 GenG (heute § 88 GenG) heißt: 362 Keyßner, ZHR Bd. 10 (1866), 327 (354). 363 BGH, NJW 1984, 982, Urt. v. 01. 12. 1983, Az: II ZR 149/82; BGH, W M 1959, 323 (324), Urt. v. 26. 01. 1959, Az: II ZR 174/57. 364 Vgl. oben: ROHG 13, 223 (226), Urt. v. 06. 05. 1874, Az: II 266/74. 365 ZB: Ritter, HGB, 2. Auflage, 1932, § 149 Anm. 2. 366 Für das Aktienrecht, Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 210, Anm. 2 a. 367 Gesetz betreffend der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, RGBl. 1889, 55.

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§ 86 GenG. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. § 87 GenG. (1) Die Liquidatoren haben die aus den §§ 26, 27, 31 Absatz 1 Satz 1, § 32, §§42 bis 45, 46 Absatz 2 sich ergebenden Rechte und Pflichten des Vorstands und unterliegen gleich diesem der Ueberwachung des Aufsichtsrats. Sie haben sofort bei Beginn der Liquidation und demnächst in jedem Jahr eine Bilanz aufzustellen. Die erste Bilanz ist zu veröffentlichen; die Bekanntmachung ist zu dem Genossenschaftsregister einzureichen. (2) Die Veräußerung unbeweglicher Sachen kann von den Liquidatoren, sofern nicht das Statut oder ein Beschluß der Generalversammlung anderes bestimmt, nur durch öffentliche Versteigerung bewirkt werden. In der Gesetzesbegründung liest man: „Der § 84 (später § 86) bezeichnet in Übereinstimmung mit § 43 Absatz 1 des geltenden Gesetzes sowohl die aus dem Wesen der Liquidation sich ergebenden Aufgaben der Liquidatoren als den Umfang der Vollmacht derselben" 3 6 8 . Darüber hinaus kann die Vertretungsmacht des Vorstandes nicht eingeschränkt werden. Darauf folgte der § 71 GmbHG, der dem heutigen § 70 GmbHG entspricht. § 71 GmbHG. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. § 72 GmbHG. (1) Die Liquidatoren haben die aus §§ 36, 37, § 42 Absatz 1, § 44 Absatz 1, 2 und 4, § 50 Absatz 1 und 2, § 64 sich ergebenden Rechte und Pflichten der Geschäftsführer (2)... Dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien: „Was die gesetzliche Vertretungsbefugnis der Liquidatoren betrifft, so ist dieselbe durch die i m § 69 (Anm.: § 71 der späteren Gesetzesfassung) bezeichneten Aufgaben begrenzt, und aus der in dem folgenden Paragraphen enthaltenden Bezugnahme auf den § 37 ergibt sich zugleich, dass eine weitere Beschränkung der Vollmacht Dritten gegenüber nicht mit Wirksamkeit erfolgen k a n n " 3 6 9 .

368 Beuthin IHüskenlAschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, II. Parlamentarische Materialien, S. 282. (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1888/1889, 4. Band (1. Anlageband), Nr. 28, S. 183 ff.). 369 Zitiert nach: KGJ 21, A 256 (258), Beschluss v. 04. 02. 1901, Az: 1 Y 45/01.

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c) Die kommentarlose Übernahme in HGB und BGB Dann kam § 149 HGB. Für das Aktienrecht, das damals noch im HGB enthalten war, enthielt § 298 Abs. 1 HGB a.F. einen Verweis auf die §§ 149, 151, 153. § 149 HGB. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen; zur Beendigung schwebender Geschäfte können sie auch neue Geschäfte eingehen. Die Liquidatoren vertreten innerhalb ihres Geschäftskreises die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. § 298 HGB. (1) Der Geschäftskreis der Liquidatoren sowie die Form, in welcher sie die Firma zu zeichnen haben, bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 149, 151, 153. (2) Im übrigen haben die Liquidatoren innerhalb ihres Geschäftskreises die Rechte und Pflichten des Vorstandes; sie unterliegen gleich diesem der Überwachung durch den Aufsichtsrat. (3)... (4)...

Das Gesetz verwendet die Formulierung „vertreten innerhalb des Geschäftskreises". Sprachlich kann diese Formulierung nur bedeuten, dass die Vertretungsmacht des Liquidators auf das beschränkt ist, was er nach dem § 149 S. 1 HGB der Gesellschaft gegenüber tun darf 370 . In der Denkschrift zum HGB findet sich kein Wort der inhaltlichen Begründung für diese Gesetzesfassung. Der Gesetzgeber wollte keine inhaltliche Abweichung zu Art. 137 Abs. 1 ADHGB, sondern nur eine redaktionelle Angleichung an § 49 BGB 3 7 1 . Was das genau bedeutet, ist aber unklar. Denn zu diesem Zeitpunkt stand bereits die Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts im Raum, die sich vom originären Willen des Gesetzgebers bereits distanziert. Es ist nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber diese Weiterung des Verkehrsschutzes bereits in seinen Willen mit aufgenommen hat. Allerdings müssen auch die Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren zum BGB gesehen werden, die für den Liquidationsverein der ultra-vires-Lehre das Wort reden. Die Befugnisse der Liquidatoren im Vereinsrecht regeln die §§ 48, 49 BGB: § 48 BGB. (1) Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand. Zu Liquidatoren können auch andere Personen bestellt werden; für die Bestellung sind die für die Bestellung des Vorstandes geltenden Vorschriften maßgebend. (2) Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des Vorstandes, soweit sich nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein anderes ergibt. (3) Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so ist für ihre Beschlüsse Übereinstimmung aller erforderlich, sofern nicht ein anderes bestimmt ist. 370 Brodmann, Aktienrecht, § 298, Anm. 1 d. 371 Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 105. Es wird darauf hingewiesen, dass der spätere § 149 HGB die Vorschrift des Art. 137 Abs. 1 ADHGB in Anlehnung an die Fassung des späteren § 49 BGB wiedergibt. Das rechtfertigt wohl den Schluss, dass der Gesetzgeber den § 149 HGB nur redaktionell umgestalten wollte, aber ansonsten an Art. 137 Abs. 1 ADHGB festhalten wollte.

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§ 49 BGB. (1) Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen, die Gläubiger zu befriedigen und den Uberschuß den Anfallberechtigten auszuantworten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. Die Einziehung der Forderungen sowie die Umsetzung des übrigen Vermögens in Geld darf unterbleiben, soweit diese Maßregeln nicht zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung des Uberschusses unter die Anfallberechtigten erforderlich sind. (2) Der Verein gilt bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert.

In den Motiven zum BGB fehlt eine ausdrückliche Stellungsnahme zum Umfang der Vertretungsmacht der Liquidatoren. Allerdings lässt sich ein solcher Wille aus zweierlei herleiten. Zum einen verweisen die Motive ausdrücklich auf Artt. 137 Abs. 1, 244 ADHGB 3 7 2 , zum anderen kommt in den Motiven hinsichtlich des Vereins eindeutig die ultra-vires-Lehre zum Vorschein, wie sich explizit in § 49 Abs. 2 BGB manifestiert 373: „Der Verein gilt bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit es der Zweck der Liquidation erfordert". Und in den Motiven heißt es zur Gefahr einer Einflussnahme der Mitgliederversammlung auf das Liquidationsverfahren: „Jede Einflußnahme der Generalversammlung auf das Liquidationsverfahren, welches letzteres ausschließt oder dem Zweck desselben in der einen oder anderen Richtung widerstrebt, verbietet sich von selbst als außerhalb des Rahmens liegend, in welchem die Körperschaft noch als fortbestehend angesehen wird" 3 7 4 . Die Rechtsfähigkeit des Liquidationsvereins wird auf den Liquidationszweck beschränkt sein; daraus folgt die Beschränkung der Handlungsfähigkeit. Rechte und Pflichten, die der Liquidationsverein nicht haben kann, kann er auch nicht durch Handlung erwerben oder ausüben375. Die Stellungnahme der Motive konsequent weitergeführt, bedeutet beschränkte Vertretungsmacht der Liquidatoren und nimmt in bester ultra-vires-Manier der Mitgliederversammlung die Möglichkeit, solchen Geschäften durch Zustimmung zur Wirksamkeit zu verhelfen. In der zweiten Kommission schließlich wurde ohne nähere Prüfung nach Scheitern des Hauptantrags ohne Diskussion der als Annex gestellte Antrag zurückgezogen, den heutigen § 49 Abs. 1 S. 2 um einen Halbsatz zu ergänzen 376: „zu Gunsten des Dritten, mit welchem ein neues Rechtsgeschäft eingegangen wird, gilt die Eingehung als zur Beendigung schwebender Geschäfte erforderlich, wenn der Dritte bei der Vornahme den Mangel des Erfordernisses nicht kannte, seine Unkenntnis auch nicht auf Fahrlässigkeit beruht".

Der Annexantrag hätte die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts positiviert. 372 Motive I, S. 115. Dort wird auf Art. 244a ADHGB verwiesen. Aus Art. 244 ADHGB wurde 1888 Art. 244a ADHGB. 373 Motive I, S. 115 f.; vgl. auch § 730 Abs. 2 BGB und dazu Motive II, S. 325 f. 374 Motive I,S. 114. 375 Otto v. Gierke , Genossenschaftstheorie, 1887, S. 630. 376 Protokolle VI, S. 136 ff.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

d) Das Aktiengesetz von 30. Januar 1937 Bei Ausgliederung des Aktienrechts aus dem HGB durch das Aktiengesetz von 1937 wurden die bisherigen Formulierungen im Wesentlichen übernommen. § 209 AktG 1937. Pflichten der Abwickler. (1) Die Abwickler haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen; um schwebende Geschäfte zu beenden, können sie auch neue eingehen. (2)... (3) Im Übrigen haben die Abwickler innerhalb ihres Geschäftskreises die Rechten und Pflichten des Vorstands; sie unterliegen wie dieser der Überwachung des Aufsichtsrats. (4)... (5)... § 210 AktG 1937. Vertretung der aufgelösten Gesellschaft durch die Abwickler. (1) Die Abwickler vertreten innerhalb ihres Geschäftskreises die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. (2)... (3)... (4) Dritten gegenüber ist eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Abwickler unwirksam. (5) Prokuristen können nicht bestellt werden.

Eine besondere Begründung fanden die Vorschriften, soweit sie hier interessieren, nicht. Vielmehr heißt es allgemein: „Die bewährten Vorschriften des geltenden Rechts über die Auflösung konnten im wesentlichen übernommen werden. Die vorgenommenen Änderungen sind geringfügig, oft rein sprachlicher A r t " 3 7 7 . Wieder fehlt eine ausdrückliche Begründung, die sich mit der Problematik der Bestimmung auseinander setzt. Ohne besonderes Federlesen wird die bestehende Regelung übernommen. Aber immerhin: wenn der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung schreibt, dass sich die Vorschriften über die Auflösung bewährt haben, kann das nur heißen, dass sie sich in der Praxis, d. h. auch in der Gerichtspraxis bewährt haben. Der Gesetzgeber macht sich damit indirekt die Vorschriften in der Ausgestaltung zu eigen, die sie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefunden haben. Am 30. Januar 1937 waren aber nicht nur die ersten zaghaften Ansätze des Vertrauensschutzes in der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts publik, sondern auch die Verwerfung des ultra-vires-Gedankens durch das Kammergericht (1926) und die grundlegende Ausdehnung des Verkehrsschutzes durch RGZ 146, 376 (Februar 1935). Der Gesetzgeber hat die weite, verkehrsfreundliche Handhabung durch die Rechtsprechung gebilligt und

377 Begründung zum Gesetz über die Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien vom 30. Januar 1937, in: Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 vom 4. Februar 1937, Zweite Beilage, S. 2.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungs Verfassung

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sich so zu eigen gemacht. Auch wenn sich der Wortlaut der Vorschriften nicht verändert hat, so ist doch mit der Billigung des Gesetzgebers die richterliche Rechtsfortbildung positives Gesetzesrecht geworden.

e) Die unbegrenzte Vertretungsmacht der Liquidatoren in der neueren Gesetzgebung Für die Liquidation i m Aktienrecht brachte das Aktiengesetz von 1965 eine grundlegende Änderung. § 268 AktG. Pflichten der Abwickler. (1) Die Abwickler haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. Soweit es die Abwicklung erfordert, dürfen sie auch neue Geschäfte eingehen. (2) Im übrigen haben die Abwickler innerhalb ihres Geschäftskreises die Rechte und Pflichten des Vorstands. Sie unterliegen wie dieser der Überwachung durch den Aufsichtsrat. (3)... (4)... § 269 AktG. Vertretung durch die Abwickler. gerichtlich und außergerichtlich.

(1) Die Abwickler vertreten die Gesellschaft

(2)... (3) Die Satzung oder die sonst zuständige Stelle kann auch bestimmen, daß einzelne Abwickler allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Dasselbe kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung oder ein Beschluß der Hauptversammlung ihn hierzu ermächtigt hat. Absatz 2 Satz 2 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (4) Zur Gesamtvertretung befugte Abwickler können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelner Abwickler in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. (5) Die Vertretungsbefugnis der Abwickler kann nicht beschränkt werden. (6) Abwickler zeichnen für die Gesellschaft, indem sie der Firma einen die Abwicklung andeutenden Zusatz und ihre Namensunterschrift hinzufügen. Die Regierungsbegründung stellt klar, dass die bisherige Beschränkung der Vertretungsmacht der Liquidatoren um der Sicherheit des Rechtsverkehrs willens entfällt. In den Gründen heißt e s 3 7 8 : „Nach geltendem Recht (§ 210 Abs. 1 AktG) können die Abwickler die Gesellschaft nur innerhalb ihres Geschäftskreises vertreten. Gehen sie namens der Gesellschaft Geschäfte ein, die nicht der Abwicklung dienen, so wird die Gesellschaft nicht verpflichtet. Diese Vorschrift hat zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten geführt. Jeder, der mit einer ab378

Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache IV/171,S.210zu§ 258.

9 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

zuwickelnden Gesellschaft in Verbindung tritt, muß, wenn er sich vor Schaden bewahren will, zuerst prüfen, ob die Abwickler die Gesellschaft verpflichten können. Um die Sicherheit des Rechtsverkehrs zu vergrößern, gewährt der Entwurf den Abwicklern dieselbe unbeschränkte Vertretungsmacht, die auch dem Vorstand zusteht".

In § 269 Abs. 2 bis 4 AktG werden die Vorschriften den Regelungen der Vertretungsmacht des Vorstandes angepasst. Bemerkenswert ist eine daraus resultierende sachliche Änderung, die von der bisherigen Rechtsprechungspraxis 379 abweicht. Auch im Abwicklungsstadium kann die Gesellschaft durch Prokuristen vertreten werden, gleichgültig wann die Prokura erteilt wurde 380 . Bisher wurde die Bestellung von Prokuristen während der Liquidation als unzulässig angesehen, da die Vertretungsmacht der Liquidatoren gem. § 210 AktG 1937 beschränkt war, also der Prokurist eine weiterreichende Handlungsvollmacht gehabt hätte, als das Handlungsorgan der Gesellschaft 381. Die Handlungsorgane der Liquidationsgesellschaft haben nunmehr die gleichen Befugnisse wie die Handlungsorgane der werbenden Gesellschaft. Insoweit wird die Handlungsverfassung der Liquidationsgesellschaft der werbenden Gesellschaft angeglichen und ein weitgehender Gleichlauf institutionalisiert. ZB ist unechte Gesamtvertretung jetzt in der werbenden und der abzuwickelnden Aktiengesellschaft zulässig. In § 269 AktG hat eine lange Rechtsentwicklung ihren Endpunkt genommen: von der beschränkten Vertretungsmacht im ADHGB über die ersten Aufweichungstendenzen in der Rechtsprechung bis hin zur praktischen Aufgabe der Beschränkung durch die späte Rechtsprechung des Reichsgerichts und den Bundesgerichtshofs bis zur unbegrenzten Vertretungsmacht im jetzigen Aktienrecht. Andere Gesetzesvorhaben hatten nicht so viel Glück. Den in § 269 AktG eingeschlagenen Weg wollte der gescheiterte Referentenentwurf eines Genossenschaftsgesetzes weitergehen 382. § 169 des Entwurfes wurde in Anlehnung an den späteren § 269 AktG abgefasst und war von denselben Erwägungen getragen 383. § 168 RefE GenG. Pflichten der Abwickler. (1) Die Abwickler haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. Soweit es die Abwicklung erfordert, dürfen sie auch neue Geschäfte eingehen.... 379 ROHG 13, 223 (226), Urt. v. 06. 05. 1874, Az: II 266/74; RGZ 72, 119 (122 f.), Urt. v. 21. 10. 1909, Az: IV477/98. 380 D.h., eine vor der Auflösung der Gesellschaft erteilte Prokura bleibt bestehen, auch während der Abwicklung kann eine neue Prokura erteilt werden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache IV/171, S. 210 zu § 258). 381 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache IV/171, S. 210 zu § 258. 382 Referentenentwurf eines Genossenschaftsgesetzes, Bundesministerium der Justiz 3520/2-23. 2. 1962, in: Beuthin/Hüsken, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, III. Parlamentarische und sonstige Materialien (1923-1969). S. 331 ff. 383 Unter Berücksichtigung genossenschaftsrechtlicher Besonderheiten, vgl. Begründung zum Referentenentwurf eines Genossenschaftsgesetzes, in: Beuthin/Hüsken, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, III. Parlamentarische und sonstige Materialien (1923-1969). S. 331 ff. (578 f.).

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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(2) Im übrigen haben die Abwickler innerhalb ihres Geschäftskreises die Rechte und Pflichten des Vorstands. Sie unterliegen wie dieser der Überwachung durch den Aufsichtsrat. (3)... §169 RefE GenG. Vertretung durch die Abwickler. (1) Die Abwickler vertreten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Ihre Vertretungsbefugnis kann nicht beschränkt werden. (2)... (2) Die Satzung kann auch bestimmen, daß einzelne Abwickler allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Absatz 2 Satz 4 und Satz 5 gelten in diesem Fall sinngemäß. (3)...

Nicht besser erging es im Ergebnis dem Regierungsentwurf zu einem neuen GmbHG, der auch nie Gesetz wurde. Dort heißt es 3 8 4 : § 220 RegE GmbHG. Pflichten der Abwickler. (1) Die Abwickler haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. Soweit es die Abwicklung erfordert, dürfen sie auch neue Geschäfte eingehen. (2) Im übrigen haben die Abwickler innerhalb ihres Geschäftskreises die Rechte und Pflichten der Geschäftsführer. Sie unterliegen wie diese, wenn die Gesellschaft nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag einen Aufsichtsrat hat, der Überwachung durch den Aufsichtsrat. (3)... § 221 RegE GmbHG. Vertretung durch die Abwickler. sellschaft gerichtlich und außergerichtlich.

(1) Die Abwickler vertreten die Ge-

(2)... (3) Im Gesellschaftsvertrag, durch einen Beschluß der Gesellschafter oder durch das Gericht im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 217 Abs. 3 kann auch bestimmt werden, daß einzelne Abwickler allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind; für den Beschluß der Gesellschafter gilt Absatz 2 Satz 2. Dasselbe können die Gesellschafter, der Aufsichtsrat oder ein anderes Gesellschaftsorgan bestimmen, wenn der Gesellschaftsvertrag sie hierzu ermächtigt. Absatz 2 Satz 3 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (4) Zur Gesamtvertretung befugte Abwickler können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelner Abwickler in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. (5) Die Vertretungsbefugnis der Abwickler kann nicht beschränkt werden. (6)...

384 Regierungsentwurf zu einem GmbHG, BT-Drucksache, VI/3088, S. 60 f. *

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Zu § 221 RegE heißt es 3 8 5 : „Absatz 1 erweitert das geltende Recht, indem er den Abwicklern die gleiche unbeschränkte Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft wie den Geschäftsführern einräumt. Aus § 70 Satz 1 GmbHG wird im geltenden Recht geschlossen, daß die Vertretungsbefugnis durch den Abwicklungszweck begrenzt ist; zum Schutz Dritter wird allerdings von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung jedes Geschäft als von der Vertretungsmacht gedeckt angesehen, sofern es nicht für den Dritten erkennbar liquidationswidrig ist. Trotz dieser weitgehenden Auslegung führt die bisherige Regelung zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Um den Rechtsverkehr mit einer in Abwicklung befindlichen Gesellschaft zu erleichtern, überträgt der Entwurf den Abwicklern die gleiche unbeschränkte Vertretungsmacht wie sie die Abwickler im Aktienrecht (§ 269 Abs. 1 AktG) haben".

Schließlich wird auch hier im Anschluss an die Regelung im Aktienrecht ausdrücklich die gemischte Gesamtvertretung mit einem Prokuristen für zulässig erachtet 386 . Auch in diesem Regierungsentwurf kommt das Bestreben deutlich zum Vorschein, die Handlungsverfassung der abzuwickelnden Gesellschaft der werbenden Gesellschaft anzugleichen. Der momentane Stand der Entwicklung in der positivierenden Gesetzgebung ist durch die Tendenz gekennzeichnet, den Liquidatoren eine nach außen unbegrenzte Vertretungsmacht einzuräumen und auch im übrigen die Handlungsverfassung der Liquidationsgesellschaft der werbenden Gesellschaft anzugleichen, wie zB in der Institutionalisierung der gemischten organschaftlichen Gesamtvertretung deutlich wird. Es wird in Paragraphen gegossen, was durch eine richterliche Rechtsfortbildung faktisch geltendes Recht geworden ist: die unbeschränkte Vertretungsmacht als Auswirkung der Kontinuität der Handlungsorganisation.

IV. Die europarechtliche Komponente

In der sog. Publizitätsrichtlinie vom 09. 03. 1968 387 , die aber nur für die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die GmbH gilt (Art. I ) 3 8 8 , heißt es:

385 Begründung zum Regierungsentwurf zu einem GmbHG, BT-Drucksache, VI/3088, S. 206. 386 Begründung zum Regierungsentwurf zu einem GmbHG, BT-Drucksache, VI/3088, S. 206 f. 387 Erste Richtlinie des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedsstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (68/151 / EWG), in: Abi. Nr. L 65/8. 388 in seiner Stellungsnahme hat es der Wirtschafts- und Sozialausschuss für notwendig gehalten, die Koordinierung bald möglichst auf alle Gesellschaftsformen des Art. 48 Abs. 2 EGV (= Art. 58 Abs. 2 EGVa.F.) auszudehnen, Abi. EG 3249/64 (3250/64).

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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Artikel 9. (1) Die Gesellschaft wird Dritten gegenüber durch Handlungen ihrer Organe verpflichtet, selbst wenn die Handlungen nicht zum Gegenstand des Unternehmens gehören, es sei denn, daß diese Handlungen die Befugnisse überschreiten, die nach dem Gesetz diesen Organen zugewiesen sind oder zugewiesen werden können. Für Handlungen, die den Rahmen des Gegenstands des Unternehmens überschreiten, können die Mitgliedsstaaten jedoch vorsehen, daß die Gesellschaft nicht verpflichtet wird, wenn sie beweist, daß dem Dritten bekannt war, daß die Handlung den Unternehmensgegenstand überschritt, oder daß er darüber nach den Umständen nicht in Unkenntnis sein konnte; allein die Bekanntmachung der Satzung reicht zu diesem Beweis nicht aus. (2) Satzungsmäßige oder auf einem Beschluß der zuständigen Organe beruhenden Beschränkungen der Befugnisse der Organe können Dritten nicht entgegengesetzt werden, auch dann nicht, wenn sie bekannt gemacht worden sind. (3) Kann nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft abweichend von der gesetzlichen Regel auf diesem Gebiet durch die Satzung einer Person allein oder mehreren Personen gemeinschaftlich übertragen werden, so können die Rechtsvorschriften vorsehen, daß die Satzungsbestimmung, sofern sie die Vertretungsbefugnis generell betrifft, Dritten entgegengesetzt werden kann; nach Artikel 3 bestimmt sich, ob eine solche Satzungsbestimmung Dritten entgegengesetzt werden kann.

Die Richtlinie wurde aufgrund des Art. 44 Abs. 2 lit. g E G V 3 8 9 erlassen. Dahinter steht die Erwägung, den Schutz mit der Gesellschaft kontrahierender Dritter durch Bestimmungen zu gewährleisten, die die Gründe, aus denen im Namen der Gesellschaft eingegangene Verpflichtungen unwirksam sein können, so weit wie möglich zu beschränken 390. Nach Art. 9 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie wird die Vertretungsmacht nicht durch den Unternehmensgegenstand begrenzt; diese (insoweit) unbeschränkte Vertretungsmacht ist gem. Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie weder durch Satzung noch Beschluss beschränkbar. Allerdings schränkt Abs. 1 S. 1 HS 2 die Vertretungsmacht insoweit wieder ein, als die Handlung des Organs die Befugnisse überschreitet, die ihm nach dem Gesetz zugewiesen sind oder ihm zugewiesen werden können. Die Vertretungsbefugnis ist demnach nur im Rahmen der gesetzlichen Kompetenzverteilung der abstrakten Handlungsverfassung unbeschränkt. Ein kompetenzwidriges Organhandeln muss der Gesellschaft nach der Richtlinie nicht zugerechnet werden. Wird eine Gesellschaft durch ein Organ vertreten, dass nicht zuständig ist, so bestimmen sich die Rechtsfolgen alleine nach dem nationalen Recht; ist das Organ dagegen zuständig, handelt es nur über den Rahmen des Unternehmens hinaus, so ist der Regelungsbereich der Richtlinie einschlägig391. ZB den Vorschriften der §§ 112, 293 AktG, die zu einer Kompetenzverschiebung innerhalb der abstrakten Handlungsverfassung der Aktiengesellschaft führen, also die unbeschränkte Vertretungsbefugnis des Vorstands beschneiden und die (zusätzliche) Zuständigkeit weiterer Gesellschaftsorgane bestimmen, steht die Richtlinie nicht entgegen. Diese Auslegung der Richtlinie wird durch die Stellungsnahme des

389 Dem entspricht Art. 54 Abs. 3 lit. G EGVa.F. 390 Vgl. die Erwägungen zur Richtlinie, ABl. 1968 Nr. L 65/9. 391 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 104.

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Wirtschafts- und Sozialausschusses 392 bestätigt, wenn dort bemängelt wird, dass die Richtlinie nur zu einer scheinbaren Harmonisierung führe: innerhalb der verschiedenen Gesellschaftsformen in den jeweiligen Mitgliedsstaaten gäbe es eine unterschiedliche Aufteilung der Befugnisse auf die einzelnen Gesellschaftsorg a n e 3 9 3 . Darum hat der Ausschuss vorgeschlagen, in der Richtlinie statt von „Organen der Gesellschaft" von ihren „gesetzlichen Vertretern" zu sprechen, mit der Maßgabe, dass Dritte zu der Annahme berechtigt sind, dass die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft ordnungsgemäß befugt sind, diese zu verpflichten 3 9 4 . I m Moment bleibt aber festzuhalten: die Ausgestaltung der Handlungsverfassung ist Sache des nationalen Gesetzgebers. In genau diese Richtung weist ein Urteil des E u G H vom 16. Dezember 1 9 9 7 3 9 5 . Der Sache nach ging es um die Auswirkung des Art. 9 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie auf die Artt. 2: 146, 2: 256 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches, die inhaltsgleich bestimmen: „Unbeschadet einer anderen Regelung in der Satzung wird die Gesellschaft in allen Fällen, in denen zwischen ihr und einem oder mehreren Verwaltern ein Interessenkonflikt besteht, durch die Kommissare vertreten. Die Hauptversammlung ist stets befugt, eine oder mehrere andere Personen zu diesem Zweck zu benennen". Der Höge Raad der Niederlande hat dem EuGH u. a. die Frage vorgelegt: ist es mit der Ersten Richtlinie vereinbar, dass einer Gesellschaft gestattet wird, sich gegenüber einem Dritten, mit dem ein grundsätzlich zur Vertretung der Gesellschaft befugter Verwalter im Namen der Gesellschaft ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, auf die mangelnde Befugnis dieses Verwalters mit der Begründung zu berufen, dass dieser ein mit den Interessen der Gesellschaft im Widerstreit stehendes Interesse an dem Rechtsgeschäft hat? Der EuGH entschied 396 : „Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Ersten Richtlinie bestimmt, dass die Gesellschaft Dritten gegenüber durch Handlungen ihrer Organe verpflichtet wird, selbst wenn die Handlungen nicht zum Gegenstand des Unternehmens gehören, es sei denn, dass diese Handlungen die Befugnisse überschreiten, die nach dem Gesetz diesen Organen zugewiesen sind oder zugewiesen werden können. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Regelungsgehalt dieser Vorschrift ergibt sich jedoch, dass sie die Beschränkungen der den verschiedenen Organen der Gesellschaft gesetzlich zugewiesenen Befugnisse betrifft, nicht aber die Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften bezweckt, die den Fall regeln, dass sich ein Mitglied eines Organs aufgrund seiner persönlichen Situation in einem Interessenkonflikt mit der von ihm vertretenen Gesellschaft befindet. Zudem betrifft die in dieser Vorschrift enthaltene Regelung der Frage, welche Handlungen der Gesellschaft Dritten gegenüber wirksam sind, die Befugnisse, die nach dem Gesetz auf das sich Dritte berufen können - dem Gesellschaftsorgan zugewiesen sind oder zugewiesen werden können, nicht dagegen die Frage, ob ein Dritter aufgrund der Umstände des betreffenden Falles wusste oder wissen musste, dass ein Interessenkonflikt vorlag. 392 ABl. EG 3249/64. 393 ABl. EG 3254/64. 394 ABl. EG 3254/64 f. 395 EuGHE 1997,17219, Urt. v. 16. 12. 1997, Az: C-104/96. 396 EuGHE 1997,1 7219 (7227) Ziff. 21 ff., Urt. v. 16. 12. 1997, Az: C-104/96.

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Somit ist die Frage, ob Handlungen, die von Mitgliedern der Organe der Gesellschaft in derartigen Fällen vorgenommen werden, Dritten gegenüber wirksam sind, nicht in der Ersten Richtlinie geregelt, sondern fällt in die Zuständigkeit des einzelstaatlichen Gesetzgebers". Aus dieser Entscheidung lässt sich folgern, dass es der Richtlinie nicht entgegen läuft, wenn Kompetenzen, auch Vertretungskompetenzen, zwischen den Gesellschaftsorganen verteilt werden. Keinesfalls muss das Handlungsorgan die unbeschränkte Vertretungsmacht haben. Auch anderen Organen kann (in bestimmten Fällen) die Vertretungsbefugnis zustehen, bzw. als Minus ein Zustimmungsrecht zugestanden werden, soweit dies auf Gesetz (Art. 9 Abs. 1 S. 1 HS 2) und nicht ausschließlich auf Satzung oder Beschluss beruht (Art. 9 Abs. 2). Die Handlungsverfassung bleibt Sache der nationalen Gesetzgeber.

Die Bedeutung des Art. 9 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie liegt in der - zumindest teilweisen - Verbannung des ultra-vires-Gedanken 397. Das im Rahmen der gesetzlichen Handlungsverfassung zuständige Organ ist nicht auf den Gesellschaftszweck fixiert. Im Rahmen der gesetzlich zugewiesenen Kompetenz ist seine Handlungsbefugnis unbegrenzt; durch Satzung oder Beschluss können keine Kompetenzverschiebungen herbeigeführt werden. Unbeantwortet von der Richtlinie bleibt aber die Frage der verbandsinternen Zuständigkeitsverteilung. Welches Organ für welche Handlung zuständig ist, bleibt dem nationalen Gesetzgeber überlassen. Unabhängig von der zweifelhaften Frage, ob Art. 9 der Richtlinie in das Recht von Vorund Liquidationsgesellschaft hineinwirkt, steht Art. 9 aus zweifachem Grunde einer gesetzlichen Regelung nicht entgegen, die die Kompetenz zum Abschluss (erkennbar) liquidationswidriger Geschäfte dem Willensbildungsorgan zuweist. Zum einem stellt der Richtliniengeber die vom Unternehmenszweck ungebundene Außenvertretungsbefugnis unter den Vorbehalt („es sei denn") einer abweichenden Kompetenzzuweisung an ein anderes Organ, wobei man sich einzig fragen kann, ob man Art. 9 Abs. 1 S. 1 HS 2 ein Differenzierungsverbot dergestalt entnehmen kann, dass das ausschlaggebende Tatbestandsmerkmal einer abdrängenden Kompetenzzuweisung an ein anderes Organ nicht an den Zweck eines Geschäfts anknüpfen darf. Zum zweiten befindet man sich wegen Art. 9 Abs. 1 S. 2 zumindest im Recht der Liquidationsgesellschaft auf der sicheren Seite bei Zugrundelegung der verkehrsfreundlichen Rechtsprechung des BGH: zweckwidrige Geschäfte binden die Gesellschaft nicht, wenn sie beweist, dass der Dritte die Zweckwidrigkeit kannte oder kennen musste. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Liquidationsgesellschaften. Vor dem Hintergrund der Richtlinie problematisch erscheint einzig die Lage in der Vorgesellschaft; aber hier ergibt eine Auslegung der Richtlinie, dass Art. 9 keine Anwendung auf die Vorgesellschaft findet. Auch aus Art. 7 folgt nichts anderes. Die Richtlinie beruht auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV, der für den Begriff der Gesellschaft auf Art. 48 Abs. 2 EGV verweist. Art. 48 Abs. 1 EGV stellt zunächst dem Angehörigen eines Mitgliedsstaates die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates gegründeten Gesellschaften gleich. Im Abs. 2 des Art. 48 EGV werden dann als Gesellschaften genannt 397 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 101.

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die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, einschließlich der Genossenschaften und der sonstigen juristischen Personen, mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen. Nach gängiger Auslegung erfasst die Vorschrift alle Wirtschaftssubjekte, die keine natürlichen Personen sind; die Formulierung „und sonstige juristische Personen" stand schon für die althergebrachte Lehre einer Einbeziehung der GbR nicht entgegen398. Nur Gesellschaften, die keinen Erwerbszweck verfolgen, sind ausgenommen, wobei der Erwerbsbegriff weit verstanden wird. Dementsprechend ist heute anerkannt, dass Art. 44 Abs. 2 lit. g zur Angleichung des gesamten Gesellschaftsrechts ermächtigt, soweit dies zur Herstellung gleichartiger Rahmenbedingungen erforderlich ist 3 9 9 . Die Ermächtigung des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV trägt Richtlinien, die ins Recht der Vor- und Liquidationsgesellschaften hineingreifen. Diese Entwicklungsstadien markieren Anlauf und Ausklang der werbenden Tätigkeit, stehen also mit der Erwerbstätigkeit im untrennbaren Zusammenhang400. Bleibt Art. 9 der Richtlinie selbst auszulegen. Auszulegen ist eine Richtlinie nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck 4 0 1 . Dabei sind die der Richtlinie vorangestellten Erwäggründe Bestandteil der Richtlinie, Art. 253 EGV 4 0 2 . Von seinem Wortlaut her spricht Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie neutral von der „Gesellschaft". Für welche Gesellschaften zu welchem Zeitpunkt ihrer Existenz er Regelungsgehalt entfaltet, sagt Art. 9 nicht. Doch grenzt Art. 1 der Richtlinie den Anwendungsbereich ein: Die Richtlinie gilt nur für AG, KGaA und GmbH. Dass der Wirtschafts- und Sozialausschuss eine baldmöglichste Ausdehnung auf andere Gesellschaftsformen gefordert hat 4 0 3 , ändert daran nichts. Allerdings folgt daraus noch nicht, dass die Richtlinie nur Regelungsgehalt für die eingetragene - aus Sicht der überkommenen Lehre würde man sagen: für die rechtsfähige - Gesellschaft entfaltet. Denn Art. 7 der Richtlinie will für bestimmte Fälle eine Handelndenhaftung in der Vorgesellschaft institutionalisieren; der Inhalt der Richtlinie erschöpft sich also nicht in Regelungen für eingetragene Gesellschaften. Artikel 7. Ist im Namen einer in Gründung befindlichen Gesellschaft gehandelt worden, ehe diese die Rechtsfähigkeit erlangt hat, und übernimmt diese Gesellschaft die sich aus diesen Handlungen ergebenden Verpflichtungen nicht, so haften die Personen, die gehandelt haben, aus diesen Handlungen unbeschränkt als Gesamtschuldner, sofern nichts anderes vereinbart worden ist.

398 Groeben / Thiesing / Ehlermann, EGV, 5. Auflage, Art. 58, Rdnr. 2; Lenz, EGV, 2. Auflage, 1999, Art. 48, Rdnr. 1. 399 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 20 ff. 400

Dementsprechend regelt zB Art. 7 der Publizitätsrichtlinie die Handelndenhaftung in der Gründungsgesellschaft, zB Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ordnet als Rechtsfolge der Nichtigkeit einer Gesellschaft deren Liquidation an. Die Offenlegung nach Art. 2 bezieht sich zB auf den Errichtungsakt (Abs. 1 lit. a) und auf Einzelheiten der Liquidation (Art. 1 Abs. 1 lit. i, j). 401 Zur Auslegung einer Richtlinie m. w. N.: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 37. 402 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 37. 4 03 ABl. EG 3249/64, S. 3250, 3256.

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Allerdings ergibt sich aus einem systematischen Vergleich der Artt. 7 und 9 der Richtlinie 4 0 4 , dass Art. 9 die Vorgesellschaften ausspart. Der Richtliniengeber differenziert zwischen der Gesellschaft nach Erlangung der Rechtsfähigkeit und der in Gründung befindlichen Gesellschaft, wobei aus Art. 7 folgt, dass der Richtliniengeber mit dem Begriff „Gesellschaft" die rechtsfähige - nach der hier vertretenen Auffassung die eingetragene - Gesellschaft meint. Art. 9 spricht nur von der Gesellschaft. Eine teleologische Betrachtung bestätigt dies: Der Gesetzgeber will mit Artt. 7, 9 die Gültigkeit der von der Gesellschaft eingegangenen Verpflichtungen regeln 405 ; Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft interessieren nur mittelbar, sofern daraus Verbindlichkeiten der eingetragenen Gesellschaft erwachsen können: Art. 9 enthält für die eingetragene Gesellschaft eine Regelung, die die Berufung auf die Unternehmensfremdheit eines Geschäfts ausschließt. Art. 7 besagt nun, dass der Handelnde haftet, wenn im Namen der Vorgesellschaft gehandelt wurde und die eingetragene Gesellschaft die aus dieser Handlung entstandene Verbindlichkeit nicht übernimmt. Art. 7 verlangt nur, dass der Geschäftspartner auf ein Haftungssubjekt zugreifen kann: entweder die eingetragene Gesellschaft oder den Handelnden; die Vorschrift verlangt aber nicht, dass eine Verbindlichkeit der Vorgesellschaft entstehen muss, solange auf den Handelnden zugegriffen werden kann. Der Weg, wie das zu erreichen ist, bleibt dem nationalen Gesetzgeber überlassen. Im deutschen Recht ist insoweit § 179 BGB einschlägig 406 . Da im deutschen Recht spätestens seit Aufgabe des Vorbelastungsverbots die Identität von Vorgesellschaft und eingetragener Gesellschaft anerkannt ist, kann eine Verhinderung des „Übergangs der Verpflichtung" 407 von der Vorgesellschaft auf die eingetragene Gesellschaft nur dadurch erreicht werden, dass eine Verbindlichkeit der Vorgesellschaft nicht entsteht. Das deutsche Recht genügt daher der Richtlinie, wenn für ein Handeln im Namen der Vorgesellschaft der Handelnde gem. § 179 BGB haftet; eine Verbindlichkeit der Vorgesellschaft muss nicht entstehen. Art. 9 der Richtlinie ist demnach für die Vorgesellschaft deutschen Rechts nicht einschlägig; auch Art. 7 verlangt keine übertragene Anwendung der Vorschrift auf die Vorgesellschaft. Daher kann auch die oben angerissene Frage offen bleiben, ob aus Art. 9 Abs. 1 S. 1 HS 1 ein Verbot folgt, die Kompetenzzuweisung an ein anderes Gesellschaftsorgan an den Zweck eines Geschäftes zu koppeln.

V. Die unbegrenzte Geltung des ultra-vires-Gedanken

Es gab in der Literatur durchaus Stimmen, die für das deutsche Gesellschaftsrecht - unabhängig von der Liquidation - die absolute Geltung der ultra-vires-

404 Alleine aus der schlichten Existenz des Art. 7 folgt nichts für die Auslegung des Art. 9, da Art. 7 nur die Handelndenhaftung regelt, nicht aber die Vertretungsverhältnisse in der Vorgesellschaft. 405 Vgl. die Überschrift des II. Abschnitts (Artt. 7 bis 9): „Gültigkeit der von der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten". 406 Nach der hier vertretenen Auffassung nicht §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG; sie unten § 18. 407 BGHZ 80, 128 (Lt. b), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80. Eigentlich ist es bei der Identität verfehlt, vom Übergehen der Verbindlichkeiten zu sprechen, da die Verbindlichkeiten ja bei der Gesellschaft bleiben, die lediglich ihre Finanzverfassung ändert.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Doktrin gefordert haben: Diese Lehre - insbesondere von Otto und Julius von Gierke vertreten - geht davon aus, dass die Rechtsordnung jeder Verbandsperson ein Tätigkeitsgebiet zuweist, außerhalb dessen sie nicht bloß nicht handeln soll, sondern erst gar nicht handeln kann. Ein Verbandsbeschluss außerhalb dieser verfassungsmäßigen Lebenssphäre gilt rechtlich überhaupt nicht als Willenserklärung des Verbandes. Unterschiede im einzelnen gibt es, wenn es darum geht, den konkreten Umfang der Lebenssphäre eines Verbandes zu bestimmen. Dabei kann man entweder auf den gesamten Vereinszweck schauen und insbesondere den speziellen Unternehmensgegenstand berücksichtigen (Otto v. Gierke )408, oder allgemeiner auf die Art des Verbandes (Julius v. Gierke ) abstellen409. Allerdings weist gerade Otto v. Gierke darauf hin, dass der Verband die Macht hat, durch Willensentschluss die eigene Lebensordnung abzuändern und dadurch auch den eigenen Lebenszweck zu erweitern; insoweit dies der Fall ist, kann der Verband auch außerhalb seiner ursprünglichen Lebenssphäre handeln 410 . Allerdings stellt ein einfacher Beschluss des Gesellschafterorgans, mit dem einer zweckwidrigen Maßnahme der Handlungsorgane zugestimmt wird, grundsätzlich noch keine Zweckänderung dar. D.h. auch der Zustimmungsbeschluss des Gesellschafterorgans zu einer (einmaligen) Maßnahme der Handlungsorgane könnte deren Wirksamkeit nicht herbeiführen, wenn darin nicht zugleich eine Zweckänderung iSd § 33 Abs. 1 S. 2 BGB zu sehen wäre, was kaum der Fall sein wird, da die Mitglieder mit der Zustimmung regelmäßig den Verbandszweck nicht ändern wollen und die notwendige Zustimmung aller Mitglieder (§ 33 Abs. 1 S. 2 HS 1) schwer zu erreichen sein wird. Die Begrenzung der Handlungsfähigkeit konnte sich nicht durchsetzen. So hat RGZ 125, 380 4 1 1 für eine oHG entschieden, dass sich die Vertretungsmacht der persönlich haftenden Gesellschafter nach § 126 HGB auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte, auch solche außerhalb des Handelsgewerbes der Gesellschaft, erstreckt, inklusive Nichthandelsgeschäfte, Schenkungen und Übernahme fremder Verbindlichkeiten.

VI. Kein ultra-vires-Problem

Sehr häufig werden die Probleme der Beschränkung der Vertretungsmacht als Probleme des ultra-vires-Gedanken gekennzeichnet. So ist einer der grundlegenden Beiträge zur Diskussion um die Reichweite der Vertretungskompetenz der Handys Otto v. Gierke , Genossenschaftstheorie, 1887, S. 635. 409 Julius v. Gierke , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Auflage, 1958, § 43 II 3 b = S. 296. 410 Otto v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 635 f. Möglich ist weiter, dass, insoweit sich die Begrenzung des Lebensbereichs der Körperschaft mit der Sicherung fremder Lebensbereiche gegen körperschaftliche Übergriffe deckt, eine Körperschaftshandlung jenseits jener Grenze durch fremde Mitwirkung möglich wird (S. 638 ff.). 4 n RGZ 125, 380 (381), Urt. v. 30. 09. 1929, Az: IV 800/28.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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lungsorgane überschrieben: Ultra-vires-Doktrin: tot oder lebendig? Und an späterer Stelle heißt es zur oben angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1953 412 : „Das ist ultra-vires-Denken par exellence" 413 . Doch das ist ungenau414. Spätestens seit den Entscheidungen des Kammergerichts von 1926 415 und des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1959 416 ist klar, dass es sich um kein Problem der ultra-vires-Lehre handelt, sondern um ein Problem der Kompetenzverteilung zwischen Handlungsorgan und Gesellschafterorgan. Denn außerhalb des Liquidationszwecks und des Gründungszwecks einer Vorgesellschaft ist der Verband nicht rechts- und damit korrespondierend handlungsunfähig 417. Es werden nur Kompetenzen weg vom Handlungsorgan hin zum Willensbildungsorgan in der Form von Zustimmungserfordernissen verschoben. Denn handeln kann der Verband weiterhin sehr wohl auch in liquidationsfremden Gefilden, nur eben nicht alleine durch das Handlungsorgan, sondern ein weiteres Organ - das Gesellschafterorgan - muss tätig werden, damit letztlich eine Eigenhandlung der Gesellschaft vorliegt.

VII. Die Ultra-vires-Lehre und Begriff der juristischen Person

Nach der hier vertretenen Auffassung ist die juristische Person eine von der Rechtsordnung anerkannte und mit Rechtsfähigkeit versehene, in der sozialen Wirklichkeit existierende Handlungseinheit. Dabei wurde auf die Wechselwirkung zwischen der Rechtsordnung und dem Sozialsystem des Verbandes hingewiesen. Der Gesetzgeber fertigt mit seiner juristischen Begrifflichkeit eine Fremdbeschreibung der von ihm vorgefundenen sozialen Wirklichkeit an; diese Fremdbeschreibung hat ihrerseits Rückwirkungen auf das soziale System des Verbandes, das auf diese Fremdbeschreibung in die eine oder andere Richtung reagiert. Natürlich kann sich im Laufe der Zeit die soziale Wirklichkeit des Verbandes verändern, worauf die Rechtsordnung wieder in verschiedener Weise - zB behindernd, untersagend oder fördernd - reagieren kann, zB mittels richterrechtliche Rechtsfortbildung oder Gesetzesänderung. Das bedeutet einmal, dass die Rechtsordnung mit ihrer Begrifflichkeit eine juristische Beschreibung des Verbandes anfertigt, ohne an vorgegebene Begrifflichkeiten gebunden zu sein. Zum anderen bedeutet dies, dass der Gesetzgeber bei seiner juristischen Fremdbeschreibung nur im Rahmen des Art. 9 GG an das in der Wirk412 BGH, JZ 1953,474 (475), Urt. v. 30. 03. 1953, Az: IV ZR 176/52. 413 K. Schmidt, AcP Bd. 184 (1984), 529 (532). 414 Differenzierend jedoch K. Schmidt, AcP Bd. 174 (1974), 55 (67). 415 KG, JFG 4, 276, Beschluss v. 25. 03. 1926, Az: 1 X 71/26. 416 BGH, W M 1959, 323 (324), Urt. v. 26. 01. 1959, Az: I I ZR 174/57. Eindeutig klargestellt in BGH, NJW 1984, 982, Urt. v. 01. 12. 1983, Az: I I ZR 149/82. 417 Der Umfang der Willens- und Handlungsfähigkeit bestimmt sich nach dem Umfang der Rechtsfähigkeit. Die juristische Person kann Rechte, die sie nicht haben kann, auch nicht erwerben oder ausüben, vgl. Otto v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 630.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

lichkeit Vorgefundene gebunden ist. Seine Fremdbeschreibung kann durchaus von der sozialen Selbstbeschreibung des Verbandes abweichen, auch mit dem Willen, das Sozialsystem in eine bestimmte Richtung zu lenken. D.h., dass es der Rechtsordnung frei stehen kann, einem sozialen Verband nur begrenzte Rechtsfähigkeit beizulegen und damit korrespondierend die Handlungsfähigkeit des Verbandes zu beschneiden. Die Theorie der juristischen Person steht dem ultra-vires-Gedanken nicht per se entgegen. Als juristische Person hat die Liquidationsgesellschaft eine wechselvolle Geschichte hinter sich. In von der Fiktionstheorie gefärbten Äußerungen plante der Gesetzgeber die Liquidationsgesellschaft als beschränkt rechtsfähiges Gebilde 418 . Daraus erklärt sich die Formulierung des § 49 Abs. 2 BGB, wonach der Verband als fortbestehend anzusehen ist, sofern es der Zweck der Liquidation erfordert. In diesen Formulierungen ist eine relative Rechtsfähigkeit der Liquidationsgesellschaften angelegt 419 . Krass ist auch die Formulierung des Reichsoberhandelsgerichts: „Nur zur Erreichung dieses Zweckes und nur innerhalb der Grenzen derselben fingiert das Gesetz in der Liquidation die fortdauernde Gesellschaft" 420.

Und in der Tat wurde dieser Ansatz in zahlreichen Entscheidungen durchgehalten, ein Handeln ultra vires nicht zugelassen421; allenfalls dem Verkehrsschutz wurden zaghaft Zugeständnisse gemacht. Allerdings begann die Realität der Liquidation alsbald den oktroyierten ultra-vires-Gedanken zu überholen. Die Liquidatoren handelten auch außerhalb des Abwicklungszwecks und die Gesellschafter stimmten dem fakultativ zu. Die Verbände begannen die Ketten, in die sie gelegt waren, zu sprengen. Und die Rechtsordnung, zunächst in Gestalt der Rechtsprechung, fing an, die veränderten Umstände anzuerkennen. Nach Vorarbeiten in der Literatur und Rechtsprechung wurde der Gedanke der beschränkten Rechtsfähigkeit der Liquidationsgesellschaft schließlich aufgegeben 422. Die Liquidationsgesellschaft wurde als umfassend rechts- und handlungsfähig anerkannt. Und auch die sich herauskristallisierende Kompetenzverteilung der abstrakten Handlungsverfassung wurde von der Rechtsordnung anerkannt: für Liquidationsgeschäfte besteht eine ausschließliche Vertretungskompetenz des Handlungsorgans; für Geschäfte, die diesen Rahmen erkennbar überschreiten, besteht ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Gesellschafterorgans, es liegt also nur dann ein Eigenhandeln

418 So in den Motiven I, S. 115. 419 Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 104 f. 420 ROHG 9, 84, Urt. v. 18. Februar 1873, Az: I 31 / 73 für eine oHG. 421 ZB das OLG Celle, wiedergegeben in: RGZ 106, 68 (72), Urt. v. 16. 12. 1922, Az: V

21/22. 422 KG, JFG 4, 276, Beschluss v. 25. 03. 1926, Az: 1 X 71/26; BGH, W M 1959, 323 (324), Urt. v. 26. 01. 1959, Az: II ZR 174/57; BGH, NJW 1984, 982, Urt. v. 01. 12. 1983, Az: II ZR 149/82.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungsverfassung

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der Gesellschaft vor, wenn beide Organe zusammen handeln. War der Dritte hinsichtlich der Liquidationswidrigkeit gutgläubig, hatte das Liquidationsorgan schon damals unbegrenzte Außenvertretungsmacht; dogmatisch begründet hat die Rechtsprechung dies nie; insbesondere wurde nie auf eine Rechtsscheinhaftung abgestellt 423 . Nach der stillschweigenden Billigung dieser Rechtsfortbildung durch den Aktiengesetzgeber des Jahres 1937 ging der Gesetzgeber 1965 sogar einen Schritt weiter und räumte den Liquidatoren der Aktiengesellschaft eine von vorneherein unbegrenzte Vertretungsmacht ein, die - diesmal unter anderen Vorzeichen - wieder unter dem Vorbehalt der Erkennbarkeit der Liquidationswidrigkeit steht. In der Sache hat sich nichts geändert, nur die Rechtsordnung hat ihre juristische Schreibweise bei der Anfertigung ihrer Fremdbeobachtung der realen Verbandsverhältnisse geändert und neuen dogmatischen Entwicklungen und Erkenntnissen Tribut gezollt. Die jüngere Tendenz der Rechtsordnung, insbesondere in der Gestalt des Gesetzgebers, beginnt die abstrakte Handlungsverfassung der Liquidationsgesellschaft weitgehend der werbenden Gesellschaft anzupassen, zB durch die Institutionalisierung der gemischten Gesamtvertretung und Einzelermächtigung für die Aktiengesellschaft in Liquidation. Dieser - klarstellende - Federstrich der Gesetzgebers, der eigentlich nur gesicherte Erkenntnis dogmatisch stimmig und ansprechend verpackt, hat Auswirkungen über das Recht der Aktiengesellschaft hinaus auf das gesamte Gesellschaftsrecht. Besonders deutlich zeigt sich am Beispiel der Vorgesellschaft der Einfluss der sozialen Realität des Verbandes auf die Rechtsordnung. Wirtschaftliche Notwendigkeiten - insbesondere die Sachgründung - haben es erforderlich gemacht, dass auch die Vorgesellschaft schon im weitesten Umfang am Wirtschaftsverkehr teilnehmen kann, da die Rechts- und Handlungsfähigkeit nicht auf den Gründungszweck begrenzt bleiben kann. Die Rechtsordnung in Gestalt der Rechtsprechung hat in einem langen Entwicklungsprozess 424, der seinen bisherigen Höhepunkt in der Aufgabe des Vorbelastungsverbots 425 fand, diese Notwendigkeiten immer mehr anerkannt. Heute ist die Vorgesellschaft auch von der Rechtsordnung als unbeschränkt rechts- und handlungsfähige juristische Person anerkannt. Einzig Fragen der abstrakten Handlungsverfassung sind noch ungeklärt. Besteht eine Kompetenzverschiebung für gründungsfremde Geschäfte hin zum Willensbildungsorgan oder hat auch schon der Geschäftsführer der Vorgesellschaft gem. § 37 Abs. 2 GmbHG die gleiche unbeschränkte Außenvertretungskompetenz wie der Geschäftsführer der eingetragenen GmbH? Auch für den (eingetragenen) Verein spielt die Frage nach einer Beschränkung der Rechts- und Handlungsfähigkeit keine Rolle mehr. Auch hier liegt das Problem in der abstrakten Handlungsverfassung. Hat der Vorstand unbegrenzte Vertretungs423

Es erfolgt nur der Hinweis auf das Verkehrsbedürfnis. 424 w. Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 16 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 1IV 2 b, c = S. 308 ff. 425 BGHZ 80, 128, Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

macht oder greift für zweckfremde Geschäfte die zusätzliche Kompetenz der Gesellschafterversammlung?

V I I I . Die dogmatische Bewältigung: Der „relative" Gleichlauf der Handlungsverfassung

Nach heutigem Erkenntnisstand besteht der Verband bis zu seiner Beendigung fort 4 2 6 . Anders sah man dies noch vor 100 Jahren. Daraus erklären sich die Formulierungen der §§ 49 Abs. 2, 730 Abs. 2 S. 1 BGB, wonach der Verband als fortbestehend gilt, sofern es der Zweck der Liquidation erfordert. In diesen Formulierungen schwingt eine relative Rechtsfähigkeit der Liquidationsgesellschaften mit 4 2 7 . Heute ist man weiter und die volle Rechtsfähigkeit auch der Liquidationsgesellschaft kann als gesichert gelten 428 . Dasselbe gilt für die Vorgesellschaft. Sie ist mit der eingetragenen Gesellschaft identisch 429 und bereits voll rechtsfähig 430. Es besteht eine Identität des Verbandes von der Gründung bis zur Vollbeendigung. Für die Vorgesellschaft ist heute als Allgemeingut anerkannt, dass bereits auf die Gründungsgesellschaft das (gesetzliche) Regelungsprogramm der eingetragenen Gesellschaft anwendbar ist, mit Ausnahme derjenigen Vorschriften, die deren Eintragung voraussetzen 431. Die Vorgesellschaft hat keine von der eingetragenen Gesellschaft verschiedene Organisation, sondern ist in ihrer Struktur mit dieser identisch. Die Vorgesellschaft ist in gleicher Weise organisiert, wie es auch die später eingetragene Gesellschaft ist 4 3 2 . Zwischen Vorgesellschaft und eingetragenem Verband besteht eine Identität der Handlungsverfassung. Die Unterschiede zwischen eingetragenem Verband und Gründungsgesellschaft liegen in der Finanz- und Haftungsverfassung. Daraus können aber keine Folgerungen für die Kompetenzverteilung der abstrakten Handlungsverfassung gezogen werden. Aus der unbeschränkten, aber anteiligen Innenhaftung der Gründungsgesellschafter folgt nicht, dass die Kompetenz für gründungsfremde Geschäfte der Gesellschafterversammlung obliegt, die sich dann aus einem Strauß gründungs426 Wimpfheimer, Die Gesellschaften des Handelsrechts und des bürgerlichen Rechts im Stadium der Liquidation, 1908, S. 114 ff. 427 Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 104 f. Genau diese Frage wird wesentlich, wenn es darum geht, ob eine Gesellschaft zumindest mit Zustimmung des Gesellschafterorgans liquidationsfremde Geschäfte vornehmen kann. 428 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 11 V 4 a, b = S. 320 f., derselbe, AcP Bd. 184 (1984), 529 (532). 429 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 11IV 2 c = S. 310 f. 430 Vgl. BGHZ 80, 128 Lt. a, Urt. v. 09. 03. 1981; Az: I I ZR 54/80. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 11IV 2 b = S. 308 ff. 431 ZB Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 3. 432 ZB K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 11 IV 2 b = S. 309 f.; BGHZ 120, 103, Urt. v. 29. 10. 1992, Az: I ZR 264/90.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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fremder Geschäfte die lukrativsten heraussuchen und genehmigen kann. Die Handlungsverfassung ist von der Finanz- und Haftungsverfassung abstrakt. Dabei heißt abstrakt, dass eine Veränderung auf der Ebene der Finanz- und Haftungsverfassung nicht alleine eine Änderung der Handlungsorganisation auslösen kann. Sehr wohl können aber unter den Gesellschaftern Ansprüche auf Vertragsanpassung bestehen. So können zB die Kommanditisten einer zur BGB-Gesellschaft abgesackten Gesellschaft, die nunmehr ebenfalls unbeschränkt haften, einen Anspruch auf Vertragsanpassung haben.

Konsequenz des Identitätsgedankens, der sich im Gleichlauf der Handlungsverfassung konkretisiert, ist die identische Kompetenzverteilung zwischen den Gesellschaftsorganen im Gründungsstadium und der werbenden Gesellschaft, zumal die Gedanken, die die Trennung von Außenvertretungsmacht und interner Weisungsbefugnis befehlen, auch für die Vorgesellschaft gelten 433 : Steigerung der Verkehrsfähigkeit durch Trennung des Außenverhältnisses vom für Dritte schwer überschaubaren Innenverhältnis und der Gedanke der Risikozuweisung. Dem Verband wird das Risiko eines pflichtwidrigen Verhaltens der Organperson zugewiesen. Der Verband kann dieses Risiko beherrschen, indem seine Bestellungs- und Kontrollorgane den Repräsentanten ordentlich auswählen, überwachen und gegebenenfalls abberufen. Kommen sie dem nicht nach, so fällt das in den internen Verantwortungsbereich des Verbandes, der sich im Regress allerdings an seine pflichtwidrig handelnden Organpersonen halten kann. Für die Liquidation gilt im Grundsatz das gleiche. Die Liquidationsgesellschaft bleibt identisch mit der werbenden Gesellschaft; der Verband ist bis zur Vollbeendigung voll rechtsfähig, nur der Gesellschaftszweck erfährt eine Modifizierung 434 . Diese Identität muss man ernster nehmen, als dies bisher der Fall ist. Denn auch hier muss Identität die Identität der Handlungsverfassung bedeuten. Die Verfassung der Liquidationsgesellschaft ist mit der werbenden Gesellschaft identisch. Wenn dieser Gedanke in der bisherigen Gesetzgebung nur unvollkommen umgesetzt worden ist, so ist das eine Folge des von der Wirklichkeit überholten Ansatzes der historischen Gesetzgeber, sich die Liquidationsgesellschaft als fiktive, auf den Abwicklungszweck begrenzte Existenz vorzustellen. Und doch kommt der Gedanke der Identitätswahrung schon jetzt in zahlreichen Vorschriften zum Ausdruck, zB • in der grundsätzlichen Wahrung der personellen Identität 435 : §§ 265 Abs. 1 AktG, 66 Abs. 1 GmbHG, 83 Abs. 1 GenG, 146 Abs. 1 HGB, 48 Abs. 1 BGB, • sowie vor allem dadurch, dass Liquidatoren im weiten Umfang mit den gleichen Rechten und Pflichten wie die Handlungsorgane der werbenden Gesellschaft ausgestattet werden oder die sinngemäße Anwendung der Vorschriften der abstrakten Handlungsverfassung angeordnet wird, §§ 268 Abs. 2 AktG, 71 Abs. 4 GmbHG, 89 GenG, 156 HGB, 48 Abs. 2 BGB. 433 Für die Vor-GmbH: W. Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 29 ff. 434 Str. ist, ob die Auflösung zu einer Änderung des Gesellschaftszwecks führt oder nur neben ihn tritt; vgl. Κ Θ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 11 V 4 c = S. 321 f. 4 35 Die Organpersonen sind die geborenen Liquidatoren.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Gerade das Aktiengesetz von 1965 hat, trotz insoweit bestehender Defizite 436 , einen großen Schritt hin zur Positivierung der Verfassungsidentität von werbender und Liquidationsgesellschaft getan, insbesondere durch die Anerkennung der organschaftlichen unechten Gesamtvertretung, § 269 Abs. 3 AktG und die sprachliche und gliederungsmäßige Orientierung an § 78 AktG. Dass eine vollständige Angleichung noch nicht in Gesetzeswerk umgesetzt ist, kann nicht in Abrede gestellt werden; aber ein relativer und faktischer Gleichlauf ist bereits jetzt erreicht. Die personelle Kontinuität ist gewahrt, da die bisherigen Organpersonen die geborenen Abwickler 437 sind, § 265 Abs. 1 AktG. Der dogmatische Bruch vollzieht sich, wenn die Organkompetenzen mit Einsetzen der Liquidation nunmehr unmittelbar am Amt des einzelnen Abwicklers anknüpfen und nicht mehr dem abstrakten Handlungsorgan „Vorstand" zugewiesen werden. Diese Zäsur tut der faktischen Kontinuität indessen keinen Abbruch; denn die Institutionalisierung der Gesamtvertretung innerhalb einer Gruppe von Organen (hier: der Gruppe der Abwickler) führt rechtstatsächlich zu den gleichen Verhältnissen wie bei Fortbestehen eines Kollektivorgans, dessen Handlungen Einstimmigkeit voraussetzen 438, wie ja auch umgekehrt Einzelvertretung innerhalb eines Kollektivorgans rechtstatsächlich der Vertretung durch eine einzelne Organperson gleichkommt (siehe oben § 3 Β II). Wenn der Gesetzgeber in § 269 Abs. 3 und Abs. 4 AktG jetzt zudem die Anwendbarkeit allgemeiner verbandsrechtlicher Instrumentarien der Handlungsorganisation - der unechten organschaftlichen Gesamtvertretung und der Einzelermächtigung - während des Liquidationsstatus ausdrücklich anerkennt und sprachliche Anleihe bei den Vorschriften der werbenden Gesellschaft nimmt 4 3 9 , so lässt er sich vom Kontinuitätsgedanken leiten. Ist dieser Weg auch noch nicht zu Ende gegangen, so hat er doch Einzug in das deutsche Gesellschaftsrecht gehalten. Das Ziel muss sein, dass die Handlungsverfassung der Liquidationsgesellschaft in Grundzügen - natürlich unter Berücksichtigung liquidationsspezifischer Besonderheiten derjenigen der werbenden Gesellschaft entspricht. 436 An die Stelle des abstrakten Organs Vorstand treten die einzelnen Abwickler, ohne dass sie ihrerseits zu einem abstrakten Organ „zusammengefasst" werden (vgl. Hüffer, AktG, 4. Auflage 1999, § 265, Rdnr. 3). Allerdings darf man nicht aus den Augen verlieren, dass faktisch durch die Geltung von „Gesamtvertretung" innerhalb einer Gruppe von Organen faktisch dasselbe erreicht wird, da auch dann erst ein Handeln des Verbandes vorliegt, wenn alle gruppenangehörigen Organe gehandelt haben (vgl. oben § 3 Β II). Auch hinsichtlich der interorganisatorischen Kompetenzzuteilung gibt es Verschiebungen: Die Personalhoheit geht auf die Hauptversammlung über, § 265 Abs. 2 AktG. 437 Vgl. Hüffer, AktG, 4. Auflage 1999, § 265, Rdnr. 3. 43 8 Nur in rechtstechnischer Hinsicht ergeben sich Unterschiede. Bei Vorliegen eines Kollektivorgans besteht eine Zurechnungskette Organwalter - (Kollektiv-)Organ - juristische Person; über die Regeln der Gesamt- oder Einzel Vertretung wird im miraorganisatorischen Bereich des Kollektivorgans der Wille des Kollektivorgans ermittelt. Fehlt das Kollektivorgan, so wird der Wille des Verbandes auf interorganisatorischer Ebene im Verhältnis der Organpersonen untereinander nach den selben Regeln gesucht; es besteht eine direkte Zurechnung: Organ - juristische Person. In der Sache gibt es keinen Unterschied, da entweder die Organpersonen zusammen handeln müssen, oder nur eine einzige handeln muss. 43 9 Vgl. Regierungsbegründung, BT-Drucksache IV/171, S. 210.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungs Verfassung

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Andere Rechtsordnungen sind hier schon weiter. So heißt es in Art. 1111 Abs. 2 des Entwurfs eines Obligationenrechts für Bosnien-Herzegowina von Rüßmann hinsichtlich der abzuwickelnden einfachen Gesellschaft: „Die Ordnung der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft bleibt von der Auseinandersetzung unberührt, sofern sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag ein anderes ergibt" 4 4 0 .

Der Kontinuitätsgedanke, der für alle Gesellschaftsformen gilt und schon teilweise in gesetzlichen Regelungen niedergelegt wurde, findet sich am deutlichsten im modernen Aktienrecht. Die Identität auch der Handlungsverfassung ist ein Grundsatz des allgemeinen Verbandsrechts. Er verlangt Geltung über den engen Rahmen des Aktienrechts hinaus. Das bedeutet im Ergebnis: auch im Recht der oHG, der GmbH, der Genossenschaft findet § 269 AktG entsprechende Anwendung. Die Vertretungsmacht der Liquidatoren ist unbegrenzt, die Gesellschaften können Prokuristen noch im Liquidationsstadium bestellen. Die Verbände können im Wege der unechten organschaftlichen Gesamtvertretung handeln und Prokuristen an der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft teilhaben lassen. Die gegenläufigen Vorschriften der einzelnen gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 149 S. 2 HGB müssen als pro non scripto erachtet werden 441 . Über diese Vorschriften, die in ihrem Kern allesamt älter als 100 Jahre und mehr sind, hat die dogmatische Entwicklung des Verbandsrechts den Stab gebrochen. § 269 AktG als Kind der jüngeren Gesetzgebung kommt über den (engen) Bereich des Aktienrechts hinaus Bedeutung zu. Denn es fehlt ein positivierter allgemeiner Teil des Gesellschaftsrechts. Der Gesetzgeber hat die einzelnen Verbandsformen weitgehend autonom 442 in besonderen Gesetzen geregelt, wobei jedes Gesetz als Kind seiner Zeit den jeweiligen Erkenntnisstand wiedergibt. Modernisierende Regelungen durch den Gesetzgeber bleiben weitgehend Stückwerk. Aufgrund dieses Befundes müssen erkennbare, allgemeine Regeln und Strukturen des Gesellschaftsrechts über konkrete gesetzliche Normierungsprogramm einer einzelnen Gesellschaft, in dessen Kodifizierung sie eingeflossen sind oder aufgefunden wurden, hinaus korrigierend und rechtsfortbildend auf alle anderen Gesellschaftsformen angewandt werden. Dig. 1,3, 13: Nam, ut ait Pedius, quotiens lege aliquid unum vel alterum introductum est, bona occassio est certa, quae tendunt ad eandem utilitatem, vel interpretatione vel certe iurisdictione suppleri.

Und dies bedeutet: Es besteht eine weitgehende oder relative Identität der Handlungsverfassungen der Gesellschaften. Diese beginnt mit der Gründung und endet mit dem Abschluss der Liquidation. Das heißt, die Vertretungsorgane der Liquidal o http://ruessmann.jura.uni-sb.de/BiH-Project/Data/Gesamtentwurf.pdf . Der Gesetzesentwurf wird hinsichtlich der einfachen Gesellschaft aller Voraussicht nach als „einfache Partnerschaft" in das Recht von Bosnien-Herzegowina übernommen werden. 441 Vgl. schon Brodmann, Aktienrecht, (1928), § 298, Anm. 1 d, allerdings mit einem anderen Ansatz. 442 Sieht man mal von den gesetzestechnischen Verflechtungen innerhalb von GbR, oHG, KG und KGaA einerseits, und KGaA und AG andererseits ab. 10 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

tionsgesellschaft haben grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht 443 . Wie in der werbenden Gesellschaft können Prokuristen bestellt werden und eine unechte organschaftliche Gesamtvertretung der Gesellschaft ist möglich.

IX. Keine Beschränkung der Vertretungsmacht auf den Vereinszweck im Recht des Idealvereins Aus dem oben entwickelten Identitätsgedanken kann nichts für die Frage gewonnen werden, ob die Vertretungsmacht des Vereinsvorstandes auf den Vereinszweck begrenzt ist. Aus dem Identitätsgedanken folgt nur, dass sich eine solche Begrenzung i m Liquidationsstadium fortsetzen würde; vgl. § 48 Abs. 2 BGB in der hier vertretenen Lesart: die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des Vorstandes 4 4 4 . Als gesichert kann eines gelten. Auch beim Verein handelt es sich bei dieser Frage um kein ultra-vires-Problem, sondern um eine Frage der Kompetenzverteilung. Die Rechtsfähigkeit des Vereins und dem korrespondierend die Handlungsfähigkeit des Vereins ist unbeschränkt; unklar ist nur, welches Organ zuständig ist. Dass selbst die Mitgliederversammlung ein zweckfremdes Geschäft nicht genehmigen kann, wird heute nicht mehr behauptet; und in dieser Zustimmung wird man regelmäßig keine Zweckänderung des Verbandes zu sehen haben, für die Einstimmigkeit notwendig wäre, § 33 Abs. 1 S. 2 BGB. Vor diesem Hintergrund ist § 26 Abs. 2 S. 2 BGB auszulegen: Der Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands ist gem. § 26 Abs. 2 BGB grundsätzlich unbeschränkt. Im Gegensatz zu §§ 126 Abs. 2 HGB, 82 Abs. 1 AktG, 37 Abs. 2 GmbHG, 27 Abs. 2 GenG lässt aber § 26 Abs. 2 S. 2 BGB zu, dass durch Satzung die Vertretungsmacht mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden kann 445 . Allerdings kann dem Vorstand so nicht systematisch jede Vertretungskompetenz genommen werden. Die Grenze folgt daraus, dass der Verein ein voll rechtsfähiges und voll handlungsfähiges Rechtssubjekt ist. Die satzungsmäßigen Beschränkungen dürfen den Verein nicht - auch nicht partiell - handlungsunfähig machen 446 . Unproblematisch kann die Satzung bestimmen, dass für bestimmte Geschäfte die Einhaltung einer besonderen Form oder die Mitwirkung der Mitgliederversammlung oder eines fakultativen Vereinsorgans vorgeschrie-

443 Und ergänzend sei betont, dass auch für die Liquidationsgesellschaft die Erwägungen zutreffen, die in der werbenden Gesellschaft die Unbeschränktheit der Vertretungsmacht rechtfertigen: (a) der Verkehrsschutz; (b) der Gedanke der Risikoverteilung. 444 Die Zweckbegrenzung fällt weg. 44 5 Vgl. BGH, NJW 1980, 2799 (2800), Urt. v. 28.04.1980, II ZR 193/79; Münchner Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 26, Rdnr. 12. Aber nach den §§ 70, 68 BGB kann eine solche Beschränkung einem Dritten nur entgegen gehalten werden, wenn der Dritte sie kennt oder sie ins Vereinsregister eingetragen ist. Aber selbst wenn die Beschränkung ins Vereinsregister eingetragen ist, kann der Dritte immer noch einwenden, dass er die Beschränkung nicht kannte und seine Unkenntnis nicht auf Fahrlässigkeit beruht.. 446 Münchner Kommentar-Ztewre/; 3. Auflage, § 26, Rdnr. 12; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 24 III 2 c = S. 694.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungs Verfassung

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ben wird 4 4 7 . Auch im zweiten Fall bleibt die juristische Person voll handlungsfähig, nur die Handlungskompetenz wird auf mehrere Organe verteilt. Eine Außenhandlung der Gesellschaft liegt dann erst beim koordinierten Zusammenspiel von Vorstand und Mitwirkungshandlung des anderen Organs vor. Ebenfalls keinen Bedenken unterworfen ist die Ausgliederung bestimmter Bereiche aus dem Kompetenzbündel des Vorstandes und deren Zuweisung an einen „besonderen Vertreter" iSd § 30 BGB. Innerhalb der Kompetenzzuweisung vertritt dann dieser ausschließlich den Verband. Auch hier bleibt der Verein voll handlungsfähig, da sich die seinen Organen einzeln zugewiesenen Kompetenzen zur vollständigen Handlungsfähigkeit ergänzen. Wirksam vertreten wird der Verein dann jeweils vom zuständigen Organ innerhalb des diesem zugewiesenen Wirkungskreises 448. Nicht möglich ist es aber, dem Vorstand ein Stück seiner Vertretungskompetenz zu nehmen, ohne sie zugleich einem anderen Organ zuzuweisen449. Die Folge wäre eine nur noch beschränkt handlungsfähige Rechtsperson. Aber der Verein ist umfassend rechtsfähig. Seine Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, wird auch durch Zweck und Gegenstand seiner Tätigkeit nicht beschränkt 450. Dem entspricht eine unbeschränkte 447 Staudinger-Weick, 13. Auflage, § 26, Rdnr. 11 mit Hinweis auf mögliche Arten der Beschränkungen; für den Fall der Bindung an Zustimmung der Mitgliederversammlung: KG, HRR 1936 Nr. 1208, v. 11. 06. 1936, Az: 1 WX 193/36. Bei Art. 15 Abs. 2 des bayerischen Gesetz v. 29. 04. 1869, die privatrechtliche Stellung von Vereinen betreffend (Gesetz über anerkannte Vereine), GBl. für das Königreich Bayern 1866-69, Nr. 59, S. 1197 = Weber, Gesetz- und Verordnungensammlung für das Königreich Bayern, Band 8, S. 60 ff., wird die Bindung an andere Gesellschaftsorgane als mögliche Beschränkung der Vertretungsmacht ausdrücklich genannt. ZB bei der Gewerkschaft nach dem preußischen allgemeinen Berggesetz v. 24. 06. 1865 (Gesetzessammlung für die Preußischen Staaten 1865, S. 705) (PrABG) vertrat der Repräsentant oder der Grubenvorstand die Gesellschaft grundsätzlich gerichtlich und außergerichtlich. Allerdings war für bestimmte Geschäfte eine „Spezialvollmacht" erforderlich, § 119 Abs. 2. PrABG. Zudem konnte die Vertretungsmacht mit Wirkung gegen Dritte erweitert oder beschränkt werden, sofern sie in die Legitimation aufgenommen wurden, § 119 Abs. 4 PrABG (vgl. dazu O. v. Gierke, in: v. Holtzendorjf, Rechtslexikon, III/2, 3. Auflage, 1881, S. 1181 ff. (1191 f.) Stichwort: Vorstand; Lehmann, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, 1959, §52 II 4 b = S.S. 309). 448 Vgl. RG, Das Recht 1907, Nr. 2497, Urt. v. 02. 07. 1907, Az: III 20/07 (für eine juristische Person des öffentlichen Rechts); vgl. zu dieser Entscheidung die kritische Würdigung in BGHZ 20, 119 (125), Urt. v. 28. 02. 1956, Az: I ZR 84/54; vgl. auch v. Thür, BGB AT, 1910, § 37 VII = S. 538: da die Vertretungsmacht des Vorstandes gem. § 26 Abs. 2 BGB beschränkt werden kann, kann die Kompetenz des „besonderen Vertreters" nach § 30 BGB exklusiv sein. 449 Die Motive I, S. 98 gehen aber davon aus, dass dem Vorstand bestimmte Geschäfte auch ganz untersagt werden können. 4 50 Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 105 I = S. 623 ff. (anders die angloamerikanische ultra-vires-Theorie, nach der die juristische Person nur innerhalb ihres Verbandszweckes rechts- und damit handlungsfähig ist). Anders ist die Rechtslage bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Nach BGHZ 20, 119 (123 ff.), Urt. v. 28. 02. 1956, Az: I ZR 84/54 kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts rechtswirksam nur innerhalb des durch Gesetz und Satzung zugewiesenen Aufgabenkreises handeln. Insoweit gilt für juristische Personen des öffentlichen Rechts - zumindest der Sache nach - die ultra-vires-Doktrin (Enneccerus /Nipperdey, BGB AT, 15. Auflage, 1959, § 105 I 1 = S. 624 f., insb. Fn. 4). Ebenso das OLG Celle für eine Gewerkschaft Gothaischen Rechts, wiedergegeben in: RGZ 102, 68 (73). Für den Idealverein geht ein Teil der Lehre in Anknüpfung an ein obiter dictum des BGH, JZ 1953,474 (475), Urt. v. 30.03.1953, Az: IV ZR 176/52 einen anderen Weg.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Handlungsfähigkeit 451. Der Verein kann nicht selbst seine Handlungsfähigkeit nach außen beschneiden. Dazu will auch nicht § 26 Abs. 2 S. 2 BGB ermächtigen. Eine solche abstrakte Handlungsverfassung würde dem Verband seine Handlungsfähigkeit partiell nehmen und wäre damit unwirksam 452 . Dass durch Satzungsänderung die volle Handlungsfähigkeit wiederhergestellt werden kann, reicht nicht aus 453 . Der Verband muss jederzeit voll handlungsfähig sein. § 26 Abs. 2 S. 2 BGB muss daher so gelesen werden, dass diese Vorschrift nur Zuständigkeitsverschiebungen zulässt idS, dass Mitwirkungskompetenzen anderer Organe begründet oder Vertretungszuständigkeiten auf andere Organe (§ 30 BGB) übertragen werden, diese Übertragung aber nicht zu einem Verlust an abstrakter Handlungsfähigkeit führen darf 454 . Wenn der Verein voll rechtsfähig ist, dann muss er grundsätzlich auch voll handlungsfähig sein, um Rechte erwerben und ausüben zu können; mit Ausnahme der besonderen Organe nach § 30 BGB ist aber der Vorstand das einzige Organ, das nach außen wirksam handeln kann 455 .

X. Zwischenergebnis I m deutschen Recht spielt der ultra-vires-Gedanke keine Rolle. Wenn die Frage gestellt wird, ob die Vertretungsmacht des Handlungsorgans zweckfremde Geschäfte mitumfasst, geht es um Probleme der Kompetenzverteilung und Kompetenzzuweisung i m Rahmen der abstrakten Handlungsverfassung. Die unbeschränkte Rechtsfähigkeit der Verbände wird heute nicht mehr in Frage gestellt. Es gilt der Grundsatz der Identität des Verbandes von der Gründung bis zur Beendigung der Liquidation. Daraus folgt die (relative) Identität der Handlungsverfassungen: die Kontinuität der Handlungs Verfassung in Vorgesellschaft, werbender Gesellschaft und Liquidationsgesellschaften bleibt gewahrt. Daraus folgt, dass die Vertretungsmacht des Handlungsorgans auch in der Gründungs- und Liquidationsgesellschaft unbeschränkt ist und die allgemeinen verbandsrechtlichen Institute wie die unechte organschaftliche Gesamtvertretung und die Einzelermächtigung zur Anwendung kommen, vgl. § 269 AktG. Die Vertretungsmacht des Vorstands i m Vereinsrecht wird grundsätzlich nicht durch den Vereinszweck begrenzt. Allerdings kann gem. § 26 Abs. 2 S. 2 BGB die Kompetenz insoweit (teilweise i m Wege eines Zustimmungsvorbehalts) einem anderen Gesellschaftsorgan zugewiesen werden. 451 Der Umfang der körperschaftlichen Handlungsfähigkeit wird durch den Umfang der Rechtsfähigkeit bestimmt; vgl. Otto v. Gierke , Genossenschaftstheorie, 1887, S. 630, der allerdings der ultra-vires-Lehre anhängt. 452 Vgl. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 75. 453 Vgl. aber auch Planck, 4. Auflage, 1913, § 26 Anm. 1: Ein Vorstand muss nicht in jedem Augenblick vorhanden sein, es reicht, wenn verfassungsmäßig die Möglichkeit gegeben ist, einen Vorstand zu bestellen. 4 4

^ Schon das Kammergericht, in: OLGRspr. 42, 196 (197), Beschluss v. 07. 07. 1922 (la. Zivilsenat) hat die §§26 Abs. 2, 30 BGB in Zusammenhang gesehen; vgl. auch Broicher, Archiv für Bürgerliches Recht Bd. 24 (1904), 192 (216 f.). 4 55 Motive I, S. 98; Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 26, Rdnr. 4.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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B. Die Kontinuität der Handlungsverfassung und § 146 HGB I. Der Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung

In Hinblick auf die Lehre von der Kontinuität der Handlungsverfassung bergen die Vorschriften der §§ 146, 150 HGB gewisse Besonderheiten. § 146 Abs. 1 S. 1 HGB bringt den abdingbaren Grundsatz: soweit sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder einem Beschluss der Gesellschafter etwas anderes ergibt, erfolgt die Liquidation durch alle Gesellschafter als Liquidatoren. Dieser Satz bestätigt die Lehre von der Kontinuität der Handlungsverfassung. Gem. §§ 114 Abs. 1, 125 Abs. 1 HGB sind die organschaftlichen Handlungsbefugnisse allen Gesellschaftern zugewiesen. Der Grundsatz der Kontinuität, der an der gesetzestypischen Handlungsverfassung anknüpft, bleibt gewahrt. Seine Durchbrechung erfolgt an zwei Stellen. Einmal wird § 146 Abs. 1 S. 1 HGB so gelesen, dass auch die von der Geschäftsführung in der werbenden Gesellschaft ausgeschlossen Gesellschafter mangels abweichender Bestimmung im Abwicklungsstadium zu Liquidatoren werden 4 5 6 ; zum anderen ordnet § 150 HGB abweichend vom Prinzip der Einzelgeschäftsführung und Einzelvertretung in der werbenden Gesellschaft (§§ 115 Abs. 1 HS 1, 125 Abs. 1 HGB) sowohl Gesamtgeschäftsführung als auch Gesamtvertretung an, sofern durch den Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss nichts anderes bestimmt ist 4 5 7 . Dieser Befund mag auf den ersten Blick erstaunen. Aber eine Erklärung ist schnell gefunden. Nach der überkommenen Lehre endete die Gesellschaft und damit die Regelung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse in dem Moment der Auflösung 458 . Die tradierte Gesamthandslehre hatte die Rechtssubjektivität der oHG noch nicht erkannt; die Gesellschafter wurden als die wahren Unternehmensträger angesehen. Das Gesellschaftsvermögen war das Sondervermögen der Gesellschafter. Bei der Liquidation ging es nicht wie heute um die Abwicklung eines eigenständigen und handlungsfähigen Rechtssubjekts, sondern um die Verteilung des gemeinsamen Sondervermögens der Gesellschafter 459. Wie die alte Rechtslehre dachte, kann man eindrucksvoll bei Kräwel nachlesen460: „Juristisch consequent wäre es freilich, wenn mit dem Augenblick der Auflösung der Gesellschaft auch die besondere Vertretung der Gesellschafter durch die geschäftsführenden 456 Vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 146, Rdnr. 2; Schlegelberger/ K. Schmidt, § 146, Rdnr. 13. 457 Habersack in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 150, Rdnr. 1; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 150, Rdnr. 1 f. 458 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 70. 4 59 Vgl. dazu Κ Schmidt, ZHR Bd. 153 (1989), 270 (287). 460 Kräwel, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrechts, Bd. 4 (1864), 1 (60).

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Gesellschafter aufhörte. Diese Befugnis ist nur eine Folge des Gesellschaftsvertrages; mit dessen Aufhebung fällt sodann folgerichtig diese besondere Vertretungsbefugnis fort. Es bleibt nur noch die Gemeinschaftlichkeit des Gesellschaftsvermögens übrig. Aus dieser Gemeinschaftlichkeit folgt dann aber für alle Gesellschafter das Recht und die Pflicht der ferneren gemeinsamen Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen". Diesen Gedanken der gemeinschaftlichen Zuständigkeit bei Gesamthandseigentum ohne begleitende vertragliche Bestimmungen findet sich noch heute in § 2038 Abs. 1 BGB. Der Verlauf der Verhandlungen der Nürnberger Kommission spricht eine deutliche Sprache, wessen Geistes Kind die Regelung der späteren Artt. 1 3 3 4 6 1 , 1 3 6 4 6 2 A D H G B (= §§ 146, 150 HGB) sind. Nach der ersten Lesung hatte Art. 127 des Entwurfs folgende Fassung: Art. 127 EntwADHGB (1. Lesung). (1) Nach der Auflösung der Gesellschaft erfolgt, sofern nicht über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet ist, die Liquidation durch die sämtlichen von der Geschäftsführung nicht ausgeschlossenen Gesellschafter oder deren Vertreter. (2)... (3)... Später wurde sogar beschlossen, das Wort „sämtlichen" zu streichen, um den Eindruck zu vermeiden, dass die geschäftsführenden Gesellschafter in der Liquidation nur eine Kollektivbefugnis hätten 4 6 3 . I m Anschluss an den der Beratungen der Nürnberger Kommission zugrunde liegenden Art. 128 Abs. 1 P r E n t w A D H G B 4 6 4 und der Regelung des Tit. I I I Art. 53 des Entwurfs von 1 8 4 8 / 4 9 4 6 5 wäre der 461

Art. 133 ADHGB. (1) Nach Auflösung der Gesellschaft außer dem Fall des Konkurses derselben erfolgt die Liquidation, sofern diese nicht durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter oder durch den Gesellschaftsvertrag einzelnen Gesellschaftern oder anderen Personen übertragen ist, durch die sämtlichen bisherigen Gesellschafter oder deren Vertreter als Liquidatoren. Ist einer der Gesellschafter gestorben, so haben dessen Rechtsnachfolger einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen. (2) Auf den Antrag eines Gesellschafters kann aus wichtigen Gründen die Ernennung von Liquidatoren durch den Richter erfolgen. Der Richter kann in einem solchen Falle Personen zu Liquidatoren ernennen oder als solche beiordnen, welche nicht zu den Gesellschaftern gehören. 462 Art. 136 ADHGB. Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so können sie die zur Liquidation gehörenden Handlungen mit rechtlicher Wirkung nur in Gemeinschaft vornehmen, sofern nicht ausdrücklich bestimmt ist, daß sie einzeln handeln können. 463 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1011. 464 Art. 128 PrEntwADHGB. (1) Nach Auflösung der Gesellschaft erfolgt die Liquidation durch die sämtlichen, von der Geschäftsführung nicht ausgeschlossenen Gesellschafter. (2) Wenn ein Gesellschafter darauf anträgt, daß statt dessen ein oder mehrere Liquidatoren ernannt werden, so beschließt hierüber die Gesellschaft durch Stimmenmehrheit nach Köpfen. (3) Bei Stimmengleichheit entscheidet der Richter. Derselbe kann in einem solchen Falle auch Personen zu Liquidatoren ernennen, welche nicht zu den gewesenen Gesellschaftern gehören. 4 65 Tit. III Art. 53 Entw ADHGB 1848/49. (1) Nach Auflösung der Gesellschaft geschieht die Liquidation derselben, in Ermangelung einer vertragsmäßigen Bestimmungen hierüber, durch alle Gesellschafter, welche nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen waren.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungs Verfassung

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Grundsatz der Kontinuität positiviert worden. In der Begründung des Entwurfs von 1848 / 49 wurde sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beibehaltung der in der werbenden Gesellschaft bestehenden Geschäftsführungsregeln dem präsumtiven Willen der Gesellschafter entspräche 466 . Doch alsbald kam der Bruch, in dessen Anschluss Kollektivgeschäftsführung wie Kollektivvertretung in das Gesetz aufgenommen wurden. War zunächst beantragt, dass Wort sämtliche wieder einzufügen und so die Kollektivbefugnis der zur Liquidation berufenen Gesellschafter wieder herzustellen 4 6 7 , setzte sich ein darüber hinausgehender Antrag durch, der neben der Kollektivbefugnis den Kreis der zur Liquidation berufenen Gesellschafter auf alle Gesellschafter erweitern w o l l t e 4 6 8 . Zur Begründung heißt es in den Kommissionsprotokollen: Man „bemerkte, wenn man überhaupt die Vollmacht der geschäftsführenden Gesellschafter mit der Auflösung der Gesellschaft für erloschen halte, so könne man nicht dabei stehen bleiben, daß man dieselben beim Mangel anderweitiger Verabredung nur mit einer Collektivbefugnis zur Vornahme der Liquidation für ausgerüstet halte, dann dürfe man vielmehr zwischen den geschäftsführenden und den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern gar keinen Unterschied machen und müsse annehmen, daß alle Gesellschafter zusammengenommen die Liquidation zu besorgen hätten" 469 . Die §§ 146 Abs. 1 S. 1, 150 HGB, die weitgehend den Artt. 133, 136 A D H G B entsprechen, stehen in bester Tradition der überkommenen Lehre. Die Grundlagen dieser Lehre sind heute überholt. Es steht nichts entgegen, auch hier dem Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung zur Geltung zur verhelfen. Anknüpfungspunkt kann das Tatbestandsmerkmal der § § 1 4 6 Abs. 1 S. 1, H G B sein, das auf das Fehlen einer abweichenden Regelung abstellt. Sofern Gesellschaftsvertrag schweigt, ist eben davon auszugehen, dass die Kontinuität Handlungs Verfassung gewahrt bleiben soll; aus dem Gesellschaftsvertrag, der

150 der der die

(2) Es haben jedoch sämtliche Gesellschafter, auf Verlangen eines derselben, den Köpfen nach durch Stimmenmehrheit zu beschließen, ob andere Liquidatoren und welche zu ernennen seien. Im Falle der Stimmengleichheit trifft das zuständige Handelsgericht die Verfügung, welche im Interesse der aufgelösten Gesellschaft als die angemessenste erscheint; es kann selbst Personen zu Liquidatoren ernennen, welche nicht zu den gewesenen Gesellschaftern gehören. 466 Baums, Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), 1982, S. 147. 467 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1028. 468 Zunächst war umstritten, ob die Kollektivbefugnis nur im Innenverhältnis oder auch im Außenverhältnis gelten sollte (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1030), schließlich setzte sich die Auffassung durch, die Kollektivbefugnis auch auf die Vertretungsmacht nach außen zu erstrecken (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1052). 469 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1029.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Organisationsverfassung des Verbandes trägt, ergibt sich dann eben etwas anderes iSd § 146 Abs. 1 S. I 4 7 0 Man muss sich nur die Konsequenzen vor Augen halten. Über § 161 Abs. 2 HGB findet die Vorschrift des § 146 HGB auch auf die Kommanditgesellschaft Anwendung. Nach der hM wären dann grundsätzlich auch alle Kommanditisten als Liquidatoren berufen 471 . Die Nürnberger Kommission hatte den heutigen § 146 Abs. 1 S. 1 HGB für die offene Handelsgesellschaft konzipiert und an die Kommanditgesellschaft gar nicht gedacht 472 . Dementsprechend rät für den Fall der (GmbH & Co.) Kommanditgesellschaft auch K. Schmidt zur Besinnung darauf, dass es sich bei § 146 Abs. 1 S. 1 HGB nur um eine Auslegungsregel handelt 473 . Die §§ 146 Abs. 1 S. 1, 150 HGB sind daher nur scheinbare Durchbrechungen des Grundsatzes der Kontinuität der Handlungs Verfassung.

II. Die fakultative Fremdorganschaft im Recht der oHG im Abwicklungsstadium als Rechtsmacht der Gesellschafter zur Durchbrechung (der Kontinuität) der Handlungsverfassung

Gem. § 146 Abs. 1 S. 1 HGB besteht die Möglichkeit, dass abweichend vom Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung auch Dritte zu Liquidatoren der Gesellschaft bestellt werden können. Die Gesellschaft hat die Möglichkeit zur privatautonomen Durchbrechung der Kontinuität der Handlungsverfassung. Dabei geht die Vorschrift über die §§ 265 Abs. 2 AktG, 66 Abs. 1 GmbHG, 83 Abs. 1 GenG, 48 Abs. 1 BGB hinaus, da sie nicht nur eine Durchbrechung der personellen Kontinuität ermöglicht, sondern eine Durchbrechung des Organisationsprinzips. An die Stelle der Selbstorganschaft tritt Drittorganschaft. 1. Die Fremdorganschaft als Abweichung vom Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung Die Befugnisse der „geschäftsführenden" Gesellschafter im Stadium der Abwicklung sind organschaftlicher Natur 474 . Handeln die geschäftsführenden Gesellschafter als Organ der Gesellschaft, so handelt der Verband als solcher. Handelt der Verband durch seine Gesellschafter, denen die organschaftlichen Befugnisse 470 AA Habersack in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 146, Rdnr. 8: „Die für die werbende Gesellschaft getroffene Vereinbarung über die Geschäftsführung und Vertretung gilt also nicht ohne weiteres für die abzuwickelnde Gesellschaft". 471

Habersack in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 146, Rdnr. 12; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 146, Rdnr. 2. 4 72 Schlegelberger-AT. Schmidt, § 146, Rdnr. 13; derselbe, ZHR Bd. 153 (1989), 270 (290 f.). 473 κ. Schmidt, ZHR Bd. 153 (1989), 270 (291). 474 Habersack in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 146, Rdnr. 7.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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unmittelbar zugewiesen sind, so wie dies § 146 Abs. 1 S. 1 HGB im Grundsatz vorsieht, bleibt das Prinzip der Selbstorganschaft gewahrt. Die gesetzestypische Handlungsverfassung der Gesellschaft setzt sich im Abwicklungsstadium fort; nach der herrschenden Meinung mit gewissen Modifikationen, nach der hier vertretenden Auffassung ohne Modifikationen. Das ist als solches unspektakulär und folgt aus der Kontinuität der Handlungsverfassung. § 146 Abs. 1 S. 1 HGB erklärt es für zulässig, dass die Gesellschaft die Abwicklung einem Dritten überträgt. In Hinblick auf die Lehre des angeblich zwingenden Charakters der Selbstorganschaft ist die Zulässigkeit der gesellschaftsvertraglichen Übertragung der organschaftlichen Handlungsbefugnisse (Geschäftsführung und Vertretung) auf einen „Dritten" im Stadium der Abwicklung eine kleine Sensation. Sofern § 146 Abs. 1 S. 1 HGB besagt, dass zur Liquidation Dritte auch durch Beschluss der Gesellschafter berufen werden können, ist dies missverständlich. Denn durch die Übertragung der organschaftlichen Befugnisse wird in die abstrakte Handlungsverfassung der Gesellschaft eingegriffen, die als Organisationsverfassung die Kompetenzverteilung unter den Gesellschaftsorganen ordnet. Eine Veränderung der abstrakten Handlungsverfassung ist eine Änderung des Gesellschaftsvertrags. Werden die organschaftlichen Befugnisse in der Abwicklung einem Dritten zugewiesen, ist ebenso wie für den Fall, dass einem Gesellschafter organschaftliche Befugnisse genommen oder zugewiesen werden, eine Änderung des Gesellschaftsvertrags notwendig 475 . Wenn § 146 Abs. 1 S. 1 HGB nun von Beschlüssen der Gesellschafter redet, ist damit auf einen gesellschaftsvertragsändernden Beschluss hingewiesen. § 146 Abs. 1 S. 1 HGB beinhaltet insoweit die Klarstellung, dass der Gesellschaftsvertrag nachträglich geändert werden kann.

Die Vorschrift des § 146 Abs. 1 S. 1 HGB besagt zweierlei. Zum einen: grundsätzlich gilt (auch) im Recht der oHG oder der Kommanditgesellschaft der Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung. Zum anderen: (zumindest im Stadium der Liquidation) der Verband kann durch Änderung des Gesellschaftsvertrages - der Organisationsverfassung des Verbandes - seine Handlungsverfassung ändern und so den Bedürfnissen des Einzelfalles anpassen. Die Gesellschaft hat es in der Hand, den Grundsatz der Kontinuität durch eine gesellschaftsvertragliche Modifizierung der Handlungsverfassung zu durchbrechen und sich fremdorganschaftlich zu organisieren 476. Die Formulierung des § 146 Abs. 1 S. 1 HGB ist ungenau: der Gesetzes Wortlaut besagt, dass die Abwicklung, d. h. die organschaftlichen Handlungsbefugnisse in der Liquidation einem Dritten übertragen werden können. Es ist aber zu unterscheiden zwischen der Errichtung des abstrakten (Abwicklungs-)Organs und der Bestellung des Dritten zum Organwalter dieses Organs. Wenn das Gesetz in § 146 475 So: Habersack in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 146, Rdnr. 15. 476 Schlegelberger-tf. Schmidt, § 146, Rdnr. 2 f.; derselbe, ZHR Bd. 153 (1989), 270 (288) nennt dies eine lediglich modifizierte Selbstorganschaft. AA Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 106 ff.; Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 241: in der Liquidation gelte das Prinzip der Selbstorganschaft überhaupt nicht.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Abs. 1 S. 1 HGB von der Möglichkeit handelt, durch satzungsändernden Beschluss einem Dritten die organschaftlichen Befugnisse zuzuweisen, meint es damit einen doppelten Akt: Änderung der abstrakten Handlungsverfassung durch Organerrichtung, und zugleich auf Ebene der konkreten Handlungsverfassung Bestellung des Dritten zum Amtswalter des Organs 477 . Dabei handelt es sich nur bei der Errichtung des Organs auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung um eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, während durch die Bestellung des Dritten zum Organwalter die (geänderte) Handlungsverfassung unberührt bleibt. Durch diese Maßnahme auf Ebene der konkreten Handlungsverfassung wird der Gesellschaftsvertrag nicht berührt. 2. § 146 Abs. 1 S. 1 HGB als Ausfluss der Organisationshoheit der Gesellschafter Die Möglichkeit der fremdorganschaftlichen Modifizierung der Handlungsverfassung in der abzuwickelnden oHG oder Kommanditgesellschaft war bereits in der dem heutigen § 146 Abs. 1 HGB vorangehenden Vorschrift des Art. 133 Abs. 1 ADHGB enthalten. In der Literatur findet sich die Behauptung, die Option der Gesellschafter, durch Gesellschaftsvertrag oder gesellschaftsvertragsändernden Beschluss Dritten die Liquidation der Gesellschaft zu übertragen, folge aus der Befugnis des Richters, Dritte zu Liquidatoren zu bestellen: „Wenn der Richter Dritte zu Liquidatoren bestellen kann, warum sollen dies nicht die Gesellschafter auch können?" 478 . Deshalb sei die Vorschrift eine - eng zu handhabende - Ausnahmevorschrift 479 . Doch wenn man die Entstehungsgeschichte der Übertragbarkeit der Liquidation auf einen Dritten betrachtet, verliert sich rasch der Eindruck, dass der Gesellschaft nur deswegen diese Gestaltungsmöglichkeit ausdrücklich eröffnet wurde, weil das Notbestellungsrecht des Richters (heute: § 146 Abs. 2 S. 1 HGB) es zuließ, auch einen Dritten zu bestellen. Die Verhältnisse sind genau anders herum. Originär ist die Befugnis der Gesellschafter, die Handlungsverfassung zu ändern; die Kompetenz des Gerichts knüpft daran an. Eine § 146 HGB (= Art. 133 ADHGB) entsprechende Regelung war bereits in Tit. III Art. 53 des Entwurfs zu einem Allgemeinen Handelsgesetzbuch für Deutschland von 1848/49 enthalten. Diese Vorschrift war - trotz der damaligen Lehre - primär dem Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung verpflichtet, gestattete es aber den Gesellschaftern, in der Liquidation die Geschäftsführungs- und Vertretungsregeln zu modifizieren, sogar dahingehend, dass die Liquidation vollständig einem Dritten übertragen werden konnte (Abs. 2 S. 1). Die Zuständigkeit des Handelsgerichts war eine rein subsidiäre, die erst dann zum Zuge 477 Vgl. Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 157 (1993), 483 (486); dieselben, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (469). 478 Schlegelberger-Zi:. Schmidt, § 146, Rdnr. 3; derselbe, ZHR Bd. 153 (1989), 270 (288). 479 κ. Schmidt, ZHR Bd. 153 (1989), 270 (288).

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kam, wenn von den Gesellschaftern kein wirksamer Beschluss zu erzielen war. Dass in Abs. 2 S. 2 HS 2 die Zuständigkeit des Gerichts gesondert angeordnet wird, auch einen Dritten zu bestellen, lässt sich aus heutiger Sicht zwanglos damit erklären, dass ein solcher Eingriff in die Autonomie eines Verbandes von außen einer besonderen gesetzlichen Klarstellung bedarf. Tit. III Art. 53 EntwADHGB 1848/49. (1) Nach Auflösung der Gesellschaft geschieht die Liquidation derselben, in Ermangelung einer vertragsmäßigen Bestimmung hierüber, durch alle Gesellschafter, welche nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen waren. (2) Es haben jedoch sämtliche Gesellschafter, auf Verlangen eines derselben, den Köpfen nach durch Stimmenmehrheit zu beschließen, ob andere Liquidatoren und welche zu ernennen seien. Im Falle der Stimmengleichheit trifft das zuständige Handelsgericht die Verfügung, welche im Interesse der aufgelösten Gesellschaft als die angemessenste erscheint; es kann selbst Personen zu Liquidatoren ernennen, welche nicht zu den gewesenen Gesellschaftern gehören. Dementsprechend heißt es in den Motiven des Gesetzentwurfs: „Der Art. 53 weiset sie (Anm.: die Vertretung) allen Gesellschaftern zu, welche nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen waren, und dehnt sonach, der präsumtiven Absicht der Parteien gemäß, die Ausschließung von der Geschäftsführung auf die Geschäfte der Liquidation aus. Allein die Gründe der Auflösung können eben in der schlechten Geschäftsführung liegen, es können sich sonstige Umstände ergeben, welche eine Aenderung der Vertretung als angemessen erscheinen lassen. Insbesondere kann es zweckmäßig sein, die Liquidation einem einzelnen Gesellschafter zu übertragen, oder, falls unter den Gesellschaftern erhebliche Zerwürfnisse eingetreten sind, selbst einen oder mehrere Dritte zu Liquidatoren zu ernennen. Die Anregung hierzu soll jedem Gesellschafter zustehen; es soll nach Stimmenmehrheit entschieden werden und im Falle der Stimmengleichheit das Handelsgericht die angemessene Verfügung treffen" 480 . Eine vergleichbare Vorschrift fand sich später in Art. 128 des preußischen Entwurfs von 1857, der den Beratungen der Nürnberger Kommission zur Ausarbeitung des A D H G B zugrunde lag. Z u den Materialen, die der preußische Entwurf benutzte, gehörte seiner Zeit auch der Entwurf von 1 8 4 8 / 4 9 4 8 1 . Die Vorschrift des preußischen Entwurfs lautete: Art. 128 PrEntwADHGB. (1) Nach Auflösung der Gesellschaft erfolgt die Liquidation durch die sämtlichen, von der Geschäftsführung nicht ausgeschlossenen Gesellschafter. (2) Wenn ein Gesellschafter darauf anträgt, daß statt dessen ein oder mehrere Liquidatoren ernannt werden, so beschließt hierüber die Gesellschaft durch Stimmenmehrheit nach Köpfen. (3) Bei Stimmengleichheit entscheidet der Richter. Derselbe kann in einem solchen Falle auch Personen zu Liquidatoren ernennen, welche nicht zu den gewesenen Gesellschaftern gehören. 480

Baums, Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), 1982, S. 147 f. 481 Baums, Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), 1982, S. 42.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Ob der preußische Entwurf auch die Gesellschafter für berechtigt hielt, auch einem Dritten die Liquidation zu übertragen, geht weder aus dem Gesetzestext noch aus den Motiven zum preußischen Entwurf klar hervor 482 . Das Gesetz spricht neutral davon, dass abweichend vom Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung „ein oder mehrere Liquidatoren" ernannt werden können. Zur Begründung verweisen die Motive auf die spanischen und holländischen Gesetzbücher. Den Entwurf von 1848/49 mit seiner eindeutigen Stellungnahme in den Motiven erwähnt er nur hinsichtlich der Vorschrift über die Registerpublizität in der Liquidation (Tit. III Art. 54). Aber der ähnliche Wortlaut mit Tit. III Art. 53 EntwADHGB 1848/49 legt doch nahe, dass auch Dritte zu Liquidatoren ernannt werden können sollten. Jedenfalls die Nürnberger Kommission hat die Vorschrift so verstanden 483. Dann ergibt sich das gleiche Bild. Die Gesellschafter können darüber entscheiden, ob Dritte bestellt werden können. Nur subsidiär im Fall der Stimmengleichheit hat das Gericht die Möglichkeit, den Streit zu entscheiden. Wegen des Eingriffs in die Gestaltungsautonomie versteht sich die ausdrückliche gesetzliche Klarstellung, dass auch der Richter einen Dritten bestellen kann (Abs. 3 S. 2), von selbst. Der spätere Art. 133 ADHGB und damit der heute gültige § 146 HGB geht auf die Vorschrift des Art. 128 des preußischen Entwurfs zurück (vgl. schon oben). Im Verlaufe der ersten Lesung wurde unter Berufung auf den heutigen § 119 Abs. 1 HGB die Möglichkeit, durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter eine abweichende Ordnung der Liquidation zu erreichen, beseitigt 484 . Die Möglichkeit der subsidiären gerichtlichen Notbestellung von Liquidatoren durch den Richter wurde festgehalten, der jetzt nicht mehr im Falle der Stimmengleichheit zu entscheiden hatte, sondern auf Antrag eines Gesellschafters, sofern ein wichtiger Grund vorliegt. Ist er aber zur Entscheidung berufen, so hat er grundsätzlich die gleichen Entscheidungsmöglichkeiten, wie die Gesellschafter, an deren Stelle seine Entscheidung tritt. Die Kompetenz des Richters, auch einen Dritten zum Fremdorgan zu bestellen, folgt also aus der Kompetenz der Gesellschaft. Nicht umgekehrt! Nach der ersten Lesung hatte die Vorschrift folgende Fassung: Art. 127 EntwADHGB (1. Lesung). (1) Nach Auflösung der Gesellschaft erfolgt, sofern nicht über die Gesellschaft Konkurs eröffnet ist, die Liquidation durch die sämtlichen von der Geschäftsführung nicht ausgeschlossenen Gesellschafter oder Vertreter. (2) Die Gesellschafter können auch einen oder mehrere Liquidatoren ernennen. (3) Es kann auf den Antrag eines Gesellschafters aus wichtigen Gründen die Bestellung von Liquidatoren auch durch den Richter geschehen. Der Richter kann in einem solchen 482 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 71. 483 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1012, zu Art. 127 EntwADHGB (1. Lesung), der Art. 128 PrEntwADHGB entsprach. 484 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1, S. 250.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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Falle Personen zu Liquidatoren ernennen oder als solche beordnen, welche nicht zu den Gesellschaftern gehören. Der Nürnberger Kommission scheint i m Laufe der zweiten Lesung Zweifel an der Unzweideutigkeit des Wortlauts des Art. 127 E n t w A D H G B (1. Lesung) gekommen zu sein. U m Unklarheiten auszuräumen, die gerade auch in Hinblick auf die Befugnis der Gesellschafter, Dritte zu Liquidatoren zu ernennen, bestanden, erkannte die Kommission als den Sinn der Vorschrift, dass „in Ermangelung einer ausdrücklichen im Gesellschaftsvertrage oder zu irgend einer späteren Zeit getroffenen Verabredung die geschäftsführenden Gesellschafter als die Liquidatoren anzusehen seien, daß es aber ... den sämtlichen, den geschäftsführenden wie den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern frei stehe, in einem selbstverständlich mit Einstimmigkeit zu fassenden Beschlüsse nur einen oder einige der Gesellschafter selbst und zwar ohne Rücksicht auf ihre bisherige Geschäftsführung, oder auch andere Personen, sei es allein oder neben Gesellschaftern zu Liquidatoren zu ernennen, endlich daß es jedem Soci us unbenommen sei, gleichviel ob er ein geschäftsführender oder von der Geschäftsführung ausgeschlossener wäre, bei dem Richter aus wichtigen Gründen auf Ernennung von anderen Liquidatoren anzutragen" 485. Der Redaktionskommission wurde anheim gestellt, dieses Verständnis der Vorschrift deutlicher in der Vorschrift zum Ausdruck zu bringen. Die Redaktionskommission kam dem n a c h 4 8 6 . Unter Berücksichtigung der bereits oben erwähnten Änderungen hinsichtlich der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse der L i quidatoren hatte Art. 127 Entw A D H G B nach den Beschlüssen der zweiten Lesung folgende, eindeutige Fassung: Art. 127 Entw ADHGB (2. Lesung). (1) Nach Auflösung der Gesellschaft außer dem Falle des Konkurses derselben erfolgt die Liquidation durch die sämtlichen bisherigen Gesellschafter oder deren Vertreter als Liquidatoren, sofern nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder durch einstimmigen Beschluß der Gesellschafter die Liquidation einzelnen Gesellschaftern oder anderen Personen übertragen ist. (2) Es kann auf den Antrag eines Gesellschafters aus wichtigen Gründen die Ernennung von Liquidatoren auch durch den Richter erfolgen. Der Richter kann in einem solchen Falle Personen zu Liquidatoren ernennen oder als solche beiordnen, welche nicht zu den Gesellschaftern gehören. Und schließlich lautete fast identisch Art. 133 A D H G B : Art. 133 ADHGB. (1) Nach Auflösung der Gesellschaft außer dem Fall des Konkurses derselben erfolgt die Liquidation, sofern diese nicht durch einstimmigen Beschluss der Ge485

Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1012. 48 6 Der Vorschlag der Redaktionskommission ist bei Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1048 enthalten. In ihm wird ausdrücklich klargestellt, dass auch Dritte durch Beschluss oder Gesellschaftsvertrag mit der Liquidation betraut werden konnten. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission angenommen (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Bera-thung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1050).

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

seilschafter oder durch den Gesellschaftsvertrag einzelnen Gesellschaftern oder anderen Personen übertragen ist, durch die sämtlichen bisherigen Gesellschafter oder deren Vertreter als Liquidatoren. Ist einer der Gesellschafter gestorben, so haben dessen Rechtsnachfolger einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen. (2) Auf den Antrag eines Gesellschafters kann aus wichtigen Gründen die Ernennung von Liquidatoren durch den Richter erfolgen. Der Richter kann in einem solchen Falle Personen zu Liquidatoren ernennen oder als solche beiordnen, welche nicht zu den Gesellschaftern gehören.

Die Verhältnisse sind also genau umgekehrt, als behauptet. Primär stand die Befugnis, Dritte zu Liquidatoren zu ernennen, den Gesellschaftern zu. An dieser originären Befugnis der Gesellschafter - genauer: der auch in der Abwicklung fortbestehenden, rechtsfähigen Gesellschaft, die durch ihre Gesellschafter entscheidet wurde das Gericht partizipiert. Zunächst als subsidiäre Instanz, wenn es wegen Stimmengleichheit zu keinem wirksamen Beschluss der Gesellschafter kam, dann als subsidiäre Instanz auf Antrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Die Befugnis aber, die Handlungs Verfassung umzugestalten, ist - wie in § 146 Abs. 1 S. 1 HGB zum Ausdruck kommt - primär und unmittelbarer Ausfluss der Verbandsund Organisationsautonomie und damit der Möglichkeit des Gesellschafterorgans, durch vertragsändernde Beschlüsse auf die Handlungsorganisation des Verbandes einzuwirken. Hiervon leitet sich, auf sekundärer Ebene stehend, das Notbestellungsrecht des Gerichts ab, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes korrigierend aber um angemessene Ergebnisse erzielen zu können, mit den gleichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgestattet - in die Handlungsverfassung des abzuwickelnden Verbands eingreifen zu können. § 146 Abs. 1 S. 1 HGB ist eine positivierte Anerkennung der Gestaltungs- und Organisationsfreiheit des Verbandes. Tatbestandlich betrifft § 146 Abs. 1 HGB den Spezialfall der Liquidation. Wenn das Verhältnis unter den zur Geschäftsführung in der abzuwickelnden Gesellschaft berufenen Gesellschaftern (§§ 114, 125, 146, 150 HGB) derart zerrüttet ist, dass eine sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich, und eine Kontinuität der Handlungsverfassung nicht gewollt oder nicht mehr tragbar ist, soll der Gesellschaft die Möglichkeit offen stehen, die Abwicklung in die Hände eines neutralen und vielleicht kompetenteren Dritten zu geben 487 . Die Bedeutung des § 146 Abs. 1 S. 1 HGB weist aber über den Sonderfall der Abwicklung hinaus. Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle das Bedürfnis der Gesellschaft anerkannt, sich bei Bedarf abweichend vom Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung zu verfassen. Dass der Gesetzgeber dies ausdrücklich nur für den Fall der Liquidation anerkannt hat, liegt einfach daran, dass er wegen der bekannten Probleme des in der Abwicklung verstärkten Interessenpluralismus dieses Feld für besonders regelungsbedürftig hielt und andere Fälle des Bedürfnisses nach Fremdorganschaft noch nicht hinreichend bekannt waren 488 : die 4

87 Vgl. Baums, Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/ 49), 1982, S. 148. 488 Vgl. Helm/Wagner, BB 1979, 225 (231).

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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Nürnberger Kommission konzipierte die offene Handelsgesellschaft der damaligen sozialen Wirklichkeit entsprechend als Haftungs- und Arbeitsgemeinschaft von Mitunternehmern, die das Unternehmen selbst führten. Das Problem der organschaftlichen Beteiligung eines Dritten an der Unternehmensführung, die über den Rahmen der Prokura hinausging, stellte sich für ihn - außer bei Abwicklung der Gesellschaft - überhaupt nicht. Aus diesem Blickwinkel ist § 146 Abs. 1 S. 1 HGB die einfachgesetzliche Anerkennung der Verfassungsautonomie der Gesellschaft, sich bei entsprechender Interessenlage abweichend vom Prinzip der Selbstorganschaft zu verfassen. Bestätigung findet dies in der Vorschrift des § 492 Abs. 1 HGB aus dem Recht der Partenreederei. Auch diese ist originär entsprechend dem selbstorganschaftlichen Organisationsprinzip verfasst. Da der Gesetzgeber aber das bestehende praktische Bedürfnis nach der Einschaltung eines Dritten (Korrespondentreeders) anerkannte, schuf er der Gesellschaft die Möglichkeit, bei Bedarf einen Korrespondentreeder zu bestellen. Eine echte Ausnahmevorschrift ist dagegen § 146 Abs. 2 S. 1 HGB. Abs. 2 erlaubt dem Richter unter bestimmten Umständen einen hoheitlichen Eingriff von außen in die Handlungsverfassung des Verbandes. Dies muss angesichts der Verbandsautonomie (vgl. Art. 9 GG) nur auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

C. Die Kontinuität der Handlungsverfassung beim Wechsel der Rechtsform Ging es bisher um die Wahrung der Identität und Kontinuität der Handlungsverfassung auf vertikaler Ebene vom Stadium der Vorgesellschaft bis hin zur Liquidationsgesellschaft, soll nun die Kontinuität der Handlungsverfassung auf der horizontalen Ebene des gesetzlichen Rechtsformwechsels betrachtet werden. Kein Fall der Kontinuität der Handlungsverfassung ist die Umwandlung der Gesellschaft durch Umwandlungsbeschluss aufgrund des Umwandlungsgesetzes, §§ 190 ff. UmwG. Hier bleibt zwar auch die Identität der Gesellschaft als Rechtsträger erhalten, aber die Gesellschaftsverfassung insgesamt, und damit auch die Handlungsverfassung wird aufgrund des Gesellschafterwillens umgeformt. Es handelt sich hierbei um einen verfassungsändernden Beschluss der Gesellschafter, die ihre Verfassung ändern wollen. Mit dem Rechtsformwechsel der Gesellschaft aufgrund des Gesetzes hat das nichts zu tun. I. Der gesetzliche Rechtsformwechsel

Liegt eine Gesellschaft iSd § 705 BGB vor, ist ihre Rechtsform der Privatautonomie der Gesellschafter entzogen 489 . Sie bestimmt sich nach dem Gesetz; nur 489 Krit·: Wiedemann, FS-Η. Westermann, 1974, S. 585 ff. (600 f.), der die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschafter heranziehen will; ebenso: Battes , AcP Bd. 174 (1974), 429 ff.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

mittelbar, indem die Gesellschafter auf die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale hinwirken, können sie Einfluss auf die Rechtsform der Gesellschaft gewinnen. Aber eine Gesellschaft wird nicht deswegen zu einer Β GB-Gesellschaft oder einer offenen Handelsgesellschaft, weil die Gesellschafter das wollen, sondern nur dann, wenn die objektiven gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der einen oder anderen Rechtform erfüllt sind (sog. Rechtsformautomatik) 490 . Betreibt die Gesellschaft ein Handelsgewerbe, so ist sie eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, betreibt sie keines, dann eine BGB-Gesellschaft 491. Sinkt das Unternehmen auf kleingewerbliches Niveau ab, so wandelt sich die oHG oder Kommanditgesellschaft, wenn sie nicht in das Handelsregister eingetragen ist (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2, 2 HGB) kraft Gesetzes in eine Β GB-Gesellschaft, weil die Gesellschaft nunmehr kein Handelsgewerbe betreibt, und damit die gesetzlichen Voraussetzungen der Handelsgesellschaften (oHG, KG) nicht mehr erfüllt sind 492 . Wachst das Kleingewerbe auf kaufmännisches Niveau, wandelt sich die GbR kraft Gesetzes in eine oHG, da nunmehr deren gesetzlichen Merkmale „Betreiben eines Handelsgewerbes" erfüllt sind, §§ 105 Abs. 1, 1 Abs. 2 HGB 4 9 3 . Dieser „Rechtsformwechsel" kraft Gesetzes ist der Disposition der Gesellschaft und der Gesellschafter entzogen494. Einfluss nehmen auf die Rechtsform können die Gesellschafter nur, wenn die Gesellschaft ein Gewerbe betreibt, dass nicht schon gem. § 1 Abs. 2 HGB Handelsgewerbe ist, oder die Gesellschaft nur eigenes Vermögen verwaltet. Tun die Gesellschafter hier nichts, bleibt die Gesellschaft kraft Gesetzes BGB-Gesellschaft. Führen die Gesellschafter die Eintragung herbei, wird die Gesellschaft in die Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft oder gegebenenfalls der Kommanditgesellschaft übergeführt. Mit Löschung der Eintragung sinkt die oHG oder die Kommanditgesellschaft wieder zur BGB-Gesellschaft ab, §§ 105 Abs. 2, 2 HGB. 490 Müller-Laube, FS-Ernst Wolf, 1985, 501 ff. (527 f.). 491 Der Betrieb eines Handelsgewerbes ist gesetzlich notwendiges Merkmal einer jeden oHG, KG, § 105 Abs. 1 HGB. Fällt dieses Merkmal weg, verliert die Gesellschaft ihren Charakter als oHG, KG und wird zur GbR (bei bestehend bleibender Identität). Ganz entsprechend ist die Rechtslage, wenn die GbR von einem bestimmten Zeitpunkt an ein Handelsgewerbe betreibt. Nunmehr weist sie sämtliche Merkmale einer oHG/KG auf und wird kraft zwingenden Rechts, unabhängig vom Willen der Gesellschafter, zur oHG/KG. In beiden Fällen liegt keine Neugründung vor, die Identität der Gesellschaft bleibt gewahrt. 492 RGZ 155, 75 (82 f.), Beschluss v. 11. 05. 1937, Az: II Β 5/36; BGH, in: NJW 1960, 1664 (1665), Urt. v. 19. 05. 1960, Az: II ZR 72/59 = BGHZ 32, 307 (310); BGH, in: WM 1962, 10 (12) und Lt. 2, Urt. v. 13. 11. 1961, Az: I I ZR 202/60. AA: KG, in: RJA 11, 42, Beschluss v. 04. 11. 1910; OLG Karlsruhe, in: JW 1928, 2644, Beschluss v. 14. 07. 1928, Az: Ζ I Η 18/28; Bondi, JW 1928, 2644. Die Entscheidung beruht auf einer unzutreffenden Auffassung zu § 47 GBO (damals ging es um §§ 280, 290 Bad. Grundbuchdienstweisung). Diese Vorschriften beweisen nicht, dass die Gesellschafter einer GbR die wahren Rechtsträger sind, sondern sie wollen nur die fehlende Registerpublizität ausgleichen. 493 BGH, in: W M 1962, 10 (12) und Lt. 3, Urt. v. 13. 11. 1961, Az: II ZR 202/60. 494 BGH, NJW 1960, 1664 (1665) = BGHZ 32, 307 (310), Urt. v. 19. 05. 1960; Az: II ZR 72/59; BGH, in: W M 1962, 10 (12) und Lt. 2 und 3, Uri. ν. 13. 11. 1961, Az: II ZR 202/60; Stimpel, ZGR 1973, 73 (79).

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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Durch die teilweise Neuregelung des Rechts von oHG und KG im Gefolge der Neufassung des Kaufmannsbegriffs durch das HRefG 495 hat der gesetzliche Rechtsformwechsel an praktischer Bedeutung verloren. Unter Geltung der §§ 1 ff. HGB a.F. konnte die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft nur eine Gesellschaft sein, die ein vollkaufmännisches Gewerbe betrieb (§ 4 Abs. 2 HGB a.F.); tat sie das nicht, war sie GbR. Sank der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft unter diese Grenze, wandelte selbst die eingetragene oHG sich zur GbR. Zwar hatte § 5 HGB die Fortdauer der Qualifikation als offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft zur Folge 496 , doch galt dies nur für den zivilrechtlichen Geschäftsverkehr 497, nicht aber für den reinen Unrechtsverkehr 498. Daneben war gem. §§ 4 a.F., 14, 31 HGB die Löschung der Firma zu betreiben. Mit Erlöschen der Eintragung fiel auch die Vermutung des § 5 HGB weg. Zudem griff die Vorschrift des § 5 HGB nur ein, solange ein Gewerbe betrieben wurde. Hatte die Gesellschaft ihr Unternehmen verpachtet, sank sie nicht nur augenblicklich zur BGB-Gesellschaft herunter, sondern auch die Vorschrift des § 5 HGB kam der Gesellschaft nicht zugute. Dies konnte insbesondere bei der Kommanditgesellschaft unangenehme Folgen haben. War diese eingetragen, hafteten die Kommanditisten nur beschränkt; wurde nun das Unternehmen der Kommanditgesellschaft verpachtet, sank sie zur BGB-Gesellschaft herab, mit der Folge einer grundsätzlich unbeschränkten Außenhaftung der Gesellschafter: es gibt keine zivilistische Kommanditgesellschaft 499. Wurde der Geschäftsbetrieb der Kommanditgesellschaft nur 495 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrecht und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz - HRefG), vom 22. 06. 1998, BGBl. 1 1998, 1474. 496 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 105, Rdnr. 20. 497

Also zB nicht gegenüber Steuerbehörden. Baumbach/Hopt, HGB , 29. Auflage, 1995, § 5 Rdnr. 6 (hM), str. 499 Allerdings hat heute jede Gesellschaft über §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB die Möglichkeit, sofern sie nur ein Gewerbe betreibt oder ihr eigenes Vermögen verwaltet (Besitzgesellschaft), durch Eintragung den Status einer Kommanditgesellschaft zu erlangen. Allerdings klafft immer noch ein Loch bei der Gesellschaft, die kein Gewerbe, sondern zB ein freiberufliches Unternehmen betreibt. Diese kann mangels Gewerbebetrieb keine KG werden. Diesen Weg, den das HRefG von 1998 beschritt, wollten schon vor über 100 Jahren die Kommissionen zur Beratung des BGB einschlagen, und dem Gesetz eine zivilistische Variante der Kommanditgesellschaft (und der oHG) mit auf den Weg geben; allerdings - in Übereinstimmung mit § 105 Abs. 2 HGB - nur bei Eintragung. Im Entwurf zum BGB nach der zweiten Lesung fand sich - in Fortschreibung des § 659 EntwBGB I - folgende Vorschrift: § 675 EntwBGB IL Wird eine Gesellschaft zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen, so kann in dem Gesellschaftsvertrage bestimmt werden, daß die Gesellschaft den für die offene Handelsgesellschaft oder den für die Kommanditgesellschaft geltenden Vorschriften unterliegen soll. Die Gesellschaft gelangt in einem solchen Fall mit der Eintragung ins Handelsregister zur Entstehung. Die Anmeldung zum Handelsregister sowie die Eintragung muß die Angaben enthalten, daß der Gesellschaftsvertrag mit der bezeichneten Bestimmung geschlossen ist. Im Uebrigen finden auf den Gesellschaftsvertrag die für die offene Handelsgesellschaft oder die für die Kommanditgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung. 498

11 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

minderkaufmännisch, sank die KG zwar ebenfalls zur BGB-Gesellschaft herab, aber § 5 HGB rettete ihr bis zur Herbeiführung der Löschung der Eintragung zumindest im Geschäftsverkehr die Qualifikation als Kommanditgesellschaft, und damit den Kommanditisten das Privileg der beschränkten Haftung, § 171 HGB. Mit der Neuregelung der §§ 1 ff. HGB und des § 105 HGB hat sich die Rechtslage im Vergleich zu damals erheblich gewandelt. Davon abgesehen, dass die überholte Unterscheidung zwischen Muss- und Soll-Kaufmann aufgegeben wurde, ist nunmehr jede Gesellschaft, die ein vollkaufmännisches Gewerbe betreibt, unabhängig von der Eintragung eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft, §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 1, 1 Abs. 2 HGB. Und auch ein „minderkaufmännischer" Gewerbebetrieb kann zur oHG oder KG aufsteigen, wenn er die Eintragung herbeiführt, §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2, 2 HGB. Sinkt nun der kaufmännische Betrieb auf kleingewerblichen Umfang zurück, dann wandelt sich die oHG nur dann zur GbR zurück, wenn sie vorher (pflichtwidrig) nicht im Handelsregister eingetragen war. War die oHG oder KG eingetragen, dann ist nunmehr die „minderkaufmännische" oHG oder KG gem. §§161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB immer noch „echte" oHG oder KG, und bedarf nicht der Regel des § 5 HGB. Ja aufgrund des § 105 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 HGB nF führt nicht einmal mehr die Verpachtung des Gewerbebetriebs zum unaufhaltsamen Sturz in das Recht der BGB-Gesellschaft 500.

II. Die Kontinuität der Handlungsverfassung

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der ganz herrschenden Lehre bleibt die abstrakte Handlungsverfassung der Gesellschaft von der Metamorphose einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft zur BGB-Gesellschaft unberührt 501 . Das ist geboten, da durch den Wechsel der Rechts-

Die Vorschrift wurde aber nie Gesetz. Sein Ende fand die Vorschrift im Justizausschuss des Bundesrats im Oktober 1895 nach einem Antrag Preußens, die Vorschrift zu streichen (Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Recht der Schuldverhältnisse III, §§ 652 bis 853, S. 364). Fand diese Vorschrift zunächst keinen Eingang in das BGB, so finden wir sie doch heute in den §§161 Abs. 2, 105 Abs. 2, 2 HGB. Jeder Gewerbebetrieb - und eine Vermögensverwaltungsgesellschaft: insofern geht das HRefG über den Kommissionsvorschlag zum BGB hinaus - kann sich unabhängig von Art und Umfang ihres Geschäftsbetriebs als oHG oder KG in das Handelsregister eintragen lassen. Annähernd 100 Jahre nach Inkrafttreten von BGB und HGB hat der Gesetzgeber durch das Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) das damals versäumte nachgeholt. 500 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 105, Rdnr. 13. soi K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 I 1 b = S. 1528; Stimpel, ZGR 1973, 73 (79 ff.); BGH, in: NJW 1960, 1664 (1666 f.), Urt. v. 19. 05. 1960, Az: II ZR 72/59 = BGHZ 32, 307, insoweit aber nicht abgedruckt; BGH, NJW 1971, 1698, Urt. v. 10. 05. 1971, Az: II ZR 177/68.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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form die Identität des Verbandes gewahrt bleibt 502 . Der Verband bleibt der gleiche, egal ob er nun durch das Betreiben eines Handelsgewerbes das Rechtskleid der oHG oder Kommanditgesellschaft übergestreift hat oder sich im Adamskostüm der BGB-Gesellschaft bewegt 503 . Identität der Gesellschaft meint dabei mehr, als nur die Identität der Gesellschaft als Vermögensträger 504. Bis auf den Bereich zwingenden Rechts - und das ist die unbeschränkte Außenhaftung - findet eine Perpetuierung der gesamten Verbands Verfassung statt 505 . Nicht nur die Handlungs Verfassung bleibt erhalten, sondern auch die Beitragsverfassung, sowie verbandsinterne Verlusttragungspflichten. Was sich ändert kann, ist die Haftung. Aus der Identität der Gesellschaft folgt die Identität der Handlungsverfassung auf horizontaler Ebene. Das folgt eben daraus, dass die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die Β GB-Gesellschaft juristische Personen sind. Als solche sind sie handlungsfähige Rechtspersonen, die ihre Handlungsfähigkeit über ihre Handlungsorganisationen konstituieren. Bleibt ein Verband aber derselbe, so bleibt auch die Handlungsverfassung dieselbe. Natürlich kann die Gruppe der Gesamtheit der Gesellschafter die Verbandsverfassung ändern; vielleicht haben bestimmte Gesellschafter auch einen Anspruch darauf, wie zB die ehemaligen Kommanditisten einer ins Gewand der GbR gewechselten Gesellschaft, die jetzt unbeschränkt haften 506 . Aber von alleine aufgrund des Gesetzes wandelt sich die Handlungsverfassung nicht. Insoweit ist die Handlungsverfassung abstrakt 507 . Für die Richtigkeit der Auffassung, dass die Handlungsverfassung inklusive der Kontroll- und Mitgliederrechte, aber auch die Beitragsverfassung, im Rahmen der 502 BGH, in: W M 1962, 10 (12) und Lt. 2, Urt. v. 13. 11. 1961, Az: II ZR 202/60; BGH, NJW 1971, 1698, Urt. v. 10. 05. 1971, Az: I I ZR 177/68. Schon so auf dem Boden der tradierten Gesamthandslehre: RGZ 155, 75 (85), Beschluss v. 11. 05. 1937, Az: I I Β 5/36. Träger der Rechte und Pflichten sind die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. 503 BGH, W M 1962, 10 (12) und Lt. 2 und 3, Urt. v. 12. 11. 1961, Az: II ZR 202/60. 504 So aber: Kornblum, BB 1972, 1032 (1033); Beyerle, NJW 1972, 229 (231): Die Identitätsfrage sei alleine für die Zuordnung von Vermögensrechten entscheidend. Für die Verteilung von Herrschaftsrechten sei der Rechtscharakter der jeweiligen Rechtsform entscheidend. Krit. auch Κ Schmidt, DB 1971, 2345 (2345 f.). 505 Vgl. den schönen Satz des BGH, NJW 1971, 1698, Urt. v. 10. 05. 1971, Az: I I ZR 177/68: „ . . . ist in der Regel davon auszugehen, daß die am Recht der Kommanditgesellschaft ausgerichtete Vertragsordnung im Rahmen des rechtlich Möglichen die Änderung der Gesellschaftsform überdauern soll". 506 Der ehemalige Kommanditist hat einen Anspruch auf Vertragsanpassung, Wiedemann, FS-Η. Westermann, 1974, S. 585 ff. (598). 507 Abstrakt meint hier, dass eine Änderung der Haftungsverfassung keine unmittelbare Auswirkung auf die Verbandsverfassung hat. Die Handlungsverfassung ändert sich nicht automatisch kraft Gesetzes, weil sich die Haftungsverfassung geändert hat. Sehr wohl mag es der mitgliedschaftlichen Treuepflicht entspringende Pflichten zur (und korrespondierende Ansprüche auf) Vertragsanpassung an die geänderten Umstände ergeben. Aber die eventuell notwendig gewordene Anpassung der Verbandsverfassung bedarf erst noch der Umsetzung durch einen gesellschaftsvertragsändernden Beschluss der Gesellschafter. 11*

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

zwingenden Normen bestehen bleibt, spricht zudem die Interessenlage: die Verfassung eines Verbandes ist das Ergebnis eines Interessenausgleichs. Die einzelnen Elemente der Verbandsverfassung werden aufeinander abgestimmt, und auf diese Art die Machtbalance und Gewaltenverschränkung innerhalb der Handlungsverfassung mit der übrigen Verbandsverfassung in Ausgleich gebracht. Die Verfassung eines Verbandes ist ein in sich geschlossenes System, hinter dem eine Vielzahl von Wertungen steht. Sie wird durch den Willen der Gesellschafter ausmodelliert und konstituiert. Ein Element der Verfassung kann nicht isoliert für sich betrachtet werden, sondern muss im System gesehen werden 508 . Aber gerade dieses sich gegenseitig bedingende System macht es unmöglich, durch Eingriffe von außen darin Veränderungen, insbesondere auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung, vorzunehmen. Mit einem systemfremden Angriff sind zwangsläufig Verwerfungen im austarierten System der Verbandsverfassung verbunden, die dem dem Verband zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Konsens zuwiderlaufen. Mit Blick auf die verschärfte Haftungssituation der Kommanditisten beim Rechtsformwechsel einer Kommanditgesellschaft zur BGB-Gesellschaft 509 wird in der Literatur gefordert, die gesetzestypische Handlungsverfassung der BGB-Gesellschaft aufleben zu lassen, also Gesamtvertretung und Gesamtgeschäftsführung 510. Also statt Durchhaltung des Grundsatzes der Kontinuität der Handlungsverfassung, soll aufgrund einer isolierten materiellen Gerechtigkeitserwägung eine gesetzliche Modifizierung der Handlungsverfassung eintreten. Aber das geht nicht an. Denn solche materiellen Wertungen können nicht den komplexen Interessenausgleich der Gesellschafter ersetzen, der hinter der Organisationsverfassung steht, und bleiben notwendig unvollkommenes Stückwerk. Zieht der Rest der Verbandsverfassung insbesondere die interne Verlustbeteiligung - nicht nach, werden die Kommanditisten zwar gleichberechtigt an der Leitung der Gesellschaft beteiligt, ohne dass sie ein ähnliches finanzielles Risiko eingehen, wie die Komplementäre, die (zumindest im Innenverhältnis) auf den Verlusten sitzen bleiben. Doch wer außer den Gesellschaftern soll eine umfassende Interessenneubewertung vornehmen? Zumal der in der Literatur offenbarte Aktionismus auch negative Folgen haben kann: vielleicht werden so unfähige Personen in organschaftliche Positionen gehoben, die nunmehr jedes Handeln der Gesellschaft durch Veto blockieren können (Gesamtgeschäftsführung). Daher hat der Bundesgerichtshof zutreffend entschieden511: 508 Vgl. auch: Wiedemann, FS-Η. Westermann, 1974, S. 585 ff. (598). 509 in der Kommanditgesellschaft haften die Kommanditisten beschränkt; selbst wenn die Kommanditgesellschaft oder ein Kommanditist nicht eingetragen war, haftet der Kommanditist beschränkt, wenn der Vertragspartner von der Kommanditistenbeteiligung wusste. In der BGB-Gesellschaft haften alle Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten unbeschränkt; das gilt auch für die ehemaligen Kommanditisten. Diese Haftung kann nicht durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen, nur beschränkt für diese Verpflichtungen einzustehen, verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden, sondern nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden (BGHZ 142, 315 Lt., Urt. v. 27. 09. 1999, Az: II ZR 371/98). 510 Beyerle, NJW 1972, 229 (232); Kornblum, BB 1972, 1032 (1035).

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

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„Andern die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft den Gesellschaftszweck in der Weise, daß sich die Gesellschaft kraft Gesetzes in eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft umwandelt, so gilt im Regelfalle die bisherige Geschäftsführungs- und Vertretungsordnung im Rahmen der neuen Zweckbestimmung weiter".

D.h. die organschaftlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse bleiben dem „Komplementär" zugeordnet, die ehemaligen Kommanditisten bleiben entsprechend §§ 164, 170 HGB von Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen. Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, dass bei einer anderen Beurteilung der Wille der Gesellschafter missachtet werden würde, die Organisation der Gesellschaft nach dem Recht der Kommanditgesellschaft zu verfassen. Wollte man anders entscheiden, würde man außer Acht lassen, dass sich durch eine derartige Umwandlung nur der rechtliche Charakter der Gesellschaft ändere, aber die Identität der Gesellschaft erhalten bliebe 512 . Wollten die Gesellschafter davon abweichen, müssten sie eine entsprechende Vereinbarung treffen. Ist das nicht der Fall, bleibe die Organisation der Gesellschaft so wie sie ist. Das gilt auch für den umgekehrten Fall; der Bundesgerichtshof entschied: „Für eine als Kommanditgesellschaft gegründete, aber kraft Gesetzes lediglich als bürgerlichrechtliche Gesellschaft entstandene Gesellschaft gilt die für die Kommanditgesellschaft gewollte Geschäftsführungs- und Vertretungsregelung ebenso" 513 . Ein isolierter Eingriff in die Handlungs Verfassung ist nicht möglich. Würde man diese Aufgabe dem Richter überlassen, würde er im großen Umfang zum verbandsrechtlichen Verfassungsgeber aufsteigen. Er müsste seine Wertungen an die Stelle der Wertungen der Parteien stellen, denen aber eine Vielzahl von Möglichkeiten der Verfassungsanpassung zustehen. Denn angesichts des Haftungsrisikos ist es alles andere als gewiss, ob den Kommanditisten überhaupt ein Verbleib im Verband zuzumuten ist. Vielmehr kann man sich an die Ursprünge der Kommanditgesellschaft erinnern, also daran, dass sich die Kommanditgesellschaft auch aus der stillen Gesellschaft heraus entwickelt hat 5 1 4 . Eine Beteiligung als „stiller Gesellschafter" an der GbR - soweit mehrere Komplementäre vorhanden waren und eine vielleicht atypische Ausgestaltung der „stillen Gesellschaft" mit zusätzlichen Kontroll- und Mitspracherechten auf schuldrechtlicher Basis können dem Interesse des Kommanditisten weitgehend mehr entsprechen, als eine Mitgliedschaft

511 BGH, NJW 1971, 1698 Lt., Urt. v. 10. 05. 1971, Az: II ZR 177/68. In dem Verfahren stritten Beklagter und Kläger über die Geschäftsführungs- und Vertretungsregeln in einer zwischen ihnen bestehenden Vermögensverwaltungsgesellschaft. Zustimmend: Stimpel, ZGR 1973, 73 (81 ff.). Kritisch zu der Entscheidung: K. Schmidt, DB 1971, 2345; derselbe, BB 1973, 1612 (1613), (keine Kontinuität der Handlungsverfassung, wenn eine KG sich in eine Besitzgesellschaft verwandelt; aber heute: §§161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB); ablehnend: Beyerle, NJW 1972, 229 (230 ff.); Kornblum, BB 1972, 1032; 512 Kritisch gegen dieses Argument: Kornblum, BB 1972, 1032 (1033); Beyerle, NJW 1972, 229 (231). 513 BGH, in: WM 1972, 21 Lt., Urt. v. 19. 11. 1971, Az: II ZR 181 /68. 514 Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 67 III = S. 735 ff.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

in einer Außengesellschaft des bürgerlichen Rechts 515 . Die Entscheidung über die Zukunft muss den Gesellschaftern zustehen. Man mag den Gesellschaftern insofern ein Anspruch auf Vertragsanpassung gegen die übrigen Gesellschafter zugestehen, aber die Kontinuität der Verfassung darf nicht in Frage stehen. Ganz in diesem Sinne hat der 2. Senat des Bundesgerichtshofs ausgeführt, im Einklang mit seiner gesellschaftsrechtlichen Praxis, die, sofern es sich nicht um eine unabweisbare Lückenfüllung handelt, jede Art von vertragsgestaltenden Eingriffen, in welches Gewand sie sich rechtstechnisch auch kleiden mögen, zurückhaltend gegenübersteht: „Dabei darf die zum Vertragsinhalt gewordene Regelung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nicht für sich alleine betrachtet, sondern sie muß in Verbindung mit der Gesamtheit der aufeinander abgestimmten Vertragsvorschriften, zB auch über die Kontrollrechte und die Gewinn- und Verlustberechnung und -Verteilung (vgl. §§ 166 ff. HGB), gesehen werden. Ihre Änderung ohne Zustimmung aller Gesellschafter könnte das Gleichgewicht dieser Regelung stören und würde einen Eingriff in den Gesellschaftsvertrag bedeuten, zu dem das Gericht allenfalls unter außergewöhnlichen, hier nicht vorliegenden Umständen gemäß § 242 BGB befugt ist" 5 1 6 .

Zwar mag die Balance einer Handlungsverfassung in Hinblick auf bestimmte wirtschaftliche Ziele und Haftungsmodelle erfolgt sein. Aber ist die Verfassung „verabschiedet", d. h. sind die organschaftlichen Kompetenzen zugewiesen, so kann daran eine Änderung oder Wegfall der vorgestellten Voraussetzungen nicht ohne weiteres etwas ändern. Es gilt der allgemeine verbandsrechtliche Grundsatz von der Identität und Kontinuität der Handlungsorganisation. Die einmal organschaftlich zugewiesenen Kompetenzen, egal ob sie einem Gesellschafter oder einem abstrakten Organ zugewiesen wurden, bleiben vom gesetzlichen Wechsel der Rechtsform, auch wenn sich die Haftungsverfassung ändert, unberührt. Diese Beurteilung hat sich der Sache nach in der Rechtsprechung durchgesetzt. Zumal der „Kommanditist" nicht schutzlos dasteht: Auch in der abgesackten Kommanditgesellschaft bleiben seine Mitwirkungsbefugnisse (§ 164 HGB) und Kontrollrechte (§ 166 HGB); zumal kann dem geschäftsführenden Gesellschafter - sofern die Gefahr besteht, dass er treuwidrig zu Lasten der nunmehr unbeschränkt haftenden Kommanditisten tätig wird - die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis aus wichtigem Grund entzogen werden - vgl. §§161 Abs. 2, 117, 127 HGB - mit der Wirkung, dass Gesamtgeschäftsführung und Gesamtvertretung an ihre Stelle tritt 5 1 7 . Denn in der BGB-Gesellschaft treffen den geschäftsführenden Gesellschafter mit Blick auf die neue Haftungssituation, solange keine Vertragsanpassung durchgeführt wurde, erhöhte organschaftliche Treuepflichten.

515 Vgl. RGZ 155,75 (87), Beschluss v. 11. 05. 1937, Az: II Β 5/36. 516 BGH, in: NJW 1971, 1698, Urt. v. 10. 05. 1971, Az: II ZR 177/68. 517 Stimpel, ZGR 1973, 73 (83 f.); BGHZ 33, 105 (108), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: II ZR 260/59. RGZ 162,78 (83), Urt. v. 01. 11. 1939, Az: 1191/39.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungs Verfassung

167

I I I . Die nachträgliche Rechtsformverfehlung

Zu einem gesetzlichen Rechtsformwechsel kommt es auch in den Fällen der nachträglichen Rechtsformverfehlung. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine (echte) Vorgesellschaft nach Aufgabe der Eintragungsabsicht als nunmehr unechte Vorgesellschaft zur offenen Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft wird. Der Rechtsformzwang wird ausführlich an anderer Stelle behandelt werden, wenn es um die körperschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft als Rechtsfolge des Rechtsformzwanges bei - anfänglicher und nachträglicher - Rechtformverfehlung geht. Nur die nachträgliche Rechtsformverfehlung ist ein Problem der Kontinuität der Handlungsorganisation.

Im Laufe der Rechtsentwicklung wurden die echten Vorgesellschaften aus dem Recht der BGB-Gesellschaft und der oHG herausgelöst und in Erweiterung des verbandsrechtlichen numerus clausus zu Gesellschaften eigener Art fortentwickelt 5 1 8 . Erhalten geblieben ist dem Recht der §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB aber die unechte Vorgesellschaft (str., siehe dazu unten § 17 D III 2). Als unechte oder fehlgeschlagene Vorgesellschaften bezeichnet man solche Gesellschaften, die trotz formgerechter Errichtung von Satzung und Gesellschaftsvertrag die Eintragung der Gesellschaft von vorneherein nicht beabsichtigen oder später aufgeben 519. Diese Verbände unterliegen nach dem Wegfall der Eintragungsabsicht nach allgemeiner Auffassung, je nachdem, ob ein Handelsgewerbe betrieben wird, dem Recht der BGB-Gesellschaft oder dem Recht der oHG 5 2 0 . Das ist Folge des Rechtsformzwanges 521 , der einen werbenden Verband, sofern er sich nicht durch Eintragung den Rechtsstatus als GmbH oder Aktiengesellschaft verdient hat oder doch zumindest diese Eintragung anstrebt (dann: echte Vorgesellschaft), auf die §§ 105 ff. HGB oder die §§ 705 ff. BGB verweist 522 . Wie die nicht eingetragene Dauergenos518 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 6; umfassend: K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 271 ff. 519 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, § 11, Rdnr. 29; Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 83; Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2006). 520 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, § 11, Rdnr. 29; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 11; Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 83; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 9 = S. 148 ff.; Gehrlein, DB 1996, 561 (565); K. Schmidt, NJW 2000, 1521 (1524); Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2206); BGH, in: NJW 2000, 1193 (1194) = BGHZ 143, 327, Versäumnisurteil v. 18. 01. 2000, Az: X I ZR 71/99; BSG, in: ZIP 2000, 494 (498) = BSGE 85, 192, Urt. v. 08012.1999, Az: Β 12 KR 10/98 R; Β FH, in: NJW 1998, 2926 (2927 f.) = BFHE 185, 356, Urt. v. 07. 04. 1998, Az: V I I R 82/97. 521 Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2206); Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 83; K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 284. 522 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 II 3 = S. 107 ff.; BGHZ 22, 240 (242), Urt. v. 29. 11. 1956, Az: II ZR 282/55, „Rohfa".

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

senschaft ist die nicht eingetragene Dauerkapitalgesellschaft der Rechtsform nach eine offene Handelsgesellschaft oder eine BGB-Gesellschaft 523. So heißt es in der Rechtsprechung zur Rechtsnatur der unechten Vorgesellschaft: „Fehlt es an dieser Voraussetzung, weil die Parteien des Gesellschaftsvertrages nicht beabsichtigt haben, die Eintragung der Gesellschaft zu betreiben, so handelt es sich bei einem solchen Zusammenschluß nicht um eine Vor-GmbH. Vielmehr liegt eine sogenannte unechte Vorgesellschaft vor, bei der lediglich nach außen der Schein besteht, daß der Wille der Gesellschafter auf die Gründung einer GmbH gerichtet ist. Auf ein solches Gebilde sind die Vorschriften anzuwenden, die für die Gesellschaftsform gelten, in der das Geschäft im konkreten Einzelfall tatsächlich betrieben worden ist, nämlich entweder das Recht der offenen Handelsgesellschaft oder das Recht der Β GB-Gesellschaft" 524.

Die praktisch wichtigste Folge der Zuweisung dieser Verbände in das Recht von oHG und BGB-Gesellschaft ist die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter der unechten Vorgesellschaft unmittelbar oder entsprechend § 128 HGB 5 2 5 . Auch hier gilt der Grundsatz der Kontinuität der Handlungs Verfassung: die Handlungsverfassung des Verbandes bleibt vom gesetzlichen Wechsel der echten Vorgesellschaft zur unechten Vorgesellschaft unberührt. Wie die echte Vorgesellschaft bereits gleich der eingetragenen Gesellschaft organisiert ist 5 2 6 , ist dies auch die unechte Vorgesellschaft. Tragend sind dieselben Erwägungen wie unter § 4 C II. Die Zuordnung zu den unterschiedlichen Verbandsformen berührt die Identität des Verbandes nicht. Derselbe Verband befindet sich einmal im Rechtskleid der Vorgesellschaft, das andere Mal im Rechtskleid der offene Handelsgesellschaft (BGB-Gesellschaft). Durch den Rechtsformwechsel wird die Identität des Verbandes nicht berührt, nur sorgt der Rechtsformzwang dafür, dass sich Verband im passenden Kostüm bewegt. Der Identität des Rechtsträgers folgt die Identität der Handlungsverfassung. Die abstrakte Handlungsverfassung, d. h. die interorganisatorische und intraorganisatorische Gewalten- und Kompetenzverteilung bleibt von der - vielleicht schleichenden und unbewusst eingetretenen - Aufgabe der Eintragungsabsicht unberührt. Krampfhaft am Organisationsprinzip der Selbstorganschaft festhalten zu wollen, und zu versuchen die fremdorganschaftliche Handlungsverfassung der Vor-GmbH in das Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung zu zwängen, wäre eine Vergewaltigung der organschaftlichen Wirklichkeit, die zudem praktisch ungangbar wäre. 523 Wobei man sie im letzteren Falle wegen ihrer körperschaftlichen Organisationsverfassung als nicht rechtsfähigen Verein iSd § 54 S. 1 BGB einordnen würde. Nach der hier vertretenen Auffassung, ist der nicht eingetragene Verein eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft iSd §§ 705 ff. BGB. 524 ZB BGH, in: NJW 2000, 1193 (1194) = BGHZ 143, 327, Versäumnisurteil v. 18.01.2000, Az: X I ZR 71/99. 525 BFH, in: NJW 1998, 2926 (2928) = BFHE 185, 356, Urt. v. 07. 04. 1998, Az: VII R 82/97; BSG, in: ZIP 2000,494 (498) = BSGE 85, 192, Uri. ν. 08012.1999, Az: Β 12 KR 10/ 98 R; BGHZ 80, 129 (142 f.), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: I I ZR 54/80; K. Schmidt, NJW 2000, 1521 (1524). 526 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 3 ff.

1. Abschn., § 4 Handlungsfähigkeit und Kontinuität der Handlungserfassung

169

Man stelle sich eine mitgliederstarke, ein Handelsunternehmen führende Vor-GmbH mit Fremdgeschäftsführer vor, die durch Aufgabe der Eintragungsabsicht zur offenen Handelsgesellschaft wird. Wie soll man sich die organschaftlichen Verhältnisse vorstellen? Alle Gesellschafter könnten entsprechend der gesetzlichen Regel des § 125 Abs. 1 HGB einzelvertretungsbefugt sein (§ 125 Abs. 1 HGB), mit der Folge, dass jedes Verbandsmitglied die Gesellschaft unbeschränkt verpflichten kann (§ 126 HGB). Das kann es nicht sein. Soll man dagegen Kollektivvertretung aller Gesellschafter annehmen (§ 125 Abs. 2 HGB), mit der Folge, dass der Verband faktisch handlungsunfähig ist, weil nicht alle Gesellschafter zusammengetrommelt werden können oder Bedenkenträger mit einer Obstruktionspolitik den Verband lähmen; oder eine Gesamtvertretung aller Gesellschafter entsprechend dem Mehrheitsprinzip der Gesellschafterversammlung der Vor-GmbH (§ 47 Abs. 1 GmbHG), was zu einer Verhöhnung des Prinzips der Verkehrssicherheit führen und den mitgliederstarken Verband auch nicht verkehrsfähiger machen würde. Und man denke auch an die passive Vertretung der Gesellschaft: soll wirklich die Abgabe der Willenserklärung gegenüber einem beliebigen gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafter genügen, was zwingend aus § 125 Abs. 2 S. 3 HGB folgen würde. Was wird aus dem bestellten Geschäftsführer? Soll der Verband wirklich aus der strengen Haftung des § 31 BGB entlassen werden und sich gem. § 831 BGB exculpieren können 527 ? Nicht in den Griff zu bekommen wäre auch die verbandsinterne Verpflichtung, für die Erfüllung der die Gesellschaft treffenden gesetzlicher Pflichten Sorge zu tragen, die in der gesetzestypisch (selbstorganschaftlich) verfassten oHG nach herrschenden Meinung jeden persönlich haftenden Gesellschafter trifft (siehe dazu unten § 19). Insbesondere bringt insoweit auch die Lehre vom faktischen Organ keine Lösung, da es dieser Lehre nur um die Begründung einer zusätzlichen (strafrechtlichen) Verantwortung des faktischen oder fehlerhaft bestellten Organs, nicht aber um die Entlastung der Gesellschafter geht 528 . Sollen wirklich alle Gesellschafter, so wie es der herrschenden Meinung entsprechen würde - teils strafbewehrt - für die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten, insbesondere der Buchführungspflichten und der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft, verantwortlich sein?

Die Lösung kann nur heißen, den Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung zu akzeptieren. Es muss den Gesellschaftern überlassen bleiben, in Nachverhandlungen die Verbandsorganisation den veränderten Umständen auf der Haf527

Allerdings hat sich die hM - entgegen dem Willen des Gesetzgebers - darüber hinweggesetzt, und den verfassungsmäßig berufenen Vertretern (Organen) des § 31 BGB solche rechtsgeschäftliche Vertreter gleichgestellt, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, also die juristische Person auf diese Weise repräsentieren (zB: BGHZ 49, 19 (21), Urt. v. 30. 10. 1967, Az: VII ZR 82/65; Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage, 2000, § 31, Rdnr. 4; vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979; dazu John, AcP Bd. 181 (1981), 150). Aber dieser Lehre kann nicht gefolgt werden. Sie verstößt gegen den klaren und deutlichen, in den Protokollen klar zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers (vgl. oben § 2 A). 528 Scholz-Tiedemann, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 84, Rdnr. 30; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 4 b = S. 426; BFH/NV 1995, 941 (942), Urt. v. 07. 03. 1995, Az: VII Β 172/94. Der Lehre vom faktischen Organ geht es ausschließlich darum, die Verantwortlichkeit des faktischen Organs neben dem formell Verpflichteten zu begründen; eine Wanderbewegung der Verantwortung weg vom nominell Verpflichteten hin zum faktischen Geschäftsführer kennt sie nicht; siehe dazu unten § 19 C.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

tungsebene Rechnung zu tragen und dem Verband bei Bedarf eine neue Organisationsverfassung zu geben. Das verspricht eine höhere Richtigkeitsgewähr, als den Richter zu nötigen, seine Zweckmäßigkeitserwägungen an Stelle derjenigen der Gesellschafter zu stellen. Und nur eine solche Lösung wird dem Charakter der juristischen Person als einem durch seine Handlungsorganisation handlungsfähigen Rechtssubjekt gerecht. Wie sich unten zeigen wird, steht das Recht der BGB-Gesellschaft und der offenen Handelsgesellschaft einer fremdorganschaftlichen, körperschaftlichen Organisationsverfassung nicht entgegen. Es ist gerade das Schicksal von „Auffangrechtsformen" wie der offenen Handelsgesellschaft, dass sie alle möglichen selbst- und fremdorganschaftlichen Organisationsformen in sich aufnehmen muss. Man denke nur an das Recht der echten Vorgesellschaft, das früher dem Recht der Personengesellschaften zugewiesen wurde oder an das Recht der nicht eingetragenen Dauergenossenschaft (§ 13 GenG), oder andere „nicht rechtsfähige" Vereine, die körperschaftlich und fremdorganschaftlich verfasste BGBGesellschaften oder offene Handelsgesellschaften darstellen, vgl. § 54 S. 1 BGB (siehe § 17 D). Erkennt man, dass eine BGB-Gesellschaft oder eine offene Handelsgesellschaft organisationsrechtlich fremdorganschaftlich verfasst werden kann, also statt dem Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung folgt, ist es nur noch eine Weitungsfrage, auch Dritten die Stellung eines Organwalters im Handlungsorgan einzuräumen. Diese Wertungsfrage aber wird zu bejahen sein.

D. Ergebnis Die dem deutschen Recht bekannten privatrechtlichen Verbände sind allesamt unbeschränkt rechts- und handlungsfähig. Die häufig als Probleme der ultra-viresLehre bezeichneten Fallkonstellationen der angeblich beschränkten Vertretungsmacht im Stadium der Liquidations- und Gründungsgesellschaft sowie des Vereinsrechts sind Probleme einer außenrechtswirksamen Kompetenzverschiebung und der Kontinuität der Handlungsverfassung. Das Verbandsrecht wird sowohl auf horizontaler wie vertikaler Ebene vom Grundsatz der Identität und Kontinuität der Handlungsorganisation beherrscht. Dem Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung folgt auch das Recht der offenen Handelsgesellschaft in § 146 Abs. 1 S. 2 HGB, lässt aber in derselben Vorschrift eine privatautonome Durchbrechung dieses Prinzips zu. Die Vorschrift folgt aus der Organisationsautonomie der Gesellschaft. Sie ist zusammen mit § 492 Abs. 1 HGB eine historisch gewachsene positive Anerkennung der Rechtsmacht der Gesellschafter, bei gegebener Interessenlage durch Satzungsänderung vom gesetzestypischen Organisationsprinzip abweichen zu können. Echte Ausnahmevorschrift ist dagegen § 146 Abs. 2 S. 1 HGB, die zu einem von außen kommenden hoheitlichen Eingriff in die Handlungsorganisation der Gesellschafter ermächtigt.

2. Abschn., § 5 Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht

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2. Abschnitt

Grundsätze organschaftlichen Handelns § 5 Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht A. Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht als allgemeiner Grundsatz des Verbandsrechts Für das organschaftliche Handeln haben sich allgemeine Grundsätze herausgebildet. Sie lassen sich mit den Begriffen organschaftliche Treuepflicht (duty of loyality) und organschaftliche Sorgfaltspflicht (duty of care) umschreiben. Die Organperson trifft, unabhängig davon, ob sie persönlich haftender Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder der Geschäftsführer einer GmbH ist, die organschaftliche Pflicht, sich der Gesellschaft gegenüber treu zu verhalten und seine organschaftlichen Befugnisse nicht zu missbrauchen, sowie die Pflicht, dem Verband gegenüber mit Sorgfalt eines ordentliches Geschäftsleiters zu handeln. §§ 93 AktG, 34 GenG, 43 GmbHG regeln die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer (duty of care). Die Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 Abs. 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG). Auch wenn eine entsprechende Vorschrift im Personengesellschaftsrecht fehlt, gilt der Sache nach hier nichts anderes, vgl. §§161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 713, 664 ff. BGB. Den organschaftlichen Kompetenzrechten korrespondiert eine organschaftliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. § 283 Nr. 3 AktG begründet die organschaftliche Verantwortung der persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht, sondern ordnet nur an, dass die beschränkte Diligenzpflicht des § 708 BGB im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht zur Anwendung kommt. Die persönlich haftenden Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft haften der Gesellschaft mangels ausdrücklicher Vorschrift entsprechend §§43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG 5 2 9 . Neben den organschaftlichen Sorgfaltspflichten trifft die Organpersonen der Verbände die organschaftliche Treuepflicht (duty of loyality), die insbesondere in der Verschwiegenheitspflicht gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG und dem Wettbewerbsverbot der §§88 AktG, 112, 113 HGB positivrechtliche Konkretisierung erfahren hat 5 3 0 und bei schuldhafter Verletzung zur Schadensersatzpflicht gem. §§93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG führt. Bei der organschaftlichen Treue- und Sorgfaltspflicht handelt es sich um ein Institut des allgemeinen

529

Der BGH ließ die Organperson einer Personengesellschaft in entsprechender Anwendung des § 93 AktG haften (BGHZ 69, 207 (213) und Lt. 1, Urt. v. 04. 07. 1977, Az: II ZR 150/75). Konkret nahm der BGH eine Haftung entsprechend §§ 116,93 AktG an. 530 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 76, Rdnr. 8.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Verbandsrechts, das - in unterschiedlicher Ausprägung - jede Organperson trifft, vom Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft bis hin zum geschäftsführungs- oder vertretungsberechtigten (persönlich haftenden) Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft. Auch in einer fremdorganschaftlich organisierten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft würde die bestellte Organperson der organschaftlichen Sorgfalts- und Treuepflicht unterfallen. Die in BGHZ 36, 292 5 3 1 anklingenden Bedenken wegen einer fehlenden Treuebindung des Fremdorgans sind unbegründet. Das Fremdorgan würde der Gesellschaft entsprechend §§43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG bei Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten auf Schadensersatz haften. B. Die organschaftliche Treuepflicht (duty of loyality) I. Inhalt der organschaftlichen Treuepflicht

Das Verhältnis von Organperson und Gesellschaft erschöpft sich nicht in dem schlichten Tätigwerden für die Gesellschaft. Der Organwalter des Handlungsorgans untersteht im Rahmen seiner organschaftlichen Tätigkeit einer gesteigerten Treuepflicht, die weit über die allgemeinen Pflichten des § 242 BGB hinausgeht 532 . Die organschaftliche Treuepflicht - die einen wesentlichen Teil der ungeschriebenen Legalordnung im Recht des organschaftlichen Handelns ausmacht gebietet es der Organperson, der Gesellschaft loyal zu dienen (duty of loyality). Sie hat ihre Organtätigkeit ausschließlich im Interesse der Gesellschaft und zu deren Vorteil auszuüben, ohne Berücksichtigung verbandsfremder Interessen. Sie hat alleine das Wohl der Gesellschaft im Auge zu haben und muss ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen vorbehaltlos in den Dienst der Gesellschaft stellen, um ihre Stellung als Organperson voll auszufüllen 533. Die Treuepflicht verbietet es dem Amtsträger, seine organschaftlichen Machtbefugnisse zugunsten gesellschaftsfremder, insbesondere eigennütziger Interessen einzusetzen534. Teilweise 531 BGHZ 36, 292 (294), Urt. v. 22. Ol. 1962, Az: II ZR 11/61. 532 Timm, GmbHR 1981, 177 (179); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 266 f.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, 1958, S. 214; Kölner Kommentar zum AktG /Mertens, 2. Auflage, § 93, Rdnr. 57; HachenburgMertens, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 43, Rdnr. 35. 533 Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 93, Rdnr. 58; Hachenburg -Mertens, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 43, Rdnr. 35; BGHZ 76, 352 (355), Urt. v. 28. 01. 1980, Az: II ZR 124/78; BGHZ 49, 30 (31), Urt. v. 09. 11. 1967, Az: II ZR 64/67; BGHZ 41, 282 (287), Urt. v. 06. 04. 1964, Az: II ZR 75/62. 534 BGH, in: BB 1986, 487, Urt. v. 23. 09. 1985, Az: II ZR 257/84; Lt.: Der geschäftsführende Gesellschafter einer oHG muss in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, deren Wohl und nicht seinen eigenen Nutzen oder den Vorteil anderer im Auge haben; BGH, L M BGB § 626 Nr. 14, Urt. v. 08. 05. 1967, Az: II ZR 126/65; BGH, L M GmbHG § 46 Nr. 17, Urt. v. 10. 02. 1977, Az: II ZR 79/75.

2. Abschn., § 5 Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht

173

kodifiziert ist das Wettbewerbsverbot für Organpersonen (vgl. § 88 AktG, 112, 113 HGB); es gilt aber als Ausprägung der organschaftlichen Treuepflicht auch dort, wo eine spezielle Regelung fehlt 5 3 5 : entgegen § 165 HGB unterliegt daher auch der geschäftsführende Kommanditist den Wettbewerbsbeschränkungen (siehe § 11 A I 2) . Ebenfalls folgt aus der organschaftlichen Treuepflicht für die einzelnen Organpersonen die Verpflichtung, vertrauensvoll 536 und kollegial mit den anderen Organen und Organpersonen zusammenzuarbeiten 537: ein Organmitglied muss zB dem zuständigen Gesellschaftsorgan und dem Organ, dem es gegebenenfalls selbst angehört, eine angemessene Kontrolle seiner Tätigkeit ermöglichen 538 . Verstößt die Organperson schuldhaft gegen eine Treuepflicht, so macht sie sich ersatzpflicht i g 5 3 9 (§§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2GmbHG, 34 GenG).

II. Die Rechtsnatur der organschaftlichen Treuepflicht

Ist auch der Inhalt der organschaftlichen Treuepflicht als Korrelat der den Organpersonen zustehenden Machtfülle weitgehend geklärt 540 , so gilt dies nicht für ihre Rechtsnatur. Die ältere Rechtsprechung leitete die organschaftliche Treuepflicht alleine aus dem schuldrechtlichen Anstellungsvertrag zwischen Verband und Organperson her; im Bestellungsakt sah man dafür keine ausreichende Grundlage 541 . Zusätzlich arbeitete man mit einer entsprechenden Anwendung arbeitsrechtlicher Grundsätze auf das längerfristige Dienstverhältnis der Organperson. So wurden, um die Problematik des fehlerhaft bestellten Organs in den Griff zu bekommen, die für das fehlerhafte Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätze auf den fehlerhaften Anstellungsvertrag der Organperson entsprechend angewandt542. Wer aufgrund eines fehlerhaften Anstellungsvertrages tätig werde, müsse ebenso wie eine ordnungsgemäß angestellte Organperson der Treuepflicht unterliegen und für die Ver535 Für die GmbH: Hachenburg-Merten, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 43, Rdnr. 39. 536 Vgl. RG, in: JW 1930, 2701, Urt. v. 04. 10. 1929, Az: II 92/29: Das Verhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft beruht auf gegenseitigem Vertrauen. Daraus folgt zB, dass Vorstandsmitglieder dem Aufsichtsrat zur unbedingten Offenheit verpflichtet sind (BGHZ 20, 239 (246), Urt. v. 26. 04. 1956, Az: II ZR 57/55). 537 Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 43, Rdnr. 111 ff. 538 Kölner Kommentar zum AktG I Mertens, 2. Auflage, § 93, Rdnr. 72; Hachenburg-Merten, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 43, Rdnr. 45. 539 Vgl. Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für ihre Geschäftsführung, 1968, S. 35 f. 540 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 16; aber auch derselbe, FS-Heinsius, S. 949 ff. (957). 541 BGHZ 49, 30 (31 f.), Urt. v. 09.111.1967, Az: I I ZR 64/67: Die gegenseitige Treuepflicht zwischen Organperson und Gesellschaft könne sich nur aus der Anstellung ergeben, da die Bestellung nur die organschaftliche Vertretung betreffe; auch: BGHZ 10, 187 (192 f.), Urt. v. 11. 07. 1953; Az: II ZR 126/52; vgl. BGHZ 41, 282 (287), Urt. v. 06. 04. 1964, Az: I I ZR 75/62; krit. Hachenburg-Schilling, 6. Auflage, 1959, § 35, Anm. 44. 542 BGHZ 41, 282 (286 ff.), Urt. v. 06. 04. 1964, Az: II ZR 75/62.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

letzung der Geschäftsleiterpflichten haften. Dem entsprach, dass die Haftung der §§93 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG früher überwiegend als vertragliche Haftung aus Verletzung des AnstellungsVertrages begriffen wurde 543 . In seinen neueren Entscheidungen spricht der Bundesgerichtshof aber davon, dass sich die Organpflichten aus dem Gesetz ergeben 544 und dass die Haftung der Organperson aus §§93 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG an die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen Verband und Organperson anknüpfe 545 , wobei die gesetzlichen Haftungsnormen die Haftung aus Verletzung des Anstellungsvertrages in sich aufnähmen 546. Soweit in der Literatur überhaupt die Frage nach Rechtsnatur und Entstehungsgrund der organschaftlichen Treuepflicht gestellt wird, wird abweichend zur Konstruktion über Anstellungsvertrag und Arbeitsrecht entweder auf das Gesellschaftsrecht 547 , auf die gesellschaftsrechtliche Verfügungsmacht der Organperson 548, auf die Organstellung und die damit verbundenen weitreichenden Befugnisse und faktische Einwirkungsmöglichkeiten 549 oder auf eine folgerichtige Übertragung der zwischen Mitglied und Gesellschaft bestehenden Treuepflicht abgestellt 550 . Teilweise wird die Treuepflicht auch aus Organstellung und Anstellungsverhältnis hergeleitet 551 oder aus dem Strukturgefüge der Gesellschaft überhaupt 552. Von der rechtsfunktionellen Zielsetzung der organschaftlichen Treuepflicht ist ihre rechtsdogmatische Einordnung zu unterscheiden. In funktioneller Hinsicht 543 Vgl. RGZ 152, 273 (278) = JW 1937, 683, Urt. v. 09. 10. 1936; Az: I I 43/36; wohl auch BGHZ 41, 282 (287), Urt. v. 06. 04. 1964, Az: II ZR 75/62. Dazu Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für ihre Geschäftsführung, 1968, S. 11 ff. 544 Vgl. BGHZ 114, 127 (129), Urt. v. 25. 03. 1991, Az: II ZR 188/89 für das Aufsichtsratsmitglied der Aktiengesellschaft: Die Organpflichten des Aufsichtsratsmitglieds ergäben sich unmittelbar aus dem Gesetz. 545 BGH, W M 1992, 691 (692) = GmbHR 1992, 303, Urt. v. 10. 02. 1992, Az: I I ZR 23/ 91: „Die Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG ist nicht deliktsrechtlicher Natur..., sie knüpft vielmehr an die organschaftliche Sonderbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer an, die durch die nur mit Zustimmung des Betroffenen mögliche Berufung zum Geschäftsführer begründet wird". 546 BGH, GmbHR 1997, 163 (164), Urt. v. 09. 12. 1996, Az: I I ZR 240/95; BGH, W M 1989, 1335 (1337), Urt. v. 12. 06. 1989, Az: II ZR 334/87. 547 Hachenburg-ScM/mg, 6. Auflage, 1959, § 35, Anm. 44. 548 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 266; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, 1958, S. 214 f.: Zur Treue verpflichtet ist jeder, der Organfunktionen ausübt. 549 ZB: Schiessl, GmbHR 1988, 53. 550 Unklar: Kühlewein, NJW 1954, 621, der die Folgerichtigkeit alternativ mit dem besonderen Bande der Mitgliedschaft, des durch die Bestellung begründeten Vertrauensverhältnisses oder mit Rücksicht darauf, dass die Organperson im Interesse der Gesellschaft tätig wird, aus der bloßen Ausübung des Amtes. Die Folgerichtigkeit gelte auch für Organpersonen, die nicht Gesellschafter seien. 551 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 28 II 4 a = S. 822. 552 Kühler, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 15 III 5 a = S. 187.

2. Abschn., § 5 Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht

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dient die organschaftliche Treuepflicht der pflichtenmäßigen Einbindung der Organpersonen in die Handlungsorganisation des Verbandes. Den weitreichenden Machtbefugnissen der Organperson korrespondiert als Korrektiv eine weitreichende, haftungsbewehrte Pflichtenbindung, die das Tätigwerden der Organperson an das Interesse der Gesellschaft bindet. Rechtsdogmatisch folgt organschaftliche Treuepflicht aus der Organschaft. Die Handlungsfähigkeit des Verbandes wird hergestellt durch seine Handlungsorganisation, also durch die Zuweisung von organschaftlichen Kompetenzen entweder an abstrakte Organe, die ihrerseits mit Organwaltern besetzt werden, oder unmittelbar an bestimmte Gesellschafter. Ohne diese Integration von natürlichen Personen in die Handlungsverfassung, ist der Verband handlungsunfähig. Erst durch seine Organpersonen kann der Verband wollen, wissen und handeln. Mit ihrer Bestellung zum Organwalter oder mit der unmittelbaren Zuweisung der organschaftlichen Befugnisse durch den Gesellschaftsvertrag tritt die Organperson in ein umfassendes organschaftliches Rechtsverhältnis ein. Die organschaftliche Treuepflicht ist Bestandteil dieses Rechtsverhältnisses; in den organschaftlichen Rechtsbeziehungen als solchen ist angelegt, dass die Organperson nur im Interesse der Gesellschaft tätig werden darf: das Tun der Organperson ist kraft der Idee der Organschaft an den Interessen des Verbandes ausgerichtet, zu dessen Verwirklichung die Handlungsorganisation überhaupt erschaffen wurde. Der Anstellungsvertrag ist dagegen kein tauglicher Anknüpfungspunkt. Denn auch da, wo von einem besonderen schuldrechtlichen Anstellungsvertrag abgesehen wurde 553 , müssen die Organperson im Verbandsinteresse die gleichen Treuepflichten treffen. Natürlich steht aber nichts dagegen, in einem Anstellungsvertrag besondere Treuepflichten zu vereinbaren, die dann auf schuldrechter Basis neben den Treuepflichten aus der Organstellung stehen.

III. Organschaftliche und mitgliedschaftliche Treuepflicht

Die organschaftliche Treuepflicht ist von der mitgliedschaftlichen Treuepflicht zu unterscheiden 554. Die organschaftliche Treuepflicht folgt aus der Stellung als Organperson, während die mitgliedschaftliche Treuepflicht an der Mitgliedschaft im Verband anknüpft 555 . Beide Pflichten können ein und dieselbe Person treffen, so zB den persönlich haftenden Gesellschafter bei der gesetzestypisch verfassten oHG oder Kommanditgesellschaft auf Aktien, da die Organstellung institutionell an die Mitgliedschaft knüpft, oder bei der eingetragenen Genossenschaft, da Mitglied des Vorstandes nur sein kann, wer zugleich Genösse ist, § 9 Abs. 2 GenG. 553 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 2 b = S. 422 f. Ein Anstellungsvertrag ist nicht unbedingt erforderlich. 554 Vgl. Meyer, Die Verantwortlichkeit des Vorstandes der eG aus § 34 GenG, 1985, S. 125 f.; anders Müller, GenG, 1991, § 34, Rdnr. 16 für die eG, der durch die Organstellung nur eine Verstärkung der mitgliedschaftlichen Treuebindung annimmt. 555 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 20IV 1 b = S. 589.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Dennoch bleibt zu unterscheiden. Zum einen, weil die Pflichten verschiedenen Inhalt aufweisen können - ein Verstoß gegen eine organschaftliche Treuepflicht muss nicht gleichbedeutend sein mit einem Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuebindung 556 - , und zum zweiten, weil sich auch hinsichtlich der Rechtsfolgen wichtige Unterschiede ergeben können. So hat der BGH zB für die GmbH entschieden, dass die VerjährungsVorschrift des § 43 Abs. 4 GmbHG, wonach Ansprüche aus der Verletzung von Geschäftsführerpflichten in fünf Jahren verjähren, nicht für die Verletzung gesellschafterlicher Treuepflichten gelten, die der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB unterliegen 557. Verstößt also ein Gesellschafter-Geschäftsführer sowohl gegen organschaftliche wie mitgliedschaftliche Treuepflichten, kommt ihm § 43 Abs. 4 GmbHG nur teilweise zugute 558 .

C. Die organschaftliche Sorgfaltspflicht (duty of care) I. Die Rechtsnatur der Haftung nach §§ 93 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG

Wie mit der Einordnung der organschaftlichen Treuepflicht hatte man auch mit der Erfassung der Rechtsnatur der Haftung nach §§93 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG Schwierigkeiten. Früher ging man überwiegend davon aus, dass die Vorschriften aus dem Anstellungsvertrag folgten, die Haftung also vertraglicher Natur sei und damit der Fall einer kodifizierten positiven Vertragsverletzung vorliege 559 .

556 BGH, W M 1982, 1025 (1026), Urt. v. 28. 06. 1982, Az: II ZR 121/81: Es mag Fälle geben, in denen ein Verstoß gegen Geschäftsführungspflichten nicht zugleich einen Verstoß gegen eine Gesellschafterpflicht darstellt. Ein Verstoß gegen die Pflicht der Organperson, sich loyal für die Zwecke der Gesellschaft einzusetzen, ist im Allgemeinen noch kein Verstoß gegen seine mitgliedschaftliche Treuepflicht (Hachenburg-Mertens, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 43, Rdnr. 35 aE; H.P. Westennann, NJW 1982, 2870). Die mitgliedschaftliche Treuepflicht reicht nicht soweit, wie die organschaftliche. Das Mitglied kann seine Interessen auch und gerade bei der Ausübung seiner mitgliedschaftlichen Rechte verfolgen. 557 BGH, W M 1982, 1025 (1026), Urt. v. 28. 06. 1982, Az: I I ZR 121/81; BGH, in: W M 1989, 1335 (1337), Urt. v. 12. 06. 1989, Az: II ZR 334/87; vgl. auch BGH, in: W M 1971, 412 (414), Urt. v. 11. 01. 1971, Az: II ZR 143/68; BGH, in: W M 1972, 1229 (1230) Urt. v. 22. 06. 1972, Az: II ZR 67/70. Bestätigt: BGH, in: NJW 1995, 1353 (1358) und Lt. 1, Urt. v. 14. 11. 1994, Az: II ZR 160/93. 558 Der BGH hatte entschieden, dass der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin (GmbH) einer Kommanditgesellschaft, der gleichzeitig Kommanditist ist, im Fall unberechtigter Entnahmen aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft nicht nur gegen Geschäftsführungspflichten, sondern auch gegen seine Treuepflicht als Kommanditist verstößt; der daraus resultierende Schadensersatzanspruch löse eine 30-jährige Verjährungsfrist aus (BGH, W M 1982, 1025 (1026), Urt. v. 28. 06. 1982, Az: II ZR 121/81; BGH, in: NJW 1995, 1353 (1358), Urt. v. 14. 11. 1994, Az: I I ZR 160/93). 559 Vgl. RGZ 152, 273 (278) = JW 1937, 683, Urt. v. 09. 10. 1936; Az: I I 43/36; wohl auch BGHZ 41, 282 (287), Urt. v. 06. 04. 1964, Az: II ZR 75/62. Dazu Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für ihre Geschäftsführung, 1968, S. 12 ff.

2. Abschn., § 5 Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht

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Nicht einfach zu bewältigen war von diesem Ansatz her das Problem, wie die Organhaftung bei fehlerhafter Bestellung oder fehlerhaftem Anstellungsvertrag begründet werden kann. Im Jahre 1909 ging das Reichsgericht mit den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag an die Aufgabe heran: „Wer, ohne in rechtsgültiger Weise zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt zu sein, doch Jahre hindurch die Stellung des Geschäftsführers tatsächlich bekleidet, kann aufgrund dieses tatsächlichen Verhältnisses als Geschäftsführer ohne Auftrag für nachlässige Geschäftsbesorgung verantwortlich gemacht werden 560 ". Im Jahre 1936 behalf sich das Reichsgericht im Fall eines nicht wirksam bestellten Aufsichtsratsmitglieds einer Genossenschaft damit, einen konkludent geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag zu konstruieren 561. Der Bundesgerichtshof griff 1964 zu einer entsprechenden Anwendung der für das fehlerhafte Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätze auf den fehlerhaften Anstellungsvertrag 562 und behandelte den fehlerhaften Anstellungsvertrag für die Dauer der Beschäftigung so, als wäre er wirksam. Die Rechtsprechung hat sich entwickelt. Heute spricht sie davon, dass die Haftung der §§93 AktG, 43 GmbHG, 34 GenG an die organschaftliche Sonderbeziehung zwischen Organperson und Gesellschaft anknüpft 563 und vertragliche Ansprüche aus Verletzung des Anstellungsvertrages schluckt 564 . Durchgesetzt hat sich zutreffend die Ansicht, dass die Haftung auf Gesetz beruht 565 und an der Organstellung der Organperson anknüpft 566 . Unklar geblieben ist aber das Verhältnis der gesetzlichen Vorschriften zu vertraglichen Ansprüchen aus dem Anstellungsvertrag. Teilweise wird unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefolgert, dass die gesetzlichen Vorschriften als Spezialregelung schuldrechtliche Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag in sich aufnehmen 567 oder aber man geht von einem - sich jeweils ergänzenden - Nebeneinander (Anspruchskonkurrenz) der organschaftlichen Haftung und der vertraglichen Haftung aus dem Anstellungsvertrag aus 568 . 560 RG, Das Recht, 1909 Nr. 2938, Urt. v. 02. 07. 1909, Az: II 630/08. 561 RGZ 152, 273 (277 f.) = JW 1937, 683, Urt. v. 09. 10. 1936; Az: II 43/36; krit. zur Begründung: Ruth, JW 1937, 685 f. 562 BGHZ 41, 282 (286 f.), Urt. v. 06. 04. 1964, Az: II ZR 75/62. 563 BGH, W M 1992, 691 (692) = GmbHR 1992, 303, Urt. v. 10. 02. 1992, Az: II ZR 23/ 91: „Die Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG ist nicht deliktsrechtlicher Natur..., sie knüpft vielmehr an die organschaftliche Sonderbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer an, die durch die nur mit Zustimmung des Betroffenen mögliche Berufung zum Geschäftsführer begründet wird". 564 BGH, GmbHR 1997, 163 (164), Urt. v. 09. 12. 1996, Az: II ZR 240/95; BGH, W M 1989, 1335 (1337), Urt. v. 12. 06. 1989, Az: II ZR 334/87. 565 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, 1958, S. 211 f.; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 93, Rdnr. 8; Ruth, JW 1937, 685 f. 566 Müller, GenG, 1991, § 34, Rdnr. 2; Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 43, Rdnr. 12; Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 28 II 4 b = S. 823; Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für ihre Geschäftsführung, 1968, S. 14 ff.; Ruth, JW 1937, 685. 567 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 43, Rdnr. 3.; Hachenburg-Mertens, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 43, Rdnr. 4. 12 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Die Organperson wird von zahlreichen organschaftlichen, d. h. aus der Stellung in der Handlungsverfassung folgenden Pflichten getroffen, zB der organschaftlichen Treuepflicht und der Pflicht zur ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitung. Wird gegen diese mit der Stellung als Organperson verbundenen organschaftlichen Pflichten verstoßen, so zieht das notwendig haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich. Organschaftlichen Kompetenzen korrespondiert grundsätzlich eine organschaftliche Verantwortlichkeit 569. Dieser organisatorische Haftungstatbestand knüpft allein an die organschaftliche Stellung der Organperson in der Handlungsorganisation des Verbandes an und besteht unabhängig von einem Anstellungsvertrag. Auch die Organperson, die ohne schuldrechtliches Anstellungsverhältnis als Träger organschaftlicher Machtbefugnisse fungiert, unterliegt der organisatorischen Haftung als Konsequenz der Wahrnehmung organschaftlicher Kompetenzrechte. Der organisatorische Haftungstatbestand ist Korrelat der organschaftlichen Kompetenzrechte und besteht als solcher unabhängig von einer gesetzlichen Kodifikation. §§ 93 Abs. 2 S. 1 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG, 34 Abs. 2 S. 1 GenG, die schon tatbestandlich an der organschaftlichen Stellung anknüpfen 570, sprechen insoweit nur aus, was auch so eine Selbstverständlichkeit ist. Auch wo solche Vorschriften fehlen, besteht eine organschaftliche Haftung, die alleine an die organisatorische Stellung anknüpft. Auch die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters einer oHG, KG oder KGaA für schlechte Geschäftsführung knüpft an die Organstellung innerhalb des Verbandes an und ist nicht nur eine positive Vertragsverletzung des Gesellschaftsvertrags 571. Grundsätzlich können neben die organschaftlichen Ansprüche vertragliche Ansprüche aus der Verletzung von Pflichten aus dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis treten. Soweit beide Ansprüche - wie dies regelmäßig der Fall sein wird - dieselbe Pflichtverletzung sanktionieren, ist es im Ergebnis mit dem Bundesgerichtshof angängig, der vertraglichen Haftungsgrundlage eine eigenständige Bedeutung abzusprechen, da ansonsten die gesetzlich vorgesehene Verjährung von 5 Jahren für Pflichtverstöße gegen organschaftliche Pflichten bequem ausgehebelt werden kann 572 , wobei dieses Resultat unter Zugrundelegung einer grundsätzli568 Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 43, Rdnr. 13; Müller, GenG, 1991, § 34, Rdnr. 2; Fleck, ZHR Bd. 149 (1985), 387 (397); Schneider, FS-Werner, S. 795 ff. (803 f.). 569 Ob dieser Grundsatz zwingend ist oder teilweise durch Haftungserleichterungen abbedungen werden kann, kann hier offen bleiben. Zumindest ist die organschaftliche Haftung die Regel. 570 Das Gesetz spricht vom Vorstandsmitglied oder dem Geschäftsführer, knüpft damit also primär an der Organstellung und nicht an dem Anstellungsvertrag an. 571 AA Großkommentar HGB / Ulmer, § 114, Rdnr. 50; für die KGaA folgt dies aus § 283 Nr. 3 AktG, für die organisatorisch weitgehend identischen Kommanditgesellschaft und oHG kann nichts anderes gelten, wenn man sich nicht in einem überholten gesellschaftsrechtlichen Dualismus verfangen will. 572 Der vertragliche Anspruch würde grundsätzlich gem. § 195 BGB in 30 Jahren verjähren.

2. Abschn., § 5 Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht

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chen Anspruchskonkurrenz zu erzielen ist, da sich eine kurze Verjährungsfrist auch auf konkurrierende Ansprüche erstreckt, wenn dies - was hier der Fall ist - dem Normzweck entspricht 573 . Allerdings kann diese Spezialität nur dann gelten, wenn der gesetzliche Haftungstatbestand einen dem vertraglichen Anspruch entsprechenden oder weiteren Anwendungsbereich hat. Die vertragliche Haftungsgrundlage gewinnt wieder eigenständige Bedeutung, wenn sie zusätzliche Pflichten statuiert 5 7 4 . Die gesetzlichen Tatbestände verdrängen die vertraglichen Haftungsgrundlagen, solange diesen keine eigenständige Bedeutung zukommt. Das ist der Fall, wenn der gesetzliche Tatbestand einen weiteren oder gleichen Anwendungsumfang hat, aber nicht mehr dann, wenn durch den Anstellungsvertrag zusätzliche Pflichten festgeschrieben werden 575 .

II. Der allgemeine Haftungsmaßstab

Die §§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG erfüllen eine Doppelfunktion. Einmal umschreiben sie den Verschuldensmaßstab, zum anderen bezeichnen sie als Generalklausel objektive Verhaltenspflichten, aus denen sich durch Konkretisierung Einzelpflichten ergeben 576. Die Organwalter sind gem. §§93 Abs. 2 S. 1 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG haftbar für schuldhafte Pflichtverletzungen. Pflichten ergeben sich, soweit sie nicht im Gesetz tatbestandlich konkretisiert sind (zB § 93 Abs. 3 AktG), aus der organschaftlichen Treuebindung (duty of loyality) und der allgemeinen Sorgfaltspflicht (duty of care). Gerade im unternehmenspolitischen Bereich kann man sich nur durch eine Generalklausel behelfen. Denn es besteht die unübersehbare Schwierigkeit, Pflichtenkataloge für Organe aufzustellen, da es problematisch ist, zu bestimmen, was richtiges Handeln im Interesse der Gesellschaft ist, und den aus unrichtiger Unternehmenspolitik entstehenden Schaden auch nur annährend zutreffend zu ermitteln 577 . Grundsätzlich gereicht jede Abweichung von der Sorgfalt, die von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter erwartet werden muss, zum Schuldvorwurf. Allerdings dürfen die Anforde-

573 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 36 I I 4 a = S. 1078. 574 Vgl. BGHZ 75, 321 Lt. a, Urt. v. 12. 11. 1979, Az: I I ZR 174/77; BGHZ 76, 326 Lt. 2, Urt. v. 24. 03. 1980, Az: I I ZR 213/77; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, Anh. § 177a, Rdnr. 28. 575 Unberührt bleiben deliktische Ansprüche (zB § 826 BGB), was insbesondere hinsichtlich der Verjährung Bedeutung gewinnen kann BGH, W M 1992, 691 (692), Urt. v. 10. 02. 1992, Az: II ZR 23/91; Müller, GenG, 1991, § 34, Rdnr. 2. Die organisatorischen Haftungsansprüche verjähren in fünf Jahren, unabhängig von einer Kenntniserlangung durch die Gesellschaft, während die dreijährige Frist des § 852 BGB erst ab Kenntniserlangung zu laufen beginnt. 576 Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 93, Rdnr. 6; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 93, Rdnr. 9; krit. Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 93, Rdnr. 3. 577 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 156. 12*

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

rungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden. Bei der Beurteilung, ob einer Organperson der Vorwurf eines schuldhaft pflichtwidrigen Verhaltens gemacht werden kann, ist zu berücksichtigen, dass dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist. Gewinnt der Verband den Eindruck, dass der Organperson das nötige Gespür für eine erfolgreiche Führung des Unternehmens fehlt, sie also keine „glückliche Hand" bei der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgabe hat, kann ihm das Veranlassung geben, auf deren Ablösung hinzuwirken. Permanente Erfolglosigkeit ist sowohl ein wichtiger Grund iSd § 84 Abs. 3 AktG, wie er ein wichtiger Grund iSd §§ 117, 127 HGB sein kann. Eine Schadensersatzpflicht kann daraus nicht hergeleitet werden. Diese kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt wurde oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss 578 . Jede Geschäftsführung bedarf eines gewissen unternehmerischen Freiraums. Dies entspricht weitgehend der anglo-amerikanischen business judgement rule 519, die eine nachträgliche richterliche Beurteilung der Qualität unternehmerischer Entscheidungen verwehrt. Übersteigerte Haftungsrisiken wirken sich lähmend auf die Initiative des Managements aus. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer GmbH oder Aktiengesellschaft, sondern auch für die geschäftsführenden Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft 580. Hier muss unterschieden werden zwischen der organschaftlichen Haftung der Gesellschaft gegenüber entsprechend §§43 GmbHG, 93 AktG und der Haftung als persönlich haftender Gesellschafter gem. § 128 HGB gegenüber Verbandsgläubigern.

578 BGHZ 135, 244 (253 f.), Urt. v. 21. 04. 1997, Az: II ZR 175/95 „ARAG/Garmenbeck"; dazu Henze, NJW 1998, 3309 (3310 f.). 579 Nach dieser dreigliedrigen Regel scheidet eine Haftung aus, wenn sich der Entscheidungsträger vor der Entscheidung hinreichend informiert hat (Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen), sich bei der Entscheidung in keinem Interessenkonflikt befindet (von Verantwortungsbewusstsein getragenes Verhalten) und annimmt oder vernünftigerweise annehmen kann, dass seine Entscheidung im besten Interesse der Gesellschaft liegt (Orientierung am Unternehmens wohl). 580 Vgl. Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 115, Rdnr. 55 mit der Besonderheit des speziellen Haftungsmaßstabs des § 708 BGB.

2. Abschn., § 6 Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

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D. Ergebnis Es gibt einen allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz der organschaftlichen Verantwortlichkeit als Korrelat organschaftlicher Kompetenzen581: unabhängig vom Organisationsprinzip des Verbandes haften die Organpersonen für schuldhafte Verletzungen der organschaftlichen Sorgfalts- und Treuepflicht. Die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von GmbH, Aktiengesellschaft und Genossenschaft haften unmittelbar aufgrund der positiven Norm der §§43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG, 34 Abs. 2 GenG, die geschäftsführenden Gesellschafter der BGB-Gesellschaft, der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien haften entsprechend diesen Vorschriften 582. Die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht ist Bestandteil des organschaftlichen Rechtsverhältnisses. Sie entsteht mit der Integration der Organperson in die Handlungsorganisation der Gesellschaft. Für eine abweichend vom Organisationsprinzip der Selbstorganschaft fremdorganschaftlich organisierte offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft heißt das: die als Organ waiter eines abstrakten Handlungsorgans bestellten „Fremdgeschäftsführer" befinden sich nicht in einem „rechtsfreien Raum" ohne Treuebindung, sondern werden im Rahmen des von ihnen ausgefüllten organschaftlichen Verhältnisses ebenso von organschaftlichen Treue- und Sorgfaltspflichten betroffen, wie etwa der Geschäftsführer einer GmbH. Verletzen sie schuldhaft ihre organschaftlichen Pflichten machen sie sich der Gesellschaft gegenüber entsprechend § 43 Abs. 2 GmbH schadensersatzpflichtig.

§ 6 Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB A. Die Ausnahme vom allgemeinen organschaftlichen Haftungsmaßstab Jeder geschäftsführende Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft, offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft haftet der Gesellschaft für schuldhafte Schlechterfüllung seiner Geschäftsführungspflicht auf Schadensersatz583. 581

Dieser Grundsatz ist nicht zu verwechseln mit der Lehre vom angeblichen Gleichlauf von Herrschaft und Haftung. Diese Lehre will den beherrschenden Unternehmensträger alleine aufgrund seiner wirtschaftlichen Machtstellung für die Verbindlichkeiten des Verbandes haften lassen. Die organschaftliche Haftung entsprechend §§93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG unterscheidet sich davon in zwei Punkten. Die Haftung tritt nicht ein allein aufgrund der organschaftlichen Herrschaftsrechte, sondern nur bei Verstoß gegen die organschaftlichen Sorgfalts- und Treuepflichten, die Bestandteil der organschaftlichen Rechtsstellung sind. Zum anderen steht der Anspruch aus Verletzung organschaftlicher Pflichten der Gesellschaft und nicht den Gläubigern zu, die ihn allenfalls im Wege einer gesetzlichen Prozessstandschaft gem. § 93 Abs. 5 AktG geltend machen können. 582 Vgl. § 283 Nr. 3 AktG. 583 Hueck, oHG, 4. Auflage, 1971, § 10 V I 1 = S. 139; G. Hueck, Gesellschaftsrecht, 19. Auflage, 1991, § 8 I 7 = S. 59. Allerdings sollte man dies nicht als positive Forderungsverletzung des Gesellschaftsvertrages bezeichnen. Auch die oHG, KG und GbR sind juris-

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Das ist im Gesetz, anders als im Recht der Aktiengesellschaft (§ 93 AktG) und der GmbH (§ 43 GmbHG), nicht ausdrücklich gesagt, folgt aber aus seiner organschaftlichen Stellung 584 . Als Korrelat organschaftlicher Kompetenzen trifft das Handlungsorgan eine organschaftliche Verantwortlichkeit. Insofern kann man entsprechend der §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG, 34 Abs. 2 GenG, 5 Abs. 2 EWIVAG formulieren: Ein geschäftsführender Gesellschafter, der seine organschaftlichen Obliegenheiten verletzt, haftet der Gesellschaft für den entstandenen Schaden. Haben mehrere Gesellschafter einen Schaden durch Verletzung organschaftlicher Pflichten verursacht, so haften sie solidarisch 585. Insoweit gilt der Sache nach nichts anderes als für die übrigen Verbände. Eine Besonderheit aber gibt es im Recht der Organhaftung bei oHG, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft: Abweichend von allgemeinen organschaftlichen Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der §§ 93 Abs. 1 AktG, 43 GmbHG, 34 Abs. 1 GenG gewährt § 708 BGB eine Haftungserleichterung. Aufgrund der Verweisung der §§161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB gelten die §§ 708, 277 BGB über den Bereich der GbR hinaus auch für die oHG und die Kommanditgesellschaft 586. Danach hat der Gesellschafter bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit nur für die diligentia, quam suis rebus adhibere solet, einzustehen587. § 708 BGB gilt nach hM auch und gerade für den geschäftsführenden Gesellschafter 588. Es ist auch unerheblich, ob die Gesellschaft wirtschaftliche oder ideelle Zwecke verfolgt 589 .

tische Personen, die mittels einer Handlungsverfassung handeln. Die Handlungs Verfassung konstituiert sich über (eingliedrige) Organe, denen organschaftliche Kompetenzen zugewiesen werden. Verletzt eine Organperson solche Pflichten, dann verletzt sie organschaftliche Pflichten und haftet daraus entsprechend § 43 Abs. 2 GmbHG. 584 Vgl. §§ 161 Abs. 2,105 Abs. 3 HGB, 713, 664 ff. BGB. 585 Hueck, oHG, 4. Auflage, 1971, § 10 V I 1 = S. 140. Das gilt selbst dann, wenn ein Gesellschafter nur insoweit beteiligt ist, dass er schuldhaft keinen Widerspruch erhoben hat. 586 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 109, Rdnr. 5; HGB-Großkommentar/i/ime/; 4. Auflage, § 109, Rdnr. 11; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 59 III 2 = S. 1747 ff., § 47 I I 3 = S. 1373; Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 5; Ballerstedt, JuS 1963, 253 (258). Nach Julius v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Auflage, 1958, § 33 I I 1 b = S. 195 wird gerade bei Handelsgesellschaften eine verständige Vertragsauslegung eine Abbedingung der Vorschrift ergeben. Bei Gesellschaftsverträgen unter Vollkaufleuten sei sogar eine entsprechende Handelssitte vorhanden. Gegen das Bestehen einer solchen Handelssitte Hueck, oHG, 3. Auflage, 1964, § 9 I V Fn. 10 = S. 81. 587 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 59 III 2 a = S. 1747; Baumbach/ Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 109, Rdnr. 5, § 114, Rdnr. 15. 588 κ. Schmidt, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 525 f., und sogar dann, wenn mit dem Gesellschaftsverhältnis ein Dienstvertrag des Geschäftsführers einhergeht. Dies war nach Pr. ALR I, 17 § 212 anders. Derselbe, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 59 III 2 a = S. 1747; Hueck, oHG, 3. Auflage, 1964, § 9 I V = S. 81; AA für den Fall der Einzelgeschäftsführung: Wiedemann, W M Sonderbeilage 7/1992, S. 16. 589 Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (493).

2. Abschn., § 6 Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

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Die Regelung entstammt dem römischen Recht und ist von hier aus in die „moderne" Gesetzgebung übergegangen (zB: Art. 94 ADHGB, Pr. A L R I , 17 § 211) 590 . Heute wird sie als „rechtspolitisch höchst fragwürdig 591 " empfunden und ihre Streichung de lege ferenda gefordert 592 , was auf den ersten Blick einleuchtet: mit der Beschränkung auf die diligentia quam in suis geht bis zur Schmerzgrenze des § 277 BGB eine Prämierung von Faulheit und Nachlässigkeit einher 593 . Im Prozess führt dies zu einer komischen Situation: der Beklagte muss vor Gericht bemüht sein, sich als nachlässigen und unzuverlässigen Menschen darzustellen, während ihn sein Gegner als durchaus ordentlichen und verständigen Mann schildern muss, der nur in der betreffenden Schadenssituation einmal verkehrt gehandelt habe 594 . Mit der Anerkennung der organschaftlichen Verfassung der tradiert als Personengesellschaft bezeichneten Gesellschaften (GbR, oHG und KG), die durch ihre Organe handelt und am Rechtsverkehr teilnimmt, erscheint die Vorschrift, die ihren Ursprung in der römischen societas, einem Schuldverhältnis 595, fand, nicht passen zu wollen. Wo organschaftliche Machtbefugnisse sind, dort findet sich als notwendiges Korrelat auch organschaftliche Verantwortlichkeit. Durch sein organschaftliches Kompetenzen- und Pflichtengebäude schafft sich ein Verband überhaupt erst eine funktionsfähige Handlungsverfassung, die unabdingbare Voraussetzung seiner Handlungsfähigkeit und damit seiner Eigenschaft als selbständig handelnde Rechtsperson ist. Da die juristische Person in den Handlungen ihrer konkreten Handlungsorganisation lebt, also den Personen, die die organschaftlichen Positionen ausfüllen, ist für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nicht ohne weiteres Raum. Das primäre Korrelat organschaftlichen Macht ist organschaftliche Haftung. Durch die präventive und lenkende Wirkung dieses Haftungsrisikos wird die sorg590 Gaj. D. 17, 2, 72. Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 344; Ubbelohde, ZHR Bd. 7 (1864), 199 (238 ff.). Vgl. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts II, 7. Auflage, 1891, § 406 1 = S. 479 und Fn. 3; Protokolle II, S. 418; RGZ 143, 212 (214), Az: IV 369/33; K. Schmidt, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 525; Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475. 591 Hauss, FS-Möhring, 1965, S. 345 ff. (361); Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 1965, S. 192: Diese Art Haftungsbegrenzung passe nicht mehr in das moderne Geschäftsleben. Niemand erwarte eine solche Vorschrift mehr an dieser Stelle. Niemand verteidige ihr Verbleiben mehr ernsthaft gegen die Forderung, die Vorschrift in Zukunft wegfallen zu lassen. 592 ZB: Schlechtriem, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band II, 1981, S. 1622; Κ Schmidt, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 525 ff. (528). 593 Hoffmann, NJW 1967, 1207 (1209). 594 Vgl. Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 1965, S. 188. 595 Die societas erzeugte als Schuldverhältnis Rechte und Pflichten nur unter den Gesellschaftern, aber keine Vertretungsmacht nach außen; es fehlte an der rechtlichen Einheit, sie war eben keine juristische Person. Rechtshandlungen des einzelnen Gesellschafters wirkten nur für und gegen ihn, nicht aber gegenüber der Gesamtheit der socii; Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, 16. Auflage, 1992, § 43 I 2 = S. 206; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, 6. Auflage, 1991, S. 320 f.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

fältige und loyale Amtserfüllung (duty of care and loyality) durch die konkrete Handlungsverfassung sichergestellt. Dieser Mechanismus der Verhaltenssteuerung verliert durch die Herabminderung des Sorgfaltsmaßstabs an Bedeutung, eine ordentliche Geschäftsführung des Verbandes sicherzustellen. Fällt aber ein typisches verbandsrechtliches Korrelat der organschaftlichen Machtfülle teilweise, muss an seine Stelle ein anderer Ausgleichsmechanismus entweder hinzutreten oder doch an Bedeutung hinzugewinnen, um eine ordentliche Geschäftsführung der Gesellschaft zu garantieren. Und diesen wird man - entgegen dem Willen der 1. und 2. Kommission - gewiss nicht finden können in Hinweisen auf eine metaphysisch anmutende, enge und freundschaftliche Verbindung der Gesellschafter, die sich als Kampfgenossen zum Bund zusammengeschlossen haben, in der jeder den anderen so zu nehmen hat, wie er eben ist. Es gilt den Grund zu finden.

B. Die Entstehungsgeschichte des § 708 BGB Die M o t i v e 5 9 6 zum ersten Entwurf des BGB stellen zur Begründung des späteren § 708 BGB - ohne dies weiter auszuführen - auf die Besonderheiten des Gesellschaftsverhältnisses ab und verweisen auf die bestehende Rechtslage, insbesondere des damals geltenden A D H G B Art. 94 ADHGB. (1) Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft den Fleiß und die Sorgfalt anzuwenden, welche er in seinen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. (2) Er haftet der Gesellschaft für den Schaden, welcher ihr durch sein Verschulden entstanden ist. Er kann gegen diesen Schaden nicht die Vortheile aufrechnen, welche er der Gesellschaft in anderen Fällen durch seinen Fleiß verschafft hat. des preußischen Landrechts Pr. ALRI, 17 § 211. Gesellschafter sind bey dem Betriebe des gemeinschaftlichen Gewerbes zu demjenigen Grade von Fleiß und Aufmerksamkeit verpflichtet, den ein Jeder in seinen eigenen Geschäften anzuwenden pflegt. Pr. ALR I, 17, § 212. Ist aber einem Gesellschafter, außer seinem Antheile am Gewinne, noch eine besondere Besoldung oder Belohnung für die Besorgung eines gewissen Geschäfts ausgesetzt worden: so muß er ein dabey begangenes Versehen nach allgemeinen über das Geschäft selbst ergangenen gesetzlichen Vorschriften, ohne Rücksicht seiner persönlichen Eigenschaften, vertreten. 596 Motive II, S. 601 f. Die Motive verweisen auch auf Art. 231 des Dresdener Entwurfs eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse (Hrsg. Franke) von 1866, der lautet: Beruht das Schuldverhältnis auf einer Rechtgemeinschaft unter den Betheiligten, so kann jeder derselben sich von der Haftung für geringe, nicht aber von der Haftung für grobe Fahrlässigkeit durch den Nachweis befreien, daß er in seinen eigenen Angelegenheiten nicht sorgfältiger zu sein pflege. Allerdings heißt es in Art. 788: Hat ein Gesellschafter durch seine Verschuldung Schaden verursacht, so hat er Ersatz zu leisten, ohne daß er dagegen den Vorteil aufrechnen kann, welchen er den Gesellschaftern in anderen Fällen durch seine Sorgfalt verschafft hat. Vgl. auch Protokolle II, S. 419.

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und des Schweizer Obligationenrechts Art. 538 SchweizOR. (1) Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft den Fleiß und die Sorgfalt anzuwenden, die er in seinen eigenen anzuwenden pflegt. (2)... (3) Der geschäftsführende Gesellschafter, der für seine Tätigkeit eine Vergütung bezieht, haftet nach den Bestimmungen über den Auftrag.

Unter den Tisch fallen ließ man, dass anderen Rechtsordnungen eine entsprechende Haftungsmilderung für den Gesellschafter unbekannt ist oder sie bereits abgeschafft hatten 597 . Die schon bestehenden Reglungen nahm man recht undifferenziert zum Vorbild, man orientierte sich maßgeblich - wie die Protokolle der Verhandlungen der zweiten Kommission zeigen - an der Regelung des ADHGB. In der Umsetzung des BGB fehlt eine Berücksichtigung des in Pr. ALR I, 17 § 212 und Art. 538 Abs. 3 SchweizOR enthaltenen Rechtsgedankens, wonach von § 708 BGB für den Fall einer besonderen Vergütung eine Ausnahme zu machen ist. Entsprechend schlugen Autoren damals vor, eine entsprechende Vorschrift in das BGB zu übernehmen 598. Aber dieser Gedanke spielte - soweit ersichtlich - im weiteren Gesetzgebungsgang keine Rolle mehr. In der zweiten Kommission gab es Bestrebungen, den § 708 BGB aus dem Gesetzeswerk zu kippen. In den Verhandlungen wurde der Antrag gestellt, den späteren § 708 BGB zu streichen 599, um somit die Gesellschafter der Haftung für jedes Verschulden zu unterwerfen. Die Beschränkung der Haftpflicht passe nicht auf Erwerbsgemeinschaften. Der Gesellschafter, der die Geschäfte der Gesellschaft besorge, handele in gemeinsamen Angelegenheiten, also nicht ausschließlich in seinen eigenen, sondern auch in fremden. Dies gelte erst recht, wenn die Geschäftsführung einzelnen Gesellschaftern übertragen sei 6 0 0 , wobei die Minderansicht explizit auf die Rechtslage im Verein abstellt, dessen Vorstandsmitglieder - selbst wenn sie sich aus Verbandsmitgliedern rekrutierten - für jedes Verschulden einzustehen hätten 6 0 1 . Wer sich aus freien Stücken an einer Gesellschaft beteilige, übernehme hinsichtlich der Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten die Verpflichtung, dasjenige Maß an Sorgfalt anzuwenden, das ein gewissenhafter Schuldner zu beobachten hätte. Fände sich der Satz der beschränkten Haftung nicht im römischen Recht, wäre er nicht in die Gesetzgebung übernommen worden. Er gehöre zu denjenigen Rechtsätzen, die sich erhalten hätten, obwohl ihre Zeit längst abgelaufen sei 6 0 2 . 597 Hoffmann, NJW 1967, 1207 (1208) Fn. 12; derselbe, AcP Bd. 167 (1967), 394 (396). 598 Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band II, 1890 (Nachdruck 1967), S. 349. 599 Vgl. Protokolle II, S. 418, Antrag 2 zu § 633. 600

Ein Gedanke, der bei Wiedemann, W M Sonderbeilage 7/1992, S. 16 wieder auftauchen wird. 601 Schon damals wurde die prinzipielle Vergleichbarkeit zwischen dem Handlungsorgan und Organwaltern des Vereins und den Organen der GbR gesehen.

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Die Mehrheit entschied sich für § 708 BGB. Abgestellt wurde maßgeblich darauf, dass die beschränkte Diligenzpflicht der Gesellschafter fast durchweg im (damals) geltenden Recht, insbesondere dem ADHGB 6 0 3 , anerkannt sei, wodurch die Richtung, in welche das BGB zu gehen habe, vorgezeichnet sei. Läge allerdings nicht diese Übereinstimmung mit der geltenden Rechtslage vor, könnte man der Gegenauffassung bis zu einem gewissen Grade die Berechtigung nicht absprechen. Da es sich aber um einen überkommenen Rechtssatz handele, der sich bewährt habe und zu Zweifeln und Beanstandungen keinen Anlass gegeben habe, fehle es an einem hinreichend Grund, um vom geltenden Recht abzuweichen. Der Grundsatz, dass Gesellschafter nur für ihre Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten haften, sei tief im Volksbewusstsein verhaftet 604 . In der maßgebenden Begründungssentenz heißt es, dass „Personen, die miteinander einen Gesellschaftsvertrag einzugehen beabsichtigen, sich gegenseitig so nehmen wollen, wie sie einmal seien, daß jeder Theil von vorneherein die Individualität des anderen ins Auge fasse und daher nur verlange, daß er in den gemeinschaftlichen Angelegenheiten dieselbe Sorgfalt übe, wie in den eigenen" 605 . Modern verpackt heißt das bei Peter-Christian MüllerGraffy der maßgebliche Grund des § 708 BGB liege im Risikoverteilungsgedanken, nämlich dem Gedanken, die Personengesellschafter seien typischerweise bereit, im Rahmen des Gesellschaftszwecks das Risiko der Individualität, also auch des eigenüblichen Verhaltens, des Mitgesellschafters einzugehen606. Dieser Gedanke findet sich schon bei Gajus: quia qui parum dilegentium sibi socium adquirit, de se queri sibique hoc imputare debet Gajus, D. 17, 2, 72.. Zwei Begründungsansätze bietet also die zweite Kommission an: einmal der Hinweis auf das gewachsene Volksbewusstsein und eine lange Rechtstradition, die an der begrenzten Diligenzpflicht festhalten, und zum anderen der klassische Hinweis darauf, dass die Gesellschafter einander so nehmen wollten, wie sie einmal sind. Dass diese Begründung nicht ausreichen kann, um § 708 BGB im Zeitalter der modernen Erwerbsgesellschaften zu erklären, wird sich bald zeigen.

602 Protokolle II, S. 419 f. 603 Trotz entgegenstehender Bedenken, insbesondere dem preußischen Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, entschied sich die Nürnberger Kommission für eine Übernahme der beschränkten Diligenzpflicht, da sie im Volksbewusstsein tief verankert sei. 604 AA Julius v. Gierke , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht II, 5. Auflage, 1941, § 44 II 1 b = S. 49: „Diese aus dem römischen Recht stammende Vorschrift widerspricht dem deutschen Rechtsbewußtsein, sie ist auch ganz unsozial. Wer sich zu einer Gesellschaft mit anderen verbindet, soll alle Kräfte anspannen und sollte sich nicht damit entschuldigen dürfen, daß er in eigenen Angelegenheiten dösig ist". 605 Protokolle II, S. 420. Weiter heißt es: „Wer eine Gesellschaft eingehe, beabsichtige seine Interessen zu fördern; die Meinung, daß er damit verpflichtet werde, ein höheres Maß von Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen, liege ihm aber fern". Vgl. RGZ 143, 212 (215), Az: IV 369/33. 606 Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (481 f.) unter Hinweis auf die Begründung der Kommissionsmehrheit.

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Insbesondere Art. 94 ADHGB musste in der zweiten Kommission zur Begründung des § 708 BGB aus der jüngeren Rechtsgeschichte heraus herhalten. Schon Art. 94 ADHGB war eine im Gesetzgebungsverfahren umstrittene Vorschrift. Der preußische Entwurf von 1857 verlangte in seinem Art. 99 Abs. 2 von den Gesellschaftern noch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns 607. Dennoch hat sich die Nürnberger Kommission bei den Beratungen einmütig dahin entschieden, die beschränkte Haftung des Gesellschafters zu übernehmen. Die Auffassung, dass die Gesellschafter nur culpa in concreto zu vertreten hätten, sei so tief in das Volksbewusstsein eingedrungen, dass sich die Nürnberger Kommission, die die entgegenstehenden Bedenken durchaus nicht übersehen, sondern auch gewürdigt hat, dahin entschied, die beschränkte Gesellschafterhaftung auch in den Handelsverkehr zu übernehmen 608.

C. Herkunft aus dem römischen Recht Regelmäßig findet sich der Hinweis auf die Wurzeln der beschränkten Diligenzpflicht i m Recht der römischen societas. Bei Gajus heißt es in den Digesten: Gaj. D. 17, 2, 72. Socius socio etiam culpae nomine tenetur, id est desidiae atque neglegentiae. Culpa autem non ad exactissimam diligentiam dirigenda est: sufficit etenim talem diligentiam communibus rebus adhibere, qualem suis rebus adhibere solet, quia qui parum dilegentium sibi socium adquirit, de se queri sibique hoc imputare debet. Ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte der societas i m römischen Recht kann helfen, die Vorschrift zu verstehen. Die societas geht geschichtlich auf zwei Wurzeln zurück, das altrömische consortium und die kapitalistische Erwerbsgesellschaft 6 0 9 Nach altrömischem Recht konnte das Rechtsverhältnis, das nach dem Tod des paterfamilias unter mehreren Hauserben (sui heredes) als fortgesetzte Hausgemeinschaft besteht («consortium )610, auch künstlich durch nachformenden Rechtsakt geschaffen werden 6 1 1 . Der Rechtsakt, mit dem dieses Verhältnis begründet wurde, eine formgebundene legis actio, führte nicht nur eine Vergemeinschaftung des gesamten Vermögens der Gesellschafter herbei, wie sie unter den sui here-

607 Protokolle II, S. 419; Ballerstedt, JuS 1963, 253 (258). 608 Protokolle II, S. 420; vgl. Ballerstedt, JuS 1963, 253 (259). 609 Wieacker, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung, Bd. 69 (1952), 488 (490 ff.) unter Aufgabe seiner streng monistischen Deutung. Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, 16. Auflage, 1992, § 43 I 1 = S. 205. 610 Für die Entwicklung der societas ist dabei bedeutsam, dass die fortgesetzte Hausgemeinschaft der Hauserben (sui heredes) nicht nur das ererbte Vermögen gemeinsam verwaltet, sondern auch jenes Vermögen, das in der Zeit nach dem Erbfall aus der gemeinsamen Wirtschaft erworben wurde. 611 Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, 6. Auflage, 1991, S. 320; Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, 16. Auflage, 1992, § 43 I 1 a = S. 205; derselbe, Römisches Privatrecht I, 2. Auflage, 1971, § 24IV = S. 101.

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des 612 als Miterben bestand, sondern auch eine familienrechtliche Verbrüderung, die den Gesellschaftern personenrechtlich die gleiche Stellung gab, als wären sie als (agnatische) Geschwister einem gemeinsamen paterfamilias nach seinem Tod nachgefolgt 613. Die certa legis actio machte das gesamte gegenwärtige und zukünftige Vermögen der Gesellschafter zu Gesamtgut614. Diese nachgeformte Brüderschaft kommt in der frühen klassischen Zeit aus der Übung, lebte aber fort in der formlos gegründeten societas omnium bonorum, in der sich einige Wesenszüge des consortiums bewahren, insbesondere dass ein gemeinschaftliches Vermögen 615 begründet wurde, neben dem die Gesellschafter kein Sondergut mehr haben 616 . Neben der Gesamtgesellschaft entwickelte sich im Zeitalter der wirtschaftlichen Erschließung (jüngere Republik) eine Erwerbsgesellschaft als formloser Zusammentritt von Vermögensträgern zu gemeinsamen Handelsunternehmungen. Sie war primär ein Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern, kein Gemeinschaftsverhältnis familiärer oder nachgeformt familiärer Art; sie gründete sich auf die bona fides und konkrete Abreden, aus denen sich ergab, wie weit die Beteiligten ihr Vermögen dem gemeinsam zu erreichenden Zweck zuordnen wollten. Gesamtgesellschaft und Erwerbsgesellschaft verschmelzen 617. Da sich die societas neben ihrem erwerbsgesellschaftlichen Wurzeln aus der societas omnium bonorum und dem consortium mit engem familiären Hintergrund entwickelte (Familiengesellschaften), entstand die Anschauung, dass unter den Gesellschaftern ein jus fraternitatis walte 618 : 612 Sui heredes sind diejenigen Personen, die beim Tode des paterfamilias unter seiner Hausgewalt gestanden haben. Sie werden erst mit seinem Tode vermögensfähig, und die Erbschaft, die ihnen zufällt, ist zunächst ihr einziges Vermögen, das ihnen als ungeteiltes Gesamtgut gehört. Es ist daher nur folgerichtig, dass bei der künstlichen Verbrüderung alles Vermögen der Gesellschafter vergemeinschaftet wird (Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, 16. Auflage, 1992, § 43 11 a = S. 206; Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 343). 613 Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, 16. Auflage, 1992, § 43 11 a = S. 205; derselbe, Römisches Privatrecht 1,2. Auflage, 1971, § 24IV = S. 101; vgl. Ulp. D. 17,2,63, pr. 614 Unklar ist, zu welchem Zweck das künstliche consortium geschaffen wurde. Es diente wohl eher dem Zusammenschluss von Agnaten oder Gentilen als von völlig Fremden. Der Verbrüderungsakt sollte wohl dazu dienen, nachdem ein consortium aufgrund des Begehrens eines Genossen unter Aufteilung des Vermögens aufgelöst wurde, die Gemeinschaft unter den übrigen Mitgliedern fortzusetzen; vgl. Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, 16. Auflage, 1992, § 43 I 1 a = S. 206; derselbe, Römisches Privatrecht I, 2. Auflage, 1971, § 24IV = S. 101.

615 Die Gesamtgesellschaft, d. h. die Gemeinschaft des gesamten Vermögens, ließ Einschränkungen zu, zB. Paul., D. 17, 2, 3, 2; vgl. Käser, Römisches Privatrecht I, 2. Auflage, 1971, § 133 I = S. 573. 616 Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, 6. Auflage, 1991, S. 320; Käser, Römisches Privatrecht, Studienbuch, 16. Auflage, 1992, § 43 I 1 a = S. 206; derselbe, Römisches Privatrecht I, 2. Auflage, 1971, § 133 I = S. 573. 617 Käser, Römisches Privatrecht I, 2. Auflage, 1971, § 133 I = S. 573.

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Ulp. D. 17, 2, 63, pr. Hoc enim summam rationem habet, cum societas ius quoadammodo fraternitatis in se habet.

Dass die Gesellschafter gegenseitig nur für culpa in concreto einstehen, folgt aus dem familiären Charakter der alten societas 619. Unbefriedigend ist in der Tat die Erklärung, die man bei Gajus findet: quia qui parum dilegentium sibi socium adquirit, de se queri sibique hoc imputare debet 620. Dieser Grund würde bei jedem Vertrag zutreffen 621 . Der Rechtssatz der beschränkten Haftung hat sich eben traditionell erhalten, auch nachdem die societas ihren ursprünglichen agrarischen, familiären Charakter abgestreift hat; obwohl er nicht passt 622 . Auch Wieacker hat mit Blick auf die doppelten Wurzel des klassischen Gesellschaftsrechts bemerkt, dass man sich damit abfinden muss, dass auch den Klassikern die volle Verschmelzung der beiden Ausgangsformen nicht gelungen ist 6 2 3 . Früher war sogar kontrovers, ob der socius nur für dolus oder auch für culpa hafte, wobei sich die erste Meinung mit darauf stützte, dass der socius wesentlich zugleich für sich selber handele 624 . Dieses Argument ist heute auch wieder in Gebrauch von Ulmer, wenn es darum geht, die Vorschrift des § 708 BGB zu rechtfertigen 625.

Festzuhalten ist, dass der Grundsatz der diligentia quam in suis sich maßgeblich auf das altrömische Rechtsverhältnis des consortiums zurückführen lässt und ihm ein personenrechtlicher, familiärer Charakter innewohnt. Aus Gründen der Tradition hat er sich im Recht der societas erhalten, obwohl er, wie schon Dernburg vor über 100 Jahren festgestellt hat, nicht passt 626 .

D. § 708 BGB in der Rechtswirklichkeit Die Vorschrift des § 708 BGB ist nicht sonderlich beliebt. Deshalb bemüht sich die Rechtsprechung unter wohlwollender Kenntnisnahme der Lehre um eine restriktive Handhabung des § 708 BGB. H. P. Westermann bringt das Hauptproblem von Lehre und Praxis im Umgang mit dieser Vorschrift auf den Punkt: wie kann die in der rechtspolitischen Diskussion geforderte Abschaffung der Vorschrift 618 Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 343 f. 619 Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 344. 620 Gajus, D. 17, 2, 72. 621 Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 344 Fn. 8. 622 Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 344; vgl. auch Protokolle II, S. 419. 623 Wieacker, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung, Bd. 69(1952), 488 (491). 624 y. Keller (Hrsg. Lewis), Pandekten II, 2. Auflage, 1867, § 346 e = S. 102. 625 Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 1; HGB-Großkommentar/ Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 11. 626 Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 344.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

durch eine Einschränkung des Anwendungsbereichs möglichst vorweggenommen werden 627 ? Einer der Hauptdiskussionspunkte ist die Anwendung des § 708 BGB im Straßenverkehr 628, die hier aber nicht weiter interessieren soll. Der Schwerpunkt der folgenden Betrachtungen soll alleine auf der Anwendung des § 708 BGB auf die geschäftsführenden Organe von GbR, oHG und KG liegen.

I. Der „nicht rechtsfähige" Verein

Im Jahre 1934 stellte das Reichsgericht klar, dass trotz der Verweisung des § 54 S. 1 BGB der § 708 BGB auf den nicht eingetragenen Verein keine Anwendung findet. Zur Begründung verweist es auf den in den Protokollen zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, dass die mildere Haftung des Gesellschafters dem persönlichen Charakter des Gesellschaftsverhältnisses entspreche 629. Dieses persönliche Verhältnis, das unter den Gesellschaftern einer Gesellschaft zu bestehen pflege, werde dagegen beim nicht eingetragenen Verein meistens fehlen, schon weil er per definitionem auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt sei 6 3 0 . Wegen der andersartigen Struktur des Vereins wird § 708 BGB trotz der pauschalen Verweisung in § 54 S. 1 BGB nicht angewandt631. Für den eingetragenen Verein gilt wegen der Verweisung des § 27 Abs. 3 BGB der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 BGB. § 708 BGB findet unstreitig keine Anwendung 632 .

II. Die Gemeinschaft, §§ 741 ff. BGB Auf die Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) findet § 708 BGB keine entsprechende Anwendung. Der BGH führt zur Begründung aus 633 : „Das ergibt sich schon aus dem Gesetz und entspricht der, soweit ersichtlich, einhelligen Meinung. Die Einfügung einer dem § 708 BGB entsprechenden Vorschrift ist bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches aus-

627 Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 708, Rdnr. 1. 628 Dazu zB: Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (489 ff.); Münchener KommentarUlmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 11. 629 RGZ 143, 212 (215), Urt. v. 18. 01. 1934, Az: IV 369/33 mit Hinweis auf Protokolle II, S. 215. 630 RGZ 143, 212 (215), Urt. v. 18. 01. 1934, Az: IV 369/33. Daraus zieht das RG den Schluss, dass § 708 BGB durch die Satzung abbedungen wurde, sich also die Haftung des Vorstandes nach § 276 BGB bestimme. 631 Münchener Kommentar- Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 5. 632 Erman-//. Ρ Westermann, 10. Auflage 2000, § 27, Rdnr. 7. Vgl. BGH, in: NJW-RR 1986, 572 (574), Urt. v. 26. 11. 1985, Az: V I ZR 9/85; Protokolle II, S. 419. 633 BGHZ 62, 243 (245), Urt. v. 26. 03. 1974, Az: V I ZR 103/72.

2. Abschn., § 6 Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

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drücklich abgelehnt worden (Prot. 2,768). Eine entsprechende Anwendung des § 708 BGB verbietet sich, weil die lose, oft zufällige Verbindung der Gemeinschafter nicht vergleichbar ist mit der selbstgewählten Verbindung von Gesellschaftern, die sich deshalb »so nehmen sollen, wie sie sind« (RGZ 143,215)".

I I I . Die Publikumsgesellschaft und die GmbH & Co.

1. Die Publikumsgesellschaft BGHZ 69, 207 hat die Anwendung des § 708 BGB auf die Organpersonen einer Publikumsgesellschaft abgelehnt634. Der Vorschrift liege eben der Gedanke zugrunde, dass Personen, die miteinander einen Gesellschaftsvertrag eingehen und damit ein persönliches Vertrauensverhältnis begründen, sich gegenseitig so nehmen wollten, wie sie allgemein sind. Jeder Teil dürfe deshalb vom anderen nur erwarten, dass er in den gemeinschaftlichen Angelegenheiten die gleiche Sorgfalt übe wie in seinen eigenen. Mit Sinn und Zweck des § 708 BGB sei es nicht zu vereinbaren, der Organperson einer Publikumsgesellschaft - also eines Gesellschaftstyps, bei dem anders als in der gesetzestypischen Personengesellschaft zwischen den Gesellschaftern kein persönliches Vertrauensverhältnis bestehe - die Haftungsbeschränkung auf die diligentia quam in suis rebus zu gute kommen zu lassen. Eine solche Anwendung würde die schützenswerten Interessen der Mitgesellschafter außer Acht lassen. Ohne ihn expressis verbis anzusprechen, scheint der maßgebliche Gesichtspunkt durch. Wo keine gegenseitige Kontrolle der Gesellschafter mehr möglich ist und den Gesellschaftern nur geringe Mitwirkungsrechte zustehen635, sie also auf den Gang der Gesellschaft kaum Einfluss nehmen können, ist für die Anwendbarkeit des § 708 BGB kein Raum.

2. Die GmbH & Co. Noch nicht in allen Facetten abschließend geklärt ist die Anwendung des Sorgfaltsmaßstabs des § 708 BGB auf den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG. Soll für ihn der Haftungsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG gelten oder die Haftungserleichterung des § 708 BGB? Die Meinungen in der Literatur sind gespalten. Erschwert wird die Situation dadurch, dass die zwischen dem GmbH-Geschäftsführer und der Kommanditgesellschaft bestehende organisations634 BGHZ 69, 207 (209 f.), Urt. v. 04. 07. 1977, Az: II ZR 150/75. Konkret zu entscheiden war, ob dem Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft, der Mitglied eines mit Uberwachungsaufgaben ausgestatten Verwaltungsrates ist, die Haftungsbeschränkung des § 708 BGB zugute kommt. Aber die Ausführungen passen auf alle Organpersonen einer Publikumsgesellschaft. 635 Vgl. BGH, in: NJW 1995, 1353 (1355) und Lt. 1, Urt. v. 14. 11. 1994, Az: II ZR 160/ 93; die Entscheidung betraf eine Publikumsgesellschaft in der Form einer GmbH & Still.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

rechtliche Verbindung in Analogie zu §§ 309, 317, 323 AktG nicht erkannt wird 6 3 6 (siehe § 12 Β I), also § 708 BGB direkt von der herrschenden Meinung nur im Verhältnis zwischen Komplementär-GmbH und Kommanditgesellschaft angewendet werden kann. Und was ist schon eigenübliche Sorgfalt einer GmbH? Die Probleme der Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft spielen danach für die herrschende Meinung auf zwei Ebenen. Einmal die Frage, ob sich der Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer anderswie konstruieren lässt, oder ob sie auf einen Anspruch gegen die GmbH beschränkt bleibt; zum anderen die Frage, ob und wenn wie § 708 BGB zum Zuge kommt. Noch 1955 lehnte der sechste Senat des Bundesgerichtshofs einen unmittelbaren (vertraglichen) Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ab 6 3 7 . Das AnstellungsVerhältnis bestehe ausschließlich zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer; der Kommanditgesellschaft würden dadurch keine unmittelbaren Ansprüche gegen den Geschäftsführer erwachsen. Allerdings könne die GmbH einen Anspruch gegen ihren Geschäftsführer aus § 43 GmbHG haben, wenn sie (die GmbH) aus ihrer Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft gegenüber hafte. Soweit die GmbH als persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft deren Geschäfte führe, habe sie nach § 708 BGB nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt 638 . Im konkreten Fall bejahte der BGH die Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt mit folgender - zunächst eigenwillig wirkender - Argumentation. Die Argumentation wird aber vor dem Hintergrund verständlich, dass in der Gerichtspraxis kurzerhand eine allgemein nachlässige Verhaltensweise des Betreffenden als bewiesen gilt, wenn der Schädiger durch sein fahrlässiges Verhalten zugleich sich oder sein Eigentum schädigt 639 . „Die GmbH war der einzige Gesellschafter der Kommanditgesellschaft, bei dem die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern nicht auf eine bestimmte Vermögenseinlage beschränkt war. Sie allein haftete vielmehr aus dem Schrankgeschäft persönlich. Es ist naheliegend und ohne weiteres anzunehmen, daß sie schon aus der Sorge für ihre eigene Existenz bestrebt war, einen Schaden zu vermeiden und daher in eigener Sache keine größere Sorgfalt anzuwenden pflegt, als sie es bei Abschluss des Schrankgeschäfts getan hat" 6 4 0 . Dies sei umso mehr anzunehmen, als auch persönliche und eigene Interessen des

636 Vgl. BGHZ 75, 321 (322), Urt. v. 12. 11. 1979, Az: I I ZR 174/77; da zwischen dem Geschäftsführer der GmbH und der Kommanditgesellschaft sich nicht ohne weiteres ein irgendwie geartetes unmittelbares vertragliches oder organschaftliches Verhältnis begründen lässt, muss der BGH auf die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zurückgreifen. 637 BGH, in: W M 1955, 61 (63 f.) und Lt. 4, Urt. v. 28. 09. 1955, Az: V I ZR 28/53. 638 BGH, in: W M 1955, 61 (64) und Lt. 6, Urt. v. 28. 09. 1955, Az: V I ZR 28/53. 639 Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 1965, S. 188. Vgl. auch Hoffmann, NJW 1967, 1207 (1208). 640 BGH, in: W M 1955, 61 (64), Urt. v. 28. 09. 1955, Az: V I ZR 28/53.

2. Abschn., § 6 Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

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Geschäftsführers auf dem Spiel standen, weil er eigene Mittel zu Verfügung stellte, um die Durchführung des Geschäfts zu ermöglichen.

Dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH kommt nach diesem Ansatz der § 708 BGB mittelbar zugute, weil er der GmbH nur insoweit Ersatz schuldet, als die GmbH durch ihre Ersatzpflicht gegenüber der Kommanditgesellschaft geschädigt ist. Denn die GmbH haftet der Kommanditgesellschaft nur für die eigenübliche Sorgfalt (§ 708 BGB). Da die GmbH aber nur durch ihren konkreten Geschäftsführer handeln kann, dessen Handlungen rechtlich als Handlungen der GmbH gelten, wird seine eigenübliche Sorgfalt zur Sorgfalt der GmbH. Haftet die GmbH nun ihrerseits nicht gegenüber der Kommanditgesellschaft, weil sie sich im Rahmen ihrer eigenüblichen Sorgfalt gehalten hat, die der Sorgfalt ihres Geschäftsführers entspricht, fehlt es der GmbH an einem Schaden, so dass ein Anspruch aus § 43 GmbHG mangels Schaden ausscheidet. Da es sich bei der fraglichen GmbH & Co. KG um eine Familiengesellschaft gehandelt hat, bei der alle Mitglieder der Kommanditgesellschaft zugleich Mitglieder der Komplementär-GmbH waren, steht die Entscheidung im Ergebnis im besten Einklang mit der Lehrmeinung, die dem Geschäftsführer einer personalistisch organisierten GmbH & Co. KG trotz des § 43 Abs. 1 GmbHG positivierten allgemeinen organschaftlichen Sorgfaltsmaßstabs die Berufung auf das zwischen der Kommanditgesellschaft und GmbH bestehende, inhaltlich durch die eigenübliche Sorgfalt des GmbH-Geschäftsführers ausgefüllte, Haftungsprivileg des § 708 BGB gestatten w i l l 6 4 1 . Warum ein Haftungsprivileg bei der kapitalistischen GmbH & Co. KG - nach allgemeiner Auffassung - nicht in Frage kommt, wird sofort klar. Weil nunmehr schon im Grundverhältnis zwischen Kommanditgesellschaft und GmbH wegen der kapitalistischen Struktur § 708 BGB keine Anwendung findet, kann diese Vorschrift dem Geschäftsführer nicht mehr (mittelbar) zugute kommen. Folgerichtig wurde die Rechtsprechung, dass § 708 BGB innerhalb einer Publikumsgesellschaft nicht anwendbar ist, durch BGHZ 75, 321 6 4 2 auf Publikumsgesellschaften in Form der GmbH & Co. KG ausgedehnt, mit der Folge, dass sich weder die Komplementär-GmbH noch ihr Geschäftsführer auf die Haftungsprivilegierung des § 708 BGB berufen können 643 . Zunächst begründete der zweite Senat des BGH in dem Grundsatzurteil - in Abweichung zu der Entscheidung des sechsten Senats aus dem Jahre 1955 - mit Hilfe der Regeln über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter eine unmittelbare Haftung des Geschäftsführers der 641

Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 5; HGB-Großkommentar/ Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 12; Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 708, Rdnr. 3; Hüffer, ZGR 1981, 348 (362 f.). AA HGB-GroßkommentarI Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 15; Scholz/Schneider, GmbHG, 8. Auflage, § 43, Rdnr. 267; Ballerstedt, JuS 1963, 253 (258 f.). 642 BGHZ 75, 321 (327 f.), Urt. v. 12. 11. 1979, Az: II ZR 174/77; BGHZ 76, 160 (166 f.), Urt. v. 11. 02. 1980, Az: II ZR 41/79; BGH, in: NJW 1995, 1353 (1354 f.) , Urt. v. 14. 11. 1994, Az: II ZR 160/93. 643 BGHZ 75, 321 (327 f.) und Lt. 2, Urt. v. 12. 11. 1979, Az: II ZR 174/77. 13 Bergmann

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft entsprechend § 43 Abs. 2 G m b H G 6 4 4 . I m Anschluss an B G H Z 69, 207 stellt der B G H dann fest, dass sich in einer Publikumsgesellschaft weder die Komplementär-GmbH noch deren Geschäftsführer auf das Haftungsprivileg des § 708 BGB berufen könnten 6 4 5 . In der Entscheidung zieht der BGH die einst vom sechsten Senat 646 begründete Auffassung in Zweifel, die Vorschrift des § 708 BGB komme (mittelbar) auch dem wegen der Schädigung der Kommanditgesellschaft in Anspruch genommenen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zugute, weil die GmbH ihn nur insoweit auf Schadensersatz in Anspruch nehmen könne, als sie selbst der Kommanditgesellschaft Ersatz schulde 647 . Denn dagegen erhebe sich allgemein die Frage, ob nicht der Maßstab für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten bei einer GmbH, die nur durch ihr Vertretungsorgan handeln kann, in jedem Fall durch den für ihre Geschäftsführung maßgeblichen § 43 GmbHG bestimmt werde und schon deshalb für sie stets die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auch die nach § 708 BGB geltende Richtschnur sei. Letztlich konnte der BGH die Frage offen lassen, da im konkreten Fall § 708 BGB nicht anzuwenden war, da es sich um eine Publikumsgesellschaft handelte. Die Nichtanwendbarkeit des § 708 BGB hat der 2. Senat mittlerweile auf die Publikumsgesellschaft in der Form einer GmbH & Still ausgedehnt 648 : Die GmbH muss die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns führen. Bedeutsam ist insbesondere, dass der B G H zur Begründung der Nichtanwendbarkeit des § 708 BGB auf die geringen Mitwirkungsrechte, d. h. auch Kontrollmöglichkeiten der stillen Gesellschafter abstellt, was eine pflichtgemäße und ordentliche Geschäftsführung durch die GmbH in besonderem Maße erforderlich mache, ein Begründungsansatz, der auch schon in B G H Z 69, 207 angeklungen i s t 6 4 9 : wo kaum Kontroll- und keine Mitwirkungsmöglichkeit für die anderen Gesellschafter bestehen, ist für § 708 BGB kein Raum. Kommt der Geschäftsführer der G m b H seiner Pflicht zur ordentlichen Geschäftsführung nicht nach, haben die stillen Gesellschafter einen unmittelbaren Anspruch gegen i h n 6 5 0 .

644 BGHZ 75, 321 (322 ff.) und Lt. 1, Urt. v. 12. 11. 1979, Az: I I ZR 174/77. Diese Entscheidung bezog sich zunächst auf Publikumsgesellschaften, BGHZ 76, 326 (337) und Lt. 2, Urt. v. 24. 03. 1980, Az: I I ZR 213/77 dehnte diese Rechtsprechung auf alle GmbH & Co. KG aus. 645 BGHZ 75, 321 (327 f.) und Lt. 2, Urt. v. 12. 11. 1979, Az: I I ZR 174/77. 646 BGH, in: W M 1955, 61 (64) und Lt. 6, Urt. v. 28. 09. 1955, Az: V I ZR 28/53. 647 Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 334 BGB könnte sich damit der Geschäftsführer auch gegen einen unmittelbaren Anspruch der KG wehren, weil er der GmbH mangels von ihr erlittenen Schadens nicht ersatzpflichtig wäre, vgl. Hüffer, ZGR 1981, 348 (362). 648 BGH, in: NJW 1995, 1353 (1354 f.) und Lt. 1, Urt. v. 14. 11. 1994, Az: II ZR 160/93. 649 BGHZ 69, 207 (210), Urt. v. 04. 07. 1977, Az: II ZR 150/75. 650 BGH, in: NJW 1995, 1353 (1357) und Lt. 3, Urt. v. 14. 11. 1994, Az: I I ZR 160/93, wobei der Anspruch - wie bei der GmbH & Co. - aus der Anwendung der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf den (schuldrechtlichen) Anstellungsvertrag hergeleitet wird.

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3. Reaktionen der Literatur Die Lehre begrüßt, dass der BGH die Vorschrift des § 708 BGB nicht auf Publikumsgesellschaften anwendet, da diese strukturell dem Verein vergleichbar seien 6 5 1 . Dasselbe müsse für kapitalistisch strukturierte, nicht auf engen persönlichen Bindungen und gegenseitigem Vertrauen beruhenden Personengesellschaften gelten 6 5 2 . Das Eingreifen von § 708 BGB richte sich vielmehr nach personalistischer oder kapitalistischer Struktur der Gesellschaft. Insoweit besteht in der Literatur breiter Konsens. Die Einigkeit hört bei der Frage auf, ob dies auch für die GmbH und Co. KG zu gelten habe. Soll also dem Geschäftsführer einer personalistischen GmbH & Co. KG die Wohltat des § 708 BGB (mittelbar) zugute kommen, weil ja seine eigenübliche Sorgfalt in der Amtsführung auch das Verhalten der GmbH ist, oder determiniert der allgemeine organschaftliche Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG die eigenübliche Sorgfalt der GmbH auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns. Die Grenze zwischen Anwendung und Nichtanwendung des § 708 BGB verliefe demnach zwischen personalistischer und kapitalistischer Verbandsstruktur. Viele Autoren können dieser Differenzierung etwas abgewinnen653; zB für Ulmer bedeutet das, dass für die typische GmbH & Co. KG, in der die Kommanditisten zugleich an der GmbH beteiligt seien und deren Geschäfte führten, gegen das Eingreifen von § 708 BGB im Verhältnis GmbH und KG und gegen die Berufung der GmbH-Geschäftsführer auf die daraus etwa resultierende Haftungsmilderung trotz § 43 GmbHG keine Bedenken bestehen654, während der andere Teil der Lehre dies gegenteilig sieht und in der GmbH & Co. auch im Verhältnis GmbH zur KG unabhängig davon, ob es sich um eine Publikums- oder Individualgesellschaft handelt - den Sorgfaltsmaßstab des § 43 GmbHG anwendet655. Auch wenn der zweite 651 Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 5; HGB-Großkommentar/ Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 12; Hüffer, ZGR 1981, 348 (363). 652 Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 5; HGB-Großkommentar/Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 12; Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (492). 653 Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 5; Erman-//. R Westermann, 10. Auflage 2000, § 708, Rdnr. 3; Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (493). 654 HGB-Großkommentar / Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 12; Erman-//. R Westermann, 10. Auflage 2000, § 708, Rdnr. 3; Hüffer, ZGR 1981, 348 (362 f.). 655 Ballerstedt, JuS 1963, 253 (258 f.); Scholz /Schneider, GmbHG, 8. Auflage, § 43, Rdnr. 267: Die Anforderungen an den Geschäftsführer müssen objektiviert werden, da den Gesellschaftern der KG der Einfluss auf die Auswahl des Geschäftsführers fehle; HGB-Großkommentar /Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 15. Die GmbH haftet gem. § 708 BGB für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten. Da die Angelegenheiten der GmbH von ihren Geschäftsführern besorgt werden, gilt der strengere Haftungsmaßstab des § 43 GmbHG auch im Verhältnis der GmbH zur KG, selbst dann, wenn die Geschäftsführer Kommanditisten sind; in diese Richtung geht die Argumentation von BGHZ 75, 321 (327), Urt. v. 12. 11. 1979, Az: II ZR 174/77, auch wenn der BGH in der Entscheidung die Frage offen gelassen hat, und für die Nichtanwendbarkeit des § 708 BGB auf den konkreten Sachverhalt darauf abstellte, dass es sich um eine Publikumsgesellschaft handele.

13*

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Senat des Bundesgerichtshof die Frage letztlich offengelassen hat, scheint er doch in Abweichung zu der älteren Entscheidung des 6. Senats in die Richtung zu tendieren, dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH in der GmbH & Co. unabhängig von ihrer personalistischen oder kapitalistischen Struktur für jedes Verschulden einzustehen hat. Wie hieß es so schön: Es erhebt sich „allgemein die Frage, ob nicht der Maßstab für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten bei einer GmbH, die nur durch ihr Vertretungsorgan handeln kann, in jedem Fall durch den für ihre Geschäftsführung maßgeblichen § 43 GmbHG bestimmt wird und schon deshalb für sie stets die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auch die nach § 708 BGB geltende Richtschnur ist" 6 5 6 .

E. Erklärungsversuche Hauptsächlich zwei Gesichtspunkte werden für die Haftungsbeschränkung ins Spiel gebracht 657. Der eine - auf ihn stützte sich insbesondere die zweite Kommission - besteht darin, dass sich die Gesellschafter so nehmen müssten, wie sie sind 658 , bzw. mit Ballerstedt ins Positive gewendet, dass die Gesellschafter sich in Hinblick auf die individuelle Persönlichkeit, namentlich die besondere Sachkunde des einzelnen Partners miteinander verbinden und darauf vertrauen, dass jeder Partner mit dem in seinen Angelegenheiten bewährten Eigenschaften hinreichende Bürgschaft für ordnungsgemäßes Verhalten auch in den Gesellschaftsangelegenheiten, an denen er selbst beteiligt ist, bietet 659 . Dabei handelt es sich um den zeitgemäßen Aufguss der Erklärung, die schon Gajus liefert: quia qui parum dilegentium sibi socium adquirit, de se queri sibique hoc imputare debet 660. Und auch der Grund, warum dieser Gedanke nicht weiter hilft, ist schon lange bekannt. Denn dieselbe Erwägung müsste für jeden Vertrag zutreffen 661. Man sucht sich seinen Vertragspartner aus, und trotzdem kommt niemand auf die Idee, den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB nur noch auf den außervertraglichen Verkehr zu erstrecken. Auf ein besonderes Vertrauens- und Freundschaftsverhältnis abzustellen, führt nicht weiter. Bei der persönlichen, engen Verbundenheit handelt es sich um eine typisierende Zustandsbeschreibung 662, die regelmäßig auf Gelegenheitsgesellschaften und solche Verbindungen zutreffen mag, die auf der Schwelle zwischen rein (schuldrechtlicher) GbR 6 6 3 und Gefällig656 BGHZ 75, 321 (327), Urt. v. 12. 11. 1979, Az: IIZR 174/77. 657 Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 59 III 2 a = 1747. 658 Protokolle II, S. 420; HGB-Großkommentar/ Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 11; Ballerstedt, JuS 1963, 253 (258). 659 Ballerstedt, JuS 1963, 253 (258). 660 Gajus, D. 17, 2, 72. 661 Damals: Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 344 Fn. 8.; heute: Hoffmann, NJW 1967, 1207 (1209). 662 Vgl. Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (480).

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keits Verhältnis stehen, die aber noch nicht die Schwelle zur juristischen Person überschritten haben, da ausschließlich die Individuen wahrgenommen werden, aber noch nicht die Gesellschaft als solche, d. h. als überindividuelle soziale Realität. Aber ein besonderes Vertrauensund Freundschaftsverhältnis muss sich nicht unbedingt finden. Vor allem bewirkt ein Freundschafts- und Vertrauensverhältnis allgemein - zB im Auftragsrecht - keine Herabsetzung des Haftungsmaßstabs, sondern eher das krasse Gegenteil 664 . Ein besonderes Vertrauensverhältnis ist unter bestimmten zusätzlichen Bedingungen geeignet, eine Haftung zu begründen, die ansonsten nicht bestünde (zB: Haftung des GmbH-Geschäftsführers aus culpa in contrahendo). Eine besondere Haftungsbeschränkung macht es jedenfalls nicht plausibel 665 . ZB in der personalistischen GmbH bewirken enge persönliche Beziehungen der Gesellschafter per se keine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstab des § 43 GmbHG 666 . Der andere - neuerdings wieder von Ulmer herausgestellte - Gedanke besteht darin, dass die Angelegenheiten der Gesellschaft zugleich auch eigene Angelegenheiten des Gesellschafters seien; auch diesen Gedanken kennt man aus vergangenen Diskussionen, als es um culpa und dolus als Haftungsmaßstab in der Gesellschaft g i n g 6 6 7 . Dem widerspricht aber schon die Tatsache, dass der Gesellschafter nicht alleine ist. Seine Gesellschaftsangelegenheiten sind zugleich fremde Angelegenheiten 6 6 8 . Gleich, wie man zur modernen Gesamthandslehre oder der hier vertretenden Theorie der juristischen Person steht, stets sind die Angelegenheiten der Gesellschaft auch die Angelegenheiten der Mitgesellschafter. Folgt man der modernen Gesamthandslehre oder der hier vertretenen Theorie der juristischen Person, dann sind Gesellschaftsangelegenheiten per se fremde - und ausschließlich fremde - Angelegenheiten, nämlich solche der Gesellschaft. Allenfalls mittelbar, vermittelt über die Mitgliedschaft, sind die Gesellschaftsangelegenheiten eigene Angelegenheiten des Gesellschafters. Schon in den Verhandlungen der zweiten Kommission hat die später unterlegene Auffassung zutreffend hervorgehoben: 663

Und so der societas nahe. 664 Ubbelohde, ZHR Bd. 7 (1864), 199 (240); Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (480); Hoffmann, NJW 1967, 1207 (1209). 665 Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (481). 666 Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (480). Ob in der GmbH die Haftungsregel des § 43 GmbHG zwingend ist, ist umstritten. Jedenfalls wird selbst in der personalistischsten GmbH der Sorgfaltsmaßstab nicht per se alleine aufgrund eines Freundschaftsverhältnisses herabgesetzt, sondern allenfalls durch Satzung, Beschluss oder Anstellungsvertrag; vgl. Lutter / Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 43, Rdnr. 2. 667 Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 1; HGB-Großkommentar/ Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 11; zur Zeit des gemeinen Rechts wurde kontrovers diskutiert, ob der socius nur für dolus oder auch für culpa hafte, wobei sich die erste Meinung mit darauf stützte, dass der socius wesentlich zugleich für sich selbst handele, vgl. v. Keller (Hrsg. Lewis]), Pandekten II, 2. Auflage, 1867, § 346 e = S. 102. Kritisch Κ Schmidt, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 527; Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (482 f.). 668 Vgl. Ubbelohde, ZHR Bd. 7 (1864), 199 (239): „Dem widerspricht schon die Rücksicht auf einen jeden anderen Socius als Berechtigten"; Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (482 f.); Ballerstedt, JuS 1963, 253 (258). Weil der Gesellschafter stets auch in den Angelegenheiten seiner Partner handelt, müsste er sogar besonders sorgfältig agieren.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

„Der Gesellschafter, welcher Geschäfte für die Gesellschaft besorge, handele in gemeinsamen Angelegenheiten, die nicht bloß seine eigenen, sondern auch fremde seien Erfolgsversprechend ist aber ein weitere Hinweis Ulmers drauf, dass gem. § 709 BGB jeder Gesellschafter an der Führung der gemeinschaftlichen Geschäfte beteiligt ist 6 7 0 . Das deutet auf den richtigen Gedanken, mit dem § 708 BGB aus der Verbandsverfassung heraus zu rechtfertigen ist: der einzelne Gesellschafter hat es in kleinen Gesellschaften nicht nur in der Hand die Tätigkeit des anderen zu kontrollieren, sondern auch Nachlässigkeiten und Versehen teils selbst gut zu machen, teils für die Zukunft dadurch zu verhüten, dass er entweder selbst handelnd eingreift oder aber dem unfähigen Gesellschafter aufsagt 671. Deshalb kann man in kleinen Gesellschaften damit leben, den Gesellschafter zwar nicht von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit freizustellen, ihn aber doch nicht für mehr verantwortlich zu machen, als für die diligentia quam suis rebus adhibere solet. Auf einen scheinbar zutreffenden Gesichtspunkt macht H. P. Westermann aufmerksam: für die Verhaltenssteuerung reiche es aus, dass wegen der Haftungs- und Vermögensrisiken alle „in einem Boot" sitzen 672 . Das deutet auf einen Gedanken hin, der auch bei der Diskussion um den zwingenden Charakter des Organisationsprinzips der Selbstorganschaft eine bedeutende Rolle spielt: Handlungslenkung durch unmittelbares persönliches Interesse und Risiko der unbegrenzten persönlichen Haftung, § 128 HGB 6 7 3 . Aber hier wie dort ist der Gedanke heute nicht mehr tragfähig.

F. De lege ferenda In den Gutachten und Vorschlägen zur Überarbeitung des Schuldrechts plädieren Karsten Schmidt und Peter Schlechtriem für eine Streichung der Vorschrift 674 . Eine solche Vorschrift passe nicht mehr ins moderne Geschäftsleben 675. De lege 669 Protokolle II, S. 419: „Sei jeder Gesellschafter zur Geschäftsführung berufen, so liege die Annahme nahe, daß alle zur Anwendung der gleichen Sorgfalt verpflichtet seien, näher als die Annahme, daß für jeden von ihnen ein anderer subjektiver Maßstab gelten solle. Das Handeln des einen könne nur dann dem Handeln des anderen gleichwerthig geachtet werden, wenn man voraussetzen dürfe, daß der eine wie der andere mit der gleichen ordnungsmäßigen Sorgfalt handeln werde". 670 Münchener Kommentar- Ulmer, 3. Auflage, § 708, Rdnr. 1. 671 Vgl. Ubbelohde, ZHR Bd. 7 (1864), 199 (239). 672 Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 708, Rdnr. 1. 673 Vgl. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 152 ff. 674 Schlechtriem, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band II, 1981, S. 1622; K. Schmidt, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 525 ff. (528); derselbe, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 59 III 2 a = S. 1747; Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 1965, S. 196; Hoffmann, NJW 1967, 1207 (1209). AA Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (482). 675 Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 1965, S. 192.

2. Abschn., § 6 Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

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ferenda lasse sich nichts für eine Beibehaltung der Vorschrift anführen; vielmehr beständen an ihrem Gerechtigkeitswert erhebliche Zweifel, da der Nachlässige begünstigt werde; § 708 BGB torpediere die Präventionswirkung der Haftung für fahrlässiges Verhalten, weil er dazu verleite, nachlässiger zu werden, als es der eigenen Natur entspräche 676. Es gebe zwar Fälle, in denen eine Haftungsbeschränkung objektiv angemessen sei und allen Beteiligten auch einleuchte. Für diese Fälle bedürfe es aber nicht des § 708 BGB; eine interessengerechte Lösung lasse sich mit Hilfe der allgemeinen Rechtsgeschäfts- und Schuldrechtslehren erreichen 677 . In den Fällen, in denen sich die Gesellschafter wirklich so nehmen wollten, wie sie einmal sind, lasse sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine stillschweigende Haftungsbeschränkung bejahen 678 . De lege lata will K. Schmidt dieses Ergebnis erreichen, indem er im Wege der teleologischen Reduktion § 708 BGB als Auslegungsregel begreift 679 . Wer zB in einer Familiengesellschaft einem Angehörigen gegen einen geringen Gewinnvoraus das Ruder in die Hand gibt, gesteht ihm vielleicht einen weiteren Beurteilungsspielraum zu, als dem professionellen Manager einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft, der nur Vertrauen genießt, wenn er auch voll verantwortlich ist 6 8 0 .

G. Die diligentia quam in suis zwischen Selbstorganschaft und fehlender Kapitalgarantie Die Beschränkung der Haftung der geschäftsführenden Gesellschafter als Handlungsorgane des Verbandes auf die diligentia quam in suis rebus habere solet ist eine Eigenart von oHG, KG und GbR. Alle drei Verbandstypen sind hinsichtlich ihrer Handlungs-, Finanz- und Haftungsverfassung ähnlich strukturiert. Alle drei Gesellschaften konstituieren ihre Handlungsverfassung über das Prinzip der Selbstorganschaft: die organschaftlichen Handlungskompetenzen werden unmittelbar (bestimmten) Gesellschaftern und keinen von ihnen getrennten abstrakten Institu676 Hoffmann, NJW 1967, 1207 (1209). 677 K. Schmidt, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 527; ähnlich Schlechtriem, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band II, 1981, S. 1623. 678 κ. Schmidt, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band III, 1983, S. 527 f. K. Schmidt nennt insbesondere Fälle, wo gemeinsame Risiken eingegangen werden - zB Rallye-Mannschaften oder Expeditionsteilnehmer - oder wo wie beim Lotteriespiel - unbedeutende Nachlässigkeiten unvorhersehbar einen unverhältnismäßigen Schaden nach sich ziehen können. Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (483) sieht bei der Lösung über den Weg der ergänzenden Vertragsauslegung die Gefahr, dass man schnell auf das Glatteis der Fiktion gerate. 679 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 59 III 2 c = S. 1748; Larenz, FS-H. Westermann, 1974, S. 299 ff. (307): Teleologische Reduktion ist der richtige Weg. Krit. Erman-//. R Westermann, 10. Auflage 2000, § 708, Rdnr. 1; AA Müller-Graff, AcP Bd. 191 (1991), 475 (483). 680 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 59 III 2 c = S. 1749.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

tionen (Vorstand oder Geschäftsführeramt) zugewiesen. In den genannten Gesellschaften fehlt ein gesetzlich garantiertes Mindestkapital, stattdessen trifft die persönlich haftenden Gesellschafter eine unbeschränkte Außenhaftung, § 128 HGB. Als gemeinsame Merkmale lassen sich festhalten: • Selbstorganschaft • kein gesetzlich garantiertes Kapital sondern ausschließlich eine Gesellschafterhaftung Weist ein Verband nicht diese Merkmale gleichzeitig auf, kommt jedenfalls in den modernen Kodifikationen die begrenzte Diligenzpflicht nicht zum Zug, wie anschaulich der Blick auf die KGaA (garantiertes Kapital) und die EWIV (keine Selbstorganschaft) zeigten.

I. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien

Trotz selbstorganschaftlicher Handlungsorganisation verweist das Gesetz im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien ausdrücklich auf § 93 AktG 6 8 1 und institutionalisiert damit in Ubereinstimmung mit den sonstigen Verbandsformen den allgemeinen organschaftlichen Sorgfaltsmaßstab 682. Früher war die Rechtslage in der Kommanditgesellschaft auf Aktien anders. Als die Kommanditgesellschaft auf Aktien noch in den §§ 320 ff. HGB a.F. geregelt war 6 8 3 , ging die wohl hM davon aus, dass der persönlich haftende Gesellschafter der KGaA ebenso wie der Komplementär einer offenen Handelsgesellschaft nur für die diligentia quam in suis einzustehen habe 684 . Dies änderte sich erst durch das AktG von 1937 685 . Dort hieß es in § 225 AktG 1937:

681 § 283 Nr. 3 AktG; vgl. Hüffen AktG, 4. Auflage, 1999, § 283, Rdnr. 2. 682 Vgl. BGHZ 134, 392 (394), Urt. v. 24. 02. 1997, Az: II ZR 11/96. 683 § 320 Abs. 2 HGB a.F. entsprach weitgehend dem heutigen § 278 Abs. 2 AktG. In der Vorschrift des § 325 HGB a.F., der wie der heutige § 283 AktG bestimmte den Vorstand der Aktiengesellschaft betreffende Vorschriften für anwendbar erklärte, fehlte eine dem heutigen § 283 Nr. 3 AktG entsprechende Anordnung. Diese wurde erst durch § 225 Nr. 3 AktG 1937 eingeführt. 684 Dies sei völlig gerechtfertigt, da er für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ja auch voll hafte, vgl. Staub, HGB, 12./13. Auflage, 1926, § 320, Anm. 90, str.; differenzierend: Düringer-Hachenburg, HGB, 3. Auflage, 1935, § 320, Anm. 15: Sei der persönlich haftende Gesellschafter echter Geschäftsinhaber, dann hafte er nur für die diligentia quam in suis, auch wenn er fremdes Kapital in Form von Aktien in Anspruch nehme. Vgl. auch Schreiber, Die KGaA, 1925, § 8 = S. 101. 685 Eine besondere Begründung wurde dazu in der Gesetzesbegründung nicht gegeben, vgl. Begründung zum Gesetz über die Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien vom 30. Januar 1937, in: Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 vom 4. Februar 1937.

2. Abschn., § 6 Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

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§ 225 AktG 1937. Persönlich haftende Gesellschafter. Für die persönlich haftenden Gesellschafter gelten sinngemäß die für den Vorstand der Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften: 1.... 3. über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit;

Diese Vorschrift änderte die bis dahin geltende Rechtslage. Nunmehr trafen die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auf Aktien die gleichen Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeit wie die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft, d. h. sie hafteten nunmehr für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, und nicht mehr für die diligentia quam in suis 686 . Die Regelung des § 225 Nr. 3 AktG 1937 wurde in das heute geltende Aktienrecht von 1965 in § 283 Nr. 3 AktG übernommen. Heute haben die persönlich haftenden Gesellschafter bei ihrer Geschäftsführung - wohl unbestritten - die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden687; die Haftungsmilderung des §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 70S HGB kommt ihnen trotz der Verweisung des § 278 Abs. 2 AktG nicht zugute 688 . Wie in den Verbänden mit beschränkter Diligenzpflicht sind in der Kommanditgesellschaft auf Aktien bei gesetzestypischer Handlungsverfassung die organschaftlichen Handlungsbefugnisse unmittelbar bestimmten Verbandsmitgliedern, nämlich den persönlich haftenden Gesellschaftern, zugewiesen (Selbstorganschaft). Dennoch gilt gem. §§ 283 Nr. 3, 93 AktG der verschärfte, objektive Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen Geschäftsleiters. Dies hat seinen besonderen Grund darin, dass es gilt, das Grundkapital der Gesellschaft vor allzu sorgloser Geschäftsführung zu schützen. Entsprechend bezwecken die meisten der in § 283 AktG besonders gesetzlich hervorgehobenen Geschäftsführungspflichten den Schutz des Stammkapitals. Der Schutz eines Garantiekapitals ist bei oHG, KG und GbR nicht zu besorgen, da hier eine unbeschränkte persönliche Haftung das Garantiekapital ersetzt. Zwar haften auch in der KGaA die Komplementäre unbeschränkt, aber die persönliche Haftung wurde schon in den Gesetzesvorarbeiten gegenüber dem Aktienkapital als von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung angesehen689; da das Unternehmen typischerweise vom Aktienkapital getragen wird, erscheint es angemessen, darauf im Interesse des Gläubigerschutzes den Schwerpunkt zu setzen. Und eine Kapitalgarantie verträgt keine mangelnde Sorgfalt.

686 Großkommentar Aktiengesetz/Barz, 2. Auflage, 1965, § 225, Anm. 4, str.; nach Teichmann/Koehler, AktG, 2. Auflage, 1939, § 225, Anm. 4 bleibt es grundsätzlich bei der Haftung nach § 708 BGB. Diese gelte nur für die durch § 225 AktG 1937 normierten Pflichten nicht. 687 Vgl. BGHZ 134, 392 (394), Urt. v. 24. 02. 1997, Az: II ZR 11/96. 688 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 283, Rdnr. 10.

689 Denkschrift, S. 176; vgl. BGHZ 134, 392 (397), Urt. v. 24. 02. 1997, Az: II ZR 11/96.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

Andersherum liegen die Verhältnisse EWIV. Hier fehlt ein garantiertes Grundkapital, stattdessen haften die Gesellschafter gem. Art. 24 EWIV-Verordnung unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Obwohl auf die EWIV gem. § 1 EWIVAG ergänzend das Recht der offenen Handelsgesellschaft Anwendung findet, verpflichtet § 5 Abs. 1 EWIVAG im Wortlaut des § 93 AktG den Geschäftsführer auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers. Obige Beobachtung wird bestätigt. Die abstrakte Handlungsverfassung der EWIV kommt in weiten Teilen derjenigen der GmbH nahe (Artt. 19 f. EWIV-Verordnung), folgt also nicht dem Prinzip der Selbstorganschaft, wie es in den Verbänden mit beschränkter Diligenzpflicht der Fall ist. Bei der Genossenschaft kann eine unbeschränkte Nachschusspflicht vorgesehen sein, vgl. §§ 6 Nr. 3, 105 GenG, auch wird kein Mindestkapital garantiert. Dennoch setzt § 34 GenG den Sorgfaltsmaßstab auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters fest. Zwar müssen gem. § 9 Abs. 2 GenG die Vorstandsmitglieder Genossen sein und der Gesetzgeber hat sich das Interesse der Genossen am Wohlergehen des Verbandes bewusst zunutze gemacht 690 , dennoch hat dies nichts mit dem Organisationsprinzip der Selbstorganschaft zu tun. Die organschaftlichen Kompetenzen werden dem abstrakten Organ „Vorstand" zugeordnet und nicht unmittelbar den Gesellschaftern. Wie bei der Aktiengesellschaft oder dem Verein ist der Vorstand zu bestellen, mit der Besonderheit, dass nur Mitglieder das Vorstandsamt übernehmen dürfen.

II. Die unbeschränkte Haftung als Rechtfertigung der beschränkten Diligenzpflicht Bleibt die Frage, ob dem von H. P. Westermann aufgezeigten Gesichtspunkt der unbeschränkten Haftung des Handlungsorgans als zusätzliches Regulativ Bedeutung z u k o m m t 6 9 1 . Dahinter steht der früher oftmals bemühte Gedanke einer Handlungslenkung durch das unmittelbare persönliche Interesse der Handlungsorgane an der Wohlfahrt der Gesellschaft mitsamt dem damit korrespondierenden Risiko der eigenen unbegrenzten persönlichen Haftung, § 128 H G B 6 9 2 . Aber zum einen ist heute in der Betriebswirtschaftslehre die Vorstellung überholt, dass Fremdverwalter potentiell unsichere oder schlechtere Unternehmensführer seien 6 9 3 . Und auch die eigene persönliche Haftung des Unternehmensleiters gem. § 128 HGB, die sich zudem nur bei Insolvenz der Gesellschaft realisiert 6 9 4 , hat in den heutigen 690 So insbesondere RGZ 144, 384 (387), Urt. v. 05. 06. 1934, Az: I I 59/34 vor dem Hintergrund der damaligen Haftungsverfassung, die noch eine unmittelbare, unbeschränkte Haftung vorsah. Zweck des § 9 Abs. 2 GenG war es, das Vorstandsmitglied durch seine eigene Haftung als Genösse am Schicksal der Gesellschaft zu interessieren. 691 Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 708, Rdnr. 1. 692 Vgl. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 152 ff. 693 Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 61 ff.; vgl. auch schon Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 119. 694 Die Folgen der Außenhaftung werden dadurch abgemildert, dass der in Anspruch genommene Gesellschafter gem. § 110 HGB von der Gesellschaft Ersatz verlangen kann (HGB-

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Augen nicht mehr die beruhigende Wirkung, die ihr früher beigemessen wurde. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in BGHZ 134, 292 ausgeführt: „Die Erwartung, ein für die Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich haftender Geschäftsleiter werde im Hinblick auf die - angesichts der üblichen Haftungsfreistellungen nur im Insolvenzfall wirklich relevante - Gefahr des Verlustes seiner eigenen wirtschaftlichen Existenz die Geschäfte der Gesellschaft mit größerer Sorgfalt, Vorsicht und Umsicht führen als ein Fremdgeschäftsführer, geht jedenfalls als generalisierende Annahme weitgehend an den Realitäten des modernen Wirtschaftslebens vorbei. Die Sorge vor persönlicher Haftung kann, wie in der gegenwärtigen Diskussion um eine Verschärfung der Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat zu Recht geltend gemacht worden ist (Hopt, Festschrift für Mestmäcker, 1996, S. 909, 914), den Unternehmensleiter auch zu einem übertrieben defensiven Verhalten veranlassen, das zum Schaden der Gesellschafter und Gläubiger der Gesellschaft dazu führt, dass neue risikobehaftete Geschäftschancen nicht wahrgenommen werden, mit der Folge, dass das Unternehmen im schlimmsten Falle den Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung verpasst. Zudem wird die vor allem im modernen Wirtschaftsleben unumgängliche Bereitschaft, auch wirtschaftliche Wagnisse einzugehen, und die Fähigkeit, die mit geschäftlichen Unternehmen verbundenen Chancen und Risiken zutreffend einzuschätzen, weit mehr durch die Persönlichkeit des individuellen Unternehmensleiters und seine unternehmerische Kompetenz bestimmt als durch Erwägungen haftungsrechtlicher Art. Einem in dieser Beziehung nicht ausreichend befähigten Geschäftsführer sind die Kommanditaktionäre bei Führung des Unternehmens durch eine natürliche Person als Komplementär sogar in höherem Maße ausgesetzt als bei Führung durch den Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, der durch entsprechenden Beschluss der GmbH-Gesellschafter jederzeit gegen eine geeignetere Persönlichkeit ausgetauscht werden kann" 6 9 5 .

Die Gewähr einer Außenhaftung mit weitgehender Rückgriffsoption gegen Gesellschaft und Mitgesellschafter kann die beschränkte Diligenzpflicht nicht erklären.

Großkommentar / Ulmer, 4. Auflage, § 110, Rdnr. 16; Baumbach /Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 128, Rdnr. 25; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 47 II 4 c = S. 1374. Für den Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft haftet nur die Gesellschaft; eine persönliche Haftung der Mitgesellschafter gem. § 128 HGB für die Gesellschaftsschuld scheidet aus. Jede andere Lösung wäre mit § 707 BGB nicht zu vereinbaren) und einen (anteiligen) Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Gesellschafter hat (HGB-Großkommentar/ Habersack, 4. Auflage, § 128, Rdnr. 48 f.; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 128, Rdnr. 27). Je nach Lage des Verbandes kann daher die Situation des geschäftsführenden Gesellschafters einer Erfolgshaftung gleichkommen, wenn mangels Gesellschaftsvermögen kein Rückgriff möglich ist. Hier haftet der geschäftsführende Gesellschafter strenger als die Organwalter der übrigen Verbände, die nur für Verschulden eintreten müssen. Hat die Gesellschaft ein hinreichendes Vermögen, hat der Gesellschafter einen durchsetzbaren Freistellungs- oder Ersatzanspruch gegen die Gesellschaft; er muss erst dann für seine Fehlentscheidungen einstehen, wenn er sorgloser als in eigenen Angelegenheiten zu Werke gegangen ist. 695 BGHZ 134, 392 (398 f.), Urt. v. 24. 02. 1997, Az: II ZR 11/96.

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H. Die Erklärung der beschränkten Diligenzpflicht aus der Handlungsverfassung Die bisherigen Erklärungsversuche können die begrenzte Diligenzpflicht nicht befriedigend erklären. Man hat auch an den falschen Stellen nach den Gründen gesucht. Diesen kann man, seitdem die römischrechtliche societas ihren familiären Kinderschuhen entwachsen ist, nicht mehr in personenrechtlichen Beziehungen der Sozien oder in einer Metaphysik des Besonderen einer Verbindung zur Haftungs- und Arbeitsgemeinschaft finden, in der jeder den anderen so zu nehmen hat, wie er nun mal ist. Die beschränkte Diligenzpflicht hat sich aus Tradition erhalten und von Gesellschaftsform auf Gesellschaftsform vererbt 696 . Der Grund, warum sich lange Zeit Stimmen, die die Abschaffung der Haftungsbegrenzung auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten verlangen, kaum Gehör verschaffen konnten, liegt in der Handlungsorganisation begründet. Leichtere unternehmerische Fehler des einen oder anderen Gesellschafters werden von dem selbstorganschaftlich verfassten Systemen der originären Mitgliederselbstverwaltung in einem selbstregulativen Puffersystem auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung kompensiert. Auf das zusätzliche Steuerungsmittel und Korrelat organschaftlicher Machtbefugnisse in Form der organschaftlichen Verantwortlichkeit kann, ohne dass es zum Schaden der Gesellschaft gereicht, bis zur Grenze der §§ 708, 277 BGB verzichtet werden. Die gesetzestypisch verfasste BGB-Gesellschaft oder offene Handelsgesellschaft kann ein unternehmerisches Defizit in der Persönlichkeit eines Kompagnons schadlos verkraften. Der einzelne Sozius hat es idealtypisch nicht nur in der Hand, das organschaftliche Handeln des anderen Sozius für die Gesellschaft zu kontrollieren, er hat zudem die Handlungsmöglichkeiten, Nachlässigkeiten und Fehler des anderen teils selbst zu reparieren, teils für die Zukunft dadurch zu verhüten, dass er entweder selbst handelnd eingreift oder darauf hinwirkt, dass ein unfähiger Gesellschafter durch Entzug der Geschäftsführungsbefugnis kaltgestellt wird, damit dieser kein Unheil mehr anrichten kann, vgl. §§ 715 BGB, 117 HGB 6 9 7 . In einer solchen Situation, in der schon die typische Gewaltenteilung unter den geschäftsführenden Gesellschaftern eine hinreichend sichere Gewähr dafür bietet, dass die Geschicke des Verbandes ordentlich gesteuert werden, kann das 696 Dernburg, Pandekten II, 5. Auflage, 1897, § 125 = S. 344. 697 Vgl. die Beschreibung der oHG in BGHZ 38, 306 (312), Urt. v. 06. 12. 1962, Az: KZR 4/62 (Kartellsenat): „Die gesetzliche und die auch der Rechtswirklichkeit entsprechende Regelform der offenen Handelsgesellschaft ist der Zusammenschluß mehrerer Personen, bei dem diese ihre Arbeitskraft und die verfügbaren Teile ihres Vermögens einem gemeinsamen Unternehmen widmen und bei der durch die Geschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter die Leitung des Unternehmens bei diesen liegt, aber auch die volle Verantwortung für das Unternehmen durch ihre unbeschränkte persönliche Haftung. Im gesetzlichen Regelfall ist die offene Handelsgesellschaft eine Arbeits- und Haftungsgemeinschaft, bei ihr sind die Gesellschafter die selbstverantwortlichen Träger und Leiter eines selbständigen Unternehmens, das zu seiner wirtschaftlichen Erhaltung und Fortbildung auf die tätige, und zwar gesellschaftstreue Mitarbeit der einzelnen Gesellschafter angewiesen ist". Siehe auch: Ubbelohde, ZHR Bd. 7 (1864), 199 (239).

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Schwert der Haftung für Verletzung der Pflicht zur ordentlichen Geschäftsführung bis zur Grenze der §§ 708, 277 BGB in seiner Scheide verbleiben. Das bestätigt der Blick auf die gesetzestypische Handlungsverfassung der BGB-Gesellschaft. Gem. § 709 BGB sind nur alle Gesellschafter gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Jeder Gesellschafter kann darauf hinwirken, dass die richtige Entscheidung getroffen wird, falsche Entscheidungen unterbleiben. Das gilt auch für den Fall, dass alle Gesellschafter in Einzelgeschäftsführung und Einzelvertretung für den Verband auftreten können, wie das in der gesetzestypisch organisierten oHG der Fall ist, §§ 114, 125 HGB 6 9 8 . Es bestehen nicht nur gegenseitige Informations- und Kontrollrechte, sondern auch Widerspruchsrechte (§115 Abs. 1 HS 2 HGB). Die gesetzestypische Handlungsorganisation bietet genug aktive Handlungsmöglichkeiten, um die beschränkte Diligenzpflicht auszugleichen. Gerade diese aktiven Einwirkungsmöglichkeiten eines jeden Gesellschafters sind es, die die Haftungsbegrenzung auf die diligentia quam in suis im Unterschied zB zum unentgeltlichen Auftrag rechtfertigen. Im Auftragsrecht kann zwar der Auftragsgeber über Weisungen (§ 665 BGB) und Informationsrechte (§ 666 BGB) einen mittelbaren Einfluss auf die Ausführungen erlangen, aber die Ausführung als solche obliegt doch dem Beauftragten. Das Entscheidende sind nicht die Informations-, Kontroll- und Weisungsrechte, sondern die unmittelbaren aktiven Einwirkungsrechte, die es ermöglichen, die Sache notfalls selbst in die Hand zu nehmen, wenn der andere gerade nicht kann oder will. Kontroll- und Informationsrechte, ja selbst Weisungsrechte reichen dafür nicht aus, wie das Beispiel der EWIV zeigt. Dies rechtfertigt es alleine, dass der Geschäftsführer einer GmbH oder die Vorstandsmitglieder des Vereinsvorstands trotz prinzipieller Weisungsabhängigkeit und Informationspflicht dem Mitgliederorgan gegenüber für jedes Verschulden nach dem allgemeinen organschaftlichen Sorgfaltsbegriff einzustehen haben. Es besteht zudem ein Zusammenhang zwischen § 708 BGB und der Finanzverfassung. Die beschränkte Diligenzpflicht ist nur vertretbar in Verbänden, in denen keine Kapitalgarantien bestehen. Die unternehmerische Aufgabe der Aufbringung und Erhaltung eines garantierten Stammkapitals und begrenzte Diligenzpflicht sind schon im Sinne des Gläubiger- und Verkehrsschutzes unvereinbar. Im Recht der Β GB-Gesellschaft, der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft muss nicht unter allen Umständen das Gesellschaftsvermögen bis zur Höhe des Garantiekapitals geschützt werden, weil die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten einzustehen haben, also neben dem Gesellschaftsvermögen zusätzliche Haftungsmassen vorhanden sind. Der Grund ist aber nur, dass kein Stammkapital geschützt werden muss, nicht weil persönliche Haftung eine heilsame und warme Wirkung auf den unternehmerischen Geist der Gesellschaftsorgane ausüben würde. Schwierig begründbar erscheint vor diesem Hintergrund die Geltung der diligentia quam in suis im Recht der Kommanditgesellschaft, sind doch die Kommandi698 Denkschrift, S. 83.

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1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

tisten von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen, §§ 164, 170 HGB und ganz auf Kontrollrechte (§ 166 HGB) beschränkt. Das hat einen geschichtlichen Hintergrund. Die heutige Kommanditgesellschaft hat sich aus dem Recht der Stillen Gesellschaft heraus entwickelt 699 . Erst im Verlaufe der Verhandlungen der Nürnberger Kommission wurde sie von der stillen Gesellschaft getrennt. Aber selbst dann stand noch die ausschließlich kapitalistische Beteiligung der Kommanditisten an einem „fremden" Handelsunternehmen im Vordergrund, Art. 150 Abs. 1 ADHGB. Zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern kommt natürlich das selbstregulative System zur Geltung, so dass insoweit die begrenzte Diligenzpflicht wie in der offenen Handelsgesellschaft gerechtfertigt ist, vgl. Art. 150 Abs. 2 ADHGB. Art. 150 ADHGB. (1) Eine Kommanditgesellschaft ist vorhanden, wenn bei einem unter einer gemeinschaftlichen Firma betriebenen Handelsgewerbe, ein oder mehrere Gesellschafter sich nur mit Vermögenseinlagen betheiligen (Kommanditisten), während bei einem oder mehreren anderen Gesellschaftern die Betheiligung nicht in dieser Weise beschränkt ist (persönlich haftende Gesellschafter). (2) Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so ist in Anlehnung ihrer die Gesellschaft zugleich eine offene Gesellschaft. (3)...

Aber doch zeigt das Beispiel der Kommanditgesellschaft die Grenzen des Systems auf. Außerhalb der gesetzestypisch als System der Mitgliederselbstverwaltung verfassten selbstregulierenden Handlungsorganisation der „Selbstorganschaft" ist für eine beschränkte Diligenzpflicht kein Raum. Überall da, wo die Handlungsverfassung abstrakte Organe institutionalisiert, ist für einen herabgemilderten Sorgfaltsmaßstab kein Raum, da es an unmittelbaren aktiven Handlungsmöglichkeiten der anderen Gesellschafter als rechtfertigendes Korrektiv fehlt. Hält man es für zulässig, dass eine offene Handelsgesellschaft oder eine BGB-Gesellschaft vom Organisationsprinzip der Selbstorganschaft abweicht und sich fremdorganschaftlich nach dem Vorbild der GmbH verfasst, ist für eine Berufung der konkreten Organ waiter auf § 708 BGB kein Raum. Aber auch schon dann, wenn die typische Handlungsverfassung von der offenen Handelsgesellschaft und der BGBGesellschaft dergestalt verformt wird, dass das Regulativ wegfällt, besteht für eine Begrenzung des Sorgfaltsmaßstabs keine Rechtfertigung mehr. Das sieht man in der Rechtsentwicklung, Publikumsgesellschaften von der Anwendung des § 708 BGB auszunehmen. Doch liegt der Grund nicht unmittelbar darin, dass solche Verbände kapitalistisch strukturiert sind, sondern dass bei kapitalistisch strukturierten Verbänden die Regulative, mit denen § 708 BGB einhergeht, weggefallen sind. Wo die genaue Grenze zu ziehen ist, hängt vom Einzelfall ab. Ob schon dann § 708 BGB unanwendbar ist, wenn ein einzelner Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen wird, oder erst mehrere, wird von den Verhältnissen des Einzelfalles abhängen. Jedenfalls dann, wenn - unabhängig vom personalistischen 699 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 I 2 a = S. 1529 f.

2. Abschn., § 6 Die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB

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oder kapitalistischen Gesamtcharakter der Gesellschaft - einem einzigen Gesellschafter unter Ausschluss der übrigen die organschaftlichen Kompetenzen ausschließlich zugewiesen werden, also das Regulativ nicht mehr eingreifen kann, ist für eine Anwendung des § 708 BGB kein Raum mehr 700 . Mit zunehmender Machtkonzentration auf den einzelnen Gesellschafter schwindet die Legitimation des § 708 BGB. Die Legitimationsgrenze des § 708 BGB kann schon bei Ressortverteilung, gleichgültig ob sie auf Abrede der geschäftsführenden Gesellschafter oder Gesellschafterbeschluss oder Gesellschaftsvertrag beruht, erreicht sein. Durch die Ressortverteilung werden den geschäftsführenden Gesellschaftern Geschäftszweige zugewiesen, in denen sie weitgehend alleine schalten und walten können. Die typisierende Grundidee des § 708 BGB, notfalls wird der andere Gesellschafter die Fehler seines Kompagnons schon ausgleichen, passt hier nicht mehr. Auch wenn der Grundsatz der Gesamtverantwortung als regulatives Prinzip der Selbstkontrolle der geschäftsführenden Gesellschafter auch hier noch gilt und eine Mindestsicherung garantiert, so ist die typische Einwirkungsmöglichkeit doch nicht mehr so, dass eine Anwendung von § 708 BGB noch gerechtfertigt wäre. Je größer der Freiraum eines geschäftsführenden Gesellschafters ist, umso weniger ist für eine Herabsetzung der Diligenzpflicht Raum. Dasselbe gilt, wenn die Interventionsmittel der geschäftsführenden Gesellschafter untereinander, also insbesondere das Widerspruchsrecht (§115 Abs. 1 HS 2 HGB) beschnitten oder Mitspracherechte nach § 116 Abs. 1, Abs. 2 HGB verkleinert werden.

Für die GmbH & Co. ist damit bereits die Vorentscheidung gefallen. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass eine unmittelbare organisatorische Beziehung zwischen dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der Kommanditgesellschaft besteht (materielle Fremdorganschaft), ist der allgemeine organschaftliche Haftungsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG eine Selbstverständlichkeit. Das materielle Fremdorgan ist nicht soweit in die Handlungsverfassung eingebunden, als dass dies die beschränkte Diligenzpflicht rechtfertigen würde. Aber auch auf dem Boden der herrschenden Lehre, die eine unmittelbare organisatorische Verbindung zwischen GmbH-Geschäftsführer und Kommanditgesellschaft nicht annimmt, wird das Ergebnis nicht anders ausfallen können. Innerhalb der GmbH ist für § 708 BGB kein Raum, da die sich selbst regulierende Handlungsverfassung fehlt; für den Geschäftsführer gilt der Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG. Obwohl natürlich das Innenverhältnis der GmbH und das Gesellschaftsverhältnis innerhalb der KG zu unterscheiden sind, wird man doch mit gutem Gewissen sagen können, dass die eigentypische Sorgfalt der GmbH die eines ordentlichen Geschäftsmannes ist. Auf die Struktur der GmbH & Co. KG und damit auf die Frage, ob § 708 BGB innerhalb der Kommanditgesellschaft zur Anwendung gelangen kann, kommt es dann gar nicht mehr an. Die hier entwickelte Deutung der beschränkten organschaftlichen Diligenzpflicht wird bestätigt durch den Diskussionsentwurf eines Obligationenrechtes für Bosnien-Herzegowina

700 im Ergebnis ebenso: Wiedemann , W M Sonderbeilage 7/1992, S. 16.

208

1. Teil: Das Handeln der Organe als Eigenhandlung des Verbandes

von Rüßmann 701. Dort wird in Art. 1096 hinsichtlich der originär selbstorganschaftlich organisierten, aber Fremdorganschaft (Art. 1091 Abs. 2 des Entwurfs) zugänglichen „einfachen Gesellschaft" eine umfassende Abstufung innerhalb der Sorgfaltsanforderungen vorgenommen: Art. 1096 EntwOblRBosHerz. (1) Jeder Gesellschafter ist verpflichtet in den Angelegenheiten der Gesellschaft den Fleiß und die Sorgfalt anzuwenden, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. (2) Er haftet der Gesellschaft für den Schaden, welcher ihr durch sein Verschulden entstanden ist. Er kann gegen diesen Schaden nicht die Vorteile aufrechnen, welche er der Gesellschaft in anderen Fällen durch seinen Fleiß verschafft hat. (3) Steht die Geschäftsführung nicht allen Gesellschaftern zu, so haften die geschäftsführenden Gesellschafter entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsbesorgung. (4) Der zum Geschäftsführer bestellte Dritte ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden. Er schuldet der Gesellschaft besondere Treue.

Steht die Geschäftsführung allen Gesellschaftern zu, bestehen also für jeden Gesellschafter aktive Handlungsmöglichkeiten unmittelbar auf die Geschäftsführung einzuwirken, hat der Grundsatz der beschränkten Diligenzpflicht seine Berechtigung (Abs. 1). Wird aber schon ein Gesellschafter ausgeschlossen, ist das Prinzip nicht mehr gerechtfertigt (Abs. 3). Das gilt erst recht, wenn ein Dritter zum „Fremdgeschäftsführer" bestellt wurde (Abs. 4).

I. Ergebnis Die begrenzte Diligenzpflicht folgt aus dem Charakter des Organisationsprinzips der Selbstorganschaft als System der originären Mitgliederselbstverwaltung. Wird von diesem System abgewichen, ist die begrenzte Diligenzpflicht nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt bereits dann, wenn einem Gesellschafter im Rahmen der Organisationsprinzips „Selbstorganschaft" die ausschließliche Geschäftsführung übertragen wurde, es gilt aber erst recht dann, wenn entsprechend dem Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung die Gesellschaft fremdorganschaftlich verfasst wird. Die Organwalter einer fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft haften - unabhängig davon, ob es sich um einen Gesellschafter oder einen Dritten handelt - entsprechend dem allgemeinen organschaftlichen Haftungsmaßstab der §§ 93 Abs. 1, 43 Abs. 1 GmbHG. Für eine Haftungsbeschränkung auf diligentia quam in suis adhibere solet (§ 708 BGB) ist grundsätzlich Raum 702 . 701

http://ruessmann.jura.uni-sb.de / BiH-Project / Data / Gesamtentwurf.pdf. Offen soll hier die Frage bleiben, ob die Gesellschafter durch privatautonomen Satzungsbeschluss hiervon abweichen können. 702

2. Teil

Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung § 7 Einführung Selbst- und Fremdorganschaft wurden als unterschiedliche Organisationsprinzipien eingeordnet. Dem Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) steht das Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung gegenüber. Der folgende Uberblick soll herausstellen, nach welchen Grundsätzen in fremd- und selbstorganschaftlichen Systemen die Willensbildung und Willensäußerung des Verbandes organisiert ist. Das einzelne Organ ist Teil der umfassenden Gesamtorganisation. Es steht in organisationsmäßigen Beziehungen zu den anderen Verbandsorganen, zB dem Aufsichtsrat oder der Gesellschafterversammlung, und den einzelnen Mitgliedern, die ihrerseits von dem Organ „Gesellschafterversammlung" zu trennen sind: So ist beispielsweise der Geschäftsführer als das Handlungsorgan der GmbH sowohl den kollektiven Informations- und Kontrollrechten der Gesellschafterversammlung, als auch den individuellen Informationsrechten der einzelnen Gesellschafter (§ 51a GmbHG) ausgesetzt. Die Organisationsverfassung bestimmt das Zusammenspiel der einzelnen Organe durch Zuständigkeitszuweisungen von Entscheidungs- und Vertretungskompetenzen sowie Kontrollkompetenzen. Dies addiert sich zu einem Gesamtsystem, das man mit den Begriffen Gewaltentrennung, Gewaltenverflechtung und Gewaltenkontrolle umschreiben kann1. In § 4 wurde zB gezeigt, dass das auch noch im deutschen Gesellschaftsrecht teilweise behauptete ultra-vires-Konzept nur eine außenrechtswirksame Kompetenzverschiebung vom Handlungsorgan weg hin zum Gesellschafterorgan ist. Die institutionelle Gewaltenteilung kann auf verschiedenen Ebenen ansetzen. Einmal als ein System der check and balances zwischen den verschiedenen Gesellschaftsorganen auf mterorganisatorischer Ebene, zum anderen als ein System der Selbstkontrolle des Organs auf der miraorganisatorischen Ebene des Organs: so setzt das Prinzip der Aufsichtsratskontrolle im Verhältnis zwischen den Organen an, während die Grundsätze der Gesamtvertretung für Selbstkontrolle innerhalb des Handlungsorgans sorgen. Für den eingliedrigen Organbegriff im Recht der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) ist eine Trennung zwi1 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14IV 1 = S. 427. 14 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

sehen intra- und interorganisatorischer Ebene natürlich nicht möglich. Hier findet die Gewaltenteilung ausschließlich auf interorganisatorischer Ebene zwischen den einzelnen geschäftsführenden Gesellschaftern statt, von denen jeder für sich ein Verbandsorgan ist. Anders als beim zweigliedrigen Organbegriff der Fremdorganschaft ist daher zB die Institution der Gesamtvertretung kein Problem der intraorganisatorischen, sondern der interorganisatorischen Gewaltenteilung innerhalb der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter. Die Institutionen der organinternen Selbstkontrolle werden projiziert auf die organschaftlichen Beziehungen innerhalb der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter als die Handlungsorgane der Gesellschaft. 1. Abschnitt

Systeme der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) § 8 Die Aktiengesellschaft Innerhalb der organisationsrechtlichen Stufenfolge, die von lose verfassten Verbänden mit einer originären Mitgliederselbstverwaltung bis hinauf zu den weit abstrahierten Organisationsformen mit abstrakter Organverwaltung reicht, ist die Aktiengesellschaft der Extrempunkt maximaler Abstraktion 2. Die Handlungsorganisation der Aktiengesellschaft folgt dem Prinzip der abstrakten Organverwaltung. Handlungsorgan der Aktiengesellschaft ist der Vorstand als der abstrakte Zuordnungsendpunkt der organschaftlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht. Der Vorstand unterfällt dem zweigliedrigen Organbegriff 3: es ist zu unterscheiden zwischen dem (organinternen) mfraorganisatorischen Bereich der Willensbildung innerhalb des Vorstands und der mterorganisatorischen Stellung des Vorstandes in der Gesamthandlungsverfassung der Aktiengesellschaft. A. Die Position des Vorstandes im interorganisatorischen Bereich Der Vorstand der Aktiengesellschaft ist das in seinen Entscheidungen selbständigste Handlungsorgan des deutschen Gesellschaftsrechts: gem. § 76 Abs. 1 AktG 2 Vgl. Schreiber, Die KGaA,1925, § 2 = S. 31 f.; Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 35 IV = S. 427. 3 Die Differenzierung zwischen Vorstand (Organ) und den Vorstandsmitgliedern (Organwaltern) liegt explizit dem Gesetz zugrunde. Besonders deutlich wird dies zB bei § 78 AktG. Gem. § 78 Abs. 1 AktG wird dem Vorstand im interorganisatorischen Zusammenspiel der Organe die Vertretungsbefugnis zugewiesen. Dagegen betreffen die § 78 Abs. 2 bis 4 AktG die intraorganisatorische Ebene, indem geregelt wird, auf welche Weise die Vorstandsmitglieder die Gesellschaft wirksam vertreten.

1. Abschn., § 8 Die Aktiengesellschaft

211

leitet der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung. Anders als der GmbH-Geschäftsführer oder der Korrespondentreeder der Partenreederei ist der Vorstand nicht an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane - auch nicht der Kapitaleigner in der Hauptversammlung - gebunden.

I. Die Reichweite der Organkompetenz

7. Die Verteilung der Vertretungskompetenz Der Vorstand ist das Vertretungsorgan der Gesellschaft, § 78 Abs. 1 AktG. Die Vertretungsmacht des Vorstandes ist unbeschränkt und unbeschränkbar, § 82 Abs. 1 AktG. Der Vorstand kann durch kein anderes Organ vertreten, ersetzt oder verdrängt werden 4; erst recht kann nicht der Großaktionär die Gesellschaft ohne Bevollmächtigung durch den Vorstand vertreten 5. Selbst wenn alle Aktionäre zusammenhandeln, ist das nicht das Handeln der Aktiengesellschaft. Zutreffend heißt es schon bei v. Savigny: „selbst wenn alle Einzelne, ohne Ausnahme, gemeinschaftlich handeln, so ist dieses nicht so anzusehen, als ob das ideale Wesen, welches wir juristische Person nennen, gehandelt hätte"6.

2. Die Verteilung der Geschäftsführungsbefugnis Aus den §§ 76, 77 AktG folgt, dass dem Vorstand die Geschäftsführung einschließlich der Leitung in der Gesellschaft zusteht7. Die anderen Gesellschaftsorgane sind von der Geschäftsführung ausgeschlossen, §§ 111 Abs. 4 S. 1, 119 Abs. 2 AktG 8 . Seine Leitungsaufgaben übt der Vorstand gem. § 76 AktG in eigener Ver4

Kölner Kommentar zum AktG /Mertens, 2. Auflage, § 78, Rdnr. 7. 5 RG, in: LZ 1932, 1053, Urteil v. 31. 05. 1932, Az: I I 423/31.

6

v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 90 = S. 283. 7 Es wird zwischen Leitung und übriger Geschäftsführung unterschieden. Während Geschäftsführung jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit für den Verband ist, geht es bei der Leitung um die Führungsfunktion des Vorstandes, also um einen herausgehobenen Teilbereich der Geschäftsführung (Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 76, Rdnr. 4; Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 76 Rdnr. 7). 8

Für Fragen der Geschäftsführung hat die Hauptversammlung keine originäre Zuständigkeit, § 119 Abs. 2 AktG. Sie kann sich auch nicht durch entsprechenden Beschluss selbst zuständig machen; das gilt auch für die Einmann-Aktiengesellschaft (Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 119, Rdnr. 11). Zur Entscheidung über Geschäftsführungsangelegenheiten ist die Hauptversammlung nur berufen, wenn es der Vorstand verlangt. An den Beschluss der Hauptversammlung ist der Vorstand dann aber gebunden, § 83 Abs. 2 AktG. Über die Vorlage entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen. Wie der BGH in der Holzmüller-Entscheiduug ausgeführt hat, kann sich dieses Ermessen zur Vorlagepflicht reduzieren, wenn besonders schwerwiegende Maßnahmen zur Entscheidung anstehen; der Vorstand verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er dann von der Möglichkeit des § 119 Abs. 2 AktG keinen Gebrauch 14*

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

antwortung aus 9 . A n Weisungen anderer Gesellschaftsorgane oder von Großaktionären ist er - auf dem Papier - nicht gebunden. Allerdings kann gem. § 111 Abs. 4 S. 2 A k t G bestimmt werden, dass bestimmte Arten von Geschäften der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen; zB kann die Bestellung eines Prokuristen von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig gemacht werden (vgl. Art. 234 A D H G B ) . Insoweit findet auf Geschäftsführungsebene eine - allerdings nicht außenrechtswirksame (§ 82 Abs. 1 AktG) - Kompetenzverschiebung zugunsten des Aufsichtsrates statt. 3. Strukturentscheidungen Zuständig ist die Hauptversammlung für alle Grundlagenbeschlüsse, die den Fortbestand und die Struktur, insbesondere die Kapitalstruktur der Gesellschaft betreffen, also Beschlüsse, die i m weitesten Sinne als Satzungsänderungen (§ 179 AktG) betrachtet werden können 1 0 .

II. Überwachung des Vorstandes 1. Durch den Aufsichtsrat Die Geschäftsführung des Vorstandes wird durch den Aufsichtsrat überwacht, § 1 1 1 Abs. 1 A k t G 1 1 . Das kann aber nicht so verstanden werden, dass der Aufmacht (BGHZ 83, 122 (131), Urt. v. 25. 02. 1982, Az: II ZR 174/80 „Holzmüller"; OLG München, in: AG 1995, 232 (233), Urt. v. 10. 11. 1994, Az: 24 U 1036/93 „EKATIT"; zum geteilten Echo der Lehre auf die Holzmüller-Entscheidung: Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, §119, Rdnr. 17). Wird die Hauptversammlung in diesen Fällen übergangen, kann der einzelne Aktionär den Eingriff in die Kompetenzen der Hauptversammlung als Verletzung seiner Mitgliedschaft gegen die Gesellschaft geltend machen (BGHZ 83, 122 (133 ff.), Urt. v. 25. 02. 1982, Az: II ZR 174/80 „Holzmüller"; zur actio negatoria: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 21 V 3 = S. 650 ff.). 9 Der Vorstand ist natürlich verbandsintern an den Gesellschaftszweck gebunden und auf den Unternehmensgegenstand (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) festgelegt. Je präziser der Unternehmensgegenstand gefasst wird, desto genauer ist die Geschäftsführungsbefugnis begrenzt. 10 § 119 Abs. 1 Nr. 5, 6, 8 AktG. Ebenso die Umwandlung der AG nach dem UmwG. Selbst wenn die strukturändernde Maßnahme nicht durch Satzungsänderung - sondern wie im Vertragskonzern oder bei Verschmelzung - durch Vertrag vollzogen wird, bleibt für die Wirksamkeit die Zustimmung der Hauptversammlung notwendig, vgl. §§ 293 AktG, 13 UmwG. Interessant ist die Wertung des § 233 UmwG: soll ein Formwechsel in eine oHG, GbR oder PartG durchgeführt werden, ist die Zustimmung aller Aktionäre notwendig. Soll die Zielgesellschaft eine KG sein, so ist neben der qualifizierten Mehrheit die Zustimmung der Aktionäre einzuholen, die die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters übernehmen. 11 Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen (§111 Abs. 1 AktG), er hat aber nicht an Stelle des Vorstandes zu handeln (§111 Abs. 4 S. 1 AktG). Er kann nur gem. §111 Abs. 4 S. 2 AktG bestimmen, dass bestimmte Geschäfte nur mit seiner Zustimmung

1. Abschn., § 8 Die Aktiengesellschaft

213

sichtsrat jedwede Maßnahme des Vorstandes kontrollieren muss oder dies überhaupt könnte 12 . Walther Rathenau hat einmal gesagt: „Wollte ein Aufsichtsrat auch nur von den wichtigeren Geschäften eines Großunternehmens Kenntnis nehmen geschweige sie beraten - , so würde es nicht genügen, daß er in Permanenz tagte, und zwar jeden Tag, einschließlich sonntags, 24 Stunden lang 13 ". Wegen dieser institutionellen Schwäche des Aufsichtsorgans gewinnt daher die organinterne Uberwachungsarbeit im Vorstand als intraorganisatorische Selbstbeschränkung und Selbstkontrolle (zB Gesamtvertretung; Prinzip der Gesamtleitung) besondere Bedeutung. 2. Durch die Hauptversammlung Die Hauptversammlung kann gem. § 142 Abs. 1 AktG mit einfacher Stimmenmehrheit Sonderprüfer bestellen. Der Zweck dieser Vorschrift liegt nahe bei § 147 AktG: durch die Sonderprüfung können die tatsächlichen Grundlagen für Ersatzansprüche der AG gegen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat aufgeklärt werden. 3. Individuelles

Informationsrecht

Schließlich steht dem einzelnen Aktionär gem. § 131 AktG ein individuelles Auskunftsrecht zu. Ihm ist auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit diese Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung des Tagesordnungspunktes erforderlich ist.

vorgenommen werden dürfen. Verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung, kann der Vorstand aber verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. 12 Insbesondere hat der Aufsichtsrat die Rechnungslegung zu überprüfen (§171 Abs. 1 S. 2 AktG.). Unterstützt wird der Aufsichtsrat dabei durch den Abschlussprüfer, dem seinerseits über § 320 HGB ein umfassendes Informationsrecht zugestanden wird. Gem. §§ 318 Abs. 1 S. 1 HGB, 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG wird der Abschlussprüfer von der Hauptversammlung gewählt. Anders als nach der bisherigen Rechtslage erfolgt nunmehr nach den Änderungen durch das KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27. 04. 1998, BGBl. I 1998, 786) die Erteilung des Prüfungsauftrags gem. §§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG, 318 Abs. 1 S. 4 HGB durch den Aufsichtsrat und nicht mehr durch den Vorstand. Dadurch soll dem Eindruck einer zu großen Nähe des Prüfers zum Vorstand entgegengewirkt und die Hilfsfunktion des Prüfers für den Aufsichtsrat bei der Bewältigung seiner Kontrolltätigkeit und der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers vom Management unterstrichen werden (BT-Drucksache 13/9712, S. 16). Im Rahmen der Auftragserteilung kann der Aufsichtsrat nunmehr auch eigene Prüfungsschwerpunkte mit dem Prüfer festlegen. Dementsprechend hat der Abschlussprüfer nach getaner Arbeit den Prüfungsbericht auch dem Aufsichtsrat vorzulegen, § 321 Abs. 5 S. 2 HGB. Insoweit ist der Aufsichtsrat Vertretungsorgan der Gesellschaft (BT-Drucksache 13/9712, S. 17, 21 f.). 13

(129).

Rathenau, Gesammelte Schriften, Fünfter Band, 1918, Vom Aktienwesen, S. 121 ff.

214

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung I I I . Die personelle Abhängigkeit

Vorstandsmitglieder werden gem. § 84 Abs. 1 AktG vom Aufsichtsrat für höchstens fünf Jahre bestellt. Auch die Abberufung eines Vorstandsmitglieds fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrates, § 84 Abs. 3 AktG. Dabei ist eine Abberufung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und nicht nach Belieben des Aufsichtsrates zulässig. Das Gesetz will mit der Anknüpfung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes eine zu starke Abhängigkeit der Vorstandsmitglieder und damit des Vorstandes als solchen vom Aufsichtsrat vermeiden, was der Funktion des Vorstandes als eigenverantwortlichem Leitungsorgan der Gesellschaft widerspräche. Den Organwaltern soll die Sorge um eine grundlose Abberufung genommen werden, um ihnen ein sicheres Arbeiten zu ermöglichen 14. Unabhängige Tätigkeit setzt vor allem Arbeitsplatzsicherheit voraus. Aber das Erfordernis des wichtigen Grundes wirkt nur hinsichtlich des Bestellungsorgans (Aufsichtsrat), nicht aber gegenüber dem Gesellschafterorgan. Denn ein wichtiger Grund ist schon der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Im Ergebnis berücksichtigt die aktienrechtliche Regelung lediglich, dass Betroffenheit (bezogen auf die in der Hauptversammlung vereinigten Aktionäre) und Widerrufskompetenz (des Aufsichtsrates) auseinander fallen. Dies läuft hinsichtlich der Hauptversammlung auf eine freie Widerruflichkeit der Bestellung hinaus15. Lediglich eine geringe Konzession an die Unabhängigkeit des Vorstandes ist die Einschränkung, dass das Vertrauen nicht aus offensichtlich unsachlichen Gründen entzogen werden darf. Dass der Aufsichtsrat seinerseits nur aus wichtigem Grund widerrufen darf, wobei ein wichtiger Grund ja der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung ist, will seinerseits eine Allmacht des Aufsichtsrates sowohl gegenüber Hauptversammlung als auch gegenüber Vorstand verhindern. Durch die Regelung des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG wird die Notwendigkeit des Vorliegens eines wichtigen Grundes stark entwertet. Danach ist ein Widerruf solange wirksam, bis eine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt wurde. Auch die unbegründete Abberufung führt damit zur sofortigen Amtsenthebung. Diese Amtsenthebung wird auch faktisch endgültig sein, da der eventuell angestrengte Rechtsstreit kaum je innerhalb der Amtszeit rechtskräftig beendet sein wird 16 . Auch eine einstweilige Verfügung auf (vorläufige) Aufhebung der Abberufung ist unzulässig, sofern sie nur darauf gestützt wird, dass kein wich-

14 Vgl. BGHZ 13, 188 (193), Urt. v. 28. 04. 1954, Az: I I ZR 211 /53 zu § 75 Abs. 3 AktG 1937; vgl. Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 84, Rdnr. 26; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 28 II 2 c = S. 817. Bis zur Aktienrechtsreform von 1937 konnte gem. § 231 Abs. 3 HGB a.F. die Bestellung zum Vorstandsmitglied auch willkürlich entzogen werden. 15

Münchener Kommeniai-Reuter, 3. Auflage, § 27, Rdnr. 11; derselbe, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 160, der von einer geringen Konzession an die Unabhängigkeit des Vorstandes spricht. 16 Kölner Kommentar zum AktG I Mertens, 2. Auflage, § 84, Rdnr. 97. Die Amtszeit des nach gerichtlicher Nachprüfung wiedereingesetzten Vorstandsmitglieds verlängert sich nicht um den Zeitraum, in dem er zu Unrecht abberufen war.

1. Abschn., § 8 Die Aktiengesellschaft

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tiger Grund vorgelegen habe17. Dem Aufsichtsrat ist es demnach möglich, ein Vorstandsmitglied auch ohne anzuerkennenden Grund abzuberufen oder doch lange auszuschalten, wenn es ihm nur gelingt, den Rechtsstreit um die Wiedereinsetzung möglichst lange hinauszuzögern.

Ein wichtiger Grund zur Abberufung liegt vor, wenn die Fortsetzung des Organwalterverhältnisses der Aktiengesellschaft bis zur Beendigung der Amtszeit nicht mehr zugemutet werden kann 18 , so zB bei grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftführung. Ein wichtiger Grund kann auch in notorischer Erfolglosigkeit liegen 19 . Der Widerrufsgrund des Vertrauens Verlustes gerade bei Vorstandsmitgliedern sans fortune - ist eine Folge der Fremdorganschaft 20: man sucht sich die besten Kandidaten aus und wechselt sie bei Enttäuschung der in sie gesetzten Erwartungen aus. Die eigenverantwortliche Stellung als Vorstandsmitglied hat nur solange ihre Berechtigung, wie sie vom Vertrauen der Hauptversammlung getragen wird. Die Aussicht, nicht wiedergewählt oder vorzeitig abberufen zu werden, ist ein sicheres Mittel, die Abhängigkeit der Vorstandsmitglieder bewusst zu halten und auszunutzen21 und eröffnet dem Aufsichtsrat eine tatsächliche Einflussmöglichkeit auf die Geschäftführung, gerade da die Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds von der freien Entscheidung des Aufsichtsrates abhängig ist (§ 84 Abs. 1 S. 3 AktG). Die Möglichkeit, nicht wiederbestellt zu werden, kann für ein Vorstandsmitglied einen derartigen wirtschaftlichen, auch existenzbedrohenden Nachteil und Prestigeverlust mit sich bringen, dass er es trotz eigener Verantwortlichkeit vorziehen wird, sich den Einflüssen des Aufsichtsrates nicht zu widersetzen 22; 17 OLG Stuttgart, AG 1985, 193, Beschluss v. 15. 04. 1985, Az: 2 U 57/85 „Dornier"; Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 84, Rdnr. 32; Kölner Kommentar zum AktG /Mertens, 2. Auflage, § 84, Rdnr. 97. Die Abberufung ist aber nur dann wirksam, wenn sie auf einem gültigen Aufsichtsratsbeschluss fußt. Ein Verfügungsantrag ist zulässig, wenn er die formelle Unwirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses geltend macht, vgl. OLG Stuttgart, AG 1985, 193. Mertens will dem abberufenen Vorstandsmitglied auch dann die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung einräumen, wenn der Beschluss des Aufsichtsrates wegen evident rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Abberufung nichtig ist (Kölner Kommentar zum AktG/ Mertens, 2. Auflage, § 84, Rdnr. 101). is Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 84, Rdnr. 26; Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 84, Rdnr. 103. 19 Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 84, Rdnr. 27; Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 84, Rdnr. 103. 20 Österreicherischer OGH, in: AG 1999, 140 (141), Urt. v. 28. 04. 1998, Az: 1 Ob 294/ 97 k. 21 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I = S. 371. 22 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Vorb. vor § 76, Rdnr. 19; Kölner Kommentar zum AktG / Mertens, 2. Auflage, § 111, Rdnr. 11: Da die Bestellung zum Vorstandsmitglied auf fünf Jahre beschränkt ist, muss ein an einer Wiederbestellung interessiertes Vorstandsmitglied darum bemüht sein, ein Zerwürfnis mit dem Aufsichtsrat zu vermeiden. Damit ist faktisch ein erheblicher Einfluss des Aufsichtsrats auf die Unternehmenspolitik gesichert.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

beugt sich ein Vorstandsmitglied den Weisungen des Aufsichtsrates oder eines Mehrheitsaktionärs, so wird dadurch seine Verantwortlichkeit (§ 93 AktG) für die getroffene Maßnahme nicht aufgehoben, es sei denn, es liegt ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung vor (§§ 93 Abs. 4 S. 1, 119 Abs. 2 AktG). Allerdings kann nur ein funktionsfähiger Widerruf diese Aufgabe erfüllen, was weniger davon abhängt, ob der Widerruf nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich ist - dieses Erfordernis ist durch die Regelung des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG und der Tatsache, dass auch der Vertrauensentzug wichtiger Grund ist, kaum eine ernstzunehmende Hürde - , als dass der Aufsichtsrat zur mehrheitlichen Beschlussfassung und zur sofortigen Durchsetzung willens und in der Lage ist. Je weniger das der Fall ist, zB bei einer Publikumsgesellschaft, deren Anteile sich im Streubesitz eines breiten Anlagepublikums befinden, sich also keine stabile Majorität bildet, entfällt zunehmend dieses Korrektiv und es bildet sich mehr und mehr eine autonome (Fremd-)Geschäftsführung heraus. In einer Gesamtschau kann man sagen, was sich überhaupt auf das Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung übertragen lässt: der Vorstand einer Aktiengesellschaft, die unter dem Einfluss eines Mehrheitsgesellschafters (zB der öffentlichen Hand) steht, ist nur graduell selbständiger als in anderen Gesellschaftsformen. Denn der Mehrheitsaktionär kann sich dadurch, dass er von seinem Vertrauen getragene Personen in den Aufsichtsrat bringt und über diese mittelbar auch in den Vorstand schleusen kann, seinen Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft sichern. Das Aktiengesetz anerkennt diese Möglichkeit und stellt in Konsequenz gem. § 17 Abs. 2 AktG die Vermutung auf, dass die Gesellschaft von dem mit Mehrheit Beteiligten abhängig ist. Dagegen ist der Vorstand einer Publikumsaktiengesellschaft weitgehend autonom. Die breitgestreuten Aktionäre sind nicht in der Lage, ihre Kontrolle unmittelbar und mittelbar über die Bestellung des Aufsichtsrates durchzusetzen. Durch die Mitbestimmung, die im Aufsichtsrat ansetzt, werden diese Tendenzen noch verstärkt. Häufig wird der Vorstand durch Vorschläge an die Hauptversammlung Einfluss auf die Bestellung des Aufsichtsrates nehmen. Gerade hier ist die Funktionstrennung von Aufsichtsrat und Vorstand unter umgekehrten Vorzeichen in Frage gestellt, als bei der Aktiengesellschaft in Mehrheitsbesitz 23.

B. Die intraorganisatorische Verfassung des Vorstandes Der Vorstand als abstraktes Organ muss einen Willen bilden und äußern. Dies geschieht dadurch, dass katalysiert über intraorganisatorische Regeln aus dem Willen der Organwalter der Wille des Organs gebildet wird. Im Grundsatz gilt beim mehrgliedrigen Vorstand das Prinzip der GesamtVertretung, d. h. sämtliche Vorstandsmitglieder sind nur gemeinschaftlich zur Aktiv Vertretung befugt, § 78 Abs. 2 AktG 2 4 : bei der Gesamtvertretung ist Willensübereinstimmung unter den Organ23 Wiedemann , Gesellschaftsrecht I, 1980, § 6 I V 3 = S. 351 f.

1. Abschn., § 8 Die Aktiengesellschaft

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waltern notwendig, um vom Willen des Organs sprechen zu können. Diese Regelung will die Gesellschaft vor gefährlichen, übereilten und allzu selbstherrlichen Maßnahmen, sowie vor - bei der Bestellung nicht erkannter 25 - Unzulänglichkeiten des einzelnen Vorstandsmitglieds bewahren. Jedes Vorstandsmitglied unterliegt der Kontrolle durch die anderen Organmitglieder und kontrolliert diese seinerseits26. Es werden so zusätzliche Selbstregulierungskräfte im Organ „Vorstand" aktiviert, sowie auf eine höhere Richtigkeitsgewähr der Entscheidungen im Kollektivorgan hingewirkt, wenn sie von allen Amtswaltern mitgetragen werden müssen. Gem. § 77 Abs. 1 S. 1 AktG sind die Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt, d. h. der Wille des Vorstands liegt nur dann vor, wenn alle Vorstandsmitglieder zugestimmt haben, also ein einstimmiger Beschluss vorliegt 27 . Allerdings kann nach § 77 Abs. 1 S. 2 AktG die Satzung oder die Geschäftsordnung Abweichungen vom Prinzip der Geschäftsführung vornehmen, zB durch die Zuweisung von Einzelgeschäftsführung in bestimmten Ressorts. Allerdings werden den Modifizierungsoptionen der Gesamtgeschäftsführung Grenzen gesetzt durch das sog. Prinzip der Gesamtleitung 28, das für besonders wichtige Entscheidungen gemeinsame Entscheidungen fordert und gegenseitige schadensersatzbewehrte (§93 Abs. 2 AktG) Überwachungspflichten, und damit korrespondierende Informations- und Interventionsrechte statuiert 29. Neben die Überwachung 24 Eine Ausnahme gilt gem. § 15 Abs. 1 InsO für die Stellung des Insolvenzantrages, sofern der Eröffnungsgrund gem. § 15 Abs. 2 AktG glaubhaft gemacht wird. Ebenfalls Gesamtvertretung gilt für die Vertretungsorgane von eG und GmbH, vgl. §§ 25 Abs. 2 S. 1 GenG, 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG. 25

Gerade ein Gestaltungsvorteil der Fremdorganschaft besteht darin, dass man den Posten mit dem besten Bewerber besetzen kann. Durch sorgfältige Auswahl kann man die Gefahren für die Gesellschaft vor allzu eigennütziger und schlechter Geschäftsführung erheblich reduzieren. So stellt bereits § 76 Abs. 3 AktG ein gewisses Anforderungsprofil an die Person des Vorstandsmitglieds. 2 6 Vgl. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 15; Brodmann, Aktienrecht, § 232 HGB, Anm. 3; vgl. schon KGJ 21, A 106 (109), Beschluss v. 28. 01. 1901, Az: 1 Y 26/01. Die Gesamtvertretung ist geboren aus dem Misstrauen der Gesellschafter gegen eine leichtfertige oder unehrliche Verwaltung. Durch gegenseitige Kontrolle soll eine ordentliche Geschäftsführung sichergestellt werden (Wiedemann , Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 II 2 a = S. 379). 27

Bei Gefahr im Verzug ist § 115 Abs. 2 HGB entsprechend anwendbar, d. h. auf die Zustimmung nicht rechtzeitig erreichter Vorstandsmitglieder kann verzichtet werden (Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 77, Rdnr. 7; Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 77, Rdnr. 6). 2 8 Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 77, Rdnr. 18; Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 77, Rdnr. 17 f.; Martens, FS-Fleck, S. 191 (193 ff.). 29 ZB kann einzelnen Vorstandsmitgliedern nicht die Befugnis zustehen, ohne Billigung durch die anderen Vorstandsmitgliedern, „Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von besonderer Bedeutung sein können ((Martens, FS-Fleck, S. 191 (197 f.); ebenso: Kölner Kommentar zum Akt G / Mertens, 2. Auflage, § 77, Rdnr. 18).)" in alleiniger Verantwortung zu treffen. Hierüber muss der Gesamtvorstand entscheiden, es muss also ein Beschluss sämtlicher Vorstandsmitglieder herbeigeführt werden (Kölner Kommentar zum AktG!Mertens, 2. Auflage, § 77, Rdnr. 16, 18).

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

durch die anderen Verbandsorgane tritt also eine organinterne Selbstkontrolle, die die institutionelle Schwäche der Aufsichtsratskontrolle ausgleichen kann.

C. Wahrung der Verbandssouveränität Auch wenn der aktienrechtliche Vorstand die Gesellschaft in eigener Verantwortung leitet (§ 76 Abs. 1 AktG), bleibt doch der Grundsatz der Verbandssouveränität unberührt. Nach diesem Grundsatz darf das Schicksal des Verbandes nicht von außen stehenden Personen abhängen, die nicht die gleichen Interessen verfolgen wie die Gesellschafter und deren Rechtsausübung nicht hinreichend beschränkt und kontrolliert werden kann. Die Verbandssouveränität verlangt, dass die Entscheidungen der Gesellschaft von Personen beherrscht werden müssen, die sich als Gesellschafter oder Organwalter mit den Belangen der Gesellschaft identifizieren, notfalls auch zu einer solchen Interessenwahrung verpflichtet sind und bei entsprechendem Fehlverhalten der Gesellschaft gegenüber aus Verletzung ihrer organschaftlichen Pflichten heraus haften 30. Das ist auch in der Aktiengesellschaft sichergestellt. Die Vorstandsmitglieder sind durch ihre organschaftlichen Treue- und Sorgfaltspflichten (duty of loyality and care) auf das Gesellschaftswohl verpflichtet und machen sich bei Pflichtverletzungen gem. § 93 Abs. 2 AktG der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig. Hinsichtlich der Geschäftsführung durch den Vorstand findet neben einer institutionalisierten Selbstkontrolle (Prinzip der Gesamtleitung; Gesamtvertretung) eine „kollektive" Kontrolle durch andere Gesellschaftsorgane (Aufsichtsrat und Hauptversammlung) statt, zu der individuelle Informationsrechte der einzelnen Gesellschafter hinzukommen31. Komplementiert wird das System der Gewaltenverschränkung durch die personelle Abhängigkeit der Vorstandsmitglieder, die auf ein entsprechendes Verhalten der Organwalter hinwirkt. Zudem können zusätzliche Anreize durch Gewinnbeteiligung und Unternehmensbeteiligung geschaffen werden.

§ 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die gesetzestypisch verfasste GmbH ist mit zwei obligatorischen abstrakten Organen ausgestattet: „die Geschäftsführer" (Handlungsorgan) und die „Gesellschafterversammlung" (Willensbildungs- und Gesellschafterorgan). Ein Aufsichtsrat kann fakultativ gebildet werden (§ 52 GmbHG). Hier wird bewusst der Begriff der Gesellschafterversammlung genommen, obwohl zuzugeben ist, dass die Bezeichnung des Gesellschafter- und Willensbildungsorgans der GmbH als Gesellschafterversammlung nicht sonderlich glücklich gewählt ist, denn es wird zutref30 Wiedemann, FS-Schilling, S. 105 ff. (111 f.). 31 Vgl. Wiedemann, FS-Schilling, S. 105 ff. (112 f.).

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

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fend darauf hingewiesen, dass der Begriff „Gesellschafterversammlung" nur das regelmäßige Beschlussverfahren der Willensbildung im Gesellschafter- und Willensbildungsorgan bezeichnet32, vgl. § 48 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG. Allerdings ist es nicht viel besser zu sagen, Beschlussinstanz seien die Gesellschafter. Das Willensbildungs- und Gesellschafterorgan ist ein abstraktes Organ, deren (geborene) Mitglieder die Gesellschafter sind; die einzelnen Gesellschafter, aber auch die Gesamtheit der Gesellschafter sind von diesem Organ zu unterscheiden. Diese Unterscheidung zwischen Organmitglied und Organ kommt besser zum Ausdruck, wenn man die Termini Gesellschafterversammlung (Organ) und Gesellschafter (Organmitglied) wählt; man muss sich nur bewusst sein, dass die Gesellschafterversammlung auch außerhalb einer Versammlung beschließen kann (vgl. § 48 Abs. 2 GmbHG).

Die Motive zum GmbHG sprechen von „den Geschäftsführern" als dem Vertretungsorgan der Gesellschaft 33 und auch in der Lehre werden die Geschäftsführer als das Handlungsorgan der GmbH bezeichnet34. Auch in der GmbH ist zu unterscheiden zwischen dem abstrakten Handlungsorgan und den einzelnen Organwaltern. Anders allerdings als im Aktienrecht 35 unterscheidet das GmbHG nicht deutlich zwischen dem abstrakten Handlungsorgan und den einzelnen Organwaltern, sondern spricht recht undifferenziert von den Geschäftsführern und meint damit mal das abstrakte Handlungsorgan (zB § 35 Abs. 1 GmbHG, der § 78 Abs. 1 AktG entspricht), mal den einzelnen Organwalter (zB § 43 Abs. 1 GmbHG, der § 93 Abs. 1 AktG entspricht). Wenn von den Geschäftsführern oder dem Geschäftsführer die Rede ist, muss also immer differenziert werden, ob das abstrakte Organ oder die Organwalter gemeint sind. Die Geschäftsführungsbefugnis und die Vertretungsbefugnis ist „den Geschäftsführern" als dem abstrakten Handlungsorgan zugewiesen. Zuordnungsendpunkt der organschaftlichen Handlungsbefugnisse ist das abstrakte Organ, nicht die einzelnen Geschäftsführer (als Organwalter), auch nicht in ihrer Gesamtheit. Die Geschäftsführer (als Organwalter) bilden nur den organinternen Willen, der vermittelt durch die Vorschriften der intraorganisatorischen Handlungsverfassung (zB Gesamt- oder Einzelgeschäftsführung) zum Willen des Organs wird. Selbst wenn nur ein Geschäftsführer Organmitglied des abstrakten Handlungsorgans ist, so ist doch nicht ihm selbst die Geschäftsführungskompetenz zugeordnet, wie dies beim geschäftsführenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft der Fall ist, sondern weiterhin dem abstrakten Gesellschaftsorgan, dessen Organwalter er lediglich ist. Dementsprechend kann einem Gesellschafter in der Verbandssatzung einer ge-

32 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 36 III 1 = S. 1090. 33 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 53. 34 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 36 I 1 a = S. 1069, § 36 I I 1 a = S. 1071; Lutter /Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 6, Rdnr. 3, § 35 Rdnr. 1; Hachenburg-Mertens, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 35, Rdnr. 7. 35 ZB §§ 78 Abs. 1, Abs. 2 AktG, wo zwischen dem Vorstand (Organ) und den Vorstandsmitgliedern (Organwaltern) unterschieden wird.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

setzestypisch organisierten GmbH auch nicht die Geschäftsführungsbefugnis als solche als Sonderrecht gem. § 35 BGB zugewiesen werden, sondern allenfalls das Recht, als Organwalter dem abstrakten Geschäftsführungsorgan anzugehören36. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung und die Folgepflicht der Geschäftsführer sind zum Kennzeichen der Organisationsverfassung der GmbH, ja geradezu zu einem Wesensmerkmal der GmbH geworden 37. Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Verbandsorgan. Gerade dies empfiehlt die Übernahme der GmbH-HandlungsVerfassung in eine privatautonom fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft.

A. Die Handlungsverfassung der GmbH zwischen Selbst- und Fremdorganschaft Die Handlungsverfassung der GmbH des deutschen Rechts ist entsprechend den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) konstituiert. Allerdings kann man sich ohne weiteres eine GmbH vorstellen, die dem Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) folgt. Gerade so ist im schweizerischen Recht die GmbH organisiert, mit der Option hin zur Fremdorganschaft. Eine Situation, die im deutschen Recht an die Handlungsverfassung der Partenreederei erinnert. Art. 811 SchweizOR. (1) Alle Gesellschafter sind zur gemeinsamen Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und verpflichtet, sofern nicht etwas anderes bestimmt wird. (2) Durch die Statuten oder durch Gesellschafterbeschluss kann die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft einem oder mehreren Gesellschaftern übertragen werden. (3) Gesellschafter, die erst nach der Gründung hinzutreten, haben das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung und Vertretung nur dann, wenn sie ihnen durch besonderen Gesellschafterbeschluss übertragen werden. Art. 812 SchweizOR. (1) Durch die Statuten oder durch Gesellschafterbeschluss kann die Geschäftsführung und Vertretung auch Personen übertragen werden, die nicht Gesellschafter sind. (2) Für ihre Befugnisse und Verantwortlichkeit gelten die für die geschäftsführenden Gesellschafter aufgestellten Vorschriften.

Auch innerhalb der Entstehungsgeschichte zum deutschen GmbHG findet sich der Versuch, eine selbstorganschaftlich verfasste GmbH zu schaffen. Der „ Oechselhäusersche Entwurf einer Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit von Februar 1884" 38 wollte die GmbH auf dem Recht der oHG und Kommanditgesellschaft aufbauen. Insbesondere die Handlungs Verfassung der offenen Handelsge36 Vgl. Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 157 (1993), 483 (485). 37 Lutter, ZIP 1986, 1195 (1196). 38 Abgedruckt in: Wieland, Handelsrecht II, 1931, C. Anhang = S. 399 f.

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

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sellschaft wäre in das Organisationsrecht der Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit eingeflossen. Der Oechselhäusersche Entwurf behält seine Aktualität angesichts immer wieder auftauchender Stimmen, nach denen der Gesetzgeber zwei Typen einer GmbH zur Verfügung stellen sollte 39 : einen Typus, der sich an der Struktur der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft orientiert (personalistische GmbH), und einen Typus, der Aktiengesellschaft oder Genossenschaft nahe kommt (kapitalistische GmbH). § 2 des Oechselhäuserscher Entwurf. Auf die Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit finden die Bestimmungen Buch II Titel I des Handelsgesetzbuchs (AHGB) über die offene Handelsgesellschaften Anwendung, insofern sie nicht durch die nachfolgenden Bestimmungen abgeändert oder ergänzt werden.

Der Oechselhäuserschen Entwurf sah eine nach dem Vorbild der offenen Handelsgesellschaft entsprechend dem Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) verfasste GmbH vor, bei der haftungsrechtlich die Haftpflicht der Gesellschafter auf die nach dem Gesellschaftsvertrage zu leistenden Einlagen beschränkt gewesen wäre und, nach Einzahlung der letzteren an die Gesellschaft, auch den Gesellschaftsgläubigern gegenüber jede Verbindlichkeit der Gesellschafter ausgeschlossen gewesen wäre 40 . Von Oechselhäuser stammt das Schlagwort von der Aktiengesellschaft nach außen und der oHG nach innen 41 . Im Gesetzgebungsverfahren konnte sich der Oechselhäusersche Entwurf nicht durchsetzen42, obwohl sich das „Gutachten des Ausschusses des deutschen Handelstages" in dieselbe Richtung bewegte und in seinen Grundzügen für die Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit den § 2 des Oechselhäuserschen

39

In der Lehre sind nie die Stimmen verstummt, die eine stärkere Annäherung des GmbH-Rechts an den rechtstatsächlich vorherrschenden Typus der personalistisch geprägten Gesellschaft fordern. Insbesondere Wieland macht geltend, dass sich personalistische und kapitalistische Personenzusammenschlüsse nicht in einer einzigen Gesellschaftsform verwirklichen ließen. Deshalb kommt immer wieder die schon im Gesetzgebungsverfahren angeklungene Forderung auf (dazu: Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 66), zwei Formen der GmbH zur Verfügung zu stellen, wobei die eine in ihrer Struktur der oHG oder Kommanditgesellschaft entspricht, die andere von kapitalistischer oder genossenschaftlicher Struktur ist (Vgl. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 111 ff.; Wieland, Handelsrecht II, 1931, S. 290 f., 399). 40 Vgl. § 5 des Oechselhäuserschen Entwurfs. 41 Dazu: Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 90, 91. Oechselhäuser hat ausgeführt: „Nehmen sie eine Gesellschafsform an, die auf der Basis einer jetzigen oHG steht, bei der aber die solidarische Haftbarkeit auf bestimmte Kapitaleinlagen beschränkt ist, dann haben sie in dieser Gesellschaftsform alle Vorzüge der individualistischen oHG mit den Vorzügen einer AG vereinigt, ohne die Nachttheile und Gefahren der oHG und die Komplikationen des Aktienwesens in Kauf nehmen zu müssen" (Zitiert nach: Raisch, FSKnur, S. 165 ff. (168)). 42 Vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 31 ff.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

Entwurfs beinahe wörtlich übernahm 43. Die GmbH sollte nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr eine Mittelstellung zwischen individualistischer Gesellschaft und Aktiengesellschaft einnehmen, die sich aber im Rahmen der Satzungsautonomie sowohl in die eine wie die andere Richtung sollte bewegen können. Eine Gesellschaftsform für zwei Typen. Systematische Schwierigkeiten brauchten den Gesetzgeber nicht zu kümmern: lex moneat, non doceat. In den Motiven zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung heißt es: Es „steht nichts im Wege, der neuen Gesellschaft im Einklang mit dem Umfange ihres Anwendungsgebietes auch rechtlich eine Mittelstellung zwischen den streng individualistischen Gesellschaftsformen des geltenden Rechts und der als äußerste Konsequenz des kapitalistischen Prinzips sich darstellenden Aktiengesellschaft anzuweisen. Die Aufgabe des Gesetzes ist es, die Grenzen nach beiden Seiten durch bindende Vorschriften sicherzustellen; innerhalb des sich daraus ergebenden Rahmens kann dagegen der freien Selbstbestimmung ein weitgehender Spielraum verbleiben. In dieser Weise wird es möglich sein, auf der Grundlage der beschränkten Haftung eine Gesellschaftsform herzustellen, welche bei ausreichendem Schutze des mit den Gesellschaften verkehrenden Publikum genügende Wirksamkeit besitzt, um für sehr verschiedene Verhältnisse und Zwecke und bei einem sehr verschiedenen Umfange des Mitgliederkreises Verwendung finden zu können. Schwierigkeiten, welche eine solche Gesellschaft vielleicht der juristischen Systematik bieten mag, können für die Gesetzgebung nicht maßgebend sein; mit dieser Aufgabe wird sich die Wissenschaft abzufinden wissen" 44 .

Zur Begründung, warum die GmbH nicht aus der Verfassung der oHG heraus entwickelt werden sollte, wurde maßgeblich darauf abgestellt, dass eine derartige Gesellschaft, die nur auf personalistische Zusammenschlüsse hin angelegt sei, den bestehenden Bedürfnissen nur in sehr eingeschränkten Maßen gerecht werden könne 45 . Zwar seien die meisten Vorschriften, in denen sich der individualistische Charakter der oHG zeige, disponibel, was zu übertragen auch in die GmbH möglich wäre, so dass es durch Gestaltungen des Gesellschaftsvertrags möglich wäre, der Gesellschaft auch eine Gestalt zu geben, der die Aufnahme einer größeren Zahl von Mitgliedern möglich wäre. Ein solches Maß an Gestaltungsfreiheit vor dem Hintergrund einer Haftungsbeschränkung ohne hinreichende Schranken, die den Schutz der beteiligten Interessen garantierten, wurde aber nicht als Chance begriffen, sondern als den Rechtsverkehr bedrohende Gefahr gesehen46. Man befürchtete, dass die Koppelung von beschränkter Haftung mit einem weiten Gestaltungsspielraum, wie er in der oHG typisch ist, den Gesellschaftern die Kreation von Ge43 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, Anlage A, S. 121 ff. (133). 44 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 35. 45 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 32. Kritisch zu diesem Punkt: Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 67. 46 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 32 f.

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

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sellschaftsformen ermöglichen würde, die sich der Aktiengesellschaft näherten, ohne jedoch deren Sicherungen zu besitzen. Bleibe dagegen der individualistische Charakter der Gesellschaft durch zwingende Vorschriften gewahrt, so werde dem bestehenden Bedürfnis, das eine Vereinigungsform auch für die Beteiligung einer nicht ganz geringen Zahl von Mitgliedern verlangt, nicht hinreichend genüge getan. Die Lösung aller Probleme könne daher nur lauten: der Organisation der Gesellschaft müsse eine so hinreichende Dehnbarkeit verliehen werden, dass mit ein und derselben Gesellschaftsform beiden Anwendungsfällen (personalistisch oder kapitalistisch) gerecht zu werden sei. Die GmbH wurde am Reißbrett des Gesetzgebers als ein Zwischenstufe zwischen personalistischem und körperschaftlichem Verband entworfen, die in beide Richtungen hin ausgeformt werden kann: zu einer personalistisch verfassten Gesellschaft mit beschränkter Haftung, oder zu einer „kleinen" Aktiengesellschaft. In der GmbH sind individualistische Elemente, wie die subsidiäre Haftung für nicht voll eingezahlte Stammeinlagen (§ 24 GmbHG, vgl. auch § 31 Abs. 3 GmbHG), verbunden mit Elementen, wie man sie von körperschaftlichen Verbänden her kennt, wozu insbesondere das System der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) zählt 47 . Umgangsprachlich formuliert, ist die GmbH ein Mittelding zwischen oHG und Aktiengesellschaft 48. Da der Gesetzgeber das Recht der GmbH für eine Vielzahl von verschiedenen Organisationsmodellen öffnen wollte, kam für ihn das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft nicht in Frage. „Den Gesellschaftern als solchen kann die Vertretung im Gesetz nicht übertragen werden; denn ein Recht jedes einzelnen Gesellschafters zur Geschäftsführung und Vertretung ist nur bei streng individualistischen Gesellschaftsformen möglich, wie es denn selbst ein wesentliches Merkmal derselben bildet. Bei einer Vereinigungsform, welche auch für eine größere Zahl von Theilnehmern geeignet sein soll, und bei welcher die Mitgliedschaft ohne Genehmigung der übrigen Gesellschafter auf andere übertragen werden kann, verbietet sich eine derartige Regelung von selbst. Hier müssen die Personen, welchen die Vertretung und Geschäftsführung obliegen soll, nothwendig als Organ der Gesellschaft von dieser selbst bestellt werden" 49 .

Für eine optionale Einführung des Organisationsprinzip der Selbstorganschaft sah der Gesetzgeber keinen Anlass, da man mit den vom GmbHG zur Verfügung gestellten Mitteln (§§ 6 Abs. 3 Abs. 4, 38 Abs. 2 GmbHG) faktisch der Selbstorganschaft sehr nahe kommen kann (siehe § 9 C). „Eine angemessene Gestaltung des Verhältnisses in denjenigen Fällen, in welchen bei geringer Mitgliederzahl den Gesellschaftern selbst oder einigen von ihnen ein dauernder Anspruch auf die Geschäftsführung eingeräumt werden soll, wird hierdurch nicht ausge47 4

Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 68, 69 ff. 8 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 69 ff.

49 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 44.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

schlossen; denn selbstverständlich können auch Mitglieder der Gesellschaft zu Geschäftsführern bestellt werden, und es steht auch nichts entgegen, eine solche Übertragung der Geschäftsführung schon im Gesellschaftsvertrage vorzunehmen. Wird außerdem die Möglichkeit offen gelassen, durch entsprechende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages den geschäftsführenden Gesellschaftern ihren Mitgesellschaftern gegenüber eine gewisse Selbstständigkeit einzuräumen, insbesondere die Widerruflichkeit der Bestellung zum Geschäftsführer innerhalb bestimmter Grenzen einzuschränken (§ 37 Absatz 1, § 38 Absatz 2), so ist hinreichender Spielraum vorhanden, um auch in den Fällen der bezeichneten Art etwaigen besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen" 50 .

Natürlich hätte der Gesetzgeber - wie es das Schweizer Recht praktiziert - auch anders vorgehen können. Statt einer gesetzestypischen fremdorganschaftlichen Verfassung, hätte er die Selbstorganschaft zur Regel machen können, die aber abgedungen werden kann. Dem deutschen Recht ist so etwas nicht fremd. Auch die Partenreederei ist originär entsprechend dem Organisationsprinzip der Selbstorganschaft verfasst, kann aber bei Bedarf ein Drittorgan (Korrespondentreeder) institutionalisieren.

B. Die gesetzestypische Handlungsverfassung I. Die interorganisatorische Gewaltenteilung

Wenn im Folgenden von der interorganisatorischen Gewalteneilung die Rede ist, dann meint dies die Verteilung der Kompetenzen zwischen der Gesellschafterversammlung und „den Geschäftsführern" als dem abstrakten Handlungsorgan. 7. Geschäftführung Anders als der Vorstand der Aktiengesellschaft, dem die ausschließliche Geschäftsführungskompetenz innerhalb der Gesellschaft zusteht und der von anderen Organen grundsätzlich auch nicht weisungsabhängig ist, ist die Stellung der Geschäftsführer in der gesetzestypisch verfassten GmbH in zweifacher Hinsicht beschnitten. Zum einen unterliegen die Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung, die eine konkrete Geschäftsführungsmaßnahme auch selbst entscheiden kann, zum anderen ist der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis als solcher schon beschränkt. Oberstes Gesellschaftsorgan im GmbH-Recht ist die Gesellschafterversammlung. Die Stellung der Geschäftsführer der GmbH ist auch wesentlich schwächer ausgeprägt als die der geschäftsführenden Gesellschafter in oHG oder Kommanditgesellschaft, die im Bereich des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs zumindest (§§ 116 Abs. 1, Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB 5 1 ) weisungsfrei agieren können. 50 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 44 f. 51 § 116 Abs. 2 HGB kann im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden.

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

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a) Weisungsbefugnis Anders als der Vorstand der Aktiengesellschaft, der die Gesellschaft zwingend weisungsfrei unter eigener Verantwortung leitet 5 2 , und anders auch als die geschäftsführenden Gesellschafter der gesetzestypisch verfassten oHG und KG, die für den Bereich der laufenden Geschäftsführung keinen Weisungen und Anordnungen der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern obliegen 5 3 , besteht in der GmbH eine Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer 54 . Die Gesellschafterversammlung bildet „die oberste Instanz in den Gesellschaftsangelegenheiten" 5 5 . Ihr obliegt nicht nur die Bestellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5, 6 GmbHG), sondern sie ist eben auch weisungsbefugt 56. Bei der Weisungsbefugnis handelt es sich um eine Kompetenz, die der Gesellschafterversammlung als abstraktem Organ zusteht, nicht aber dem einzelnen Gesellschafter als individuelles Recht 5 7 . Die Gesellschafterversammlung kann den 52 §§ 76, 23 Abs. 5 AktG. 53 Vgl. § 116 Abs. 1 HGB. Nur für außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen ist die Zustimmung aller Gesellschafter notwendig, §§ 116 Abs. 2, 164 HGB. 54 Vgl. schon: Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 45 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 36 II 2 a = S. 1069 f. 55 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 45. 56 Dies kommt deutlich in den Motiven zum GmbHG zum Ausdruck: „Hierbei ist im allgemeinen der Gesichtspunkt zu Grunde zu legen, daß den Gesellschaftern, auch soweit sie nicht durch Bestellung zu Geschäftsführern mit der unmittelbaren Leitung der Geschäfte betraut sind, ein maßgebender Einfluß in den Angelegenheiten der Gesellschaft eingeräumt werden muß. Eine Einschränkung ihrer Rechte, wie sie beispielsweise der Stellung entspricht, welche bei der einfachen Kommanditgesellschaft die Kommanditisten gegenüber den kraft eigenen Rechts zur Geschäftsführung berufenen persönlich haftenden Gesellschaftern einnehmen, würde hier schon mit Rücksicht auf die oben bezeichnete Eigenschaft der Geschäftsführer als des bestellten Organs der Gesellschaft in der Regel als nicht angemessen zu betrachten sein. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Mitglieder als solche die oberste Instanz in den Gesellschaftsangelegenheiten bilden, und es sind ihnen deshalb auch die für die Verhältnisse der Gesellschaft besonders wichtigen Entscheidungen vorzubehalten" (Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 45 f.). An anderer Stelle werden die Motive noch deutlicher: „In Bezug auf die innere Seite des Verhältnisses muß als Regel der Grundsatz gelten, daß die Geschäftsführer als das bestellte Organ der Gesellschaft hinsichtlich des Umfangs und der Ausübung ihrer Funktionen von dem Willen der Gesellschaft, d. h. der Gesammtheit der Gesellschafter abhängig sind. Hieraus ergibt sich einerseits, daß die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber gehalten sind, nicht blos diejenigen Beschränkungen, welche rücksichtlich der Vertretung und Geschäftsführung im Gesellschaftsvertrage festgesetzt sind, sondern auch diejenigen, welche jeweilig von den Gesellschaftern in der gedachten Beziehung geschlossen sind, zu beobachten (§ 37 Abs. 1)" (Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 88). 57 Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 157 (1993), 483 (497).

15 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Geschäftsführern auch ohne satzungsmäßige Grundlage Weisungen in jeder beliebigen Angelegenheit der Geschäftsführung mit jedem beliebigen Inhalt erteilen, wobei es vollkommen gleichgültig ist, ob es sich dabei um allgemeine Richtlinien oder Einzelfallentscheidungen handelt58. Dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung korrespondiert eine Folgepflicht der Geschäftsführer. Aber doch wird ein weisungsfreier Bereich eigenverantwortlicher Geschäftsführung anerkannt. Soweit es um die Erfüllung zwingender gesetzlicher Pflichten, insbesondere der Kapitalaufbringungs- und Erhaltungsvorschriften geht, sind die Geschäftsführer nicht an eventuelle Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden. In der Erfüllung dieser Pflichten dürfen die Geschäftsführer nicht behindert werden 59 (vgl. unten § 19 B).

b) Umfang der Geschäftsführungsbefugnis aa) Ausschließliche Kompetenzen der Gesellschafterversammlung Eine Reihe von Aufgabenbereichen ist - soweit der Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes bestimmt - in der gesetzestypisch organisierten GmbH der Gesellschafterversammlung zugewiesen (§ 46 GmbHG), so insbesondere die Feststellung des Jahresabschlusses (Nr. 1), die Personalkompetenz (Nr. 5), die Bestellung von Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigten (Nr. 7) 6 0 und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Geschäftsführer, insbesondere aus pflichtwidriger Geschäftsführung, auch wenn die Ausführungshandlungen dann teilweise von den Geschäftsführern vorgenommen werden müssen. Daneben besteht eine allgemeine Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, die Grundsätze der Unternehmenspolitik festzulegen 61. Die Geschäftsführer sind insoweit nur zuständig, wenn ihnen die Entscheidung über die Unternehmenspolitik in der Satzung oder teilweise durch Beschluss der Gesellschafterversammlung zugewiesen wird. Die Geschäftsführer sind insoweit auch verpflichtet, bevorstehende Maßnahmen den Gesellschaftern zur Beschlussfassung vorzulegen 62.

58 OLG Düsseldorf, in: ZIP 1984, 1476 Lt. 1, Urt. v. 15. 11. 1984, Az: 8 U 22/84. 59 OLG Düsseldorf, in: ZIP 1984, 1476 (1478), Urt. v. 15. 11. 1984, Az: 8 U 22/84. 60 § 47 Nr. 6 des Entwurfes zum GmbHG von 1891 hatte noch klarer formuliert: 6. die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetriebe. Wegen der erheblichen Tragweite dieser Entscheidungen, sollen sie im Zweifel nicht den Geschäftsführern alleine überlassen bleiben. Zur Begründung verweisen die Motive auf das Recht der oHG (Art. 104 ADHGB = § 116 Abs. 3 HGB). 61 HM: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 37, Rdnr. 8; Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 37, Rdnr. 10. 62 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 36 II 2 b = S. 1070.

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

227

bb) Außergewöhnliche Geschäfte Außergewöhnliche Geschäfte und Maßnahmen, die nicht mehr vom Unternehmensgegenstand gedeckt sind, fallen in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung 63. Steht eine solche Entscheidung an, so hat der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung anzurufen, § 49 Abs. 2 GmbHG. cc) Gewöhnliche Geschäfte Dagegen obliegt die laufende Geschäftsführung den Geschäftsführern. Dazu gehören die Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt und solche Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören (vgl. § 116 Abs. 1 HGB) 6 4 . Aber selbst dann muss der Geschäftsführer die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen, wenn er daran zweifelt, die Zustimmung erwirken zu können. Denn ein Geschäftsführer darf nicht gegen den mutmaßlichen Willen der Gesellschafterversammlung handeln65.

2. Vertretung Die Geschäftsführer sind das (abstrakte) Vertretungsorgan der GmbH. Zwar sind die Geschäftsführer in ihrer Geschäftsführung pflichtgebunden, insbesondere unterliegen sie in ihrer Tätigkeit den Beschränkungen, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder den Weisungen der Gesellschafter ergeben. Aber nach außen hin ist, wie allgemein im Verbandsrecht, die Vertretungsmacht des Handlungsorgans grundsätzlich unbeschränkbar. Dies ist gerade in Hinblick auf das Weisungsrecht der Gesellschafter von Bedeutung. § 37 Abs. 2 GmbHG stellt dies klar.

3. Grundlagenentscheidungen Während der Zuständigkeitskatalog des § 46 GmbHG weitgehend dispositiv ist, obliegen den Gesellschaftern zwingend Grundlagenbeschlüsse, wozu insbesondere Satzungsänderungen gehören, sowie Kapitaländerungsmaßnahmen, Auflösung oder Umwandlung66. Da auch Unternehmensverträge (Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge) strukturändernde Maßnahmen und damit Grundlagenänderungen sind, unterliegen sie nicht der alleinigen Vertretungsmacht der Geschäfts63 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 37, Rdnr. 10 f.; Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 37, Rdnr. 12. 64 Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 37, Rdnr. 11. 65 BGH, in: NJW 1984, 1461 (1462), Urt. v. 05. 12. 1983, Az: II ZR 56/82. 66 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 36 I I 2 b = S. 1091; zwingend obliegt den Gesellschaftern auch die Einforderung von Nachschüssen, § 26 GmbHG. 15*

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

führer, sondern bedürfen zu ihrer Wirksamkeit auch im Außenverhältnis der Zustimmung der Gesellschafter. Insoweit liegt eine außenrechtswirksame Kompetenzverschiebung vor, da die Geschäftsführer einen solchen Vertrag alleine wirksam nicht schließen können.

4. Personelle Abhängigkeit der Geschäftsfiihrung Die Bestellung der Geschäftsführer erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag (§6 Abs. 3 GmbHG) oder durch die Gesellschafterversammlung (§ 47 Nr. 5 GmbHG). Wie die Bestellungskompetenz liegt auch die Abberufungszuständigkeit bei der Gesellschafterversammlung (§46 Nr. 5 GmbHG), wenn der Gesellschaftsvertrag sie nicht einem anderen Organ zuweist 67 .

a) Grundsatz der jederzeitigen Widerruflichkeit Die jederzeitige Möglichkeit der Abberufung ist in der GmbH die Regel, § 38 Abs. 1 GmbHG. § 38 Abs. 2 GmbHG spricht aber davon, dass der Gesellschaftsvertrag das Abberufungsrecht beschränken und an das Vorliegen eines wichtigen Grundes binden kann. Unklar ist aber, inwieweit die freie Abrufbarkeit nach § 38 Abs. 1 GmbHG im Gesellschaftsvertrag eingeschränkt werden kann. Während nach der überwiegenden Auffassung auch bei einem Fremdgeschäftsführer die Möglichkeit der Abberufung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes reduziert werden kann 68 , ist dies nach der Auffassung Reuters nur bei Gesellschafter-Geschäftsführern möglich 69 . Reuter begründet seine Auffassung mit einer Differenzierung zwischen personalistischen und kapitalistischen Gesellschaftsstrukturen und will eine Beschränkung der Widerruflichkeit der Bestellung zum Geschäftsführer in Anlehnung an die §§ 117, 127 HGB nur in der personalistisch organisierten GmbH zulassen: Reuter argumentiert mit der freien Widerruflichkeit von Fremdverwaltung, die er in den §§24 Abs. 3 GenG, 84 Abs. 3 AktG 7 0 , 52 Abs. 1 HGB verwirklicht sieht. Der Grundsatz der freien Widerruflichkeit folgt für Reuter daraus: „Die sachliche Unabhängigkeit des 67 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 38, Rdnr. 3. 68 ZB Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 38, Rdnr. 8. 69 Münchener Kommentar-ZteMtej; 3. Auflage, § 27, Rdnr. 13; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 228 f. 70 Wenn das Aktienrecht in § 84 AktG einen Widerruf nur aus wichtigem Grund kennt, so täuscht dies. Denn ein wichtiger Grund ist auch der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Das berücksichtigt im Ergebnis nur, dass Betroffenheit und Bestellungs- und Widerruf skompetenz auseinander fallen. Da die Hauptversammlung den Abberufungsgrund durch Vertrauensentzug selbst schaffen kann, liegt der Sache nach auch im Aktienrecht eine freie Widerruflichkeit vor.

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

229

Vorstandsamtes, die noch durch den Ausfall der haftungsrechtlichen Richtigkeitsgarantien wegen der Nichtnormierbarkeit unternehmerischen Verhaltens verstärkt wird, verlangt unabdingbar den Ausgleich in Gestalt einer intensivierten persönlichen Abhängigkeit" 71 . Nicht ohne weiteres einzuordnen ist deswegen § 38 Abs. 2 GmbHG, der die Möglichkeit einer Beschränkung der Widerruflichkeit vorsieht 72. Dies lässt sich für Reuter nicht ausreichend damit erklären, dass die Vorstände von Aktiengesellschaft und Genossenschaft den Verband in eigener Verantwortung leiten, während die GmbH-Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafter unterliegen (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Denn auch die Stellung des Prokuristen sei jederzeit widerruflich (§ 52 Abs. 1 HGB), obwohl dieser ebenfalls den Weisungen des Prinzipals unterworfen ist. „Es wäre sehr merkwürdig, wenn man feststellen müsste, der Gesetzgeber halte die freie Widerruflichkeit der Prokura wegen ihrer Gefährlichkeit für unerlässlich, diejenigen der noch weiterreichenden Stellung der GmbHGeschäftsführer hingegen nicht" 73 . Eine plausible Deutung des § 38 Abs. 2 GmbHG eröffne sich, wenn man bedenke, dass der Gesetzgeber die GmbH sowohl als „kleine AG" als auch als „Personengesellschaft mit beschränkter Haftung" geplant hat. Insbesondere § 6 Abs. 3 GmbHG, der den Einbezug der Geschäftsführerposition in die Mitgliedschaft einzelner oder mehrerer Gesellschafter ermögliche, weise auf den in § 38 Abs. 2 GmbHG gemeinten Satz hin. Denn mitgliedschaftliche Geschäftsführungspositionen betrachte der Gesetzgeber - wie den §§ 117, 127 HGB zu entnehmen sei - als nur aus wichtigem Grund entziehbar. Gerechtfertigt sei dies dadurch, dass die Mitgliedschaft die Geschäftsführer unabhängig von schadensersatzrechtlichen Regressen an den Folgen ihres unternehmerischen Handelns beteilige. Daraus folgt für § 38 Abs. 2 GmbHG, dass die Widerruflichkeit nur dann beschränkt werden kann, wenn die Geschäftsführer zugleich Verbandsmitglieder seien; ansonsten schlage die zwingende freie Widerruflichkeit freier Mandate (§§ 52 Abs. 1 HGB, 24 Abs. 3 GenG, 84 Abs. 3 AktG) auf das GmbH-Recht durch.

Die absolut herrschende Meinung wendet dagegen nur ein: für eine restriktive Auslegung des § 38 Abs. 2 GmbHG besteht kein Grund 74 . Anders als im schweizerischen Recht 75 , findet sich der Gedanke Reuters nicht im Gesetzestext des GmbHG wieder. Doch war es genau dieser Gedanke, der den Gesetzgeber bewog, § 38 Abs. 2 GmbHG in das Gesetz aufzunehmen. In den Fällen der kleinen personalistischen GmbH sollte den Gesellschaftern die Möglichkeit 71

Münchener Kommentar-ÄewteA; 3. Auflage, § 27, Rdnr. 12. Zwar lasse auch § 27 Abs. 2 S. 2 BGB eine Beschränkung der Widerruflichkeit zu, doch könne im Idealverein wegen der geringeren sachlichen Autonomie ein größeres Maß an persönlicher Autonomie hingenommen werden (Münchener Kommentar-Ztewtej; 3. Auflage, § 27, Rdnr. 12). 73 Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 27, Rdnr. 13. 74 Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 38, Rdnr. 40. 7 5 Art. 814 SchweizOR. (1)... 72

(2) Die Entziehung der Geschäftsführung und Vertretung richtet sich unter den Gesellschaftern nach den für die Kollektivgesellschaft geltenden Vorschriften. (3) Einem Geschäftsführer, der nicht Gesellschafter ist, kann die Geschäftsführung und Vertretung durch Gesellschaftsbeschluss jederzeit entzogen werden. Entschädigungsansprüche der Abberufenen bleiben vorbehalten. (4)...

230

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

eröffnet werden, sich faktisch entsprechend den Grundsätzen der offenen Handelsgesellschaft zu organisieren 76. Mit den Worten von Oechselhäuser: Aktiengesellschaft nach außen und oHG nach innen 77 . Das sagen die Motive zum GmbHG ganz eindeutig: „ . . . Andererseits folgt aus diesem Gesichtspunkt (Anm.: Abhängigkeit der Geschäftsführung vom Willen der Gesellschafter) auch, daß die Gesellschafter befugt sein müssen, die Bestellung der Gesellschafter jederzeit zu widerrufen (§ 38). Diese Grundsätze können aber nicht, wie bei der Aktiengesellschaft und eingetragenen Genossenschaft, als ausnahmslose Norm aufgestellt werden; denn wenn auch von dem Regelfall auszugehen ist, daß die Geschäftsführer thatsächlich nichts anderes, als das beauftragte Organ der Gesellschaft darstellen, so müssen doch zugleich diejenigen Fälle berücksichtigt werden, in welchen bei einer kleinen Zahl von Mitgliedern diesen sämtlich oder einzelnen von ihnen ein dauerndes Recht auf die Geschäftsführung zugestanden werden soll. Es muß deshalb möglich sein, durch den Gesellschaftsvertrag den Geschäftsführern eine gewisse Selbständigkeit und Unabhängigkeit in ihrer Stellung einzuräumen, und der Entwurf gestattet zu diesem Zweck Abweichungen von der gesetzlichen Regel sowohl in Bezug auf die Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer durch Beschlüsse der Geschäftsführer (§ 37 Absatz 1), als hinsichtlich der freien Widerruflichkeit der Bestellung (§ 38 Absatz 2)" 7 8 .

Letztlich wird man sich aber doch der herrschenden Meinung mit gutem Gewissen anschließen können. Der Wortlaut des Gesetzes gibt für die Auffassung Reuters nichts her und der Vergleich mit § 52 Abs. 1 HGB hinkt. Der Fremdgeschäftsführer steht in einem organschaftlichen Rechtsverhältnis zur GmbH und ist in die organisationsrechtliche Verfassung der GmbH integriert, während der Prokurist als Angestellter außerhalb des Verbandes steht. Beide Rechtsinstitute können nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Und wie Wiedemann festgestellt hat, hängt die Abhängigkeits- und Disziplinierungswirkung der Abberufung weit weniger davon ab, ob der Widerruf jederzeit oder nur aus wichtigem Grund erfolgen kann, als davon, ob das Bestellungsorgan zur mehrheitlichen Beschlussfassung und sofortigen Durchsetzung willens und in der Lage ist 7 9 : kommt wegen Streitigkeiten in der Gesellschafterversammlung keine Mehrheit zur Abberufung zustande, lässt sich eine Abberufung auch des Fremdgeschäftsführers nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durchsetzen, da sich erst jetzt die Treuepflicht der Gesellschafter zur Zustimmungspflicht hinsichtlich der Abberufung des Geschäftsführers verdichtet 80.

76 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 44 f. 77 Dazu: Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 90, 91. 78 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 88. 79 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I = S. 371. 80 Positive Stimmpflicht auf Zustimmung zur Abberufung: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 14, Rdnr. 19 f.

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

231

Zudem fußt die Auffassung Reuters auf einer heute nicht mehr nachvollziehbaren Skepsis gegenüber Fremdverwaltern. Die Fremdverwaltung ist trotz fehlender unmittelbarer wirtschaftlicher Beteiligung nicht qualitativ minderwertiger als die „Eigenverwaltung" durch Gesellschafter, die am wirtschaftlichen Risiko partizipieren; gerade beim Fremdgeschäftsführer fehlt die typische Gefahr, dass er Gesellschafterinteressen vor die Verbandsinteressen stellt. Letzte Bedenken schwinden bei interessengerechter Interpretation des Begriffs „wichtiger Grund", die Sinn und Zweck der Fremdgeschäftsführung gerecht wird. Die Fremdgeschäftsführung soll dem Verband unternehmerische Kompetenz von außen zuführen. Zeigt sich der „Fremde" - auch ohne Verschulden - erfolglos in seinem Geschäftsgebaren, kann man sich seiner wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsführung entledigen (vgl. auch unten §§ 15, 16).

b) Die zwingende Grenze des § 38 Abs. 2 GmbHG Die Befugnis der Gesellschaft, die Bestellung zum Geschäftsführer aus einem solchen Grund jederzeit zu widerrufen, ist mit Rücksicht auf die Gefahren, die der Gesellschaft infolge der gegenständlich unbeschränkten Vertretungsmacht des Geschäftsführers (§ 37 Abs. 2 GmbHG) drohen, nach Auffassung des Bundesgerichtshofs für den Fremdgeschäftsführer und den Gesellschafter-Geschäftsführer (ohne Sonderrecht) - also für die nicht personalistische GmbH - in § 38 Abs. 2 GmbHG zwingend vorgeschrieben 81. Sie kann durch die Satzung weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden. Eine unzulässige Einschränkung würde es auch bedeuten, wenn der Widerruf aus wichtigem Grund an eine höhere als die in § 47 Abs. 1 GmbHG bestimmte einfache Mehrheit gebunden wäre 82 . Der BGH lehnt es auch ab, auf den Gesellschafter-Geschäftsführer die §§ 117, 127 HGB entsprechend anzuwenden, in der Weise, dass der Widerruf der Bestellung eines Gesellschafter-Geschäftsführers erst mit der Rechtskraft einer sie bestätigenden Gerichtsentscheidung wirksam wird 83 . si BGHZ 86, 177 (179), Urt. v. 20. 12. 1982, Az: II ZR 110/82 hat die Frage, ob ein Abberufungsbeschluss aus wichtigem Grund an eine höhere Mehrheit als die des § 47 Abs. 1 GmbHG gebunden werden kann, für den Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sonderrecht offen gelassen, aber für Fremdgeschäftsführer und den einfachen Gesellschafter-Geschäftsführer bejaht. 82 BGHZ 86, 177 (178 f.), Urt. v. 20. 12. 1982, Az: I I ZR 110/82. 83 BGHZ 86, 177 (180 f.), Urt. v. 20. 12. 1982, Az: I I ZR 110/82: „Eine entsprechende Anwendung der §§ 117,127 HGB scheitert daran, daß der dort geregelte, auf die Verhältnisse in einer Personengesellschaft mit Selbstorganschaft zugeschnittene Tatbestand sich wesentlich von der Lage in einer GmbH unterscheidet, in der sich die Notwendigkeit ergibt, einen Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen: Während in der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft einem Gesellschafter-Geschäftsführer die Vertretungsmacht nach der gesetzlichen Regelung nur durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden kann, wird der Geschäftsführer einer GmbH nach § 46 Nr. 5 GmbHG durch Gesellschafterbeschluß bestellt und entlassen. Ein Vergleich ist daher allenfalls mit der Rechtslage in einer

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

5. Informationsrechte a) Individuelle Informationsrechte (§ 51a GmbHG) § 51a GmbHG gewährt jedem Gesellschafter ein umfassendes, individuelles Informationsrecht auf Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft und Einsicht in ihre Unterlagen 84. Es handelt sich hierbei um kein Organrecht der Gesellschafterversammlung, das der sachgerechten Wahrnehmung ihrer Kompetenzen dient, sondern um ein zwingendes (§ 51 Abs. 3 GmbHG) eigennütziges Mitgliedschaftsrecht, vergleichbar den individuellen Informationsrechten der Komplementäre einer offenen Handelsgesellschaft (§118 HGB). Dennoch dient das individuelle Informationsrecht auch der Gesellschaft als solcher, da die Zweckverfolgung durch die Geschäftsführer und die Beachtung der diesen obliegenden Sorgfaltspflichten kontrolliert werden 85.

b) Kollektives Informationsrecht der Gesellschafterversammlung Von dem individuellen Informationsrecht aus § 51a GmbHG ist das (kollektive) Informationsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber den Geschäftsführern zu unterscheiden, also insbesondere das Informationsrecht nach § 46 Nr. 6 GmbHG, das Informationsrecht vor der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen und die Pflicht der Geschäftsführer zur selbständigen Information der Gesellschafter (zB § 49 Abs. 3 GmbHG) 86 . Allgemein korrespondiert den Geschäftsführungsund Weisungsrechten der Gesellschafterversammlung ein umfassendes Informationsrecht.

Personengesellschaft möglich, in der nach dem Gesellschaftsvertrag, abweichend vom Gesetz, einem der Gesellschafter die Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht durch Beschluß entzogen werden kann; da ein solcher Beschluß, wenn seine sachlichen Voraussetzungen gegeben sind, sofort wirksam wird, hat eine spätere gerichtliche Entscheidung keine rechtsgestaltende, sondern nur feststellende Bedeutung (Hueck, Das Recht der OHG 4. Aufl. § 10 V I I 11 b; vgl. auch § 712 Abs. 1, § 715 BGB). Entsprechende Vertragsbestimmungen werden vielfach aus guten Gründen vereinbart, weil es namentlich bei groben Verfehlungen oder Mängeln der Geschäftsführung im Interesse der Gesellschaft schwer erträglich sein kann, dem dafür verantwortlichen Gesellschafter (sofern nicht durch eine einstweilige Verfügung Abhilfe geschaffen werden kann) die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bis zu einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung zu belassen. Dieser Gesichtspunkt kann erst recht in der GmbH jedenfalls dann für die sofortige Wirksamkeit einer Abberufung sprechen, wenn es sich um einen Fremdgeschäftsführer oder einen Gesellschafter handelt, dem, wie hier, die Satzung kein grundsätzlich unentziehbares Recht auf die Geschäftsführung einräumt". 84 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 51a, Rdnr. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 35 14 = S. 1039 ff. 85 Vgl. Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 118, Rdnr. 2. 86 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 51a, Rdnr. 1.

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II. Intraorganisatorische Willensbildung

1. Geschäftsführung Grundsätzlich gilt in der GmbH hinsichtlich der Geschäftsführungsbefugnis § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG analog, mit der Folge, dass grundsätzlich alle Geschäftsführer zusammenwirken müssen87. Allerdings kann hiervon abgewichen, und das sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, wenn im Vertrag nichts anderes vorgesehen ist (siehe dazu unten § 14 C I). Die Geschäftsführer können - sofern dem weder Gesellschaftsvertrag noch Gesellschafterweisungen entgegenstehen - untereinander die Geschäfte aufteilen; hierzu reicht nach hM ein einstimmiger Beschluss aller Geschäftsführer 88. Werden die Geschäfte in dieser Weise unter den Geschäftsführern aufgeteilt, ist nunmehr jeder Geschäftsführer primär für seinen Bereich verantwortlich. Es gelten nunmehr die Grundsätze der Gesamtverantwortung. Insbesondere Maßnahmen von besonderem Gewicht müssen von allen Geschäftsführern gemeinsam getroffen werden 89 und jeder Geschäftsführer hat die Pflicht, die ressortbezogene Tätigkeit der anderen beobachtend zu kontrollieren, mit steigernder Intensität, wenn die Gesellschaft in die Krise gerät. Deshalb besteht zwischen den Geschäftsführern ein System von Informationsrechten und Pflichten. Zur Verwirklichung seiner Rechte steht dem Geschäftsführer ein Interventionsrecht zu, mit dem er bestimmte Maßnahmen vor das Gesamtorgan bringen kann 90 . Auch hier besteht ein System der organinternen Selbstkontrolle. 2. Vertretung Wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, gilt das Prinzip der Gesamtvertretung. Im Gesellschaftsvertrag kann auch ohne weiteres Einzelvertretung bestimmt werden. Ebenfalls finden die Grundsätze der unechten Gesamtvertretung und der Einzelermächtigung Anwendung (siehe dazu unten § 14 C I).

C. Die personalistische GmbH Auch wenn die Organisation der GmbH nicht dem Prinzip der Selbstorganschaft folgt, so kann doch faktisch über Ausgestaltungen des Gesellschaftsvertrages ein Zustand geschaffen werden, der demjenigen der Selbstorganschaft - oder genauer: 87 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, (100), Urt. v. 03. 02. 1920, Az: II 272/19. 88 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 89 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 90 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage,

2000, § 37, Rdnr. 29; vgl. auch: RGZ 98, 98 2000, § 37, Rdnr. 29. 2000, § 37, Rdnr. 31. 2000, § 37, Rdnr. 33.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

demjenigen der Eigenverwaltung (siehe § 15) - nahe kommt. Aber es darf nicht übersehen werden, dass „Selbstorganschaft" (besser: Eigenverwaltung) in der personalistisch verfassten GmbH organisationsrechtlich etwas anderes meint, als im Recht der offenen Handelsgesellschaft. Es wird nicht das Organisationsprinzip der offenen Handelsgesellschaft auf die GmbH übertragen, wie es der Oechselhäusersche Entwurf vorsah, sondern es geht nur darum, das abstrakte Handlungsorgan der GmbH mit (bestimmten) Gesellschaftern zu besetzen und deren Stellung als Organwalter zu zementieren, insbesondere durch die Zuweisung von Sonderrechten auf Organwalterschaft in der Geschäftsführung. Mit anderen Worten: die fremdorganschaftliche Organisation der GmbH wird der Selbstorganschaft ähnlich ausgestaltet. In den Motiven heißt es: „Eine angemessene Gestaltung des Verhältnisses in denjenigen Fällen, in welchen bei geringer Mitgliederzahl den Gesellschaftern selbst oder einigen von ihnen ein dauernder Anspruch auf die Geschäftsführung eingeräumt werden soll, wird hierdurch nicht ausgeschlossen; denn selbstverständlich können auch Mitglieder der Gesellschaft zu Geschäftsführern bestellt werden, und es steht auch nichts entgegen, eine solche Übertragung der Geschäftsführung schon im Gesellschaftsvertrage vorzunehmen. Wird außerdem die Möglichkeit offen gelassen, durch entsprechende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages den geschäftsführenden Gesellschaftern ihren Mitgesellschaftern gegenüber eine gewisse Selbstständigkeit einzuräumen, insbesondere die Widerruflichkeit der Bestellung zum Geschäftsführer innerhalb bestimmter Grenzen einzuschränken (§ 37 Absatz 1, § 38 Absatz 2), so ist hinreichender Spielraum vorhanden, um auch in den Fällen der bezeichneten Art etwaigen besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen" 91 .

Im Gesetz ist bereits vorgesehen, dass Gesellschafter zu Geschäftsführern bestellt werden können (§ 6 Abs. 4 GmbHG). Die Stellung der Gesellschafter-Geschäftsführer lässt sich weitgehend an diejenige des geschäftsführenden Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft angleichen 92 ; nämlich durch: • Bestellung der Gesellschafter zum Geschäftsführer, am besten durch Einräumung von Sonderrechten (§ 35 Abs. 1 GmbHG) • Ausweitung des Umfangs der Geschäftsführungsbefugnisse (Weisungsfreiheit) • Schutz vor voraussetzungsloser Abberufung In der Tat ist § 6 Abs. 3 S. 2 GmbHG das Hintertürchen zur derivativen Selbstverwaltung. Bereits im Gesellschaftsvertrag können die Gesellschafter zu Ge91 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 44 f. 92 Nach Immenga ist damit der Weg zur Selbstorganschaft vorgezeichnet. Aber er sieht doch auch, dass die „Selbstorganschaft" im System der GmbH mit dem, was hier unter Selbstorganschaft verstanden wird, nichts zu tun hat: „Da es sich jedoch im Unterschied zur Personengesellschaft immer noch um eine „gekorene" Geschäftsführung handelt, ist die Selbstorganschaft gesellschaftsrechtlich abzusichern" {Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 93).

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

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schäftsführern bestellt werden. Aber gleichwohl bestehen zwischen der unmittelbaren Zuweisung organschaftlicher Befugnisse an die Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsvertrags und der Bestellung eines Gesellschafters zum Organwalter des Geschäftsführungsorgans im Gesellschaftsvertrag erhebliche Unterschiede. Denn die Bestellung eines Geschäftsführers „im Gesellschaftsvertrag" ist nichts anderes als die Bestellung eines Organwalters gelegentlich des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages. Sie gehört rechtlich nicht zur materiellen Satzung93. Wäre die Bestellung im Gesellschaftsvertrag Satzungsbestandteil, so könnte sie nur durch Satzungsänderung - also unter den Voraussetzungen des § 53 GmbHG (Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen) widerrufen werden 94. Es besteht kein rechtlicher Unterschied zwischen der Bestellung im Gesellschaftsvertrag (besser: gelegentlich des Gesellschaftsvertrags) oder durch Gesellschafterbeschluss. Dies ist in der offenen Handelsgesellschaft anders. Hier werden die Kompetenzen durch den Gesellschaftsvertrag unmittelbar bestimmten Gesellschaftern zugewiesen. Sollen diese Kompetenzen nachträglich bestimmten Gesellschaftern entzogen oder zugewiesen werden, so ist dafür eine Änderung des Gesellschaftsvertrages notwendig95. Das ist Folge davon, dass sich die Bestellung der Geschäftsführer der GmbH auf der Ebene der konkreten Handlungsverfassung abspielt, während bei der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft die Stufe der abstrakten Handlungsverfassung berührt wird, also jede Änderung des Zuschnitts direkt den Gesellschaftsvertrag als die Verfassung des Verbandes berührt. Die Frage der abstrakten Handlungsverfassung, also die Ebene der Vertragsänderung, wird bei der GmbH erst berührt, wenn der Kompetenzzuschnitt der einzelnen Organe berührt wird, also zB die Geschäftsführungsbefugnisse der Geschäftsführer auf ein anderes Gesellschaftsorgan übertragen werden. Die Bestellung und Abberufung sind aber - gleich ob sie nun gelegentlich des Gesellschaftsvertrags oder durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erfolgen - verfassungsrechtlich neutral. Die Bestellung oder Abberufung eines Organ waiters spielt sich im Rahmen der abstrakten Handlungsverfassung ab, ohne diese zu berühren. Um den Gesellschaftern ein Recht „auf die Geschäftsführung" (vgl. § 114 Abs. 1 HGB) zu geben, und es nicht von den Launen der Gesellschafterversammlung abhängig zu machen, ob eine Bestellung zum Geschäftsführer erfolgt, können den Gesellschaftern in der Satzung Sonderrechte (§ 35 BGB) auf die Geschäftsführung eingeräumt werden 96. Da dem Begünstigten solche Rechte nur mit seiner Zustim93 RGZ 44, 95 (97 f.), Urt. v. 21. 10. 1899, Az: I 247/99; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 94. 94 Vgl. RGZ 44, 95 (97), Urt. v. 21. 10. 1899, Az: 1247/99. 95 Wofür das Gesetz bei dem Entzug der organschaftlichen Leitungsbefugnisse das vereinfachte Verfahren der §§117, 127 HGB anbietet. 96 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 38, Rdnr. 10 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 35 I 3 c = S. 1038. Dabei wird in Rechtsprechung und Wissenschaft betont, dass nicht alleine von der Bestellung zum Geschäftsführer im Gesell-

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

mung entzogen oder beeinträchtigt werden dürfen, kann er nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden 97. Auch wenn einem Gesellschafter ein Sonderrecht zugewiesen wird, so bestimmt sich die Kompetenzverteilung zwischen den Geschäftsführern und den andern Gesellschaftsorganen nach der Handlungsverfassung, so wie sie der Gesellschaftsvertrag institutionalisiert hat 98 . Das Sonderrecht bezieht sich eben auf die Mitgliedschaft in einem mehr oder weniger an Kompetenzen reichen Organ. Soll die Handlungsverfassung der GmbH der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft angeglichen werden, so wird sich die Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführern und Gesellschafterversammlung nach den §§ 116, 164 HGB richten 99 : das bedeutet, dass die Geschäftsführer die Geschäftsführungsbefugnisse für den Bereich des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs haben, dagegen die Gesellschafterversammlung zuständig wird, wenn dieser Rahmen gesprengt wird. In diesem Bereich sind die Geschäftsführer dann wie die geschäftsführenden Gesellschafter einer oHG weisungsunabhängig. Das einem Gesellschafter eingeräumte Sonderrecht auf Geschäftsführung enthält eine besondere Bedeutung durch die Erschwerung des Widerrufs der Bestellung 1 0 0 . Das unterscheidet ihn vom normalen Geschäftsführer, der grundsätzlich nach § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit von der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit (§§ 46 Nr. 5, 47 Abs. 1 GmbHG) abberufen werden kann und damit in starker Abhängigkeit von der Gesellschafterversammlung steht 101 . Denn soweit einem Gesellschafter gem. § 35 BGB das Sonderrecht auf die Geschäftsführung eingeräumt wurde, kann er nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden; allerdings kann er selbst dann aus wichtigem Grund abberufen werden, wenn das Recht auf Widerruf ganz ausgeschlossen wurde, also eine Bestellung auf Lebenszeit vorliegt. Auf diese Weise kann die Stellung des Gesellschafschafts vertrag auf das Vorliegen eines Sonderrechts geschlossen werden kann. Es liegt nahe, bei der gesellschaftsvertraglichen Annäherung der Handlungsverfassung an die oHG oder KG von der Einräumung eines Sonderrechts auszugehen (Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 95). 97 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 38, Rdnr. 12. 98 Damit ist aber nicht die Frage entschieden, ob durch nachträgliche Satzungsänderung der Umfang der Geschäftsführungsbefugnisse zu Ungunsten der Geschäftsführer verschoben werden kann; dagegen spricht, dass auf diese Weise das Sonderrecht, das nur mit Zustimmung seines Inhabers aufgehoben werden darf, entwertet werden kann. Das Recht auf die Position als Geschäftsführer könnte so faktisch entwertet werden, wenn durch Satzungsänderung die Geschäftsführung zu einem reinen Exekutivorgan degradiert wird. 99 Vgl. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 98. 100 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 98 ff.; Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 38, Rdnr. 12. 101 Davon kann allerdings nach hM auch beim Fremdgeschäftsführer abgewichen werden, zB: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 38, Rdnr. 8; aA: Beschränkung des Widerrufsrechts auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes nur beim Gesellschaftergeschäftsführer: Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 27, Rdnr. 13.

1. Abschn., § 9 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

237

ter-Geschäftsführers mit Sonderrecht auf die Geschäftsführung weitgehend der Stellung eines geschäftsführenden Gesellschafter der oHG oder Kommanditgesellschaft angeglichen werden, die sich mangels abweichender Ausgestaltung im Gesellschaftsvertrag nach den § 117, 127 HGB richtet102. Lebhaft umstritten ist, ob die Abberufung des Gesellschaftergeschäftsführers aus wichtigem Grund an eine qualifizierte Mehrheit gebunden werden kann 103 . Der Bundesgerichtshof hat immerhin klargestellt, dass es eine unzulässige Beschränkung des § 38 Abs. 2 GmbHG wäre, wenn der Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer aus wichtigen Grund an eine höhere als die in § 47 Abs. 1 GmbHG bestimmte gebunden wäre 104 ; das gelte auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer, wobei der Bundesgerichtshof zur Begründung besonders auf die Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdorganschaft hinweist. Ob dies auch dann gelte, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer ein Sonderrecht auf die Geschäftsführung habe, ließ der Bundesgerichtshof offen 105 . Während eine Minderheit in der Lehre die Möglichkeit anerkennt, die Abberufung aus wichtigem Grund an das Vorhandensein einer qualifizierten Mehrheit zu binden 106 , wird dies von der Mehrheit abgelehnt107: es sei unzumutbar, dass ein Geschäftsführer von einer kleineren Minderheit gestützt werde und deshalb von der Mehrheit ertragen werden müsste; die Erschwerung der Abrufbarkeit könne so praktisch einer Aufhebung der Widerruflichkeit gleichkommen. Zu beachten ist zweierlei: bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ist infolge der Nichtigkeit 1 0 8 von Gegenstimmen kraft der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht die Obstruktionspolitik einer sich treuwidrig verhaltenden Minderheit (gerichtlich) durchaus überwindbar 1 0 9 : wird über die Abberufung eines Geschäftsführers beschlossen und liegt ein wichtiger Grund vor, so folgt aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht des Gesellschafters, für die Abberufung zu stimmen 110 . Stimmt der Gesellschafter dagegen, so ist seine Stimmabgabe unwirksam. Allerdings reicht es nicht, die treuwidrig nicht abgegebene Ja-Stimme nach § 242 einfach zu ersetzen und sie sich hinzuzudenken. Die positive Stimmpflicht muss vielmehr grundsätzlich prozessual durchgesetzt werden (Klage auf Zustimmung). Für die GmbH kann dies aber im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage iU geschehen: wird in der Gesellschafterversammlung ein Antrag abgelehnt, weil ein Mitglied treuwidrig dagegen stimmt, so kann die gegen den Beschluss erhobene Anfechtungsklage

102

Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 99. Dazu: Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 99 ff. 104 zustimmend: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 38, Rdnr. 16; los BGHZ 86, 177 (178 f.), Urt. v. 20. 12. 1982, Az: II ZR 110/82. 103

106 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 46, Rdnr. 73; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 100 f. 107 Hachenburg-Stern, GmbHG, 8. Auflage, § 38, Rdnr. 91; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 38, Rdnr. 16. i° 8 Eine treuwidrige Stimmabgabe ist nichtig, str.: so: Scholz-K Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 47, Rdnr. 32; vgl.: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, Anh § 47, Rdnr. 46. 109 Vgl. Hachenburg-Stern, GmbHG, 8. Auflage, § 38, Rdnr. 91. no Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 38, Rdnr. 77; BGHZ 102, 172 (176), Az: II ZR 100/87. m Dazu: Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 45, Rdnr. 180.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

mit der Klage auf Feststellung verbunden werden, der Antrag sei angenommen. In diesem Fall braucht der opponierende Gesellschafter nicht auf Zustimmung (§ 894 ZPO) verklagt zu werden, sondern es genügt nach der Praxis des BGH die Klageerhebung gegen die Gesellschaft 112. Letztlich setzt sich die materielle Rechtslage durch. Es ist letztlich eine Frage der Zumutbarkeit, ob der Gesellschaft angesonnen werden kann, bis zur abschließenden gerichtlichen Klärung am Geschäftsführer, der einen wichtigen Grund für seine Abberufung gesetzt hat, festzuhalten. In der gesetzestypisch organisierten oHG ist ein Antrag aller Gesellschafter auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnisse notwendig (§§ 117, 127 HGB). Soll durch die Einräumung eines Sonderrechts auf Geschäftsführung ausgeglichen werden, dass in der GmbH das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft keine Anwendung findet, kann man in der GmbH durchaus zulassen, entsprechend der Rechtslage in den Verbänden, die gesetzestypisch selbstorganisatorisch strukturiert sind, für den Abberufungsbeschluss eine qualifizierte Mehrheit vorzusehen. Aber selbst dann hat man noch nicht die organisatorische Verfestigung einer Mitgliederselbstverwaltung wie im Organisationsprinzip der Selbstorganschaft. Wird zB dem einzigen geschäftsführenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft seine Leitungsbefugnis entzogen, ist grundsätzliche Rechtsfolge, dass die Gesamtvertretungsmacht aller Gesellschafter, inklusive des bisher ausschließlich geschäftsführenden Gesellschafters, wieder auflebt 113 , während die GmbH nach Abberufung des Geschäftsführers führerlos dasteht.

D. Fazit Die Organisationsverfassung der GmbH ist für die Gesellschafter sehr attraktiv. Sie haben die Möglichkeit, fremdes Management in die Gesellschaft zu holen, und behalten durch Weisungsrechte und eigene Geschäftsführungsbefugnisse die unmittelbare Leitung des Unternehmens. Anerkennt man die Zulässigkeit einer fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft, bietet sich die Organisationsverfassung der GmbH an.

2. Abschnitt

Systeme der originären Mitgliederselbstverwaltung § 10 D i e offene Handelsgesellschaft Anders als der Verein oder die Aktiengesellschaft hat die gesetzestypisch verfasste offene Handelsgesellschaft keine abstrakten Organe als Zuordnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse. Die offene Handelsgesellschaft ist entsprechend dem Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) organisiert. Die organschaftlichen Befugnisse sind unmittelbar den Verbandsmit-

112 Scholz-K. Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 47, Rdnr. 32. 113 BGHZ 33, 105 (108), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: I I ZR 260/59.

2. Abschn., § 10 Die offene Handelsgesellschaft

239

gliedern kraft ihrer Verbandsmitgliedschaft zugewiesen114. Jeder Gesellschafter, dem organschaftliche Befugnisse zugewiesen sind, ist Organ der Gesellschaft. Die Stufe der miraorganisatorischen Verfassung fehlt. Dennoch gibt es auch in der oHG Rechtsinstitute wie Einzel- oder Gesamtvertretung oder den Grundsatz der Gesamtverantwortung, die eben auf die mierorganisatorische Stufe verlagert sind. Um diese Phänomene in den Griff zu bekommen, bietet sich der Begriff der Gruppe an. Die geschäftsführungsberechtigten und vertretungsberechtigten Gesellschafter lassen sich zur Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter zusammenfassen. Diese Gruppe ist einem abstrakten Handlungsorgan, zB dem aktienrechtlichen Vorstand weitgehend angenähert. Auch die Gesamtheit aller Gesellschafter lässt sich zu einer Gruppe zusammenfassen. Sie entspricht weitgehend dem Mitgliederorgan der Verbände, zB der Gesellschafterversammlung des GmbH-Rechts. Allerdings darf die Kategorie der Gruppe nicht darüber hinweg täuschen, dass die Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft einem anderen Organisationsprinzip folgt als die Verbände, die entsprechend den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung verfasst sind. Die Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter ist kein Organ; es bleiben doch organisationsrechtliche Unterschiede. Soll in der offenen Handelsgesellschaft einem geschäftsführenden Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis entzogen und einem bisher von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter die organschaftlichen Befugnisse zugewiesen werden, so bedeutet dies eine Änderung der abstrakten Handlungsverfassung des Verbandes, da die Zuordnung der organschaftlichen Befugnisse an bestimmte Organe verändert wird. Der Gesellschaftsvertrag ist zu ändern. Hingegen spielt sich bei der abstrakten Organ Verwaltung die Bestellung und Abberufung eines Organ waiters im Rahmen der abstrakten Handlungsverfassung ab. Hier ändert sich nur die konkrete Handlungsverfassung, selbst dann, wenn zB die Satzung einer GmbH für den Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sonderrecht auf die Geschäftsführung eine qualifizierte Mehrheit zur Abberufung verlangt.

A. Die Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft I. Geschäftsführung

7. Die Kompetenzzuweisung an die Gesellschafter Nach der gesetzestypischen Handlungsverfassung werden die Geschäftsführungsbefugnisse unmittelbar den persönlich haftenden Gesellschaftern zugewiesen, ohne dass es dafür eines besonderen Organisationsaktes bedarf.

Π4 Vgl. Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 38 11 = S. 475.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

2. Die Willensbildung innerhalb der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter In der oHG gibt es keine Ebene der intraorganisatorischen Willensbildung in einem abstrakten Handlungsorgan. Ob der Einzelwille der geschäftsführenden Gesellschafter zum Willen der Gesellschaft wird, entscheidet sich aufgrund der Normen der mterorganisatorischen Handlungsverfassung, also der Normen, die die Kompetenzverteilung unter den Organen eines Verbandes regeln. Hier hilft der Gruppengedanke: maßgeblich sind die Normen, die die Willensbildung innerhalb der Gruppe, bzw. zwischen den geschäftsführenden Gesellschaftern regeln 115 . Anders als in der GbR sieht die typische Handlungsverfassung der oHG Einzelgeschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter vor, §§ 114, 115 Abs. 1 HGB, d. h. grundsätzlich ist der Wille eines geschäftsführenden Gesellschafters (Organ) der Geschäftsführungswille des Verbandes. Die Geschäftsführung kann auch ausschließlich auf einzelne Gesellschafter übertragen werden; die anderen Gesellschafter sind dann von der Geschäftsführung ausgeschlossen, § 114 Abs. 2 HGB. Bei einer solchen Gestaltung ist für die begrenzte Diligenzpflicht des § 708 BGB die ja gerade auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit aller Gesellschafter beruht - kein Raum mehr (s.o. § 6 H).

3. Grundsatz der Gesamtverantwortung Der allgemeine verbandsrechtliche Grundsatz der Gesamtverantwortung gilt auch und gerade in der oHG, hat er sich doch teilweise in § 115 Abs. 1 HS 2 HGB und § 116 Abs. 3 HGB positiviert. Geschäftsführenden Gesellschaftern steht untereinander ein Widerspruchsrecht zu, das von Informationsrechten und Informationspflichten bekleidet ist 1 1 6 ; vor besonders wesentlichen Maßnahmen müssen die übrigen geschäftsführenden Gesellschafter informiert, teilweise sogar befragt werden, um sie überhaupt in die Lage zu versetzen, Widerspruch erheben zu können. So entschied der Bundesgerichtshof 117: Auch wenn ein geschäftsführender Gesellschafter nach § 115 Abs. 1 HGB allein zu handeln berechtigt ist, muss er Maßnahmen, bei denen nach ihrer Bedeutung anzunehmen ist, dass der Mitgeschäftsführer auf eine vorherige Unterrichtung Wert legt, zunächst mit diesem besprechen und abwarten, ob er nicht widerspricht. Eine Maßnahme, die unter bewusster Umgehung des anderen Geschäftsführers getroffen wird, ist nicht anders zu beurteilen als eine Handlung, die ein Geschäftsführer gens Natürlich ist der Wille der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter nicht immer der Wille der Gesellschaft. Bei außergewöhnlichen Geschäften liegt der Wille der Gesellschaft erst vor, wenn alle Gesellschafter zustimmen. 116 Ohne diese Informationsrechte und -pflichten könnte das Widerspruchsrecht gar nicht funktionieren, da der eine geschäftsführende Gesellschafter nicht ohne weiteres weiß, was der andere treibt. i n BGH, BB 1971, 759, Lt. l,Urt.v. 19.04. 1971, Az: II ZR 159/68.

2. Abschn., § 10 Die offene Handelsgesellschaft

241

gen den vorher erhobenen Widerspruch des anderen vornimmt. Sie ist im Innenverhältnis des Verbandes unwirksam und soweit möglich und im Interesse der Gesellschaft vertretbar rückgängig zu machen 118 .

Da das Widerspruchsrecht ansonsten leer laufen würde, korrespondiert ihm eine Informationspflicht. Die übrigen geschäftsführenden Gesellschafter sind über widerspruchsrelevante Maßnahmen - also zB weitragende oder kontrovers diskutierte Entscheidungen - vorher zu informieren. Das folgt aus dem Grundsatz der Gesamtverantwortung 119. Bei mangelhaftem Informationssystem oder Verdachtsmomenten trifft den einzelnen geschäftsführenden Gesellschafter eine Informationsbeschaffungspflicht: es besteht sogar bei Ressortverteilung eine allgemeine Aufsichtspflicht der geschäftsführenden Gesellschafter untereinander, die allerdings nicht überspannt werden darf. Durch diese allgemeine Aufsichtspflicht verbunden mit der Informationspflicht wird eine Selbstkontrolle der geschäftsführenden Gesellschafter untereinander institutionalisiert 120 ; dieses ist eines der Hauptinstrumente der Handlungskontrolle auf der Ebene der Handlungsverfassung, da entgegen der externen Kontrolle durch andere Organe hier eine permanente, unmittelbare und sachnahe Kontrolle erreicht wird, die durch andere Organe, in dieser Qualität per se nicht geleistet werden kann. Festzuhalten bleibt: wie es zB im Recht der Aktiengesellschaft innerhalb des abstrakten Vorstands das Prinzip der Gesamtverantwortung gibt, greift das Pendant im Recht der gesetzestypisch verfassten oHG innerhalb der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter an. Die nichtgeschäftsführenden Gesellschafter sind davon - wie aus § 115 Abs. 1 HS 1 HGB folgt - ausgeschlossen. Das ist auch - und hier beweist sich die Annäherung der Gruppe an das abstrakte Organ - konsequent, da der Grundsatz der Gesamtverantwortung ein Mittel der Selbstkontrolle der Geschäftsführung ist. Der Widerspruch darf sich nur gegen konkrete Einzelmaßnahmen richten; eine generelle Verhinderung der Geschäftsführertätigkeit kann nicht über den Weg des Widerspruchsrecht sondern nur über § 117 HGB erreicht werden 121 . Nicht mehr zum Prinzip der Gesamtverantwortung gehört § 116 Abs. 2 HGB. Hier besteht eine Kompetenzverschiebung weg von der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter hin zur Gesamtheit der Gesellschafter. Außergewöhnlichen Maßnahmen müssen alle Gesellschafter zustimmen, auch dann, wenn sie von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind. Eine besondere Ausprägung der Lehre von der Gesamtverantwortung ist § 116 Abs. 3 HGB. Danach ist zur Bestellung eines Prokuristen die Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter notwendig, unanhängig davon, ob die abstrakte Handlungsverfassung Einzel- oder Gesamtvertretung durch die geschäftsführenden Gesellschafter anordnet. Wegen der weitreichenden Bedeutung der Prokuristenbe118 Vgl. auch OLG Hamm, BB 1993, 165, Urt. v. 24. 06. 1992, Az: 8 U 82/92. 119 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 115, Rdnr. 15. 120 Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 77, Rdnr. 15. 121 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 115, Rdnr. 13. 16 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Stellung für die Gesellschaft wird die Entscheidungsbefugnis allen geschäftsführenden Gesellschaftern zugewiesen. Zwar werden die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter nicht an der Entscheidung beteiligt, so dass man nicht wie bei § 116 Abs. 2 HGB von einer Kompetenzverschiebung sprechen kann, aber es wird doch auf Ebene der zur Entscheidung berufenen geschäftsführenden Gesellschafter das besondere Medium der Einstimmigkeit zwischengeschaltet, um durch das gegenseitige Zusammenwirken eine richtige Entscheidung zu gewährleisten. Das ist das Instrument der Gesamt Verantwortung.

4. Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis Die Zuweisung organschaftlicher Befugnisse an einzelne Gesellschafter ist bei der oHG Teil der abstrakten Handlungs Verfassung. Nicht durch den (organisatorischen) Bestellungsakt irgendeines Bestellungsorgans, sondern unmittelbar durch den Gesellschaftsvertrag werden dem Gesellschafter die Geschäftsführungskompetenzen zugewiesen. Daher ist die Entziehung organschaftlicher Befugnisse ein unmittelbarer Eingriff in die abstrakte Handlungsverfassung und damit eine Änderung des Gesellschaftsvertrags 122. Gerade darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Widerruf der Bestellung zum Organwalter. Hier bewegen sich die personellen Änderungen auf Ebene der konkreten Handlungsverfassung. Durch das zuständige Bestellungsorgan wird durch Organakt eine Person ausgetauscht. Die abstrakte Handlungsverfassung aber, d. h. die Zuweisung organschaftlicher Kompetenzen an die einzelnen Organe wird dadurch nicht tangiert. Man kann sagen, der Widerruf der Bestellung spielt sich im vorgegebenen Rahmen der abstrakten Handlungsverfassung ab. Ganz anders ist die Situation in der offenen Handelsgesellschaft (und ebenso in der KG, KGaA und GbR). Hier wirkt der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis unmittelbar auf die abstrakte Handlungsverfassung. Die organschaftliche Kompetenzverteilung wird berührt, wenn einem Gesellschafter, der Organ (eingliedriger Organbegriff) der Gesellschaft ist, diese Kompetenzen genommen werden, ebenso, wenn einem anderen Gesellschafter diese Kompetenzen daraufhin zugewiesen werden. Der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis spielt hier nicht im Rahmen der abstrakten Handlungsverfassung, sondern er ändert die abstrakte Handlungsverfassung. Organisationsrechtlich ist damit die Situation vergleichbar, dass im Verein dem Vorstand die Geschäftsführungsbefugnis entzogen und einem anderen Organ zugewiesen wird (vgl. § 30 BGB). Nach § 117 HGB kann einem geschäftsführenden Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis nur entzogen werden, sofern ein wichtiger Grund vorliegt 123 ; die 122 Vgl. Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 117, Rdnr. 1; aA: Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 15 III = S. 274: Entziehung der Vertretungsbefugnis nur eine außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahme. 123 § i n HGB enthält weitgehend dispositives Recht und ist damit einer abweichenden Regelung im Gesellschaftsvertrag zugänglich (Großkommentar HGB ! Ulmer, 4. Auflage,

2. Abschn., § 10 Die offene Handelsgesellschaft

243

Zuweisung organschaftlicher Befugnisse ist also grundsätzlich unwiderruflich. Unabhängig von der Frage, ob mit Reuter die materielle Rechtfertigung für die grundsätzliche Unwiderruflichkeit der Organstellung i m typischen Interessengleichlauf von geschäftsführenden Gesellschaftern und Gesellschaftergesamtheit zu sehen i s t 1 2 4 , hat sie doch zunächst einen organisationsrechtlichen Grund. Die „Unentziehbarkkeit" der Geschäftsführungsbefugnisse folgt einmal aus dem Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung. Die organschaftlichen Kompetenzen werden unmittelbar durch den Gesellschaftsvertrag den Gesellschaftern kraft ihrer Mitgliedschaft zugewiesen. Einen organschaftlichen Bestellungsakt durch das zuständige Bestellungsorgan, der widerrufen werden könnte, gibt es nicht. Sollen dem geschäftsführenden Gesellschafter die Kompetenzen entzogen werden, ist vielmehr eine Änderung des Gesellschaftsvertrages notwendig 1 2 5 . Anders als bei der Fremdorganschaft ist schon i m Organisationsprinzip der Selbstorganschaft als Form der originären Mitgliederselbstverwaltung eine dauernde Verwaltung durch die Gesellschafter angelegt. Zudem kann das in §§ 117, 127 HGB, 712 Abs. 1 BGB niedergelegte Erfordernis des Vorliegens eines wichtigen Grundes ähnlich erklärt werden wie § 708 BGB (vgl. § 6 H). Wegen der gesetzestypischen Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft und der BGB-Gesellschaft hat jeder Gesellschafter die aktive Möglichkeit, Fehler des anderen Gesellschafters zu vermeiden und auszugleichen. Dies rechtfertigt es, dem anderen nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen. Wo es an § 117, Rdnr. 9; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 117, Rdnr. 11 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 47 V 1 b = S. 1386), wobei die gesellschaftsvertragliche Regelung die Entziehung der Geschäftsführung - bis hin zum Verzicht auf den wichtigen Grund (BGH, NJW 1998, 1225 (1226), Urt. v. 03. 11. 1997, Az: I I ZR 353/96) - selbst erleichtern kann (wie bei der GbR kann der Gesellschaftsvertrag festlegen, dass für die Entziehung ein Gesellschaftsbeschluss ausreichen soll, § 712 BGB. Für diesen Beschluss kann auch die einfache Mehrheit ausreichen. Auf diese Art wird eine Angleichung an die Handlungs Verfassung der GmbH erreicht) oder erschweren kann, wobei nach heute hL die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis nicht völlig ausgeschlossen werden kann (RG, in: JW 1935, 696 (697), Urt. v. 23. 11. 1934, Az: II 126/34; BGH, in: NJW 1998, 1225 (1226), Urt. v. 03. 11. 1997, Az: II ZR 353/96; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 117, Rdnr. 11; aA: Großkommentar HGB ! Ulmer, 4. Auflage, § 117, Rdnr. 10. Zwar könnte man sich notfalls auch mit der Ausschließungsklage gegen den ungetreuen Gesellschafter wehren (§ 142 HGB), dies kann aber die Existenz der Gesellschaft auf das Spiel setzen, wenn der auszuschließende Gesellschafter abzufinden ist). 124 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 161, auchS. 154 ff., 159 ff. 125 Das zeigt auch der Blick auf §§ 9 Abs. 2, 24 Abs. 3 GenG. Das Vorstandsmitglied einer entsprechend der Prinzipien der abstrakten Organverwaltung verfassten Genossenschaft muss zugleich Verbandsmitglied sein und doch ist er jederzeit von seinem Amt abrufbar; er haftet - sofern eine Nachschusspflicht besteht - wie die anderen Genossen, ja, das Gesetz hatte sich dessen Haftung sogar bewusst zur Handlungslenkung nutzbar gemacht (so insbesondere RGZ 144, 384 (387), Urt. v. 05. 06. 1934, Az: II 59/34 vor dem Hintergrund der damaligen Haftungsverfassung, die noch eine unmittelbare, unbeschränkte Haftung vorsah. Zweck des § 9 Abs. 2 GenG war es, das Vorstandsmitglied durch seine eigene Haftung als Genösse am Schicksal der Gesellschaft zu interessieren). 16*

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

diesen Voraussetzungen fehlt, schwindet die Legitimation dieser Vorschriften. Dementsprechend findet § 117 HGB zB auf die Publikumsgesellschaft, in der bis auf einen oder zwei geschäftsführenden Gesellschafter alle anderen von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, keine Anwendung 126 .

Damit ein wichtiger Grund iSd § 117 HGB vorliegt, müssen besonders gravierende Umstände vorliegen. Ein wichtiger Grund liegt nach allgemeiner Meinung vor, wenn den übrigen Gesellschaftern nach den Umständen des Einzelfalles, vor dem Hintergrund der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen und unter Abwägung der widerstreitenden Interessen, die Geschäftsführung des betroffenen Gesellschafters nicht länger zugemutet werden kann 127 ; auf ein Verschulden kommt es nicht an 1 2 8 . Allerdings entspricht diese Definition zu sehr dem tradierten Gesamthandsdenken. Richtigerweise muss sie lauten: ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Gesellschaft eine Fortführung der organschaftlichen Stellung durch den betroffenen Gesellschafter nicht länger zugemutet werden kann 129 . Es kommt auf eine Gesamtabwägung der Umstände des konkreten Einzelfalles an. Dabei ist aber nicht der regenerative Charakter der Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft aus dem Auge zu verlieren. Bei einer nach dem gesetzlichen Leitbild organisierten Gesellschaft wird allein das „unglückliche Händchen" eines Gesellschafters kein Grund sein, ihm die Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen: die anderen Gesellschafter können Schlimmeres verhindern und ihm unter die Arme greifen. Je mehr aber vom gesetzlichen Leitbild der personalistischen Gesellschaft abgewichen wird, also die selbstregulativen Mechanismen der originären Mitgliederselbstverwaltung nicht mehr greifen, umso eher wird ein Versagen des vielleicht einzigen geschäftsführenden Gesellschafters zum wichtigen Grund iSd § 117 HGB. Dann kann zB auch die notorische Erfolglosigkeit - auch wenn unverschuldet - reichen. Denn ins Verderben muss sich die Gesellschaft nicht führen lassen. Je mehr die Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft faktisch der fremdorganschaftlichen Handlungsverfassung der GmbH oder Aktiengesellschaft (Fremdverwaltung) angeglichen wird, also eine Abstrahierung durch Kulminierung der organschaftlichen Befugnisse in der Person einzelner Gesellschafter unter Ausschluss der übrigen Gesellschafter stattfindet, umso mehr kommen die Mechanismen der abstrakten Organverwaltung zum Zuge. Dazu gehört auch die Demission permanent erfolgloser Manager. Ob die Möglichkeit zum Entzug der Geschäftsführungsbefugnis ein geeignetes Mittel zur Disziplinierung übermütiger und zur Auswechslung unfähiger Gesellschafter ist, hängt !26 Großkommentar HGB I Ulmer, 4. Auflage, § 117, Rdnr. 5. Vielmehr ist eine analoge Anwendung der §§ 38, 46 Nr. 5 GmbHG angezeigt. 127 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 117, Rdnr. 23; BGH 31, 295 (304), Urt. v. 17. 12. 1959, Az: I I Z R 32/59. 128 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 117, Rdnr. 24; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 117, Rdnr. 4. 129 Hierfür wird die Frage von Bedeutung sein, ob den übrigen Gesellschaftern die Geschäftsführung noch zugemutet werden kann.

2. Abschn., § 10 Die offene Handelsgesellschaft

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maßgeblich davon ab, ob sie auch tatsächlich umgesetzt werden kann 130 . Dies ist durch die gesetzliche Regelung des § 117 HGB erschwert, wonach alle übrigen Gesellschafter dem Entziehungsantrag zustimmen müssen; schon ein opponierender Gesellschafter könnte mit seiner Obstruktionspolitik die notwendige Abberufung verhindern. Allerdings sind die Gesellschafter bereits aufgrund ihrer Treuepflicht verpflichtet, am Entziehungsverfahren mitzuwirken, wenn ein wichtiger Grund iSd § 117 HGB vorliegt. Um die Entziehungsklage nach § 117 HGB daher nicht an der Weigerung eines Gesellschafters scheitern zu lassen, bejaht man einen klagbaren Anspruch auf Mitwirkung an der Entziehungsklage. Die Gestaltungsklage gegen den geschäftsführenden Gesellschafter und die Leistungsklage gegen den widerstrebenden Gesellschafter werden dann miteinander verbunden 131.

5. Umfang der Geschäftsführungsbefugnis a) Kompetenz für die gewöhnlichen Geschäfte Der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis ist in § 116 HGB geregelt. Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich auf alle Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. b) Kompetenzverschiebung bei außergewöhnlichen Maßnahmen Bei außergewöhnlichen Maßnahmen ist ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter, inklusive der Gesellschafter, die von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, notwendig. In der gesetzestypischen Handlungsverfassung der oHG kommt es bei außergewöhnlichen, d. h. bei besonders bedeutsamen Geschäften zu einer verbandsinternen Kompetenzverschiebung. Uber die Geschäftsführungsmaßnahme entscheidet jetzt nicht mehr die Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter, sondern die Entscheidungskompetenz ist der Gesamtheit aller Gesellschafter zugewiesen, die vergleichbar der Mitgliederversammlung als höchstes Gremium der Gesellschaft über die Vornahme des anstehenden Geschäfts zu entscheiden hat. Auf diese Weise wird eine Machtbalance zwischen den Handlungsorganen der Gesellschaft (geschäftsführenden Gesellschaftern) und den übrigen Verbandsmitgliedern geschaffen. Es kommt zu einer „Gewaltenverschränkung" mit einem doppelten Effekt. Zum einen wird durch die Beteiligung der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter erreicht, dass nicht in wesentlichen Fragen über ihren Kopf hinweg entschieden werden kann (Schutzeffekt), zum anderen wird so ein zusätzliches Instrument der Richtigkeitsgewähr institutionalisiert, um die allgemeine Wohlfahrt des Verbandes zu sichern: vier Augen sehen mehr als zwei. Sofern diese gesetzestypische Kompetenzverschiebung durch den Gesellschaftsver130 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, S. 371. 131 Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 47 V 1 b = S. 1386 f.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

trag beseitigt wird, was zulässig ist 1 3 2 , wächst dem Grundsatz der Gesamtverantwortung der geschäftsführenden Gesellschafter besondere Bedeutung zu, um im Bereich besonders sensibler Entscheidungen verantwortungsbewusste und richtige Entscheidungen sicherzustellen. Dem Mitbestimmungsrecht aus § 116 Abs. 2 HGB korrespondiert als Annex ein besonderer Auskunftsanspruch, der - da ja Teil der organschaftlichen Kompetenzzuweisung durch einen Ausschluss oder Einschränkung des individuellen Informationsrechts nach § 118 HGB nicht tangiert wird.

c) Grundlagengeschäfte Nicht zur Geschäftsführung - weder zu den gewöhnlichen noch den ungewöhnlichen Geschäften iSd § 116 Abs. 1, Abs. 2 HGB - gehören die sog. Grundlagengeschäfte 133. Diese betreffen den Gesellschaftsvertrag, also die Verbands Verfassung, und sind allen Gesellschaftern zugewiesen134.

d) Weisungsabhängigkeit Aus §§ 105 Abs. 3 HGB, 713, 665 BGB könnte man, wenn man sich an den Wortlaut des Gesetzes klammert, eine Weisungsbefugnis der Gesamtheit der Gesellschafter gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter folgern. Aber § 713 BGB verweist nur insoweit auf die §§ 664 ff. BGB, als „sich nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis ein anderes ergibt". Die gesetzestypisch organisierte abstrakte Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft (aber auch der BGB-Gesellschaft) lässt für eine Verweisung auf § 665 BGB keinen Raum. Schon bei Planck heißt es: „Die übrigen Gesellschafter sind nicht befugt, ihm (Anm.: dem geschäftsführenden Gesellschafter) einseitig Weisungen für die Geschäftsführung zu erteilen" 1 3 5 . Grundsätzlich handelt der geschäftsführende Gesellschafter eigenverantwortlich und ist an Weisungen der übrigen Gesellschafter nicht gebunden136. Die Mitwirkungsrechte der von Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter sind für den Geschäftsführungsbereich gem. § 116 Abs. 2 HGB auf außergewöhnliche Maßnahmen beschränkt. Aber selbstverständlich kann durch den Gesellschaftsvertrag die Kompetenzzuordnung der abstrakten Handlungsverfassung dahin verschoben werden, dass der geschäftsführende Gesellschafter an die Weisun132 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 116, Rdnr. 39. 133 ZB: BGHZ 76, 160 (164), Urt. v. 11. 02. 1980, Az: I I ZR 41/70. 134 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 114, Rdnr. 3, § 116, Rdnr. 3. 135 Planck, 4. Auflage, 1913, § 713, Anm. 1. 136 SoQTgel-Hadding, 11. Auflage, § 713, Rdnr. 6; Huber, ZGR 1982, 539 (544 f.); BGHZ 76, 160 (164), Urt. v. 11. 02. 1980, Az: II ZR 41 /70; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 114, Rdnr. 9; Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 113, Rdnr. 6.

2. Abschn., § 10 Die offene Handelsgesellschaft

247

gen der übrigen Gesellschafter - genauer der Gruppe der Gesamtheit der Mitglieder - gebunden wird 1 3 7 , vergleichbar der Lage in der GmbH, in der der Geschäftsführer (geschäftsführender Gesellschafter) an die Weisungen der Gesellschafterversammlung (die Gesamtheit der Gesellschafter) gebunden ist. Ist eine Weisungsgebundenheit nach der Handlungsverfassung gegeben, dann bekommt auch die Verweisung der §§ 105 Abs. 3 HGB, 713 BGB auf § 665 BGB Sinn. Innerhalb der gesetzestypischen Handlungsverfassung unterliegt der geschäftsführende Gesellschafter hinsichtlich der Geschäftsführung des Verbandes nicht den Weisungen der übrigen Gesellschafter; hierfür - die Installierung eines Weisungsrechts durch Beschlussfassung aller Gesellschafter ähnlich § 116 Abs. 2 HGB wäre eine Änderung der abstrakten Handlungsverfassung und damit eine Änderung des Gesellschaftsvertrages notwendig 138 . Auch können die nichtgeschäftsführenden Gesellschafter dem geschäftsführenden Gesellschafter nicht die Vornahme bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen ge- oder verbieten und dies im Klagewege durchsetzen. Dadurch würde die Kompetenzzuweisung der abstrakten Handlungsverfassung des gesetzestypisch organisierten Verbandes verletzt 139 . Die organschaftliche Geschäftsführungskompetenz wird im Rahmen des § 116 Abs. 1, Abs. 2 HGB ausschließlich den geschäftsführenden Gesellschaftern zugewiesen, die der Gesellschaft gegenüber für eine ordentliche Geschäftsführung verantwortlich sind und in ein System der Gewaltenteilung und -verschränkung eingebettet sind. Das gilt selbst dann, wenn die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter behaupten, dass der geschäftsführungsberechtigte Gesellschafter mit Vornahme der beanstandeten Maßnahme seine Pflicht zur ordentlichen Geschäftsführung verletzen würde 140 . In diesem Fall sind die Gesellschafter darauf beschränkt, eventuelle Ersatzansprüche im Wege der actio pro socio geltend zu machen.

137 BGHZ 76, 160 (164), Urt. v. 11. 02. 1980, Az: II ZR 41 /70; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 114, Rdnr. 9; Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 113, Rdnr. 6. 138 BGHZ 76, 160 (164), Urt. v. 11. 02. 1980, Az: II ZR 41 /70. Zudem wäre die Mitgliedschaft des geschäftsführenden Gesellschafters betroffen, da sein Recht auf weisungsfreie Geschäftsführung im Rahmen der § 116 HGB beeinträchtigt werden würde. 139 BGHZ 76, 160 (168), Urt. v. 11.02. 1980, Az: I I ZR 41 / 70. In RGZ 162, 78 (83), Urt. v. 01. 11. 1939, Az: I I 91 / 39 hat das Reichsgericht die Frage offen gelassen, ob dem von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter ein Klagerecht gegen den geschäftsführenden Gesellschafter auf Vornahme bestimmter, nach dem Gesellschaftszweck gebotener Geschäfte zusteht. Jedenfalls kann der ausgeschlossene Gesellschafter die Entziehung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis betreiben. Wird dem einzigen geschäftsführenden Gesellschafter die Befugnis entzogen, so lebt in der GbR die Gesamtgeschäftsführung gem. § 709 BGB auf. Für diesen Fall (Gesamtgeschäftsführung) hat die Rechtsprechung des Reichsgerichts aber angenommen, dass der sich pflichtwidrig sträubende Gesellschafter auf Zustimmung verklagt werden kann (vgl. RGZ 97, 329 (331), Urt. v. 02. 01. 1920, Az: II 312/19 m. w. N.; auch RGZ 162, 78 (83) m. w. N.). ho BGHZ 76, 160 Lt., Urt. v. 11. 02. 1980, Az: II ZR 41/70; dazu: Grunewald, DB 1981,407.

248

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Anders ist es natürlich, wenn nach dem Vorbild des § 116 Abs. 2 HGB i m Gesellschaftsvertrag für bestimmte Geschäfte ein zusätzliches Zustimmungserfordernis oder auch ein Weisungsrecht durch sämtliche Gesellschafter festgeschrieben w i r d 1 4 1 . Die abstrakte Handlungsverfassung steht i m weiten Umfang zur Disposition der Gesellschafter. I m Gesellschaftsvertrag können i m Vergleich zur gesetzestypisch ausbalancierten Kompetenzverteilung i m weiten Umfang Kompetenzverschiebungen statuiert werden. Handelt in einem solchen Falle der geschäftsführende Gesellschafter ohne die notwendige Zustimmung der anderen Gesellschafter oder entgegen einer diesen zugewiesenen Weisungsbefugnis, so können die Gesellschafter nach den Grundsätzen der Holzmüller-Entscheidung diese Kompetenzübertretung als Verletzung ihrer Mitgliedschaft geltend machen und auf Unterlassen und Wiederherstellung k l a g e n 1 4 2 . Liegt eine Kompetenzübertretung vor, so wird dadurch der übergangene Gesellschafter in seinen Mitgliedschaftsrechten verletzt. Er kann sich mit der actio negatoria 143 gegen diese Kompetenzüberschreitung wehren und seine eigenen Mitwirkungsrechte geltend machen. Handelt es sich hingegen um eine Geschäftsführungsmaßnahme, die ausschließlich der Kompetenz des geschäftsführenden Gesellschafters zugewiesen ist (§ 116 Abs. 1 HGB), so muss er diese mangels eigener Zuständigkeiten hinnehmen 1 4 4 .

141

ZB die Ausweitung des § 116 Abs. 3 HGB in dem Sinne, das alle, auch die nichtgeschäftsführenden Gesellschafter dem Widerruf der Prokura zustimmen müssen, vgl. RGZ 163, 35 (37 f.), Urt. v. 27. Ol. 1940; Az: II 151/39. 142 BGHZ 83, 122 (133 ff.), Urt. v. 25. 02. 1982, Az: II ZR 174/80 „Holzmüller". Die Entscheidung erging zum Aktienrecht. Der BGH führt dort aus (S. 134 f.): „Einer hierauf gestützten Aktionärsklage auf Unterlassung oder Wiederherstellung kann nicht entgegengehalten werden, es sei einem nicht geschäftsführenden Gesellschafter grundsätzlich versagt, durch Weisungen oder Verbote, mögen sie auch auf ein pflichtmäßiges Verhalten abzielen, persönlich in einfache Geschäftsführungsangelegenheiten einzugreifen (so für die KG: BGHZ 76,160,167 f.). Denn es geht hier nicht um eine gewöhnliche, vom Vertretungsorgan allein zu verantwortende Geschäftsführungsmaßnahme, sondern um den Vorwurf, der Vorstand habe die Aktionäre bei einer von ihnen intern mit zu entscheidenden Angelegenheit übergangen. Ebenso kann schwerlich von einer Störung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung gesprochen werden, wo die Klage eines Aktionärs gerade den Zweck haben soll, diese vom Vorstand verletzte Ordnung zu erhalten oder wiederherzustellen und damit zugleich eigene Rechte zu wahren. Der Schutz der innergesellschaftlichen Ordnung ist daher kein Gesichtspunkt, der eine mit solchem Ziel erhobene Leistungs- oder Unterlassungsklage ausschließen könnte. Vielmehr muß ein Aktionär, soll er nicht rechtlos gestellt sein, diese Klage jedenfalls dann erheben können, wenn zur Wahrung seiner Rechte ebenso geeignete aktienrechtliche Behelfe nicht zur Verfügung stehen oder nur auf schwierigen Umwegen zum Ziel führen könnten". 143 Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 21 V 3 = S. 650 ff. 1 44 Sieht zB der Gesellschaftsvertrag vor, dass in Abweichung zu § 116 Abs. 3 S. 2 HGB für den Widerruf der Prokura die Zustimmung sämtlicher - auch der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen - Gesellschafter notwendig ist, so können die kompetenzwidrig übergangenen Gesellschafter auf Wiederbestellung des ja im Außen Verhältnis wirksam abberufenen Prokuristen klagen (RGZ 163, 35 (38 f.), Urt. v. 27. 01. 1940; Az: I I 151/39).

2. Abschn., § 10 Die offene Handelsgesellschaft

249

II. Vertretungskompetenzen

1. Umfang In der gesetztypisch organisierten oHG ist jedem Gesellschafter unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht zugewiesen, §§ 125 Abs. 1, 126 HGB. Allerdings erfasst die Vertretungsmacht nur Verkehrsgeschäfte. Grundlagengeschäfte, die die Organisation der Gesellschaft betreffen, sind von der Vertretungsmacht nicht gedeckt 145 ; diese Geschäfte fallen in die Zuständigkeit der Gesamtheit der Gesellschafter, die darüber zu entscheiden haben.

2. Willensbildung innerhalb der Gruppe der vertretungsberechtigten Gesellschafter

146

In der gesetzestypisch organisierten oHG hat jeder vertretungsberechtigte Gesellschafter grundsätzlich Einzelvertretungsmacht, § 125 Abs. 1 HGB. Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass alle Gesellschafter nur zusammen für den Verband handeln können, § 125 Abs. 2 HGB; in der Gruppe der vertretungsberechtigten Gesellschafter ist dann, vergleichbar dem aktienrechtlichen Vorstand (§ 78 Abs. 2 AktG), Gesamtvertretung institutionalisiert. Eine wirksame Willenserklärung des Verbandes liegt nur dann vor, wenn alle Gesellschafter handeln. Es gelten die darzulegenden Grundsätze der unechten Gesamtvertretung und der Einzelermächtigung (s.u. § 14 A, B).

3. Entziehung der Vertretungsmacht Hier gelten weitgehend dieselben Grundsätze wie bei der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis 147.

I I I . Informationsrechte

Sowohl individuelle als auch sog. kollektive Informationsrechte dienen der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Gewaltenteilung und stellen so sicher, dass die Geschäftsführung nicht selbstherrlich agieren kann. Nur eine kontrollierte oder doch zumindest kontrollierbare Geschäftsführung gibt hinreichende Gewähr einer ordentlichen und verantwortungsbewussten Geschäftsführung. 145 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 48 II 2 b = S. 1398; Baumbach/ Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 126, Rdnr. 3. 146 Dazu: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 48 II 3 = S. 1399. 147 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 48 II 4 = S. 1402.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

1. Kollektive Informationsrechte (gerichtet gegen den geschäftsführenden Gesellschafter) § 118 HGB (§716 BGB) regelt das individuelle Informationsrecht des einzelnen Gesellschafters, das gegen die Gesellschaft gerichtet ist. Hiervon ist das (kollektive) Informationsrecht der Gesellschaft gegen den geschäftsführenden Gesellschafter zu unterscheiden 148. In den Worten des Bundesgerichtshofs: neben dem Informationsrecht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft besteht deren Informationsanspruch gegen den geschäftsführenden Gesellschafter. Dieses Recht steht nach dem Wortlaut des Gesetzes (§§ 105 Abs. 3 HGB, 713, 666 BGB) der Gesellschaft zu. Sinnvollerweise, da die Verpflichteten die geschäftsführenden Gesellschafter sind, kann das nur bedeuten, dass dieses Informationsrecht der Gruppe der Gesamtheit der (übrigen) Gesellschafter zugeordnet ist 1 4 9 . Es ist von der Gruppe der Gesellschaftergesamtheit geltend zu machen 150 . Das Informationsrecht der Gesellschaft ist ein interorganisatorisches Informationsrecht der Gruppe der Gesamtheit der Gesellschafter, vergleichbar dem Informationsanspruch der Mitgliederversammlung des Vereins, der gegen den Vorstand gerichtet ist (§§ 27 Abs. 3, 666 BGB). Insoweit ist der Terminus „Informationsrecht der Gesellschaft" unzutreffend. Er stellt aber klar, dass dieses Recht nicht von dem einzelnen Gesellschafter geltend gemacht werden kann, sondern nur von der Gruppe der Gesellschafter anhand der Regeln der gruppeninternen Willensbildung (§119 HGB). Gem. §§ 105 Abs. 3 HGB, 713, 666 BGB ist der geschäftsführende Gesellschafter den Gesellschaftern gegenüber auskunftspflichtig. Dabei begründen die §§105 Abs. 3 HGB, 713, 666 BGB nicht nur einen Informations- und Auskunftsanspruch gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter, sondern verpflichten den geschäftsführenden Gesellschafter auch zur eigenen Informationstätigkeit 151. Die Geltendmachung ist Sache der Mitgesellschafter, die darüber grundsätzlich - vorbehaltlich abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung - einstimmig zu entscheiden haben, § 119 HGB 1 5 2 . Natürlich ist ein Anspruch nur so gut, wie seine Durchsetzbarkeit. Der ist die Einstimmigkeit nicht unbedingt förderlich. Allerdings kann der kollektive Auskunftsanspruch im Wege der actio pro socio durchgesetzt werden 153 .

148 RGZ 148, 278 (279), Urt. v. 16. 07. 1935, Az: II 379/34; Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 113, Rdnr. 7. 149 Großkommentar HGB / Schilling, 4. Auflage, § 166, Rdnr. 3. 150 BGH, in: NJW 1992, 1890 (1891 f.), Urt. v. 23. 03. 1992, Az: II ZR 128/91; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 47 V 3 = S. 1393. 151 Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 113, Rdnr. 8. 152 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 118, Rdnr. 6. 153 Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 113, Rdnr. 7; einschränkend derselbe in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 118, Rdnr. 6; BGH, in: NJW 1992, 1890 (1892), Urt. v. 23.03. 1992, Az: II ZR 128/91.

2. Abschn., § 11 Die Kommanditgesellschaft

251

2. Das (individuelle) Informationsrecht (gerichtet gegen die Gesellschaft) Das Gesetz gewährt den Gesellschaften in § 118 Abs. 1 HGB ein individuelles, gegen die Gesellschaft gerichtetes Informations- und Kontrollrecht. Es handelt sich dabei um ein - mit dem Gesellschaftsanteil verbundenes - Mitgliedschaftsrecht. Dieses ist zwar primär dem Gesellschafter im eigenen Interesse zugewiesen, kommt aber mittelbar natürlich der Gesellschaft selbst zugute 154 , da auf diese Weise eine effektive - allein schon aus egoistischem Eigennutz an der Wohlfahrt der Gesellschaft motivierte - Kontrolle über die Geschäftsführung der Gesellschaft institutionalisiert wird 1 5 5 . Das Informationsrecht nach § 118 Abs. 1 HGB dient den Gesellschaftern dazu, die ordentliche Geschäftsführung zu kontrollieren. In dieser Kontrollfunktion liegt das der Gesellschaft als solcher zugute kommende Element des Kontrollrechts 156 . B. Fazit Bildet die Handlungsverfassung der Aktiengesellschaft den Maximalpunkt organschaftlicher Abstrahierung, so bilden die offene Handelsgesellschaft und noch mehr die BGB-Gesellschaft das entgegengesetzte Extrem originärer Mitgliederselbstverwaltung. Dennoch finden sich - wenn auch mit Besonderheiten - auch in einem selbstorganschaftlich verfassten System im Grundsatz die gleichen Vorkehrungen, die eine ordentliche, im Gesellschaftsinteresse liegende Geschäftsführung gewährleisten: das Prinzip der Gesamtverantwortung, Kompetenzverschiebung bei außergewöhnlichen Geschäften, kollektive wie individuelle Informationsrechte, organschaftliche Verantwortlichkeit. Ob der Eigenverwaltung als solcher ein besonderer Wert zukommt, wird hier zunächst ausgeklammert.

§ 11 Die Kommanditgesellschaft Die Kommanditgesellschaft ist ähnlich organisiert wie die offene Handelsgesellschaft. Die Kommanditgesellschaft ist eine Modifikation der offenen Handelsgesellschaft 157, bei der neben die persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter 154 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 118, Rdnr. 1. 155 Von Bedeutung ist das Informationsrecht vor allem für die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter. Die geschäftsführenden Gesellschafter haben ja auch so den „direkten Draht" zur ihrer eigenen Tätigkeit und werden von den anderen geschäftsführenden Gesellschaftern aufgrund der mit der Gesamtverantwortung zusammenhängenden Informationspflicht über den Gesamtverlauf der Geschäftsführung auf dem Laufenden gehalten. 156 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 118, Rdnr. 2. 157 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 I 1 = S. 1527, § 43 I 2 b = S. 1282: OHG, KG, PartG, Partenreederei, EWIV und GbR seien eigentlich nur Varianten der Rechtsform Personengesellschaft, auch § 44 I 2 b = S. 1297, § 44 III 1 = S. 1301; auch:

252

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

der nur beschränkt haftende Kommanditist tritt. Ebenso wie in der offenen Handelgesellschaft sind die organschaftlichen Befugnisse unmittelbar bestimmten Mitgliedern zugewiesen und nicht abstrakten Organen, die erst noch von Organwaltern ausgefüllt werden müssen. Wie in der offenen Handelsgesellschaft lassen sich auch in der Kommanditgesellschaft einzelne Gruppen von Mitgliedern zu Gruppen zusammenfassen, die abstrakten Organen angenähert sind, so zB die Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter oder die Gruppe der Gesamtheit der Gesellschafter. Für das Verständnis zahlreicher Vorschriften ist wesentlich, dass sich die Kommanditgesellschaft aus der stillen Gesellschaft heraus entwickelt hat 1 5 8 . Erst im Laufe der Gesetzgebungsarbeiten zum ADHGB von 1861, auf dem das heutige HGB maßgebend beruht, wurden Kommanditgesellschaft und stille Gesellschaft voneinander getrennt 159 .

A. Die Handlungsverfassung der Kommanditgesellschaft I. Die Geschäftsführung

1. Gesetzestypische Organisation a) Der laufende Geschäftsbetrieb In der gesetzestypisch organisierten Kommanditgesellschaft sind die Kommanditisten von der laufenden Geschäftsführung ausgeschlossen, § 164 S. 1 HS 1 HGB. Die Leitung des Unternehmens obliegt den Komplementären. Insoweit gilt dasselbe, wie in der offenen Handelsgesellschaft (vgl. §§ 115 f. HGB). Sind dem Kommanditisten durch den Gesellschaftsvertrag keine weiteren Befugnisse zugewiesen, kann er gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen nicht widersprechen, § 164 S. 1 HS 2 HGB. Das ist nicht weiter verwunderlich, sondern erklärt sich aus der vom Gesetzgeber als rein kapitalistisch erfassten Beteiligung der Kommanditisten (siehe unten § 21 A I V ) .

Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 30; Müller-Laube, FS-Ernst Wolf, 1985, 501 ff. (527). Vgl. RGZ 32, 399; JW 1916, 837 (383): Die rechtliche Natur der KG stimmt grundsätzlich mit derjenigen der oHG überein. 158 Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 67 III = S. 735 ff.; Servos, Die Personengesellschaften und die stille Gesellschaft in den Kodifikationen und Kodifikationsentwürfen vom ALR bis zum ADHGB, S. 9 ff.; vgl. auch Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 76. 159 Dazu mit Nachweisen: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 I 2 a = S. 1529 f.

2. Abschn., § 11 Die Kommanditgesellschaft

253

b) Außergewöhnliche Geschäfte Seit RGZ 158, 302 1 6 0 ist eine alte Streitfrage im Rahmen des § 164 HGB geklärt: hinsichtlich außergewöhnlicher Geschäfte haben die Kommanditisten nicht 160 RGZ 158, 302 (305 ff.), Urt. v. 22. 10. 1938, Az: I I ZR 58/38. Zur Begründung führte das Reichsgericht aus (S. 307 f.): „Diese Auffassung wird auch den praktischen Bedürfnissen mehr gerecht als die abweichende Meinung. Ein Grund dafür, den Kommanditisten schlechter zu stellen als den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter, ist nicht ersichtlich. Das Widerspruchsrecht allein gibt dem Kommanditisten keine genügende Sicherheit gegen ein eigenmächtiges Verhalten des persönlich haftenden Gesellschafters und eine Gefährdung seiner Einlage durch Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens und den Gesellschaftszweck hinausgehen; denn der persönlich haftende Gesellschafter braucht ihm von seinem Vorhaben vor dessen Ausführung keine Kenntnis zu geben und kann ihn vor vollzogene Tatsachen stellen. Es kann auch keineswegs angenommen werden und die Meinung des Gesetzgebers gewesen sein, daß die Kommanditisten regelmäßig und im allgemeinen dem persönlich haftenden Gesellschafter schlechthin auch die Geschäftsführungsbefugnis zu ungewöhnlichen Geschäften einräumen und sich so mit einer Stellung begnügen wollen, die wesentlich schlechter ist als die des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen offenen Teilhabers. Dies kann, trotz der beschränkten Haftung des Kommanditisten, um so weniger angenommen werden, als sie eben für die Möglichkeit, mit ihrem Widerspruch noch rechtzeitig zu kommen, tatsächlich sehr viel ungünstiger gestellt wären, als es die geschäftsführenden Gesellschafter nach § 115 Abs. 1 HGB sind. Diese sind jedenfalls in der Lage, sich über den Stand und Gang der Geschäftsführung im ganzen zu auf dem Laufenden zu halten und so ihrem Widerspruchsrecht noch rechtzeitig Wirkung zu verschaffen, und zwar auch dann, wenn die Geschäftsführung sachlich unter mehrere Gesellschafter aufgeteilt sein sollte". Allerdings ist diese Argumentation des Reichsgerichts nicht unproblematisch, da sie der rechtlichen Bedeutung des Widerspruchsrechts nicht gerecht wird. Denn selbst wenn den Kommanditisten gem. § 164 HGB nur ein Widerspruchsrecht bei außergewöhnlichen Maßnahmen zusteht, bedeutet das nicht, dass der geschäftsführende Gesellschafter selbstherrlich walten kann, wenn er nur aufpasst, seine künftigen Pläne, die den Bereich des üblichen überschreiten, nicht auszuplaudern, um den Kommanditisten nur keine Gelegenheit zu geben, Widerspruch zu erheben. Wäre die Rechtslage beim Widerspruchsrecht wirklich so, wäre es das Papier kaum wert, auf dem es steht. Vielmehr korrespondiert dem Widerspruchsrecht, das der Gruppe der Kommanditisten oder generell der Gesamtheit der Gesellschafter zugewiesen ist, eine Informationspflicht des geschäftsführenden Gesellschafters. Vor außergewöhnlichen Maßnahmen müssen die übrigen Gesellschafter informiert, teilweise sogar befragt werden, um sie überhaupt in die Lage zu versetzen, Widerspruch erheben zu können. Will der geschäftsführende Gesellschafter eine außergewöhnliche Maßnahme ergreifen, so muss er selbst dann, wenn den Kommanditisten nur ein Widerspruchsrecht zugewiesen wäre, diese vorher so rechtzeitig informieren, dass sie gegebenenfalls Widerspruch gegen die geplante Maßnahme einlegen können. Eine Maßnahme, die unter bewusster Umgehung der übrigen Gesellschafter getroffen wird, ist nicht anders zu beurteilen als eine Handlung, die ein Geschäftsführer gegen den vorher erhobenen Widerspruch vornimmt. Sie ist im Innenverhältnis des Verbandes unwirksam und soweit möglich und im Interesse der Gesellschaft vertretbar rückgängig zu machen (Vgl. BGH, in: BB 1971, 759, Lt. 1, Urt. v. 19. 04. 1971, Az: II ZR 159/68; OLG Hamm, in: BB 1993,165, Urt. v. 24. 06. 1992, Az: 8 U 82/92 zum Widerspruchsrecht des anderen geschäftsführenden Gesellschafters nach § 115 Abs. 1 HS 2 HGB). Da das Widerspruchsrecht ansonsten leer laufen würde, korrespondiert ihm eine Informationspflicht. Man wird sogar soweit gehen, dass einem Widerspruchsrecht als Annex ein besonderer Auskunftsanspruch korrespondiert, der - da ja Teil der organschaftlichen Kompetenzzuweisung - durch einen Ausschluss oder Einschränkung des individuellen Informationsrechts nach § 166 HGB nicht tangiert wird.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

nur ein Widerspruchsrecht, wie § 164 HGB auf den ersten Blick bei unbefangener Lektüre vermuten lassen würde, sondern auch die verbandsinterne Kompetenzzuweisung des § 116 Abs. 2 HGB kommt ihnen zugute. Der Komplementär überschreitet also seinen Kompetenzrahmen, wenn er ohne die Zustimmung der Kommanditisten eine außergewöhnliche Maßnahme ergreift. Gegen diese Kompetenzüberschreitung kann sich der übergangene und dadurch in seinen Mitwirkungsrechten verletzte Gesellschafter zur Wehr setzen, notfalls im Klagewege. Durch diese Rechtsprechung wird die Rechtsstellung des Kommanditisten hinsichtlich der Kompetenzverteilung weitgehend der Stellung der von Vertretung und Geschäftsführung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschaftern angeglichen.

2. Gesellschaftsvertragliche Abweichung von der gesetzestypischen Handlungsorganisation: der geschäftsführende Kommanditist In der gesetzestypischen Kommanditgesellschaft sind die Kommanditisten von der Geschäftsführung ausgeschlossen, § 164 S. 1 HS 1 HGB. Allerdings ist diese Kompetenzverteilung - das ist hinsichtlich der Geschäftsführung unstreitig - nicht zwingend und dem Kommanditisten kann organschaftliche Geschäftsführungskompetenz zugewiesen werden 161 . Ihm kann sogar die alleinige Geschäftsführung unter Ausschluss des Komplementärs zugewiesen werden 162 . Eine solche Gestaltung wird heute ohne Bedenken als zulässig angesehen163. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der Zuweisung der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis an den Kommanditisten kein Verstoß gegen den von der herrschenden Meinung als zwingend verstandenen Grundsatz liegt, dass die organschaftliche Geschäftsführung nicht Dritten eingeräumt werden kann, „da die Kommanditisten diese Rechte und Pflichten in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter und Mitinhaber des Gesellschaftsunternehmens ausüben" 164 : also der geschäftsfüh161 BGH, in: DB 1968, 797, Urt. v. 15. Ol. 1968, Az: I I ZR 221/65; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 164, Rdnr. 7; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 III 2 a = S. 1535; Großkommentar HGB /Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 8; BGHZ 17, 392 (394 f.), Urt. v. 27. 06. 19555, Az: II ZR 232/54. Die Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen an den Kommanditisten ist im Zweifel nicht als Ausschluss der Komplementäre von der Geschäftsführung zu werten; § 114 Abs. 2 gilt hier nicht: Großkommentar HGB /Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 8; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 164, Rdnr. 7. ι 6 2 An den persönlich haftenden Gesellschafter ist die Geschäftsführungsbefugnis nicht zwingend gebunden; sie kann auch, wie sich aus den §§ 114 Abs. 2,163,164 HGB ergibt, durch Gesellschaftsvertrag unter Ausschluss des persönlich haftenden Gesellschafters einem oder mehreren Kommanditisten übertragen werden; BGHZ 51,198 (201), Urt. v. 09.12. 1968, Az: I I ZR 33/67; Großkommentar HGB / Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 8, 12. 163 AA noch: Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 14 II = S. 259 ff. 164 BGH, in: DB 1968, 797, Urt. v. 15. 01. 1968, Az: II ZR 221 /65.

2. Abschn., § 11 Die Kommanditgesellschaft

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rende Kommanditist verstößt nicht gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft, so, wie er von der herrschenden Meinung verstanden wird. Die §§ 115, 116 HGB gelten grundsätzlich für die geschäftsführenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft, unabhängig davon, ob es sich um Komplementäre oder Kommanditisten handelt. D.h. auch der geschäftsführende Kommanditist muss zB bei außergewöhnlichen Geschäften die Zustimmung der übrigen Gesellschafter einholen; je nachdem, ob Gesamt- oder Einzelgeschäftsführung vereinbart ist, müssen die geschäftsführenden Gesellschafter (geschäftsführende Kommanditisten und geschäftsführende Komplementäre) zusammenwirken oder haben gegenseitige Widerspruchsrechte und Informationspflichten (Grundsatz der Gesamtverantwortung). Werden dem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag die organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse zugewiesen, findet § 117 HGB Anwendung, d. h. die Geschäftsführungsbefugnis kann ihm grundsätzlich nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden 165 . Das ist auch naheliegend. Denn beim Entzug der Geschäftsführungsbefugnis handelt es sich um eine Änderung der abstrakten Handlungsorganisation. Der Gesellschaftsvertrag als die Verfassung des Verbandes muss geändert werden. Durch die ausschließliche Zuweisung der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis an den Kommanditisten wird diesem eine umfassende organschaftliche Machtfülle eingeräumt. Diese geht weit über die Stellung des gesetzestypischen GmbH-Geschäftsführers hinaus 166 . Denn grundsätzlich ist dem Kommanditisten seine Kompetenz nur im Verfahren des § 117 HGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zu entziehen (anders: § 38 Abs. 1 GmbHG), und er ist anders als der GmbH-Geschäftsführer im Bereich des gewöhnlichen Geschäftbetriebs von den Weisungen der Gesellschafter unabhängig (§ 116 Abs. 1, Abs. 2 HGB). Die Kompetenzerweiterung schlägt sich in einer erweiterten Treuepflicht des geschäftsführenden Kommanditisten nieder 167 : einem Mehr an organschaftlicher Macht korrespondiert ein Mehr an organschaftlicher Treue- und Sorgfaltspflicht. Die Stellung der geschäftsführenden Kommanditisten entspricht der Stellung eines geschäftsführenden Komplementärs; er haftet bei Pflichtverletzung der Gesellschaft gegenüber wie ein geschäftsführender Komplementär. Insbesondere wird zB § 165 HGB gegenstandslos. Die Vorschrift wurde damit begründet, dass die Möglichkeit einer Gefährdung der Gesellschaft nicht gegeben sei, da der Kom165 BGHZ 17, 392 (395), Urt. v. 27. 06. 19555, Az: II ZR 232/54; BGH, in: W M 1974, 177 (178) und Lt. 2, Urt. v. 17. 12. 1973; Az: I I ZR 124/72; Großkommentar HGB/Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 10; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 164, Rdnr. 7. 166 Insoweit unzutreffend akzentuiert von Großkommentar HGB / Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 12, der meint, die Stellung des geschäftsführenden Kommanditisten wäre der eines GmbH-Geschäftsführers angenähert. 167 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 III 2 a = S. 1535; BGH, in: NJW 1989, 2687, Urt. v. 08. 05. 1989, Az: I I ZR 229/88: Sind dem Kommanditisten Geschäftsführungsbefugnisse zugewiesen, so trifft ihn entgegen § 165 HGB das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

manditist keinen Einfluss auf die Geschäftsführung habe 168 . Dementsprechend wurde die Erstreckung des Wettbewerbsverbots (§112 HGB), das eine partielle Positivierung der organschaftlichen Treuepflicht ist, nicht für notwendig gehalten. Dem Wettbewerbsverbot liegt der Gedanke zugrunde, dass jeglicher Wettbewerb mit der Stellung als geschäftsführender Gesellschafter nicht vereinbar ist; die daraus fließende abstrakte Gefahrenlage, dass man seine aus der Organstellung resultierende Pflicht zum loyalen Verhalten gegenüber der Gesellschaft aus eigennützigen Motiven hinter die eigenen Gewinninteressen stellt, sollte mit einem generellen Verbot beseitigt werden. Dann ist es aber klar, dass § 165 HGB auf den geschäftsführenden Kommanditisten keine Anwendung finden kann 169 . Denn als Träger organschaftlicher Befugnisse trifft den geschäftsführenden Kommanditisten die organschaftliche Treuepflicht und Verantwortlichkeit. Rechtstechnisch ist § 165 HGB im Falle des geschäftsführenden Kommanditisten teleologisch zu reduzieren. Der geschäftsführende Kommanditist ist Träger organschaftlicher Befugnisse. Ihn trifft daher der Gesellschaft gegenüber die organschaftliche Haftung entsprechend § § 9 3 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG bei schuldhafter Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten (duty of loyality and care) 1 7 0 . Nach überwiegender Ansicht haftet auch der geschäftsführende Gesellschafter nur nach dem Haftungsmaßstab des § 708 B G B 1 7 1 . Nach dem oben unter § 6 H Gesagten ist zu differenzieren. Wird der geschäftsführende Kommanditist neben den anderen Gesellschaftern in der Unternehmensleitung tätig, liegen die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 708 B G B vor. Anders aber beim ausschließlich geschäftsführungsbefugten Kommanditisten, der unter Ausschluss der übrigen (persönlich haftenden) Gesellschafter das Unternehmen alleine führt. Hier ist für die beschränkte Diligenzpflicht auf organschaftlicher Ebene kein Raum. Die aktiven Einwirkungsmöglichkeiten für die übrigen Gesellschafter, die den Gedanken des § 708 BGB rechtfertigen, fehlen. Der geschäftsführende Kommanditist hat entsprechend dem allgemeinen organschaftlichen Sorgfaltsmaßstab für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters einzustehen, vgl. §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 1 A k t G 1 7 2 . 168

Diese Vorschrift wurde damit begründet, dass der Grund eines solchen Verbots, nämlich die Gefährdung des loyalen Verhaltens für die Gesellschaft, beim Kommanditisten mangels Beeinflussungsmöglichkeit auf die Geschäftsführung entfalle (Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 80). 169 Ebenso: Großkommentar HGB /Schilling, 4. Auflage, § 165, Rdnr. 2; Baumbach/ Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 165, Rdnr. 3. 170 Allerdings, und das ist bemerkenswert, korrespondiert den Geschäftsführungsrechten keine Haftung im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern des Verbandes entsprechend § 128 HGB (Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 164, Rdnr. 9; BGHZ 45, 204, Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63 (Rektor-Fall); Großkommentar HGB/Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 12). Dem (dispositiven) Gesetz liegt zwar der Gleichlauf von Herrschaft und Haftung zugrunde. Dieser Grundsatz hat sich aber in der Rechtsentwicklung als nicht zwingend erwiesen und die Gesellschafter können im Gesellschaftsvertrag davon abweichen (BGHZ 45, 204 (206), Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63 (Rektor-Fall); Großkommentar BGBl Schilling, 4. Auflage, § 170, Rdnr. 12). πι Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 164 Rdnr. 9 iVm § 114, Rdnr. 15; ebenso, auch wenn er der Regelung kritisch gegenüber steht: Großkommentar HGB I Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 11.

2. Abschn., § 11 Die Kommanditgesellschaft

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Die Konstruktion des geschäftsführenden Kommanditisten eignet sich, um im Rahmen eines als zwingend verstandenen Organisationsprinzips der Selbstorganschaft (so die hM) faktisch einen Dritten zum Geschäftsführer des Verbandes zu machen, insbesondere wenn es sich beim geschäftsführenden Kommanditisten um einen Gesellschafter ohne Kapitalanteil, also ohne Gewinn- und Verlustbeteiligung handelt. Formalrechtlich ist der Dritte Gesellschafter und man hält sich so im Rahmen des gesetzestypischen Organisationsprinzips der Selbstorganschaft, materiell wird aber ein Dritter zum Geschäftsführer der Gesellschaft. Natürlich kann man im Gesellschafsvertrag die Machtstellung des geschäftsführenden Kommanditisten zurückfahren und der Stellung des GmbH-Geschäftsführers angleichen, durch die Institutionalisierung eines Weisungsrechts für die Gruppe der Gesamtheit der Gesellschafter und freie Entziehbarkeit der organschaftlichen Befugnisse durch Gesellschafterbeschluss, was faktisch der freien Abrufbarkeit des Geschäftsführers des GmbHGeschäftsführers entspricht (§38 Abs. 1 GmbHG).

II. Vertretung Nach der gesetzestypischen Handlungsverfassung sind die Komplementäre die organschaftlichen Vertreter des Verbandes. D.h. ihnen wird die organschaftliche Vertretungsbefugnis ausschließlich zugeordnet. Nach § 170 H G B sind die Kommanditisten zur Vertretung des Verbandes nicht ermächtigt. Nach h M ist § 170 HGB zwingend 1 7 3 . Dem wird unten weiter nachzugehen sein (siehe § 21). § 170 HGB ist das tragende Argument der herrschenden Meinung gegen die Zulässigkeit einer fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft: sind schon Kommanditisten von der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen, so muss dies erst recht für Dritte gelten 1 7 4 .

172 Die Machtposition des ausschließlich geschäftsführenden Gesellschafters ist ausgedehnter, als die eines GmbH-Geschäftsführers (keine Weisungen, keine Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis ohne wichtigen Grund). Dem muss, da die Rechtfertigung für die begrenzte Diligenzpflicht fehlt, eine organschaftliche Haftung nach allgemeinen Grundsätzen entsprechen. >73 Vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 170, Rdnr. 1; Großkommentar HGB ISchilling, 4. Auflage, § 170, Rdnr. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 IV 2 = S. 1547. So heißt es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die diesen Grundsatz sogar zum Wesenselement der Personengesellschaften erhebt (BGHZ 41, 367 (369), Urt. v. 25. 05. 1964, Az: II ZR 42/62; BGHZ 51, 198 (200), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67): „Zum Wesen der Personalgesellschaft gehört deren Selbstvertretung durch mindestens einen unbeschränkt haftenden Gesellschafter, der für die Handlungen der Gesellschaft persönlich die volle Verantwortung trägt; ein Nichtgesellschafter scheidet daher für die in §§ 125 ff. HGB geregelte organschaftliche Vertretungsmacht grundsätzlich ebenso aus wie nach ausdrücklicher Bestimmung des § 170 HGB ein Kommanditist (BGHZ 33, 105, 108; 26, 330, 333). Daraus folgt, daß der Gesellschaftsvertrag nicht alle persönlich haftenden Gesellschafter wirksam von der Vertretungsmacht ausschließen kann (Schlegelberger/Geßler, HGB, 4. Aufl. , § 125 Randz. 11; Weipert in HGB-RGRK, 2. Aufl. , § 125 Anm. 4; Hueck a. a. O. S. 174, 176)".

174 Vgl. nur Wiedemann, JZ 1969, 470 (471). 17 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

Soll dem Kommanditisten Vertretungsmacht erteilt werden, so kann dies bei gesetzestypischer Handlungsverfassung des Verbandes nach der h M - die vom zwingenden Charakter des § 170 HGB überzeugt i s t 1 7 5 - nur durch Einräumung rechtsgeschäftlicher Vollmacht, zB von Prokura geschehen. Der Kommanditist wird sodann, wie ein beliebiger Dritter, i m Außenverhältnis durch den Verband mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattet. Organ wird er so nicht, da ihm keine organschaftliche Vertretungsbefugnis zugewiesen wird. Wenn der bevollmächtigte Kommanditist handelt, dann handelt nicht unmittelbar der Verband durch ein Organ, sondern der Gesellschaft wird das Verhalten eines Dritten über § 164 BGB zugerechnet. Diese Vertretung durch den Kommanditisten spielt sich außerhalb der Handlungsverfassung der Kommanditgesellschaft ab. Wird dem Kommanditisten die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht entzogen, so wird dadurch weder die abstrakte Handlungsverfassung (die Kompetenzverteilung unter den einzelnen Organen) noch die konkrete Handlungsorganisation (die Personen, die die organschaftlichen Tendenzen wahrnehmen) des Verbandes tangiert. Allerdings ist anerkannt, dass die Prokura im gesellschaftlichen Innenverhältnis an die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis des Kommanditisten angebunden werden kann. Ist dem Kommanditisten, was als zulässig angesehen wird, im Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung übertragen und ihm zugleich im Gesellschaftsvertrag ein Anspruch auf Erteilung (rechtsgeschäftlicher) Prokura erteilt, so kann ihm die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis und - im Innenverhältnis - die Prokura nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gem. § 117 HGB entzogen werden 176 . Allerdings manifestiert sich auch hier, dass die Erteilung der Prokura die (abstrakte) Handlungsverfassung der Gesellschaft nicht berührt. Der Entzug der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse ändert unmittel175 Die Auffassung der hM vom zwingenden Charakter des § 170 HGB ist nicht sonderlich sinnfällig. Denn ihr zwingender Charakter läuft auf folgende Absurdität hinaus. Zwar kann dem Kommanditisten die ausschließliche Geschäftsführungskompetenz übertragen werden, nicht aber die organschaftliche Befugnis, die von ihm im Innenverhältnis verbindlich getroffenen Entscheidungen als Eigenhandlung der Gesellschaft nach außen umzusetzen. Dieses „Recht zur Umsetzung der Geschäftsführungsmaßnahme" bleibt dem vertretungsberechtigten Komplementär vorbehalten. Aber der nicht geschäftsführungsbefugte Komplementär ist nichts anderes als die Marionette der Vertretung. Er ist an die Geschäftsführungsentscheidungen des Kommanditisten gebunden und hat diese nach außen umzusetzen. Um diesen Wertungswiderspruch zu beseitigen, bieten sich zwei Möglichkeiten an: entweder man zieht aus § 170 HGB den Schluss, dass der Kommanditist ebenso zwingend von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, oder man sieht in § 170 HGB die auf die organschaftliche Vertretungsebene projizierte Entsprechung zu § 164 S. 1 HS 1 HGB, der aber wie dieser nur die gesetzestypische Kompetenzverteilung wiedergibt, aber in die eine oder andere Richtung verformt werden kann. Hierfür spricht einiges. Man muss sich nur die Lage vorstellen, wenn § 170 HGB nicht existieren würde. Dann würde über § 161 Abs. 2 HGB der § 125 HGB Anwendung finden, woraus man dann folgern könnte, dass der Kommanditist in der gesetzestypischen KG vertretungsberechtigt wäre. Das würde natürlich in Konflikt mit § 164 HGB stehen, wonach der Kommanditist aber von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist. Daher ist es durchaus sinnvoll, zur Klarstellung § 170 HGB ins Gesetz zu übernehmen. Darauf wird an späterer Stelle noch eingegangen werden. 176 BGHZ 17, 392 (395 f.), Urt. v. 27. 06. 19555, Az: II ZR 232/54; Großkommentar HGB / Schilling, 4. Auflage, § 170, Rdnr. 6.

2. Abschn., § 11 Die Kommanditgesellschaft

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bar die abstrakte Handlungsverfassung der Kommanditgesellschaft: einem Organ werden organschaftliche Befugnisse, die ihm durch die Verfassung zugewiesen wurden, durch Verfassungsänderung - d. h. Änderung des Gesellschaftsvertrags - entzogen. Dieser Entzug ist erst wirksam, wenn wirksam die Handlungsverfassung, sprich der Gesellschaftsvertrag, abgeändert wird. Sieht der Gesellschaftsvertrag hierfür kein anderes Verfahren vor, so muss der Weg des § 117 HGB eingeschlagen werden, insbesondere muss ein wichtiger Grund vorliegen. Alleine aus eigener Machtvollkommenheit kann der Komplementär, selbst wenn ein wichtiger Grund vorliegt, dem geschäftsführenden Kommanditisten dessen Befugnisse nicht entziehen177. Anders ist es bei der Prokura. Diese wird dem Kommanditisten wie einem Dritten durch Handlung der Gesellschaft erteilt und kann ihm durch Handlung der Gesellschaft ebenso wieder entzogen werden 178 . Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages ist dafür nicht notwendig. Entzieht der vertretungsberechtigte Gesellschafter als das Handlungsorgan des Verbandes dem Kommanditisten die Prokura, so ist dieser Entzug ohne weiteres wirksam: der Verband als Aussteller der Prokura entzieht dem Prokuristen die Vertretungsmacht durch sein Vertretungsorgan. Die Handlungsverfassung wird dadurch nicht berührt. Nur im Innenverhältnis hat jetzt der Kommanditist einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Neuerteilung.

I I I . Grundlagengeschäfte

Grundlagengeschäfte sind Sache aller Gesellschafter, auch der Kommanditisten. Sie sind der Gruppe der Gesamtheit aller Gesellschafter zugeordnet 179. Anmeldungen zum Handelsregister sind von allen Gesellschaftern vorzunehmen, § 108 Abs. 1 HGB. Das gilt auch für die Kommanditisten180. IV. Kontroll- und Informationsrechte

§ 166 HGB weist dem Kommanditisten ein individuelles Informationsrecht zu 1 8 1 . Neben dem individuellen Informationsrecht der Gesellschafter besteht ein 177 BGH, in: W M 1974,177 (178) und. Lt. 2, Urt. v. 17. 12. 1973, Az: I I ZR 124/72. 178 BGHZ 17, 392 (396), Urt. v. 27. 06. 19555, Az: II ZR 232/54. 179 Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 164, Rdnr. 4. 180 Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 108, Rdnr. 1, § 162, Rdnr. 3. 181 Das dort geregelte Informationsrecht des Kommanditisten besteht nach dem Gesetzeswortlaut nur in dem Recht, die Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere der Gesellschaft zu prüfen. Heute wird dieses Informationsrecht überwiegend als zu eng und unbefriedigend angesehen und zunehmend die Frage gestellt, ob angesichts des weitgehenden Informationsrechts des GmbH-Gesellschafters nach § 51a GmbHG im Wege der Rechtsfortbildung ein über § 166 Abs. 1 HGB hinausgehendes allgemeines Auskunfts- und Einsichtsrecht des Kommanditisten anzuerkennen ist (zB K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 III 3 = S. 1538 ff.; 21 III 1 b = S. 627; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 II 2 a bb = S. 376 f.; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 166, Rdnr. 11; offen gelassen: BGH, in: NJW 1992, 1890 (1891), Urt. v. 23. 03. 1992, Az: II ZR 128 / 91 ; jeweils m. w. N.). Der BGH hat die Frage offengelassen, aber doch zumindest klargestellt, dass ein solches Recht jedenfalls durch das Informa17*

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

kollektives Informationsrecht der Gesellschaft gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 713, 666 B G B 1 8 2 . Dieses Recht steht nach dem Wortlaut des Gesetzes der Gesellschaft zu. Sinnvollerweise, da die Verpflichteten die geschäftsführenden Gesellschafter sind, kann das nur bedeuten, dass dieses Informationsrecht der Gruppe der Gesamtheit der (übrigen) Gesellschafter zugeordnet i s t 1 8 3 . Das Informationsrecht der Gesellschaft ist ein interorganisatorisches Informationsrecht der Gruppe der Gesamtheit der Gesellschafter, vergleichbar dem Informationsanspruch der Mitgliederversammlung des Vereins, der gegen den Vorstand gerichtet i s t 1 8 4 .

B. Fazit Die Kommanditgesellschaft ist ebenso wie die offene Handelsgesellschaft entsprechend den Grundsätzen der originären Mitgliederselbstverwaltung verfasst. tionsbedürfnis des Kommanditisten begrenzt werde. Das Auskunftsrecht des Kommanditisten sei jedenfalls funktionsgebunden. Es mag dem Kommanditisten dort zur Verfügung stehen, wo er die Information zur Ausübung seiner Mitwirkungsrechte benötigt, also etwa zur Abstimmung über außergewöhnliche Geschäfte nach § 164 HGB oder auch im Zusammenhang mit Änderungen des Gesellschaftsvertrages (BGH, in: NJW 1992, 1890 (1891), Urt. v. 23. 03. 1992, Az: II ZR 128/91. Schon in BGH, in: NJW 1989, 225 f., Urt. v. 11. 07. 1988, Az: II ZR 346/87 hatte der BGH obiter dicta angemerkt: „Es ist jedoch fraglich, ob sich die Ansicht, § 166 HGB sei nachgiebiges Recht, uneingeschränkt aufrechterhalten läßt, nachdem der Gesetzgeber dem Gesellschafter der GmbH in § 51a GmbHG ein durch den Gesellschaftsvertrag nicht abdingbares Informationsrecht zugebilligt hat. Durch die Ausgestaltung des § 51a Abs. 3 GmbHG hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er das Informationsrecht des Gesellschafters als unverzichtbares Instrument des Minderheitenschutzes betrachtet. Es spricht manches dafür, daß diese Bewertung des modernen Gesetzgebers nicht ohne Auswirkungen auf die überkommene Auffassung bleiben kann, das gesetzliche Informationsrecht des Kommanditisten nach § 166 HGB sei gesellschaftsvertraglich weitgehend abdingbar"). 182 BGH, in: NJW 1992, 1890 (1891 f.), Urt. v. 23. 03. 1992, Az: II ZR 128/91; Großkommentar HGB I Schilling, 4. Auflage, § 166, Rdnr. 3. 183 Großkommentar HGB /Schilling, 4. Auflage, § 166, Rdnr. 3. 184 Insoweit ist der Terminus „Informationsrecht der Gesellschaft" unzutreffend. Er stellt aber klar, dass dieses Recht nicht von dem einzelnen Gesellschafter geltend gemacht werden kann, sondern nur von der Gruppe der Gesellschafter anhand der Regeln der gruppeninternen Willensbildung (§ 119 HGB). Dieses Recht kann im Wege der actio pro socio geltend gemacht werden, allerdings mit Einschränkungen. Das Gesetz weist dem Kommanditisten bestimmte Informations- und Kontrollrechte zu. Ihr Umfang und ihre Begrenzung richten sich aber jedenfalls nach dem Maß der einem Kommanditisten zugewiesenen Mitwirkungsrechte. Diese erstrecken sich insbesondere, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, nicht auf Fragen der laufenden Geschäftsführung. Lässt sich aber ein bestimmter Informationsanspruch gegen die geschäftsführenden Gesellschafter nicht aus dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht des Kommanditisten herleiten, dann kann dieser ihn auch nicht auf dem Wege über die actio pro socio geltend machen. Es wäre ein nicht begründbarer WertungsWiderspruch, einem Gesellschafter mittels der Gesellschafterklage Informationsrechte einzuräumen, deren er für die Ausübung seiner ihm im eigenen oder im Interesse der Gesellschaft zugewiesenen Kompetenzen nicht bedarf (BGH, in: NJW 1992, 1890 (1892), Urt. v. 23. 03. 1992, Az: I I Z R 128/91).

3. Abschn., § 12 Zwischen formeller Selbst- und materieller Fremdorganschaft

261

Mit der Besonderheit, dass in der gesetzestypisch organisierten Kommanditgesellschaft nur eine bestimmte Gesellschaftergruppe an der unmittelbaren organschaftlichen Verwaltung der Gesellschaft beteiligt ist. Die Kommanditisten sind nur über Zustimmungsvorbehalte und individuelle Informationsrechte in die Handlungsverfassung integriert. Allerdings können in Abweichung zum gesetzestypischen Regelungsprogramm auch den Kommanditisten unmittelbar organschaftliche Geschäftsführungsbefugnisse zugewiesen werden 185 . Insoweit werden sie vollkommen in die Handlungsorganisation des Verbandes integriert, unterliegen damit auch den haftungsbewehrten organschaftlichen Treue- und Sorgfaltspflichten.

3. Abschnitt

Organisationsverfassungen zwischen Selbstund Fremdorganschaft § 12 Zwischen formeller Selbstorganschaft und materieller Fremdorganschaft: die GmbH & Co. Die GmbH & Co. KG wird von der Rechtsordnung als anerkannte Form der Typenvermischung wahrgenommen 186. In der Gestaltungspraxis hat sich die GmbH & Co. KG zu einer eigenen Gesellschaftsform entwickelt 187 . Mit Besonderheiten: eine gesetzliche Normalverfassung der GmbH & Co. KG gibt es nicht; sie ist jedes Mal Ergebnis einer individuellen Konstruktion. An der Zulässigkeit der GmbH & Co. ist heute nicht mehr zu zweifeln 188 . Ihr wurde in zahlreichen Vorschriften der Segen des Gesetzgebers zuteil, zB: §§ 19 Abs. 2, 129a, 130a, 172a, 177a HGB, 19 Abs. 3 InsO, vgl. auch § 279 Abs. 2 AktG 1 8 9 . Auch wenn es sich bei der GmbH & Co. KG rechtstechnisch gesehen um eine Kommanditgesellschaft handelt, so hat sie doch gegenüber der normalen Kommanditgesellschaft erhebliche praktische Vorteile 190 . Die Gestaltungsvorteile der GmbH & Co. KG liegen nicht nur auf der Ebene der Haftungs- und Finanzverfassung (einfache Kapitalbeschaffung, keine Person haftet unbeschränkt), sowie in der dauerhaften Perpetuierung des Unterneh185

Da die organschaftlichen Befugnisse unmittelbar den Kommanditisten zugewiesen werden, bleibt das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft unberührt. 186 Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 I 3 = S. 283, § 21 = S. 295 ff.; Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 56 I 2 b = S. 1624. Der Begriff wurde schon von Zielinski, Grundtypen Vermischung und Handelsgesellschaftsrecht, 1925, verwendet. 187 Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 561 2 b = S. 1624. 188 RGZ 105, 101, Beschluss v. 04. 07. 1922, Az: II Β 2/22. 189 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, Anh § 177a, Rdnr. 4; Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 561 2 a = S. 1623. 190 Arbeitskreis GmbH-Reform, Thesen und Vorschläge zur GmbH-Reform, Band 1, Die Handelsgesellschaft auf Einlagen, S. 10.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

mens (Unsterblichkeit des Komplementärs), sondern auch und gerade - was hier interessiert - auf der Stufe der Handlungsverfassung. Der Kommanditgesellschaft - nach herrschender Meinung zwingend in den Prinzipien der Selbstorganschaft verfangen - kommt die Organisationsverfassung der fremdorganschaftlich verfassten GmbH, die der geschäftsführende und vertretungsberechtigte Gesellschafter und damit das Handlungsorgan der Kommanditgesellschaft ist, mittelbar zugute; das heißt: • mehr Flexibilität, da der Organwalter eines abstrakten Organs (Geschäftsführer) durch Bestellungsakt oder Widerruf leichter zu ersetzen ist, als ein geschäftsführender Komplementär, dem die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse entzogen werden müssen (Vertragsänderung im Verfahren nach §§ 117, 127 HGB). Die Auswechselung des Führungspersonals wird demnach erleichtert; • Umgehung der als zwingend empfundenen Selbstorganschaft, da die Geschäftsführer der GmbH keine Gesellschafter sein müssen. Auf diese Weise kann externe Kompetenz der Gesellschaft nutzbar gemacht und bei Bedarf - zB Enttäuschung der in sie gesetzten Erwartungen - ausgetauscht werden.

A. Die formal-rechtliche Situation Die GmbH & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft, an der neben den Kommanditisten eine GmbH als persönlich haftender Gesellschafter, d. h. als das Handlungsorgan der Gesellschaft, beteiligt ist. Die GmbH ihrerseits ist fremdorganschaftlich verfasst. Sie handelt durch ihre Geschäftsführer, zu denen gem. § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GmbHG auch Dritte bestellt werden können. Soll für die GmbH & Co. KG, also für Kommanditgesellschaft, gehandelt werden, so geschieht dies durch die Geschäftsführer der GmbH. Bleibt so formal-rechtlich das Prinzip der Selbstorganschaft gewahrt, weil der GmbH als persönlich haftender Gesellschafter die organschaftlichen Handlungsbefugnisse zugewiesen sind 1 9 1 , so liegt doch materiell betrachtet Fremdorganschaft vor, denn letztlich handelt der bestellte GmbHGeschäftführer 192. Bedenken dagegen bestehen heute nicht mehr. Der Bundesge191 Großkommentar HGB / Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 9. 192 Geschäftsführungs- und vertretungsberechtigter Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist die GmbH (§§ 115, 125, 161 Abs. 2 HGB). Die GmbH als Rechtsperson ist das Handlungsorgan der Kommanditgesellschaft. Handelt die GmbH in ihrer Eigenschaft als Organ, so handelt die Kommanditgesellschaft. Da die GmbH ihrerseits durch ihren Geschäftsführer handelt, kann man mit Fug und Recht sagen, dass der GmbH-Geschäftsführer Handlungsorgan der Kommanditgesellschaft ist. Daraus ergibt sich folgende Zurechnungskette: Das Handeln der Geschäftsführer gilt als das Handeln des abstrakten Handlungsorgans der GmbH, und dieses Handeln der GmbH wird, da sie das Handlungsorgan der Kommanditgesellschaft ist, dieser zugewiesen. Der Geschäftsführer als Organ der GmbH ist damit organisationsrechtlich - vermittelt über die organisatorischen Elemente der Handlungsverfassung von GmbH und Kommanditgesellschaft - mit der Handlungsverfassung der Kommanditgesellschaft eingebunden.

3. Abschn., § 12 Zwischen formeller Selbst- und materieller Fremdorganschaft

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richtshof hat dazu in BGHZ 134, 392, als es um die Anerkennung der GmbH & Co. KGaA ging, ausgeführt: „Auch der Grundsatz der Selbstorganschaft steht der Einschaltung einer juristischen Person als persönlich haftender Gesellschafterin nicht entgegen. Dies zeigt auch hier wieder das Beispiel der GmbH & Co. KG. Obwohl auch bei ihr die juristische Person als persönlich haftende Gesellschafterin die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft wahrnimmt, hat sie der Gesetzgeber inzwischen - der Rechtsprechung folgend - ausdrücklich anerkannt. Bereits von diesem Standpunkt aus wäre es inkonsequent, die GmbH als Komplementärin einer KGaA auszuschließen"193.

Auch die Rechtsentwicklung konnte nicht darüber hinwegsehen, dass der GmbH-Geschäftsführer aufgrund seiner organisatorischen Verbundenheit zum materiellen Handlungsorgan der Kommanditgesellschaft geworden ist. Dies zeigt sich am beeindruckendsten darin, dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Kommanditgesellschaft unmittelbar für fehlerhafte Geschäftsführung verantwortlich ist. Dies ist entgegen der herrschenden Meinung nicht die Folge des Anstellungsvertrages zwischen GmbH und Geschäftsführer mit Schutzwirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft, sondern Folge organisatorischer Machtstellung, der notwendig organisatorische Verantwortlichkeit korrespondiert.

B. Materielle Fremdorganschaft I. Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft

Der Geschäftsführer haftet der GmbH gegenüber unmittelbar aufgrund seiner organschaftlichen Verantwortlichkeit gem. § 43 GmbHG. Haftet nun die GmbH wegen schlechter Geschäftsführung gegenüber der Kommanditgesellschaft, so kann die GmbH über § 43 GmbHG Regress beim Geschäftsführer nehmen; diesen Regressanspruch kann die Kommanditgesellschaft pfänden. Allerdings ist wegen zahlreicher GmbH-interner Unwägbarkeiten ein unmittelbarerer Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den GmbH-Geschäftsführer vorzuziehen. Wesentlich schwieriger ist es, eine unmittelbare Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft zu begründen 194. Allerdings kann die Rechtsordnung nicht daran vorbeisehen, dass der GmbH-Geschäftsführer materiell das Handlungsorgan der Kommanditgesellschaft ist und zwischen GmbH-Geschäftsführer und Kommanditgesellschaft ein organisationsrechtliches Band besteht. Und so ist es heute im Ergebnis allgemein anerkannt, dass der Geschäftsfüh193 BGHZ 134, 392 (397), Beschluss v. 24. 02. 1997, Az: I I ZB 11/96. 194 Es besteht Einigkeit, dass die KG unmittelbare Ansprüche gegen den Geschäftsführer der GmbH erwirbt, wenn er gegenüber der KG eine unerlaubte Handlung begeht (ScholzSchneider, GmbHG, 9. Auflage, 2000, § 43, Rdnr. 285).

264

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

rer der Komplementär-GmbH auch der Kommanditgesellschaft unmittelbar für fehlerhafte Geschäftsführung haftet 195 . Schwer tat und tut man sich aber mit der Begründung. 1. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter BGHZ 75, 321 1 9 6 behalf sich mit der Annahme eines schuldrechtlichen Vertrages zugunsten Dritter: die Kommanditgesellschaft sei in den Schutzbereich des Anstellungsvertrages zwischen Geschäftsführer und GmbH einbezogen. Diesen Satz, den der Bundesgerichtshof zunächst für eine Publikumsgesellschaft aufgestellt hatte, dehnte BGHZ 76, 326 alsbald auf jede Form der GmbH & Co. KG aus, sofern die wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH in der Geschäftsführung für die Kommanditgesellschaft bestehe197. Diese Rechtsprechung hat sich in der Folgezeit verfestigt 198 . Allerdings kam alsbald aus Richtung der Literatur Kritik an der dogmatischen Konstruktion des Bundesgerichtshofs auf 1 9 9 . Die richtige Lösung wurde in einer GmbH & Co.-spezifischen Rechtsfortbildung des § 43 GmbHG gesehen200. Der Bundesgerichtshof hält allerdings an seiner Konstruktion des Vertrags mit Schutz Wirkung zugunsten Dritter fest 201 , auch wenn es erste Anzeichen gibt, dass er von der Vertragskonstruktion der Haftung des § 43 GmbHG abrückt (siehe oben § 5 C I ) 2 0 2 . Auswirkungen auf die Konstruktion der unmittelbaren Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft hat dies noch nicht gezeitigt. So führte der 2. Senat in einem Urteil des Jahres 1992 hinsichtlich der organschaftlichen Verantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers vollkommen zutreffend aus: 195 Großkommentar HGB / Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 16; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, Anh § 177a, Rdnr. 28; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 56IV 3 b = S. 1651; derselbe, GmbHR 1984, 272 (279). Dazu: Scholz-Schneider, GmbHG, 9. Auflage, 2000, § 43, Rdnr. 284 ff. 196 BGHZ 75, 321 (323 ff.) und Lt. a., Urt. v. 12. 11. 1979; Az: I I ZR 174/77. 197 BGHZ 76, 326 (337 f.) und Lt. 2, Urt. v. 24. 03. 1980, Az: I I ZR 213/77; BGH, in: W M 1980, 1190, Urt. v. 09. 06. 1980, Az: I I ZR 187/79. Der Anstellungsvertrag des GmbHGeschäftsführers kann auch mit der Kommanditgesellschaft geschlossen werden; dann bedarf es der Konstruktion über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gar nicht mehr. 198 ZB: GmbHR 1981, 191 Lt. 1, Urt. v. 16. 02. 1981, Az: I I ZR 49/80; BGH, in: NJW 1982, 2869, Urt. v. 28. 06. 1982, Az: III ZR 121 /181. 199 Vgl. nur K. Schmidt, GmbHR 1984, 272 (279); vgl. derselbe, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 56IV 3 b = S. 1651 Fn. 98; Großkommentar HGB /Schilling, 4. Auflage, § 164, Rdnr. 16. 200 Zur Begründung führt K. Schmidt, GmbHR 1984, 272 (279) aus: ordne das Gesetz eine Haftung des Management gegenüber dem Unternehmensträger an, im gesetzestypischen Fall also die GmbH, so ist die Ausdehnung dieser Haftung auf die Kommanditgesellschaft als Unternehmensträgerin nur eine Fortschreibung des gesetzgeberischen Willens. 201 BGHZ 100, 190 (199), Urt. v. 17. 03. 1987, Az: II ZR 282/85; BGH, in: GmbHR 1992, 303, Urt. v. 10. 02. 1992, Az: II ZR 23/91. 202 Vgl. BGHZ 100, 190 (193 f.), Urt. v. 17. 03. 1987, Az: II ZR 282/85.

3. Abschn., § 12 Zwischen formeller Selbst- und materieller Fremdorganschaft

265

„Die Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG ist nicht deliktsrechtlicher Natur . . . , sie knüpft vielmehr an die organschaftliche Sonderbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer an, die durch die nur mit Zustimmung des Betroffenen mögliche Berufung zum Geschäftsführer begründet wird" 2 0 3 .

Um dann wenige Zeilen später wieder in bekannter Manier folgen zu lassen: „Da die GmbH allein die Aufgabe hatte, die Geschäfte der Gemeinschuldnerin zu führen, erstreckt sich nach der Rechtsprechung des Senats die Schutzwirkung des zwischen der GmbH und den Bekl. bestehenden Dienstverhältnisses auch auf die K G " 2 0 4 .

2. Organisatorische Haftung als Korrelat organisatorischer Kompetenzen Man muss sich nur der Grundlagen organschaftlicher Haftung erinnern, dann fällt die Konstruktion eines Anspruchs der Kommanditgesellschaft gegen den mit ihr organisatorisch verbundenen Geschäftsführer nicht mehr schwer. Organschaftlicher „Herrschaft" korrespondiert organschaftliche Verantwortlichkeit. Gem. §§43 GmbHG, 93 AktG, 34 GenG ist der Geschäftsführer oder das Vorstandsmitglied entsprechend diesen Vorschriften der geschäftsführende Gesellschafter der Kommanditgesellschaft - dem organschaftlich verfassten Verband für schlechte Geschäftsführung unmittelbar verantwortlich. Unmittelbar und unzweifelhaft kann daher die Kommanditgesellschaft ihre Komplementär-GmbH als Rechtsperson für deren schuldhaft schlechte oder treulose Geschäftsführung in Anspruch nehmen 205 . Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH steht in einem durch das Organisationsrecht beider Verbände vermittelten organisatorischen Verhältnis zur Kommanditgesellschaft: Die GmbH ist das Handlungsorgan der Kommanditgesellschaft, der Geschäftsführer ist das Handlungsorgan der GmbH 2 0 6 . Der GmbH-Ge-

203 BGH, in: GmbHR 1992, 303, Urt. v. 10. 02. 1992, Az: II ZR 23/91. 204 BGH, in: GmbHR 1992, 303, Urt. v. 10. 02. 1992, Az: I I ZR 23/91; vgl. auch BGH, in: NJW 1995, 1353 (1357), Urt. v. 14. 11. 1994, Az: I I ZR 160/93. Im konkreten Fall ging es um eine GmbH & Still. Der BGH führte aus: „Trotz fehlender unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zum Bekl. zu 2, der seine Tätigkeit als Geschäftsführer aufgrund einer Bestellung durch die Bekl. zu 1 ausübt, können die Kl. diesen unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Die vom Senat für die Publikumsgesellschaft in der Form einer GmbH & Co. KG entwickelten Grundsätze zur Einbeziehung der KG in den Schutzbereich des zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Schuldverhältnisses, wenn dieser seine Pflicht gegenüber der GmbH, die Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes wahrzunehmen ( § 43 GmbHG), schuldhaft verletzt (BGHZ75, 321 (322 ff.) = NJW 1980, 589 = L M § 43 GmbHG Nr. 7; BGHZ 76, 326 (327 f.) = NJW 1980, 1524 = L M § 43 GmbHG Nr. 8; BGHZ 100, 190 (193) = NJW 1987, 2008 = L M § 823 (Be) BGB Nr. 29; vgl. auch OLG Düsseldorf, W M 1984, 1080 (1087); Henze, S. 448 f.), gelten auch für die vorliegende Fallkonstellation". 205 Das Verschulden des Geschäftsführers ist das Verschulden der GmbH, § 31 BGB (Scholz-Schneider, GmbHG, 9. Auflage, 2000, § 43, Rdnr. 284).

266

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

schäftsführer ist eben nicht nur rein schuldrechtlich mit der Kommanditgesellschaft verbunden, sondern es besteht eine organisationsrechtliche Verbindung zwischen ihm und der Kommanditgesellschaft. Die Sachlage ähnelt derjenigen der Unternehmensverträge iSd § 291 AktG. Ein solcher Unternehmensvertrag ist kein schuldrechtlicher Vertrag, sondern ein verbandsrechtlicher Organisationsvertrag, der satzungsgleich die Verfassung der beherrschten Gesellschaft ändert. Diese Änderung kann insbesondere darin bestehen, dass der herrschenden Gesellschaft ein Weisungsrecht gegenüber dem Handlungsorgan der beherrschten Gesellschaft eingeräumt wird (vgl. § 308 A k t G ) 2 0 7 . Der GmbH-Geschäftsführer hat die organisatorische Macht, mit unmittelbaren rechtlichen Wirkungen für die Kommanditgesellschaft zu handeln, oder - um in der Terminologie der Theorie der juristischen Person zu bleiben - das Handeln des GmbH-Geschäftsführers ist das Eigenhandeln der Kommanditgesellschaft. Dieser organisatorischen Macht korrespondiert die organisatorische Verantwortung 2 0 8 . Dies ist ein allgemeiner Rechtsgedanke. Die §§ 309, 317, 323 A k t G positivieren ihn ausschnittsweise i m Aktienkonzernrecht für das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens. § 309 AktG. Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens. (1) Besteht ein Beherrschungsvertrag, so haben die gesetzlichen Vertreter (beim Einzelkaufmann der Inhaber) des herrschenden Unternehmens gegenüber der Gesellschaft bei der Erteilung von Weisungen an diese die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. (2) Verletzen sie ihre Pflichten, so sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. §317 AktG. Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter. (1) Veranlaßt ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft, mit der kein Beherrschungsvertrag besteht, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne daß es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahrs tatsächlich ausgleicht oder der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil gewährt, so ist es der Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

206 Oder andersherum gewendet: Das Handeln des Geschäftsführers ist das Handeln der GmbH, und das Handeln der GmbH ist das Handeln der Kommanditgesellschaft. 207 Hüffen AktG, 4. Auflage, 1999, § 291, Rdnr. 17; BGHZ 103, 1 (4 f.), Urt. v. 14. 12. 1987, Az: I I ZR 170/87; BGHZ 105, 324 (331), Urt. v. 24. 10. 1988, Az: I I ZB 7/88. 208 Man darf sich nicht daran stören, dass der Geschäftsführer rechtlich das Handlungsorgan der GmbH und nicht der Kommanditgesellschaft ist. Beide Gesellschaften sind organisationsrechtlich miteinander verbunden. Und genau dieser organisationsrechtliche Verbund führt dazu, dass der Geschäftsführer als Inhaber organisatorischer Machtbefugnisse der Kommanditgesellschaft haftet. Auch im organisationsrechtlichen Verbund gilt der Grundsatz von organisatorischer Haftung und organisatorischer Verantwortung.

3. Abschn., § 12 Zwischen formeller Selbst- und materieller Fremdorganschaft

267

(2) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen hätte. (3) Neben dem herrschenden Unternehmen haften als Gesamtschuldner die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, die die Gesellschaft zu dem Rechtsgeschäft oder der Maßnahme veranlaßt haben.

Die Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH für fehlerhafte Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft ist Konsequenz des Grundsatzes vom Korrelat von organisatorischer Herrschaft und organschaftlicher Verantwortung. Einer Konstruktion über Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bedarf es nicht. Die wertungsmäßige Richtigkeit des Ergebnisses wird durch die Interessenlage bestätigt: Fehlleistungen des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH wirken sich in der GmbH & Co. KG zwangsläufig stets und in erster Linie zum Nachteil der Kommanditgesellschaft aus. Schadensersatzansprüche gegen die GmbH, die dann ihrerseits wegen ihrer eigenen Ersatzpflichtigkeit beim Geschäftsführer gem. § 43 GmbHG Regress nehmen kann, und auch die Möglichkeit der Pfändung dieses Ersatzanspruchs der GmbH gegen ihren Geschäftsführer, sind zwar ein gewisser Trost für die Kommanditgesellschaft. Doch ist zu bedenken, dass die Komplementär-GmbH - freilich in den durch die guten Sitten gezogenen Grenzen - die Möglichkeit hat, auf Ersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer zu verzichten, ihn trotz Kenntnis pflichtwidrigen Verhaltens zu entlasten oder einfach von einem Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG abzusehen und auf diese Weise bei eigener Vermögenslosigkeit eine Entschädigung der Kommanditgesellschaft zu vereiteln 209 .

II. Die Weisungsabhängigkeit des GmbH-Geschäftsführers

Widerspruchsfrei ist Einordnung des GmbH-Geschäftsführers in die Handlungsorganisation noch nicht gelungen. Einer der Widersprüche der Konstruktion der GmbH & Co. KG liegt gerade darin, dass der GmbH-Geschäftsführer als das Handlungsorgan der GmbH primär in die Handlungsverfassung der Komplementär-GmbH eingebunden bleibt, auch wenn er organisationsrechtlich mit der Kommanditgesellschaft verbunden ist. Dies zeigt sich vor allem in der Weisungsabhängigkeit des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der Gesellschafterversammlung. Die Geschäftsführer der GmbH sind dem Regime ihrer Gesellschafterversammlung unterworfen und müssen deren Anordnungen Folge leisten, und das ist beim Geschäftsführer der Komplementär-GmbH nicht anders. Die Weisungsbefugnis, die sich auch und gerade auf die Geschäftsführung in der Kommanditgesellschaft bezieht, steht aber nicht den Kommanditisten zu, sondern der Gesellschafterver-

209 Vgl. BGHZ 75, 321 (323) und Lt. a., Urt. v. 12. 11. 1979; Az: II ZR 174/77.

268

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Sammlung der GmbH 2 1 0 ; hinzukommt, dass ein Weisungsrecht der Gesamtheit der Gesellschafter der Kommanditgesellschaft gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter, also der GmbH, in den Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung ebenfalls nicht besteht211. Diese Weisungsbefugnis der GmbH-Gesellschafterversammlung hat auch Auswirkungen auf die (unmittelbare) organisatorische Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft: war die Weisung erkennbar ungesetzlich oder, zB wegen bewusster Schädigung der Kommanditgesellschaft sittenwidrig, so ist sie, weil unverbindlich, grundsätzlich ungeeignet, den Geschäftsführer von seiner Verantwortung gegenüber der Kommanditgesellschaft zu entlasten. War sie dagegen sachlich vertretbar, so wird sie in der Regel nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zumindest subjektiv eine Haftung des Geschäftsführers auch gegenüber der Kommanditgesellschaft ausschließen212. Dem ist im Ergebnis beizupflichten, allerdings ist die Begründung an einer Stelle gerade zu rücken: Die organschaftliche Verantwortlichkeit ist Folge der Innehabung organschaftlicher Machtbefugnisse. Wo es an der organschaftlichen Macht fehlt, ist auch kein Raum für die organschaftliche Verantwortung. Fällt die Entscheidungskompetenz über eine bestimmte Maßnahme aus der Zuständigkeit des Geschäftsführers heraus, weil sie einem anderen Organ zugewiesen ist oder dieses von einer generellen Weisungsermächtigung Gebrauch macht, und besteht eine Folgepflicht des Geschäftsführers, so ist für eine organschaftliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers insoweit kein Raum. Demnach kann eine verbindliche Weisung durchaus unmittelbare Haftungsfolgen für die weisungsberechtigten Gesellschafter gegenüber der Kommanditgesellschaft haben 213 , nicht aber für den folgepflichtigen Geschäftsführer.

C. Fazit

Die GmbH & Co. wahrt zwar formell-rechtlich das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft, materiellrechtlich liegt aber doch Fremdorganschaft vor, weil der GmbH-Geschäftsführer letztlich das Handlungsorgan der Kommanditgesellschaft ist. Das unbestreitbare wirtschaftliche Bedürfnis nach den Gestaltungsvorteilen der Fremdorganschaft in Personengesellschaften kann auf dem Boden der herrschenden Lehre vom zwingenden Charakter der Selbstorganschaft nur durch die

210 Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, Anh § 177a, Rdnr. 27; BGHZ 75, 321 (326), Urt. v. 12. 11. 1979; Az: II ZR 174/77. Dafür, das Weisungsrecht der KG zuzuweisen: Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 21 III 2 = S. 301. 211 Aber natürlich ist die GmbH auch in diesem weisungsfreien Bereich zur sorgfältigen Geschäftsführung verpflichtet. 212 BGHZ 75, 321 (326)., Urt. v. 12. 11. 1979; A z : I I Z R 174/77. 213 Offengelassen in BGHZ 75, 321 (326), Urt. v. 12. 11. 1979; Az: II ZR 174/77; in diese Richtung Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 21 III 2 = S. 301 Fn. 12: Anwendung der ITT-Regeln (BGHZ 65, 15, Urt. v. 05. 06. 1975, Az: II ZR 23/74).

3. Abschn., § 13 Partenreederei

269

GmbH & Co. KG befriedigt werden. Das zwingt dazu, zwei Gesellschaften zu gründen und aufrecht zuhalten, obwohl nur eine gewollt ist 2 1 4 . Allerdings kann dies gerade bei der nicht personengleichen GmbH & Co. KG zu Schwierigkeiten auf Ebene der Handlungsverfassung führen, wenn der GmbH-Geschäftsführer an die Weisungen der GmbH-Gesellschafterversammlung gebunden ist. Aber auch diese Probleme lassen sich in den Griff bekommen. Auch wenn wegen § 116 Abs. 1, Abs. 2 HGB die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft der KomplementärGmbH keine Weisungen geben können, ist doch die GmbH über die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht der Kommanditgesellschaft gegenüber zur ordentlichen und uneigennützigen Geschäftsführung verpflichtet. Verstößt sie dagegen, so haftet einmal die GmbH, zum anderen haften die verantwortlichen Entscheidungsträger innerhalb der Organisationsverfassung der GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft. Diese organisatorische Verantwortung und Verpflichtung auf das Gesellschaftswohl der Kommanditgesellschaft sorgt dafür, dass der Grundsatz der Verbandssouveränität innerhalb der Kommanditgesellschaft nicht verletzt wird.

§ 13 Die Partenreederei Eine heute kaum wahrgenommene Gesellschaftsform ist die Partenreederei, §§ 489 ff. HGB. Dies mag ihrer wirtschaftlichen Bedeutung entsprechen. Hinsichtlich ihrer Handlungsorganisation ist die Partenreederei aber im mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: einmal kennt das Recht der Partenreederei, obwohl die Gesellschafter persönlich - zwar anteilig, dann aber doch unbegrenzt - mit ihrem Vermögen für die Verbandsschulden einzustehen haben 215 , die Möglichkeit zur Fremdorganschaft, sprich zur Errichtung eines abstrakten Handlungsorgans und zur Bestellung eines Nichtgesell schafters zum Organ waiter. Eine klare Absage an den angeblich zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung 216 . Zum zweiten 214 Vgl. Ban, NJW 1972, 465. 215 § 507 HGB. (1) Die Mitreeder haften für die Verbindlichkeiten der Reederei persönlich, jedoch nur nach dem Verhältnis der Größe ihrer Schiffsparten. (2)... 216 Die Mitreeder haften persönlich und primär für die Verbindlichkeiten der Reederei (K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 69; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 69); jedoch haften die Mitreeder nur nach dem Verhältnis der Größe ihrer Schiffsparten - also ihrer Beteiligung an der Reederei - für die Gesellschaftsschulden. Die pro-rata-Beschränkung führt dazu, dass die Gesellschafter - anders als im Recht der oHG (§ 128 S. 1 HGB) - keine Gesamtschuldner sind, also auch nur auf Teilbeträge erfolgreich verklagt werden können. Die Haftung des einzelnen Mitreeders ist also beschränkt auf einen seiner Unternehmensbeteiligung (Schiffspart) entsprechenden Bruchteil der Gesellschaftsschuld; unter dieser Voraussetzung aber haftet er dem Gläubiger unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen. Die Haftung der Mitreeder für die Verbindlichkeiten des Verbandes ist akzessorisch, sie richtet sich also nach dem Stande der Reedereiverbindlichkeit. Nach Ruhwedel folgt daraus, dass bei § 507 HGB eine § 128 S. 2 HGB entsprechende Vorschrift fehlt, die

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

kann die Partenreederei einen Korrespondentreeder haben, muss es aber nicht. Der Korrespondentreeder ist das fakultative Handlungsorgan der Partenreederei 217 ; bei einem bestehenden wirtschaftlichen Bedürfnis kann sie sich fremdorganschaftlich organisieren. Hinsichtlich der Terminologie muss - wie i m Recht der G m b H in Blick auf den Begriff „Geschäftsführer - differenziert werden zwischen dem abstrakten Organ „Korrespondentreeder" und dem konkreten Organwalter „Korrespondentreeder". Das Gesetz unterscheidet in den §§ 489 ff. H G B nicht weiter zwischen dem Organ und seinem Organwalter, sondern spricht immer nur vom Korrespondentreeder, wobei es unmittelbar an die Person des Korrespondentreeders anknüpft. Das rührt daher, dass sich das Rechtsinstitut des Korrespondentreeders entwickelt hat, ausgehend von einer seerechtlichen Variante des Prokuristen (Fakt o r s ) 2 1 8 , über eine Anlehnung an das Recht des Handlungsbevollmächtigten, die sich i m A D H G B und i m Anschluss daran i m H G B niedergeschlagen h a t 2 1 9 , bis hin zur Anerkennung als Handlungsorgan der Partenreederei 220 . Dem geltenden Geset-

Möglichkeit für die Mitreeder, durch eine entsprechende Beschränkung der Vollmacht des Korrespondentreeders ihre Haftung zu beschränken oder gar ganz auszuschließen, allerdings nur dann, wenn der Vertragspartner die Beschränkung entsprechend § 495 HGB kennt (Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 344). Diese Auffassung ist spätestens seit BGHZ 142, 315 (318 ff.), Urt. v. 27. 09. 1999, Az: II ZR 371 /98 überholt. Denn dies widerspricht dem allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt oder mit dem Vertragspartner keine Haftungsbeschränkung vereinbart wird. Die Haftung für die Schulden der Partenreederei ist eine Haftung kraft Gesetzes. Sie kann nur durch Individualvereinbarung zwischen Gesellschaft und Dritten ausgeschlossen werden, nicht aber durch eine Beschränkung der Vollmacht des Vertretungsorgans. Der vom Gläubiger in Anspruch genommene Mitreeder kann entsprechend dem Rechtsgedanken des § 110 HGB von der Reederei die volle Erstattung des verauslagten Betrages verlangen (Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 352 f.; K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 71). Obwohl der Korrespondentreeder aufgrund der Handlungsverfassung der Partenreederei eine unbeschränkte Haftung der Mitreeder verursachen kann (§ 507 HGB), haftet er als solcher für die Gesellschaftsschulden, die er doch begründet hat, nicht (Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 338). Auch eine Handelndenhaftung, wie sie zB §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB positivieren, sehen die §§ 498 ff. HGB nicht vor. Selbst der Seerechtsausschuss der Akademie für deutsches Recht wollte in seinem Reformeifer nicht soweit gehen. Einem Vorschlag, die Partenreederei als Kommanditgesellschaft mit dem Korrespondentreeder als persönlich haftenden Gesellschafter auszugestalten versagte sich der Ausschuss, um den Korrespondentreeder damit nicht in einer Weise zu belasten, die seiner oftmals nur geringen Beteiligung nicht entspreche (Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (120). Zudem wurde wegen der nicht sehr erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Partenreederei das wirtschaftliche Bedürfnis für einen solchen Schritt nicht gesehen). Damit entspricht die Stellung des Korrespondentreeders in der Tat der Stellung eines Geschäftsführers einer eingetragenen GmbH. 217 Vgl. OAG zu Rostock, in: ZHR Bd. 13 (1869), 602 (603), Urt. v. 23. 05. 1867. 218 Vgl. Pr. ALR II, 8 § 1430. 219 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1523.

3. Abschn., § 13 Partenreederei

271

zestext des Handelsgesetzbuchs vom 10. M a i 1897 liegt noch der Gedanke der Angleichung des Korrespondentreeders an den Handlungsbevollmächtigten zugrunde. Das zur Zeit - hinsichtlich der Organisationsverfassung - weitgehend unverändert geltende Recht der Partenreederei, das in den §§ 489 ff. HGB enthalten ist, beruht auf dem in den Jahren 1858-1860 von einer Kommission in Hamburg (Seerechtskonferenz) zu beratenden preußischen Entwurf 221 . Es stammt somit aus einer Zeit, in welcher der Seehandelsverkehr vom Segelschiffsbetrieb kleiner Einzelreedereien beherrscht wurde und der Hilfsmittel der modernen Technik, insbesondere auf dem Gebiet der Nachrichtenübermittlung, entbehren musste. Diesem Verhältnis sind seine Bestimmungen angepasst222. Hans Wüstendörfer bezeichnete die Partenreederei als seerechtliche Sonderform gesellschaftlich-kleinkapitalistischen Seeerwerbs, als eine Organisationsform typisch mittelalterlicher Prägung 223 . Trotz ihrer schon früh schwindenden Bedeutung, hat sich die Partenreederei als Rechtsinstitut gehalten. Der Seerechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht verschloss sich in seinen Verhandlungen Mitte bis Ende der dreißiger Jahre nicht den Wünschen der Wirtschaft, die Partenreederei beizubehalten. Dabei ließ er sich von der Erwägung tragen, dass vor allem bei den kapitalschwachen Kreisen der Hochseefischerei und der Schifffahrt mit kleineren Fahrzeugen ein Bedürfnis nach Aufrechterhaltung der Partenreederei bestehe; sie verdiene eine Stützung aus dem Gesichtspunkt, dass sie manchem Kapitän die Möglichkeit biete, sich mit verhältnismäßig geringen Mitteln selbständig zu machen 224 . Hinsichtlich der Mobilität der Handlungsverfassung ist das Recht der Partenreederei heute wegweisend und nicht so verstaubt, wie in der Wissenschaft immer wieder behauptet wird. Denn es bietet dem Rechtsanwender alles, was er sich auf Ebene der Handlungsorganisation nur wünschen kann: Selbstorganschaft oder Fremdorganschaft, wobei die genaue Ausgestaltung den Satzungsgebern anheim gegeben i s t 2 2 5 .

220

K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 34 bezeichnet den Korrespondentreeder als das Leitungsorgan der Partenreederei. 221 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, 1857, Artt. 393 ff. 222 Vgl. Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (106); J. v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Auflage, 1958, § 80 I 3 = S. 598; vgl. Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 I = S. 147 f. 22 3 Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 I 1 = S. 147; zustimmend: Bote, in: MünchHdb. GesR I, 1995, § 80, Rdnr. 1. 224

Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (120). Das Innenverhältnis der Reeder richtet sich in erster Linie nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 490 HGB); nur soweit er nichts bestimmt, gibt das Gesetz ergänzende, aber nachgiebige Vorschriften. 225

272

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung A. Rechtsnatur der Partenreederei

Die Rechtsnatur der Partenreederei hat einige Wandlungen hinter sich. Hier wird die Partenreederei als juristische Person eingeordnet. Damit ist der Weg frei, die organschaftliche Verfassung der Partenreederei zu erkennen 2 2 6 . Bis 1940 verstand die herrschende Meinung die Reederei nur als Miteigentum am S c h i f f 2 2 7 . Es herrschte Einverständnis darüber, dass die Partenreederei keine juristische Person i s t 2 2 8 , sondern eine auf dem Miteigentum (Bruchteilseigentum) am Schiffe beruhende Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichen R e c h t 2 2 9 . Dies sollte sich erst mit der Änderung der §§491 Abs. 1, 503 HGB durch Art. 4 der „Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken" vom 21. Dezember 1940 ändern 2 3 0 , durch die dem Begriff Schiffspart ( § 4 9 1 Abs. 1 S. 3 HGB) ein neuer Inhalt zugewiesen wurde. Schiffspart bezeichnete nun nicht mehr den Miteigentumsanteil am Schiff, sondern die (gesamthänderischen) Beteiligung an der Reederei. Das Recht der Partenreederei

226

Die Handlungsfähigkeit einer juristischen Person wird hergestellt durch ihre Handlungsorganisation (HandlungsVerfassung), durch die den Organen organschaftliche Kompetenzen zugewiesen werden. 227 K. Schmidt, Die Partenreederei - Stiefkind des Unternehmensrechts?, 1996, S. 4.; vgl. auch den Seerechtsausschuss der Akademie für deutsches Recht, Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (120): Lt. 1 und 2. 228 Der Seerechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht hielt es ausdrücklich für unzweckmäßig, der Partenreederei eigene Rechtspersönlichkeit beizulegen: Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (120). Er wollte ihr aber die Fähigkeit zusprechen, selbständiger Träger von Rechten und Pflichten zu sei, ebenso die aktive und passive Prozessfähigkeit sowie eigene Konkursfähigkeit: nach dem hier vertretenen Standpunkt ist das nicht anderes, als eine Beschreibung der juristischen Person. 229 RG, in: Das Recht Bd. 23 (1919), Nr. 1570, Urt. v. 08. 04. 1919, Az: VII 400/18; RGZ 71, 26 (27), Urt. v. 17. 04. 1909, Az: I 218/09; RGZ 11, 192 (195), Querelbescheid v. 10.04. 1883, A z : I 106/83. 2 30 RGBl. I 1940, 1609 if. Art. 4 der Verordnung lautet: Art. 4. Änderung des Handelsgesetzbuchs. Das Handelsgesetzbuch wird wie folgt geändert: 1. § 491 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „Für die Angelegenheit der Reederei sind die Beschlüsse der Mitreeder maßgebend. Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Die Stimmen werden nach der Größe der Anteile der Mitreeder (Schiffsparten) berechnet; die Stimmenmehrheit für einen Beschluß ist vorhanden, wenn der Person oder den Personen, die für den Beschluß gestimmt haben, zusammen mehr als die Hälfte der Gesamtheit der Anteile, nach der Größe berechnet, zusteht." 2. § 503 erhält folgende Fassung: „§ 503 Jeder Mitreeder kann seine Schiffspart jederzeit und ohne Einwilligung der übrigen Mitreeder ganz oder teilweise veräußern. Die Veräußerung bedarf der Eintragung in das Schiffsregister. Die Veräußerung einer Schiffspart, infolge deren das Schiff das Recht, die Reichsflagge zu führen, verlieren würde, kann nur mit Zustimmung aller Mitreeder erfolgen. Für die Belastung einer Schiffspart gelten die Vorschriften über die Belastung von Rechten."

3. Abschn., § 13 Partenreederei

273

wurde so durch die Hintertür revolutioniert. Aus der Partenreederei wurde eine Gesamthandsgesellschaft 231 . Der Begriff Schiffspart meinte bis zur Novellierung das Bruchteilseigentum am Schiff 232 . Das Reedereivermögen - d. h. primär das Schiff - war das den jeweiligen Mitreedern zu bruchteilsmäßigen Miteigentum gehörige, aber durch den Reedereibetrieb organisatorisch gebundenes Sondergut. Der firmenähnliche Name der Reederei diene nur der abkürzenden Gesamtbenennung der jeweils vorhandenen Mitreeder 233 . In der halbamtlichen Begründung zur Neufassung des §§ 491 Abs. 1, 503 Abs. 3 HGB durch Art. 4 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbau werken vom 21. 12. 1940 heißt e s 2 3 4 : „Durch die Neufassung des § 491 Abs. 1 HGB in Art. 4 Nr. 1 wird der Ausdruck „Schiffpart" nicht mehr für den „Anteil an einem zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmten Schiff" (bisher § 474 HGB), sondern für den „Anteil der Mitreeder" - d. h. an der Reederei - verwandt. Das gesellschaftsrechtliche Band der Mitreeder untereinander steht also im Vordergrund: Schiffspart ist nicht der Anteil am Schiff, sondern der Anteil am Reedereivermögen. Zu diesem Vermögen gehört auch, aber nicht allein das Schiff. Das Schiff steht deshalb nicht mehr im Bruchteilseigentum, sondern als Teil des Gesellschaftsvermögens im Gesamthandseigentum der Mitreeder. Die Veräußerung der Schiffspart, die nach wie vor zulässig ist, berührt das Eigentum am Schiff nur mittelbar. Die Veräußerung der Schiffspart ist nur Übertragung des Anteils am Reedereivermögen, entsprechend der Übertragung eines Erbteils. Für die Belastung des Schiffspart sind folgerichtig nur die Vorschriften über die Belastung von Rechten anwendbar. Dies wird in § 503 Abs. 3 HGB in der Fassung des Art. 4 Nr. 2 ausgesprochen. An der Schiffspart kann sonach nicht eine Schiffshypothek, sondern nur ein Pfandrecht nach fahrnisrechtlichen Grundsätzen bestellt werden". Und schon in der vollamtlichen Begründung zum Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15. November 1 9 4 0 2 3 5 - aufgrund dessen § 83 der Reichsminister der Justiz ermächtigt wurde, „die Rechtsverhältnisse der Reederei (§§ 489 bis 509 des Handelsgesetzbuchs) neu zu regeln" - hieß e s 2 3 6 : 231

Es sei noch mal daran erinnert, dass die Akademie für Deutsches Recht an der Partenreederei festhalten wollte, die auf dem Bruchteilseigentum der Mitreeder an dem Schiff aufbaute. Einer ihrer Leitsätze zur Rechtsnatur der Partenreederei lautete: Die Rechtseinrichtung der Partenreederei ist aufrecht zu erhalten. Sie ist zu erstrecken auf ein mehreren Personen zu bestimmten Bruchteilen zustehendes und von ihnen in eigenem Nutzen zur Seefahrt bestimmtes oder regelmäßig verwendetes Schiff bestimmter Mindestgröße. ... (Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (120), Lt. 1. 232 Vgl. nur Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 14 b a = S. 149. 233 Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 14 f. α = S. 151. 234 Krieger, Deutsche Justiz 1941, 209 (211), Hervorhebungen im Original. Die Ausführungen stammen vom federführenden Ministerialbeamten, dem Ministerialrat Krieger im Reichsjustizministerium (K Schmidt, Die Partenreederei - Stiefkind des Unternehmensrechts?, 1996, S. 4). 23 5 RGBl. I 1940, 1499. 18 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

„ . . . Es kann nur durch eine Umgestaltung des Rechts der Partenreederei Abhilfe geschaffen werden. Es ist deshalb in Aussicht genommen, das Recht der Partenreederei neu dahin zu regeln, daß an die Stelle des Bruchteilseigentums am Schiff ein gesellschaftsrechtlicher Anteil am Reedereivermögen tritt und damit nicht mehr der Anteil am Schiff, sondern nur der Anteil am Reedereivermögen Gegenstand des Pfandrechts sein kann". Nachdem sich die Rechtswissenschaft lange Zeit gegen die gesetzgeberisch verordnete Neueinordnung der Partenreederei als (unternehmenstragende) Gesamthandsgesellschaft gewehrt h a t 2 3 7 - fast schon dickköpfig hielt Wüstendörfer an der tradierten Auffassung fest: der Schiffspart sei i m Kern das organisatorisch gebundene Miteigentum der Mitreeder am Schiff - , ist diese Deutung heute wohl unbestritten 2 3 8 . Allerdings ist diese Einordnung nur vorläufig, auch wenn sie einen wichtigen Abschnitt in der Rechtsentwicklung darstellt, denn: die Partenreederei ist vermögensfähig, durch ihre Organe handlungsfähig, i m Prozess parteifähig (§ 493 Abs. 3 HGB) und insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), besitzt also alle Merkmale, die konstituierend für die juristische Persönlichkeit sind. Eine solche „Gesamthandsgesellschaft" ist juristische Person 2 3 9 . A n der sozialen Wirklichkeit und Handlungsfähigkeit der Reederei, die als rechtsfähiges Ganzes wahrgenommen wird, ist nicht vorbei zu kommen. Ob man mit K. Schmidt noch weiter gehen will, und die Reederei als Handelsgesellschaft und so als die maritime Schwester von oHG und Kommanditgesellschaft ansehen w i l l 2 4 0 , interessiert hier nicht weiter. Als juristische Person ist die Partenreederei handlungsfähig. Und ihre Handlungsfähigkeit wird über die Handlungsverfassung hergestellt:

236 Deutsche Justiz 1940, 1329(1331). 237

Vor allem: Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 I 4 e und f = S. 150 ff. 238 Vgl. zB K. Schmidt, Die Partenreederei - Stiefkind des Unternehmensrechts?, 1996, S.7. 239 Vgl. K. Schmidt, Die Partenreederei - Stiefkind des Unternehmensrechts?, 1996, S. 8. Entschieden ablehnend als tapferer Verfechter der früheren hM vom Bruchteilseigentum: Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 16 f. a = S. 151: Die Partenreederei ist keine Verbandsperson; ihr ganzer Rechtsaufbau werde getragen vom Gedanken zahlenmäßig feststehender, d. h. bruchteilmäßiger Mitberechtigung und Verpflichtung und nicht von verschwommenen Gesamtberechtigung ohne bestimmte Quoten. Auch der Seerechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht wollte der Partenreederei keine Rechtspersönlichkeit verleihen: „Es erscheint nicht zweckmäßig, der Partenreederei selbständige Rechtspersönlichkeit zu geben" (Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (120) Lt. 2). Aber eben dieser Seerechtsausschuss wollte der Partenreederei aber die Fähigkeit zugestehen, selbständiger Träger von Rechten und Pflichten zu sein, ebenso die aktive und passive Prozessfähigkeit und letztlich auch die Konkursfähigkeit. Aber das ist nichts anderes als eine Aufführung der Merkmale der Rechtsfähigkeit und damit der juristischen Person. 2 40 K. Schmidt, Die Partenreederei - Stiefkind des Unternehmensrechts?, 1996, S. 9, 11; derselbe, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, passim.

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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Β. Die Handlungsverfassung Die Handlungsfähigkeit der Partenreederei wird hergestellt über ihre Handlungsverfassung, also durch Zuweisung organschaftlicher Befugnisse an bestimmte Organe. Die Partenreederei steht dabei, wie oben schon angedeutet wurde, zwischen Selbstorganschaft und Fremdorganschaft. Sie kann entweder so verfasst sein, dass die organschaftlichen Befugnisse unmittelbar den einzelnen Mitreedern zugewiesen sind, also jeder Mitreeder Organ der Gesellschaft ist (Selbstorganschaft), oder aber ein abstraktes Handlungsorgan errichtet wird (Fremdorganschaft).

I. Zwischen Selbst- und Fremdorganschaft

In der Partenreederei, wie sie die §§ 489 ff. HGB konstituieren, ist alles möglich. Originär ist sie entsprechend dem Grundsatz der Selbstorganschaft verfasst, aber ihr steht fakultativ die Möglichkeit offen, ein abstraktes Handlungsorgan zu errichten und Organwalter zu bestellen, § 492 Abs. 1 HGB. Allerdings lag im Laufe des Gesetzgebungsprozesses durchaus der Vorschlag auf dem Tisch, die Bestellung eines Korrespondentreeders, also die Errichtung eines abstrakten Handlungsorgans und die Bestellung eines Organwalters für die Partenreederei zur Pflicht zu machen 241 . 1. Selbstorganschaft Die - freilich dispositive - Vorschrift des § 491 HGB gibt der Gesamtheit der Mitreeder ein unmittelbares Mitbestimmungs- und Mitverwaltungsrecht in allen Fragen des gesellschaftlichen Lebens der Partenreederei 242. Hiervon ist kein Bereich der Unternehmensverwaltung ausgeschlossen. Die Gesamtheit der Mitreeder ist nicht nur in den vom Gesetz für eine Beschlussfassung besonders vorgesehenen Fällen zuständig 243 , sondern in jeder die Reederei betreffenden Angelegenheit244. § 491 HGB. (1) Für die Angelegenheit der Reederei sind die Beschlüsse der Mitreeder maßgebend. Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Die Stimmen werden nach der Größe der Anteile der Mitreeder (Schiffsparten) berechnet; die Stimmenmehrheit für einen Beschluß ist vorhanden, wenn der Person oder den Personen, die für den Beschluß gestimmt haben, zusammen mehr als die Hälfte der Gesamtheit der Anteile, nach der Größe berechnet, zusteht. 241

Auch wenn sich das ADHGB später gegen den obligatorischen Korrespondentreeder entschied, bestimmte doch das mecklenburg-schwerin'sche Einführungsgesetz zum ADHGB abweichend, dass jede Partenreederei einen Korrespondentreeder haben muss, vgl. RGZ 1, 295 (295 f.), Urt. v.12. 05. 1880, Az: I 304/79; vgl. auch Art. 398 des preußischen Entwurfs. 242 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 187; vgl. auch Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 I I 1 = S. 154 f. 243 Vgl. §§ 491 Abs. 2,492 HGB. 244

1

Man wird dies ein Universalitätsprinzip nennen können.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

(2) Einstimmigkeit sämtlicher Mitreeder ist erforderlich zu Beschlüssen, die eine Abänderung des Reedereivertrags bezwecken oder die den Bestimmungen des Reedereivertrags entgegen oder dem Zwecke der Reederei fremd sind.

Die Mitreeder entscheiden nicht nur in allen Gesellschaftsangelegenheiten selbst, sie können sie auch ohne Ausnahme selbst wahrnehmen 245. Die Mitreeder sind also nicht auf bloße Kontrolle und Weisungen an den Geschäftsführer verwiesen. Die Geschicke der Reederei werden allein durch die Beschlüsse der Mitreeder bestimmt, die sie auch gleich noch selber umsetzen können. Den (heute) gesetzlich fixierten Vorschriften liegt die Auffassung zugrunde, dass neben der Gesamtheit der Mitreeder ein besonderes Handlungsorgan (der Korrespondentreeder) nicht vorliegen muss 246 . Das „Ob" der Bestellung eines Korrespondentreeders ist der Willkür der Mitreeder anheim gestellt. Das folgt zwanglos aus dem Wortlaut § 492 Abs. 1 S. 1 HGB: Durch Beschluss der Mehrheit kann - muss aber nicht - für den Reedereibetrieb ein Korrespondentreeder bestellt werden 247 . Art. 398 des preußischen Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs sah dagegen eine obligatorische Bestellung des Korrespondentreeders vor: Art. 398. PrEntwADHGB. (1) Zur Ausführung der Beschlüsse und zur Vertretung der Mitrheder ist ein Korrespondentrheder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) zu bestellen. (2) Derselbe ist aus der Zahl der Rheder zu benennen, sofern nicht einstimmig ein Anderes beschlossen wird. (3) Der Auftrag kann jederzeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werden, unbeschadet der Rechte auf Entschädigung.

Und zur Begründung hieß es: „Zur Erleichterung des Rhedereibetriebs wird gewöhnlich, wenn das Schiff im Eigenthume Mehrerer ist, meist aus ihrer Mitte, ein Geschäftsführer (Korrespondentrheder, Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt" 248 .

Die Begründung deutet nun nicht unbedingt darauf hin, dass die Bestellung eines Korrespondentreeders Pflicht war, sondern eher, dass sie zur Erleichterung der Teilnahme am Rechtsverkehr fakultativ zur Auswahl stand, wenn die Reederei auf eine Vielzahl von Mitreedern schauen konnte. Auf der Hamburger Seerechtskonferenz im Rahmen der Arbeiten zum ADHGB wurde der preußische Entwurf dahin verstanden, dass die Bestellung eines Korrespondentreeders Pflicht für die Reederei sein solle. Im Rahmen der CLXXXI. Sitzung vom 5. Mai 1858 wurde darüber beraten, ob die Bestellung eines Korrespondentreeders entsprechend dem preußi245 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 220. 246 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 187. 247 Vgl. RGZ 1, 295, Urt. v. 12. 05. 1880, Az: I 304/79: Die Reederei kann einen Korrespondentreeder bestellen, muss es aber nicht: Der Korrespondentreeder sei daher nicht das obligatorische Vertretungsorgan der Reederei. 248 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 221.

3. Abschn., § 13 Partenreederei

277

sehen Entwurfs zur Pflicht gemacht werden sollte oder nur ein solcher bestellt werden könne, oder endlich, dass ein solcher auf Verlangen der Majorität oder auch nur eines einzigen Mitreeders zu bestellen s e i 2 4 9 . Man sprach sich allgemein für die Verneinung der Frage aus, ob i m Gesetz jeder Reederei die Bestellung eines Korrespondentreeders zur Pflicht gemacht werden sollte. Dabei wurde zur Begründung darauf abgestellt, dass das Institut des Korrespondentreeders nicht in dem Maße ausgebildet und an allen Orten herkömmlich sei, dass ein unbedingter Normbefehl zur Bestellung gerechtfertigt sein könne. Zumal gerade bei Reedereien, an denen nur wenige Mitreeder beteiligt seien, die Pflicht, einen Korrespondentreeder zu bestellen eine unzumutbare Last darstelle. Wenn von zwei Personen jeder die Hälfte eines Schiffes habe, so lasse sich nicht dartun, warum das Recht, die Geschäfte zu leiten, in die Hand eines einzigen von diesen beiden gelegt werden müsse 2 5 0 . A m Ende stand Art. 459 A D H G B , der fast schon die dem heutigen § 492 HGB entsprechende Fassung hatte. Art. 459 ADHGB. (1) Durch Beschluß der Mehrheit kann für den Rhedereibetrieb ein Korrespondentrheder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt werden. Zur Bestellung eines Korrespondentrheders, welcher nicht zu den Mitrhedern gehört, ist ein einstimmiger Beschluss erforderlich. (2) Die Bestellung eines Korrespondentrheders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werden, unbeschadet der Rechte auf Entschädigung aus bestehenden Verträgen. Und heute: § 492 HGB. (1) Durch Beschluß der Mehrheit kann für den Reedereibetrieb ein Korrespondentreeder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt werden. Zur Bestellung eines Korrespondentreeders, der nicht zu den Mitreedern gehört, ist ein einstimmiger Beschluß erforderlich. (2) Die Bestellung des Korrespondentreeders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werden, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Die Pläne des Seerechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht, die Entscheidung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs und des Handelsgesetzbuchs zu revidieren, und die Bestellung des Korrespondentreeders zur Pflicht zu machen 2 5 1 , wurden nie umgesetzt, woran der verlorene Krieg und der Wechsel 249

Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1520 f. 250 Es wurde auch auf die Haftungsgefahren für die persönlich haftenden Mitreeder durch einen mit umfassenden Befugnissen ausgestatteten Korrespondentreeder abgestellt; vgl. Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1520, auch S. 1521. Schließlich entschied sich die Versammlung noch dahin, dass in Ermangelung anderweitiger Bestimmungen des Reedereivertrages, dass nur die Mehrheit durch Beschluss einen Korrespondentreeder bestellen, eine Minderheit aber die Wahl eines Korrespondentreeders nicht verlangen könne (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1521). 2 51 Dazu: Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105(121).

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

der politischen Verhältnisse nicht ganz unschuldig gewesen sein dürften. Die gesetzliche Lage stellt sich demnach auch heute noch so dar, dass die Gesamtheit der Mitreeder einen Korrespondentreeder bestimmen kann, aber nicht muss. Das hat die schon beschriebenen Rückwirkungen auf die Struktur der abstrakten Handlungsverfassung der Partenreederei. Geht man nämlich soweit, die Partenreederei als juristische Person, d. h. als rechts- und handlungsfähigen Verband aufzufassen, kann das nur bedeuten, dass die Reederei auch unmittelbar durch die Mitreeder handeln kann. Wird kein Korrespondentreeder bestellt, so muss doch die Reederei handlungsfähig sein, und das kann sie nur dann, wenn sie unmittelbar durch Handlungen ihrer Mitglieder, also der Reeder, im Rechtsverkehr auftreten kann. Den Mitreedern müssen daher die organschaftlichen Handlungsbefugnisse zugewiesen sein. Die Mitreeder sind ohne besonderen Bestellungsakt die Träger der organschaftlichen Handlungsbefugnisse, d. h. die organschaftlichen Leitungsbefugnisse werden unmittelbar an die Mitgliedschaft gebunden. Das ist das aus dem Recht der offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft bekannte Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft). Der Verband ist aus sich heraus handlungsfähig, der besonderen Bestellung von Organwaltern für ein abstraktes Leitungsorgan bedarf es nicht. Die Gesellschaftsmitglieder oder doch zumindest eine Gruppe von diesen sind die Handlungsorgane der Gesellschaft. Dies ist bei der Partenreederei nicht anders. Ist ein Korrespondentreeder nicht bestellt, dann sind eben die Gesellschafter die Handlungsorgane der Gesellschaft 252 . Die Mitreeder entscheiden also nicht nur in allen Gesellschaftsangelegenheiten selbst, sie können sie auch ohne Ausnahme selbst wahrnehmen 253. Zudem war bei Abfassung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs das Institut des Korrespondentreeders noch nicht so allgemein üblich und - soweit bekannt - doch so unterschiedlich in seinem tatsächlichen Erscheinungsbild 254, dass es an der sozialrealen Basis für eine Positivierung durch einen Gesetzgeber fehlte. Die rechtliche Fremdbeschreibung, die sowohl das ADHGB als auch das HGB von der Partenreederei liefern, decken beide Erscheinungsformen ab: die Verfassung nach dem Typ der Selbstorganschaft, wie auch die Verfassung über ein abstraktes Handlungsorgan. Im Rahmen der Verhandlungen des Seerechtausschusses der Akademie für Deutsches Recht wurde darüber gesprochen, die Partenreederei als Kommanditgesellschaft mit dem Korrespondentreeder als persönlich haftendem Gesellschafter 2 5 5 . Dieser Vorschlag konnte sich nicht durchsetzen 256. Wäre diesem Vorschlag 252 Ebenso: K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 35. 253 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 220. 254 Vgl. Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1520 f. 255 Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (120). 256 Dem Vorschlag versagte sich der Ausschuss, um den Korrespondentreeder damit nicht in einer Weise zu belasten, die seiner oftmals nur geringen Beteiligung nicht entspreche (Lindenmaier, Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 1939/40, S. 105 (120).

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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stattgegeben worden, also die Partenreeder als maritimes Abbild der Kommanditgesellschaft positiviert worden, hätte sich in einer solchen Kommanditreederei der Grundsatz der Selbstorganschaft in all seinen allgemein unterstellten Facetten durchgesetzt. Dem Korrespondentreeder als dem persönlich haftenden Gesellschafter wären die organschaftlichen Handlungsbefugnisse unmittelbar zugewiesen, und nicht mehr dem abstrakten Handlungsorgan, dem er vorsteht. Und auch die aus dem Recht der gesetzestypisch verfassten Kommanditgesellschaft bekannte Verbindung von Handlungs- und Haftungsverfassung wäre auf das Recht der Partenreederei übertragen worden: wer handelt, der haftet; wer nicht handelt, wie die übrigen Mitreeder (vgl. §§ 164 S. 1 HS 1, 170 HGB), haftet auch nicht, sofern er seine Einlage erbracht hat. Eine solche Gestaltung der Reedereiverfassung hätte wohl allen ruhige Nächte beschert, die einen zwingenden Zusammenhang erkennen wollen, zwischen eigener Haftung und der Möglichkeit, durch sein Handeln für den Verband die Haftung anderer zu begründen 257. Aber der Gesetzgeber ist diesen Weg nicht gegangen. Er wäre auch nicht sonderlich sinnvoll gewesen. Denn ausweislich § 489 Abs. 2 HGB besteht kein Hindernis, eine Reederei als Kommanditgesellschaft zu betreiben.

2. Fremdorganschaft Gerade in der Partenreederei besteht das dringende Bedürfnis, die Geschäftsführung in die Hände einer einzelnen Person zu geben, denn die gemeinsame Verwaltung durch die Mitreeder kann sehr mühsam und schwerfällig sein 258 . Das Gesetz sieht eine solche Möglichkeit vor. Gem. § 492 Abs. 1 S. 1 HGB kann von der Gemeinschaft der Mitreeder ein Korrespondentreeder bestellt werden. Wie bereits angedeutet, ist die Sprache des Gesetzes an dieser Stelle undifferenziert. Es ist zu unterscheiden, zwischen der Errichtung des abstrakten Handlungsorgans und der Bestellung des Korrespondentreeders. Aber genau das ist Folge davon, dass zur Zeit der Abfassung des ADHGB der Charakter der Partenreederei als organschaftlich handelnde juristische Person noch nicht erkannt wurde und dementsprechend der Korrespondentreeder noch nicht als Verbandsorgan verstanden wurde. Den Weg dazu hat erst die Erkenntnis der Partenreederei als organschaftlich verfasster Verband eröffnet. Die heute nicht weiter hinterfragte Einordnung des Korrespondentreeders als Handlungsorgan des Verbandes 259 ist nicht selbstverständlich. In der gesetzgeberi-

257

Vgl. Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 1312 = S. 216 f. 258 Auch die Partenreederei ist als Publikumsgesellschaft denkbar (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 57 I 2 b = S. 1672), ja sie ist geradezu dafür geschaffen, wie sich an ihren gesetztypischen Merkmalen erkennen lässt: Fremdorganschaft, Mehrheitsprinzip, freie Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

sehen Entwicklung war der Korrespondentreeder zunächst als eine seerechtliche Variante des Prokuristen vorgesehen 260. So hieß es noch im Anschluss an Pr. ALR II, 8 § 1431 261 in Art. 399 Abs. 1 des preußischen Entwurfs: „Der Korrespondentrheder hat die Befugnisse eines Faktors". Der Ausdruck „Faktor" ist ein Synonym für „Prokurist" 262 . Und auch die Begriffsvariante „Schiffs disponent" (§ 492 Abs. 1 S. 1 HGB) ist vielsagend, war doch der Ausdruck Disponent eine regional gebräuchliche Entsprechung zu „Prokurist" oder „Faktor". Im preußischen Entwurf fehlte auch eine dem heutigen § 494 HGB (= Art. 461 Abs. 1 ADHGB) entsprechende Vorschrift: § 494 HGB. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Korrespondentreeder als solcher innerhalb der Grenzen seiner Befugnisse schließt, wird die Reederei dem Dritten gegenüber auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn das Geschäft ohne Nennung der einzelnen Mitreeder geschlossen wird.

Indem der preußische Entwurf über die Verbindlichkeit der vom Korrespondentreeder für die Reederei geschlossenen Geschäfte keine besondere Bestimmung bereithält, wollte er es bei den allgemeinen Lehren über die Verpflichtung des Geschäftsherrn durch den Prokuristen bewenden lassen263. Ob der Reederei das deliktische Handeln des Korrespondentreeders zugerechnet wurde (heute: § 31 BGB), geht aus dem preußischen Entwurf nicht hervor. Aus der Gleichstellung des Korrespondentreeders mit dem Prokuristen wäre es naheliegend gewesen, denn nach Art. 42 des preußischen Entwurfs war der Geschäftsherr verantwortlich für den Schaden, den der Prokurist bei Ausführung des Geschäfts jemand durch unerlaubte Handlung zufügte 264 . In der ersten Lesung des fünften Buches des ADHGB (Seehandel) knüpfte die Hamburger Seerechtskonferenz an den preußischen Entwurf und damit an der Ausrichtung des Rechts des Korrespondentreeders an der Lehre vom Prokuristen an 2 6 5 . 259

K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 34; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 224; Bote, in: MünchHdb. GesR I, 1995, § 82, Rdnr. 9, 18: Bestellung des Korrespondentreeders als gesellschaftsrechtlicher Organisationsakt. 260 Vgl. auch: Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1520. 261 Pr. ALR II, 8 § 1431. Ein von den Rhedern zur Verwaltung ihres gemeinschaftlichen Interesses bestellter Schiffsdirector, hat alle Rechte und Pflichten eines Handlungsfaktors oder Disponenten. 262 Vgl. Art. 39 PrEntwADHGB. Wer von dem Eigenthümer einer Handelsniederlassung (Prinzipal) den Auftrag erhält, in dessen Namen und für dessen Rechnung das Handelsgeschäft zu betreiben (Prokura), ist Faktor (Handlungsvorsteher, Prokurist, Disponent); vgl. dazu: Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 26. Die Motive weisen auf den unterschiedlichen Sprachgebrauch hin. 263 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 225. 264 Für die unerlaubten Handlungen der Schiffer (Kapitän) und der Schiffsmannschaft hatte die Reederei kraft ausdrücklicher Vorschrift einzustehen: Art. 407 des preußischen Entwurfs.

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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Diskussionsanlage war dabei ein neue Vorlage - die an die Stelle des Art. 399 des preußischen Entwurfs trat - des Referenten, der bestrebt war, nach den Abweichungen der Nürnberger Kommission vom preußischen Entwurf i m Recht der Prokuristen die Lehre vom Korrespondentreeder am Recht der Handlungsbevollmächtigten auszurichten 2 6 6 . Gegen diesen Antrag wurde von Seiten eines Konferenzteilnehmers bemerkt, dass die Stellung des Korrespondentreeders so eigentümlicher Art sei, dass man sie im Gesetz nicht leicht nach Analogie der Stellung des Handlungsbevollmächtigten behandeln könne. Allerdings waren diese Bedenken nicht durch die organschaftliche Stellung des Korrespondentreeders motiviert, sondern durch den - den Opponenten zu weitgehenden - Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs bei Überschreitung der Befugnisse des Korrespondentreeders 267. I m Verlaufe der Hamburger Seerechtskonferenz wurde des weiteren beschlossen, dass die Reederei für reine Delikte des Korrespondentreeders nicht haften s o l l e 2 6 8 ; zur Aufnahme einer § 31 BGB entsprechenden Bestimmung, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung ist, kam es nicht. Dies kommt noch heute i m § 494 HGB (Art. 461 Abs. 1 A D H G B ) und gerade in dessen (gewollter) systematischer Nähe zu § 493 HGB (Art. 460 A D H G B ) , der den Umfang der Vertretungsmacht des Korrespondentreeders regelt, zum A u s d r u c k 2 6 9 . Die Reederei soll nur durch die Rechtsgeschäfte des Korrespondentreeders verpflichtet werden; eine Haftung für deliktisches Tun war gerade nicht vorgesehen. Noch i m Jahre 1964 konnte man bei Schlegelberger und Liesecke nachlesen: die Rechtsstellung des Korrespondentreeders ähnelt weniger der eines vertretungsberechtigten Gesellschafters als der eines Prokuristen 2 7 0 . Aber weder die Erwägungen der Hamburger Seerechtskonferenz, noch die Ausführungen von Schlegelberger und Liesecke treffen heute noch die Rechtswirklichkeit 2 7 1 . Dies kann man ge265 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1520. Da die Nürnberger Kommission von der Ausgestaltung des Rechts des Prokuristen des preußischen Entwurfs abgewichen war, mussten die Vorschriften des preußischen Entwurfs zum Korrespondentreeder im besonderen Maße überarbeitet werden, da diese am Recht des Prokuristen anknüpften. 2 66 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1223, der Antrag ist auf S. 1232 wiedergegeben. 267 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1523 f. Nach dem als Diskussionsgrundlage zugrunde liegenden Vorschlag des Referenten konnte sich die Reederei nur dann auf das Fehlen der Vollmacht im gesetzlich vermuteten Rahmen berufen, wenn dem Dritten die Beschränkung der Vollmacht bekannt war. 268 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1580 f. 269 Vgl. Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 8, S. 3735 (auch S. 4479), wo auf die systematische Stellung zu Art. 410 des Entwurfs nach der ersten Lesung (= Art. 460 ADHGB = § 493 HGB) besonderer Wert gelegt wurde. 2 ™ Schlegelberger/Liesecke, Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1964, § 494, Rdnr. 3. 27

i Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, Band II, 1962, § 494, Anm. 5.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

rade darin erkennen, dass die Befugnisse des Korrespondentreeders, insbesondere seine Vertretungsbefugnis - die grundsätzlich gem. § 493 Abs. 1 HGB auf die Vornahme von Rechtshandlungen beschränkt ist, die der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt - , immer weiter ausgedehnt wurden und damit die Stellung des Korrespondentreeders immer mehr an das B i l d der Handlungsorgane der Handelsgesellschaften, insbesondere des Geschäftsführers der GmbH, angenähert wurde. Auch muss man sich vor Augen halten, dass zur Zeit der Abfassung der Seerechts des A D H G B , das beinahe unverändert in das H G B übernommen wurde, die Unterscheidung zwischen rechtsgeschäftlicher, gesetzlicher und organschaftlicher Vertretung und die damit zusammenhängende Trennung zwischen Verbandsorgan und rechtsgeschäftlichem oder gesetzlichem Vertreter noch nicht hinreichend ausgeprägt w a r 2 7 2 . Heute wird dagegen vollkommen zutreffend die Stellung des Korrespondentreeders als Organ der Gesellschaft b e t o n t 2 7 3 und es wird auch nicht mehr daran gezweifelt, dass die Reederei für die unerlaubten Handlungen ihres Korrespondentreeders entsprechend § 31 B G B und nicht gem. § 831 B G B haftet 2 7 4 . Im Bezirk des OLG Rostocks wurde schon zur Zeit des ADHGB der organschaftliche Charakter des Korrespondentreeders erkannt. Man sprach zwar vom „gesetzlichen Vertreter" der Partenreederei, aber diese Äußerung ist vor dem Hintergrund einer kaum gefestigten Lehre zu verstehen, die zwischen Organ- und Vertretertheorie hin- und hergerissen war. Grundsätzlich war die Bestellung des Korrespondentreeders nicht obligatorisch (Art. 459 ADHGB = § 492 HGB). Nur das mecklenburg-schwerin'sche Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch hat abweichend hiervon bestimmt, dass jede Partenreederei einen Korrespondentreeder haben muss. Abgesehen von dieser, auch bei Einführung des ADHGB als Reichsgesetz (§ 4 des Einführungsgesetzes vom 05. 06. 1869) aufrechterhaltenen landesrechtlichen Bestimmung, bedurfte daher die Reederei zur Teilnahme am Rechtsverkehr nicht notwendig eines Korrespondentreeders, sondern wird vielmehr durch die einzelnen Mitreeder vertreten 275 . Dementsprechend wurde die Stellung des Korrespondentreeders vom Reichsgericht zunächst als ein auf dem freien Willen der Mitreeder beruhendes Auftrags- und Vollmachtsverhältnis beschrieben 276 und von den „gesetzlichen Organen" eines 272 Vgl. nur RG, in: JW 1928, 964 (965), Urt. v. 24. 01. 1928, Az: V I I 490/27 für eine Gewerkschaft. 273 Bote, in: MünchHdb. GesR I, 1995, § 82, Rdnr. 18; K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 34. 274 Bote, in: MünchHdb. GesR I, 1995, § 82, Rdnr. 18; Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 IV 1 b = S. 165 f.; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 337 f.; Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 494, Anm. C; so auch: RG, Urt. v. 31. März 1944, Az: 120/43 (zit. nach Wüstendörfer. Die Entscheidung ist nicht in der Bibliothek des Bundesgerichtshofs enthalten. Dort verfügt man über Abdrucke fast aller Entscheidungen des RG in einer nach Senaten und Datum wohlgeordneten Sammlung. Auch im Bundesarchiv in Berlin konnte die Entscheidung nicht gefunden werden; allerdings sind die Entscheidungen dort nicht nach Urteilsdatum oder Aktenzeichen, sondern nach Eingang und Prozessparteien zitiert, das ein Auffinden erschwert). 275 Vgl. RGZ 1, 295 (295 f.), Urt. v.12. 05. 1880, Az: I 304/79. 276 RGZ 1, 295 (296), Urt. v.12. 05. 1880, Az: I 304/79.

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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Rechtssubjekts unterschieden 277. Anders aber im mecklenburgischen Recht. Vom zuständigen OLG Rostock wurde der Korrespondentreeder als das notwendige Vertretungsorgan, bzw. der damaligen Terminologie entsprechend als gesetzlicher Vertreter der Reederei bezeichnet 278 .

II. Geschäftführung und Vertretung bei Selbstorganschaft

Das Gesetz sagt nichts darüber aus, in welcher Weise die Geschäftsführung und Vertretung ausgestaltet sind, wenn entsprechend dem Prinzip der Selbstorganschaft in der Partenreederei die Handlungsbefugnisse unmittelbar den Mitreedern zugewiesen sind. Entsprechend § 491 Abs. 1 HGB wird man sodann von einer Mehrheitsgeschäftsführung ausgehen können. Hinsichtlich der Außenvertretung stellt sich die Lage ähnlich dar zur Außenvertretung des Vereins. Gesamtvertretung ist gerade bei mitgliederstarken Reedereien - zu schwerfällig und würde der überstimmten Minderheit nur die Möglichkeit eröffnen, beschlossene und damit umzusetzende Maßnahmen zu boykottieren. Einzelvertretung wohnt dagegen ein gewisses Gefährdungspotential inne, dass sich ein - vielleicht wenig qualifiziertes - Mitglied über getroffene und verbindliche Beschlüsse hinwegsetzt, diesen vorgreift oder sonst irgendwie meint, sich zum Einzelgeschäftsführer aufschwingen zu dürfen. Zudem widerstreiten aufgrund der freien Übertragbarkeit der Schiffsparten (§ 503 Abs. 1 HGB) - also der Mitgliedschaft in der Reederei - Einzelgeschäftsführung und Einzelvertretung den berechtigten Interessen der verbleibenden Mitreeder, denen auf einmal ein völlig ungeeigneter Mitreeder zur Seite stehen kann, der nun die Befugnis hat, alleine und im Außenverhältnis verbindlich die Reederei zu verpflichten, für deren Verbindlichkeiten die Mitreeder zwar pro rata, aber doch unbegrenzt persönlich haften (§ 507 Abs. 1 HGB). Man wird daher entsprechend der Lage des Vereinsvorstands sagen müssen: nach außen kann die Partenreederei jeweils durch eine Mehrheit 279 der Mitreeder wirksam verpflichtet werden 280 . Aber auch das Prinzip der Einzelermächtigung ist möglich: eine Mehrheit kann einen Mitreeder ermächtigen, ein bestimmtes Geschäft oder eine bestimmte Art von Geschäften für die Reederei vorzunehmen (vgl. §§ 78 Abs. 4 S. 1 AktG, 25 Abs. 3 S. 1 GenG, 125 Abs. 2 S. 2 HGB). Grundsätzlich kann aber auch hier festgestellt werden: es gibt einen originären Gleichlauf zwischen Geschäftsführungsbefugnis im Innen- und Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis: der Einzelgeschäftsführung korrespondiert Einzelvertretung (§§ 115 Abs. 1 HS. 1, 125 Abs. 1 277 RGZ 1, 295 (298), Urt. v.12. 05. 1880, Az: I 304/79. 278 OLG Rostock, in: Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft, Bd. 13 (1895), 1 (2), Urt. v. 17. 05. 1893, Az: Su. 262/93. 279 Dabei ist die Mehrheit nach Stimmen, nicht nach Köpfen gemeint, vgl. § 491 Abs. 1 S. 1 HGB. 280 Ebenso, wenn auch ohne Begründung: Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 IV 5 = S. 167 f.; K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 36; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 326 f.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

HGB), der Gesamtgeschäftsführung die Gesamtvertretung (§§ 77 Abs. 1 S. 1, 78 Abs. 2 S. 1 AktG). Hinsichtlich des Umfangs der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse gibt es einen bemerkenswerten Unterschied zwischen einer Verbandsleitung durch die Gesellschafter (Selbstorganschaft) und der Bestellung eines Korrespondentreeders: während die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse des Korrespondentreeders gesetzestypisch auf den Bereich der gewöhnlichen Reedereibetriebs beschränkt sind (§§ 493 Abs. 1, 496 Abs. 2 HGB), ist die Befugnis der selbstverwaltenden Mitreeder unbegrenzt, sie sind also nicht auf den Bereich der gewöhnlichen Reedereigeschäfte beschränkt 281. Allerdings verläuft sich dieser Unterschied mit der einhergehenden Ausweitung der Vertretungsmacht des Korrespondentreeders.

I I I . Der Korrespondentreeder als das Handlungsorgan der fremdorganschaftlich verfassten Partenreederei

Der Korrespondentreeder ist das Handlungsorgan der Partenreederei. Sein Handeln im Rahmen der Handlungsverfassung ist das Eigenhandeln der Gesellschaft. Die Zurechnung erfolgt über die bekannte Kette: das Handeln des Organwalters ist das Handeln des Organs; das Handeln des Organs ist das Handeln des Verbandes, sofern sich das Handeln jeweils im Rahmen der intra- und interorganisatorischen Vorschriften hält. Dabei wird im Folgenden terminologisch, dem Gesetzeswortlaut folgend, nicht mehr zwischen dem intraorganisatorischen Bereich, also der Willensbildung im Organ (bei mehreren Korrespondentreedern interessant) und dem interorganisatorischen Bereich, also dem Bereich der Organe untereinander (also das Kompetenzgefüge zwischen Korrespondentreeder und Gesamtheit der Gesellschafter) unterschieden.

7. Außenkompetenzen des Korrespondentreeders Die Außen Vertretungsmacht des Korrespondentreeders ist beschränkt 282. Sie befindet sich vom Umfang her irgendwo zwischen der Machtfülle des Prokuristen 281 Vgl. Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 327. 282 § 493 HGB. (1) Im Verhältnisse zu Dritten ist der Korrespondentreeder kraft seiner Bestellung befugt, alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt. (2) Diese Befugnis erstreckt sich insbesondere auf die Ausrüstung, die Erhaltung und die Verfrachtung des Schiffes, auf die Versicherung der Fracht, der Ausrüstungskosten und der Havereigelder sowie auf die mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetriebe verbundene Empfangnahme von Geld. (3) Der Korrespondentreeder ist in demselben Umfange befugt, die Reederei vor Gericht zu vertreten.

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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und eines Generalhandlungsbevollmächtigten283. Dies erklärt sich ohne weiteres aus der Entstehungsgeschichte des Korrespondentreeders, der zunächst als seerechtliche Version des Prokuristen, später dann entsprechend der Lehre vom Handlungsbevollmächtigten behandelt wurde. Die Vertretungsmacht des Korrespondentreeders umfasst alle Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb irgendeiner Reederei gewöhnlich mit sich bringt, § 493 Abs. 1 HGB. Für außergewöhnliche Handlungen fehlt dem Korrespondentreeder grundsätzlich die Vertretungsmacht. Soll er auch in diesem Bereich agieren dürfen, ist eine besondere Vollmacht durch die Gesamtheit der Mitreeder erforderlich. Insoweit kommt es zu einer außenrechtswirksamen Kompetenzverschiebung im interorganisatorischen Bereich, wie sie zB im Recht des bürgerlich-rechtlichen Vereins heute noch möglich ist und früher im Recht der bergrechtlichen Gewerkschaft vorgesehen war 2 8 4 . Dieser partiellen Machtlosigkeit des Handlungsorgans „Korrespondentreeder" korrespondiert eine starke Stellung der Gesamtheit der Mitreeder, die in sensiblen Bereichen nicht nur die verbandsinternen Fäden in den Händen hält, sondern auch außenwirksame Kompetenzen hat. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Korrespondentreeders zum (fakultativen) Handlungsorgan der Gesellschaft, zeigte sich bereits in der Rechtsprechung des Reichsgericht die Bereitschaft, den Umfang der Vertretungsmacht des (4) Er ist befugt, den Kapitän anzustellen und zu entlassen; der Kapitän hat sich nur an dessen Anweisungen und nicht auch an die etwaigen Anweisungen der einzelnen Mitreeder zu halten. (5) Im Namen der Reederei oder einzelner Mitreeder Wechselverbindlichkeiten einzugehen oder Darlehen aufzunehmen, das Schiff oder Schiffsparten zu verkaufen oder zu verpfänden sowie für das Schiff oder für Schiffsparten Versicherung zu nehmen, ist der Korrespondentreeder nicht befugt, es sei denn, daß ihm eine Vollmacht hierzu besonders erteilt ist. 283 Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 IV 1 = S. 164; Ρ rüßmann /Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 493, Anm. A 2. 284 Nach dem allgemeinen preußischen Berggesetz war der Grubenvorstand (oder der Repräsentant) das Handlungsorgan der Gewerkschaft, § 119 Abs. 1 PrABG (Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten v. 24. 06. 1865 (Gesetzessammlung für die Preußischen Staaten 1865, S. 705). Für besonders wesentliche Geschäfte bedurfte der Gruben vorstand nach der gesetzlichen Regel der besonderen Ermächtigung durch die Gewerkenversammlung, §§ 119 Abs. 2, 120 PrABG (Lehmann, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, 1959, § 52 II 4 b = S. 309). Das Gesetz spricht in § 119 Abs. 2 BGB ungenau von „Spezialvollmacht". Zur Zeit der Abfassung des PrABG war die Unterscheidung zwischen (gesetzlicher) Vertretungsmacht, Vollmacht und organschaftlicher Vertretung noch nicht genügend herausgebildet (RG, in: JW 1928, 964 (965), Urt. v. 24. 01. 1928, Az: VII 490/27). Durch die Satzung konnten entsprechend § 26 Abs. 2 S. 2 BGB - weitere Beschränkungen festgesetzt werden; gutgläubigen Dritten konnten sie aber nur entgegengehalten werden, wenn sie in die Legitimation eingetragen wurden, §§ 119 Abs. 4, 118 Abs. 3 PrABG). Auch hier hängt die Vertretungsmacht des Vorstandes von einem zusätzlichen Beschluss ab, aber dieser ist von einem anderen Organ zu fassen. Diese Regelung hat den klaren Sinn, auf interorganisatorischer Ebene eine Machtbalance zwischen den Verbandsorganen sicherzustellen. Besonders wichtige Geschäfte kann nicht das Handlungsorgan im Alleingang durchziehen, sondern ist an andere Verbandsorgane gebunden.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

Korrespondentreeders auszudehnen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich das Bestreben feststellen, der Vertretungsmacht des Korrespondentreeders den von den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs geforderten Umfang zu geben, d. h. die Vertretungsmacht immer weiter auszudehnen285. In der Rechtsanschauung bekam der Korrespondentreeder im zunehmenden Maße die Stellung eines gesetzlichen Vertreters, in der hier verfolgten Terminologie: die Stellung eines Organs des Verbandes 286. Das praktische Leben pflegte mit Rücksicht auf die Bedürfnisse eines geregelten Geschäftsbetriebs, die eine entsprechende Organisation der Reederei notwendig machten, die Grenzlinie - auch über den Gesetzeswortlaut von HGB und ADHGB hinaus - immer weiter hinauszuschieben. Gerade die „unorganisierte", also die nach dem Prinzip der Selbstorganschaft verfasste Reederei ist ein äußerst schwerfälliger Verband, zumal die Anzahl der Schiffsparten (iSd Mitgliedschaften) sehr hoch sein kann. In diesem Sinne wird das Tatbestandsmerkmal des gewöhnlichen Geschäfts iSd § 493 Abs. 1 HGB (= Art. 460 Abs. 1 ADHGB) sehr großzügig gehandhabt, wobei man sich gerne des Art. 399 des preußischen Entwurfs eines Handelsgesetzbuches und auch des Pr. ALR II 8 § 1431 erinnerte, die dem Korrespondentreeder die umfassende Vollmacht eines Prokuristen zugestehen wollten 287 . In Pr. ALR II, 8 § 1431 hieß es: Pr. ALR II, 8 § 1431. Ein von den Rhedern zur Verwaltung ihres gemeinschaftlichen Interesse bestellter Schiffsdirector, hat alle Rechte und Pflichten eines Handlungsfaktors oder Disponenten.

Dem Korrespondentreeder wurden also alle Rechte und Pflichten eines Handlungsfaktors oder Disponenten übertragen. Unter dem Handlungsfaktor oder Disponenten nun verstand das Allgemeine Landrecht denjenigen, der von dem Eigentümer einer Handlung beauftragt wurde, seine Stelle zu vertreten. Damit erstreckte sich sein Auftrag kraft Gesetzes über alle Arten von Geschäften, die bei der ihm übertragenen Handlung vorfallen; vgl. Pr. ALR II, 8 §§ 497, 501 2 8 8 .

285 RGZ 82, 131 (132 f.), Urt. v. 02. 04. 1913, Az: I 252/12. Vgl. insbesondere: RGZ 71, 26 (27 f.), Urt. v. 17. 04. 1909, Az: I 218/08: der Korrespondentreeder ist berechtigt, den beitragssäumigen Mitreeder (§ 500 HGB) auf Leistung zu verklagen; RGZ 42, 69, Urt. v. 05. 11. 1898, Az: I 209/98 (Geltendmachung von Ersatzforderungen durch den Korrespondentreeder, die infolge von Schiffskollisionen entstanden sind); vgl. auch: ROHG 8, 341 (343 f.), Urt. v. 04. 01. 1873, Az: (2. Senat) 817/72. 286 RGZ 42, 69 (70 f.), Urt. v. 05. 11. 1898, Az: I 209/98; vgl. auch: Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 IV 1 b = S. 165 f. 287 Vgl. RGZ 42, 69 (72), Urt. v. 05. 11. 1898, Az: I 209/98. 288 Vgl. RGZ 42, 69 (72), Urt. v. 05. 11. 1898, Az: I 209/98. Pr. ALR II, 8 § 497 lautet: „Wer von dem Eigenthümer einer Handlung, welcher derselben nicht vorstehen kann oder will, den Auftrag erhalten hat, seine Stelle zu vertreten, wird Faktor, Disponent oder Handlungsvorsteher genannt". In Pr. ALR II, 8 § 501 heißt es: „Ist der Disponent einer Handlung überhaupt vorgesetzt: so erstreckt sich der Auftrag über alle Arten der Geschäfte, welche bey der ihm übertragenen Handlung vorfallen".

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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Und auch die Hamburger Seerechtskonferenz entschied sich mehrheitlich dafür, dass die Stellung des Korrespondentreeders in der Weise zu normieren sei, dass er als „Bevollmächtigter" der Reederei zur Vornahme all ihrer Geschäfte anzusehen sei, und i m Gesetz nur diejenigen Handlungen zu nennen wären, die von seiner Vollmacht nicht umfasst sein sollten 2 8 9 . So heißt es denn auch in den Ausführungen des Reichsgerichts zur weiten Auslegung des Art. 460 Abs. 1 A D H G B (= § 493 Abs. 1 HGB): „Im allgemeinen soll der Korrespondentrheder zur Vornahme aller Akte befugt sein, die ihm nicht gesetzlich entzogen sind. Wenn es nun als Kriterium aufgestellt wird, daß es ein Geschäft oder Rechtshandlung gelten muß, wie sie der Geschäftsbetrieb einer Rhederei gewöhnlich mit sich bringt, so wird doch durch Einschiebung des Wortes „gewöhnlich" eine wesentliche Einschränkung seiner Zuständigkeit nicht bewirkt" 290 . Durch diese Ausdehnung der Außenkompetenzen des Korrespondentreeders wird seine Position immer mehr der eines Handlungsorgans einer Handelsgesellschaft mit unbeschränkter Vertretungsmacht angeglichen 2 9 1 . Aber man sollte doch noch einen Schritt weitergehen und in extensiver Lesart des § 493 HGB die grundsätzliche Unbeschränktheit der Vertretungsmacht des Korrespondentreeders statuieren. Damit wird § 493 HGB nicht unnötig, vielmehr ist seine Bedeutung auf das Innenverhältnis zu reduzieren. Den Weg dazu weist § 496 Abs. 2 HGB, der die Beschränkungen des § 493 HGB auf die Geschäftsführungsbefugnis projiziert. Diese Handhabung des § 493 HGB wird allen Anforderungen gerecht. In Hinblick auf ein allgemeines Verbandsrecht wird so die Außenkompetenz der Handlungsorgane aller wirtschaftlich tätigen Verbände angeglichen292. Beschränkungen seiner Geschäftsführungsbefugnisse wirken sich nur im Innenverhältnis aus. In der Sache wird so die Position des Korrespondentreeders der eines Komplementärs einer oHG oder Kommanditgesellschaft angeglichen: eine nach außen unbeschränkte Vertretungsmacht (§ 126 HGB), im Innenverhältnis dagegen eine Beschränkung auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (§ 116 Abs. 1 HGB). Ein ausreichender Schutz der Gesellschaft wird über die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht erreicht, die einen Ausgleich schafft zwischen den Interessen des Rechtsverkehrs und dem Interesse des Verbandes, dass seine Entscheidungsstrukturen respektiert werden. Vielsagend ist folgender Satz der Protokolle der Hamburger Seerechtskonferenz: „Nachdem man beschlossen habe, im Gesetz nicht anzuordnen, daß unter allen Umständen ein Correspondentrheder bestellt werden müsse, nachdem es jetzt dem Willen der Rheder anheim gegeben sei, von der Aufstellung eines solchen ganz abzusehen, wenn sie Bedenken trügen, einen einzelnen Mann mit den nöthigen Befugnissen auszurüsten, nachdem al289

Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1526. 2 90 RGZ 42, 69 (72), Urt. v. 05. 11. 1898, Az: 1209/98. 2 91 Vgl. Wüstendörfer, S. 165 f.

Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 IV 1 b =

292 Ausnahme bleibt natürlich § 26 Abs. 2 S. 2 BGB für den Verein, der aber grundsätzlich keine wirtschaftliche Zweckrichtung hat, also am Wirtschaftsverkehr nur im verminderten Maße teilnimmt.

288

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

so die wirklich erfolgte Bestellung eines Correspondentrheder Ausfluß ihres freien Willens und überdies die Wahl der Person anheimgegeben sei, könne man füglich den Correspondentrheder freier stellen" 293 .

2. Einschränkungen der Vertretungsmacht

des Korrespondentreeders

Nach der gesetzlichen Regelung kann die Vertretungsmacht des Korrespondentreeders durch Beschluss der Mitreeder beschränkt werden, wobei diese Beschränkung einem Dritten nur dann entgegengesetzt werden kann, wenn die Beschränkung dem Dritten zur Zeit des Abschlusses des Geschäfts bekannt war; § 495 HGB 2 9 4 . Hinsichtlich des Art. 462 ADHGB, der im Wesentlichen mit dem heutigen § 494 HGB wortgleich ist, war man sich auf der Hamburger Seerechtskonferenz einig, dass seine Fassung selbstverständlich nicht einer Auslegung entgegenstehe, die das grobe Verschulden der Kenntnis gleichstellt 295 . Dementsprechend wird auch heute noch teilweise bei der Anwendung des § 495 HGB die grobfahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleichgestellt296. Alleine schon eine philologische und systematische Auslegung anhand der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs lässt das Ergebnis heute zweifelhaft erscheinen; vor dem Hintergrund der Wandlung des Korrespondentreeders von einem seerechtlichen Rechtsinstitut zwischen Prokurist und Handlungsbevollmächtigtem hin zum Organ einer juristischen Person gebietet sich eine restriktive Handhabung. So spricht § 495 HGB nur von Kenntnis, obwohl zB § 54 Abs. 3 HGB von kennen oder kennen müssen spricht 297 und § 528 Abs. 2 S. 2 HGB ausdrücklich der Kenntnis die grobe Fahrlässigkeit gleichstellt. Das kommt auch in der Regierungsbegründung zum (ersten) Seerechtsänderungsgesetz von 1972 298 zum Ausdruck. Dort heißt es im Zusammenhang mit der hier nicht weiter interessierenden Neufassung des § 528 Abs. 2 HGB 2 9 9 :

293 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1525. 294 § 495 HGB. Eine Beschränkung der in § 493 bezeichneten Befugnisse des Korrespondentreeders kann die Reederei einem Dritten nur entgegensetzen, wenn die Beschränkung dem Dritten zur Zeit des Abschlusses des Geschäfts bekannt war. 295 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1532. 29 6 Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 IV 1 b = S. 166; Schlegelberger/Liesecke, Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1964, § 495, Rdnr. 1; Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, Band II, 1962, § 495, Anm. 3. AA: Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 495, Anm. Β 2; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 330 f. 297 Allerdings wird es sich wohl um ein gesetzgeberisches Versehen handeln, dass § 495 HGB bei Abfassung des HGB nicht an § 54 Abs. 3 HGB angepasst wurde (vgl. Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 331). 298 Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs und anderer Gesetze (Seerechtsänderungsgesetz) v. 21. 06. 1972, BGBl. 1 1972, 966.

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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„Damit entsprechen die Anforderungen an den Dritten den ähnlichen Vorschriften der §§ 495, 531 HGB. Dort ist schon im geltenden Recht klar zum Ausdruck gebracht, daß dem Dritten Einwendungen aus dem Innenverhältnis nur bei dessen Kenntnis entgegengesetzt werden können. Die in der Literatur verbreitete Auffassung, wonach auch in den genannten Bestimmungen neben der Kenntnis bereits die fahrlässige Unkenntnis des Dritten genügen soll, sind dem Wortlaut dieser Vorschriften so wenig vereinbar, daß eine Klarstellung dort entbehrlich ist".

Der (moderne) Gesetzgeber hat also bewusst davon abgesehen, den § 495 HGB neu zu fassen und die (grobe) Fahrlässigkeit der Kenntnis gleichzustellen, wie dies im heutigen § 528 Abs. 2 S. 2 HGB der Fall ist. Dem Dritten wird also in der Tat nur Kenntnis schaden300. Diese „verkehrsfreundliche" Handhabung entspricht der heutigen Organstellung des Korrespondentreeders. Zumal: man sollte § 495 HGB nicht ausschließlich als Möglichkeit der umfänglichen Beschränkung der Vertretungsmacht des Korrespondentreeders - vergleichbar etwa § 26 Abs. 2 S. 2 BGB - verstehen, sondern auch als positiv-rechtliche Fixierung der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht. Denn § 495 HGB erfasst nicht nur die satzungsmäßige Vollmachtsbeschränkung (wie § 26 Abs. 2 S. 2 BGB) des Korrespondentreeders, sondern auch den vereinzelt gebliebenen Beschluss der Mitreeder an den Korrespondentreeder, in die eine oder andere Richtung zu handeln bzw. gerade nicht zu handeln 301 . Aber auch bei tradierter Interpretation als Beschränkung der Vertretungsmacht lässt sich wenig gegen die Organeigenschaft des Korrespondentreeders gewinnen: auch § 26 Abs. 2 S. 2 BGB eröffnet die Möglichkeit, die Kompetenzen des Handlungsorgans zu beschränken, obwohl zuzugeben ist, dass beide Vorschriften schwerlich miteinander vergleichbar sind: § 26 Abs. 2 S. 2 BGB verlangt eine hinreichend bestimmte Satzungsvorschrift, während § 495 HGB nicht nur die satzungsmäßige Vollmachtsbeschränkung des Korrespondentreeders erfasst, sondern auch den vereinzelt gebliebenen Beschluss der Mitreeder, der dem Korrespondentreeder in einem bestimmten Fall die Vollmacht teilweise entzieht 302 . 299 BT-Drucksache VI/2225, S. 23 zu Art. 1 Nr. 12 des RegE = Art. 1 Nr. 13 des Seerechtsänderungsgesetzes. § 528 Abs. 2 S. 2 HGB in Form des Art. 1 Nr. 12 des RegE erwähnte noch nicht als weiteren Ausschließungsgrund den die grobe Fahrlässigkeit wie es der heutige § 528 Abs. 2 S. 2 HGB in der Fassung seit dem ersten Seerechtsänderungsgesetz tut, sondern lautete: „Das Geschäft ist jedoch für den Reeder verbindlich, wenn dem Dritten der Mangel der Befugnis des Kapitäns oder die Absicht zur anderweitigen Verwendung bekannt war". Die heute noch gültige Fassung seit dem Seerechtsänderungsgesetz dagegen lautet: „Das Geschäft ist jedoch für den Reeder nicht verbindlich, wenn dem Dritten der Mangel der Befugnis des Kapitäns oder die Absicht zur anderweitigen Verwendung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war". 300 Vgl. Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 495, Anm. Β 2. 301 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1532. 302 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1532. 19 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

3. Die Geschäftsführungsbefugnisse Ist ein Korrespondentreeder bestellt, so obliegt ihm die organschaftliche Geschäftsführung. Der Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnis richtet sich primär nach dem Gesellschaftsvertrag, dann nach den Beschlüssen der Gesamtheit der Mitreeder. Soweit eine Regelung im Innenverhältnis fehlt, richtet sich seine Geschäftsführungsbefugnis nach der gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 493 HGB), jedoch verlangt § 496 Abs. 2 HGB für bestimmte Fälle (im Innenverhältnis) einen zustimmenden Beschluss der Mitreeder 303 . Es kommt dann wieder zu einer Kompetenzverschiebung, weg vom eigentlichen Handlungsorgan hin zum Gesellschafterorgan. Beachtet werden muss aber die strikte Weisungsabhängigkeit des Korrespondentreeders von den Anordnungen der Gesamtheit der Mitreeder (siehe § 13 Β III 6 a). 4. Mehrere Korrespondentreeder (intraorganisatorische Willensbildung) Entgegen dem vielleicht missverständlichen Wortlaut des § 492 Abs. 1 HGB ist es natürlich auch zulässig, dass das abstrakte Handlungsorgan mit mehreren Organwaltern besetzt wird, also mehrere Korrespondentreeder bestellt werden 304 . Um einen weitgehenden Schutz der Gesellschaft und eine erhöhte Richtigkeitsgewähr der Entscheidungen der Korrespondentreeder herbeizuführen, gelten dann entsprechend den Vorschriften der Aktiengesellschaft, Genossenschaft und GmbH - die Grundsätze der Gesamtgeschäftsführung und Vertretung. 5. Sorgfalt des Korrespondentreeders Gem. § 497 HGB hat der Korrespondentreeder bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Reeders anzuwenden. Diese Vorschrift, die nicht Bestandteil des preußischen Entwurfs war, wurde erst im Laufe der Hamburger Seerechtskonferenz in das ADHGB aufgenommen 305. Im Rahmen der Diskussion wa303 § 496 Abs. 2 HGB: Im übrigen ist der Umfang seiner Befugnisse auch der Reederei gegenüber nach den Vorschriften des § 493 mit der Maßgabe zu beurteilen, daß er zu neuen Reisen und Unternehmungen, zu außergewöhnlichen Reparaturen sowie zur Anstellung oder zur Entlassung des Kapitäns vorher die Beschlüsse der Reederei einzuholen hat. 304 Als selbstverständlich vorausgesetzt in RGZ 42, 69 (70), Urt. v. 05. 11. 1898, Az: I 209/98; vgl. auch § 2 Abs. 2 lit. a FlaggRG (idF v. 01. 01. 1964): „Das gleiche gilt für Seeschiffe im Eigentum von Partenreedereien . . . , wenn wenigstens bei Partenreedereien die Mehrheit der Parten im Eigentum von Deutschen steht und die Korrespondentreeder Deutsche sind ..."; Ruhwedel } Die Partenreederei, 1973, S. 229. 305 Für den preußischen Entwurf war klar, dass der Korrespondentreeder „nach den allgemeinen Regeln vom Vollmachtsvertrage" haftet (vgl. Art. 405 des preußischen Entwurfs); allerdings sagt der preußische Entwurf nichts Ausdrückliches zum Verschuldensmaßstab, man kann aber davon ausgehen, dass der Korrespondentreeder - in Hinblick auf den „Vollmachts-

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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ren die Meinungen geteilt, ob man entsprechend der Vorschrift des Art. 94 Abs. 1 ADHGB 3 0 6 (vgl. heute § 708 BGB) vom Korrespondentreeder nur die diligentia quam in suis oder doch die Haftung eines ordentlichen Kaufmanns (Geschäftsführers) fordern sollte, und ob man gegebenenfalls differenzieren solle, zwischen dem Korrespondentreeder, der gleichzeitig Mitreeder ist und dem Gesellschaftsfremden 3 0 7 . Schließlich setzte sich die Auffassung durch, vom Korrespondentreeder die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu verlangen, wobei durchaus zutreffend darauf abgestellt wurde, dass die Stellung des Korrespondentreeders mit der eines geschäftsführenden Gesellschafters einer oHG gar nicht zu vergleichen sei. Auf eine gesetzliche Regelung, die zwischen Gesellschafter-Korrespondentreeder und dem Korrespondentreeder unterschied, der nicht zugleich Gesellschafter des Verbandes ist, wurde verzichtet, um den Rechtsverkehr nicht zu verwirren 308 . Im Ergebnis ist das Ergebnis der Hamburger Seerechtskonferenz zutreffend. Der Grund liegt im Unterschied zwischen der Handlungsorganisation der Partenreederei und der gesetzes-typisch organisierten offenen Handelsgesellschaft. Bei der offenen Handelsgesellschaft überwachen (passiv) und unterstützen (aktiv) sich die Gesellschafter gegenseitig. Die Hand des einen Gesellschafters schwebt immer über dem anderen Gesellschafter, um im Notfall einzugreifen oder mit anzupacken. Dies ist bei der Partenreederei anders. Auch wenn der Korrespondentreeder weisungsabhängig von der Gesamtheit der Mitreeder agiert, führt er doch im wesentlichen alleine die Geschäfte der Gesellschaft. Hier ist es gerechtfertigt und notwendig, ihn für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers einstehen zu lassen. Die Schärfe der Diligenzpflicht ist im geltenden deutschen Gesellschaftsrecht Folge der Struktur der Handlungsorganisation.

6. Kompetenzverteilung zwischen der Gesamtheit der Mitreeder und dem fakultativ bestellten Korrespondentreeder a) Weisungsabhängigkeit des Korrespondentreeders Entsprechend der (dispositiven) Vorschrift des § 491 HGB sind für die Angelegenheiten der Reederei die Beschlüsse der Mitreeder maßgebend. Der Gesamtheit vertrag" (Auftrag, Geschäftsbesorgung) für jedes Verschulden einzustehen gehabt hätte; vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 223. 306 Art. 94 Abs. 1 ADHGB entspricht Art. 93 Abs. 1 der zweiten Lesung zum ADHGB, auf den auf der Hamburger Seerechtskonferenz Bezug genommen wurde. 307 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1535 f. 308 Ein Kommissionsmitglied plädierte allerdings für eine gesetzliche Regelung mit der Begründung, dass - bei Fehlen einer entsprechenden Vorschrift - der Rechtsverkehrs doch genau danach differenzieren werde, je nachdem also, ob ein Gesellschafter oder ein dritter Korrespondentreeder sei. 19*

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

der Mitreeder steht die Beschlussfassung nicht nur in den gesetzlich besonders hervorgehobenen Fällen zu, sondern in jeder die Gesellschaft betreffenden Angelegenheit 3 0 9 . Daran ändert sich auch nichts durch fakultative Bestellung eines Korrespondentenreeders 310 . Der Korrespondentreeder ist nach dem Gesetz streng weisungsgebunden. Das kommt in § 496 Abs. 1 H G B drastisch zum Ausdruck: § 496 HGB. (1) Der Reederei gegenüber ist der Korrespondentreeder verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche von ihr für den Umfang seiner Befugnisse festgesetzt sind; er hat sich ferner nach den gefaßten Beschlüssen zu richten und die Beschlüsse zur Ausführung zu bringen. (2) Im übrigen ist der Umfang seiner Befugnisse auch der Reederei gegenüber nach den Vorschriften des § 493 mit der Maßgabe zu beurteilen, daß er zu neuen Reisen und Unternehmungen, zu außergewöhnlichen Reparaturen sowie zur Anstellung oder zur Entlassung des Kapitäns vorher die Beschlüsse der Reederei einzuholen hat. Die Stellung des Korrespondentreeders hat aber auch nichts mit dem aktienrechtlichen Vorstand gemein, der den Verband unter eigener Verantwortung leitet (§ 76 AktG). Sie entspricht mehr der Stellung des GmbH-Geschäftsführers (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Aber den Mitreedern steht es natürlich aufgrund der Gestaltungsfreiheit des Gesellschaftsvertrags (§ 490 S. 1 HGB) frei, dem Korrespondentreeder ein Mehr an Kompetenzen und damit eine eigenverantwortlichere Position in der Handlungsverfassung zuzuweisen 3 1 1 . So kann etwa vereinbart werden, was sich insbesondere anbietet, wenn ein Gesellschafter zum Korrespondentreeder bestellt wird, dass entsprechend dem Vorbild des § 116 H G B der Korrespondent i m Rahmen des üblichen Reedereibetriebs weisungsfrei agieren kann und nur für außergewöhnliche Geschäfte die Zustimmung der Mitreeder braucht. In Hinblick auf § 496 Abs. 1 HGB verfügt die Gesamtheit der Mitreeder über die Machtvollkommenheit, den Korrespondentreeder in allen Angelegenheiten der Geschäftsführung zum reinen Vollzugsorgan zu degradieren. Die Lage entspricht insoweit der GmbH, als es der Gesellschafterversammlung ebenfalls offen steht, den Geschäftsführer zur Marionette ihrer Geschäftsführungsbeschlüsse zu machen. Allerdings entspricht die rechtliche Möglichkeit, den Korrespondentreeder zum Büttel der Mitreeder zu machen, kaum der Rechtswirklichkeit, denn die Mitreeder müssen erst einmal den später den Korrespondentreeder bindenden Beschluss zustandebringen. Da es daran häufig mangeln wird, verschafft die Schwerfälligkeit der Willensbildung und die daraus resultierende Ohnmacht der Mitreeder dem Korrespondentreeder einen weiten Freiraum. Ist der Korrespondentreeder gleichzeitig Mehrheitsreeder, kann er die anderen Mitreeder nahezu vollständig von der Geschäftsführung ausschließen312. Das Korrelat dieser Machtfülle ist dann in der korrespondierenden organschaftlichen (und gesellschaftlichen) Treuepflicht und Verantwortlichkeit zu suchen 313 . 309 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 187. 310 Die Bestellung des Korrespondentreeders ist freiwillig, vgl. § 492 Abs. 1 S. 1 HGB. 3Π Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 187 f. 312 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 231 f. 313 Vgl. zur Lage des Gesellschafter-Geschäftsführers der GmbH: BGH, NJW 1982, 2869, Urt. v. 28. 06. 1982, Az: I I ZR 121/81 (mit Anmerkung v. H.R Westermann): Ein Verstoß

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3. Abschn., § 13 Partenreederei b) Grundlagenkompetenzen der Mitreeder

Grundlagenbeschlüsse, die die Organisation der Reederei betreffen, sind wie allgemein i m Verbandsrecht der Gesamtheit der Gesellschafter oder dem Gesellschafterorgan zugewiesen, so insbesondere Satzungsänderungen. Beschlüsse der Mitreeder bedürfen grundsätzlich der absoluten Partenmehrheit der Abstimmenden, § 491 Abs. 1 HGB 3 1 4 ; die Mehrheit bestimmt sich also nicht nach Köpfen (vgl. § 119 Abs. 2 HGB), sondern nach den Gesellschaftsanteilen (Schiffspart im neueren Sinne) 315 . Allerdings entscheidet nicht immer die Mehrheit der Schiffsparten. Bei besonders wichtigen Entscheidungen ist Einstimmigkeit sämtlicher Mitreeder erforderlich 316 : bei wesentlichen 317 Vertragsänderungen (§ 491 Abs. 2 Alt. 1 HGB), Verfassungsdurchbrechungen (einzelne, aber wesentliche318 Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags werden für einen bestimmten Fall außer Kraft gesetzt, ohne dass aber der Gesellschaftsvertrags als solcher geändert wird, § 491 Abs. 2 Alt. 2 HGB), oder Beschlüsse gefasst werden sollen, die dem Wesen der Reederei fremd sind (§ 491 Abs. 2 Alt. 3 HGB).

7. Kontrollrechte U m eine Kontrolle des Korrespondentreeders durch die Gesamtheit der M i t reeder zu ermöglichen, wurde der Korrespondentreeder mit der Buchführungspflicht des heutigen § 498 S. 1 H G B belastet 3 1 9 . Diese Pflicht ist scharf zu trennen von der einem Verband obliegenden öffentlich-rechtlichen Buchführungspflicht (§ 238 H G B ) 3 2 0 , die verbandsintern den Handlungsorganen zugewiesen ist (zB § 41 G m b H G ) 3 2 1 . Bei § 498 S. 1 HGB handelt es sich um eine verbandsinterne Pflicht des Korrespondentreeders.

gegen die organschaftlichen Geschäftsführungspflichten als Korrespondentreeder kann zugleich einen Verstoß gegen die mitgliedschaftlichen Treuepflichten darstellen. 314 Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 I I 1 = S. 154 f. 315 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 197 f. 316 §§ 491 Abs. 1,492 Abs. 1 S. 2 HGB; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 206 ff. 317 ROHG 15, 157 (160), Urt. v. 18. 11. 1874, Az: II 1044/74; Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 491, Anm. C 2 a. 318 Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 491, Anm. C 2 b; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 209. 319 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 223 zu Art. 401 des preußischen Entwurfs; Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen HandelsgesetzBuches, Bd. 4, S. 1534; Κ Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 51. 320 Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 238, Rdnr. 4. 321 Für die GmbH: Schulze-Osterloh, §41, Rdnr. 1.

in Baumbach/Hueck,

GmbHG, 17. Auflage, 2000,

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

a) Individuelles Informationsrecht (§ 498 S. 2 HGB) In § 498 S. 2 HGB wird ein individuelles Informationsrecht festgeschrieben. Der Korrespondentreeder hat auf Verlangen eines jeden Reeders diesem Auskunft über die Verhältnisse der Reederei zu erteilen und Einsicht in die Unterlagen zu gestatten322. b) Kollektive Informationspflicht Daneben existiert ein kollektives Informationsrecht der Gesamtheit der Mitreeder. Der Korrespondentreeder ist gem. § 498 HGB verpflichtet, auf Beschluss der Reederei dieser jederzeit Rechnung zu legen, also eine im einzelnen verständliche und erschöpfende Klarstellung der geführten Geschäfte abzugeben323. Daneben stehen der Gesamtheit der Partenreeder als Annex zu ihren Befugnissen Informationsrechte zur Seite. Da gem. § 496 Abs. 1 HGB die Gesamtheit der Mitreeder Herr der Gesellschaft ist und sie dem Korrespondentreeder in jeder Beziehung Weisung erteilen kann, steht ihr in ihrer Gesamtheit ein umfassendes Informationsrecht zu, damit sie ihre Entscheidungen zum Wohle des Verbandes auf gesicherter Tatsachenbasis treffen kann. Ihrem unbeschränkten Weisungsrecht korrespondiert demnach ein umfassendes Informationsrecht gegenüber dem Korrespondentreeder.

8. Die Personalkompetenz der Gesamtheit der Mitreeder a) Die Bestellungskompetenz Die Bestellung des Korrespondentreeders erfolgt durch die Mitreeder, ebenso wie die Abberufung, die grundsätzlich jederzeit - also unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes - durch einfachen Mehrheitsentscheid der Mitreeder erfolgen kann, und zwar gleichgültig, ob zum Korrespondentreeder ein Gesellschafter oder ein Dritter bestellt wurde, § 492 HGB 3 2 4 . Die Vorschrift geht auf Art. 398 Abs. 3 des preußischen Entwurfs zurück. Nach den Motiven zum preußischen Entwurf war nicht einmal eine gesellschaftsvertragliche Abrede verbindlich, durch die sich ein Mitreeder die Führung der Geschäfte der Reederei ausbedungen hatte. Eine solche Abrede stände mit dem Wesen des Auftrags in Widerspruch 325. Ohne eine Änderung in der Sache wurde die Vorschrift in das ADHGB und später in das 322 Vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 223 zu Art. 402 des preußischen Entwurfs: „jedem Mitrheder, und zwar jedem Einzelnen derselben". 323 Vgl. Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 253 ff. 324 Vgl. Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Auflage, 1950,§ 15 IV 4 = S. 167. 32 5 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 222.

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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HGB übernommen 326. Dagegen geht die heutige Kommentarliteratur ohne weiteres davon aus, dass die Widerruflichkeit der Bestellung zum Korrespondentreeder an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden werden kann 327 . Der Widerruf der Bestellung ist auch dann durch Beschluss möglich, wenn Bestellung i m Gesellschaftsvertrag erfolgt i s t 3 2 8 ; ausreichend ist ausweislich § 492 Abs. 2 HGB ein Mehrheitsbeschluss. Das ist auch naheliegend: denn anders als beim Entzug der organschaftlichen Befugnisse eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft liegt hier keine Änderung der abstrakten Handlungsverfassung, also des Gesellschaftsvertrages vor - der in der Partenreederei ausweislich § 491 Abs. 2 Alt. 1 HGB nur einstimmig erfolgen k a n n 3 2 9 - , sondern nur eine organschaftliche Bestellungsmaßnahme bzw. deren actus contrarius i m Rahmen der Handlungsverfassung. Dass zumindest der preußische Entwurf wohl vom zwingenden Charakter des heutigen § 492 Abs. 2 HGB ausging, mag Reminiszenz der ursprünglichen Einordnung des Korrespondentreeders als seerechtliche Variante des Prokuristen s e i n 3 3 0 . Allerdings ist - wie gesehen - die Rechtswirklichkeit darüber hinweggegangen. Eine besondere Problematik sah die Hamburger Seerechtskommission, wenn der Korrespondentreeder zugleich Mitreeder ist und die Mehrheit der Stimmen hält 3 3 1 : ein solcher Gesellschafter könnte niemals gegen seinen Willen abberufen werden. Als Lösung wurde zum Besten gegeben: sei ein Mitreeder mit der Geschäftsführung des „unabsetzbaren" Mitreeders unzufrieden, so bleibe ihm kein anderes Mittel, als den Verkauf seines Anteils. Angesicht der heutigen Dogmatik fällt das Ergebnis anders aus: da die Vorschriften der §§ 498 ff. HGB das Recht der Partenreederei nur marginal regeln, muss man sich an den allgemeinen Lehren orientieren. Wegen der - sofern eine Korrespondentreeder bestellt ist - verwandten Handlungsverfassung 332, kann man entsprechend der allgemeinen Lehren zum Stimm326 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1521. 327 Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 492, Anm. C 1 c; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 266 f.; Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, Band II, 1962, § 492, Anm. 6. 32 8 Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, Band II, 1962, § 492, Anm. 6; Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 266. 329

Dabei wird § 491 Abs. 1 Alt. 1 HGB restriktiv in die Richtung ausgelegt, dass nur wesentliche Vertragsänderungen der Einstimmigkeit bedürfen {Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 491, Anm. C 2 a; ROHG 15, 157 (160), Urt. ν. 18. 11. 1874, Az: II 1044/74). Die Entziehung organschaftlicher Befugnisse dürfte aber eine wesentliche Vertragsänderung darstellen, so dass auch dann, wenn die Reederei nach dem Organisationsprinzip der Selbstorganschaft verfasst ist, sofern der Gesellschaftsvertrag dazu schweigt (§ 490 HGB), nur durch einstimmigen Beschluss eine Entziehung organschaftlicher Kompetenzen eines Gesellschafters in Frage kommt. 330 Vgl. nur Artt. 399 Abs. 1,48 Abs. 1 des preußischen Entwurfs. 331 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1521 f. 332 Drittorganschaft; Weisungsabhängigkeit des Handlungsorgans; Mehrheitsprinzip im Gesellschafterorgan.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

rechtsausschluss auf die Vorschrift des § 47 Abs. 4 GmbHG zurückgreifen: danach ist heute unter dem Gesichtspunkt, dass sich niemand zum Richter in eigener Sache aufschwingen darf 3 3 3 , anerkannt, dass der Betroffene, soweit zugleich Gesellschafter, von der Beschlussfassung über seine Abberufung als Organwalters aus wichtigem Grund ausgeschlossen ist 3 3 4 . Zudem - und dem kommt gerade Bedeutung zu, wenn ein Mehrheitsreeder einen Dritten als Korrespondentreeder stützt - gebietet die gesellschaftliche Treuepflicht die Zustimmung zur Abberufung eines Organwalters, sofern ein wichtiger Grund vorliegt 335 . Anders ist die Sachlage natürlich, wenn es um die Abberufung außerhalb des Vorliegens eines wichtigen Grundes geht. Hier besteht in teleologischer Reduktion des § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmverbot (sog. zustimmungsfreier Sozialakt) 336 , um dem in der Mehrheitsbeteiligung liegenden Partizipationsinteresse gerecht zu werden. Also kann man festhalten: die Minderheit der Mitreeder ist - anders als dies der Hamburger Seerechtskonferenz vorschwebte - dem Mehrheitsgesellschafter als Korrespondentreeder oder zumindest dem den Korrespondentreeder tragenden Mehrheitsgesellschafter nicht schutzlos ausgeliefert, sondern kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes dessen Demission erreichen.

b) Das Mehrheitserfordernis bei Bestellung des Korrespondentreeders Von besonderer Bedeutung sind die (unterschiedlichen) Mehrheitsverhältnisse i m Zusammenhang mit der Bestellung eines Korrespondentreeders. Die Entscheidungskompetenzen sind der Gesamtheit der Mitreeder zugewiesen. Dabei wird über die Frage, ob überhaupt ein Korrespondentreeder bestellt werden soll, durch Mehrheitsbeschluss entschieden 3 3 7 . Soll ein Mitreeder zum Korrespondentenreeder bestellt werden, gilt ebenfalls das Mehrheitsprinzip. Aber: die Ernennung eines Nichtgesellschafters zum Korrespondentenreeder setzt Einstimmigkeit voraus, § 492 Abs. 1 S. 2 H G B 3 3 8 . 333

Vgl. zu dem Gesichtspunkt des Richters in eigener Sache: Scholz-Ä'. Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 47, Rdnr. 132; allgemein zu Stimmrechts verboten: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 21 I I 2 = S. 609 ff.; krit. gegenüber der Begründung: Richter in eigener Sache, aber nicht im Ergebnis: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 47, Rdnr. 53. 334 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 47, Rdnr. 53; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 47, Rdnr. 19, 24; Scholz-/^. Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 47, Rdnr. 141. 33 5 Vgl. nur Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 47, Rdnr. 53. 33 6 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 47, Rdnr. 24; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 47, Rdnr. 51; RGZ 74, 276, Urt. v. 18. 10. 1910, AZ: II 660/09; BGHZ 51, 209 (215 f.), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 57/67. 337 § 492 Abs. 1 S. 1 HGB. 338 Diese Regelung wurde dem § 398 Abs. 2 PrEntwADHGB entnommen, der sie seinerseits dem holländischen Recht entliehen hat (Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 221), aber auf weitere Ausführungen verzichtet hat. Sie wurde anstandslos auf der Hamburger Seerechtskonferenz zur Aufnahme in das ADHGB übernommen (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1521, Bd. 8, S. 3715).

3. Abschn., § 13 Partenreederei

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Das Einstimmigkeitsprinzip lässt sich einmal historisch erklären 339 . Das Erfordernis geht auf die Zeit zurück, in der der Korrespondentreeder das Schiff noch selbst begleitete. Damals verlangte man noch von jedem Korrespondentreeder eine eigene Beteiligung an der Reederei (sog. Schiffspart), um sicherzustellen, dass er das Fahrzeug nicht vorschnell verfolgenden Feinden oder Piraten auslieferte. Die Bestellung eines gesellschaftsfremden Korrespondentreeders war aus dieser Sicht ein erhebliches Betriebsrisiko.

Heute ist die Bedrohung der deutsche Reederei durch Piraterie wohl von untergeordneter Bedeutung. Und doch wird man nicht lange suchen müssen, um den gesetzgeberischen Beweggrund für das Konsensprinzip bei Bestellung des gesellschaftsfremden Korrespondentreeders zu finden. Dieser wird augenfällig, wenn man den Vergleich zur GmbH zieht. Hier wird der (obligatorische) Geschäftsführer grundsätzlich mit einfacher Mehrheit bestellt (§§ 46 Nr. 5,47 Abs. 1 GmbHG), unabhängig davon, ob er sich aus der Schar der Gesellschafter rekrutiert oder ob auf außenstehende Intelligenz zurückgegriffen werden soll (§ 6 Abs. 3 GmbHG). Der „gewisse" Unterschied liegt auf Ebene der Haftungsvzrfassung: während in der GmbH die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten des Unternehmens nicht haften 3 4 0 , haften die Mitreeder für die Reedereiverbindlichkeiten persönlich, wenn auch nicht solidarisch so doch anteilig, und in diesem Rahmen unbeschränkt (§ 507 Abs. 1 HGB) 3 4 1 . Dagegen haftet der Korrespondentreeder nicht 3 4 2 . Auf der Hamburger Seerechtskonferenz reagierte man generell auf die Befugnisse der Korrespondentreeders und dessen haftungsrechtlichen Auswirkungen bei den Mitreedern sehr sensibel343. Nach der Auffassung des Gesetzgebers scheinen die Mitreeder der Bestellung eines Mitgesellschafters zum Korrespondentreeder mit leichterem Herzen zustimmen zu können, da dieser ebenfalls - anteilsmäßig344 - das unternehmerisches Risiko trägt, was nach verbreiteter Doktrin ja zu einer besseren Geschäftsführung führen soll. Den Kern der Regelung kann man im Folgenden festmachen: die Bestellung eines Gesellschaftsfremden zum Geschäftsführer, der die Gesellschafter unbeschränkt verpflichten kann, ohne dass bei ihm das Handlungskorrektiv unbeschränkter Haftung vorliegt, bedarf einer breiten Legitimation durch die Gesellschafter (Vertrauensprinzip). Es liegt nach dem Gesetzgeber der Partenreederei eben doch etwas Besonderes in der Tatsache, dass ein Dritter als Hand-

339 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 211,45. 340 § 13 Abs. 2 GmbHG; dazu: Lutter/Hommelhojf, Rdnr. 3.

GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 13,

341 Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage, § 507, Anm. Α, Β; K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, S. 69. 342 Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 338. 343 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 4, S. 1520, 1521, 1525. 344 Wenn Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, S. 211 f. meint, der Gesellschafter-Korrespondentreeder trage das gleiche unternehmerische Risiko, so ist das nicht ganz genau; denn anders als nach § 128 HGB haften nicht alle Reeder solidarisch auf den Gesamtbetrag, sondern nur pro rata (§ 507 HGB).

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

lungsorgan der Gesellschaft, ohne selbst Dritten gegenüber zu haften, die Gesellschafter persönlich unbeschränkt verpflichten kann. Dies mag angesichts des heutigen Kenntnisstandes im Recht der Vorgesellschaften antiquiert erscheinen und noch allzu sehr am Glauben in die qualitative Überlegenheit der Eigengeschäftsführung zur Fremdgeschäftsführung liegen. Bereits in der Vorgesellschaft kann entsprechend der Lage in der eingetragenen Gesellschaft ein Fremdgeschäftsführer bestellt werden, der im Rahmen unbegrenzter Vertretungsmacht die Vorgesellschaft verpflichten kann. Für diese Verbindlichkeiten besteht eine unbeschränkte Binnenhaftung der Gründungsgesellschafter. Die Haftung der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG schafft hierfür keinen Ausgleich, denn sie will nur die fehlende Registerpublizität ausgleichen, aber dem Gläubiger keine zusätzliche Haftungsmasse eröffnen; der Geschäftsführer kann sich der Haftung dadurch entziehen, dass er dem Verbandsgläubiger die Rechtsverfolgung gegen den Verband eröffnet (siehe unten § 18). Und doch wird man im Einstimmigkeitsprinzip einen richtigen Kern ausmachen können. Ist die Partenreederei originär selbstorganschaftlich verfasst, bedarf die Bestellung eines Korrespondentreeders einer fremdorganschaftlichen Umgestaltung der Organisationsverfassung. Notwendig ist Änderung der abstrakten Handlungsverfassung, als des Gesellschaftsvertrages, für die grundsätzlich Einstimmigkeit notwendig ist, § 491 Abs. 2 HGB. Dennoch gestattet § 492 Abs. 1 S. 1 HGB aus Praktikabilitätserwägungen die Bestellung eines Korrespondentreeders durch Mehrheitsbeschluss. Das Einstimmigkeitserfordernis bei der Bestellung eines gesellschaftsfremden Korrespondentreeders holt nur nach, was auf der ersten Stufe der Änderung der abstrakten Handlungsorganisation versäumt wurde. Anerkennt man die Möglichkeit der fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, wird diesem Gedanken Genüge getan. Denn die Veränderung der abstrakten Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft bedarf als Vertragsänderung, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes bestimmt, der Einstimmigkeit.

C. Fazit Die Partenreederei ist eine spektakuläre Gesellschaftsrechtsform. Sie ist originär selbstorganschaftlich verfasst. Doch hat der Gesetzgeber in § 492 Abs. 1 HGB ausdrücklich die Möglichkeit anerkannt, sich bei Bedarf fremdorganschaftlich zu organisieren. Zusammen mit § 146 Abs. 1 S. 1 HGB deutet die Vorschrift auf die Satzungsautonomie der Gesellschaft hin, bei Bedarf vom Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung abzuweichen und sich fremdorganschaftlich zu verfassen.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

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4. Abschnitt

Die allgemeinen Prinzipien der organisatorischen Gewaltenteilung § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung A. Die Gesamtvertretung Das abstrakte Handlungsorgan (zB der Vorstand) muss einen Willen bilden. Dies geschieht dadurch, dass katalysiert durch den miraorganisatorischen Regelungskomplex aus dem Willen der einzelnen Organwalter der Wille des Organs gebildet wird. Bei Gesamtvertretung und Gesamtgeschäftsführung ist Willensübereinstimmung unter den Organwaltern notwendig, um vom Willen des Organs sprechen zu können, während bei Einzelgeschäftsführung und Einzelvertretung der Wille des einzelnen Organwalters den Willen des Organs bildet. Innerhalb der selbstorganschaftlich verfassten Gesellschaft ist die Gesamtvertretung ein Institut der interoxganisatorischen Gewaltenteilung, allerdings beschränkt auf die Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter. Die Gesamtvertretung will die Gesellschaft gerade im Bereich der abstrakten Organverwaltung vor gefährlichen, übereilten und allzu selbstherrlichen Maßnahmen sowie vor - bei der Bestellung nicht erkannter 345 - Unzulänglich- und Unzuverlässigkeit des einzelnen Vorstandsmitglieds bewahren. Jedes Vorstandsmitglied unterliegt der Kontrolle durch die anderen Organmitglieder und kontrolliert diese seinerseits 346. Es werden die Selbstregulierungskräfte innerhalb des abstrakten Handlungsorgans oder innerhalb der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter aktiviert, sowie eine höhere Richtigkeitsgewähr von Entscheidungen erreicht, die von allen Amtswaltern mitgetragen werden müssen. Die gesetzestypischen Organisationsformen der abstrakten Organverwaltung setzen auf die Gesamtvertretung als Instrument der Gewaltenselbstbeschränkung. So findet sie sich in den §§ 78 Abs. 2 AktG, 25 Abs. 2 S. 1 GenG, 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG 347 . Allerdings kann vom Grundsatz der Gesamtvertretung abgewichen 345

Gerade ein Gestaltungsvorteil der Fremdorganschaft besteht darin, dass man den Posten mit dem besten Bewerber besetzen kann. Durch sorgfältige Auswahl kann man die Gefahren für die Gesellschaft vor allzu eigennütziger und schlechter Geschäftsführung erheblich reduzieren. So stellt bereits § 76 Abs. 3 AktG ein gewisses Anforderungsprofil an die Person des Vorstandsmitglieds. 346 Vgl. Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 15; Brodmann, Aktienrecht, § 232 HGB, Anm. 3; vgl. schon KGJ 21, A 106 (109), Beschluss v. 28. 01. 1901, Az: 1 Y 26/01. Die Gesamtvertretung ist geboren aus dem Misstrauen der Gesellschafter gegen eine leichtfertige oder unehrliche Verwaltung. Durch gegenseitige Kontrolle soll eine ordentliche Geschäftsführung sichergestellt werden (Wiedemann , Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I I 2 a = S. 379).

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

werden. Eine besondere Art der organschaftlichen Gesamtvertretung ist die sog. unechte Gesamtvertretung; bei ihr wird ein Prokurist an der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft beteiligt. Sie wurde unter § 3 Ε II behandelt.

B. Die Einzelermächtigung (§§ 78 Abs. 4 AktG, 25 Abs. 3 GenG, 125 Abs. 2 Abs. 2 S. 2 HGB) Die Entscheidung darüber, welcher Modus der Willensbildung im abstrakten Organ „Vorstand" besteht, d. h. ob Einzel- oder Gesamtvertretung bzw. eine Mischform vorliegt, obliegt der Satzung - also dem über die Verbandsgrundlagen verfügungsberechtigten Gesellschafterorgan (zB Hauptversammlung) - oder in fremdorganschaftlich verfassten Gesellschaften einem durch die Satzung besonders ermächtigten Gesellschaftsorgan; meist dem Bestellungsorgan als Annex seiner Personalkompetenz (siehe auch § 14 CI). Von der Zuweisung der Kompetenz, über die Art und Weise der Vertretung zu bestimmen, an andere Organe, machen §§78 Abs. 4 S. 1 AktG, 25 Abs. 3 S. 1 GenG für die Aktiengesellschaft und Genossenschaft eine Ausnahme. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 125 Abs. 2 S. 2 HGB für die selbstorganschaftliche Organisationsverfassung von oHG, KG und KGaA. Da diese Vorschriften als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens angesehen werden, gilt trotz fehlender gesetzlicher Regelung dasselbe für die GmbH 3 4 8 : zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen, d. h. sie können in diesem Rahmen vom Willensbildungsmodus „Gesamtvertretung" auf „Einzelvertretung" umwechseln. Eine allgemeine Ermächti347 Das Vertretungsrecht im BGB-Verein ist umstritten: Einmal geht es darum, ob ein in verfassungsmäßiger Form zustande gekommener Vorstandsbeschluss Wirksamkeitsvoraussetzung für die Vertretungshandlungen des Vorstandes Dritten gegenüber ist, zum anderen, ob beim mehrgliedrigen Vorstand in Ermangelung einer besonderen Satzungsregelung Gesamtvertretung durch alle Mitglieder gilt (so in der neueren Literatur tatsächlich noch Wolfsteiner, DNotZ 1972, 81 (83) unter Hinweis auf § 28 Abs. 2 BGB; vgl. auch Broicher, Archiv für Bürgerliches Recht Bd. 24 (1904), 192 (218 ff.)), oder ob die Mehrheit der Vorstandsmitglieder für eine wirksame Außenvertretung ausreicht, wobei innerhalb der letztgenannten Ansicht weiter darüber gestritten wird, ob die Mitwirkung der Mehrheit der vorhandenen Vorstandsmitglieder erforderlich ist (so: v. Thür, BGB AT, 1910, § 37 IV = S. 531; Flume, Die juristische Person, § 10 I I 2 a = S. 360 f.)- ohne dass gerade diese den Beschluss gefasst haben müssen - , oder ob diejenigen, die den internen (Geschäftsführungs-) Beschluss gefasst haben, auch nach außen die Erklärung abgeben können (Im letzten Sinne äußern sich auch BayObLGZ 76, 230 (237 f.), Beschluss v. 07. 09. 1976, Az: 2 Ζ 16/76; Planck, 4. Auflage, 1913, § 28, Anm. 2; Oertmann, BGB, 3. Auflage, 1927, § 28, Anm. 1 b β ßßNg\. allgemein zu den Streitfragen: Staudinger-Weick, 13. Auflage, § 26, Rdnr. 12, § 28, Rdnr. 8 ff.; Schack, Gruchot's Beiträge Bd. 61 (1917), 849 (864 ff., 866); Flume, Die juristische Person, § 10 II 2 a = S. 360). 3 48 Vgl. nur Scholz /Schneider, GmbHG, 8. Auflage, § 35, Rdnr. 55; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 II 2 = S. 379; Flume, Die juristische Person, 1983, § 10 II 2 b = S. 361.

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gung zu allen Geschäften kommt nicht in Betracht, da dies praktisch Einführung von Einzelvertretungsmacht bedeutet 349 , über die aufgrund der interorganisatorischen Gewaltenteilung nur Satzung oder ein ermächtigtes Organ entscheiden. Dogmatisch ist es bisher nicht gelungen, diese Regelung befriedigend in den Griff zu bekommen, was daran liegt, dass die Umstände der historischen Entwicklung, aus denen die Vorschriften hervorgehen, kaum Beachtung finden; zudem wird die Einordnung durch die §§ 78 Abs. 4 S. 2 AktG, 25 Abs. 3 S. 2, 125 Abs. 3 S. 2 HGB erschwert, die eine sinngemäße Anwendung auf die unechte Gesamtvertretung anordnen. Angesichts des Regelungszweckes der Gesamtvertretung ist die Einzelermächtigung weitgehend unproblematisch. Die Gesamtvertretung will eine Selbstkontrolle des Organs und ein erhöhtes Maß an Richtigkeitsgewähr institutionalisieren. Bei der Einzelermächtigung wird das Instrument der Richtigkeitsgewähr im weitesten Sinne nur vorverlegt auf den Zeitpunkt der Ermächtigung. Müssen im idealtypischen Fall der Gesamtvertretung alle Organpersonen gleichzeitig handeln, findet bei der Einzelermächtigung die Beteiligung der anderen Organpersonen im Moment der Ermächtigung statt. Anders als bei der Genehmigung findet hier die Kontrolle im Vorfeld statt. Die Kontrolle ist auch im Vorfeld hinreichend gewährleistet, da die Ermächtigung nur für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften möglich ist. Die Einzelermächtigung ist vergleichbar der Einwilligung iSd § 182 BGB. Hinzu kommt folgendes: Die Vertretung dient der Umsetzung von Geschäftsführungsbeschlüssen, die nach dem gesetzlichen Modell einstimmig gefasst werden. D.h. der wesentliche Zeitpunkt der Selbstkontrolle und institutionellen Richtigkeitsgewähr ist der Zeitpunkt der internen Beschlussfassung des gesamtgeschäftsführungsbefugten Organs. Die Vertretung dient nur noch der Umsetzung des gefassten Beschlusses, der auf jeden Fall umzusetzen ist. Für diese Umsetzung ein weiteres Mal Gesamtvertretung zu fordern, ist weitgehend sinnlos, da die Entscheidung (weitestgehend) schon gefallen ist. Demnach spricht nichts dagegen, insoweit ein einzelnes Vorstandsmitglied mit der Ausführung des schon Beschlossenen zu betrauen. Dies kann unmittelbar durch den Geschäftsführungsbeschluss erfolgen, denn nach heutiger Rechtslage ist die Einzelermächtigung ein Verbands- und organinternes Ereignis des Handlungsorgans (dazu sogleich). Fehlt es an einer wirksamen Einzelermächtigung, handelt das alleine auftretende Vorstandsmitglied ohne Vertretungsmacht 350. 349 Freh, ZHR Bd. 122 (1959), 173 (184 f.); Hüffen AktG, 4. Auflage, 1999, § 78, Rdnr. 21. 350 Die Situation kommt bekannt daher, entspricht sie doch der Rechtsauffassung der hM über die Außen Vertretung des bürgerlichrechtlichen Vereins. Nach ihr soll der Vereins vorstand nur wirksam handeln können, wenn vorher über die Maßnahme ein wirksamer interner Beschluss gefasst wurde. Auch wenn die hM im Übrigen zweifelhaft ist, so hat sie doch zutreffend einen Anwendungsfall der Einzelermächtigung erkannt, der in bestimmter Weise richtungsweisend ist. Während man lange Zeit davon ausging, dass die Einzelermächtigung im Außenverhältnis im Wege der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung erfolge, war man

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung I. Die dogmatische Einordnung der Einzelermächtigung

Unter Berufung auf die Rechtsprechung von Reichs- und Kammergericht 351 wird die Ermächtigung noch heute von gewichtigen Literaturstimmen 352 als rechtsgeschäftliche Vollmacht in Form einer Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) gedeutet. Die Erteilung der Vollmacht erfolge durch den Vorstand, wobei der Ermächtigte entgegen § 181 BGB mitwirken könne. Die mittlerweile deutlich überwiegende Auffassung im Verein mit dem Bundesgerichtshof will dagegen in der Ermächtigung eine Erweiterung der organschaftlichen Gesamtvertretungsmacht zur Allein Vertretungsmacht sehen 353 . Die Ermächtigung müsse von einer vertretungsberechtigten Zahl von Vorstandsmitgliedern ausgesprochen werden, wobei der Adressat der Ermächtigung aber mitwirken dürfe 354 . Wie der organschaftliche Akt der Ermächtigung in concreto ausschaut, bleibt im Dunkeln. Beschrieben wird von der herrschenden Meinung primär die Rechtsfolge der erfolgten Ermächtigung: organschaftliche Einzelvertretungsbefugnis. Das Erklärungsdefizit der herrschenden Meinung ausfüllen will K. Schmidt. Die Ermächtigung sei eine Delegation der einem Gesamtvertreter zustehenden Vertretungsmacht auf einen anderen Gesamtvertreter, dergestalt, dass dieser nun für beide handeln könne 355 . Ähnliches hatte schon Frels für § 71 Abs. 2 S. 2 AktG 1937 ausgesprochen, wenn er die Ermächtigung als organisatorischen Akt beschrieb, durch den dem Auserwählten ein

hier von Anfang an weiter: die Einzelermächtigung als ein organinternes Ereignis (vgl. aber auch Oertmann, BGB, 3. Auflage, 1927, § 28, Anm. 1 b β ßß. Seine Ausführungen scheinen darauf hinaus zu laufen, dass er die Ermächtigung entsprechend der Auffassung der damaligen Zeit als Bevollmächtigung deutet). 351 Noch zur Rechtslage bei Geltung des ADHGB: RG, in: JW 1900, 663, Urt. v. 05. 07. 1900, Az: V I 166/1900; zu § 25 GenG a.F.: KGJ 21, A 106 (108), Beschluss v. 28. 01. 1901, Az: 1 Y 26/01; zu § 232 HGB a.F.: RGZ 48, 56 (58), Urt. v. 08. 03. 1901, Az: Rep. VII. 371 /00; RGZ 80, 182 (182) = JW 1913, 50, Urt. v. 08. 10. 1912, Az: Rep. II 271 / 12; RAG, in: HRR 1929, Nr. 1924, vom 5. Juni 1929, Az: 666/28: Eine derartige Ermächtigung stellt sich als bloße Handlungsvollmacht dar. 352 Müller, GenG, 1991, § 25, Rdnr. 16; Flume, Die juristische Person, 1983, § 10 I I 2 b = S. 361 ff. Für Flume ist die organschaftliche Vertretungsmacht schon inhaltlich nicht anders geartet als die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters oder des Bevollmächtigen (Flume, Die juristische Person, 1983, § 10 II 2 a = S. 359 und § 111 = S. 379). 353 BGHZ 64, 72 (75), Urt. v. 06. 03. 1975, Az: I I ZR 80/73 spricht von einem Erstarken der organschaftlichen Gesamtvertretung zur Alleinvertretungsmacht; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I I 2 b = S. 382; Brodmann, Aktienrecht, § 232 HGB, Erl. 4 b; Großkommentar Aktiengesetz/ Meyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 17 spricht von der Ermächtigung als organschaftlichen Akt; Kölner Kommentar zum AktG ! Mertens, 2. Auflage, § 78, Rdnr. 56; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 47; Godin-Wilhelmi, AktG, 2. Auflage, § 71, Anm. 4, die von einem organisatorischen Akt sprechen. 354 Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 78, Rdnr. 19; Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 78, Rdnr. 53; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 46. 355 SchlegelbergerIK. Schmidt, HGB, 5. Auflage, § 125, Rdnr. 44; zustimmend: Großkommentar HGB /Habersack, § 125, Rdnr. 46.

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Teil der dem Gesamtvorstand zustehenden Vertretungsmacht überwiesen wird 3 5 6 . Da diesem Ansatz die grundsätzliche Unübertragbarkeit der Befugnis zur organschaftlichen Willensbildung entgegensteht357, müssen die §§78 Abs. 4 AktG, 25 Abs. 3 GenG, 125 Abs. 2 S. 2 HGB als Ausnahme zum Grundsatz der Höchstpersönlichkeit organschaftlicher Befugnisse verstanden werden. Die Ermächtigung als Delegation organschaftlicher Befugnisse ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, der Ermächtigte nur Empfänger der Ermächtigungserklärung. Anders als nach der hM muss der Ermächtigte nicht selber an seiner Ermächtigung mitwirken, so dass in der Ermächtigung abweichend von der hM keine Ausnahme mehr von § 181 BGB vorliegt, da es am Tatbestand der Doppelvertretung fehlt 3 5 8 . Die herrschende Meinung stützt sich zur Absicherung ihrer Auffassung gerne auf den Wortlaut. Dieser spreche eben nicht von Bevollmächtigung, sondern von einer Ermächtigung 359. Doch befindet man sich auf glattem Boden. Auch in § 54 HGB ist von Ermächtigung die Rede. In der Terminologie des HGB meint „Ermächtigung" durchaus die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung. Wenn man jetzt bedenkt, dass in § 125 Abs. 2 S. 2 HGB ebenfalls von Ermächtigung die Rede ist und § 232 HGB a.F. - der Vorgänger von § 71 AktG 1937 und § 78 AktG 1965 in der gleichen Gesetzeskodifikation genauso von Ermächtigung sprach, deutet das Wortlautargument sogar in die andere Richtung. Ebenfalls nicht besonders glücklich gewählt ist das zweite Argument: Hielte man die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung einer Organperson - was die hM aber sogleich ablehnen wird - für rechtlich möglich und zulässig, so wäre die gesetzliche Regelung in den §§78 AktG, 25 GenG, 125 HGB unnötig, da sie nur feststellen würde, was auch selbstverständlich wäre 360 . Aber auch das ist unzutreffend. Zur Zeit der Abfassung von §§125 HGB und § 232 HGB a.F. war äußerst zweifelhaft, ob für Gesamtvertreter die Möglichkeit bestand, einem aus ihrer Mitte rechtsgeschäftliche Vollmacht zu erteilen 361 . Hinzukommt, dass die Vorschriften in ihrer tradierten Deutung neben der Feststellung von „Selbstverständlichem" durch-

356 Frels, ZHR Bd. 122 (1959), 173 (184). 357 ZB: BGHZ 13, 61 (65), Urteil v. 31. 03. 1954, Az: I I ZR 57/53; BGHZ 64, 72 (76), Urt. v. 06. 03. 1975; Az: II ZR 80/73; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 II 1 = S. 377. 358 Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Auflage, § 125, Rdnr. 43; Großkommentar HGB / Habersack, § 125, Rdnr. 46 f. 359 Brodmann, Aktienrecht, § 232 HGB, Erl. 4 b; Großkommentar Aktiengesetz /MeyerLandrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 17; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 47; Frels, ZHR Bd. 122 (1959), 173 (178 f.) steht dem Wortlautargument durchaus kritisch gegenüber. 360 Großkommentar Aktiengesetz/Mey er-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 17; Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 47; Godin-Wilhelmi, AktG, 2. Auflage, § 71, Anm. 4; Frels, ZHR Bd. 122 (1959), 173 (182). 361 Vgl. nur Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 91 f.; RG, in: JW 1900, 663, Urt. v. 05. 07. 1900, Az: V I 166/1900.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

aus einen eigenständigen Regelungsbereich hätten. Bei Gesamtvertretung kann einem Gesamtvertretungsberechtigten nur Einzelvertretungsmacht für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften erteilt werden, nicht aber eine Generalhandlungsvollmacht wie sie gem. § 54 HGB möglich ist 3 6 2 . Gerne übersehen wird auch bei Aufsichtsratsverfassungen, dass wegen § 112 AktG das einzelne Vorstandsmitglied durch den Vorstand gar nicht ermächtigt werden könnte, insoweit also der Aufsichtsrat zuständig sein müsste. Also selbst dann, wenn man die Ermächtigung als Handlungsvollmacht einordnen würde, die die Aktiengesellschaft durch den Vorstand einem Vorstandsmitglied erteilt, würden die fraglichen Vorschriften mehr als nur „Selbstverständlichkeiten" gesetzlich festschreiben. Von größerer Bedeutung ist daher das Hauptargument der herrschenden Meinung, niemand könne bezüglich des gleichen Rechtssubjekts gesetzliche und gewillkürte Vertretungsmacht gleichzeitig innehaben363, da die gesetzliche Vertretungsmacht, die daraus fließende Verantwortung und die Haftung der Gesellschaft für organschaftliches Handeln unteilbar seien 364 , oder wie es zur Erläuterung bei Reinhard Freiherr von Godin und Hans Wilhelmi heißt: die Erteilung der Vollmacht an ein eigenes Willensorgan der Gesellschaft selbst, dessen Wille also ihr eigener Wille sei, nicht der eines Dritten, sei unvorstellbar 365. Beide Argumentationsketten sind ungenau. Hier ist zu bemerken, dass die Haftung des Organwalters nicht auf der Vertretungsmacht sondern seiner Stellung als Organwalter beruht, zumal in Fällen der unechten Gesamtvertretung auch der Prokurist - sofern man ihn nicht bei Zugrundelegung eines formellen Organbegriffs als Gesellschaftsorgan einordnet - volle Vertretungsmacht gleich einem Gesellschaftsorganträger hat, ohne den organschaftlichen Korrektiven unterworfen zu sein. Und auch die Haftung der Gesellschaft gem. § 31 BGB knüpft nicht an die Vertretungsmacht des Organwalters sondern daran an, dass ein Handeln als Organwalter für die Gesellschaft vorliegt. Verantwortlichkeit des Organwalters in dieser Funktion und Haftung der Gesellschaft für Organhandeln als ihr eigenes Handeln sind unteilbar, doch hat dies nichts damit zu tun, wie es sich mit der Vertretungsmacht verhält 366 . Aber auch der Ansatz von v. Godin und Wilhelmi trifft die Sache

362 Flume , Die juristische Person, 1983, § 10 II 2 b = S. 362; RGZ 48, 56 (58), Urt. v. 08. 03. 1901, Az: Rep. VII. 371 /00. 363 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 II 2 b = S. 381; BGHZ 64, 72 (75), Urt. v. 06. 03. 1975; Großkommentar Aktiengesetz IMeyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 17; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 47; Godin-Wilhelmi, AktG, 2. Auflage, § 71, Anm. 4; Scholz/Schneider, GmbHG, 8. Auflage, § 35, Rdnr. 55; Frels, ZHR Bd. 122 (1959), 173 (180 f.).vgl. auch RG, in: JW 1928, 964 (965), Urt. v. 24. 01. 1928, Az: VII 490/27 für den Repräsentant oder Grubenvorstand einer Gewerkschaft. 364 Scholz/Schneider, GmbHG, 8. Auflage, § 35, Rdnr. 55; BGHZ 64, 72 (75), Urt. v. 06. 03. 1975. 365 Godin-Wilhelmi, AktG, 2. Auflage, § 71, Anm. 4. 366 Flume, Die juristische Person, 1983, § 10 I I 2 b = S. 363 f.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

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nicht ganz. Sie unterscheiden nicht zwischen Organ und Organwalter. Denn der Wille des oder der Organwalter ist eben nicht ohne weiteres der Wille des Organs und erst recht nicht der Wille der Gesellschaft, sondern wird dies erst vermittelt über intra- und interorganisatorische Normen („Zurechnungskette": Organwalter Organ - Gesellschaft). Erst durch Anwendung der Organisationsnormen, die die Willensbildung innerhalb des Organs regeln, wird aus der Vielheit der Willenserklärungen der einzelnen Organwaltern der einheitliche Wille des Organs: der Wille der Organwalter wird katalysiert durch die intraorganisatorische Verbandsverfassung im Organ zu dem Willen des Organs. Der Wille des Organträgers ist nicht automatisch der Wille des Organs. Der Organwille ist auch noch nicht automatisch der Wille der Gesellschaft, wenn der Wille der Gesellschaft erst im Zusammenspiel mehrerer Organe gebildet wird, was gerade auch für selbstorganschaftlich verfasste Systeme bedeutsam ist.

II. Die Rechtsnatur der Ermächtigung als historischer Entwicklungsprozess

Der Rechtsnatur der Ermächtigung kann man sich am ehesten annähern, wenn man die historische Entwicklung dieser Vorschriften verfolgt. Die Gesamtvertretung will die Gesellschaft und mittelbar die Gesellschafter schützen vor einer allzu leichtfertigen, ungeschickten und unehrlichen Verwaltung. Dem Publikum gegenüber ist diese Art der Vertretung aber schwerfällig 367 . Zwar wurde von Anfang an ein gleichzeitiges Handeln der Gesamtvertreter nicht verlangt. Sie durften nacheinander tätig werden 368 , doch war sich die ältere Rechtspraxis bis zur Aufgabe dieser Rechtsprechung im Jahre 1913 durch RGZ 81, 325 einig, dass die „Zustimmung" des Gesamtvertreters kein gesellschaftsinterner Vorgang unter den Organwaltern war, sondern gegenüber dem Dritten zu äußern sei. Auch nach Einführung des §182 BGB, der eine Genehmigung sowohl dem Vertragsgegner als auch dem anderen Gesamtvertreter gegenüber ermöglichte, hielt man an dieser Rechtsprechung fest, da die Erklärung des „zustimmenden" Gesamtvertreters nicht als Zustimmung zu einem fremden Rechtsgeschäft aufgefasst wurde. Aus dem Gedanken der Gesamtvertretung folgerte man, dass sich diese Erklärung ihrem Wesen nach nicht von der Erklärung des handelnden Gesamtvertreters unterschied. Beide Erklärungen wurden als Teilerklärungen aufgefasst, die erst in ihrem Zusammenschluss die Vertragserklärung der Gesellschaft ausmachten. Die ausstehende Erklärung des noch nicht tätig gewordenen Gesamtvertreters war nicht Genehmigung im Rechtssinne sondern eine ergänzende Resterklärung, die ebenso wie der bisher verlautbarte Teil an den Vertragsgegner gerichtet sein musste 369 . 367 Brodmann, Aktienrecht, § 232 HGB, Erl. 3. 368 Vgl. RGZ 81, 325 f., Urt. v. 14. 02. 1913, Az: II 378/12; Brodmann, Aktienrecht, § 232 HGB, Erl. 3. 369 Vgl. RGZ 81, 325 (326), Urt. v. 14. 02. 1913, Az: II 378/12; vgl. RGZ 80, 180 (182), Urt. v. 08. 10. 1912, Az: II 271/12. Um die Folgen dieser Rechtssauffassung abzumildern, 20 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

Vor diesem Hintergrund muss die Rechtsentwicklung betrachtet werden, die bemüht war, die verkehrsfeindlichen Auswirkungen dieser Rechtsprechung durch andere Konstruktionen abzumildern. Zu Anfang dieser Entwicklung fehlten den heutigen §§ 78 Abs. 4 AktG, 25 Abs. 3 GenG, 125 Abs. 2 S. 2 HGB vergleichbare Vorschriften, die erst am Ende der Entwicklung stehen. Man befand sich im weitgehend unnormierten Raum. Ausgangspunkt war die Regelung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. Art. 229 ADHGB: (1) Der Vorstand hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Form seine Willenserklärung kundzugeben und für die Gesellschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so ist die Zeichnung durch sämtliche Mitglieder des Vorstandes erforderlich. (2)... Art. 235 ADHGB: Der Betrieb von Geschäften der Gesellschaft, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Bezug auf diese Geschäftsführung kann auch sonstigen Bevollmächtigten oder Beamten der Gesellschaft zugewiesen werden. In diesem Fall bestimmt sich die Befugnis derselben nach der ihnen erteilten Vollmacht; sie erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtshandlungen, welche die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt 3 7 0 Art. 47 ADHGB: (1) Wenn ein Prinzipal Jemanden ohne Ertheilung der Prokura, sei es zum Betriebe seines ganzen Handelsgewerbes oder zu einer bestimmten Art von Geschäften, in seinem Handelsgewerbe bestellt (Handlungsbevollmächtigter), so erstreckt sich die Handlungsvollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. (2)... (3)...

Unter Geltung des ADHGB wurde es angesichts des Prinzips der Unübertragbarkeit der Kollektivvertretung für unzulässig erachtet, dass ein Mitglied des Kollektivvorstandes eine Vertretungsbefugnis, wie sie dem Vorstand als solchem zukommt, dem anderen überträgt; insbesondere eine gegenseitige generelle Stellvertretung der Vorstandsmitglieder wurde als unzulässig erachtet. Aber hinsichtlich Art. 235 ADHGB war es für die Aktiengesellschaft statthaft, den Betrieb von Geschäften der Gesellschaft sowie die Vertretung der Gesellschaft in Bezug auf diese Geschäftsführung auch sonstigen Bevollmächtigten oder Beamten der Gesellschaft zuzuweisen. Nach Auffassung des Reichsgerichts stand nun nichts im Weg, eine derartige Vollmacht iSd Art. 235 ADHGB auch auf ein Vorstandsmitglied zu übertragen 371 . Das durch eine solche Bevollmächtigung geschaffene Verhältnis war sah sich die Rechtsprechung veranlasst, bei der Annahme eines stillschweigenden, nach außen geäußerten Willens sehr weit zu gehen. 370 Vgl. den damaligen Art. 47 ADHGB zur Handlungsvollmacht. 371 Vgl. RG, in: JW 1900, 663, Urt. v. 05. 07. 1900, Az: V I 166/1900; RGZ 48, 56 (58), Urt. v. 08. 03. 1901, Az: VII 371 /00.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

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rechtlich verschieden von der organschaftlichen 372 Einzelvertretung durch einen Organwalter. Der gem. Art. 235 ADHGB Bevollmächtigte handelte nicht als Vorstandsmitglied, sondern als rechtsgeschäftlich Bevollmächtigter nach den Grundsätzen der Handlungsvollmacht, Artt. 235 S. 2, 47 ADHGB 3 7 3 . Zur Erteilung dieser Handlungsvollmacht an das Vorstandsmitglied war das zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berufene Organ, also der Vorstand als solcher, zuständig, nicht das einzelne Vorstandsmitglied 374. Nach dieser Rechtsprechung wurden also keine organschaftlichen Befugnisse im Vorstand hin und her delegiert oder der Willensbildungsmechanismus im Organ verändert. Soweit war man noch nicht. Vielmehr erteilte die Gesellschaft durch ihr Handlungsorgan - den Vorstand - eine rechtsgeschäftliche Handlungsvollmacht nach außen an einen „Dritten", wobei nur die Besonderheit besteht, dass der Dritte zugleich Organwalter im Handlungsorgan ist. Eine andere Möglichkeit der rechtlichen Konstruktion kam nicht ohne weiteres in Frage. Es war bereits bekannt, dass „organschaftliche" Befugnisse grundsätzlich nicht übertragbar waren 375 . Der Ansatz von K. Schmidt (Delegation vor organschaftlichen Befugnissen) kam mangels ausdrücklicher Vorschrift nicht ernsthaft in Betracht. Das HGB übernahm diese noch unter Geltung des ADHGB entwickelte Rechtsauffassung 376 und setzte sich über die damals bestehenden Bedenken gegen die Zulässigkeit einer solchen Bevollmächtigung eines einzelnen Organwalters bei bestehender Gesamtvertretung hinweg, ebenso wie über neue Bedenken, die an § 181 BGB festgemacht wurden, da bei Erteilung der Vollmacht der betreffende Amtsträger streng genommen selbst mitwirken müsse 377 . Zur Rechtfertigung wurde auf ein unleugbares Verkehrsbedürfnis verwiesen, das im besonderen Grade bei Aktiengesellschaften und Genossenschaften bestehe378. Dementsprechend hieß es in § 232 HGB a.F.: (1) Zu Willenserklärungen, insbesondere zur Zeichnung des Vorstandes für die Gesellschaft, bedarf es die Mitwirkung sämtlicher Mitglieder des Vorstandes, so-

372 Die im heutigen Recht selbstverständliche Unterscheidung zwischen organschaftlicher Vertretungsmacht und Stellvertretung war damals noch nicht dem heutigen Kenntnisstand entsprechend herausgebildet, vgl. RG, in: JW 1928, 965 (965), Urt. v. 24. 01. 1928, Az: V I I 490/27. 373 Vgl. RG, in: JW 1900, 663, Urt. v. 05. 07. 1900, Az: V I 166/1900. 374 Vgl. RG, in: JW 1900, 663 f., Urt. v. 05. 07. 1900, Az: V I 166/1900. Diese Rechtsprechung übernehmend heißt es dann in § 232 Abs. 1 S. 2 HGB a.F.: Der Vorstand kann jedoch einzelne Mitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder Arten von Geschäften ermächtigen. 3 ?5 Vgl. nur RGZ 2, 30 (32), Urt. v. 26. 05. 1880, Az: I 807/80; RGZ 86, 262 (265), Urt. v. 24. 02. 1915, Az: V 472/14. 3 76 Vgl. RGZ 48, 56 (58), Urt. v. 08. 03. 1901, Az: V I I 371 /00. 3 77 Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 91 f., 139. Wenn hier statt Bevollmächtigung von Ermächtigung die Rede ist, liegt das am Sprachgebrauch des HGB, der vom (heutigen) zivilrechtlichen Sprachgebrauch abweicht. Unter Ermächtigung wurde durchaus Bevollmächtigung verstanden, vgl. nur § 54 HGB. 3 78 Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 92, 139.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewalten verschränkung

fern nicht im Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt ist. Der Vorstand kann jedoch einzelne Mitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Ist eine Willenserklärung der Gesellschaft gegenüber abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Vorstandes. (2)...

Dementsprechend wurde in der Folgezeit § 232 HGB a.F. als Bestätigung der bisherigen Rechtsanschauung verstanden 379. Zu Recht. Denn die damaligen Kodifikationen sprechen davon, dass der Vorstand als Organ einen Amtswalter ermächtigt. Darin wird genau die damalige Rechtsauffassung des Reichsgerichts übernommen: nicht innerhalb des Gesellschaftsorgan „Vorstand" findet der Vorgang der „Einzelermächtigung" statt, sondern die Gesellschaft bevollmächtigt durch ihr Handlungsorgan „Vorstand" im Außenverhältnis einen Amtswalter, genauso wie sie einem beliebigen Dritten rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht erteilt, eben nur mit der Besonderheit, dass an ein Vorstandsmitglied nur für bestimmte (Arten von) Geschäfte Handlungsvollmacht erteilt werden kann. Diese Rechtsprechung wurde fortgesetzt und weiter ausgebaut. Im Jahre 1912 entschied das Reichsgericht 380 angesichts des § 42 GenG a.F., dass auch im Genossenschaftsrecht der Vorstand als das Handlungsorgan des Verbandes ein Mitglied des Vorstandes bevollmächtigen kann und dass sich diese Vollmacht nur auf die Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften beziehen darf. Abweichend von einer Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahres 1901 381 erkennt das Reichgericht ausdrücklich an, dass das Vorstandsmitglied trotz §181 BGB auf Seiten der Gesellschaft im Vertretungsorgan an der Erteilung der Vollmacht an sich mitwirken darf, also bei Gesamtvertretung an der Vollmachtserteilung an sich selber mitwirken kann. Diese Rechtsanschauung wurde in das Aktiengesetz von 1937 übernommen, der insoweit gleich dem § 232 HGB a.F. formuliert war. § 71 AktG 1937: (1) Die Aktiengesellschaft wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. (2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Zeichnung für die Gesellschaft befugt. Der Vorstand kann einzelne Vorstandsmitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Ist eine Willenserklärung der Gesellschaft gegenüber abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied.

(3)... 379 RGZ 48, 56 (58), Urt. v. 08. 03. 1901, Az: V I I 371 /00. 380 RGZ 80, 180 (182 f.), Urt. v. 08. 10. 1912, Az: II 271 /12. Zur Rechtfertigung stellt das Reichsgericht auf das schon in der Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 92, 139 auch für Genossenschaften erwähnte dringende Verkehrsbedürfnis sowohl der Genossenschaft wie des Rechtsverkehrs ab. 381 KGJ 21, A 106 (108 f.), Beschluss v. 28. 01. 1901, Az: 1 Y 26/01.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

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Durch das Aktiengesetz von 1965 bekam die Vorschrift ihren heutigen Wortlaut. Allerdings wurde mit der sprachlichen und gesetzestechnischen Neufassung keine inhaltliche Änderung der Vorschrift bezweckt 3 8 2 . Es sollte das bestehende Verständnis der Vorschrift dahin festgeschrieben werden, dass eine zur Vertretung der Gesellschaft nötige Zahl von Vorstandsmitgliedern die Ermächtigung erteilen kann, und nicht alle zur Vertretung der Gesellschaft befugten Vorstandsmitglieder mitwirken müssen. Der Wortlaut der bisherigen Vorschrift wurde als mehrdeutig empfunden 3 8 3 . 1 9 7 3 3 8 4 wurde § 25 GenG in Ahnlehnung an § 78 A k t G modernis i e r t 3 8 5 und eine ausdrückliche Regelung der Ermächtigung in Abs. 3 - angepasst an die sprachliche Neufassung des A k t G - aufgenommen. §78AktG. Vertretung.

(1)...

(2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied. (3)... (4) Zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelnes Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. § 25 GenG. (1) Die Mitglieder des Vorstands sind nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Genossenschaft befugt. Das Statut kann Abweichendes bestimmen. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Genossenschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied. (2) Das Statut kann auch bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Genossenschaft befugt sind. Absatz 1 Satz 3 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (3) Zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Dies gilt sinngemäß, falls ein einzelnes Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Genossenschaft befugt ist. (4) Vorstandsmitglieder zeichnen für die Genossenschaft, indem sie der Firma der Genossenschaft oder der Benennung des Vorstands ihre Namensunterschrift beifügen. Erst der neue Wortlaut dieser Vorschriften macht den Weg frei zu neuen dogmatischen Deutungen. Auch wenn sich der Gesetzgeber nichts dabei gedacht haben mag, hat er mit der sprachlichen Neufassung der Vorschriften den Entstehungs382 Referentenentwurf eines Aktiengesetzes, S. 225; BT-Drucksache IV/171, S. 122. 383 Referentenentwurf eines Aktiengesetzes, S. 225; BT-Drucksache IV/171, S. 122. 384 Durch das „Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften" vom 09. 10. 1973, BGBl. 1 1973, 1451. 385 BT-Drucksache 7/97, S. 22. Durch dasselbe Gesetzgebungsvorhaben wurde auch § 42 GenG neu gefasst.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

grund der Ermächtigung verschoben. Nicht mehr die Gesellschaft durch ihren Vorstand als dem nach außen handelnden Gesellschaftsorgan ist - der bisherigen Rechtsauffassung entsprechend - Vollmachtgeber, sondern der Rechtsvorgang der Ermächtigung findet jetzt im Vorstand, als organ- und damit verbandsinternes Ereignis statt. Aus der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung im Außenrecht der Gesellschaft wurde ein organisatorischer A k t 3 8 6 im Rahmen der abstrakten Handlungsverfassung der juristischen Person. Es geht nicht mehr um die rechtsgeschäftliche Vertretung der Gesellschaft durch einen Bevollmächtigten, sondern um das organschaftliche Eigenhandeln des Verbandes. Die neugefassten Regelungen der §§ 78 Abs. 4 S. 1 AktG, 25 Abs. 3 S. 1 GenG gehören in den Bereich der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft. Der Wille des Vorstandes ist der Wille der Gesellschaft. Und der Wille des Vorstandes wird aus den Willen der einzelnen Vorstandsmitglieder gebildet, die katalysiert durch das intraorganisatorische Regelungsprogramm zum Willen des abstrakten Organs werden. Herrscht, wie das Gesetz für die Aktiengesellschaft durch § 78 Abs. 2 AktG anordnet, Gesamtvertretung, ist nicht der einzelne Wille eines Organwalters automatisch der Wille des Vorstands und damit des Verbandes. Erst wenn die anderen Organwalters zustimmen, also Willensübereinstimmung unter den Vorstandsmitgliedern herrscht, hat sich der Wille des Vorstands gebildet. Anders bei der Einzelvertretung. Hier ist der Wille eines einzigen Vorstandsmitglied auch der Wille des Vorstandes. Einzel- oder Gesamtvertretung sind demnach nur ein Programm, wie aus dem einzelnen Willen des Organwalters der Wille des Gesamtorgans gefunden wird. Einmal müssen alle Vorstandsmitglieder im Sinne gegenseitiger Kontrolle übereinstimmen, das andere Mal kann die Satzung bestimmen, dass der Wille eines einzelnen Amtsträgers ausreicht. Einzel- oder Kollektivvertretung ist nichts anderes als ein Normbefehl, wann aus dem Willen der Organwalter der Wille des abstrakten Organs wird. Welches Regelungsprogramm gilt, bestimmt die Satzung oder ein durch die Satzung ermächtigtes Gesellschaftsorgan.

In diesem Zusammenhang ist die Vorschrift der §§78 Abs. 4 S. 1 AktG, 25 Abs. 3 S. 1 GenG zu verstehen. Denn die sog. Einzelermächtigung ist ein Regelungsprogramm, wie aus der Menge der einzelnen Willenserklärungen der Organwalter der einheitliche Wille des Kollegialorgans zu bilden ist. Gilt Gesamtvertretung, so liegt ein rechtsgeschäftlicher Wille des Vorstandes grundsätzlich nur bei Willensübereinstimmung aller Vorstandsmitglieder vor, doch erlaubt es das Gesetz nun, dass unter bestimmten Voraussetzungen für bestimmte Geschäfte oder Arten von Geschäften der Wille eines Organwalters der Wille des Organs ist. Beschließt eine vertretungsberechtigte Gruppe von Organwaltern einstimmig 387 , einen aus ihrer Mitte zu „ermächtigen", so wird für ein bestimmtes Geschäft oder eine bestimmte Art von Geschäften der „ Z i i r e c h n u n g s m o d u s " abgeändert. Jetzt ist der Wille des ermächtigten Organwalters der Wille der Gesellschaft. Die Einzeler-

386

Insoweit zutreffend: Godin-Wilhelmi, AktG, 2. Auflage, § 71, Anm. 4; Scholz /Schneider, GmbHG, 8. Auflage, § 35, Rdnr. 55; Großkommentar Aktiengesetz /Meyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 17. 3 87 Um dem Prinzip der Gesamtvertretung genüge zu tun.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

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mächtigung ist nun nichts anderes als die gesetzlich anerkannte Kompetenz kollektiv berechtigter Vorstandsmitgliedern, für einen eng begrenzten Geschäftsbereich einen anderen Zurechnungsmodus installieren zu können. Es handelt sich also bei der Einzelermächtigung nicht um eine Delegation von organschaftlichen Befugnissen, sondern um die ausgeübte Befugnis kollektiv berechtigter Vorstandsmitglieder, auf den Modus der organinternen Willensbildung einzuwirken. Rechtstechnisch kann man sich das vorstellen als eine vom Gesetzgeber typisiert unterstellte Satzungsermächtigung an ein bestimmtes Organ, den Regelungsbereich der abstrakten Handlungsverfassung, der ja auch die verbandsinterne Willensbildung regelt, für bestimmte Fälle zu modifizieren. Das gilt entsprechend für die Einzelermächtigung auf der interorganisatorischen Ebene der selbstorganschaftlich verfassten Verbände, nur dass sich hier die Satzungsermächtigung auf die Willensbildung zwischen den Organen und nicht innerhalb eines Organs bezieht.

I I I . Die Einzelermächtigung im Rahmen der unechten organschaftlichen Gesamtvertretung

Erhebliche Schwierigkeiten bereitet die Bewältigung der in den §§ 78 Abs. 4 S. 2 AktG, 25 Abs. 3 S. 2 GenG, 125 Abs. 3 S. 2 HGB angeordneten sinngemäßen Anwendung der Grundsätze der Einzelermächtigung auf die unechte (organschaftliche) Gesamtvertretung durch Organwalter und Prokurist. Wenig Schwierigkeiten damit hat das tradierte Erklärungsmodell, das die Einzelermächtigung als Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht deutet. Dem Prokuristen wird wie jedem beliebigen Dritten Handlungsvollmacht für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften erteilt. Insoweit ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten 388. Probleme bekommt aber die herrschende Meinung, die in der Einzelermächtigung eine Erstarkung der organschaftlichen Gesamtvertretungsbefugnis zur Einzelvertretungsmacht sieht. Man behilft sich mit einer differenzierten Behandlung, die danach unterscheidet, ob Vorstandsmitglied oder Prokurist ermächtigt wird. Das einzelne Vorstandsmitglied könne sich in Gemeinschaft mit dem Prokuristen Einzelermächtigung erteilen, wodurch die organschaftliche Gesamtvertretungsbefugnis des Vorstandsmitglieds zur organschaftlichen Einzelvertretungsmacht erstarke 389 . Das sei beim Prokuristen aber nicht möglich. Durch die Zulassung unechter Gesamtvertretung wird der Prokurist ja für die herrschende Meinung nicht 388 Vgl. Großkommentar Aktiengesetz /Meyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 16; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 62; Frels, ZHR Bd. 122 (1959), 173 (185). 389 Großkommentar Aktiengesetz /Meyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 16; Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 61; Kölner Kommentar zum AktG ! Mertens, 2. Auflage, § 78, Rdnr. 59. AA Beuthien, GenG, § 25, 12. Auflage, Rdnr. 12; Frels, ZHR Bd. 122(1959), 173 (185).

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

zum Organ(walter) der Gesellschaft 390. Eine Ermächtigung des Prokuristen könne daher nicht zur Folge haben, dass diesem nun organschaftliche Einzelvertretungsmacht zuwachse391. Unwirksam wird dadurch nach hM die Einzelermächtigung des Prokuristen nicht, nur handele es sich um eine echte, rechtsgeschäftliche Vollmachtserteilung und nicht wie beim Vorstandsmitglied um einen organschaftlichen A k t 3 9 2 ; organschaftliche Befugnisse bekomme der ermächtigte Prokurist eben nicht 3 9 3 . Für diese differenzierende Deutung beruft man sich auf das Wörtchen „sinngemäß" 394 und darauf, dass in §§ 78 Abs. 4 S. 1 AktG, 25 Abs. 3 S. 1 GenG, 125 Abs. 2 S. 2 HGB nur von der Ermächtigung von Vorstandsmitgliedern bzw. vertretungsberechtigten Gesellschaftern die Rede ist 3 9 5 . Die hM muss also bei der Frage der Ermächtigung bei unechter Gesamtvertretung danach unterscheiden, ob ein Vorstandsmitglied oder der Prokurist Begünstigter sein soll, um der als abenteuerlich empfundenen Folge zu entgehen, dass dem Prokuristen als einem rechtsgeschäftlichen Vertreter für bestimmte Geschäfte die Stellung eines organschaftlichen Vertreters eingeräumt wird. Ist es das Vorstandsmitglied, so bleibt es beim organschaftlichen Akt; beim Prokuristen erteilt der Vorstand als das Handlungsorgan des Verbandes eine rechtsgeschäftliche Vollmacht nach außen. Insoweit bleibt man der tradierten Rechtskonstruktion treu. Diese Behandlung des ermächtigten Prokuristen wird der Rechtsnatur der unechten organschaftlichen Gesamtvertretung nicht gerecht. Bei der unechten Gesamtvertretung wird der Prokurist an der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft beteiligt, vgl. §§ 78 Abs. 3 S. 1 AktG, § 25 Abs. 2 S. 1 GenG, 125 Abs. 3 S. 1 HGB. Das ist heute geklärt 396 , auch wenn er dadurch nach herrschender Meinung nicht die Stellung eines Organs bzw. Organ waiters einnimmt 397 . Vor dem Hintergrund des hier verwendeten formellen Organbegriffs erscheint es in den Fällen der organschaftlichen unechten Gesamtvertretung allerdings inkonsequent, dem Proku390 Großkommentar Aktiengesetz / Meyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 16; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 II 2 b = S. 382; Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 78, Rdnr. 59; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 62. 391 Godin-Wilhelmi, AktG, 2. Auflage, § 71, Anm. 8 sprechen davon, dass die Vorstellung abenteuerlich wäre, dem Prokuristen die Stellung eines Organwalters für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften zu geben, obwohl es eigentlich die sinngemäße Anwendung des § 78 Abs. S. 1 AktG wäre. 392 Großkommentar Aktiengesetz/Meyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 16; Kölner Kommentar zum AktG/Mertens, 2. Auflage, § 78, Rdnr. 59; Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 78, Rdnr.. 20; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 62. 393 Er kann also zB keine Prokura erteilen. 394 Frels, ZHR Bd. 122 (1959), 173 (186). 395 Beuthien, GenG, § 25, 12. Auflage, Rdnr. 12. 396 Seit RGZ 134, 303 (306), Urt. v. 22. 12. 1931, Az: II Β 30/31 ist geklärt, dass es sich um gesetzliche (organschaftliche) Vertretung handelt. 397 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 78, Rdnr. 62; Großkommentar Aktiengesetz /Meyer-Landrut, 3. Auflage, § 78, Anm. 16.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

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risten, der an der organschaftlichen Vertretung mitwirkt, die organschaftlichen Weihen zu versagen; allenfalls ein materieller Organbegriff, der eine hinreichende Einbindung in die Handlungsorganisation der Gesellschaft verlangt, könnte die Ausklammerung des Prokuristen leisten. Aber die begriffliche Einordnung der Stellung des Prokuristen als Organ oder eben Nichtorgan kann dahinstehen, berührt sie doch letztlich nicht den Charakter der organschaftlichen unechten Gesamtvertretung: handeln Organwalter und Prokurist in diesem Rahmen gemeinschaftlich, dann handelt die Gesellschaft selbst 398 . Maßgebend für diese Einordnung ist das organschaftliche Handeln des Organwalters, dass das Gesamthandeln von Organperson und Prokuristen zum organschaftlichen Handeln promoviert. Das Beiwerk des Prokuristen hat die Aufgabe - dem Sinn der Gesamtvertretung entsprechend den Organwalter in seiner Tätigkeit zu bremsen, kann aber der unechten Gesamtvertretung nicht den organschaftlichen Charakter nehmen. Ist die unechte organschaftliche Vertretung durch das Zusammenwirken von Vorstandsmitglied und Prokurist organschaftlicher Natur, dann muss aber auch die Einzelermächtigung des Prokuristen in diesem Rahmen ein organisatorischer Akt sein. Handelt das Vorstandsmitglied oder der Prokurist nach außen und „genehmigt" der nicht beteiligte Teil das Außenhandeln des anderen, so wird man nicht daran zweifeln, dass der Verband organschaftlich vertreten wurde. Das Tätigkeitselement des Vorstandsmitglieds, der das Zusammenwirken beider zum organschaftlichen Handeln promoviert, liegt entweder im Außenhandeln oder in der Genehmigung. Aber das ist bei der Ermächtigung des Prokuristen, die sich aus diesem Blickwinkel als vorherige Zustimmung (Einwilligung), darstellt, nicht anders. Das entscheidende Handlungselement des Organwalters, das die Tätigkeit zum Eigenhandeln des Verbandes macht, findet nur im Vorfeld statt, ist aber vorhanden und wirkt bei der Tätigkeit des ermächtigten Prokuristen fort. Im Ergebnis bedeutet dies: die Ermächtigung des Prokuristen im Rahmen der organschaftlichen unechten Gesamtvertretung ist entgegen der allgemeinen Auffassung ein organisatorischer A k t 3 9 9 . Das lässt sich am einfachsten damit erklären, dass man die Vorbehalte ge398 Der Gesetzgeber hat die - zur Entstehungszeit des HGB in ihrer Zulässigkeit bestrittene - unechte Gesamtvertretung aus einem Verkehrsbedürfnis heraus in das Gesetz aufgenommen, ohne sich über die Grundlagen allzu viel Gedanken zu machen (Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB, S. 92, 139. Allerdings schien er die unechte Gesamtvertretung eher im rechtsgeschäftlichen als im organschaftlichen Bereich einzuordnen, da sich der Umfang der Vertretungsmacht nach der des Prokuristen richten sollte. Seit RGZ 134, 303 (306), Urt. v. 22. 12. 1931, Az: II Β 30/31 ist aber geklärt, dass es sich um gesetzliche (organschaftliche) Vertretung handelt). Sie sollte der Erleichterung bei Handhabung der organschaftlichen Gesamtvertretung durch mehrere Organwalter dienen. Aber gerade für die Organtheorie, die streng zwischen der organschaftlichen Vertretung durch die Organe der Gesellschaft und der Vertretung durch einen im Außenverhältnis bevollmächtigten Dritten unterscheidet, ist die kombinierte Vertretung von Organwalter und Prokuristen schwer einzuordnen (v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 623 f., insbesondere S. 624 Fn. 1). Heute ist geklärt, dass ein Eigenhandeln der Gesellschaft vorliegt, wenn das ungleiche Paar Organwalter und Prokurist zusammen handeln. Das Phänomen der unechten Gesamtvertretung spielt auf der organschaftlichen Ebene.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

gen die partielle Einordnung des gesamtvertretungsberechtigten Prokuristen als Gesellschaftsorgan aufgibt. Aber letztlich kann die Frage offen bleiben. Der formellen Einordnung der Einzelermächtigung des Prokuristen als organisatorischer Akt steht materiell nicht entgegen, dass der Prokurist nicht wie der Organwalter in das gesellschaftsrechtliche System der Gewaltenverschränkung eingebunden ist. Denn durch die Bindung des Prokuristen an den Organwalter - der den Geschäften zustimmen muss - wird die Gesellschaft hinreichend geschützt. Der bezweckte Schutz wäre nicht dadurch gestärkt, dass Prokurist und Organwalter gleichzeitig zusammenhandeln müssen. Es reicht aus, wenn einer für die Gesellschaft nach außen handelt, wenn nur der andere seinem Handeln vorher oder nachher zustimmt. Die Kontrolle des Prokuristen ist durch das Zustimmungserfordernis gesichert. Der dahinter stehende Grundsatz der Verbandssouveränität bleibt gewahrt. Geht man soweit, die Stellung des an der unechten organschaftlichen Gesamtvertretung beteiligten Prokuristen als organschaftlich einzuordnen, hat man sogar in § 125 Abs. 3 HGB gesetzgeberisch anerkannte Fremdorganschaft. Da es sich hierbei aber um eine rein begriffliche Argumentation handelt und der Einbau des gesamtvertretungsberechtigten Prokuristen in die abstrakte Handlungsorganisation nur sehr unvollkommen ausgefallen ist, kann hieraus für die allgemeine Frage, ob eine fremdorganschaftlich organisierte offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft möglich ist, nicht viel gewonnen werden. Der Gedanke wird daher nicht weiter verfolgt.

C. Die Regelungskompetenz der Aktivvertretung und die Bestimmung der Anzahl der Organwalter in fremdorganschaftlich verfassten Systemen Das Prinzip der Gesamtvertretung verbürgt einen Selbstschutz der Gesellschaft gerade in Systemen der abstrakten Organverwaltung. Durch ein System der gegenseitigen Kontrolle soll die Gesellschaft vor Schaden bewahrt werden. Damit korrespondiert die Frage, wer die Kompetenz hat, über die Art und Weise der Vertretung zu bestimmen. Muss dies als Regelung der abstrakten Handlungsverfassung des Verbandes der über die Gesellschaftsgrundlagen verfügungsberechtigten Gesellschafterversammlung vorbehalten bleiben oder kann im Gesellschaftsvertrag einem anderen Organ die Regelungskompetenz zugewiesen werden? Diese Frage steht im engsten Zusammenhang mit der Personalkompetenz. Denn eine vernünftige Personalpolitik erfordert auch die Möglichkeit, den Geschäftsführern mal mehr, mal weniger Freiheit zu lassen. Dies ist gerade für eine fremdorganschaftlich verwaltete Kommanditgesellschaft oder offene Handelsgesellschaft eine wesentliche Frage, weil so vermeintliche oder wirklich bestehende Gefahren einer Fremdverwaltung in den Griff zu bekommen sind. 399 Im Rahmen der Ermächtigung hat die Vertretungsmacht auch organschaftlichen Umfang, d. h. ein dazu ermächtigter Prokurist kann auch Prokura erteilen.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

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I. Regelungskompetenz der Aktivvertretung (Gesamt- oder Einzelvertretung) bei Aktiengesellschaft und GmbH

Anhand der Rechtsentwicklung zur Regelungskompetenz hinsichtlich der Aktivvertretung, zeigt sich, wie zunächst eine am Wortlaut haftende Gesetzesauslegung interessengerechte Modifikationen der Handlungsverfassung der Verbände in blindem Gesetzesgehorsam unterdrückte. Erst im Laufe der Rechtsentwicklung konnte sich eine Gestaltung durchsetzen, die den praktischen Anforderungen gerecht wird und die Regelungskompetenz hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung der Aktivvertretung als Annex der Bestellungs-, d. h. der Personalkompetenz betrachtet. Die Kompetenz, über die Vertretungsmacht zu bestimmen, eröffnet die Möglichkeit, einen neuen Organwalter in die Kollektivvertretung einzubinden oder einen bewährten Organwalter zur Einzelvertretung zu ermächtigen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um „Personalfragen", deren ein für allemal im Gesellschaftsvertrag vorweggenommene Regelung sehr hinderlich sein kann 400 . Die Personalkompetenz, die eines der Hauptkontrollmomente hinsichtlich einer zu selbstherrlich agierenden Unternehmensführung bildet 4 0 1 , wird hierdurch zusätzlich verstärkt, da das Bestellungsorgan je nach Verhalten der Organwalter die Zügel straffer ziehen oder mehr schleifen lassen kann kann, ohne es bei leeren Drohgebärden belassen oder zur ultima ratio der Abberufung greifen zu müssen. Nach heute anerkannter Auffassung kann daher der status quo der Aktivvertretung in zweifacher Weise durch den Gesellschaftsvertrag tangiert werden. Einmal durch unmittelbare Änderung der die Vertretungsmacht regelnden Vorschriften im Gesellschaftsvertrag selbst, zum anderen durch besondere Ermächtigung eines Gesellschafterorgans, die Vertretungsordnung zu ändern 402 . Heute in Hinblick auf § 78 Abs. 3 S. 2 AktG eine Selbstverständlichkeit. Aber der Weg dorthin war steinig. Zu Anfang sah es eher so aus, als würde sich die bessere Einsicht nicht durchsetzen können. Der Ausgangspunkt war für Aktiengesellschaft und GmbH weitgehend identisch. Er findet sich in Art. 229 Abs. 1 ADHGB, dem weitgehend der spätere, bis heute unveränderte § 35 Abs. 2 GmbHG entspricht. Art. 229 Abs. 1 ADHGB ordnete die Vertretung der Aktiengesellschaft:

400 KGJ 10, 34 (37), Beschluss v. 09. 06. 1890. 401 Die Gefahr, bei Versagen oder Unzufriedenheit der Gesellschafter abberufen zu werden, übt massiven Druck auf den Organwalter aus, im Gesellschaftsinteresse zu handeln ( Wiedemann , Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 11 = S. 371). 402 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 35, Rdnr. 33; Hachenburg-Mertens, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 35, Rdnr. 79; Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 35, Rdnr. 64 f.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Art. 229 ADHGB. (1) Der Vorstand hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Form seine Willenserklärungen kundzugeben und für die Gesellschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so ist die Zeichnung durch sämtliche Mitglieder des Vorstandes erforderlich. (2)...

Vor dem Hintergrund dieser Bestimmung wurde am Ausgang des 19. Jahrhunderts kontrovers beurteilt, ob der Aufsichtsrat durch die Satzung ermächtigt werden kann, „die Form" der Willenserklärung des Vorstandes vorzuschreiben. Zunächst lehnte das Oberste Landesgericht zu München die Eintragung einer solchen Satzungsbestimmung mit dem Inhalt, dass „die Bestimmung der Form der Zeichnung der Vorstandsmitglieder, ob einzeln oder kollektiv, dem Aufsichtsrat zusteht", ab 4 0 3 . Grund: eine solche Satzungsbestimmung würde gegen den Wortlaut des Gesetzes verstoßen („der Vorstand hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Form seine Willenserklärungen zu zeichnen"). Angesichts der Wichtigkeit dieser Frage behalte das Gesetz deren Regelung ausschließlich dem Gesellschaftsver404

trage vor . Im bewussten Gegensatz zur Entscheidung des Obersten Landesgerichts zu München bejahte das Kammergericht dagegen diese Frage 405 . Solle von der gesetzlichen Regel der Kollektivvertretung abgewichen werden, so müsse eine diesbezügliche Bestimmung, um Wirkung zu entfalten, zwar im Gesellschaftsvertrag, und nur in diesem aufgenommen werden. Darüber aber, in welcher Weise diese Bestimmung im Gesellschaftsvertrage getroffen werden könne, insbesondere ob dieselbe selbst eine abschließende Regelung enthalten müsse oder ob die nähere Anordnung Dritten überlassen werden könne, sage das Gesetz nichts 406 . Angesichts der Tatsache, dass dem Aufsichtsrat in der Satzung das Recht eingeräumt werden könne, beliebig viele Vorstandsmitglieder einzusetzen (siehe unten), sei nicht einzusehen, weshalb ihm nicht im Gesellschaftsvertrag gleichermaßen die Befugnis eingeräumt werden könne, je nach dem den einzelnen Vorstandsmitgliedern zu schenkenden Vertrauen Gesamtvertretung anzuordnen oder einem Vorstandsmitglied Einzelvertretungsbefugnis einzuräumen. Es handele sich im Wesentlichen um Personalfragen, deren vorweggenommene Regelung im Gesellschafts vertrag untunlich sein könne 407 . Bedingt sei diese Kompetenz einzig dadurch, dass dem Aufsichtsrat diese Befugnis im Gesellschaftsvertrag selbst zugewiesen werden müsse 408 .

403

Oberstes Landesgericht zu München, in: Seuffert's Blätter für Rechtsanwendung Bd. 31 (1886), 183 ff., Beschluss v. 20. 02. 1886, III 3/86 = ZHR Bd. 35 (1887), 246. 404 Oberstes Landesgericht zu München, in: Seuffert's Blätter für Rechtsanwendung Bd. 31 (1886), 183 (183 ff.). 4 «5 KGJ 10, 34, Beschluss v. 09. 06. 1890. 4 06 KGJ 10, 34 (37), Beschluss v. 09. 06. 1890. 4 07 KGJ 10, 34 (37), Beschluss v. 09. 06. 1890.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

317

Diese Streitfrage wurde für die Aktiengesellschaft durch den Gesetzgeber durch § 232 Abs. 2 S. 2 HGB a.F. (teilweise) entschieden409. § 232 HGB a.F.. (1)... (2) Steht nicht jedem einzelnen Vorstandsmitglied die selbständige Vertretung der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrage zu, so kann durch diesen bestimmt werden, daß die Vorstandsmitglieder, wenn nicht mehrere zusammen handeln, in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sein sollen. Auch kann durch den Gesellschaftsvertrag der Aufsichtsrath ermächtigt werden, einzelnen Mitgliedern des Vorstandes die Befugnis zu ertheilen, die Gesellschaft alleine oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zu vertreten....

Ähnlich lautete § 71 Abs. 3 S. 2 AktG 1937 und heute immer noch § 78 Abs. 3 S. 2 AktG. Ungeklärt blieb in der weiteren Diskussion, ob im Gesellschaftsvertrag auch einem anderen Organ als dem Aufsichtsrat, insbesondere der Generalversammlung, die Befugnis zugewiesen werden könne, über die Frage der Einzeloder Gesamtvertretung zu entscheiden. Denn § 232 Abs. 2 S. 2 HGB a.F. ließ die Frage ungeklärt, ob es sich dabei nur um einen positivierten Anwendungsfall einer dem Gesellschaftsvertrag überlassenen allgemeinen Regelung handele oder die Regelung abschließenden Charakter haben solle. Rechtsprechung und Wissenschaft gingen überwiegend dahin, dass die Generalversammlung - nach der damaligen Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft als das oberste, dem Aufsichtsrat übergeordnete Organ - dazu ermächtigt werden könne 410 . Für die Aktiengesellschaft hat sich die Diskussion heute wegen des Grundsatzes der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) erledigt: hier kann nur noch der Aufsichtsrat und nicht mehr die Hauptversammlung durch die Satzung ermächtigt werden, vgl. § 78 Abs. 3 S. 2 AktG 4 1 1 . Für die GmbH verlief die Entwicklung wesentlich langsamer und schwerfälliger. § 35 Abs. 2 GmbHG entspricht im Wesentlichen dem ehemaligen Art. 229 Abs. 1 ADHGB. Dennoch nahm die Auslegung des § 35 Abs. 2 GmbHG nicht an der rasanten, praxisfreundlichen Entwicklung der korrespondierenden Vorschriften des Aktienrechts teil. Auf der Ebene der Instanzgerichte war zunächst lebhaft umstritten, ob in der GmbH eine Satzungsklausel mit dem Inhalt zulässig war, die Kompetenz über die Form der Willenserklärung der Gesellschafterversammlung zuzuweisen. Während das LG Frankfurt dies unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut des § 35 Abs. 2 GmbHG, der die Entscheidung zwischen Einzel- und Gesamtvertretung dem Gesellschaftsvertrag vorbehalte, in bester Ma-

408 Bedenken aus Gründen der Rechtsunsicherheit bestehen nicht, da die jeweiligen Mitglieder des Vorstandes alsbald nach ihrer Bestellung zum Handelsregister anzumelden seien (KGJ 10, 34 (38), Beschluss v. 09. 06. 1890). 409 Vgl. RGZ 164, 177 (181), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: I I Β 3/40.

410 Mit Nachweisen: RGZ 164, 177 (182), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: II Β 3/40. 4 n Vgl. Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 78, Rdnr. 14; Kammergericht, wiedergegeben in: RGZ 164, 177 (180 f.), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: II Β 3/40.

318

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

nier des Obersten Landesgerichtes zu München ablehnte 412 , hielt das LG Hamburg eine solche Bestimmung des Gesellschaftsvertrages ohne weiteres für zulässig 413 . Zu einer ersten obergerichtlichen Entscheidung der Frage kam es durch einen Beschluss des Kammergerichts vom März 1 9 1 8 4 1 4 . Es hielt eine derartige Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat für unzulässig 4 1 5 . In seiner Begründung folgt das Kammergericht der begriffsjuristisch anmutenden Begründung des L G Frankfurt am Main. Dies ist umso erstaunlicher, als das Kammergericht bereits früher für die Aktiengesellschaft sich der ähnlichen Begründung des Obersten Landesgerichts zu München verweigert hatte, und die Rechtsprechung des Kammergerichts in § 232 Abs. 2 S. 2 H G B a.F. (= § 71 Abs. 3 S. 2 A k t G 1937 = § 78 Abs. 3 S. 2 AktG) durch den Gesetzgeber bei der Neukodifikationen des Aktienrecht aufgegriffen wurde. „Die Vertretungsbefugnis einer GmbH muß nämlich, wie der § 35 GmbHG klar ergibt, entweder dem Gesellschaftsvertrag oder dem Gesetze klar zu entnehmen sein. Infolgedessen kann weder im Gesellschaftsvertrage selbst noch nachträglich durch Satzungsänderung rechtswirksam beschlossen werden, daß die gesetzlich dem Gesellschaftsvertrag vorbehaltene Bestimmung anderweit - etwa, wie hier, durch den Aufsichtsrat oder etwa durch die Gesellschafterversammlung (LG Frankfurt a.M. i. Recht 1901 S. 473) - getroffen werden kann. Soll in diesem Punkt nachträglich von der im Gesellschaftsvertrage getroffenen Regelung abgegangen werden, so mag diese geändert und die neue Verteilung der Vertretungs- und Zeichnungsbefugnis der Geschäftsführer in der Neufassung des Gesellschaftsvertrags dergestalt niedergelegt werden, daß sie wiederum unmittelbar aus diesem selbst erhellt" 416 . M i t derselben Begründung entschied sich auch das O L G Stuttgart gegen die Zulässigkeit einer solchen K l a u s e l 4 1 7 . Die Kehrtwende setzte erst ein, als das Kammergericht, unter Abkehr von seiner eigenen bisherigen Rechtsprechung, die Frage der Zulässigkeit einer solchen Klausel gem. § 28 Abs. 2 FGG dem Reichsgericht vorlegte 4 1 8 . Seinen Sinneswandel begründete das Kammergericht, das jetzt auch den Wortlaut des § 35 Abs. 2 GmbHG gar nicht mehr als so eindeutig empfand, 412 LG Frankfurt a. M., Recht 1901 Nr. 1994, Beschluss v. 11. 07. 1901. Die Frage über die Form der Willenserklärung sei dem Gesellschaftsvertrag vorbehalten; die Regelung dieser Frage könne nicht der Gesellschafterversammlung übertragen werden, die dann darüber mit einfachem Mehrheitsbeschluss entscheiden könne. Wolle man die Art und Weise der Vertretung anders regeln, so sei dafür immer eine Änderung des Gesellschaftsvertrages notwendig, und das bedeute Mehrheit von drei Viertel und notarielle Beurkundung; § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG. 413 LG Hamburg, LZ 1907, 927 (928), Beschluss v. 13. 03. 1907, allerdings ohne weitere Begründung seiner Ansicht. 414 KGJ 51, A 134, Beschluss v. 08. 03. 1918, Az: la. X 142/18. 415 Die konkrete Klausel lautete: „Der Aufsichtsrat ist befugt, einzelnen Geschäftsführern die Befugnis zur alleinigen Zeichnung und Vertretung der Gesellschaft zu erteilen". 416 KGJ 51, A 134 (135), Beschluss v. 08. 03. 1918, Az: la. X 142/18. 417 OLG Stuttgart, in: OLGRspr. 43, 325, Beschluss v. 31. 12. 1923. 418 RGZ 164, 177, Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: II Β 3/40.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

319

mit den berechtigten Interessen der Gesellschaft an einer solchen Regelung. Der GmbH könne daran gelegen sein, sich die Entscheidung der Frage, ob einer von mehreren Geschäftsführern alleine vertretungsberechtigt sein solle, vorzubehalten, sei es bis zu dessen Bestellung, sei es bis zu einer etwaigen Bewährung des zum Geschäftsführer Bestellten in seinem Amt. Die Notwendigkeit, in einem solchen Falle jedes Mal die Satzung ändern zu müssen, sei wegen der erforderlichen notariellen Beurkundung kostspielig und wegen der notwendigen Dreiviertelmehrheit lästig (§ 53 Abs. 2 GmbHG). Die Bestellung eines Geschäftsführers habe für die Gesellschaft mindestens genauso große Bedeutung wie die Verleihung von Einzelvertretungsmacht an einen von mehreren Geschäftsführern, könne aber gleichwohl mit einfacher Mehrheit und formfrei beschlossen werden (§§ 46 Nr. 5, 47 Abs. 1 GmbHG) 419 . Zudem verweist das Kammergericht auf die Rechtslage in der Aktiengesellschaft: sowohl der Aufsichtsrat (§ 232 Abs. 2 S. 2 AktG), wie auch - so jedenfalls in der Rechtsprechung überwiegend anerkannt - die Generalversammlung habe in der Satzung ermächtigt werden können, über Gesamt- oder Einzel Vertretung zu entscheiden420; dies könne in der GmbH kaum anders sein. Und in der Tat ist die Argumentation des Kammergerichts naheliegend. Wenn in der Aktiengesellschaft dem zur Bestellung des Handlungsorgans legitimierten Organ (Aufsichtsrat, § 84 AktG) in der Verbandsverfassung zugleich die Befugnis zugewiesen werden kann, über Gesamt- oder Einzel Vertretung zu entscheiden (§78 Abs. 3 S. 2 AktG), also diese „Personalkompetenz" im weitesten Sinne beim Bestellungsorgan zu bündeln, so liegt es nahe, zumindest der Gesellschafterversammlung als dem Bestellungsorgan der GmbH (§ 46 Nr. 5 GmbHG) entsprechend § 78 Abs. 3 S. 2 AktG diese Kompetenz zuzuweisen. Damit wird dem Bestellungsorgan ein leicht handhabbares Instrumentarium zur Seite gestellt, mit dem auf Persönlichkeitsdefizite der Organwalter reagiert werden kann, ohne gleich zu den Mitteln der Abberufung oder Satzungsänderung greifen zu müssen. Je zuverlässiger ein Geschäftsführer ist oder je geschickter er sich im täglichen Geschäftsverkehr gebärdet, desto mehr Freiraum (Einzelvertretung) kann ihm gewährt werden, während ihm in der Probezeit oder bei Zweifeln an seiner glücklichen Hand zwingend ein anderer Geschäftsführer zur Seite gestellt werden kann. Diesen Erwägungen konnte sich auch das Reichsgericht nicht verschließen und es entschied: „Mangels besonderer Regelung im Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, muß hier die Gesellschafterversammlung zum mindesten in den Fällen, in denen sie, der Regel des § 46 Nr. 5 GmbHG entsprechend berufen ist, die Geschäftsführer zu bestellen, zugleich auch im Gesellschaftsvertrag ermächtigt werden können, die Art der 419 Wiedergegeben in: RGZ 164, 177 (180 f.), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: II Β 3/40. Für den Rechtsverkehr ergäben sich keine Gefahren, da die Art der Vertretungsmacht in das Handelsregister eingetragen werde. 420 Wenn in der Aktiengesellschaft heute gem. §§ 23 Abs. 5, 78 Abs. 3 S. 2 AktG nur noch der Aufsichtsrat ermächtigt werden kann, ist das Folge der scharfen und satzungsfesten Trennung der Kompetenzen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung, an der es aber in der GmbH fehle (vgl. RGZ 164, 177 (184), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: I I Β 3/40).

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Vertretungsmacht der Geschäftsführer, d. h. die Frage, wem von ihnen Einzelvertretungsmacht und gegebenenfalls, in welcher Weise ihnen Gesamtvertretung eingeräumt wird, für den Einzelfall zu regeln" 421 .

Das Reichsgericht schloss sich im Wesentlichen den Ausführungen des Kammergerichts an: der Wortlaut des § 35 GmbHG verlange keine abschließende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag und das praktische Bedürfnis gebiete die Zulassung einer solchen Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag und auch der Blick auf das Aktienrecht (§ 232 HGB a.F.) fehlte nicht. Auch dem Reichsgericht ist zuzustimmen. Denn das Bild wird stimmig, wenn man auf dem Boden der abstrakten Handlungsverfassung die Kompetenz, einzelnen Geschäftsführern Einzelvertretungsmacht einzuräumen, als Annex der Personalkompetenz begreift. Die Frage, ob einem Geschäftsführer Einzelvertretungsmacht eingeräumt werden soll, hängt eng mit der Auswahl und Bestellung zum Geschäftsführer zusammen. Es ist daher interessengerecht, mit der Bestellungskompetenz auch die Einzelregelung der Art der Vertretungsmacht zu regeln 422 . Alleine auf den Wortlaut des § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG abzustellen, hilft nicht weiter, da dieser eben nicht isoliert von der Entwicklung des Aktienrechts betrachtet werden kann. Dass der Gesetzgeber im Aktienrecht die Klarstellung des § 232 HGB a.F. (= 78 Abs. 3 S. 2 AktG) vorgenommen hat 4 2 3 , dagegen im GmbH-Recht nicht, ist einfach Folge davon, dass das Aktienrecht wiederholt Gegenstand mehrerer umfassender Kodifikationen war 4 2 4 , während das GmbHG seit 1892 weitgehend unberührt geblieben ist 4 2 5 . Auch § 62 Abs. 3 S. 2 RegE GmbHG, der nie Gesetz geworden ist, hätte eine Klarstellung über die Frage, ob die Kompetenz, über die Art der Vertretung zu entscheiden, im Gesellschaftsvertrag einem Verbandsorgan zugewiesen werden kann, enthalten 426 . Diese wäre sogar über die gesetzliche Regelung der Frage in § 232 HGB a.F. hinausgegangen, da der RegE klargestellt hätte, dass auch einem anderen Organ als dem unmittelbaren Bestellungsorgan die Entscheidungskompetenz über Einzel- oder Gesamtvertretung hätte zugewiesen werden können. Der RegE legte in seiner Begründung Wert darauf, festzustellen, dass § 62 Abs. 3 S. 2 GmbHG dabei keine Neuerung in das materielle GmbHRecht gebracht hätte, sondern nur kodifiziert hätte, was schon im geltenden Recht als zulässig erachtet werde 427 . Und § 62 Abs. 3 S. 2 RegE GmbHG hätte noch etwas anderes klargestellt: die Ermächtigung, die Art der Vertretungsmacht der Ge-

421 RGZ 164, 177 (185), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: II Β 3/40. 422 RGZ 164, 177 (184), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: II Β 3/40. 423 Dig. 1, 3, 13: Nam, ut ait Pedius, quotiens lege aliquid unum vel alterum introductum est, bona occassio est certa, quae tendunt ad eandem utilitatem, vel interpretatione vel certe iurisdictione suppleri. 424 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 26 II 2 = S. 769 ff. 425 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 33 II 2 = S. 986 ff. 426 BT-Drucksache VII/253, S. 18. 427 BT-Drucksache VII/253, S. 120.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

321

schäftsführer im Einzelfall zu regeln, kann als organschaftliche Befugnis nur einem Gesellschaftsorgan zugewiesen werden, nicht aber einem außenstehenden Dritten 428 . Allerdings sei bemerkt, dass bei formeller Betrachtungsweise ein Dritter durch die Kompetenzzuweisung zum Gesellschaftsorgan werden würde: denn Organ ist der Zuordnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse 429. Die Begründung muss lauten, dass die Errichtung eines solchen Organs unwirksam ist, wenn es nicht hinreichend in die Verbandsstruktur integriert und in das System der Gewaltenteilung eingebunden ist. Eine solche Gestaltung würde also gegen den Grundsatz der Verbandssouveränität verstoßen. § 62 RegE GmbHG. Vertretung.

(1)...

(3) Der Gesellschaftsvertrag kann auch bestimmen, daß einzelne Geschäftsführer allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Dasselbe können die Gesellschafter, der Aufsichtsrat oder ein anderes Gesellschaftsorgan bestimmen, wenn der Gesellschaftsvertrag sie hierzu ermächtigt....

Die Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde vom Bundesgerichtshof fortgesetzt. Der 2. Senat entschied im Anschluss an das Reichsgericht: Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH kann es der Gesellschafterversammlung überlassen, die Einzel- oder Gesamtvertretungsbefugnis für einen bestimmten Geschäftsführer abweichend zu regeln 430 . Heute ist allgemein anerkannt, dass der Gesellschaftsvertrag einer GmbH die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer entweder selbst regeln kann oder die Regelungsbefugnis auch einem Organ der GmbH übertragen kann. Welche Vertretungsregelungen gewählt werden dürfen, muss dabei in der Satzungsklausel nicht abschließend festgelegt werden 431 . Lebhaft umstritten ist heute alleine noch die Frage, ob in der GmbH auch die Geschäftsführer (als das Handlungsorgan) ermächtigt werden können, über die Art ihrer Vertretungsbefugnis selbst zu entscheiden. Während ein Teil der Kommentar-

428 Vgl. schon: RGZ 164, 177 (183), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: II Β 3/40. 429 Vgl. Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 157 (1993), 483 (486). Regelmäßig dürfte dies in organisationsrechtlicher Hinsicht so vorgehen: es wird ein besonderes (fakultatives) Gesellschaftsorgan errichtet und der Dritte zum Organwalter bestellt. 430 BGH, in: NJW 1975, 1741, Urt. v. 19. 06. 1975, Az: II ZR 170/73. Zur Begründung heißt es kurz und knapp: „Nach § 35 Abs. 2 GmbHG kann zwar nur der Gesellschaftsvertrag die Frage der Einzel- oder Gesamtvertretungsmacht allgemein regeln. Das schließt aber nicht aus, in dem hierdurch gezogenen Rahmen die Regelung für einen bestimmten Geschäftsführer einem Gesellschafterbeschluss zu überlassen, wie es auch einem praktischen Bedürfnisse entsprechen kann (RGZ 164, 177, 182 ff.)". Vgl. weiterhin: BGH, in: ZIP 1988, 370 (371), Urt. v. 16. 11. 1987, Az: II ZR 92/87. 431 Vgl. nur: OLG Düsseldorf, in: GmbHR 1991, 20 (21) und Lt. 2, Beschluss v. 21. 06. 1990, Az: 3 Wx 232/90; Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 35, Rdnr. 33; Hachenburg-Mertens, GmbHG, 8. Auflage, § 35, Rdnr. 78; Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 35, Rdnr. 65 f. 21 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

literatur dies entschieden ablehnt 432 , wird dies von der wohl überwiegend Auffassung für möglich gehalten 433 . Weder der Schutz des Rechtsverkehrs noch der Schutz der Gesellschaft verlange eine solche Einschränkung der Satzungsautonomie in der GmbH. Eindeutig ist nur, dass in der Aktiengesellschaft eine solche Gestaltung per se ausgeschlossen ist; gem. § 78 Abs. 3 S. 2 AktG kann nur der Aufsichtsrat ermächtigt werden. Die Kompetenzzuweisung an ein anderes Organ ist wegen des Prinzips der Satzungsstrenge kraft zwingenden Gesetzesrechts ausgeschlossen (§ 23 Abs. 5 AktG) 4 3 4 .

Eine Beurteilung dieser Streitfrage fällt nicht leicht. Natürlich liegt es auf der Hand, dass das Prinzip der Kollektivvertretung primär dem Schutz der Gesellschaft vor ihren Geschäftsführern dient. Durch die Gesamtvertretung soll eine erhöhte Richtigkeitsgewähr inklusive Ubereilungsschutz und ein Instrumentarium der gegenseitigen besonders intensiven Kontrolle institutionalisiert werden 435 . Daher wirkt es natürlich befremdlich, dem Handlungsorgan, das ja gerade in seiner Machtfülle gebremst werden soll, die Kompetenz zuzuweisen, sich selbst von den Fesseln der Gesamtvertretung zu befreien. Allerdings ist dieser Gedanke alleine nicht tragfähig, denn den Geschäftsführern könnte ja auch unmittelbar Einzelvertretungsbefugnis zugewiesen werden. Aus anderen Gründen wird man der Zuweisung der Regelungsbefugnis an die Geschäftsführer die Zulässigkeit versagen müssen. Die Gestaltungsmöglichkeit, die Regelungsbefugnis der Vertretungsverhältnisse einem Organ zuzuweisen, ist historisch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Personalkompetenz des Bestellungsorgans gewachsen436 und ist damit ein zusätzliches Lenkungsinstrument im System der Gewaltenverschränkung einer Handlungsverfassung. Bezeichnenderweise sah auch § 62 RegE GmbHG nicht vor, dass die Regelungsermächtigung dem betroffenen Organ als solchem übertragen werden konnte. Der Verband kann ja auch ein Interesse daran haben, dass ein bestimmter Organwalter stets Einzelvertretung ausübt, auch wenn dies die restlichen Geschäftsführer- und Vorstandskollegen vielleicht anders sehen.

432 ZB Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 35, Rdnr. 33. 433 Hachenburg-Mertens, GmbHG, 8. Auflage, § 35, Rdnr. 78; Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 35, Rdnr. 67. 434 Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 35, Rdnr. 67; Hachenburg-Merfercs, GmbHG, 8. Auflage, § 35, Rdnr. 78; vgl. schon: RGZ 164, 177 (184 f.), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: II Β 3/40. 435 Vgl. in diese Richtung die Argumentation von Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 35, Rdnr. 33. Die Annahme, dass die Schutzfunktion der Gesamtvertretung auch im Interesse der Geschäftsführer (so in der Tat: Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 35, Rdnr. 67) liegt, dürfte wohl fern liegend sein, denn die Geschäftsführer werden wohl kaum einen Anspruch gegen die Gesellschaft oder das zuständige Organ haben, nicht von der Gesamtgeschäftsführung abzuweichen und den Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis einzuräumen. 436 Für die GmbH: RGZ 164, 177 (183), Beschluss v. 26. 06. 1940, Az: I I Β 3/40; für die Aktiengesellschaft: KGJ 10, 34 (37), Beschluss v. 09. 06. 1890.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

323

Vielleicht wird man auch argumentieren können, dass die Kompetenz des Handlungsorgans, über die Art und Weise der Vertretungsregeln zu bestimmen, in den Vorschriften über die Einzelermächtigung abschließend umschrieben sind.

II. Bestimmung der Zahl der Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer

In den Zusammenhang mit der Frage nach der Personalkompetenz im weitesten Sinne gehört auch die Frage der Bestimmung der Zahl der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer. Denn gerade das Rechtsinstitut der Gesamtvertretung lebt davon, dass mindestens zwei Organwalter vorhanden sind. Auch diese Frage ist daher für eine fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft von Bedeutung, um einer Allmacht der Geschäftsführung zu entgehen. 1. Die GmbH Die Zahl der Geschäftsführer ist beliebig. Das Gesetz legt die Zahl der Geschäftsführer in die Hände der Gesellschafter 437. Der Gesellschaftsvertrag kann jede beliebige Bestimmung treffen: eine präzise festgelegte Gesellschafterzahl, einen bestimmten Rahmen oder die Kompetenz der Bestimmung der Zahl der Geschäftsführer einem anderen Organ zuweisen 438 . Allerdings muss die Satzung keine Festsetzung der Zahl der Geschäftsführer enthalten 439 . Ohne konkrete Satzungsvorgabe kann die Geschäftsführerzahl durch einfachen Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 5 GmbHG) 4 4 0 - entweder getrennt von der Bestellung der konkreten Organwalter oder aber incindenter mit ihr - festgesetzt werden 441 . Enthält die Satzung dagegen eine Vorgabe, so kann davon natürlich nur durch Satzungsänderung abgewichen werden 442 .

437 Hachenburg-Mertens, GmbHG, 8. Auflage, 1997, § 35, Rdnr. 9, sofern nicht das MitbestG eingreift. 438 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 6, Rdnr. 5 f. 439 RG, in: LZ 1908, 601 Nr. 35, Entscheidung v. 01. 06. 1908, Az: I 382/07. Unklar KGJ 51, A 134, Beschluss v. 08. 03. 1918, Az: la. X 142/18: der Leitsatz der Entscheidung lautet sinngemäß: Die Bestimmung über die Zahl und die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer einer GmbH muss im Gesellschaftsvertrag selbst enthalten sein. 440 OLG Stuttgart, in: GmbHR 1999, 537 (538), Beschluss v. 28. 12. 1998, Az: 20 W 14/ 98; Hachenburg-i//me>; GmbHG, 8. Auflage, 1992, § 6, Rdnr. 6; Scholz-Schneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 6, Rdnr. 8. 441 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 6, Rdnr. 6. 442 RG, in: LZ 1908, 601 Nr. 35, Entscheidung v. 01. 06. 1908, Az: I 382/07; ScholzSchneider, GmbHG, 8. Auflage, 1993, § 6, Rdnr. 7. 21

324

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

In den Materialien zum GmbHG heißt es dementsprechend: „Auch eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, durch welche die Zahl der Geschäftsführer dauernd festgesetzt wird, ist nicht unbedingt erforderlich. Es genügt, dass die jeweilige Zusammensetzung des Vertretungsorgans durch die Eintragung der Geschäftsführer ins Handelsregister und durch Veröffentlichung derselben seitens des Registergerichts zur Kenntnis der Interessenten gebracht wird" 4 4 3 .

2. Die Aktiengesellschaft Die originäre gesetzliche Regelung hinsichtlich Anzahl der Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft war in Art. 209 A D H G B enthalten. Anders als i m späteren G m b H G 4 4 4 und Genossenschaftsrecht (§ 24 Abs. 2 GenG) musste der Gesellschaftsvertrag eine Vorschrift enthalten, die die personelle Zusammensetzung des Vorstandes, also seine Mitgliederzahl in irgend einer Weise regelte. Art. 209 ADHGB. Der Gesellschaftsvertrag, dessen Genehmigung erfolgen soll, muß insbesondere bestimmen: 7. die Art der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstandes ... j 4 4 5 In der Gesetzesbegründung zur Aktienrechtsnovelle von 1884 zu Art. 209 Abs. 2 Nr. 5 (= ursprünglicher Art. 209 Nr. 7 ) ADHGB hieß es, dass angesichts der bei der Wahl des Vorstandes vornehmlich in Betracht kommenden Berücksichtigung technischer Befähigung die Generalversammlung nicht das geeignete Wahlorgan sei. Deshalb müsse die Bestimmung des Wahlmodus dem Gesellschaftsvertrage überlassen bleiben. Damit werde auch die Übertragung der Wahl auf den Aufsichtsrat zulässig 446 . Das wurde so verstanden, dass das Gesetz lediglich verlange, dass die Art der Bestellung und der Zusammensetzung des Vorstandes unmittelbar im Gesellschaftsvertrage selbst geregelt werden müsse, aber nicht darüber hinaus verlangt werde, dass schon im Gesellschafsvertrage selbst die Zahl der Vorstandsmitglieder festgesetzt sein müsse. Die nähere Ausgestaltung sei vielmehr dem Gesellschaftsvertrag überlassen, der insoweit völlig frei sei 4 4 7 (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG). In dieser Weise konnte dem Aufsichtsrat kraft Satzung das Recht zugewiesen werden, beliebig viele Vorstandsmitglieder einzusetzen. Die entsprechende Regelung fand sich in § 182 Abs. 2 Nr. 4 HGB a.F. wied e r 4 4 8 . Wenn hier von der Art der Bestellung die Rede war, so war damit nicht

443

Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 53. 444 RG, in: LZ 1908, 601 Nr. 35, Entscheidung v. 01. 06. 1908, Az: I 382/07. 445 Nach der Aktienrechtsnovelle von 1884 entsprach dem Art. 209 Abs. 2 Nr. 5; vgl. dazu: KGJ 10, 34 (36), Beschluss v. 09. 06. 1890. 446 Dazu: KGJ 10, 34 (37), Beschluss v. 09. 06. 1890. 447 KGJ 10, 34 (37), Beschluss v. 09. 06. 1890.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

325

gemeint, dass die Art und Weise bestimmt werden sollte, wie die Vorstandsmitglieder zu bestellen waren, sondern nur vom wem: Aufsichtsrat oder Generalversammlung 449 . Entsprechendes galt für die Art der Zusammensetzung; gemeint war damit, dass die Satzung die Zahl der Personen bestimmen musste, aus denen der Vorstand bestehen sollte 450 , wobei es aber nach fast unangefochtener Meinung ausreichte, wenn die Satzung bestimmte, dass der Vorstand aus mehreren Personen bestehen sollte, und das übrige dem Bestellungsorgan, insbesondere dem Aufsichtsrat überließ 451 . In § 16 Abs. 3 Nr. 5 AktG hieß es dann schon ähnlich wie heute: §16AktG 1937. (1)... (2)... (3) Die Satzung muß bestimmen: 5. die Art der Zusammensetzung des Vorstandes;

Die Art der Bestellung, also die Bestimmung des Organs, das die Vorstandsmitglieder zu bestellen hat, findet sich nicht mehr im Gesetzestext wieder. Diese wurde nunmehr auch durch das AktG 1937 zwingend im Gesetz geregelt (§§ 23, 75, 76 AktG 1937). Die Satzung konnte davon nicht mehr wirksam abweichen452. Aber die Zahl der Vorstandsmitglieder bestand weiterhin im Satzungsermessen der Gründer, wobei eine Regelung ausreichte, die das Bestellungsorgan ermächtigte, die genaue Zahl festzusetzen 453. Nur eine sprachliche Änderung enthielt § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG (1965) in seiner ursprünglichen Fassung454. § 23 AktG (1965) a.F.. Feststellung der Satzung. (1)... (2)... (3) Die Satzung muß bestimmen 5. die Zusammensetzung des Vorstands;

448 § 182 HGB a.F.: (2) Der Gesellschaftsvertrag muß bestimmen:... 4. die Art der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstandes;... 449 Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 16, Anm. 5 Nr. 5. 450 Vgl. RGZ 117, 203 (205), Urt. v. 03. 06. 1927, Az: I I 466/26; Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 16, Anm. 5 Nr. 5. 451 Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 16, Anm. 5 Nr. 5; KGJ 10, 34 (37), Beschluss v. 09. 06. 1890. 452 Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 16, Anm. 5 Nr. 5. 453 Ritter, AktG, 2. Auflage, 1939, § 16, Anm. 5 Nr. 5. 454 Regierungsbegründung, BT-Drucksache IV/171, S. 105.

326

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Seine heutige Fassung bekam § 23 Abs. 3 Nr. 6 A k t G durch das Gesetz zur Durchführung der zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13. Dezember 1 9 7 8 4 5 5 . § 23 AktG. Feststellung der Satzung. (1)... (3) Die Satzung muss bestimmen 6. die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird.

In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass die Neufassung des § 23 A k t G ebenso wenig wie die umzusetzende Richtlinie an der bisherigen gesellschaftsrechtlichen Praxis rühren wollte, in der Satzung entweder eine Mindest- oder Höchstzahl der Vorstandsmitglieder festzulegen oder eine Bestimmung zu treffen, in welcher Weise die Zahl festgelegt wird, zB durch die Formel „Der Aufsichtsrat bestimmt die Zahl der Mitglieder des Vorstandes" 4 5 6 . Dementsprechend wird heute § 23 Abs. 3 Nr. 6 A k t G dahin ausgelegt, dass in der Satzung entweder die konkrete Zahl der Vorstandsmitglieder oder eine Regel anzugeben ist, nach der diese Zahl festgesetzt wird. Ausreichend ist daher die Angabe eines bestimmten Rahmens, oder die Satzungsbestimmung, dass die konkrete Zahl vom Aufsichtsrat festgelegt wird457.

455 Vom 13. 12. 1978, BGBl. I 1978, 1959. § 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG soll Art. 2 lit. d der Kapitalrichtlinie umsetzen, der da lautet: Art. 2. Die Satzung oder der Errichtungsakt der Gesellschaft enthält mindestens folgende Angaben: ... d) die Bestimmungen, welche die Zahl und die Art und Weise der Bestellung der Mitglieder derjenigen Organe, die mit der Vertretung gegenüber Dritten, mit der Verwaltung, der Leitung, der Aufsicht oder der Kontrolle der Gesellschaft betraut sind, sowie die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen diesen Organen festlegen, soweit sich dies nicht aus dem Gesetz ergibt; ... (abgedruckt in Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 206). Die Richtlinie ist gem. Art. 1 auf die Aktiengesellschaft beschränkt; insbesondere die GmbH wird nicht erfasst. Die Richtlinie will in Art. 2 lit. d unter anderem sicherstellen, dass vom dispositiven Gesetzesrecht abweichende Gestaltungen der Handlungsverfassung hinsichtlich der Kompetenzverteilung offen gelegt werden. Aus deutscher Sicht kommt diesem Angabeerfordernis wegen § 23 Abs. 5 AktG keine besondere Bedeutung zu. Auch Satzungsbestimmungen über die Art und Weise der Bestellung der Mitglieder des Vorstandes spielen in Deutschland keine Rolle, da die Bestellung grundsätzlich abschließend in § 84 AktG geregelt ist. 456 BT-Drucksache VIII/1678, S. 12. 457 Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 23, Rdnr. 31; Großkommentar Aktiengesetz /Kraft, 2. Auflage, § 23, Rdnr. 76; LG Köln, in: AG 1999, 137, Urt. v. 10. 06. 1998-91 Ο 15/98 (nicht rechtskräftig) „Connex Holding AG"; krit: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 146.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

327

I I I . Ein allgemeiner Rechtsgedanke

Es liegt nahe, all dem einen allgemeinen Rechtsgedanken für Verbände zu entnehmen, die dem Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) folgen: die umfassende Personalkompetenz des Bestellungsorgans, der als Annex das Bestimmungsrecht über die Art und Weise der Vertretung und die Anzahl der Organwalter folgen kann. Dem könnte allerdings die restriktive Gesetzesformulierung des Genossenschaftsgesetzes entgegenstehen.

7. Die Regelungskompetenz hinsichtlich der Art und Weise der Vertretung In § 25 GenG fehlt eine § 78 Abs. 3 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift. § 25 GenG. (1) Die Mitglieder des Vorstandes sind nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Genossenschaft befugt. Das Statut kann abweichendes bestimmen. ... (2) Das Statut kann auch bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder alleine oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Genossenschaft befugt sind....

§ 25 Abs. 1 S. 2 GenG wird deshalb dahin verstanden, dass zwar die Satzung unmittelbar die Vertretung anders regeln kann (zB Einzelvertretung statt Gesamtvertretung), aber anders als in § 78 Abs. 3 S. 2 AktG sei in § 25 GenG nicht vorgesehen, dass das Statut die Regelungskompetenz einem anderen Organ, insbesondere dem Aufsichtsrat oder der Generalversammlung, zugewiesen werden könne 458 ; erst recht könne daher dem Vorstand nicht die Zuständigkeit zugewiesen werden, die Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder zu regeln 459 . Diese Ansicht mag bei positivistischem Festhalten am Wortlaut des § 25 GenG zunächst plausibel wirken, wenn man als Vergleichspunkt § 78 Abs. 3 S. 2 AktG wählt. Denn in der Tat hat der Gesetzgeber bei § 25 GenG auf eine entsprechende Klarstellung verzichtet. Aber eine solche Argumentation würde dem Kern der Bestimmung des § 78 Abs. 3 S. 2 AktG nicht gerecht. Denn § 78 Abs. 3 S. 2 AktG ist keine Norm, die den Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers erweitert oder überhaupt erst eröffnet. Insoweit würde die Norm nur feststellen, was auch ohne diese ausdrückliche Bestimmung gelten würde. Ihre Bedeutung liegt primär in einer Begrenzung der Satzungsautonomie (§ 23 Abs. 5 AktG!), als aus ihr folgt, dass die Regelungsbefugnis der Art und Weise der Aktivvertretung ausschließlich - sofern sie nicht bereits in der Satzung abschließend und unmittelbar geregelt wird - dem Aufsichtsrat als Annex seiner Personalkompetenz und keinem anderen Organ zugewiesen werden kann. Das bestätigt der Blick auf § 35 Abs. 2 GmbHG, der trotz 458 Beuthien, GenG, 13. Auflage, 2000, § 25, Rdnr. 5; Scholz-K Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 46, Rdnr. 72: eine solche Gestaltung sei mit den allgemeinen Grundsätzen nicht vereinbar. 459 Vgl. Müller, GenG, 2. Auflage, 1991, § 25, Rdnr. 7.

328

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

eines abweichendes Satzbaus nichts anderes besagt als § 25 GenG: sofern Gesellschaftsvertrag oder Statut nichts Abweichendes bestimmen, gilt der Grundsatz der Kollektivvertretung. Dennoch ist im Recht der GmbH heute anerkannt, dass die Regelungskompetenz der Aktivvertretung einem anderen Organ zugewiesen werden kann 460 ; regelmäßig der Gesellschafterversammlung, weil dies das Bestellungsorgan der GmbH ist. Eine dem § 78 Abs. 3 S. 2 AktG entsprechende Regelung, die die Regelungsbefugnis der Aktivvertretung mit Ausschließlichkeitscharakter als nur dem Aufsichtsrat bzw. der Generalversammlung zuweisbar stellt 461 , wäre auch im Genossenschaftsrecht - anders als im Aktienrecht - deplaciert, da in der Genossenschaft die Bestellungskompetenz - als deren Annex die Regelungsbefugnis der Aktivvertretung auftritt - nicht gesetzlich zwingend der Generalversammlung zugewiesen ist, sondern auch einem anderen Organ, insbesondere dem Aufsichtsrat zugewiesen werden kann, § 24 Abs. 2 GenG. Es ist entgegen der hM vielmehr davon auszugehen, dass § 25 GenG einer Zuweisung der Regelungskompetenz an das Bestellungsorgan nicht entgegensteht; aus dem Fehlen einer vergleichbaren Vorschrift wie § 78 Abs. 3 S. 2 AktG folgt nichts Abweichendes. Soweit es sich bei dieser Norm um eine Klarstellung handelt, sagt § 78 Abs. 3 S. 2 AktG nichts, was nicht auch schon ohne diese Vorschrift rechtens wäre; soweit es sich (iVm § 23 Abs. 5 AktG) um eine Beschränkung der Satzungsautonomie handelt, folgt aus ihrem Fehlen nur, dass der Gestaltungsspielraum des Gesellschaftsvertrages/Statuts weiter ist, als im Aktienrecht. Aus § 18 S. 2 GenG folgt nichts anderes: denn durch eine Satzungsvorschrift, die zB dem Aufsichtsrat die Regelungsbefugnis zuweist, wird nicht von den Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes abgewichen; vielmehr folgt eine solche Gestaltungsmöglichkeit schon aus § 25 GenG (vgl. § 35 Abs. 2 GmbHG). Auch aus der wechselhaften Rechtsgeschichte der Genossenschaft folgt nichts Abweichendes. Zu der Frage, ob die Regelungskompetenz der Aktiv Vertretung einem anderen Organ zugewiesen werden kann, hat der Gesetzgeber keine Stellung bezogen. Seine heutige Fassung verdankt § 25 Abs. 1 S. 2 GenG dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 9. Oktober 1973 462 . Originär war § 25 Abs. 1 S. 2 GenG einmal so gefasst: § 25 GenG. (1) Der Vorstand hat in der durch das Statut bestimmten Form seine Willenserklärungen kundzugeben und für die Genossenschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so muß die Erklärung und Zeichnung durch sämtliche Mitglieder des Vorstandes erfolgen. Weniger als zwei Mitglieder dürfen hierfür nicht bestimmt werden. (2)...

460 § 62 Abs. 3 S. 2 RefE GmbHG. 461 Anbieten würde sich eher die Generalversammlung, da sie das gesetzestypische Bestellungsorgan ist; § 24 Abs. 2 S. 1 GenG. 462 BGBl. 1 1973, 1451.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

329

Anders als heute durfte von der Gesamtvertretung nur in bestimmten Grenzen abgewichen werden: immer mussten mindestens zwei Vorstandsmitglieder zusammenwirken. Außerhalb dieses zwingenden Kreises aber hatte das Statut Autonomie. Die ursprüngliche Gesetzesbegründung zu § 25 GenG a.F. lässt sich auf folgenden Nenner bringen: wegen der besonderen Gefahren für die einzelnen Genossen (Haftung der Genossen im Konkurs) glaubte der Gesetzgeber, dass sich eine Einzelvertretung durch das oder die Vorstandsmitglieder nicht rechtfertigen lasse 463 . Auf die Frage, ob die „verbleibende", gesetzlich nicht festgelegte Regelungskompetenz einem Gesellschaftsorgan zur einfachen Beschlussfassung zugewiesen werden kann, geht die Gesetzesbegründung nicht ein 4 6 4 . Ebenso verhält es sich im Änderungsgesetz von 1973. Es sollte § 25 Abs. 1 GenG für die Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens fit gemacht werden; dabei lehnte man sich bewusst an den Wortlaut der §§ 78, 79 AktG an 4 6 5 . Die Regierungsbegründung führte weiter aus: „Den Anforderungen des modernen Geschäftsverkehrs entspricht es, daß nunmehr das Statut nach dem neuen § 25 Abs. 1 Satz 2 eine von der Gesamtvertretungsbefugnis aller Vorstandsmitglieder abweichende Regelung unbeschränkt treffen und daher auch die Vertretung durch ein einzelnes Vorstandsmitglied zulassen kann, während im geltenden Recht zwingend vorgeschrieben ist, daß die Genossenschaft bei Abgabe von Willenserklärungen wenigstens durch zwei Vorstandsmitglieder vertreten sein muß" 4 6 6 .

Warum aber eine Vorschrift wie § 78 Abs. 3 S. 2 AktG oder der wesentlich weiter formulierte § 62 Abs. 3 S. 2 RefE GmbHG nicht übernommen wurden, erfährt man nicht. Auch der umfassende Referentenentwurf eines Genossenschaftsgesetzes von 1962, der allerdings nie gesetzgeberisch verwirklicht wurde, verhielt sich darüber nicht weiter. § 56 Reß GenG. Vertretung. (1)... (2) Soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Genossenschaft befugt. Die Satzung kann die Vertretung der Genossenschaft durch ein einzelnes Vorstandsmitglied nicht zulassen.... (3) Die Satzung kann bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind...

(4)...

463

Beuthien / Hüsken /Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, II. Parlamentarische Materialien, S. 243. (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1888/1889, 4. Band (1. Anlageband), Nr. 28, S. 183 ff.). 464 Ebenso wenig, wie die Begründung zum GmbH-Gesetz. (Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 87). 4 65 BT-Drucksache VII/97, S. 22. 466 BT-Drucksache VII/97, S. 22.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Der Referentenentwurf wollte die Vertretungsbestimmung - unter Beibehaltung der genossenschaftsrechtlichen Besonderheit der weitgehend zwingenden Gesamtvertretung 467 - sprachlich der Regelung des Aktiengesetzes anpassen. Es fällt zwar auf, dass eine dem § 78 Abs. 3 S. 2 AktG entsprechende Bestimmung fehlt; aber wieder fehlt auch jedes Wort der Begründung, warum dies so ist. Allerdings liegt die Antwort nahe: eine § 78 Abs. 3 S. 2 AktG nachgebildete Regelung bringt über eine klarstellende - deswegen aber auch unnötige - Wirkung hinaus nichts und die einhergehende Begrenzung der Satzungsautonomie ist wegen § 24 Abs. 2 GenG im Genossenschaftsrechts äußerst unwillkommen. Allenfalls § 46 des Entwurfs eines Genossenschaftsgesetzes 1938/1939 des Reichsjustizministeriums kann man Gegenteiliges entnehmen. Allerdings ist das restriktive Grundanliegen des Entwurfs, der bestimmte wichtige Satzungsfragen der fachmännisch beratenen, mit qualifizierter Mehrheit entscheidenden Mitgliederversammlung vorbehielt, durch die wesentlich liberalere Grundentscheidung des Änderungsgesetz von 1973 obsolet. § 46 EntwGenG 1938/1939. Vertretung.

(1)...

(2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Zeichnung für die Genossenschaft befugt (3) Die Satzung kann bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder alleine zur Vertretung der Genossenschaft befugt sein sollen. Vor der Beschlussfassung der Mitgliederversammlung über die Aufnahme einer solchen Bestimmung in die Satzung ist der Prüfungsverband darüber zu hören, ob die Satzungsänderung mit den Belangen der Genossenschafter und den Belangen der Gläubiger der Genossenschaft vereinbar ist. Das Gutachten des Prüfungsverbandes ist in jeder Mitgliederversammlung zu verlesen, in der über die Satzungsänderung verhandelt wird. Der Prüfungsverband ist berechtigt, an der Mitgliederversammlung beratend teilzunehmen. Spricht sich der Prüfungsverband gegen die Satzungsänderung aus, so bedarf der Beschluß unbeschadet weiterer Erschwerungen durch die Satzung einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen in zwei mit einem Abstand von mindestens einem Monat aufeinanderfolgenden Mitgliederversammlungen.

§ 46 EntwGenG 1938/1939 wollte immerhin in Abweichung von § 25 Abs. 1 S. 3 GenG a.F. (und auch § 56 RefE GenG) zulassen, dass in der Satzung auch Einzelvertretung angeordnet werden könne, ebenso wie § 44 des Entwurfes unter bestimmten Voraussetzungen den Einman-Vorstand zugelassen hätte, und damit über den heutigen § 24 Abs. 2 GenG hinausgegangen wäre. Damit wollte man die Möglichkeit eröffnen, „einer besonders tüchtigen Führerpersönlichkeit" 4 67 Vgl. Begründung des Referentenentwurfs eines Genossenschaftsgesetzes, Bundesministerium der Justiz - 3520/2-23. 2. 1962, in: Beuthien/Hüsken, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, III. Parlamentarische und sonstige Materialien (1923-1969). S. 331 ff. (493). Immerhin sah der Referentenentwurf, in Abweichung der bis dahin geltenden Rechtslage, vor, dass eine unechte Gesamtvertretung möglich wurde; durch den Entwurf wurde die Prokura beschränkt (auf die unechte Gesamtvertretung) zugelassen, § 69 Abs. 1 RefE GenG.

4. Abschn., § 14 Das Prinzip der Gesamtvertretung

331

weitgehend die Leitung der Genossenschaft zu übertragen 468. Wegen der dabei empfundenen Gefahren wäre aber für eine nachträgliche Satzungsänderung das aufwendige Verfahren nach § 46 Abs. 3 EntwGenG 1938/1939 erforderlich gewesen 469 . Wegen des besonderen Verfahrens nach § 46 Abs. 3 EntwGenG 1938/ 1939 wäre eine Übertragung der Regelungskompetenz der Vertretungsmacht auf ein drittes Organ wohl nicht in Frage gekommen. Aber wie schon gesagt, dieser Entwurf wurde nie Gesetz.

2. Bestimmung der Zahl der Vorstandsmitglieder Nach § 24 Abs. 2 GenG muss der Vorstand aus mindestens zwei Personen bestehen, wobei aber einer gem. § 35 GenG stellvertretendes Vorstandsmitglied sein darf 470 . Dabei kann die Satzung eine höhere Zahl der Vorstandsmitglieder festsetzen. Diese Regelung ist im Kontext von § 25 GenG a.F. zu sehen. Nach der Auffassung des Gesetzgebers des ausgehenden 19. Jahrhunderts 471 war angesichts des Haftungsrisikos der einzelnen Genossen eine Einzelvertretungsbefugnis für Vorstandsmitglieder und erst recht das Vorliegen eines Einmann-Vorstandes - mit notwendiger Einzelvertretung - nicht zu rechtfertigen 472. Das Vier-Augen-Prinzip sollte sicherstellen, dass der Genossenschaft stets die schützenden Wirkungen der Gesamtvertretung zugute kommen. Nach allgemeiner Ansicht ist auch möglich, dass sich die Satzung darauf beschränkt, eine Mindest- oder Höchstzahl für Vorstandsmitglieder festzulegen 473. Nicht behandelt wird in der Literatur die Fragestellung, ob - wie in der Aktiengesellschaft und der GmbH - die Kompetenz, die Zahl der Vorstandsmitglieder festzusetzen, einem Gesellschaftsorgan zugewiesen werden kann. Dies sollte man wie in der Aktiengesellschaft mit guten Gewissen 468 Begründung zum Entwurf des Reichsjustizministeriums, in: Beuthien/Hüsken, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, III. Parlamentarische und sonstige Materialien (19231969). S. 187 f. 469 Bei der Neugründung einer Genossenschaft wäre ein solches Verfahren nicht notwendig gewesen, da der Prüfungsverband die Aufnahme der Genossenschaft davon hätte abhängig machen können, dass die Handlungsverfassung der Genossenschaft geändert wird, also vom Einmann-Vorstand auf Mehrpersonen-Vorstand umgestellt wird. 4 ?o Beuthien, GenG, 13. Auflage, 2000, § 24, Rdnr. 6; Müller, GenG, 2. Auflage, 1991, § 24, Rdnr. 21. 4

?i Das GenG vom 04. 07. 1868 stellte in seinem § 17 Abs. 1 die Zahl der Vorstandsmitglieder in die freie Wahl der Genossenschaften. Hier war ein Einmann-Vorstand noch möglich. 472 Zur Gesetzesbegründung: Beuthien ! Hüsken ! Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, II. Parlamentarische Materialien, S. 243 (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1888/1889,4. Band (1. Anlageband), Nr. 28, S. 183 ff.). 4 ?3 Müller, GenG, 2. Auflage, 1991, § 24, Rdnr. 22; Beuthien, GenG, 13. Auflage, 2000, § 24, Rdnr. 6, beide unter Berufung auf KGJ 34, A 175, Beschluss v. 07. 03. 1907, Az: 1 X 157/07.

332

2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

bejahen; auch hierbei handelt es sich im weitesten Sinne um einen Annex der Personalkompetenz, so dass zumindest die Zuweisung an das Bestellungsorgan zulässig ist. Die Gesetzesmaterialien zu § 24 Abs. 2 S. 2 GenG verlangen jedenfalls keine abweichende Entscheidung. Und wieder steht § 18 S. 2 GenG dem nicht entgegen, da sich die Freiheit, die Kompetenz, die Zahl der Vorstandsmitglieder festzusetzen, einem Gesellschaftsorgan zuzuweisen, unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. 3. Fazit In einer Gesamtschau wird man daher dem Recht der fremdorganschaftlich verfassten Gesellschaften den Grundsatz entnehmen können, dass dem Bestellungsorgan als Annex seiner Personalhoheit durch die Satzung das Recht zugewiesen werden kann, die Anzahl der Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder festzulegen und über die Art und Weise der Vertretungsmacht zu bestimmen. Eine Gefahr für den Rechtsverkehr geht davon nicht aus, da die jeweiligen Organwalter samt ihrer Vertretungsbefugnis in das Handelsregister eingetragen werden 474 .

D. Ergebnis

Das Prinzip der Gesamtvertretung ist ein geeignetes Mittel in einem System der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) ein allzu selbstherrliches Auftreten der Geschäftsführung in Schranken zu halten. Es werden die Selbstregulierungskräfte innerhalb des abstrakten Handlungsorgans zum Wohle der Gesellschaft aktiviert. Zudem kann dem Bestellungsorgan als Annex seiner Personalhoheit die Bestimmungskompetenz hinsichtlich der Art und Weise der Vertretung (Gesamtoder Einzelvertretung) sowie der Anzahl der konkreten Organwalter zugewiesen werden. Durch diese Instrumente lassen sich die Gefahren, die von schlecht ausgewählten Organwaltern ausgehen, befriedigend in den Griff bekommen. Diese Instrumente lassen sich auch auf die fremdorganschaftlich verfasste offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft übertragen und können neben den anderen Möglichkeiten der Gewaltenverschränkung eine ordentliche Geschäftsführung im Sinne der Gesellschaft sichern.

§ 15 Fremd- und Eigenverwaltung Der formellen organisationsrechtlichen Trennung von Selbst- und Fremdorganschaft korrespondiert die materielle Unterscheidung von Eigen- und Fremdverwal474 KGJ 10, 34 (38), Beschluss v. 09. 06. 1890; auch Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 53.

4. Abschn., § 15 Fremd- und Eigenverwaltung

333

tung, wobei allerdings der Begriff der Eigenverwaltung nicht ganz zutreffend ist: verwaltet wird ein von der Rechtspersönlichkeit der Gesellschafter getrenntes Rechtssubjekt475. Gemeint ist mit dem Begriff, dass der Eigennutz der Gesellschafter zur besseren Verwaltung der Gesellschaft aktiviert werden soll. Eigen- und Fremdverwaltung kann nicht im Sinne von zwei strengen Gegensätzen verstanden werden, sondern es zeigt sich ein Bild allmählicher Abstufungen, reichend von der Eigenverwaltung in der personalistischen BGB-Gesellschaft oder offenen Handelsgesellschaft bis hin zur beinahe autonomen, nur noch durch das Gesellschaftswohl gebundenen Fremdverwaltung in der Aktiengesellschaft in Streubesitz. Die Übergänge sind fließend. Die Eigenverwaltung nähert sich mit schwindender Beteiligung des Gesellschafters - man denke nur an den Gesellschafter ohne Kapitalanteil 4 7 6 - der Fremdverwaltung an, während umgekehrt durch Gewinn- und Unternehmensbeteiligung in die Fremdverwaltung das Element des Eigennutzes hineingetragen wird. Das formelle Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) verwirklicht typischerweise eine Eigenverwaltung der Gesellschafter. Aber dem muss nicht so sein, wie die Rechtsfigur des Gesellschafters ohne Kapitalanteil zeigt, die gerade zur Ermöglichung von Fremdverwaltung in selbstorganschaftlich verfassten Systemen entwickelt wurde 477 . Das Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung eröffnet die Option zur Fremdverwaltung. Aber diese Möglichkeit kann ungenutzt bleiben, wie der Gesellschafter-Geschäftsführer der personalistischen GmbH mit Sonderrecht (§ 35 BGB) auf die Geschäftsführung zeigt. Die Unterschiede zwischen organschaftlicher Eigen- und Fremdverwaltung sollten nicht überbewertet werden; vor allem kann man nicht annehmen, dass die Eigenverwaltung die höherwertigere Verwaltungsform wäre 478 . Der insbesondere von Reuter unternommene Versuch, die unwiderrufliche Organstellung den Gesellschaftern vorzubehalten 479, beruht auf der Überschätzung der materiellen Eigen475

Vgl. v. Savigny: „selbst wenn alle Einzelne, ohne Ausnahme, gemeinschaftlich handeln, so ist dieses nicht so anzusehen, als ob das ideale Wesen, welches wir juristische Person nennen, gehandelt hätte" (v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 90 = S. 283). 476 Aus diesem Grund kritisch gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter ohne Kapitalanteil: Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 192 ff. 477 Vgl. dazu: Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 140 ff.; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 289 ff.; auch Helm/Wagner, BB 19979, 225 (227). 478 Vgl. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 119 f. 479 Reuter sieht das maßgebliche materielle Kriterium für die Unterscheidung zwischen widerruflichen oder unwiderruflichen Geschäftsführungsmandaten in der Identität oder Verschiedenheit der Interessen der Geschäftsführer mit den Interessen der Gesellschaftergesamtheit (Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 161). Wo ein Gleichlauf der Interessen bestehe, wie das bei klassischen Personengesellschaften (Reuter nennt diese Gesellschaften Vertragsgesellschaften) der Fall sei, also Gesellschaften,

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Verwaltung als Instrument unternehmerischer Richtigkeitsgewähr. „Dem entspricht ein Vorbehalt gegen innergesellschaftliche Organisationsformen, die Nichtgesellschaftern bzw. Gesellschaftern mit gesellschaftsfremden Sonderinteressen durch relativ unabhängige Mandate die Möglichkeit zu einem Handeln gegen das Interesse der Gesellschaft einräumen" 480 . Dahinter steht der Gedanke, dass Eigenverwaltung die qualitativ höherwertige Verwaltungsform sei. Das Eigeninteresse der Gesellschafter am Wohlergehen würde im weiten Umfang zusätzliche Sicherungen überflüssig machen 481 ; dagegen brauche Fremdverwaltung ein zusätzliches Korrektiv. Dieses sieht Reuter unter Berufung auf die §§ 52 Abs. 1 HGB, 24 Abs. 3 GenG in der grundsätzlich jederzeitigen Abrufbarkeit des Fremdverwalters 482. Seine Maximierung findet der Gedanke der Überlegenheit der Eigenverwaltung in der Behauptung, dass eine korrespondierende unbeschränkte Haftung für eine besonders gute und verantwortungsvolle Geschäftsführung sorge: die Koppelung der Unternehmensleitung mit persönlicher Haftung stelle einen Kontrollmechanismus dar, der eine andere Überwachung durch Abberufung und Haftung überflüssig mache. Mit den Worten Wiedemanns: „Der mitfliegende Pilot im Cockpit flößt uns die Zuversicht einer gefahrlosen Reise ein" 4 8 3 . Sicherlich, und daran kann kein ernsthafter Zweifel bestehen, ist die Möglichkeit der Abberufung eines der Instrumente, den Fremdgeschäftsführer auf das Unternehmensinteresse festzulegen. Aber wie Wiedemann erkannt hat, hängt die Disziplinierungswirkung des Widerrufs weniger davon ab, ob der Widerruf jederzeit oder nur aus wichtigen Grund erfolgen darf, als von der Tatsache, ob das Bestellungsorgan zur einheitlichen Beschlussfassung in der Lage ist 4 8 4 . Wo dies nicht der in denen die Gesellschafter zugleich die Geschäftsführer der Gesellschaft sind, sei sichergestellt, dass die Geschäftsführung im Gesellschafterinteresse erfolge. Beim unabhängigen Fremdverwalter, wie zB dem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft, sei das typischerweise nicht gegeben (Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 154 ff., 159 ff.). Hier sei angesichts der Unmöglichkeit der Normierung richtigen Geschäftsführerverhaltens außerhalb der Bereiche krassen und offenkundigen Versagens eine Organisation notwendig, die auch ohne zivilrechtliche Regressdrohungen ein Handeln im Sinne der Gesellschaftergesamtheit (bzw. wohl der Gesellschaft) verbürge könne (Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 159.) und dieser wirksame Garant sei die Widerruflichkeit der Bestellung zum Organ waiter (Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, S. 371). 480 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 158 f. 481 Die Eigenbeteiligung soll automatisch eine ordentliche und sorgfältige Tätigkeit der Geschäftsführer sicherstellen; damit erübrigt sich eine laufende Kontrolle durch die Mitgliederversammlung oder einen Aufsichtsrat (Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 1980, § 1 IV 1 a = S. 343 f.): also Kontrolle der Geschäftsführung durch eigene Beteiligung als die „List der Idee" (Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 1 = S. 371). 482 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 154 ff., 159 ff. 48 3 Wiedemann, JZ 1969, 470 (471). 484 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 11 = S. 371.

4. Abschn., § 15 Fremd- und Eigen Verwaltung

335

Fall ist, wie bei der Publikumsaktiengesellschaft in Streubesitz ohne feste Mehrheiten, versagt dieses Disziplinierungsmittel. Zweifel werden zudem zerstreut, wenn man sich bei der Beurteilung der Tatsachen, die einen wichtigen Grund bilden können, auf den Sinn und Zweck der Fremdverwaltung besinnt. Fremde Kompetenz soll der Gesellschaft zugeführt werden. Enttäuschung der in den Fremdverwalter gesetzten Erwartungen, zB wegen Erfolglosigkeit oder unglücklicher Geschäftsführung, ist immer ein wichtiger Grund, wie natürlich stets grobe Pflichtwidrigkeit. Zudem ist die Gesellschaft grundsätzlich nicht gezwungen, dem bestellten Organwalter eine nur aus wichtigem Grund widerrufbare Organstellung einzuräumen; sie kann daran aber ein legitimes Interesse haben, zB um den laufenden Geschäftsbetrieb frei von eventuellen Konflikten zwischen den Gesellschaftern zu halten. Hier bietet sich die Übertragung eines weisungsfreien Geschäftsführungsbereichs an den Geschäftsführer an (vgl. § 116 Abs. 1 HGB). Die Bindung an Weisungen steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Widerruflichkeit der Bestellung. Soll jemand weisungsfrei agieren, so darf er nicht ohne weiteres seiner Möglichkeit zum Handeln beraubt werden: die permanent im Raum stehende Drohung des Verlustes der organschaftlichen Stellung läuft auf eine Weisungsgebundenheit durch die Hintertür hinaus. Der Mehrheitsgesellschafter kann so durch die Drohung mit der - ja grundlos möglichen - Abberufung seinen Willen letztlich doch durchsetzen. Weisungsfreiheit bedarf eines gewissen Maßes an Autonomie durch Erschwerung der Widerrufsmöglichkeiten. Die Gesellschaft wird damit nicht übermäßig belastet. Denn ist der Geschäftsführer für den Verband nicht tragbar, kann er jederzeit wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes abberufen werden. Hält man sich gerade den Sinn und Zweck der Fremdverwaltung vor Augen, fällt es schwer, eine grundsätzliche Überlegenheit der Eigenverwaltung festzustellen. Ein im Sinne der auf Gewinnmaximierung bedachten Mitgliederinteressen ineffizient agierendes Management schafft selbst einen wichtigen Grund und steigert so die Wahrscheinlichkeit seiner Auswechslung gegen eine als leistungsfähiger eingeschätzte Unternehmensführung 485. Im eigenen Interesse wird daher der Fremdverwalter die Interessen der Anteilseigner wahrzunehmen wissen. Gesteigert werden kann dies zudem durch spezifische Anreizmechanismen, zB Leistungslohn, Gewinnbeteiligung486. Andererseits ist Eigenverwaltung nicht die unternehmerische Heilsverkündung, als die sie oft dargestellt wird. Nennenswerte Kapitalbeteiligung bürgt nicht für unternehmerische Fähigkeiten 487 . In gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass sich unternehmensleiten485

Selbst wenn aufgrund der Mehrheitsverhältnisse keine sofortige Abberufung möglich ist, so sind doch die sich einer Abberufung widersetzenden Gesellschafter aufgrund ihrer mitgliedschaftlichen Treuepflicht zur Mitwirkung verpflichtet, sofern ein wichtiger Grund vorliegt. 486 Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 62. 487 Vgl. Wiedemann , Gesellschaftsrecht, 1980, § 1IV 1 a = S. 344.

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

de Gesellschafter - insbesondere in nepotistischen Gesellschaften - nicht selten als Gefahr für den Fortbestand des Unternehmens erweisen. So stellt die Gesellschafterstellung in der offenen Handelsgesellschaft oder Β GB-Gesellschaft nebst der daran anknüpfenden unbeschränkten Haftung längst keine Sicherung mehr gegen Fehlentscheidungen der Handlungsorgane auf Ebene der Unternehmensleitung dar 4 8 8 . Zudem krankt diese Auffassung an einer zu weitgehenden Gleichsetzung von Mitglieder- und Verbandsinteresse. Eine solche war vielleicht im Bereich des Personengesellschaftsrechts noch unter Geltung der tradierten Gesamthandslehre naheliegend, musste aber schon angesichts der modernen Gesamthandslehre antiquiert wirken und ist heute, nachdem auch die klassischen Gesamthandsgesellschaften als juristische Person anerkannt werden, überholt. Gesellschaftennteresse und Gesellschaftsinteresse müssen nicht übereinstimmen, sondern können verschiedene Wege gehen. Erst recht muss das Interesse eines geschäftsführenden Gesellschafters nicht dem Verbandsinteresse entsprechen. Natürlich hat jeder Gesellschafter - gleich ob Komplementär oder Kommanditist - ein mittelbares Interesse an der Wohlfahrt der Gesellschaft. Floriert die Gesellschaft wirtschaftlich, so kommt dies finanziell dem Gesellschafter zugute. Doch zeigt gerade dieser Gesichtspunkt, dass sich Gesellschafterinteresse und Gesellschaftsinteresse nicht decken müssen: hat der Gesellschafter ein individuelles Interesse an einer möglichst großen Gewinnausschüttung, so steht dem doch das Verbandsinteresse an Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung gegenüber 489. Eine Fremdverwaltung ohne unmittelbare Ausschüttungsinteressen verspricht hier Lösungen ohne typischen Interessenwiderstreit. Auch auf die Behauptung, dass persönliche Haftung eine besonders gute Geschäftsführung bewirke, sollte in der künftigen Diskussion angesichts ihrer Unerweislichkeit keine große Aufmerksamkeit mehr verwendet werden 490 . Man kann sich sogar umgekehrt fragen, ob nicht die Furcht vor Haftung lähmend wirkt und den geschäftsführenden Gesellschafter von notwendigen unternehmerischen Entschlüssen zurückhält 491 . Geht man im Gegenzug aber davon aus, dass Haftung eine Organperson positiv motivieren kann, so ist das vor allem in dem Bereich anzunehmen, wo sie an vermeidbares Fehlverhalten anknüpft und gegenüber einem solchen Verhalten präventiv wirkt. Doch dann befindet man sich bereits im Bereich der 4 88 Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 63. 489 Vgl. κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 47 IV 1 = S. 1382. 490 Steindorff, FS-Ballerstedt, 1975, S. 127 ff. (131). Vgl. auch Denkschrift, S. 173 zur Übernahme zahlreicher Regelungen des Aktienrechts in das Recht der KGaA: „Es erscheint indessen vollkommen gerechtfertigt, beide Gesellschaften in allen diesen Beziehungen den gleichen Regelungen zu unterstellen; denn das Vorhandensein eines persönlich haftenden Gesellschafters oder einer Mehrzahl von solchen kann für sich alleine keinen ausreichenden Ersatz für die bei der Aktiengesellschaft als nothwendig erachteten SicherungsVorschriften bieten".

491 Dieselben Bedenken gelten auch für eine Übertreibung der Sorgfaltsanforderungen im Bereich der organschaftlichen Haftung.

4. Abschn., § 15 Fremd- und Eigen Verwaltung

337

schuldhaften Pflichtverletzung. Hier greift aber bereits die organschaftliche Haftung wegen schuldhafter Verletzung organschaftlicher Treue- und Sorgfaltspflichten ein. Zumal zu bedenken ist, dass der persönlich haftende Gesellschafter bis auf den Fall der Insolvenz Ersatz bei der Gesellschaft findet, § 110 HGB. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in B G H Z 134, 292 ausgeführt 4 9 2 : „Die Erwartung, ein für die Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich haftender Geschäftsleiter werde im Hinblick auf die - angesichts der üblichen Haftungsfreistellungen nur im Insolvenzfall wirklich relevante - Gefahr des Verlustes seiner eigenen wirtschaftlichen Existenz die Geschäfte der Gesellschaft mit größerer Sorgfalt, Vorsicht und Umsicht führen als ein Fremdgeschäftsführer, geht jedenfalls als generalisierende Annahme weitgehend an den Realitäten des modernen Wirtschaftslebens vorbei. Die Sorge vor persönlicher Haftung kann, wie in der gegenwärtigen Diskussion um eine Verschärfung der Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat zu Recht geltend gemacht worden ist (Hopt, Festschrift für Mestmäcker, 1996, S. 909, 914), den Unternehmensleiter auch zu einem übertrieben defensiven Verhalten veranlassen, das zum Schaden der Gesellschafter und Gläubiger der Gesellschaft dazu führt, dass neue risikobehaftete Geschäftschancen nicht wahrgenommen werden, mit der Folge, dass das Unternehmen im schlimmsten Falle den Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung verpasst. Zudem wird die vor allem im modernen Wirtschaftsleben unumgängliche Bereitschaft, auch wirtschaftliche Wagnisse einzugehen, und die Fähigkeit, die mit geschäftlichen Unternehmen verbundenen Chancen und Risiken zutreffend einzuschätzen, weit mehr durch die Persönlichkeit des individuellen Unternehmensleiters und seine unternehmerische Kompetenz bestimmt als durch Erwägungen haftungsrechtlicher Art. Einem in dieser Beziehung nicht ausreichend befähigten Geschäftsführer sind die Kommanditaktionäre bei Führung des Unternehmens durch eine natürliche Person als Komplementär sogar in höherem Maße ausgesetzt als bei Führung durch den Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, der durch entsprechenden Beschluss der GmbH-Gesellschafter jederzeit gegen eine geeignetere Persönlichkeit ausgetauscht werden kann". Zwischen der Fremd- und Eigenverwaltung gibt es keine qualitativen Unterschiede. Das Fremdorgan ist nicht per se schlechter als das Eigenorgan. Man wird sogar sagen können, dass optionale Fremdverwaltung, wie sie das Prinzip der abstrakten Organverwaltung ermöglicht, ausschließlicher Eigenverwaltung überlegen ist. Eigenverwaltung kann nur auf den begrenzten Kreis der Kapitaleigner zurückgreifen. Doch muss der Beteiligung keine unternehmerische Kompetenz entsprechen. Mangels Masse ist ein System der Eigenverwaltung aber auf das in der Gesellschaft vorgefundene „Menschenmaterial" beschränkt. Optionale Fremdverwaltung dagegen erlaubt es, mehrere Weiden nach geeigneten Führungskräften abzugrasen: so kann gerade in personalistischen Gesellschaften die vorhandene Kompetenz der Gesellschafter ausgereizt werden und bei Bedarf ein Dritter in die Unternehmensleitung geholt werden.

492 BGHZ 134, 392 (398 f.), Urt. v. 24. 02. 1997, Az: II ZR 11/96. 22 Bergmann

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

§ 16 Keine Überbewertung der Unterschiede Im Organisationsrecht der Verbände haben sich jeweils zwei verschiedene, auf formeller wie materieller Ebene liegende, Organisationsprinzipien gezeigt: àie formellen Organisationsprinzipien der originären Mitgliederselbstverwaltung und der abstrakten Organverwaltung und die materielle Unterscheidung zwischen Eigenund Fremd ver waltung. Beide Gegensätze dürfen aber nicht im Sinne strenger Gegensätze betrachtet werden, sondern sie bilden nur jeweils nach oben und unten den Schlusspunkt einer durch keine Zäsur zu trennende Abstufung. Das Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung gleicht sich mit zunehmender Abstrahierung, d. h. mit der zunehmenden Zuweisung organschaftlicher Kompetenzen an bestimmte Personen unter Ausschluss der übrigen Gesellschafter 493 dem Prinzip der abstrakten Organverwaltung an. Auf materieller Ebene wird das Prinzip der Eigenverwaltung durch schwindenden Kapitalanteil an der Gesellschaft langsam zur Fremd ver waltung. Formeller Selbstorganschaft muss auch nicht materielle Eigenverwaltung entsprechen, wie das Beispiel des Gesellschafters ohne Kapitalanteil beweist, während umgekehrt auch in einem System der abstrakten Organverwaltung Eigenverwaltung möglich ist, wie zB in der personalistischen GmbH, deren Gesellschafter ein Sonderrecht auf die Geschäftführung haben (§ 35 BGB), obwohl natürlich die Mitgliederselbstverwaltung die Eigen Verwaltung und die abstrakte Organverwaltung die Fremdverwaltung am ursprünglichsten verkörpern. Schon Teichmann hat zutreffend darauf aufmerksam gemacht, dass man die Unterschiede zwischen den Organisationssystemen nicht überbewerten soll 4 9 4 ; dabei hilft vor allem die gewonnene Erkenntnis, dass Eigenverwaltung nicht das qualitativ bessere System ist (vgl. § 15). Die ordentliche Verwaltung in den Verbänden wird hergestellt durch ein ausdifferenziertes System der Gewaltenverschränkung und organschaftlicher Verantwortlichkeit. Diese Methode findet sich vom Prinzip her in allen Verbänden verwirklicht, gleichgültig ob sie selbst- oder fremdorganschaftlich verfasst sind und mehr in die Richtung von Eigen- oder Fremdverwaltung tendieren. Zunächst korrespondiert organschaftlichen Kompetenzbefugnissen eine organschaftliche Verantwortung, die bei schuldhafter Verletzung der organschaftlichen Treue- und Sorgfaltspflichten zu einer Schadensersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft führt (§§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG). Hinzu kommt ein in allen Organisationsverfassungen verwirklichtes System der kollektiven wie individuellen Informations- und Kontrollrechte, die die Geschäftsführung überwachen 495. 493

ZB der alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 119 f. Wiedemann unterscheidet dagegen zwei „ihrem Wesen nach andere Organisationsformen" ( Wiedemann , Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 1 = S. 371.; derselbe, Gesellschaftsrecht, 1980, § 1 IV 1 = S. 343 ff.). 495 Es wurde bereits im Text durchgängig unterschieden zwischen sog. individuellen und sog. kollektiven Informations- und Kontrollrechten, deren Ausübung aber beide Male letzt494

4. Abschn., § 16 Keine Uberbewertung der Unterschiede

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Mehr oder weniger in jedem Verband ausgeprägt ist die kompetenzrechtliche Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung im engeren Sinne. Die organschaftlichen Kompetenzen werden - verbandsintern 496 - so aufgeteilt, wie es zum Wohle der Gesellschaft am tunlichsten ist. Aber die Grenzen verlaufen nicht streng zwischen den Organisationsprinzipien. Sowohl in der offenen Handelsgesellschaft wie in der Kommanditgesellschaft steht den geschäftsführenden Gesellschaftern die Geschäftsführungsbefugnis nur im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs zu (§ 116 Abs. 1 HGB); alle darüber hinausgehenden Geschäftsführungsmaßnahmen sind der Gesamtheit der Gesellschafter zugewiesen (§§ 116 Abs. 2, 164 HGB). Dem entspricht weitgehend die Lage in der GmbH, mit der Besonderheit, dass der Gesellschafterversammlung auch im Bereich der laufenden Geschäftsführung Weisungsrechte zustehen. Aber beide Systeme sind durch unbestritten zulässige Satzungsänderungen verschiebbar hin zur ausschließlichen Geschäftsführung nach aktienrechtlichem Vorbild (§§ 76 Abs. 1,111 Abs. 4 S. 1 AktG), dem seinerseits aber das Instrument der Kompetenzverschiebung nicht vollkommen fremd ist (§111 Abs. 4 S. 2 AktG). Nur eine Kompetenz bleibt dem Gesellschafterorgan in allen Verbänden unbenommen: die Grundlagenkompetenz: über die Organisation der Gesellschaft verfügen ausschließlich die Gesellschafter. Dies verlangt schon der Grundsatz der Verbandssouveränität. Insoweit besteht zwischen den Organisationsprinzipien weitgehender Gleichlauf: jede Organperson hat einen zugewiesenen mal größeren, mal kleineren Kompetenzausschnitt wahrzunehmen, ist dabei an das Gesellschaftsinteresse gebunden (duty of loyality) und hat sorgfältig zu handeln (duty of care), und wird dabei durch die Gesellschaft und die Gesellschafter mal stärker, mal schwächer kontrolliert. Hinzu tritt die Selbstkontrolle innerhalb des geschäftsführenden Organs oder der Gruppe der geschäftsführenden Gesellschafter, was in den Begriffen Gesamtvertretung, Gesamtgeschäftsführung und dem Grundsatz der Gesamtverantwortung zum Ausdruck kommt 497 .

lieh das Gesellschaftsinteresse fördert. Das Handlungsorgan ist den Informationsansprüchen und Kontrollrechten sowohl der Gesellschaft, die meist einem Aufsichtsorgan zugewiesen sind, als auch der Gesellschafter ausgesetzt. Fernab jeder Kontrolle kann sich die Geschäftsführung eines Verbandes nicht bewegen. 496 Im Sinne der Verkehrssicherheit liegt die Außenkompetenz ungeteilt beim Handlungsorgan, vgl. §§ 126 HGB, 82 AktG, 37 GmbHG. 497 Das Prinzip der Gesamtverantwortung lässt sich auf folgenden Nenner bringen: Was darf der einzelne Organwalter eines Kollegialorgans alleine tun, was müssen alle Organwalter gemeinsam unternehmen, und welche zwingenden Mindestpflichten und -befugnisse treffen jedes Organmitglied. Das Prinzip dient zum einen dem Schutz der Gesellschaft vor schlechter Geschäftsführung: Wenn mehrere Organwalter in bestimmten Fallgruppen zusammenwirken oder sich doch mindestens gegenseitig überwachen und kontrollieren müssen, wird auf diese Weise die Gesellschaft vor übereilten oder unrichtigen Entscheidungen geschützt, eine erhöhte Richtigkeitsgewähr getroffener Entscheidungen ermöglicht und eine organinterne Selbstkontrolle institutionalisiert, die gefährlichen Untrieben einzelner Organwalter entgegenwirken kann. Dabei kommt einer organinternen Selbstkontrolle eine besondere Präventionswirkung zu, da ihr aufgrund ihrer naturgegebenen Sachnähe und Permanenz eine weitaus höhere Präventionswirkung zukommt, als der systembedingt lückenhaften Kontrolle durch 22*

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

Eine organisationsrechtliche Besonderheit bleibt aber doch die Integration von Dritten oder Gesellschaftern in die Handlungsorganisation von Verbänden, die entsprechend dem Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung verfasst sind. Hierfür hält die abstrakte Handlungsorganisation der Verbände besondere Vorschriften der Bestellung und der Abberufung bereit. Primäres Ziel der Bestellung muss es sein, geeignete und zuverlässige Personen zu bestellen. Da dies nicht immer gelingt, besteht eine Widerrufsmöglichkeit, wobei bereits herausgestellt wurde, dass es gar nicht so wichtig ist, ob diese jederzeit oder nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen darf. Dieser Personalkompetenz korrespondiert als Annex das Bestimmungsrecht über die Art und Weise der Vertretungsmacht und die Anzahl der Geschäftsführer. Zum Testen von Organwaltern kann es angebracht sein, sie zuerst in die Ketten der Gesamtvertretung zu legen, bevor man ihnen Einzelvertretung zuerkennt. Aber ganz ohne Entsprechung ist auch dies in den Systemen der originären Mitgliederselbstverwaltung nicht. Da diese Gesellschaften jederzeit über eine einsatzfähige konkrete Handlungsorganisation verfügen, entfallen naturgemäß die Vorschriften über die Bestellung. Aber es gibt doch eine Entsprechung auf der Ebene der Abberufung: verbandsleitenden Gesellschaftern können ihre organschaftlichen Befugnisse entzogen werden (§§ 117, 127 HGB). Das ist grundsätzlich nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes angängig, wobei an den wichtigen Grund hier typischerweise strengere Anforderungen gestellt werden. Aber dies sollte man, wie die beschränkte Diligenzpflicht, primär als Folge der selbstregulierenden Handlungsverfassung und daraus begreifen, dass hier regelmäein besonderes Überwachungsorgan wie den obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrat, der wegen seiner institutionellen Schwäche eine umfassende Kontrolle nicht gewährleisten kann. Von Walther Rathenau stammt der Ausspruch: „Wollte ein Aufsichtsrat auch nur von den wichtigeren Geschäften eines Großunternehmens Kenntnis nehmen - geschweige sie beraten - , so würde es nicht genügen, daß er in Permanenz tagte, und zwar jeden Tag, einschließlich sonntags, 24 Stunden lang" (Rathenau, Gesammelte Schriften, Fünfter Band, 1918, Vom Aktienwesen, S. 121 ff. (129)). Gerade in Gesellschaften, in denen das Handlungsorgan weitgehend selbständig, unter eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG, § 27 Abs. 1 GenG) die Gesellschaft leitet, d. h. die Geschäftsführungsbefugnisse nicht zwischen verschiedenen Organen aufgeteilt sind, ist ein besonderes Instrumentarium organinterner Selbstkontrolle und erhöhter Richtigkeitsgewähr angesagt, denn bei wichtigen Entscheidungen gibt es kein höheres Organ, wie zB die Gesellschafterversammlung der Aktiengesellschaft, das zur Entscheidung berufen ist, und es gibt kein Aufsichtsorgan, dass eine lückenlose Überwachung der Geschäftsleitung sicherstellen kann. Zum anderen will das Prinzip der Gesamtverantwortung die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten der Gesellschaft sicherstellen, und dies im Interesse sowohl hoheitlicher, aber auch privater Gesellschaftsgläubiger (Vgl. BFHE 141,443 (446 f.), Urt. v. 26. 04. 1984, Az: V R 128/79). Zu den Aufgaben der Organwalter des Handlungsorgans gehört die verantwortungsvolle Tätigkeit, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Gesellschaft nach außen rechtmäßig verhält und insbesondere die ihr auferlegten öffentlichrechtlichen Pflichten erfüllt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Pflichten gehören vor allem die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden steuerlichen Pflichten sowie die Abführung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge (für die GmbH: BGHZ 133, 370 (375) = GmbHR 1997, 25, Urt. v. 15. 10. 1996, Az: II ZR 319/95), aber auch die Pflicht zur rechtzeitigen Insolvenzantragsstellung (für die GmbH: BGH, in: GmbHR 1994, 460 (461) = W M 1994, 1030 (1032), Urt. v. 01. 03. 1993, Az: II ZR 61/92, II ZR 81 /94.).

4. Abschn., § 16 Keine Überbewertung der Unterschiede

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ßig - Ausnahme: die Kommanditgesellschaft auf Aktien - kein Grundkapital zu erhalten ist (vgl. § 6 H). Weichen die Gesellschaften vom gesetzlichen Leitbild ab, ist für eine Anwendung dieser Vorschriften kein Raum mehr. So groß, wie es scheint, sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Organisationsverfassungen nicht. Und wenn man sich dann darauf besinnt, dass die Eigenverwaltung oder gar die Koppelung der Eigenverwaltung mit unbeschränkter Haftung nicht qualitativ besser oder schlechter ist als Fremdverwaltung, schwinden die Skrupel, die man von einem organisationsrechtlichen Standpunkt aus gegen eine fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft haben kann. Zusammenfassend kann man sagen, dass - unabhängig von der HaftungsVerfassung des Verbandes - grundsätzlich eine jede Organisationsverfassung zulässig ist, sofern der allgemeine verbandsrechtliche Grundsatz der Verbandssouveränität unversehrt bleibt: das Schicksal eines Verbandes darf grundsätzlich nicht von außenstehenden Personen abhängen, die nicht die gleichen Interessen verfolgen wie die Gesellschafter und deren Rechtsausübung nicht hinreichend beschränkt und kontrolliert werden kann. Die gesellschaftlichen Entscheidungen sollen von Personen beherrscht werden, die sich mit den Belangen der Gesellschaft identifizieren, sei es als Mitglied, sei es als Organperson, die zu einer entsprechenden Interessenwahrung verpflichtet sind und bei entsprechendem Fehlverhalten haftbar gemacht werden können. Dieser Selbstschutz ist bei einer Geschäftsführung durch Dritte hinreichend gewahrt: die geschäftsführenden Organpersonen sind in ihrer Amtsführung auf das gemeinsame Gesellschaftsinteresse verpflichtet, unterliegen bei der Erfüllung ihrer Amtspflichten einer individuellen wie kollektiven Kontrolle und machen sich bei Pflichtverletzungen schadensersatzpflichtig 498 . Alleine vom organisationsrechtlichen Standpunkt aus lassen sich keine Bedenken gegen eine fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und natürlich auch BGBGesellschaft begründen. In einer fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft sind organschaftliche Befugnisse nicht mehr unmittelbar allen oder doch einigen Gesellschaftern zugewiesen. Durch die Zuweisung der organschaftlicher Befugnisse wird ein abstraktes Organ als Zurechnungsendpunkt errichtet. Es findet ein Wechsel statt vom Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung zum Prinzip der abstrakten Organ Verwaltung. Dass ein solcher Wechsel organisationsrechtlich möglich und Ausfluss der Verbandsautonomie ist, folgt aus den §§ 146 Abs. 1 S. 1, 492 Abs. 1 HGB. Der Grundsatz der Verbandssouveränität bleibt gewahrt. Die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft sind dem bestellten Fremdgeschäftsführer nicht ausgeliefert. Der Fremdgeschäftsführer wird von den Gesellschaftern ausgewählt: eine erste Garant dafür, dass typischerweise keine ungeeignete Person in ein organschaftliches Verhältnis berufen wird. Der Fremdgeschäftsführer ist auf das Gesellschaftsinteresse eingeschworen, zur beson498 Wiedemann, FS-Schilling, S. 105 ff. (111 ff.).

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2. Teil: Grundsätze der organisatorischen Gewaltenverschränkung

deren Treue und Sorgfalt der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, für deren schuldhafte Verletzung er der Gesellschaft haftet 499 . Die Gesellschafter haben es verbandsintern in der Hand, durch eine entsprechende Kompetenzverteilung den Entscheidungsbereich des Fremdorgans auszudehnen oder einzugrenzen. Zudem kann durch die Annexkompetenzen der Personalhoheit der Gesellschafter ein zusätzliches Sicherungselement gegen Allmachtsgefühle sowie bei der Bestellung verborgen gebliebener Charaktermängel und unternehmerischer Defizite erreicht werden. Dem Fremdgeschäftsführer wird ein erfahrener und bewährter Geschäftsführer für den Anfang an die Seite gestellt und Gesamtvertretung vereinbart. Und ist der Fremdgeschäftsführer entgegen all den Sicherungsvorkehrungen untragbar geworden, kann er - da auf alle Fälle ein wichtiger Grund vorliegt - abberufen werden; dissentierende Gesellschafter sind aufgrund ihrer Treuepflicht zur Mitwirkung an der Abberufung verpflichtet. Die Gefährdungslage hinsichtlich des Gesellschaftsinteresse ist nicht wesentlich anders, als ob in einer selbstorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft die Abstrahierung soweit vorangetrieben ist, dass einem Gesellschafter alleine die ausschließliche organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zugewiesen ist; hier besteht sogar die größere Gefahr, dass der einzige geschäftsführende Gesellschafter sein persönliches Interesse in den Vordergrund stellt. Die unbeschränkte Haftung steht der Zulässigkeit der Fremdorganschaft organisationsrechtlich nicht entgegen. Denn weder ist Eigenverwaltung die bessere Organisationsverfassung, noch motiviert eigene Haftung zu besonders guter Geschäftsführung. Vielmehr ist sogar Ei gen Verwaltung bei fehlender Option zur Fremdverwaltung die schwächere Organisationsform, da sie den Verband auf das mitgliedschaftlich gebundene „Menschenmaterial" beschränkt und es unmöglich macht, fremde Intelligenz in die Organisation einzubinden. Dabei fordert doch die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter bestmöglichste Geschäftsführung, um die Haftungsrisiken unternehmerisch soweit wie möglich minimieren zu können. Es läuft auf eine Wertungsfrage hinaus, ob man den Gesellschaftern die Gestaltungsmöglichkeit zur Hand geben will, einen Dritten zum Organwalter einer Gesellschaft zu machen, deren Gesellschafter für die Verbandsschulden unbeschränkt haften müssen. Organisationsrechtlich wirft dies keine Probleme auf. Aber auch auf Wertungsebene ist die Frage vorentschieden, wenn man sich von tradierten Vorstellungen der Überlegenheit der Eigenverwaltung löst. Denn dann macht es in der Tat keinen Unterschied mehr, ob - was allgemein anerkannt zulässig ist - alle Gesellschafter bis auf einen von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen sind, oder auch der letzte Gesellschafter von den organschaftlichen Handlungsbefugnissen ausgeschlossen ist. Die „Gefährdungslage" wird dadurch für die ausgeschlossenen Gesellschafter zu keiner qualitativ anderen 500.

499 Die beschränkte Diligenzpflicht des § 708 BGB kommt ihm natürlich grundsätzlich nicht zugute. 500 Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 119.

3. Teil

Das Verhältnis fremdorganschaftlicher und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme § 17 Der nicht eingetragene Verein und die (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Extremformen des Grundtyps des Verbandsrechts Der nicht eingetragene Verein wird regelmäßig als nicht rechtsfähiger Verein bezeichnet. Aber diese Bezeichnung ist, auch wenn ihr der Gesetzestext anhängt1, überholt. Nach der modernen Gesamthandslehre ist er als Gesamthand rechtsfähig 2, nach der hier vertretenen Auffassung ist er sogar juristische Person. Ein Unterschied zum eingetragenen Verein - nach § 21 BGB juristische Person - liegt in der fehlenden Eintragung und nicht in der fehlenden Rechtsfähigkeit, weswegen hier vom nicht eingetragenen Verein gesprochen werden soll 3 .

A. Die Undurchführbarkeit einer Abgrenzung von nicht eingetragenem Verein und BGB-Gesellschaft Das BGB verwendet nicht viele Worte auf den nicht eingetragenen Verein. Nur in § 54 BGB - einer Vorschrift die erst in den Beratungen der zweiten Kommission ins BGB aufgenommen wurde 4 - erwähnt es ihn und verweist ihn aus nicht durchgehend lauteren Motiven auf das Recht der §§ 705 ff. BGB, das Recht der Gesellschaft. Ansonsten hält das kodifizierte Recht noch einige Sonderregelungen für ihn bereit: §§ 54 S. 2 BGB, 50 Abs. 2, 736 ZPO, 11 Abs. 1 S. 2 iVm § 19 InsO. Das war es dann. Gerade diese Sondervorschriften scheinen die Notwendigkeit nahe zu legen, den nicht eingetragenen Verein von der Gesellschaft abzugrenzen. Was auf den ersten Blick einfach erscheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als unmögliche Aufgabe. Denn wie ein Verein durch personalistische Elemente (vgl. 35 BGB) modifiziert werden kann, so kann eine Gesellschaft körperschaftlich strukturiert werden; die Vorschriften der §§ 705 ff. BGB sind disponibel und können da-

1 ZB § 54 S. 1 BGB; vgl. K. Schmidt, NJW 2001, 993 (1002 f.). 2 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 II 1 a = S. 743. 3 Vgl. Κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 II 1 a = S. 743. 4 Vgl. § 676 EntwBGB II.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

her im Sinne des „Körperschaftsrechts 4' abgeändert werden5. Der nicht eingetragene Verein wird im Anschluss an das Reichsgericht heute definiert als „eine auf Dauer angelegte Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes, die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist 4 ' 6 . Diese Definition ist heute allgemein akzeptiert 7, führt aber nicht weiter, da man eine körperschaftlich strukturierte Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Kommanditgesellschaft kaum anders umschreiben würde 8. Das Dilemma zeigt das berühmt gewordene Zitat von Gerhard Sachau aus dem Jahre 1905, der einst - nach vergeblicher Suche nach einem Unterscheidungsmerkmal zwischen Verein und Gesellschaft - ausgesprochen hat9: „Satz I. Zwischen dem Wesen des nicht eingetragenen Vereins und dem einer Gesellschaft muss nach der Auffassung des Gesetzes ein Unterschied bestehen; Satz II. Zwischen dem Wesen des nicht rechtsfähigen Vereins und dem einer Gesellschaft ist ein Unterschied nicht zu finden" 10 .

Sachau löst sich aus dem Dilemma dadurch, dass er den ersten der beiden Sätze fallen lässt und erklärt 11 : „Der nicht eingetragene Verein ist seinem Wesen nach eine Gesellschaft. Diese Entscheidung ist mit Notwendigkeit aus dem Mangel jeglichen allgemein gültigen Unterscheidungsmerkmals zu ziehen". Die moderne Gesellschaftsrechtswissenschaft scheut sich immer noch, diesen Schluss zu ziehen, und flüchtet sich stattdessen in einen Dualismus der Gesellschaftsformen. Flume findet den wahren Gegensatz im Gesellschaftsrecht im Gegensatz von Gesellschaft und juristischer Person 12. Dieser Ansatz ist nach der hier vertretenden Lehre überholt: es lässt sich kein Kriterium finden, dass allen (klassischen) juristischen Personen gemein wäre und sie von den (klassischen) Gesamthands- bzw. Personengesellschaften abgrenzen würde. Den anderen möglichen Ansatzpunkt für einen Dualismus liefert Stoll: „Die wahren Gegensätze lauten nicht Gesellschaft und juristische Persönlichkeit, sondern Gesellschaft und Verein" 13 . Aber auch dieser Ansatz5 Und das nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend: Otto v. Gierke , Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 14; RGZ 113, 125 (135), Urt. v. 15. 03. 1926, Az: IV 604/24; RGZ 143, 212 (213), Urt. v. 18. 01. 1934, Az: IV 369/33. 6 RGZ 143, 212 (213), Urt. v. 18. 01. 1934, Az: IV 369/33; RG, in: JW 1913, 974, Urt. v. 06. 06. 1913, Az: VII 129/13; grundlegend: RGZ 60, 94 (99), Urt. v. 02. 02. 1905, Az: V I 153/04; Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 54, Rdnr. 2. 7

Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, 1977, S. 48. Vgl. Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 I I = S. 128 ff. 9 Sachau, ZHR Bd. 56 (1905), 444 (461). 8

ω Sachau, ZHR Bd. 56 (1905), 444 (461). Die Abkürzungen des Originals wurden ausgeschrieben. h Sachau, ZHR Bd. 56 (1905), 444 (461 f.). Abkürzungen wurden ausgeschrieben. 12 Flume , Die Personengesellschaft, § 7 I = S. 88 f., 7 I I = S. 89 ff.; derselbe, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (506).

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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punkt ist zum Scheitern verurteilt. Aus demselben Grund: es lässt sich kein Unterscheidungskriterium finden. Das zeigt der Seufzer Stolls zur Unmöglichkeit einer Abgrenzung von Verein und Gesellschaft: „Die verschiedenen Versuche des Schrifttums, ein entscheidendes Kriterium herauszufinden, haben immer wieder zu einem Fehlschlag geführt, da alle Merkmale, die den Verein charakterisieren sollten, sich auch bei der Gesellschaft entweder positiv rechtlich fanden oder doch durch den Gesellschaftsvertrag geschaffen werden konnten" 14 . Und auch dem Reichsgericht erteilte Stoll keine besseren Noten: „So sehr sich das Reichsgericht auch bemüht hat, die begriffliche Abgrenzung von Verein und Gesellschaft zu klären, ein sicheres praktisches Unterscheidungsmerkmal ist noch nicht gefunden" 1 5 . Nitschke musste in seiner Untersuchung der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft feststellen: „Es hat sich als unmöglich erwiesen, den nichtrechtsfähigen Verein und die körperschaftlich strukturierte Gesellschaft bürgerlichen Rechts voneinander abzugrenzen" 16 . Grund für das notwendige Scheitern ist die Privatautonomie, die es den Mitgliedern ermöglicht, Verbände zu erschaffen, die Elemente sowohl des Vereins wie auch der Gesellschaft zu kombinieren, also - gesetzlich nicht fixierte - Mischformen zu erschaffen 17 . Der Bundesgerichtshof hat es auf den Punkt gebracht: Es „kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß im Bereich der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft und des nichtrechtsfähigen Vereins ein beträchtlicher Freiraum zur beliebigen Gestaltung der Rechtsverhältnisse offen steht... Es sind daher Vereinigungen mit sowohl körperschaftlichen als auch personalistischen Elementen und mit fließenden Übergängen von mehr vereinsmäßigen zu mehr gesellschaftsähnlichen Formen möglich" 18 . Für den Verein ist typisch, dass er auf einen Wechsel der Mitglieder angelegt ist, aber ein notwendiges Erfordernis ist dies nicht. Ein Verein für ideale Zwecke, zB eine wissenschaftliche Vereinigung, kann mit fester Stellenzahl gegründet werden, ein wirtschaftlicher Verein kann auf eine feste Anzahl von Anteilen aufgebaut wer13 Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49. 14 Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (73 f.). 15 Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (55). 16 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 4 = S. 142, Anm. des Verfassers: die Abkürzungen wurden ausgeschrieben; K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 84 f.; siehe aber jetzt derselbe, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 I 2 b = S. 741 ff. π Vgl. RG, in: JW 1906 452 (453), Urteil v. 26. 05. 1906, Az: I 420/05 „Helenenhall"; Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 10 f. is BGH, in: NJW 1979, 2304 (2305) „Forum S", Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141/78.

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den. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sich eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auf einen Wechsel ihrer Mitglieder einrichtet 19. Auch die Anzahl der Verbandsmitglieder ist kein sicheres Abgrenzungskriterium, da allgemein anerkannt ist, dass bei einem nicht eingetragenen Verein die Anzahl der Mitglieder bis auf zwei herabsinken kann, ohne dass dadurch der Charakter als Körperschaft irgendwie betroffen wird, während umgekehrt eine Gesellschaft eine Vielzahl von Mitgliedern haben kann 20 . Typisch ist für den Verein die Bildung eines abstrakten Handlungsorgans, dem Vorstand und der Mitgliederversammlung. Aber wie schon Otto von Gierke und im Anschluss an ihn das Reichsgericht festgestellt hat: „Auch eine Gesellschaft aber kann sich durch Vorstandsbildung und Einführung von Mehrheitsbeschlüssen befestigen" 21. Und auch eine Differenzierung nach dem Verbandszweck, wie sie für ein ganz ähnliches Abgrenzungsproblem im Geltungsbereich des Pr. ALR praktiziert wurde, führt nicht weiter 22 . Zwar ist es sicherlich zutreffend, dass das Recht der §§ 705 ff. BGB wirtschaftliche Interessen im stärkeren Maße berücksichtigt, als das BGB-Vereinsrecht, das auf den Idealverein, nicht aber auf den wirtschaftlichen Verein zugeschnitten ist 23 . Jede ausschließliche Differenzierung nach Zweck oder Organisation wird aber immer nur dem einem Gesichtspunkt gerecht, vernachlässigt aber notwendig andere Aspekte. BGB-Gesellschaft und nicht eingetragener Verein beschreiben zwei Extreme auf der Ebene der nicht eingetragenen Verbände. Der Verein steht für die körperschaftliche Verfassung, worunter insbesondere das Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) fällt 2 4 ; die Gesellschaft steht für die personalistische Organisation, die sich insbesondere im Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) verwirklicht. Beide Organisationsformen stellen auf einer gedachten Skala möglicher Organisationsverfassun19 ZB: RG, in: JW 1906 452 (453), Urteil v. 26. 05. 1906, Az: I 420/05 „Helenenhall"; Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 10 f. 20 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 1 = S. 130. 21 Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 11; RG, in: JW 1906 452 (453), Urteil v. 26. 05. 1906, Az: 1420/05 „Helenenhall". 22 Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 10 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 3 = S. 137 ff. 23 Protokolle I, S. 534 f. hinsichtlich § 39 S. 2 BGB: „Das Gesetz müsse auch hier von der Unübertragbarkeit ausgehen, weil dies der Natur der hier vorzugsweise in Betracht kommenden Vereine mit idealen Tendenzen am Besten entspreche. Wo ein Bedürfnis zur Zulassung der Vertretung in der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte vorliege, ζ. B. bei Vereinen,... bei den vermögensrechtliche Zwecke verfolgenden Vereinen, könne den Statuten überlassen bleiben, abweichende Festsetzungen zu treffen". Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 I I 3 = S. 141, § 4 1 2 a = S. 35 Fn. 12; Staudinger-Comg, 12. Auflage, § 38, Rdnr. 2. 24 Daneben kann man insbesondere die weitgehende Unabhängigkeit des Verbandes von den Mitgliedern nennen, in dem Sinne, dass das Ausscheiden eines Mitglieds den Verband nicht ohne weiteres auflöst, ein Zustand der heute aber auch im Recht der oHG herrscht (§131 Abs. 3 HGB).

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gen aber nur konträre Extrempositionen zunehmender Abstrahierung, aber keine unüberwindbaren Hindernisse dar. Wie zwischen Schwarz und Weiß unendlich viele Sorten Grau denkbar sind, so unendlich viele Spielarten gibt es zwischen dem körperschaftlichsten Verein und der personalistischsten Gesellschaft 25. Sie sind die gesetzlich fixierten Maximal- und Minimalstellen auf der Kurve möglicher Verfassungsgestaltungen von Verbänden, deren Strukturelemente im Wege einer beliebigen Typenkombination und Typenvermischung 26 zu den unendlich vielen Stufen Grau kombiniert werden können. Als Konsequenz dieser wohl unangefochtenen Überlegung sollte nicht der krampfhafte Versuch stehen, einen nicht eingetragenen Verband aufgrund irgendwelcher, notwendig willkürlich gewählter Merkmale in die eine oder andere Ecke zu stellen: mit dem Etikett „personalistischer Verein" oder „körperschaftlich strukturierte Gesellschaft" ist für die konkrete Rechtsanwendung nichts gewonnen. Es kann vielmehr nur darum gehen, bei Vereinigungen mit körperschaftlichen und personalistischen Elementen - unter Berücksichtigung der ideellen oder wirtschaftlichen Zweckverfolgung - die passenden und interessengerechten Normen anzuwenden. Man nimmt - zunächst auf der Ebene der nicht eingetragenen Verbände des bürgerlichen Rechts - von einer Zuweisung in die Richtung nicht eingetragener Verein oder (nicht eingetragene) BGB-Gesellschaft Abstand und wendet unmittelbar die passenden Rechtssätze auf einen solchen Verband: ist der Verband körperschaftlich organisiert und verfolgt einen idealen Zweck, dann streitet vieles für eine weitgehende Anwendung der §§25 ff. BGB, die auf solche Verbände zugeschnitten sind 27 . Ist der Verband personalistisch und verfolgt einen wirtschaftlichen Zweck, werden sich die passenden Normen im Recht der §§ 705 ff. BGB, die die wirtschaftlich tätige societas-nahe Gesellschaft vor Augen haben, finden. Ist der Verband körperschaftlich organisiert und verfolgt einen wirtschaftlichen Zweck, so werden die 25

Vgl. F. K. Neubecker: „Damit sind die beiden Extreme festgelegt, die konträre Gegensätze bezeichnen. Und die Gegensätze sind nur konträr! Wie zwischen Schwarz und Weiß unendliche viele Sorten Grau denkbar sind, so unendlich viele Spielarten zwischen dem ausgeprägtesten „Verein" ... und der ausgeprägtesten „Gesellschaft" ..." (Neubecker, Vereine ohne Rechtsfähigkeit, 1. Teil: Grundbegriffe und geschichtlicher Überblick, 1908, S. 15); oder an anderer Stelle: „Verein und Gesellschaft sind konträre Gegensätze mit allmählichen Übergängen. Aus diesem Fundamentalsatz ergibt sich, daß beide allmählich ineinander übergehen und nach dem Gesetz der historischen Kontinuität identisch sein können" (a. a. O., S. 19). Und noch einmal: „Gesellschaft und Verein sind konträre Gegensätze: sie können allmählich ineinander übergehen, und aus der Gesellschaft kann sich ein Verein, aus dem Verein eine Gesellschaft entwickeln oder vielleicht auch (im letzteren Fall) zurückbilden. Eine Vereinigung kann also in verschiedenen Zeitpunkten nach dem Gesetz der historischen Kontinuität dieselbe sein, in dem einen Zeitpunkt jedoch Gesellschaft oder Verein, in einem anderen Verein oder Gesellschaft. Diese Wandlungen erstrecken sich dann auch auf das Zweckvermögen: es ist bald Vereins-, bald Gesellschaftsvermögen" (a. a. O., S. 24 f.). 26 Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 5. 27 Die gesamten Vorschriften des BGB-Vereinsrecht, nicht nur die §§ 25 ff. BGB sind auf den Idealverein zugeschnitten. Vgl. nur: Protokolle I, S. 534 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 I I 3 = S. 141.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

vereinsrechtlichen Vorschriften 28 um die passenden Vorschriften des Gesellschaftsrechts ergänzt, die dem wirtschaftlichen Charakter von Verband und Mitgliedschaft gerecht werden. Der richtige Ansatz kann daher nur lauten, die Differenzierung zwischen nicht eingetragenem Verein und Gesellschaft aufzugeben. Den Weg dazu weist § 54 S. 1 BGB, der ausdrücklich den nicht eingetragenen Verein auf das Gesellschaftsrecht verweist. Nicht eingetragener Verein und BGB-Gesellschaft sind dieselbe „Rechtsform", nur dass der Verein körperschaftlicher organisiert ist: der nicht eingetragene Verein ist eine körperschaftlich organisierte Gesellschaft 29. Dies mag sich unerhört anhören, ist aber doch schon heute praktiziertes Recht. Lasse man einfach die Worte Karl Wielands auf sich wirken: „Die rechtsunfähigen Vereine sind Gesellschaften, obwohl sie sich von der bürgerlichen Gesellschaft im engeren Sinne gerade durch die Merkmale unterscheiden, die das angebliche Kriterium der juristischen Person ausmachen, korporative Verfassung und Unabhängigkeit von der Individualität der Mitglieder. Infolge der Nachgiebigkeit des Gesellschaftsrechts werden die nicht rechtsfähigen Vereine dem Ergebnis nach den rechtsfähigen Vereinen gleichgestellt, ein Beweis dafür, daß der Gesellschaftsbegriff genügend Elastizität besitzt, um sich beliebigen Organisationsformen anzuschmiegen"30.

Die Sondernormen für den nicht eingetragenen Verein in den §§ 54 S. 2 BGB, 50 Abs. 2, 735 ZPO, 11 Abs. 1 S. 2, 19 InsO sind auf ihre allgemeinen Rechtsgedanken zurückzuführen und entsprechend dem dahinter stehenden Rechtsgedanken auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden, unabhängig von der Frage, ob es sich um einen Verein oder eine Gesellschaft handelt. Einige Sondervorschriften für den nicht eingetragenen Verein haben sich zudem durch die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erledigt. Nach Anerkennung der aktiven und passiven Prozessfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch den Bundesgerichtshof 31 sind über die Verweisung des § 54 S. 1 BGB die Sondervorschriften für den nicht eingetragenen Verein in den §§50 Abs. 2, 735 ZPO obsolet, da sie nur feststellen, was ohnehin für nicht eingetragenen Verein und Gesellschaft gleichermaßen gilt 3 2 . Da die Sondervorschriften für den nicht eingetragenen Verein obsolet sind oder wegen ihres Gehalts sowohl auf Gesellschaften wie Vereine gleichermaßen zutreffen, ist eine irgendwie geartete Abgrenzung zwischen Verein und Gesellschaft und der Zuweisung des zwischen diesen Polen liegenden Niemandlandes in die eine oder andere Ecke, mag es auch der Versuch einer typologischen Abgrenzung sein, nicht mehr notwendig33. 28

Wenn man nicht eher im Recht der GmbH Anleihen holen will. ZB: Flume , ZHR Bd. 148 (1984), 503 (521); Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 261. 30 Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 35 I 3 = S. 411. 29

31 BGH, ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00. 32 K. Schmidt, NJW 2001, 993 (1003). 33 Vgl. Reuter, FS-Semler, S. 931 (937 f.), der wegen der Unmöglichkeit einer begrifflichen Abgrenzung für eine typologische Abgrenzung plädiert, um dem Geltungsanspruch der Sondervorschriften für den nicht eingetragenen Verein gerecht zu werden.

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Die Frage ist daher anders zu stellen. Sie kann nicht mehr lauten, liegt ein nicht eingetragener Verein oder eine Gesellschaft vor, sondern welche Normen oder allgemeinen Grundsätze, die das Gesellschaftsrecht bereit hält, wird den Umständen des konkreten Einzelfalles, also den organisatorischen Eigenheiten und dem wirtschaftlichen oder idealen Zweck des in Frage stehenden Verbandes am ehesten gerecht 3 4 . Dies hat der 2. Senat des Bundesgerichtshofs in der in seiner Bedeutung kaum gewürdigten „Forum-S"-Entscheidung ausgesprochen 35 : „Es sind ... Vereinigungen mit sowohl körperschaftlichen als auch personalistischen Elementen und mit fließenden Ubergängen von mehr vereinsmäßigen zu mehr gesellschaftsähnlichen Formen möglich. Zusammenschlüsse dieser Art mag man je nachdem, welche Elemente im Einzelfall überwiegen, entweder als Verein oder als Gesellschaft bezeichnen können. Es wäre aber wenig sachgerecht, aus dieser oder jener generellen Einordnung jeweils immer zugleich die alleinige Geltung nur des Vereinsrechts oder nur des Gesellschaftsrechts für die betreffende Vereinigung herzuleiten, ohne bei solchen Mischformen zu prüfen, ob eine unterschiedliche Rechtsanwendung bei ein und derselben Vereinigung geboten ist. Denn hierbei kann sich herausstellen, daß für die verschiedenen Regelungsbereiche der Vereinigung teils Normen des Vereinsrechts, teils solche des Gesellschaftsrechts besser passen und eine derartige Unterscheidung den Bedürfnissen der Organisation sowie den schützenswerten Interessen ihrer Mitglieder am besten gerecht wird". A m Ende steht daher nicht mehr eine strenge Unterscheidung zwischen nicht eingetragenem Verein und der einfachen (nicht eingetragenen) Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, sondern die Frage, welche Norm wird den organisatorischen und wirtschaftlichen Interessen der konkreten Gesellschaft am besten gerecht. Das heißt Abschied nehmen von der strengen Trennung in Verein und Gesellschaft i m Sinne eines Heinrich Stoll 36. A m Ende steht der nicht eingetragene (Einheits-)Verband. Den Weg dazu eröffnet hat § 54 S. 1 B G B 3 7 .

34 BGH, in: NJW 1979, 2304 (2305) „Forum S", Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141/78. 35 BGH, NJW 1979, 2304 (2305), Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141/78. 36 Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49. 37 Insbesondere Otto von Gierke wurde nicht müde zu betonen, dass der nicht eingetragene Verein keine Gesellschaft sondern Verein ist (Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 12; Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114 (136); Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, 1977, S. 52). Und auch in der Rechtsprechung des Reichsgerichts finden sich Äußerungen, wie: „Auch der nichtrechtsfähige Verein ist keine Gesellschaft, wenn auch nach § 54 S. 1 BGB die Vorschriften über die Gesellschaft auf ihn Anwendung finden" (RGZ 143, 212 (213), Urt. v. 18. 01. 1934, IV 369/33; auch: RG, in: JW 1907, 136, Urt. v. 10. 01. 1907, Az: IV 155/06). Daraus wurde - vor dem Hintergrund der tradierten Gesamthandslehre - der Schluss gezogen, dass der Verein zwar nicht Rechtsträger und damit juristische Person sei, aber die nachgiebigen Vorschriften des Gesellschaftsrechts im Hinblick auf das Körperschaftsrecht verschoben seien (RGZ 143, 212 (213), Urt. v. 18. 01. 1934, IV 369/33; Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 14). In Hinblick auf diesen Unterschied wurde teilweise auch die regelmäßige Beschränkung der Haftung auf das Vereinsvermögen hergeleitet (zB RG, in: JW 1907, 136,

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme B. Die Verweisung des § 54 S. 1 BGB I. Vom Sinn und Unsinn der Verweisung des § 54 S. 1 BGB

Uber die Regelung des § 54 S. 1 BGB, die für das Recht des nicht eingetragenen Vereins auf die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB) verweist, ist viel gescholten worden 3 8 . Die Vorschrift hat heute viel von ihrem ursprünglichen Sinn verloren. § 54 S. 1 B G B folgt aus der Ablehnung des Prinzips der freien Körperschaftsbildung durch den Gesetzgeber und seiner Hinwendung zu dem System der Normativbestimmungen und dem Konzessionsprinzip. Der Gesetzgeber wollte die nicht eingetragenen Vereine durch „die für sie nicht passende Rechtsform der Gesellschaft" in die Rechtsform des eingetragenen Vereins zwingen 3 9 . Dieses legislative Anliegen ist verständlich vor dem Mangel eines öffentlichen Vereinsrechts 4 0 und der Ängstlichkeit, mit der man politischen, sozialpolitischen und religiösen Verbänden gegenüberstand 41 . Das gesamte Vereinsrecht ist mit einem ständig misstrauischen Seitenblick auf die Gewerkschaftsbewegung und die sozialistischen Parteien entstanden 42 . Gem. § 61 Abs. 2 BGB a.F. war die Eintragung sozialpolitischer und religiöser Vereine von einer vorgängigen Erlaubnis abhängig und gem. §§ 72, 79 B G B a.F. waren alle Vereine verpflichtet, eine komplette Mitgliederliste einzureichen 43 . Insoweit spricht Stoll mit Recht von einem verschleierten Konzessionsprinzip 44 . Durch die Verweigerung der Rechtsfähigkeit, also insbeUrt. v. 10. 01. 1907, Az: IV 155/06). Ja, Otto von Gierke wollte sogar soweit gehen, dass der nicht eingetragene Verein, der ein Handelsgewerbe betreibt, nicht ohne weiteres den Vorschriften über die Handelsgesellschaften unterfalle, da er eben Verein und nicht Gesellschaft sei (Otto v. Gierke , Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114 (136)). 38 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 I I 2 = S. 746 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 1 III 1 b (2) = S. 45 f.; BGH, in: NJW 1979, 2304 (2305) „Forum S", Urt. v. 02. 04. 1979, Az: I I ZR 141/78; siehe auch die Aufzählung bei Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (507). Flume zählt auf: die Regelung des § 54 S. 1 BGB ist wegen „Unvereinbarkeit der gesetzlichen Regelung mit der sozialen Wirklichkeit", als „Zeugnis ... elementarer Ungerechtigkeit", als „Musterbeispiel einer von Anfang an verfehlten, bewusst tendenziösen Vergewaltigung der Rechtswirklichkeit", als „anerkanntermaßen sachwidrig" oder „nicht sachgemäß" oder als unbillige Differenzierung zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Vereinen" getadelt worden. 39 Mugdan I, S. 640, 642. 40 Der Mangel eines öffentliche Vereinsrechts erforderte Kautelen, um gegen gemeinschädliche, nicht nur gegen politische Bestrebungen von Vereinen vorzugehen. 41 Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (61). 42 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 1 III 1 b (2) = S. 46; Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 II 2 a = S. 747. 4

3 Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 11 II 1 a = S. 128.

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Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (61), auch S. 50 ff.

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sondere der Vermögensfähigkeit, und der aktiven Parteifähigkeit sollte dem nicht eingetragenen - und damit nicht überprüften - Verband das rechtliche Leben unmöglich gemacht werden 45. Gerade die Vermögensfähigkeit gibt dem Verband einen festen Halt und verschafft ihm die „gefährliche" Machtstellung, während die Versagung der aktiven Parteifähigkeit - gerade bei einem mitgliederstarken Verein - in ihrer Bedeutung einer Rechtsschutzversagung nahe kommen kann 46 . Alle diese teils frommen, teils unfrommen Wünsche, die der Gesetzgeber glaubte mit § 54 S. 1 BGB in die Tat umsetzen zu können, sind heute überholt: denn heute ist abschließend geklärt: die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist rechtsfähig und parteifähig 47 und damit - auch wenn sich der Bundesgerichtshof vor dieser über kurz oder lang doch unweigerlich kommenden Erkenntnis noch etwas ziert - juristische Person; für den nicht eingetragenen Verein gilt dies aufgrund der Verweisung des § 54 S. 1 BGB 4 8 . Die Verweisung des nicht eingetragenen Vereins auf die Vorschriften über die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist damit aus der Sicht des historischen Gesetzgebers - ein klassisches Eigentor. Schon auf dem Boden der tradierten Gesamthandslehre bereitete die Verweisung auf das Gesellschaftsrecht - was der Gesetzgeber wohl nicht richtig gewürdigt hatte - der Bildung eines selbständigen Vereinsvermögens keine Schwierigkeiten, wenn auch zunächst die Mitglieder in ihrer gesamthänderischen Verbindung als die wahren Träger des Vereins Vermögens betrachtet werden 49. Über § 54 S. 1 BGB hat den historischen Gesetzgeber der Fluch der bösen Tat eingeholt. Denn die Vorschrift verweist heute auf die Vorschriften eines als rechtsfähig und parteifähig anerkannten Verbandes. Aus der heutigen Sicht hat § 54 S. 1 BGB eine andere Bedeutung. Es ist der gesetzliche Anknüpfungspunkt der hier entwickelten Lehre vom nicht eingetragenen Grundverband und der Überwindung des Gegensatzes von Verein und Gesellschaft. So hat die von vielen beklagte Systemwidrigkeit des § 54 S. 1 BGB 5 0 doch ihr Gutes: sie hilft die Kluft zu überbrücken zwischen Gesellschaft und Verein, societas und universitas.

45 Vgl. Mugdan I, S. 640, 642. Der Kommission ging es gerade um die Vermögens- und Parteifähigkeit des nicht eingetragenen Vereins. 46 Vgl. zu den Versuchen des Literatur und Rechtsprechung, Gewerkschaften und Parteien Rechtsschutz vor den Zivilgerichten zu sichern: BGHZ 42, 210 (212 ff.), Urt. v. 06. 10. 1964, Az: V I ZR 176/63 und Fortsetzung der BGH-Rechtsprechung: BGHZ 50, 325 Urt. v. 11.07. 1968, Az: VII ZR 63/66. 4 ? BGH, in: ZIP 2001, 330, Urteil v. 29. 01. 2001, Az: I I ZR 331/00. 4 8 K. Schmidt, NJW 2001, 993 (1002 f.). 49

Vgl. schon Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 13; Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (58). 50 Vgl. nur Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 11 f., 12 f., passim.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

Auch wenn hier die Unterscheidung zwischen nicht eingetragenem Verein und der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts aufgegeben wurde, wird doch in der Folge terminologisch an der Abgrenzung um der Klarheit willen festgehalten.

II. Die Verweisung auf die §§ 705 ff. BGB

Die Kommissionsmehrheit wollte zwar dem nicht eingetragenen Verein die Rechtsfähigkeit versagen, konnte und wollte aber doch nicht die rechtliche Existenz des nicht eingetragenen Vereins als solchen verleugnen. Vor diesem Hintergrund gesehen ist die Verweisung auf das Gesellschaftsrecht nicht fernliegend; war sie doch die einzige Möglichkeit, der Personenvereinigung ein rechtliches Gerüst zu geben, ohne sie als Körperschaft und damit als juristische Person anerkennen zu müssen. Und das Recht der societas hat sich, wie noch gezeigt werden wird, bereits vor Einführung des BGB als elastisch genug erwiesen, auch körperschaftlich verfasste Verbände in sich aufzunehmen. In den Protokollen heißt es: „Es gehe nicht an, die thatsächlich existierenden nicht rechtsfähigen Vereine als Rechtsgebilde einfach zu ignorieren. Versage man diesen Vereinen die weitergehenden Rechte der jur. Personen, so liege es nahe, sie den Grundsätzen der Gesellschaft zu unterwerfen, da sich eine andere Rechtsform für ihre rechtlichen Beziehungen ... nicht finden lasse; es sei auch anzunehmen, daß Vereine, wenn sie die weitergehende Rechtsstellung einer jur. Person nicht erreichen könnten, es vorziehen würden, sich mit den ihren rechtlichen Beziehungen allerdings nur unvollkommen Rechnung tragenden Grundsätzen der Gesellschaft zu begnügen, als auf jede rechtliche Beachtung überhaupt zu verzichten" 51.

Angesichts des heutigen Kenntnisstandes ist die Verweisung des § 54 S. 1 BGB nicht mehr als das gesetzgeberisch geplante Horrorszenario. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist juristische Person; sie ist prinzipiell rechts- und parteifähig 52, ist also selbständiger Vermögensträger und kann vor Gericht unter ihrer Geschäftsbezeichnung klagen und verklagt werden. Genau das, was der Gesetzgeber verhindern wollte, hat er mit seiner Verweisung ins Gesellschaftsrecht erreicht. Was zunächst bleibt sind Unterschiede in der Handlungs- und Mitgliederorganisation, die im unterschiedlichen Regelungsprogramm der §§ 25 ff. BGB und der §§ 705 ff. BGB zum Ausdruck kommen 53 ; dort eine körperschaftliche, hier eine personalistische Ist-Verfassung. Doch dieser Unterschied, der zunächst gewaltig und unüberwindlich wirkt - insbesondere hier Fremdorganschaft (Verein), dort Selbstorgan51 Mugdan I, S. 640 f.: Zudem sei die Verweisung auf das Gesellschaftsrecht zweckmäßig, um der in der Judikatur vielfach aufgetretenen Ansicht entgegenzutreten, als seien solche nicht rechtsfähigen Vereine als freiere genossenschaftliche Verbände nach deutschrechtlichem System aufzufassen. Damit nimmt die Kommission wohl auf die Lehre von der modifizierten societas Bezug. 52 BGH, Urteil v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00. 53

Daneben besteht ein weiterer Unterschied darin, dass die §§§ 25 ff. BGB den Idealverein vor Augen haben, während §§ 705 ff. BGB die wirtschaftliche Gesellschaft vor Augen haben.

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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schaft (Gesellschaft) - , spielte für den historischen Gesetzgeber keine Rolle. In den Kommissionsberatungen wies die Mehrheit darauf hin, dass „auch nach der jetzigen Vorschrift all diejenigen Rechtssätze, die dispositiver Natur seien, durch das als Gesellschaftsvertrag zu betrachtende Statut ausgeschlossen werden könnten" 54 . Was das bedeutet, lässt sich daran verdeutlichen, dass sich die Kommissionsmehrheit gegen den Antrag aussprach, folgende Vorschrift für das Recht des nicht eingetragenen Vereins ins Gesetz aufzunehmen: „Die Führung der Geschäfte des Vereins und die Vertretung der Mitglieder in ihren gemeinschaftlichen Angelegenheiten steht einem von den Mitgliedern bestellten Vorstand zu" 5 5 . Die Kommission verwarf den Antrag mit folgender Begründung: Der Antrag sei unklar. „Wolle er besagen, daß ohne eine Bestimmung des Statutes über die Bestellung eines Vorstandes ein Verein nicht vorhanden sei, so ist er entbehrlich, nachdem die Kom. es abgelehnt hat, den nicht rechtsfähigen Vereinen ein den rechtsfähigen Vereinen ähnliche Rechtsstellung zu gewähren. Wolle die Vorschrift aber nur ausdrücken, daß die bestellten Vorstandsmitglieder die übrigen Mitglieder von der Geschäftsführung ausschließen, so ergebe sich dies bereits aus § 636 (Anm: heute § 710 BGB). Aus § 640 (Anm: heute § 714 BGB) ergebe sich ferner die Ermächtigung des Vorstandes, für die Vereinsmitglieder Prozesse zu führen,.. ," 5 6 .

Angesichts der dispositiven Natur der Vorschriften über die Gesellschaft in den §§ 705 ff. BGB, ist es nach der Auffassung des Gesetzgebers möglich, die Organisation der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts durch entsprechende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag der Vereinsstruktur der §§ 25 ff. BGB anzupassen. Und dies geht nach der unwidersprochenen Auffassung der Kommissionsmehrheit sogar soweit, dass an die Stelle des Organisationsprinzips der originären Mitgliederselbstverwaltung (plakativ: Selbstorganschaft), das den §§ 705 ff. BGB zugrundeliegt, durch Abstrahierung eine Handlungsverfassung treten kann, die sich entsprechend den Grundsätzen der abstrakten Organ Verwaltung (plakativ: Fremdorganschaft)-definiert 57 . Heute liest man: „Eine eigenes Richterrecht wurde contra legem für den nichtrechtsfähigen Verein geschaffen" 58. Doch diese Bewertung wird der Rechtsentwicklung nicht gerecht. Der Grund dafür, dass der nicht eingetragene Verein im Gewände der Gesellschaft rechtlich wie tatsächlich überleben konnte, war und ist 54 Mugdan I, S. 462: Hierdurch erledigten sich die Bedenken, die bzgl. des Einflusses des Todes oder der Kündigung eines Mitglieds auf den Bestand eines Vereines geäußert worden seien. 55 Antrag 5 § a S. 1, wiedergegeben bei Mugdan I, S. 637. 56 Mugdan I, S. 641. 57 Vgl. Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 14. 58 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 1 III 1 b (2) = S. 45; grundlegend: Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (61 ff.); auch: BGH, in: NJW 1979, 2304 (2305) „Forum S", Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141/78. 23 Bergmann

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

die Flexibilität des Gesellschaftsrechts und das Gesamthandsprinzip59, am Ende dessen Entwicklung nun die späte Anerkennung des nicht eingetragenen Vereins als juristische Person, als rechtsfähiger und parteifähiger, wenn auch nicht in ein Register eingetragener Verband steht. Den Grundstein dafür hat Otto von Gierke in seiner Schrift „Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte" gelegt 60 . Bei v. Gierke heißt es: „Weiter kommt in Betracht, daß die Vorschriften über die Gesellschaft zum großen Theile nicht zwingender, sondern nachgiebiger Natur sind, daher durch die Vereinssatzung im Sinne des Körperschaftsrechts abgeändert werden können" 61 .

Das Reichsgericht ging diesen Weg: nachgiebige Vorschriften der §§ 705 ff. BGB können, sofern sie auf den Verein nicht passen, durch die Satzung auch stillschweigend ausgeschlossen werden 62; ja deren Ausschließung sei beim Verein sogar die Regel 63 . Daraus muss man den richtigen Schluss ziehen. Der nicht eingetragene Verein ist eben kein aliud zur Gesellschaft, sondern eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft. So entschied das Reichsgericht völlig richtig: „Ein nicht eingetragener Verein ist also eine Gesellschaft, welche nach Art der juristischen Person korporativ organisiert ist" 6 4 . Insoweit handelte es sich bei der Rechtsfortbildung für den nicht eingetragenen Verein um keine Rechtsfortbildung contra legem, sondern um eine Anwendung des Gesellschaftsrechts lege artis 65. Wenn der heutige Rechtszustand des nicht eingetragenen Vereins in den wesentlichen Punkten mit dem Recht des eingetragenen 59 Ebenso: Flume , ZHR Bd. 148 (1984), 503 (512 f.). Das Gesamthandsprinzip entfernte die Gesellschaft von der rein obligationenrechtlichen römisches societas, sondern brachte ein personenrechtliches Element in die Gesellschaft hinein, an dessen Ende die Anerkennung der Gesellschaft als juristische Person steht. 60 Otto v. Gierke , Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902. Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (513) und K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 209 Fn. 2 bezeichnen diese Arbeit als für die Praxis bahnbrechend. 61

Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 14. Es sei auch noch mal an die Äußerung Stolls erinnert, nach der alle Merkmale, die für einen Verein charakteristisch sind, sich entweder auch bei der Gesellschaft finden oder doch durch den Gesellschaftsvertrag geschaffen werden können (Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (74)). Vgl. RGZ 113, 125 (135), Urt. v. 15. 03. 1926, Az: IV 604/24; auch: RGZ 143, 212 (213), Urt. v. 18. 01. 1934, Az: IV 369/33. 62 So zB RGZ 143, 212 (213), Urt. v. 18. 01. 1934, Az: IV 369/33; RGZ 113, 125 (135), Urt. v. 15. 03. 1926, Az: IV 604/24. 63 Vgl. RGZ 113, 125 (135), Urt. v. 15. 03. 1926, Az: IV 604/24 hinsichtlich § 738 BGB. 64 RG, in: Gruchot's Archiv Bd. 49 (1905), 1014 (1015), Urt. v. 18. 11. 1904; Az: III 216/ 1904; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 261; unklar: RG, in: JW 1907, 136, Urt. v. 10. 01. 1907, Az: VI 155/06; aber auch: RGZ 143, 212 (213), Urt. v. 18. 01. 1934, Az: IV 369/33: der nicht eingetragene Verein sei keine Gesellschaft iSd der §§ 705 ff. BGB. 65 Vgl. Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (514).

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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Vereins übereinstimmt, ist das eben nicht Folge davon, dass die gesetzliche Verweisung auf das Gesellschaftsrecht ignoriert wird 6 6 , sondern die Folge davon, dass das Gesellschaftsrecht der §§ 705 ff. BGB im weiten Umfange dispositiv ist und demnach im Sinne des Körperschaftsrecht ausgestaltet werden kann. Die Handlungsverfassung kann dem Vereinsrecht angepasst werden, wie auch die Mitgliedschaft. Die Haftung folgt den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts. Das Recht der Gesellschaft ist ein ausreichendes Fundament, um dem nicht eingetragenen Verein darauf ein schönes Haus zu errichten. Und die Fortschritte in der Rechtsfortbildung im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommen so mittelbar dem nicht eingetragenen Verein zugute: musste sich der Bundesgerichtshofs Mitte und Ende der 60er Jahre noch bemühen, die aktive Parteifähigkeit der Gewerkschaften im Zivilprozess zu begründen 67, so folgt diese heute ohne weiteres aus der Verweisung des § 54 S. 1 BGB, seitdem der BGH in seiner spektakulären Entscheidung die Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt hat 68 . Auch die Nichtanwendbarkeit des § 708 BGB auf die Vorstandsmitglieder des nicht eingetragenen wie des eingetragenen Vereins folgt bereits aus der Natur der Sache: die körperschaftliche Handlungsverfassung gewährt nicht ausreichend ein Prinzip der aktiven Selbstkontrolle, so dass für die beschränkte Diligenzpflicht des § 708 BGB kein Raum ist 69 .

Löst man sich bei der vorstehenden Betrachtung von den Begriffen Gesellschaft und Verein, so hat man den hier entwickelten Ansatz. Es besteht ein einheitlicher, mit Rechts- und Parteifähigkeit ausgestatteter Grundverband (juristische Person), der in der einen oder anderen Weise nach Herzenslust der Gründer im Rahmen der allgemeinen Grundsätze des Gesellschaftsrechts ausgeformt werden kann.

III. Die §§ 54 S. 1,705 ff. BGB und die Lehre vom Typenzwang

Gerade die Vorschriften der §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB widerlegen den überkommenen Gedanken des Typenzwangs, der zudem in der heutigen gesellschaftsrechtlichen Diskussion keine Rolle mehr spielt 70 . Die Lehre vom Typenzwang besagte, 66 Vgl. BGH, in: NJW 1979, 2304 (2305) „Forum S", Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141 / 78. Zu § 54 BGB äußert sich der BGH so: „Es besteht aber heute, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, weitgehend Einigkeit, daß diese Vorschrift wegen ihres nicht mehr vertretbaren politischen Zwecks keine Gültigkeit mehr beanspruchen kann". 67 BGHZ 42, 210, Urt. v. 06. 10. 1964, Az: V I ZR 176/63; BGHZ 50, 325, Urt. v. 11.07. 1968, Az: VII ZR 63/66. 68 BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00; K. Schmidt, NJW 2001,993(1002 f.). 69 Vgl. Erman-//. Ρ Westermann, 10. Auflage 2000, § 708, Rdnr. 3; schon: RGZ 143, 212 (214 f.), Urt. v. 18. 01. 1934, Az: IV 369/33. 70 Ablehnend: Flume , Die Personengesellschaft, § 13 I = S. 189 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III 3 = S. 126. 2

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

dass die für die Personengesellschaft typischen Züge im Wege der Gestaltungsfreiheit niemals so verändert werden könnten, dass der einzelne Grundtypus dadurch seinen Charakter verliere. Die Beteiligten seien an die Gesellschaftstypen in der Art gebunden, dass sie zwar im einzelnen zulässige Abweichungen vereinbaren, nicht aber den gewählten Typus in seiner Grundstruktur verändern oder aber einen im Gesetz nicht vorgesehenen Typus einführen könnten. Es handele sich hierbei um immanente, im Wesen der Privatrechtsordnung gelegene Schranken der Privatrechtsordnung. Selbst dort also, wo Gestaltungsfreiheit herrscht, müssten die zwingenden gesellschaftsrechtlichen Ordnungsprinzipien, auf denen die einzelnen Gesellschaftstypen aufbauen, gewahrt und deutlich erkennbar bleiben 71 : zu diesen zwingenden Typenmerkmalen gehöre auch die Selbstorganschaft 72. Neben allen anderen Bedenken gegen einen Typenzwang (siehe § 21 A IV) zeigt gerade die Vorschrift des § 54 S. 1 BGB, dass es mit dem Typenzwang nicht soweit her ist: der Gesetzgeber hat bewusst die Tür geöffnet, im Rahmen der Privatautonomie den einen Extremtypus (Gesellschaft) in den anderen Extremtypus (Verein) zu verformen. Dass die Vorschriften der §§ 705 ff. BGB nachgiebig genug sind, um dem Gesellschaftsvertrag (Satzung) die Sprengung des personalistischen Rahmens der Gesellschaft zu gestatten, mag zwar seltsam wirken, ist aber die - vom Gesetzgeber erkannte und gewollte 73 - Folge der Verweisung des Rechts des nicht eingetragenen Vereins auf das Gesellschaftsrecht, § 54 S. 1 BGB 7 4 . Es ist sogar besonders zu betonen, dass eine satzungsmäßige Abänderung des gesetzlich fixierten Gesellschaftsrechts der §§ 705 ff. BGB in Richtung Körperschaftsrecht nicht nur möglich, sondern sogar essentiell notwendig ist, da sonst nach der Konzeption des BGB ein nicht eingetragener Verein, für den das Gesetz doch Sondervorschriften bereit hält, niemals vorliegen könnte 75 . Ja, die Änderungen der gesetzestypischen Organisationsstruktur der Gesellschaft müssen sogar insgesamt so beschaffen sein, dass sie mit dem personalistischen Bild der einfachen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in Widerspruch stehen, denn sie sollen ja bewirken, dass ein körperschaftlich verfasster Verband entsteht.

IV. Die Haftung im nicht eingetragenen Verband

Eine Unterscheidung zwischen nicht eingetragenem Verein und der BGB-Gesellschaft ist auch nicht aus haftungsrechtlicher Sicht geboten. Die Gesellschafter71

Grundlegend: Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 35 ff. 72 Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 81. 73 Mugdan I, S. 641 f. 74

Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 14. 5 Vgl. RG, in: Gruchot's Archiv, Bd. 49 (1905), 1014 (1015), Urt. v. 18. 11. 1904, Az: III 216/1904: nicht eingetragener Verein als körperschaftlich organisierte Gesellschaft; Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 14. 7

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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bzw. Mitgliederhaftung richtet sich nach der wirtschaftlichen oder idealen Zweckverfolgung des Verbandes und nicht nach der mehr oder weniger zufälligen Einordnung des Verbandes als Verein oder Gesellschaft. Innerhalb des Idealverbandes haften die Gesellschafter grundsätzlich nicht für die Verbandsschulden. Das ist aber nicht das Ergebnis eines irgendwie rechtsgeschäftlich begründeten Haftungsausschlusses, sondern eine institutionelle Haftungsbeschränkung, die an der Zweckverfolgung und nicht am körperschaftlichen oder personalistischen Charakter der Gesellschaft festzumachen ist. Wie sich in § 18 zeigen wird, verlangt auch die Vorschrift des § 54 S. 2 BGB (§§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG) keine Unterscheidung zwischen nicht eingetragenem Verein und BGB-Gesellschaft.

1. Die Haftung im nicht eingetragenen Verein

76

Hinsichtlich der Haftung im nicht eingetragenen Verein ist zu differenzieren, ob es sich um einen wirtschaftlichen (§ 22 BGB) oder einen Idealverein handelt. Hinsichtlich des Idealvereins besteht Einigkeit, dass eine Haftung der Verbandsmitglieder für die Verbandsschulden nicht in Betracht kommt. Das ist aber nicht die Folge - auch stillschweigend möglicher 77 - haftungsbeschränkender Satzungsvorschriften, wie es das Reichsgericht im Anschluss an Otto von Gierke annahm78, zumal diese Lösung bei gesetzlich begründeten Verbindlichkeiten versagen muss79. Auch aus § 54 S. 2 BGB lässt sich die Haftungsbeschränkung nicht herleiten 80 . Der Grund dafür, dass die Mitglieder des nicht eingetragenen Idealvereins 76 Vgl. dazu ausführlich: K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 214 ff. 77 Besonders deutlich: RG, in: JW 1907, 136, Urt. v. 10. 01. 1907, Az: V I 155/06. 78 ZB RGZ 63, 62 (64 f.), Urt. v. 16. 03. 1906, Az: II 355/05. Durch die Vereinssatzung wird die Vertretungsmacht des Vorstandes dahin beschränkt, dass er eine persönliche Haftung der Mitglieder über das Verbandsvermögen hinaus nicht begründen kann (vgl. auch RG, in: JW 1910, 227 (227 f.), Urt. v. 01. 02. 1910, Az: III 118/09); Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 38 f.; vgl. auch die diesbezüglichen Beratungen der zweiten Kommission, Mugdan I, S. 641. 79 Münchener Kommentar -Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 26; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 III 2 a = S. 754. so RGZ 90, 173 (177), Urt. v. 24. 04. 1917, Az: III 10/17; Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54 Rdnr. 24; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 III 2 a = S. 753, der die Begründung über § 54 S. 2 BGB evident unrichtig nennt: aus § 54 S. 2 BGB folge nur die Haftung des Vorstandes, nicht aber die Nichthaftung der Mitglieder; derselbe, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 214. Anders noch: RG, in: JW 1907, 136, Urt. v. 10. 01. 1907, Az: VI 155/06; RG, in: JW 1910, 227 (228), Urt. v. 01. 02. 1910, Az: III 118/09. Dass durch § 54 S. 2 BGB die Haftung der Mitglieder für die Vereinsverbindlichkeiten nicht berührt werden sollte, entsprach dem Willen der zweiten Kommission (Mugdan I, S. 641).

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

nicht haften, resultiert aus anderem 81: wie der eingetragene Verein ist der nicht eingetragene Verein (als juristische Person) selbständiges Verpflichtungssubjekt. Träger der Vereinsschulden, sowohl der rechtsgeschäftlich- wie der gesetzlich begründeten Verbindlichkeiten ist der Verein als solcher, und nicht die streng von ihm zu scheidenden Mitglieder. Mit seinem gesamten Vermögen einstehen muss also der nicht eingetragene Verein für seine Schulden. Erkennt man die Rechtsträgereigenschaft des nicht eingetragenen Verbandes an, so bedarf nicht mehr die Ausschließung der Mitgliederhaftung, sondern deren Annahme der positiven Begründung 82. Eine solche ist aber beim Idealverein nicht zu sehen83. Beim nicht eingetragenen Idealverein haften die Mitglieder demnach nicht für die Gesellschaftsschulden. Anders ist dies naturgemäß beim nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein. Hier greift der allgemeine Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet, solange eine Haftungsbefreiung nicht durch Eintragung verdient wurde oder mit dem Vertragspartner eine Haftungsbeschränkung vereinbart wurde 84 . Demnach haftet grundsätzlich jedes Mitglied eines wirtschaftlichen nicht eingetragenen85 Verbandes unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen 86, unabhängig davon, ob es sich um einen nicht eingetragenen Verein oder um eine einfache Gesellschaft des bürgerlichen Rechts handelt. D.h. sowohl der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als auch das Mitglied eines nicht konzessionierten wirtschaftlichen Vereins haften für die Verbandsschulden persönlich mit ihrem gesamten Vermögen 87. 81 Münchener Kommentar-/tewfe>; 3. Auflage, § 54, Rdnr. 26; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 III 2 b = S. 754 f.; vgl. auch: Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 24. 82 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 18 IV 1 b = S. 537 ff. 83 Der Grundsatz der unbeschränkten Haftung gilt nur bei wirtschaftlichen Verbänden: Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, § 16 IV 4, 5 = S. 327 ff., 330 ff. passim; BGHZ 134, 333 (335), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94; BGHZ 142, 315 (319), Urt. v. 27.09. 1999, Az: II ZR 371 /98; BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: I I ZR 331 /00. S4 BGHZ 134, 333 (335), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: I I ZR 123/94; BGHZ 142, 315 (319), Urt. v. 27. 09. 1999, Az: II ZR 371/98; BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: I I ZR 331 /00; Flume, Die Personengesellschaft, § 16IV 5 = S. 330 ff. 85 Das heißt natürlich nicht, dass die Eintragung als solche von der Haftung befreien würde (vgl. oHG oder Genossenschaft mit Nachschusspflicht), aber sie ist doch Voraussetzung der Haftungsbeschränkung. 56 Unklar Reuter, FS-Semler, S. 931 (950). Vgl. Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 3 S. 138 f. 57 Vgl. Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (518); Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 25; Münchener Kommentar-Ztewtef; 3. Auflage, § 54, Rdnr. 28 ff. Soweit der BGH in seiner „Forum S"-Entscheidung (BGH, in: NJW 1979, 2304 (2306) „Forum S", Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141 /78) für einen wirtschaftlichen Verein eine Beschränkung der Haftung der Mitglieder auf das Vereinsvermögen durch satzungsmäßige Beschränkung der Vollmacht des Vorstandes für möglich gehalten hat, ist dies durch die neue Rechtsprechung zur Haftung in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (und der Vor-GmbH) überholt.

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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2. Die Haftung in der (nicht eingetragenen) einfachen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Für die - ebenfalls nicht eingetragene - Gesellschaft des bürgerlichen Rechts kann nach dem heutigen Stande der Dogmatik nichts anderes gelten als für den nicht eingetragenen Verein. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist juristische Person 88. Schuldner der Gesellschaftsverbindlichkeiten ist die Gesellschaft. Besonders zu begründen ist und bleibt die Haftung der Verbandsmitglieder für die Gesellschaftsschulden 89. Diese Begründung ist für die wirtschaftlich tätige Gesellschaft offenkundig, nicht aber für die Idealgesellschaft. Was für die wirtschaftlich 9 0 tätige - nicht eingetragene - Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gilt, besagt der Leitsatz von BGHZ 142, 315: „Für die im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründeten Verbindlichkeiten haften die Gesellschafter kraft Gesetzes auch persönlich. Die Haftung kann nicht durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen, nur beschränkt für diese Verpflichtungen einzustehen, verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden, sondern nur durch eine individual vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden" 91 .

Die Haftung folgt aus dem schon bekannten Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts. Wirtschaftliche Tätigkeit zieht grundsätzlich eine unbeschränkte Haftung nach sich, soweit sich nicht durch das Gesetz ein anderes ergibt oder eine Haftungsbeschränkung mit dem Vertragspartner vereinbart wurde. Solange die Gesellschaft also nicht in einer Rechtsform mit Haftungsbeschränkung eingetragen ist, haften alle Gesellschafter entsprechend § 128 HGB unbeschränkt. Anders ist die Lage in der Idealgesellschaft. Für sie kann grundsätzlich nichts anders gelten, als für den nicht eingetragenen Idealverein 92. Die Gesellschaft haftet für ihre Verbindlichkeiten. Ohne einen besonderen, zusätzlichen Verpflichtungsgrund haften die Gesellschafter einer ideal tätigen Gesellschaft nicht. Dabei handelt es sich wie beim Idealverein um eine institutionelle Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen und nicht um eine irgendwie geartete rechtsge-

88 Vgl. BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00: Die GbR ist prinzipiell rechts- und parteifähig. 89 Vgl. allgemein: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 18 IV 1 b = S. 537 ff.; vgl. für die nicht eingetragene Idealgesellschaft: Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 26; Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 24: aus der Rechtsfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins folgt, dass ohne besonderen Verpflichtungsgrund die Vereinsmitglieder für die Vereinsschulden nicht haften. 90 BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331 /00. Die Haftung der Mitglieder einer wirtschaftlich tätigen GbR gestaltet sich ähnlich der Haftung in der oHG. 91 BGHZ 142, 315 Lt., Urt. v. 27. 09. 1999, Az: II ZR 371 /98. Hervorhebung durch den Verfasser. 92 Flume, Die Personengesellschaft, § 16 IV 5 = S. 331.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

schäftliche Haftungsbeschränkung. Dementsprechend findet man noch heute in der Literatur im Anschluss an die „Bninnenbau-Komitee"-Entscheidung des OLG Breslau vom 18. Februar 1916 93 die Feststellung: „Personen, die sich zur Erreichung eines gemeinnützigen Zweckes zusammengetan haben, haften nicht persönlich" 9 4 . Das OLG führte aus: „Das (Anm.: die persönliche Verpflichtung der Gesellschafter) ist ohne weiteres zu verneinen. Denn für den Kläger mußte es, wie für jeden anderen klar sein, daß die Personen, die ihre Bemühungen dem erwähnten gemeinnützigen Zwecke widmeten, das nur unter der Voraussetzung taten, daß sie ausreichende Mittel zusammenbrachten. Niemand kann unter solchen Umständen damit rechnen, daß die vereinigten Personen auf eigene Kosten handeln wollen, es müßte denn für die Annahme eines dahingehenden Willens ein ganz besonderer Anhalt gegeben sein, was hier nicht behauptet wird. Wer mit einer derartigen Vereinigung sich auf Rechtsgeschäfte einläßt, kann also nur damit rechnen, daß die Personen nicht für sich selbst, sondern nur für die von ihnen repräsentierten Mittel Verpflichtungen eingehen"95.

Die Entscheidung sagt, was für den nicht eingetragenen Idealverein heute Allgemeingut ist. Weil es an einem (rechtspolitischen) Grund für die Haftung der Mitglieder eines Idealverbandes fehlt, müssen die Gesellschafter einer Idealgesellschaft, sofern es an einem besonderen Verpflichtungsgrund fehlt, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haften. Zusammenfassend ist daher zu sagen: die Mitglieder eines nicht eingetragenen Idealverbandes des bürgerlichen Rechts haften grundsätzlich für die Verbandsverbindlichkeiten nicht, während umgekehrt bei wirtschaftlicher Tätigkeit des Verbandes die Mitglieder entsprechend § 128 HGB mit ihrem Vermögen für die Verbandsverbindlichkeiten einzustehen haben. Diese Haftung oder eben auch Nichthaftung tritt unabhängig davon ein, ob es sich um einen Verein oder eine Gesellschaft handelt. Es wäre auch kaum zu rechtfertigen, dass bei einem Verband, dessen Organisation irgendwo zwischen Vereins- und Gesellschaftsverfassung steht, die Haftung davon abhängen soll, ob er mehr körperschaftlich oder mehr personalistisch organisiert ist. Flume hat noch das Bedenken, dass einer institutionellen Haftungsbeschränkung der Idealgesellschaft entgegenstehen kann, dass es - anders als regelmäßig beim Verein - zu keiner deutlichen Trennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen kommt und sich in Hinblick darauf eine Haftungsbeschränkung verbieten könnte 96 . Dazu ist zu bemerken: die Gesellschaft ist rechtsfähig, also Träger ihres eigenen Vermögens. Kommt es nun wirklich zu einer Vermischung zwischen 93 OLG Breslau, in OLGRspr. 32, 362 (363), Urt. v. 18. 02. 1917 (7. Zivilsenat): Vier Personen hatten sich zu einem Komitee (Idealgesellschaft) zusammengeschlossen, um für die Allgemeinheit einen Brunnen zu bohren. 94

Soergel-Schultze-v. Lasaulx, 10. Auflage, § 714, Anm. 9; ebenso: Harry Westermann, Personengesellschaftsrecht, 4. Auflage 1979, Rdnr. 379; gegen das OLG Breslau: Nicknig, Die Haftung der Mitglieder einer BGB-Gesellschaft für Gesellschaftsschulden, S. 19. 95 OLG Breslau, in OLGRspr. 32, 362 (363), Urt. v. 18. 02. 1917 (7. Zivilsenat). 96 Flume, Die Personengesellschaft, § 16IV 5 = S. 331.

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen, dann handelt es sich hierbei nicht um eine Besonderheit des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern um ein allgemeines verbandsrechtliches Problem der Durchgriffshaftung unter dem Gesichtspunkt der Sphären Vermischung. Die Gesellschafter einer Idealgesellschaft können die haftungsrechtliche Trennung der Vermögensmassen (Gesellschaftsund Gesellschaftervermögen) nur insoweit zu ihrem Vorteil in Anspruch nehmen, als sie auch die Voraussetzungen dieser Vermögenstrennung wahren 97. Aber das ist kein Sonderrecht der Idealgesellschaft des bürgerlichen Rechts, sondern Anwendung allgemeiner Grundsätze des Verbandsrechts. Den Gleichlauf der Haftung in Verein und Gesellschaft hatte schon der Gesetzgeber selbst mit seiner Verweisung auf das Gesellschaftsrecht angelegt. In den Beratungsprotokollen der zweiten Kommission heißt es insoweit: „Ob die Vereinsmitglieder neben den für sie handelnden Personen selbständig dem Dritten haftbar seien, sei nach den Vorschriften des Gesellschaftsrechts zu beurtheilen" 98.

V. Die gesetzlichen Sondervorschriften für den nicht eingetragenen Verein

Auch die gesetzlichen Sondervorschriften für den nicht eingetragenen Verein nötigen nicht dazu, die überkommene Differenzierung in Verein und Gesellschaft aufrechterhalten zu müssen. Sie lassen sich vielmehr auf allgemeine Rechtsgedanken zurückführen und gleichmäßig auf Verein und Gesellschaft anwenden. Das Gesetz hält für den nicht eingetragenen Verein einige Sonderregelungen bereit, die aber heute alle größtenteils obsolet geworden sind. In § 50 Abs. 2 ZPO ordnete der Gesetzgeber die passive Parteifähigkeit des nicht eingetragenen Vereins an und gem. § 735 ZPO genügte zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen des nicht eingetragenen Vereins ein gegen den Verein gerichtetes Urteil, während der einfachen Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Parteifähigkeit generell versagt wurde und zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen gem. § 736 ZPO ein Titel gegen alle Gesellschafter notwendig war. Durch die Anerkennung der aktiven wie passiven Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Konsequenz, dass zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein Titel gegen die Gesellschaft genügt99, haben sich diese Sondervorschriften für den nicht eingetragenen Verein erledigt. Über die Verweisung des § 54 S. 1 BGB folgt jetzt unmittelbar die aktive und passive Parteifähigkeit des nicht eingetragenen Vereins, inklusive der Folge, dass ein gegen den Verband erwirktes Urteil die Zwangsvollstreckung in das Vereinsvermögen trägt. 97 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 9 IV 2 = S. 242 ff. 98 Mugdan I, S. 641. 99 BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00; K. Schmidt, NJW 2001,993 (1003).

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

Die §§50 Abs. 2, 735 ZPO sollten verhindern, dass die gerichtliche Inanspruchnahme des nicht eingetragenen Vereins für den Gläubiger an der Schwierigkeit scheitert, eine große Zahl anonymer und wechselnder Mitglieder zu benennen. Deswegen wurde dem nicht eingetragenen Verein die passive Parteifähigkeit im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zuerkannt 100. Noch zur damaligen Rechtsanschauung ist zu bemerken, dass diese Vorschriften nicht nur auf den nicht eingetragenen Verein, sondern auch auf die körperschaftlich organisierte, insbesondere mitgliederstarke Gesellschaft anzuwenden gewesen wären, da die Interessenlage identisch war 1 0 1 .

Jetzt sind Verein und Gesellschaft einander gleichgestellt. Beide sind rechtsfähig und sowohl i m Zivilprozess wie i m Vollstreckungsverfahren parteifähig. Bleibt als Sondervorschrift des nicht eingetragenen Vereins nur die frühere Insolvenzreife, §§ 11 Abs. 1 S. 2, 19 Abs. 1 I n s O 1 0 2 . Schon bei Überschuldung (§ 19 Abs. 1 InsO) und nicht erst bei Zahlungsunfähigkeit ( § 1 7 Abs. 1 InsO), wie es das Gesetz für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die offene Handelsgesellschaft vorsieht (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), ist das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Allerdings haben sich im Insolvenzrecht nach Anerkennung der Insolvenzfähigkeit der einfachen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts durch den Gesetzgeber in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO die Unterschiede zwischen der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und dem nicht eingetragenen Verein weitgehend verflüchtigt. Die praktische Bedeutung der Überschuldung als Eröffnungsgrund ist im Insolvenzverfahren gering 103 . Beim Gläubigerantrag ist die Überschuldung für einen Außenstehenden schwer glaubhaft zu machen. Die Bewertung des Vermögens bzw. der einzelnen Vermögensteile bereitet Probleme. Beim Schuldnerantrag wird regelmäßig zugleich drohende Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO vorliegen. Bedeutsamer ist die Vorschrift daher in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB für zivilrechtliche Ersatzansprüche gegen den verbandsintern Insolvenzantragspflichtigen. Der Grund für die Ausdifferenzierung der Insolvenzantragsgründe liegt auf der Hand. Neben dem allgemeinen Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit tritt bei den juristischen Personen iSd §§ 11 Abs. 1, 19 Abs. 1 InsO zum Schutze des Rechtsverkehrs der zusätzliche Eröffnungsgrund der Überschuldung hinzu, denn diese Gesellschaften haften nur mit ihrem (beschränkten) Eigenkapital, und dieses ist i m Falle der Überschuldung aufgezehrt 1 0 4 . Diese Erwägungen passen auf den nicht eingetragenen Idealverein, denn hier haften die Verbandsmitglieder für die Verbandsschulden n i c h t 1 0 5 . Anders aber ist die Lage i m wirtschaftlichen nicht kon-

loo Vgl. nur Reuter, in: FS-Semler, S. 931 (932). ιοί Vgl. Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (517). ι 0 2 Insoweit hat sich die Rechtslage zur KO nicht verändert (vgl. Schmidt-Räntsch, Insolvenzordnung mit Einführungsgesetz, Erläuternde Darstellung des neuen Rechts anhand der Materialien, 1. Auflage, 1995, § 11, Rdnr. 1 f., § 19, Rdnr. 1). 103 Vgl. Frankfurter Kommentar-Schmerbach, InsO, 2. Auflage, 1999, § 19, Rdnr. 2. 104 Heidelberger Kommentar-Kirchhof, InsO, 1999, § 19, Rdnr. 2. ι 0 5 Münchener Kommentai-Reuter, lage, § 54, Rdnr. 24.

3. Auflage, § 54, Rdnr. 26; Soergel-Hadding, 12. Auf-

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zessionierten Verein. Hier ist - bei allen Unterschieden in der Sache - geklärt, dass die Mitglieder mit ihrem gesamten Vermögen für die Verbandsschulden haften 106 . Denn nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts haftet derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen wirtschaftlich tätig wird, für die daraus entstehenden Verpflichtungen persönlich und unbeschränkt, soweit das Gesetz nicht etwas anderes bestimmt 107 . Insoweit entspricht die Haftung der Mitglieder eines nicht eingetragenen wirtschaftlichen Vereins der Haftung einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft, die entsprechend § 128 HGB haftet. Der Grund, sie unter § 19 Abs. 1 InsO zu fassen, ist demnach weggefallen; die Interessenlage ist insoweit nicht anders als bei der einfachen Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrem großen Bruder, der offenen Handelsgesellschaft, für die der besondere Insolvenzgrund der Überschuldung, gerade wegen der unbeschränkten Haftung nicht gilt. Andererseits ist an die Idealgesellschaft zu denken, für die haftungsmäßig nichts anders gelten kann als für den nicht eingetragenen Idealverein 108 . Hier haften die Gesellschafter für die Schulden des Verbandes nicht. Die Haftungsmasse ist daher wie beim nicht eingetragenen Verein auf das Verbandsvermögen beschränkt. Nach dem strengen Gesetzeswortlaut gilt aber auch für die Idealgesellschaft nur der Haftungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§§ 11 Abs. 2 Nr. 1, 17 Abs. 1 InsO). Der Gesetzgeber hat diesen Wertungswiderspruch, soweit sich erkennen lässt, nicht gesehen109. Seine in § 11 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Nr. 1 InsO vorgenommene Differenzierung zwischen dem nicht eingetragenen Verein und der nicht eingetragenen einfachen Gesellschaft bürgerlichen Rechts genügt nicht dem eigenen, von § 19 Abs. 1 InsO verfolgten Ziel 1 1 0 . Er hatte bei Abfassung dieser Vorschrift den nicht eingetragenen Idealverein und die wirtschaftlich tätige Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor Augen, hat aber den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein und die Idealgesellschaft bürgerlichen Rechts übersehen. Die vorzunehmende Differenzierung ist daher nicht Verein oder 106 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 3 = S. 139; Soergei-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 25; vgl. Münchener Kommentar-Ztewtef; 3. Auflage, § 54, Rdnr. 28 ff. 107 BGHZ 134, 333 (335), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: I I ZR 123/94; BGHZ 142, 315 (319), Urt. v. 27. 09. 1999, Az: I I ZR 371/98; BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00; Flume, Die Personengesellschaft, § 16 IV 5 = S. 330 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 18 IV 1 b bb = S. 538 f. los Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, § 16 IV 5 = S. 331; so: OLG Breslau, in: OLGRspr. 32, 362 (363), Urt. v. 18. 02. 1918 (7. Zivilsenat); zustimmend: SoevgzX-SchultzeV. Lasaulx, 10. Auflage, § 714, Anm. 9; Harry Westermann, Personengesellschaftsrecht, 4. Auflage 1979, Rdnr. 379; gegen das OLG Breslau: Nicknig, Die Haftung der Mitglieder einer BGB-Gesellschaft für Gesellschaftsschulden, S. 19. 109 Vgl. Schmidt-Räntsch, Insolvenzordnung mit Einführungsgesetz, Erläuternde Darstellung des neuen Rechts anhand der Materialien, 1. Auflage, 1995, § 11, § 17, § 19. Erwägungen zu diesem Problemkreisen fehlen. no Dass der Gesetzgeber trotz der persönlichen Haftbarkeit des Komplementärs die KGaA unter § 19 Abs. 1 InsO packt, resultiert daraus, dass er der persönlichen Haftung neben dem Aktienkapital nur eine untergeordnete Rolle zuweist (vgl. Denkschrift, S. 176).

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Gesellschaft, sondern wirtschaftliche oder ideale Betätigung des in Frage stehenden Verbandes, egal ob dieser nun als nicht eingetragener Verein oder als Gesellschaft einzuordnen ist. Zur Begründung kann auch darauf verwiesen werden, dass für den Bereich des nicht eingetragenen wirtschaftlichen Vereins, der ein Handelsgewerbe betreibt, also gem. §§ 54 S. 1, 705 BGB, 105 HGB eine offene Handelsgesellschaft ist, überwiegend angenommen wird, dass die Sondervorschriften für den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein, also insbesondere die früheren §§ 213, 207 Abs. 1 KO, durch die Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft verdrängt wurden, also an die Stelle der frühen Konkursreife bei Uberschuldung der Konkursgrund der Zahlungsfähigkeit trete (§ 209 Abs. 1 S. 1 KO) 1 1 1 . Da im nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein die Gesellschafter stets mit ihrem gesamten Vermögen haften, ist eine Differenzierung danach, ob ein Handelsgewerbe betrieben wird oder nicht, nicht mehr gerechtfertigt. Auch der Hinweis auf die Lage bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, die ebenfalls der frühen Insolvenzreife der Überschuldung unterliegt (§§ 11, 19 InsO, 209 Abs. 1 S. 2 KO), zieht nicht, da bei ihr ausweislich der Überlegungen des HGB-Gesetzgebers der Schwerpunkt der Gläubigersicherung auf dem Aktienkapital liegt und die persönliche Haftung der Gesellschafter nur eine untergeordnete Rolle spielt 112 . Gerade für Reuter war die typologische Unterscheidung zwischen Gesellschaft und Verein unverzichtbar, da es galt, den Geltungsanspruch der Sondervorschriften über den nicht eingetragenen Verein durchzusetzen 113 . Dieses Anliegen hat sich erledigt. A u f die Vorschrift des § 54 S. 2 BGB wird in § 18 eingegangen. Auch ihr liegt in Verbund mit den §§11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 A k t G ein allgemeiner verbandsrechtlicher Gedanke zugrunde, der auch auf die BGB-Gesellschaft und die Vorgenossenschaft passt. Die (subsidiäre) Handelndenhaftung ist Ausgleich der fehlenden Registerpublizität. Die handelnde Person kann ihr durch Ermöglichung der Rechtsverfolgung gegen Gesellschaft und Gesellschafter entgehen.

VI. Die Handlungsverfassung des nicht eingetragenen Vereins Die Handlungsverfassung des nicht eingetragenen Idealvereins entspricht nach heute allgemeiner Auffassung der des eingetragenen Vereins, die in den § § 2 6 ff. B G B positiviert i s t 1 1 4 . Der Verein hat ein abstraktes Handlungsorgan, den Vor111 Vgl. nur Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 3; Flume , ZHR Bd. 148 (1984), 503 (517); krit. dazu: Reuter, FS-Semler, S. 931 (952): Sofern Reuter geltend macht, dass bei den Vereinen iwS (AG, Gen, GmbH) der Kredit an der Vereinigung und nicht an den Mitgliedern anknüpfe, und daher der Sonderbestimmung für den nicht eingetragenen Vereins bezüglich der frühen Insolvenzantragspflicht auch beim Betrieb eines Handelsgewerbes der Vorzug vor dem Recht der offenen Handelsgesellschaft einzuräumen sei, ist dagegen anzumerken, dass es dem Gesetzgeber ausweislich der Wertung des § 130a HGB primär auf die Haftung der Gesellschafter ankommt. 112 Denkschrift, S. 176. 113 Reuter, FS-Semler, S. 931 (937 f.).

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stand, der von der Mitgliederversammlung als dem Gesellschafterorgan bestellt wird. Hier gilt, wohl unbestritten, das Prinzip der Dritt- oder Fremdorganschaft, d. h. auch Nichtmitglieder können zum Vorstandsmitglied bestellt werden 115 . Der nicht eingetragene Verein ist - wenn man so will - ein Anwendungsbeispiel der entsprechend der Prinzipien der abstrakten Organverwaltung verfassten BGB-Gesellschaft. Während die wohl überwiegende Meinung nicht zwischen wirtschaftlichen Verein und Idealverein differenziert, wenn sie beim nicht eingetragenen Verein Fremdorganschaft zulässt 116 , möchte Reuter gerade beim wirtschaftlichen „nicht rechtsfähigen" Verein am personengesellschaftsrechtlichen Prinzip der Selbstorganschaft festhalten 117. Zwar verkennt Reuter nicht, dass dies nicht weniger der Natur der Sache widerspreche als beim Idealverein, er rechtfertigt dies aber mit einem angeblichen Steuerungszweck der §§ 22, 54 BGB. Zudem verweist er auf einen de lege lata untrennbaren Zusammenhang zwischen persönlicher Haftung und Selbstorganschaft 118. Aber Reuters Differenzierung findet im Gesetz keine Grundlage. § 54 S. 1 BGB gilt für den wirtschaftlichen wie für den ideellen Verein: § 54 S. 1 BGB steht im Gesetzesabschnitt über die allgemeinen Vereins Vorschriften und bezieht sich daher systematisch auf den nicht wirtschaftlichen (§21 BGB) wie auf den wirtschaftlichen Verein (§ 22 BGB) 1 1 9 , zumal sich auf der materiellen Ebene keine Wertungskriterien finden, die eine fremdorganschaftliche Handlungsverfassung in wirtschaftlichen Verbänden selbst bei unbeschränkter Gesellschafterhaftung ausschlössen: man denke nur an die Partenreederei; die Stellung des Vereinsvorstandes wird wegen § 27 Abs. 3 BGB nicht freier sein als die eines Korrespondentreeders (vgl. § 15, siehe auch § 21). Nitschke scheint beim nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein Fremdorganschaft zulassen zu wollen; dies wird für ihn aber erst durch § 54 S. 2 BGB, also die eigene unbeschränkte Haftung des Handelnden, erträglich. Die Handelndenhaftung fungiert für ihn als Korrektiv der Rechtsmacht, andere unbeschränkt zu verpflichten 120 . Aber auch dies liegt neben der Sache. Zum einen kennt das deutsche Recht ein solches Korrektiv nicht, wie 114 Münchener Kommentar-Ttewfój; 3. Auflage, § 54, Rdnr. 20; Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 12. us RG, in: Das Recht 1912 Nr. 967, Urt. v. 23. 01. 1912, Az: VII 357/11: „Die Willensorgane eines nicht rechtsfähigen Vereins können auch aus Nichtmitgliedern bestehen". Soerge\-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 14; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 1 = S. 228 f.; Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 20.

116 Vgl. Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 14. 117 Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 21. 118 Münchener Kommentar-Ttei/ter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 21 unter Hinweis auf Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 240 ff. 119 Beuthien, ZIP 1996, 305 (307); Erman-//. R Westermann, 10. Auflage 2000, § 54, Rdnr. 3. 12° Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 1 = S. 229 f., § 13 IV 3 = S. 245.

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das Beispiel des geschäftsführenden Kommanditisten zeigt, zum anderen wird der Handelnde durch die Handelndenhaftung entsprechend §§ 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG nicht beschwert, wenn er dem Dritten die Rechtsverfolgung gegen den Verband und seine Mitglieder ermöglicht.

C. Der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein und die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft Die Anerkennung eines nicht konzessionierten Vereins kann nicht ohne Rückwirkung auf das Recht der offenen Handelsgesellschaft bleiben. Der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein, der unterhalb der Schwelle zum Handelsgewerbe (§ 1 Abs. 2 HGB) gewerblich tätig wird, ist eine körperschaftlich, insbesondere fremdorganschaftlich, verfasste, wirtschaftlich tätige BGB-Gesellschaft. Dies folgt unmittelbar aus dem Gesetz, §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB. Mit Überschreitung der Schwelle zum kaufmännisch eingerichteten Gewerbetrieb wird die körperschaftlich organisierte BGB-Gesellschaft gem. § 105 Abs. 1 BGB zur offenen Handelsgesellschaft. Dabei knüpft der Begriff der Gesellschaft iSd § 105 HGB am Gesellschaftsbegriff der §§ 705 ff. BGB an, vgl. § 105 Abs. 3 HGB. Auch wenn das Regelungsprogramm der §§ 105 ff. HGB darauf nicht vorbereitet ist, kennt doch das Recht der offenen Handelsgesellschaft über die Normenkette der §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB, 105 HGB die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft.

I. Anwendbares Normenprogramm

Grundsätzlich kann man heute mit guten Gewissen sagen, dass auf den nicht eingetragenen Verein die Vorschriften des Vereinsrechts (§§ 25 ff. BGB) Anwendung finden, soweit sie nicht die Eintragung des Vereins voraussetzen. Allerdings gilt diese Äußerung ohne „Wenn und Aber" nur für den Idealverein. Für den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein sind Modifizierungen aus dem Recht der §§ 705 ff. BGB notwendig 121 . Die Vorschriften des BGB-Vereinsrechts, nicht nur die §§ 25 ff. BGB, sind auf den Ideal verein zugeschnitten122 und passen daher für den wirtschaftlichen Verein nicht. Hier muss ergänzend Gesellschaftsrecht heran121 Vgl. Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 3 = S. 140 ff. 122 Protokolle I, S. 534 f. hinsichtlich § 39 S. 2 BGB: „Das Gesetz müsse auch hier von der Unübertragbarkeit ausgehen, weil dies der Natur der hier vorzugsweise in Betracht kommenden Vereine mit idealen Tendenzen am Besten entspreche. Wo ein Bedürfnis zur Zulassung der Vertretung in der Ausübung der Mitgliedschaftsrechten vorliege, ζ. B. bei Vereinen, ... bei den vermögensrechtliche Zwecke verfolgenden Vereinen, könne den Statuten überlassen bleiben, abweichende Festsetzungen zu treffen". Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 3 = S. 141, § 4 I 2 a = S. 35 Fn. 12; StaudingerCoing, 12. Auflage, § 38, Rdnr. 2.

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gezogen werden. Ein Beispiel: dem aus einem wirtschaftlichen Verband Ausscheidenden steht grundsätzlich ein Abfindungsanspruch zu (§ 738 BGB). Die körperschaftliche Struktur des Verbandes ändert daran nichts. So hat der ausscheidende Genösse gem. § 73 GenG einen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben; in der GmbH ist das nicht anders 1 2 3 . So ist auf den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein grundsätzlich die Vorschrift des § 723 BGB und nicht § 39 BGB anzuwenden, da wegen des Abfindungsanspruchs und des Wegfalls der von dem Mitglied zu erbringenden Beitragsleistungen auch die vermögensmäßigen Interessen des Vereins erheblich betroffen sind 124 . Dieser Gedanke kommt deutlich in § 65 Abs. 2 S. 3 GenG zum Ausdruck. Durch die Novelle von 1973 125 wurde die höchstzulässige Kündigungsfrist von zwei auf fünf Jahre erhöht. Dadurch sollte der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Genossenschaft von ihren Mitgliedern Rechnung getragen werden 126 . Trotz körperschaftlicher Organisation kann demnach der wirtschaftliche Zweck eine weitergehende (über § 39 BGB hinaus) Bindung verlangen. Schon der von Schulze eingebrachte Gesetzentwurf über die privatrechtliche Stellung von Vereinen für den Norddeutschen Bund v. 4. Mai 1869 sah eine Trennung von wirtschaftlichen Vereinen und Idealvereinen vor 1 2 7 . In den Motiven wird ausgeführt: „Sodann lassen sich dieselben in einigen bei der Ordnung der privatrechtlichen Verhältnisse in Betracht kommenden Hauptstücke, wie ζ. B. der Haftpflicht der Mitglieder, der Vertretung nach außen, der Eintragung in öffentliche Register u.A. nicht unter dieselben Gesichtspunkte bringen, was schon allein genügt, jede der beiden Hauptgattungen getrennt, in einer ihren Bedürfnissen entsprechenden und dem öffentlichen Interesse entsprechenden Weise zu behandeln" 128 .

II. Grundsätzliches Nach Flume trifft die Verweisung des § 54 S. 1 B G B für den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein insgesamt ins Schwarze 1 2 9 . Es wäre einerseits unerträglich, wenn die Vereinsmitglieder ohne persönliche Haftung Geschäfte betreiben könnten, und ebenso unerträglich wäre es, wenn die Vereinsmitgliedschaft der Zwangs123

Zur Lage bei den Kapitalgesellschaften: Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 I I 3 = S. 141 f. 124 Flume , ZHR Bd. 148 (1984), 503 (520); iE BGH, NJW 1979, 2304, Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141/78 „Forum S". 125 Art. 1 Nr. 44 lit. a des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften vom 9. Oktober 1973, BGBl. I 1973, 1451. 126 BT-Drucksache VII/97, S. 26; vgl. Beuthien, GenG, 13. Auflage, 2000, § 65, Rdnr. 10. 127 Vgl. § 1 des Gesetzentwurfs, abgedruckt in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, I. Legislatur-Periode. - Session 1869, 3. Band, Aktenstück Nr. 164, S. 525. 128

Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, I. Legislatur-Periode. - Session 1869, 3. Band, Aktenstück Nr. 164, S. 525. 129 Flume, Die Personengesellschaft, § 7 I = S. 88; derselbe, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (517).

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V o l l s t r e c k u n g durch den Gläubiger eines Vereinsmitglieds entzogen wäre (§ 725 BGB) 1 3 0 . Nun trifft § 54 S. 1 BGB für den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein nicht mehr ins Schwarze als für den Idealverein. Die Mitgliederhaftung sowie die Verwertbarkeit der Mitgliedschaft ist Folge der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verbandes. Die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter rechtfertigt sich darin, dass sich die Mitglieder die Haftungsbefreiung nicht durch Eintragung - eventuell nach Erfüllung bestimmter Normativbedingungen oder nach dem Konzessionsprinzip - verdient haben; und ein Blick auf die §§ 725, 736 BGB, sowie das Recht der GmbH, Aktiengesellschaft und Genossenschaft zeigte, dass der in der Mitgliedschaft in einem wirtschaftlichen Verband verkörperte Vermögenswert in der einen oder anderen Form stets dem Zugriff der Gläubiger unterliegt 131 .

Soweit Flume im Ergebnis mit seinem Hinweis, dass das Gesellschaftsrecht der §§ 705 ff. BGB für den wirtschaftlich tätigen nicht eingetragenen Verein teilweise passt, zuzustimmen ist, so hat dies doch nichts mit der Frage - Verein oder Gesellschaft? - zu tun, sondern folgt aus dem wirtschaftlichen Zweck des in Frage stehenden Verbandes. Davon unberührt bleibt die trockene Feststellung, dass die auf Selbstorganschaft angelegten Vorschriften der Gesellschaft für die körperschaftliche Organisationsverfassung und die Frage nach Mehrheitsentscheidungen wenig hergeben. Hier bleibt das Vereinsrecht Maßstab, wobei man sich natürlich bei GmbH, Genossenschaft und Aktiengesellschaft Anleihen machen muss, da diese körperschaftlichen Handlungsorganisationen der wirtschaftlichen Zwecksetzung im weitaus größeren Maße gerecht werden (zB: Gesamtgeschäftsführung statt Mehrheitsgeschäftsführung). Auch Reuter sieht den Zweck des § 54 S. 1 B G B 1 3 2 für den wirtschaftlichen Verein als weiterhin gegeben an 1 3 3 . Durch die unpassenden Normen des Gesellschaftsrechts soll der wirtschaftliche Verein gezwungen werden, eine der Rechtsformen zu wählen, die das Gesetz für wirtschaftliche Vereine bereithält, also GmbH, Aktiengesellschaft und Genossenschaft, vgl. § 22 BGB 1 3 4 . Dabei geht es für Reuter nicht nur um das System der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, sondern 130 Flume, Die Personengesellschaft, § 7 I = S. 88. 131 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 3 = S. 142. 132 Mugdan I, S. 640: mit der Verweisung auf das unpassende Gesellschaftsrecht wollte der Gesetzgeber den nicht eingetragenen oder konzessionierten Verein dazu zwingen, sich um die Rechtsfähigkeit zu bemühen. 133 Vgl. Reuter, FS-Semler, S, 931 (940 f.). 134 Die Rechtsform des eingetragenen wirtschaftlichen Vereins gem. § 22 BGB kommt dagegen grundsätzlich nicht in Frage. Das BVerwG hat entschieden: „Die Verleihung der Rechtsfähigkeit an einen wirtschaftlichen Verein nach BGB § 22 kommt nur in Betracht, wenn es wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls für die Vereinigung unzumutbar ist, sich in einer der für rechtsfähige wirtschaftliche Zusammenschlüsse bundesgesetzlich bereitgestellten Rechtsformen (Anm. : GmbH, AG, eG) zu organisieren und auf diese Weise Rechtsfähigkeit zu erlangen" (BVerwG, in: NJW 1979, 2261 Lt. = BVerwGE 58, 26 , Urt. v. 24. 04. 1979, Az: 1 C 8/74).

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auch um den funktionsfähigen Schutz von Mitgliedergruppen, wie er in der modernen Gesetzgebung stattfindet. Allerdings muss Reuter konstatieren, dass durch die Handhabung des Gesellschaftsrechts der §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB, insbesondere zB durch die Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes für Publikumsgesellschaften als wirtschaftlichen Vereinen par Exellence 135 , der Zweck der §§ 22, 54 S. 1 BGB, die wirtschaftliche Vereine in die dafür vorgesehenen Rechtsformen zu zwingen, mehr vereitelt als erfüllt wird 1 3 6 . § 22 BGB will die relativ strengen Normativsysteme der klassischen juristischen Personen des Handelsrechts (GenG, GmbHG, AktG, VAG) vor der Umgehung durch die Wahl der Rechtsform des BGB-Vereins schützen137. Als besondere Gesichtspunkte des § 22 BGB lassen sich dabei herausstellen 138: • Schutz der Verbandsmitglieder • Sicherstellung einer handlungsfähigen Handlungsverfassung • Wahrung der Gläubigerinteressen. Die Konzessionierung als wirtschaftlicher Verein wird dem wirtschaftlichen Verein deswegen auferlegt, weil dem bei der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr in besonderem Maße erforderlichen Gläubigerschutz genügende Normativbestimmungen nicht vorhanden sind, solange die Gründer nicht den Regeln des GmbHG, GenG, AktG, VAG entsprechen. Die Anwendung des § 22 BGB geht daher in der Praxis dahin, die zur Erlangung der Rechtsfähigkeit erforderliche Verleihung in aller Regel zu versagen 139. Das Bundesverwaltungsgericht hat dementsprechend in einer ausführlich begründeten Entscheidung entschieden: „Die Verleihung der Rechtsfähigkeit an einen wirtschaftlichen Verein nach BGB § 22 kommt nur in Betracht, wenn es wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls für 135 Reuter, FS-Semler, S, 931 (944); Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, 1977, S. 48 ff.: Die Publikumsgesellschaften sind wirtschaftliche Vereine, denen nach der Wertung der §§ 22, 54 BGB entgegenzuwirken sei. 136

Münchener Kommentar-Ztewtef; 3. Auflage, § 54, Rdnr. 7. Zunächst folgert Reuter für den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein, dass über die Verweisung des § 54 S. 1 BGB der Grundsatz der Selbstorganschaft gilt (Reuter, FS-Semler, S. 931 (945); Münchener Komm&niai-Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 21), also die Gesamtheit der Mitglieder den Verein an etwa bestellten Fremdvorständen oder Geschäftsführern vorbei vertreten kann. Ebenso fordert Reuter, im Grundlagenbereich (Satzungsänderungen) am personengesellschaftsrechtlichen Einstimmigkeitsprinzip festzuhalten, muss aber zugeben, dass die Rechtsprechung hinsichtlich der Einschränkung des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Publikumsgesellschaften einen anderen Weg gegangen ist: also Mehrheitsrecht auch im Grundlagenbereich, wie dies für Körperschaften möglich ist (Reuter, FS-Semler, S. 931 (946 f.)). 137 BVerwG, in: NJW 1979, 2261 (2263) = BVerwGE 58, 26 , Urt. v. 24. 04. 1979, Az: 1 C 8/74; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 1 1 = S. 116. 138 K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Unersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 221 f.; Reuter, FS-Semler, S. 931 (940 f.). Vgl. auch: BVerwG, in: NJW 1979, 2261 (2264) = BVerwGE 58, 26 , Urt. v. 24. 04. 1979, Az: 1 C 8/74. 139 K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 223; BVerwG, in: NJW 1979, 2261 = BVerwGE 58, 26 , Urt. v. 24. 04. 1979, Az: 1 C 8/74. 2

Bergmann

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

die Vereinigung unzumutbar ist, sich in einer der für rechtsfähige wirtschaftliche Zusammenschlüsse bundesgesetzlich bereitgestellten Rechtsformen zu organisieren und auf diese Weise Rechtsfähigkeit zu erlangen" 140 . Allerdings ist zu beachten: § 22 BGB spricht kein Verbot aus, wirtschaftliche Vereine zu gründen, noch untersagt § 22 BGB den Betrieb eines Handelsgewerbes, sondern besagt nur, dass diesen grundsätzlich die „Rechtsfähigkeit" zu versagen ist 1 4 1 . Dabei muss man sich angesichts der modernen Gesamthandslehre, die zu einer Lehre der juristischen Person geworden ist, fragen, was mit „Rechtsfähigkeit" iSd § 22 BGB eigentlich noch gemeint sein kann 142 . Eigentlich kann dies primär nur Haftungsbeschränkung bedeuten143. Sofern mit der Konzessionierung eine Haftungsfreistellung verbunden ist, so ist eine solche in der Tat wegen der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht gerechtfertigt, solange kein Ausgleich, wie zB ein garantiertes Stammkapital an die Stelle der persönlichen Haftung der Gesellschafter tritt. Immerhin erlaubt es Art. 82 EGBGB den Ländern die innere Organisationsstruktur von wirtschaftlichen Vereinen, deren „Rechtsfähigkeit" auf staatlicher Verleihung beruht, zu regeln. Danach wäre es möglich, die Binnenstruktur wirtschaftlicher Vereine den zwingenden Schutzvorschriften des Kapitalgesellschafts-, bzw. Genossenschaftsrechts anzupassen144.

I I I . Das Betreiben eines Handelsgewerbes Heute zweifelt niemand mehr daran, dass der nicht eingetragene wirtschaftliche Verein, sofern er ein Handelsgewerbe betreibt, als offene Handelsgesellschaft, ansonsten als BGB-Gesellschaft einzuordnen i s t 1 4 5 . Doch ist bei der Formulierung Vorsicht geboten, wenn auch klar wird, worum es geht: die „zwangsweise" Anwendung von oHG-Recht auf einen körperschaftlich verfassten, wirtschaftlichen Verband. „Anwendung von oHG-Recht" kann dabei mehreres bedeuten 1 4 6 : • einmal kann es heißen, dass ein Verband, obwohl er nicht nach den typischen Merkmalen einer oHG organisiert ist, und daher nicht von vorneherein als eine solche erkennbar ist, zur offenen Handelsgesellschaft erklärt w i r d 1 4 7 ; 140 BVerwG, in: NJW 1979, 2261 Lt. = BVerwGE 58, 26 , Urt. v. 24. 04. 1979, Az: 1 C 8/ 74. 141

K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 229. ,42 Vgl. zur Rechtssubjektsqualität des nicht konzessionierten wirtschaftlichen Vereins, Reuter, FS-Semler, S. 931 (942 ff.). i « Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, 1977, S. 51. 1 44 Münchener Kommentar-Papier/Säcker, Art. 82 EGBGB, Rdnr. 1. 145 Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (517 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 I 2 b = S. 741; vgl. Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 27; aA findet sich zB noch bei: Otto v. Gierke, Archiv für Bürgerliches Recht. Bd. 19 (1901), 114 (136). 146 Vgl. κ. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 198 f., der insgesamt vier Methoden unterscheidet; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 I 1 = S. 120 f.

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• die zweite Möglichkeit besteht darin, dass es sich bei dem in Frage stehenden Verband zwar in Wirklichkeit nicht um eine offene Handelsgesellschaft handelt, er aber doch wie eine solche behandelt wird. Der Bundesgerichtshof tendiert zur ersten Auffassung. Er hat ausgesprochen, dass „ein nichtrechtsfähiger Verein in Wirklichkeit offene Handelsgesellschaft ist" 1 4 8 . Von der Systematik des Gesetzes her, insbesondere bei Zugrundelegung der hier entwickelten Auffassung, ist ohne Zaudern der Auffassung der Vorzug zu geben, dass der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein, der ein Handelsgewerbe betreibt, eine offene Handelsgesellschaft ist. Das folgt ohne größere Schwierigkeiten aus dem Aufbau des Gesetzes. Der Weitung des § 54 S. 1 BGB folgend, ist der nicht eingetragene wirtschaftliche Verein eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft iSd §§ 705 BGB 1 4 9 . Dieser Gesellschaftsbegriff der §§ 705 BGB, auf den §105 HGB Bezug nimmt 1 5 0 , ist so umfassend, dass er auch den körperschaftlich verfassten Verband aufnimmt. Betreibt der nicht eingetragene wirtschaftliche Verein nun ein Handelsgewerbe, so ist er aufgrund der zwingenden Vorschrift des § 105 HGB offene Handelsgesellschaft und damit in das Handelsregister einzutragen. Betreibt der körperschaftlich verfasste Verband nur ein „minderkaufmännisches" Gewerbe oder eine Vermögensverwaltung kann er sich ins Handelsregister eintragen lassen und wird auf diese Weise zur offenen Handelsgesellschaft (§ 105 Abs. 2 HGB). Natürlich steht es dem wirtschaftlichen Verein auch frei, sich als Kommanditgesellschaft in das Handelsregister eintragen zu lassen, um auf diese Weise eine Haftungsbeschränkung der als Kommanditisten eingetragenen Verbandsmitglieder zu erreichen. Der insbesondere von Otto von Gierke geprägte Satz, dass der (nicht eingetragene) Verein eben keine Gesellschaft ist und sich deshalb eine Anwendung der §§ 105 ff. HGB verbiete 151 , ist bei der hier zugrunde gelegten Betrachtung überholt und macht eine Begründung der Anwendbarkeit der Vorschriften über die oHG nur unnötig schwierig. 147 In diese Richtung: KGJ 41, A 117, Beschluss v. 23. 06. 1911, Az: la X 529/11 „Posener Vereinsbäckerei 4': „Ein nicht rechtsfähiger Verein, der unter einer Firma ein Handelsgewerbe betreibt, stellt sich auch dann als offene Handelsgesellschaft dar, wenn in seiner Satzung die Haftung der Mitglieder auf die Einlage beschränkt ist". 148 BGHZ 22, 240 (244), Urt. v. 29. 11. 1956, Az: II ZR 282/55. 149 RG, in: Gruchot's Archiv Bd. 49 (1905), 1014 (1015), Uri. ν. 18. 11. 1904; vgl. auch KGJ 41, A 117 (119 f.), Beschluss v. 23. 06. 1911, Az: la X 529/11 „Posener Vereinsbäckerei"; Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 35 I 3 = S. 410 f.; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 261. AA: Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 12: „Der Verein ist keine Gesellschaft"; derselbe, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114 (136); unklar: RG, in: JW 1907, 136, Urt. v. 10. 01. 1907, Az: IV 155/06; RGZ 143,212(213), Urt. v. 18.01. 1934, IV 369/33. 150 Vgl. Denkschrift, S. 80; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 105, Rdnr. 1; allerdings ordnet der Kommentar den nicht eingetragenen Verein nicht zu den Personengesellschaften ein (Einl ν 105, Rdnr. 1). 151 Otto v. Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114 (136); derselbe, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 12 mit Fn. 20a; Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, 1977, S. 52. 24*

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Für das Verständnis der §§ 105 ff. HGB bringt dies die folgende Erkenntnis mit. Die Vorschriften des Handelsgesetzbuches über die offene Handelsgesellschaft knüpfen an die Vorschriften über die einfache, nicht eingetragene Gesellschaft des bürgerlichen Rechts an, die aber aufgrund der Verweisung des § 54 S. 1 BGB nicht nur die personalistische societas-orientierte Gesellschaft umfasst, sondern auch den körperschaftlich verfassten, mit abstrakten Organen ausgestatteten Verband. Der Begriff der einfachen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts umfasst mehr als nur den personalistischen Verband. Er hat sich zum nicht eingetragenen Grundverband entwickelt, der zutiefst personalistische wie körperschaftlich und fremdorganschaftlich verfasste Verbände, ideale wie wirtschaftliche Verbände erfasst. An diesem Begriff der Gesellschaft, also den wirtschaftlich tätigen „Grundverband" knüpfen die Vorschriften der §§105 ff. HGB an. Hat ein Verband nicht durch Erfüllung der Normativbedingungen und durch Eintragung eine „privilegierte" Sonderrechtsform angenommen (zB GmbH, Aktiengesellschaft) oder ist er auf dem besten Wege dorthin und wird als Vorgesellschaft anerkannt, gelten für ihn die Vorschriften der §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB über den nicht eingetragenen Grundverband. Verfolgt er einen wirtschaftlichen Zweck und betreibt ein Handelsgewerbe, fällt er unter die §§ 105 ff. HGB. Hinsichtlich der Haftung hat dies keine Konsequenzen, da auch im nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verband unbeschränkt gehaftet wird. Aber der Rechtsverkehr wird durch die weitgehende Registerpublizität eines solchen Verbandes geschützt, § 15 HGB. Dabei muss man sich bewusst sein, dass die Normen der §§ 105 ff. HGB, die den personalistischen Verband vor Augen haben, auf den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein, soweit es um die Handlungsorganisation geht, nur bedingt passen. Allerdings wurden durch die Neufassung des § 131 HGB durch das HRefG 152 zusätzliche körperschaftliche Elemente in das Recht der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft hineingetragen, nämlich eine zunehmende Unabhängigkeit des Bestandes der Gesellschaft von ihren Mitgliedern. Gleichwohl bleibt die gesetzestypische Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft dem gewachsenen personalistischen Bild der offenen Handelsgesellschaft aus dem 19. Jahrhundert verhaftet. Die Regelung der §§ 105 ff. HGB ist bis in alle Einzelheiten auf das System der Mitgliederselbstverwaltung, das die Selbstorganschaft darstellt, abgestimmt153. Von dieser gesetzespositiven personalistischen Ausgestaltung der Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft rühren die gefühlsmäßigen Schwierigkeiten her, die man hat, den körperschaftlich verfassten nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein als offene Handelsgesellschaft zu betrachten. Schon kurz nach Abfassung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs wurde klar, dass trotz eines bestehenden Bedürfnisses viele Vorschriften des oHG-Rechts auf Verbände von größerem Umfange und einer eventuellen unbeschränkten Beitrittsfähigkeit nicht passen154. Der 152 BGBl. I 1998, 1474. 153 H. Ρ Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 156.

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Grund dafür liegt eben darin, dass die Nürnberger Kommission bei ihren Beratungen zum ADHGB an solche „Vereine", also korporativ organisierte Verbände, nicht gedacht hat 1 5 5 . Die positiven Reglungen des BGB und des HGB kommen wirtschaftlich tätigen Verbänden insoweit entgegen, als es sich um personalistische Verbände handelt. Die §§ 705 ff. BGB für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die daran anknüpfenden Vorschriften der §§ 105 ff. HGB für den großen handelsrechtlichen Bruder geben das Bild eines wirtschaftlich tätigen personalistischen Verbandes wieder. Was dem Gesetz fehlt, ist ein gesetzlich fixiertes Regelungsprogramm für körperschaftlich organisierte Verbände, deren Mitglieder bereit sind, mit einer unbeschränkten Haftung dafür zu zahlen, dass sie die Normativbedingungen einer privilegierten Rechtsform (Genossenschaft, GmbH, Aktiengesellschaft) nicht erfüllen wollen oder können. Die Verweisung des § 54 S. 1 BGB bringt letztlich nicht viel, da sie nur auf - freilich dispositive - Vorschriften verweist, die den personalistischen Verband beschreiben. Im Gesetz fehlen dem Recht der offenen Handelsgesellschaft entsprechende Vorschriften über einen offenen Handels verein. Ein Meilenstein der Rechtsentwicklung ist insoweit der Fall der Posener Vereinsbäckerei, der i m Jahre 1911 die Gerichte bis hinauf zum Kammergericht beschäftigt h a t 1 5 6 . Ein „Verein" betrieb einen florierenden Bäckereibetrieb, der Backwaren sowohl an Mitglieder als auch Nichtmitglieder verkaufte. Das Amtsgericht Posen verlangte i m Ordnungsstrafverfahren die Anmeldung des Unternehmens als offene Handelsgesellschaft, verwarf den Einspruch und setzte die Ordnungsstrafe fest. Das Landgericht Posen hob auf Beschwerde der Vereinigung den Beschluss des Amtsgerichts auf, da es die Begriffsmerkmale der offenen Handelsgesellschaft, insbesondere die unbeschränkte Haftung der Mitglieder, vermisste. Das Kammergericht gab der weiteren Beschwerde der Handelskammer statt. Eine Eintragung in das Handelsregister kam nur dann in Frage, wenn es sich bei dem fraglichen, zweifellos wirtschaftlichen, Verband um eine offene Handelsgesellschaft handelte. Das Kammergericht stellte zunächst fest, dass der Verband ein Handelsgewerbe iSd § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB a.F. betrieb. Unter Berufung auf den Kommentar zum Handelsgesetzbuch von Staub 157 und den schon erwähnten Beitrag von Sachau 158 ordnet das Kammergericht den „Verein" in Übereinstimmung 154 Vgl. die Verordnung des königlich sächsischen Justizministeriums an das Handelsgericht zu Dresden v. 03. 02. 1864, Nr. 877/142 I., in: Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung, NF 25 (1864), 285 (286) = Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 3 (1864), 389. 155

Verordnung des königlich sächsischen Justizministeriums an das Handelsgericht zu Dresden v. 03. 02. 1864, Nr. 877/142 I., in: Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung, NF 25 (1864), 285 (286) = Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 3 (1864), 389; Κ Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 223. 156 KGJ 41, A 117, Beschluss v. 23.07. 1911, Az: la X 529/11. 157 Staub, HGB, 6./7. Auflage, 1900, Exkurs zu § 342, Anm. 84 f. 158 Sachau, ZHR Bd. 56 (1905), 444 (461): der nicht eingetragene Verein ist seinem Wesen nach eine Gesellschaft. Diese Folgerung ist mit Notwendigkeit aus dem Mangel jeglichen allgemein gültigen Unterscheidungsmerkmals zu ziehen.

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mit der hier vertretenen Auffassung als Gesellschaft iSd §§ 705 ff. BGB ein und ordnet, da der Tatbestand des § 105 HGB erfüllt ist, den Verein als offene Handelsgesellschaft ein. Den Einwand des Landgerichts weist das Kammergericht i m Ergebnis zutreffend zurück. Die unbeschränkte Haftung sei nicht Tatbestandsmerkmal, sondern Rechtsfolge der Einordnung eines Verbandes als offene Handelsgesellschaft. Treffender wäre zu sagen: die unbeschränkte Haftung ist Folge der wirtschaftlichen Tätigkeit, die grundsätzlich jeden Verband trifft. Schließlich führt das Kammergericht zutreffend aus: „Ein gegenteiliger Rechtszustand würde zu einer durch nichts gerechtfertigten Bevorzugung der nicht rechtsfähigen Vereine führen. Denn diese würden dann in der Lage sein, sich beliebig mit handelsgewerblichen Betrieben zu befassen, ohne alle die Verpflichtungen zu übernehmen, die sonst jeder hat, der am Erwerbsleben auf dem Gebiete des Handels teilnehmen will. Die Folge würde sein, daß die Kaufleute allgemein sich zu nicht rechtsfähigen Vereinen zusammenschließen und sodann frei von allen Fesseln, die ihnen das Handelsrecht im Interesse des Verkehrs auferlegt, am handelsgewerblichen Leben sich beteiligen und große Gewinne erzielen würden, ohne der Gefahr einer uneingeschränkten Inanspruchnahme seitens der Gesellschaftsgläubiger ausgesetzt zu sein; für solche von nicht rechtsfähigen Vereinen - vielleicht in sehr großem Unfange - betriebenen handelsgewerblichen Unternehmungen würden denn auch alle im Interesse der Ordnung und Übersichtlichkeit der Geschäftsführung und der Klarheit der rechtlichen Verhältnisse kaufmännischer Unternehmungen erlassenen Vorschriften über die Firma, das Handelsregister, die kaufmännische Buchführung, die Bilanzziehung etc. nicht gelten. Daß solche Zustände unhaltbar wären und daß dadurch die gesamte Kaufmannschaft, die genötigt ist, sich bei ihrem Geschäftsbetrieb allen Vorschriften des HGB über die Firma, den Registerzwang, die Pflicht zur kaufmännischen Buchführung etc. anzupassen, aufs schwerste geschädigt würde, bedarf keiner Ausführung. Wer daher sich auf dem allgemeinen Handelsmarkt im freien Wettbewerb am Güterumsatze beteiligen und hierbei Gewinne erzielen will, kann dies - mag er eine Einzelperson oder eine Personenvereinigung sein - nur in der Weise, daß er sich den Vorschriften des HGB unterwirft. Deshalb müssen auch nicht rechtsfähige Vereine, wenn und soweit sie ein Handelsgewerbe betreiben, eine vom Handelsrecht zur Wahl gestellte bestimmte Gesellschaftsform annehmen; ist nichts weiter bestimmt, so kann als Gesellschaftsform lediglich die offene Handelsgesellschaft in Frage kommen, die der Gesetzgeber als Grund- und Regelform einer Handelsgesellschaft angesehen hat. Wollen nicht alle Gesellschafter den Gläubigem unbeschränkt haften, so müssen sie eine andere Gesellschaftsform, zB die der Kommanditgesellschaft wählen oder versuchen, für ihr Unternehmen juristische Persönlichkeit zu erlangen; sie können aber, wie wiederholt zu betonen ist, sich ihrer unbeschränkten Haftbarkeit nicht dadurch entziehen, daß sie nur eine beschränkte Haftbarkeit vereinbaren" 159. Die Schwierigkeiten von Teilen der neueren Literatur, die Unterstellung des nicht eingetragenen wirtschaftlichen Vereins, der ein Handelsgewerbe betreibt, unter die §§ 105 ff. H G B zu begründen, folgen nun in der Tat daraus, dass man heute das Recht des nicht eingetragenen Vereins als ein contra legem, also contra § 54 S. 1 BGB gefundenes Sonderrecht betrachtet und in dem Irrglauben handelt, § 54 S. 1

159 KGJ 41, A 117(121 f.), Beschluss ν. 23. 07. 1911, Az: la X 529/11.

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BGB den Gehorsam verweigern zu müssen160. Dass man eigentlich nur tut, was durch das Gesetz vorgegeben ist, übersieht man. Zur Begründung, dass der nicht konzessionierte Wirtschaftsverein in Wirklichkeit Gesellschaft, und bei Betreiben eines Handelsgewerbes oHG ist, muss diese Auffassung auf § 22 BGB zurückgreifen 161 . Insbesondere K. Schmidt beruft sich auf § 22 BGB. Die grundsätzliche Sperre des Vereinsrechts für den wirtschaftlichen Verein soll für den „rechtsfähigen" wie für den „nicht rechtsfähigen" Verein gelten, weil das Recht „den wirtschaftlichen Vereinen ohne Rechtsfähigkeit nicht das gewähren kann, was § 22 BGB ihnen versagt" 162 . Die Quintessenz dieser Aussage: wenn § 22 BGB schon keinen rechtsfähigen Wirtschaftsverein zulasse, könne das Gesetz auch schwerlich einen nicht eingetragenen Wirtschaftsverein zulassen. Für diese Auffassung erfasst die durch Rechtsfortbildung geläuterte Norm des § 54 S. 1 BGB nur den nicht eingetragenen Idealverein, während § 22 BGB den nicht eingetragenen Wirtschaftsverein kraft Rechtsformzwanges auf das Gesellschaftsrecht verweist. Der nicht eingetragene Wirtschaftsverein ist nach dieser Auffassung nicht erst aufgrund der Verweisung des § 54 S. 1 BGB als Gesellschaft zu behandeln163, sondern unmittelbar aufgrund des Rechtsformzwanges des § 22 BGB, der das Vereinsrecht für wirtschaftliche Vereine sperrt 164 . Eine solche Rechtslage, wie sie von diesen Autoren unterstellt wird und sogar im Geltungsbereich des Pr. ALR teils kraft gesetzlicher Anordnung (Pr. ALR II, 6 § 16), teils durch richterliche Rechtsanwendung praktiziert wurde, findet sich ausdrücklich in Art. 59 Abs. 2 ZGB des schweizerischen Bundesrecht verwirklicht. Art. 59 ZGB. Vorbehalt des öffentlichen und des Gesellschafts- und Genossenschaftsrechts. (1)..· (2) Personenverbindungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, stehen unter den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.

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In diese Richtung : K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 221; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 1 III 1 b (2) = S. 45 f.; grundlegend: Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (60 ff.). AA zu recht: Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (521 f.). 161 So: Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 1 1 = S. 116 ff.; K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 221 ff.; krit.: Reuter, FS-Semler, 1993, S. 931 (933 f.). 162 K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 230. 163 So aber Flume, Die Personengesellschaft, § 7 I = S. 88, für den § 54 S. 1 BGB für den nicht eingetragenen Wirtschaftsverein voll ins Schwarze trifft. 164 K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 229 f.

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Noch unter alten, mittlerweile von der Rechtsentwicklung überholten dogmatischen Vorzeichen hat Reuter gegen diesen Anknüpfungspunkt kritisch bemerkt, dass durch diese Verschiebung des Ansatzpunktes die Modifikationen, die das Gesetz für den nicht eingetragenen Verein bereithalte (§§ 54 S. 2 BGB, 50 Abs. 2, 735 ZPO, 11 Abs. 1 S. 2, 19 InsO) für den nicht eingetragenen Wirtschaftsverein ins Leere gehen würden 165 . Aber wie bereits erwähnt: diese Auffassung beruht auf einer Fehldeutung des heutigen Rechts des nicht eingetragenen Vereins als Rechtsfortbildung contra legem. Angesichts der Protokolle ist zu bemerken, dass die zweite Kommission mit Selbstverständlichkeit davon ausging, dass die Vorschrift des § 54 BGB auch für den nicht eingetragenen und konzessionierten wirtschaftlichen Verein zu gelten habe 1 6 6 . In den Beratungsprotokollen heißt es, allein die konzessionierten und die eingetragenen Vereine seien als rechtsfähig anzuerkennen; hinsichtlich der nichtrechtsfähigen Vereine sei durch die Verweisung auf das unpassende Recht der Gesellschaft Vorsorge zu treffen, dass sie sich nicht unter Umgehung der für den Erwerb der Rechtsfähigkeit im öffentlichen Interesse vorgesehenen Kautelen im Wesentlichen die gleiche Rechtsstellung verschaffen wie die rechtsfähigen Vereine. Dabei kann mit den konzessionierten Vereinen nichts anderes als die wirtschaftlichen Vereine iSd § 22 BGB gemeint sein; dementsprechend erstreckte die Literatur um die Entstehungszeit des BGB den § 54 BGB ganz selbstverständlich auf den nicht eingetragenen oder konzessionierten Wirtschaftsverein 167. Inzwischen gilt der wirtschaftliche Verein als das wahre Steckenpferd des § 54 S. 1 BGB 1 6 8 .

IV. Probleme der wirtschaftlichen Korporation vor Inkrafttreten des BGB

Die Vorstellung einer körperschaftlich, nach Vereinsvorbild verfassten, insbesondere entsprechend den Prinzipien der abstrakten Organverwaltung organisierten offenen Handelsgesellschaft ist ungewohnt. Man wehrt sich gefühlsmäßig dagegen, einen grobschlächtigen körperschaftlich verfassten Verband (Verein) in das zarte rechtliche Gewand einer personalistischen Gesellschaft zu zwängen. Dieses Problem bestand schon vor Inkrafttreten des BGB. Im gemeinen Recht behalf man sich mit der Lehre von der modifizierten societas, um körperschaftlich, auch fremdorganschaftlich organisierte, Gebilde in den Griff zu bekommen, die dem damaligen Recht entsprechend nicht als juristische Person anerkannt wa165 Reuter, FS-Semler, S. 931 (934, 938 ff.), ein Zustand der insbesondere für den nicht eingetragenen Verein, der kein Handelsgewerbe betreibe und daher keine Registerpublizität habe, schwer tragbar wäre. 166 Mugdan I, S. 640; dazu Reuten FS-Stimpel, S. 645 (664).

167 Reuter, FS-Stimpel, S. 645 (664), Fn. 88 m. w. N. 168 ZB: Flume, Die Personengesellschaft, § 7 I = S. 88; Reuter, FS-Stimpel, S. 645 (664 ff.); derselbe, FS-Semler, S. 931 passim.

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ren. Zunächst aber soll der Blick auf den Bereich des Pr. ALR gerichtet werden, wo dieselben Probleme bestanden, aber auf kodifiziertes Recht zurückgegriffen werden konnte.

1. Abgrenzung societas - universitas im Bereich des Pr. ALR Das Pr. ALR regelte in den Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. die (erlaubte) Privatgesellschaft, worunter entgegen der heute irreführend erscheinenden Bezeichnung „Gesellschaft" ein körperschaftlich organisiertes Gebilde zu verstehen war. Ahnlich dem nicht eingetragenen Verein des BGB (§ 54 S. 1 BGB) wollte das Gesetz der erlaubten Privatgesellschaft keine Rechtsfähigkeit zubilligen 169 , anerkannte aber die körperschaftliche Organisation im Innen Verhältnis der Gesellschaft 170. Mit den Worten des Reichsoberhandelsgerichts: mit der erlaubten Privatgesellschaft hat das Pr. ALR „eine Zwischenstufe zwischen die societas und die universitas eingeschoben, nämlich solche Gesellschaften, welche nur nach innen, nicht nach außen als universitas gelten" 171 . Die Ähnlichkeiten mit dem heutigen nicht eingetragen Verein, wie ihn sich der Gesetzgeber bei Abfassung des BGB vorgestellt hat, liegen auf der Hand: ein „Gebilde", das zwar körperschaftlich organisiert, aber nicht rechtsfähig ist; eine körperschaftliche Handlungsorganisation (Elemente der universitas) gepaart mit dem Vertragscharakter der societas: Träger des Gesellschaftsvermögens sind die Gesellschafter. Doch ging schon damals die Praxis - unter dem gefälligen Beifall der Lehre 172 - für nicht wirtschaftliche erlaubte Privatgesellschaften iSd Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. dazu über, sie den „eigentlichen Korporationen" 1 7 3 der Pr. ALR II, 6 §§ 25 ff. gleichzustellen; das hieß insbesondere Anerkennung der passiven wie aktiven Parteifähigkeit, die Fähigkeit, im eigenen Namen Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, und Zuerkennung haftungsrechtlicher Vorteile 174 . Gerade der letztgenannte Gesichtspunkt der Haftungsbeschränkung macht auch aus heutiger Sicht das Bemühen im Geltungsbereich der Pr. ALR verständlich, körperschaftlich verfasste, wirtschaftlich tätige Verbände, 169 pr a i r n t 6 § 13. Dergleichen Gesellschaften stellen im Verhältnisse gegen Andere, außer ihnen, keine moralische Person vor, und können daher auch, als solche, weder Grundstücke, noch Kapitalien auf den Namen der Gesellschaft erwerben. 170 Pr. ALR II, 6 § 14. Unter sich aber haben dergleichen Gesellschaften, solange die bestehen, die inneren Rechte der Korporationen und Gemeinen. Vgl. ROHG 18, 398 (400), Urt. v. 17.09. 1875, Az: 1698/75. w ROHG 18, 398 (403), Urt. v. 17. 09. 1875, Az: I 698/75.

' 7 2 Vgl. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 109. ™ Terminus von ROHG 18, 398 (404), Urt. v. 17. 09. 1875, Az: I 698/75. ™ Ausführlich v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 105 ff.; vgl. K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 205; auch Reuter, FSSemler, S. 931 (932 f.). Allerdings kam es dem Grundsatz nach nie zu einer völligen Haftungsfreistellung der Verbandsmitglieder (v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 107 f.).

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

wie denn auch schließlich in der Rechtsprechung geschehen, aus dem Recht der erlaubten Privatgesellschaft zu verbannen 175. Neben den an der universitas personarum orientierten eigentlichen Korporationen und der erlaubten Privatgesellschaft, die in den Pr. ALR II, 6 §§ 1 ff. geregelt waren 176 , kannte das Pr. ALR in I, 17 §§ 169 ff. die am Rechtsinstitut der römischen societas angelehnten „Gemeinschaften, welche durch Vertrag entstehen"177, und hierbei insbesondere die Erwerbsgesellschaft. Von der Systematik her kannte das Pr. ALR also sowohl die personalistische und obligatorische societas als auch die korporative, mit eigner Rechtspersönlichkeit ausgestatte universitas, und als Zwischengebilde die erlaubte Privatgesellschaft. Auf das System des BGB übertragen kann man die Entsprechungen im eingetragenen Verein (universitas personarum), der einfachen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (societas) und als Zwischenstufe dem nicht eingetragenen (tradiert), nicht rechtsfähigen Verein finden. Sind zwar in ihren Extremgestaltungen personalistische Gebilde wie die societas und körperschaftliche verfasste Verbände wie die universitas leicht zu unterscheiden 1 7 8 , so hat doch die Entwicklung des Gesellschafts- und Genossenschaftswesens zu einer zunehmenden Verwischung der Unterscheidungsmerkmale geführt, mit denen sich alsbald die Rechtsprechung auseinanderzusetzen hatte: „Hierdurch ist die schon durch die Schöpfung der erlaubten Gesellschaft schwierige Frage, nach welchen gesetzlichen Bestimmungen die neuentstandenen und fortwährend neu entstehenden vielgestaltigen Gesellschaften mit den verschiedenartigsten Zwecken, Zielen und Organisationen zu beurteilen seien, noch verwickelter geworden" 179 .

Der Rahmen des Pr. ALR passte nicht mehr auf die Neuschöpfungen des Rechtsverkehrs, die neueren Sondergesetze (insbesondere Aktien- und Genossenschaftsgesetz) waren und sind noch immer nicht erschöpfend. Besondere Schwierigkeiten verursachten „Vereine" mit irgendwie gearteten wirtschaftlichen Zwecksetzungen. Wegen seiner körperschaftlichen Verfassung entsprach ein solcher Verein nicht dem Normaltypus der an der societas angelehnten Erwerbsgesellschaft der Pr. 175 Heute ist geklärt, dass wirtschaftliche Tätigkeit grundsätzlich eine unbeschränkte Haftung nach sich zieht. 176 Der Titel Pr. ALR II, 6 hieß: „Von Gesellschaften überhaupt, und von Korporationen und Gemeinen insonderheit". 177 So die Überschrift zum Dritten Abschnitt des Pr. ALR I, 17. 178 Vgl. ROHG 18, 398 (404), Uri. v. 17. 09. 1875, Az: I 698/75, das die Unterscheidung so bestimmt: „Die vertragsmäßige Gesellschaft aus I, 17 ALR ist auf individuell bestimmte Mitglieder gestützt, hat keine corporative Construction und verfolgt der Regel nach vermögensrechtliche Zwecke, hauptsächlich Erwerbs-Zwecke, und zwar lediglich im Interesse der einzelnen Gesellschafter. Die erlaubte Gesellschaft aus §§ 1 fg. II, 6 ALR beruht nicht auf einer geschlossenen Zahl individuell bestimmter Mitglieder; ist nach innen corporativ gestaltet und verfolgt entweder rein persönliche, oder daneben zwar auch vermögensrechtliche Zwecke, die aber dann der Regel nach eine allgemeine, das öffentliche Interesse mitberührende Tendenz haben". 179 ROHG 18, 398 (404 f.), Urt. v. 17. 09. 1875, Az: I 698/75.

§17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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ALR I, 17 §§ 169 ff., wegen seines wirtschaftlichen Zweckes nicht dem Leitbild der körperschaftlichen organisierten erlaubten Erwerbsgesellschaft der Pr. ALR II, 6 §§ Iff., 16 ff. 1 8 0 . Das Reichsoberhandelsgericht wollte solche „Gesellschaften" unabhängig vom Verbandszweck der Kategorie der societas zuordnen (Pr. ALR I, 17, §§ 169 ff.), wenn nur ihre Organisation personalistisch war 1 8 1 . Eben dahin verwies das Gericht auch alle diejenigen Gesellschaften, deren „ausgesprochener Zweck auf Vermögens-Erwerb, Erzielung von Gewinn gerichtet ist", selbst wenn sie körperschaftlich organisiert waren 182 . In Grenzfällen, in denen der „Verein" zwar einem wirtschaftlichen Zweck nachging, aber dieser Zweck nicht unbedingt auf Vermögenserwerb gerichtet war, sollte es für die rechtliche Einordnung auf die Umstände des Einzelfalls ankommen 183 . Diese Rechtsprechung kann man dahin zusammenfassen: war der Verband personalistisch verfasst, so lag stets eine societas vor; war der Verband körperschaftlich ausgestaltet, entschied der verfolgte Zweck über seine Einordnung. Bei wirtschaftlicher Tätigkeit zog man die Vorschriften der Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. heran. Den Grund dafür hat man schnell gefunden. Insofern hat sich in der Rechtsentwicklung nicht so viel geändert. Er liegt in der Haftung der Gesellschafter und eben darin, dass die Vorschriften der im Pr. ALR II, 6 geregelten erlaubten Gesellschaft auf einen wirtschaftlichen Zweck nicht zugeschnitten waren. Abschließende Klärung fand die Frage, wie körperschaftlich organisierte aber wirtschaftliche Zwecke verfolgende Verbände, die mangels staatlicher Verleihung eben keinen klassischen juristischen Personen in Form von Aktiengesellschaft oder Genossenschaft zuzuordnen waren, im Normgefüge der in Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. normierten Gesellschaften und der erlaubten Privatgesellschaften der Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. zu behandeln waren, in der Rechtsprechung des 1. Senats des Reichsgerichts 184 . Zunächst ging das Reichsgericht davon aus, dass ein Verband, selbst wenn seine Handlungsverfassung körperschaftliche Elemente aufweise (abstraktes Handlungsorgan, zB: Geschäftsführer, Vorstand), den Vorschriften über die Gesellschaft gem. Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. zuzuordnen sei, sofern er einen irgendwie gearteten wirtschaftlichen Zweck ver-

180 ROHG 18, 398 (405 ff.), Urt. v. 17. 09. 1875, Az: 1698/75. 181 ROHG 18, 398 (405), Urt. v. 17. 09. 1875, Az: I 698/75: übertragen auf das BGB: wirtschaftlich tätige Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und Idealgesellschaft des bürgerlichen Rechts. 182 ROHG 18, 398 (405), Urt. v. 17. 09. 1875, Az: I 698/75. Dem kommt die Auffassung nahe, die den unternehmenstragenden nicht eingetragenen Verein je nach dem Vorliegen eines Handelsgewerbes als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder oHG einordnet (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 25 I 2 b = S. 741). 183 ROHG 18, 398 (406), Uri. v. 17. 09. 1875, Az: 1698/75. 184 Vgl. RGZ 9, 107, Urt. v. 18. 04. 1883, Az: 1 159/83; RGZ 16, 189, Urt. v. 07. 04. 1886, Az: 152/86.

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folge 185 . Die erlaubte Privatgesellschaft der Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. sei erkennbar auf ideale Zwecke zugeschnitten186: „Namentlich wäre es verfehlt daraus, daß in dem Vertrage die Formen, in welchen sich der im Gesellschaftsverhältnisse maßgebende Wille der Gesellschafter vermittelt und die Vertretung derselben ähnlich geregelt sind, wie solche das Gesetz in korporativen Verbänden normiert, den Schluß zu ziehen, daß nicht eine Gesellschaft im oben gekennzeichneten Sinne, sondern eine erlaubte Privatgesellschaft im Sinne des ALR II, 6 vorliege" 187 .

Daran hat das Reichsgericht trotz geäußerter Kritik festgehalten. Abgrenzungskriterium war damit der Zweck des Verbandes: ging der Verband einem irgendwie gearteten wirtschaftlichen Zweck nach, so war er vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Vorschriften Sozietät iSd der Pr. ALR I, 17, §§ 169 ff.; verfolgte der Verband dagegen einen ideellen Zweck, so war er erlaubte Privatgesellschaft iSd Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. 1 8 8 , sofern die Verbindung nicht durch ausdrückliche Genehmigung oder Privilegium des Staates in die Klasse der privilegierten Gesellschaften (Pr. ALR II, 6 §§ 22 ff.) aufgenommen oder mit den Rechten der Korporationen und Gemeinen iSd Pr. ALR II, 6 §§ 25 ff. versehen wurde. Die Art und Weise der Organisation der Handlungsverfassung war für das Reichsgericht kein zuverlässiges Differenzierungskriterium zwischen Sozietät und erlaubter Privatgesellschaft, da es den Gesellschaftern frei stand, die Organisation des Verbandes frei zu bestimmen (vgl. nur Pr. ALR I, 17 §§ 186, 206, 209, 210; II, 6 § I I 1 8 9 ) . Es sprach daher nicht gegen die Annahme einer Sozietät, dass ihre Organisation, insbesondere auch ihre Willensbildungsorganisation (HandlungsVerfassung), in ähnlicher Weise geregelt sei, wie sie das Gesetz für die Korporationen positiv fixierte 190 . Selbst also, wenn die Handlungsverfassung des in Frage stehenden Verbandes entsprechend der Korporationen geregelt wäre, sei dieser bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Zwecks nicht erlaubte Privatgesellschaft 191.

185 Insofern geht die Rechtsprechung des Reichsgerichts über die des Reichsoberhandelsgerichts hinaus, die bei einem zwar wirtschaftlichen Zweck, der aber nicht primär auf Vermögenserwerb gerichtet war, die Umstände des Einzelfalles entscheiden lassen wollte (ROHG 18, 398 (405 f.), Urt. v. 17. 09. 1875, Az: 1698/75). 186 Das gibt sogar v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 101 f. zu. 187 RGZ 9, 107 (109), Urt. v. 18. 04. 1883, Az: 1 159/83.

iss RGZ 16, 189 (190), Urt. v. 07. 04. 1886, Az: I 52/86; bestätigt: RGZ 77, 429, Urt. v. 27. 11. 1911, Az: V I 30 /11; ebenso bereits ROHG 21, 348 (349),Urt. v. 22. 02. 1876, Az: III 42/77; krit. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 103. 189 ZB: Pr. ALR II, 6 § 11. Die Rechte und Pflichten der Mitglieder erlaubter Gesellschaften unter sich, werden nach dem unter ihnen bestehenden Vertrage, in dessen Ermangelung, nach den für die verschiedenen Arten solcher Gesellschaften ergangenen besonderer Gesetze (Anm.: zB GenG), und wo auch diese nicht entscheiden, nach dem Zwecke ihrer Verbindung beurteilt. 190 RGZ 16, 189 (193), Urt. v. 07. 04. 1886, Az: I 52/86. 191 Dabei hält das Reichsgericht seine Begründung aufrecht: bei Pr. ALR II, 6 sei an ideelle, bei Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. an wirtschaftliche Vereinigungen gedacht worden: RGZ 16, 189 (191 ff.), Urt. v. 07. 04. 1886, Az: 152/86.

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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Einhellige Zustimmung war der Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht beschieden. Insbesondere Otto v. Gierke lehnte die Methode des Reichsgerichts, jeden Verein, der einen irgendwie gearteten wirtschaftlichen Zweck verfolge, vom Recht der erlaubten Privatgesellschaften auszuschließen, ab. Vielmehr sei das Gewicht ausschließlich auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein körperschaftlicher Strukturen zu legen 192 . Aus unserer heutigen Sicht haben beide Recht und Unrecht zugleich. Das Reichsgericht bei einer Überbetonung des Zweckmoments, v. Gierke bei der Betonung des Organisationsmoments. Beide Ansätze werden dem Sachverhalt immer nur teilweise gerecht. Der Hinweis auf die Sozietät kommt dem wirtschaftlichen Bestreben des Verbandes entgegen, der Hinweis auf die Körperschaft der Organisation der Willensbildung und Handlungsfähigkeit. Entweder trennen die Auffassungen am Zweck oder an der konkreten Verfassung des Verbandes. Beides erweist sich nur teilweise zutreffend, weil man so immer auf unpassende Vorschriften treffen wird. Daher empfiehlt es sich, einfach nach Machart des Bundesgerichtshofs die passenden Vorschriften auszusuchen. Für den wirtschaftlichen Verein folgt daraus, für ihn im weiten Maße Vorschriften des Gesellschaftsrechts der §§ 705 ff. BGB anzuwenden, soweit diese wegen ihres „wirtschaftlichen" Hintergrundes der Situation in angemessener Weise gerecht werden 193 . So ist zB gem. § 738 BGB dem Ausscheidenden ein Abfindungsanspruch zuzugestehen194 oder den Privatgläubigern der Zugriff auf die einen Vermögenswert darstellende Mitgliedschaft zu eröffnen. Mag das Unterscheidungskriterium des wirtschaftlichen Zwecks in seiner Verabsolutierung sicherlich unzutreffend sein und einer differenzierten Behandlung der Sache im Wege stehen, so hat doch das Reichsgericht - ohne dies allerdings in seinen Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringen - nur ein im Gesetz selbst verankertes Kriterium fortgeschrieben 195. Denn nach Pr. ALR II, 6 § 16 wurden Vereinigungen, die auf den Betrieb eines kaufmännischen Gewerbes abzielten, also Handelsgesellschaften (das Gesetz sprach antiquiert von Handlungsgesellschaften) dem Recht der Handelsgesellschaften, nach 1861 also den Artt. 85 ff. ADHGB unterstellt 196 .

Vor dem Inkrafttreten des BGB kann man die Lage wohl wie folgt zusammen fassen: betrieb der Verband ein Handelsgewerbe, so war er aufgrund ausdrückli192 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 103. 193

Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 8 II 3 = S. 140 f. 194 Das bestätigt ein Blick auf Genossenschaftsrecht in § 73 GenG. 195 Reuter, FS-Semler, S. 931 (933); vgl. Auch . K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 206. 196 Vgl. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 101 Fn. 5. Pr. ALR II, 6 § 16. Handlungsgesellschaften werden lediglich nach den Vorschriften des dritten Abschnitts des siebzehnten Titels im ersten Theile (Anm.: Von Gemeinschaften, welche durch Vertrag entstehen), und des siebenten Abschnitts, achten Titels, im zweiten Theile (Anm.: Von Kaufleuten), beurtheilt.

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eher Gesetzesanordnung (Pr. ALR II, 6 § 16) offene Handelsgesellschaft iSd Artt. 85 ff. ADHGB. Hatte er einen wirtschaftlichen Zweck, betrieb aber kein Handelsgewerbe, wurde er rechtlich als Sozietät iSd Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. eingeordnet, unabhängig davon, ob er eine körperschaftliche Verfassung hatte oder nicht. Insoweit besteht Übereinstimmung mit der heute überwiegenden Meinung, die die Verweisung des § 54 S. 1 BGB für den nicht eingetragenen Verein für eine legislatorisch zutreffende Entscheidung hält 1 9 7 und den Verband je nach Unternehmensgegenstand als einfache Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder als oHG einordnet 1 9 8 . Dagegen wurde unter Geltung des Pr. ALR der nicht wirtschaftliche, korporativ organisierte Verband als erlaubte Privatgesellschaft (Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff.), also nach körperschaftlichen Grundsätzen behandelt. Insoweit ist § 54 S. 1 BGB in der Tat ein Schritt zurück, wenn er den nicht eingetragenen Idealverein auf die Vorschriften über die Gesellschaft verweist. Allerdings hat der Gesetzgeber insoweit die Lage falsch eingeschätzt. Die Fortschritte in der Gesamthandslehre bzw. der Theorie der juristischen Person und die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Möglichkeit, auch im Gewände der Gesellschaft körperschaftliche Organisationsmodelle verwirklichen zu können, haben im Ergebnis zu einem System der freien Körperschaftsbildung geführt. Und das gilt nicht nur für den nicht eingetragenen Idealverein, sondern auch für den nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein. Grund zur Besorgnis ist damit nicht gegeben. Denn Auswirkungen auf die Haftung der Gesellschafter, der Gesichtspunkt an den man primär zu denken pflegt, sind damit nicht verbunden. Im wirtschaftlichen Verband haften grundsätzlich alle Mitglieder, im Idealverband nicht. Dies ist unabhängig von der körperschaftlichen oder personalistischen Struktur der Gesellschaft. Für das Organisationsrecht noch heute bedeutsam ist aber die organisationsrechtliche Behandlung der in Frage stehenden Verbände: auch wenn die wirtschaftlichen Verbände in das personalistische Recht der Sozietäten verbannt wurden, wurde doch immer die Existenz ihrer körperschaftlichen, in abstrakten Organen organisierte Handlungsverfassung anerkannt. Insoweit überlagerte die Verfassung des Verbandes die nicht passenden Vorschriften des Sozietätenrechts. Augenfällig aber ist, und das kommt auch noch im heutigen Rechte zur Geltung, dass die Verweisung von wirtschaftlichen Körperschaften auf das Gesellschaftsrecht ieS durchaus nicht so interessenwidrig ist, wie es auf den ersten Blick scheint und wie es immer wieder unter Betonung der Lenkungsfunktion der §§ 22, 54 BGB betont wird. Denn das Körperschaftsrecht sowohl der Pr. ALR II, 6 als auch der §§ 25 ff. BGB sind auf nicht wirtschaftliche, ideale Zwecke verfolgende Verbände zugeschnitten. Für Gesellschaften mit wirtschaftlicher Zielsetzung geben diese Regelungsmodelle nicht viel her. Viele Vorschriften passen einfach nicht auf wirtschaftliche Verbände (zB § 39 BGB). Insoweit ist eine - natürlich modifizierte 197 Flume, Die Personengesellschaft, § 7 I = S. 88; derselbe, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (517). 198 ZB Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (517 f.).

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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- Anwendung des Sozietätenrechts, das primär oder doch zumindest auch die Erwerbsgesellschaft im Auge hat, (zB § 723 BGB) wesentlich interessengerechter. Und dies gilt dann in einem verstärkten Maße auch für das Recht der offenen Handelsgesellschaften. Dieses ist in besonderen Maße auf wirtschaftliche Verbände zugeschnitten, so dass viele Vorschriften auch auf den körperschaftlich verfassten Verband passen. Womit natürlich nicht geleugnet werden soll, dass die §§ 105 ff. HGB die personalistische Gesellschaft als gesetzliches Leitbild fixieren. Aber damit wird auch ein kleines Dilemma deutlich: das deutsche Recht von heute hat einen positivierten Regelungsapparat für personalistische Wirtschaftsverbände, wenn man will auch noch für ideale Körperschaften, wenn man die Verweisung des § 54 S. 1 BGB nicht so ernst nimmt und mit der hM die §§ 25 ff. BGB auf den nicht eingetragenen Verein anwendet. Was fehlt, sind Vorschriften über die wirtschaftliche Körperschaft, die keine Eintragung als GmbH, Aktiengesellschaft oder Genossenschaft (oder Verein, § 22 BGB) anstrebt, sondern deren Mitglieder bereit sind, entsprechend § 128 HGB für die Verbandsschulden einzustehen199. De facto gibt es diese Verbände und gab es diese Verbände zu allen Zeiten, wie ja ein Blick in die Rechtsentwicklung vor Inkrafttreten des BGB zeigt. Man denke heute an die unechten Vorgesellschaften oder den nicht eingetragenen Wirtschaftsverein, die sich aufgrund des Rechtsformzwanges bei Vorliegen eines Handelsgewerbes im Rechtskleid der offene Handelsgesellschaft wiederfinden. Aber dies Dilemma ist wohl deshalb nicht offenkundig geworden, weil das Gesellschaftsrecht der §§ 705 ff. BGB nachgiebiger Natur ist und deshalb im Sinne des Körperschaftsrechts abgeändert werden kann, und dies nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend200.

2. Die Lehre von der modifizierten

societas

Die Rechtspraxis stand auch außerhalb des unmittelbaren Geltungsbereichs des Pr. ALR vor dem Problem, wie sie mit körperschaftlich verfassten, aber nirgends eingetragenen Verbänden umgehen sollte, die mangels Betriebes eines Handelsgewerbes auch nicht unter die Art. 85 ff. ADHGB (Recht der offenen Handelsgesellschaft) subsumiert werden konnten 201 . Regelmäßig handelte es sich bei diesen Gebilden um nicht eingetragene Genossenschaften, also in der heutigen Terminologie um wirtschaftliche, nicht eingetragene Verbände. Mangels staatlicher Anerken199

Vgl. Verordnung des königlich sächsischen Justizministeriums an das Handelsgericht zu Dresden v. 03. 02. 1864, Nr. 877/142 I., in: Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung, NF 25 (1864), 285 (286) = Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 3 (1864), 389; K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 223. 200 Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 14. 201 Vgl. Reichsoberhandelsgericht, in: Seuffert's Archiv Bd. 26, Nr. 257, Urt. v. 01. 12. 1871(1. Senat).

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nung bzw. Verleihung wurden diese Verbände nicht als juristische Personen anerkannt 202 , was sich zB hinsichtlich der Erbfähigkeit negativ auswirken konnte 203 . Die Rechtspraxis, die auf Grundsätze des gemeinen Rechts zurückgreifen musste 2 0 4 , behalf sich mit der Lehre von der modifizierten societas. Mit den Worten Otto von Gierkes wurde der Begriff der societas durch die Zulassung bestimmter Modifikationen „bis zur Zertrümmerung" gebeugt 205 . Zunächst diente die Lehre von der modifizierten societas dazu, die aktive und passive Parteifähigkeit der Verbände zu begründen und auch die körperschaftlich organisierte Handlungsverfassung dieser Verbände anzuerkennen 206. Es wäre einer Rechtsschutzversagung gleichgekommen, hätte man diesen Verbänden versagt, unter ihrem Namen und vertreten durch ihren Vorstand vor Gericht als Partei aufzutreten 207. Bei dem teilweise großen und wechselnden Mitgliederbestand wäre eine Rechtsverfolgung sowohl für den Verein, als auch für den Dritten, der mit den faktisch bestehenden (oder besser in der Rechtswirklichkeit existierenden und real agierenden) Organen des Vereins kontrahiert hätte, unmöglich geworden. Herausgekommen ist ein Mischgebilde, halb römischrechtliche societas, halb Korporation 208 , also in der heutigen Terminologie eine als parteifähig anerkannte Gesellschaft ieS, kombiniert mit Verfassungselementen der Körperschaften, was insbesondere die Unabhängigkeit des Verbandes vom Mitgliederbestand und die Leitung des Verbandes über abstrakte Organe meint. Das Recht der modifizierten societas reichte so nahe an das in den 202 Obertribunal zu Berlin, in: Seuffert's Archiv Bd. 33, 1 (Nr. 1), Erkenntnis v. 19. 03. 1875 (6. Senat), Schleswigsche Sache; Obertribunal zu Berlin, in: Seuffert's Archiv, Bd. 33, 146 (Nr. 104), Erkenntnis v. 18. 05. 1876 (6. Senat) (naussauische Sache); krit. zu dieser Rechtsprechung: v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 57 ff., auf S. 59 Fn. 2 mit weiteren umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung. 203 Vgl. Obertribunal zu Berlin, in: Seuffert's Archiv, Bd. 33, 146 (Nr. 104), Erkenntnis v. 18. 05. 1876 (6. Senat) (naussauische Sache). 204 Vgl. Reichsoberhandelsgericht, in: Seuffert's Archiv Bd. 26, Nr. 257, Urt. v. 01. 12. 1871 (1. Senat). 205 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 60. 206 Reichsoberhandelsgericht, in: Seuffert's Archiv Bd. 26, Nr. 257, Urt. v. 01. 12. 1871 (1. Senat); Reichsoberhandelsgericht, in: Seuffert's Archiv Bd. 26, Nr. 219, Urt. v. 05. 12. 1871 (1. Senat). Obertribunal zu Berlin, in: Seuffert's Archiv Bd. 33, 1 (2 f.) (Nr. 1), Erkenntnis v. 19. 03. 1875 (6. Senat), Schleswigsche Sache; vgl. Auch Schmidt, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 39 (1879), 149 (151). 207 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 60; Schmidt, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 39 (1879), 149 (152). 208 Obertribunal zu Berlin, in: Seuffert's Archiv Bd. 33, 1 (2) (Nr. 1), Erkenntnis v. 19. 03. 1875 (6. Senat), Schleswigsche Sache: „Jene zahlreichen Vereine und Genossenschaften, welche ohne juristische Person zu sein, ungeachtet des steten Wechsels ihrer Mitglieder, entsprechend dem an den Zweck ihrer Begründer nicht gebundenen Zwecke, fortbestehen und bei welchen die Rechte, bzw. Verpflichtungen der Mitglieder abweichend von den für Gesellschafter nach dem römischen Recht normiert sind, erscheinen als Rechtsbildungen zusammengesetzter Art, in denen Elemente sowohl der Sozietät als der Corporation enthalten sind". Vgl. auch Oberster Gerichtshof für Bayern, in: Seuffert's Archiv, Bd. 33, 144 (Nr. 103), Erkenntnis v. 28. 04. 1877.

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. kodifizierte und durch die Rechtspraxis fortgebildete Recht der erlaubten Privatgesellschaft heran, ja teilweise wurde das Recht der erlaubten Privatgesellschaft sogar als Rechtfertigung der gewohnheitsrechtlich verankerten Lehre von der modifizierten Sozietät herangezogen 209. Nach damaliger Anschauung war die erlaubte Privatgesellschaft ein körperschaftlich verfasster Verband 210 , ohne doch juristische Person zu sein 211 . So gesehen war die erlaubte Privatgesellschaft selbst eine körperschaftliche modifizierte, alsbald mit Prozessfähigkeit ausgestattete societas. Allerdings ist ein Unterschied bei der Handhabung augenfällig: während im Geltungsbereich des Pr. ALR Verbände mit wirtschaftlicher Zwecksetzung nach der Rechtsprechung alsbald in das Recht der Sozietät der Pr. ALR I, 17 §§169 ff. verband wurden, wurde im gemeinen Recht die Lehre von der modifizierten Sozietät gerade herangezogen, um wirtschaftlichen Verbänden, regelmäßig nicht eingetragenen Genossenschaften, gerecht werden zu können. Die damalige Handhabung der Lehre von der modifizierten societas wird deutlich in einem von Schmidt mitgeteilten Fall des Hannoveranischen Haushaltsvereins. Der Vorstand des nicht eingetragenen oder sonst staatlich anerkannten Haushalts Vereins klagte gegen einen ausgeschiedenen Geschäftsführer 212. Der Beklagte bestritt die Zulässigkeit der Vertretung der den Verein bildenden Mitglieder durch den Vorstand, weil dem Verein jede Persönlichkeit fehle. Die Klage könne auch nicht als Klage der einzelnen Mitglieder zugelassen werden, da diese nirgends namhaft gemacht worden seien. Nach der Vereinssatzung war der Vorstand zur Vertretung des Vereins nach innen wie nach außen berufen. Das Gericht erster Instanz wies die Klage ab und verurteilte überdies die klagenden Vorstandsmitglieder zur Tragung der Gerichtskosten, weil der Verein im vorliegenden Falle nur nach den Grundsätzen der römisch-rechtlichen societas zu behandeln sei und für die allein beteiligten Gesellschafter, die der Prozessordnung zuwider nirgends bezeichnet seien, die klagend auftretenden Vorstandsmitglieder nicht ohne weiteres gemeinrechtlich Klage vor dem Gericht erheben könnten. Die Berufung des durch seinen Vorstand vertretenen Vereins hatte Erfolg. Zunächst führt die Berufungsinstanz aus, dass es sich bei dem Verein mangels Betrieb eines Handelsgewerbes um keine unter den Artt. 85 ff. ADHGB zu subsumierende Handelsgesellschaft handelt. Auch könne der Verein nicht als Genossenschaft angesehen werden, da keine Eintragung erfolgt sei (vgl. § 5 des Gesetzes vom 4. Juli 1868 betreffend der privatrechtlichen Stellung der Erwerbs- und 209 Vgl. Schmidt, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 39(1879), 149(153). 210 Pr. ALR II, 6 § 14. Unter sich haben dergleichen Gesellschaften, solange sie bestehen, die inneren Rechte der Korporationen und Gemeinen. 211 Pr. ALR II, 6 § 13. Dergleichen Gesellschaften stellen im Verhältnis gegen Andere, außer ihnen, keine moralische Person vor, und können daher auch, als solche, weder Grundstücke, noch Kapitalien auf den Namen der Gesellschaft erwerben. 212 Schmidt, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 39(1879), 149 (153 ff.). 25 Bergmann

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Wirthschaftsgenossenschaften 213 ). Dennoch sei dem Vorstand das Recht zuzuerkennen, den Verein vor Gericht zu vertreten. In den Gründen heißt es wörtlich: „In Ubereinstimmung mit Gerber (Deutsches Privatrecht § 195 Note 1) mit den Urtheilen des Reichsoberhandelsgerichts vom 1. und 3. Dezember 1871 (Seuffert's Archiv Bande 26 Nr. 257 und Nr. 219) mit der Entscheidung des Obertribunals zu Berlin vom 19. März 1875, (Seuffert's Archiv Bd. 33 Nr. 1) und mit der Entscheidung des Oberappellationsgerichts zu München vom 28. April 1877 (Seuffert's Archiv Band 33 Nr. 103) muß angenommen werden, daß organisierte Genossenschaften der hier in Betracht kommenden Art in Deutschland in neuerer Zeit in Betreff der rechtlichen Stellung der einzelnen Mitglieder der Gesamtheit gegenüber und in Betreff des Auftretens der Gesamtheit im Verkehr der Stellung anerkannter Korporationen sich genähert und eine von den Grundsätzen der römischen societas in mehrfacher Hinsicht abweichende Gestaltung und Bedeutung gewonnen haben, insbesondere in Anerkennung eines unleugbaren praktischen Bedürfnisses eine Gerichtsstandfähigkeit derselben gewohnheitsrechtlich dahin zur Geltung gelangt ist, daß dieselben nicht nur im Verkehr mit dritten Personen, sondern auch vor Gericht durch zum Handeln Namens derselben berufenen Organe dergestalt sich vertreten lassen können, daß eine gleichzeitige Konkurrenz aller einzelnen Vereinsgenossen nicht erforderlich ist" 2 1 4 . Auch das Reichsgericht schloss sich später dieser Lehre a n 2 1 5 . Das Reichsgericht folgte der damaligen herrschenden Praxis und versagte dem Verein zwar die juristische Persönlichkeit, wandte aber die Regeln der modifizierten Sozietät an, die i m Ergebnis eine weitgehende Gleichstellung mit einer körperschaftlich verfassten juristischen Person brachte: „Die in Rede stehenden Vereine sind zwar den Korporationen dadurch nahe verwandt, daß sie auf eine längere, von einem Wechsel der Mitglieder unabhängige Dauer berechnet sind, und daß sie infolge dieser Einrichtung, sowie ihrer in der Regel größeren Mitgliederzahl einer korporativen Organisation zu bedürfen und sich mit einer solchen zu versehen pflegen. Alleine in ihren civilrechtlichen Beziehungen können sie, soweit diese Eigentümlichkeiten und ihre Statuten nicht entgegenstehen, bei Ermangelung besonderer Gesetzesbestimmungen nur nach dem gemeinrechtlichen Rechte der Sozietät beurteilt werden, und sie sind daher auf eine durch eine moderne Rechtsentwicklung zugelassene Modifikation der Sozietät zurückzuführen" 216. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die in Frage stehenden Vereinigungen zwar nicht offiziell als juristische Person anerkannt wurden, aber doch in vielerlei Hinsicht die Rechte einer juristischen Person hatten 2 1 7 ; vor allem aber ver213 § 5. Vor erfolgter Eintragung in das Genossenschaftsregister hat die Genossenschaft die Rechte eingetragener Genossenschaften nicht. 214 Schmidt, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 39(1879), 149 (155 f.). 215 RGZ 8, 121, Urt. v. 22. 10. 1882, Az: III 24/82 (= Seuffert's Archiv Bd. 38 Nr. 227 mit falschem Datum). Es ging um eine nicht eingetragene Genossenschaft, die kein Handelsgewerbe betrieb. 2 16 RGZ 8, 121 (123), Urt. v. 22. 10. 1882, Az: III 24/82 (= Seuffert's Archiv Bd. 38 Nr. 227 mit falschem Datum). 217

v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 57 ff.

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dient, was organisationsrechtlich interessiert, die Anerkennung der körperschaftlichen Handlungsverfassung, Beachtung. Man muss die Lehre von der modifizierten societas daher als Beleg dafür heranziehen, dass auch über dem Grundfundament einer einfachen Gesellschaft im engeren Sinne (societas) eine körperschaftlich orientierte Handlungsorganisation aufgebaut werden kann, auch wenn man sich damit natürlich dem Einwand aussetzt, den Begriff der societas bis zur Unkenntlichkeit zu deformieren.

V. Fälle hingenommener Fremdorganschaft in der Rechtsprechung

Es gab in der Rechtsprechung immer wieder Fälle, in denen anstandslos das Vorliegen von personalistischen Gesellschaften mit körperschaftlicher Verfassung hingenommen wurde. Für das erkennende Gericht reduzierte sich die Frage meist darauf, ob der konkrete Verband (eher) den Normen über die personalistischen Gesellschaften oder den Regelungen über die körperschaftlich organisierten Verbände zuzuordnen war. Und dies war gerade in haftungsrechtlicher Hinsicht bedeutsam, da die Haftung in der societas für den Gläubiger vielfach günstiger war. Im Folgenden sollen zur Veranschaulichung einige Entscheidungen vorgestellt werden 218 : • In einem Urteil des Appelhofs zu Cöln vom 16. Dezember 1862 219 ging es um die rechtliche Einordnung eines ein Handelsgewerbe betreibenden „Rohstoffvereins", der körperschaftlich organisiert war. Die Geschäftsführung war einem Vorstand übertragen. Das Gericht führte aus, dass der Charakter einer Handelsgesellschaft (oHG) nicht durch die größere Anzahl der Mitglieder, die Möglichkeit des Mitgliederwechsels und die durch beides bedingte besondere Organisation, die der Verband sich gegeben hatte, beeinträchtigt werde. Es handele sich mithin um eine offene Handelsgesellschaft. Die Gesellschafter hafteten solidarisch. • In einem Erkenntnis des Handelsgerichts zu Düsseldorf vom 2. November 1863 220 ordnete das Gericht einen körperschaftlich organisierten Rohstoffverein, 218 Vgl. auch Preußisches Obertribunal Bd. 69, 160, Entscheidung v. 1872, Az: IV 1299/ 3518 (Vorinstanz: Appellationsgericht zu Naumburg a. d. Saale, in Gruchot's Archiv Bd. 17, 106; auch: Handelsappellationsgericht Nürnberg, in: ZHR Bd. 22 (1877), 400, Urt. v. 28. 04. 1875 zu nichteingetragenen Genossenschaften. 219 Appelhof zu Cöln, in: ZHR Bd. 7 (1864), 479 (480) Urt. v. 16. 12. 1862. In einer Entscheidung des Rheinischen Appellhofes zu Cöln, in: ZHR Bd. 8 (1865), 613 (614), Urt. v. 19. 11. 1863 ordnete das Gericht einen ähnlichen Rohstoffverein mangels Betrieb eines Handelsgewerbes nicht als Handelsgesellschaft ein. 220 Handelsgericht zu Düsseldorf, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 2 (1864), 170, Urt. v. 02. 11. 1863: es handelte sich um eine nicht eingetragene Genossenschaft. Die Zahlungsklage war gegen die Mitglieder des Vorstandes gerichtet. Vgl. auch OAG Dresden, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht, Bd. 3 (1864), 388, Urt. v. 16. 06. 1863: Einkaufsgenossenschaft keine oHG, da kein Handelsgewerbe betrieben wurde. 25=

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also einen mit Vorstand versehenen Verband, als offene Handelsgesellschaft iSd Art. 85 ADHGB ein. • In einem Erkenntnis des Appellationsgerichtshofes zu Köln vom 7. Dezember 1864 221 wurde eine Schuster-Assoziation, die aus ihren Mitgliedern einen Vorstand bestellt hatte, also in bester Manier nach dem Vorbilde einer Genossenschaft körperschaftlich organisiert war (vgl. § 9 GenG), als offene Handelsgesellschaft eingeordnet. • In ROHG 18, 398 2 2 2 hatte der erste Senat des Reichsoberhandelsgerichts zu entscheiden, ob ein körperschaftlich verfasster Verband, der mit den abstrakten Organen Generalversammlung, Verwaltungsrat und einer Direktion (abstraktes Handlungsorgan) ausgestattet war, aber einen wirtschaftlichen, wenn auch nicht gewerbliche Zweck verfolgte, nach den Vorschriften über die personalistische, an der societas angelehnte Gesellschaft der Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. oder nach denen über die körperschaftlich verfassten, der universitas personarum angelehnte erlaubte Privatgesellschaft der Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. zu behandeln war. Es entschied, personalistisch verfasste Gesellschaften unabhängig von ihrem Zweck stets den Vorschriften über personalistische Gesellschaften unterzuordnen, ebenso wie es Verbände mit gewerblichen Zweck unabhängig von ihrer Organisation stets als Gesellschaft iSd Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. beurteilen wollte. Für Verbände mit wirtschaftlichen, aber nicht gewerblichen Zwecken sollten die Umstände des Einzelfalles maßgebend sein. Wegen der körperschaftlichen Verfassung des in Frage stehenden Verbandes wandte das Reichsoberhandelsgericht die Vorschriften über die erlaubte Privatgesellschaft an. • In der Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts in Band 21, S. 348 ff. 2 2 3 ging es um die körperschaftlich organisierte wirtschaftliche Bohrgesellschaft „Gute Hoffnung" 224 . Wegen ihres wirtschaftlichen Zwecks unterstellte das Reichsoberhandelsgericht die Gesellschaft den Vorschriften der Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. Hinsichtlich der körperschaftlichen Organisation der Gesellschaft, sie handelte durch einen Vorstand und bildete ihren Willen in einer Generalversammlung, führte das Gericht aus: „Daraus, das Tit. 17 I.e. über eine solche Organisation nichts bestimmt, folgt nur, daß dieselbe in Anwendung der von ihr gegebenen, eventuell der allgemeinen Principien beurtheilt werden muß, daß insonderheit der Vorstand als Gesellschafts-Bevollmächtigter zu behandeln ist" 2 2 5 . 221 Appellationsgerichtshof zu Köln, Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handelsrecht Bd. 6 (1865), 33, Urt. v. 07. 12. 1864: es ging um eine nicht eingetragene Genossenschaft. 222 ROHG 18, 398, Urt. v. 17. 09. 1875, Az: I 698/75 bzgl. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (vgl. auch ROHG 8, 180 (183), Urt. v. 10. 12. 1872, Az: I 563/72). 223 ROHG 21, 348,Urt. v. 22. 02. 1876. 224 22

Zweck der Gesellschaft war das Bohren und Schürfen nach Kohle und Mineralien. 5 ROHG 21, 348 (350),Urt. v. 22. 02. 1876; Hervorhebung im Original.

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An dem Wort „Bevollmächtigter" darf man sich nicht stören. Es rührt daher, dass die Gemeinschaft iSd Pr. ALR I, 17, §§ 169 ff. der römischrechtlichen societas nachgebildet war, also keine eigene Rechtspersönlichkeit hatte 226 . Träger des Unternehmens waren demnach die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft als solche, die nur durch Organe handlungsfähig ist. Aber auf jeden Fall handelte es sich wieder um eine Gesellschaft ieS, deren körperschaftliche Organisation, inklusive abstrakter Handlungsorgane und der potentiellen Möglichkeit einer Fremdorganschaft, von der Rechtsprechung hingenommen wurde. Im konkreten Fall hatte ein „Organwalter" wirksam für die Gesellschaft gehandelt und so die Haftung der Gesellschafter für die begründete Verbindlichkeit ausgelöst. • In RGZ 9, 107 227 subsumierte der 1. Zivilsenat des Reichsgerichts eine (wirtschaftlich tätige) Gesellschaft mit individualistischer, d. h. überschaubarer und geschlossener Gesellschafterstruktur, aber körperschaftlicher Handlungsverfassung unter die Vorschriften der an der societas angelehnten Gesellschaft der Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. Der Senat führte aus: „Namentlich wäre es verfehlt daraus, daß in dem Vertrage die Formen, in welchen sich der im Gesellschaftsverhältnisse maßgebende Wille der Gesellschafter vermittelt und die Vertretung derselben ähnlich geregelt sind, wie solche das Gesetz in korporativen Verbänden normiert, den Schluß zu ziehen, daß nicht eine Gesellschaft im oben gekennzeichneten Sinne, sondern eine erlaubte Privatgesellschaft im Sinne des ALR II, 6 vorliege" 228 . Ausschlaggebender Grund war für das Reichsgericht der wirtschaftliche Charakter des Verbandes: der Zweck einer erlaubten Privatgesellschaft könne nur ein nicht wirtschaftlicher sein. Kein Wort dazu, dass die Handlungsverfassung eines solchen Verbandes nicht zulässig wäre. Im konkreten Falle hatte dies zur Folge, dass die auf personalistische, typischerweise wirtschaftliche Gesellschaften zugeschnittenen Kündigungsregelungen der Pr. ALR I, 17 §§ 269 ff. auf den konkreten Verband Anwendung fanden. Auch heute ist es weitgehend anerkannt, dass auf den nicht konzessionierten, wirtschaftlichen Verein, also einen körperschaftlich organisierten, aber nicht eingetragenen oder konzessionierten, wirtschaftlich tätigen Verband, entgegen dem allgemeinen Trend, trotz § 54 S. 1 BGB Vereinsrecht auf die Verbände anzuwenden, die Vorschrift des § 723 BGB besser passt, als die des § 39 BGB229

• In RGZ 16, 189230 knüpft das Reichsgericht an die in RGZ 9, 107 entwickelten Grundsätze an und ordnet einen wirtschaftlichen Verband allein wegen seines Verbandszwecks als Sozietät iSd Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. ein, selbst wenn die Handlungsverfassung des in Rede stehenden Verbandes an das Recht der Korporationen angelehnt wäre. Wegen der weitgehenden Gestaltungsfreiheit sowohl 226 227 228 229 230

ROHG 18, 398 (400 f.), Urt. v. 17. 09. 1875, Az: I 698/75. RGZ 9, 107, Urt. v. 18. 04. 1883, Az: 1 159/83. RGZ 9, 107 (109), Urt. v. 18. 04. 1883, Az: I 159/83. Vgl. nur Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (520). RGZ 16, 189, Urt. v. 07. 04. 1886, Az: I 52/86.

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im Recht der Sozietäten wie der erlaubten Privatgesellschaft (Pr. ALR I, 17 §§ 186, 206, 209, 210; II, 6 § 11) sei dies kein zuverlässiges Abgrenzungskriterium. Im Anschluss an Stimmen der Literatur führt des Reichsgericht aus, dass „gegen die Annahme einer Sozietät nicht spreche, dass der Sotietätsvertrag die Formen, in welcher der sich der im Gesellschaftsverhältnisse maßgebende Wille vermittele (Anm.: Handlungsverfassung), in ähnlicher Weise geregelt sei, wie solches im Gesetz für Korporationen geschehen sei" 2 3 1 . Wieder also wurde eine Gesellschaft ieS mit körperschaftlicher Verfassung hingenommen. • Spektakulär ist das wohl kaum zur Kenntnis genommene Helenenhall-Urteil des Reichsgerichts vom 26. Mai 1906 232 . Mehrere Personen hatten mit der „Kalibohrgesellschaft Helenenhall" einen wirtschaftlichen Verband gegründet, der körperschaftlich organisiert war, also insbesondere einen Vorstand hatte. Nach dem Willen der Gründer sollte es sich um eine Gesellschaft iSd §§ 705 ff. BGB handeln. Der Beklagte, Vorstandsmitglied von Helenenhall, wurde aus einer rechtsgeschäftlich für den Verband begründeten Verbindlichkeit in Anspruch genommen. Das Berufungsgericht (OLG Celle) hatte den Verband als nicht eingetragenen Verein eingeordnet und den Beklagten gem. § 54 S. 2 BGB verurteilt. Das Reichsgericht hob die Entscheidung auf und erklärte den Gründerwillen, eine Gesellschaft iSd §§ 705 ff. BGB gründen zu wollen, für ausschlaggebend. Die körperschaftliche Verfassung des Verbandes stände dem nicht entgegen: „Richtig ist ferner, daß eine Vereinsbildung die Schaffung von Organen des Vereins, eines Vorstandes und einer Mitgliederversammlung zur notwendigen Voraussetzung hat; allein es steht nach den §§ 710, 711 BGB auch der Gesellschaft frei, die Führung der Geschäfte einem oder mehreren Gesellschaftern in der Weise zu übertragen, daß jeder für sich alleine zu handeln berechtigt ist, und der Einführung der Mitgliederversammlungen der Gesellschafter, in welcher nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages die erforderlichen Entscheidungen zu treffen sind, steht gleichfalls kein Hindernis im Wege".

Da es sich um eine Gesellschaft und keinen nicht „rechtsfähigen" Verein handele, sei die Vorschrift des § 54 S. 2 BGB nicht anwendbar, der Beklagte nach dieser Vorschrift nicht haftbar. Vielmehr griffen die allgemeinen Vorschriften über die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ein, d. h. die Gesellschafter würden für die Gesellschaftsschulden persönlich haften. Für den Beklagten würde das bedeuten, dass er nur dann haften würde, wenn er Gesellschafter gewesen wäre. Das Reichgericht wörtlich: „Wäre der Beklagte, obwohl im Vorstand der Gesellschaft, nicht selbst Gesellschafter gewesen, so würde er durch den Abschluß des Bohrvertrages zwar die Gesellschafter, nicht aber sich persönlich verpflichtet haben".

231 RGZ 16, 189 (191, 193), Urt. v. 07. 04. 1886, Az: I 52/86. 232 RG, in: JW 1906, 452, Urt. v. 26. 05. 1906, Az: 1420/05.

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VI. Der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein und die (Publikums-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts

In der Judikatur des Bundesgerichtshofs finden sich Entscheidungen zur Geschäftsführung in Publikumsgesellschaften außerhalb des Rechts der Handelsgesellschaften. Der Bundesgerichthof ordnete die konkreten Gesellschaften der Rechtsform der BGB-Gesellschaft zu: der Konflikt mit dem angeblichen zwingenden Grundsatz der Selbstorganschaft war vorprogrammiert. Steht man auf dem dualistisch gefärbten Boden der Teilung des Rechts des nicht eingetragenen Verbandes in den „nicht rechtsfähigen" Verein und der Β GB-Gesell schaft, vermisst man doch Ausführungen dazu, warum es sich bei den konkreten Verbänden nicht um einen wirtschaftlichen, nicht konzessionierten Verein handelte. Hätte der Bundesgerichtshof die Verbände als Verein eingeordnet, wären Konflikte mit dem Organisationsprinzip der Selbstorganschaft von vornherein ausgeschieden. Aber auch auf dem Boden des hier entwickelten Einheitsbegriffs des nicht eingetragenen Verbandes vermisst man - bei selbstverständlicher Einordnung der fraglichen Verbände als BGB-Gesellschaft (§§ 54 S. 1, 705 ff. BGB) - Ausführungen, warum nicht entsprechend den Grundsätzen der „Forum S "-Entscheidung233 ergänzend das Recht der §§25 ff. BGB herangezogen werden kann, also anstelle des Organisationsprinzips der originären Mitgliederselbstverwaltung die Grundsätze der abstrakten Mitgliederverwaltung treten. Letztlich aber kommt der Bundesgerichtshof, auch wenn er den organschaftlichen Charakter der Fremdorganschaft in den zur Entscheidung anstehenden Fällen verleugnet, durch die Hintertür zu einer Anwendung körperschaftsrechtlicher Vorschriften. In BGH, NJW 1982, 877 2 3 4 ging es um einen wirtschaftlichen, nicht eingetragenen Verband 235 . Im Gesellschaftsvertrag war die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis einem „Treuhänder" übertragen, in den Fällen seiner Verhinderung an einen maßgeblich von den Gesellschaftern zu bildenden Beirat. Zudem war der „Treuhänder" weisungsgebunden. Der Bundesgerichtshof ordnete den Verband als atypische Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ein. Einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft wollte der Bundesgerichtshof dennoch nicht annehmen; er erreichte dies dadurch, dass er die fremdorganschaftliche Regelung als schuldrechtliche Regelung deutete. Der Rechtsgrundsatz der Selbstorganschaft, so wie er von der Rechtsprechung gehandhabt wird, verbietet nur, dass sämtliche Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen und diese auf Dritte übertragen werden. Damit vereinbar ist es für den BGH jedoch, dass die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss oder von vornherein im Gesellschaftsvertrag einen Dritten im weiten 233 BGH, in: NJW 1979, 2304, „Forum S", Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141/78. 234 BGH, in: NJW 1982, 877, Urt. v. 16. 11. 1982, Az: II ZR 213/80. 235 Der Zweck des Verbandes bestand in der langfristigen Vermögensanlage, in der Weise, dass die Beteiligung an öffentlich geförderten Bauvorhaben mit der Gewährung von Darlehen nach § 17 BerlinFG verbunden wird.

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Umfange mit Geschäftsführungsaufgaben betrauen und mit einer umfassenden Vollmacht ausstatten236. Nach Auffassung des 2. Senats wurden im konkreten Fall keine originären organschaftlichen Leitungsbefugnisse für den Treuhänder begründet. Diese seien bei der Gesamtheit der Gesellschafter geblieben (§§ 709, 714 BGB). Seine Rechtsauffassung findet der Senat darin bestätigt, dass die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse des Treuhänders im Gesellschaftsvertrag im einzelnen festgelegt worden sind und die Gesellschafter ein weitgehendes Weisungsrecht und neben dem Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grunde ein ordentliches Kündigungsrecht haben. Der Grundsatz der Einstimmigkeit der Beschlussfassung war zudem durch das Mehrheitsprinzip ersetzt worden. M i t keinem Wort geht der Senat auf die Frage ein, ob nicht i m vorliegenden Fall ein nicht eingetragener (wirtschaftlicher) Verein vorliegen könnte. Die Handlungsorganisation weist entsprechende Elemente auf, die sich in den §§ 25 ff. B G B bzw. in den auf den konkreten Fall besser passenden §§ 35 ff. GmbHG bzw. §§ 491 ff. HGB finden und eine typische körperschaftliche Handlungsverfassung prägen: abstraktes Handlungsorgan, Möglichkeit des Widerrufs zumindest aus wichtigem Grund, Weisungsbefugnis der Gesellschafter. In BGH, NJW 1982, 2 4 9 5 2 3 7 bestimmte der Gesellschaftsvertrag eines Verbandes, der vom B G H als (Publikums-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts eingeordnet wurde, dass Geschäftsführung und Verwaltung der Gesellschaft einem „Verwalter" obliegen sollten. Zu diesem wurde von den Gründungsgesellschaftern gem. der Satzung - befristet ein Nichtgesellschafter bestellt. Bis dahin sollte der Verwalter nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei einer Beschlussmehrheit von 90% (!) abberufen werden können. Der BGH knüpfte zunächst an seiner Rechtsprechung an, dass das Verbot der Fremdorganschaft nur einem Ausschluss aller Gesellschafter von Geschäftsführung und Vertretung und deren Übertragung auf Dritte entgegenstehe. Damit sei aber vereinbar, dass die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrage einen Dritten, wenn sie nur selbst die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis behalten, in weitem Umfange mit Geschäftsführungsmaßnahmen betrauen und ihm eine umfassende Vollmacht erteilen. Der zum Verwalter „bestellte" Dritte besaß in den Augen des Bundesgerichtshofs lediglich ein in dieser Weise abgeleitetes Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht. Die weiteren Ausführungen des Urteils setzen Maßstäbe und sind verräterisch zu gleich: Der Bundesgerichtshof hat keine Bedenken gegen die Regelung des Gesellschaftsvertrages, nach der dem „Verwalter" die Geschäftsführung und Vertretung nur aus wichtigem Grunde entzogen werden dürfen. Zur Begründung verweist der 2. Senat auf die organschaftlichen Verhältnisse betreffenden Vorschriften der §§ 38 Abs. 2 GmbHG, 84 Abs. 3 AktG; näherliegend wäre doch ein Vergleich zu § 52 Abs. 1 HGB gewesen. Seinen Stab bricht der Senat aber über die Vorschrift, dass eine Abberufung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nur bei qualifizierter Mehrheit von 90% erfolgen kann: Liege ein wichtiger Grund vor, ist also die Beibehaltung des Geschäftsführers für die Gesellschaft unzumutbar, dann könne einer Minderheit nicht das Recht gegeben werden, der Mehrheit diesen Geschäftsführer weiter aufzuzwingen. Ausreichend sei für die Abberufung eines Geschäfts236 BGH, in: NJW 1982, 877 (878), Urt. v. 16. 11. 1982, Az: II ZR 213/80. 237 BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: II ZR 74/81.

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führers aus wichtigen Grund daher grundsätzlich die einfache Mehrheit 238 . In BGH, W M 1984, 2 9 2 3 9 wird der Bundesgerichtshof auf diese Entscheidung Bezug nehmen, wenn er entscheidet, dass in der GmbH zur Abberufung eines Fremdgeschäftsführers bei Vorliegen eines wichtigen Grundes grundsätzlich die einfache Mehrheit ausreicht, auch wenn nach der Satzung alle Beschlüsse einstimmig zu fassen sind.

Auch in dieser Entscheidung fragt der BGH nicht näher nach, ob es sich bei dem vorliegenden Verband nicht um einen „nicht rechtsfähigen" (wirtschaftlichen) Verein handelt. In den näheren Entscheidungsgründen hält der BGH zwar formaliter an der Einordnung des Verbandes als einfache Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und damit an der Geltung des Grundsatzes der Selbstorganschaft fest, der Sache nach aber wendet er passendes allgemeines Körperschaftsrecht auf den Verband an, nämlich die allgemeinen Grundsätze über die Abberufung eines Organwalters, die insbesondere in § 27 Abs. 2 BGB oder besser, da auf wirtschaftliche Verhältnisse zugeschnitten, in § 38 GmbHG zum Ausdruck kommen. In BGHZ 102, 172 2 4 0 hatte es der BGH wieder mit einer (Publikums-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu tun. Diesmal war ein Gesellschafter „Geschäftsführer 241 " der Gesellschaft, der aus wichtigem Grund abberufen werden sollte. Streitig war, ob dieser Gesellschafter-Geschäftsführer der Gesellschaft, wie es dem gesetzlichen Leitbild der auf personalistische Zusammenschlüsse abzielenden Vorschriften über die einfache Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 712, 715 BGB) oder der oHG (§§ 117, 127 HGB) entspricht, nur durch einstimmigen Beschluss abberufen werden konnte oder ob nicht die (einfache) Mehrheit den Ausschlag geben müsse. Der BGH knüpfte an seine Entscheidung BGH, NJW 1982, 2495 an und entschied, dass in der Publikumspersonengesellschaft die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund nicht durch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit erschwert werden dürfe. Der Minderheit dürfe nicht das Recht zustehen, der Mehrheit einen unzumutbaren Geschäftsführer länger als notwendig zuzumuten. Zur Begründung verweist der Senat auch auf seine Rechtssprechung zur GmbH. Auch dort hat es der BGH für unzulässig gehalten, die Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund, auch wenn der selbst Gesellschafter ist, an eine qualifizierte Mehrheit zu binden 242 .

Auch in dieser Entscheidung ist der BGH nicht weiter auf die Frage eingegangen, ob es sich bei der Gesellschaft nicht vielleicht um einen Verein handelt. Im Ergebnis hat das Gericht dann aber doch wegen der Struktur des Verbandes Gesichtspunkte des Körperschaftsrechts herangezogen, um zu einem interessenge238 BGH, in: NJW 1982, 2495 (2496), Urt. v. 22. 03. 1982, Az: II ZR 74/81. 239 BGH, in: WM 1984, 29, Urt. v. 17. 10. 1983, Az: II ZR 31/83. 240 BGHZ 102, 172 = NJW 1988, 23, Urt. v. 09. 11. 1987, Az: II ZR 100/87. 241 Konkret ging es wieder um einen Treuhänder, der aber im Wesentlichen die Geschäfte der Gesellschaft führte. 242 BGHZ 86, 177 (179), Uri. ν. 20. 12. 1982, Az: I I ZR 110/82. Auf die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer eine Sonderrecht (§ 35 BGB) auf die Geschäftsführung hat, brauchte der Senat nicht einzugehen.

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rechten, der Organisation der Gesellschaft entsprechenden Ergebnis zu kommen. Im Ergebnis wendet der Bundesgerichtshof durchaus Körperschaftsrecht an, soweit es der Struktur nach auf den fraglichen Verband passt. Oder mit den Worten des BGH in der „Forum S "-Entscheidung: es sind diejenigen Normen anzuwenden, die „den Bedürfnissen der Organisation sowie der schützenswerten Interessen ihrer Mitglieder am besten gerecht werden" 243 .

D. Formen körperschaftlich organisierter Gesellschaften Das Recht der (unechten) Vorgesellschaften und das Rechtsinstitut der Rechtsformverfehlung zeigen, dass das deutsche Gesellschaftsrecht ohne die Anerkennung der Möglichkeit, eine offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft entsprechend dem Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) auszugestalten, nicht auskommen kann, wenn nicht der numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen gesprengt werden soll. Es ist eben das Schicksal einer Auffangrechtsform, allen nur denkbaren organisationsrechtlichen Gestaltungen auf der Ebene der Handlungsverfassung ein ansprechendes Zuhause zu geben, das gewissen Anforderungen an dogmatischen Mindeststandards standhält, die sich zB hinter dem Begriff der Kontinuität der Handlungsverfassung verbergen, der seinerseits Ausfluss des Begriffs der organschaftlich verfassten juristischen Person ist. Die bisherige Diskussion um das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft krankt daran, dass zahlreiche „anerkannte" Fälle der fremdorganschaftlich verfassten BGB-Gesellschaft oder offenen Handelsgesellschaft nicht wahrgenommen werden. Genannt werden kann hier: • das tradierte Recht der Vorgesellschaften • das Recht der nicht eingetragenen Genossenschaft • die Fälle der Rechtsformverfehlung und des nachträglichen Rechtsformzwanges (nicht eingetragene Dauerkapitalgesellschaft; unechte Vorgesellschaft).

I. Das tradierte Recht der Vorgesellschaften als Beispiel körperschaftlich verfasster Gesellschaften des bürgerlichen Rechts

Heute werden die Vorgesellschaften im Kapital- und Genossenschaftsrecht als Gesellschaftsformen sui generis eingeordnet, die bereits entsprechend der eingetragenen Gesellschaft verfasst sind (Kontinuität der Handlungs Verfassung). Nach der tradierten Lehre wurden die Vorgesellschaften als körperschaftlich verfasste, auch mit Fremdorganen ausgerüstete Gesellschaften des bürgerlichen Rechts iSd §§ 705 ff. (105 ff. HGB) eingeordnet. 243 BGH, in: NJW 1979, 2304 (2305) „Forum S", Urt. v. 02. 04. 1979, Az: II ZR 141 /78.

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7. Die heutige Rechtsanschauung Soweit es um die Beurteilung des Rechtsnatur der Vorgesellschaften im Kapitalgesellschaftsrecht geht, hat sich die Marschrichtung durchgesetzt, die vom 2. Senat des Bundesgerichtshofs in BGHZ 20, 281 (Vorgenossenschaft) und BGHZ 21, 242 (Vor-GmbH) 244 eingeschlagen wurde. Der Leitsatz der Entscheidung im 21. Band lautet: „Die im Werden begriffene Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist keine bürgerlichrechtliche Gesellschaft, sondern eine Organisation, die einem Sonderrecht untersteht, das aus den im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag gegebenen Gründungsvorschriften und dem Recht der rechtsfähigen Gesellschaft, soweit es nicht die Eintragung voraussetzt, besteht".

Dementsprechend wird die Vorgesellschaft heute von der absolut herrschenden Meinung und in ständiger Rechtsprechung als eine Personenvereinigung eigener Art (sui generis) angesehen, auf die neben dem Gesellschaftervertrag bereits alle Normen des GmbH-Rechts / Aktienrechts anzuwenden sind, soweit sie nicht gerade die Eintragung voraussetzen oder auf die besonderen Umstände bzw. Verhältnisse des Gründungsstadiums keine hinreichende Rücksicht nehmen 245 . Dies bedeutet, dass die Handlungsorganisation der Gesellschaft im Stadium der Vorgesellschaft bereits ebenso verfasst ist wie später als eingetragene Gesellschaft. Dies wird hier unter dem Stichwort Kontinuität der Handlungsverfassung vermerkt (siehe § 4). Die Vorgesellschaft handelt durch ihre abstrakten Handlungsorgane. Dies sind je nachdem Vorstand oder Geschäftsführer. Berührungspunkte mit der Problematik der Selbstorganschaft gibt es für die herrschende Meinung nicht, da die Vorgesellschaften - um in der gängigen Terminologie zu bleiben - „weder eine Personengesellschaft noch eine juristische Person", sondern eben eine Gesellschaft sui 246

generis ist . Das war aber einmal anders. Vor den grundlegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im 20. und 21. Band seiner Entscheidungssammlung wurden die Vorgesellschaften als Gesellschaft oder nicht eingetragener Verein des bürgerlichen Rechts eingeordnet. Von versprengten Autoren werden die Vorgesellschaften auch

244 BGHZ 21, 242, Urt. v. 12. 07. 1956, Az: II ZR 218/54. Der Bundesgerichtshof hatte bereits in BGHZ 20, 281 Lt. 1, Urt. v. 23. 04. 1956, I I ZR 116/55 für die Vorgenossenschaft ausgesprochen: „Mit der Errichtung des Statuts einer Genossenschaft entsteht weder ein nichtrechtsfähiger Verein noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern eine nichtrechtsfähige Genossenschaft, für die das Recht der eingetragenen Genossenschaft gilt, soweit sich aus dem Fehlen der Rechtsfähigkeit nichts Abweichendes ergibt". 245 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 6; Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 3; Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 41, Rdnr. 4; BGHZ 80, 129 (132), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: I I ZR 54/80; BGH, in: NJW 2000, 1193 (1194) = BGHZ 143, 327, Versäumnisurteil v. 18. 01. 2000, Az: X I 7 1 /99. 246 BGH, in: NJW 2000, 1193 (1194) = BGHZ 143, 327, Versäumnisurteil v. 18. 01. 2000, Az: XI71/99; sie wird von der hL dennoch als Gesamthandsgesellschaft eingeordnet {Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 7).

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heute noch entgegen dem allgemeinen Trend als nicht rechtsfähige wirtschaftliche Vereine iSd § 54 S. 1 BGB bezeichnet. Große Unterschiede zur hM gibt es mit Blick auf die Organisationsverfassung nicht, da auch diese Auffassung das Recht der jeweils angestrebten Gesellschaft anwendet, soweit dieses nicht gerade die Re247

gistnerung voraussetzt

.

2. Die tradierte Einordnung der Gründungsgesellschaft als Gesellschaft oder Verein des bürgerlichen Rechts Früher wurde die Vorgesellschaft als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts 248 teilweise auch als nicht rechtsfähiger Verein 249 - angesehen250. Das Reichsgericht entschied: „Bis zur Eintragung bilden die Gründer eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts" 251 . Die Verfassung einer solchen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts - insbesondere ihre Handlungsorganisation - war am Recht der fertigen GmbH gehalten; es waren Geschäftsführer zu bestellen, durch die die Gesellschaft handelte (vgl. §§ 6, 7, 8, 78 GmbHG) 252 . Der Unterschied zur heutigen Lehre war in ihren praktischen Folgen nicht so groß, wie er scheint. Der Grundsatz, dass auf die Vorgesellschaft das Recht der GmbH oder Aktiengesellschaft Anwendung findet, soweit dies nicht die Eintragung voraussetzt, galt auch bei Deutung der Vorgesellschaft als Gesellschaft iSd §§ 705 ff. BGB. Dies ermöglicht die weitgehend dispositive Natur des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Wie schon im Recht des nicht eingetragenen Vereins die Gesellschaft bürgerlichen Rechts körperschaftlich ausgestaltet werden konnte, so kann die Organisation einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts weitgehend der Organisation einer (eingetragenen) GmbH angeglichen werden. Diese Begründung klingt auch in den Ausführungen des Reichsgerichts an: „ . . . , daß bereits für die Rechtsverhältnisse der werdenden, noch nicht eingetragenen Gesellschaft m. b. H. und deren Beurteilung nach dem Willen aller Beteiligten, wie er sich aus dem Verhältnis der werdenden zur eingetragenen Gesellschaft m. b. H. ergibt, die 247 Beuthien, ZIP 1996, 305 (307); so schon: Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 40. 248 RGZ 58, 55 (56), Urt. v. 20. 04. 1904, Az: I 15/04; RGZ 82, 288 (290), Urt. v. 22. 05. 1923, Az: II 81 /13; RGZ 87, 246 (249), Urt. v. 26. 10. 1915, Az: II 236/15. 249 Lehmann/Dietz, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1970, S. 304 (Aktiengesellschaft), S. 422 (GmbH); deutlicher die Vorauflage; heute noch: Beuthien, ZIP 1996, 305 (307). 250 Allgemein wurde die Vor-Aktiengesellschaft und die Vor-GmbH als Gesellschaft iSd der §§ 705 ff. BGB eingeordnet, während die Vorgenossenschaft überwiegend als nicht rechtsfähiger Verein iSd § 54 S. 1 BGB angesehen wurde (vgl. dazu Scholz, JW 1938, 3149 (3149 f.)). 251 RGZ 82, 288 (290), Urt. v. 22. 05. 1923, Az: II 81 /13; grundlegend: RGZ 58, 55 (56), Urt. v. 20. 04. 1904, Az: I 15/04. 252 RGZ 58, 55 (55 f.), Urt. v. 20. 04. 1904, Az: I 15/04; RGZ 82, 288 (290), Urt. v. 22. 05. 1923, Az: II 81 / 13; RGZ 105, 228 (229 f.), Urt. v. 17. 10. 1922, Az: VII 762/21.

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Grundsätze zur Ergänzung heranzuziehen sind, welche von den eingetragenen Gesellschaften gelten, und im gewissen Umfange, wie es eben das Wesen der Gründergesellschaft mit sich bringt, der Gesellschaftsvertrag" 253.

Das (dispositive) Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird durch das Recht der GmbH überlagert 254, wie schon in der richtig verstandenen Lehre des nicht eingetragenen oder konzessionierten Vereins das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprechend den körperschaftlichen Bedürfnissen eines Vereins modifiziert wird. Das Handlungsorgan einer solchen Gesellschaft ist dann ihr notwendig zu bestellender Geschäftsführer. Das originäre Prinzip der Selbstorganschaft wird überlagert durch ein abstraktes Handlungsorgan. Aus diesem Bestreben, die Vorgesellschaft unter den Tatbestand einer gesetzlichen geregelten Gesellschaftsform zu subsumieren, wurde eine körperschaftlich organisierte Gesellschaft des bürgerlichen Rechts anerkannt. Gerade um dieser körperlichen Organisation willen wurde daher in der Literatur teilweise der Einordnung als nicht rechtsfähiger Verein der Vorzug gegeben255. Das bedeutet allerdings mit Blick auf 54 S. 1 BGB wenig Unterschied bzw. keinen Unterschied, wenn man wie hier den nicht eingetragenen Verein als körperschaftlich strukturierte Gesellschaft einordnet. Betrieb nun eine so verstandene Vorgesellschaft ein Handelsgewerbe, so war sie eine offene Handelsgesellschaft 256 bzw. um es genauer zu fassen: ein offene Handelsgesellschaft mit der Handlungsorganisation einer GmbH. Die Lehre, dem Recht der Vorgesellschaften über die Verweisung auf das Recht der Gesellschaft der §§ 705 ff. BGB ein gesetzliche Grundlage zu geben, ist heute überholt und damit auch diese Durchbrechung des Prinzips der Selbstorganschaft. Aber sie begegnet dem Rechtsanwender an anderer Stelle wieder, nämlich im Recht der unechten Vorgesellschaften, die je nachdem ob sie ein Handelsgewerbe betreiben, als offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft eingeordnet werden.

II. Die nicht eingetragene Genossenschaft

Auch die nicht eingetragene Dauergenossenschaft kann eine entsprechend dem Prinzip der abstrakten Organverwaltung verfasste, am Vorbild der (eingetragenen) Genossenschaft ausgerichtete offene Handelsgesellschaft sein. Da eine solche nicht eingetragene Dauergenossenschaft regelmäßig entsprechend § 9 Abs. 2 GenG ihre Vorstandsmitglieder aus dem Kreis der Genossen rekrutiert, gibt es für die herrschende Meinung keinen Konflikt mit dem Prinzip der Selbstorganschaft. Denn 253 RGZ 82, 288 (290), Urt. v. 22. 05. 1923, Az: II 81 /13. 254 Dilcher, JuS 1966, 89 (90). 255 Dazu: G. Hueck, FS-100 Jahre GmbHG, S. 127 (143). Aber auch dann, wenn die Vorgesellschaft als nicht rechtsfähiger Verein eingeordnet wird, wird das Vereinsrecht durch das GmbH-Recht modifiziert: Dilcher, JuS 1966, 89 (90). 256 Vgl. dazu: G. Hueck, FS-100 Jahre GmbHG, S. 127 (143).

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die herrschende Meinung versteht darunter das Verbot, die organschaftliche Leitung einem Nichtgesellschafter zu übertragen. Versteht man die Selbstorganschaft aber wie hier als das organisationsrechtliche Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung, wird dieser Grundsatz durch die genossenschaftliche Verfassung durchbrochen (siehe § 3 Β II). Die nicht eingetragene Dauergenossenschaft ist von der Vorgenossenschaft zu unterscheiden.

1. Die Vorgenossenschaft Ebenso wie es eine Vor-GmbH oder eine Vor-Aktiengesellschaft gibt, ist auch eine Vorgenossenschaft anerkannt. Für sie gilt das zu den sonstigen Vorgesellschaften Gesagte. Wurde die Vorgenossenschaft zunächst entweder als nicht rechtsfähiger Verein iSd § 54 S. 1 BGB oder als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts iSd §§ 705 ff. BGB eingeordnet 257, so wird sie seit BGHZ 20, 281 2 5 8 als Verband sui generis bezeichnet, der dem Recht der eingetragenen Genossenschaft untersteht, mit Ausnahme derjenigen Vorschriften, die die Eintragung voraussetzen. Im Recht der nicht eingetragenen Genossenschaft spielen der nicht eingetragene Verein oder die BGB-Gesellschaft aber doch noch ihre Rolle, nämlich dann, wenn es um die nicht eingetragene Dauergenossenschaft geht.

2. Die nicht eingetragene Dauergenossenschaft Schon die Vorschriften der §§ 1 Abs. 1,13 GenG deuten darauf hin, dass es eine nicht eingetragene Dauergenossenschaft - tradiert spricht man auch von der nicht rechtsfähigen Genossenschaft 259 - gibt. Die nicht eingetragene Dauergenossenschaft, die durch das Merkmal der Eintragungsabsicht von der Vor-Genossenschaft zu unterscheiden ist 2 6 0 , ist nach dem heutigen Erkenntnisstand ein Fall des „nicht rechtsfähigen" wirtschaftlichen Vereins (§ 54 S. 1 BGB), der nach der hier vertretenden Auffassung nun seinerseits nichts anderes als eine körperschaftliche (vereinsmäßige) Modifikation der §§ 705 ff. BGB ist. Vor Inkrafttreten des BGB wurde die nicht eingetragene Genossenschaft als erlaubte Privatgesellschaft der Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. oder auch als Erwerbsgesellschaft der Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff. bzw. 257 ZB: OLG München, in: HRR 1941 Nr. 704, Urt. v. 02. 04. 1940, Az: 4 U 667/38; Scholz, JW 1938, 3149 (3149 f.). 258 BGHZ 20, 281, Urt. v. 23. 04. 1956, Az: II ZR 116/55. 259 So der Titel des Aufsatzes v. Carolsfeld, ZGenW Bd. 34 (1984), 45; Terminologie auch bei: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 411 2 a, der von der nicht rechtsfähigen Dauergenossenschaft spricht. 260 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 41 I 2 a = S. 1263; ν. Carolsfeld, ZGenW Bd. 34 (1984), 45; Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 I I = S. 92, derselbe, ZGenW Bd. 4 (1954), 149 (151).

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außerhalb des Geltungsbereichs des preußischen Landrechts im gemeinen Recht als „modifizierte" societas verstanden 261. Betreibt die nicht eingetragene Dauergenossenschaft kein Handelsgewerbe, so ist sie ein nicht eingetragener Verband iSd §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB; betreibt sie ein Handelsgewerbe, so wird sie über die Verweisung auf § 105 HGB zu einer körperschaftlich, nach dem Vorbilde des Genossenschaftsrechts strukturierten offenen Handelsgesellschaft. Bei der nicht eingetragenen Genossenschaft handelt es sich um eine genossenschaftliche Modifikation der §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB, 105 ff. HGB 2 6 2 . Für die Verbindlichkeiten der nicht eingetragenen Genossenschaft, die nichts anderes ist als ein genossenschaftlich verfasster wirtschaftlicher Verein iSd § 54 S. 1 BGB, haften die Genossen entweder entsprechend oder unmittelbar gem. § 128 HGB 2 6 3 . Das ist Folge der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verbandes; die körperschaftliche Verfassung des Verbandes ist insoweit ohne Bedeutung. Betreibt sie ein Handelsgewerbe, so ist sie oHG (§§ 54 S. 1, 705 BGB, 105 HGB) 2 6 4 . Die nicht eingetragene Dauergenossenschaft wird sogar in ihren Organisationsmöglichkeiten freier sein als die eingetragenen Genossenschaften. Die eingetragene Genossenschaft hat einen Vorstand (§ 9 Abs. 1 GenG) und ist insoweit körperschaftlich organisiert. Aber ihre Gestaltungsfreiheit wird insoweit beschnitten, als § 9 Abs. 2 S. 1 GenG bestimmt, dass die Mitglieder des Vorstandes Genossen sein müssen. Dieser Grundsatz gilt aber nicht für die nicht eingetragenen Genossenschaften, denn bei dem Grundsatz handelt es sich um kein genossenschaftsrechtliches Grundgesetz 265. Er wurde vom Gesetzgeber aus heute überholten Zweckmäßigkeitserwägungen übernommen 266. So heißt es in der Regierungsbegründung zum noch heute gültigen GenG von 1889: „Dabei erscheint es zweckmäßig, im Gegensatz zu Artikel 191, 224 des Aktiengesetzes, für den Aufsichtsrath wie für den Vorstand an der Vorschrift des jetzigen Genossenschaftsgesetzes festzuhalten, daß dieselben nur aus Mitgliedern der Genossenschaft bestehen dür-

261 Die nicht eingetragene Genossenschaft ist keine eigenständige Rechtsform. Vgl. Motive eines Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, in: Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz II, Parlamentarische Materialien (1866-1922), S. 78 ff. (98) (= Stenographische Berichte des Preußischen Landtages (Abgeordnetenhaus) 1866, Aktenstück Nr. 86); Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 74 f.; Waldecker, Gruchot's Beiträge, Bd. 59 (1915), 961 passim, zB S. 969. AA: Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 II 3 = S. 93; derselbe, ZGenW Bd. 4 (1954), 149 (156). 262 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 74. 263 Im Ergebnis: Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 III 1 = S. 93 f. 264 Im Ergebnis: Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 III 1 = S. 94; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 4112 = S. 1263 f. 265 Beuthien, GenG, 13. Auflage, 2000, § 9, Rdnr. 4 spricht von einem strukturprägenden Element. 2 66 Vgl. RGZ 144, 384 (387), Urt. v. 05. 06. 1934, Az: I I 59/34.

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fen. Denn die Haftpflicht der letzteren ist ein zu wirksames Moment für das Interesse an der richtigen Leitung der Genossenschaftsgesetze, als daß es bei der Zusammensetzung der beiden maßgebenden Organe unberücksichtigt bleiben dürfte" 267 .

I I I . Körperschaftlich verfasste oHG und BGB-Gesellschaft als Rechtsfolge des Rechtsformzwangs bei Rechtsformverfehlung 7. Der Rechtsformzwang

bei der Rechtsformverfehlung

Die Aufgabe der Rechtsformzwanges besteht darin, jeden Verband - notfalls auch gegen den Willen der Gründer - einer zulässigen Rechtsform zuzuweisen 2 6 8 . Tritt zB ein Verband dauerhaft werbend als GmbH auf, ohne aber eingetragen zu sein oder die Eintragung überhaupt anzustreben (nicht eingetragene Dauerkapitalgesellschaft 2 6 9 ), so kommt das Rechtssystem nicht an der Tatsache vorbei, dass der Verband als real existierende Organisation in der Welt ist. Die Nichtigkeitsrechtsfolge als Reaktion auf eine solche Rechtsformverfehlung scheidet naturgemäß aus. Natürlich kann ein solcher Verband nicht als GmbH anerkannt werden, da die Gesellschafter sich ihre Haftungsfreistellung nicht durch Eintragung nach Durchlauf einer registergerichtlichen Kontrolle verdient haben. Diesen Fällen ist dadurch beizukommen, dass diese Verbände bestimmten Auffang- oder Grundrechtsformen des Verbandsrechts zugewiesen werden 2 7 0 . Diese Grundformen des Gesellschaftsrechts sind die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. B G B ) 2 7 1 oder, 267

Regierungsentwurf nebst Begründung, abgedruckt in: Beuthien /Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, II. Parlamentarische Materialien (1866-1922), S. 155 ff. (230) = Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages - 7. Legislaturperiode - IV. Session 1888/1889-4. Band (1. Anlageband), Nr. 28, S. 183 ff. 2 68 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 II 3 b = S. 108. 269 Begriff nach K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 242. 270 Früher gab es gerade im gemeinen Recht, aber auch dort, wo das Aktienwesen schon partikularrechtlich geregelt war, freie Aktiengesellschaften, also kapitalgesellschaftlich aufgezogene Verbände, die fernab jeder Einhaltung von Förmlichkeiten oder Konzessionierung bestanden. Diese Entwicklung fand aber mit Einführung des ADHGB, und endgültig durch die Aktienrechtsnovelle von 1870, die auch die zivilistische Aktiengesellschaft dem Aktienrecht unterstellte, ihr Ende (Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1870, 375 (Nr. 21). Art. 208 Abs. 1 ADHGB idF von 1870 lautet: Eine Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht); dazu: K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 242 ff. 271 Wenn der aufzunehmende Verband körperschaftlich organisiert ist, kann man auch vom Verein iSd § 54 S. 1 BGB sprechen, wobei man sich vor Augen halten muss, dass auch der nicht rechtsfähige Verein nur eine körperschaftlich organisierte Gesellschaft iSd §§ 705 ff. BGB ist.

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wenn ein Handelsunternehmen betrieben wird, die offene Handelsgesellschaft (§§ 105 HGB, 705 ff. BGB) 2 7 2 Möchte ein Verband als GmbH am Rechtsverkehr teilnehmen, ist er aber nicht eingetragen und verfolgt er eine solche Eintragung auch nicht (also kein Fall der Vor-GmbH), ist er aufgrund des Rechtsformzwanges offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft. Das ist seit der Rohfa-Entscheidung des Bundesgerichtshofs Allgemeingut 273 . Mehrere Mitglieder einer eingetragenen GmbH, der Rofaser-GmbH, eröffneten an einem anderen Ort ein neues vollkaufmännisches Handelsgeschäft und betrieben dies gemeinschaftlich unter der Firma einer nicht existierenden GmbH, der „Rofa GmbH", ohne aber deren Eintragung zu beabsichtigen. Der Bundesgerichtshof sah darin den Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags. Diesen Verband ordnete er aufgrund des Rechtsformzwanges zutreffend als offene Handelsgesellschaft ein, da die Parteien nicht den Willen hatten, den Verband als GmbH eintragen zu lassen. Auf den Willen der Beteiligten, das Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH zu betreiben, kam es nach Auffassung des Bundesgerichtshof nicht an. Der Bundesgerichtshof führte aus: „Eine Personenvereinigung, die ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreibt, kann sich nur der durch das Gesetz zur Verfügung gestellten Gesellschaftsformen bedienen. Der in § 22 BGB für wirtschaftliche Vereine verordnete Konzessionszwang läßt nicht die Möglichkeit, auf einem anderen Wege als in den Formen der Aktiengesellschaft, der Gesellschaft mbH und der eingetragenen Genossenschaft die Rechtsfähigkeit oder die beschränkte Haftung (Nichthaftung) der Mitglieder zu erreichen (Schultze-von Lasaulx JZ 1952, 390 ff.; ZGen 5, 190/91; Paulick ZGen 4; 149 ff. [153]). Es ist anerkannt, daß ein nichtrechtsfähiger Verein in Wirklichkeit offene Handelsgesellschaft ist und ins Handelsregister eingetragen werden muß, wenn er ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreibt (Würdinger, Gesellschaften I § 14 IV; Haupt-Reinhardt, Gesellschaftsrecht § 29 II 6 a). Anerkannt ist weiter, daß eine Personalgesellschaft, die über den Umfang des Kleingewerbes hinaus Handelsgeschäfte betreibt, offene Handelsgesellschaft und eintragungspflichtig ist (Hueck, Recht der offenen Handelsgesellschaft § 1 II; Weipert in RGRKomm ζ HGB § 105 Anm. 15; Würdinger a. a. O. § 22 I 2 b). Auch wenn die Mitglieder einer eingetragenen GmbH gemeinsam ein neues vollkaufmännisches Handelsgeschäft eröffnen und unter der Firma einer nicht bestehenden GmbH betreiben, aber gar nicht daran denken, einen neuen Gesellschaftsvertrag zu schließen und das neue Unternehmen als GmbH ins Handelsregister eintragen zu lassen, liegt in Wirklichkeit eine offene Handelsgesellschaft vor, weil durch das tatsächliche Verhalten der GmbH-Gesellschafter schlüssig ein OHGVertrag zustande kommt und die Beteiligten ihre Haftung nicht in der gedachten Weise beschränken können und darum unbeschränkt haften. Daß sie das nicht wollen und auch die Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft für sich nicht wünschen, ist unerheblich, da objektiv die Voraussetzungen für die offene Handelsgesellschaft gegeben sind" 2 7 4 .

Der Verband, der durch Verfehlung der gewünschten Rechtsform in die Mühlen des Rechtsformzwanges geraten ist und deshalb dem Recht von BGB-Gesellschaft 272 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 II 3 b = S. 108. 273 BGHZ 22, 240, Urt. v. 29. 11. 1956, Az: II ZR 282/55; zustimmend: K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 248 f. 274 BGHZ 22, 240 (242 f.), Urt. v. 29. 11. 1956, Az: II ZR 282/55. 26 Bergmann

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und offener Handelsgesellschaft zugewiesen wird, ist eine juristische Person. Er ist eine vorrechtliches, über seine Organisationsverfassung (Handlungsverfassung) handlungsfähiges Gebilde, dem die Rechtsordnung gerade durch die Verweisung auf die Rechtsform von BGB-Gesellschaft oder offener Handelsgesellschaft Rechtsfähigkeit beimisst 275 . Mehr verlangt der Begriff der juristischen Person nicht. Aus der Sicht der Theorie der juristischen Person heraus ist die Lehre vom Rechtsformzwang, die die Rechtsformen von offener Handelsgesellschaft und BGB-Gesellschaft als Grundformen bereit hält, geboten. Das Rechtssystem kann so auf die verschiedenartigsten, tatsächlich vorhandene Verbände, die mangels Erfüllung der Normativbestimmungen oder hoheitlicher Konzession aus dem selbst angestrebten Raster (GmbH oder Aktiengesellschaft) herausfallen, reagieren und ihnen die Rechtsfähigkeit und damit die rechtliche Anerkennung zukommen lassen. Mit anderen Worten: das Rechtsystem hält mit den Rechtsformen der BGBGesellschaft und der offenen Handelsgesellschaft die rechtliche Anerkennung für alle Formen von Verbänden bereit, die in den anderen Rechtsformen kein Zuhause gefunden haben. Aus der Auffangfunktion (Absorptionsfunktion 276) des Rechts der BGB-Gesellschaft und der offenen Handelsgesellschaft folgt nun, dass diese Rechtsformen in der Lage sein müssen, die unterschiedlichst verfassten Organisationen aufzunehmen und zu beherbergen, vom personalistischen Zusammenschluss entsprechend den Grundsätzen der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) bis hin zur körperschaftlich, nach den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) verfassten Vereinigung, innerhalb derer die Handlungskompetenzen nicht den Gesellschaftern, sondern abstrakten Organen wie einem Vorstand oder einer Geschäftsführung zugewiesen sind. Dass das Recht der §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB dazu in der Lage ist, zeigt die Vorschrift des § 54 S. 1 BGB: der Gesetzgeber hat das Recht des nicht eingetragenen ideellen oder nicht konzessionierten wirtschaftlichen Vereins im vollen Bewusstsein um dessen Dehnbarkeit auf das Recht der §§ 705 ff. BGB, 105 HGB verwiesen 277. Es ist diese Allroundfähigkeit des Rechts von BGB-Gesellschaft und offener Handelsgesellschaft, die es zB der frühen Lehre und Rechtsprechung ermöglicht hat, die Problematik der Vorgesellschaften im Kapitalgesellschafts- und Genossenschaftsrecht über die Rechtsformen der BGB-Gesellschaft oder des nicht rechtsfähigen Vereins iSd § 54 S. 1 in den Griff zu bekommen.

275 BGH, in: ZIP 2001, 330 Lt. 1, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: I I ZR 331/00: Die GbR ist rechtsfähig; allerdings scheut sich der BGH noch, die Konsequenzen daraus zu ziehen und die (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zur juristischen Person zu erklären. 276 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 II 2 b = S. 108 Fn. 86; derselbe, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 121 f. 277 Mugdan I, S. 640.

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2. Die nachträgliche Rechtsformverfehlung bei der unechten Vorgesellschaft a) Die unechte Vorgesellschaft als Β GB-Gesellschaft oder offene Handelsgesellschaft Im Laufe der Rechtsentwicklung wurde das Recht der echten Vorgesellschaften aus dem Recht der BGB-Gesellschaft und der offenen Handelsgesellschaft herausgelöst und in Erweiterung des verbandsrechtlichen numerus clausus zu einer Gesellschaft eigener Art fortentwickelt 278 . Erhalten geblieben ist dem Recht der §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB aber die unechte Vorgesellschaft. Als unechte oder fehlgeschlagene Vorgesellschaft bezeichnet man solche Gesellschaften, die trotz formgerechter Errichtung von Satzung oder Gesellschaftsvertrag die Eintragung der Gesellschaft von vorneherein nicht beabsichtigen oder später aufgeben 279. Diese Verbände unterliegen nach dem Wegfall der Eintragungsabsicht nach allgemeiner Auffassung je nachdem, ob ein Handelsgewerbe betrieben wird oder nicht, dem Recht der BGB-Gesellschaft oder dem Recht der offenen Handelsgesellschaft 280 . Das ist in der Terminologie wohl unstreitig und natürliche Folge des Rechtsformzwanges 281, der einen werbenden Verband, sofern er sich nicht durch Eintragung den Rechtsstatus als GmbH oder Aktiengesellschaft verdient hat oder doch zumindest diese Eintragung anstrebt (dann: echte Vorgesellschaft), auf die §§ 105 ff. HGB oder die §§ 705 ff. BGB verweist 282 . Wie die nicht eingetragene Dauergenossenschaft ist die nicht eingetragene Dauerkapitalgesellschaft oHG oder BGB-Gesellschaft 283. So heißt es in der Rechtsprechung zur Rechtsnatur der unechten Vorgesellschaft: 278 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 6; umfassend: K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 271 ff. 279 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, § 11, Rdnr. 29; Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 83; Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2206). 280 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, § 11, Rdnr. 29; Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 11; Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 83; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 9 = S. 148 ff.; Gehrlein, DB 1996, 561 (565); K. Schmidt, NJW 2000, 1521 (1524); Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2206); BGH, in: NJW 2000, 1193 (1194) = BGHZ 143, 327, Versäumnisurteil v. 18. 01. 2000, Az: X I ZR 71/99; BSG, in: ZIP 2000, 494 (498) = BSGE 85, 192, Urt. v. 08012.1999, Az: Β 12 KR 10/98 R; Β FH, in: NJW 1998, 2926 (2927 f.) = BFHE 185, 356, Urt. v. 07. 04. 1998, Az: VII R 82/97. 281 Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2206); Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 83; K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 284. 282 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 II 3 = S. 107 ff.; BGHZ 22, 240 (242), Urt. v. 29. 11. 1956, Az: II ZR 282/55, „Rohfa". 283 Wobei man sie im letzteren Falle wegen ihrer körperschaftlichen Organisationsverfassung als nicht rechtsfähigen Verein iSd § 54 S. 1 BGB einordnen würde. Nach der hier ver26*

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„Fehlt es an dieser Voraussetzung, weil die Parteien des Gesellschaftsvertrages nicht beabsichtigt haben, die Eintragung der Gesellschaft zu betreiben, so handelt es sich bei einem solchen Zusammenschluß nicht um eine Vor-GmbH. Vielmehr liegt eine sogenannte unechte Vorgesellschaft vor, bei der lediglich nach außen der Schein besteht, daß der Wille der Gesellschafter auf die Gründung einer GmbH gerichtet ist. Auf ein solches Gebilde sind die Vorschriften anzuwenden, die für die Gesellschaftsform gelten, in der das Geschäft im konkreten Einzelfall tatsächlich betrieben worden ist (BGHZ 22, 240, 244 f.; Rowedder/Rittner/Schmidt-Leithoff, GmbHG 3. Aufl. § 11 Rdn. 8; Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung § 1 Rdn. 59), nämlich entweder das Recht der offenen Handelsgesellschaft oder das Recht der BGB-Gesellschaft" 284.

Die praktisch wichtigste Folge der Zuweisung dieser Verbände in das Recht von oHG und Β GB-Gesellschaft ist die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter der unechten Vorgesellschaft unmittelbar oder entsprechend § 128 HGB 2 8 5 .

b) Die unechte Vorgesellschaft als Erweiterung des gesellschaftsrechtlichen numerus clausus Jüngere Äußerungen des Bundesgerichtshofs scheinen den allgemein akzeptierten Satz, dass die unechte Vorgesellschaft (nicht eingetragene Dauerkapitalgesellschaft oder nicht eingetragene Dauergenossenschaft) eine offene Handelsgesellschaft oder Β GB-Gesellschaft ist, in Zweifel zu ziehen. Der 2. Senat des Bundesgerichtshofs hatte in seinem Vorlagebeschluss an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes laut angedacht, auch in den Fällen der unechten Vorgesellschaft wegen der Schwierigkeiten, verlässliche tatsächliche Feststellungen über die Aufgabe der Eintragungsabsicht zu treffen, und im Hinblick auf den drohenden „Systembruch4' mit der (beabsichtigten) Konzeption der unbeschränkten, aber grundsätzlich als Innenhaftung ausgestalteten Haftung der Gründer in der Vorgesellschaft, auch in diesen Fällen nur einen als Innenhaftung ausgestalteten Verlustdeckungsanspruch zu gewähren 286. In der Tat führt nach der bis dato ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auch die Vornahme nur eines einzigen Geschäfts nach Scheitern der Eintragung zur (unbeschränkten) Außenhaftung entsprechend § 128 HGB auch hinsichtlich der Altschulden 287 und damit zu dem vom tretenen Auffassung, ist der nicht eingetragene Verein eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft iSd §§ 705 ff. BGB. 284 ZB: BGH, in: NJW 2000, 1193 (1194) = BGHZ 143, 327, Versäumnisurteil v. 18.01.2000, Az: X I ZR 71/99. 285 BFH, in: NJW 1998, 2926 (2928) = BFHE 185, 356, Urt. v. 07. 04. 1998, Az: VII R 82/97; BSG, in: ZIP 2000,494 (498) = BSGE 85, 192, Urt. v. 08012.1999, Az: Β 12 KR 10/ 98 R; BGHZ 80, 129 (142 f.), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80; K. Schmidt, NJW 2000, 1521 (1524). 286 BGH, in: ZIP 1996, 590 (592), Vorlagebeschluss v. 04. 03. 1996, Az: II ZR 123/94; zustimmend: OLG Bremen, ZIP 2000, 2201 (2204), Urt. v. 08. 06. 2000, Az: 5 U 2/2000 a (nicht rechtskräftig); Münnich, EWiR 2000, 1015; vgl. auch Kleindiek, ZGR 1997, 427 (445 f.).

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2. Senat angeprangerten Systemwechsel in der Haftungsverfassung. Diese Passage des Vorlagebeschlusses hat nicht gerade unerhebliche Interpretationsschwierigkeiten aufgeworfen 288: wollte der Senat damit nur die Außenhaftung entsprechend § 128 HGB für Altschulden in Frage stellen, oder sollte auch für neue, nach dem Scheitern der Eintragung begründete Forderungen alleine das Modell der unbeschränkten Innenhaftung gelten. Wollte der Senat seine Äußerungen im letzteren Sinne verstanden wissen, dann hätte er durch die Hintertür der Haftung den breiten Konsens aufgekündigt, dass es sich bei der unechten Vorgesellschaft in Wirklichkeit um eine offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft handelt. Er hätte in Durchbrechung des Rechtsformzwanges in Erweiterung des bestehenden numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen eine neue Rechtsform kreiert: die dauerhaft nicht eingetragene, ihre Eintragung aber auch nicht anstrebende Dauerkapitalgesellschaft, bei der auf die Außenhaftung der Gesellschafter verzichtet wird und an ihre Stelle eine Innenhaftung tritt 2 8 9 . Dem Fall, dass das angedachte Innenhaftungsmodell sich nur auf Altschulden erstreckt werden soll, ist hier nicht weiter nachzugehen. Dadurch wird die Einordnung der unechten Vorgesellschaft als offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft bei Aufgabe der Eintragungsabsicht nicht in Frage gestellt. Aber es sei doch bemerkt, dass sich zahlreiche Fragen aufwerfen werden. Denn nunmehr stehen sich zwei Gläubigerklassen gegenüber. Einmal die Altschuldner, die sich mit ihren Ansprüchen an die Gesellschaft halten müssen, zum anderen die Neugläubiger, die entsprechend § 128 HGB die Gründer in Anspruch nehmen können. Aber dann bleibt es doch bei der schwierigen Beweisbarkeit der Aufgabe der Eintragungsabsicht, für die der Bundesgerichtshof im Vorlagebeschluss keine Lösung bereit gehalten hat 2 9 0 .

Nachdem sich das Vorlageverfahren erledigt hatte 291 , ließ der zweite Senat in seiner sodann getroffenen abschließenden Grundsatzentscheidung (BGHZ 134, 333) die von ihm aufgeworfene Frage nach der Haftung in der unechten Vorgesellschaft dahinstehen: „Ob eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschafter nach den Grundsätzen der Haftung in der oHG in Betracht kommt, wenn die Gesellschafter ihre Eintragungsabsicht aufgeben, den Geschäftsbetrieb aber fortführen, kann im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben" 292 . Der verunglückte Gedanke einer Innenhaftung auch in der unechten Vorgesellschaft schien still und leise zu Grabe getragen zu werden. In der Folge hat es zunächst das Bundesarbeitsgericht 293 abgelehnt, den Bedenken des Vorlagebeschlusses zu folgen, und es in 287 ZB: BGHZ 80, 129 (142), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80. 288 Kleindiek, ZGR 1997, 427 (446); Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2206). 289 Vgl. Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2206). 290 Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2206 f.). 291 Vgl. dazu: Münnich, EWiR 2000, 1015 (1016). 292 BGHZ 134, 333 (341), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94. Das wird in der Literatur teilweise so verstanden, dass der 2. Senat von seinen im Vorlagebeschluss geäußerten Gedankengängen wieder abrücken möchte (Kleindiek, ZGR 1997, 427 (446 f.)). 293 BAG, in: NJW 1998, 628 (629) = BAGE 86, 38, Urt. v.27. 05. 1997, Az: 9 AZR 483/ 96. Eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes gem. § 3

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Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Haftung in der unechten Vorgesellschaft bei der Anwendung des § 128 HGB belassen. Dem Beispiel des Bundesarbeitsgerichts sind der Bundesfinanzhof 94 und das Bundessozialgericht 295 gefolgt und haben am Prinzip der unbeschränkten Außenhaftung festgehalten. Doch wer gemeint hat, damit wäre das Thema nun endgültig vom Tisch, hatte sich zu früh gefreut 296 . Unlängst hat sich das OLG Bremen der Sache angenommen und unter Hinweis auf die Ausführungen im Vorlagebeschluss des 2. Senats ausgesprochen, dass auch bei Vorliegen einer unechten Vorgesellschaft nur eine Innenhaftung der Gesellschafter bestehe297. Ja, das OLG Bremen wurde sogar für seine konsequente Handhabung des Innenhaftungskonzepts belobigt 298 . Zwar ist zuzugeben, dass das OLG Bremen das - nicht gerade unproblematische und wohl zu Recht angefeindete 299 - Innenhaftungskonzept in der Vorgesellschaft konsequent durchführt. Auch wenn sich die Praxis so manche im tatsächlichen Bereich angesiedelte Schwierigkeit bei der Feststellung, ob die Eintragungsabsicht aufgegeben wurde, aus dem Weg räumen könnte 300 , ist aber eine Ausdehnung des Innenhaftungsmodells für die Neuschulden der unechten Vorgesellschaft (nicht eingetragene Dauerkapitalgesellschaft oder nicht eingetragene Dauergenossenschaft) unmöglich 301 . Ein solcher Weg wäre, wie bereits angeklungen, nur gangbar, wenn man bereit wäre, die Einordnung der unechten Vorgesellschaft in das Recht der BGB-Gesellschaft oder der offenen Handelsgesellschaft aufzugeben und eine RsprEinhG war nicht notwendig, da die Bedenken des BGH einmal in einer nicht divergenzfähigen Entscheidung (Vorlagebeschluss) enthalten waren und der BGH in BGHZ 134, 333 (341), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94 die Frage offen gelassen hatte. 294 BFH, in: NJW 1998, 2926 (2928) = BFHE 185, 356, Urt. v. 07. 04. 1998, Az: V I I R 82/97. 295 BSG, in: ZIP 2000, 494 (498) = BSGE 85, 192, Urt. v. 08012.1999, Az: Β 12 KR 10/ 98 R. 296 Andere Senate des BGH (BGH, in: NJW 1998, 1079 (1080), Urt. v. 28. 11. 1997, Az: V ZR 178/96; BGH, in: NJW 2000, 1193 (1194) = BGHZ 143, 327, Versäumnisurteil v. 18. 01. 2000, Az: X I ZR 71/99) gingen in nach BGHZ 134, 333 ergangenen Urteilen mit einer Selbstverständlichkeit davon aus, dass es sich bei der unechten Vorgesellschaft um eine GbR oder oHG handelt. Allerdings scheint der 11. Senat die Frage unter Hinweis auf BGHZ 134, 333 (341) offen lassen zu wollen, ob dies auch rückwirkend gilt (II 1 c bb der Urteilsgründe). 297 OLG Bremen, ZIP 2000, 2201 (2204), Urt. v. 08. 06. 2000, Az: 5 U 2/2000 a (nicht rechtskräftig); zustimmend: Münnich, EWiR 2000, 1015; ablehnend: K. Schmidt, GmbHR 2001,27. 298 Münnich, EWiR 2000, 1015. 299 Vgl. nur K. Schmidt, GmbHR 2001, 27 ff.; Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2007). 300 Die Aufgabe der Eintragungsabsicht durch die Gründer ist im Einzelfalle sehr schwer feststellbar (Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 29). 301 Ob es für Altschulden anwendbar ist, interessiert hier nicht weiter, da dadurch die Umwandlung der Vorgesellschaft in eine oHG/GbR nach Aufgabe der Eintragungsabsicht nicht tangiert wird.

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Erweiterung des numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen um die nicht eingetragenen Kapitalgesellschaften oder nicht eingetragenen Genossenschaften vorzunehmen. Wird an die Stelle der Haftung entsprechend § 128 HGB eine Innenhaftung gesetzt, wird nicht nur augenscheinlich mit § 128 HGB gebrochen, sondern mit der Einordnung der unechten Vorgesellschaft als oHG oder BGB-Gesellschaft. Denn ein Verband ohne die gesetzliche Außenhaftung entsprechend § 128 HGB, die nur durch vertragliche Abrede mit dem Gläubiger abbedungen werden kann 302 , ist eben keine offene Handelsgesellschaft oder eine wirtschaftliche Zwecke verfolgende BGB-Gesellschaft 303. Für eine Erweiterung des numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen fehlt aber jede Berechtigung. Nimmt man den numerus clausus ernst, kommt man an der unbeschränkten Außenhaftung der Gesellschafter nicht vorbei. Dass erklärt sich als Folge des Rechtsformzwanges zwanglos von selbst 304 . Nach der Aufgabe der Eintragungsabsicht kann keine Vorgesellschaft mehr vorliegen. Da die soziale Realität des Verbandes nun mal nicht zu leugnen und das Rechtssystem ihm die rechtliche Anerkennung als solche nicht versagen will, wird er über die Mechanismen des Rechtsformzwangs auf die gesetzlichen Grundformen verwiesen, also je nachdem, ob ein Handelsgewerbe betrieben wird oder nicht, entweder auf die offene Handelsgesellschaft oder auf die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Die Haftungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft und BGB-Gesellschaft ist aber unerbittlich und folgt den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und des Gesellschaftsrechts: solange sich die Gesellschafter ihre Haftungsfreistellung nicht durch Eintragung oder Konzessionierung verdient haben, haften sie entsprechend § 128 HGB dem Gläubiger unmittelbar, persönlich, solidarisch, unbegrenzt und akzessorisch. Will man das Innenhaftungskonzept auch für die unechte Vorgesellschaft durchsetzen, sprengt man den numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen und erschafft die Rechtsfigur der dauerhaft nicht eingetragenen Kapitalgesellschaft oder dauerhaft nicht eingetragenen Genossenschaft, deren Gesellschafter gegenüber den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, die in der Haftung gem. § 128 HGB ihren Ausdruck finden, durch das Konzept einer unbeschränkten, aber anteiligen Innenhaftung privilegiert werden 305 . Ein Haftungskonzept, das vielleicht in der echten Vorgesellschaft gerade noch seine Berechtigung finden mag, das aber die Gläubiger, insbesondere mit dem Rückgriffsrisiko, im Vergleich zur Haftung entsprechend § 128 HGB übermäßig belastet. Dass der Bundesgerichtshof ein solches Rechtsinstitut der gläubigerbenachteiligenden nicht eingetragenen Dauerkapitalgesellschaft, die fernab jeder eine Haftungsprivilegierung rechtfertigenden objektiven Kontrolle der

302 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 128, Rdnr. 38. 303 BGHZ 142, 315, Urt. v. 27. 09. 1999, Az: II ZR 371/98. 304 Vgl. n u r κ. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 284; allgemein zur Rechtsformverfehlung: derselbe, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 II 3 = S. 107 ff. 305 Schwarz, ZIP 1996, 2005 (2207).

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Einhaltung von Normativbestimmungen und ohne den Hauch einer Eintragungsabsicht am Rechtsverkehr teilnehmen kann, in Erweiterung des numerus clausus der Gesellschaftsformen schaffen wollte, ist nicht anzunehmen. Es ist eher davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof diese Sprengung des gesellschaftsrechtlichen numerus clausus gar nicht bedacht hat. Seit der schon erwähnten Rohfa-Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine nicht eingetragene Kapitalgesellschaft in Wirklichkeit offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft in der Form eines nicht rechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins iSd § 54 S. 1 BGB ist 3 0 6 . Der Bundesgerichtshof hat in seinem Vorlagebeschluss keine Anzeichen gezeigt, von dieser Rechtsprechung abweichen zu wollen. Auch in seinen nach der Grundsatzentscheidung in BGHZ 134, 33 veröffentlichen Entscheidungen ist der Bundesgerichtshof - ebenso wie die anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes 307 - nie von seiner Auffassung abgerückt, dass die unechte Vorgesellschaft in Wirklichkeit entweder eine offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft ist 3 0 8 . Jede andere Beurteilung wäre bei der nicht eingetragenen Daueraktiengesellschaft oder nicht eingetragenen Dauer-GmbH, also Verbänden, die zwar organisationsrechtlich dauerhaft nach dem Recht der GmbH oder der Aktiengesellschaft leben, ohne aber deren gesetzlichen Normativbedingungen zu erfüllen oder unmittelbar die Eintragung anzustreben, kaum geboten. Wer sich eine Haftungsprivilegierung nicht verdient hat, haftet unbeschränkt und dem Gläubiger unmittelbar. Auch wenn die Rechtsprechung für die echte Vorgesellschaft eine Ausnahme macht, so ist doch eine solche auf die nicht eingetragene Dauerkapitalgesellschaft nicht übertragbar. Es bleibt daher dabei, dass die unechte Vorgesellschaft unabhängig vom Willen ihrer Gründer kraft des Rechtsformzwanges dem Recht der offenen Handelsgesellschaft oder der BGB-Gesellschaft zugewiesen ist 3 0 9 . Es liegt dann ein Fall der körperschaftlich, insbesondere nach dem GmbH-Organisationsrecht, verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Β GB-Gesellschaft (Verein iSd § 54 S. 1 BGB) vor, also einer offenen Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft mit der Handlungsverfassung einer GmbH oder Aktiengesellschaft. Zur Klarstellung: man kann nicht sagen, dass eine unechte Vorgesellschaft bzw. eine nicht eingetragene Dauerkapitalgesellschaft nicht zulässig wäre; aber es handelt sich dabei kraft Rechtsformzwangs eben nur um eine am Leitbild der anvisierten Gesellschaft organisierte of-

306 BGHZ 22, 240, Urt. v. 29. 11. 1956, Az: II ZR 282/55; dazu: K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 248 f. 307 BSG, in: ZIP 2000, 494 (498) = BSGE 85, 192, Urt. v. 08012.1999, Az: Β 12 KR 10/ 98 R; Β FH, in: NJW 1998, 2926 (2927 f.) = BFHE 185, 356, Urt. v. 07. 04. 1998, Az: VII R 82/97. 308 BGH, in: NJW 1998, 1079 (1080), Urt. v. 28. 11. 1997, Az: V ZR 178/96; BGH, in: NJW 2000, 1193 (1194) = BGHZ 143, 327, Versäumnisurteil v. 18. 01. 2000, Az: X I ZR 71/99. 309 K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 247 f.

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fene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft. Die wichtigste und für die Gründergesellschafter wohl unangenehmste Folge ist § 128 HGB. Die Gesellschafter haften unbeschränkt. Das ist gerechtfertigt, da sich die Gesellschafter eben nicht durch Erwirkung der Eintragung als GmbH die Haftungsbeschränkung verdient haben. Schon an dieser Stelle sei erwähnt, dass die eventuellen Fremdgeschäftsführer einer solchen nicht eingetragenen Dauerkapitalgesellschaft nicht unmittelbar nach § 128 HGB haften 3 1 0 . Denn ein Organwalter wird nicht durch die Wahrnehmung organschaftlicher Befugnisse im Verband zum Gesellschafter. Es wäre auch nicht zu rechtfertigen, dem in fremden Interessen tätigen Amtswalter mit dem wirtschaftlichen Risiko des Verbandes zu belasten, das nun einmal den Gesellschaftern zugewiesen ist; es ist sogar systemwidrig dem fremdnützigen Vertreter das Wirtschaftsrisiko zuzuweisen. Das bedeutet nun nicht, dass den Fremdgeschäftsführer überhaupt keine Haftung trifft 3 1 1 . Solange der Verband nicht eingetragen ist, haftet er entsprechend dem hinter den §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB stehenden Rechtsgedanken312. Da es sich hierbei aber nur um eine subsidiäre Nothaftung handelt, die die fehlende Registerpublizität ausgleichen will, dem Gläubiger aber keinen zusätzlichen Schuldner verschaffen will, kann sich der Organwalter dadurch von seiner Haftung befreien, dass er dem Drittgläubiger die Rechtsverfolgung gegen den Verband ermöglicht; das Fremdorgan wird also durch diese Haftung nicht übermäßig belastet. Und sobald der Verband eingetragen ist, kommt eine Außenhaftung grundsätzlich nicht mehr in Frage; als im Handelsregister eingetragene offene Handelsgesellschaft ist hinreichende Publizität hergestellt (siehe § 18).

3. Die Handlungsorganisation Bereits oben wurde unter dem Stichwort der horizontalen Kontinuität der Handlungsverfassung bei gesetzlichem Rechtsformwechsel (§ 4 C III) klargestellt, dass die Handlungsverfassung des Verbandes vom gesetzlichen Wechsel der echten Vorgesellschaft zur unechten Vorgesellschaft unberührt b l e i b t 3 1 3 . Die Umwandlung von einer Gesellschaftsform sui generis 314 in eine offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft reduziert sich auf die Frage der Gründerhaftung, ansonsten lässt der Wandel die Verbandsverfassung unberührt; auch wenn sich daraus Ansprüche auf Vertrags- bzw. Satzungsanpassung ergeben werden. Die Zuordnung zu unter310 Ebenso: Κ Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 250; AA: Kühler, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 II 2 a = S. 186. 311 Unbenommen bleibt natürlich die Haftung entsprechend §§43 GmbHG, 93 AktG gegenüber dem Verband. 312 AA: Κ Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, Eine Untersuchung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Haftung, 1972, S. 250. 313 D.h. die Handlungsverfassung ist von Veränderungen der übrigen Verbandsverfassung abstrakt. 3 14 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 6.

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schiedlichen Verbandsformen berührt die Identität des Verbandes nicht. Schuldner der Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft ist nun die offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft. Aus der Identität des Verbandes folgt nun aber auch die Identität der Handlungs Verfassung (siehe § 4 C III)). Handelt die echte Vorgesellschaft durch ihren Geschäftsführer oder Vorstand (Fremdorganschaft) 315, so tut dies auch die unechte Vorgesellschaft. Die abstrakte Handlungsverfassung, d. h. die interorganisatorische und intraorganisatorische Gewalten- und Kompetenzverteilung, bleibt von der - vielleicht schleichenden, jedenfalls äußerst mühevoll festzustellenden - Aufgabe der Eintragungsabsicht unberührt. Dass trotz Wechsels der Rechtsform und der damit verbundenen Änderung im Rahmen der Gesellschafterhaftung die Handlungsverfassung des Verbandes als solche unberührt bleibt, ist von anderen Beispielen her bekannt. Die Handlungsverfassung ist eben von der übrigen Verbandsverfassung abstrakt. Eine Veränderung zB im Rahmen der Haftungsverfassung schlägt nicht unmittelbar auf die Handlungsverfassung durch; möglich sind aber natürlich Ansprüche der Gesellschafter auf Anpassung des Gesellschaftsvertrags - inklusive der Handlungsorganisation - an die geänderten Umstände. Ist der Geschäftsführer oder der Vorstand das Handlungsorgan in der echten Vorgesellschaft, so bleibt er dies auch in der unechten Vorgesellschaft. Den Fremdgeschäftsführer nunmehr nur noch als rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten ansehen zu wollen, wäre eine Vergewaltigung der tatsächlichen Verhältnisse und praktisch nicht gangbar (§ 4 C III). In Hinblick auf die Fälle der anfänglichen Rechtsformverfehlung 316 mag man noch eher versucht sein, mit dogmatisch vertretbaren Mitteln bei der Bewältigung körperschaftlich organisierter Verbände am Grundsatz der Selbstorganschaft festzuhalten. Dabei ist mit anfänglicher Rechtsformverfehlung der Fall gemeint, dass dem Verband von Anfang die gewollte Rechtsform fehlte, er also gegen den anfänglichen Willen der Gründer entweder oHG oder Β GB-Gesellschaft ist, den Gesellschaftern aber auch von Anfang an jeder Wille zur Eintragung abging. Der Rofah-Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag ein solcher Fall zugrunde. Tritt der Verband als GmbH auf und ist er dementsprechend organisiert, hat er also zwei oder mehrere Geschäftsführer, so kann man dies, soweit Gesellschafter-Geschäftsführer bestellt sind, über die Ausschließung der übrigen Gesellschafter von der organschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung gem. §§ 710, 714 BGB, 114 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB halbwegs in den Griff bekommen. Ist ein Dritter Fremdgeschäftsführer der vermeintlichen GmbH, so kann man sich noch mit Hilfe des Rechtsinstituts der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung behelfen. Aber man muss doch mit dem Anflug schlechten Gewissens bekennen, dass man den tatsächlichen Verhältnissen ein nicht gelindes Maß an Gewalt antut. Denn nach der (vorrechtlichen) Organisation des Verbandes in der Wahrnehmung der sozialrealen Umgebung ist der Fremdgeschäftsführer Handlungsorgan des Verbandes, durch den der Verband selbst unmittelbar handelt, und nicht irgendein, wenn auch vielleicht in hervorgehobener Position, außerhalb des Verbandes stehender Bevollmächtigter. Vom organisationsrechtlichen Standpunkt ist auch noch Folgendes zu bedenken. Führt

315 Die (echte) Vorgesellschaft ist bereits wie die spätere eingetragene Gesellschaft organisiert (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 3 ff.). 316 Dazu: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 II 2 c = S. 108 ff.

§ 17 Nicht eingetragener Verein und (einfache) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

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der Rechtsformzwang den Verband mangels Betrieb eines Handelsgewerbes in das Recht der BGB-Gesellschaft, hat man zudem - um im tradierten Dualismus zu bleiben - die Möglichkeit, den Verband als wirtschaftlichen „nicht rechtsfähigen" Verein iSd § 54 S. 1 BGB einzuordnen. Hier ist eine fremdorganschaftliche Handlungsverfassung nach aktienrechtlichem oder GmbH-rechtlichem Vorbild ohne weiteres möglich. Ein Konflikt mit dem angeblichen zwingenden Prinzip der Selbstorganschaft scheidet aus. Dann erscheint es doch widersprüchlich, der fremdorganschaftlichen Handlungsverfassung bei Betrieb eines Handelsgewerbes die Anerkennung zu versagen und mit Gewalt in das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft hineinpressen zu wollen (§§ 54 S. 1, 705 ff. BGB, 105 HGB!); zumal in den Fällen der anfänglichen Rechtsform Verfehlung bei mitgliederstarken, fremdorganschaftlich verfassten Verbänden mit bestellten Fremdgeschäftsführern dieselben praktischen Schwierigkeiten auftreten können, die oben unter § 4 C III für den Fall der nachträglichen Rechtsformverfehlung beschrieben wurden. Wie soll die Vertretungsbefugnis aussehen: Einzel-, Gesamt- oder Mehrheitsvertretung? Was ist mit § 125 Abs. 2 S. 3 HGB? Warum soll sich der Verband trotz realer Organeigenschaft des Dritten gem. § 831 BGB exculpieren dürfen und nicht mehr gem. § 31 BGB unbedingt haften 317 ? Und was ist mit der teils strafbewehrten Verantwortung, für die Erfüllung der die Gesellschaft treffenden gesetzlichen Pflichten Sorge zu tragen, die in der offenen Handelsgesellschaft nach herrschender Meinung alle persönlich haftenden Gesellschafter trifft (vgl. § 245 S. 2 HGB, siehe unten § 19). Die Lehre vom faktischen Organ hilft insoweit nicht weiter, da sie nur die zusätzliche Verantwortung des fehlerhaft bestellten oder faktischen Organs betrifft, aber nicht die Gesellschafter von ihrer Verantwortung befreit. Wie sich später unten zeigen wird, ist diese Vergewaltigung der realen Verbandsstruktur aber auch aus materiellen Gesichtspunkten nicht geboten. Denn die unbeschränkte Haftung verlangt keineswegs, dass das handelnde Organ ebenfalls unbeschränkt haften muss. Das zeigt schon ein Blick auf die Partenreederei oder den geschäftsführenden Kommanditisten. Zu bemerken bleibt noch: beim nachträglichen Rechtsformzwang, also der Umwandlung der echten Vorgesellschaft in eine offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft nach Aufgabe der Eintragungsabsicht, wäre dieser Weg der Umdeutung der realen Organisationsstruktur in ein System der Selbstorganschaft kombiniert mit rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung ungangbar. Jetzt verlangt der Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung seinen Tribut. Es ließe sich vielleicht noch daran denken, die Zulässigkeit der fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft auf einen Ubergangszeitpunkt zu beschränken, bis sich die Gesellschaft durch Vertragsanpassung neu organisiert hat. Nur ist man einmal soweit, die fremdorganschaftliche Verfassung wenn auch nur vorübergehend anzuerkennen, muss man sich doch fragen, warum man den Gesellschaftern dann nicht überhaupt die 317

Allerdings hat sich die hM - entgegen dem Willen des Gesetzgebers - darüber hinweggesetzt und den verfassungsmäßig berufenen Vertretern (Organen) des § 31 BGB solche rechtsgeschäftliche Vertreter gleichgestellt, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, die also die juristische Person auf diese Weise repräsentieren (ZB: BGHZ 49, 19 (21), Urt. v. 30. 10. 1967, Az: V I I ZR 82/65; Erman-//. P. Westennann, 10. Auflage, 2000, § 31, Rdnr. 4; vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979; dazu John, AcP Bd. 181 (1981), 150). Aber dieser Lehre kann nicht gefolgt werden. Sie verstößt gegen den klaren und deutlichen, in den Protokollen klar zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers (vgl. oben § 2 A).

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

Möglichkeit erlauben will, die Handlungsverfassung zu behalten, falls sie ihnen trotz des Umbruchs der Haftungs- und Finanzverfassung weiterhin zusagen sollte. Und wie lange sollte eine solche Übergangszeit dauern? Unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach Eintritt des Rechtsform wechseis? Oder erst unverzüglich nach Kenntniserlangung? Und was ist die Rechtsfolge, wenn der Verband seiner Verpflichtung zur Vertragsanpassung nicht nachkommt? Es muss daher beim hier vorgeschlagenen Lösungsansatz bleiben. Das Rechtsinstitut des Rechtsformzwanges verlangt die Möglichkeit einer fremdorganschaftlich verfassten BGB-Gesellschaft (Verein) und einer fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft. Erwähnt werden soll noch, dass dieser Ansatz auch bei anderen Fragen gute Dienste leisten kann, so zB beim Erhalt der Handlungsverfassung einer Auslandskapitalgesellschaft, die im deutschen Recht als offene Handelsgesellschaft eingeordnet wird.

E. Ergebnis

§ 54 S. 1 BGB zeigt, dass das deutsche Gesellschaftsrecht eine strenge Trennung zwischen körperschaftlichen, entsprechend dem Prinzip der abstrakten Organverwaltung (Fremdorganschaft) verfassten Verbänden (Vereine) und personalistischen, entsprechend dem Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung organisierten Verbänden (Gesellschaften) nicht kennt. Beide Organisationselemente können grundsätzlich beliebig kombiniert werden. Aus diesem Blickwinkel ist der „nicht rechtsfähige" Verein aufgrund der Verweisung des § 54 S. 1 BGB eine körperschaftlich organisierte Gesellschaft. Im Bereich der nicht eingetragenen Verbände ist die Differenzierung zwischen „nicht rechtsfähigem" Verein und BGB-Gesellschaft überholt. Es gibt nur noch den nicht eingetragenen Grundverband, der mal mehr körperschaftlich, mal mehr personalistisch organisiert ist. Die Sonderregeln des nicht eingetragenen Vereins lassen sich auf allgemeine Rechtsgedanken zurückführen und gleichermaßen auf körperschaftliche (Verein) wie personalistische (Gesellschaft) nicht eingetragene Verbände anwenden. Die Mitgliederhaftung ist unabhängig von der Verbandsstruktur; sie richtet sich nach der wirtschaftlichen oder ideellen Zweckverfolgung des Verbandes. Die Erkenntnis, dass der „nicht rechtfähige" Verein eine körperschaftlich organisierte BGB-Gesellschaft ist, hat Auswirkungen auch auf das Recht der offenen Handelsgesellschaft. Das Recht der §§ 105 ff. HGB knüpft am Gesellschaftsbegriff der §§ 705 ff. BGB an, zu dem auch der Verein gehört (§ 54 S. 1 BGB). Die fremdorganschaftlich organisierte offene Handelsgesellschaft ist gesetzliche Realität: der wirtschaftliche „nicht rechtsfähige" Verein, der ein Handelsgewerbe betreibt, ist eine offene Handelsgesellschaft. Zudem verlangt das Rechtsinstitut des Rechtsformzwanges, dass die offene Handelsgesellschaft und die BGB-Gesellschaft körperschaftlichen Gestaltungen zugänglich sind.

§ 18 Die Handelndenhaftung

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§ 18 Die Handelndenhaftung A. § 54 S. 2 BGB im Gesamtsystem des Verbandsrecht In § 17 wurde herausgestellt, dass der nicht eingetragene oder konzessionierte Verein nichts anderes darstellt als eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft iSd §§ 705 ff. BGB. Anstelle der tradierten Differenzierung zwischen „nicht rechtsfähigem" Verein und BGB-Gesellschaft soll der einheitliche nicht eingetragene Verband des bürgerlichen Rechts stehen (§§ 54 S. 1, 705 ff. BGB). Die Sondervorschriften, die das Gesetz für den „nicht rechtsfähigen" Verein bereit hält, wurden zu allgemeinen Rechtsgedanken aufgelöst und gleichmäßig auf Verein und Gesellschaft angewandt. Noch nicht eingeordnet ist die sog. Handelndenhaftung des § 54 S. 2 BGB. Sie soll zusammen mit den Vorschriften der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG behandelt werden. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, dass hinter § 54 S. 2 BGB und den §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG ein gemeinsamer Rechtsgedanke feststellbar ist, der weder an der körperschaftlichen oder personalistischen Organisationsverfassung, noch an der ideellen oder wirtschaftlichen Zweckverfolgung des Verbandes, sondern lediglich an der fehlenden Registerpublizität der nicht eingetragenen Verbände anknüpft. Daraus folgt zweierlei: • die Vorschrift des § 54 S. 2 BGB nötigt nicht dazu, die (unmögliche) Unterscheidung von „nicht eingetragenem" Verein und BGB-Gesellschaft aufrechtzuerhalten; • als Grundsatz des allgemeinen Verbandsrechts findet die Handelndenhaftung auf alle nicht eingetragenen Verbände Anwendung, d. h. sowohl auf die personalistischste Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, als auch auf die (pflichtwidrig) nicht eingetragene offene Handelsgesellschaft. Hinter den §§ 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG verbirgt sich eine allgemeine, nach außen gerichtete Organhaftung 3ls im nicht eingetragenen Verband. B. Die §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG I. Von Art. 211 Abs. 2 ADHGB zu §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG

Die Handelndenhaftung, die heute in den §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG gesetzlich fixiert ist, kann auf eine lange Kodifikationsgeschichte zurückblicken. Ihre unmittelbaren Wurzeln reichen zurück auf Artt. 178, 211 des Allge318 Die §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB werden heute überwiegend als Organhaftung bezeichnet, zB: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 34 III 3 d aa = S. 1025; Scholz-tf. Schmidt, 9. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 94; aA: Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 128 (Haftung sui generis).

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

meinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861, aber auch schon in früheren Entwürfen zu umfassenden handelsrechtlichen Kodifikationen lassen sich entsprechende Vorschriften nachweisen 3 1 9 . Artt. 178, 211 A D H G B lauteten in ihrer ursprünglichen Fassung : Art. 178 ADHGB. (1) Vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelsregister besteht die Kommanditgesellschaft auf Aktien als solche n i c h t — (2) Wenn vor erfolgter Genehmigung und Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Art. 211 ADHGB. (1) Vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. (2) Wenn vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Beide Vorschriften änderten i m Gefolge der Novellen zum Aktienrecht noch öfters ihre Form. Nach den Novellen vom 11. Juni 1 8 7 0 3 2 0 , die eine endgültige Abschaffung des bis dahin geltenden aber disponiblen Konzessionsprinzips mit sich brachte - gem. Art. 249 A D H G B 3 2 1 war es dem Landesgesetzgeber vorbehalten, ob zur Errichtung von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf A k tien eine staatliche Genehmigung verlangt w u r d e 3 2 2 - , und der Novelle vom 18. Juli 1 8 8 4 3 2 3 lautete Art. 211 A D H G B annähernd wortgleich mit dem späteren § 11 GmbHG, der die Vorschrift des Aktienrechts übernahm 3 2 4 : 319 Vgl. dazu weiter im Text: Art. 181 Abs. 5 des preußischen Entwurfs; Tit. III Art. 78 des Entwurfs von 1848/49. 320 Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1870, 375 (Nr. 21); dazu: Schubert, ZGR 1981, 285. 321 Beachte: Art. 249 ADHGB. (1) Den Landesgesetzgebern bleibt vorbehalten, zu bestimmen, daß es der staatlichen Genehmigung zur Errichtung von Aktiengesellschaften im Allgemeinen oder von einzelnen Arten derselben nicht bedarf. Auch in diesem Falle kommen jedoch die Bestimmungen dieses Titels zur Anwendung, ausgenommen insoweit dieselben: zur Errichtung einer Aktiengesellschaft (Art. 208, 210, 211),

die staatliche Genehmigung und deren Eintragung in das Handelsregister erfordern. 322 Bereits von vorneherein abgesehen vom Konzessionsprinzip haben: Lübeck, Oldenburg, Bremen, Hamburg, Baden, Württemberg, das Königreich Sachsen; nur für die KGaA: Anhalt-Dessau, Waldeck, Lauenburg (vgl. Aufzählung in: Motive, zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommandit-Gesellschaft auf Aktien und die Aktien-Gesellschaft, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, I. Legislatur-Periode. - Session 1870, Vierter Band, Aktenstück Nr. 158, S. 649). 323 RGBl. 1884, 123 (Nr. 22). 324 Vgl. RGZ 70, 296 (301), Urt. v. 19. 02. 1909, Az: I I 401/08; siehe auch: Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 57.

§18 Die Handelndenhaftung

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Art. 211 ADHGB idF v. 18. Juli 1884. (1) Vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.

Art. 211 ADHGB wurde bei Einführung des HGB unter Hinweis auf die geltende Rechtslage325 redaktionell weitgehend unberührt in § 200 Abs. 1 HGB a.F. 326 , dann in § 34 Abs. 1 AktG 1937 327 und schließlich in § 41 Abs. 1 AktG (1965) übernommen. Art. 211 Abs. 2 ADHGB findet seine Ursprünge in Art. 181 Abs. 5 des preußischen Entwurfs 328 , der den Verhandlungen der Nürnberger Kommission als Vorlage diente. Die Motivationslage der Entwurfsverfasser, die sich die Nürnberger Kommission zu Eigen machte 329 , kann man in den Motiven zum preußischen Entwurf nachlesen: durch die unbeschränkte und solidarische Haftung der Handelnden sollte verhindert werden, dass die Aktiengesellschaft vor erteilter Genehmigung faktisch ihren Geschäftsbetrieb aufnimmt 330 . Die Väter des ADHGB, das sind die Groß- und Urgroßeltern der heutigen gesetzlichen Regelungen, waren von dem frommen Wunsche beseelt, ein Handeln im Namen der in Gründung befindlichen Gesellschaft zu unterbinden. Man wollte das Problem der unternehmerisch tätigen, in Gründung befindlichen Kapitalgesellschaft (Vorgesellschaft) gar nicht lösen, sondern verhindern™. Deutlich hieß es noch in Art. 189 Abs. 1 des Entwurfs zum ADHGB nach der ersten Lesung, dem Vorläufer zum späteren Art. 211 325 Denkschrift, S. 128. 326 § 200 HGB. (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Wird vorher im Namen der Gesellschaft gehandelt, so haftet der Handelnde persönlich. Handeln Mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. (2).·. 327 § 34 AktG 1937. Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe. (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Wird vor der Eintragung der Gesellschaft in deren Namen gehandelt, so haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. (2)... 328 Art. 181 PrEntwADHGB. Genehmigung errichtet werden.

(1) Aktiengesellschaften können nur mit landesherrlicher

(4) Der Gesellschaftsvertrag und die Genehmigungsurkunde müssen in das Handelsregister des Orts, wo die Gesellschaft ihre Hauptniederlassung hat, eingetragen werden. (5) Wenn diese Förmlichkeiten nicht erfüllt sind und gleichwohl im Namen der Aktiengesellschaft gehandelt wird, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. 329 Deutlich: Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1039. 330 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 91. 331 Vgl. BGHZ 80, 129 (134), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: I I ZR 54/80.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

ADHGB 3 3 2 : „Die Gesellschaft kann erst nach erhaltener Genehmigung und erfolgter Eintragung in das Handelsregister ihren Geschäftsbetrieb mit rechtlicher Wirkung beginnen". Aber wie so oft, war auch hier das Gegenteil von „gut" „gut gemeint". Die Schwierigkeiten bei der rechtlichen Erfassung der Vorgesellschaften, die die Rechtsprechung nach der Aufgabe des Vorbelastungsverbots erst heute mit einem geschlossenen Konzept von Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung der Gründer bei bestehender Identität von Vorgesellschaft und eingetragener Gesellschaft in den Griff bekommen hat, beruhen nicht unmaßgeblich auf dem Fehlen eines gesetzgeberischen Lösungsvorschlags, wie das unternehmerische Auftreten einer in Gründung befindlichen Kapitalgesellschaft, insbesondere bei Fortführung eines eingebrachten Unternehmens bei Sachgründung, zu bewältigen ist 3 3 3 . Mangels einer durchgreifenden Neuregelung beruht der einschlägige Normenbestand der §§41 Abs. 1 AktG, 11 GmbHG immer noch auf den Grundgedanken der Regelung des ADHGB, die eine unternehmenstragende Vorgesellschaft überhaupt nicht kannte und kennen wollte. Der sonst überaus regelungswillige bundesrepublikanische Gesetzgeber hat sogar bei Abfassung des Aktiengesetzes von 1965 und bei den Reformvorhaben hinsichtlich des GmbHG bewusst darauf verzichtet, die zu § 34 Abs. 1 AktG 1937 (= 41 Abs. 1 AktG 1965) und § 11 GmbHG aufgelaufenen Streitfragen der Vorgesellschaft zu entscheiden, und sich auf die schöpferischen Fähigkeiten von Wissenschaft und Praxis verlassen. „Von einer Regelung der namentlich zu Absatz 1 (Anm.: § 34 AktG 1937) bestehenden Streitfragen sieht der Entwurf ebenso wie das Aktiengesetz ab. Es erscheint zweckmäßiger, sie der Wissenschaft und der Rechtsprechung zur Klärung zu überlassen" 334.

Die legislative Verhinderungsstrategie in Sachen unternehmerisch aktiver Vorgesellschaften lässt sich über den preußischen Entwurf hinaus zurück verfolgen. Getragen von derselben Willensrichtung findet sich schon im Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland von 1848/49 der Handelsrechtskommission des Reichsjustizministeriums, die zusammen mit dem Reichskabinett von der Frankfurter Paulskirchen Versammlung eingesetzt wurde, in Tit. III Art. 78 eine 332 Art. 189 EntwADHGB (1. Lesung). (1) Die Gesellschaft kann erst nach erhaltener Genehmigung und erfolgter Eintragung in das Handelsregister ihren Geschäftsbetrieb mit rechtlicher Wirkung beginnen. (2) Ist gleichwohl schon vor diesem Zeitpunkt im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. 333 Vgl. κ. Schmidt, GmbHR 1973, 146 (148). Sofern man in §§ 41 Abs. 2 AktG eine Teilregelung erkennen will, ist diese durch die Fortschritte in der Lehre der Vorgesellschaften, insbesondere der Aufgabe des Vorbelastungs Verbots, weitgehend obsolet geworden (vgl. Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 155; Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 41, Rdnr. 28). 334 So die Regierungsbegründung zum Aktiengesetz, BT-Drucksache IV/171, S. 110. Auch § 22 des Regierungsentwurfs eines GmbHG von 1973 übernahm im Wesentlichen § 41 AktG in das GmbHG. Auch hier betonte die Regierungsbegründung, die Streitfragen der Vorgesellschaft einer Klärung durch Wissenschaft und Praxis überlassen zu wollen (BT-Drucksache, VII/253, S. 96). Vgl. BGHZ 70, 132 (140), Urt. v. 19. 12. 1977, Az: II ZR 202/76.

§ 18 Die Handelndenhaftung

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entsprechende Regelung 3 3 5 . In der Entwurfsbegründung heißt es kurz und knapp: „Der Art. enthält für die Vorsteher die Nöthigung, die von dem Gesetze vorgeschriebene Veröffentlichung zu erwirken, ehe sie die Geschäfte beginnen" 3 3 6 . Der Strafgedanke - besser spricht man von einem Präventivgedanken - des Art. 211 A D H G B (= 200 HGB) überwog zunächst in der Rechtspraxis 3 3 7 . Dabei fehlte es nicht an ernstzunehmenden Stimmen in der Literatur, Art. 211 A D H G B auf die allgemeine Lehre des falsus procurator zurückzuführen: wer als Vertreter einer nicht existierenden Person handele - und vor der Eintragung gab es nach damaliger Anschauung keine Rechtsperson, allenfalls ein Bündel obligatorischer Beziehungen zwischen den Gründern, die man bestenfalls als Zivilgesellschaft deutet e 3 3 8 - , sei demjenigen gleichzustellen, der als Vertreter ohne Vertretungsmacht handele 3 3 9 ; vgl. heute § 179 B G B 3 4 0 . Aber der 7. Senat des Reichsgerichts fegte unter Hinweis auf Art. 181 des preußischen Entwurfs in RGZ 47, l 3 4 1 diese handeIndenfreundliche D e u t u n g 3 4 2 vom Tisch. Der Grund: § 200 H G B a.F. (= § 41 335 Tit. III Art. 78 EntwADHGB 1848/49. (1) Solange die in den vorgehenden Artikeln vorgeschriebene Veröffentlichung nicht geschehen ist, haften die Vorsteher der Gesellschaft für die im Namen derselben von ihnen vorgenommenen Handlungen persönlich. (2) Ist die Handlung von mehreren Vorstehern vorgenommen, so haften sie solidarisch, ohne dass die Einrede der Theilung der Vorausklage Statt findet. 336 Motive des Entwurfs, in: Baums, Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), 1982, S. 156. Zu Art. 78 Abs. 2 heißt es in den Motiven. „Die Solidarität mehrerer Vorsteher unbedingt, also auch für die Fälle auszusprechen, wo Einer allein gehandelt hat, erschien nicht gerechtfertigt" (Anm.: Hervorhebung im Original). 337 Vgl. nur RGZ 122, 172 (174), Urt. v. 26. 10. 1928, Az: II 249/28: rechtspolizeilicher Charakter; RGZ 55, 302 (304), Urt. v. 22. 09. 1903, Az: II 50/03: „Charakter einer Strafvorschrift"; RGZ 47, 1 (2 f.), Urt. v. 21. 09. 1900, Az: VII 109/00; vgl. auch schon: RGZ 32, 97 (99), Urt. v. 17. 01. 1894, Az: I 354/93. 338 Vgl. Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1450 (zur KGaA, vgl. Art. 178 ADHGB); v. Hahn, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, 1871, Art. 211, § 3; vgl. auch: RGZ 32, 97 (98), Urt. v. 17. 01. 1894, Az: I 354/93. Diese obligatorischen Rechtsbeziehungen können natürlich eine Zivilgesellschaft, in Preußen sogar eine erlaubte Privatgesellschaft darstellen (vgl. Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 118). Das Reichsgericht ging dazu über, die in Gründung befindliche Kapitalgesellschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einzuordnen: zB: RGZ 151, 86 (91), Urt. v. 03. 04. 1936, Az: II 245/33 m. w. N.; RGZ 58, 55 (56), Urt. v. 20. 04. 1904, Az: I 15/04. 339 ZB: v. Hahn, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, 1871, Art. 211, § 4; aA: Puchelt, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, 1876, Art. 211, Anm. 6. 340 Diese Vorschrift hatte in Artt. 55, 298 Abs. 2 ADHGB ihre Vorläufer. 341 RGZ 47, 1, Urt. v. 21. 09. 1900, Az: VII 109/00; bestätigt in: RGZ 55, 302 (305), Urt. v. 22. 09. 1903, Az: II 50/03. Der 1. Senat hatte die Frage in RGZ 32, 97 (99), Urt. v. 17. 01. 1894, Az: I 354/93 noch offen gelassen. Ebenso für § 11 Abs. 2 GmbHG: RG, in: Gruchot's Archiv Bd. 46 (1902), 848, Urt. v. 22. 03. 1902, Az: 1400/1901. 342 Nach dieser Deutung hätte der Handelnde nur dann haften müssen, wenn dem Vertragspartner die „Nichtexistenz" der eingetragenen Gesellschaft unbekannt gewesen wäre (vgl. heute: § 179 Abs. 3 BGB; damals: Artt. 55 Abs. 2, 298 Abs. 2 ADHGB). 27 Bergmann

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

AktG) wolle ein Handeln vor erfolgter Prüfung durch den Registerrichter verhindern. Daran ändere auch die Kenntnis des Dritten nichts. Mit dieser Deutung der Vorschrift als Strafvorschrift setzte das Reichsgericht nicht nur die Vorstellungen der Gesetzesväter um, es befand sich auch in bester Gesellschaft mit Teilen der Literatur 343 . Eine Inkonsequenz in der Deutung schlich sich dennoch ein. Wie Puchelt schon früh angemerkt hatte, verträgt sich mit einem Verständnis der Artt. 178, 211 ADHGB (= § 200 HGB) als Straf- oder Präventivvorschrift nicht die Anerkennung einer vertragsmäßigen Ausschließung der Solidarhaftung 344. Aber das Reichsgericht schreibt in derselben Entscheidung: „Zwingendes Recht enthalten die Artt. 211 Abs. 2 und Art. 178 Abs. 2 allerdings nicht; der Gesetzgeber verbietet keineswegs, daß der Handelnde durch Vereinbarung mit dem Dritten seine persönliche Haftung ausschließe"345. In der Folgezeit ging es in der Rechtsprechung des Reichsgerichts darum, den Begriff des Handelnden materiell mit Inhalt zu füllen. Es begann die Epoche des sogenannten weiten Handelndenbegriffs. Der Begriff des Handelnden wurde vom preußischen Entwurf und daran anschließend von der Nürnberger Kommission äußerst weit verstanden. Der Entwurf von 1848/49 hatte in Tit. 3 Art. 78 die solidarische Haftung noch auf die Vorsteher begrenzt. Hier war die organisatorische Position im Funktionsgefüge Anknüpfungspunkt der Haftung. Das, was den 48ern vorschwebte, war eine Organhaftung, also eine auf die Organ waiter beschränkte Außenhaftung, so wie sie heute von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter anderen dogmatischen Vorzeichen - die Vorgesellschaft ist nicht mehr das unbekannte Wesen - verstanden wird. Dies wurde aber von den Verfassern des preußischen Entwurfs als viel zu eng empfunden. In bewusster Abkehr vom Paulskirchenentwurf nahm der preußische Entwurf den gewollt umfassenderen Begriff des „Handelnden" auf, um auch die Fälle erfassen zu können, in denen „der unbefugte Geschäftsbetrieb" möglicherweise auch von anderen Mitgesellschaftern ausgegangen ist 3 4 6 . Dem schloss sich die Nürnberger Kommission vollinhaltlich an 3 4 7 . Das weite Verständnis des Handelndenbegriffs wurde in den Beratungen verinnerlicht. Wer sich so geriere, als sei die Gesellschaft schon rechtsförmlich konstituiert, hafte für die von ihm vorgenommenen Handlungen348. Besonders wurde in 343 ZB Puchelt, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, 1876, Art. 211, Anm. 6. 344 Puchelt, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, 1876, Art. 211, Anm. 6; ebenso: BGHZ 47, 25 (29), Urt. v. 26. 01. 1967, Az: II ZR 122/64. 34 5 RGZ 47, 1 (3), Urt. v. 21. 09. 1900, Az: VII 109/00. 34 6 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 91. Auch könne von Vorstehern vor der gesetzlichen Konstituierung der Gesellschaft nicht die Rede sein. 347

Deutlich Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1039. 348 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1, S. 318.

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den Verhandlungen hervorgehoben, dass mit „Handelnden" auch die etwaigen Auftragsgeber des Handelnden gemeint sein 349 , und darunter nicht alleine die geschäftsführenden Mitglieder, sondern auch all diejenigen Zeichner von Aktien gemeint seien, mit deren Wille gehandelt worden sei 3 5 0 . Haften sollten also alle Gesellschafter, die der verfrühten Geschäftsaufnahme zugestimmt haben. Durch die Hintertür wurde so im Gewände einer Handelndenhaftung eine Gründerhaftung geschaffen. Die Gesellschafter haften für die Tätigkeit des Verbandes, der mit ihrer Zustimmung den Geschäftsbetrieb aufgenommen hat. Aus der Perspektive des heutigen Wissensstandes zum Recht der Vorgesellschaft ist der Anknüpfungspunkt natürlich falsch gewählt. Gesellschafterhaftung und eine Organ-, bzw. Handelndenhaftung dürfen nicht als einheitliches Problem angesehen werden 351 . Diese Erkenntnis, dass die Haftung der Gesellschafter und die Haftung der Unternehmensleitung auf unterschiedlichen rechtlichen Anknüpfungspunkten beruhen, wird erst lange Zeit später mit dem restriktiven Handelndenbegriff und der daher notwendigen selbständigen Begründung der Gesellschafterhaftung aufkommen 352. Und diese Erkenntnis setzt voraus, dass die Vorgesellschaft als ein irgendwie geartetes Rechtsgebilde anerkannt wird. Aber soweit war man noch nicht. Dennoch ist bemerkenswert, dass trotz der historischen Abwehrhaltung gegen die Vorgesellschaft die unbeschränkte (Außen-)Haftung der Gründergesellschafter als solche nicht in Frage stand 353 . Mit der weiten Bestimmung des Handelndenbegriffs und der damit - wenn auch dogmatisch schiefen - Institutionalisierung einer Gründerhaftung durch die Rechtsprechung ging eine Neubestimmung von Sinn und Zweck des § 200 HGB a.F. (= Art. 211 ADHGB) einher. Dieser wurde nun nicht mehr ausschließlich am „Charakter einer Strafvorschrift" 354 festgemacht, sondern es kam hinzu, was in der Literatur seitdem typischerweise die Sicherungsfunktion genannt wird 3 5 5 : da vor der Eintra349 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1039. 350 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3., S. 1450. Auch der Begriff der Handlung wurde sehr weit verstanden. Darunter sollte nicht nur der Abschluss von Geschäften mit Dritten fallen, sondern auch die Ausgabe von Aktien (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1039). 3 51 K. Schmidt, GmbHR 1973, 146 (147). 3 52 Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 43. 353 Abgelehnt wurde allerdings in den Beratungen der Nürnberger Kommission ein Vorschlag, für den Fall des Handelns vor Eintragung den zusammengeschlossenen Gesellschafterfonds unbedingt für haftbar zu erklären, da eine solche Vorschrift für die Aktionäre unbillig wäre, die die Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften vor dem Beginn des Geschäftsbetriebs voraussetzten (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1450). 3 4 5 RGZ 55, 302 (304), Urt. v. 22. 09. 1903, Az: II 50/03. 355 Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 126; Scholz-K Schmidt, 9. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 92.

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gung die Aktiengesellschaft rechtlich nicht bestehe (vgl. Art. 211 Abs. 1 ADHGB = § 200 Abs. 1 S. 1 HGB a.F. = § 34 Abs. 1 S. 1 AktG 1937 = § 41 Abs. 1 S. 1 AktG 1965), bis dahin also eine Haftung der Gesellschaft hinsichtlich der für sie abgeschlossenen Geschäfte nicht bestehen könne, ordne das Gesetz eine solidarische und persönliche Haftung der Handelnden an, um den Dritten nicht rechtlos zu stellen, sondern vielmehr um seine Befriedigung zu sichern 356 . Der neu aufgefundene Zweck der Handelndenhaftung, die Sicherung des Gläubigerinteresses, verlangte eine breite Zugriffsmasse an haftenden Personen. Auf je mehr Privatvermögen dem Gläubiger der Zugriff eröffnet wird, umso mehr steigen seine Chancen, hinsichtlich seiner Forderungen Befriedigung zu finden. Dementsprechend erstreckte das Reichsgericht in sicherer Übereinstimmung mit dem Begriffsverständnis der Urväter des ADHGB den Handelndenbegriff auf alle Gesellschafter, nicht nur auf die geschäftsführenden, mit deren Einvernehmen die Geschäfte für die noch nicht eingetragene Gesellschaft aufgenommen worden waren 357 : das Ergebnis wurde schon benannt: eine Gründerhaftung im Gewände der Handelndenhaftung. Diese Rechtsprechung, anhand des § 200 HGB a.F. entwickelt, wurde in der Folge auf § 11 Abs. 2 GmbHG übertragen 358. Handelnder war jeder, mit dessen Wissen und Willen gehandelt wurde. Die Anforderungen an die Zustimmung waren sehr gering: es genügte, dass die Zustimmung zur Eröffnung des Geschäftsbetriebs überhaupt erfolgt war; zu dem in Frage stehenden, einzelnen Geschäft musste dann keine besondere Zustimmung mehr vorliegen 359 . Auf diese Weise hatte das Reichsgericht, hinter dem plakativen Schlagwort „Handelndenhaftung" versteckt, eine Gesellschafterhaftung eingeführt, die sich von den heutigen Standards im Recht der Vorgesellschaften nur dadurch unterscheidet, dass es sich bei der Handelndenhaftung um eine Außenhaftung handelt 360 . Nach der heutigen Rechtsprechung haften die Gründer unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft 361; und eine die Haftung auslösende Verbindlichkeit für die Vorgesellschaft kann nach der - insoweit wohl unzutreffenden - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann ausgelöst werden, wenn alle Gesellschafter der Geschäftsaufnahme vorher - auch formlos zugestimmt haben 362 . Der Unterschied liegt darin, dass der Bundesgerichtshof die

356 RGZ 55, 302 (303 f.), Urt. v. 22. 09. 1903, Az: II 50/03; RGZ 70, 296 (298), Urt. v. 19. 02. 1909, Az: II 401/08. 357 RGZ 55, 302 (304), Urt. v. 22. 09. 1903, Az: II 50/03. Eine Überforderung der Gründer erkannte das Reichsgericht in dieser Rechtsprechung nicht, da deren Haftbarkeit nur dann begründet sei, wenn diese dem Geschäft zustimmten. 358 RGZ 70, 296 (301 f.), Urt. v. 19. 02. 1909, Az: II 401 /08. 359 Vgl. BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 6, Urt. v. 15. 06. 1955, Az: IV ZR 304/54 mit ausführlichen Nachweisen zur Rechtsprechung des Reichsgerichts. 360 Vgl. Beuthien, ZIP 1996, 305 (309 ff.), der noch heute die §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB bemüht, um eine Haftung der Gründungsgesellschafter zu begründen, auch wenn er sie letztlich über §§ 54 S. 1 BGB, 128 HGB herleitet (a. a. O., S. 317). 361 BGHZ 134, 333 Lt. a, Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94. 362 BGHZ 80, 129 (139), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80.

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Haftung in der Vorgesellschaft grundsätzlich als eine Innenhaftung ausgestaltet hat 3 6 3 , anstatt, wie es ernstzunehmende Stimmen in der Lehre gefordert haben 364 , zu einer Außenhaftung nach dem Vorbild des § 128 HGB zu greifen. Aber schon an dieser Stelle wird gewahr, dass es um die Legitimation der Sicherungsfunktion, die auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Lehre zu einem tragenden Element der Rechtfertigung der Haftung nach §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG geworden ist, schlecht bestellt ist, in dem Maße, in dem Verpflichtungsfähigkeit und Existenz der Vorgesellschaft und ihre (Schuldner-)Identität mit der eingetragenen Gesellschaft und die Haftung der Gesellschafter erkannt wird. Dann hat der Gläubiger seinen Schuldner. Im weiteren Verlauf der Rechtsentwicklung entwickelte sich aus der Sicherungsfunktion heraus eine Garantiejunktion. Für das GmbH-Recht formulierte dies das Reichsgericht so: „wer im Namen einer solchen (Anm.: noch nicht eingetragenen GmbH), obwohl sie noch nicht besteht, handelt, übernimmt damit nach § 11 Abs. 2 des Gesetzes die Garantie dafür, daß sie entstehen wird" 3 6 5 . Allerdings widerstreitet es der Annahme der Garantie- und Sicherungsfunktion, wenn das Reichsgericht und im Anschluss der Bundesgerichtshof lange Zeit daran festhielten, dass die Haftung des Handelnden nach §§11 GmbHG, 200 HGB a.F. (= § 41 AktG) nicht automatisch dadurch erlösche, dass die Gesellschaft nach ihrer Eintragung das in ihrem Namen abgeschlossene Geschäft genehmige366. Denn das garantierte Ereignis ist doch mit der Eintragung, zumindest - nach der tradierten Lehre vom Vorbelastungsverbot - mit der Schuldübernahme, eingetreten. Im Gegenzug wurde aber noch unter dem Wirken des Reichsgerichts vom rechtspolizeilichen Charakter der Vorschrift Abschied genommen, der mittlerweile vollkommen in der Schutzfunktion der Vorschrift aufgegangen war und allenfalls noch in einer gewissen Bremsfunktion 367 die vollzogene Kehrtwende überdauerte. Das Reichsgericht führte aus: „Von einer rechtspolizeilichen Natur der Vorschrift kann nur insofern die Rede sein, als sie dem Schutz des Geschäftsgegners dient, der vor allem vor den Folgen des Scheiterns der Gründung bewahrt werden soll, und als sie zugleich die Nebenwirkung hat, diejenigen zu besonderer Vorschrift zu mahnen, welche namens einer noch nicht eingetragenen Aktiengesellschaft rechtsgeschäftliche Verpflichtungen übernehmen" 368.

363 BGHZ 134, 333 Lt. b, Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94. 364 Vgl. di e umfassenden Nachweise bei: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 25. 365 RGZ 70, 296 (298), Urt. v. 19. 02. 1909, Az: II 401/08. 366 RGZ 72, 401 (404), Urt. v. 01. 02. 1910, Az: II 232/09; bestätigt: BGH, in: NJW 1953, 219 (nur Lt.), Urt. v. 21. 11. 1952, Az: I ZR 174/51; BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 6, Urt. v. 15. 06. 1955, Az: IV ZR 304/54. 367 Terminologie nach: Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 126. 368 RGZ 159, 33 (43), Urt. v. 29. 10. 1938, Az: II 178/37. Zur Wirkung dieser Entscheidung auf die bisherige Rechtsprechung des Reichsgerichts: BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 6, Urt. v. 15. 06. 1955, Az: IV ZR 304/54.

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Grund für die Neubestimmung von Sinn und Zweck der §§11 Abs. 2 GmbHG, 200 Abs. 1 S. 1 HGB a.F. (= § 41 Abs. 1 S. 2 AktG) war die Erkenntnis, dass ein Handeln vor Eintragung der Gesellschaft nicht immer zu vermeiden und wirtschaftlich durchaus sinnvoll und gerechtfertigt sein kann 369 . Die wirtschaftlichen Zwänge der Sachgründung - wird ein lebendes Unternehmen in die Gesellschaft eingebracht, kann dieses schlecht bis zur Eintragung der Gesellschaft den Geschäftsbetrieb stilllegen - , die schließlich zum Fall des Vorbelastungsverbots, einer der tragenden Pfeiler der Rechtfertigung der Handelndenhaftung, führte 370 , haben so schon früh den Prohibitivcharakter der Handelndenhaftung kassiert. Nach dem zweiten Weltkrieg knüpfte der Bundesgerichtshof an der Rechtsprechung des Reichsgerichts zunächst nahtlos an 3 7 1 ; die Aufgabe der Straffunktion der Handelndenhaftung noch durch das Reichsgericht sollte entgegen manchen Stimmen der Literatur keinen Einfluss auf das fortbestehende weite Verständnis des Handelndenbegriffs haben, das nunmehr ausschließlich vom Sicherungscharakter der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 34 Abs. 1 S. 2 AktG 1937 (= § 41 Abs. 1 S. 2 AktG 1965) getragen wurde 372 . Angesichts des damaligen Kenntnisstandes um die Gründungslehre zu Recht: gesteht man ein, dass durch die Handelndenhaftung in Wirklichkeit eine Gründerhaftung, sprich Gesellschafterhaftung, für die Verbindlichkeiten einer im Gründungsstadium wirtschaftlich aktiven Gesellschaft institutionalisiert wurde 373 , so ist es eine Selbstverständlichkeit, dass - zumindest - diejenigen Gesellschafter, die der Geschäftsaufnahme zugestimmt haben, für die Schulden des Verbandes einzustehen haben. Das hat gar nichts mit einer Strafe für eine frühzeitige Aufnahme der Geschäfte zu tun, sondern folgt daraus, dass sich die Gesellschafter durch Herbeiführung der Eintragung die Haftungsbegrenzung wirtschaftlich noch nicht verdient haben 374 . Die Gründerhaftung der Gesellschafter ist einfach der Preis für die Vorwegnahme unternehmerischer Tätigkeit vor Eintragung der Gesellschaft 375. Langsam aber begann der zweite Senat sich unter dem Eindruck der in der Literatur erhobenen Kritik neu zu orientieren 376 .

369 RGZ 159, 33 (43), Urt. v. 29. 10. 1938, Az: II 178/37; vgl. Lieb, DB 1970, 961 (962). 370 Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 11IV 2 b = S. 309. 371 Vgl. zB BGH, in: NJW 1953, 219 (nur Lt.), Urt. v. 21. 11. 1952, Az: I ZR 174/51; BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 6, Urt. v. 15. 06. 1955, Az: IV ZR 304/54; BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 9, Urt. v. 08. 07. 1957, Az: II ZR 347/56. 372 BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 6, Urt. v. 15. 06. 1955, Az: IV ZR 304/54. 373 Vgl. K. Schmidt, GmbHR 1973, 146 (151). 374 Vgl. BGHZ 134, 333 (335), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94. 375 κ. Schmidt, GmbHR 1973, 146 (151). 376 BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 9, Urt. v. 08. 07. 1957, Az: II ZR 347/56 (mit Nachweisen zur kritischen Literatur) ließ die Frage offen, ob unter Handelndem auch derjenige verstanden werden könne, der mit dem Handeln eines anderen lediglich einverstanden ist; BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 10 = MDR 1961, 483, Urt. v. 27. 02. 1961, Az: II ZR 253/59.

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Der Umschwung kam mit BGHZ 47, 25 3 7 7 . Der Leitsatz der Entscheidung, die die Kehrtwende der Rechtsprechung zum Handelndenbegriff einleitete, lautet: „Handelnder im Sinne des § 11 Abs. 2 GmbHG ist nicht, wer der Eröffnung des Geschäftsbetriebes einer zwar gegründeten, aber noch nicht ins Handesregister (Anm. : gemeint ist wohl Handelsregister) eingetragenen GmbH zugestimmt hat".

In dieser Entscheidung nahm der Bundesgerichtshof nicht nur bewusst Abschied vom weitest möglichen Verständnis des Begriffs des Handelnden, sondern nahm auch (unbewusst) Abschied von der Vorstellung, die Haftung der Gründungsgesellschafter über §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG begründen zu können 378 . Darauf bezogen ist der zentrale Satz der Entscheidung: „Die Haftung aus dieser Bestimmung ist keine Haftung der Gründer als solcher" 379 . Den Zweck der Handelndenhaftung verortet der zweite Senat nunmehr ausschließlich in einer Sicherungs- (Garantie-) 380 , Brems- (hinsichtlich der Aufnahme unternehmerischer Tätigkeit) und Druckfunktion (hinsichtlich dem Hinwirken auf die Eintragung). Der Strafzweck ist für den Bundesgerichtshof im Anschluss an das späte Reichsgericht endgültig erledigt. „Er (Anm.: der Zweck) besteht darin, dafür zu sorgen, daß ein Dritter, der sich auf Geschäfte mit der werdenden GmbH einläßt, einen Schuldner hat, wenn es nicht zur Entstehung der juristischen Person kommt oder sie sich weigert, die Verpflichtung aus dem Geschäft zu übernehmen. Daneben soll die Vorschrift zur Vorsicht mahnen und dazu beitragen, im Gründungsstadium den Abschluß überflüssiger Geschäfte zu verhindern und die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister zu beschleunigen"381.

Nach Auffassung des zweiten Senats kann aber die Sicherungsfunktion eine Ausdehnung der Haftung der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG auf einen lediglich der Geschäftseröffnung zustimmenden Gesellschafter nicht rechtfertigen, denn es gehe nicht darum, dem Gläubiger möglichst viele, kapitalkräftige Schuldner zu verschaffen. Die Sicherungsfunktion verlange nicht, dem Gläubiger einen sicheren Schuldner zu geben, sondern gehe lediglich dahin, ihm überhaupt einen Schuldner zu verschaffen 382, wenn es nicht zur Eintragung der Gesellschaft oder damals galt noch die Rechtsprechung zum Vorbelastungsverbot 383 - einer Über-

377 BGHZ 47, 25, Urt. v. 26. Ol. 1967, Az: II ZR 122/64. Dazu: K. Schmidt, GmbHR 1973, 146 (147 ff.). Krit. zu der neuen, restriktiven Handhabung des Handelndenbegriff s : Beuthien, ZIP 1996, 305 (313). 378 Vgl. zur strikten Trennung von der Haftung der Gründer für die Schulden der Vorgesellschaft und der Handelndenhaftung: K. Schmidt, GmbHR 1973, 146. 379 BGHZ 47, 25 (28), Urt. v. 26. 01. 1967, Az: I I ZR 122/64 unter Hinweis auf RGZ 55, 302 (305), Urt. v. 22. 09. 1903, Az: II 50/03. 380 Dazu: Lieb, DB 1970, 961 (962 ff.). 381 BGHZ47, 25 (29), Urt. v. 26. 01. 1967, Az: II ZR 122/64. 382 Vgl. auch: BGHZ 66, 359 (361 f.), Urt. v. 31. 05. 1976, Az: II ZR 185/74. Die Vorschrift soll dem Gläubiger nicht das Kreditrisiko nehmen. 383 ZB: BGHZ 53, 210 (212, 213), Urt. v. 09. 02. 1970, Az: II ZR 137/69.

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nähme der Verbindlichkeiten durch die eingetragene Gesellschaft komme. Aber auch dieser Wechsel der Rechtsprechung steht auf tönernen Füßen. Die Bremsfunktion hängt etwas unglücklich in der Luft, wenn man die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Gebotenseins von Handelns im Gründungsstadium einmal anerkennt. Die Druckfunktion trifft den Falschen. Denn über die Eintragung entscheiden in der GmbH die weisungsberechtigten Gründer, im Aktienrecht müssen die Gründer sogar bei der Eintragung mitwirken, § 36 Abs. 1 AktG. Einzig die Sicherungsfunktion war auf dem Boden des damaligen Wissens und der Geltung des heute überholten Vorbelastungsverbots noch tauglicher Anknüpfungspunkt. Die Haftung der Gründer war noch weitgehend unerforscht. Nach dieser Neubestimmung entwickelte sich die Handelndenhaftung in ihrem persönlichen Anwendungsbereich zu einer Organhaftung 384. Die Haftung nach den Vorschriften der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG wurde von der Rechtsprechung auf diejenigen Personen beschränkt, die zu Organwaltern der in Frage stehenden Gesellschaften bestellt wurden 385 . In der Beschränkung auf Organwalter liegt der Unterschied zur heutigen Rechtsanwendung in Bezug auf § 54 S. 2 BGB, der nach Auffassung der herrschenden Meinung tatbestandlich jeden unmittelbar Handelnden, also auch den rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Angestellten, aber nicht den mittelbar Handelnden, also nicht das die Vollmacht erteilende Vorstandsmitglied, erfasst 386 . Im Recht der Vorgesellschaften sieht man das genau anders herum 387 . Bei § 54 S. 2 BGB konnte sich auch nie die Auffassung durchsetzen, die Vereinsmitglieder nach dieser Vorschrift haften zu lassen. Dies war auch gar nicht nötig. Die Haftung der Mitglieder sollte sich nach dem 384 Terminus von: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 34 III 3 d aa = S. 1025; Scholz-K. Schmidt, 9. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 94; Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 42; aA: Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 128. Die Haftung wurde auch auf den „faktischen Geschäftsführer" ausgedehnt, der laufend wie ein Geschäftsführer in Erscheinung tritt und den Abschluss konkreter Geschäfte wesentlich mitbestimmt: BGHZ 51, 30 (35 f.), Urt. v. 24. 10. 1968, Az: II ZR 216/ 66; BGHZ 65, 378 (380), Urt. v. 15. 12. 1975, Az: II ZR 95/73. 385 BGH, in: WM 1980, 955, Urt. v. 29. 05. 1980, Az: II ZR 225/78; BGHZ 65, 378, Urt. v. 15. 12. 1975, Az: II ZR 95/73: Handelnder iSd § 11 Abs. 2 GmbHG ist nicht schon ein Gründer, der die vorzeitige Geschäftsaufnahme veranlasst, gefördert oder erst ermöglich hat, aber nicht zum Geschäftsführer bestellt gewesen ist oder sich wie ein solcher geriert hat; vgl. BGHZ 69, 95 (100 f.), Urt. v. 13. 06. 1977, Az: II ZR 232/75; BGHZ 53, 206, Urt. v. 09. 02. 1970, Az: II ZR 182/68: Handelnder iSd § 11 Abs. 2 GmbHG ist auch der bestellte Geschäftsführer, der einen Bevollmächtigten für sich handeln lässt (vgl. auch: BGHZ 53, 210 (212), Urt. v. 09. 02. 1970, Az: II ZR 137/69); BGHZ 66, 359, Urt. v. 31. 05. 1976, Az: II ZR 185/74: wer nur mit Vollmacht des Geschäftsführers einer noch nicht eingetragenen GmbH handelt, haftet nicht nach § 11 Abs. 2 GmbHG. 386 Vgl. dazu: Staudinger-Weich, 13. Auflage, § 54,Rdnr. 59. 387 BGHZ 53, 206, Urt. v. 09. 02. 1970, Az: II ZR 182/68: Handelnder iSd § 11 Abs. 2 GmbHG ist auch der bestellte Geschäftsführer, der einen Bevollmächtigten für sich handeln lässt (vgl. auch: BGHZ 53, 210 (212), Urt. v. 09. 02. 1970, Az: II ZR 137/69); BGHZ 66, 359, Urt. v. 31. 05. 1976, Az: II ZR 185/74: wer nur mit Vollmacht des Geschäftsführers einer noch nicht eingetragenen GmbH handelt, haftet nicht nach § 11 Abs. 2 GmbHG.

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Willen der zweiten Kommission nach dem Gesellschaftsrecht der §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB richten388. Es war anders als bei den Gründungsgesellschaften nicht notwendig, mangels anderer Möglichkeiten die Haftung der Verbandsmitglieder über die Handelndenhaftung zu begründen. Die zweite Kommission hat sich, obwohl hinsichtlich des nicht eingetragenen Vereins nicht von der besten Gesinnung angetrieben, nicht dazu hinreißen lassen, ihn als juristisches nullum zu betrachten 3 8 9 Zurück zu §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG. Von ihrem Zweck her mutierten die Vorschriften, die auszogen, ein Handeln im Gründungsstadium zu verhindern, zu einer Art Garantie oder Bürgschaft für die Übernahme der begründeten Verbindlichkeiten durch die eingetragene Gesellschaft; ein Zweck, der nur noch vor dem Hintergrund des überholten Vorbelastungsverbots verständlich wird. Folgerichtig wurde die Haftung inhaltlich insoweit akzessorisch ausgestaltet, als der BGH aussprach, dass die Haftung nach §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich nicht weiter gehe, als die Haftung einer schon bestehenden GmbH 3 9 0 . Die Haftung des Handelnden gemäß dieser Vorschrift bestimmt sich nach dem namens der Gesellschaft abgeschlossenen Vertrag. Der Gläubiger soll rechtlich weder besser noch schlechter stehen, als wenn die Gesellschaft bei Vertragsabschluss bereits eingetragen gewesen wäre. Die Rechtfertigung der Handelndenhaftung lässt sich daher auf folgende, von der Rechtsprechung lange Zeit stereotyp gebrauchte Formel bringen: „§ 11 Abs. 2 GbmHG liegt der Gedanke zugrunde, daß die GmbH, in deren Namen gehandelt wird, vor der Eintragung noch nicht existiert und deshalb für den Fall, daß sie nicht entsteht oder nicht in das Geschäft eintritt, dem anderen Teil ein Schuldner gegeben werden muß (BGHZ 65,378). Dieser Zweck rechtfertigt es, Geschäftsführer oder wie ein Geschäftsführer handelnde Personen, die über einen Geschäftsabschluß namens der GmbH verantwortlich zu entscheiden haben, für das Zustandekommen des versprochenen rechtlichen Kontakts einstehen zu lassen" 391 . 388 Mugdan I, S. 641. 389 Mugdan I, S. 640. 390 BGHZ 69, 95 (104), Urt. v. 13. 06. 1977, Az: II ZR 232/75: Für die Haftung des Handelnden nach § 11 Abs. 2 GmbHG gilt bei geschäftlicher Tätigkeit vor der Eintragung dieselbe Verjährungsfrist wie für die Gesellschaft, wenn sie bei Vertragsabschluß schon eingetragen gewesen wäre; BGHZ 53, 210 (214), Urt. v. 09. 02. 1970, Az: II ZR 137/69: „Ihr Grund liegt darin, daß die GmbH, in deren Namen gehandelt wird, vor ihrer Eintragung noch nicht besteht und deshalb nicht sogleich verpflichtet werden kann. Deshalb wird dem Geschäftspartner, der sich mit der werdenden GmbH einläßt, in der Person des Handelnden ein Schuldner gegeben. Auf diese Weise soll der Gläubiger zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als er stände, wäre die GmbH bei Vertragsabschluß bereits eingetragen gewesen und darum unmittelbar und allein verpflichtet worden. Die Haftung des Handelnden nach § 11 Abs. 2 GmbHG geht daher grundsätzlich nicht weiter als die Haftung einer schon bestehenden GmbH ginge". 391 BGHZ 66, 359 (360), Urt. v. 31. 05. 1976, Az: II ZR 185/74; BGHZ 65, 378 (380 f.), Urt. v. 15. 12. 1975, Az: II ZR 95/73; BGHZ 53, 210 (214), Urt. v. 09. 02. 1970, Az: I I ZR 137/69.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

Mit dem Wechsel in der Bedeutung der Handelndenhaftung, weg von einer Gründerhaftung hin zu einer Haftung des organschaftlich Handelnden, ging in der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs eine erste vorsichtige Entwicklung im Recht der Haftung der Gründungsgesellschafter einher 392 : die Haftung der Gesellschafter wurde nicht mehr begründet über eine extensive, zugegeben aber nahe am Willen des historischen Gesetzgebers liegende Handhabung der §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG 3 9 3 , sondern dogmatisch „sauber" als Haftung der Gesellschafter. Neben die Handelndenhaftung trat die Gesellschafterhaftung, und die Gesellschafterhaftung wurde nicht mehr als Handelndenhaftung begründet. Dies hätte Gelegenheit bieten können, Sinn und Zweck der Handelndenhaftung als überkommen aber überholt zu überdenken, wenn nicht sogar ganz in Frage zu stellen 3 9 4 . Doch war man noch nicht soweit, da die Gründerhaftung noch in den Kinderschuhen steckte 395 . So beschränkte der Bundesgerichtshof die Haftung der Vorgesellschafter zunächst auf die Höhe ihrer Einlage 396 . In der Folgezeit begann man, die selbst entwickelte Garantiefunktion der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG ernster zu nehmen. Der Bundesgerichtshof rückte allmählich von der tradierten Vorstellung 397 ab, dass die Handelndenhaftung die Eintragung der Gesellschaft überdauern könnte 398 . Denn sieht man den Hauptzweck der Vorschriften eben darin, für den Fall, dass die Gesellschaft nicht eingetragen wird oder die Schuld nicht übernimmt, dem Gläubiger überhaupt einen Schuldner zu geben, dann liegt es in der Tat nahe, dass die Haftung nach §§41 AktG, 11 GmbH erlischt, wenn der verfolgte Zweck (Eintragung und Übernahme) eingetreten ist. Es ist nicht gerechtfertigt, dem Gläubiger neben dem Schuldner, mit dem er von Anfang an nur kontrahieren wollte, und der ihm nunmehr auch haftet, 392 BGHZ 65, 378 (381 ff.), Urt. v. 15. 12. 1975, Az: II ZR 95/73. 393 Allerdings gilt diese Feststellung nicht ohne gewisse Einschränkungen. Der Gesetzgeber des Aktiengesetzes von 1965 hat zwar § 34 Abs. 1 AktG 1937 = § 200 HGB = Art. 211 ADHGB übernommen, hat aber doch weitere Klärung Rechtsprechung und Praxis überlassen (BT-Drucksache IV/171, S. 110). 394 Vgl. Lieb, DB 1970, 961; Weimar, GmbHR 1988, 289. 395 Vgl. die Ansätze bei BSG, in: NJW 1967, 2031 (2032), Urt. v. 20. 12. 1966, Az: 3 RK 63/63; BAG, in: NJW 1963, 680 (682), Urt. v. 08. 11. 1962, Az: 2 AZR 11/62. Vgl. dazu: Beuthien, ZIP 1996, 305 (308 ff.); Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 22 ff. 396 BGHZ 65, 378 (382 ff.), Uri. ν. 15. 12. 1975, Az: II ZR 95/73; vgl. BGH, in: WM 1980, 955 (956), Urt. v. 29. 05. 1980, Az: I I ZR 225/78; Überblick bei: BGHZ 134, 333 (334 f.), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94. 397 So noch: RGZ 72, 401 (404), Urt. v. 01. 02. 1910, Az: II 232/09; bestätigt: BGH, in: NJW 1953, 219 (nur Lt.), Urt. v. 21. 11. 1952, Az: I ZR 174/51; BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 6, Urt. v. 15. 06. 1955, Az: IV ZR 304/54. 398 BGHZ 69, 95 (103 f.), Uri. v. 13. 06. 1977, Az: I I ZR 232/75; BGHZ 70, 132 (139 ff.), Urt. v. 19. 12. 1977, Az: II ZR 202/76; BGHZ 76, 320 (323 ff.), Urt. v. 17. 03. 1980, Az: II ZR 11 /79; BGHZ 80, 129 (143), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80. Endgültig aufgegeben in: BGHZ 80, 182, Urt. v. 16. 03. 1981, Az: I I ZR 59/80. Zustimmend: Theobald, VorGmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 44.

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einen zweiten Schuldner zu geben, mit dem er gar nicht gerechnet hat. Die Garantiehaftung der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG ist trotz ihres akzessorischen Charakters nicht mit einer Bürgschaft iSd §§ 765 ff. BGB zu verwechseln. Der Bürge muss für die Erfüllung einer fremden Schuld einstehen, der Handelnde der §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG auf dem Boden des Vorbelastungsverbots nur für das Zustandekommen des rechtlichen Kontakts, also Entstehung und Schuldeintritt der GmbH. Selbst bei Anlegen der Druckfunktion, die den Geschäftsführer oder das Vorstandsmitglied zu einer möglichst raschen Eintragung der Gesellschaft anhalten will, spricht alles dagegen, die Haftung den Zeitpunkt der Eintragung überdauern zu lassen 399 . Man sieht aber vor dem Hintergrund, dass das Verständnis der Handelndenhaftung doch sehr vom Vorbelastungsverbot und der weitgehenden Ungewissheit über die Verpflichtungsfähigkeit und die Haftungsverhältnisse in der Vorgesellschaft geprägt war. Der Sinn und Zweck der §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG ließ sich wirklich darauf reduzieren, dem Gläubiger wenigsten einen Schuldner zu verschaffen. Auf diesen Zweck reduziert, ist der Gerechtigkeitsgehalt der Vorschrift aber bedenklich. Mit der Person des (Fremd-)Geschäftsführers wird einer Person das wirtschaftliche Risiko zugewiesen, die, da vielleicht gar nicht Gesellschafter, am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nicht unmittelbar partizipiert, und zudem im Hinblick auf die Eintragung der Gesellschaft maßgebend von Weisungen der Gesellschafter und deren Engagement, die für die Erfüllung der Normativbestimmungen notwendigen Voraussetzungen zu erbringen, abhängt. Die große Wende zum Besseren im Recht der Vorgesellschaft wurde durch BGHZ 80, 129 4 0 0 mit der Aufgabe des Vorbelastungsverbots und der Entwicklung der Unterbilanzhaftung (Differenzhaftung) eingeleitet. Die wesentlichen Leitsätze der Entscheidung lauten: a) Eine Vorgesellschaft wird durch Geschäfte, die ihr Geschäftsführer mit Ermächtigung aller Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abschließt, auch dann verpflichtet, wenn nach der Satzung nur Bareinlagen vereinbart sind. b) Die Rechte und Pflichten aus solchen Geschäften gehen mit der Eintragung der GmbH voll auf diese über (kein sogenanntes Vorbelastungsverbot). c) Für die Differenz, die sich durch solche Vorbelastungen zwischen dem Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung ergibt, haften die Gesellschafter anteilig.

Doch war der Aufbruch in eine neue Zeit noch nicht vollkommen, verblieb doch zunächst die Haftung der Gesellschafter der Vorgesellschaft in ihrem unbefriedigenden Regelungszustand: bestenfalls kam eine auf die Höhe der noch nicht geleisteten Einlage beschränkte Außenhaftung der Gründungsgesellschafter in Betracht, die zudem mit der Eintragung der Gesellschaft erlöschen sollte 401 . Aber doch hät399 BGHZ 69, 95 (103), Urt. v. 13. 06. 1977, Az: I I ZR 232/75. 400 BGHZ 80, 129, Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80. 401 BGHZ 80, 182 (184), Urt. v. 16. 03. 1981, Az: I I ZR 59/80; BGHZ 80, 129 (144), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80. Der BGH warf sogar die Frage auf, ob nur die Vorgesell-

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

ten bereits die Aufgabe des Vorbelastungsverbots und die Anerkennung einer Gründerhaftung dazu veranlassen können, die Berechtigung des Ob und Wie der Handelndenhaftung auf den Prüfstein zu stellen. Doch geschah eine genaue Uberprüfung nicht. Vielmehr wurde still und leise eine Modifizierung an der Sicherungs- und Garantiefunktion der Handelndenhaftung vorgenommen. Sinn und Zweck der Vorschrift konnte ja jetzt nicht mehr darin liegen, dem Gläubiger überhaupt einen Schuldner zu verschaffen. Einen Schuldner hatte er nunmehr in der Vorgesellschaft und, wenn es zur Eintragung kam, in der mit der Vorgesellschaft identischen eingetragenen GmbH oder Aktiengesellschaft. Den Anknüpfungspunkt für die neuerliche Zweckausrichtung war der oben beschriebene unbefriedigende Regelungszustand im Bereich der Gründerhaftung, der nicht ohne Rückwirkungen auf die Handhabung der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG bleiben konnte. Es bestand eine Vorgesellschaft, die hinsichtlich der kapitalmäßigen Eintragungsvoraussetzungen noch nicht auf Herz und Nieren geprüft war, deren Gesellschafter aber auch nur beschränkt hafteten 402 . Retten konnte man sich aus dieser Problematik zunächst wieder ganz bequem über die Handelndenhaftung, anstatt die halbherzige Handhabung der Gründerhaftung in der Vorgesellschaft zu hinterfragen. Also wurden §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG mit neuer Zweckrichtung angewandt: nur so erhalte der Gläubiger einen Ausgleich dafür, dass die Kapitalgrundlage der Vorgesellschaft noch nicht in gleichem Maße wie bei der eingetragenen GmbH gerichtlich kontrolliert, publiziert und durch zwingende Schutzvorschriften abgesichert sei. Wenigstens die unbeschränkte Haftung des Handelnden sollte einen Ausgleich für die fehlende unbeschränkte Haftung der Gesellschafter der noch nicht den strengen Kapitalschutzvorschriften unterworfenen und nicht auf Einhaltung der Normativbestimmungen geprüften Vorgesellschaft bieten 403 . Mit anderen Worten: zumindest der Handelnde sollte unbeschränkt haften, wenn schon kein anderer unbeschränkt haften muss, in einer Gesellschaft, deren Mitglieder sich ihre Haftungsfreistellung noch nicht verdient haben. Das ist schief. Nach der Aufgabe des Vorbelastungsverbots aber konnte so, nachdem sich die Garantiefunktion weitgehend erledigt hatte, der Handelndenhaftung zunächst einmal ein neuer Bedeutungsinhalt zugewiesen werschaft mit ihrem Vermögen - einschließlich der offenen Einlageforderungen - haften sollte, ließ die Frage aber offen. Einen Überblick über die Haftungssituation gibt: BGHZ 134, 333 (334 f.), Urt. v. 27. Ol. 1997, Az: I I ZR 123/94. Vgl. Weimar, GmbHR 1988, 289 (292 ff.). 402 Dies brachte den BGH nach einigem Zaudern (Vgl. BGHZ 76, 320 (322), Urt. v. 17. 03. 1980, Az: II ZR 11/79; davor offen gelassen in: BGHZ 69, 95 (98, 102), Urt. v. 13. 06. 1977, Az: II ZR 232/75; BGHZ 70, 132 (134, 138 f.), Urt. v. 19. 12. 1977, Az: II ZR 202/76) dazu, § 11 Abs. 2 GmbHG auf den Fall anzuwenden, dass der Geschäftsführer der GmbH nicht unmittelbar für die GmbH handelt, sondern in Ausübung der ihr als persönlich haftender Gesellschafterin zustehenden organschaftlichen Vertretungsmacht die Kommanditgesellschaft nach außen verpflichtet und hierdurch über § 128 HGB die Haftung der Vorgesellschaft auslöst (BGHZ 80, 129 (133), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: II ZR 54/80). 403 Eindeutig in diese Richtung: BGHZ 80, 182 (184), Urt. v. 16. 03. 1981, Az: II ZR 59/ 80; BGHZ 91, 148 (152), Urt. v. 07. 05. 1984, Az: II ZR 276/83.

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d e n 4 0 4 . In einer der letzten zu der Problematik ergangenen relevanten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, in der in Abweichung zur früheren Rechtsprec h u n g 4 0 5 der Anwendungsbereich der Handelndenhaftung auf das eigentliche Gründungsstadium begrenzt w u r d e 4 0 6 , kann man genau dies aus dem berufenen Munde des zweiten Senats hören: „Dagegen hat die strenge Haftung des § 11 Abs. 2 GmbHG im eigentlichen Gründungsstadium angesichts der nur beschränkten Haftung der Gesellschafter... die allein hier in Betracht kommende Funktion, die unbeschränkte Haftung wenigstens einer verantwortlichen Person zu begründen und damit auszugleichen, daß die (begrenzte) Kapitalgrundlage der Gesellschaft noch nicht im gleichen Maße wie bei der eingetragenen GmbH gerichtlich kontrolliert, bekannt gemacht und durch zwingende Schutzvorschriften gesichert ist" 4 0 7 . Aber in dem Moment, in dem auch diese Hürde aus dem Weg geräumt ist, d. h. die Gründungsgesellschafter ihrerseits unbeschränkt haften und damit die fehlende Kapitalsicherung i m Gründungsstadium ausgeglichen wird, verliert diese Deutung ihre Legitimation. Zumal ihr Gerechtigkeitsgehalt nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Denn das wirtschaftliche Risiko wird kraft Gesetzes auf Personen (Unternehmensleitung) abgewälzt, die selbst keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil aus den von ihnen abgeschlossen Geschäften haben. Aus gutem Grunde sind daher die Organwalter der eingetragenen Gesellschaften nur der Gesellschaft bei Verschulden verantwortlich (§§ 93 AktG, 34 GenG, 43 GmbHG, 27 Abs. 3 BGB, 497 HGB). Gleichgültig wie man dazu steht, so ist jetzt auch das letzte Hindernis aus dem Weg geräumt, seitdem der Bundesgerichtshof sich in B G H Z 134, 3 3 3 4 0 8 zu einem abschließenden, wenn vielleicht auch nicht alle zufrieden stellenden 4 0 9 , Haftungs404 Auch nach neuer Zweckfindung hielt der Bundesgerichtshof aber an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Haftung nach §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG ihr Ende findet, wenn es zur Eintragung der Gesellschaft kommt (BGHZ 80, 182, Urt. v. 16. 03. 1981, Az: II ZR 59/80; BGHZ 80, 129 (143), Urt. v. 09. 03. 1981, Az: I I ZR 54/80). Dies war auch angesichts des neuen Zweck geboten: zum einen hat die Gesellschaft den Eintragungsprozess erfolgreich abgeschlossen, zum anderen trifft die Gesellschafter nun gegenüber der GmbH ihre (unbeschränkte) Unterbilanzhaftung. 405 RGZ 122, 172 (174 f.), Urt. v. 26. 10. 1928, Az: I I 249/28. Auf der Ebene der Instanzgerichte war die Einbeziehung des Vorgründungsstadiums in den Bereich der Handelndenhaftung streitig, wurde aber von der überwiegenden Mehrzahl der Gerichte so gehandhabt; bestätigt in: BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 11. Urt. v.15. 03. 1962, Az: II ZR 103/61. 406 BGHZ 91, 148, Urt. v. 07. 05. 1984, Az: II ZR 276/83: Die in § 11 Abs. 2 GmbH bestimmte Haftung dessen, der für eine noch nicht im Handelsregister eingetragene GmbH handelt, greift nicht ein, solange nicht der Gesellschaftsvertrag oder die Errichtungserklärung des einzigen Gesellschafters notariell beurkundet worden ist; die bisherige Rechtsprechung, die Handlungshaftung könne auch schon im Vorgründungsstadium entstehen, wird aufgegeben. 407 BGHZ 91, 148 (152), Urt. v. 07. 05. 1984, Az: II ZR 276/83. 408 BGHZ 134, 333, Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94. 409 Dabei soll über die Nachteile der Innenhaftung nicht leichtfertig hinweggegangen werden. Ihre Nachteile sind hinlänglich bekannt (vgl. Schwarz, ZIP 1996, 2205 (2207);

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modell durchgerungen hat. Was die Grundsatzentscheidung für die Haftungsverfassung der Vorgesellschaft gebracht hat, wird in den Leitsätzen deutlich. Solange der Bundesgerichtshof die Haftung der Gründer kommanditistenähnlich auf ihre Einlage beschränkte, hatte die persönliche Handelndenhaftung des Geschäftsführers eine ähnliche Funktion wie die Haftung des Komplementärs in der Kommanditgesellschaft 410. Dies hat sich nunmehr durch die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter erledigt. a) Die Gesellschafter einer Vor-GmbH haften für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft unbeschränkt. Es besteht eine einheitliche Gründerhaftung in Form einer bis zur Eintragung der Gesellschaft andauernden Verlustdeckungshaftung und einer an die Eintragung geknüpften Vorbelastungs- (Unterbilanz-)haftung. b) Die Verlustdeckungshaftung ist ebenso wie die Vorbelastungs- (Unterbilanz-)haftung eine Innenhaftung.

Die Gründungsgesellschafter trifft also nunmehr eine unbeschränkte Verlustdeckungshaftung innerhalb der Vorgesellschaft, die sich mit der Eintragung in die - bereits durch BGHZ 80, 129 bekannte - Unterbilanzhaftung wandelt 411 . Der Grund für die unbeschränkte Haftung ist klar und folgt aus den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts: wer als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, haftet für die daraus entstehenden Verpflichtungen, solange er sich nicht die Haftungsfreistellung - zB durch Eintragung nach einer Überprüfung durch das Registergericht - verdient hat 4 1 2 . Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Verlustdeckungshaftung als Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Vorgesellschaft ausgestaltet. Doch entstehen dadurch den Gläubigern gegenüber keine so unzumutbaren Nachteile, die es rechtfertigen könnten, den für die Gesellschaft aufgetretenen Organwalter in Anspruch zu K. Schmidt, GmbHR 2001, 27). Der Bundesgerichtshof hat den Gläubiger darauf verwiesen, die nur pro rate gegen die einzelnen Gesellschafter begründeten Verlustdeckungshaftungsansprüche der Gesellschaft zu pfänden. Da die Binnenhaftung keine gesamtschuldnerische ist, muss der Gläubiger nach diesem Haftungsmodell die gepfändeten Ansprüche nach Beteiligungsquoten - die er vielleicht nicht einmal kennt - gegen die Gründer geltend machen und im Fall eines Teilausfalles nochmals pfänden und nochmals gegen solvente Gründer klagen, um die Ausfallhaftung entsprechend § 24 GmbHG geltend machen zu können. Ob dies besonders glücklich ist, erscheint zweifelhaft. Doch sollte man daraus nicht den Schluss ziehen, der Handelndenhaftung eine über das hier geforderte zusätzliche Bedeutung abzuverlangen und damit den Gläubigern einen zusätzlichen, bequem in Anspruch zu nehmenden Schuldner zu verschaffen, der das Insolvenzrisiko von Gesellschaft und Gesellschaftern trägt. Allenfalls sollte man diesen erkannten Missstand zum Anlass nehmen, das Modell der Binnenhaftung noch einmal zu überdenken. Vgl. die Nachweise in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 25. 410 Sandberger, FS-Fikentscher, 1998, S. 339 (415). 411 Man kann sagen, dass die Verlustdeckungshaftung, die mit Gewinnen schrumpft und Verlusten steigt, also variabel ist, mit der Eintragung auf einen festen Betrag einfriert: die Unterbilanzhaftung. 412 ZB: BGHZ 134, 333 (335), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94; auch: BGHZ 142, 315 (319), Urt. v. 27. 09. 1999, Az: II ZR 371/98.

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nehmen: zum einen können Gläubiger durch Pfändung der Verlustdeckungsansprüche der Vorgesellschaft unmittelbar auf die Gesellschafter zugreifen, zum anderen lässt die Rechtsprechung in bestimmten Situationen auch eine Außenhaftung der Gesellschafter zu 4 1 3 . Wird jetzt ein Anspruch aus §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG gegen den Handelnden überhaupt oder zumindest ohne korrigierende Modifikationen zugelassen, führt dies zu einer Ubersicherung des Gesellschaftsgläubigers 414, die nun wirklich jedem auch nur denkbaren Zweck der §§11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG widersprechen muss. Denn die Vorschrift will den Gläubigern niemals einen zusätzlichen Schuldner verschaffen. Jedes andere Ergebnis wäre auch aberwitzig und würde dem notwendigen Gerechtigkeitsgehalt der Vorschrift Hohn sprechen. Das wirtschaftliche Risiko darf nicht auf denjenigen abgewälzt werden, der selbst keinen wirtschaftlichen Vorteil aus den abgeschlossenen Geschäften trägt 415 . Dem fremdnützig Handelnden würde sonst letztlich das Insolvenzrisiko von Vorgesellschaft und Gründungsgesellschaftern aufgeladen 416. Das darf nicht sein. Angesichts dessen scheint der Vorschlag von Brock, den dieser schon Mitte der 80er Jahre vorbrachte, verführerisch, die Normen in Anwendung des Satzes cessante ratione legis cessât lex ipsa als pro non scripto zu erachten 417. Dieser Satz, der im 19. Jahrhundert aus der Mode kam, aber im 20. Jahrhundert ein verstecktes Comeback nahm 418 , nimmt eine Unterscheidung zwischen der causa impulsiva und causa finalis, also zwischen dem Anlass und dem Zweck des Gesetzes vor. Nur der Wegfall der causa finalis sollte dem Gesetz die Wirkung nehmen, während der Wegfall der causa impulsiva grundsätzlich unschädlich bleibt. Anlass zu den Vorschriften der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, Art. 211 ADHGB war sicherlich die Unkenntnis vom Wesen der Vorgesellschaft. Dieser Grund hat sich erledigt. Die Vorschriften der Handelndenhaftung gem. §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG beruhen auf überholten rechtlichen Vorstellungen 419. Dies berührt 413 Wenn die Vorgesellschaft vermögenslos ist, ein Geschäftsführer fehlt oder sonst kein Gläubiger vorhanden ist (BGHZ 134, 333 (341), Urt. v. 27. 01. 1997, Az: II ZR 123/94; Β FH, in: NJW 1998, 2926, Urt. v. 07. 04. 1998, Az: VII R 82/97; BSG, in: ZIP 2000, 494, Urt. v. 08. 12. 1999, Az: Β 12 KR 10/98 R). 4 4

· Weimar, AG 1992, 69 (77). 15 Beuthien, ZIP 1996, 360 (366).

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416 Sollten sich die Gläubiger wirklich zuerst an den Geschäftsführer oder das Vorstandsmitglied halten, so kann dieser bei der Gesellschaft und zumindest mittelbar bei den Gesellschaftern Regress nehmen (Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 45; Sandberger, FS-Fikentscher, 1998, S. 339 (415); Beuthien, ZIP 1996, 360 (366)). Doch der beste Rückgriffsanspruch gegen die Gesellschaft und die Gesellschafter nützt dem Handelnden wenig, wenn dort nichts mehr zu holen ist. 417 Brock, Die Haftungssituation des Geschäftsführers der GmbH und ihre Begrenzung im Bereich der Vorgesellschaft, § 11 Abs. 2 GmbHG: Eine überflüssige Vorschrift, 1987, S. 110 ff. 418 Krause, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung, Bd. 77 (1960), 81 (104 ff., 108 ff.). 4 19 Lieb, DB 1970, 961 (967).

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aber zunächst nur die causa impulsiva , was für sich allein nicht zum Wegfall der Norm führt. Solange den Normen noch ein vernünftiger Zweck zugewiesen werden kann, bleiben sie dem Rechtsanwender erhalten.

II. Europarechtliche Vorgaben

Bevor auf die Suche nach einem die Vorschriften der §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG tragenden Sinn und Zweck gegangen wird, soll zunächst den europarechtlichen Vorgaben Aufmerksamkeit gewidmet werden. Mancher Schriftsteller hält vor dem Hintergrund des Art. 7 der Publizitätsrichtlinie (68/151/ EWG) vom 9. März 1968 420 einen Abschied von der Handelndenhaftung für europarechtswidrig und damit für nicht angängig 421 . Die Vorschrift lautet: Artikel 7. Ist im Namen einer in Gründung befindlichen Gesellschaft gehandelt worden, ehe diese die Rechtsfähigkeit erlangt hat, und übernimmt die Gesellschaft die sich aus diesen Handlungen ergebenden Verpflichtungen nicht, so haften die Personen, die gehandelt haben, aus diesen Handlungen unbeschränkt als Gesamtschuldner, sofern nichts anderes vereinbart worden ist.

Im Vergleich zu der Entwurfsfassung nach der Stellungsnahme des Europäischen Parlaments 422 ist die Vorschrift in der endgültig verabschiedeten Richtlinie deutlich enger gefasst. Im Entwurf hatte sie noch eine ähnlich weite Formulierung wie die bekannten deutschen Vorschriften §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, wobei allerdings im nationalen deutschen Recht die Besonderheit hinzukam, dass die Vorschriften der Handelndenhaftung von der Rechtsanwendung so gehandhabt wurden, dass sie tatbestandlich am Handeln im Namen der künftig eingetragenen Gesellschaft anknüpfen 423: 420 Erste Richtlinie des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die den Mitgliedsstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (68/151 /EWG), ABl. Nr. L 65/8. 421 In diese Richtung: Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 127; Scholz-K Schmidt, 9. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 96; Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984, S. 40, Fn. 19; Sandberger, FS-Fikentscher, 1998, S. 339 (417). AA: Brock, Die Haftungssituation des Geschäftsführers der GmbH und ihre Begrenzung im Bereich der Vorgesellschaft, § 11 Abs. 2 GmbHG: Eine überflüssige Vorschrift, 1987, S. 113 ff.; Weimar, GmbHR 1988, 289 (298); derselbe, GmbHR 1997, 473 (478) Fn. 47. 422

ABl. EG 1519/66. 3 Aus der Literatur zB Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 14, der entscheidend auf den Wortlaut abstellt. Deutlich: BGH, in: W M 1980, 955 (956), Urt. v. 29. 05. 1980, Az: I I ZR 225/78; BGHZ 51, 30 (33), Urt. v. 24. 10. 1968, Az: II ZR 216/66; BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 11, Urt. v. 15. 03. 1962, Az: I I ZZR 103/61; RGZ 70, 296 (299, deutlich: 301 f.), Urt. v. 19. 02. 1909, Az: II 401/08; auch: BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 6, Urt. v. 15. 06. 1955, Az: IV ZR 304/54; BGHZ 65, 378 (380 f.), Urt. v. 15. 12. 1975, Az: I I ZR 95/73; wohl anders: BGHZ 91, 148 (149), Urt. v. 07. 05. 1984, Az: II ZR 276/83. 42

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Artikel 8 (Vorschlag). Personen, die im Namen einer in Gründung befindlichen Gesellschaft gehandelt haben, ehe diese die Rechtsfähigkeit erlangt hat, haften für die vorgenommenen Handlungen unbeschränkt als Gesamtschuldner.

Art. 7 der Richtlinie in seiner endgültigen Fassung ist in seinem Anwendungsbereich wesentlich enger gefasst, als die Entwurfsfassung. Es geht also nicht um eine Haftung des handelnden Organ waiters um jeden Preis. Die Vorschrift bekam den aus dem nationalen deutschen Recht bekannten Charakter der Sicherungs- und Garantiefunktion; der Gläubiger soll nicht ohne Schuldner dastehen. Übernimmt die eingetragene Gesellschaft die begründeten Verbindlichkeiten nicht, so soll der Gläubiger doch wenigstens in der Person der Handelnden einen Schuldner vorfinden. Dementsprechend wird die Vorschrift in der Lehre auch so verstanden, dass sie den Gläubiger für den Fall schützen will, dass es nach den Vorschriften des - insoweit nicht angeglichenen - nationalen Rechts nicht zum Übergang der Verbindlichkeiten auf die „juristische Person4', also die eingetragene Gesellschaft kommt. Der Gläubiger soll dann die Handelnden in Anspruch nehmen können 424 . Art. 7 der Publizitätslinie hat damit ein nationales Gründungsrecht vor Augen, dass es - wie es in Deutschland zur Zeit des tradierten Vorbelastungsverbots der Fall war - in das Belieben der eingetragenen Gesellschaft stellt, ob sie dem Übergang von Verbindlichkeiten aus der Zeit vor ihrer Eintragung zustimmt. Stimmte die eingetragene Gesellschaft dem Übergang der Verbindlichkeit nicht zu, stand der Gläubiger ohne Schuldner da 4 2 5 . Im deutschen Recht ist die Ausgangslage aber heute eine ganz andere. Der Gläubiger hat immer einen Schuldner: die Vorgesellschaft vor der Eintragung, deren Gesellschafter unbeschränkt für deren Schulden haften; nach der Eintragung trägt die mit der Vorgesellschaft identische GmbH oder Aktiengesellschaft die Verbindlichkeiten. Und selbst wenn die Eintragung scheitert, besteht die Gesellschaft als Rechtsträger bis zur Vollbeendigung fort. Damit ist aber der Richtlinie genüge getan 4 2 6 Auch im Hinblick auf den falsus procurator, verlangt die Richtlinie keine den §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechenden Vorschriften: handelt der Geschäftsführer ohne Vertretungsmacht, was nach der hier vertretenden Auffassung, die die Vertretungsmacht des Handlungsorgans unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität der Handlungsverfassung bereits nach ihrem Umfang in der eingetragenen Gesellschaft bestimmt (§§ 82 Abs. 1 AktG, 37 Abs. 2 GmbHG), gar nicht geschehen kann, so haftet dieser nach § 179 BGB. Kennt der andere den Mangel der Vertretungsmacht, so ist der Gläubiger nicht schutzwürdig, § 179 Abs. 3; dies sieht ausweislich ihrem Art. 9 die Publizitätsrichtlinie auch nicht anders 427. Angesichts des heutigen Entwicklungsstandes des Rechts der Vorgesellschaft in Deutschland verlangt die Publizitätsrichtlinie keine Haftung der Organwalter entsprechend §§11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG. 424

Haber sack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 97. Die Frage nach einer eigenen Verpflichtungsfähigkeit der Vorgesellschaft und der Haftung der Gründungsgesellschafter war noch nicht geklärt. 42 6 Weimar, GmbHR 1988, 289 (298). 427 Weimar, GmbHR 1988, 289 (298). 425

2

Bergmann

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme I I I . §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG auf dem Prüfstand

Die Sicherungs- oder Garantiefunktion der §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG ist vom Tisch. Sie hat sich mit der Aufgabe des Vorbelastungsverbots und der Rechtsprechung zur unbeschränkten Gründerhaftung in der Vorgesellschaft erledigt, zumal aber auch vor dem Hintergrund der tradierten Lehre in der komplementärartigen Haftung des Geschäftsführers kaum ein tieferer Gerechtigkeitsgehalt gefunden werden konnte. Denn das wirtschaftliche Risiko wird gerade auf denjenigen abgewälzt, der selbst keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil aus den abgeschlossenen Geschäften hat 4 2 8 . Dies gilt erst recht heute nach Anerkennung der unbegrenzten Gründerhaftung. Hier auch noch den Handelnden zusätzlich haften zu lassen führt zu einer nicht mehr gerechtfertigten Ubersicherung des Gesellschaftsgläubigers, die nun wirklich jedem auch nur denkbaren Zweck der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG widersprechen muss. Denn die Vorschrift will den Gläubigern nicht einen zusätzlichen Schuldner verschaffen, sondern allenfalls verhindern, dass sie ohne Schuldner dastehen. Jedes andere Ergebnis wäre auch aberwitzig. Es erscheint geradezu illegitim, das wirtschaftliche Risiko auf denjenigen abzuwälzen, der selbst keinen wirtschaftlichen Vorteil aus den abgeschlossenen Geschäften hat 4 2 9 . In der Übersicherung des Gläubigers kann gewiss kein Grund zur Rechtfertigung der Systemwidrigkeit liegen, den fremdnützig Handelnden über ihre Organverantwortlichkeit (§§ 27 Abs. 3 BGB, 43 GmbHG, 93 AktG) hinaus das wirtschaftliche Risiko aufzuerlegen 430. Wenn ein Teil der Literatur auch heute immer noch eine Restfunktion darin zu erkennen glaubt, dass vor der Eintragung die durch die Prüfung des Registergerichts und die Kapitalerhaltungsvorschriften begründete Gewährleistung der Kapitalgrundlage noch fehlt 4 3 1 , so liegt das neben der Sache: vor der Eintragung wird das Minus des Schutzes durch die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften ausgeglichen durch die unbeschränkte Haftung der Gründungsgesellschafter: die Gründungsgesellschafter haften für die bis zur Eintragung eintretenden Verluste der Gesellschaft unbeschränkt (Verlustdekkungs- und Unterbilanzhaftung). Die Kontrolldichte der Gründungsprüfung darf im Hinblick auf den Gläubigerschutz auch nicht überschätzt werden 432 . Eine generelle Prüfung der Finanzierungsgrundlagen oder der Wirtschaftlichkeit der geplanten Tätigkeit scheidet aus, da es kein Verbot der Unterkapitalisierung der GmbH gibt. Auch gibt es keine Garantie dafür, dass das Vermögen der einmal eingetragenen Kapitalgesellschaft nicht durch Verluste bis zur Grenze der Insolvenzreife allmählich aufgezehrt wird. Und nach der Eintragung haftet nur noch die GmbH und kein Gesellschafter mehr, § 13 Abs. 2 GmbHG 433 .

428 Beuthien, ZIP 1996, 360 (366). 429 Beuthien, ZIP 1996, 360 (366). 430 Lieb, DB 1970, 961 (965). 431 Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 41, Rdnr. 41. 432 Weimar, GmbHR 1988, 289 (297). 433 Allenfalls gibt es noch eine Unterbilanzhaftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft bei Eintragung.

§ 18 Die Handelndenhaftung

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Der Strafcharakter der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG wurde von der Wirklichkeit eingeholt 434 . Er ist angesichts der wirtschaftlichen Realitäten und Zwänge überholt, aber auch nicht mehr berechtigt. Die Probleme, die der Gesetzgeber des ADHGB verhindern, aber nicht lösen wollte oder konnte, sind heute weitgehend befriedigend gelöst. Man hat das Recht der (unternehmerisch tätigen) Vorgesellschaft in all seinen Facetten, inklusive der Gründerhaftung, im Griff. Verbleibt die Druckfunktion, in der bedeutende Teile der Literatur die letzte Rechtfertigung der Organhaftung erblicken: sie stelle den nach §§ 407 Abs. 2 AktG, 79 Abs. 2 GmbHG einzig zulässigen Zwang gegenüber den Organträgern dar, die Eintragung der Gesellschaft herbeizuführen 435. Durch die persönliche Haftung der Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder soll erreicht werden, dass die Registereintragung baldmöglichst herbeigeführt wird. Aber hier wird „das falsche Schwein geschlachtet". Gem. § 36 Abs. 1 AktG ist die Aktiengesellschaft von allen Gründern, Mitgliedern des Aufsichtsrates und den Mitgliedern des Vorstandes zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Vorstand ist zur Anmeldung nicht allein berufen, aber doch soll ihn alleine die Verantwortung nach § 41 Abs. 1 S. 2 AktG treffen. Gem. §§ 7, 78 GmbHG ist die GmbH zwar von allen Geschäftsführern zum Handelsregister einzutragen, aber die Geschäftsführer sind weisungsabhängig, d. h. sie haben das umzusetzen, was ihnen von den Gesellschaftern vorgegeben wird 4 3 6 , zumal es die Gründer in der Hand haben, durch Herauszögerung der gesetzlichen Mindesteinlagen den Eintragungsprozess zu hintertreiben. Wollen die Gründer die Anmeldung verzögern, sind den Geschäftsführern die Hände gebunden. Und dennoch soll sie die Haftung aus § 11 Abs. 2 GmbHG treffen. Richtiger Adressat der Druckfunktion sind daher grundsätzlich die Gründer. Und der notwendige Druck in diese Richtung wird durch die unbeschränkte Gesellschafterhaftung im Gründungsstadium ausgeübt. In der Druckfunktion kann schwerlich eine taugliche Rechtfertigung der Handelndenhaftung gesehen werden: Es ist unsinnig, wenn nicht gar willkürlich, wenn die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, die entweder weisungsabhängig sind oder die Eintragung nicht alleine in der Hand haben, haften, und zwar strenger als die eigentlichen Gründer (hier Außenhaftung, dort Innenhaftung). Weder in der Sicherungs-, noch in der Straf- oder Druckfunktion kann heute noch eine legitime Rechtfertigung der Handelndenhaftung gefunden werden. Dieser Zweckwegfall der Handelndenhaftung hat - wie bereits erwähnt - schon Mitte der 80er Jahre Brock dazu animiert, die Vorschrift des § 11 Abs. 2 GmbHG 434 Vgl. Beuthien, ZIP 1996, 305 (311); Scholz-K. Schmidt, 9. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 92 f.; Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 126. 435 κ. Schmidt, GmbHR 1973, 146 (152); Scholz-K. Schmidt, 9. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 93. Vgl. dazu: Beuthien, ZIP 1996, 305 (311 f.). 436 §§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6 GmbHG. Die Handlungsverfassung der Vor-GmbH entspricht bereits derjenigen der eingetragenen GmbH (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 3; BGHZ 21, 242, Urt. v. 12. 07. 1956, Az: I I ZR 218/54); Beuthien, ZIP 1996, 360 (366). 2*

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

in Anwendung des Satzes cessante ratione legis cessât lex ipsa die Norm als ungeschrieben zu erachten 437: nicht nur lasse sich für diese Vorschrift kein vernünftiger Zweck mehr finden, sie sei vielmehr interessenwidrig und im Bereich der Vorgesellschaft schädlich. Die - gerade auch verfassungsrechtlichen - Bedenken, die gegen die Lehre der cessante causa cessât lex vorgebracht werden, wischt Brock für den konkreten Fall mit dem nicht ganz von der Hand zu weisenden Argument vom Tisch, dass der Gesetzgeber die Norm selbst zur Disposition gestellt habe 438 . Dagegen meint die Mehrheit der Schriftsteller, dass die Normen als geschriebenes Recht hingenommen werden müssen439. Allerdings kann dies auf sich beruhen bleiben, wenn den Vorschriften ein legitimer Zweck doch noch zugewiesen werden kann. Wenn die Handelndenhaftung heute noch einen legitimen Zweck verfolgen will, dann kann ihr Anknüpfungspunkt weder in der Straf- oder Druckfunktion liegen, noch in der hergebrachten Sicherungsfunktion. Ein anderer Unterschied zwischen Vorgesellschaft und eingetragener Gesellschaft ist offenkundig, der nichts mit fehlenden Kapitalgarantien zu tun hat: die fehlende Registerpublizität 140. Vor der Registereintragung haben die Gläubiger noch keine Möglichkeit, sich anhand eines öffentlichen Registers und einer amtlichen Registerbekanntmachung verlässlich über die wesentlichen organisationsrechtlichen Daten der Gesellschaft (insbesondere Name, Sitz, Organbesetzung, gegebenenfalls Mitglieder) zu unterrichten. Die Gläubiger machen mit einem Rechtssubjekt ohne Publizität Geschäfte, dessen Organisationsstrukturen, ja dessen Existenz als solche dem Gläubiger weitgehend unbekannt bleibt. Hier bietet die akzessorische Handelndenhaftung dem Geschäftspartner eine einfache und bequeme Möglichkeit zur Durchsetzung seiner Ansprüche, ohne sich um das tatsächliche Vorhandensein der Gesellschaft und den im Streitfall hierüber zu führenden Nachweis Gedanken machen zu müssen. Eine so verstandene Handelndenhaftung ist für das Recht der Vorgesellschaft kein Nachteil, sondern gereicht ihr vielleicht sogar zum Vorteil, da Gläubiger mit der Gewissheit einer - subsidiären; dazu sogleich weiter im Text - Handelndenhaftung sich eher bereit finden werden, mit der registermäßig im Dunklen stehenden Gesellschaft wirtschaftlich sinnvolle Geschäfte abzuschließen. Ansonsten kann für den Gläubiger die verschreckende Gefahr bestehen, mit seinen Ansprüchen ins Leere zu laufen. Die §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG erhalten den Cha437

Brock, Die Haftungssituation des Geschäftsführers der GmbH und ihre Begrenzung im Bereich der Vorgesellschaft, § 11 Abs. 2 GmbHG: Eine überflüssige Vorschrift, 1987, S. 108 ff. 438 Brock, Die Haftungssituation des Geschäftsführers der GmbH und ihre Begrenzung im Bereich der Vorgesellschaft, § 11 Abs. 2 GmbHG: Eine überflüssige Vorschrift, 1987, S. 108 ff. 439 zu § 54 S. 2 BGB: Staudinger-Weick, 13. Auflage, § 54, Rdnr. 57. Vgl. auch: Scholz-K. Schmidt, 9. Auflage, 2000, § 11, Rdnr. 96. 44

0 Vgl. Beuthien, ZIP 1996, 305 (312); derselbe, ZIP 1996, 360 (367); Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 126.

§ 18 Die Handelndenhaftung

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rakter einer - notwendig subsidiären - Nothaftung für den Fall, dass der Gläubiger erfolglos versucht hat, die Gesellschaft als solche oder deren Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Der Zweck schlägt auf die Handelndenhaftung zurück: Die Handelndenhaftung wird gegenüber der Schuld von Gesellschaft und Gesellschaftern subsidiär; wie die Subsidiarität im genauen aussieht, zB ob ähnlich der Bürgschaft der Gläubiger den Handelnden erst dann in Anspruch nehmen kann, wenn er erfolglos versucht hat, sich an Gesellschaft oder Gesellschafter zu halten 441 , kann hier offen bleiben. Jedenfalls muss die Handelndenhaftung entfallen, wenn der Geschäftsführer oder das Vorstandsmitglied dafür Sorge trägt, dass sich der Gläubiger an Gesellschaft oder Gesellschafter halten kann, ihm also sämtliche Gründungsgesellschafter oder Namen und ladungsfähige Anschrift der Vorgesellschaft bekannt macht 442 . Hat der Handelnde insoweit seine Schuldigkeit getan, also dem Gesellschaftsgläubiger ermöglicht, sich an die Gesellschaft oder Gesellschafter zu halten, hat er seine der fehlenden Publizität geschuldete Schuldigkeit getan. Ihn trifft nunmehr, sofern nicht noch ein anderer Schuldgrund, wie zB seine Eigenschaft als Gründungsgesellschafter eingreift, keine weitere Haftung, insbesondere keine Ausfallhaftung für den Fall, dass bei Gesellschaft und den haftenden Gesellschaftern nichts zu holen ist. Denn Sinn der so verstandenen Haftung ist eben nicht, dem Dritten einen zusätzlichen Schuldner zu verschaffen, sondern ihm die Rechtsverfolgung gegen einen Verband ohne Registerpublizität zu erleichtern. Es wurde auch schön öfters darauf hingewiesen, dass die Abwälzung des wirtschaftlichen Risikos auf den fremdnützig Handelnden, der am Erfolg der Gesellschaft nicht partizipiert, nicht gerechtfertigt ist. Im weiteren Verlauf wird sich zeigen, dass die Vorschriften der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG aber auch § 54 S. 2 BGB auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können: die Haftung des Handelnden ist der Ausgleich für die fehlende Registerpublizität eines Verbandes, dessen Organisationsstrukturen wie seine Existenz als solche für einen Dritten nicht ohne weiteres erkennbar sind. Diese Vorschriften sind aber mehr als Sondervorschriften für die Vor-AG und VorGmbH und den nicht rechtsfähigen Verein. Dahinter steckt ein allgemeiner Grundsatz des Verbandsrechts, der die fehlende Registerpublizität der nicht eingetragenen Verbände ausgleichen will. Allerdings ist diese Haftung immer nur eine subsidiäre Haftung, der sich der Handelnde dadurch entziehen kann, dass er dem Gläubiger die Rechtsverfolgung gegen den von ihm repräsentierten Verband ermöglicht, gleichgültig, ob der Gläubiger hier Befriedigung erlangen kann oder nicht. Sie will keinen zusätzlichen Schuldner verschaffen oder das Fehlen von Kapitalschutzvorschriften ausgleichen. Dies wäre aufgrund der wirtschaftlichen Interessenlage, der fremdnützigen Tätigkeit des Organwalters und der Tatsache, dass er die Eintragung nicht alleine zu verantworten hat, nicht zu rechtfertigen.

441 In diese Richtung: Beuthien, ZIP 1996, 360 (367). 442 Beuthien, ZIP 1996, 360 (367).

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

Es steht methodisch nichts im Wege, den Vorschriften der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 54 S. 2 BGB den Inhalt einer subsidiären Haftung zuzuweisen, die die fehlende Registerpublizität ausgleichen will. Der Normtext der heutigen Vorschriften geht teilweise bis auf das Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 zurück. Mit dem „Altern der Kodifikationen", d. h. mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen Gesetzesbefehl und richterlicher Einzelfallentscheidung wächst notwendig die Freiheit des Richters zur schöpferischen Fortbildung des Rechts. Die Auslegung einer Gesetzesnorm kann nicht immer auf die Dauer bei dem ihr zu ihrer Entstehungszeit beigelegten Sinn stehen bleiben. Es ist zu berücksichtigen, welche vernünftige Funktion sie im Zeitpunkt der Anwendung haben kann. Die Norm steht ständig im Kontext der sozialen Verhältnisse und der gesellschaftlich-politischen Anschauungen, auf die sie wirken soll; ihr Inhalt kann und muss sich unter Umständen mit ihnen wandeln. Das gilt besonders, wenn sich zwischen Entstehung und Anwendung eines Gesetzes die Rechtsanschauungen so tiefgreifend geändert haben wie im letzten Jahrhundert. Einem hiernach möglichen Konflikt der Norm mit den materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen einer gewandelten Gesellschaft kann sich der Richter nicht mit dem Hinweis auf den unverändert gebliebenen Gesetzes Wortlaut entziehen; er ist zu freierer Handhabung der Rechtsnormen gezwungen, wenn er nicht seine Aufgabe, „Recht" zu sprechen, verfehlen will. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt 443.

C. Die Vorschrift § 54 S. 2 BGB § 54 S. 2 BGB wird üblicherweise nicht zusammen mit den §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG behandelt. Dabei legt doch eigentlich der annähernd identische Wortlaut der Vorschriften eine gemeinsame Betrachtung der Vorschriften nahe 444 , zumal in der Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Begründung auch - doch nicht primär - auf Art. 211 Abs. 2 ADHGB Bezug genommen wurde 445 . Aber sollte sich hinter den §§11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 54 S. 2 BGB ein gemeinsamer Rechtsgedanke verbergen, so muss sich § 54 S. 2 BGB auf den gleichen Zweck reduzieren lassen: die Handelndenhaftung muss eine Ausgleichsfunktion für die fehlende Registerpublizität übernehmen.

443 BVerfG, in: NJW 1973, 1221 (1225) = BVerfGE 34, 269, Beschluss v. 14. 02. 1973, Az: 1 BvR 112/65. 444 Vgl. Beuthien, ZIP 1996, 305 (311). 445 Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerglichen Gesetzbuchs nebst drei Anlagen (Zum Dienstgebrauch der preußischen Justizbehören hergestellte Ausgabe), 1896, S. 27.

§ 18 Die Handelndenhaftung

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I. Die Entstehungsgeschichte446

Pate stand bei der Schaffung des § 54 S. 2 BGB durch die zweite Kommission 4 4 7 in erster Linie nicht, wie man bei unbefangener Herangehensweise vermuten dürfte, die Vorschriften des Art. 211 ADHGB (bzw. § 11 Abs. 2 GmbHG), sondern Art. 717 Abs. 2 des alten schweizerischen Obligationenrechts 448. Auf Art. 211 Abs. 2 ADHGB wurde nur mittelbar als Klammerzusatz Bezug genommen. Die Vorschrift des Schweizer Rechts lautete: Art. 717 OR a.F.. (1) Wirtschaftliche Vereine, welche sich nicht in das Handelsregister eintragen lassen, desgleichen Vereine für ideale Zwecke, welche weder nach kantonalem Recht als juristische Person anerkannt sind noch sich in das Handelsregister haben eintragen lassen, steht kein Recht der Persönlichkeit zu. (2) Wenn im Namen eines solchen Vereins Rechtshandlungen gegenüber Dritten vorgenommen werden, so sind die Handelnden persönlich und solidarisch dem Dritten verantwortlich, mit Vorbehalt des Rückgriffs auf die übrigen Vereinsmitglieder.

Aber das Schweizer Recht, dass bei Abfassung des § 54 S. 2 BGB als Vorbild diente, war anders 449. Das Schweizer Recht kannte weder die Anwendung der Normen des Gesellschaftsrechts (§ 54 S. 1 BGB) auf solche Verbände oder die Möglichkeit einer solidarischen Haftung der Vereinsmitglieder, die sich im deutschen Recht aber nur für den nicht rechtsfähigen wirtschaftlichen Verein durchsetzen sollte, noch die passive Parteifähigkeit des „Vereins ohne Persönlichkeit" 450 . Es bedurfte hier der persönlichen Haftbarkeit des im Vereinsnamen Handelnden, wenn der Dritte nicht ganz rechtlos gestellt werden sollte 451 . Insoweit bestand eine gewisse Verwandtschaft der Vorschrift zur Handhabung des Art. 211 ADHGB unter Betonung der Sicherungsfunktion: dem Gläubiger sollte zumindest ein Schuldner zur Verfügung gestellt werden. Aber alsbald gingen das schweizerische Recht und das deutsche Recht im Blick auf die Haftung des Handelnden getrennte Wege. Durch die Neuordnung des schweizerischen Vereinsrechts durch das ZGB wurde

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Dazu: Kertess, Die Haftung des für einen nichtrechtsfähigen Verein Handelnden gem. § 54 S. 2 BGB, zugleich ein Beitrag zur Eigenhaftung des Vertreters, 1982, S. 5 ff.; Nußbaum, Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozess, Bd. 10 (1900), 337 ff. 447 Mugdan I, S. 641. 448

Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs nebst drei Anlagen, (Zum Dienstgebrauch der preußischen Justizbehören hergestellte Ausgabe), 1896, S. 27; Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (78) Fn. 107. 449 Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (78), Fn. 107. 450 So die Bezeichnung zu Art. 62 des heutigen schweizerischen ZGB. 4 51 Nußbaum, Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozess, Bd. 10 (1900), 337 (338) unter Hinweis auf schweizerische Kommentarliteratur.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

in Art. 62 ZGB der „Verein ohne Rechtspersönlichkeit" entsprechend § 54 S. 1 BGB den Normen des Gesellschaftsrechts unterstellt. Art. 62 ZGB. Vereine ohne Persönlichkeit. Vereine, denen die Persönlichkeit nicht zukommt, oder die sie noch nicht erlangt haben, sind den einfachen Gesellschaften gleichgestellt.

Die Anordnung einer besonderen Haftung des für den Verein Handelnden wurde indes als überflüssig erkannt und nicht in das ZGB übernommen 452. § 54 S. 2 BGB wurde zum Schutze Dritter in das Gesetz aufgenommen 453. Die tragenden Gründe für die Erwägungen der zweiten Kommission waren: „Der Bestand des Vereinsvermögens sei für Dritte nicht erkennbar, und es fehle an jeder Gewähr dafür, daß dieses Vermögen nicht ohne Rücksicht auf die Gläubiger vertheilt werde; ebenso fehle es an dem Schutze, welche die Vorschrift des § 39 Abs. 2 (Entw. II) (Anm.: entspricht § 42 BGB) 4 5 4 im Falle der Überschuldung des Vereinsvermögens den Gläubigern gewähre... Ob die Vereinsmitglieder neben den für sie handelnden Personen selbständig dem Dritten haftbar seien, sei nach den Vorschriften des Gesellschaftsrechts ... zu beurtheilen; die persönliche Haftung der für den Verein handelnden Personen sei eine zum Schutze Dritter getroffene Bestimmung, durch welche die sonstigen für die Gesellschaft geltenden Grundsätze nicht berührt würden" 455 .

Sollte im schweizerischen Recht des nicht rechtsfähigen Vereins und im deutschen Recht der Vorgesellschaften dem Gläubiger überhaupt ein Schuldner verschafft werden, so tritt bei § 54 S. 2 BGB nach der Vorstellung der zweiten Kommission die Haftung des Handelnden neben die Haftung des Vereins und der Mitglieder. Die Gründe, die dafür dargeboten werden, sind alles andere als hieb- und stichfest. Sie hatten sich teilweise schon bei Inkrafttreten des BGB erledigt. Die Kommission beklagte das Fehlen einer § 42 BGB entsprechenden Vorschrift, die abweichend vom allgemeinen Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit bereits auf den Zustand der Überschuldung abstellt. Aber bereits bei Inkrafttreten des BGB war der nicht eingetragene Verein gem. §§ 213, 207 KO iVm § 50 Abs. 2 ZPO konkursfähig und Überschuldung Eröffnungsgrund 456. Der Verein hatte im Konkurs dieselbe Stellung wie der eingetragene Verein 457 , dessen Vorstandsmitglieder nicht für ihr Handeln für den Verein haften. Dem entspricht noch die heutige Gesetzeslage, §§11 Abs. 1, 19 InsO 4 5 8 . Und dass die Abwicklung des nicht eingetra452 Kertess, Die Haftung des für einen nichtrechtsfähigen Verein Handelnden gem. § 54 S. 2 BGB, zugleich ein Beitrag zur Eigenhaftung des Vertreters, 1982, S. 7 f. 453 Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs nebst drei Anlagen (Zum Dienstgebrauch der preußischen Justizbehören hergestellte Ausgabe), 1896, S. 27; Mugdan I, S. 641. 4 4 5 § 47 EntwBGB (1. Lesung) = § 39 EntwBGB (2. Lesung) = § 42 BGB. 4 55 Mugdan I, S. 641. Vgl. auch: RGZ 82, 294 (298), Urt. v. 22. 05. 1913, Az: II 92/13. 4 56 Vgl. Planck, BGB, 2. Auflage, 1898, § 54, Anm. 2 i. Heute: §§ 11 Abs. 1 S. 2,19 InsO. 4 57 Jaeger, KO, 1902, § 213, II 1 = S. 688. 458 Zumal nach der hier vertretenen Auffassung der Insolvenzgrund der Überschuldung nur auf den nicht wirtschaftlichen Verein Anwendung findet.

§ 18 Die Handelndenhaftung

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genen Vereins unter unzureichender Rücksichtnahme auf die Interessen der Gläubiger erfolgt, kann man - zumindest heute - nicht mehr ernsthaft behaupten 4 5 9 . Die Bedeutung des Gesichtspunkts, dass der Bestand des Vereinsvermögens dem Dritten nicht erkennbar ist, drängt sich einem nicht auf und ist bei vergleichbaren Verbänden auch nicht anders. Als juristische Person (nach h M als Gesamthand) hat der nicht eingetragene Verein ein Vereinsvermögen. Dies kann prall gefüllt oder eher kläglich sein. Insoweit gibt es keinen Unterschied zum eingetragenen Verein, der j a überhaupt kein haftendes Vermögen haben muss, dessen Bestand oder Nichtbestand der Rechtsverkehr aber auch nicht ohne weiteres erkennen kann. Die Kapitalgesellschaften unterliegen den PublizitätsVorschriften der §§ 325 ff. HGB, also einem Zwang zur Offenlegung der Unternehmensverhältnisse. Insoweit ist der Bestand ihres Vermögens dem Rechtsverkehr erkennbar. Das ist u. a. auch aus dem Blickwinkel gerechtfertigt, dass den Gläubigern nur das Verbandsvermögen haftet. Bei den anderen Verbandsformen gibt es, unabhängig davon, ob sie wirtschaftlichen oder ideellen Zwecken nachgehen, eine solche Publizitätspflicht typischerweise nicht. Eine offene Handelsgesellschaft ist grundsätzlich nicht zur Publizität ihres Jahresabschlusses verpflichtet. Anders nur, wenn es sich um Großunternehmen nach § 1 PublG handelt. Aber der Tatbestand des § 1 PublG greift am Merkmal des Unternehmens an, so dass auch der nicht rechtsfähige wirtschaftliche Verein, der sogar gem. §§ 54 S. 1, 705 BGB, 105, 161 HGB eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft darstellen kann, unter die Vollpublizität des Publizitätsgesetzes fallen kann 460 . Daher kann eine Rechtfertigung des § 54 S. 2 BGB in der fehlenden Publizität des Vereinsvermögens nicht gesehen werden, vor allem, wenn man bedenkt, dass bei dem wirtschaftlich tätigen, nicht konzessionierten Verein die Mitglieder unbeschränkt nach außen haften (§ 128 HGB), beim nicht eingetragenen Idealverein zwar eine Haftung der Mitglieder ausscheidet, die Vermögenspublizität insoweit aber nicht anders ist als beim eingetragenen Verein. Auch wenn dies in den Protokollen der Beratungen zu § 54 S. 2 B G B nicht explizit steht, wird die Kommission der Vorschrift eine gewisse Straf- und Druckfunktion zugedacht haben 4 6 1 . Wollte man schon den Verein durch die Verweisung auf das „unpassende" Gesellschaftsrecht gem. § 54 S. 1 BGB zwingen, seine Eintragung herbeizuführen, so wird man § 54 S. 2 BGB auch eine ähnliche Druck- und Straffunktion zugedacht haben. Dass dies noch nicht überwunden ist, zeigt das Beispiel

45 9 Kertess, Die Haftung des für einen nichtrechtsfähigen Verein Handelnden gem. § 54 S. 2 BGB, zugleich ein Beitrag zur Eigenhaftung des Vertreters, 1982, S. 22 ff. Nach der hM finden auf die Abwicklung des nicht eingetragenen Vereins die Vorschriften der §§ 47 ff. BGB Anwendung. Die Situation der Gläubiger des nicht eingetragenen Vereins ist also keine andere als beim eingetragenen Verein. 460 Vgl. κ. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 15 V I 2 b = S. 446.

461 Kertess, Die Haftung des für einen nichtrechtsfähigen Verein Handelnden gem. § 54 S. 2 BGB, zugleich ein Beitrag zur Eigenhaftung des Vertreters, 1982, S. 10 ff.; OLG Frankfurt, in: OLGRspr. 10, 56 (58), Urt. v. 28. 04. 1904 (3. Zivilsenat) spricht von einer Art Strafvorschrift. AA: Heinsheimer, JW 1924, 218: „Nicht eine Straf-, sondern eine Garantievorschrift ist darin aufgestellt".

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

von Reuter, der gerade beim wirtschaftlichen Verein auf die - aus der Diskussion um die §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG bekannten - altbekannten Zwecke von Sicherungs- und Druckfunktion hinweist 462 . Dazu wurde schon oben alles gesagt. Hinsichtlich der Druckfunktion 463 : entsprechend §§ 27 Abs. 3, 665 BGB ist der Vorstand des Vereins innerhalb der Handlungsorganisation des Verbandes ein weisungsabhängiges Organ. Die wesentlichen Entscheidungen über das ob einer Eintragung (zB als offene Handelsgesellschaft: §§ 54 S. 1, 705 BGB, 105, 106 HGB) treffen die Gesellschafter, die gem. § 108 HGB nach dem Gesetzeswortlaut die Eintragung zu bewirken haben. Soll durch § 54 S. 2 BGB wirklich Druck ausgeübt werden, so wird der Falsche getroffen. Das gilt selbst, wenn es darum geht, den nicht eingetragenen Idealverein anzumelden. Hier ist die Anmeldung gem. § 59 Abs. 1 BGB zwar vom Vorstand vorzunehmen, aber die Mitglieder bleiben doch weisungsbefugt und können so die Eintragung herauszögern. Das gilt erst recht für eine mit § 54 S. 1 BGB verbundene Straffunktion. Hinsichtlich der Sicherungsfunktion: beim wirtschaftlichen Verein haften alle Mitglieder entsprechend oder unmittelbar gem. § 128 HGB unbeschränkt, persönlich und solidarisch. Mehr kann ein Gläubiger nicht wollen. Beim Idealverein haftet nur das Gesellschaftsvermögen. Aber warum sollte der Gläubiger eines nicht eingetragenen Idealvereins besser stehen und einen Ausfallschuldner haben, für den Fall, dass bei dem Verein nichts zu holen ist, als der Gläubiger eines eingetragenen Vereins. Zumal die Person des Handelnden, der fremdnützig tätig wird, bei wertender Betrachtung die falsche Person ist, um mit dem wirtschaftlichen Risiko belastet zu werden. Vielleicht hätte aus damaliger Sicht noch der Gedanke der Rechtsunsicherheit eine Haftung des Handelnden rechtfertigen können. Wer mit einem rechtsfähigen Verein kontrahierte, wusste, dass er sich ausschließlich an das Vereinsvermögen zu halten hatte. Wer dagegen mit einem „nicht rechtsfähigen" Verein ein Rechtsgeschäft abschloss, bewegte sich auf weitgehend unsicherem Terrain. Gerade vor Erlass des BGB war sehr umstritten, ob für diese Vereinsschulden lediglich das Vereinsvermögen und die Mitglieder nur mit ihren rückständigen Beiträgen oder ob die Mitglieder auch persönlich und gar als Gesamtschuldner hafteten 464 . Um diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen, und dem Dritten doch zumindest eine Person zu geben, an die er sich zur Befriedigung seiner Ansprüche halten konnte, hatte § 54 S. 2 BGB durchaus seinen Sinn 465 . Dies galt gerade bei wirtschaftlichen Vereinen. Heute ist man weiter und die Frage im nicht eingetragenen oder konzessionierten Verein ist geklärt, daher der Gedanke nicht mehr tragfähig.

Aber ein anderer Gesichtspunkt kann eine taugliche ratio für § 54 S. 2 BGB bieten: die fehlende Registerpublizität 466. Ein nicht eingetragener Verband - für die 462 Reuter, FS-Semler, S. 931 (947 f., 950 f.); Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 33 ff. 463 Diese wird betont bei: OLG Frankfurt, in: OLGRspr. 10, 56 (57), Urt. v. 28. 04. 1904 (3. Zivilsenat). 464 Vgl. OLG Frankfurt, in: OLGRspr. 10, 56 (57), Urt. v. 28. 04. 1904 (3. Zivilsenat). 465 So: OLG Frankfurt, in: OLGRspr. 10, 56 (57), Urt. v. 28. 04. 1904 (3. Zivilsenat). 466 So: Reuter, FS-Semler, S. 931 (947 f., 950 f.) der für den wirtschaftlichen, nicht konzessionierten Verein auch noch die Druckfunktion und die Sicherungsfunktion nennt; Mün-

§18 Die Handelndenhaftung

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Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gilt insoweit aber nichts anderes - ist ein Rechtssubjekt ohne Publizität. Dem Verbandsgläubiger fehlt jede Möglichkeit, sich verlässlich anhand eines öffentlichen Registers über die wesentlichen organisationsrechtlichen Merkmale des Verbandes, insbesondere Name, Sitz, Organbesetzung und gegebenenfalls die Mitglieder 467 , ja über die Existenz des Verbandes überhaupt zu informieren. Mangels hinreichender Publizität ist die Rechtsverfolgung durch einen Verbandsgläubiger erheblich erschwert. Hier kann die subsidiäre Handelndenhaftung einen Ausgleich schaffen für den Fall, dass der Gläubiger aus diesem Grund Verein und gegebenenfalls Mitglieder nicht in Anspruch nehmen kann. Eine solche, als subsidiär verstandene Nothaftung belastet auch den Handelnden nicht mit ihm zugewiesenen wirtschaftlichen Risiken, denn er kann sie dadurch abwenden, dass er dem Gläubiger die Rechtsverfolgung gegen den Verein und Mitglieder ermöglicht, zB durch die Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift. In der Tat lassen sich so die Vorschriften der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB auf einen gemeinsamen Zweck zurückführen, der sich in das System der heute erreichten gesellschaftsrechtlichen Dogmatik einfügt und keine Ziele verfolgt, die einer wertender Betrachtung mangels stimmigen Gerechtigkeitsgehalts nicht stand halten können.

II. Das Verhältnis zu § 179 BGB

Bei ihren Beratungen zu § 54 S. 2 BGB konnte die zweite Kommission auf Erfahrungen der bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu Art. 211 Abs. 2 ADHGB, § 11 Abs. 2 GmbHG zurückgreifen. Deshalb setzte man § 54 S. 2 BGB bewusst in Distanz zur Lehre des falsus procurator; noch zu Art. 211 Abs. 2 ADHGB war von gewichtigen Autoren vertreten worden, dass es sich hierbei um einen rechtsähnlichen Fall der Lehre vom Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, was insbesondere eine Anwendung des heutigen § 179 Abs. 3 BGB rechtfertige 4 6 8 . Die Kommission entschied, dass die persönliche Haftung des Handelnden chener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 33 if. AA: Kertess, Die Haftung des für einen nichtrechtsfähigen Verein Handelnden gem. § 54 S. 2 BGB, zugleich ein Beitrag zur Eigenhaftung des Vertreters, 1982, S. 14 ff. 467 So bei der oHG und Kommanditgesellschaft, §§ 105, 162 HGB; beim e.V. ist nur die Zahl der Mitglieder anzugeben,§ 72 BGB (anders noch § 72 BGB a.F.). 468 Mugdan I, S. 641; Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs nebst drei Anlagen, (Zum Dienstgebrauch der preußischen Justizbehören hergestellte Ausgabe), 1896, S. 27. Aus § 125 EntwBGB (1. Lesung) = § 146 BGB EntwBGB (2. Lesung) wurde § 179 BGB. v. Hahn rückt in seiner Kommentierung des ADHGB die Vorschrift des Art. 211 Abs. 2 ADHGB (= § 41 Abs. 1 S. 2 AktG) die Vorschrift in die Nähe der Vorschriften über den falsus procurator (§ 179 BGB, vgl. Art. 55 ADHGB). Wer als Vertreter einer nicht existierenden Person sich geriert, steht rechtlich demjenigen gleich, welcher als Vertreter einer anderen Person handelt, ohne Vollmacht zu haben (v. Hahn, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, 1871, Art. 211, § 4). Dazu auch: RG, in: Gruchot's Archiv Bd. 46 (1902), 848 (853 f.), Urt. v. 22. 03. 1902, Az: 1400/1901.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

abweichend von § 179 Abs. 3 BGB auch dann eintrete, wenn der andere Teil wusste oder wissen musste, dass er es mit einem Vertreter eines nicht eingetragenen Vereins zu tun hat; auch dürfe sich die Haftung nicht auf das Vereinsvermögen beschränken. Im Ergebnis ist dem zuzustimmen. § 179 BGB erfasst die Fälle des falsus procurator und in entsprechender Anwendung den Fall, dass für eine nicht existente Person gehandelt wird. Aber darum geht es in den Fällen, in denen mit einem nicht eingetragenen Verein - für die Fälle der §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG gilt nichts anderes - Geschäfte gemacht werden, typischerweise nicht. Hier soll die fehlende Registerpublizität ausgeglichen werden. Die Schutzwürdigkeit des Dritten entfällt nicht dadurch, dass er weiß, dass er mit einem nicht eingetragenen Verband Geschäfte abschließt. Ob Fälle, in denen der Organwalter eines nicht eingetragenen Vereins oder einer Vorgesellschaft tatsächlich einmal ohne Vertretungsmacht handelt, nach den §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB zu beurteilen sind, wie dies die Rechtsprechung 469 und Teile der Literatur 470 tun, oder nach der allgemeinen Vorschrift des § 179 BGB zu beurteilen sind, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben. Dafür lässt sich immerhin vorbringen, dass gerade die Vertretungsverhältnisse mit Registerpublizität versehen sind.

I I I . Der Handelndenbegriff iSd § 54 S. 2 BGB

1. Die Vorgaben der zweiten Kommission Obwohl § 54 S. 2 BGB im Wortlaut den Vorschriften der Art. 211 ADHGB (= § 200 HGB a.F. = § 34 AktG 1937 = § 41 AktG 1965), § 11 GmbHG gleichkommt, wurde dem Begriff des Handelnden schon in den Beratungen der zweiten Kommission ein anderer Bedeutungsinhalt zugewiesen: „Die persönliche Haftung sei endlich nicht.. .auf die Vorstandsmitglieder zu beschränken; sie müsse vielmehr auch dann eintreten, wenn andere Personen, ohne zum Vorstande zu gehören, als Vertreter des Vereines in dessen Namen mit Dritten kontrahiert hätten. Ob die Vereinsmitglieder neben den für sie handelnden Personen selbständig dem Dritten haftbar seien, sei nach den Vorschriften des Gesellschaftsrecht... zu beurtheilen" 471 .

Während der Handelndenbegriff des ADHGB und GmbHG nach dem Willen ihrer Väter in die Breite ging und rechtstatsächlich eine Gründerhaftung darstellte, sich aber vom persönlichen Anwendungsbereich her auf die organschaftlich Handelnden und die zustimmenden Gesellschafter beschränkte, ging der Handelnden469 BGHZ 80, 182 (184), Urt. v. 16. 03. 1981, Az: II ZR 59/80; BGH, L M § 11 GmbHG Nr. 9, Urt. v. 08. 07. 1957, Az: II ZR 347/56. Für den nicht eingetragenen Verein: RG, in: LZ 1911, 610 f., Urt. v. 30. 05. 1911, Az: III 423/10; RGZ 77,429 (430), Urt. v. 27. 11. 1911, Az: V I 30/11; RG, in: Recht 1920, Nr. 4, Urt. v. 07. 11. 1919, Az: VII 154/19. 470 Pentze, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 41, Rdnr. 135, 145; Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage 2000, § 11, Rdnr. 41. Für § 54 S. 2 BGB: StaudingerWeick, 13. Auflage, § 54, Rdnr. 65; Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 34. 471 Mugdan I, S. 641.

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begriff des § 54 S. 2 BGB in die Tiefe: nicht die Gesellschafter, aber jeder Handelnde, gleichgültig ob organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter, wurde verhaftet. Aber für die zweite Kommission stellte sich anders als für die Nürnberger Kommission gar nicht die Notwendigkeit, mittels des Instrumentariums der Haftung des Handelnden eine Haftung der Gründungsgesellschafter einzurichten. Denn anders als dies die Nürnberger Kommission hinsichtlich der Vorgesellschaften tat, ignorierte die zweite Kommission den nicht eingetragenen Verein eben nicht als ein Rechtsgebilde472, das sie dem Recht der Gesellschaft zuordnete. Die Haftung der Vereinsmitglieder beurteilte sich nach dem Willen der Kommission nach Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts der §§ 705 ff. BGB 4 7 3 . In die Verlegenheit, wie im Recht der Vorgesellschaften die Haftung der Gründer über die Vorschriften der § 11 Abs. 2 GmbHG, Art. 211 ADHGB begründen zu müssen, kam man nicht. 2. Die Handhabung der Rechtspraxis Zunächst konnte sich in der Spruchpraxis der Gerichte keine einheitliche Linie in der Handhabung des Handelndenbegriffs durchsetzen. So sah das OLG Frankfurt in einer frühen Entscheidung aus dem Jahre 1904 die Vorstandsmitglieder als Handelnde iSd § 54 S. 2 BGB und nicht den unmittelbar tätig gewordenen Bevollmächtigten 474 ; eine Linie, die der BGH gut 70 Jahre später für § 11 Abs. 2 GmbHG fahren wird 4 7 5 . Doch das OLG Breslau 476 ging alsbald in Abweichung zum OLG Frankfurt unter Berufung auf v. Gierke 477 und die Beratungen der zweiten Kommission 478 zum noch heute allgemein als herrschend bezeichneten Handelndenbegriff über 479 : hat der Vereinsvorstand einen anderen bevollmächtigt und schließt dieser im Namen des Vereins einen Vertrag ab, so trifft die Haftung aus § 54 S. 2 BGB den Bevollmächtigten, nicht den Vorstand 480. 472

Mugdan I, S. 640 f.: „Es gehe nicht an, die thatsächlich existierenden nicht rechtsfähigen Vereine als Rechtsgebilde einfach zu ignorieren". 47 3 Vgl. auch: Beuthien, ZIP 1996, 305 (311). 474 OLG Frankfurt, in: OLGRspr. 10, 56 (58), Urt. v. 28. 04. 1904 (3. Zivilsenat). In der Entscheidung ging es um einen wirtschaftlichen Verein. Die gegenteilige Auffassung wurde in der Literatur vertreten: vgl. nur Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 20. Dem OLG Frankfurt aber zustimmend: Heinsheimer, JW 1924,

218. 47

5 BGHZ 66, 359, Urt. v. 31. 05. 1976, Az: II ZR 185/74; BGHZ 53, 206, Urt. v. 09. 02. 19970, Az: II ZR 182/68. 47 6 OLG Breslau, in: OLGRspr. 12, 3 f., Urt. v. 10. 11. 1905 (4. Zivilsenat). Ablehnend: Heinsheimer, JW 1924, 218. 477

Otto v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Recht, 1902, S. 20. Mugdan I, S. 641. 479 Vgl. Palandt-Heinrichs, 60. Auflage, § 54, Rdnr. 13; wohl auch: Münchener Kommentar-Reuter, 3. Auflage, § 54, Rdnr. 31, 34. dahingestellt: BGH, in: NJW 1957, 1186 (1187), Urt. v. 21. 05. 1957, Az: VIII ZR 202/56. AA: Staudinger-Weick, 13. Auflage, § 54, Rdnr. 60. 478

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„Die Haftung aus § 54 S. 2 BGB trifft nur den Handelnden, d. h. denjenigen, welcher im Namen des nicht rechtsfähigen Vereins das Rechtsgeschäft mit dem Dritten vorgenommen hat, welcher also dem Dritten gegenüber die rechtsgeschäftliche Willenserklärung abgegeben hat. Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Bestimmung ... rechtfertigen ihre Ausdehnung auf diejenigen, mit deren Einverständnis oder Genehmigung das Geschäft geschlossen ist" 4 8 1 . Diese Rechtsprechung wurde vom Reichsgericht 4 8 2 und den Obergerichten übernommen 4 8 3 . Nach der Auffassung des Reichsgerichts regelte § 54 S. 2 BGB weder die Haftung der Mitglieder „nicht rechtsfähiger" Vereine, noch die Haftung der Vorstandsmitglieder als solche 4 8 4 . § 54 S. 2 BGB bestimme vielmehr ganz allgemein, dass jeder, der i m Namen des nicht rechtsfähigen Vereins handelt, persönlich hafte, unabhängig davon, ob er Mitglied des Vereins sei oder n i c h t 4 8 5 . § 54 S. 2 B G B ging seinen eigenen Weg: keine versteckte Gründerhaftung, aber nach dem Willen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung auch keine Organhaftung. Haften musste ausschließlich der unmittelbar Handelnde, gleich ob Vorstandsmitglied oder bevollmächtigter Angestellter. Allerdings gab es damals in der Literatur Gegenstimmen, die es nicht einsichtig fanden, § 54 S. 2 B G B anders auszulegen, als die i m Wortlaut annähernd gleichen Vorschriften der §§ 200 Abs. 2 HGB (= § 41 Abs. 1 S. 2 AktG), 11 Abs. 2 GmbHG, nach denen nicht nur der unmittelbar Handelnde, sondern auch die Gesellschafter, die der Vornahme des Geschäfts zugestimmt haben, haften 4 8 6 . Aber diese Stimmen konnten sich nicht durchsetzen.

480

Dabei ist aber zu beachten, dass die Klage gegen zwei Mitglieder des Vereins gerichtet war, von denen nicht dargetan ist, ob sie dem Vorstand angehörten. Jedenfalls hat das OLG Breslau nicht einen Handelndenbegriff angenommen, der die Gründer der Gesellschaft in Anspruch nimmt. Anders im Fall OLG Stettin, in: JW 1924, 218, Urt. v. 26. 02. 1923, Az: 2 U 414/22. Der ein Offizierscasino leitende höhere Offizier (Vorstandsmitglied) hatte einem untergebenen Leutnant den Befehl zur Bestellung von Wein gegeben. Aber auf jeden Fall geht die Rechtsprechung dahin, die Mitglieder des Vereins nicht über § 54 S. 2 BGB haften zu lassen. 48 1 OLG Breslau, in: OLGRspr. 12, 3 f., Urt. v. 10. 11. 1905 (4. Zivilsenat). 482 RGZ 77, 429 (430), Urt. v. 27. 11. 1911, Az: V I 30/11. 483 ZB: OLG Stettin, in: JW 1924, 218, Urt. v. 26. 02. 1923, Az: 2 U 414/22. 484

RG, in: JW 1926, 2907 (2908), Urt. v. 22. 07. 1926, Az: I I 67/26. 5 RGZ 77, 429 (430), Urt. v. 27. 11. 1911, Az: V I 30/11. In der Entscheidung ging es um einen nicht rechtsfähigen Altverein, der wegen seiner gewerblichen Zwecksetzung als Erwerbsgesellschaft iSd ALR I, 17 §§ 169 ff. angesehen wurde. In der Entscheidung ließ das Reichsgericht offen, ob sich die Haftung der Verbandsmitglieder nach dem alten oder neuen (BGB) Recht richte (vgl. dazu: RG, in: Recht 1920, Nr. 3, Urt. v. 07. 11. 1919, Az: VII 154/ 19). Jedenfalls sei § 54 S. 2 BGB auf Altvereine anzuwenden (so schon: OLG Frankfurt, in: OLGRspr. 10, 56 (57), Urt. v. 28. 04. 1904 (3. Zivilsenat); OLG Breslau, in: OLGRspr. 12, 3, Urt. v. 10. 11. 1905 (4. Zivilsenat)). 48

486

Heinsheimer, JW 1924, 218; Stoll, in: Schreiber (Hrsg.), Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), Band 2, S. 49 (69).

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Ebenso wie für die §§ 200 Abs. 2 HGB a.F. (= § 41 Abs. 1 S. 2 AktG), 11 Abs. 2 GmbHG wurde anerkannt, dass § 54 S. 2 BGB keine zwingende Vorschrift ist, sondern durch Parteivereinbarung abbedungen werden kann 487 . Damit wurde der früher - auch von der Rechtsprechung postulierte Strafzweck des § 54 S. 2 BGB - durch die Hintertür aufgegeben 488 .

Der Bundesgerichtshof schloss sich - zumindest für den nicht eingetragenen Idealverein 489 - dieser Rechtsprechung an, die dem Tatbestand des § 54 S. 2 BGB einen weitgehend anderen Bedeutungsinhalt zuweist als seinen Brudernormen in den §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 2 AktG (= Art. 211 ADHGB), und lehnte eine Anwendung der zu diesen Normen entwickelten Grundsätze - damals galt noch der weite Handelndenbegriff - auf § 54 S. 2 BGB ab 4 9 0 . Spektakuläre gesetzgeberische Aktivitäten hinsichtlich § 54 S. 2 BGB fehlen. Während der Aktien- und GmbH-Gesetzgeber das Recht der Vorgesellschaften weitgehend zur Disposition von Rechtsprechung und Lehre gestellt hat und damit zu wilden Spekulationen über die Zukunft der Vorschriften eingeladen hat, die bis hin zur Wiederentdeckung der Lehrsatzes des cessante causa cessât lex reichen, ist hier allenfalls noch § 37 ParteiG der Erwähnung wert, der § 54 S. 2 BGB für Parteien, die in der Rechtsform nicht eingetragener Vereine organisiert sind, für unanwendbar erklärt 491 . Trotz nahezu identischen Wortlauts hat der Begriff des Handelnden einmal in den §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG einerseits und in § 54 S. 2 BGB andererseits eine unterschiedliche Auslegung erfahren. Dort ist er auf eine reine Organhaftung reduziert worden, die nur den verantwortlichen Amtswalter des Verbandes trifft, hier wurde er zu einer reinen Handelndenhaftung, die nur und ausschließlich den unmittelbar Handelnden trifft, unabhängig, ob es sich um ein Vorstandsmitglied oder einen rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten handelt. Lassen sich alle Vorschriften aber auf denselben Grundgedanken reduzieren, so muss dies auf die Auslegung des Tatbestands durchschlagen. Stellt man allein auf den gefundenen gemeinsamen Zweck der Vorschriften, einen Ausgleich für die fehlende Registerpublizität zu schaffen, ab, scheint die aus dem Bereich des § 54 S. 2 BGB bekannte Handhabung, die unabhängig von der Organqualität des Auftretenden auf die Person des unmittelbar Handelnden abstellt, den Vorzug zu verdienen. Tun sich für den Gläubiger beim Eintreiben seiner Forderungen rechtliche 487 RGZ 82, 294 (298 f.), Urt. v. 22. 05. 1913, Az: I I 92/13; OLG Kiel, in: LZ 1918, 1090, Urt. v. 12. 03. 1918, Az: U II 43/16; ebenso: BGH, in: NJW 1957, 1186, Urt. v. 21. 05. 1957, Az: VIII ZR 202/56. Allgemeine Auffassung: zB Erman-//. Ρ Westermann, 10. Auflage, 2000, § 54, Rdnr. 17. 488 OLG Frankfurt, in: OLGRspr. 10, 56 (58), Urt. v. 28. 04. 1904 (3. Zivilsenat). 489 Wegen der weniger umfangreichen Geschäfte als bei den Kapitalgesellschaften sei hier die Gefährdungslage der Gläubiger weniger groß. 490 BGH, in: NJW 1957, 1186, Urt. v. 21. 05. 1957, Az: VIII ZR 202/56 insbesondere unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte. 491 Vgl. BT-Drucksache V/1918, S. 6.

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Schwierigkeiten auf, etwa weil er den verpflichteten Verband nicht ausfindig machen kann, kann er ohne weiteres demjenigen, mit dem er verhandelt hat, „die Pistole auf die Brust setzen". Der Handelnde kann sich seinerseits dadurch befreien, dass er dem Gläubiger die Namen der Gesellschafter und eine ladungsfähige Anschrift des Verbandes mitteilt und dadurch dem Gläubiger die Rechtsverfolgung gegen den Verband und die Gesellschafter ermöglicht. Aber dennoch wird eine solche Handhabung kaum mehr zu rechtfertigen sein. Prokuristen, leitende Angestellte, erst recht aber unselbständig Handelnde sind vom unternehmerischen Risiko noch weiter entfernt, als die unternehmensleitenden Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder 492. Aufgrund ihrer verbandsexternen Position verfügen diese Personen häufig selbst nicht einmal über die notwendigen Informationen, um dem Gläubiger eine effektive Rechtsverfolgung gegen den Verband zu ermöglichen. Kann es dem organschaftlichen Vertreter noch angetragen werden, dafür Sorge zu tragen, dass der Gläubiger gegen den Verband vorgehen kann, ist dies einem lediglich beauftragten Vertreter nicht mehr zuzumuten. So heißt es vollkommen zutreffend in BGHZ 66, 359 (361) 493 : „Er (Anm.: der Zweck) erfordert es aber nicht, auch denjenigen persönlich haftbar zu machen, der lediglich in Vollmacht eines Geschäftsführers aufgetreten und oftmals gar nicht in der Lage ist, die Verhältnisse der Gesellschaft voll zu übersehen und deshalb auch zu wissen, ob und wann sie eingetragen wird".

Der Bundesgerichtshof führt in derselben Entscheidung aus, dass eine Haftung „vor allem dann weder sachgerecht noch überhaupt vertretbar" wäre, wenn es sich bei dem Bevollmächtigten um eine untergeordnete Hilfskraft handelt, lehnt es aber auch zu Recht ab, eine Haftung vom Grad der Selbständigkeit des Bevollmächtigten oder der Bedeutung seiner Tätigkeit abhängig zu machen, da dies in einem mit dem Gebote der Rechtssicherheit nicht mehr zu vereinbarenden Maße zu Zweifeln und Unklarheiten führen würde 494 . Dadurch wird der Geschäftspartner nicht übermäßig beschwert. Denn Handelnder ist nunmehr der Organwalter, der den Bevollmächtigten mit der Vornahme von Geschäften beauftragt hat 4 9 5 . Wer dem Vertreter eines als Geschäftspartner anvisierten Verbandes gegenübersteht, wird sich bei Anwendung auch nur einiger Sorgfalt von dessen Vertretungsmacht überzeugen und hierdurch erfahren, dass er es mit einem Bevollmächtigten des Geschäftsführers oder Vorstandsmitgliedes zu tun hat. Sein Vertrauen wird sich daher auch, wenn nicht in erster Linie, auf die Person des Geschäftsführers richten. Daher ist die Handelndenhaftung, wie sie sich aufgrund des den §§41 Abs. 1 S. 2 AktG, 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG zugrundeliegenden Rechtsgedanken ergibt, eine Organhaftung. Sie ist subsidiär in doppelter Weise. Der Organwalter kann sich dadurch von seiner Haftung befreien, dass er dem Gläubiger die rechtliche Geltendma492 493 494 495

Beuthien, ZIP 1996, 360 (368). BGHZ 66, 359 (361), Urt. v. 31. 05. 1976, Az: II ZR 185/74 zu § 11 Abs. 2 GmbHG. BGHZ 66, 359 (361), Urt. v. 31. 05. 1976, Az: II ZR 185/74. Vgl. BGHZ 53, 206, Urt. v. 09. 02. 1970, Az: II ZR 182/62.

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chung seiner Ansprüche gegen den nicht eingetragenen Verband ermöglicht. Und in Ubereinstimmung mit der schon jetzt anerkannten Lehre erlischt die Haftung mit der Eintragung des Verbandes, da nunmehr Registerpublizität hergestellt ist. Das in § 54 S. 2 BGB bestehende Prinzip ist auch für die (personalistische) Gesellschaft des bürgerlichen Rechts iSd §§ 705 ff. BGB anzuerkennen 496. Der Verein wurde bereits oben als körperschaftliche Modifikation der Gesellschaft bezeichnet. Der hinter § 54 S. 2 BGB stehende Gedanke knüpft aber nicht an der körperschaftlichen Verfassung eines Verbandes an, sondern an dessen fehlender Registerpublizität. Zwar beziehen sich die §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 54 S. 2 BGB auf typischerweise körperschaftlich verfasste Verbände, aber gerade § 11 Abs. 2 GmbHG erfasst regelmäßig Verbandsorganisationen, die nicht im gleichen Maße körperschaftlich verfasst sind wie etwa die Vor-Aktiengesellschaft oder ein Verein, sondern sogar ausgesprochen personalistisch strukturiert sein können (personalistische GmbH). Bedenkt man, dass „der Verein" und „die Gesellschaft" nur extreme Organisationsformen sind, zwischen denen es unendlich viele Zwischenstufen gibt, die kreuz und quer sowohl personalistische wie körperschaftliche Organisationselemente miteinander zu einem großen Ganzen verbinden, dann kann die Anwendung des § 54 S. 2 BGB nicht davon abhängen, ob nun das eine oder andere Element überwiegt; zumal oben bereits gesehen wurde, dass so manches Organisationselement weniger dem körperschaftlichen oder personalistischen Charakter eines Verbandes als vielmehr seiner wirtschaftlichen oder ideellen Zweckverfolgung geschuldet ist. Die ratio der recht verstandenen Handelndenhaftung als subsidiäre Nothaftung knüpft nicht an der mehr oder weniger körperschaftlichen Verfassung oder der Art der Zweckverfolgung eines Verbandes an, sondern schlicht an der Tatsache der fehlenden Registerpublizität. Aber daran fehlt es einer unternehmenstragenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im besten Sinne der §§ 705 ff. BGB ebenso wie bei einer wirtschaftlich aktiven, aber personalistisch verfassten Vor-GmbH. Regelmäßig wird nun die subsidiäre Haftung entsprechend § 54 S. 2 BGB bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts keine besondere Bedeutung erlangen, weil wegen der wirtschaftlichen Zweckverfolgung alle Gesellschafter entsprechend § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Bedeutung kann die subsidiäre Nothaftung allenfalls im Falle der Idealgesellschaft bekommen, aber selbst dann kann sich der geschäftsführende Gesellschafter von der Haftung befreien, indem er dem Dritten die Rechtsverfolgung gegen die Gesellschaft ermöglicht.

Die Haftung entsprechend § 54 S. 2 BGB erlischt nicht automatisch damit, dass die Gesellschaft aufgrund Betreibens eines Handelsgewerbes zur offenen Handelsgesellschaft aufgestiegen ist. Erst wenn die offene Handelsgesellschaft ihrer Anmeldepflicht zum Handelsregister nachgekommen ist und so Registerpublizität hergestellt hat, ist kein Raum mehr für die Haftung nach § 54 S. 2 BGB 4 9 7 . Dies 496 AA: Scholz, JW 1938, 3149 (3150). 497 Ebenso für den wirtschaftlichen nicht rechtsfähigen Verein, der ein Handelsgewerbe betreibt und daher oHG ist: Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (517). 29 Bergmann

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

kann insbesondere von Interesse sein, wenn die offene Handelsgesellschaft über einen mit Nichtmitgliedern besetzten Vorstand verfügt, die nicht gem. § 128 HGB haften.

D. Die fehlende Vorschrift im Genossenschaftsrecht Im Genossenschaftsrecht fällt auf, dass eine entsprechende Vorschrift über die Handelndenhaftung fehlt. Dies nimmt man in der Wissenschaft nur beiläufig zur Kenntnis und behilft sich damit, die §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Vorgenossenschaft entsprechend anzuwenden498. Im Ergebnis ist eine Anwendung des hinter den §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB stehenden Rechtsgedankens zu befürworten. Aber dies ist Folge des hier entwickelten allgemeinen verbandsrechtlichen Grundgedankens, dass fehlende Registerpublizität eines Rechtssubjekts auszugleichen ist durch eine subsidiäre Handelndenhaftung, und keiner analogen Rechtsanwendung geschuldet. Wenn man die Entstehungsgeschichte des Genossenschaftsgesetzes betrachtet, kann man sogar eine unmittelbare Anwendung des § 54 S. 2 BGB annehmen. Denn das Fehlen einer vergleichbaren Vorschrift im Genossenschaftsrecht war kein gesetzgeberischer Lapsus, sondern lässt sich darauf zurückführen, dass dem Gesetzgeber die Existenz der nicht eingetragenen Genossenschaft anders als die Existenz einer Vorgesellschaft als Rechtsgebilde bekannt war.

I. Das preußische Genossenschaftsgesetz499

Der heutige § 13 GenG geht endlich zurück auf § 5 des preußischen Genossenschaftsgesetzes, das später mit Änderungen als Norddeutsches Bundesgesetz verkündet wurde 500 . § 5 des preußischen Genossenschaftsgesetzes lautete: § 5 Pr. GenG. Vor erfolgter Eintragung in das Genossenschaftsregister hat die Genossenschaft die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft nicht.

Schon der Wortlaut des § 5 Pr. GenG, aber auch des heutigen § 13 GenG unterscheidet sich von den vergleichbaren Vorschriften der Art. 211 Abs. 1 ADHGB (= § 41 Abs. 1 S. 1 AktG), § 11 Abs. 1 GmbHG. Sagte der Gesetzgeber in Art. 211 498 Vgl. Beuthien, GenG, 13. Auflage, 2000, § 13, Rdnr. 12 m. w. N.; Beuthien, ZIP 1996, 305 (313); vgl. auch OLG München, in: HRR 1941 Nr. 704, Urt. v. 02. 04. 1940, Az: 4 U 667/38; aA: Scholz, JW 1938, 3149 (3150). 499 Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1867, 501 (Nr. 34), Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften. Vom 27. März 1867. 500 Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1868, 415 (Nr. 24). Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung des Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften. Vom 4. Juli

1868.

§ 18 Die Handelndenhaftung

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Abs 1 ADHGB, dass die Aktiengesellschaft vor der Eintragung nicht vorhanden ist 5 0 1 , so knüpft das Genossenschaftsgesetz an einer schon bestehenden, eben nur nicht eingetragenen Genossenschaft an und spricht aus, dass die schon vorhandene Genossenschaft erst mit der Eintragung die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft bekommt 502 . Weil dem Gesetzgeber die Genossenschaft vor Eintragung durchaus bekannt war, verzichtete er absichtlich auf eine Art. 211 ADHGB entsprechende Vorschrift. In der Regierungsbegründung zum Preußischen Genossenschaftsgesetz heißt es: „Der Zeitpunkt der Eintragung in das Genossenschafts-Register bestimmt den Zeitpunkt, von welchem ab der Genossenschaft die Rechte einer anerkannten Genossenschaft zustehen, § 6. Einer Bestimmung über die Rechtsverhältnisse der Genossenschaften vor diesem Zeitpunkte, wie solche in dem Art. 211 des Handels-Gesetzbuchs für die Aktien-Gesellschaft getroffen ist, bedarf es nicht, weil die Genossenschaften als Gesellschaften auch ohne staatliche Genehmigung existieren können und ihre Rechte in diesem Falle sich nach den allgemeinen Gesetzen über den Sozietäts-Vertrag richten"503.

In den Motiven zum preußischen Genossenschaftsgesetz wird der Unterschied in der Ausgangsbasis der gesetzlichen Regelungen deutlich. Während der preußischen Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und die Nürnberger Kommission die Aktiengesellschaft als bis zu ihrer rechtlichen Eintragung als rechtlich nicht bestehend betrachteten, also die Existenz einer (rechts- und handlungsfähigen) Vorgesellschaft noch nicht entdeckt war, konnte das Genossenschaftsgesetz an bereits rechtlich bekannte Gebilde anknüpfen 504, die wie bereits oben in § 17 C IV 1 gesehen im Bereich des preußischen ALR entweder als erlaubte Privatgesellschaft iSd Pr. ALR II, 6 §§ 11 ff. oder als Erwerbsgesellschaft iSd Pr. ALR I, 17 §§ 169 eingeordnet wurden. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Pr. ALR waren diese „nicht rechtsfähigen Genossenschaften" bekannt; gerade sie waren Hauptanwendungsfälle der oben vorgesellten Lehre der modifizierten societas (§ 17 C IV 2). Während also im Aktienrecht der Gesetzgeber von der vollendeten Gesellschaft ausgegangen ist und sich auch gar nichts anderes vorstellen konnte, kam er im Genossenschaftsrecht vom Recht der nicht eingetragenen (Dauer-)Genossenschaft her: heute wie damals ein Anwendungsfall des allgemeinen Vereinigungsrechts (vgl. heute: §§ 54 S. 1 BGB, 705 ff. BGB, 105 ff. HGB). Da sich das Recht der nicht eingetragenen Genossenschaft nach den allgemeinen Grundsätzen des Ge501 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1450 für die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Vgl. v. Hahn, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, 1871, Art. 211, §3. 502 Vgl. RGZ 39, 25 (28 f.), Urt. v. 27. 03. 1897, Az: 1412/96 zu §§ 1, 13 GenG. 503

Motive eines Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, in: Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 2, Parlamentarische Materialien (1866-1922), S. 78 ff. (98) (= Stenographische Berichte des Preußischen Landtages (Abgeordnetenhaus) 1866, Aktenstück Nr. 86). 504 Vgl. Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 121, auch S. 74 ff. 29*

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

seilschaftsrecht richtete, bestand für den Genossenschaftsgesetzgeber auch nicht das Bedürfnis, durch die Hintertür einer mit Art. 211 Abs. 2 ADHGB vergleichbaren Vorschrift eine Gesellschafterhaftung einzuführen. Denn die Genossen einer nicht eingetragenen Genossenschaft hafteten grundsätzlich gem. Pr. ALR I, 17 § 239 solidarisch und unbeschränkt für die Verbandsschulden505. Die Unterscheidung zwischen Vorgenossenschaft und nicht eingetragener Dauergenossenschaft war dem historischen Gesetzgeber noch unbekannt. Heute ist streng zu unterscheiden zwischen der Vor-Genossenschaft, also dem Verband nach Errichtung des Statuts (§§ 5 ff. GenG) aber vor Eintragung der Genossenschaft - natürlich nur insoweit, wie die Gründer an der Eintragungsabsicht festhalten - und der nicht eingetragenen (Dauer-)Genossenschaft 506, die beide rechtlich nicht gleich zu behandeln sind. Die nicht eingetragene Genossenschaft ist ein wirtschaftlicher Verein iSd § 54 S. 1 BGB, bzw. eine (körperschaftlich) organisierte Gesellschaft, der - sofern ein Handelsgewerbe betrieben wird - eine offene Handelsgesellschaft ist 5 0 7 . Die Vorgenossenschaft ist nach heutiger allgemeiner Auffassung dagegen - wie die Vor-GmbH oder die Vor-Aktiengesellschaft - weder ein nicht rechtsfähiger Verein noch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, sondern eine Entwicklungsstufe bei der Entstehung der eingetragenen Genossenschaft, für die das Recht der eingetragenen Genossenschaft gilt, soweit sich nicht aus dem Fehlen der Eintragung etwas anderes ergibt 508 ; bis zur Entscheidung BGHZ 20, 281 5 0 9 wurde das noch anders gesehen und die Vorgenossenschaft ebenso wie die nicht eingetragene Dauergenossenschaft entweder als Gesellschaft iSd §§ 705 ff. B G B 5 1 0 oder als nicht rechtsfähiger Verein iSd § 54 S. 1 BGB 5 1 1 eingeordnet. Der wesentliche Unterschied zwischen der nicht eingetragenen Dauergenossenschaft und der Vorgenossenschaft liegt nicht in der Rechts- und Handlungsfähigkeit. Nach der hier vertretenen Auffassung sind beide Verbände als - wenn auch nicht registrierte - juristische Personen rechts- und handlungsfähig. Auch die Organisationsverfassung beider Verbände kann und wird regelmäßig weitgehend identisch sein. Bei der Vor-Genossenschaft, weil sich ihre Verfassung bereits weitgehend nach dem Recht

505 Vgl. RGZ 39, 25 (30 f.), Urt. v. 27. 03. 1897, Az: 1412/96; aber natürlich war es möglich, dass diese Haftung durch Vertrag ausgeschlossen werden konnte. Heute ergibt sich das für die nicht eingetragene Dauergenossenschaft aus §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB, 105, 128 HGB. 506 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 41 I 2 a = S. 1263; v. Carolsfeld, ZGenW Bd. 34 (1984), 45; Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 II = S. 92, derselbe, ZGenW Bd. 4 (1954), 149 (151). 507 Die nicht eingetragene Genossenschaft ist keine eigenständige Rechtsform. Vgl. Motive eines Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, in: Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 2, Parlamentarische Materialien (1866-1922), S. 78 ff. (98) (= Stenographische Berichte des Preußischen Landtages (Abgeordnetenhaus) 1866, Aktenstück Nr. 86); Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 74 f.; Waldecker, Gruchot's Beiträge, Bd. 59 (1915), 961 passim, zB S. 969. AA: Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 I I 3 = S. 93; derselbe, ZGenW Bd. 4 (1954), 149 (156). 508 BGHZ 20, 281, Urt. v. 23. 03. 1956, Az: II 116/55; Beuthien, GenG, 13. Auflage, 2000, § 13, Rdnr. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 411 2 b = S. 1264. 509 BGHZ 20, 281, Urt. v. 23. 04. 1965, Az: II ZR 116/55. 510 So: Scholz, JW 1938, 3149 (3150). su OLG München, in: HRR 1941 Nr. 704, Urt. v. 02. 04. 1940, Az: 4 U 667/38.

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der eingetragenen Genossenschaft richtet. Bei der nicht eingetragenen Dauergenossenschaft wird dies nicht anders sein. Diese ist zwar entweder Verein oder Gesellschaft iSd §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB, aber ihre Handlungsorganisation kann ohne weiteres iSd Organisationsbestimmungen des GenG ausgestaltet sein 512 . Der Unterschied ist auf der Ebene der Haftungsverfassung zu suchen. In der nicht eingetragenen Dauergenossenschaft haften alle Genossen unbeschränkt, je nachdem, ob ein Handelsgewerbe betrieben wird oder nicht unmittelbar oder entsprechend § 128 HGB (vgl. §§ 54 S. 1, 705 BGB, 105 HGB). Dies ist Folge der wirtschaftlichen Betätigung. Dagegen wird das Haftungsmodell der Vorgenossenschaft demjenigen der Vor-GmbH entsprechen 513.

II. Das GenG vom 1. Mai 1889 § 13 des GenG in seiner ursprünglichen Fassung lautete: § 13. GenG a.F.. Vor erfolgter Eintragung in das Genossenschaftsregister hat die Genossenschaft die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft nicht. In der Gesetzesbegründung heißt es schlicht, dass die Vorschrift § 5 des bisherigen Rechts entspreche 514 . Der Text des Gesetzes wurde schließlich nach einigen Änderungen i m Mai 1898 neu bekannt gegeben 5 1 5 . Seitdem hat § 13 GenG seine heute gültige Fassung. In der Sache sollte sich aber zu § 5 Pr. GenG nichts ändern. § 13 GenG. Vor der Eintragung in das Genossenschaftsregister ihres Sitzes hat die Genossenschaft die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft nicht.

III. § 18 des Entwurfs eines Genossenschaftsgesetzes von 1938/1939 und § 14 Referentenentwurf 1962 I m Entwurf eines Genossenschaftsgesetzes des Reichsjustizministeriums hatte sich an der bestehenden Gesetzeslage nichts geändert 5 1 6 . Anders aber § 14 des Re512 Vgl. für die „Vor-GmbH", die noch vom Reichsgericht als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingeordnet wurde, aber als bereits im Sinne des GmbH-Rechts organisiert angesehen wurde, insbesondere durch einen Geschäftsführer handelte (RGZ 82, 288 (290), Urt. v. 22. 05. 1923, Az: II 81 /13; RGZ 58, 55 (56), Urt. v. 20. 04. 1904, Az: 115/04). 513 In diese Richtung: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 41 I 2 b = S. 1265. 514 Beuthien /Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 2, Parlamentarische Materialien (1866-1922), S. 150 ff. (232) (= Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, - 7. Legislaturperiode - , IV. Session 1888/89-4. Band (1. Anlageband), Nr. 28 S. 183 ff.).

515 RGBl. 1898, 810. 516 Sie sollte nur etwas deutlicher gefasst werden {Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 3, Parlamentarische Materialien (1913-1969), S. 176); vgl. § 18 des Entwurfs: Durch die Eintragung in das Genossenschaftsregister erlangt die Genossenschaft die Rechtsstellung einer eingetragenen Genossenschaft.

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ferentenentwurfs zu einem Genossenschaftsgesetz von 1962. Nicht nur, dass die Rechtsprechung zum Vorbelastungsverbot kodifiziert werden sollte, in Absatz 2 sollte auch eine Handelndenhaftung bestimmt werden: § 14 RefE GenG. (1) Durch die Eintragung erwirbt die Genossenschaft eigene Rechtspersönlichkeit. (2) Wer vor Eintragung der Genossenschaft in ihrem Namen handelt, haftet persönlich, wenn nicht die Genossenschaft nach Abs. 3 Schuldnerin ist. Handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. (3) Die Genossenschaft wird aus Rechtsgeschäften, die vor ihrer Eintragung in ihrem Namen geschlossen worden sind, nur verpflichtet, wenn das Geschäft zur Herbeiführung der Eintragung notwendig war, oder wenn die Genossenschaft nach ihrer Eintragung die Verpflichtung durch Vertrag mit dem Schuldner in der Weise übernimmt, daß sie an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt. Zur Wirksamkeit der Schuldübernahme bedarf es der Zustimmung des Gläubigers nicht, wenn die Schuldübernahme binnen drei Monaten nach der Eintragung der Genossenschaft vereinbart und dem Gläubiger von der Genossenschaft oder dem Schuldner mitgeteilt wird.

Zur Handelndenhaftung, die an § 34 AktG 1937 angelegt war, führte die Begründung aus: „Die persönliche Haftung soll dazu beitragen, Rechtsgeschäfte zu unterbinden, deren Abschluss im Gründungsstadium nicht geboten ist" 5 1 7 . Der Handelndenhaftung wurde demnach ein eindeutiger Strafcharakter beigelegt. Nach dem Willen des Referentenentwurfs haftet der Handelnde als Schuldner, aber dies nur dann, wenn nicht die Genossenschaft selbst Schuldnerin ist 5 1 8 . Aber es bedarf nicht vieler Worte, um zu sagen, dass aus diesem Referentenentwurf allein nicht viel gewonnen werden kann. Er wurde nie Gesetz und der rechtliche Anknüpfungspunkt des Vorbelastungsverbots ist überholt.

IV. Anwendbarkeit des Gedankens der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG auf die nicht eingetragene Genossenschaft

Hinsichtlich der nicht eingetragenen Dauergenossenschaft ergeben sich keine Schwierigkeiten. Die nicht eingetragene Dauergenossenschaft - von der Vor-Genossenschaft zu unterscheiden 519 - ist nach dem heutigen Recht ein Anwendungsfall des „nicht rechtsfähigen" wirtschaftlichen Vereins (§ 54 S. 1 BGB) 5 2 0 . Der 517 Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 3, Parlamentarische Materialien (1913-1969), S. 453. 518 Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 3, Parlamentarische Materialien (1913-1969), S. 453 f. 519 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 41 I 2 a = S. 1263; v. Carolsfeld, ZGenW Bd. 34 (1984), 45; Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 II = S. 92, derselbe, ZGenW Bd. 4 (1954), 149 (151). 520 Die nicht eingetragene Genossenschaft ist keine eigenständige Rechtsform. Vgl. Motive eines Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und

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Handelnde haftet unmittelbar nach § 54 S. 2 BGB 5 2 1 . Selbst wenn man die nicht eingetragene Dauergenossenschaft als Gesellschaft iSd der §§ 705 ff. BGB einordnen wollte (vgl. § 1 Abs. 1 GenG), änderte sich an dieser rechtlichen Beurteilung nichts, da § 54 S. 2 BGB auch auf die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Anwendung findet, ja der Verein seinerseits nur eine körperschaftlich organisierte Gesellschaft ist. Seitdem die Vorgenossenschaft, ebenso wie früher die Vor-GmbH oder die VorAktiengesellschaft, nicht mehr als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder als Verein iSd § 54 S. 1 BGB 5 2 2 , sondern als Organisation eingeordnet wird, die einem Sonderrecht untersteht, das sich aus dem im Gesetz und im Gesellschaftsvertrag gegebenen Gründungsvorschriften und dem Recht der eingetragenen Gesellschaft, soweit es nicht die Eintragung voraussetzt 523, zusammensetzt, ist der unmittelbare Begründungsweg über § 54 S. 1 BGB versperrt. Konnte das OLG München noch 1940 die Handelnden einer Vorgenossenschaft gem. § 54 S. 2 BGB haften lassen 524 , ist dieser Weg angesichts der heutigen Dogmatik der „echten" Vorgesellschaft versperrt. Aber das ist kein Beinbruch. Der Rechtsgedanke, der die Regelungen der §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG trägt, trifft auf die Vorgenossenschaft in derselben Weise zu wie auf die nicht eingetragene Dauergenossenschaft: es soll ein Ausgleich für die fehlende Registerpublizität geschaffen werden. Bei der Vorgenossenschaft handelt es sich, ebenso wie bei der nicht eingetragenen Dauergenossenschaft, dem nicht eingetragenen oder konzessionierten Verein, der Vor-GmbH um ein Rechtssubjekt ohne Publizität. Der Gläubiger hat zwar in der Vorgenossenschaft einen Schuldner, für dessen Verbindlichkeiten ihm auch die Gründer haften, aber dies nützt ihm nicht viel, wenn ihm die Rechtsverfolgung nicht möglich ist. Den handelnden Organwalter in diesem Fall mit einer subsidiären Haftung zu belasten, von der er sich dadurch befreien kann, dass er dem Gläubiger die Namen der Genossen und eine ladungsfähige Anschrift der Vorgenossenschaft mitteilt und ihn dadurch die Rechtsverfolgung ermöglicht, ist keine übermäßige Belastung. Eine entsprechende Anwendung fügt sich vielmehr in ein weitgehend einheitlich verstandenes Recht der Vorgesellschaften ein (vgl. §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG) und vervollständigt sich mit der Anwendung Wirthschaftsgenossenschaften, in: Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 2, Parlamentarische Materialien (1866-1922), S. 78 ff. (98) (= Stenographische Berichte des Preußischen Landtages (Abgeordnetenhaus) 1866, Aktenstück Nr. 86); Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 74 f.; Waldecker, Gruchot's Beiträge, Bd. 59 (1915), 961 passim, zB S. 969. AA: Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 II 3 = S. 93; derselbe, ZGenW Bd. 4 (1954), 149 (156). 521 Ebenso: Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956, § 9 III 2 = S. 95; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 411 2 a = S. 1263. 5 22 Noch so: OLG München, in: HRR 1941 Nr. 704, Urt. v. 02. 04. 1940, Az: 4 U 667/38; Scholz, JW 1938, 3149 (3149 f.). 523 BGHZ 20, 281, Urt. v. 23. 04. 1965, Az: II ZR 116/55 (Vorgenossenschaft); BGHZ 21, 242, Urt. v. 12. 06. 1956, Az: II ZR 218/54 (Vor-GmbH). 524 OLG München, in: HRR 1941 Nr. 704, Urt. v. 02. 04. 1940, Az: 4 U 667/38.

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des § 54 S. 2 BGB auf überhaupt alle nicht eingetragenen oder konzessionierten Verbände zu einem Grundsatz des allgemeinen Verbandsrechts. Dass der (preußische) Gesetzgeber das Recht der Genossenschaft an dieser Stelle anders regelte, war Folge seiner unterschiedlichen Herangehensweise. I m Recht der Kapitalgesellschaften ging der Gesetzgeber vom eingetragenen Verband aus, der vor Eintragung noch gar nicht existierte; i m Recht der Genossenschaft war Ausgangspunkt die - sehr wohl existierende - nicht eingetragene Genossenschaft, der es der Gesetzgeber ermöglichen wollte, durch Eintragung die „Rechte der eingetragenen Genossenschaft" zu erlangen 5 2 5 . Der Gesetzgeber kannte zwar die nicht eingetragene Genossenschaft als rechtliches Gebilde, nicht aber eine Aktiengesellschaft vor Eintragung. Dieser Ausgangspunkt, der den Gesetzgeber abhielt, das Recht der nicht eingetragenen Genossenschaft ähnlich dem Art. 211 A D H G B zu gestalten 5 2 6 , ist aber heute überholt. Heute sind die Vorgesellschaften i m Kapitalgesellschaftsrecht ebenso wie die Vorgenossenschaften anerkannte Rechtsgebilde. Der Grund der Differenzierung, den sich der preußische Gesetzgeber zu Herzen nahm, ist damit weggefallen. Und auch folgender Gedanke einer unmittelbaren Anwendung des § 54 S. 2 BGB ist tragfähig: die Unterscheidung zwischen nicht eingetragener Dauergenossenschaft und Vorgenossenschaft ist eine Differenzierung, die erst durch Rechtsprechung und Lehre entwickelt wurde. Für den historischen Gesetzgeber, der nicht weiter differenzierte, war die nicht eingetragene Genossenschaft ein Anwendungsfall der allgemeinen verbandsrechtlichen Vorschriften. Dies waren früher die Pr. ALR I, 17 §§ 169 ff., II, 6 §§ 11 ff.; heute sind dies die §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB, also das Recht des „nicht rechtsfähigen" Vereins und der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Nach dem Inkrafttreten des BGB unterfiel die nicht eingetragene Genossenschaft nach gängiger Auffassung, die dem BGB-Gesetzgeber wohl nicht unlieb war 5 2 7 , dem Recht des nicht rechtsfähigen Vereins iSd § 54 S. 1 BGB 5 2 8 . § 54 S. 2 BGB war unmittelbar anwendbar. Daran sollte auch die moderne Differenzierung zwischen Vorgenossenschaft und nicht eingetragener Dauergenossenschaft nichts ändern. Denn der die Vorschrift tragende Gedanke gilt gerade auch bei ihr. 525

Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 121. Motive eines Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, in: Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, Bd. 2, Parlamentarische Materialien (1866-1922), S. 78 ff. (98) (= Stenographische Berichte des Preußischen Landtages (Abgeordnetenhaus) 1866, Aktenstück Nr. 86): „Einer Bestimmung über die Rechtsverhältnisse der Genossenschaften vor diesem Zeitpunkte, wie solche in dem Art. 211 des Handels-Gesetzbuchs für die Aktien-Gesellschaft getroffen ist, bedarf es nicht, weil die Genossenschaften als Gesellschaften auch ohne staatliche Genehmigung existieren können und ihre Rechte in diesem Falle sich nach den allgemeinen Gesetzen über den Sozietäts-Vertrag richten". ™ Vgl. Mugdan I, S. 641. 52« OLG München, in: HRR 1941 Nr. 704, Urt. v. 02. 04. 1940, Az: 4 U 667/38; Vgl. Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 74 ff. Anders wenn man die Vorgenossenschaft entsprechend der damals herrschenden Auffassung zur Vor-GmbH und Vor-Aktiengesellschaft als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts betrachtet hat und eine entsprechende Anwendung des § 54 S. 2 BGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ablehnt (so Scholz, JW 1938 3149 (3149 f.)). 526

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E. Die Bedeutung des allgemeinen verbandsrechtlichen Gedankens einer subsidiären Organhaftung für die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft Es gibt sie wirklich, die Organhaftung. Und sogar als allgemeinen Grundsatz. Aber dies hat nichts mit dem Gleichlauf von Herrschaft und Haftung zu tun 5 2 9 , der innerhalb der Diskussion um die Handelndenhaftung nie eine Rolle gespielt hat. Die Organhaftung ist Folge der fehlenden Registerpublizität, sie will ausgleichen, dass der nicht eingetragene Verband ein Rechtssubjekt ohne Publizität ist, was dem Gläubiger die Rechtsverfolgung gegen Gesellschaft und Gesellschafter erheblich erschweren kann. Aber sie ist auch nur eine subsidiäre Nothaftung und keinesfalls eine Ausfallhaftung. Sie soll dem Gläubiger keinen zusätzlichen Schuldner verschaffen, sondern ihm zumindest einen Schuldner verschaffen, wenn es ihm unmöglich ist, sich an den verpflichteten Verband und die gegebenenfalls haftenden Gesellschafter zu halten. Darum kann sich das Vorstandsmitglied, der Geschäftsführer oder der geschäftsführende Gesellschafter dadurch von seiner Haftung befreien 530 , dass er dem Gläubiger durch Mitteilung der Namen der Gesellschafter und einer ladungsfähigen Anschrift der Gesellschaft die Rechtsverfolgung als solche ermöglicht. Fällt der Gläubiger mit seinen Forderungen wirtschaftlich aus, eröffnen ihm die §§ 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG keinen Rückgriff auf den Handelnden. Der Handelnde trägt das Risiko der rechtlichen Möglichkeit der Rechtsverfolgung gegen den Verband und Gesellschafter, ihm obliegt als Verwalter fremder Vermögensinteressen aber nicht das wirtschaftliche Risiko der Einbringlichkeit der Verbandsschulden. Als Ausgleich für die fehlende Registerpublizität steht und fällt die Handelndenhaftung mit der Eintragung. Mit der absolut herrschenden Meinung erlischt die Handelndenhaftung mit der Eintragung des Verbandes, zB einer Vor-GmbH, in ein öffentliches Register. Für die Frage der Fremdorganschaft bei der offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und den nicht eingetragenen (oder konzessionierten) Verbänden des bürgerlichen Rechts (§§ 54 S. 1, 705 ff. BGB) bedeutet das: solange keine Registerpublizität hergestellt ist, haftet die handelnde Organperson entsprechend dem den §§ 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG zugrundeliegenden Rechtsgedanken, und zwar unabhängig von dem Organisationsprinzip (Selbst- oder Fremdorganschaft), dem die Handlungsverfassung des Verbandes folgt: es haftet sowohl der konkret nach außen auftretende geschäftsführende Gesellschafter wie das Vorstandsmitglied. Das gilt auch für die offene Handelsgesellschaft, solange sie ihrer Pflicht, sich gem. §§ 106, 29 HGB in das Handelsregister eintragen zu lassen, nicht nachgekommen ist.

529 Ebenso: Lieb, DB 1970, 961 (965). 530 Dies gilt natürlich nur für die Organhaftung; die Haftung als Gesellschafter (§ 128 HGB) bleibt davon unberührt.

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Betreibt „ein nicht rechtsfähiger" Verein iSd §§ 54 S. 2, 705 ff. BGB ein Handelsgewerbe iSd § 1 Abs. 2 HGB, liegt aufgrund des Rechtsformzwanges des § 105 Abs. 1 HGB unabhängig von der Art der Handlungsverfassung des wirtschaftlich tätigen Verbandes eine offene Handelsgesellschaft vor. Sofern daraus in der Literatur der Schluss gezogen wird, dass § 54 S. 2 BGB nunmehr auf diese offene Handelsgesellschaft keine Anwendung findet 5 3 1 . ist dass unzutreffend. Solange die offene Handelsgesellschaft ihrer Pflicht, sich gem. §§ 106, 29 HGB in das Handelsregister eintragen zulassen, nicht nachkommt, hat sie Registerpublizität noch nicht hergestellt, ist also ein Rechtssubjekt ohne Publizität. Der handelnde Organwalter haftet 532 .

Wurde dagegen durch Eintragung ausreichende Registerpublizität erreicht, kommt eine Haftung der handelnden Organperson aufgrund der Organhaftung nicht in Betracht. Eine Haftung als Gesellschafter oder aus anderen Verpflichtungsgründen bleibt natürlich unberührt. Für eine entsprechend dem Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft bedeutet das: den Organwalter trifft nach Eintragung keine Organhaftung mehr.

§ 19 Die atypische Handlungsverfassung und die Erfüllung gesetzlicher Pflichten A. Die verbandsinterne Verantwortlichkeit als Annex der Geschäftsführung Wie natürliche Personen, so treffen auch juristische Personen bestimmte Rechtspflichten. ZB gem. §§ 238 H G B 5 3 3 trifft sowohl den Einzelkaufmann, als auch die GmbH, die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft die handelsrechtliche Buchführungspflicht 534, § 6 Abs. 1 HGB. Um die Erfüllung von Pflichten, die dem Verband als solchem auferlegt sind, sicherzustellen, werden sie verbandsintern zur Wahrnehmung bestimmten Gesellschaftsorganen zugewiesen. Bei der GmbH sind die Geschäftsführer (§41 GmbHG), bei der Aktiengesellschaft und der eingetragenen Genossenschaft der Vorstand (§§91 AktG, 33 GenG), bei der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft grundsätzlich die persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. § 245 S. 2 HGB, siehe zu dieser Vorschrift aber unten § 19 Β I) verantwortlich, dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft ihre Buchführungspflicht erfüllt 535 . Gem. § 34 Abs. 1 AO 1977 sind dieselben Organe dafür verantwortlich, dass die Gesellschaft ihren steuerlichen Pflichten 531 ZB Soergel-Hadding, 12. Auflage, § 54, Rdnr. 3. 532 So Flume, ZHR Bd. 148 (1984), 503 (517 f.). 533 Vgl. auch § 140 AO. 534 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 238 Rdnr. 7. 535 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 238, Rdnr. 8.

§19 Atypische Handlungsverfassung und die Erfüllung gesetzlicher Pflichten

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nachkommt. Der Gesetzgeber greift in die Handlungsorganisation des Verbandes ein und weist die verbandsinterne Fürsorge um die Erfüllung der den Gesamtverband zwingend treffenden, im öffentlichen Interesse stehenden Pflichten bestimmten Organen zu. Dies sind, wie die Vorschriften der §§ 91 AktG, 33 GenG, 41 GmbHG, 245 S. 2 HGB; 34 Abs. 1 S. 1 AO 1977 zeigen, die gesetzestypischen Handlungs-, also Geschäftsführungs- oder Vertretungsorgane der Gesellschaft. Die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der den Verband treffenden Pflichten ist Annex der organschaftlichen Geschäftsführung 536. Dies ist wegen der Sachnähe der in Frage stehenden Pflichten mit der Geschäftsführung geboten und folgt der Natur der Sache. Die grundsätzliche Verantwortlichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter in der offenen Handelsgesellschaft ode* der Kommanditgesellschaft knüpft an der gesetzestypischen Handlungsverfassung dieser Verbände an, wie sie sich für die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft in den §§ 161 Abs. 2, 114 ff. HGB mitteilt: gem. § 114 Abs. 1 HGB ist die Geschäftsführungsbefugnis den Komplementären zugewiesen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass den Kommanditisten grundsätzlich keine Buchführungspflicht trifft 5 3 7 ; gem. § 164 S. 1 HS 1 HGB ist der Kommanditist von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Dass die Verantwortlichkeit der Geschäftsführung folgt, zeigt sich auch in der Abwicklung. In der Abwicklung trifft die Liquidatoren die Buchführungspflicht 538 und die Pflicht, für die Erfüllung der steuerlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaften Sorge zu tragen 539 .

B. Privatautonome Modifikationen der Handlungsverfassung bei offener Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft Die verbandsinterne Zuständigkeit zur Erfüllung der die Gesellschaft treffenden, im öffentlichen Interesse liegender Pflichten, liegt bei dem Geschäftsführungsorgane des Verbandes. Das sind in der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft grundsätzlich alle persönlich haftenden Gesellschafter. Ist man bereit, den Schritt zu wagen, die fremdorganschaftlich verfasste oHG oder Kommanditgesellschaft anzuerkennen, kann es Komplikationen mit der verbandsinternen Zuweisung der Verantwortlichkeit für die Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Pflichten geben. Sind diese verbandsinternen Zuständigkeiten zwingend 536 Vgl. für die Insolvenzantragspflicht: BGHZ 104, 44 (47 f.), Urt. v. 21. 03. 1988, Az: II ZR 194/87. 537 Brüggemann in Großkommentar HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 10 aE; Hüffer in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 238, Rdnr. 21; Düringer-Hachenburg, HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 6; Heymann-/wng, HGB, 5. Auflage, § 238, Rdnr. 6. 538 Brüggemann in Großkommentar HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 5. 539 Schwarz, AO, 11. Auflage, § 34, Rdnr. 7; Hübschmann/Hepp/Spitaler-ßoeter, AO/ FGO, 10 Auflage, § 34, Rdnr. 24.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

allen persönlich haftenden Gesellschaftern zugewiesen, würden diese auch bei der Zuweisung der organschaftlichen Geschäftsführung an einen Vorstand oder Geschäftsführer nicht von ihrer strafrechtlichen und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit entlastet 5 4 0 . Obwohl die organschaftliche Geschäftsführung woanders läge, könnten sich die persönlich haftenden Gesellschafter nicht von Verantwortlichkeit befreien. Die Option der fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft wäre weitgehend entwertet, wenn die Komplementäre durch die Zuweisung der organschaftlichen Handlungsbefugnisse an ein Geschäftsführungsorgan sich nicht von den der Geschäftsführung korrespondierenden Pflichten befreien könnten. Obwohl die persönlich haftenden Gesellschafter mit der Geschäftsführung nichts mehr zu tun haben, blieben sie doch in der Verantwortung. U m ihrer Verantwortung gerecht werden zu können, müssten ihnen den Pflichten korrespondierende besondere Informations- und Kontrollrechte gegenüber dem Geschäftsführungsorgan eingeräumt werden. Doch wäre damit nie ein solches Maß an Effizienz zu erwarten, als wenn die Verantwortlichkeit der organschaftlichen Geschäftsführung folgt. Diese Problematik sei kurz im GmbH-Recht angedeutet. Bis auf den einen zwingenden Aufgabenbereich, der insbesondere die organschaftliche Vertretung nach außen und die Erfüllung der Pflichten hinsichtlich der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals erfasst 541 , können nach herrschender Meinung alle die den Geschäftsführern in der gesetzestypisch organisierten GmbH zugeordneten Kompetenzen, insbesondere die Geschäftsführungskompetenz, anderen Organen zugewiesen werden {Zölibatsklausel) 542. Selbst das laufende Tagesgeschäft kann zB der Gesellschafterversammlung zugewiesen werden. Die Geschäftsführer können damit zum reinen Exekutivorgan mit - wie gleich zu sehen ist Mindestkontrollpflichten herabgestuft werden. Die Rechtsordnung verlangt von der GmbH die Einhaltung gewisser Mindeststandards; dazu gehört insbesondere die Erhaltung und Aufbringung des Stammkapitals oder die ordentliche Buchführung und Bilanzierung. Um diese unabdingbaren Verhaltenspflichten der GmbH sicherzustellen, werden den Geschäftsführern zwingende gesetzliche Pflichten als Annex der Geschäftsführungsbefugnisse zugewiesen, um das legale Verhalten der Gesellschaft sicherzustellen. Diesen gesetzlichen Pflichten kann sich der Geschäftsführer nicht entziehen. Das ist in der gesetzestypisch organisierten Gesellschaft auch gut so. Diese gesetzlichen Pflichten können den Geschäftsführern nach allgemeiner Auffassung im GmbH-Recht aber auch dann nicht entzogen werden, wenn die Gesellschaft atypisch verfasst wird, denn zwingender tatbestandlicher Anknüpfungspunkt dieser Vorschriften ist das Amt des Geschäftsführers. Das bereitet nun erhebliche Schwierigkeiten, wenn die sonstigen Geschäftsführungskompetenzen durch Zuweisung des Gesellschaftsvertrags auf ein anderes Organ übergehen. Natürlich wären die gesetzlichen Pflichten besser bei dem 540 Vgl. §§ 283 ff. StGB; 34, 69 AO 1977. Vgl. Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 141 3 = S. 257. 541 ZB die Buchführungspflicht ( § 4 1 GmbHG) und die Insolvenzantragspflicht (§ 64 GmbHG). 542 Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 157 (1993), 483 (498); Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 37, Rdnr. 12; aA: Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 6 III 2 a bb = S. 336.

§ 19 Atypische Handlungsverfassung und die Erfüllung gesetzlicher Pflichten

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Organ aufgehoben, das die Geschäftsführung wahrnimmt, aber die gesetzlichen, häufig auch strafbewehrten Vorschriften, haben einen eindeutigen, tatbestandlich fixierten Anknüpfungspunkt: die Geschäftsführer. So formuliert zB § 64 Abs. 1 GmbHG, der gem. § 84 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GmbHG strafbewehrt ist: § 64 GmbHG. (1) Wird die Gesellschaft zahlungsunfähig, so haben die Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. ... (2)... Die Zuweisung zwingender gesetzlicher Pflichten an bestimmte, tatbestandlich fixierte Organwalter oder Organe - zB den Geschäftsführer der GmbH oder den persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft - ist die Folge der Vorgehensweise des Gesetzgebers, durch zwingende Normen ein legales Verhalten der GmbH sicherzustellen. Der Gesetzgeber wählte die persönliche Eigenschaft als Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter als Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Pflichten und nicht etwa „organunabhängig" die Vornahme einer bestimmten organschaftlichen Tätigkeit 543 . Dabei orientiert sich der Gesetzgeber an der gesetzestypischen Organisation der Gesellschaft. Die gesetzestypische Handlungsorganisation ihrerseits ist regelmäßig eine Momentaufnahme des Zeitpunktes, in dem der Gesetzgeber eine Fremdbeschreibung der tatsächlich vorgefundenen Realstruktur des Verbandes anfertigt. Der Gesetzgeber weist nun gerade dem Geschäftsführer einer GmbH oder dem persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft bestimmte zwingende gesetzliche Pflichten zu, weil diese in der gesetzestypischen Organisation die geschäftsführend tätigen Personen sind. Dies ist solange unproblematisch, wie die belasteten Personen geschäftsführend tätig werden. Nur sind die Geschäftsführungsbefugnisse weg, weil sie einem anderen Organ zugewiesen wurden, so bleiben doch die gesetzlich zwingenden Vorschriften dort, wo sie waren: bei der nunmehr entmachteten Person, die ja eigentlich mit der Geschäftsführung nichts mehr zu tun hat. Diesem Minus an tatsächlichen Führungsaufgaben mitsamt dem daraus resultierenden Wissen zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben kann man auf zwei Wegen begegnen. Einmal dadurch, dass die gesetzlich fixierten Pflichten mit dem Tross der Geschäftsführungsbefugnisse mitwandern und den neuen Zuordnungsendpunkt der Geschäftsführungsbefugnisse belasten. Diese Möglichkeit ist naheliegend, wenn man die gesetzlich fixierten Pflichten zutreffend als Annex der Geschäftsführungsbefugnisse begreift, mit denen der Gesetzgeber den Geschäftsführer nur deswegen belastet hat, weil er eben das typische Geschäftsführungsorgan ist. Doch die Schwierigkeiten dieses - interessengerechten - Weges zeigen sich schon im Hinblick auf die den gesetzlichen Pflichten korrespondierenden Strafvorschriften, die ihrerseits am Tatbestandsmerkmal „Geschäftsführer" anknüpfen (vgl. § 84 GmbHG). Die meisten Strafvorschriften im GmbH-Recht sind nicht so offen formuliert, wie der Untreuetatbestand des § 266 StGB, der auch ohne weiteres Kompetenzverschiebungen in der Handlungsverfassung eines Verbandes erfassen kann. Eine Wanderbewegung zwingender Vorschriften, weg vom entmachteten Geschäftsführer, hin zum satzungsmäßigen Geschäftsführungsorgan, kennt die allgemeine Lehre zum

543 § 64 GmbHG wäre dann so zu formulieren: „Wird die Gesellschaft zahlungsunfähig, so haben die Mitglieder des geschäftsführenden Organs ohne schuldhaftes Zögern ... die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen"; sofern man ihnen die Antragsbefugnis zugesteht; ansonsten haben sie das Vertretungsorgan dazu anzuweisen.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

GmbHG nicht. Auch die Diskussion um das faktische Organ zeigt insofern keinen Ausweg 5 4 4 . Im Ergebnis wird zwar der Kreis der Normadressaten der gesetzlich zwingenden Normen erweitert und auf das faktische Geschäftsführungsorgan ausgedehnt, aber die entmachteten Geschäftsführer werden nicht aus ihrer Verantwortung entlassen545. Es geht stets nur um eine Ausdehnung der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Aber eine Pflichten- und Verantwortlichkeitsverschiebung, die den entmachteten Geschäftsführer freistellt, findet nicht statt. Daher geht man im GmbH-Recht einen anderen Weg. Das Minus an Wissen wird durch Informationsrechte ausgeglichen546. Die Geschäftsführer können von der geschäftsführungsbefugten Stelle all jene Auskünfte verlangen, die sie im Rahmen und zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Dieses Informationsrecht ist Annex der gesetzlichen Pflichtaufgabe 547. Auf diese Weise werden die Geschäftsführer zu einem Aufsichtsorgan. Sie haben zwar keine Geschäftsführungsbefugnisse mehr, aber ihnen obliegt unabdingbar, das legale Verhalten der GmbH sicherzustellen, weswegen sie mit einer Fülle von Informationsrechten gegen die Geschäftsführungsorgane ausgestattet sind 548 . Ob an diesen Grundsätzen im GmbH-Recht festzuhalten ist, kann hier offen bleiben. Sie sind nicht ohne weiteres mit der Situation im Recht der Personengesellschaft vergleichbar. Denn dieses Recht kennt die Möglichkeit des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafters. Für die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft ist zu zeigen, dass die persönlich haftenden Gesellschafter durch den Ausschluss von der organschaftlichen Geschäftsführung von der teils strafbewehrten verbandsinternen Zuweisung der Verantwortlichkeit befreit werden. Diese Verantwortlichkeit geht auf die Personen über, denen nach der Handlungsverfassung des Verbandes die organschaftliche Geschäftsführung i m Verband obliegt. Hierfür streitet auch ein unabweisbares praktisches Bedürfnis. Aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Rechtsformzwanges kann ein entsprechend den Prinzipien der abstrakten Organverwaltung verfasster Verband auf die Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft verwiesen werden: eine unechte Vorgesellschaft oder ein nicht konzessionierter wirtschaftlicher Verein, die ein Handelsgewerbe betreiben, sind trotz ihrer körper544 Zumal die Lehre, wie sich unten unter C I I zeigt, auf diesen Fall, in dem durch den Gesellschaftervertrag Kompetenzen von einem Organ auf ein anderes verschoben werden, gar nicht anwendbar ist. Die Lehre vom faktischen Organ erfasst nicht die Organperson, die innerhalb der abstrakten Handlungsverfassung handelt, sondern denjenigen, der sich außerhalb der abstrakten Handlungsverfassung, also ohne dass ihm durch den Gesellschaftsvertrag oder förmlichen Bestellungsakt organschaftliche Kompetenzen zugewiesen wurden, als Organ(walter) der Gesellschaft geriert. 5 45 Scholz-Tiedemann, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 84, Rdnr. 30; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 4 b = S. 426. 5 46 Lutter, ZIP 1986, 1195 (1196); Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 37, Rdnr. 13, 39. s 4 7 Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 15. Auflage, 2000, § 37, Rdnr. 13: Anspruch wurzele im Gebot des loyalen Zusammenwirkens der Gesellschaftsorgane. Aber soweit muss man gar nicht gehen. 548 Viele Informationen werden die Geschäftsführer bereits dadurch erlangen, dass sie als notwendiges Exekutivorgan an der Umsetzung der intern von anderen Organen verbindlich getroffenen Geschäftsführungsmaßnahmen nach außen mitwirken müssen.

§ 19 Atypische Handlungsverfassung und die Erfüllung gesetzlicher Pflichten

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schaftlichen Handlungsorganisation eine offene Handelsgesellschaft. Bei diesen Verbänden nicht eine ausschließliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer annehmen zu wollen, sondern alle Gesellschafter in die Pflicht nehmen zu wollen, ist wirklichkeitsfremd und geht an dem realen Verkehrsleben und seinen Bedürfnissen vorbei 549 : das Recht hat den Menschen zu dienen, nicht umgekehrt. Eine Gefahr entsteht dadurch für den Rechtsverkehr nicht: denn durch die Verknüpfung mit der Geschäftsführung ist die haftungsrechtliche wie die strafrechtliche Verantwortlichkeit gewahrt.

I. Der Ausschluss von persönlich haftenden Gesellschaftern von der Geschäftsführung und die Buchführungspflicht

Die Bestimmung des verbandsinternen Zuweisungsendpunkts der Buchführungspflicht in der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft wirft Schwierigkeiten auf, wenn einzelne Gesellschafter ganz von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind (§ 114 Abs. 2 HGB). Grundsätzlich sind alle persönlich haftenden Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft zur Buchführung verpflichtet 550 . Der Grund dafür liegt auf der Hand: gem. § 114 Abs. 1 HGB ist die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis allen persönlich haftenden Gesellschaftern zugewiesen. Solange die Geschäftsführungsbefugnis im Gesellschaftsvertrag allen Gesellschaftern zugewiesen ist, können sich die Gesellschafter auch durch eine interne Aufgabenzuweisung nicht von ihrer Verantwortung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Prüfung der Bücher befreien. Zwar ist eine Arbeitsteilung durchaus zulässig, aber die anderen Gesellschafter bleiben zur Überwachung des zuständigen Gesellschafters verpflichtet 551 . Entsprechend ist die Rechtslage in der Aktiengesellschaft oder der GmbH. Gem. §§ 91 AktG, 41 GmbHG ist die Buchführungspflicht dem abstrakten Handlungsorgan (Vorstand, die Geschäftsführer) zugewiesen. Innerhalb dieses Geschäftsführungsorgans sind alle Organwalter (Vorstandsmitglieder, die einzelnen Geschäftsführer) für die ordentliche Buchführung verantwortlich. Auch bei einer Geschäftsverteilung bleiben alle übrigen Gesellschafter zur sorgfältigen Auswahl und Kontrolle verpflichtet 552 . Schwierig zu beantworten ist die Frage nach der Verantwortung des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafters in der offe549 RG, Rechtsprechung in Strafsachen Bd. 5 (1883), 359 (361), Urt. v. 10. 05. 1883, Az: III 913/83. 550 Brüggemann in Großkommentar HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 10; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 238, Rdnr. 8; Heymann-./iMg, HGB, 5. Auflage, § 238, Rdnr. 6. 551 Brüggemann in Großkommentar HGB, 3. Auflage, § 38, Rdnr. 10; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 238, Rdnr. 8; RG, in: JW 1908, 604, Urt. v. 25. 06. 1908, Az: III 348/08. 552 Vgl. nur: Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 238, Rdnr. 8.

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nen Handelsgesellschaft für die ordentliche Buchführung. Dieser Fall ist von der gerade angesprochenen Situation der Arbeitsteilung (Geschäftsverteilung) zu unterscheiden: dort teilen mehrere geschäftsfiihrende Gesellschaftsorgane die einzelnen Geschäftsbereiche unter einander auf. Hier geht es um einen Gesellschafter, dem durch die Verbandssatzung überhaupt keine organschaftlichen Befugnisse zugewiesen wurden: mangels organschaftlicher Befugnisse ist er überhaupt kein Organ der Gesellschaft. Das Meinungsspektrum ist gespalten: Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass auch der von der organschaftlichen Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter (§ 114 Abs. 2 HGB) der Buchführungspflicht unterfällt 5 5 3 . Dies soll sogar dann gelten, wenn der von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter aufgrund einer Vereinbarung iSd §118 Abs. 2 BGB auch von seinen Kontrollrechten weitgehend ausgeschlossen ist. Allerdings soll es dann hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit regelmäßig am Verschulden fehlen 5 5 4 . Diese Auffassung beruft sich insbesondere auf RGSt 45, 387 5 5 5 . In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt (vereinfacht) hatte der Angeklagte geduldet, dass der mit der Führung der Handelsbücher betraute Mitgesellschafter aufgehört hatte, die Handelsbücher zu führen. Das Reichsgericht verurteilte ihn gem. § 240 Nr. 3, Nr. 4 KO a.F. (= § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Der Angeklagte hätte nicht seiner Pflicht genügt, den beauftragten Gesellschafter zur Erfüllung seiner Pflicht zu zwingen, obwohl er die Buchführung selbst in die Hand hätte nehmen können; zumindest hätte er gerichtliche Schritte - § 117 HGB ergreifen können. Aus den Gründen geht nicht hervor, ob der Angeklagte gem. § 114 Abs. 2 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen war. Wahrscheinlicher ist, dass beide Gesellschafter, also auch der Angeklagte, geschäftsführungsbefugt waren 556 . Aber dann passt diese Entscheidung für die hier zu untersuchende Frage nicht. Sie betrifft die Fallgruppe, dass zwischen mehreren geschäftsführungsberechtigten Gesellschaftern eine Arbeitsteilung besteht. Unter diesem Blickwinkel ist ihr ohne Abstriche zuzustimmen: geschäftsführungsberechtigte Gesellschafter können sich von der Buchführungspflicht nicht befreien, deren konkreter Inhalt sich bei einer Geschäftsverteilung auf die Auswahl und Überwachungsfunktion modifiziert. Wie § 114 Abs. 1 HGB sagt: Geschäftsführung ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Dasselbe gilt für die immer wieder genannte Entscheidung RG, JW 1908, 604 5 5 7 .

553 staub, HGB, 14. Auflage, § 38, Anm. 3; Düringer-Hachenburg, HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 6; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 238, Rdnr. 8. Wohl auch: HeymannJung, HGB, 5. Auflage, § 238, Rdnr. 6; Tröndle/Fischer, 50. Auflage, 2001, § 283, Rdnr. 20. 554 Düringer-Hachenburg, HGB, 3. Auflage, § 238, Anm. 6; Staub, HGB, 14. Auflage, § 38, Anm. 3; Düringer-Hachenburg, HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 3. 555 RGSt 45, 387, Urt. v. 06. 02. 1912, Az: II 1053/11. 556 Für diese Möglichkeit spricht insbesondere, dass in dieser Entscheidung des 2. Strafsenats eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des 3. Strafsenats (RG, Rechtsprechung in Strafsachen Bd. 5 (1883), 359, Urt. v. 10. 05. 1883, Az: III 913/83) fehlt, der - ohne dass es sich dabei allerdings um die Entscheidung tragende Gründe handelt - entschieden hatte, dass den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter keine Buchführungspflicht trifft.

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Anderer Ansicht in der Literatur sind insbesondere Brüggemann und neuerdings auch Hüffer 55*. Und auch der 3. Strafsenat des Reichsgerichts hat ausgesprochen, wenn er auch letztlich die Frage offen lassen konnte 559 : „Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft, welche von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sind, können für deren Buchführung und Bilanzziehung nicht verantwortlich gemacht werden". Dem Leitsatz ist mit folgender Erwägung zuzustimmen: maßgebend kann nicht sein, ob der betreffende Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, sondern ob ihm die organschaftliche Geschäftsführung zugewiesen ist. Dann kann allgemein formuliert werden: den persönlich haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft trifft keine Verantwortung für die Buchführung, wenn er gem. §§161 Abs. 2, 114 Abs. 2 HGB von der organschaftlichen Geschäftsführung ausgeschlossen ist. Für die Auffassung, die auch den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementär mit der Buchführungspflicht belasten will, mag in der Tat bei oberflächlicher systematischer Betrachtungsweise der Wortlaut des § 245 S. 2 HGB sprechen 560. Und auch das schon bei Düringer-Hachenburg gebrachte Argument, dass es nicht möglich ist, zwingende öffentlich-rechtliche Bestimmungen durch private Vereinbarungen zu ersetzen 561, ist in seiner Abstraktheit richtig, gibt aber für die Verantwortung des von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafters nichts her. Schon aus § 245 S. 2 HGB kann nichts für die Auffassung gewonnen werden, dass alle persönlich haftenden Gesellschafter, also auch die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter, für die ordentliche Buchführung verantwortlich sind. § 245 S. 2 H G B 5 6 2 ist eine aus heutiger Sicht verunglückte Vorschrift 563 . Die Vorschrift entspricht im Wortlaut unverändert Art. 30 Abs. 1 S. 2 ADHGB. Art. 30 ADHGB. (1) Das Inventar und die Bilanz sind von dem Kaufmann zu unterzeichnen. Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so haben sie alle zu unterzeichnen. (2)..·

557 RG, in: JW 1908, 604, Urt. v. 25. 06. 1908, Az: III (348/08). Auch hier fehlt jede Auseinandersetzung mit dem früheren Urteil des gleichen Strafsenats in RG, Rechtsprechung in Strafsachen Bd. 5 (1883), 359, Urt. v. 10. 05. 1883, Az: III 913/83. 558 Brüggemann in Großkommentar HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 10; Hüffer in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 238, Rdnr. 21. 559 RG, Rechtsprechung in Strafsachen Bd. 5 (1883), 359, Urt. v. 10. 05. 1883, Az: III 913/83. 560 Das gesteht auch Hüffer in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 238, Rdnr. 21 zu. 561 Düringer-Hachenburg, HGB, 3. Auflage, § 28, Anm. 6. 562 § 245 HGB entspricht § 41 HGB a.F. (vgl. BT-Drucksache 10/4268, S. 97). 563 Ebenso Hüffer 3

Bergmann

in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 245, Rdnr. 3.

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Hinter § 245 S. 2 HGB (= § 41 Abs. 1 S. 2 HGB a.F. = Art. 30 Abs. 1 S. 2 ADHGB) steht, wie sich aus seiner gesetzessystematischen Stellung zu S. 1 ergibt, unverhohlen die tradierte Gesamthandslehre: nicht die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft ist Träger von Rechten und Pflichten, sondern die hinter ihr stehenden Gesellschafter. Da nach damaliger Doktrin der Komplementär - nicht aber der Kommanditist! - Kaufmann war, goss die Vorschrift überkommene Rechtsanschauungen in legislatives Blei 5 6 4 . Nach dem heutigen Erkenntnisstand ist die Vorschrift unverständlich: die offene Handelsgesellschaft ist rechtsfähiger und selbständiger Träger von Rechten und Pflichten 565 . Nicht die Gesellschafter sind Adressat der Buchführungspflicht. Dies ist gem. §§ 238, 6 Abs. 1 HGB die offene Handelsgesellschaft als (rechtsfähige) Handelsgesellschaft. Dass der Jahresabschluss der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft zu unterschreiben ist, folgt, wie bei der Aktiengesellschaft oder GmbH zwanglos aus § 245 S. 1 HGB. S. 2 dieser Vorschrift ist heute nur noch aus dem Blickwinkel der tradierten Gesamthandslehre verständlich. Die Vorschrift ist von der Entwicklung im Gesellschaftsrecht überholt. Etwas für die Buchführungspflicht der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter lässt sich aus ihr nicht herleiten 566 . Die Bedeutung der Vorschrift beschränkt sich heute darauf 567 , anzuordnen, dass alle mit der Buchführungspflicht betrauten Organe oder Organ waiter den Jahresabschluss zu unterzeichnen haben; wenn man überhaupt soweit gehen möchte, aus einer Vorschrift, die die Feststellung des Jahresabschlusses betrifft, auf die Buchführungspflicht zu schließen568. Die Vorschrift begründet aber keine Buchführungspflicht, sondern setzt sie voraus. Dies kam deutlich im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Durchführung der Vierten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zum Ausdruck 569 . Dort sollte es unter Aufhebung des § 41 HGB a.F. (= § 245 HGB nF) in einem § 39 Abs. 3 HGB heißen: §39 HGB RegE. (1)... (2)...

564 Die Vorschrift stellt deshalb nicht auf die Kommanditisten ab, weil diese nicht als Kaufleute angesehen wurden und deshalb nicht unter die Buchführungspflicht fielen (Düringer-Hachenburg, HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 6). 565 BGH, in: ZIP 2001, 330 Lt. 1, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331 /00. 566 Vgl. iE ebenso Hüffer in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 238, Rdnr. 21, § 245, Rdnr. 3. 567 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 245, Rdnr. 2. 568 Von § 245 HGB lässt sich nicht ohne weiteres auf den Betroffenen der Buchführungspflicht schließen: denn die Unterzeichnung bedeutet nur, dass der Jahresabschluss in der vorliegenden Form festgestellt wird (vgl. Brüggemann in Großkommentar HGB, 3. Auflage, § 38, Anm. 10). 569 RegE eines Gesetzes zur Durchführung der Vierten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz), BT-Drucksache 10/317.

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(3) Der Kaufmann hat Inventar und die Eröffnungsbilanz innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen. ... Er hat die Eröffnungsbilanz und den Jahresabschluss unter Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen. Kein Wort in dem Entwurf davon, dass die persönlich haftenden Gesellschafter zu unterschreiben haben. Vielmehr wendet sich die Vorschrift an den Pflichtigen „Kaufmann" und das ist gem. § 6 Abs. 1 HGB die offene Handelsgesellschaft als Rechtsperson. Über die verbandsinterne Zuweisung der Buchführung kein Wort. Zur geplanten Aufhebung des § 41 (S. 2) HGB a.F. bemerkte der Entwurf: „ A u f Satz 2 wird verzichtet, weil es nicht notwendig ist, daß sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter unterzeichnen" 5 7 0 . Als später das Gesetzesvorhaben mit dem Gesetzesvorhaben zur Umsetzung der siebten und achten Europäischen Richtlinie zusammengelegt wurde, ging die geplante Streichung unter. I m Bericht des Rechtsausschusses heißt es dazu schlicht: „ I n § 245 HGB wird der geltende § 41 HGB für den Jahresabschluss übernommen" 5 7 1 . Aber auch wenn der Gesetzgeber die Gelegenheit ungenutzt ließ, die überholte Vorschrift des § 245 S. 2 HGB aufzugeben, kann ihr in der Zusammenschau nichts für die Buchführungspflicht auch der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter entnommen werden. Und auch Folgendes ist zu bedenken: § 245 S. 2 HGB knüpft an der gesetzestypischen Handlungs Verfassung der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft an. Danach sind in der Tat alle und nur die persönlich haftenden Gesellschafter geschäftsführungsbefugt (§§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 163 S. 1 HS 1 HGB). Genau auf diesen Fall ist die Vorschrift zugeschnitten. Ob die Vorschrift aber auch für den Fall Geltung beanspruchen will, wenn die Handlungsverfassung abweichend vom gesetzlichen Leitbild institutionalisiert wird, zB einem Komplementär die Geschäftsführungsbefugnis entzogen und diese vielleicht sogar einem Kommanditisten zugewiesen wird, geht aus ihr nicht hervor. Diese Frage ist zu verneinen. Bereits das Gesetz sieht vor, dass die Handlungsverfassung einer offenen Handelsgesellschaft weitgehend verschoben werden kann (vgl. § 114 Abs. 2 HGB) und gem. § 118 Abs. 2 HGB die Kontrollrechte weitgehend beschnitten werden können 572 . Hier ist die Buchführungspflicht einfach fehl am Platz; warum auch sollte ein von der Geschäftsführung ausgeschlossener, in seinen Informations- und Kontrollrechten auf das Existenzminimum reduzierter Gesellschafter mit der Verantwortung für die Buchführung belastet werden 573 . Geradezu auffällig ist sogar Folgendes: das Gesetz schweigt zur verbandsinternen Zuweisung der Buchführung in der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft 574 . Weisen § § 9 1 AktG, 33 GenG die Führung der Bücher dem

570 BT-Drucksache 10/317, S. 73. 571 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 10/4268, S. 97. 572 Hüffer in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 238, Rdnr. 21. 573 Vgl. RG, Rechtsprechung in Strafsachen Bd. 5 (1883), 359 (361), Urt. v. 10. 05. 1883, Az: III 913/83. 574 Wenn man nicht entgegen der hier vertretenen Auffassung in § 254 S. 2 HGB eine diesbezügliche Regelung erkennen will. 30*

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

Vorstand, § 41 GmbHG die diesbezügliche Verantwortung den Geschäftsführern zu, so fehlt in den Vorschriften der §§ 105 ff., 161 ff. HGB eine entsprechende zuweisende Bestimmung. Um die verbandsinterne Zuweisung der Buchführung in der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft, die als selbständige Rechtsperson von der Persönlichkeit ihrer Gesellschafter zu trennen ist, zu erklären, muss vielmehr auf den allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz zurückgegriffen werden, der hinter den §§91 AktG, 33 GenG, 41 GmbHG steht. Und dies ist eben derjenige, dass die verbandsinterne Pflicht zur Führung der Handelsbücher dem Geschäftsführungsorgan zugewiesen ist. Das sind in der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft aber nur die geschäftsführenden Gesellschafter. Aus den §§ 238 ff. HGB, insbesondere § 245 HGB folgt nichts anderes. Denn diese Vorschriften geben für die verbandsinterne Zuweisung der Erfüllung der Buchführungspflicht nichts her; sie setzen sie allenfalls voraus. Vor diesem Hintergrund erledigt sich auch das zweite Argument, dass für eine Buchführungspflicht der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter vorgebracht wird. Natürlich ist die handelsrechtliche Buchführungspflicht eine öffentlich-rechtliche Pflicht 575 , die die Handelsgesellschaft zwingend trifft. Auch mag die verbandsinterne Zuweisung an die Geschäftsführungsorgane zwingend sein und deshalb nicht durch privatautonome Vereinbarung zur Seite geschoben werden können. Daraus folgt, was unstreitig ist, dass die geschäftsführenden Gesellschafter untereinander keine Geschäftsverteilung beschließen können, die einzelne Geschäftsführer von ihrer Verantwortung für die Buchführung befreit 576 . Aber auch dieser zwingende Charakter der verbandsinternen Zuweisung knüpft an die im Gesellschaftsvertrag institutionalisierte Handlungsverfassung der Gesellschaft, insoweit ein privatautonomer, organisatorischer Akt, an. Ist ein Gesellschafter gem. § 114 Abs. 2 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen, also kein Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft, wird er gar nicht erst von der Geschäftsführungspflicht betroffen. Darin liegt keine unwirksame privatautonome Vereinbarung, durch die eine bestehende - öffentlich-rechtliche Pflicht - ausgeschlossen werden soll, sondern ein organisatorischer Akt im Vorfeld dieser Pflicht, die erst auf einer zweiten Ebene an das organisatorisch Vorgefundene anknüpft. Das gewonnene Ergebnis lässt sich auch mit einem Blick auf die verbandsinteme Verantwortung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Verbandes stützen. Gem. § 34 Abs. 1 AO 1977 obliegt die Verantwortlichkeit den Geschäftsführern, also den geschäftsführenden Gesellschaftern. Gem. § 34 Abs. 2 AO 1977 sind bei Vorhandensein von Geschäftsführern die übrigen Gesellschafter, gleichgültig ob Komplementär oder Kommanditist, von der Verantwortung befreit (vgl. unten) 577 .

575 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 238, Rdnr. 4. 576 Vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 238, Rdnr. 8; Hüffer m Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 238, Rdnr. 21; Heymann -Jung, HGB, 5. Auflage, § 238, Rdnr. 12. 577 Vgl. auch: Koch / Scholtz-//c#razAw, AO, 5. Auflage, 1996, § 34, Rdnr. 6, 8.

§ 19 Atypische Handlungsverfassung und die Erfüllung gesetzlicher Pflichten

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Festgehalten werden kann, dass der von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter von seiner Verantwortlichkeit für die Buchführungspflicht frei wird. Diese folgt vielmehr der organschaftlichen Geschäftsführung. Lässt man zu, dass die Gesellschaft fremdorganschaftlich verfasst wird und allen Gesellschaftern die Geschäftsführungsbefugnis genommen wird 5 7 8 , geht die Buchführungsverantwortung als Annex der Geschäftsführung auf die konkreten (Fremd-)Geschäftsführer über: ist Geschäftsführung und die ihr folgende Buchführungspflicht einem abstrakten Organ zugewiesen, so trifft die Verantwortlichkeit den konkreten Organwalter. Diese Position lässt sich für die offene Handelsgesellschaft und KG ohne weiteres einnehmen, da eine besondere Vorschrift, die die verbandsinterne Buchführung in diesen Gesellschaftsformen ordnet, fehlt. Dies bestätigt aber auch ein Blick auf den geschäftsführenden Kommanditisten.

II. Der (ausschließlich) geschäftsführende Kommanditist

Ging es eben um die Frage, ob der von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter von der Verantwortung für die Erfüllung der die Gesellschaft treffende Buchführungspflicht befreit ist, geht es nun um die entgegengesetzte Frage, ob den geschäftsführenden Kommanditisten die Verantwortung für die Erfüllung der Buchführungspflicht der Kommanditgesellschaft treffen kann. Dies wird allgemein abgelehnt579. Aber dem kann nicht beigepflichtet werden. Dass den Kommanditisten die verbandsinterne Verantwortung grundsätzlich nicht trifft, ist nach dem Gesagten klar. Gem. § 163 S. 1 HS 1 HGB ist der Kommanditist im Regelfall von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Der Kommanditist ist in der gesetzestypischen Kommanditgesellschaft kein Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft. Als Konsequenz folgt daraus, dass ihn die Buchführungspflicht nicht trifft. Anders aber, wenn dem Kommanditisten durch den Gesellschaftsvertrag die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis zugewiesen ist. Der Kommanditist ist nunmehr Geschäftsführungsorgan. Die Geschäftsführung kann sogar ausschließlich dem Kommanditisten, d. h. unter dem - was anerkanntermaßen möglich ist - völligen Ausschluss der persönlich haftenden Gesellschafter, zugewiesen werden 580 . Da es an einer Vorschrift fehlt, die die verbandsinterne Zuweisung der Buchführungspflicht in der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft regelt, ist auf die allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen. Die Buchführung ist an die Geschäftsführung gekoppelt. Das bedeutet, dass den geschäftsführenden Kommanditisten die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Buchführungspflicht trifft. 578 Wenn man die Möglichkeit einer fremdorganschaftlichen Handlungsorganisation zulässt, können auch alle Gesellschafter von der organschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen werden (vgl. RGZ 74, 297 (300 f.), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: 179/10). 579 Hüffer in Großkommentar HGB, 4. Auflage, § 238, Rdnr. 22. 580 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 163, Rdnr. 7.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

Eine grundsätzlich nicht verantwortliche Person kann also durch die Zuweisung organschaftlicher Geschäftsführungsbefugnis mit der verbandsinternen Buchführungspflicht belastet werde, unter Entlastung der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter. Daraus kann Honig gesaugt werden. Hinsichtlich der Buchführungspflicht ist somit festzuhalten: durch Entzug der Geschäftsführungsbefugnis können die persönlich haftenden Gesellschafter von der ΒuchführungsVerantwortung befreit werden. Diese geht mit der Zuweisung der organschaftlichen Geschäftsführungskompetenz vielmehr auf das neue Geschäftsführungsorgan über. Für die Konstellation einer entsprechend den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft bedeutet dies, dass die Gesellschafter von der Verantwortlichkeit frei werden. Die Pflicht trifft das Geschäftsführungsorgan bzw. genauer dessen Organwalter.

III. Die verbandsinterne Verantwortung für die Erfüllung steuerlicher Pflichten durch den Verband

Ein kurzer Blick soll auf die abgabenrechtliche Seite geworfen werden. In zahlreichen Fällen sind Gesellschaften Subjekt steuerlicher Pflichten 581 . Die Rechtsordnung hat ein legitimes Interesse daran, die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaften sicherzustellen. Dies geschieht in der bekannten Weise dadurch, dass für bestimmte, in der Verbandsorganisation integrierte, Personen die eigene (steuerliche) Pflicht begründet wird, die steuerliche Pflicht des Verbandes zu erfüllen 5 8 2 . Die Erfüllung der den Verband treffenden, im öffentlichen Interesse stehenden Pflichten wird durch gesetzliche Zuweisung an ein bestimmtes Verbandsorgan sichergestellt. Dies geschieht im Abgabenrecht durch die Vorschriften des § 34 Abs. 1, Abs. 2 AO 1977 583 . Adressat der verbandsinternen Zuweisung ist gem. § 34 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich das Geschäftsführungsorgan. Die Zuweisung ist aufgrund der sachlichen Nähe gerechtfertigt. § 34 AO 1977. Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter. gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

581 Vgl. § 33 AO 1977. 582 Hübschmann / Hepp / Spitaler-Ztoefce/; AO/FGO, 10 Auflage, § 34, Rdnr. 6; Tipke/ Kruse, AO/FGO, 93. Lieferung (16. Auflage), § 34, Rdnr. 1; Schwarz, AO, 11. Auflage, § 34, Rdnr. 1. Vgl. auch RFHE 11, 300 (302), Urt. v. 21. 02. 1923, Az: IVa A 7/23; RFHE 16, 322 (326), Urt. v. 22. 06. 1925, Az: I V A 90/25. 583 § 34 AO 1977 regelt die Verantwortlichkeit der Gesellschaftsorgane; § 35 AO 1977 regelt die Verantwortlichkeit, die unter bestimmten Voraussetzungen rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte treffen kann.

(1) Die

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(2) Soweit nichtrechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten....

(3)·.. § 34 Abs. 1 AO 1977 weist innerhalb der verbandsinternen Organisationsverfassung die Verantwortlichkeit, die steuerlichen Pflichten des Verbands zu erfüllen, dem Geschäftsführungsorgan zu. Die Gesetzesvorschrift ist aus heutiger Sicht unglücklich gefasst: die Handlungsorgane der (klassischen) juristischen Personen 584 werden unpassend, aber in Anlehnung an § 26 Abs. 2 S. 1 HS 1 BGB als „gesetzliche Vertreter" bezeichnet. Und auch der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung im Recht der „Gesamthandsgesellschaften" hinkt die Vorschrift hinterher, wenn diesbezüglich in Abs. 1 S. 1 Alt. 2, Abs. 2 S. 1 von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen 5* 5 die Rede ist. Heute weiß man, dass die BGB-Gesellschaft, die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft, die Partnerschaftsgesellschaft und die Partenreederei und der nicht eingetragene oder konzessionierte Verein rechtsfähige Verbände sind 586 . Die Abgabenordnung von 1977 war noch nicht soweit, das anzuerkennen, und spricht in § 267 AO 1977 von juristischen Personen ähnlichen Gebilden 587 . Auf diesem Erkenntnisrückstand fußt auch die Regelung des § 34 Abs. 2 S. 1 AO 1977, die sich wohl nur dadurch erklären lässt, dass die Gesellschafter in bester Manier der tradierten Gesamthandslehre als die wahren Träger des Verbands Vermögens angesehen wurden. § 34 Abs. 1 AO 1977 differenziert in seiner überkommenen Terminologie zwischen den gesetzlichen Vertretern juristischer Personen (Abs. 1 S. 1 Alt. 1) und den Geschäftsführern nicht rechtsfähiger Personenverbände (Abs. 1 S. 1 Alt. 2): die Aktiengesellschaft, die GmbH, die eingetragene Genossenschaft und der eingetragene Verein, ebenso wie die Kommanditgesellschaft auf Aktien fallen als die tradierten juristischen Personen unter § 34 Abs. 1 Satz. 1 Alt. 1 AO 1977. Die Verantwortung (vgl. § 69 AO 1977) für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft ist „verbandsintern" 588 den Geschäftsführungsorganen, also dem Vorstand, dem Geschäftsführer oder bei der KGaA dem persönlich haftenden Gesellschafter zugewiesen. Unklar ist die Vorschrift hinsichtlich ihrer Regelung für die tradierten Gesamthandsgesellschaften, § 34 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, Abs. 2 S. 1 AO 1977. Nach Abs. 1 584 Damit meint das Gesetz: AG, GmbH, KGaA, eG, eV (Schwarz, AO, 11. Auflage, § 34, Rdnr. 7). 585 Damit sind gemeint : GbR, oHG, KG, PartG, Partenreederei (Schwarz, AO, 11. Auflage, § 34, Rdnr. 8). 586 Vgl. nur BGH, ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00. 587 Vgl. aber heute § 14 Abs. 2 BGB. 588 Es ist aber zu beachten, dass es sich hierbei um eine eigenständige steuerliche Pflicht der zuständigen Personen handelt (Tipke/Kruse, AO/FGO, 93. Lieferung (16. Auflage), § 34, Rdnr. 1).

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

haben die Geschäftsführer nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen - also: BGB-Gesellschaft, nicht eingetragener oder konzessionierter Verein, oHG, Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Partenreederei - die steuerlichen Pflichten des Verbandes zu erfüllen. Nach Abs. 2 S. 1 der Vorschrift haben in Ermangelung eines Geschäftsführers die Mitglieder oder Gesellschafter die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Für das systematische Verhältnis der beiden Vorschriften heißt das: Abs. 1 schließt bei Vorhandensein eines Geschäftsführers die Verantwortung der Verbandsmitglieder nach Abs. 2 aus 589 , oder anders formuliert: die Verantwortung der Gesellschafter lebt erst dann auf, wenn die Gesellschaft ohne Geschäftsführer ist. Für die gesetzestypische oder im Rahmen des Organisationsprinzips der Selbstorganschaft modifizierte BGB-Gesellschaft, offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft wirft Abs. 2 Rätsel auf. Denn eine solche Gesellschaft kann, wie bereits gesehen, nicht ohne Handlungsorgan, also Geschäftsführer iSd § 34 AO 1977, sein. Notfalls lebt immer die Gesamtvertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafter wieder auf. Und auch bei Gesamtgeschäftsführung trifft jedes einzelne Geschäftsführungsorgan die volle steuerliche Verantwortlichkeit 590. Wer Geschäftsführer, also das geschäftsführende Organ der Gesellschaft ist, bestimmt sich nach der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag 591. Dabei ist zu bemerken, dass die Vorschrift des § 34 AO 1977 sich ausschließlich auf den organschaftlichen Geschäftsführer bezieht; rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte werden nur unter den Voraussetzungen des § 35 AO 1977 steuerpflichtig 592. Geschäftsführer bei der gesetzestypisch verfassten offenen Handelsgesellschaft sind alle Gesellschafter (§ 114 Abs. 1 HGB). Jedem Gesellschafter ist die (Einzel-)Geschäftsführungsbefugnis zugewiesen. Jedes Geschäftsführungsorgan trifft die Verantwortung, für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten durch die Gesellschaft Sorge zu tragen 5 9 3 . Das ergibt sich zwanglos aus § 34 Abs. 1 Alt. 2 AO 1977. Ebenso sind bei der Kommanditgesellschaft die Komplementäre als die geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter die Geschäftsführungsorgane und damit als Geschäftsführer für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft verantwortlich. Sind Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen, sind sie nicht für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft verantwortlich. Dies folgt ein-

589 Schwarz, AO, 11. Auflage, § 34, Rdnr. 8; Klein-Rüsken, AO, 7. Auflage, 2000, § 34, Rdnr. 19. 590 Für den nur gesamtgeschäftsführungsberechtigten GmbH-Geschäftsführer: BFH/NV 1992, 785 (786), Urt. v. 12. 05. 1992, Az: V I I R 52/91; BFH/NV 1991, 641 (643), Urt. v. 13. 11. 1990, Az: V I I R 96/98; vgl. auch: BFH/NV 1996, 3 (4), Urt. v. 30. 06. 1995, Az: VII R 87/94. 591 Schwarz, AO, 11. Auflage, § 34, Rdnr. 8; Tipke/Kruse, AO/FGO, 93. Lieferung (16. Auflage), § 34, Rdnr. 8a. 592 Schwarz, AO, 11. Auflage, § 34, Rdnr. 2. Rechtsgeschäftlich bestellte Bevollmächtigte fallen allenfalls unter bestimmten Bedingungen unter § 35 AO 1977. 593 Klein-Rüsken, AO, 7. Auflage, 2000, § 34, Rdnr. 8.

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deutig aus § 34 Abs. 2 AO 1977. Das gleiche gilt grundsätzlich für die BGB-Gesellschaft. In der BGB-Gesellschaft ist die organschaftliche Geschäftsführung gem. § 709 BGB allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zugewiesen, d. h. alle Gesellschafter tragen die Verantwortung für die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft. Der Bundesfinanzhof stellt in diesem Fall, da nicht gem. § 710 BGB die Geschäftsführung auf einen einzelnen Gesellschafter übertragen wurde, auf den Fall des § 34 Abs. 2 AO 1977 ab 5 9 4 . Das ist unzutreffend. Auch eine BGB-Gesellschaft, die nicht abweichend von § 709 BGB gem. § 710 die Geschäftsführung ausschließlich einem Gesellschafter zugewiesen hat, hat Geschäftsführungsorgane, bzw., um in der Terminologie des § 34 AO 1977 zu bleiben, ihre Geschäftsführer: eben alle Gesellschafter, denen die Geschäftsführung gemeinschaftlich zugewiesen ist. Die Verantwortung jedes einzelnen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter folgt daher bereits § 34 Abs. 1 AO 1977. Dass die Gesellschafter nur gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugt sind (Gesamtgeschäftsführung), steht der Verantwortung jedes einzelnen Gesellschafters ebenso wenig entgegen, wie der Verantwortlichkeit eines nicht allein, sondern nur mit einem anderen gesamtgeschäftsführungsbefugten GmbH-Geschäftsführers 595.

Vor diesem Hintergrund kommt der Norm des § 34 Abs. 2 S. 1 AO 1977 im Bereich der Personengesellschaften nicht die Bedeutung zu, die Verantwortung der Gesellschafter zu begründen. Diese folgt stets bereits aus Abs. 1 S. 1 Alt. 2: denn eine Personengesellschaft hat, sofern sie nicht aufgelöst ist, immer einen geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter. Sie stellt vielmehr klar, dass von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter, die keine Handlungsorgane des Verbandes sind, für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft nicht verantwortlich sind. Das bedeutet für von der gesetzestypischen Handlungsverfassung abweichende Organisationsgestaltungen: ist innerhalb einer offene Handelsgesellschaft die Geschäftsführung ausschließlich einigen Gesellschaftern zugewiesen (§ 114 Abs. 2 HGB), sind also die anderen von der Geschäftsführung ausgeschlossen, so trifft die steuerliche Verantwortlichkeit nur die geschäftsführenden Gesellschafter (§ 34 Abs. 1 AO 1977); alle anderen trifft die steuerliche Verantwortung für die steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft nicht. Das ergibt sich eindeutig aus § 34 Abs. 2 S. 1 AO 1977. Für die atypisch modifizierte Kommanditgesellschaft, in der die Geschäftsführung einem Kommanditisten - auch ausschließlich - zugewiesen ist 5 9 6 , bringt das mit: der geschäftsführende Kommanditist als Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft unterfällt der steuerlichen Pflicht des § 34 Abs. 1 AO 1977. Zugunsten der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter, gleich ob Komplementär oder Kommanditist, greift dagegen § 34 Abs. 2 S. 1 AO 1977. 594 BFH, in: BStBl. II 1996, 256 (258), Urt. v. 08. 11. 1995, Az: V R 64/94; dem folgend: Klein-Rüsken, AO, 7. Auflage, 2000, § 34, Rdnr. 19. 595 Für den nur gesamtgeschäftsführungsberechtigten GmbH-Geschäftsführer: BFH/NV 1992, 785 (786), Urt. v. 12. 05. 1992, Az: VII R 52/91; BFH/NV 1991, 641 (643), Urt. v. 13. 11. 1990, Az: VII R 96/98; vgl. auch: BFH/NV 1996, 3 (4), Urt. v. 30. 06. 1995, Az: VII R 87/94. 596 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 164, Rdnr. 7.

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Dass dem geschäftsführenden Kommanditisten - unter Umständen - die organschaftliche Vertretungskompetenz fehlt (vgl. § 170 HGB), ändert an diesem Befund nichts. Der Bundesfinanzhof hat zu § 34 AO 1977 entschieden: „Die Verpflichtung zur Zahlung der Steuern und steuerlicher Nebenleistungen an das FA betrifft aber einen tatsächlichen Vorgang, der von der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers nicht berührt wird" 5 9 7 . Zudem ist es Aufgabe des Geschäftsführungsorgans, gegebenenfalls das Vertretungsorgan anzuweisen, die notwendigen Schritte zu unternehmen 598.

Eigenständige Bedeutung kann die Vorschrift des § 34 Abs. 2 AO 1977 im Falle des nicht eingetragenen oder konzessionierten Vereins 599 oder sonst einer entsprechend dem Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung verfassten BGBGesellschaft, offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft bekommen. Die organschaftliche Geschäftsführung im Verein obliegt nicht mehr den Gesellschaftern, sondern ist auf Ebene der abstrakten Handlungsverfassung dem Vorstand oder einem anderen abstrakten Handlungsorgan zugewiesen. Auf Ebene der konkreten Handlungsverfassung findet die Willensbildung im Vorstand durch die Vorstandsmitglieder statt. Hier kann nun in der Tat der Fall eintreten, dass durch Wegfall der konkreten Handlungsverfassung (zB durch Tod des Vorstandsmitglieds) ein Geschäftsführer nicht mehr vorhanden ist, der Verband also wegen Verlustes seiner konkreten Handlungsverfassung bis zur Neubestellung handlungsunfähig ist. Ob dies wirklich, wie die Vorschrift nahe legt, zur Folge hat, dass nunmehr die steuerliche Pflicht der Mitglieder auflebt, kann hier eigentlich auf sich beruhen. Denn zumindest solange, wie der Vorstand oder ein anderes Geschäftsführungsorgan in handlungsfähiger Zahl besetzt ist, kommt ein Übergang der steuerlichen Verantwortlichkeit auf die Mitglieder nicht in Betracht. Demnach kann schon an dieser Stelle resümiert werden: bei der fremdorganschaftlich organisierten Gesellschaft treffen die Mitglieder grundsätzlich keine steuerlichen Pflichten. Dies muss aber auch dann der Fall sein, wenn die konkrete Handlungsverfassung in Form der Vorstandsmitglieder oder sonstiger Geschäftsführer wegfällt. Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 AO 1977 hat, wie schon der Blick auf die vorgehenden Bestimmung in §§ 105 Abs. 1, Abs. 2 RAO, 86 Abs. 1, Abs. 3 RAO 1919 zeigt, auch den nicht eingetragenen Verein im Blick. Doch ist der Gerechtigkeitsgehalt nicht unzweifelhaft. Ein nicht eingetragener Verein kann eine sehr große Mitgliederzahl haben (zB Parteien oder Gewerkschaften). Hier jedem einzelnen Mitglied eine Steuerpflicht auferlegen zu wollen, ist wirklichkeitsfremd und widerspricht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Vorschrift erklärt sich einzig aus der heute überholten tradierten Gesamthandslehre, die in den Gesellschaftern, nicht in der Gesellschaft den wahren Unternehmensträger sah.

597 BFH/NV 1996, 3 (4), Urt. v. 30. 06. 1995, Az: V I I R 87/94 für den nur gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer einer GmbH. 598 BFH/NV 1996, 3 (4), Urt. v. 30. 06. 1995, Az: V I I R 87/94. 599 Also des Falls einer körperschaftlich verfassten Gesellschaft iSd §§ 54 S. 1, 705 ff. BGB (105 ff. HGB).

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Zudem verstößt § 34 Abs. 2 AO 1977 in seiner derzeitigen Handhabung gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Hier wird nämlich grundlos Gleiches ungleich behandelt. Mittlerweile ist geklärt, dass auch der nicht eingetragene oder konzessionierte Verein rechtsfähig ist 6 0 0 . Ebenso wie der eingetragene Verein oder die Aktiengesellschaft ist er juristische Person. Der Unterschied zwischen nicht eingetragenem Verein und den Verbänden, die unter den Begriff der „juristischen Person" iSd § 34 Abs. 1 AO 1977 gefasst werden, ist die Eintragung 601 . Dieser mag auf der Ebene der Gesellschafterhaftung eine Rolle spielen, aber doch nicht im Rahmen der verbandsinternen Pflicht, für die Erfüllung der Steuerverpflichtungen des Verbandes zu sorgen. Der Fall, dass in Verbänden mit abstrakten Handlungsorganen die konkrete Handlungsverfassung wegfällt, kann sowohl im nicht eingetragenen wie im eingetragenen Verein oder der Aktiengesellschaft eintreten. Und dennoch ordnet hier § 34 Abs. 2 AO 1977 keine Steuerpflichtigkeit der Gesellschafter an, obwohl die Gesellschaft ebenso ohne „gesetzlichen Vertreter" dasteht. Die verfassungskonforme Lösung kann nur lauten, entweder Abs. 2 auch auf die tradierten juristischen Personen anzuwenden602. Doch dass ist, wie der Blick auf die Massengesellschaft Aktiengesellschaft zeigt, wirklichkeitsfremd. Oder aber, Abs. 2 überhaupt nicht anzuwenden. Dies mag wenig befriedigend sein, wenn die „kopflose" Gesellschaft nicht damit nachkommt, neue Vorstandsmitglieder zu bestellen und so die konkrete Handlungsverfassung wiederherzustellen. Aber zum einen besteht die Möglichkeit gem. § 29 BGB, 85 AktG (analog) die konkrete Handlungsverfassung wiederherzustellen. Man kann sich in diesem Zusammenhang auch der Vorschrift § 105 Abs. 3 RAO erinnern 603 . Zum anderen ist ein Gesellschafter, der ohne förmlich zum Geschäftsführer bestellt zu sein, faktisch nach außen wie ein Geschäftsführer auftritt (sog. faktisches Organ) gem. § 35 AO 1977 für die Erfüllung der Steuerpflicht durch die Gesellschaft verpflichtet. Der Fall des Wegfalls der konkreten Handlungsorganisation kann natürlich, sofern man diesen Fall anerkennt, auch dann eintreten, wenn man eine fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft oder KG mit personalistischem Gesellschafterzuschnitt zulässt. Hier sind die gefühlsmäßigen Bedenken weniger stark ausgeprägt, gem. § 34 Abs. 2 AO 1977 eine Verantwortung aller Gesellschafter zu bejahen. Aber auch hier ist auf die nicht 600 BGH, ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00 für die GbR. Die Grundsätze des Urteils gelten auch für den „nicht rechtsfähigen" Verein (vgl. Κ . Schmidt, NJW 2001, 993 (1002 f.). 601 Aber selbst dieser Unterschied besteht nicht durchgehend, da auch die oHG oder KG einzutragen sind. Auch in Hinblick auf die Haftung kann kein Unterschied zwischen beiden Gruppen gefunden werden: in der KGaA haften die Komplementäre, im nicht eingetragenen Idealverein niemand. Dasselbe gilt, wenn man auf den wirtschaftlichen Zweck abstellt. Beide Gruppen sind heterogen. 602 Mit Ausnahme der KGaA. Wegen der identischen Handlungsverfassung mit oHG und KG gilt das zu diesen gesagte: eine KGaA kann nie ohne Geschäftsführungsorgan dastehen, oder sie wird aufgelöst mangels persönlich haftendem Gesellschafter. 603

§ 105 Abs. 3 RAO wurde nicht in die AO 1977 übernommen, weil man es als ausreichend empfand, dass sich die Finanzbehörde gem. § 34 Abs. 2 AO 1977 an jedes Mitglied halten könne (vgl. BT-Drucksache VI/1982, S. 111). § 105 Abs. 3 RAO lautete: Entstehen dadurch Schwierigkeiten, daß es in den Fällen der ersten beiden Absätze (entsprechen weitgehend § 34 Abs. 1, Abs. 2 AO 1977) an Vorständen oder Geschäftsführern fehlt und Beteiligte in größerer Zahl vorhanden sind, so haben die Beteiligten einen oder mehrere Bevollmächtigte im Inland zu bestellen. Unterlassen sie dies, so kann das Finanzamt einen oder einzelne Beteiligte als Bevollmächtigte für die Gesamtheit behandeln.

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

gerechtfertigte Ungleichbehandlung zur personalistischen GmbH zu verweisen. Weder in der Eintragung noch in der verschiedenen Haftungsverfassung kann ein die Differenzierung rechtfertigender Grund erblickt werden. Um das Dilemma zu lösen, bieten sich die bereits genannten Wege an: entweder man subsumiert nunmehr auch die tradierten Gesamthandsgesellschaften unter den Begriff der juristischen Person iSd § 34 Abs. 1 AO 1977 oder aber man wendet Abs. 2 der Vorschrift auf diese nicht an.

Festgehalten werden kann Folgendes: Die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter trifft keine Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft. Dies gilt auf jeden Fall, solange ein besetztes Handlungsorgan vorliegt, § 34 Abs. 2 AO 1977. Die steuerliche Pflicht trifft dann vielmehr den (Fremd-)Geschäftsführer, § 34 Abs. 1 AO 1977. Wegen seiner neutralen Formulierung kann § 34 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AO 1977 ohne weiteres auf das Fremdorgan angewandt werden, wenn man sich nicht sogar dazu entschließt, ihn unter die 1. Alternative zu subsumieren. Die steuerliche Verantwortlichkeit jedenfalls steht einer Zulassung der Fremdorganschaft in Personengesellschaften nicht entgegen.

IV. Insolvenzantrag

Auch in Hinblick auf die Berechtigung, den Insolvenzantrag zu stellen, gibt es in der fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft keine Schwierigkeiten 604. Hinsichtlich der Berechtigung des Fremdorgans, einen Insolvenzantrag zu stellen, ergeben sich aufgrund § 15 Abs. 1 InsO, zu dessen Terminologie dasselbe zu bemerken ist, wie zu § 34 AO 1977, keine Schwierigkeiten. Antragsberechtigt sind bei allen Gesellschaften die Mitglieder des Vertretungsorgans. Das sind zB bei der Aktiengesellschaft die Vorstandsmitglieder, bei der GmbH die Geschäftsführer 605, bei der gesetzestypisch verfassten oHG oder Kommanditgesellschaft (auf Aktien) die persönlich haftenden Gesellschafter. Aber auch die Organwalter einer fremdorganschaftlich organisierten offenen Handelsgesellschaft (zB: nicht konzessionierter rechtsfähiger Verband) gehören hierher. Die Antragsberechtigung ist demnach dem Handlungsorgan zugewiesen. Eine besondere Antragsberechtigung hält § 15 Abs. 1 InsO aber noch für die persönlich haftenden Gesellschafter bereit. Diese können auch unabhängig von der Antragsberechtigung des Handlungsorgans einen Insolvenzantrag stellen. Der Gerechtigkeitsgehalt erschließt sich sofort, wenn man das besondere Haftungsrisiko der persönlich haftenden Gesellschafter und deren durch Insolvenz schwindende 604 Eine Pflicht, den Antrag zu stellen, gibt es in der oHG und KG grundsätzlich nicht; Ausnahme: §§ 130a, 177a HGB; vgl. Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage, 1999, § 15, Rdnr. 3. 605 Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 1999, § 15, Rdnr. 5.

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Rückgriffsmöglichkeit auf das Verbandsvermögen bedenkt. Demnach können auch in einer fremdorganschaftlich verfassten Gesellschaft die persönlich haftenden Gesellschafter den Insolvenzantrag stellen: also in der Partenreederei mit bestelltem Korrespondentreeder, im nicht konzessionierten wirtschaftlichen Verein oder der personalistisch, aber fremdorganschaftlich verfassten offenen Handelsgesellschaft sind die haftenden Gesellschafter antragsberechtigt 606.

C. Berührungspunkte mit der Lehre vom fehlerhaften Organ Durch die fremdorganschaftliche Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft wird die Geschäftsführung einem abstrakten Handlungsorgan zugewiesen. Die verbandsinterne Verpflichtung, die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sicherzustellen, trifft nunmehr die Organ waiter des Geschäftsführungsorgans. Die persönlich haftenden Gesellschafter werden von ihrer Verantwortung frei. Im Folgenden soll die Lehre vom faktischen Organ mit Blick darauf durchgesehen werden, ob aus ihr etwas Abweichendes für die vorliegende Fragestellung folgen könnte. Dies ist gerade mit Blick darauf geboten, dass es der Lehre vom faktischen Organ ausschließlich darum geht, die Verantwortlichkeit des faktischen Organs neben dem formell Verpflichteten zu begründen, sie also keine Wanderbewegung der Verantwortung weg vom nominell Verpflichteten hin zum faktischen Geschäftsführer kennt 607 . Eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Konstellation der fremdorganisatorisch verfassten Personengesellschaft hätte zur Folge, dass die grundsätzlich verantwortlichen Gesellschafter trotz der Errichtung eines Handlungsorgans und der Bestellung von Geschäftsführern nicht von ihren Pflichten frei würden. Um die praktischen Grundsätze und Aussagen der Lehre vom faktischen Organ überblicken zu können, ist es unumgänglich, in einer knapp gehaltenen und auf das notwendige reduzierten Darstellung die Entwicklung dieser Lehre in der Rechtsprechung zu rekapitulieren. Denn die Lehre vom faktischen Organ ist sowohl in ihren Voraussetzungen wie in ihren Rechtsfolgen unklar 608 . Vom faktischen Organ wird in Rechtsprechung und Literatur gesprochen, wenn (a) das Verhalten einer nicht ordnungsgemäß zum Organwalter (Vorstandsmitglied, Geschäftsführer) bestellten Person dem Verband zugeordnet werden soll oder wenn (b) eine Person wie ein Organwalter zur Verantwortung gezogen wer-

606 Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 1999, § 15, Rdnr. 7; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage, 1999, § 15, Rdnr. 6. 607 Scholz-Tiedemann, GmbHG, 8. Auflage, 1995, § 84, Rdnr. 30; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 4 b = S. 426; BFH/NV 1995, 941 (942), Urt. v. 07. 03. 1995, Az: VII Β 172/94. 608 Weimar, GmbHR 1997, 473 (474); Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 197.

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den s o l l 6 0 9 , die dies - mangels nominellen Bestellungsakts - nicht i s t 6 1 0 . Es ist also zwischen zwei Anwendungsfällen zu unterschieden 611 : einmal, dass der Organwalter schlicht und einfach nur fehlerhaft bestellt wurde; zum anderen, dass ein „Nichtorgan" auf die Gesellschaft wie ein Organ Einfluss nimmt, obwohl kein, wenn auch fehlerhafter Bestellungsakt des zuständigen Bestellungsorgans vorliegt. Da beide Fallkonstellationen sich in ihren Ausgangslagen wesentlich unterscheiden 6 1 2 , soll hier nur i m letztgenannten Fall vom faktischen Organ gesprochen werden 6 1 3 . Vom erstgenannte Fall wird i m Folgenden unter dem Stichwort des fehlerhaft bestellten Organs gesprochen werden. Der Fall eines förmlich, aber fehlerhaft bestellten Organs ist schnell geschehen: zwar sollte die betreffende Person zum Organwalter bestellt werden, aber aus irgendwelchen Gründen, zB wegen eines Mangels in der Beschlussfassung des Bestellungsorgans, ist die Bestellung fehlerhaft. Ein faktisches Organ hingegen liegt vor, wenn jemand ohne förmliche Bestellung und ausdrückliche Zuweisung von organschaftlichen Kompetenzen sich tatsächlich „faktisch" wie ein Geschäftsführer geriert. Dies ist der Fall, wenn ein übermächtiger Gesellschafter ohne zum Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied bestellt worden zu sein, bei „faktischer" Betrachtung die Geschäfte der Gesellschaft führt. So liegt es insbesondere, wenn der nominell vorgeschickte Geschäftsführer nur ein Strohmann ist, um die Bestimmungen der §§ 6 Abs. 2 GmbHG, 76 Abs. 3 AktG zu umgehen. Das Vorhandensein eines faktischen Organs entlastet nicht die ordnungsgemäß bestellten Organe von ihrer Verantwortlichkeit, und das sowohl der Gesellschaft (§§ 43, 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG) als auch Dritten gegenüber (§§ 823 Abs. 2 BGB, 64 GmbHG) 614 .

I. Die Rechtsprechung zum fehlerhaft bestellten Organ Schon sehr früh sah sich die Strafgerichtsbarkeit mit dem Problemkreis der fehlerhaften Bestellung konfrontiert. I m Jahre 1887 erstreckte RGSt 16, 2 6 9 6 1 5 Strafvorschriften (Bankrottstrafrecht), die sich ihrem Wortlaut nach ganz allgemein auf „Vorstandsmitglieder" bezogen, auf fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglieder 616 :

6

°9 Es geht so meist um Strafbarkeit nach den heutigen §§ 64, 84 GmbHG oder einer zivilrechtlichen Haftung nach § 43 GmbHG oder §§ 64 GmbHG, (130a, 177a HGB), gegebenenfalls gegenüber Dritten iVm § 823 Abs. 2 BGB. 610 κ. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 4 a = S. 425. 611 Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 198; vgl. auch Κ . Schmidt, FS-Rebmann, 1989, S. 419 (421), der drei Konstellationen unterscheidet, wenn er noch die Organeigenschaft in der „nichtigen" Gesellschaft unterscheidet, die hier aber nicht weiter interessiert (vgl. dazu RGSt 43, 407 (413 ff.), Urt. v. 03. 06. 1910, Az: V 58/10). 612 RGSt 71, 112 (113), Urt. v. 15.03. 1937, Az: 5 D 927/36. 613 Vgl. K. Schmidt, FS-Rebmann, 1989, S. 419 (424). 614 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 III 4 b = S. 426. 615 RGSt 16, 269, Urt. v. 14. 10. 1887, Az: IV 846/87; vgl. RGSt 43, 407 (413 ff.), Urt. v. 03. 06. 1910, Az: V 58/10 für die Vorstandsmitglieder einer mit einem Nichtigkeitsgrund behafteten Aktiengesellschaft.

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„Sie (Anm.: die Strafvorschrift) richtet sich insoweit gegen alle, welche in dem betreffenden Falle den Vorstand bildeten, beziehungsweise die rechtliche Stellung eines Vorstandsmitglieds thatsächlich einnahmen, und enthält nicht die geringste Andeutung dafür, daß etwa ein Mangel in der Wahl oder in der rechtlichen Qualifikation des betreffenden Mitglieds als Strafausschließungsgrund gelten oder zugelassen werden solle" 6 1 7 .

Der Handhabung des Reichsgerichts kann nur zugestimmt werden. Die Gleichsetzung des fehlerhaft bestellten Organs mit dem ordnungsgemäß bestellten Organ entspricht der Natur der Sache. Denn solange der Bestellungsmangel nicht bekannt ist, unterscheidet sich das fehlerhafte nicht von einem wirksamen Bestellungsverhältnis 618 , vgl. § 15 HGB. Der fehlerhaft bestellte Geschäftsführer ist aufgrund des organisatorischen Bestellungsaktes, dem trotz seiner Fehlerhaftigkeit die Wirksamkeit nicht zu versagen ist, Geschäftsführer der Gesellschaft geworden. Er hat die gleichen Rechte und aber auch die gleichen Pflichten wie ein ordnungsgemäßer Geschäftsführer. Man kann deshalb sagen: die Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ ist die auf organisatorischer Verfassungsebene fortgesetzte Lehre der fehlerhaften Gesellschaft. Da das fehlerhaft, aber doch wirksam bestellte Organ als Geschäftsführer die Geschicke des Verbandes lenkt, ist es nur konsequent, ihn ebenfalls unter die Strafvorschrift zu fassen 619. Ob aus Art. 103 Abs. 2 GG etwas anders folgert, kann offen bleiben. Auch im Bereich des Privatrechts wurde die Haftung auf fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer ausgedehnt. Zunächst begründete das Reichsgericht diese Haftung für den fehlerhaft bestellten Geschäftsführer einer GmbH mit einer Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag 620; später (RGZ 152, 273) rückte es von dieser Begründung ab und konstruierte die Haftung über einen stillschweigend geschlossenen Vertrag zwischen Gesellschaft und dem fehlerhaft bestellten Organwalter 621. Gerade der zweite Begründungsansatz ist von der teilw. heute noch nicht überwundenen Anschauung geprägt, dass die „organschaftliche" Haftung (zB §§43 GmbHG, 93 AktG) eine vertragliche Haftung darstellt. Erkennt man aber, dass die gesellschaftsrechtliche Haftung an die Organstellung anknüpft, bedarf es des Versuchs der Begründung eines Vertragsverhältnisses nicht. Die Haftung folgt aus der Organstellung. Und diese ist auch bei unwirksamer Bestellung gegeben.

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Im konkreten Fall ging es um ein für den Verband tätig gewordenes Vorstandsmitglied einer eingetragenen Genossenschaft, dessen Bestellung wegen seiner fehlenden Mitgliedschaft in der Genossenschaft (§ 9 GenG) fehlerhaft war. Diese Rechtsprechung wurde in RGSt 64, 81 (84), Urt. v. 06. 02. 1930, Az: II 22/29 auf das fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ausgedehnt. 617 RGSt 16, 269 (270 f.), Urt. v. 14. 10. 1887, Az: IV 846/87. 618 Vgl. Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 115 f. 619 RGSt 16, 269 (271), Urt. v. 14. 10. 1887, Az: IV 846/87. 620 RG, in: Recht 1909 Nr. 2938, Urt. v. 02. 07. 1909, Az: I I 630/08. 621 RGZ 152, 273 (277 f.), Urt. v. 09. 10. 1936, Az: II 43/36.

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Für die hier verfolgte Frage der abweichenden gesellschaftsvertraglichen Kompetenzordnung durch einen Wechsel des Organisationsprinzips gibt die Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ nichts her. Die Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ setzt eine bestehende Kompetenzordnung auf Ebene der abstrakten Handlungsverfassung voraus. Sie greift erst auf der Ebene der konkreten Handlungsverfassung, wenn es darum geht, die Organe, denen die Kompetenzen zugewiesen wurden, zu besetzen. Mit den Folgen von Veränderung auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung beschäftigt sie sich nicht. Sie bleibt im intraorganisatorischen Bereich. Die Lehre vom fehlerhaften bestellten Organ ist aber im Rahmen ihres Aussagegehalts auf die fremdorganschaftlich verfasste Personengesellschaft übertragbar. Wurde ein abstraktes Handlungsorgan durch Kompetenzzuweisung geschaffen, doch der konkrete Organwalter fehlerhaft bestellt, so ist die Bestellung dennoch rechtswirksam. D.h. der fehlerhaft bestellte Geschäftsführer einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft muss für die Erfüllung der die Gesellschaft treffenden Pflichten einstehen. Für die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter erwächst aus der fehlerhaften Bestellung als solcher keine Verantwortlichkeit.

II. Die Rechtsprechung zum faktischen Organ

Mit dem Fall des faktischen Organs bekam es die Rechtsprechung - soweit ersichtlich - erst 1937 zu tun 6 2 2 . Der Entscheidung lag folgender, für diese Fallgestaltungen typischer Sachverhalt zugrunde: Förmlich lag die Geschäftsführung bei einer (wirksam zur Geschäftsführerin bestellten) alten Frau, die von der Geschäftsführung „nicht die geringste Ahnung hatte" und sich auch um die Vorgänge in und um die Gesellschaft nicht kümmerte; tatsächlich lag die Geschäftsführung allein in den Händen der (nicht bestellten) Angeklagten. Zwar lehnte es das Reichsgericht wohl ab, die einschlägigen Strafvorschriften der §§ 240 Abs. 1 Nr. 3 KO a.F. 623 , 83 GmbHG a.F. 624 auf den faktischen, aber nicht förmlich bestellten Geschäftsführer unmittelbar anzuwenden: es bemerkt, dass sich die hinsichtlich der Problematik des fehlerhaft bestellten Organ waiters ergangenen Entscheidungen RGSt 16, 269; 64, 81 vom vorliegenden Fall wesentlich unterscheiden und nicht ohne weiteres auf ihn übertragen werden können. Was den Angeklagten aber letztlich nicht viel 622 RGSt 71, 112, Urt. v. 15.03. 1937, Az: 5 D 927/36. 623 § 240 Abs. 1 Nr. KO a.F.: Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängnis bestraft, wenn sie Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, daß sie keine Ubersicht ihres Vermögenszustandes gewähren... 624 § 83 GmbHG a.F.. Die Strafvorschriften der §§ 239 bis 241 der Konkursordnung finden gegen die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche ihre Zahlungen eingestellt hat oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Anwendung, wenn sie in dieser Gesellschaft die mit Strafe bedrohte Handlung begangen haben.

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nützte. Nach Aufgabe des strafrechtlichen Analogieverbots durch § 2 StGB idF v. 28. Juni 1935 625 konnten die Angeklagten entsprechend dem in den §§ 83 GmbHG a.F., 240 KO a.F. zugrundeliegenden Gedanken verurteilt werden: „Es entspricht dem Grundgedanken des Gesetzes, daß in einem Falle wie dem vorliegenden die tatsächlichen Leiter der Gesellschaft, die deren Geschicke alleine bestimmt haben, dann zur Verantwortung gezogen werden ... Es würde dem gesunden Volksempfinden widersprechen, wenn die Angeklagten straflos ausgingen"626.

Nur ein Jahr später hatte das Reichsgericht ein weiteres Mal über eine ähnliche Fallkonstellation zu entscheiden, mit dem Unterschied, dass diesmal ein verantwortlicher Geschäftsführer vorhanden war 6 2 7 . Das Reichsgericht lehnte ab, den Angeklagten gem. §§ 84, 64 GmbHG zu verurteilen: „Ein Angestellter einer GmbH ist selbst dann nicht nach dem § 64 GmbHG verpflichtet, den Konkurs anzumelden (und daher für den Fall, daß er die Konkursanmeldung unterlässt, nicht nach dem § 84 GmbHG strafbar), wenn er tatsächlich - neben dem eingetragenen und verantwortlichen Geschäftsführer - die Stellung eines Geschäftsführers hat" 6 2 8 . Entscheidend stellte das Reichsgericht dabei auf den Gesichtspunkt ab, dass dem Angestellten die rechtlichen Möglichkeiten fehlten, entweder selbst Konkursantrag zu stellen oder aber doch auf den verantwortlichen Geschäftsführer dahingehend einzuwirken 629 . Heute zieht diese Argumentation nicht mehr. Man kann auch den umgekehrten Weg beschreiten. Das Insolvenzantragsrecht wird als Annex aus der Antragspflicht gefolgert 630 . Der Bundesgerichtshof verurteilte zum ersten Mal einen faktischen Geschäftsführer gem. §§ 83 GmbHG a.F., 239 KO a.F. in BGHSt 3 , 32 6 3 1 . Natürlich diesmal 625 § 2 StGB idF V. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs. Vom 28. Juni 1935 (RGBl. I 1935. 839): Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach dem gesunden Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf eine Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft. 626 RGSt 71, 112 (113), Urt. v. 15.03. 1937, Az: 5 D 927/36. 627 RGSt 72, 187 (191 f.), Urt. v. 23. 05. 1938, Az: 3 D 271/38. 628 RGSt 72, 187 Lt. 3, Urt. v. 23. 05. 1938, Az: 3 D 271/38. 629 RGSt 72, 187 (191 f.), Urt. v. 23. 05. 1938, Az: 3 D 271/38. Dazu: K. Schmidt, FSRebmann, 1989, S. 419 (434), der den Strafzweck nicht in der Versäumung des Konkursantrags, sondern in der Fortführung der Gesellschaft trotz bestehender Insolvenz sieht. Dagegen könne auch der faktische Geschäftsführer verstoßen, der das Unternehmen fortführe, auch wenn er als faktischer Geschäftsführer überhaupt nicht berechtigt sei, einen wirksamen Insolvenzantrag zu stellen. 630 HM: ZB Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage, 1999, § 15, Rdnr. 11: Der Antragspflicht korrespondiert zwangsläufig ein Antragsrecht, weil der Antragspflichtige ansonsten seiner Pflicht nicht nachkommen könnte. 631 BGHSt 3, 32 Lt. 2, Urt. v. 24. 06. 1952, Az: 1 StR 132/52. Der konkreten Entscheidung lag der Fall einer GmbH zugrunde. Der Mitangeklagte D war lediglich der formell bestellte (Strohmann)Geschäftsführer. Die Seele der Geschäfts, von der alle Dispositionen ausgingen und die auf sämtliche Geschäftsvorgänge bestimmenden Einfluss ausübte, war der nicht förmlich zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter K. 31 Bergmann

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ohne analoge, sondern in unmittelbarer Rechtsanwendung. Der B G H sprach a u s 6 3 2 : „Geschäftsführer ist auch, wer ohne förmlich dazu bestellt oder i m Handelsregister eingetragen zu sein, i m Einverständnis der Gesellschafter die Stellung eines Geschäftsführers tatsächlich einnimmt". Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung unter Hinweis auf die Entscheidungen des Reichsgerichts in RGSt 16, 269 und 64, 81 6 3 3 . Dass diese Entscheidungen, die ein fehlerhaft bestelltes Organ betrafen, für die Problematik des faktischen Geschäftsführers nichts hergeben, hatte schon 1937 das Reichsgericht erkannt, als es auf die wesentlichen Unterschiede in den Fallgestaltungen hinwies 634 . In Wahrheit ist BGHSt 3, 32 keine Rechtsfortbildung in Kontinuität zu RGSt 16, 269; 64, 81, sondern ein mehr oder minder verschleierter Bruch mit der reichsgerichtlichen Praxis, wonach für eine unmittelbare Gesetzesanwendung ein förmlicher, wenn auch fehlerhafter Bestellungsakt vorliegen muss. Um sein Ergebnis zu halten, ließ der Bundesgerichtshof das bloße Einverständnis der Gesellschafter mit der Geschäftsführung als ausreichende Bestellung genügen. Die Frage, ob für die strafrechtliche Verantwortlichkeit eine irgendwie geartete (formlose) Bestellung notwendig sei, ließ der Bundesgerichtshof offen. Aber das bloße Einverständnis der Gesellschafter mit dem Handeln des faktischen Geschäftsführers ist keine Organbestellung 6 3 5 . Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof den Begriff des Geschäftsführers auf den faktischen Geschäftsführer, der fernab jeder Bestellung durch das zuständige Gesellschaftsorgan agiert, ausgedehnt. Die in BGHSt 3, 32 begründete Rechtsprechung wurde in der Folgezeit unter Billigung der überwiegenden L i t e r a t u r 6 3 6 verfestigt 6 3 7 und durch BGHSt 21, 1 0 1 6 3 8 auf die Aktiengesellschaft ausgedehnt, mit der aktienrechtlichen Besonderheit, dass die faktische Vorstandstätigkeit i m Einverständnis mit dem Aufsichtsrat erfolgen muss, da der Aufsichtsrat das Bestellungsorgan der Aktiengesellschaft ist (§ 84 AktG). In BGHSt 31, 1 1 8 6 3 9 bejahte der Bundesgerichtshof sogar dann eine Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers gem. § § 8 4 Abs. 1 Nr. 2, 64 Abs. 1 GmbHG, wenn neben ihm ein förmlich bestellter Geschäftsführer handelt, jedenfalls dann, wenn der faktische Geschäftsführer eine überragende Stellung in der Geschäftsführung einnimmt. Also nicht nur in den Fällen, in denen es sich beim förmlich bestellten Geschäftsführer um einen Strohmann handelt, sondern auch dann, wenn dieser

632 BGHSt 3, 32 Lt. 2, Urt. v. 24. 06. 1952, Az: 1 StR 132/52. Hervorhebung durch den Verfasser. 633 Krit. zu dieser Begründung: K. Schmidt, FS-Rebmann, 1989, S. 419 (425). 634 RGSt 71, 112 (113), Urt. v. 15.03. 1937, Az: 5 D 927/36. 635 κ. Schmidt, FS-Rebmann, 1989, S. 419 (425). 636 v g i . Vogel GmbHR 1955, 61 m. w. N.; vgl. auch die Nachweise in: BGHSt 21, 101 (103), Urt. v. 28. 06. 1966, Az: 1 StR 414/65. 637 BGH, in: GmbHR 1955, 61, Urt. v. 20. 01. 1955, Az: 4 StR 492/54; vgl. BGHSt 6, 314 (315), Urt. v. 05. 10. 1954, Az: 2 StR 447/53. 638 BGHSt 21, 101 Lt., Urt. v. 28. 06. 1966, Az: 1 StR 414/65. 639 BGHSt 31, 118 = NJW 1983, 240, Urt. v. 22. 09. 1982, Az: 3 StR 287/82.

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seine Aufgabe auch wahrnimmt, kommt eine Haftung des faktischen Geschäftsführers in Betracht. Eine völlige Verdrängung des förmlich bestellten Geschäftsführers ist nun nicht mehr erforderlich. Mit diesem Urteil wurden die restriktiven Tendenzen des Reichsgerichts, mit denen dieses damals die Strafbarkeit des faktischen Organs abgelehnt hatte, aufgegeben 640. In der zivilrechtlichen Rechtsprechung wurden diese im Strafrecht entwickelten Grundsätze zum faktischen Organ übernommen 641. Insbesondere wurde in der Rechtsprechung des 2. Zivilsenats betont, dass es für eine haftungsauslösende faktische Geschäftsführung nicht darauf ankomme, dass der nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag berufene Geschäftsführer völlig aus der ihm zugewiesenen Geschäftsführung verdrängt wird 6 4 2 . Den Grund für die zivilrechtliche Haftung des faktischen Geschäftsführers sieht der Bundesgerichtshof darin, dass derjenige, der ohne dazu berufen zu sein, wie ein Geschäftsführer handelt, auch die Verantwortung eines Geschäftsführers tragen und wie ein solcher haften muss, wenn nicht der Schutzzweck der entsprechenden Vorschriften (§ 64 GmbHG, §§ 130a, 177a HGB) gefährdet werden soll 6 4 3 . Dafür ist es in der Tat nicht erforderlich, dass der bestellte Geschäftsführer verdrängt wird. Sogar eine gleichberechtigte Geschäftsführung lässt diesen Schutzzweck unberührt 644 . Dieser Überblick reicht, um erkennen zu lassen, dass auch die „reine" Lehre vom faktischen Organ für die untersuchte Fragestellung ebenfalls nichts hergibt. Denn das faktische Organ steht und agiert außerhalb der abstrakten Handlungsverfassung. Es ist kein Gesellschaftsorgan oder (fehlerhaft) bestellter Organwalter, dem durch die Organisations Verfassung organschaftliche Rechte und Pflichten zugewiesen wurden. Mit der Frage des verbandsinternen Pflichtenkorsetts bei atypischen Veränderungen der Handlungsverfassung durch satzungsmäßige Zuweisung der Geschäftsführungskompetenz an besonders kreierte Organe hat die Lehre vom faktischen Organ keine Berührpunkte. In diesen Fällen kommt es durch Abänderung des Gesellschaftsvertrag zu einer Änderung der abstrakten Handlungsverfassung der Verbandes: ein ordentlich und förmlich bestellter Organ waiter agiert innerhalb der abstrakten Handlungsverfassung. Das faktische Organ steht außerhalb der abstrakten Handlungsverfassung.

640 RGSt 72, 187(191 f.), Urt. V. 23. 05. 1938, Az: 3 D 271 /38. 641 Vgl. BGH, in: WM 1973, 1354 (1355), Urt. v. 24. 10. 1973, Az: VIII 82/72; BGHZ 75, 96 (106), Urt. v. 09. 07. 1979, Az: II ZR 118/77; BGHZ 104, 44 (46) und Lt., Urt. v. 21.03. 1988, Az: IIZR 194/87. 642 BGHZ 104, 44 (47) und Lt., Urt. v. 21. 03. 1988, Az: II ZR 194/87. 643 BGHZ 104, 44 (47 f.), Urt. v. 21. 03. 1988, Az: I I ZR 194/87; OLG Düsseldorf, in: GmbHR 1994, 317 (318), Urt. v. 25. 11. 1993, Az: 6 U 245/92. 644 AA: OLG Düsseldorf, in: NJW 1988, 3166 (3167), Beschluss v. 16. 10. 1988, Az: 200/871 (Strafsenat). 3

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3. Teil: Das Verhältnis fremd- und selbstorganschaftlicher Organisationssysteme

D. Ergebnis Die verbandsinterne Zuweisung der Verantwortung, für die Erfüllung im öffentlichen Interesse stehender Pflichten der Gesellschaft Sorge zu tragen, steht einer Ausrichtung der abstrakten Handlungsverfassung einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft in Richtung des Organisationsprinzips der abstrakten Organverwaltung nicht entgegen. Insbesondere verbleiben bei den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschaftern keine diesbezüglichen Pflichten zurück. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Lehre vom faktischen Organ.

4. Teil

Der Wechsel der Handlungsverfassung Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft § 20 Verbandssouveränität und Handlungsfähigkeit A. Der Ausschluss aller Gesellschafter von der organschaftlichen Vertretung Schon kurz nach Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861 wurden die Gerichte vor die Frage gestellt, ob in einer Personengesellschaft alle persönlich haftenden Gesellschafter von der (organschaftlichen) Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen werden konnten1. Hier ging es nicht um die Zuweisung organschaftlicher 2 Befugnisse an ein abstraktes Handlungsorgan, also um die Ersetzung des Organisationsprinzips der originären Mitgliederselbstverwaltung durch die Grundsätze der abstrakten Organverwaltung, sondern um die Frage, ob im Gesellschaftsvertrag sämtliche Gesellschafter von der Vertretung und Geschäftsführung für die Gesellschaft ausgeschlossen werden konnten. Handeln für die Gesellschaft sollte ein Prokurist, also ein rechtsgeschäftlich bestellter, außerhalb der Handlungsverfassung der Gesellschaft stehender, Bevollmächtigter. Die organisationsrechtliche Dimension wurde nicht wahrgenommen. Bezeichnend für die Diskussion in den frühen Jahren ist der „Du Mont" -Fall des Handelsgerichts zu Köln 3 . Der Kaufmann Du Mont, Inhaber eines kleinen Verlagsimperiums, war im Jahre 1861 verstorben. Das Geschäft fiel an die Erben, von denen keiner die Leitung des Unternehmens übernehmen konnte oder wollte. Die Erben gründeten eine offene Handelsgesellschaft 4, die das Verlagsgeschäft tragen und führen sollte, 1 Der Terminus „Selbstorganschaft" war damals noch nicht bekannt und wurde dementsprechend in der damaligen Diskussion nicht verwendet. 2 Mit Blick auf den damaligen Stand der Rechtserkenntnis über die Rechtsnatur der oHG oder Kommanditgesellschaft kann nicht ohne weiteres von Organen in dem hier gebrauchten Sinne gesprochen werden. Denn es ging ja nicht darum, die Handlungsfähigkeit eines von den Gesellschaftern getrennt zu betrachtenden Rechtssubjekts herzustellen. Siehe dazu weiter unten im Text. 3 Handelsgericht zu Köln, in: Centrai-Organ für den deutschen Handelsstand 1862, 99, Rathskammerbeschluss v. 25. 04. 1862. 4 Dies geschah bereits nach Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs.

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und vereinbarten, „dass keiner von ihnen die Firma zeichne, dass sie vielmehr gemeinschaftlich den Kaufmann A zu ihrem Prokuristen" zu bestellen hätten. Das Handelsgericht zu Köln lehnte die Eintragung in das Handelsregister ab. Zur Begründung führte das Gericht aus: „In Erwägung, dass der vorliegenden Anmeldung ferner auch das entgegensteht, dass nach Inhalt derselben keiner der Inhaber der gemeinschaftlichen Firma zur Zeichnung derselben berechtigt sein soll; dass in der Zeichnung der gemeinschaftlichen Firma sich die Vertretung der Gesellschaft äussert, eine offene Handelsgesellschaft aber der Natur der Sache nach, wie auch im Interesse des Publicums, nothwendig wenigstens Eine Person haben muss, durch welche sie bei Zustellung von gerichtlichen Acten und bei Rechtsgeschäften jeder Art vollständig vertreten wird, was durch einen Prokuristen nicht geschieht (vergi. Art. 42, Absatz 2 5 , Art. 117e des HGB); wie denn auch der Art 86, Nr. 4 7 des Handels-Gesetzbuches klar zu erkennen gibt, dass wohl Einer oder Einige Gesellschafter, nicht aber alle Gesellschafter von der Vertretung der offenen Handelsgesellschaft ausgeschlossen sein können"8. Die gegen die Entscheidung eingelegte Berufung wurde zurückgenommen. Wegen der Dringlichkeit, die Verhältnisse zu ordnen, wurde Kaufmann A als Gesellschafter in die offene Handelsgesellschaft aufgenommen und ihm, sowie einem der Erben, Vertretungsbefugnis erteilt 9 . Der von den Betroffenen damals gewählte Ausweg hat sich in der Praxis bewährt. Die Aufnahme des in Aussicht genommenen Fremdgeschäftsführer als Gesellschafter ohne Kapitalanteil 1 0 zählt heute zu 5 Entspricht § 49 Abs. 2 HGB. 6 Art. 117 ADHGB. (1) Die Gesellschaft wird vor Gericht von jedem Gesellschafter gültig vertreten, welcher von der Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, nicht ausgeschlossen ist. (2) Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung befugten Gesellschafter geschieht. 7 Art. 86 ADHGB. ( 1)...

(2) Die Anmeldung muss enthalten: 1)... 4) im Falle vereinbart ist, daß nur einer oder einige der Gesellschafter die Gesellschaft vertreten sollen, die Angabe, welcher oder welche dazu bestimmt sind, ingleichen, ob das Recht nur in Gemeinschaft ausgeübt werden soll. 8 Handelsgericht zu Köln, in: Centrai-Organ für den deutschen Handelsstand 1862, 99, Rathskammerbeschluss v. 25. 04. 1862. 9 Das berichten Weinhagen, Archiv für die Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts, Bd. 1 (1863), 149 (150); Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (418). 10 Dazu: Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 289 ff.; krit.: Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 192 ff. Der Gesellschafter ohne Kapitalanteil ist eine Gestaltung, die benutzt wird, formell dem Organisationsgrundsatz der Selbstorganschaft zu genügen, und dennoch Fremdmanagement zur organschaftlichen Führung der Gesellschaft zu gewinnen (vgl. Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 140 ff.). Der Gesellschafter ohne Kapitalanteil tritt formal der Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter bei, wird aber gesellschaftsintern von jeder Haftung für die Verbandsverbindlichkeiten (§ 128 HGB) freigestellt. Er trägt keine Verlust-

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den empfohlenen Strategien, das von der herrschenden Meinung als zwingend verstandene Prinzip der Selbstorganschaft zu umgehen 1 1 . Schon Bacmeister hat mit Blick auf den Fall „ D u M o n t " empfohlen, den tüchtigen Prokuristen als Gesellschafter aufzunehmen; es liege dann in der Hand der übrigen Gesellschafter, durch entsprechende Bestimmungen des Gesellschaftervertrages die Rechte des neuen Gesellschafters auf ein angemessenes Verhältnis zu beschränken 12 . In der zeitgenössischen Literatur, die das wirtschaftliches Bedürfnis nach solchen Vertragsgestaltungen anerkannte, wurde der Standpunkt des Handelsgerichts Köln kritisiert 1 3 . Andere Handelsgerichte haben in vergleichbaren Fällen, wie aus den damaligen Veröffentlichungen der Handelsregister hervorgeht, anders als das Handelsgerichts Köln entschieden 14 . Auch die obergerichtliche Rechtsprechung hielt den Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft und deren Übertragung auf einen Prokuristen für zulässig; so entschied zB das O L G Stuttgart 1 5 : beteiligung, ist dafür aber auch nicht am Gewinn beteiligt. Der Gesellschafter ohne Kapitalanteil partizipiert also nicht unmittelbar (er trägt dieses Risiko aber doch mittelbar, denn er trägt die Gefahr der Werthaltigkeit seiner Ersatz- und Freistellungsansprüche gegen Gesellschaft und Gesellschafter, die sich gerade in der Insolvenz der Gesellschaft verwirklichen kann) am wirtschaftlichen Risiko der Gesellschaft. Doch ist die Gestaltung mit Nachteilen befrachtet (vgl. Helm/Wagner, BB 1979, 225 (227)): Der Gesellschafter ohne Kapitalanteil muss in die Gesellschaft aufgenommen werden, wo er, da als Geschäftsführer aber nicht unbedingt als Gesellschafter willkommen, als unliebsamer Fremdkörper wirken kann, dessen verbandsinterne Rechtsstellung als Mitglied aufgrund des zwingenden Kernbereichs von Mitgliedschaftsrechten sich auch nicht ohne weiteres auf ein nicht weiter störendes nullum reduzieren lässt. Hinzu kommt das Haftungsrisiko (§ 128 HGB), das den Geschäftsführer als persönlich haftenden Gesellschafter trifft, mitsamt dem damit korrespondierenden Risiko, mit seinen Regressansprüchen gegen die Gesellschaft und die Gesellschafter auszufallen. Mittelbar wird der Gesellschafter ohne Kapitalanteil letztlich am negativen, und zwar ausschließlich am negativen wirtschaftlichen Risiko des Verbandes beteiligt. Daher wird die Figur des Gesellschafters ohne Kapitalanteil meist in Verbindung mit der Gestaltung der GmbH & Co. KG verbunden. Die Komplementär-GmbH wird als (persönlich haftender) Gesellschafter ohne Kapitalanteil aufgenommen, mit der gestalterischen Besonderheit, dass der GmbH keine verbandsinternen Freistellungsansprüche gegen die Kommanditisten eingeräumt werden. h Vgl. Helm/Wagner, BB 1979, 225 (227). 12 Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (442). 13 ZB: Weinhagen, Archiv für die Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts, Bd. 1 (1863), 149. Der Titel des Aufsatzes ist bereits vielsagend: „Nach dem allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch ist bei Constituierung einer offenen Handelsgesellschaft die Vereinbarung zulässig, daß keiner der Gesellschafter befugt sein soll, die Gesellschaft zu vertreten (die Firma zu zeichnen)"; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (419) Fn. 1 und Fn. 2. 14 Vgl. Weinhagen, Archiv für die Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts, Bd. 1 (1863), 149 (150). Als Beispiel sei das Kreisgericht Dortmund herausgegriffen, das in einer von Bacmeister überlieferten Entscheidung des Jahres 1867 die Eintragung für zulässig hielt, dass alle Gesellschafter auf ihr Zeichnungsrecht verzichten und dem Gesellschafter R und zwei weiteren Personen Kollektivprokura in der Weise erteilten, dass mindestens zwei derselben gemeinschaftlich die Firma per procura gültig zeichnen können (Mitgeteilt von Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (418)).

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„Denn bei einer Kommanditgesellschaft, wie bei einer offenen Handelsgesellschaft ist es zulässig, sämtliche (persönlich haftende) Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft auszuschließen und diese Vertretung auf einen Prokuristen zu übertragen". Diese Rechtsprechung scheint verblüffend. N i m m man das, was hinauf bis zu den Obergerichten als rechtens erkannt wurde, beim Wort, wäre dies die juristische Anerkennung des autistischen Verbandes: Gesellschaften ohne Handlungsorgane, die zu keiner nach außen wirkenden Eigenhandlung fähig sind. Mangels Vertretungsorgan hätte nicht einmal die Bestellung des Prokuristen widerrufen werden können. Aber dem war nicht so. Es bestand weitgehende Einigkeit darüber, dass die Gesellschafter trotz formellen Ausschlusses von der Vertretung für die Gesellschaft handeln konnten 1 6 : nämlich alle Gesellschafter zusammen als Kollektivinhaber der Rechte der Gesellschaft 17 ; das tradierte Gesamthandskonzept als Grund für die Kollektivzuständigkeit aller Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft.

!5 OLG Stuttgart, in: Jahrbücher der Württembergischen Rechtspflege, Bd. 5 (1893), 71 (72) = ZHR Bd. 42 (1894), 527, Urt. v. 06. 02. 1891. 16 Es gab aber auch kritische Stimmen. ZB Bacmeister betonte, dass der Ausschluss der Gesellschafter von jeglicher Vertretung etwas ganz anderes sei, als die Verabredung einer Kollektivvertretung. Eine solche Verabredung könne nur bedeuten, dass die Gesellschafter wirklich von der Vertretung ausgeschlossen sein wollten und die Gesellschaft ausschließlich von einem Prokuristen vertreten werden sollte (Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (431)). Von der unteren Instanzgerichtsbarkeit wurde der Ausschluss teilweise in diesem Sinne verstanden, aber als solcher - nunmehr echter Ausschluss - in seiner Wirksamkeit nicht beanstandet. Die königliche Kammer für Handelssachen zu Annaberg hatte es mit einem Antrag auf Eintragung des Widerrufs der Prokura in das Handelsregister zu tun. Der Antrag war von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich gestellt worden. Die Kammer wies den Antrag mangels Vertretungsmacht der Gesellschafter, die sämtlich von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen waren, zurück. Die Auffassung, dass der Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretungsmacht nur die Folge habe, dass kein Gesellschafter mehr alleine, aber alle Gesellschafter zusammen gesamtvertretungsbefugt, wies sie unter Hinweis auf § 125 Abs. 2, Abs. 4 HGB als unhaltbar zurück (Königliche Kammer für Handelssachen zu Annaberg, in: Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozess, Bd. 10 (1900), 773 (774 f.), Beschluss v. 18. 11. 1899, Az: B. F. 1/00; ebenso: Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (431, 438)). Die Gesellschafter müssten zunächst den Gesellschaftsvertrag ändern, um ihre Vertretungsmacht wieder herzustellen. Der Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde vom OLG Dresden im Sinne der hM stattgegeben (OLG Dresden, in: Annalen des Königl. Sächs. Oberlandesgerichts zu Dresden, Bd. 22 (1901), 159 = OLGRspr. 2, 516, Beschluss v. 11. 12. 1901, Az: Nr. 351 VI). 17 So zB: Weinhagen, Archiv für die Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts, Bd. 1 (1863), 149 (151 ff.); vgl. m. w. N. Werra, Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft, 1991, S. 28. Aber es gab auch kritische Stimmen, insbesondere Bacmeister: Zwar sei es richtig, dass die Gesellschafter trotz Ausschluss von der Vertretung die Träger des Gesellschaftsvermögen blieben; daraus folge aber nicht, dass sie trotz Ausschlusses von der Vertretung darüber verfügungsberechtigt blieben. Denn das eine sei eine Frage der Rechtsfähigkeit, das andere eine Frage der Handlungsfähigkeit, auf die die Gesellschafter doch gerade verzichtet hätten. Dem Willen der Gesellschafter würde von der hM Gewalt angetan, denn es sei eine willkürliche Unterstellung, in der Erklärung der Gesellschafter, von der Vertretung ausgeschlossen sein zu wollen, die Vereinbarung einer Gesamtvertretung zu sehen (Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (437)).

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Das Kammergericht sprach davon, dass der Ausschluss sämtlicher Gesellschafter von der Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, nichts daran ändere, dass die Gesellschafter die Herren des Gesellschaftsvermögens blieben und daher für die Gemeinschaft gemeinschaftlich handeln könnten18. Die herrschende Meinung hielt es also für angängig, formell alle persönlich haftenden Gesellschafter von der (organschaftlichen) Vertretung auszuschließen, bestimmten aber die Wirkungen eines solchen Ausschlusses dahin, dass alsdann eben sämtliche Gesellschafter zusammen und gemeinsam handeln müssten, dies aber dann auch könnten. Das ist aber keine Entziehung der Vertretungsmacht, sondern eine Beschränkung der Vertretungsmacht im Sinn einer Gesamtvertretung, deren Zulässigkeit sich ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 125 Abs. 2 S. 1 HGB) 19 . Deutlich sind die im 22. Band seiner Annalen veröffentlichten Ausführungen des OLG Dresden 20: „Dagegen ist die offene Handelsgesellschaft nicht mit besonderer Rechtspersönlichkeit ausgestattet; Rechtssubjekt des Gesellschaftsvermögens und damit zur Vertretung berufen sind vielmehr die einzelnen Gesellschafter. Infolgedessen kann der Ausschließung sämtlicher Gesellschafter von der Vertretungsmacht nur die Bedeutung zukommen, daß die gesetzliche Regel, wonach bei der offenen Handelsgesellschaft ein jeder Gesellschafter für sich allein die Gesellschaft vertritt, d.i. in den Angelegenheiten der Gesellschaft außer für sich zugleich für die übrigen Gesellschafter gültig handelt, auf keinen der Gesellschafter Anwendung findet und daß also kein Gesellschafter vorhanden ist, dessen Rechtshandlungen die übrigen Gesellschafter gegen sich gelten zu lassen hätten. Nicht aber hat eine derartige Ausschließung zur Folge, daß auch sämtliche Gesellschafter nicht zusammen für die Gesellschaft handeln könnten. Das Gegentheil ergibt sich mit Nothwendigkeit daraus, daß die Gesellschafter als die Rechtssubjekte des Gesellschaftsvermögens befugt sein müssen, die Gesellschaft durch gemeinschaftliches Handeln zu vertreten. Mit Rücksicht hierauf hat die Ausschließung der sämtlichen Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft die gleiche Wirkung, wie wenn nach § 125 Abs. 2 Satz 1 HGB's eine Gesamtvertretung durch alle Gesellschafter festgesetzt ist".

Es machte also, wie schon Weinhagen feststellte, keinen Unterschied, ob vereinbart war, dass keiner der Gesellschafter die Befugnis haben sollte, für die Gesellschaft zu handeln, oder ob vereinbart war, dass alle Gesellschafter nur gemeinschaftlich für die Gesellschaft auftreten können sollten 21 . Damit reduzieren sich die Differenzen der damaligen herrschenden Meinung zur Auffassung des Handelsgerichts zu Köln weitgehend auf null. Der Streit verdichtet sich auf die regis18 KGJ, 10, 26 (27 f.) = ZHR Bd. 40 (1892), 460, Beschluss v. 28. 04. 1890. 19 Vgl. die Bestandsaufnahme in RGZ 74, 297 (300), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: 170/10. 20 OLG Dresden, in: Annalen des Königl. Sächs. Oberlandesgerichts zu Dresden, Bd. 22 (1901), 159 (160 f.) = OLGRspr. 2, 516, Beschluss v. 11. 12. 1901, Az: Nr. 351 VI. Hervorhebung im Original. 21 Weinhagen, Archiv für die Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts, Bd. 1 (1863), 149 (153). Allerdings zieht Weinhagen (S. 154 f.) den Schluss, dass für die passive Vertretung beim Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretung nur eine Zustellung an alle Gesellschafter in Frage kommt (vgl. aber Art. 104 Abs. 2 ADHGB = § 125 Abs. 2 S. 3 HGB).

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terrechtliche Frage, wie die Eintragung ins Handelsregister zu erfolgen hat, wenn die Gesellschafter die Geschäftsführung einem Prokuristen überlassen w o l l t e n 2 2 . Trotz abweichender formeller Registereintragung hatte sich der organisationsrechtliche Grundsatz der Selbstorganschaft in der frühen, allerdings registerrechtlich gefärbten 23 , Rechtsprechung durchgesetzt. Gestützt wurde die tragende Argumentation, die man noch bei Huber finden k a n n 2 4 , auf die tradierte, heute überholte 2 5 und - nach der hier vertretenen Auffassung - durch die Theorie der juristischen Person abgelöste Gesamthandslehre. Nach der tradierten Gesamthandslehre ist die Gesellschaft kein von den Gesellschaftern getrennt zu betrachtendes Rechtssubjekt. Träger des Gesellschaftsvermögens sind die Gesellschafter. Die einzelnen Rechte und Pflichten des „Gesellschaftsvermögens" (vgl. § 718 Abs. 1 BGB) resultieren aus dem gemeinsamen Handeln der Gesellschafter. Nach der tradierten Gesamthandslehre findet die Vertretung der BGB-Gesellschaft so statt: in der BGB-Gesellschaft hat grundsätzlich kein Gesellschafter für den anderen Vertretungsmacht, §§ 709, 714 BGB. Schließt die Gesellschaft ein Geschäft ab, so bedeutet das nichts anderes, als dass alle Gesellschafter, jeder unmittelbar für sich selbst im eigenen Namen, handeln. Lassen sich die Gesellschafter bei Vertragsschluss durch einen (bevollmächtigten) Gesellschafter vertreten 26, tritt dieser Gesellschafter als Vertreter im Namen seiner Mitgesellschafter und zugleich im eigenen Namen auf (§ 714 BGB). Soweit er als Vertreter handelt, wirkt seine Handlung gem. § 164 BGB für und gegen die anderen Gesellschafter, soweit er im eigenen Namen handelt, wirkt die Erklärung unmittelbar für und gegen ihn. In jedem Falle, sowohl wenn tatsächliche alle Gesellschafter entsprechend dem Leitbild des § 709 BGB beim Geschäftabschluss mitwirken, als auch dann, wenn sie sich von einem Gesellschafter, der zugleich für sich selbst handelt, vertreten lassen, gilt folgendes Prinzip: „Die „Gesellschaft" handelt, indem alle Gesellschafter handeln; die Gesellschaft ist mit der Gesamtheit ihrer Gesellschafter identisch" 27 . § 125 HGB modifiziert den Regelfall für die offene Handelsgesellschaft: jeder Gesellschafter hat Vertretungsmacht für die Gesellschaft, was nichts anderes bedeutet, als Vertretungsmacht für die übrigen Gesellschafter. Auch in der offenen Handelsgesellschaft ist Gesamtvertretung statthaft, wobei es im Falle der Gesamtvertretung durch alle Gesellschafter überhaupt nicht mehr um Vertretung iSd §§ 164 ff. BGB geht, da alle am Geschäft persönlich Beteiligten unmittelbar für sich selber handeln. Die Lage ist insoweit identisch mit der Lage in der BGB-Gesellschaft.

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Werra, Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft, 1991, S. 29. Vgl. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 178. 24 Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 32 ff. 2 5 Vgl. BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00; dazu: K. Schmidt, NJW 2001, 993. 23

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Ein Gesellschafter wird zum geschäftsführenden Gesellschafter „bestellt". Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 31; krit. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 273 f. 27

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Daraus schlussfolgert Huber: alle Rechtsgeschäfte einer Gesellschaft sind die Geschäfte der Gesellschafter; gleichgültig ob sie persönlich beim Abschluss mitgewirkt haben oder aber mit denselben Wirkungen wirksam vertreten wurden. Dieser Satz ist angesichts der tradierten Gesamthandslehre nicht zweifelhaft. Problematisch sind die Folgerungen: die Fähigkeit der Gesellschafter, auch in den Gesellschaftsangelegenheiten Geschäfte abzuschließen, folge aus ihrer allgemeinen rechtsgeschäftlichen Handlungsfreiheit. Eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, die besage, dass die Gesellschafter nun nicht mehr berechtigt sein sollten, in ihren Gesellschaftsangelegenheiten Rechtsgeschäfte vorzunehmen, wäre eine Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Handlungsfähigkeit. Aber die Geschäftsfähigkeit stehe nicht zur rechtsgeschäftlichen Disposition. Die Gesellschafter könnten ihre Geschäftsfähigkeit nicht selbst einschränken: niemand könne sich selbst entmündigen28. Der Ausschluss der Gesamtheit der Gesellschafter von der „Vertretung" der Gesellschaft scheint daher mit den Grenzen der Privatautonomie zu kollidieren: zwar ist die Bevollmächtigung eines Dritten mit Wirkung für den Bevollmächtigten (§ 164 BGB) dem modernen deutschen Recht bekannt, aber doch mit der Folge, dass stets nur eine konkurrierende Rechtsmacht des Bevollmächtigten entsteht; die privative Vollmacht kennt das deutsche Recht nicht 29 . Der Möglichkeit, neben einem bevollmächtigten Vertreter für sich selbst zu handeln, kann sich eine natürliche Person überhaupt nicht begeben. Aber dieser Grundsatz erfährt doch im Gesellschaftsrecht selbst bei Zugrundelegung der tradierten Gesamthandslehre eine Modifikation. Die verfassungsmäßige Vertretung einer Gesamthand durch ihre „Organe" hat im Rechtsbereich der einzelnen natürlichen Person, die durch sich selbst und nicht durch Organe handelt, kein Entsprechung; die aus diesem Rechtsbereich entnommenen Vergleiche hinken 30 . Es ist im deutschen Recht auch bei Zugrundelegung der tradierten Gesamthandslehre sehr wohl möglich, beschränkt auf den Gesellschaftsbereich dem einzelnen Gesellschafter die Geschäftsfähigkeit zu entziehen. Das zeigt der Blick auf die Vorschriften der §§114 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB. Nach § 125 Abs. 1 HGB (§ 127 HGB) kann ein Gesellschafter vollständig von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Er kann nunmehr überhaupt nicht mehr in den - tradiert ja auch seinen - Angelegenheiten der Gesellschaft handeln; solange der Gesellschaftsvertrag nicht geändert wird, ist seine Geschäftsfähigkeit insoweit beschnitten. Seinen Part nimmt der vertretungsberechtigte Gesellschafter - oder aber auch ein zum organschaftlichen Geschäftsführer bestellter Dritter - wahr, der gem. § 164 BGB auch mit Wirkung zugunsten

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Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 32 f.; vgl. Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 b = S. 240 Fn. 120. 2 9 Reuter, FS-Steindorff, 1990, S. 229 (233); Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 f. mit Hinweis auf § 137 und § 138 BGB m. w. N.; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 31. 30 Vgl. OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 (gekürzt) = JFG 16, 65 (69), Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37.

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und zulasten der von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter handelt. Es gilt der Vorrang der Vertretungsregeln des Gesellschaftsvertrages. § 125 Abs. 1 HGB gestattet daher sehr wohl, dass der einzelne Gesellschafter auf sein Recht, unmittelbar für sich selbst in Gesellschaftsangelegenheiten zu handeln, verzichtet. Und genau hierauf bezieht sich der Ausspruch des Reichsgerichts in RGZ 74, 297 31 : es ist ein „Schluss zwingender Logik", dass das, was für einen Gesellschafter bestimmt werden kann, auch für jeden bestimmt werden kann 32 . Sofern es möglich ist, dass ein Gesellschafter durch seinen Ausschluss von der Vertretung (§§ 125 Abs. 1, 127 HGB) vollständig auf seine Handlungsfähigkeit in Gesellschaftsangelegenheiten verzichtet und insoweit ein Stück weit seine Geschäftsfähigkeit einbüßt, muss es auch möglich sein, dass es ihm die anderen Gesellschafter nachtun und ebenso ein Stück weit auf ihre Geschäftsfähigkeit verzichten. Denn die Personengesellschaft ist ja nach tradierter Auffassung nicht mehr als die Summe der vermögensrechtlich gesamthänderisch gebundenen - Individuen 33 . Da liegt es nahe, dass das, was einer kann, auch alle können. Die Rechtsordnung kennt auch „Gesamthandsgesellschaften" mit dem vollkommenen Ausschluss aller Gesellschafter von der verfassungsmäßigen Leitung der Gesellschaft: hinzuweisen ist auf den „nicht rechtsfähigen" Verein als körperschaftlich verfasste Gesellschaft, der nach herrschender Meinung ebenfalls als Gesamthandsgemeinschaft angesehen wird (§ 54 S. 1 BGB). Hier obliegt die Vertretung der „gesamthänderisch verbundenen Vereinsmitglieder" einem Vorstand, dessen Vorstandsposten auch mit Dritten besetzt werden können. Ein solcher Verband kann nach wohl einhelliger Auf31 RGZ 74, 297 (301), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10. Die Entscheidung bezog sich zwar auf eine KGaA, aber das Reichsgericht erklärt, die Entziehung der Vertretungsmacht bei allen persönlich haftenden Gesellschaftern verstoße nicht gegen das Wesen der oHG (a. a. O., S. 299 f.). 32 Das Reichsgericht übernimmt dabei die Argumentation, mit der schon zur Zeit des ADHGB für die oHG der Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft für möglich gehalten wurde: wenn es statthaft sei, einen oder einige Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft auszuschließen, so müsse es auch zulässig sein, sämtlichen Gesellschaftern die Vertretungsmacht zu nehmen. Denn das, was bei dem einen Gesellschafter zulässig ist, sei es auch bei dem anderen. Wenn das Gesetz diese Schlussfolgerung nicht gewollt hätte, so hätte es dies durch ein ausdrückliches Verbot aussprechen müssen. Bacmeister hat es als einen logischen Fehler bezeichnet, aus der Möglichkeit des Ausschlusses einzelner Gesellschafter den Schluss auf die Möglichkeit des Ausschlusses sämtlicher Gesellschafter zu ziehen: damit, dass der Ausschluss jedes einzelnen Gesellschafters, des einen so gut wie des anderen, als zulässig bezeichnet wird, ist nicht gesagt, dass auch alle Gesellschafter gleichzeitig sollen ausgeschlossen werden können (.Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (420 f., 428 ff.)). 33 Die Gesamthand als in ihren Mitgliedern lebende Gruppe wird erst später von Flume entwickelt werden (Flume, Die Personengesellschaft, § 4 II, III = S. 54 ff.). Erst wenn man die Gruppenbetrachtung der Gesamthandsgesellschaft bemüht, wird der „Schluss zwingender Logik" unrichtig. Dazu heißt es bei Flume: „Der Ausschluß eines Gesellschafters von der Vertretungsmacht ist nicht in Hinsicht auf diesen Gesellschafter zu sehen, als ob ihm die privatautonome Handlungsmacht für sich selbst genommen würde. Es geht vielmehr um die Handlungsmacht der Gesellschafter als Gruppe" (Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 245).

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fassung nur durch seinen Vorstand handeln, der sein notwendiges Handlungsorgan ist 34 . Das gleiche gilt für EWIV. Sie wird im deutschen Recht der offenen Handelsgesellschaft gleichgestellt, ist also Gesamthandsgesellschaft. Und dennoch findet eine Vertretung ausschließlich durch die Geschäftsführer statt. Die tradierte Gesamthandslehre trägt ein zwingendes Prinzip der Selbstorganschaft nicht, da das Gesellschaftsrecht den Verzicht der Gesellschafter auf ihre Geschäftsfähigkeit durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen von Geschäftsführungs- und Vertretungsregeln kennt. Man mag nun im Ergebnis anderer Meinung sein und einen Totalausschluss aller persönlich haftender Gesellschafter von der organschaftlichen Vertretung und deren Überweisung an einen Dritten ablehnen35, nur kann man dies nicht mit dem Wesen der tradierten Gesamthand und der unveräußerlichen Geschäftsfähigkeit der Gesellschafter begründen. Weiter nachgegangen werden soll dem nicht 36 . Die tradierte Gesamthandslehre ist heute überholt. In Wirklichkeit ging es der damaligen Rechtsprechung um etwas ganz anderes, so dass man ihr noch heute, selbst wenn man die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft anerkennt, im Ergebnis zustimmen kann und muss. • Einmal geht es materiell um den - allerdings damals noch nicht namentlich bekannten - Grundsatz der Verbandssouveränität. Wie bereits mehrmals angeklungen, würde ein Prokurist, der nicht abberufen werden kann, selbst wenn man ihn formell als Organ der Gesellschaft einordnet, den Grundsatz der Verbandssouveränität verletzen (vgl. oben §§ 3 D II 3, 14 Β III). • Zum anderen geht es formell darum, die beim Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretung und Geschäftführung entstehende Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft ausgleichen. Denn wie oben gesehen, wäre eine abstrakte Handlungsorganisation, die einen Verband handlungsunfähig machen würde, unwirksam (§ 3 D I).

34 Soergel / Hadding, 13. Auflage, 2000, § 54, Rdnr. 12; Palandt-Heinrichs, 60. Auflage, 2001, § 54, Rdnr. 6. 35 Und dies zB mit der Haftungsgefahr der persönlich haftenden Gesellschafter begründen. 36 Hingewiesen werden kann noch auf Art. 87 Abs. 1 des revidierten österreichischer Entwurfs, der eben den Verhandlungen der Nürnberger Kommission zur Beratung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs zugrundegelegen hat: Art. 87 rev. Öster. EntwADHGB. (1) Die Führung der Firma kann einem, oder mehreren Mitgliedern der Gesellschaft und im letzteren Falle diesen gemeinschaftlich, oder jedem besonders übertragen werden, wird sie einem Bevollmächtigten übertragen, welcher nicht Mitglied ist, so soll sich diese Eigenschaft aus der Unterzeichnung erhellen. (2)...

(3)..·

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B. Selbstorganschaft und der Gedanke der Verbandssouveränität Angesichts der modernen Gesamthandslehre bzw. der hier vertretenen Theorie der juristischen Person kann die Argumentation Hubers nicht mehr verfangen. Die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die BGB-Gesellschaft sind rechtsfähig und handlungsfähige Verbände 37. Sie sind von der Persönlichkeit ihrer Gesellschafter zu trennen. Rechte und Pflichten des Verbandes sind keine Rechte und Pflichten der Gesellschafter; das Handeln des Verbandes ist nicht das Handeln der Gesellschafter. Die Handlungsfähigkeit des Verbandes wird hergestellt durch seine Handlungsorganisation, und diese kann nun entsprechend dem Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung oder den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung organisiert sein, ohne dass dadurch die Handlungsfähigkeit (Geschäftsfähigkeit) der Gesellschafter in irgendeiner Weise tangiert würde. Wenn in der Handlungsverfassung der Gesellschaft die organschaftlichen Kompetenzen einem besonderen (abstrakten) Vertretungsorgan zugewiesen werden, mit der Möglichkeit, auch einen Dritten zum Organwalter zu bestellen, so entäußert sich der Verband nicht seines Rechtes, sich selbst zu vertreten. Denn Handeln kann der Verband als solcher nur durch seine in der Handlungsverfassung niedergelegten Organe, gleichgültig wie diese Organe besetzt sind 38 . Die Rechtspersönlichkeit des Verbandes ist zu trennen von derjenigen seiner Gesellschafter. Selbst das Handeln aller Gesellschafter ist nicht das Handeln der Gesellschaft. Schon v. Savigny hat ausgesprochen: „selbst wenn alle Einzelne, ohne Ausnahme, gemeinschaftlich handeln, so ist dieses nicht so anzusehen, als ob das ideale Wesen, welches wir juristische Person nennen, gehandelt hätte" 39 . Flume meint nun, wie sich die Einzelperson nicht entmachten könne, so könne dies auch nicht die Personengemeinschaft. Ein privatautonomer Ausschluss der Handlungsmacht der Gesellschafter durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung, durch welche die gemeinschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis mit der Folge ausgeschlossen würden, dass die Gesellschafter selbst aus der Handlungsfähigkeit für die Gesellschaft verdrängt würden, sei rechtlich nicht möglich 40 . 37 BGH, in: ZIP 2001, 330, Urt. v. 29. 01. 2001, Az: II ZR 331/00; dazu: K. Schmidt, NJW 2001,993. 38 Vgl. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 286; OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 (gekürzt) = JFG 16, 65 (69), Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37. 39 v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 90 = S. 283 für die Korporation. Krit. gegenüber der Heranziehung dieses Gedankens für die Personengesellschaft: Reuter, FS-Steindorff, 1990, S. 229 (233), der allerdings einräumen muss, dass sich die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers zur Personengesellschaft überlebt haben. 40 Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 240 f.; Reuter, FS-Steindorff, 1990, S. 229 (233); Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 b = S. 240; KGJ 52, A 90 (92), Beschluss v. 11. 07. 1919, Az: 1 a X 332/19. Vgl. ähnlich

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Was genau Flume damit meint, ist nicht ganz klar, wenn er nur wenige Seiten später unter Berufung auf Wiedemann schreibt: „Es wäre an sich eine gesetzliche Regelung denkbar, daß für die OHG und die KG durch Gesellschaftsvertrag ein besonderes Vertretungsorgan im Sinne der Drittorganschaft geschaffen werden kann, vorausgesetzt nur, daß die Handlungshoheit der Gesellschaft als Personengruppe unberührt bleibt" 41 . Also doch die Einsicht, dass es einen vorgesetzlichen Grundsatz, dass Personengesellschaften auf den Grundsatz der Selbstorganschaft zu verweisen sind, nicht gibt 42 . Das wahre Anliegen Flumes erkennt man, wenn man die zitierte Schrift Wiedemanns zu Rate zieht: es geht ihm um den Grundsatz der Verbandssouveränität 43. Der rechtsformübergreifende Grundsatz der Verbandssouveränität besagt nun 44 , dass das Schicksal des Verbandes nicht von außenstehenden Personen abhängen darf, die nicht die gleichen Interessen verfolgen wie die Gesellschafter und deren Rechtsausübung deshalb nicht ausreichend beschränkt und kontrolliert werden kann 45 . Die Gesellschaft soll von Personen beherrscht werden, die sich als Verbandsmitglieder oder Organwalter mit den Belangen der Gesellschaft identifizieren, notfalls auch zu einer solchen Interessenwahrung verpflichtet und bei Fehlverhalten haftbar sind. Die Durchsetzung des materiellen Gedankens der Verbandssouveränität wird aber von der formellen Unterscheidung zwischen den Organisationsprinzipien der Selbst- und Fremdorganschaft nicht tangiert. Denn auch bei fremdorganschaftlicher Handlungsverfassung lässt sich dem, dem Grundsatz der Verbandssouveränität zugrunde liegenden, Gedanken des Selbstschutzes BGHZ 33, 105 (109), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: II ZR 260/59: der Bundesgerichtshof sieht hinter dem Prinzip der Selbstorganschaft den Grundsatz, dass in einer werbenden Gesellschaft mit den gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter das Recht der Selbstbestimmung den Gesellschaftern alleine zustehen soll. Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 245. 42 K. Schmidt, GS-Knobbe-Keuk, S. 307 (313) mit Hinweis auf die EWIV. Hingewiesen werden kann auch auf die Partenreederei oder die Vorgesellschaften. 43 Wiedemann, FS-Schilling, 1973, S. 105 (111): das Prinzip der Selbstorganschaft lege die Personengesellschaften lediglich auf ein bestimmtes Organisationsprinzip hinsichtlich der Unternehmensführung fest. Bedenken gegen eine unangemessene Fremdsteuerung lassen sich nicht auf dem Prinzip der Selbstorganschaft stützen. Der erforderliche Selbstschutz werde vielmehr umfassend durch den Grundsatz der Verbandssouveränität gesichert. 44 Der Grundsatz der Verbandssouveränität ist grundgesetzlich aus Art. 9 Abs. 1 GG legitimiert und geboten. Dem Prinzip der freiheitlichen Vereinigungsbildung entspricht der Grundsatz von privatautonomer Organisation und freiheitlicher Selbstbestimmung der Vereinigung durch ihre satzungsgemäß bestellten Organe. Der Schutz aus Art. 9 umfasst sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte. Ohne eine solche Selbstbestimmung kann von einem freien Vereinigungswesen keine Rede sein; Fremdbestimmung würde dem Schutzzweck des Art. 9 Abs. 1 GG zuwiderlaufen (Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12, Rdnr. 68; BVerfGE 50, 290 (354), Urt. v. 01. 03. 1979, Az: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 (Mitbestimmung)). 45 Grundlegend: Wiedemann, FS-Schilling, 1973, S. 105 (111 ff.). Dazu Großkommentar HGB I Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 31; Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 61 ff.

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der Gesellschafter 46 und der Gesellschaft hinreichend Rechnung tragen, soweit sichergestellt ist, dass die geschäftsführenden Organpersonen auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet sind (duty of loyality and care) und diese Verpflichtungen durch Kontrolle und schadensersatzrechtliche Verantwortung durchsetzbar sind 47 . Das ist der Fall. Die organschaftliche Treuepflicht und Verantwortung trifft jede Organperson (§§ 43 GmbHG, 93 AktG), und die Unternehmensleitung sieht sich den kollektiven Kontrollbefugnissen der Gesellschaft und den individuellen Informationsrechten der Gesellschafter ausgesetzt. Hinzu kommt die der Fremdorganschaft innewohnende persönliche Abhängigkeit der Geschäftsführer und die mögliche, bei fremdorganschaftlichen Gestaltungen typische Weisungsbefugnis des Gesellschafterorgans. Das letztlich unverzichtbare Recht der Personengesellschafter zur gesellschaftlichen Selbstbestimmung (Art. 9 Abs. 1 GG) bleibt gewahrt, wenn die Gesellschafterversammlung das Recht hat, den gesellschaftsfremden Organwalter zumindest bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen und seine Bestellung auf einen Bestellungsakt der Gesellschafter oder doch eines durch sie legitimierten Organs (zB: Aufsichtsrat) zurückgeht 48. Daher ist die Aussage, dass der zwingende Charakter der Selbstorganschaft letztlich aus dem Grundsatz der Verbandssouveränität folgert, unzutreffend 49, denn auch bei Berufung eines Dritten zum organschaftlichen Geschäftsführer bleiben doch die Gesellschafter die Herren der Gesellschaft. Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass die Unterschiede zwischen den Organisationsprinzipien der originären Mitgliederselbstverwaltung und den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung ebenso wie die materielle Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdverwaltung nicht überbewertet werden dürfen (siehe oben § 16).

C. Die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft Der früher herrschenden Meinung ist im Ergebnis zustimmen, wenn sie dem registermäßigen Ausschluss aller Gesellschafter die Anerkennung versagt und darin nur die Vereinbarung einer Gesamtzuständigkeit erkennt. Aber aus einem völlig anderen Grund. Der „isolierte" Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretung und die alleinige Bestellung eines Prokuristen führt zu einer handlungsunfähigen Gesellschaft. Der Gedanke ist bereits in der Entscheidung des Handelsgerichts 46 Der Grundsatz der Verbandssouveränität findet seinen Grund in der Sicherung der Autonomie der Mitglieder, die vor Selbstentmündigung geschützt werden sollen, und nicht in § 137 BGB (Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 31). 47 Wiedemann, FS-Schilling, 1973, S. 105 (112 f.). 4 « Vgl. Beuthien, ZIP 1993, 1589 (1597). 49 So aber: Großkommentar HGB / Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 5. Wie hier: Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 62 ff.: die Anforderungen, die der Grundsatz der Verbandssouveränität an einen zulässigen Dritteinfluss in der Gesellschaft stellt, können mit der Drittorganschaft vereinbar sein.

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Köln im „Du Mont"-Fall erkennbar 50. Das wesentliche Argument, mit dem das Handelsgericht Köln die Ablehnung der Eintragung stützt, war die Notwendigkeit, dass die Gesellschaft sowohl aktiv als auch passiv vollständig rechtsgeschäftlich handlungsfähig sein muss, was wegen der typischerweise beschränkten Vollmacht des Prokuristen (vgl. § 49 Abs. 2 HGB) nicht der Fall wäre. Aber selbst dann, wenn dem Prokuristen oder einem sonstigen Generalbevollmächtigten unbeschränkte Vertretungsmacht erteilt wird, bleibt die von den Du Mont-Erben angestrebte Gestaltung doch unmöglich. Hier greift der Unterschied zwischen organschaftlichem Handeln als dem Eigenhandeln des Verbandes und dem Handeln eines Bevollmächtigten, das dem Verband als Dritthandeln gem. 164 BGB zugerechnet wird. Denn der vollständige Ausschluss aller Gesellschafter von der organschaftlichen Vertretung führt dazu, dass der Verband auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung ohne Vertretungsorgan dasteht. Übrig bleibt ein nicht aus sich selbst heraus handlungsfähiger Verband, der nicht mehr alleine am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Das ist nicht möglich 51 . Stets muss eine Eigenhandlungen des Verbandes ermöglichende abstrakte Handlungsverfassung, also mindestens ein Handlungsorgan, vorhanden sein. Dies wird zB praktisch bedeutsam, wenn die Gesellschaft vor dem Problem steht, den im Außenverhältnis agierenden Prokuristen zB wegen permanenter Erfolg- oder Treulosigkeit abzuberufen 52. Nimmt man den Ausschluss aller Gesellschafter von der organschaftlichen Vertretung ernst - anders als dies die damalige Rechtsanwendung tat 53 - , dann könnte die Gesellschaft die einmal erteilte Prokura nicht widerrufen. Die Gesellschaft könnte mangels Vertretungsorgan keine eigene Willenserklärung, also auch nicht den Widerruf der Bestellung, abgeben. Eine solche Gesellschaft wäre nur noch Rechtsträger, der nicht mehr handeln könnte. Hier hätte man ihn nun, den handlungsunfähigen Verband, einen „Rechtskrüpper, der ohne fremde, von außen kommende Hilfe nicht rechtsgeschäftlich agieren kann 54 : die autistische Personengesellschaft.

50 Handelsgericht zu Köln, in: Centrai-Organ für den deutschen Handelsstand 1862, 99, Rathskammerbeschluss v. 25. 04. 1862. 51 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 75. RGZ 74, 297 (301), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10; OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 = JFG 16, 65, Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37. 52

Beckmesserisch kann man auch die Frage stellen, wie ein nicht handlungsfähiger Verband im Außenverhältnis überhaupt einen Prokuristen bestellen will. Die Bestellung ist im „Du Mont"-Fall bereits mit dem Gesellschaftsvertrag erfolgt. 53 Anders das Königliche Kammer für Handelssachen zu Annaberg, in: Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozess, Bd. 10 (1900), 773 (774 f.), Beschluss v. 18. 11. 1899, Az: B. F. 1/00, aber aufgehoben durch OLG Dresden, in: Annalen des Königl. Sächs. Oberlandesgerichts zu Dresden, Bd. 22 (1901), 159 = OLGRspr. 2, 516, Beschluss v. 11. 12. 1901, Az: Nr. 351 VI. 54 Vgl. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1840, § 90 = S. 282; dagegen: v. Gierke , Genossenschaftstheorie, 1887, S. 603 f. 32 Bergmann

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungsverfassung

Doch folgt daraus nicht, dass ein Ausschluss aller Gesellschafter von den organschaftlichen Leitungsbefugnissen unter dem Blickwinkel der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft unmöglich wäre. Das Kriterium der Handlungsfähigkeit verlangt nur, dass die Gesellschaft in der Lage sein muss, einen eigenen verbandsinternen Willen zu bilden und diesen nach außen zu äußern, dass die Handlungsorganisation also mindestens ein Handlungsorgan zur Verfügung stellt. Sollen den persönlich haftenden Gesellschaftern die organschaftlichen Kompetenzen entzogen werden, muss eine ZTrsafzhandlungsorganisation geschaffen werden 55. Die organschaftlichen Befugnisse müssen einem anderen, und sei es auch einem neu geschaffenen (abstrakten) Organ, zB einem Vorstand nach Vorbild des Vereins- oder Aktienrechts oder einer Geschäftsführung nach Vorbild des GmbH-Rechts zugewiesen werden. Auf der Ebene der abstrakten Handlungsverfassung muss also die alte Handlungsorganisation gegen eine neue ausgewechselt werden. Dies soll an einigen spektakulären Entscheidungen der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung näher erläutert werden.

I. Die „Vermögensverwaltungsstelle für Offiziere und Beamte KGaA" (RGZ 74,297; 82,360) 56

In einer bemerkenswerten Entscheidung sprach das Reichsgericht in dem Rechtsstreit zwischen der Vermögensverwaltungsstelle für Offiziere und Beamte (KGaA) und ihrem einzig persönlich haftenden Gesellschafter am 24. Oktober 1910 aus 57 , dass in einer Kommanditgesellschaft auf Aktien allen persönlich haftenden Gesellschaftern die Vertretungsmacht entzogen werden kann 58 . Dabei will das Reichsgericht in Abweichung zur bis dahin herrschenden Lehre den Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretung als vollständigen Ausschluss von der (organschaftlichen) Vertretung verstanden wissen: bei den Komplementären bleibt keine Gesamtvertretungsbefugnis zurück 59 . Damit stellt sich für das Reichsgericht, anders als für die bis dahin herrschende Meinung, das Problem der drohenden Handlungsunfähigkeit des Verbandes, dessen Handlungsorgan durch einen Eingriff in die abstrakte Handlungsverfassung beseitigt wird. Es geht nicht mehr 55 Vgl. OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 = JFG 16, 65, Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37; Schreiber, Die KGaA, 1925, § 9 = S. 135. 56 RGZ 74, 297, Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10; RGZ 74, 301, Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 80/10; RGZ 82, 360, Urt. v. 06. 06. 1913, Az: II 99/13. AA: KG, in: JW 1939, 424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38. 57 Der Aufsichtsrat der Gesellschaft klagte im Namen der Gesamtheit der Kommanditisten mit dem Antrag, dem beklagten einzigen Komplementär die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft zu entziehen. 58 RGZ 74, 297 (299 ff.), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10; dazu: Schreiber, Die KGaA, 1925, § 9 = S. 136. Die Entscheidung wird noch heute in der Kommentarliteratur zum AktG kritiklos wiedergegeben: Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 278, Rdnr. 13. 59 So: RGZ 74, 297 (300 f.), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: 170/10.

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darum, die Einzelbefugnis der Gesellschafter (§ 125 Abs. 1 HGB) in eine Gesamtbefugnis (§ 125 Abs. 2 HGB) abzuschwächen, um einem Prokuristen oder sonstigen (General-)Handlungsbevollmächtigten möglichst freie Hand zu verschaffen, sondern um die Beseitigung und Ersetzung der gesetzestypischen Handlungsverfassung. Schreiber bringt die Problematik auf den Punkt 6 0 : „Wenn man nun alle Inhaber von der Vertretung ausschließt, so muß man zugleich eine andere Vertretung schaffen... Diese Stelle wird dann das ordentliche Vertretungsorgan der K A G , der Vorstand, den ein Verein, nach dem Organisationsgrundsatz des § 26 BGB haben muß". Das Reichsgericht griff auf § 29 BGB zurück, um die entstandene Lücke zu schließen 61 : „Es ist dem Vorderrichter auch darin beizustimmen, daß wenigstens dann, wenn es sich um eine Kommanditgesellschaft auf Aktien handelt, jeder etwa entstehenden Schwierigkeit auf dem durch den § 29 BGB gebotenen Weg abgeholfen werden kann. Mag auch bei dieser Vorschrift in erster Linie an Fälle einer vorübergehenden Verhinderung gedacht sein, so besteht doch kein Grund, sie nicht auch da anzuwenden, wo eine voraussichtlich lange oder eine auf andere Weise gar nicht zu beseitigende Vakanz die Beschaffung eines Notbehelfs doppelt erforderlich macht. Gerade in den Fällen der letztgenannten Art wird sich ein gerichtliches Einschreiten ohne weiteres auf den § 29 stützen können, wenn es lediglich dafür Sorge trägt, durch Beschaffung einer vorübergehenden Vertretung dem Vereine die Rückkehr zu geordneten Verhältnissen zu ermöglichen". Wie schon oben ausgeführt (§ 3 D I I I 4), passen die §§ 29 BGB, 85 A k t G nicht. Die Vorschriften sind auf den Fortfall der konkreten Handlungsverfassung bei Fortbestand des abstrakten Handlungsverfassung zugeschnitten, meinen also den Fall, dass der Amtswalter eines abstrakten Handlungsorgans wegfällt. Stirbt das Vorstandsmitglied, kann das Gericht unter bestimmten Umständen ein neues bestimmen. Die Kompetenz Verteilung (abstrakte Handlungsverfassung) als solche i m 60 Schreiber, Die KGaA, 1925, § 9 = S. 135. Hervorhebung im Original. Die Frage ist für Schreiber, ob es angeht, das vom Gesetz vorgesehene, ordentliche Vertretungsorgan kurzerhand abzusetzen und es durch ein anderes zu ersetzen. Für Schreiber ist die Frage zu verneinen. Nach innen herrsche Vertragsfreiheit, nach außen aber müsse die Organisation der KGaA so bleiben, wie das Gesetz sie gezeichnet habe: „So wenig man eine AG schaffen kann, bei der statt des Vorstandes etwa ein Verwaltungsrat ordentliches Vertretungsorgan ist, so wenig kann eine KAG geschaffen werden, bei der die Inhaber als ordentliches Vertretungsorgan durch eine andere Stelle vollkommen ersetzt sind". Allerdings hält es Schreiber für möglich, dass auch dem letzten geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Komplementär die Leitungsbefugnisse gem. §§ 117, 127 HGB entzogen werden können. Für den vorübergehenden Zustand der Führungslosigkeit sei eine analoge Anwendung des § 29 BGB möglich 0Schreiber, Die KGaA,1925, § 9 = S. 135 f., § 8 = S. 115). 61 RGZ 74, 297 (301), Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10. In einer späteren Entscheidung, die dieselbe KGaA betraf, hat das Reichsgericht die Entscheidung des Berufungsgerichts (Kammergericht) bestätigt, dass Entziehung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnisse des einzigen Komplementärs und die Führung der Geschäfte durch richterlich bestellte Ersatzmänner (vgl. § 29 BGB) ein wichtiger Grund für eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wäre, der auch der von der Leitung ausgeschlossene Komplementär zustimmen müsste; RGZ 82, 360, Urt. v. 06. 06. 1913, Az: II 99/13; vgl. auch Bergmann, ZAkDR 1937, 763. 32*

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungs Verfassung

Verband bleibt aber von dem Wechsel der Organwalter unberührt. Zuordnungsendpunkt der organschaftlichen Kompetenzen ist und bleibt der Vorstand, auch wenn das Organ vorübergehend nicht besetzt ist. Anders, wenn dem (einzigen) persönlich haftenden Gesellschafter die ihm unmittelbar zugewiesenen organschaftlichen Befugnisse genommen und einem anderen, neu zu schaffenden, Organ zugewiesen werden sollen. Hier muss die abstrakte Handlungsverfassung, also die gesellschaftsvertraglich fixierte Kompetenzverteilung, modifiziert werden. Dem bisherigen Handlungsorgan der Gesellschaft, dem persönlich haftenden Gesellschafter, werden Kompetenzen, nämlich die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, genommen; einem anderen, neu zu schaffenden Organ, zB der Geschäftsführung, werden diese Kompetenzen zugewiesen. Das ist nicht der Fall der §§ 29 BGB, 85 AktG 6 2 . Möglicher Anknüpfungspunkt sind die §§ 492 Abs. 1, 146 HGB, wobei aufgrund der Prozesssituation eine Anwendung des § 146 Abs. 2 S. 1 HGB geboten war. Die §§ 492 Abs. 1, 146 Abs. 1 S. 1 HGB sind gesetzlich anerkannte Fälle der Rechtsmacht der Gesellschafter zur körperschaftlichen Umgestaltung der selbstorganschaftlich verfassten Handlungs Verfassung. Statt der gesetzestypischen Zuweisung der organschaftlichen Kompetenzen an die persönlich haftenden Gesellschafter kann ein abstraktes Organ durch Zuweisung organschaftlicher Kompetenzen errichtet und ein Organ waiter bestellt werden. § 146 Abs. 2 S. 1 HGB überträgt diese Kompetenz für den Liquidationsfall auf das angerufene Gericht 63 . Wollte das Reichsgericht also für den auf tatsächlicher Ebene vorliegenden Fall, dass der Gesellschaft eine weitere organschaftliche Tätigkeit ihres einzigen persönlichen Gesellschafters nicht zugemutet werden kann (§§ 117, 127 HGB, 278 Abs. 2 AktG 6 4 ), helfen, wäre nur eine entsprechende Anwendung des § 146 Abs. 2 S. 1 HGB in Betracht gekommen. Ein Rekurs auf die Vorschriften der §§ 492 Abs. 1, 146 Abs. 1 S. 1 HGB hätte nicht getragen, da diese Vorschriften die Rechtsmacht der Gesellschaft fixieren, ihre Organisationsverfassung zu modifizieren; § 146 Abs. 2 S. 1 HGB erstreckt diese Rechtsmacht für den typischen Fall des Interessenpluralismus auf das Gericht. In dem RGZ 74, 297 zugrundeliegenden Sachverhalt hatten die Gesellschafter ausschließlich auf Entziehung der organschaftlichen Befugnisse geklagt. Hätte dem Reichsgericht nicht der Weg über § 146 Abs. 2 S. 1 HGB offengestanden65 - das Reichsgericht nahm unzutreffend § 29 BGB zur Hand - , wäre 62 Das ist Folge des abweichenden Organbegriffs in den klassischen Personengesellschaften (GbR, oHG, KG) und der Kommanditgesellschaft, wo es die Unterscheidung zwischen konkreter und abstrakter Handlungsverfassung nicht gibt. Natürlich kann auch in den klassischen Körperschaften ein Eingriff in die abstrakte Handlungsverfassung vorgenommen werden. Das ist zB der Fall, wenn Geschäftsführungskompetenzen vom Vorstand auf ein anderes Organ übertragen werden. 63 Insoweit handelt es sich durchaus um einen Eingriff in die durch Art. 9 GG geschützte Organisationsautonomie des Verbandes. 64 § 278 AktG = § 320 HGB a.F. 65 Ob die Analogie gerechtfertigt ist, soll an dieser Stelle offen bleiben.

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die Klage auf Entziehung abzuweisen gewesen. Denn alleine die Entziehung der organschaftlichen Befugnisse ohne die Zuweisung an ein anderes Gesellschaftsorgan hätte zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft geführt. Anders muss die Entscheidung naturgemäß ausfallen, wenn man es mit der hM für unvereinbar mit dem Wesen der Personengesellschaften hält, einen Nichtgesellschafter oder aufgrund der angeblich zwingenden Vorschrift des § 170 HGB einen Kommanditisten zum organschaftlichen Vertreter zu bestellen66. Eine andere Handlungsorganisation als die Vertretung des Verbandes durch mindestens einen persönlich haftenden Gesellschafter kommt nicht in Betracht (Prinzip der originären Selbstverwaltung durch die persönlich haftenden Gesellschafter). Die Klage auf Ausschließung aller oder des einzigen persönlichen haftenden Gesellschafters von der organschaftlichen Vertretung müsste daher abgewiesen werden, da sie auf einen rechtlich unmöglichen Zustand gerichtet wäre: eine handlungsunfähige Gesellschaft. So entschied der Bundesgerichtshof in BGHZ 51, 198 67 anders als RGZ 74, 297, dass dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft die Vertretungsbefugnis nicht entzogen werden könne. In einer Kommanditgesellschaft klagte der Kommanditist darauf, dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (§§ 117, 127 HGB) zu entziehen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs konnte die Klage nur teilweise Erfolg haben. Auf dem Boden der Lehre vom zwingenden Charakter der Selbstorganschaft, war die Klage hinsichtlich der Vertretungsbefugnis abweisungsreif, da sie auf Beseitigung der einzig möglichen Vertretungsregel der Gesellschaft gerichtet war. Denn unter der Berücksichtigung eines zwingenden Prinzips der Selbstorganschaft kann in einer Kommanditgesellschaft mit nur einem persönlich haftenden Gesellschafter die organschaftliche Vertretung nur so geordnet werden, dass der einzige Komplementär die Alleinvertretungsbefugnis erhält. Der Grundsatz der Selbstorganschaft im Verständnis der herrschenden Meinung verbietet, dass die organschaftliche Vertretung einem Dritten oder einem Kommanditisten (§ 170 HGB) zugewiesen werden kann; die Bestellung eines Dritten entsprechend § 29 BGB oder § 146 Abs. 2 S. 1 HGB scheide aus. Die Kommanditgesellschaft könnte daher, würde ihrem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter die Vertretungsmacht entzogen werden, weder aktiv noch passiv am Rechtsverkehr teilnehmen. Das ist nicht möglich. Auf dem Boden der Lehre vom zwingenden Prinzip der Selbstorganschaft ist das Ergebnis konsequent. Hinsichtlich der organschaftlichen Geschäftsführung war die Lage auch bei Zugrundelegung der herrschenden Meinung anders. Die Geschäftsführung kann - wie allgemein anerkannt ist (§§ 114 Abs. 2, 163, 164 HGB) - durch den Gesellschaftsvertrag sogar unter 66 ZB: BGHZ 41, 367 (369), Urt. v. 25. 05. 1964, Az: II ZR 42/62; BGHZ 33, 105 (108 f.), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: I I ZR 260/59; BGHZ 26, 330 (333), Uri. v. 06. 02. 1956, Az: II ZR 210/56; Fischer, L M § 140 HGB Nr. 8/9/10; Großkommentar HGBIHabersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 5 ff.; Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 125, Rdnr. 5. 67 BGHZ 51, 198, Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67; BGH, in: ZIP 1997, 2197 (2198), Urt. v. 03. 11. 1994, Az: I I ZR 353/96.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

Ausschluss der persönlich haftenden Gesellschafter auf einen oder mehrere Kommanditisten übertragen werden. Durch den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis wird die Gesellschaft nicht geschäftsführungslos; vielmehr steht die Geschäftsführungsbefugnis - sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Lösung vorsieht oder gleichzeitig Zustimmungsklage auf eine andere Gestaltung der Geschäftsführungsverhältnisse erhoben wurde - allen Gesellschaftern, Komplementären wie Kommanditisten, gemeinschaftlich zu 68 . Geht man vom zwingenden Prinzip der Selbstorganschaft aus, ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs konsequent. Das Reichsgericht konnte damals anders entscheiden, weil es das Dogma der Selbstvertretung der Gesellschaft durch mindestens einen persönlich haftenden Gesellschafter nicht für zwingend hielt 69 . Ob zurecht, kann an dieser Stelle offen bleiben. Einem Beschluss des Kammergerichts vom 16. Juni 1922 lag der Fall zugrunde, dass die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft durch vertragliche Vereinbarung einen Vorstand als das ausschließliche Handlungsorgan institutionalisiert hatten70: zwei Aktiengesellschaften gründeten eine offene Handelsgesellschaft. Zur Vertretung wurde unter Ausschluss der gesetzlichen Vertreter der beiden Aktiengesellschaften ein Vorstand der offenen Handelsgesellschaft gebildet und mit X als einzigem Vorstandsmitglied besetzt. Hier wurde aufgrund privatautonomer Rechtsmacht der Gesellschafter anstelle des gesetzestypischen Grundsatzes der originären Mitgliederselbstverwaltung das Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung gesetzt. Der Gesellschaftsvertrag bestimmte weiterhin, dass als Vorstandsmitglieder der offenen Handelsgesellschaft nur Aktionäre der beteiligten Gesellschaften in Frage kämen. Das Kammergericht bejahte die Zulässigkeit einer solchen Gestaltung: „Dies ist mit der herrschenden Ansicht ... zu bejahen. Der § 125 Abs. 1 läßt den Ausschluß jedes Gesellschafters von der Vertretung zu. Die Forderung, daß wenigstens ein Gesellschafter zur Vertretung befugt sein müsse, ist im Wortlaut nicht begründet. Mit dem Wesen der offenen HG, wie es aus der Begriffsbestimmung und aus § 125 Abs. 1 folgt, ist der Ausschluß aller Gesellschafter verträglich. Auch in solchen Fällen bleiben diese die Träger der Rechte und der Verbindlichkeiten der Gesellschaft" 71. 68 BGHZ 51, 198 (201 ff.), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67. 69 Zur Begründung, dass auch dem einzigen Komplementär die Vertretung und Geschäftsführung entzogen werden könne, führte das Reichsgericht aus: „Das Handelsgesetzbuch gestattet nun einmal schlechthin die Ausschließung eines Gesellschafters von der Vertretungsmacht. Es schreibt vor, daß einem Gesellschafter, wenn ein wichtiger Grund dazu vorliegt, die Vertretungsmacht auch gerichtlich entzogen werden kann, und es ist nicht nur ein Schluß zwingender Logik, daß das was von einem Gesellschafter schlechthin bestimmt wird, eben von jedem gelten muß, sondern es ist auch nicht einzusehen, weshalb die Maßregel gerade da als unzulässig entfallen soll, wo der einzige zur Vertretung berechtigte Gesellschafter Anlaß zu gerechtfertigter Beschwerde gibt und ein Einschreiten der Gerichte zum Schutze der übrigen Gesellschafter besonders dringlich erscheinen muß" (RGZ 74, 297 (300 f.) , Urt. v. 24. 10. 1910, Az: 170/10; RGZ 82, 360 (362), Urt. v. 06. 06. 1913, Az: II 99/13). 70 KG, in: OLGRspr. 42, 214 = Das Recht 1923 Nr. 365, Beschluss v. 16. 06. 1922, Zivilsenat la.

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Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Denn durch die privatautonome Institutionalisierung eines Vorstandes der offenen Handelsgesellschaft haben die Gesellschafter eine abstrakte Handlungsverfassung geschaffen, die die Handlungsfähigkeit der offenen Handelsgesellschaft sicherstellt. Da die Organisationsverfassung des Verbandes von Anfang an eine abstrakte Organverwaltung vorsah, ist ein unmittelbares Abstellen auf die §§ 146 Abs. 1 S. 1, 492 Abs. 1 HGB nicht erforderlich. Aber aus diesen Vorschriften folgt doch die Rechtsmacht der Gesellschafter, vom gesetzestypischen Organisationsprinzip abzuweichen.

II. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 1937 72

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 1937 lässt sich auf folgende zwei Leitsätze bringen: a) Der einzig persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft kann nicht von der Vertretung ausgeschlossen werden, wenn nicht gleichzeitig ein Nichtgesellschafter als verfassungsmäßiges Vertretungsorgan aufgestellt wird 73 . b) Eine solche Bestellung ist mit dem Wesen der handelsrechtlichen Personengesellschaften vereinbar 74.

Zwei Gesellschafter hatten eine Kommanditgesellschaft gegründet. X übernahm die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters. Bei der Anmeldung zum Handelsregister wurde angegeben, dass X von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sei. Die Anmeldung wurde zurückgewiesen, ebenso die dagegen erhobene Erinnerung und die anschließende Beschwerde. Das OLG München wies auch die weitere Beschwerde ab mit der Begründung: „Das, was angemeldet ist, kann nicht eingetragen werden, weil sonst eine Gesellschaft eingetragen würde, die überhaupt kein verfassungsmäßiges Vertretungsorgan hätte, was unzulässig ist" 7 5 . Daran ändere auch die Anmeldung einer Prokura nichts, weil der Prokurist 71 KG, in: OLGRspr. 42, 214 (215) = Das Recht 1923 Nr. 365, Beschluss v. 16. 06. 1922, Zivilsenat la. In KGJ 52, A 90, Beschluss v. 11. 07. 1919, Az: 1 a X 332/19 hatte das Kammergericht - anders als in einer frühen Entscheidung (KGJ 10, 26 (27 f.) = ZHR Bd. 40 (1892), 460, Beschluss v. 28. 04. 1890) - noch den Ausschluss aller persönlich haftender Gesellschafter von der Vertretung für unzulässig gehalten. Abschließend entscheidet sich KG, in: JW 1939, 424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38 gegen die Möglichkeit, alle Gesellschafter von der Vertretung auszuschließen und einen Dritten zum Vertretungsorgan zu bestellen. 72 OLG München, in: ZAkDR 1937,761 (gekürzt) = JFG 16, 65, Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37. Dagegen KG, in: JW 1939, 424 (425), Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38. 73 Erster Teil des Leitsatzes aus der ZAkDR 1937,761. Hervorhebung durch den Verfasser. 74 Leitsatz 2 aus JFG 16, 65. 75 OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 = JFG 16, 65 (67), Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

kein verfassungsmäßiges Gesellschaftsorgan, sondern lediglich ein durch einen A k t der Gesellschaft berufener Vertreter sei. Obiter dicta führt das O L G München aus, dass die Eintragung dann erfolgen könne, wenn der Nichtgesellschafter zum Vertretungsorgan der Gesellschaft bestellt werde. Es sei mit dem Wesen der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft durchaus vereinbar, einen Nichtgesellschafter zum Vertretungsorgan der Gesellschaft zu bestellen 76 : „Denn so wenig wie das Wesen der offenen Handelsgesellschaft, so wenig stehen Rechtsgründe allgemeiner Art der Berufung eines Nichtgesellschafters in die Organstellung entgegen" 7 7 . Dieser Entscheidung ist nichts hinzuzufügen. Allerdings gab es auch Entscheidungen, die diesen Zusammenhang nicht erkannt haben. Unzutreffend ist die Argumentation des Berliner Kammergerichts in einem Beschluss vom 11. Juli 1919 7 8 . Eine natürliche Person, eine Aktiengesellschaft und eine GmbH (Kommanditist) gründeten eine Kommanditgesellschaft. Alle Gesellschafter sollten von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sein. Vertretungsbefugt sollten die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft sein, allerdings nicht in ihrer Eigenschaft als „gesetzliche Vertreter" der Aktiengesellschaft. Das Kammergericht lehnte die Eintragung a b 7 9 .

76

Unter Anschluss an die bejahende Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 74, 297, Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10) und des Kammergerichts (KG, in: OLGRspr. 42, 214 = Das Recht 1923 Nr. 365, Beschluss v. 16. 06. 1922, Zivilsenat la) hält das OLG München die Bestellung eines Nichtgesellschafters zum Vertretungsorgan für zulässig. Das HGB enthalte, anders als § 9 Abs. 2 GenG, keine Vorschrift, die bestimmte, dass das Vertretungsorgan der Gesellschaft ein Gesellschafter sein müsse. Dieser Vergleich hinkt allerdings, da die Handlungsorganisation der oHG anders ist (eingliedriger Organbegriff), und eine Vorschrift wie § 9 GenG gar nicht braucht. Auch aus § 108 Abs. 2 HGB folge nicht, dass nur ein Gesellschafter Vertretungsorgan sein könne, denn das Gesetz habe an dieser Stelle nur den gesetzlichen Regelfall vor Augen gehabt. Zwar folge aus dem Gesetz ohne weiteres, dass die Gesellschafter die geborenen Handlungsorgane der Gesellschaft sind, aber zu der Frage, ob es nicht auch künstliche, erst durch die Verfassung geschaffene Vertretungsorgane geben kann, schweige das Gesetz. Mit dem Wesen der oHG als handelsrechtliche, den Gläubigem unmittelbar und unbeschränkt haftenden Gesamthandsgemeinschaft seien beide Systeme gleichermaßen vereinbar; das Gesetz lege sogar in §§ 125, 127 HGB nahe, dass jedem Gesellschafter, wie Vertretungsorgan die organschaftlichen Vertretungsbefugnisse entzogen werden könnten. Und auch das Argument, durch die Bestellung eines Gesellschaftsorgan entäußere sich die Gesellschaft der Fähigkeit sich selbst zu vertreten, überzeuge nicht. Denn handeln könne die Gesellschaft nur durch ihre Organe, wobei es egal sei, ob ein Gesellschafter oder Dritter Organ der Gesellschaft sei. Zudem stellt das Gericht auf praktische Bedürfnisse ab (OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 (gekürzt) = JFG 16, 65 (67 ff.), Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37). 77 OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 (gekürzt) = JFG 16, 65 (69), Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37: Abkürzungen wurden ausgeschrieben. 78 KGJ 52, A 90, Beschluss v. 11. 07. 1919, Az: 1 a X 332/19; vgl. auch KG, in: JW 1939,424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38. 79 Der Lt. der Entscheidung: „Im Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft kann nicht schon bestimmt werden, daß alle persönlich haftenden Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sein sollen".

§ 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung

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„Ebensowenig wie eine natürliche Person sich freiwillig der rechtlichen Möglichkeit, sich selbst zu vertreten und zu verpflichten, entäußern kann, ebenso wenig kann dies eine offene Handels- oder Kommanditgesellschaft (§§ 161, 125 HGB). Eine solche willkürliche Rechtsentäußerung würde aber in dem satzungsmäßigen Ausschluß aller Gesellschafter von der Vertretungsbefugnis zu erblicken sein" 80 .

Der Entscheidung könnte nur beigetreten werden, wenn der Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft geführt hätte. Das war nicht der Fall. Durch den Gesellschaftsvertrag war die anderweitige organschaftliche Vertretung der Gesellschaft sichergestellt. Die organschaftlichen Befugnisse waren einem besonderen Organ der Kommanditgesellschaft zugewiesen, das mit den Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft besetzt war. Die Kommanditgesellschaft konnte durch dieses untypische Vertretungsorgan am Rechtsgeschäft teilnehmen. Die Kommanditgesellschaft hatte sich in der vorliegenden Gestaltung nicht ihrer Handlungsfähigkeit begeben. Diese war durch den Gesellschaftsvertrag sichergestellt. Das Kammergericht meinte, sich nicht in Widerspruch zu Rechtsprechung des Reichsgericht (RGZ 74, 297; 82, 360 81 ) zu bewegen, und sah deshalb von einer Vorlage gem. § 28 Abs. 2 FGG ab: die Entscheidung des Reichsgericht habe die Entziehung der Vertretungsmacht (§ 127 HGB) und nicht den satzungsmäßigen Ausschluss aller Gesellschafter betroffen. Ob diese Erwägung die Nichtvorlage trägt, erscheint mehr als nur zweifelhaft. Jedenfalls wurde die Gelegenheit einer abschließenden Klärung der Frage versäumt. D. Ergebnis Aus dem formellen Blickwinkel der Sicherstellung der abstrakten Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und dem materiellen Gesichtspunkt der Verbandssouveränität ist ein Ausschluss aller Gesellschafter von der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft und die ausschließliche (rechtgeschäftliche) Vertretung durch einen Prokuristen oder einen Generalbevollmächtigten nicht möglich. Diese Grundsätze stehen aber einer gesellschaftsvertraglichen Begründung einer fremdorganschaftlichen Organisationsverfassung nicht entgegen.

§ 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung Organisationsrechtlich bereitet das Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) keine besonderen Schwierigkeiten. Auf formeller Ebe80 KGJ 52, A 90 (92), Beschluss v. 11. 07. 1919, Az: 1 a X 332/19. Vgl. ähnlich Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 b = S. 240. si RGZ 74, 297, Urt. v. 24. 10. 1910, Az: I 70/10; RGZ 82, 360, Urt. v. 06. 06. 1913, Az: II 99/13.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

ne ist es nicht einsichtig, warum es den Gesellschaftern versagt sein sollte, durch privatautonome Gestaltung in Satzung oder Gesellschaftsvertrag vom Organisationsprinzip der Selbstorganschaft abzuweichen. Damit die herrschende Meinung vom zwingenden Charakter der Selbstorganschaft gehalten werden kann, muss ein materieller Grund hinzukommen. Die Entscheidung, das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft der Willkür der Parteien preiszugeben, läuft damit letztlich auf eine Wertungsfrage hinaus. Zur Stützung des zwingenden Charakters des Prinzips der Selbstorganschaft wird in der heutigen Diskussion überwiegend auf den doppelten Schutzzweck des Rechtssatzes hingewiesen82: einmal, auf einer mehr subjektiven Ebene, sollen die unbeschränkt haftenden Gesellschafter vor Haftungsrisiken bewahrt werden, die sie selbst nicht beeinflussen können (,Selbstschutz der Gesellschafter),; zum anderen, auf einer objektiven Ebene, soll das Vertrauen und die Erwartung des Rechtsverkehrs auf eine, aus eigenem Interesse verantwortlich handelnde, keine unvertretbaren Risiken eingehende Unternehmensführung gewährleistet werden (Schutz des Rechtsverkehrs). Das objektive Element beruht, was man sich heute nicht mehr ausreichend bewusst macht, auf dem vermeintlichen Grundsatz des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung, der zum Wohle der Gesamtwirtschaft eine besonders gute Unternehmensführung sicherstellen soll. Dahinter steht der schon oben verworfene Gedanke, dass Eigenverwaltung wertvoller ist als Fremdverwaltung, siehe oben §§ 15, 16.

A. Der Gleichlauf von Herrschaft und Haftung Redet man vom Prinzip der Selbstorganschaft, fällt der Blick also zwangsläufig auf den vielgenannten und vielgescholtenen Zusammenhang von Herrschaft und Haftung 83 ; ein Begriffspaar, mit dem sich der Name Müller-Erzbach wie kaum ein zweiter verbindet 84.

I. Der Grundsatz des Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung

Hinter dem Zusammenhang von Herrschaft und Haftung steht ein weiterer Gedanke: unbeschränkte Haftung soll Verantwortungsempfinden wecken und wach 82 Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 109 Rdnr. 34, § 114, Rdnr. 9; Großkommentar HGB ! Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 5. Vgl. dazu Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 74 ff. 83 Auf diesen argumentativen Zusammenhang weisen hin: Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 c = S. 125; Dellmann, FS-Hengeler, 1972, S. 64 (67); H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 153. 84 Grundlegend zum Grundsatz vom Zusammenhang von Herrschaft und Haftung sind zB folgende Schriften: Müller-Erzbach, AcP Bd. 154 (1954), 299 (342 f.); derselbe, LZ 1933, 145. Vgl. auch Siebert, FS-Hueck, 1959, S. 321 (334 ff.).

§ 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung

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halten und dadurch zur Gesundung des Wirtschaftslebens beitragen 85 . Oder anders formuliert: Herrschaft ohne Haftung sei bedenklich, weil sie zu risikoreichem und verantwortungslosen Handeln verleite und so Dritte und Gläubiger gefährden müsse 86 . Doch, wie Müller-Erzbach konstatieren muss, ist das Bewusstsein von der Notwendigkeit, die Herrschaft und Haftung miteinander verbindet, dem jüngeren deutschen Rechtsdenken verloren gegangen 87 (siehe sogleich), weshalb für Müller-Erzbach auch der Gedanke der Gesundhaltung der Wirtschaft durch Stärkung des Verantwortungsempfindens durch unbeschränkte Haftung i m deutschen Recht zu kurz k o m m t 8 8 . Dabei verweist Müller-Erzbach neben dem weiter nachzugehenden Beispiel des geschäftsführenden Kommanditisten, das das organisationsrechtliche Problem der Selbstorganschaft berührt, auf die seiner Meinung nach rechtsmissbräuchlichen Auswüchse der EinmannGmbH oder Einmann-Aktiengesellschaft (one-man-companies)89. Überhaupt muss sich die personalistische Kapitalgesellschaft als Störelement innerhalb eines vom Zusammenhang von Herrschaft und Haftung beherrschten Wirtschaftsraums erweisen 90. Für die Lehre vom Gleichlauf von Herrschaft und Haftung lässt es sich durch nichts rechtfertigen, dass derjenige, der durch Vereinigung aller oder doch nahezu aller Mitgliedschaften in seiner Hand eine solche Gesellschaft unter seine Herrschaft gebracht und damit bestimmenden Einfluss auf die Entstehung aller rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeiten erlangt hat, trotzdem das Privileg der Nichthaftung genießen soll. Dem folgend soll auch der Großaktionär haften 91. Doch zeigt schon ein kurzer Blick in das Gesetz, dass der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung mehr frommer Wunsch als rechtliche Realität ist. Die Einmannkapitalgesellschaft wird von der Rechtsordnung anerkannt, vgl. nur §§2 AktG, 1 GmbHG 92 .

85 Müller-Erzbach, AcP Bd. 154 (1954), 299 (343); derselbe, LZ 1933, 145. Insoweit zustimmend: Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 13 II 2 a = S. 328: persönliche Haftung wirke erzieherisch und stärke das Verantwortungsbewusstsein. 86 Anders als bei der eigentliche Diskussion um die Selbstorganschaft steht hier nicht der Schutz der Gesellschafter, sondern der Schutz des Rechtsverkehrs im Vordergrund (vgl. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 c = S. 125.). 87 Anders als etwa dem französischen Rechtsdenken, wobei er insbesondere auf den ehemaligen Art. 28 des codes de commerce verweist (vgl. Müller-Erzbach, AcP Bd. 154 (1954), 299 (342); derselbe, LZ 1933, 145 (147)). 88 MüUer-Erzbach, AcP Bd. 154 (1954), 299 (342 f.). 89 Müller-Erzbach, AcP Bd. 154 (1954), 299 (343); derselbe, LZ 1933, 145 (148 f.). Dagegen erkennt Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 81 f. die beschränkte Haftung in der Einmanngesellschaft an. 90

Vgl. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 120, auch wenn er die personalistische GmbH auf S. 128 f. grundsätzlich anerkennt. 91 Müller-Erzbach, LZ 1933, 145 (149). 92 ZB: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 40 I 1 = S. 1238; Hüffer, AktG, 4. Auflage, 1999, § 2 Rdnr. 1. Vgl. auch die Einpersonen-Gesellschafts-Richtlinie (Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter); dazu: Haber sack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 318 ff. mitsamt dem Text der Richtlinie.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung II. Der unternehmensleitende Kommanditist

Aus der Sicht der Lehre vom Zusammenhang von Herrschaft und Haftung, ist es ein schweres, kaum gut zu machendes Versäumnis, dass es der deutsche Gesetzgeber unterlassen hat, bei der Ordnung der Haftung des Kommanditisten ein deutliches Zeichen gegen die Auflösung des inneren Verbunds von Herrschaft und Haftung gesetzt zu haben93. Denn gerade die Rechtsfigur des geschäftsführenden Kommanditisten, der das Unternehmen leitet, aber für die Gesellschaftsschulden allenfalls beschränkt haftet (§171 HGB), ist bei Zugrundelegung des zwingenden Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung ein Unding. Geradezu wehmütig schaut Müller-Erzbach auf andere Rechtsordnungen, die den Grundsatz von Herrschaft und Haftung im Recht der Kommanditgesellschaft positiviert haben oder doch positiviert hatten. Vorbildlich waren diesbezüglich die ehemaligen Artt. 27, 28 des code de commerce 94, die in ihrer ursprünglichen Fassung lauteten: Art. 27 des code de commerce. L'associé commanditaire ne peut faire aucun acte de gestion, ni être employé pour les affaires de la société, même en vertu de procuration. Art. 28 des code de commerce. En cas de contravention à la prohibition mentionée dans l'article précèdent, l'associé commanditaire est obligé solidairement, avec les associés en nom collectif, pour toutes les dettes et engagements de la société95.

Dem deutschen Recht aber ist eine solche Vorschrift fremd geblieben. Sie fand weder Eingang in das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861, noch in das Handelsgesetzbuch von 1897. Art. 149 des preußischen Entwurfs 96 , der der Nürnberger Kommission als Beratungsgrundlage diente, und der Entwurf eines Handelsgesetzbuchs von 1848/49 (Tit. 3 Artt. 67, 69) 97 sahen in Anlehnung an das französische Recht noch entsprechende Vorschriften vor. Die Motive zu den 93 Müller-Erzbach, 94 Müller-Erzbach,

LZ 1933, 145 (148). AcP Bd. 154 (1954), 299 (342); derselbe, LZ 1933, 145 (147).

95 Art. 28 des code de commerce diente dem englischen Limited Partnership Act 1907 in § 6 Ζ. 1 Abs. 2 als Vorbild. Diese Vorschrift ließ den sonst nur beschränkt haftenden Kommanditisten für die Gesellschaftsschulden unbeschränkt einstehen, falls dieser entgegen der gesetzlichen Regel an der Führung der Gesellschaft beteiligt war (Müller-Erzbach, LZ 1933, 145 (147). Durch Gesetz v. 06. 05. 1863 wurde Art. 28 des code de commerce dahin geändert, dass sich die Haftung des Kommanditisten nach Maß und Gewicht seiner Eingriffe in die Geschäftsführung richten sollte. 96 Art. 149 PrEntwADHGB. Ein stiller Gesellschafter, welcher Namens der Gesellschaft Rechtshandlungen vornimmt oder für dieselbe auch nur als Faktor oder Bevollmächtigter Geschäfte ausführt, haftet den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch. Jedoch findet diese Bestimmung auf die Teilnahme an den Berathungen und an der inneren Verwaltung der Gesellschaft keine Anwendung. 97 Art. 67 EntwADHGB 1848/49. (1) Der Commanditist darf keine Handlung der Geschäftsführung vornehmen; er darf selbst nicht als Bevollmächtigter, in Angelegenheiten der Gesellschaft gebraucht werden. (2) Auf die Theilnahme an den Berathungen der Gesellschafter, und an der blos inneren Verwaltung bezieht sich diese Vorschrift nicht.

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beiden Gesetzentwürfen knüpften zwar primär an den Gedanken an, dass ein handelnd auftretender Kommanditist den Rechtsschein eines persönlich haftenden Gesellschafters erweckt, aber auch der Gedanke der Gefahr eines Rechtsmissbrauchs der Haftungsbeschränkung und der Gefährdung von persönlich haftenden Gesellschaftern und Dritten durch die Spekulationen nur beschränkt haftender Gesellschafter wurde ausdrücklich herangezogen 98 . Aber Eingang in das A D H G B fand der Gedanke des Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung nicht. I m Verlaufe der ersten Lesung der Nürnberger Kommission wurde mit großer Mehrheit beschlossen, den ersten Satz des Art. 149 PrEntwADHGB zu streichen" und die Vorschrift stattdessen in Anlehnung an den Art. 87 Abs. 3 des re vidierten österreichischen Entwurfs zu fassen 1 0 0 . Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Art. 149 PrEntw A D H G B viel zu weitgehend sei und jedes inneren Grundes entbehre. Es sei nicht einzusehen, warum derjenige, der nur als Prokurist auftrete, also dem Dritten zu erkennen gebe, dass er nicht als (persönlich haftender) Gesellschafter handele und haften wolle, dennoch wie ein persönlich haftender Gesellschafter haften solle. A m Ende stand Art. 167 Abs. 3 A D H G B : Art. 167ADHGB. (1)... (2)... (3) Ein Kommanditist, welcher für die Gesellschaft Geschäfte schließt, ohne ausdrücklich zu erklären, dass er nur als Prokurist oder als Bevollmächtigter handle, ist aus diesen Geschäften gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter verpflichtet. Art. 69 EntwADHGB 1848/49. Im Falle einer Zuwiderhandlung gegen eines der in den Artikeln 63 und 67 enthaltenen Verbote haftet der Commanditist den Gläubigern der Gesellschaft gleich einem Collectivgesellschafter. 98 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 78: „Die Erfahrung habe gelehrt, dass öfters die Gesellschafter eine Person ohne alles Vermögen nur dem Namen nach als Geranten an die Spitze stellen, während sie die Geschäfte selbst und sogar mit Rücksicht auf ihren besonderen Handel leiten, im Falle von Verlusten sich hinter den Gesellschaftsvertrag zurückziehen, nach welchem sie nur mit der Einlage zu haften brauchen"; Baums, Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), 1982, S. 150: „Ein ferner Grund für die Ausschließung der Commanditisten von der Geschäftsführung liegt darin, dass derjenige, welcher für den Verlust nur bis zu einer bestimmten Summe haftet, nicht die Gelegenheit haben soll, die Gesellschaft und die Gläubiger in die Gefahr zu bringen, welche aus gewagten Spekulationen hervorgeht". 99 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1, S. 295 f. 100 Art. 87 rev. Öster. EntwADHGB. (1)... (2).. (3) Jeder stille Gesellschafter, der veranlasste oder zuließ, daß sein Name in die Firma aufgenommen werde, oder der Geschäfte als Bevollmächtigter der Gesellschaft, jedoch ohne ausdrückliche Angabe seiner Eigenschaft eines Gesellschaftsbevollmächtigten vorgenommen hat, haftet mit seinem ganzen Vermögen gleich einem öffentlichen Gesellschafter, und zwar in dem ersten der bemerkten zwei Fälle für die ganze Geschäftsführung der Gesellschaft während der Zeit, während welcher er in der Firma mit seinem Namen erschien, in dem anderen Falle aber für die von ihm ohne Angabe seiner Vollmacht als Bevollmächtigter besorgten Geschäfte der Gesellschaft.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

Der deutsche Gesetzgeber hat es also nicht nur unterlassen, bei der Regelung der Haftung ein Zeichen für den Zusammenhang von Herrschaft und Haftung zu setzen, er hat sich vielmehr im vollen Bewusstsein gegen das Prinzip von Herrschaft und Haftung entschieden („entbehre jedes inneren Grundes"). Die Haftungsvorschrift des Art. 167 Abs. 3 ADHGB, die den Kommanditisten gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter verhaftete, wenn er nicht ausdrücklich erklärte, dass er nicht als Komplementär agiere, knüpfte ausschließlich an das verbliebene Vertrauensschutzmoment an. Sie belässt dem Kommanditisten sein Haftungsprivileg, wenn der Rechtsverkehr über seine Haftungsbeschränkung aufgeklärt war. Dabei erklärt sich die besondere, heute antiquiert wirkende Hinweispflicht des geschäftsführenden Kommanditisten, dass er nicht als persönlich haftender Gesellschafter agiere, aus der von den Verfassern des preußischen Entwurf als misslich empfundenen fehlenden tatsächlichen Publizität seiner Haftungsbeschränkung als Kommanditist 101 . Für das Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien bestimmte der Gesetzgeber die Nichtanwendung des Art. 167 Abs. 3 ADHGB 1 0 2 . Den Grund gibt Makower in seinem Kommentar zum ADHGB: Die Anwendung des Art. 167 Abs. 3 ADHGB sei wegen der größeren tatsächlichen Publizität des Gesellschaftsvertrages einer Kommanditgesellschaft auf Aktien weniger erforderlich 103 . Die „tatsächliche Publizität" bleibt hinter der Registerpublizität zurück, wenn der Wirtschaftsverkehr mehr auf die tatsächlichen Erscheinungen als auf Registereintragungen achtet. Dies kann, sofern nicht ausnahmsweise ein besonderer Rechtsschein gesetzt wurde, wegen § 15 Abs. 2 HGB für den Vertragspartner unerwartete Folgen haben 104 . Doch Abhilfe kommt. Neben jetzt schon bestehenden Nutzungsmöglichkeiten bei privaten Anbietern finden alsbald auch in Deutschland amtliche Online-Handelsregister ihren Weg ins Internet 105 . Dann ist es ohne Schwierigkeiten für jedermann möglich, sich auf einfachem Wege die notwendigen Informationen über die Vertretungsverhältnisse und Haftungsverhältnisse zu beschaffen.

101

So heißt es in Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 78: „Diese Gefahr wird auch durch die Vorschrift nicht beseitigt, daß die Gesellschaftsverträge in das Handelsregister eingetragen werden müssen; denn einestheils können die Kontrahenten dies unterlassen haben, anderntheils ist es bekannt, daß das Publikum überwiegend auf die Wirklichkeit und die konkrete Erscheinung sieht, ohne sich bei jedem einzelnen Geschäft die Eintragungen in das Handelsregister gegenwärtig zu halten". 102 Art. 196 Abs. 3 ADHGB. Die Bestimmung des Art. 167 in Betreff des Kommanditisten, welcher für die Gesellschaft Geschäfte schließt, findet bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien keine Anwendung. 103 Unter Hinweis auf die Motive zum preußischen Entwurf: Makower, ADHGB, 3. Auflage, 1868, Art. 196, Anm. 37. 104 K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 1412 = S. 387. los Vgl. dazu Lindhorst, CR 2001, 198.

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Der Gläubigerschutz bzw. der Schutz des Rechtsverkehrs im deutschen Recht beschränkt sich daher auf das Vertrauen in die kundgemachten Tatsachen106; einen zusätzlichen Schutz des Rechtsverkehrs durch die zwingende Zusammengehörigkeit von Herrschaft und Haftung, die gute Unternehmensleitung sichert, und schlechte Geschäftsführung verhindert, kennt das deutsche Recht nicht. Von diesem Standpunkt, der sich mit der Publizität der Haftungsbegrenzung begnügt, ist eine offengelegte begrenzte Haftung des handelnden Unternehmensleiters nicht zu beanstanden107: hat sich ein Gesellschafter seine Haftungsbefreiung durch Eintragung als Kommanditist verdient, muss er selbst dann nicht mehr unbeschränkt haften, wenn ihm die ausschließliche Leitung der Gesellschaft zusteht. Der noch heute gültige § 170 HGB übernahm die Regelung des Art. 167 ADHGB insoweit, als er bestimmt, dass die Kommanditisten von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Die weiteren Bestimmungen des Art. 167 Abs. 1, Abs. 2 ADHGB 1 0 8 wurden durch die Verweisung des § 161 Abs. 2 HGB entbehrlich. Auf eine Übernahme des Art. 167 Abs. 3 ADHGB in das Handelsgesetzbuch wurde verzichtet. Zur Begründung heißt es in der Denkschrift zum HGB: „Um einer Verdunklung der Verhältnisse der Gesellschaft vorzubeugen, ist eine solche Vorschrift nicht erforderlich" 109 . Mit der „Streichung" des Art. 167 Abs. 3 ADHGB kam der Gesetzgeber einer in der Literatur mit Vehemenz erhobenen Forderung nach, die auf eine Abänderung des Art. 167 Abs. 3 ADHGB drängte 110 . An der Nichtgeltung des Grundsatzes des Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung im deutschen Recht änderte die Neuregelung des § 170 HGB nichts. Innerhalb der Rechtsentwicklung, die auf der grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers in Art. 167 ADHGB gegen den zwingenden Zusammenhang von

106 Vgl. Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (27); vgl. auch Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 183. 107 Vgl. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 c = S. 126; ebenso: BGHZ 45, 204 (208), Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63. los Art. 167 ADHGB. (1) Die Kommanditgesellschaft wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter berechtigt und verpflichtet; sie wird durch dieselben vor Gericht vertreten. (2) Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung befugten Gesellschafter geschieht. (3)... 109 Denkschrift, S. 118. no Vgl. Rießer, Zur Revision des Handelsgesetzbuchs, 1889, (1. Abteilung), S. 56: „Es besteht kein Grund, von dem, für die Gesellschaft Geschäfte abschließenden Kommanditisten eine ausdrückliche Erklärung zu fordern, daß er „nur als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter handle". Es muß, um die persönliche und solidarische Haftung von ihm abzuwenden, genügen, wenn der Dritte wußte oder wissen musste, daß der Kommanditist nur als Prokurist oder als Bevollmächtigter handle". Ebenso bereits Goldschmidt, Gutachten über den Entwurf eines Deutschen Handelsgesetzbuchs, Beilageheft zur ZHR Bd. 3 (1860), S. 68. Die Nürnberger Kommission ihrerseits hatte es im Verlauf der zweiten Lesung noch abgelehnt, das Wörtchen „ausdrücklich" zu streichen (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1105).

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

Herrschaft und Haftung aufbauen konnte, kam es fortlaufend zu einer Stärkung der Stellung des geschäftsführenden Kommanditisten, dessen Leitungsbefugnisse in immer weiterem Maße anerkannt, ausgebaut und gegen Eingriffe anderer Gesellschafter, insbesondere auch der persönlich haftenden Gesellschafter, verstärkt wurden. Unglücklich wirkt allerdings die Figur, die Rechtsprechung und Lehre machen, bei ihrem Spagat zwischen der Erkenntnis, dass dem Kommanditisten die ausschließliche organschaftliche Geschäftsführung unter vollständigem Ausschluss der Komplementäre erteilt werden kann, und dem Beharren auf der sich bis heute hartnäckig haltenden Behauptung, dass der Kommanditist zwingend von der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, was sich im angeblich zwingenden Charakter des § 170 HGB manifestiert. Die das Außen Verhältnis betreffenden Bestimmungen der Art. 167 Abs. 1 ADHGB, § 170 HGB, dass der Kommanditist von der „gesetzlichen" Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, und die organschaftliche Vertretung ausschließlich dem Komplementär obliegt, wurde von der Rechtsprechung seit jeher als zwingend betrachtet. Diese Rechtsprechung lässt sich zurückverfolgen bis zum Reichsoberhandelsgericht. Dieses sprach aus, dass der Kommanditist zur Eidesleistung für die Gesellschaft nicht berufen sei. Interessant ist die Begründung. Das Gericht stellte darauf ab, dass der Komplementär als „das gesetzlich geordnete Organ" ohne Rücksicht auf die Kommanditisten die Gesellschaft leite (Art. 158 ADHGB 1 1 1 ) und sie nach außen vertrete (Art. 167 ADHGB 1 1 2 ). Zur Vertretung wie zur Geschäftsführung sei der Kommanditist nicht verpflichtet; die Vertretungsbefugnis könne ihm nicht einmal durch Vereinbarung der Gesellschafter übertragen werden 113 .

Der Spagat zwischen Innen- und Außenverhältnis begann in RGZ 31, 72 1 1 4 . Das Reichsgericht anerkannte, dass dem Kommanditisten entgegen der Vorschrift des Art. 158 ADHGB (vgl. § 164 S. 1 HS 1 HGB) die Geschäftsführungsbefugnis übertragen werden kann: „Die Vorschrift des Art. 158 ADHGB enthält, wie allgemein anerkannt ist und aus dem Zusammenhang mit Art. 157 unzweifelhaft hervorgeht, kein zwingendes, sondern nur vermittelndes Recht; sie gilt nur, wenn und 111

Art. 158 ADHGB. (1) Die Geschäftsführung der Gesellschaft wird durch den oder die persönlich haftenden Gesellschafter besorgt. (2) Ein Kommanditist ist zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft weder berechtigt noch verpflichtet. (3) Er kann gegen die Vornahme einer Handlung der Geschäftsführung durch die persönlich haftenden Gesellschafter (Art. 99 bis 120) Widerspruch nicht erheben. 112 Art. 167 ADHGB. (1) Die Kommanditgesellschaft wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter berechtigt und verpflichtet; sie wird durch dieselben vor Gericht vertreten. (2) Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung befugten Gesellschafter geschieht. (3) Ein Kommanditist, welcher für die Gesellschaft Geschäfte schließt, ohne ausdrücklich zu erklären, dass er nur als Prokurist oder als Bevollmächtigter handle, ist aus diesen Geschäften gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter verpflichtet. Π3 ROHG 15, 6, Urt. v. 05. 11. 1874, Az: III 2/74. 114 RGZ 31, 72, Urt. v. 01. 03. 1893, Az: 1426/92.

§ 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung

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insoweit der Gesellschaftsvertrag nichts abweichendes bestimmt" 115 . Anders aber entschied das Reichsgericht hinsichtlich Art. 167 ADHGB: „Zwingend ist die Vorschrift des Art. 167, daß der persönlich haftende Gesellschafter nach außen unbeschränkt zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist" 1 1 6 . Auch die Obergerichte sprachen im weiteren Verlauf aus, dass § 170 HGB den Kommanditisten zwingend von der organschaftlichen Vertretung ausschließt. So hielten das OLG Hamm und später das Kammergericht eine Vertragsklausel für unwirksam, nach der zur Vertretung der Gesellschaft nur Komplementär und Kommanditist gemeinsam berufen waren 117 . Im Gegenzug wurde aber auch anerkannt, dass der Kommanditist trotz § 170 HGB zum Prokuristen der Gesellschaft bestellt werden konnte 118 . Zu den Zeiten des ADHGB ergab sich das zwanglos aus Art. 167 Abs. 3 ADHGB, für § 170 HGB stellte dies das Reichsgericht noch einmal ausdrücklich klar: „Eine solche Vereinbarung läuft der zwingenden Vorschrift des § 170 HGB, die den Kommanditisten von der Vertretung der Gesellschaft ausschließt, nicht entgegen. Denn wie der Kommanditist mit seiner Bestellung zum Prokuristen nicht eine ihm in seiner Eigenschaft als Gesellschafter kraft Gesetzes erwachsende Vertretungsmacht erlangt, sondern lediglich kraft rechtsgeschäftlicher Vollmachtserteilung vertretungsberechtigt wird, vermag er sich ebenso wenig durch einen auf sein Verlangen bestellten Prokuristen auch nur mittelbar eine Vertretungsbefugnis zu verschaffen, die über die eines von der Gesellschaft bestellten Vertreters hinausginge"119.

Die verbandsinterne Stellung des geschäftsführungsberechtigten Kommanditisten wurde verfestigt und dem geschäftsführenden Komplementär angeglichen. Nicht etwa wurde in Entsprechung zur Vorschrift des § 52 Abs. 1 HGB die (organschaftliche) Stellung des Kommanditisten jederzeit widerrufbar gestellt 120 . Das Reichsgericht sprach aus, dass die organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse, die dem Kommanditisten durch den Gesellschaftsvertrag zugewiesen worden seien, ihm, wie einem Komplementär, grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 117 HGB entzogen werden konnten 121 . Das Reichsgericht tolerierte auch, us RGZ 31, 72 (73), Urt. v. 01. 03. 1893, Az: 1426/92. 116 RGZ 31, 72 (73), Uri. ν. 01. 03. 1893, Az: 1426/92. 117 OLG Hamm, in: OLGRspr. 44, 199, Urt. v. 13. 02. 1923, Az: U 27/23 (12. Zivilsenat); ebenso: KG, in: JW 1939,424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38. us ZB: KG, in: JW 1939,424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38; RG, in: Seuffert's Archiv Bd. 94 (1939), 24 (25), Urt. v. 18. 10. 1939, Az: I I 86/39. 119 RG, in: Seuffert's Archiv Bd. 94 (1939), 24 (25), Urt. v. 18. 10. 1939, Az: II 86/39. ι 2 0 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 180 entwickelt zwar den Grundsatz, dass einem Fremdverwalter aufgrund der Wertung der §§52 HGB, 84 Abs. 3 AktG, 24 Abs. 3 GenG seine Stellung jederzeit widerrufen werden könne. Dies greife beim Kommanditisten aber nicht durch, da dieser ebenso Gesellschafter sei wie der Komplementär und über ein ausreichendes Eigeninteresse (Gesellschafterinteresse) verfüge, weswegen die Geschäftsführung an § 117 HGB angebunden werden könne (a. a. O., S. 183). 121 RGZ 110, 418 (421 f.), Urt. v. 28. 04. 1925, Az: II 290/24. 33 Bergmann

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungs Verfassung

dass dem Kommanditisten Handlungsvollmacht im Umfange der Vertretungsbefugnis eines persönlich haftenden Gesellschafters erteilt wurde. Hier ist er wieder, der Spagat zwischen der verbandsinternen Stellung des Kommanditisten, der durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen zum Geschäftsführungsorgan erhoben werden konnte, aber im Außenverhältnis auf eine rechtgeschäftliche Vollmacht angewiesen bleibt, deren Umfang, um mit den verbandsinternen Befugnissen mithalten zu können, zunehmend ausgedehnt werden musste. Wenn das Reichsgericht aussprach, dass dem Kommanditisten die Geschäftsführungsbefugnis zugewiesen werden konnte, dann nicht nur in der Weise, dass er als gleichberechtigter Geschäftsführer neben den persönlich haftenden Gesellschafter tritt: die organschaftliche Geschäftsleitung konnte im Gesellschaftsvertrag so geordnet werden, dass der persönlich haftende Gesellschafter den Weisungen des Kommanditisten mehr oder weniger unterworfen oder von der Geschäftsführung sogar vollständig ausgeschlossen wurde 122 . Der Bundesgerichtshof setzte diesen Spagat fort. Auf der einen Seite wird der Bundesgerichtshof trotz des späteren Grundlagenurteils in BGHZ 36, 292 1 2 3 zur Unübertragbarkeit der organschaftlichen Geschäftsführung auf einen Dritten (Selbstorganschaft) dabei bleiben, dass der Gesellschaftsvertrag die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis dem Kommanditisten zuweisen kann 124 . Auf der anderen Seite sieht auch er in § 170 HGB den zwingenden Ausschluss des Kommanditisten von der organschaftlichen Vertretung 125, was aber dadurch kompensiert werden kann, dass der Kommanditist mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattet wird 1 2 6 . Und nun wird auch die (rechtsgeschäftliche) grundsätzlich jederzeit widerrufliche Vertretungsmacht (vgl. § 52 HGB) des geschäftsführenden Kommanditisten - im Innenverhältnis - an die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis angelehnt, die, wie seit der Rechtsprechung des Reichsgerichts geklärt ist, grundsätzlich nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter den weiteren Voraussetzungen des § 117 HGB entzogen werden kann. BGHZ 17, 392 1 2 7 entschied, dass die Prokura im gesellschaftlichen Innenverhältnis an die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis des Kommanditisten angebunden werden kann. Ist dem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung übertragen und ihm zugleich im Gesellschaftsvertrag ein Anspruch auf Erteilung (rechtsgeschäftlicher) Prokura erteilt, so kann ihm die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis überhaupt und - im Innenverhältnis - die Prokura nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gem. § 117 HGB entzogen werden 128 . Im Außenver-

122 RG, in: Seuffert's Archiv Bd. 94 (1939), 24, Urt. v. 18. 10. 1939, Az: II 86/39. 123 BGHZ 36, 292 Lt., Urt. v. 22. 01. 1962, Az: II ZR 11/61. 124 BGH, in: WM 1968, 509 (510), Urt. v. 15. 01. 1968, Az: II ZR 221/65. 125 Vgl. BGHZ 51, 198 (200), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67; auch BGHZ 41, 367 (369), Urt. v. 25. 05. 1964, Az: II ZR 42/62. 126 BGH, in: W M 1968, 509, Urt. v. 15. 01. 1968, Az: I I ZR 221/65. 127 BGHZ 17, 392, Urt. v. 27. 06. 1955, Az: II ZR 232/54.

§ 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung

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hältnis dagegen bleibt ein pflichtwidriger Widerruf der Prokura durch das Vertretungsorgan der Gesellschaft wirksam, allerdings hat der Kommanditist einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Neuerteilung. In teleologischer Reduktion des § 52 Abs. 1 HGB nähert der B G H die Vertretungsmacht des Kommanditisten § 127 HGB an. Sie darf nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden. Deutlich manifestiert sich hier, dass die Erteilung der rechtsgeschäftlichen Prokura die (abstrakte) Handlungsverfassung der Gesellschaft nicht berührt. Der Entzug der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse ändert unmittelbar die abstrakte Handlungsverfassung der Kommanditgesellschaft: einem Organ werden organschaftliche Befugnisse, die ihm durch die Verfassung zugewiesen wurden, durch Verfassungsänderung - d. h. Änderung des Gesellschaftsvertrags - entzogen. Dieser Entzug ist erst wirksam, wenn wirksam die Handlungsverfassung, sprich der Gesellschaftsvertrag abgeändert wird. Sieht der Gesellschaftsvertrag hierfür kein anderes Verfahren vor, so muss der Weg des § 117 HGB eingeschlagen werden, insbesondere muss ein wichtiger Grund vorliegen. Alleine aus eigener Machtvollkommenheit kann der Komplementär, selbst wenn ein wichtiger Grund vorliegt, dem geschäftsführenden Kommanditisten dessen Befugnisse nicht entziehen129. Anders ist es bei der Prokura. Diese wird dem Kommanditisten wie einem Dritten durch Handlung der Gesellschaft erteilt, und kann ihm durch Handlung der Gesellschaft ebenso wieder entzogen werden 130 . Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages ist dafür nicht notwendig. Entzieht der vertretungsberechtigte Gesellschafter als das Vertretungsorgan des Verbandes dem Kommanditisten die Prokura, so ist dieser Entzug ohne weiteres wirksam: der Verband als Aussteller der Prokura entzieht dem Prokuristen die Vertretungsmacht durch sein Vertretungsorgan. Die Handlungsverfassung wird dadurch nicht berührt. Nur im Innenverhältnis hat jetzt der Kommanditist einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Neuerteilung. Und auch haftungsrechtlich ist die Position des unternehmensführenden Kommanditisten heute abgesichert. Die in der Literatur gestellte Forderung, den Grundsatz von Herrschaft und Haftung als Ordnungssatz des Gesellschaftsrechts zum zwingenden Typenmerkmal der Personengesellschaften zu erheben und den geschäftsführenden Kommanditisten dem persönlich haftenden Gesellschafter gleich zu stellen, also gem. § 128 HGB für die Gesellschaftsschulden einstehen zu lass e n 1 3 1 , wurde vom Bundesgerichtshof nicht aufgegriffen. Der zweite Senat stellte in seiner vielbeachteten Rektorentscheidung k l a r 1 3 2 : 128 BGHZ 17, 392 (395 f.), Urt. v. 27. 06. 1955, Az: II ZR 232/54; Großkommentar HGB / Schilling, 4. Auflage, § 170, Rdnr. 6. § 52 HGB sei auf die Fälle der Prokuraerteilung an den geschäftsführenden Kommanditisten nicht anwendbar. 129 BGH, in: WM 1974,177 (178) und. Lt. 2, Urt. v. 17. 12. 1973, Az: II ZR 124/72. 130 BGHZ 17, 392 (396), Urt. v. 27. 06. 1955, Az: II ZR 232/54. 131 So: Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 81. 132 BGHZ 45, 204, Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Schulrektor gründete gemeinsam mit einer vermögenslosen Zuschneiderin eine Kommanditgesellschaft. Die vermögenslose Zuschneiderin wurde Komplementär, der Schulrektor hingegen Kommanditist mit einer Einlage von 10.000 DM, die er alsbald erbrachte (§171 HGB). Das Unternehmen wurde vollständig und ausschließlich vom 3*

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

„Ein Kommanditist haftet nicht schon dann unbeschränkt, wenn er wirtschaftlich gesehen der alleinige Inhaber des Handelsgeschäfts ist und der persönlich haftende Gesellschafter mittellos ist" 1 3 3 .

Das ist mit Blick auf Art. 167 Abs. 3 ADHGB nur konsequent. Der geschäftsführende Kommanditist verdient sich seine Haftungsbegrenzung gem. § 171 HGB, wenn er kundgibt, dass er begrenzt haftet, und in welchem Umfange er für die Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen hat 1 3 4 . Vom Gleichlauf von Herrschaft und Haftung keine Spur. Zwar hält die Rechtsprechung formell an dem Grundsatz fest, dass dem Kommanditisten die organschaftliche Vertretungsmacht wegen der vermeidlich zwingenden Vorschrift des § 170 HGB nicht zugewiesen werden kann, aber materiell ist sie stets bemüht gewesen, dem geschäftsführenden Kommanditisten die einem Komplementär vergleichbare Rechtsstellung zu verschaffen. Bei allen Unterschieden im Detail unterscheidet sich die Stellung des geschäftsführenden und mit umfassender rechtsgeschäftlicher Vollmacht ausgestatteten Kommanditisten nicht von derjenigen eines geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Komplementärs; bis auf eine Ausnahme: der Kommanditist haftet nur beschränkt.

I I I . Der zwingenden Charakter des § 170 HGB

Unglücklich und letztlich unbefriedigend bleibt aber der Spagat der herrschenden Meinung zwischen der Erkenntnis, dass dem Kommanditisten die ausschließliche organschaftliche Geschäftsführung zugewiesen werden kann und dem unreflektierten Verharren auf der Behauptung, dass der Kommanditist von der organschaftlichen Vertretung ausgeschlossen bleiben muss (§ 170 HGB). Denn die dahinter stehende Weitungsfrage ist mit Anerkennung der Möglichkeit der ausschließlichen Geschäftsführungsbefugnis des Kommanditisten entschieden. Dem nur geschäftsführungsberechtigten, jedoch nicht zugleich vertretungsberechtigten Kommanditisten geht zwar die organschaftliche Befugnis ab, die Gesellschaft wirksam rechtsgeschäftlich zu verpflichten. Aber er trifft die Entscheidungen, die der vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter ohne eigene Geschäftsführungsbefugnis ausführen muss 135 . Der vertretungs-, aber nicht geschäftsKommanditisten geführt. Als das Unternehmen zusammenbrach, wurde der Kommanditist auf Zahlung noch ausstehender Rechnungen in Anspruch genommen. 133 BGHZ 45, 204 Lt., Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63. Anders noch das KG, in: JW 1939, 424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38, der das Vorschicken eines vermögenslosen Komplementärs durch den Kommanditisten, der der wahre Träger des Unternehmens ist, als rechtsmissbräuchlich ansieht (allerdings ist die Entscheidung auf die Vertretungsmacht bezogen). 134 BGHZ 45, 204 (208), Urt. v. 17. 03. 1966, Az: I I ZR 282/63; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 c = S. 126. 135 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 14 I 3 = S. 255 f.; Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (31): Die Vertretung betrifft nur den Vollzug der gefassten Beschlüsse.

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führungsberechtigte Komplementär ist machtloser als der geschäftsführungsbefugte, aber nicht vertretungsberechtigte Kommanditist, denn er wird zum ausführenden Organ von Entscheidungen, die der Kommanditist getroffen hat. Kurz und prägnant: die Geschäftsführungsbefugnis ist die wichtigere Befugnis 136 . Der vertretungsberechtigte Komplementär ist der Büttel des geschäftsführenden Kommanditisten, das Ausführungsorgan ohne eigene Entscheidungskompetenz des den Ton angebenden geschäftsführenden Kommanditisten. Dass der Anerkennung der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis daher nicht die Zulassung der organschaftlichen Vertretung folgt, ist eine nicht unbedingt nachvollziehbare Inkonsequenz der herrschenden Meinung. Auch organisationsrechtlich ist eine zwingende Unvereinbarkeit von organschaftlicher Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht in der Person des Kommanditisten nicht sonderlich sinnfällig 137 : die Vertretungshandlung gehört in den Gesamtbereich der Geschäftsführung. Der Gesichtspunkt der Vertretung wurde von der übrigen Geschäftsführung abstrahiert, um Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entgegenzukommen. Der Dritte, der mit der Gesellschaft kontrahiert, soll sich keine Gedanken darüber machen müssen, ob das ihm gegenüber auftretende Organ ihm gegenüber auch konkret handeln darf, oder zB aufgrund des beachtlichen Widerspruchs eines anderen geschäftsführenden Gesellschafters (§115 Abs. 1 HS 2 HGB) oder eines fehlenden Beschlusses der übrigen Gesellschafter gem. § 116 Abs. 2 HGB die Maßnahme zu unterlassen hat. Er soll sich auf die von der Geschäftsführungsbefugnis abstrakte, im Umfang gesetzlich fixierte Vertretungsmacht (§ 126 HGB) verlassen dürfen 138 . Der Gedanke, der hinter der Trennung von Geschäftsführung und Vertretung steht, ist der Gedanke des abstrakten Verkehrsschutzes. Nur von diesem Standpunkt aus, macht es keinen Unterschied, ob nun ein Kommanditist oder Komplementär Träger der organschaftlichen Vertretungsbefugnis ist. Der Umfang der Vertretungsmacht bleibt beide Male gleich (§126 HGB) und inhaltlich bleibt die Vertretung abstrakt von der Geschäftsführungsbefugnis. Allein um die Verhinderung der „Vertretung" durch den Kommanditisten kann es § 170 HGB ja auch nicht gehen, da diese Vorschrift, wie der Blick auf Art. 167 Abs. 3 ADHGB zeigt, der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung des Kommanditisten nicht im Wege steht 139 und diese Vollmacht abweichend von § 52 HGB im Innenverhältnis entsprechend §§ 117, 127 HGB nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden darf 140 . Und für einen Dritten, der mit der Ge136

John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 281. Vgl. Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 220 ff., der von einer unhaltbaren Inkongruenz der organschaftlichen Verwaltungsbefugnisse im Innen- und Außenverhältnis spricht. 138 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 236 ff., 280 f.; Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (31). 137

139 ZB: KG, in: JW 1939,424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38; RG, in: Seuffert's Archiv Bd. 94 (1939), 24 (25), Urt. v. 18. 10. 1939, Az: II 86/39; Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (28).

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

sellschaft kontrahieren will, unterscheidet sich die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht nicht von der organschaftlichen 141. Wiedemann will den zwingenden Charakter des § 170 HGB so begründen: selbst bei ausschließlicher Geschäftsführungsbefugnis des Kommanditisten, ergänzt um die Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht, soll dem Komplementär eine ständige Kontrollbefugnis eingeräumt werden, die der persönlich haftende Gesellschafter dadurch ausüben kann, dass er die Vertretungsmacht des Kommanditisten jederzeit abzubrechen sowie dessen Rechtsgeschäften zuwiderlaufende Maßnahmen einzuleiten vermag. § 170 HGB wolle dem Komplementär ein Notbremse einräumen, ein letztes Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen, auch um den Preis, dass er dadurch gegen seine verbandsinternen Pflichten verstoße 142. Die zwingende Restfunktion des § 170 HGB wäre darauf reduziert, dem persönlich haftenden Gesellschafter ein letztes Refugium Herrschaftsgewalt zu eröffnen, indem man es ihm ermöglicht, unter Missachtung bindender Anweisungen pflichtwidrig Geschäfte abzuschließen oder zu unterlassen und eine rechtsgeschäftliche Vollmacht des Kommanditisten durch Widerruf zu vernichten. Es kann aber doch wohl kaum Sinn des § 170 HGB sein, dem Komplementär die Möglichkeit einzuräumen, den gesellschaftsvertraglich fixierten Willensbildungsprozess der Gesellschaft außer Kraft zu setzen 143 . Zumal im Ergebnis der Komplementär mit seiner Verweigerungstaktik keinen Erfolg haben wird. Seit BGHZ 17, 392 1 4 4 ist geklärt, dass die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Kommanditisten im Innenverhältnis an seine organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis gebunden werden kann, die dem Kommanditisten gem. § 117 HGB nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden kann 145 . Entzieht der Komplementär dem Kommanditisten dennoch die Vertretungsmacht, so hat dieser einen (klagbar) durchsetzbaren Anspruch auf Wiedererteilung. Führt der Komplementär pflichtwidrig Geschäfte nicht aus oder nimmt er solche vor, macht er sich wegen Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten entsprechend §§ 43 GmbHG, 93 AktG, 34 GenG der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig (s.o.). Zudem hat die Gesellschaft, die ja ihren verbandsintern maßgeblichen Willen durch die Person des allein geschäftsführungsberechtigten Kommanditisten bildet, einen Anspruch auf Vornahme der pflichtwidrig unterlassenen Geschäfte. BGHZ 76, 160 146 steht dem nicht entgegen. Der zweite Senat hat hier zutreffend entschieden, dass die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter keinen Lenkungseinfluss auf die (einfache, ansonsten § 116 Abs. 2 HGB) Geschäftsführung haben, ho BGHZ 17, 392, Uri. ν. 27. 06. 1955, Az: II ZR 232/54. 141 Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (28). 142 Wiedemann, JZ 1969, 470 (471). 143 Ebenso: Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (31). 144 BGHZ 17, 392, Urt. v. 27. 06. 1955, Az: II ZR 232/54. 145 RGZ 110, 418 (421 f.), Urt. v. 28. 04. 1925, Az: II 290/24. 146 BGHZ 76, 160 Lt., Urt. v. 11. 02. 1980, Az: II ZR 41/70.

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also insbesondere nicht vom geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter Unterlassen oder Vornahme bestimmter Handlungen verlangen können. Zutreffend stellt der zweite Senat auf die Kompetenzverteilung innerhalb der Handlungsorganisation der Gesellschaft ab, die die Geschäftsführung dem geschäftsführenden Gesellschafter zuweist 147 . Durch die Vornahme oder Nichtvornahme werden die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter nicht in ihren organschaftlichen Kompetenzen verletzt. Hier ist die Lage anders. Die Geschäftsführung ist ausschließlich dem Kommanditisten zugeordnet, der die vom Komplementär nur noch nach außen umzusetzenden Entscheidungen trifft. Führt der Komplementär die Weisungen nicht durch, bewegt er sich außerhalb der abstrakten Handlungs Verfassung des Verbandes und verstößt gegen die Kompetenzzuweisung. Hier muss der Gesellschaft die Möglichkeit zustehen, der Kompetenzordnung entsprechende Verhältnisse wieder herzustellen.

Selbst also, wenn man in § 170 HGB die letzte Bastion eines dem Komplementär verbleibenden Machtbereichs erkennen wollte, ist die damit verbundene Vorstellung von Freiheit und Selbständigkeit für den persönlich haftenden Gesellschafter wirklichkeitsfremd. Schadensersatzansprüche der Gesellschaft wegen Überschreitung seiner organschaftlichen Pflichten werden eine präventive, abschreckende Wirkung entfalten, zumindest aber werden ihn klagbare Ansprüche von Gesellschaft und Kommanditist schnell in die Wirklichkeit zurückholen. Und die Wirklichkeit ist, dass der von der Geschäftsführung ausgeschlossene Komplementär nur Ausführungsorgan von Entscheidungen ist, die aufgrund der Handlungsverfassung der Gesellschaft von einem anderen, dem geschäftsführenden Kommanditisten, getroffen werden. Außerdem ist der Komplementär auf die Möglichkeit des vorübergehenden, aber teuren und letztlich erfolglosen Ungehorsams zur Durchsetzung seiner Interessen nicht angewiesen. Dem Komplementär stehen individuelle Kontroll- und Informationsrechte (vgl. § 118 HGB) gegen den geschäftsführenden Kommanditisten zu, so wie der Gesellschaft ein kollektives Informationsrecht zusteht (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 713, 666 BGB). Zwar kann sich der Komplementär unmittelbar nicht gegen die Weisungen zu Wehr setzen 148 ; sind diese aber pflichtwidrig, macht sich der Kommanditist entsprechend §§43 GmbHG, 93 AktG, 34 GenG schadensersatzpflichtig, wobei ihm nicht die Begrenzung des § 708 BGB zugute kommt; ein Anspruch, der auch im Wege der actio pro socio geltend gemacht werden kann. Dabei liegt eine Pflichtwidrigkeit auch dann vor, wenn der Kommanditist gegen die organschaftliche Treuepflicht verstößt, also subjektive Interessen vor die Interessen der Gesellschaft stellt. Und schließlich kann der Komplementär auf die Entziehung der organschaftlichen Befugnisse gem. § 117 HGB hinwirken, wenn die Geschäftsführung des Kommanditisten der Gesellschaft nicht mehr zumutbar ist. Gerade das Kriterium der Zumutbarkeit erlaubt gerechte Lösungen im Einzelfall 149 . Und im Falle 147 BGHZ 76, 160 (168), Urt. v. 11. 02. 1980, Az: II ZR 41/70. 148 Vgl. BGHZ 76, 160 (168) und Lt., Urt. v. 11. 02. 1980, Az: II ZR 41 /70. 149 Zur Entziehung der organschaftlichen Befugnisse bedarf es des Vorliegens eines wichtigen Grundes (§§ 117, 127 HGB). Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die unveränderte

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der drohenden Zahlungsunfähigkeit bleibt den persönlich haftenden Gesellschaftern immer noch die Möglichkeit, gem. §§ 15, 18 InsO den Insolvenzantrag zu stellen, bevor Schlimmeres passiert. Bliebe noch übrig, den zwingenden Charakter des § 170 HGB unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes zu begründen, wie er in Art. 167 Abs. 3 ADHGB und dessen Entstehungsgeschichte noch deutlich zum Ausdruck gelangt 150 . Der nach außen auftretende Kommanditist kann den Eindruck erwecken, er sei persönlich haftender Gesellschafter und damit den Vertragspartner über die Haftungsverhältnisse in der Gesellschaft täuschen. Dementsprechend verlangte Art. 167 ADHGB, dass der Kommanditist ausdrücklich daraufhinweist, nicht als persönlich haftender Gesellschafter zu agieren. Der Gesetzgeber des HGB hat auf einer Übernahme der Hinweispflicht verzichtet, da es einer solchen Vorschrift nicht bedürfe. Die dadurch entstandene (gewollte) gesetzespositive Lücke ist im Rückgriff auf die allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätze zu füllen 151 . Erweckt der Kommanditist zurechenbar den Eindruck, er hafte als Komplementär persönlich für die Gesellschaftsverbindlichkeiten, muss er unter bestimmten Umständen (Rechtsscheinhaftung) entsprechend § 128 HGB für die begründeten Forderungen einstehen152. Dabei besteht die registerrechtliche Besonderheit, dass sich die beschränkte Haftung des Kommanditisten aus dem Handelsregister ergibt und der Dritte sie gem. § 15 Abs. 2 S. 1 HGB grundsätzlich gegen sich gelten lassen muss. Nur wenn im Einzelfall eine besondere Vertrauenslage geschaffen wurde, kann eine Rechtsscheinhaftung entgegen der richtigen Registereintragung in Betracht kommen 153 . Der für die Gesellschaft agierende Kommanditist haftet daher nicht allein aufgrund seiner Vertretungshandlung. Nach § 15 Abs. 2 HGB muss sich der Dritte die beschränkte Haftung des Kommanditisten grundsätzlich entgegenhalten lassen. Nur wenn der Kommanditist den Rechtsschein veranlasst, er sei Komplementär und dieser Rechtsschein stärker ist als die registerliche Kundbarmachung, unterliegt er der Vertrauenshaftung. Der Gesetzgeber des HGB war mit dieser Rechtslage zufrieden. Konsequent fortgedacht bedeutet dies, dass - erkennt man dies denn an - der Kommanditist auch bei Inanspruchnahme organschaftlicher Vertretungsbefugnis nicht entsprechend § 128 HGB haften muss. Denn alles, was der deutsche Gesetzgeber als Gläubigerschutz verlangt, ist erfüllt: die Kundbarmachung der beschränkten

Belassung der Geschäftsführung nicht mehr zumutbar ist. Dafür ist eine umfassende Abwägung der Belange aller Beteiligten notwendig (Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 117, Rdnr 4). Dabei ist zu beachten: Verschulden ist nicht erforderlich. Selbst wenn der geschäftsführende Kommanditist der Gesellschaft gegenüber nicht wegen Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten haftet, kann er doch gegebenenfalls abberufen werden. 150 So KG, in: JW 1939,424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38. Vgl. Brox, FSH. Westermann, 1974, S. 21 (27); vgl. auch Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 183. 151 Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 ( 27). 152 K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 10 V I I I 2 c = S. 325 f. 153 K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 1999, § 1412 = S. 387.

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Haftung. Hinsichtlich des Schutzes des Rechtsverkehrs allgemein und der Gläubiger der Gesellschaft insbesondere beschränkt sich der Gläubigerschutz auf die Sicherung des Vertrauens in die kundgemachten Tatsachen (Vertretung, H a f t u n g ) 1 5 4 . A u f weitere Ordnungsprogramme, wie einer Genesung der deutschen Wirtschaft am Wesen von Herrschaft und Haftung, hat er bewusst verzichtet. Bleibt der schon erwähnte Unsicherheitsfaktor für den Rechtsverkehr, der mehr auf das tatsächliche Auftreten i m Rechtsverkehr abstellt als auf den beschwerlichen Blick ins Handelsregister. Doch gerade die Registerpublizität erfährt durch die Einführung amtlicher Online-Handelsregister i m Internet eine erhebliche Aufw e r t u n g 1 5 5 . Damit wird die noch in den Materialien zum preußischen Entwurf bek l a g t e 1 5 6 Diskrepanz zwischen Registerinhalt und tatsächlicher Publizität überwunden. Bleibt als formelles Argument, um den zwingenden Charakter des § 170 HGB zu belegen, der Wortlaut und bestenfalls ein Umkehrschluss zu §§ 163, 164 HGB sowie die Tatsache, dass § 170 HGB zu dem Normkomplex gehört, der das Außenverhältnis regelt 157 . Doch ist bei Argumentationen mit dem Wortlaut stets Zurückhaltung zu wahren, da es im Zivilrecht kaum etwas Zufälligeres gibt als den Wortlaut einer Vorschrift. Nun besagt der Wortlaut des § 170 HGB tatsächlich in aller nur wünschenswerten Deutlichkeit, dass der Kommanditist zur Vertretung der Gesellschaft nicht ermächtigt ist. Doch kann man alleine aus dieser philologischen Erkenntnis wenig für und gegen den zwingenden Charakter gewinnen, da bei isoliert grammatikalischer Auslegung der Wortlaut des § 164 S. 1 HS 1 ebenfalls nichts an Bestimmtheit vermissen lässt, wenn er den Kommanditisten von der organschaftlichen Geschäftsführung verbannt. Alleine der Wortlaut lässt nicht erkennen, ob § 170 HGB zwingend ist 1 5 8 . Bleibt der systematische Hinweis auf § 163 HGB, der die - das Innen Verhältnis der Gesellschafter bestimmenden - Vorschriften der §§164 bis 169 HGB zur Disposition der Gesellschafter stellt, dagegen § 170 HGB - der den das Außenverhältnis regelnden Normen (§§ 170 bis 176 HGB 1 5 9 ) angehört - nicht unter den ausdrücklichen Vorbehalt abweichender Parteivereinbarung steht. Doch Brox macht zutreffend darauf aufmerksam, dass aus § 163 HGB nicht im Gegenschluss der zwingende Charakter des § 170 HGB folgt. Innen- und Außen Verhältnis des Verbandes sind verschiedene, strikt getrennte Regelungskomplexe; sie werden im Recht der offenen Handelsgesellschaft, auf dem die Vorschriften der Kommanditgesellschaft aufbauen, in ver154

Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5c = S. 126. iss Vgl. dazu Lindhorst, CR 2001, 198. 156

Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 78. 157 So: KG, in: JW 1939, 424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38. Vgl. die Darstellung bei Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (24); Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 71 ff.; Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 212 ff. 158 Ebenso: Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 212 f. 159 Ausweislich der Überschrift vor § 123 HGB gehören auch die Haftungsvorschriften zum Verhältnis der Gesellschaft gegenüber Dritten und damit zum Außen Verhältnis.

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schiedenen Titeln behandelt160. § 163 beschränkt sich auf das Innen Verhältnis161. Für das Außenrechtsverhältnis gibt die Vorschrift - auch im Gegenschluss - nichts her. Zum Vergleich müssen das Außenverhältnis betreffenden Vorschriften herangezogen werden. Dabei fällt auf, dass in manchen Normen ausdrücklich angeordnet wird, dass eine abweichende Vereinbarung Dritten gegenüber unwirksam ist (§§ 172 Abs. 3, 173 Abs. 2, 174 HGB); dagegen fehlt in § 170 HGB ein solcher Zusatz 162 . Daher hat Brox recht, wenn er festhält: „Wenn also schon ein Umkehrschluss in Betracht kommt, dann liegt es näher, aus dem zwingenden Ausschluß von gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen für die Haftung und dem Schweigen des Gesetzgebers bei der Regelung des § 170 HGB zu folgern, daß hinsichtlich der Vertretungsmacht des Kommanditisten eine andere Vereinbarung der Gesellschafter zulässig ist" 1 6 3 . Festgehalten werden kann also, dass sich aus Wortlaut und Systematik nichts für den zwingenden Charakter des § 170 HGB entnehmen lässt (vgl. auch oben § 1 A).

IV. Herrschaft und Haftung als zwingendes Ordnungselement der gesetzlichen typenordnung Das Dogma der Vereinigung von Herrschaft und Haftung wurde in der Rechtswissenschaft zum typusprägenden und damit die Gestaltungsfreiheit beschränkenden Ordnungsprinzip der Personengesellschaft erhoben 1 6 4 . Diese Lehre fußt auf dem Grundsatz der Typengesetzlichkeit 165: die für eine Personengesellschaft typischen Züge sollen i m Wege der Gestaltungsfreiheit niemals so verändert werden können, dass der einzelne Grundtypus dadurch seinen Charakter verlöre. Die Beteiligten sind dem Gedanken der Typengesetzlichkeit folgend an die Gesellschafts160 Vergleiche die Titelüberschriften vor § 109 und § 123 HGB; vgl. dazu: Barbasch, Ausgewählte Probleme der „großen Familienkommanditgesellschaften", 1987, S. 258 f. J61 Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (25); Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 213. 162 Auch in der unmittelbar den Umfang der Vertretungsmacht regelnden Vorschrift des § 126 HGB findet sich in Abs. 2 ein entsprechender Zusatz. 163 Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (25); Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 213 f. 164 So: Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 71 ff.; vgl. dazu den zwingenden Charakter ablehnend: BGHZ 45, 204 (206), Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63. 165 Vgl. zur Problematik der Typengesetzlichkeit im Gesellschaftsrecht: Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III = S. 116 ff. m. w. N.; Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 I 3 a = S. 283 f. Hinter der Lehre von der Typengesetzlichkeit steht das Bemühen aus dem Grundgehalt des dispositiven Rechts zusätzliches zwingendes Recht zu entnehmen. Das lässt sich mit Κ Schmidt auf folgende absurde Fragestellung reduzieren: kann dispositives Gesellschaftsrecht zwingend sein? (K Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III 1 c = S. 118). Im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kennt man Ähnliches, wenn in § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG auf die Leitbild- und Ordnungsfunktion des dispositiven Rechts abgestellt wird (Vgl. Helm/Wagner, BB 1979, 225 (230); Κ Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III 1 c = S. 118).

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typen in der Art und Weise gebunden, dass sie zwar im einzelnen zulässige Abweichungen vereinbaren, nicht aber den gewählten Typus - zB eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft - in seiner Grundstruktur verändern oder aber einen im Gesetz nicht vorgesehenen Typus einführen können. Die Lehre von der Typengesetzlichkeit erschafft also eine immanente, im Wesen der Privatrechtsordnung angelegte Schranke der Privatautonomie: selbst dort also, wo Gestaltungsfreiheit herrscht, müssten die zwingenden gesellschaftsrechtlichen Ordnungsprinzipien, auf denen die einzelnen Gesellschaftstypen aufbauen, gewahrt und deutlich erkennbar bleiben 166 . So gesehen sind alle Gesellschaftsformen in Bezug auf ihre Grundstruktur, also die Fundamente, auf denen der einzelne Typus beruht, zwingend und einer abweichenden Regelung in Gesellschaftsverträgen und Satzungen entzogen. Jede Rechtseinrichtung trägt damit eine durch ihre typischen Merkmale bestimmte Gestaltungsschranke in sich 167 . Paulick, einer der Hauptvertreter der Lehre von der Typengesetzlichkeit, umschreibt das in seiner Habilitationsschrift so: „Die Gestaltungsfreiheit, die in den dispositiven Vorschriften des Gesellschaftsrechts zum Ausdruck kommt, muß in den wesentlichen Merkmalen, die in ihrer Gesamtheit den Typus einer Rechtseinrichtung - dazu gehören auch die einzelnen Gesellschaftsformen in ihrer gesetzestypischen Ausgestaltung - ausmachen, ihre Schranken finden. Trotz der dispositiven Bestimmungen, die im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung abgewandelt werden können, haben es die Beteiligten nicht in der Hand, das Wesen des vom Gesetzgeber gewollten Typus dergestalt zu verändern, daß unter Beibehaltung der äußeren Rechtsform ein seinem Inhalt nach völlig anderer Typus entsteht, der durch die Form nicht mehr gedeckt wird" 1 6 8 .

Der Typus der Personengesellschaften, insbesondere auch der Kommanditgesellschaft, beruht nun für Paulick auf dem Gedanken, dass derjenige, der die Geschäfte eigenverantwortlich führt, auch mit der unbeschränkten Haftung belastet werden soll 1 6 9 . Die Grundlagen des Typus würden verändert, wenn die Komplementäre vollständig von der Geschäftsführung ausgeschlossen und diese in die Hände der Kommanditisten gegeben sei, die nunmehr trotz ihres maßgeblichen Einflusses auf die Geschicke der Gesellschaft ihre Haftung beschränken wollen 1 7 0 . Die Einheit von Herrschaft und Haftung stehe auch einer Übertragung der organschaftlichen Leitungsbefugnisse auf einen Dritten entgegen . Oder mit 166

Grundlegend: Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 35 ff. 167 Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 86. 168 Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 70 f. 169 Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 81. 170 Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 73.

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den Worten eines Julius v. Gierke : es würde eine volle Verrenkung der offenen Handelsgesellschaft vorliegen, der Missbrauch einer Gesellschaftsform, dem nach dem Ordnungsprinzip entgegengetreten werden m u s s 1 7 2 . Die Folgen, die der Ansatz von der Typengesetzlichkeit zeitigt, wären, um beim Beispiel des geschäftsführenden Kommanditisten zu bleiben, hart: nach dem Sinn, der der Typisierung innewohnt, müsste jeder Eingriff in die Typengesetzlichkeit als unzulässig angesehen werden, wenn durch die Berufung auf die im Wege der Privatautonomie geschaffene Form rechtliche Ordnungssätze umgangen oder ausgeschaltet werden, deren Missachtung die Sicherheit des Rechtsverkehrs beeinträchtigen würde. In diesem Falle wäre, um die durch den Parteiwillen vorgenommene Gestaltung mit den Ordnungsprinzipien in Ubereinstimmung zu bringen, die für den Normaltypus geltenden Grundsätze so anzuwenden, wie es dem wahren Sachverhalt entspricht 173 . Wenn nach alledem der Typus der Kommanditgesellschaft in haftungsrechtlicher Hinsicht auf dem rechtspolitischen Gedanken beruht, dass derjenige, der die Geschäfte eigenverantwortlich führt, mit der unbeschränkten persönlichen Haftung belastet sein soll, dann muss diese Haftung auch den Kommanditisten treffen, in dessen Händen bei gleichzeitigem Ausschluss der Komplementäre die Geschäftsführung liegt 1 7 4 . Zwar liegt der gesetzlichen Regelung der Kommanditgesellschaft - ebenso wie der gesetzlichen Regelung von offener Handelsgesellschaft und BGB-Gesellschaft - der Grundsatz zugrunde, dass Unternehmensleitung und unbeschränkte Haftung in Zusammenhang stehen. Dieser Zusammenhang ist vom Gesetzgeber aber bewusst dispositiv gehalten worden. Der Bundesgerichtshof führt dazu in seiner Entscheidung zum Rektor-Fall aus: „ D i e gesetzliche Typenregelung der genannten Gesellschaftsformen läßt der Parteidisposition in weitem Umfang freie Hand und gibt den Vertragschließenden auch die Möglichkeit, den dispositiv zugrunde gelegten Zusammenhang zwischen Handlungsbefugnis und Haftung in mehr oder weniger starkem Umfang aufzulösen" 1 7 5 . Und zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus: „Denn keinesfalls kann angenommen werden, daß das Gesetz einerseits die Rechtssätze über die Unternehmensleitung bei den Personengesellschaften und der stillen Gesellschaft für eine Abänderung durch die Vertragschließenden freigeben und andererseits den Umfang der Haftung unabhängig von der gewählten Gesellschaftsform bestimmen wollte. Denn das müßte bei der Fülle der verschiedenartigen Gestaltungsmöglichkeiten einer Ty171

Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 84 f. 1 72 Julius v. Gierke , Handelsrecht und Schifffahrtsrecht, 8. Auflage, 1958, § 34 I 1 a ä = S. 207. 173 Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 80 f.; ablehnend BGHZ 45, 204 (206), Uri. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63. 174 Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 81 und Hinweis auf einen Vorschlag des Ausschusses für das Recht der Personalgesellschaften der Akademie für Deutsches Recht in Fn. 196. "s BGHZ 45, 204 (206), Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63.

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penvermischung im Einzelfall zu einer unheilvollen Rechtsunsicherheit führen. Man könnte mit Sicherheit niemals sagen, wie im Einzelfall die Haftungsverhältnisse in einer der genannten Gesellschaften zu beurteilen sind, zumal man den angeblich zwingenden wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundsatz über den Zusammenhang von Herrschaft und Verantwortung auch dann zur Geltung bringen müßte, wenn in einer offenen Handelsgesellschaft ein Gesellschafter von der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ausgeschlossen ist und etwa auf die gesetzlich vorgesehenen Kontrollrechte eines Kommanditisten beschränkt worden ist" 1 7 6 .

Aber schon die Vorstellung der Typengesetzlichkeit als solche ist problematisch, wenn sie versucht, dispositive Gestaltungen im Gesellschaftsrecht durch typologisches Denken einzufrieren, mit der Folge, dass die Strukturen des auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zugeschnittenen Gesellschaftsrechts, als ausschließliche Modelle für die Unternehmensgestaltung anzusehen sind 177 . Das Nebeneinander der unterschiedlichen Gesellschaftsformen geht aus keinem geschlossenen gesetzgeberischen Konzept hervor, sondern jede Gesellschaftsform ist „Ergebnis" eines - keineswegs widerspruchsfreien - langwierigen, von unterschiedlichen Impulsen und Interessen geleiteten und noch keinesfalls abgeschlossenen Rechtsfortbildungsprozesses178. Mit Ausnahme der GmbH hat der Gesetzgeber die von ihm gesetzlich positiv fixierten Gesellschaftsformen vorgefunden. Der Gesetzgeber hat sich bei Abfassung seines Normenprogramms am Bestehenden orientiert und mit seiner rechtlichen Fremdbeschreibung der einzelnen Gesellschaftsformen die typischen Organisationsstrukturen der offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft zur Zeit des Anfangs der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Kodifikation des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861 in Paragraphen eingefroren. Das Handelsgesetzbuch von 1897 übernimmt weitgehend die Vorschriften des ADHGB. Die gesetzestypische Verfassung der offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft in den §§ 105 ff., 161 ff. HGB fußt auf den typischen Verhältnissen, wie sie sich vor 150 Jahren darstellten 179. 176 BGHZ 45, 204 (206 f.), Urt. v. 17. 03. 1966, Az: I I ZR 282/63. 177 Dellmann, FS-Hengeler, 1972, S. 64 (72). 178 Vgl. Kühler, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 I 3 a = S. 283. Die Zersplitterung des Gesellschaftsrechts erschwert es, gemeinsame Grundstrukturen zu finden: man denke in diesem Zusammenhang nur an die der oHG verwandte Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft, bei der Fremdorganschaft ohne weiteres zulässig ist. Auch erfährt der Canon der zur Verfügung stehenden Gesellschaftsrechtsformen stete Erweiterungen, wie zB die jungen Rechtsformen wie Partnerschaftsgesellschaft oder EWIV. 179 Zumal der Gedanke, dass jenes der gesetzlichen Regelung zugrundeliegende Leitbild mag man es jetzt Typus oder Wesen der Gesellschaft nennen - so verfestigt wäre, dass ein Abweichen von diesem Leitbild als Widerspruch zum gesetzten Recht unzulässig wäre, hat heute keinerlei Verankerung in der Rechtsordnung: zu viele atypische Gestaltungsformen sind heute bekannt, als dass der Typus noch als verbindlich angesehen werden könnte; man halte sich nur die körperschaftlich oder kapitalistisch strukturierte Publikumsgesellschaft, den Zusammenschluss mehrer juristischer Personen zu einer GbR, oHG oder Kommanditgesellschaft oder die gesetzlich anerkannten Formen von GmbH & Co. KG, bzw. GmbH & Co. KGaA vor Augen (vgl. Reinhardt, ZBJV Bd. 103 (1967), 329 (351 f.)).

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Dem gesetzlichen Leitbild der §§ 161 ff. H G B ist der unternehmensführende Kommanditist fremd. Die Vorschriften sind auf den ausschließlich kapitalistisch beteiligten Kommanditisten zugeschnitten, der von der Führung der Gesellschaft ausgeschlossen i s t 1 8 0 . Vor diesem Hintergrund sind die Vorschriften der §§ 164 S. 1 HS 1, 170 H G B zu begreifen. Die Artt. 150 ff. A D H G B und i m Anschluss daran die §§ 161 ff. H G B fußen auf dem preußischen Entwurf. Der preußische Entwurf kannte noch keine Kommanditgesellschaft. Die Kommanditgesellschaft hat sich aus der stillen Gesellschaft heraus entwickelt 1 8 1 . Erst i m Laufe der Gesetzgebungsarbeiten der Nürnberger Kommission wurden Kommanditgesellschaft und stille Gesellschaft voneinander getrennt 1 8 2 . I m Verlauf der zweiten Lesung, als die Kommanditgesellschaft von der stillen Gesellschaft getrennt w u r d e 1 8 3 , wurde der spätere Art. 158 A D H G B (vgl. § 164 HGB) in die Gesetzeskodifikation aufgenommen, der mangels abweichender Vereinbarung der Gesellschafter (Art. 157 A D H G B 1 8 4 , vgl. § 163 HGB) bestimmte 1 8 5 : Art. 158 ADHGB. (1) Die Geschäftsführung der Gesellschaft wird durch den oder die persönlich haftenden Gesellschafter besorgt. (2) Der Kommanditist ist zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft weder berechtigt noch verpflichtet. (3) Er kann gegen die Vornahme einer Handlung der Geschäftsführung durch die persönlich haftenden Gesellschafter (Art. 99 bis 120) Widerspruch nicht erheben. Die Artt. 158, 167 A D H G B (§§ 164 S. 1 HS 1, 170 HGB) bestimmen die gesetzestypische Handlungsverfassung der Kommanditgesellschaft, die vom Totalaus-

180

Zwar lässt das Gesetz wegen seines dispositiven Charakters, wie in den Artt. 157, 167 Abs. 3 ADHGB und § 163 HGB angelegt, eine weitgehende Partizipation des Kommanditisten an der organschaftlichen Leitung des Verbandes zu, aber der Boden der typischen Gestaltung, ausgeformt durch die Gesetzes Vorschriften der §§ 161 ff. HGB, wird damit verlassen. 181 Wieland, Handelsrecht I, 1921, § 67 III = S. 735 ff.; Servos , Die Personengesellschaften und die stille Gesellschaft in den Kodifikationen und Kodifikationsentwürfen vom ALR bis zum ADHGB, S. 9 ff.; vgl. auch Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 76. 182 Dazu mit Nachweisen: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 53 I 2 a = S. 1529 f. 183 Vgl. den Entwurf der Redaktionskommission, bei: Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 1151 ff. 184 Art. 157 ADHGB. Das Rechtsverhältnis der Gesellschafter unter einander richtet sich zunächst nach dem Gesellschaftsvertrage. Soweit keine Vereinbarung getroffen ist, kommen die gesetzlichen Bestimmungen über das Rechtsverhältnis der offenen Handelsgesellschafter unter einander auch hier zur Anwendung, jedoch mit den Abweichungen, welche die nachfolgenden Artikel (158 bis 162) ergeben. 185 Die Grundsätze des Art. 158 ADHGB konnten durch den Gesellschaftsvertrag beliebig abgeändert werden, insbesondere konnte dem Kommanditisten die ausschließliche Geschäftsführungsbefugnis überwiesen werden, vgl. nur Willenbücher, ADHGB, 1891, Art. 158, Anm. 2 b.

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schluss der Kommanditisten von der organschaftlichen Leitung der Gesellschaft geprägt ist. Warum der Kommanditist durch die Artt. 158, 167 A D H G B typischerweise von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen wurde, erhellt vor dem gesetzlichen Leitbild der Kommanditgesellschaft (bzw. der stillen Gesellschaft) i m Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch und den vorgehenden Kodifikationsentwürfen. Dort heißt es: Art. 150 ADHGB. (1) Eine Kommanditgesellschaft ist vorhanden, wenn bei einem unter einer gemeinschaftlichen Firma betriebenen Handelsgewerbe, ein oder mehrere Gesellschafter sich nur mit Vermögenseinlagen betheiligen (Kommanditisten), während bei einem oder mehreren anderen Gesellschaftern die Betheiligung nicht in dieser Weise beschränkt ist (persönlich haftende Gesellschafter). Art. 144 PrEntwADHGB. Eine stille Gesellschaft ist vorhanden, wenn ein oder mehrere Gesellschafter sich nur durch Vermögenseinlagen betheiligen (stille Gesellschafter), während ein oder mehrere andere Gesellschafter persönlich und solidarisch haften. Tit. III Art. 61 EntwADHGB 1848//49. (1) Eine Commanditen-Gesellschaft ist vorhanden, wenn einer oder mehrere der Gesellschafter als verantwortliche und solidarisch verhaftete auftreten, während einer oder mehrere andere Gesellschafter sich bloß durch Vermögenseinlagen betheiligen. Die letzteren werden Commanditisten genannt. (2) Wenn mehrere der Gesellschafter verantwortlich oder solidarisch verhaftet sind, so ist in Ansehung ihrer die Gesellschaft zugleich Collectiv-Gesellschaft. In den Mittelpunkt der die Entwürfe jeweils tragenden Erwägungen, insbesondere auch beim Entwurf der Jahre 1848/49, steht die wesensbildende ausschließlich kapitalistische Beteiligung der Kommanditisten 1 8 6 . Von der Nürnberger Kommission wurde sogar i m Rahmen der ersten Lesung ein Antrag verworfen, die das Leitbild bestimmende Begriffsdefinition der stillen Gesellschaft (später: Kommanditgesellschaft) so zu fassen, dass sich der stille Gesellschafter (Kommanditist) auch in anderer Weise als durch eine Geldeinlage beteiligen k ö n n e 1 8 7 , zB durch „die Buchführung, durch die Zuweisung seiner Connexionen aus einem anderen bisher betriebenen Geschäfte, durch Mittheilung eines Fabrikgeheimnisses" oder andere geldwerte Dienstleitungen 1 8 8 . Der Antrag wurde mit elf zu vier Stimmen abgelehnt. Dabei wurde hervorgehoben: „der Zweck der stillen Gesellschaft sei der, daß dadurch der Kapitalist Gelegenheit erhalte, kaufmännische Geschäfte mit seinem Gelde zu unterstützen, ohne sich mit persönlicher

186 So in den Motiven zum EntwADHGB 1848/49: Baums, Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), 1982, S. 149; Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, nebst Motiven, Zweiter Teil: Motive, 1857, S. 76. 187 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1, S. 287 ff. 188 Danach sollte der als Diskussionsgrundlage dienende Art. 144 Abs. 1 PrEntwADHGB gefasst werden: „Eine Handelsgesellschaft ist eine stille, wenn nach dem Gesellschaftsvertrage nicht sämtliche Gesellschafter persönlich und mit ihrem ganzen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften sollen4'.

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Thätigkeit zu beteiligen, und daß ihm mit Rücksicht auf den Mangel der Betheiligung durch persönliche Thätigkeit möglich gemacht werde, von jeder Haftung frei zu werden, welcher weiter als der Betrag des zugeschossenen Kapitals gehe. Von Allem dem treffe bei einem Manne, der sich nur durch Diensteistungen betheilige, gar nichts zu. Es könne beim Mangel an Dienstleistungen der zuerst erwähnte Zweck nicht gedacht werden, und es sei auch kein genügender Grund vorhanden, die persönliche Haftbarkeit des Gesellschafters auszuschließen, wenn er sich persönlich an der Geschäftsführung betheilige. Das Wesen der stillen Gesellschaft bestehe wesentlich darin, daß dem handelnden Kaufmanne von einem, der nicht mithandle, etwas zum Betriebe des Geschäfts anvertraut werde" 189 .

Das Leitbild der Artt. 150 ff. ADHGB, das trotz der neuen Begriffsdefinition des § 161 Abs. 1 HGB den §§ 161 ff. HGB zugrundeliegt 190, ist der ausschließlich kapitalistisch beteiligte Kommanditist. Die gesetzestypische Handlungsverfassung, die den Kommanditisten von der organschaftlichen Leitung der Gesellschaft ausschließt (§§ 164, 170 HGB), ist auf den kapitalistisch beteiligten Kommanditisten zugeschnitten. § 164 HGB gibt das Grundmotto an: die Kommanditisten sind von der Geschäftsführung ausgeschlossen. § 170 HGB ist die auf das Außen Verhältnis projizierte Fortsetzung des § 164 HGB. Die §§ 164, 170 HGB sind die negative Seite der Vereinigung der Leitungskompetenzen (Geschäftsführung und Vertretung) in der Person des persönlich haftenden, das Unternehmen führenden Gesellschafters. Da § 170 HGB ebenso wie § 164 HGB Ausdruck des gesetzestypischen Leitbilds einer kapitalistischen Kommanditgesellschaft sind, kann - da an der Zulässigkeit der Figur des unternehmensleitenden Kommanditisten kein Zweifel bestehen kann und auch niemals ernstlich bestand (vgl. nur Artt. 157, 167 Abs. 3 ADHGB) - aus der schlichten Existenz der Vorschrift nicht ohne weiteres auf ihren zwingenden Charakter geschlossen werden. Das Gegenteil liegt näher. Wird von § 164 HGB abgewichen, verliert auch § 170 seinen Sinn.

V. Der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung als rechtspolitisches Ziel

So war schon für Müller-Erzbach der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung mehr rechtspolitisches Desiderat 191 als juristische Wirklichkeit, wenn er die fehlende Verwirklichung dieses Grundsatzes im deutschen Recht anerkennen 189 Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1, S. 288. 190 Denkschrift, S. 111: die Begriffsbestimmung des § 161 Abs. 1 HGB unterscheide sich sachlich nicht von derjenigen des Art. 150 ADHGB. 191 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 13 II 2 a = S. 328 weist darauf hin, dass es erwünscht sein mag, Rechtsformen zu fördern, die eine Verbindung von Herrschaft und Haftung herbeiführen, weil man Konzentration dämpfen, den Wettbewerb aufrechterhalten und die Auslese erfolgloser Unternehmen betreiben will. Nur kann und sollte man aus wirtschaftspolitischen Zielsetzungen keine Rechtssätze ableiten, die den Anspruch erheben, eine Art soziales Naturrecht zu sein.

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musste 192 . Die Haftung des Kommanditisten hängt nach der heute geltenden (einfachen) Gesetzeslage einzig allein von der Kundgebung der beschränkten Haftung nach außen ab. In der Forderung nach einer verstärkten Betonung des Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung muss man angesichts des heute erreichten Entwicklungsstandes eine ausschließlich rechtspolitische Forderung sehen. Dieser Forderung mag man gegenüberstehen, wie man will (vgl. oben § 15). Aber für die rechtliche Beurteilung organisationsrechtlicher Gestaltungsprobleme lässt sich dem Grundsatz nichts entnehmen. Es ist John beizupflichten, wenn er feststellt, dass der Satz: keine Herrschaft ohne Haftung den Nachweis im geltenden Recht vermissen lässt 193 , ebenso ist Flume zuzustimmen, wenn er den Satz als „bare Ideologie" bezeichnet194. Während der Zeit des Nationalsozialismus kam es auf rechtspolitischer Ebene zu einer verstärkten Betonung der Eigen Verantwortung des Unternehmers 195 und damit zu einer Abkehr von den Kapitalgesellschaften und einer Bewegung hin zu den Personengesellschaften. Dieses Programm und seine Beweggründe finden sich deutlich wieder in der Begründung zum UmwG 1934 196 . Schon in der Vorrede zum Gesetz heißt es: „Um in geeigneten Fällen die Abkehr von anonymen Kapitalformen zur Eigenverantwortung des Unternehmers zu erleichtern, hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen, .. . " 1 9 7 . Wann ein geeigneter Fall zur Umwandlung vorliegt, sagt die Gesetzesbegründung: „überall dort, wo das Kapitalbedürfnis nicht so groß ist, daß es nicht von einem einzelnen oder einer kleinen Anzahl von Teilhabern befriedigt werden kann, . . . , ist dem Einzelunternehmen oder der Rechtsform der Personalgesellschaft der Vorzug zu geben" 198 . Und wenn die Gesetzesbegründung auf den Vorzug der Personengesellschaften eingeht, werden der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung und der dahinter stehenden Idee deutlich: 192 Müller-Erzbach, LZ 1933, 145 (150). 193 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 275. 194 Flume, FS-Raiser, 1974. S. 27 (46); gegen den Ideologievorwurf: Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 121 f. 195 Vgl. Bergmann, ZAkDR 1937, 763: Die Eigenverantwortung des Unternehmers werde heute mehr als früher als ein Wesenszug der Personalgesellschaft empfunden. 196 RGBl. I 1934, 569. Begründung abgedruckt in: Hoche (Hrsg.), Die Gesetzgebung des Kabinetts Hitler, Die Gesetze in Reich und Preußen seit dem 30. Januar 1933, Heft 9(16. Juni bis 15. August 1934), S. 166; ebenfalls in: Deutsche Justiz 1934, 883 (zit. nach Hoche). Vgl. dazu und zur fremdorganschaftlich verfassten KG: OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 (gekürzt) = JFG 16, 65 (70 f.), Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37. 197 RGBl. I 1934, 569. Ebenso heißt es in der Gesetzesbegründung: „Das Gesetz bezweckt, in geeigneten Fällen die Abkehr von anonymen Gesellschaftsformen zu erleichtern und ihre Ersetzung durch Unternehmungen mit Eigenverantwortung des Inhabers zu fördern" CHoche (Hrsg.), Die Gesetzgebung des Kabinetts Hitler, Die Gesetze in Reich und Preußen seit dem 30. Januar 1933, Heft 9 (16. Juni bis 15. August 1934), S. 166). 198 Hoche (Hrsg.), Die Gesetzgebung des Kabinetts Hitler, Die Gesetze in Reich und Preußen seit dem 30. Januar 1933, Heft 9 (16. Juni bis 15. August 1934), S. 166. 34 Bergmann

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„Bei der Personalgesellschaft dagegen und dem Einzelunternehmen sind Leiter und Inhaber des Unternehmens meist personengleich. Jeder geschäftliche Ausfall, der Verlust trifft auch den, der das Unternehmen leitet. Diese Verbundenheit des Leiters des Unternehmens mit dem Geschick des Unternehmens bietet in besonderem Maße die Gewähr für eine gewissenhafte und verantwortungsbewusste Leitung, aber auch für Tatkraft und Unternehmensgeist des Leiters und ist daher geeignet, das Vertrauen in das Unternehmen und seine Leitung zu stärken".

Im Ausschuss der Akademie für deutsches Recht findet sich eine vorsichtige Stellungnahme hin zum Gedanken des Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung, wobei aber betont wurde, dass sich das Prinzip wegen der praktischen Schwierigkeiten nicht bis in die letzte Konsequenz durchführen lasse 199 : so wurde vorgeschlagen, die unbeschränkte Haftung jener Kommanditisten vorzusehen, die statt der Komplementäre praktisch allein die Geschäftsführung inne hätten. Die Haftung sollte allerdings nur subsidiär eingreifen und ganz entfallen, wenn die Geschäftsführungsregel als gerechtfertigt angesehen werden konnte. Keine Rechtfertigung sollte allerdings die Kapitalübermacht des Kommanditisten sein 200 . Gesetzgeberisch umgesetzt wurde dieses ideologiebelastete Vorhaben aber nie. Vielmehr ging die rechtliche Entwicklung in die andere Richtung. Die Rechtsstellung des geschäftsführenden Kommanditisten wurde gestärkt, die Einmannkapitalgesellschaft anerkannt. Hinzu kam die mittlerweile gesetzlich anerkannte Komplementärfähigkeit der GmbH und Aktiengesellschaft: hier greifen hinsichtlich der Organwalter der Handlungsorgane der Kapitalgesellschaften, die materiell die Handlungsorgane der Kommanditgesellschaft sind, andere Machtkorrektive, insbesondere die organschaftliche Verantwortung, die jedoch nicht zur unbeschränkten Schuldenhaftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH führt 201 .

VI. Der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung als wirtschaftsverfassungsrechtlicher Grundsatz

Vielleicht gerade wegen der fehlenden Verankerung des Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung im einfachen (positiven) Recht gab es sogar Versuche, den Zusammenhang von Herrschaft und Haftung zum wirtschaftsverfassungsrechtli199 Dazu: Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 13 II 2 a = S. 327 f. Vgl. zu den Schwierigkeiten anderer Länder mit dem Prinzip: Silberschmidt, LZ 1933, 152 (155). Auch Müller-Erzbach muss einräumen, dass die Verwirklichung des Prinzips im Wirtschaftsleben nicht einfach ist {Müller-Erzbach, LZ 1933, 145 (147). 200 Wiedergegeben nach Werra, Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft, 1991, S. 55; Paulick, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung, zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1954, S. 81 Fn. 196.

201 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 280; Dellmann, FS-Hengeler, 1972, S. 64 (70); vgl. auch BGHZ 45, 204 (207), Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63.

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chen Grundsatz zu erheben 202; die Korrelation von Herrschaft und Haftung avancierte zur Lieblingsidee der ordoliberalen Schule 203 . Eine Entwicklung, die Flume später als „erstaunliche Verwirrung" bezeichnen wird 2 0 4 . Zu Recht. Das Grundgesetz enthält weder eine bestimmte Wirtschaftsverfassung, noch verlangt es eine bestimmte Wirtschaftspolitik 205 . Es überlässt deren Ordnung vielmehr dem Gesetzgeber, der hierüber innerhalb der ihm durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen frei zu entscheiden hat, ohne dazu einer weiteren als seiner allgemeinen demokratischen Legitimation zu bedürfen 206. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach betont, dass das Grundgesetz wirtschaftspolitisch 207 neutral ist; der Gesetzgeber darf jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte beachtet208. Insbesondere stellt sich das Bundesverfassungsgericht gegen die Annahme eines wirtschaftsverfassungsrechtlichen Systementwurfs des Grundgesetzes, der aufgrund einer die Grundrechte überhöhenden Objektivierung den Staat auf ein spezifisches Koordinationssystem national-ökonomischer Lehren und auf die Sicherung und Durchsetzung deren Vorstellungen einer richtigen oder optimalen Ordnungspolitik festlegt 209 . Die Regelung der Wirtschaftsordnung bleibt daher Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, innerhalb der Grenzen der konkret Wirtschaftsordnenden 202

So zB Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 118 ff.; ablehnend zB: Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 14 VIII = S. 244; derselbe, FS-Raiser, 1974, S. 27 (47); Dellmann, FS-Hengeler, 1972, S. 64 (68 f.). 2 03 Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 5 III 2 b = S. 122. Die neoliberale Schule hat diesen Grundsatz aus gesamtwirtschaftlichen Erwägungen aufgegriffen. Die Haftung werde zur Sanktion unwirtschaftlichen Verhaltens. Aus dem Wettbewerbsprinzip folge, dass nur der Erfolgreiche überlebe, der Erfolglose dagegen ausgeschieden werde. Allerdings müssen sich Haftungsbeschränkung und Wettbewerbsprinzip nicht widersprechen. Denn primär wird die Gesellschaft von den Verbindlichkeiten getroffen. Ist diese wegen permanenter Erfolglosigkeit überschuldet oder zahlungsunfähig, fällt sie über kurz oder lang in Konkurs und wird so vom Markt entfernt (Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 c = S. 126). 2 04 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 14 VIII = S. 244; derselbe, FS-Raiser, 1974, S. 27 (47). 2 °5 Anders als die Artt. 151 ff. der Weimarer Reichs Verfassung enthält das Grundgesetz keinen die Wirtschafts- und Sozialverfassung betreffenden Regelungskomplex, denn die Verfasser des GG gingen davon aus, mit dem GG nur eine provisorische Verfassung zu konstituieren. Die wirtschafts- und sozialverfassungsrechtliche Festlegung sollte einer künftigen gesamtdeutschen Verfassung vorbehalten bleiben, der man nicht vorgreifen wollte (Maunz / Dürig-Papier, Art. 14, Rdnr. 31). 206 Vgl. nur BVerfGE 50, 290 (336 f.), Urt. v. 01. 03. 1979, Az: 1 BvR 532, 533/77, 419/ 78 und 1 BvL 21/78; Maunz / Oüüg-Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1, Rdnr. 44. 207 Papier betont, dass das Grundgesetz wirtschaftspolitisch, aber nicht in jeder Hinsicht wirtschaftsrechtlich neutral ist (Maunz /Oüüg-Papier, Art. 14 Rdnr. 34). 2 08 ZB: BVerfGE 50, 290 (338), Urt. v. 01. 03. 1979, Az: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21 /78; vgl. auch BVerfGE 14, 263 (275), Urt. v. 07. 08. 1962, Az: 1 BvL 16/60. 209 BVerfGE 50, 290 (337), Urt. v. 01. 03. 1979, Az: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78; Maunz/Dürig-Papier, Art. 14 Rdnr. 30.

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Verfassungsentscheidungen, namentlich der Grundrechte (Artt. 3, 9, 11, 12, 14, 2 Abs. 1 GG) 2 1 0 . Auf einfachgesetzlicher Ebene indessen kann sich der Nachweis einer Verankerung des Grundsatzes der Zusammengehörigkeit von Herrschaft und Haftung, wie gesehen, nicht erbringen lassen211, und zwar weder auf dem Gebiet des Personengesellschaftsrechts, wie die Rechtsfigur des geschäftsführenden Kommanditisten oder die Zulässigkeit der GmbH & Co. zeigt, noch auf dem Gebiet des Kapitalgesellschaftsrechts, wo seit der ausdrücklichen gesetzlichen Anerkennung der Einmannkapitalgesellschaft, also der gesetzlichen Zulassung beschränkter Haftung trotz voller Entscheidungsgewalt, von einem einfachgesetzlichen (wirtschaftsverfassungsrechtlichen) Zusammenhang von Herrschaft und Haftung keine Rede mehr sein kann 212 . Der Bundesgerichtshof hat folgerichtig in der Rektor-Entscheidung die These von der Existenz eines zwingenden wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundsatzes von der Verbindung von Herrschaft und Haftung zurückgewiesen 213.

VII. Die Umkehrung: Keine Haftung ohne Herrschaft

Siebert hat den Gedanken der notwendigen Korrelation von Herrschaft und Haftung aufgegriffen und in seiner Umkehrung postuliert: „Außerhalb der notwendigen gesetzlichen Vertretung gibt es keine Fälle, in denen jemand persönlich haften muß, aber in den Entscheidungen, die eine solche Haftung begründen können, unfreiwillig der Entscheidungsgewalt eines anderen unterworfen ist" 2 1 4 . Wiedemann formuliert den Satz ähnlich: „niemand kann eine fremde geschäftsfähige Person ohne ihr wenigstens generelles Einverständnis, also unfreiwillig, persönlich unbeschränkt durch Rechtsgeschäft verpflichten - eine Sentenz, die aus der Idee von der Freiheit und Gleichheit der Person im Privatrecht entspringt" 215 . Also: keine Haftung ohne Herrschaft 216. Teichmann bemerkt, dass dieser Satz einer satzungsmäßigen und damit einverständlichen Trennung von Herrschaft und Haftung nicht entgegensteht217. Im Gesellschaftsvertrag einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft kann sich grundsätzlich jeder, auch der persönlich haftende, Gesellschafter bis auf 210 Vgl. Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 Rdnr. 77 f. 211 Vgl. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 275. 212 Vgl. Dellmann, FS-Hengeler, 1972, S. 64 (69). 213 BGHZ 45, 204 (206 f.), Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63; zustimmend: Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 14 VIII = S. 244; derselbe, FS-Raiser, 1974, S. 27 (47). 214 Siebert, FS-Hueck, 1959, S. 321 (335). 215 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 13 II 2 a = S. 329; derselbe, JZ 1969, 470 (471). 216 Ebenso findet sich der Gedanke bei Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 120. 217 Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 c = S. 126.

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seine zwingenden individuellen Kontrollrechte von der Mitwirkung an der Leitung der Gesellschaft ausschließen (§§ 114, 125 HGB). Der Satz steht bereits per definitionem unter dem Vorbehalt der Satzungsautonomie der Gesellschafter und steht daher einer drittorganschaftlichen Modifizierung der Handlungsverfassung nicht im Wege. Als Beispiel der rechtstatsächlichen privatautonomen Durchbrechung des Grundsatzes von keine Haftung ohne Herrschaft kann wieder der geschäftsführende Kommanditist bemüht werden. Er herrscht in der Gesellschaft, während der Komplementär haften muss 218 . Hinter dem Satz findet sich der Gedanke der Verbandssouveränität wieder: die Trennung von Unternehmensleitung und Haftung ist zulässig, solange die Unternehmensleitung hinreichend in die Verbandsorganisation eingebunden und ein Handeln im Gesellschaftsinteresse gewährleistet ist.

VIII. Selbstorganschaft als Ausgleich fehlender Vorschriften der Kapitalsicherung

Zu nennen bleibt der Begründungsansatz des zwingenden Charakters des Prinzips der Selbstorganschaft durch K. Schmidt, der ebenfalls den Schutz des Rechtsverkehrs bemüht. Wegen des Fehlens eines durch gesetzliche Vorschriften abgesicherten Haftungsfonds in der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft soll dem Rechtsverkehr durch die Selbstorganschaft die begründete Aussicht auf eine aus eigenem Interesse verantwortlich handelnde, keine unvertretbaren Risiken eingehende Unternehmensführung verschafft werden. „Das Organmonopol der persönlich haftenden Gesellschafter ist wohl in erster Linie aus der das Personengesellschaftsrecht noch beherrschenden Vorstellung zu erklären, persönliche Haftung könne eine Kapitalsicherung im Unternehmen ersetzen. Solange sich der Gesetzgeber von dieser Hypothese nicht lossagt, muß am Organschaftsmonopol der unbeschränkt Haftenden festgehalten werden. Es stellt eine unbürokratische Sicherung einer verantwortlichen Unternehmensleitung dar, ist also ein Instrument des präventiven Gläubigerschutzes" 219.

Also doch: die Koppelung von Herrschaft und Haftung, um die fehlende Kapitalgarantie in der oHG oder Kommanditgesellschaft zu überwinden. Aber diese Argumentation geht an der Wirklichkeit vorbei. Denn die gesetzestypische Koppelung von Herrschaft und Haftung steht im Belieben der Parteien: das Organschaftsmonopol der unbeschränkt Haftenden kann ohne weiteres durchbrochen werden durch die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnisse auf den Kommanditisten.

218 Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (31); aA: Wiedemann, JZ 1969,470 (471). 219 K. Schmidt, GS-Knobbe-Keuk, S. 307 (315); derselbe, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 II 2 e = S. 420. Κ. Schmidt weist ausdrücklich darauf hin, dass alleine der Schutz der Gesellschafter den zwingenden Charakter der Selbstorganschaft nicht rechtfertigen könne: niemand werde in die unbeschränkte Haftung hineingezwungen. Gegen den Ansatz K. Schmidts: Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 195 ff.

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Dann ruht die Unternehmensleitung bei einem allenfalls noch beschränkt haftenden Gesellschafter (§ 171 HGB). Zudem: Gefahr besteht für den Rechtsverkehr erst dann, wenn die Gläubiger mit ihren Forderungen gegen die Gesellschaft ausfallen, diese also insolvent wird. Aber unabhängig von der Handlungsverfassung des Verbandes können die persönlich haftenden Gesellschafter stets Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, § 15 InsO (vgl. oben § 19 Β IV). Zudem wird der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung als Ersatz der Kapitalsicherung selbst vom Gesetzgeber nicht durchgehalten, wie der Blick auf Partenreederei und EWIV zeigen. Man muss sich damit abfinden: es gibt keinen zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung.

B. Unbeschränkte Haftung als Ausgleich der Rechtsmacht, die Gesellschafter unbeschränkt verpflichten zu können Dieser Ansatz beleuchtet einen anderen Gesichtspunkt: Ging es bei der Frage nach dem zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung um den Schutz des Rechtsverkehrs, ja der Gesamtwirtschaft 220, steht hier der Schutz der persönlich haftenden Gesellschafter im Vordergrund. Nitschke - ähnlich auch John 221 - sehen den besonderen Grund für den zwingenden Charakter der Selbstorganschaft in der Rechtsmacht des Vertretungsorgans, die persönlich haftenden Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft mit zu verpflichten (vgl. § 128 HGB). Das Korrektiv für diese weitgehende Macht des organschaftlichen Vertreters sei seine eigene persönliche und unbeschränkte Haftung: die Eigenhaftung des Vertretungsorgans als der rechtfertigende Faktor. Hinter diesem Gedanken steht die bei John angesprochene geballte Erwartung, dass das Vertretungsorgan dann nicht so sehr zu einer schädigenden Ausübung seiner umfassenden und nur schwer entziehbaren 222 Kompetenzen in Bezug auf fremdes Vermögen neigen wird, wenn es nicht nur die anderen Gesellschafter, sondern auch sich selbst der unbeschränkten Haftung aussetzt223. Die Einsetzung eines Fremdorgans würde das vom Gesetz vorausgesetzte Verhältnis von Rechtsmacht und eigener Haftung beseitigen224. Für die Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von Aktiengesellschaft und GmbH sehe das Gesetz andere Korrektive vor: diese Personen würden besonderen Vorschriften der Überwachung und der zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit unterworfen 225. Nitschke meint 220

Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 c = S. 125. Vgl. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 282 ff., insbesondere S. 286, auch wenn er auf S. 286 f. Fn. 89 ein „unsystematisches" Vorgehen Nitschkes kritisiert. 222 §§ i n , 127 HGB im Vergleich zu § 52 Abs. 1 HGB. 221

223

John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 287. John spricht von einer Annahme von kaum zu leugnender Plausibilität. 224 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 I 2 = S. 217, IV 1 a = S. 238 f.; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 288.

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nun, dass selbst eine Übernahme der eine fremdorganschaftliche Verfassung ordnenden Regelungen (Überwachungs- und Haftungsvorschriften) das Korrektiv der unbeschränkten Haftung nicht ersetzen könne: nur die volle unbeschränkte Haftung des vertretungsberechtigten Gesellschafters sei das angemessene Korrelat für die Macht, die Mitgesellschafter unbeschränkt zu verpflichten 226 . Daher sei die Idee Wiedemanns 227, dass eine andere Organisationsverfassung der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft wohl denkbar wäre, abzulehnen, da es letztlich an diesem Korrektiv fehle. Zur Begründung verweist Nitschke gerade auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien: obwohl der persönlich haftende Gesellschafter den Vorschriften des Aktienrechts weitgehend unterstellt sei, bleibe es als Korrektiv bei der unbeschränkten Haftung 228 . Wegen der eigenen unbeschränkten Haftung des Vertretungsorgans könne der Gesetzgeber auch weitgehend auf die Anwendung der aus dem Recht der körperschaftlich verfassten Verbände bekannten Schutzvorschriften verzichten 229 , wobei er insbesondere auf die begrenzte Diligenzpflicht der Gesellschafter (§ 708 BGB) und das Fehlen besonderer Überwachungsorgane und flankierender Strafvorschriften verweist. Seine Behauptung will Nitschke durch eine Gesamtschau der verschiedenen Handlungsverfassungen beweisen230: In der Aktiengesellschaft und GmbH sei Fremdorganschaft zulässig. Aber da die Vertretungsorgane die Aktionäre und Gesellschafter nicht verpflichten können, haben sie weniger Macht. Dafür haftet das Organ selber auch nicht. Der im Vergleich zum oHG-Gesellschafter begrenzten Rechtsmacht entspreche eine eingeschränkte Verantwortung 231: der Organwalter muss nur für eine schuldhafte Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten einstehen (vgl. §§43 GmbHG, 93 AktG). Anders bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, für die das gleiche wie bei der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft gelte: der Komplementär habe eine größere Macht, nämlich die Macht, die anderen Komplementäre persönlich unbeschränkt zu verpflichten 232 . Daher könne sich das Gesetz nicht mit der Anwendung körperschaftlicher Schutzvorschriften zufrieden geben (§ 283 225

Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 I 2 = S. 217, IV 1 a = S. 238 f. 226 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 a = S. 239. 227 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 1 = S. 374. 228 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 a = S. 239. 22 9 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 I 2 = S. 217. 230 Krit. gegen diesen Begründungsansatz John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 286 und Fn. 89, der auf einen Vergleich des vertretungsberechtigten und geschäftsführenden Gesellschafters mit einem Generalbevollmächtigten abstellt. 231 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 II 1 a = S. 219, II 1 b = S. 221 f. 232 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 II 2 = S. 222.

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AktG). Und auch § 9 GenG habe seinen guten Grund bei der eingetragenen Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschusspflicht (vgl. §§ 6 Nr. 3, 105 GenG) 233 .

Aber die von Nitschke bemühte Gesamtschau kann seine These nicht tragen. Im nicht konzessionierten wirtschaftlichen Verein und in den Vorgesellschaften von GmbH und Aktiengesellschaft wird allgemein die Bestellung eines Nichtgesellschafters zum Organwalter des Vertretungsorgans zugelassen, obwohl die Gesellschafter unbeschränkt haften. Die von Nitschke zur Stützung seiner These herangezogenen Vorschriften der §§ 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG stützen seine These nicht. Diese Vorschriften wollen die fehlende Registerpublizität ausgleichen; der Handelnde kann sich seiner Haftung entziehen, wenn er dem Gläubiger die Rechtsverfolgung gegen den Verband und die Gesellschafter ermöglicht. Ein Korrektiv für die Rechtsmacht des handelnden Organwalters, die Gesellschafter unbeschränkt zu verpflichten, sind diese Vorschriften nicht. Aber selbst, wenn man der hier vorgenommenen Neubestimmung der Handelndenhaftung nicht folgen sollte (siehe oben § 18), bestätigt die angestrengte Gesamtschau nicht Nitschkes These. Denn das Zusammentreffen von Fremdorganschaft und unbeschränkter Haftung der Gesellschafter ist dem Gesellschaftsrecht auch ohne ein zwischengeschaltetes Machtkorrektiv unbeschränkter Haftung des organschaftlich Handelnden wohlbekannt. Das historisch gewachsene Beispiel ist die Partenreederei, die maritime Schwester der offenen Handelsgesellschaft 234. Das HGB anerkennt mit der Person des Korrespondentreeders (§ 492 Abs. 1 S. 2 HGB) ausdrücklich die Möglichkeit der fremdorganschaftlichen Gestaltung der Handlungsverfassung, trotz unbeschränkter und persönlicher Haftung der Gesellschafter pro rata für die Verbandsverbindlichkeiten 235. Die Partenreederei als Systembruch zu bezeichnen ist ein Akt der Hilflosigkeit. Der Vorschrift liegt ein Rechtsgedanke zugrunde, der sich noch an anderer Stelle im Gesellschaftsrecht findet. Die inkriminierte Vorschrift des § 492 Abs. 1 H G B 2 3 6 ähnelt der bekannten, im Liquidationsrecht der oHG stehenden Vorschrift des § 146 Abs. 1 S. 1 HGB 2 3 7 . Beide Vorschriften folgen 233 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 II 3 S. 223 ff. 234 K. Schmidt, Die Partenreederei - Stiefkind des Unternehmensrechts?, 1996, S. 9, 11; derselbe, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, passim. 235 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 3 = S. 230 ff. beruft sich insbesondere darauf, dass die Vertretungsmacht des Korrespondentreeders beschränkt sei (§ 493 Abs. 1 HGB). Dieser Auffassung wird hier mit denselben Erwägungen entgegen getreten, die es auch verlangen, in der Liquidationsgesellschaft die Vertretungsmacht der Handlungsorgane als unbegrenzt anzusehen. 23 6 § 492 HGB. (1) Durch Beschluß der Mehrheit kann für den Reedereibetrieb ein Korrespondentreeder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt werden. Zur Bestellung eines Korrespondentreeders, der nicht zu den Mitreedern gehört, ist ein einstimmiger Beschluß erforderlich.

(2) Die Bestellung des Korrespondentreeders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werden, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. 237 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 4 a = S. 232 ff. sieht § 146 HGB als echte Ausnahme zum Prinzip der Selbstorganschaft. Zwar

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dem Grundsatz der Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft), doch stellen sie es in bestimmten, vom Gesetzgeber erkannten, anerkannten und fixierten Fällen der Rechtsmacht der Gesellschafter anheim, die organschaftliche Leitungsmacht auf einen Dritten zu übertragen, also anstelle des Organisationssystems der Selbstorganschaft entsprechend den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung ein abstraktes Handlungsorgan zu errichten und durch die Bestellung eines Organwalters (Korrespondentreeders, Liquidators) einzurichten. Wegen des Interessenpluralismus der Gesellschafter in der Abwicklung kann es einem wirtschaftlichen Bedürfnis entsprechen, die Leitung der Gesellschaft einem objektiven, nur dem Gesellschaftswohl verpflichteten und nicht von Eigeninteressen angetriebenen Dritten zu übertragen. Das ist der Fall des § 146 Abs. 1 HGB. In der Reederei entsprach es einem tatsächlichen Bedürfnis, die Leitung der Gesellschaft einem Korrespondentreeder, der auch ein Dritter sein konnte, zu übertragen, da den Mitreedern eine Begleitung des Schiffes nicht möglich war. Das ist der Fall des § 492 Abs. 1 S. 1 HGB. Die Bedeutung der §§ 492 Abs. 1, 146 Abs. 1 S. 1 HGB liegt also nicht ausschließlich in der positivrechtlichen Anerkennung der Rechtsmacht des Vertretungsorgans, Gesellschaft und Gesellschafter unbeschränkt zu verpflichten, ohne selbst für die entstandene Verpflichtung einstehen zu müssen. Die Vorschriften deuten auf die Rechtsmacht der Gesellschafter, aufgrund eigener privatautonomer Gestaltungskraft vom Organisationsprinzip der Selbstorganschaft abzuweichen und an deren Stelle eine körperschaftliche Handlungsverfassung zu institutionalisieren. Zumal man sich immer bewusst sein muss: kein Verband wird in die Fremdorganschaft (Fremdverwaltung) gezwungen. Der Wechsel des materiellen wie formellen Organisationsprinzips ist Ausdruck des privatautonomen Willens der Gesellschafter. Neben der Partenreederei kann schließlich die im Wege der europäischen Rechtssetzung eingeführte Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) genannt werden, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll 2 3 8 . habe der Liquidator ebenfalls die weitgehende Macht, die Gesellschafter persönlich zu verpflichten, es fehle aber das Korrektiv einer unbeschränkten persönlichen Haftung. Den rechtfertigenden Grund für diese Vorschrift sieht Nitschke zutreffend in der fehlenden Interessenparität und dem Interessenpluralismus der Gesellschafter in der Abwicklung, die die Abwicklung durch einen Dritten erforderlich machen könne. Diese besondere Interessenlage, die § 146 HGB zugrunde liege, lasse eine Verallgemeinerung der Ausnahmereglung des § 146 HGB nicht zu; insbesondere rechtfertige sie es nicht, Fremdorganschaft in der werbenden Gesellschaft für zulässig zu erachten. Dazu bleibt zu bemerken: natürlich betrifft § 146 HGB einen Sonderfall. Es geht aber primär um die Rechtsmacht der Gesellschafter, auf die Handlungsverfassung des Verbandes einzuwirken, die hinter dieser Vorschrift steht. Ja, diese Vorschrift setzt die Rechtsmacht der Gesellschafter voraus. Denn nach § 146 Abs. 1 HGB ist es der Regelfall, dass die Gesellschafter die Handlungsorganisation des Verbandes ändern; die eng zu begrenzende Ausnahme ist die in Abs. 2 ausgesprochene Ermächtigung für hoheitliche Eingriffe. 238

Dazu ausführlich: Köhl, Einfluß der Europäischen wirtschaftlichen Interessen Vereinigung auf das Prinzip der Selbstorganschaft als Beispiel der Veränderung der Strukturen des deutschen Gesellschaftsrechts durch europäische Rechtssetzung, 2001.

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Die EWIV unterliegt im deutschen Recht den für Personengesellschaften geltenden Grundsätzen; gem. § 1 EWIVAG 2 3 9 sind ergänzend die für die oHG geltenden Vorschriften anzuwenden; die Vereinigung gilt als Handelsgesellschaft 240. Die Handlungsorganisation der EWIV ähnelt derjenigen der GmbH. Es herrscht nicht der Grundsatz der Selbstorganschaft mit seiner Mitgliederselbstverwaltung, sondern die Leitung der Gesellschaft ist einem abstrakten Handlungsorgan zugewiesen, dem die (einfache) Geschäftsführung obliegt, dem das Gesellschafterorgan aber Weisungen erteilen kann: die Geschäftsführung und Vertretung erfolgt durch die Geschäftsführer, dem Handlungsorgan der EWIV, Art. 19 der EWIV-Verordnung 241. Die Verordnung schreibt nicht vor, dass die Geschäftsführer Mitglied der Vereinigung sein müssen; es gilt anerkanntermaßen das Prinzip der Fremdorganschaft 242 . Da es aufgrund der Organisationsverfassung anders als bei der oHG keine geborenen Handlungsorgane gibt, muss der Geschäftsführer ähnlich wie bei der GmbH ( § 6 GmbHG) entweder im Gründungsvertrag oder durch Beschluss der Mitglieder bestellt werden, Art. 19 Abs. 1 der Verordnung. Die Vertretungsmacht ist grundsätzlich unbeschränkt, selbst wenn die Handlungen nicht zum Unternehmensgegenstand gehören, Art. 20 Abs. 1 S. 2 der Verordnung. Dritten gegenüber kann die Vertretungsmacht nicht beschränkt werden, Art. 20 Abs. 1 S. 3. Die Geschäftsführung obliegt grundsätzlich der „Geschäftsführung", doch kann die „Gemeinschaft der Mitglieder" (als Organ), wie man es aus dem deutschen GmbH-Recht kennt, Beschlüsse auch in den laufenden Angelegenheiten fassen, an die das geschäftsführende Organ gebunden ist, Art. 16 Abs. 2 der Verordnung 243 . Die Geschäftsführungsmacht der Geschäftsführer ist daher nicht unbeschränkt, sondern kompetenzmäßig an die Gesellschafterversammlung gebunden. Auch das sonstige Instrumentarium der Gewaltenteilung und ihrer Sicherstellung ähnelt dem deutschen GmbH-Recht und ist typisch für körperschaftliche Organisationsverfassungen: zum einen stehen die Geschäftsführer in personeller Abhängigkeit, da sie bestellt werden müssen; zum anderen steht jedem Mitglied ein Auskunftsrecht gegenüber den Geschäftsführern zu; ergänzend kommt über § 1 EWIVAG oHG-Recht zur Anwendung und damit das kollektive Informationsrecht der Gesellschafterversammlung. Bemerkenswert ist § 5 EWIVAG, der die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Geschäftsführer entsprechend den Bestimmungen des GmbHG (§ 43 GmbHG) regelt 244 . Nicht mit der These von Nitschke vereinbar ist die Haftungsverfassung der EWIV. „Primär" haftet für die Gesellschaftsverbindlichkeiten die EWIV, für die die Verordnung kein Mindestkapital vorschreibt. Daneben schreibt Art. 24 Abs. 1 der Verordnung eine unbeschränkte und gesamtschuldnerische Haftung sämtlicher Mitglieder vor. Die genauen Einzelheiten der Haftung folgen dem nationalen Recht, in Deutschland über § 1 EWIVAG die §§ 128 ff. HGB. Allerdings enthält Art. 24 Abs. 2 der Verordnung eine Besonderheit. An239 Gesetz über die Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, BGBl. I 1988, 514. 240 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 353 ff., 368 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 66 I 3 = S. 1901. 241 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung, vom 25. 07. 1985, ABl. Nr. L 199/1. 242 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 66 II 2 b = S. 1904; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 372. 243 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 371. 244 Haber sack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 372.

§ 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung

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ders als im Recht der oHG ist die Mitgliederhaftung subsidiär, d. h. der Gesellschafter kann den Gläubiger auf die vorrangige Inanspruchnahme der Gesellschaft verweisen 245. Doch wird damit im Vergleich zum sonstigen Personengesellschaftsrecht nicht soviel geändert, da auch bei der oHG der Komplementär regelmäßig Rückgriff gegen die Gesellschaft nehmen kann (§110 HGB) und letztlich das Insolvenzrisiko der Gesellschaft trägt. Bei der EWIV wird in der deutschen Gesellschaftsrechtswissenschaft von einer „oHG mit Fremdgeschäftsführung 246" gesprochen. Die Freunde der Fremdorganschaft bei oHG und KG frohlocken angesichts der Rechtsform der EWIV lautstark 247 . Allerdings sind bei aller Euphorie die Besonderheiten zu bedenken. Die EWIV unterscheidet sich von anderen Gesellschaften durch ihren Zweck. Dieser besteht bei ihr allein darin, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern oder zu entwickeln, um es ihnen zu ermöglichen, ihre eigenen Ergebnisse zu steigern. Ihr Zweck darf nicht auf eigene Gewinnerzielung gerichtet sein. Das soll verdeutlichen, dass die EWIV ein Mittel der Kooperation ist. Die Tätigkeit der EWIV muss im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder stehen und darf nur eine Hilfstätigkeit hierzu bilden, vgl. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 248. Die EWIV ist zwar selbst Außengesellschaft - K. Schmidt spricht bildlich von einer zur Rechtsträgerin hypostasierten Innengesellschaft 249 - aber nicht selbst Träger der von den Mitgliedern betriebenen Unternehmen und tritt insoweit auch nicht am Markt auf. Es handelt sich bei ihr um keinen Unternehmenszusammenschluss, sondern um ein dem Konsortium vergleichbares Kooperationsinstrument 250. Der Zusammenhang zur unternehmenstragenden offenen Handelsgesellschaft hinkt daher kräftig. K. Schmidt sieht auch in dem ausschließlich kooperativen Zweck die Rechtfertigung der gesetzgeberischen Abweichung von dem strengen Prinzip der Selbstorganschaft 251. Die EWIV soll hier nicht weiter vertieft verfolgt werden. Für die hier behandelte Thematik steht ihre Bedeutung hinter den §§ 492, 146 HGB zurück. Denn diese Vorschriften geben, insoweit wie die EWIV, nicht nur einen Hinweis darauf, dass fremdorganschaftliche Organisationsverfassungen trotz unbeschränkter Haftung der Gesellschafter möglich sein können, sondern zeigen auch die Rechtsmacht der Gesellschafter, durch privatautonomen Beschluss von der gesetzestypischen Handlungsverfassung bei Bedarf abzuweichen. Die von Nitschke aufgestellte Behauptung, dass der Gesetzgeber auf eine Übernahme der für fremdorganschaftliche Verfassungen geltenden Grundsätze in das Recht von oHG und Kommanditgesellschaft wegen der unbeschränkten Haftung der Vertretungsorgans teilweise verzichten konnte, kann nicht beigetreten werden. Alle in der Handlungsverfassung der GmbH vorfindbaren Rechtsinstitute lassen sich auch in den Organisationsverfassungen der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft nachweisen; unter § 16 wurde darauf hingewiesen, dass die Unterschiede zwischen den formellen und materiellen Organisationsprin245 24

Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 378. 6 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, Anh § 160, Rdnr. 1.

247 Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 99 ff. 248 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 364. 24 9 K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307 (313 f.). 250

Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 357. 51 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 66 II 2 b = S. 1904.

2

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

zipien nicht überbewertet werden dürfen. Der vertretungsberechtigte und geschäftsführende Komplementär sieht sich den individuellen und kollektiven Kontroll- und Informationsrechten der Gesellschafter und der Gesellschaftergesamtheit gegenüber (vgl. §§ 118, 166 HGB; 105 Abs. 3 HGB, 713, 666 BGB). Das Prinzip ist gleich mit dem Kontroll- und Informationssystem der GmbH, das sowohl den Gesellschaftern (§ 51a GmbHG) als auch der Gesellschafterversammlung Informations· und Kontrollrechte zuweist. Und auch für die Aktiengesellschaft gilt dem Grundsatz nach her nichts anderes; nur dass hier das kollektive Informationsrecht alleine schon wegen der tatsächlichen Unfähigkeit der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat wahrgenommen wird 2 5 2 . Den unternehmensleitenden Komplementär trifft ebenso wie den Geschäftsführer oder das Vorstandsmitglied die organschaftliche Treue- und Sorgfaltspflicht, deren Verletzung ihn entsprechend den Vorschriften §§43 GmbHG, 93 AktG, 34 GenG der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig macht. Als Besonderheit bleibt die begrenzte Diligenzpflicht gem. 708 BGB. Aber selbst diese greift nur im Falle der gesetzestypischen Handlungsverfassung, also einer Unternehmensführung durch alle (persönlich haftenden) Gesellschafter, ein. Für das Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien bestätigt § 283 AktG weitgehend Selbstverständliches. Der Hinweis Nitschkes auf das Mehr an Strafvorschriften im Aktien- und GmbH-Recht erklärt sich aus den kapitalgesellschaftsrechtlichen Besonderheiten. Die meisten Strafvorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts flankieren die kapitalschützenden Vorschriften der Finanz Verfassung 253, sind also bei der offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft per se nicht einschlägig. Die allgemeine Strafvorschrift des § 266 StGB gilt für alle Gesellschaftsformen gleichermaßen 254. Bleibt die Behauptung Nitschkes, dass all dies das Korrektiv der unbeschränkten Haftung nicht ersetzen könne. Aber das Gesellschaftsrecht kennt genügend andere Fälle. Die Partenreederei, der nicht konzessionierte wirtschaftliche Verein und die Vorgesellschaften, ebenso auch der unternehmensleitende Kommanditist sind anerkannte Beispiele dafür, dass trotz der unbeschränkten Haftung aller oder einiger Gesellschafter die Rechtsordnung ohne das Korrelat unbeschränkter Haftung auskommt. Das ausschließliche Korrelat der organschaftlichen Macht ist in den angeführten Beispielen die in der abstrakten Handlungsverfassung fixierte Kompetenzund Verantwortlichkeitsverteilung. Die Organwalter, zB der Korrespondentreeder oder der Geschäftsführer der Vor-GmbH, haben sich im Rahmen ihrer organschaftlichen Kompetenzen zu bewegen, also je nachdem, was das konkrete institutionalisierte Gewaltenteilungskonzept verlangt, insbesondere den Weisungen der Gesellschafter zu gehorchen (§§ 496 Abs. 1 HGB, 37 Abs. 1, 46 Nr. 6 GmbHG) oder 252

Ein individuelles Informationsrecht findet sich in § 131 AktG. 53 Vgl. nur §§ 399, 400, 401, 402, 403 AktG, 82, 84 GmbHG. Allenfalls die Verletzung einer Geheimhaltungspflicht (§§ 404 AktG, 85 GmbHG) ist thematisch für die Personengesellschaften einschlägig. Aber selbst dort liegt eine Verletzung der organschaftlichen Treuepflicht vor. 2 54 Vgl. auch §§ 283 ff. StGB. 2

§ 21 Zum zwingenden Zusammenhang von Herrschaft und Haftung

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bestimmte Geschäfte nicht ohne die Zustimmung der Gesellschafter vorzunehmen (§116 Abs. 2 HGB). Weiter haben sie sich der Gesellschaft gegenüber loyal (organschaftliche Treuepflicht /duty of loyality) und sorgfältig (organschaftliche Sorgfaltspflicht / duty of care) zu verhalten. Als zusätzliches, jeder Fremdorganschaft innewohnendes Moment, kommt die personelle Abhängigkeit des Organwalters von seiner Bestellung oder der ständig möglichen Auswechslung, zumindest aus wichtigem Grund, also wenn der Gesellschaft das Festhalten am Fremdorgan unzumutbar geworden ist. Man kann versucht sein, den Ansatz Nitschkes und Johns damit retten zu wollen, dass man die Übertragbarkeit der in anderen Gesellschaftsformen vorgefunden Verhältnisse auf die offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft ablehnt und zumindest für diese Gesellschaftsformen an dem Grundsatz festhält, dass der Rechtsmacht des Vertretungsorgans einer dieser Gesellschaften die Komplementäre unbeschränkt persönlich zu verpflichten als Korrelat die eigene unbeschränkte Haftung gegenüber stehen muss. Aber selbst für diese Gesellschaftsformen ist der Grundsatz nicht durchgehalten. Die These vom Machtkorrektiv der unbeschränkten Haftung ist angesichts einer heute unstreitig zulässigen GmbHG & Co. 2 5 5 und der Rechtsfigur des ausschließlich geschäftsführenden Kommanditisten kaum bis gar nicht mit der deutschen Rechtsordnung zu vereinbaren. Die Zulassung der GmbH als persönlich haftender Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, führt dazu, dass der Geschäftsführer der GmbH, dessen rechtsgeschäftliches Handeln der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft zugerechnet wird, die anderen persönlich haftenden Gesellschafter unbeschränkt verpflichten kann, ohne seinerseits dem Korrektiv der unbeschränkten Haftung zu unterliegen. Das ist für Nitschke und John solange unproblematisch, wie es sich um eine „typische" GmbH & Co. KG handelt, bei der außer der Komplementär-GmbH keine natürliche Person unbeschränkt haftet. Bedenklich muss die Situation werden, wenn neben der GmbH eine andere natürliche Person für die Gesellschaftsschulden gem. § 128 HGB haftet 256 . Eine solche Konstruktion mag zwar ungewöhnlich sein, aber an ihrer rechtlichen Zulässigkeit kann, wie aus § 130a Abs. 1 HGB folgt, kein Zweifel mehr bestehen. Als grundsätzlich unzulässig erachten Nitschke und John die Möglichkeit, die Geschäftsführungsbefugnis dem Kommanditisten zuzuweisen257. Der Grund wird schnell klar, wenn man sich wieder den Zusammenhang von Geschäftsführungsbe-

255 Vgl. §§ 130a HGB, 19 Abs. 3 InsO. 256 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 V I = S. 251 f.; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 302 f. 257 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 14 II = S. 258 ff.; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 295 f., 301. John hält ausdrücklich auch die Möglichkeit, einem Kommanditisten nur aus wichtigem Grund widerrufbare Prokura zu erteilen, nicht für angängig. Vgl. auch KG, in: JW 1939, 424, Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/38.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

fugnis und Vertretungsmacht vor Augen führt: der vertretungsberechtigte, aber von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter ist machtloser als der geschäftsführende, aber von der Vertretung ausgeschlossene Gesellschafter; denn der vertretungsberechtigte Gesellschafter muss die Entscheidungen ausführen, die der geschäftsführende Gesellschafter getroffen hat. Eine derartige Entmachtung des vertretungsberechtigten, aber voll haftenden Gesellschafters kommt für Nitschke nur dann in Frage, wenn die interne Entscheidungsgewalt einer Person zugewiesen ist, die ihrerseits unbeschränkt haftet 258 . Der Rechtsmacht, den vertretungsberechtigten Gesellschafter zu veranlassen, sich selber unbeschränkt zu verpflichten, muss als Machtkorrektiv die eigene unbeschränkte Haftung gegenüber stehen. Die Überlassung der Geschäftsführungsbefugnis an einen Kommanditisten ist daher für Nitschke ein Verstoß gegen den zwingenden Grundsatz der Selbstorganschaft 259 . - Aber wie bereits oben gesehen, ist weder der Gesetzgeber, noch seinen Vorgaben folgend die Rechtsprechung diesen Weg gegangen. Seit der Rektor-Entscheidung260 des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass dem Kommanditisten unter Ausschluss des persönlichen haftenden Gesellschafters die Leitung der Gesellschaft übertragen werden kann, ohne dass den Kommanditisten eine nach innen oder außen gerichtete (unbeschränkte) Haftung treffen würde. Der Rechtsmacht des Kommanditisten steht kein Korrektiv eigener Haftung gegenüber. Die von Nitschke und John entwickelte These mag, ebenso wie ein verstärkter Zusammenhang von Herrschaft und Haftung, rechtspolitisch diskutabel sein, aber sie findet im geltenden Recht keinen Rückhalt und kann einen Grundsatz vom zwingenden Charakter der Selbstorganschaft nicht tragen. Bemerkenswert ist das Resümee, das Nitschke angesichts der in der Rektor-Entscheidung kulminierten allgemeinen Rechtsanschauung zieht: „Wenn man sich auf diese Standpunkt stellt (Anm.: dem Kommanditisten kann die ausschließliche Geschäftsführungsbefugnis zugewiesen werden), dann kann man die Übertragung der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse auch an jeden Dritten zulassen . . . , und es wären dann darüber hinaus keine durchgreifenden Bedenken mehr gegen die Einsetzung eines Kommanditisten oder Nichtgesellschafters zum Vertretungsorgan einer Personengesellschaft ersichtlich" 261 .

Dem kann nur zugestimmt werden. Mit der in der deutschen Rechtsordnung angelegten Möglichkeit, dem beschränkt haftenden Kommanditisten die ausschließliche Leitung der Gesellschaft zu übertragen, ist die Ungewissheit über den zwingenden Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft vorentschieden. Denn es lässt sich in der Tat nicht erkennen, mit welcher durchgreifenden materiellen Begrün258

Nitschke,

Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 14 I 3 =

S. 256. 259 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 14 II = S. 260. 2 *o BGHZ 45, 204, Urt. v. 17. 03. 1966, Az: II ZR 282/63. 261

Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 14 II = S. 262. Zustimmend Dellmann, FS-Hengeler, 1972, S. 64 (75).

§ 22 Das Abspaltungsverbot

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dung man Bedenken gegen die Besetzung eines Vertretungsorgans der Gesellschaft mit Kommanditisten oder Dritten geltend machen will, sofern die Öffentlichkeit nur hinreichend über die Haftungsverhältnisse informiert ist.

C. Ergebnis Einen Zusammenhang von Herrschaft und Haftung lässt sich im Recht der Personengesellschaften (oHG, KG, BGB-Gesellschaft) feststellen. Er liegt der dispositiven Regelung auch zugrunde, die den persönlichen haftenden Gesellschaftern die Leitungsmacht über die Gesellschaft zuweist und die nur beschränkt haftenden Gesellschafter von organschaftlichen Leitungsbefugnissen ausschließt. Aber dieser Grundsatz ist kein zwingendes Recht. Er ist abdingbar. Dem nur beschränkt haftenden Kommanditisten kann die ausschließliche Leitung der Gesellschaft übertragen werden. Und das nicht nur auf Ebene der Geschäftsführung (§§ 163, 164 HGB). Damit ist der Stab über § 170 HGB gebrochen. Entgegen der herrschenden Meinung ist § 170 HGB, die Entsprechung des § 164 HGB im Außen Verhältnis, keine zwingende Vorschrift. Er kann durch den Gesellschaftsvertrag abbedungen werden; dem Kommanditisten kann auch die organschaftliche Vertretungsmacht übertragen werden. Eine besondere Gefährdung für den Rechtsverkehr folgt daraus nicht: sowohl die beschränkte Haftung als auch die Zuweisung der organschaftlichen Vertretungsbefugnis ergibt sich aus dem Handelsregister. Mehr verlangt das deutsche Handelsrecht nicht. Mit der Anerkennung des dispositiven Charakters des § 170 HGB verliert die herrschende Meinung ihr schlagkräftigstes Argument für das organschaftliche Vertretungsmonopol der persönlich haftenden Gesellschafter. Die Argumentation „solange ein Kommanditist von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen ist, dann wohl erst recht ein Nichtgesellschafter" 262, gehört der Vergangenheit an. Damit ist materielle Vorentscheidung zugunsten der gesellschaftsvertraglichen Institutionalisierung der Fremdorganschaft in Abweichung vom Prinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung gefallen.

§ 22 Das Abspaltungsverbot A. Die fremdorganschaftliche Verfassung als Verstoß gegen das Abspaltungsverbot (BGHZ 36,292 2 6 3 ) Anfang der 60er Jahre ging das überwiegende Schrifttum davon aus, dass die „gesellschaftliche" (organschaftliche) Geschäftsführung auf einen Dritten übertra262 So zB: Wiedemann, JZ 1969, 470 (471). 263 BGHZ 36, 292, Urt. v. 22. 01. 1962, Az: I I ZR 11 / 61.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

gen werden k o n n t e 2 6 4 . Meinungsbildend wirkten zwei Entscheidungen des Reichsgerichts und des obersten Gerichtshofs für die Britische Zone. In einer Entscheidung des Jahres 1939 ging das Reichsgericht davon aus, dass ein geschäftsführender Kommanditist bei Gestattung im Gesellschaftsvertrag seine Geschäftsführungsbefugnis gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 713, 664 BGB durch einen Dritten ausüben lassen kann 265 . Der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone sprach in einem Urteil vom 22. September 1950 davon, dass auch einem Nichtgesellschafter die ausschließliche Geschäftsführung in der offenen Handelsgesellschaft übertragen werden könne 266 . Der Bundesgerichtshof entschied nunmehr in B G H Z 36, 2 9 2 2 6 7 : „Betraut ein geschäftsführungsberechtigter Gesellschafter auf Grund einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Bestimmung einen Dritten mit der Geschäftsführung in der Gesellschaft, so handelt es sich dabei nicht um eine Übertragung der gesellschaftlichen Geschäftsführung auf den Dritten". Zur Begründung seiner Auffassung von der Unzulässigkeit der Übertragung der organschaftlichen Geschäftsführung auf einen Dritten verweist der Bundesgerichtshof primär auf das sog. Abspaltungsverbot 268. Das Abspaltungsverbot besagt, dass die Verwaltungsrechte - also auch die organschaftlichen Geschäftsführungsund Vertretungsbefugnisse - mit dem Gesellschafteranteil notwendig verbunden sind und von ihm nicht losgelöst und selbständig übertragen werden k ö n n e n 2 6 9 . Das Abspaltungsverbot, das sich positiviert in § 717 S. 1 B G B findet, ist heute allgemein als zwingende Schranke der Privatautonomie anerkannt 2 7 0 . Materiell steht hinter dem Prinzip des Abspaltungsverbots, wenn man es nicht auf ein rechtstech-

264 Siehe die Nachweise bei BGHZ 36, 292 (293), Urt. v. 22. 01. 1962, Az: I I ZR 11/61. 265 RG, in: Seuffert's Archiv Bd. 94 (1939), 24 (25), Urt. v. 18. 10. 1939, Az: II 86/39. 266 OGHZ4, 241 (242), Urt. v. 22. 09. 1950, Az: IZS 114/49. 267 BGHZ 36, 292 Lt., Urt. v. 22. 01. 1962, Az: I I ZR 11/61. Es ging um eine gesellschaftsvertragliche Klausel, die dem geschäftsführenden und vertretungsbefugten Gesellschafter im Falle seines Unvermögens das Recht einräume, Geschäftsführung und Vertretung auf einen anderen zu übertragen. 268 Ebenso: Großkommentar HGB / Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 5. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 280 meint dagegen, diese Begründung provoziere die Frage, ob denn statt der Abspaltung die originäre Begründung der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse in der Person des Dritten zulässig sei. Vgl. auch die ähnliche Entscheidung RGZ 2, 30 (32), Urt v. 26. 05. 1880, Az: I 807/80: es gibt keinen Vertreter eines Handelsgesellschafters hinsichtlich seiner organschaftlichen Befugnisse. 269 Großkommentar HGB ! Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 26; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 19 III 4 = S. 560 ff.; BGHZ 3, 354 (357), Urt. v. 10. 11. 1951, Az: II ZR 111 /50; vgl. auch: BGHZ 20, 363 (364), Urt. v. 14. 05. 1956, Az: I I ZR 229/54. 270 ZB: Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 109, Rdnr. 16; Großkommentar HGB / Ulmer, 4. Auflage, § 109, Rdnr. 26; Erman-H. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 717, Rdnr. 3; Helm/Wagner, BB 1979, 225 (228); aA: Beuthien, ZIP 1993, 1589 (1596). Früher ging die hM dahin, dass § 717 S. 1 BGB nicht zwingend sei; dazu: Werra, Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft, 1991, S. 49 m. w. N., auch S. 35.

§ 22 Das Abspaltungsverbot

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nisches Konstruktionsprinzip reduzieren will, der Grundsatz der Verbandssouveränität 271 : der Verband kann und darf sich nicht der durch die Mitgliedschaftsrechte gewährleisteten Selbstbestimmung begeben. Das Schicksal der Gesellschaft darf nicht Dritten überlassen werden, die nicht hinreichend in die Handlungsorganisation der Gesellschaft integriert sind. Die gesellschaftlichen Entscheidungen sollen von Personen beherrscht werden, die sich als Mitglieder mit den Belangen der Gesellschaft identifizieren oder als Organwalter auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet sind, und nicht von Personen abhängen, die nicht die gleichen Interessen verfolgen und deren Rechtsausübung deshalb nicht ausreichend beschränkt werden kann 272 . Das Abspaltungsverbot ist mehr als ein rechtliches Konstruktionsprinzip 273. Reduzierte man das Abspaltungs verbot auf ein Konstruktionsprinzip, das ausschließlich die formale Unteilbarkeit der Mitgliedschaft festlegt, wäre zwar die unmittelbare, isolierte Übertragung eines Verwaltungsrechts unzulässig; Umgehungsstrategien, um das anvisierte Ergebnis auf anderem Wege zu erreichen, blieben dagegen zulässig, so etwa durch die Kombination von originärer Rechtsbegründung mit originärem Rechtsausschluss im Gesellschaftsvertrag 274. Dies bestätigt der Blick auf die Rechtsprechung: ein Verstoß gegen das Abspaltungsverbot wurde stets, aber auch nur in den Fällen angenommen, in denen der Grundsatz der Verbandssouveränität verletzt ist. In BGHZ 3, 354 2 7 5 hat der Bundesgerichtshof die Abspaltung des Stimmrechts für unwirksam erklärt. Dem gleichgestellt hat der Bundesgerichtshof die Erteilung einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht unter gleichzeitigem Verzicht des Gesellschafters, von seinem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Das Ergebnis ist zu billigen. Nur ist dies nicht, wie es der Bundesgerichtshof annimmt, Folge des Wesens der Gesamthandsgesellschaft, son271 So: Großkommentar HGB / Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 5; in diese Richtung tendieren: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 19 III 4 a = S. 560; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 14 VII = S. 235 ff.; Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 II 3 = S. 287 ff. Soweit der 2. Senat früher zur Begründung darauf abstellte, dass die Abspaltung und Übertragung einzelner Verwaltungsrechte von dem Gesellschafteranteil mit dem Wesen der Gesamthandsgesellschaft unvereinbar sei (BGHZ 3, 354 (357), Urt. v. 10. 11. 1951, Az: II ZR 111/50), ist diese Begründung angesichts der heutigen Gesamthandslehre, die in der Lehre von der juristischen Person aufgegangen ist, wenig tragfähig, zumal sich auch nicht gerade aufdrängt, worin - selbst bei Zugrundelegung der tradierten Gesamthandsanschauung - der Unterschied zur Rechtsstellung des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien liegt, die unzweideutig juristische Person ist, vgl. § 278 Abs. 1 AktG, für den doch nichts anderes gelten kann. Das Abspaltungsverbot mag seinen Sinn haben, er findet sich aber nicht im Gesamthandsprinzip. Tragfähiger ist daher schon die Begründung des Abspaltungsverbots durch den 4. Senat, der auf den Gedanken der Verbandssouveränität abstellt, wenn er befürchtet, ohne das Abspaltungsverbot wäre die Tür für die Verfolgung und Durchsetzung gesellschafts- und gesellschafterfremder Interessen geöffnet (BGH, L M § 105 Nr. 6, Urt. v. 08. 10. 1953, Az: IV ZR 248/52). 272 Wiedemann, FS-Schilling, S. 105 ff. (111 f.). 273 Vgl. Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 I I 3 a = S. 287; BGHZ 3, 354 (359), Urt. v. 10. 11. 1951, Az: I I Z R 111/50. 274 Flume, Die Personengesellschaft, § 14IV = S. 220 f. 275 BGHZ 3, 354, Urt. v. 10. 11. 1951, Az: IIZR 111/50.

35 Bergmann

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungs Verfassung

dem aus dem Grundsatz der Verbandssouveränität heraus geboten: durch die Vollmacht wird eine außenstehende Person an der Willensbildung des Verbandes beteiligt, die nicht die gleichen Interessen verfolgt wie die Gesellschafter und deren Rechtsausübung von den Gesellschaftern nicht ausreichend beschränkt oder kontrolliert werden kann. Andererseits hat der Bundesgerichtshof in BGHZ 10, 4 4 2 7 6 für den Fall eines offenen Treuhandverhältnisses bei einer Kommanditgesellschaft entschieden, dass den Treugebern, also denjenigen, die nicht Gesellschafter geworden sind, unmittelbare Rechte und Ansprüche - insbesondere Kontrollrechte und Weisungsbefugnisse - gegen die Gesellschaft zugebilligt werden. Den formal außenstehenden Anlegern können gesellschaftsrechtliche Befugnisse eingeräumt werden, die zum Teil dem Treuhänder zustehen. Das Institut der offenen Treuhand legitimiert die Durchbrechung des Abspaltungsverbots 277, denn aus dem Gesichtspunkt der Verbandssouveränität ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Rechtsbeziehungen der „wirklichen Sachlage" angepasst werden. In BGHZ 20, 363 2 7 8 hatten die Kommanditisten den Komplementären eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht unter gleichzeitigem Stimmrechtsverzicht der Kommanditisten erteilt. Dieser Fall war in BGHZ 3, 354 der unwirksamen Stimmrechtsabspaltung gleichgestellt worden. Der Bundesgerichtshof deutete gem. § 140 BGB die - im Gesellschaftsvertrag enthaltene Regelung - in einen zulässigen satzungsmäßigen Ausschluss der Kommanditisten vom Stimmrecht und eine Ausstattung der Geschäftsanteile der Komplementäre mit einem entsprechend höheren Stimmrecht um. Das gewünschte Ergebnis wird rechtskonstruktiv abgesichert: jetzt ist der Stimmrechtserwerb der Komplementäre formal kein derivativer mehr; der Stimmrechtsausschluss und das erweiterte Stimmrecht folgen originär aus dem Gesellschaftsvertrages und nicht aus einer Abtretung 279 . Das Ergebnis ist zutreffend. Durch den Stimmrechtsausschluss wird der Grundsatz der Verbandssouveränität nicht berührt. Nicht unproblematisch ist BGH, JZ 1960, 490 2 8 0 . Der Gesellschaftsvertrag einer offenen Handelsgesellschaft sah vor, für die Dauer von jeweils 5 Jahren mit einem Jahr Kündigungsfrist einen Wirtschaftsberater als Aufsichtsorgan zu bestellen. Bedeutsame Geschäfte bedurften seiner Genehmigung und ihm war in der Gesellschafterversammlung ein Stimmrecht zugewiesen, das in Pattsituationen den Ausgleich geben sollte. Nach einigen Jahren kündigte die Gesellschaft dem zum Wirtschaftsberater bestellten Kläger. Dieser klagte - letztlich mit Erfolg - auf Fortzahlung seines Gehalts, da er die Kündigung für unberechtigt hielt. Die Gesellschafter machten die Unwirksamkeit der Vereinbarung geltend: dem Wirtschaftsberater seien in unzulässiger Weise Befugnisse der Gesellschaft, insbesondere das Stimmrecht, übertragen worden. Der Bundesgerichtshof überprüfte, ob in der Vereinbarung ein Verstoß gegen das Abspaltungsverbot gefunden werden könne. Der Bundesgerichtshof erachtete die Regelung, dass bestimmte Geschäfte der Genehmigung des Wirtschaftsberaters bedürfen, für unbedenklich zulässig. Diese Regelung erschöpfe sich im Wesentlichen darin, dem Berater ein Widerspruchsrecht iSd 276 BGHZ 10, 44 (49 f.), Urt v. 13. 05. 1953, Az: II ZR 157/52. 277 Kühlen Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 II 3 a bb = S. 288. 278 BGHZ 20, 363, Urt. v. 14. 05. 1956, Az: II ZR 229/54. 279 Allerdings weist Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 II 3 c = S. 289 darauf hin, dass auch der originäre Stimmrechtsausschluss eine Umverteilung von Verwaltungsrechten und mithin ihre Abspaltung vom Anteil des Betroffenen bedeutet. 280 BGH, in: JZ 1960, 490, Urt. v. 22. 02. 1969, Az: VII ZR 83/59.

§ 22 Das Abspaltungsverbot

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§ 115 Abs. 1 HS 2 HGB einzuräumen, das nach allgemeiner Auffassung auch einem Dritten zugewiesen werden könne. Und auch die Einräumung eines Stimmrechts verstoße nicht gegen das Abspaltungsverbot. Denn von einer Abspaltung könne nur gesprochen werden, wenn das Stimmrecht einem Mitglied genommen und einer anderen Person zugeteilt werde. Hier werde aber dem Wirtschaftsberater ein zusätzliches Stimmrecht geschaffen. Wegen der Möglichkeit zur befristeten Kündigung und wegen des Recht zur jederzeitigen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund, sei eine solche Regelung auch insgesamt nicht unwirksam. Letztlich wird man der Entscheidung zustimmen können 281 . Durch die Zuweisung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzen (hier: Widerspruchsrecht, Stimmrecht) wurde ein (fakultatives) abstraktes Gesellschaftsorgan errichtet und mit dem Wirtschaftsprüfer als Organwalter besetzt 282 . Der Wirtschaftsprüfer wird daher aufgrund seiner organschaftlichen Bestellung auf das Wohl der Gesellschaft eingeschworen. Er hat der Gesellschaft schadensersatzbewehrt sorgfältig und loyal zu dienen. Seine personelle Abhängigkeit von der Gesellschaft bleibt gewahrt: der Wirtschaftsprüfer kann befristet durch ordentliche Kündigung und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, also bei Unzumutbarkeit, jederzeit abberufen werden. Da der Wirtschaftsberater bei Abberufung aus wichtigem Grund aufgrund der allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzipien vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, wird der Grundsatz der Verbandssouveränität nicht ausgehebelt283. Das materiell gefundene Ergebnis kann nunmehr formell-rechtskonstruktiv begründet werden: es liegt keine Abspaltung, sondern eine zusätzliche Begründung von Verwaltungsrechten vor. Aber auch die gegenläufige formelle Konstruktion ist möglich: bei der Stimmrechtsbegründung zugunsten des Wirtschaftsprüfers kommt es zu einer Umverteilung der Stimmengewichtung. Was dem Wirtschaftsprüfer gegeben wird, muss woanders genommen, mithin abgespalten werden. Damit ist die Vorentscheidung zugunsten der Vereinbarkeit der fremdorganschaftlich verfassten BGB-Gesellschaft, offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft mit dem Abspaltungsverbot gefallen. Denn aus dem Blickwinkel der Verbandssouveränität ist auch innerhalb des Organisationsprinzips der abstrakten Organverwaltung der materielle Selbstschutz hinreichend gesichert 2 8 4 : die Organwalter sind kraft ihrer Stellung auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet (duty of loyality), werden von Gesellschaft und Gesellschaftern überwacht und befinden sich in personeller Abhängigkeit zum Verband. Zudem kann eine - für fremdorganschaftlich organisierte Verbände nicht untypische - Weisungsabhängigkeit der Handlungsorgane vom Gesellschafterorgan festgeschrieben werden. Verbleibt die Aufgabe, das materiell gefundene Ergebnis rechtskonstruktiv gegen das Abspaltungs verbot abzusichern. 281 Zustimmend Hueck, JZ 1960, 491; ablehnend: Flume, Die Personengesellschaft, § 14 V I I = S. 235 ff.; kritisch Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 15 II 2 = S. 286 ff. Kubier, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 II 3 c = S. 290 schlägt vor zu prüfen, ob der Dritte, dem das Stimm- und Widerspruchsrecht eingeräumt wurde, nicht Gesellschafter geworden ist und daher gem. § 128 HGB haftet. 282 Vgl. Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 157 (1993), 483 (486). 283 Vgl. zum Stimmrechtsverbot bei Abberufung aus wichtigen Grund: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 47, Rdnr. 53. 284 Wiedemann, FS-Schilling, 1973, S. 105 (112 f.). 35*

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Rechtskonstruktiv verbietet das Abspaltungsverbot, dass mit der Mitgliedschaft verbundene Verwaltungsrechte von diesem isoliert und einem Dritten zugewiesen werden. Der Inhalt der Mitgliedschaft wird bestimmt durch die Verbandsverfassung. Darin kann man das entscheidende Kriterium zwischen unzulässiger Abspaltung und zulässiger originärer Begründung gesellschaftsrechtlicher Verwaltungsrechte erkennen. Das Abspaltungsverbot ist berührt, wenn im Rahmen der unangetastet bleibenden Verbandsverfassung bestehende Verwaltungsrechte vom innehabenden Träger auf einen anderen übertragen werden. Nicht tangiert ist das Abspaltungsverbot hingegen, wenn durch Änderung der Verbandsverfassung die Mitgliedschaft in ihrem Umfang geschmälert und gesellschaftsrechtliche Verwaltungsrechte einem Verbandsorgan zugewiesen werden 285 . Übertragen auf die Problematik der Fremdorganschaft heißt das: werden im Rahmen einer nicht geänderten abstrakten Handlungsverfassung organschaftliche Handlungsbefugnisse von dem sie innehabenden Gesellschafter auf einen Dritten übertragen, wird gegen das Abspaltungsverbot verstoßen 286. Wird dagegen durch Änderung des Gesellschaftsvertrages die abstrakte Handlungsorganisation des Verbandes geändert und werden die organschaftlichen Handlungsbefugnisse ausschließlich einem geschaffenen abstrakten Handlungsorgan zugewiesen, bleibt das Abspaltungsverbot unberührt. Andernfalls wäre die Vorschrift des § 146 Abs. 1 S. 1 HGB kaum zu erklären: danach können die Gesellschafter durch einen den Gesellschaftervertrag ändernden Beschluss die Handlungsverfassung abändern 287 und einem abstrakten Gesellschaftsorgan organschaftliche Befugnisse zuweisen. Man kann es letztlich auf die Formel Reinhardts bringen: „Es geht nicht darum, dass die Gesellschafter die jedem von ihnen zustehenden Befugnisse auf Dritte übertragen, sondern es soll in Wahrheit eine neue Organisation der Gesellschaft geschaffen werden" 288 . Es wird daher auch im Schrifttum davon ausgegangen, dass durch die Neubegründung von Verwaltungsrechten ohne Verstoß gegen das Abspaltungsverbot die Errichtung

285

Organ ist der Zuordnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse. 6 Man kann zur wertungsmäßigen Kontrolle die Situation des bestellten Organ waiters in den Blick nehmen: derjenige, der zum Organwalter bestellt wurde, kann sich darin nicht vertreten lassen (Wiedemann , Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 1 = S. 373; II 1 = S. 377). Eine Übertragung der Amtsbefugnisse, deren Wahrnehmung einer bestimmten Person zugewiesen ist, ist unzulässig. Wer zum Organwalter bestellt wurde oder wem die organschaftlichen Befugnisse kraft seiner Mitgliedschaft zugewiesen sind, mit dessen Person ist Recht und Pflicht zum organschaftlichen Handeln verbunden, was sich insbesondere auf Ebene der zivilrechtlichen, steuerrechtlichen, strafrechtlichen oder sonst öffentlich-rechtlichen Verantwortung auswirkt. So ist es für die fremdorganschaftlichen Handlungsverfassungen (zB AG) anerkannt, dass weder Vorstand, noch Aufsichtsrat, noch die Hauptversammlung andere Personen mit der organschaftlichen Verwaltung beauftragen können, als diejenigen, die zu den Mitgliedern von Vorstand oder Aufsichtsrat bestellt wurden (Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 b = S. 241). 287 So: Großkommentar HGB IHabersack, 4. Auflage, § 146, Rdnr. 15. 28

288

Reinhardt, ZBJV Bd. 103 (1967), 329 (351).

§ 23 Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft

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eines abstrakten Handlungsorgans und damit eine fremdorganschaftliche Gestaltung der Gesellschaft möglich ist 2 8 9 .

B. Ergebnis Hinter dem formalrechtlichen Abspaltungsverbot steht der materielle Gedanke der Verbandssouveränität. Weder das rechtstechnische Konstruktionsprinzip des Abspaltungsverbots noch der Wertungsgedanke der Verbandssouveränität stehen einer entsprechend dem Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung verfassten offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder BGB-Gesellschaft entgegen. Damit hat sich auch das letzte Wertungskriterium als untauglich erwiesen, den Parteien den privatautonomen Wechsel des Organisationsprinzips der Handlungsverfassung zu versagen.

§ 23 Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft 290 A. Die organisationsrechtlichen Durchbrechungen des Prinzips der originären Mitgliederselbstverwaltung I. Die Liquidationsgesellschaft

Allgemein wird § 146 HGB als eine echte Ausnahme vom Prinzip der Selbstorganschaft betrachtet 291. Doch wird regelmäßig betont, dass sich aus dieser Norm wegen der besonderen Interessenlage in der Liquidation kaum ein zwingender Schluss auf die Zulässigkeit von Fremdorganschaft in der werbenden Gesellschaft ziehen lasse 292 . Das soll gleichermaßen im positiven wie im negativen Sinne gel289 Helm/Wagner, BB 1979, 225 (229, 228); Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971, S. 89; vgl. auch: Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 57 ff. 290 Vgl. dazu: Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 91 ff.; Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 103 ff. 291 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 4 a = S. 232 f.; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 14 VIII = S. 241 \Barbasch, Ausgewählte Probleme der „großen Familienkommanditgesellschaften", 1987, S. 261 f.; Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 106 ff.; Reinhardt, ZBJV Bd. 103 (1967), 329 (354); Dellmann, FS-Hengeler, 1972, S. 64 (66); krit.: K. Schmidt, GS-Knobbe-Keuk, S. 307 (314); derselbe, ZHR Bd. 153 (1989), 270 (288). 292 Zinn, Abschied vom Grundsatz der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften?, 1997, S. 97; Barbasch, Ausgewählte Probleme der „großen Familienkommanditgesellschaf-

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ten; das ist von Bedeutung, denn es wurde schon versucht, der ausdrücklichen Zulassung von Fremdorganschaft im Stadium der Abwicklung den gesetzgeberischen Willen zu entnehmen, mangels einer entsprechenden Vorschrift die Fremdorganschaft innerhalb der werbenden Gesellschaft verbieten zu wollen 293 . Reinhardt immerhin meint, dass die Zulassung von Fremdorganschaft im Recht der (werbenden) Personengesellschaften „gar keinen so radikalen Bruch mit überlieferten Vorstellungen" bedeute, und verweist auf die Durchbrechung des Prinzips in § 146 H G B 2 9 4 und H.R Westermann spricht von einem Fingerzeig in Richtung Typendehnung und Fremdorganschaft 295. Immerhin kann man § 146 HGB entnehmen, dass Fremdorganschaft zumindest mit dem Wesen der Personengesellschaften nicht unvereinbar ist 2 9 6 . Die plakative Behauptung, dass das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft im Stadium der Abwicklung nicht gelte, ist unzutreffend. Das folgt bereits aus dem allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz der Kontinuität der Handlungsverfassung, kommt aber unzweideutig im Wortlaut des § 146 Abs. 1 S. 1 HGB zum Ausdruck: die Liquidation erfolgt grundsätzlich durch die Gesellschafter als die „geborenen" Liquidatoren der Gesellschaft; das ist Selbstorganschaft 297. Wie die werbende Gesellschaft von den Gesellschaftern geführt wird (§§ 114 Abs. 1, 125 HGB), so auch die abzuwickelnde Gesellschaft. Das ist nicht weiter spektakulär. Seine Bedeutung bezieht § 146 Abs. 1 S. 1 HGB - ebenso wie § 492 Abs. 1 HGB - aus der gesetzlichen Anerkennung der Gestaltungsmacht der Gesellschafter, bei entsprechender Interessenlage grundlegend in die abstrakte Handlungsverfassung der Gesellschaft einzugreifen und das Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung durch eine fremdorganschaftliche Gestaltung zu ersetzen (siehe § 4 B). An die Stelle der Selbstverwaltung durch die Gesellschafter kann ein abstraktes Handlungsorgan (Vorstand, Geschäftsführung) treten, dessen Organwalter auch außerhalb der Mitgliederschar rekrutiert werden können. Die rechtfertigende Interessenlage, die hinter der Vorschrift des § 146 HGB steht, ist die typische Vertrauenskrise und ein verstärkter InteressenPluralismus der Gesellschafter im Staten", 1987, S. 261 f.; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 297; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 4 a = S. 234: Die besondere Interessenlage, die § 146 HGB zugrunde liege, lasse eine Verallgemeinerung der Ausnahmereglung des § 146 HGB nicht zu; insbesondere rechtfertige sie es nicht, Fremdorganschaft in der werbenden Gesellschaft für zulässig zu erachten. 293 So in der Tat: KG, in: JW 1939, 424 (425), Beschluss v. 08. 12. 1938, Az: 1 Wx 612/ 38. Ablehnend: Helm/Wagner, BB 1979, 225 (231); Barbasch, Ausgewählte Probleme der „großen Familienkommanditgesellschaften", 1987, S. 261; Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971, S. 103 f. 294 Reinhardt, ZBJV Bd. 103 (1967), 329 (354). 295 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 156. 296 ZB: Bergmann, ZAkDR 1937, 763. 297 Vgl. K. Schmidt, GS-Knobbe-Keuk, S. 307 (314); derselbe, ZHR Bd. 153 (1989), 270

(288).

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dium der Abwicklung. Die in der gemeinsamen Zweckverfolgung begründete InteressenParallelität der Gesellschafter in der werbenden Gesellschaft, die in der gesetzestypischen Selbstorganschaft ihren sinnfälligen Ausdruck findet, endet mit der Auflösung der Gesellschaft, wenn jedem Gesellschafter lediglich noch an seinem Auseinandersetzungsanspruch liegt 2 9 8 . Die Feststellung, dass § 146 HGB tatbestandlich den (Sonder-)Fall der Liquidation erfasst, darf nicht zu vorschnellen Schlüssen verleiten. Der Gesetzgeber fand für den Fall der Abwicklung eine Situation vor, in der typischerweise auch Dritte an der Liquidation der Gesellschaft beteiligt wurden 299 . Er eröffnete mit § 146 Abs. 1 S. 1 HGB den Gesellschaftern die Möglichkeit, nach körperschaftlichem Vorbild die Abwicklung auch einem Dritten zu überlassen. Ähnlich ist die Normsituation des § 492 Abs. 1 HGB. Der Gesetzgeber reagierte auf das typische Bedürfnis nach Bestellung eines Korrespondentreeders und gab den Mitreedern die Möglichkeit, vom originären Organisationsprinzip der Selbstorganschaft abzuweichen. § 146 Abs. 1 S. 1 HGB betrifft tatbestandlich einen Sonderfall, aber doch ist hinter dieser Vorschrift gerade im Verbund mit § 492 Abs. 1 HGB ein allgemeiner Rechtsgedanke auszumachen (siehe ausführlich § 4 B): die Anerkennung der Gestaltungsmacht der Gesellschafter zur Umstrukturierung der abstrakten Handlungsverfassung, wenn es das Interesse der Gesellschaft mit sich bringt. Die Ausnahmevorschrift ist § 146 Abs. 2 S. 1 HGB. Sie ermöglicht einen von außen kommenden, hoheitlichen Eingriff in die Handlungsverfassung der Gesellschaft. Der Schutz des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 1 GG umfasst sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung der Geschäfte 300. Wegen des Interessenpluralismus und der damit verbundenen Gefahr für den Verband und die Gesellschafter, ist die Vorschrift vor Art. 9 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Der Grund, warum § 125 HGB (= Art. 117 ADHGB) zur Möglichkeit der Bestellung eines Dritten schweigt, ist die schlichte Tatsache, dass fremdorganschaftliche Gestaltungen in der werbenden offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft zum Zeitpunkt der Abfassung des ADHGB untypisch waren 301 . In den Protokollen der Nürnberger Kommission finden sich weder Äußerungen, die 298 Wiedemann , Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 2 = S. 374 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 4 a = S. 233; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 184; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 297, der auf das gesteigerte Gegeneinander der Gesellschafter abstellt; BGHZ 33, 105 (109), Urt. v. 11.07. 1960, Az: IIZR260/59. 299 Vgl. Helm/Wagner, BB 1979, 225 (231); Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971, S. 104. 300 Maunz/Oûùg-Scholz, Art. 9, Rdnr. 68; BVerfGE 50, 290 (354), Urt. v. 01. 03. 1979, Az: 1 BvR 532, 533/77,419/78 und 1 BvL 21/78 (Mitbestimmung). 301

S. 104.

Vgl. Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971,

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für, noch solche, die gegen die Zulässigkeit fremdorganschaftlicher Gestaltungen sprechen. Man hat sich einfach über die Frage keine Gedanken gemacht 3 0 2 . Immerhin lässt sich Art. 87 Abs. 1 des revidierten Entwurfs eines österreichischen Handelsrechtes anführen, der ebenfalls den Nürnberger Verhandlungen zugrunde lag und die Vertretung der Gesellschaft durch einen Dritten kannte 3 0 3 . Art. 87 rev. Oster. EntwADHGB. (1) Die Führung der Firma kann einem, oder mehreren Mitgliedern der Gesellschaft und im letzteren Falle diesen gemeinschaftlich, oder jedem besonders übertragen werden, wird sie einem Bevollmächtigten übertragen, welcher nicht Mitglied ist, so soll sich diese Eigenschaft aus der Unterzeichnung erhellen. (2)... (3) Jeder stille Gesellschafter, der veranlasste oder zuließ, daß sein Name in die Firma aufgenommen werde, oder der Geschäfte als Bevollmächtigter der Gesellschaft, jedoch ohne ausdrückliche Angabe seiner Eigenschaft eines Gesellschaftsbevollmächtigten vorgenommen hat, haftet mit seinem ganzen Vermögen gleich einem öffentlichen Gesellschafter, und zwar in dem ersten der bemerkten zwei Fälle für die ganze Geschäftsführung der Gesellschaft während der Zeit, während welcher er in der Firma mit seinem Namen erschien, in dem anderen Falle aber für die von ihm ohne Angabe seiner Vollmacht als Bevollmächtigter besorgten Geschäfte der Gesellschaft. Daran, dass der Vorschrift eine genaue Differenzierung zwischen organschaftlicher und rechtsgeschäftlicher Vollmacht des Dritten nicht zu entnehmen ist, darf man sich nicht weiter stören. Man war damals noch nicht soweit, zumal der Charakter der originären Vertretung der Gesellschaft bis in unsere Tage umstritten w a r 3 0 4 . Ansonsten bietet die Vorschrift alles, was man verlangt. Ein Dritter kann mit der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft befasst werden, entgeht aber nur dann seinem Haftungsrisiko, wenn er auf seine fehlende Gesellschaftereigenschaft aufmerksam macht. Angepasst an den jetzigen Erkenntnisstand heißt das: bei ausreichender Publizität der Fremdorganschaft (§ 15 Abs. 2 HGB) bestehen gegen eine fremdorganschaftliche Gestaltung der Handlungsverfassung keine Einwände. Mehr als die Publizität der Fremdorganschaft verlangt das deutsche Handelsrecht nicht (siehe § 21 A).

302 Helm/Wagner, BB 1979, 225 (230 f.) und Fn. 68. Ein Kommissionsmitglied bemängelte die gesetzliche Definition der oHG (vgl. § 105 HGB, Art. 85 ADHGB), da diese nicht zuträfe, wenn alle Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen seien und ein Nichtgesellschafter zum alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt worden sei. Über diesen Einwand wurde ohne jede weitere Diskussion hinweggegangen (Schubert (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 3, S. 981). 303 Nach Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (434) lässt sich aus Art. 85 des österreichischen Entwurfs nicht viel gewinnen. Die Vorschrift spreche alleine die Möglichkeit aus, die Vertretung einem Bevollmächtigten zu übertragen, der nicht Mitglied der Gesellschaft ist. Dass dieser Bevollmächtigte dann der einzige Vertreter der Gesellschaft und die Gesellschafter ausgeschlossen sein sollen, sei dagegen mit keinem Worte erwähnt. 304 Vgl. nur m. w. N. Hueck, Das Recht der oHG, 4. Auflage, 1971, § 201 Fn. 2 = S. 277 f.

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II. Der Ausschließungsprozess

Der Gedanke des § 146 Abs. 2 S. 1 HGB hat in der vielbeachteten und im Ergebnis allgemein gebilligten Entscheidung BGHZ 33, 105 eine Ausweitung erfahren 3 0 5 . Der Bundesgerichtshof entschied, dass in einem Ausschließungsprozess, der gegen den einzigen geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft geführt wird, diesem durch einstweilige Verfügung des Prozessgerichts die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen und diese Befugnis einem Dritten übertragen werden kann. Warum der Bundesgerichtshof so entschieden hat, wird deutlich, wenn man sich die Interessenlage der Beteiligten anschaut. Wäre das Prozessgericht darauf beschränkt, durch einstweilige Verfügung nur dem ausschließlich vertretungsberechtigten Gesellschafter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen, würde die Kollektivbefugnis aller Gesellschafter aufleben 306. Gerade das kann das Prozessgericht verhindern wollen. Während der Dauer des Ausschließungsprozesses ist wegen der verschärften Interessengegensätze307 und der weggefallenen Vertrauensgrundlage zwischen den Gesellschaftern ein sinnvolles Zusammenwirken zum Wohle der Gesellschaft nicht zu erwarten. Gesamtvertretung würde zur Stagnation der Gesellschaft führen. Es muss daher ein gerichtliches Eingreifen möglich sein, dass es dem Richter erlaubt, im Sinne aller Beteiligten eine vorläufige Regelung für den Prozess treffen zu können. Dabei kann der Richter nicht darauf beschränkt werden, mit der Vertretung der Gesellschaft einen Gesellschafter zu beauftragen, denn auch die Interessen des auszuschließenden Gesellschafters sind sachgerecht zu berücksichtigen, weil während des Prozesses die Frage noch offen ist, ob die Voraussetzungen für seinen Ausschluss (§ 140 HGB) vorliegen. Eine hoheitliche Anordnung, die - ohne dass die Gesamtgeschäftsführungs- und Gesamtvertretungsbefugnis sämtlicher Gesellschafter eintritt - unter Ausschluss der Gesellschafter einen Dritten mit den organschaftlichen Leitungsbefugnissen beauftragt, kann sachgerecht sein. Daher war seit jeher die vernünftige Praxis verbreitet, in solchen Konfliktsfällen einen Fremdverwalter zu bestellen 308 . Es wurde schon unter der Geltung des Allgemeinen Deut305 BGHZ 33, 105, Urt. v. 11. 07. 1960, Az: II ZR 260/59; dazu: Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 2 = S. 374 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 4 b = S. 236 ff.; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 298 ff.; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 184 ff.; Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 241 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 115b = S. 121 ff. 306 Baumbach/Hopt, HGB, 30. Auflage, 2000, § 127, Rdnr. 2; Fischer, L M § 140 HGB Nr. 8/9/10; BGHZ 33, 105 (107 f.), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: II ZR 260/59. 307 Anders als der BGH gehen Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 184 und Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 122 auch im Ausschließungsprozess von einem Gleichlauf der Interessen der Gesellschafter aus: alle Gesellschafter möchten Mitglieder einer möglichst florierenden Gesellschaft bleiben und sind daher an der Wohlfahrt der Gesellschaft interessiert.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

sehen Handelsgesetzbuchs vom Reichsoberhandelsgericht und anschließend vom Reichsgericht für zulässig erachtet, durch einstweilige Verfügung dem geschäftsführenden Gesellschafter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse zu entziehen und diese einem Dritten zu übertragen 3 0 9 . Es geht darum, die materielle Handlungsfähigkeit oder besser gesprochen: die Aktionsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen. Dies erfordert in der Tat einen Eingriff von außen. Zwar ist die Gesellschaft formell handlungsfähig - der Möglichkeit nach könnte sie mit ihrer Organisations Verfassung jederzeit am Rechtsverkehr teilnehmen - , aber aufgrund einer gegenläufigen Interessenlage und einer zerstörten Vertrauensgrundlage unter den Gesellschaftern samt der dadurch hervorgerufenen gegenseitigen Obstruktionspolitik werden irrationale Gesichtspunkte überwiegen und ein vernünftiges Zusammenwirken i m Interesse der Gesellschaft verhindern 3 1 0 . In Wirklichkeit liegt der Verband aktionsunfähig am Boden. I m Interesse sowohl der Gesellschafter als auch des Verbandes ist es daher geboten, einen Dritten zum Verwalter zu bestellen, anstatt die Gesellschaft sich selbst zu überlassen. Für die herrschende Meinung ist diese Lösung mit einem Haken verbunden: sie kollidiert mit dem als zwingend empfundenen Grundsatz der Selbstorganschaft. Zur Begründung der Durchbrechung des Grundsatz der Selbstorganschaft verweist der Bundesgerichtshof auf § 146 Abs. 2 S. 1 H G B 3 1 1 : 308 Dazu: Fischer, L M § 140 HGB Nr. 8/9/10; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 122 Fn. 117. 309 Vgl. RGZ 22, 169, Urt. v. 27. 10. 1888, Az: I 226/88; ROHG 16, 66 (73), Urt. v. 16. 01. 1875, Az: II 1307/74. So entzog zB im Jahre 1874 in einem Rechtsstreit über die Auflösung einer offenen Handelsgesellschaft das Kreisgericht für die Dauer des Hauptprozesses beiden Gesellschaftern die Geschäftsführungsbefugnis und übertrug diese anschließend anstelle der Gesellschafter einem Sequester, mit der gerichtlichen Instruktion, ausschließlich die vorhandenen Außenstände einzuziehen und die Gesellschaftsschulden zu decken (vgl. ROHG 16, 66 (73), Urt. v. 16. 01. 1875, Az: II 1307/74; krit.: Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (440)). Für das Reichsoberhandelsgericht war nicht zweifelhaft, dass der Prozessrichter dem Sequester auch die Vertretung der Gesellschaft übertragen wollte. Es nahm dies mit überzeugenden Gründen an: „Da beide Theilhaber der Handelsgesellschaft von jeder Einwirkung auf das Gesellschaftsvermögen .. .ausgeschlossen wurden, so wäre ein Zustand der Rechtlosigkeit eingetreten, wenn der Prozessrichter nicht zugleich für eine anderweitige Vertretung der Gesellschaft nach außen und namentlich für eine Vertretung in Activ- und Passsiv-Prozesssen gesorgt hätte" (ROHG 16, 66 (73), Urt. v. 16. 01. 1875, Az: II 1307/74). 310 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 184. 311 BGHZ 33, 105 (108 f.), Urt. v. 11. 07. 1960, Az: II ZR 260/59: „Der Revision ist zuzugeben, daß das Recht der Personalhandelsgesellschaften von dem Grundsatz beherrscht wird, daß die gesetzliche (organschaftliche) Vertretungsbefugnis nur einem Gesellschafter und nicht einem Dritten zustehen kann (vgl. Hueck a. a. O. S. 174 m. w. N.; vgl. auch BGHZ 26, 333). Dieser Grundsatz würde es daher ausschließen, daß einem Dritten durch einstweilige Verfügung die Vertretungsbefugnis in einer offenen Handelsgesellschaft übertragen wird. Der Grundsatz der gesetzlichen (organschaftlichen) Vertretung allein durch einen Gesellschafter gilt aber bei den Personalhandelsgesellschaften nicht ausnahmslos. Für einen besonderen Fall sieht das Gesetz selbst die Vertretung der Personalhandelsgesellschaft durch einen Dritten sowie die Möglichkeit der Bestellung des Vertreters - auch eines Dritten - durch das

§ 23 Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft

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„Diese Regelung bei der Abwicklungsgesellschaft zeigt, daß der Grundsatz der gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft nur durch Gesellschafter nicht um seiner selbst willen gilt, sondern nur der rechtlich adäquate Ausdruck für die Auffassung ist, daß in einer werbenden Gesellschaft mit den gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter das Recht der Selbstbestimmung den Gesellschaftern allein zustehen soll und zustehen kann. Die Regelung bei der Abwicklungsgesellschaft zeigt aber zugleich, daß jener Grundsatz der gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft und der alleinigen Selbstbestimmung nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn die Voraussetzung für diesen Grundsatz - das gleichgerichtete Interesse aller Gesellschafter - typischerweise nicht mehr gegeben ist". Der Fall des Ausschließungsprozesses sei dem als (personelle) Teilauseinandersetzung gleichzusetzen. Da ein gedeihliches Zusammenwirken für die Dauer des Prozesses nicht zu erwarten sei, biete sich ähnlich wie bei der entsprechenden Konfliktlage in der Liquidationsgesellschaft ein gerichtliches Eingreifen an. Dem könne der Grundsatz der Selbstorganschaft ebenso wenig entgegenstehen wie im Falle des § 146 Abs. 2 HGB 3 1 2 . Der Hinweis des Bundesgerichtshofs auf § 146 Abs. 2 S. 1 HGB wurde in der Literatur teilweise kritisiert. Entweder wird geltend gemacht, es fehle an der vergleichbaren Interessenlage des Interessenkonflikts, da die Beteiligten weiterhin am Wohlergehen der Gesellschaft interessiert seien, denn sowohl der auszuschließende Gesellschafter als auch die übrigen Gesellschafter möchten Nutznießer einer ertragreichen Gesellschaft b l e i b e n 3 1 3 , oder es wird allgemein ein Analogie zu § 29 BGB befürwortet, da der Gedanke der personellen Teilauseinandersetzung i m gleich zu behandelnden Fall der Entziehungsklage (§§ 117, 127 HGB) nicht greif e 3 1 4 . Diese Bedenken sind weitgehend nicht berechtigt. Dass der Weg über § 29

Gericht vor, nämlich für die Abwicklungsgesellschaft (vgl. § 146 Abs. 2 HGB). Bei der Abwicklungsgesellschaft wird aus praktischen Erwägungen an dem Grundsatz der gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft nur durch Gesellschafter nicht festgehalten. Im Stadium der Abwicklung sind die Interessen der Gesellschafter nicht mehr durch den gemeinsamen Zweck der werbenden Gesellschaft miteinander verbunden, sondern sie gehen im Hinblick auf die bevorstehende Beendigung der Gesellschaft bereits auseinander (vgl. RGZ 100, 166). Diese besondere Lage nötigt dazu, die Bestimmung der Gesellschaftsangelegenheiten in der aufgelösten Gesellschaft nicht mehr ausschließlich den Gesellschaftern allein zu überlassen, sondern rechtfertigt es, nunmehr ähnlich wie bei der Kapitalgesellschaft (vgl. § 206 Abs. 2 AktG; § 66 Abs. 2 GmbHG) beim Vorliegen eines wichtigen Grundes die Bestellung des Vertreterorgans der Gesellschaft (Liquidator) durch das Gericht vorzusehen und dabei zugleich im Interesse einer möglichst gerechten Abwicklung die Bestellung eines Nicht-Gesellschafters zum Liquidator zuzulassen". 312 Krit. gegen die Begründung des BGH, die maßgeblich auf § 146 HGB abstellt: Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 184; Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 241 f.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 122. 313 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 184; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 122. 314 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 2 = S. 375; vgl. ähnlich Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 14 VIII = S. 242, der die Einsetzung des Dritten als Nebenfolge des Prozesses als gerechtfertigt ansieht. Die besondere Bedeutung der personellen Auseinandersetzung betont Fischer, L M § 140 HGB Nr. 8/9/10.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungs Verfassung

BGB nicht gangbar ist, wurde bereits mehrfach betont (§ 3 D III 2). Die Vorschrift, die einen hoheitlichen Eingriff in die abstrakte Handlungsverfassung des Verbandes eröffnet, ist § 146 Abs. 2 S. 1 HGB. Das Bemühen, die vergleichbare Interessenlage zu verneinen, ist aus dem berechtigten Streben der herrschenden Meinung zu verstehen, den eingeschlagenen Weg des Bundesgerichtshofs auch für den Fall des gegen den ausschließlich geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft gerichteten Entziehungsklage gem. §§ 117, 127 HGB beschreiten zu können 315 , aber im Ergebnis nicht gerechtfertigt. Denn auch im Ausschließungsprozess kann man einen Interessengegensatz unter den Gesellschaftern konstruieren: auch wenn alle Gesellschafter die Gesellschaft fortführen wollen, so wollen dies doch die einen ohne den auszuschließenden Gesellschafter, während der auszuschließende Gesellschafter gerne in der Gesellschaft verbleiben möchte. Zudem ist die Argumentation mit Interessengleichlauf und Interessengegensatz weitgehend beliebig austauschbar. Man kann hinter dem Interessenpluralismus in der Liquidationsgesellschaft einen Interessenmonismus ausmachen, ebenso wie man in der werbenden Gesellschaft hinter den gleichlaufenden Interessen die einzelnen Interessen der Gesellschafter stärker in den Vordergrund stellen kann: auch wenn das Interesse der Gesellschafter in der Liquidation letztlich auf den eigenen Auseinandersetzungsanspruch gerichtet ist, so ist doch jeder an der Wohlfahrt der abzuwickelnden Gesellschaft interessiert. Je mehr Vermögen nach der Beendigung der schwebenden Geschäfte und der Versilberung des Vermögens noch vorhanden ist, umso höher wird der Auseinandersetzungsanspruch ausfallen. In der werbenden Gesellschaft ist das Interesse der Gesellschafter gemeinschaftlich auf eine möglichst ertragreiche Gesellschaft gerichtet, doch steht dahinter das Einzelinteresse an der Maximierung der individuellen Gewinnausschüttungsansprüche3 1 6 . In der Literatur wird seit jeher betont, dass der Möglichkeit, durch einstweilige Verfügung im Ausschließungsprozess die organschaftlichen Befugnisse auf einen Dritten zu übertragen, nicht zu entnehmen sei, dass eine fremdorganschaftliche Gestaltung der Handlungsverfassung einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft durch privatautonome Gestaltung des Gesellschaftsvertrages etwa zulässig sei. Bereits Bacmeister führte mit Blick auf die vorgehende Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts und des Reichsgerichts 317 aus, dass sie einen 315 So die hM: Flume , Die Personengesellschaft, 1977, § 14 VIII = S. 242; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 12 = S. 375; Hueck, Das Recht der oHG, 4. Auflage, 1971, § 20IV 3 = S. 302; vgl. auch Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 123. Kritisch mit Hinweis auf die fehlende (personelle) Auseinandersetzung Fischer, L M § 140 HGB Nr. 8/9/10. 316 In der werbenden Gesellschaft tritt zudem ein anderer wesentlicher Interessengegensatz hinzu: auf der einen Seite das Ausschüttungsinteresse der Gesellschafter, auf der anderen Seite das Selbstfinanzierungsinteresse der Gesellschaft. 317 RGZ 22, 169, Urt. v. 27. 10. 1888, Az: I 226/88; ROHG 16, 66 (73), Urt. v. 16.01. 1875, Az: II 1307/74.

§ 23 Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft

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Sonderfall betreffe, sich nicht verallgemeinern lasse und für den satzungsmäßigen Ausschluss aller Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft nichts hergebe. Einmal sei zu berücksichtigen, dass die natürliche Vertretung der Gesellschaft nicht durch Vertrag der Gesellschafter, sondern durch hoheitlichen Eingriff aufgehoben worden sei; zudem handele es sich ausschließlich um die Regelung eines einstweiligen Zustandes318. Auch der Bundesgerichtshof hat ausgesprochen, dass er seine Rechtsprechung in BGHZ 33, 105 auf „besondere Ausnahmefälle" beschränkt wissen w i l l 3 1 9 . Dass die materiell auf § 146 Abs. 2 S. 1 HGB gestützte einstweilige Verfügung nach § 940 ZPO naturgemäß nur eine zeitweilige Regelung enthalten kann, folgt neben prozessrechtlichen auch aus materiellrechtlichen Gründen. Denn es handelt sich um einen hoheitlichen Eingriff in die Organisationsautonomie der Gesellschaft, der allein schon deswegen auf das mögliche Minimum reduziert werden muss. Anders als dies bei der privatautonomen Institutionalisierung einer körperschaftlichen Handlungsverfassung durch die Gesellschafter der Fall wäre, die Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Verbandssouveränität wäre, handelt es sich hier um einen Akt (staatlicher) Fremdbestimmung 320. H. P. Westermann und Teichmann fragen mit Blick auf BGHZ 33, 105, ob das Prinzip der Drittorganschaft nur durch einen Hoheitsakt außer Kraft gesetzt werden kann 321 . So könne man sich beispielsweise vorstellen, dass die Gesellschafter nicht auf eine hoheitliche Maßnahme warten wollen, sondern sich in einem Zwischenvergleich auf eine dritte Person einigen oder der Gesellschaftsvertrag eine Regelung für den Konfliktfall enthält. Für Teichmann wäre dann die Tür Richtung Fremdorganschaft aufgestoßen: „Läßt man eine solche Satzungsklausel zu - die Entscheidung des Bundesgerichtshof steht dem nicht entgegen - dann sind alle Dämme gebrochen: kann überhaupt im Gesellschaftsvertrag von der Selbstorgan318 Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (440). Ebenso die heute hM mit Blick auf BGZ 33, 105: Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 2 = S. 374 f. Fn. 2; Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 243; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 III 4 b = S. 238; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 184 ff. Insbesondere Fischer, L M § 140 HGB Nr. 8 / 9 / 1 0 betont den vorübergehenden Charakter der Maßnahme. 319 BGHZ 51, 198 (200), Urt. v. 09. 12. 1968, Az: II ZR 33/67. Doch wird in der Literatur nicht unberechtigt darauf hingewiesen, dass sich eine stufenlose Folge ähnlicher, sich immer stärker an die Normalsituation annähernder Fälle bilden ließe, ohne dass eine überzeugende Trennungslinie bestimmt werden könne (Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 123). Die vom Bundesgerichtshof vorgefundene (Vertrauens-) Krise findet sich nicht erst beim Ausschließungsprozess, sondern bereits dann, wenn es darum geht, die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen. Auch hier könnte ohne ein gerichtliches Eingreifen die Gesellschaft stark gefährdet werden. 320 Vgl. Maunz / Oüüg-Scholz, Art. 12, Rdnr. 68; BVerfGE 50, 290 (354), Urt. v. 01. 03. 1979, Az: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 (Mitbestimmung). 321 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 156; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5b = S. 123.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

schaft abgegangen werden, dann ist nicht mehr zu begründen, weshalb die Beteiligten nicht selbst bestimmen können, wann ihnen das erforderlich oder nützlich erscheint" 322 . Gerade um ein solche schrittweise und schleichende Aushöhlung des Prinzips der Selbstorganschaft durch Parteivereinbarung zu verhindern, plädiert Reuter für eine Beschränkung der Drittorganschaft auf die Fälle des § 940 ZPO 3 2 3 . Auf den ersten Blick erscheint es schwierig, aus der Zulässigkeit einer auf § 146 Abs. 2 S. 1 HGB materiell abgestützten einstweiligen Verfügung als hoheitliche Maßnahme auf die Möglichkeit einer privatautonomen Vereinbarung der Drittorganschaft zu schließen. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 146 HGB belehrt eines Besseren (oben § 4 B). Originär ist nicht die gerichtliche Eingriffsbefugnis nach § 146 Abs. 2 HGB, sondern die in den § 146 Abs. 1 S. 1 und § 492 Abs. 1 HGB partiell positi vierte privatautonome Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter, als Ausdruck des im Grundsatz der Verbandssouveränität fußenden, in Art. 9 Abs. 1 GG abgesicherten Selbstbestimmungsrechts von Verband und Gesellschafter 324. Danach ist es primär Sache der Gesellschafter und des Verbandes, die Handlungsorganisation in der Abwicklung zu bestimmen. Daher stehen einer eigenen abweichenden Regelung durch die Gesellschafter in den § 146 HGB gleichgestellten Fällen des Ausschließungs- und Entziehungsprozesses gegen den einzigen vertretungs- und geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Ein entsprechender Beschluss der Gesellschafter hat den Anschein erhöhter Richtigkeitsgewähr für sich, weil die Gesellschafter wegen ihrer Haftung wohl nur einen Mann ihres Vertrauens wählen würden 325 . Aber dann ist Teichmann Recht zu geben, dass dies den Gesellschaftern nicht nur in den Fällen des Ausschließungs- und Entziehungsprozesses zugestanden werden muss, sondern auch in ähnlichen Krisenfällen, ja sogar immer dann, wenn es die Gesellschafter für erforderlich halten. Denkt man die Regelung des § 146 Abs. 1 S. 1 HGB, die sich im Liquidationsrecht findet, weiter fort, gelangt man schließlich zu § 492 Abs. 1 HGB: immer dann, wenn es die Gesellschafter wollen, können sie von ihrem Recht zur privatautonomem Organisation des Verbandes Gebrauch machen und die gesetzestypische Selbstorganschaft durch eine fremdorganschaftliche Gestaltung ersetzen.

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Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 123. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 186 f. 324 Zur verfassungsrechtlichen Seite: Maunz / Dikig-Scholz, Art. 12, Rdnr. 68; BVerfGE 50, 290 (354), Urt. v. 01. 03. 1979, Az: 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 (Mitbestimmung); zum Grundsatz der Verbandssouveränität: Wiedemann , FS-Schilling, 1973, S. 105 (111 ff.). 32 5 Vgl. Reinhardt, ZBJV Bd. 103 (1967), 329 (353); OLG München, in: ZAkDR 1937, 761 = JFG 16, 65 (70) Beschluss v. 14. 07. 1937, Az: Wx Nr. 275/37. 323

§ 23 Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft

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B. Die faktische Durchbrechung der Selbstorganschaft Auch wenn der Bundesgerichtshof die „Übertragung" der organschaftlichen Geschäftsführung auf einen Dritten für nicht angängig hält, so lässt er es aber doch zu, dass ein Dritter in einem sehr umfassenden Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben betraut werden kann. „Aber er erhält dadurch nicht die eigentliche gesellschaftliche Geschäftsführung, wie sie § 114 H G B i m Auge h a t " 3 2 6 . Entsprechendes gilt für die Ebene der organschaftlichen Vertretung. Die organschaftliche Vertretungsbefugnis soll zwar nicht auf einen Nicht-Gesellschafter übertragen werden können. Aber dieser Grundsatz schließt dem Bundesgerichtshof zufolge die Möglichkeit nicht aus, dass ein Dritter mit einer umfassenden Vollmacht (Generalvollmacht), die über den Umfang einer Prokura hinausgeht, ausgestattet werden kann. Eine Umgehung des Grundsatzes der Selbstorganschaft sei darin nicht zu sehen, da der Bevollmächtigte dadurch nicht die Stellung eines gesetzlichen Vertreters erlange. Die organschaftliche Vertretungsbefugnis verbleibe den Gesellschaftern 327 . Daraus hat sich die heutige gebräuchliche Standardformel der Rechtsprechung entwickelt: „Der Grundsatz der Selbstorganschaft verbietet nur, daß sämtliche Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen und diese auf Dritte übertragen werden. Damit vereinbar ist es jedoch, daß ein Dritter in weitem Umfange mit Geschäftsführungsaufgaben betraut und mit einer umfassenden Vollmacht ausgestattet wird" 3 2 8 .

326 BGHZ 36, 292 (293 f.), Urt. v. 22. Ol. 1962, Az: II ZR 11/61: „Gewiß kann ein Dritter von einem geschäftsführenden Gesellschafter auf Grund einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Bestimmung auch in einem sehr umfassenden Sinne mit Geschäftsführungsaufgaben betraut werden. Aber er erhält dadurch nicht die eigentliche gesellschaftliche Geschäftsführung, wie sie § 114 HGB im Auge hat. Seine Stellung als »Geschäftsführer« der Gesellschaft unterscheidet sich in einem solchen Fall entscheidend von der Rechtsstellung eines geschäftsführenden Gesellschafters. Sein Rechtsverhältnis zur Gesellschaft wird nicht durch gesellschaftsrechtliche Grundsätze, insbesondere nicht durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bestimmt. Für eine Anwendung des § 117 HGB ist ihm gegenüber kein Raum. Ihm steht die Geschäftsführung nicht als ein eigenständiges Recht zu; er kann von den geschäftsführenden Gesellschaftern mit Weisungen versehen und von ihnen auch abberufen werden. Ferner unterliegt er bei der Verfolgung eines ihm zustehenden Vergütungsanspruchs nicht den Beschränkungen wie ein geschäftsführender Gesellschafter; im Unterschied zu diesem ist er Drittgläubiger und kann daher während Bestehens der Gesellschaft auch die einzelnen Gesellschafter nach § 128 HGB in Anspruch nehmen. Bei dieser Rechtslage ist es nicht richtig, in einem Fall dieser Art von einer »Übertragung« der Geschäftsführung auf einen Dritten zu sprechen, mag der Dritte auch in einem sehr umfassenden Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben in der Gesellschaft beauftragt worden sein". 327 BGHZ 36, 292 (295), Urt. v. 22. Ol. 1962, Az: II ZR 11 /61. 328 BGH, NJW 1982, 1817, Urt. v. 05. 10. 1981, Az: II ZR 203/80; BGH, in: NJW 1982, 877 (878), Urt. v. 16. 11. 1981, Az: II ZR 213/80; BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: II ZR 74/81; BGH, in: MittRhNotK 1994, 224, Urt. v. 20. 09. 1993, Az: II ZR 204/92; OLG Köln, MittRhNotK 1993, 37 (38) = DStR 1992, 1771 Lt., Urt. v. 12 U 58/ 91; OLG Köln, in: NZG 1999, 769 (772), Urt. 25. 11. 1998, Az: 13 U 185/97; KG, in: BauR 2000, 114, Urt. v. 22. 12. 1998, Az: 27 U 429/98.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

Die Gesellschaft kann demnach einen Dritten im weitesten Sinne mit Geschäftsführungsaufgaben betrauen und ihm auch die umfangreichste Vollmacht einräumen. Organisationsrechtlich ist das keine Drittorganschaft. Wie eine natürliche Person einen Dritten im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit den umfangreichsten Aufgaben und den zur Ausführung notwendigen Vollmachten betrauen kann, kann dies auch eine Gesellschaft. Doch so wenig, wie das Handeln des Geschäftsbesorgers das Eigenhandeln der natürlichen Person ist, so wenig ist es das Eigenhandeln der juristischen Person. Der Wille des Geschäftsbesorgers ist nicht der Wille des Verbandes, der verbandsintern nach den in der abstrakten Handlungsverfassung niedergelegten Grundsätzen (§§ 114 ff. HGB) gebildet wird. Sein rechtsgeschäftliches Handeln im Namen der Gesellschaft ist kein Eigenhandeln der Gesellschaft, sondern wird dieser über die §§ 164, 167 BGB als das Handeln eines Bevollmächtigten zugerechnet. Die Gesellschaft kann durch ihre organschaftlichen Vertretungsorgane weiterhin alleine und selbständig am Rechtsverkehr teilnehmen. Der Dritte ist nicht Organ der Gesellschaft. Er ist nicht Zurechnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse. Er steht formellrechtlich außerhalb der Handlungsverfassung der Gesellschaft. Die rechtliche Position des Geschäftsbesorgers kann und wird aber rechtstatsächlich weitgehend der eines Organs angeglichen. Durch die Erteilung einer Generalvollmacht wird die Vertretungsbefugnis des Geschäftsbesorgers umfänglich an die organschaftliche Vertretungsmacht angeglichen werden (vgl. § 126 HGB). Formell bleibt so das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft gewahrt, während materiell Fremdverwaltung vorliegt. Aber es besteht doch ein Unterschied auf deliktischer Ebene: die Gesellschaft haftet für ihren Geschäftsbesorger nur nach § 831 BGB, also mit Exculpationsmöglichkeit. Allerdings hat sich die herrschende Meinung - entgegen dem Willen des Gesetzgebers (§ 2 A aE) - darüber hinweggesetzt und den verfassungsmäßig berufenen Vertretern (Organen) des § 31 BGB solche rechtsgeschäftlichen Vertreter gleichgestellt, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, die also die juristische Person auf diese Weise repräsentieren 329. Es erscheint der herrschenden Meinung unangemessen, in diesen Fällen der Gesellschaft den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB zu eröffnen. Faktisch ist die Position des den Verband repräsentierenden Generalbevollmächtigten weitgehend derjenigen eines Organwalters angenähert 330. Aber wegen des eindeutigen Willens des Gesetzgebers, wird man sich dieser Meinung nicht anschließen können. 329 ZB: BGHZ 49, 19 (21), Urt. v. 30. 10. 1967, Az: VII ZR 82/65; Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage, 2000, § 31, Rdnr. 4; vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979; dazu John, AcP Bd. 181 (1981), 150. 330 Dementsprechend fordert auch Flume, der meint, die Gesellschafter könnten Drittorganschaft einfach dadurch herstellen, dass sie Gesamtvertretung vereinbaren und einem Dritten Generalvollmacht erteilen, eine Haftung der Gesellschaft für den Dritte entsprechend § 31 BGB (Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 246 Fn. 120).

§ 23 Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft

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Auf dem Boden der höchstrichterlichen Standardformel zur Selbstorganschaft, setzte in der Rechtsprechung eine Entwicklung ein, die in der Literatur als faktische331 bzw. materielle 332 Aufgabe, Durchbrechung oder Verzicht auf die Durchsetzung 333 des Prinzips der Selbstorganschaft bezeichnet wird. H.P. Westermann lässt sich angesichts dieser Entwicklung zu der Äußerung hinreißen, dass der Grundsatz der Selbstorganschaft nur noch Lippenbekenntnis sei und mehr durch die Behauptung seiner Unversehrtheit als durch seine praktische Durchsetzung aufrecht erhalten werde 334 . Der zutreffende Kern dieser Aussage wird deutlich, wenn man die Rechtsprechung zum Abspaltungsverbot reflektiert: sofern der hinter dem Abspaltungsverbot stehende materielle Gesichtspunkt der Verbandssouveränität nur faktisch tangiert ist, wird der angestrebten Rechtskonstruktion, wie auch immer sie ihr Ziel erreichen wollte, die Wirksamkeit versagt. Die Ersatzlösungen aber, die der Bundesgerichtshof auf der Ebene der Selbstorganschaft in Umdeutung gesellschaftsvertraglicher Regeln anerkennt, müssten strenggenommen als Umgehung des verbotenen Weges an den Pranger gestellt werden 335 , wenn ein die Selbstorganschaft tragender materieller Gesichtspunkt verletzt wäre. Aber dem ist nicht so.

I. Die „Holiday Inn" Entscheidung des Bundesgerichtshofs, BGH, NJW 1982,18I7 3 3 6 Der Klägerin („Holiday Inn"), Globalplayer im Bereich der Hotelbranche, schloss mit der beklagten deutschen Kommanditgesellschaft auf familiärer Basis, die ein Hotelunternehmen betrieb, einen als Managementvertrag bezeichneten Betriebsführungsvertrag. Das Hotel der Kommanditgesellschaft sollte den Namen „Holiday Inn" tragen, nach dem Konzept der Hotelkette geführt und der Leitung eines Hoteldirektors der Hotelkette unterstellt werden. Die Kommanditgesellschaft als Eigentümerin des Hotels war nach dem Managementvertrag nicht befugt, hinsichtlich der (laufenden) Führung des Hotels konkrete oder allgemeine Weisungen zu erteilen. Sie hatte im Vertrag die „Gewähr für die ununterbrochene Leitung und den ungestörten Betrieb des Anwesens" durch die Klägerin übernommen und sich verpflichtet, „den täglichen Betrieb des Unternehmens weder zu stören noch sich in 331

ZB Barbasch, Ausgewählte Probleme der „großen Familienkommanditgesellschaften", 1987, S. 196: Denaturierung; Münchener Kommentar-Ulmer, 3. Auflage, § 709, Rdnr. 6; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 120 f. 332 Reuter, JZ 1986, 16 (18). 333 H. R Westermann, FS-Lutter, 2000, S. 955 (963); Erman-//. P. Westermann, 10. Auflage 2000, § 705, Rdnr. 4. 33 4 Η. Ρ Westermann, FS-Lutter, 2000, S. 955 (956, 961 ff.). 335

H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 335; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 190. 33 6 BGH, NJW 1982, 1817, Urt. v. 05. 10. 1981, Az: I I ZR 203/80; abschließend entschieden in OLG München, AG 1987, 380, Urt. v. 07. 03. 1980, Az: 23 U 1936/82. Dazu Löjfler, NJW 1983, 2920; H.P. Westermann, FS-Lutter, 2000, S. 955 (964 f.). 36 Bergmann

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungsverfassung

irgendeiner Form einzumischen". Doch war die Klägerin in der Geschäftsführung des Hotels nicht frei. Der Vertrag legte vielmehr ausdrücklich den Maßstab und die Richtlinien fest, nach denen die ihr obliegende Geschäftsführung zu erfolgen hatte; dabei waren Inhalt und Umfang der zulässigen Geschäftsführungsmaßnahmen am Interesse der Kommanditgesellschaft ausgerichtet. Maßnahmen, die über den Bereich der laufenden Verwaltungsaufgaben hinausgingen, hatten zu unterbleiben, sofern sie nicht an die Zustimmung der Beklagten gebunden waren. Außerdem hatte die Beklagte umfassende Informations-, Einsichts- und Kontrollbefugnisse, sowie Eingriffs- und Gestaltungsrechte, um die Einhaltung der vertraglich festgelegten Geschäftsführungsaufgaben erreichen oder aber das Vertragsverhältnis beenden zu können. Darüber hinaus hatte die Kommanditgesellschaft das Recht, das Vertragsverhältnis jederzeit aus wichtigem Grund, der kein Verschulden voraussetzt, fristlos zu kündigen.

Der Bundesgerichtshof hatte zu überprüfen, ob in dem Vertrag ein rechtlicher oder doch zumindest ein faktischer Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft zu finden war 3 3 7 . Er verneinte dies 338 : der Managementvertrag sei so gestaltet, dass die Organstellung des Komplementärs „nicht nur rechtlich unangetastet geblieben ist, sondern auch faktisch noch so zum Tragen kommt, daß sie in ihrem Wesensgehalt nicht beeinträchtigt ist". Der Bundesgerichtshof legte in Anschluss an BGHZ 36, 292 folgenden Prüfungsmaßstab an: „Der Grundsatz der Selbstorganschaft verbietet nur, daß sämtliche Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen und diese auf Dritte übertragen werden. Damit vereinbar ist es jedoch, daß ein Dritter in weitem Umfange mit Geschäftsführungsaufgaben betraut und mit einer umfassenden Vollmacht ausgestattet wird" 3 3 9 . Aus einer Gesamtschau des Managementvertrages folgerte der Bundesgerichtshof, dass der Kommanditgesellschaft die Verantwortung für das Betreiben des Hotels geblieben ist. Dem wird man zustimmen können. Zwar war die Beklagte nach dem Vertragswerk nicht berechtigt, der Klägerin bei der Führung des Hotels Einzelweisungen zu erteilen, diese konnte vielmehr im Rahmen des geschlossenen Vertrages in der Unternehmensleitung selbständig agieren. Die Planungs- und Entscheidungsbefugnis über die grundsätzlichen Fragen der Geschäftsführung wurden aber nicht auf die Klägerin verlagert; sie hatte nur das Recht zur laufenden Geschäftsführung innerhalb der die Unternehmenspolitik der Kommanditgesellschaft verwirklichenden Richtlinien des Managementvertrages 340. Die Klägerin war nicht 337 Die Vorinstanz nahm einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft an: die Klägerin habe die Geschäftsführung in einer Weise erhalten, in der sie weder den Weisungen des persönlich haftenden Gesellschafters unterworfen sei noch jederzeit abberufen werden könne. Der Vertrag lasse zwar die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs unberührt, faktisch sei sie aber der Klägerin übertragen. 338 Krit.: Reuten JZ 1986, 16 (18). 339 BGH, NJW 1982, 1817, Urt. v. 05. 10. 1981, Az: II ZR 203/80. Dabei stellte der Bundesgerichtshof klar: „Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheidet eine Anwendung dieser Grundsätze nicht in jedem Falle aus, in dem der Dritte bei der Erfüllung der von ihm wahrzunehmenden Geschäftsführungsaufgaben keinen Einzelweisungen unterliegt und nicht jederzeit abberufen werden kann". 3 40 BGH, NJW 1982, 1817 (1818), Urt. v. 05. 10. 1981, Az: II ZR 203/80.

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in der Lage, die Art und Weise der Betriebsführung frei zu bestimmen und diese beispielsweise an ihren eigenen Interessen auszurichten. Der vertraglich festgelegte Maßstab für die Hotelführung verpflichtete die Klägerin, im Interesse der Kommanditgesellschaft tätig zu werden. Die Pflicht, im Interesse der Beklagten im Rahmen der bestimmten Geschäftspolitik tätig zu werden (duty of care, duty of loyality), mitsamt den aus diesen Pflichten korrespondierenden Schadensersatzansprüchen, die Mitwirkungs-, Kontroll- und Einsichtsrechte, sowie das Kündigungsrecht aus wichtigen Grund (Unzumutbarkeit), sorgten dafür, dass Kommanditgesellschaft und Komplementär Herr im eigenen Haus geblieben sind. Die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft wurden der eigenverantwortlichen Leitung des Gesellschaftsunternehmens nicht beraubt. Der Grundsatz der Verbandssouveränität ist weder rechtlich noch faktisch tangiert. Aus den Urteilsgründen des Bundesgerichtshofs geht nicht deutlich hervor, ob er den Managementvertrag als einen schuldrechtlichen oder einen organisationsrechtlichen Vertrag einordnet 341 . Handelt es sich um einen ausschließlich schuldrechtlichen Vertrag, ist das Problem der Selbstorganschaft unmittelbar nicht tangiert. Wie jede natürliche, aber auch juristische Person hat eine Kommanditgesellschaft als Eigentümerin eines Hotels das Recht, in den allgemeinen Grenzen der Rechtsordnung schuldrechtliche Verträge über die Führung des Unternehmens abzuschließen 342 Durch einen solchen, rein schuldrechtlichen Vertrag wird die Handlungsverfassung der Gesellschaft organisationsrechtlich nicht tangiert. Der persönlich haftende Gesellschafter bleibt das ausschließliche Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Gesellschaft, §§ 161 Abs. 2, 114 ff., 125 HGB. Die Gesellschaft hat einen vom betriebsführenden Unternehmen eigenständigen Willen, den es auch eigenständig äußern kann. Zwischen der Gesellschaft und dem Betriebsführer bestehen keine organisatorischen oder organschaftlichen Verbindungen. Das Prinzip der Selbstorganschaft bliebe rechtlich unangetastet, auch wenn faktisch die laufende Geschäftsführung einem Dritten übertragen wäre. Durch die entsprechende Ausstattung von Nichtgesellschaftern mit schuldrechtlichen Geschäftsführungsbefugnissen und Generalvollmachten kann die Qualität organschaftlicher Geschäfts341 Der Bundesgerichtshof scheint aber wohl in die Richtung zu tangieren, der Regelung keine organisationsrechtlichen Elemente beizumessen, wenn er davon spricht, dass der Abschluss des Managementvertrages eine Maßnahme im Rahmen der Organstellung des persönlich haftenden Gesellschafters war. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, 1997, § 14 II 2 b = S.417f. nennt die Begründung des Urteils bedenklich. Der BGH hätte dartun müssen, dass es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag gehandelt habe und dem Dritten keine organschaftlichen Leitungsbefugnisse übertragen worden seien. Völlig verwaschen ist die Unterscheidung in OLG Hamm, in: NZG 1999, 1099 (1100) und Lt. 3, Urt. v. 30. 03. 1998, Az: 8 U 144/97. Vgl. allgemein zur Unterscheidung von organschaftlicher und abgeleiteter Geschäftsführungsbefugnis: Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 14 I 2 = S. 254. 342 Das Berufungsgericht, an das der Rechtsstreit zurückverwiesen wurde, wies die Klage letztlich wegen Sittenwidrigkeit des Vertrages (§ 138 BGB) in Folge eines auffälligen Missverhältnisses bei Gewinn- und Verlustchancen ab; OLG München, AG 1987, 380, Urt. v. 07. 03. 1980, Az: 23 U 1936/82.

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führungs- und Vertretungsmacht erreicht und dadurch das Gebot der Selbstorganschaft umgangen werden 343 : materielle Fremd Verwaltung bei formeller Wahrung des Grundsatzes der Selbstorganschaft. Allerdings ist das kein Spezifikum der Selbstorganschaft. Auch die fremdorganschaftlich verfasste GmbH kann durch schuldrechtlichen Managementvertrag Geschäftsführungsaufgaben auf einen Dritten verlagern und so bei entsprechender Vertragsgestaltung eine faktische, quasi-organisatorische Verwaltung neben den organschaftlichen Geschäftsführern aufbauen. Daher ist es zumindest missverständlich, von einer faktischen Einschränkung der Selbstorganschaft zu sprechen. Eine Personengesellschaft kann wie jede andere juristische, aber auch natürliche Person durch entsprechende schuldrechtliche Abreden eine (externe) Quasi-Organisation aufbauen. Rückwirkungen auf ihre Handlungs Verfassung hat das nicht. Die Mechanismen der Willensbildung und Willensbetätigung innerhalb und durch die Gesellschaft werden keine anderen. Das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft wird nicht denaturiert, nur weil der Verband einen Dritten bevollmächtigt hat. Nur wird sich der Verband um seiner schuldrechtlichen Verpflichtungen willen hüten, die obligatorisch niedergelegten Verfahrensregeln zu brechen. Aber das gilt gleichermaßen für die offene Handelsgesellschaft wie für die GmbH.

Anders, wenn der Vereinbarung ein organisationsrechtliches Element innewohnt, also die abstrakte Handlungsverfassung der Gesellschaft tangiert wird. Das betriebsführende Unternehmen würde zum Zuordnungsendpunkt organschaftlicher Befugnisse innerhalb des Verbandes. Die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis im laufenden Geschäftsbetrieb (§116 Abs. 1 HGB) wäre dem betriebsführenden Unternehmen zugewiesen. Das wäre nun in der Tat die organisationsrechtliche Durchbrechung des Prinzips der Selbstorganschaft. Aber selbst für diesen Fall bestehen keine materiellen Bedenken, die organschaftliche Umgestaltung der Handlungsorganisation der Kommanditgesellschaft für unzulässig zu erachten. Zwar würde das formelle Organsisationsprinzip der Selbstorganschaft durchbrochen, aber das dahinterstehende materielle Prinzip der Verbandssouveränität bliebe unangetastet. Ein solches System der Kompetenzverteilung, wie es durch einen organisatorisch verstandenen Managementvertrag inthronisiert würde, ist dem positivierten deutschen Gesellschaftsrecht nicht fremd. In der typischen GmbH-Handlungsverfassung ist dem Geschäftsführer die laufende Geschäftsführung zugewiesen 344 . Die zwingende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung wird erst bei darüber hinausgehenden Geschäften tangiert. Die organschaftlichen Sorgfalts- und Treuepflichten mitsamt der daraus folgernden organschaftlichen Verantwortlichkeit (vgl. §§43 GmbHG, 93 AktG) und die personelle Abhängigkeit von den Gesellschaftern, stellen sicher, dass das rechtliche Schicksal des Verbandes letztlich bei den Gesellschaftern liegt und der Grundsatz der Verbandssouveränität gewahrt bleibt 345 . Wird auch das formale Prinzip der Selbstorganschaft durch die Grund343 Reuter, JZ 1986, 16 (18); vgl. auch H.R Westermann, FS-Lutter, 2000, S. 955 (961 ff.). 344 Man denke auch an die Handlungsverfassung der (auch personalistischen) Aktiengesellschaft. Der Vorstand kann weisungsfrei agieren; allenfalls Zustimmungsvorbehalte können aufgestellt werden (§111 Abs. 4 AktG).

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sätze der abstrakten Organverwaltung ersetzt oder ergänzt, bleibt doch der dahinterstehende Grundsatz der Verbandssouveränität unberührt 346 . Bemerkenswert ist daher die Argumentation des Bundesgerichtshofs. Es ist das für eine fremdorganschaftliche Organisationsverfassung typische Instrumentarium, das der Bundesgerichtshof als Beleg fortbestehender Selbstorganschaft heranzieht 347: Bindung an das Gesellschaftsinteresse (duty of loyality), Zustimmungsvorbehalte (vgl. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG), kollektive wie individuelle Informationsrechte, schadensersatzrechtliche Verantwortlichkeit, personelle Abhängigkeit. Der Bundesgerichtshof begründet die Vereinbarkeit der konkreten Vereinbarung mit dem Prinzip der Selbstorganschaft mit den Grundsätzen der Fremdorganschaft. Das lässt darauf schließen, worum es wirklich geht: die Wahrung der Verbandssouveränität.

II. Publikumsgesellschaft und Selbstorganschaft

In BGH, NJW 1982, 877 3 4 8 ging es um einen wirtschaftlichen, nicht eingetragenen Verband mit über 140 Mitgliedern, den der BGH als (Publikums-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts einordnete. Das Einstimmigkeitsprinzip (§ 709 BGB) war durch das Mehrheitsprinzip ersetzt. Im Gesellschaftsvertrag war ein „Treuhänder" mit der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft betraut worden. Der Treuhänder war weisungsgebunden. Neben der Kündigung aus wichtigem Grund bestand ein ordentliches Kündigungsrecht. Der Bundesgerichtshof hatte zu überprüfen, ob der Gesellschaftsvertrag gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft verstieß. Prüfungsmaßstab war wieder die bekannte Formel: Der Rechtsgrundsatz der Selbstorganschaft verbietet nur, dass sämtliche Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen und diese auf Dritte übertragen werden. Damit vereinbar ist es jedoch, dass die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss oder von vornherein im Gesellschaftsvertrag einen Dritten im weiten Umfange mit Geschäftsführungsaufgaben betrauen und mit einer umfassenden Vollmacht ausstatten.

Der Bundesgerichtshof deutete die Vereinbarung (um) als schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag ohne organisatorische Elemente. Der Treuhänder habe lediglich ein abgeleitetes Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht und keine originären organschaftlichen Befugnisse erlangt. Die gesellschaftliche Geschäftsfüh345 Vgl. Wiedemann, FS-Schilling, 1973, S. 105 (112 f.). 346 Vgl. schon Κ . Schmidt, GS-Knobbe-Keuk, S. 307 (317 ff.), der statt des rechtsformspezifischen Abstellens auf das Prinzip der Selbstorganschaft den rechtsformübergreifenden Blick auf allgemeine Grundsätze wie das Prinzip der Verbandsautonomie fordert. 347 Reuter, JZ 1986, 16 (18); vgl. auch Löffler, NJW 1983, 2920 (2922). 348 BGH, in: NJW 1982, 877, Urt. v. 16. 11. 1981, Az: II ZR 213/80; ebenso: BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: II ZR 74/81; vgl. auch BGHZ 102, 172 = NJW 1988, 23, Urt. v. 09. 11. 1987, Az: II ZR 100/87, wo ein Gesellschafter der Geschäftsführer einer Publikumsgesellschaft war.

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rung und Vertretung sei bei der Gesamtheit der Gesellschafter geblieben. Seine Auffassung stützt der Bundesgerichtshof - wieder - mit dem Hinweis auf die Weisungsabhängigkeit und die Kündigungsmöglichkeiten der Gesellschaft; das sind die Wesensmerkmale der Fremdorganschaft. Folgt man der Deutung des Bundesgerichtshofs, bleibt das Prinzip der Selbstorganschaft organisationsrechtlich unberührt. Die Gesellschaft hätte dem Treuhänder nur im Rahmen eines Treuhandvertrages Vollmacht zur Ausführung bestimmter Geschäfte erteilt. Die Organisationsverfassung der Gesellschaft wird dadurch nicht tangiert. Bleibt nur die „faktische" Beschränkung des Grundsatzes durch die Herausbildung quasi-organisatotischer Handlungsstrukturen 349, durch die die Verbandssouveränität nicht negativ tangiert wird. Anders, wenn man die Vereinbarung entgegen dem Erkenntnis des Bundesgerichthofs organisationsrechtlich deutet. Der Treuhänder wäre Organwalter eines durch den Gesellschaftsvertrag geschaffenen Handlungsorgans geworden. Die Kompetenzverteilung innerhalb des Verbandes wäre an die GmbH-Handlungsverfassung angelehnt: dem Handlungsorgan obliegt die laufende Geschäftsführung; darüber hinausgehende Geschäfte sind den Gesellschaftern zugewiesen. Der Grundsatz der Verbandssouveränität bliebe unangetastet 3 5 0 : der Treuhänder ist auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet (duty of loyality) 3 5 1 , schadensersatzrechtlich für Pflichtverletzungen verantwortlich und steht in personeller Abhängigkeit zur Gesellschaft. Der Entscheidung kann daher beigepflichtet werden, unabhängig von der Frage nach dem organisatorischen oder rein obligatorischen Charakter der Regelung 352 . 349 H.P. Westermann spricht von einer Durchbrechung der Selbstorganschaft, einem Verzicht durch die Durchsetzung des Grundsatzes angesichts praktischer Bedürfnisse (H.P. Westermann, FS-Lutter, 2000, S. 955 (963)). 350 Wiedemann, FS-Schilling, 1973, S. 105 (112 f.). 351 Im zugrundeliegenden Fall war die Ausrichtung auf das Gesellschaftsinteresse ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag fixiert. 352 Der Bundesgerichtshof streift kurz die Frage nach den Rechtsfolgen eines rechtlichen Verstoßes gegen das Prinzip der Selbstorganschaft. In einem solchen Falle solle nach Ansicht des Bundesgerichtshofs an die Stelle der unwirksamen Satzungsbestimmungen die gesetzliche Regelung treten, also bei der BGB-Gesellschaft nach § 709 BGB Gesamtvertretung (BGH, in: NJW 1982, 877 (878), Urt. v. 16. 11. 1981, Az: II ZR 213/80). Aber der Hinweis auf § 709 BGB wird der Sache nicht gerecht. In einer mitgliederstarken Gesellschaft passt der Grundsatz der Selbstorganschaft verstanden als Organisationsprinzip nicht (H.P. Westermann, FS-Lutter, 2000, S. 955 (963)). Das Prinzip der Selbstorganschaft als organisatorischer Ausfluss der originären Mitgliederselbstverwaltung ist auf den im Kern personalistischen Verband, die oft beschworenen Haftungs- und Arbeitsgemeinschaft, zugeschnitten. Für die Publikumsgesellschaft passt die Handlungsorganisation selbst bei Vereinbarung des Mehrheitsprinzips nicht; eine solche Organisationsschwäche führt wegen der tatsächlichen Unfähigkeit der Gesellschafter zur gemeinschaftlichen Geschäftsführung zur faktischen Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft. Sie ist auf eine körperschaftliche Handlungsorganisation iSd §§ 26 ff. BGB angewiesen: ein abstraktes Handlungsorgan (Vorstand), dem die Vertretung und die laufende Geschäftsführung zugewiesen ist und der Gesellschafterversammlung als dem obersten, weisungsberechtigten Gesellschafterorgan (§§ 27 Abs. 3, 665 BGB). Aber dies ist bereits die Durchbrechung des Grundsatzes der Selbstorganschaft. Allenfalls als

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In BGH, NJW 1982, 2595 353 wird der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die organisatorischen Bestimmungen der §§ 38 Abs. 2 GmbHG, 84 Abs. 3 S. 1 AktG eine Regelung akzeptieren, nach der einem „Verwalter" einer Publikumsgesellschaft seine - um in der Terminologie der Bundesgerichtshofs zu bleiben: abgeleitete - Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden darf 354 . Damit wird die materielle Stellung des Fremdverwalters ausgebaut und der Stellung eines grundsätzlich unwiderruflich bestellten Organwalters angeglichen. Würde ein hinter dem Prinzip der Selbstorganschaft stehender materieller Gesichtspunkt durch die Anerkennung einer grundsätzlich unwiderruflichen Fremdverwaltung verletzt, wäre eine solche Gestaltung nicht angängig. Aber der Grundsatz der Verbandssouveränität steht dem nicht entgegen.

III. Die jüngste Rechtsprechung

Die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten 10 Jahre ist dadurch gekennzeichnet, dass mögliche fremdorganschaftliche Gestaltungen, die dem Grundsatz der Selbstorganschaft zuwiderlaufen, umgedeutet werden in schuldrechtliche Abreden ohne ein organisatorisches Element. Die Geschäftsführung und Vertretung soll dem Treuhänder oder Verwalter jeweils nicht als organschaftliches, sondern als von der Gesellschaft „abgeleitetes Recht" zustehen. Der Dritte wird nicht zum Organwalter in der Gesellschaft, sondern die Gesellschaft, handelnd durch ihre Gesellschafter als ihre Organe, erteilt dem Dritten eine rechtsgeschäftliche Vollmacht im Außenverhältnis. Dieses Vorgehen hat sich in der Wertungsproblem kann die Frage aufgeworfen werden, ob entsprechend § 9 Abs. 2 GenG das Amt des Vorstandsmitglieds den Gesellschaftern vorbehalten ist. Diese Frage muss verneint werden. Zumindest solange es sich um einen Verband auf Ebene des bürgerlichen Rechts handelt, also kein Handelsgewerbe betrieben wird, hätte der Bundesgerichtshof die Frage aufwerfen müssen, ob die konkrete Publikumsgesellschaft nicht als „nicht rechtsfähiger" (wirtschaftlicher) Verein iSd § 54 S. 1 BGB einzuordnen wäre (Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, 1977, S. 48 ff.; Reuter, FS-Semler, S. 931 (936) ordnen die Publikumsgesellschaft als wirtschaftlichen Verein iSd § 22 BGB ein), mit der Folge, dass wegen des körperschaftlichen Charakters die §§ 26 ff. BGB entsprechend Anwendung finden können. Aber letztlich liegt der Bundesgerichtshof mit seiner Einordnung als Β GB-Gesellschaft nicht daneben, denn der „nicht rechtsfähige" Verein ist nichts anderes als eine körperschaftlich verfasste BGB-Gesellschaft. 353 BGH, in: NJW 1982, 2495, Urt. v. 22. 03. 1982, Az: I I ZR 74/81. 354 Das wirkt nicht konsequent: verneint man den organschaftlichen Charakter der Tätigkeit des Verwalters, wäre ein Abstellen auf die Vorschrift des § 52 Abs. 1 HGB näherliegend gewesen; vgl. Reuter, FS-Steindorff, 1990, S. 229 (241); derselbe, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 179 f., der für die unternehmerische Fremdverwaltung entsprechend §§ 52 HGB, 24 Abs. 3 GenG vom Grundsatz der jederzeitigen Widerruflichkeit ausgeht. Anders H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 448 ff., der auch für das Fremdorgan den Ausschluss der freien Abberufung unter Hinweis auf §§ 146, 147 HGB anerkennt.

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Rechtsprechung mittlerweile eingespielt. So in der jüngsten Vergangenheit der Bundesgerichtshof für den Fremdverwalter einer Β GB-Gesellschaft (Pool von Gläubigern einer in Konkurs gegangenen GmbH & Co. K G ) 3 5 5 , das OLG Köln und das Kammergericht für die Geschäftsführer von Publikumsgesellschaften 356 und das OLG Hamm für den geschäftsführenden Direktor einer Familiengesellschaft 357 . Es bleibt also: die materielle Durchbrechung der Selbstorganschaft wird hingenommen. C. Ergebnis Hinter dem Organisationsprinzip der Selbstorganschaft kann kein materielles Kriterium gefunden werden, dass durch eine Umgestaltung der Organisationsverfassung entsprechend den Grundsätzen der abstrakten Organverwaltung verletzt werden würde. Das allgemeine verbandsrechtliche Prinzip der Verbandssouveränität wird dadurch nicht negativ tangiert. Vielmehr ist im Rückgriff auf den in den §§146 Abs. 1 S. 1, 492 Abs. 1 HGB zugrundegelegten Rechtsgedanken die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter anzuerkennen, durch Änderung des Gesellschaftsvertrages vom Organisationsprinzip der originären Mitgliederselbstverwaltung (Selbstorganschaft) abzuweichen. Das Organisationsprinzip der Selbstorganschaft ist nicht zwingend.

§ 24 Die fremdorganschaftlich verfasste offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft und BGB-Gesellschaft A. Der Ausgangspunkt Die Entscheidung ist gefallen. Es gibt kein materielles Kriterium, das der fremdorganschaftlichen Verfassung einer offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, BGB-Gesellschafter und auch der Kommanditgesellschaft auf Aktien entgegensteht. Der Gedanke der §§ 146 Abs. 2 S. 1,492 Abs. 1 S. 2 HGB setzt sich durch. Die Handlungsorganisation steht zur Disposition der Gesellschafter. Schon 355 BGH, in: MittRhNotK 1994, 224, Urt. v. 20. 09. 1993, Az: II ZR 204/92; dazu H.P. Westermann, FS-Lutter, 2000, S. 955 (964). 356 OLG Köln, MittRhNotK 1993, 37 (38) = DStR 1992, 1771 Lt., Urt. v. 12 U 58/9; OLG Köln, in: NZG 1999, 769 (772), Urt. 25. 11. 1998, Az: 13 U 185/97; KG, in: BauR 2000, 114, Urt. v. 22. 12. 1998, Az: 27 U 429/98. 357 OLG Hamm, Urt. v. 11. 12. 1995, Az: 8 U 80/95, wiedergegeben bei Jaeger, EWiR 1996, 315; OLG Hamm, in: NZG 1999, 1099, Urt. v. 30. 03. 1998, Az: 8 U 144/97: dem geschäftsführenden Direktor können Geschäftsführungsbefugnisse entsprechend, also von der Gesellschaft abgeleitet, §§ 114, 116 HGB übertragen werden. Darin liegt kein Unterschied zur Rechtsprechung der anderen Obergerichte. Denn nach § 116 Abs. 1 HGB bezieht sich die Geschäftsführung nur auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb; darüber hinausgehende Geschäfte bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, § 116 Abs. 2 HGB.

§ 24 Die fremdorganschaftlich verfasste oHG

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Wiedemann und im Anschluss Flume haben hinsichtlich der selbstorganschaftlich

verfassten Verbände festgestellt: „Eine andere Organisationsform ist wohl denkbar, sie müsste aber im wesentlichen von der Rechtsprechung erst geschaffen werden an Hand von Streitfällen, die mit Sicherheit zwischen Gesellschaftern und Fremdorganen über Auskunftsrechte, Schadensersatzpflicht, Abberufung usw. entstehen würden, und zwar in vorsichtiger Analogie zu anderen Formen der Fremdverwaltung" 3 5 8 . Bleibt die Frage, wie eine solche Organisation aussehen soll. Die Antwort fällt leichter, wenn man sich darauf besinnt, dass es aufgrund des Rechtsformzwanges entsprechend dem Organisationsprinzip der abstrakten Organverwaltung verfasste wirtschaftliche Gesellschaften im Rechtsgewande der offene Handelsgesellschaft gibt: der „nicht rechtsfähige" wirtschaftliche Verein, die nicht eingetragene Genossenschaft, die unechten Vorgesellschaften, sind, sofern sie ein Handelsgewerbe betreiben, offene Handelsgesellschaft. Diese Verbände haben eine funktionierende und eingespielte, an den gesetzestypischen Ausdifferenzierungen der §§ 26 ff. BGB, 35 ff. GmbHG, 76 ff. AktG angelegte Handlungsverfassung. Wie eine mögliche andere Organisationsverfassung gestaltet sein kann, hat der Gesetzentwurf einiger Wissenschaftler hinsichtlich einer Handelsgesellschaft auf Einlagen aufgezeigt 359 . Gerade wer den Schritt von der Gesamthandsgesellschaft zur juristischen Person nicht mit vollziehen will, findet hier eine fremdorganschaftlich fixierte Gesamthandsgesellschaft. Schließlich kann auf die legislativ erprobte Handlungsverfassung der Partenreederei (und der EWIV) hingewiesen werden. Gerade Anleihen 358 Wiedemann , Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I 1 = S. 374; derselbe, FS-Schilling, 1973, S. 105 (110); ebenso: Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 245. K. Schmidt, GS-Knobbe-Keuk, S. 307 (313) spricht davon, dass es keinen vorgesetzlichen Grundsatz gäbe, der Personengesellschaften auf das Prinzip der Selbstorganschaft verweise. Vgl. auch Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 124. Nitschke lehnt diese Auffassung Wiedemanns ab: eine andere Organisation in der oHG sei gerade nicht denkbar, weil eine Analogie zu anderen Formen der Fremdverwaltung nicht imstande ist, dass Korrektiv der unbeschränkten Haftung zu ersetzen (Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 b = S. 239). Wiedemann und Flume meinen nun, es fehle das wirtschaftliche Bedürfnis: die Gesellschafter könnten in eine andere Rechtsform ausweichen oder den Fremdverwalter als Gesellschafter ohne Kapitalanteil aufnehmen oder Gesamtvertretung vereinbaren und auf diesem Wege die Leitung des Gewerbebetriebes abgeben (Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 11 = S. 374; Flume, Die Personengesellschaft, § 14 VIII = S. 245 f.). Überwiegend weist man in der Literatur allerdings zu Recht darauf hin, dass das fehlende wirtschaftliche Bedürfnis kein Grund ist, eine (gesellschafts-)vertragliche Regelung für unzulässig zu erachten; eine solche Bevormundung stehe dem Staat nicht zu (Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 124; Dellmann, FS-Hengeler, 1972, S. 64 (71 f.); Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 33 Fm. 9 aE). 359

Arbeitskreis GmbH-Reform, Thesen und Vorschläge zur GmbH-Reform, Band 1, Die Handelsgesellschaft auf Einlagen; hinsichtlich der Verwirklichung der Drittorganschaft in der HGaE lobend äußert sich H.R Westermann, ZRP 1972, 93 (96).

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bei der Handlungsorganisation von Partenreederei und GmbH können für die vertragsgestaltenden Parteien von Interesse sein, weil diese ein weitgehendes Weisungsrecht der Gesellschafter kennen, was sich gerade für personalistische Zusammenschlüsse anbietet, während ein Rückgriff auf das Vereins- und Aktienrecht sich für Verbände eignet, die auf breite Mitgliedschaft angelegt sind.

B. Originäre statt abgespaltene Rechte Wie bereits oben dargelegt, kann eine fremdorganschaftliche Organisation nur über den Weg der Modifikation der abstrakten Handlungsverfassung, also durch Änderung des Gesellschaftsvertrages, erreicht werden. Durch die Satzung muss ein abstraktes Handlungsorgan originär errichtet werden, dem die organschaftlichen Handlungskompetenzen (Geschäftsführung und Vertretung) zugewiesen werden. Dann kann in einem zweiten Schritt durch das satzungsmäßig vorgesehene Bestellungsorgan, regelmäßig die Gesamtheit der Gesellschafter, durch Bestellung des gewünschten Organwalters das (abstrakte) Geschäftsführungsorgan eingerichtet werden 360 . Eine Abspaltung der organschaftlichen Befugnisse des geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafters und deren Überweisung (§§ 398, 413 BGB) an den zum Ziel genommen Fremdverwalter scheitert rechtskonstruktiv am allgemein als zwingend verstandenen Abspaltungsverbot des § 717 S. 1 BGB 3 6 1 .

C. Kompetenzverteilung der abstrakten Handlungsverfassung Hinsichtlich der Kompetenzverteilung in der Gesellschaft ist die inter- und intraorganisatorische Ebene zu unterscheiden, also einmal die Gewaltenteilung unter den einzelnen Verbandsorganen 362, zum anderen die Mechanismen der organinternen Willensbildung im Handlungsorgan 363. Ohne diese Differenzierung wollen Helm und Wagner primär auf die §§ 114 ff., 125 ff. HGB abstellen, um die Rechtsposition der Fremdorgane zu bestimmen: die bestellten Fremdverwalter seien grundsätzlich entsprechend §§115 Abs. 1 HS 1, 125 Abs. 1 HGB einzelgeschäftsführungs- und einzelvertretungsbefugt; allerdings sollen die §§ 117,127 HGB keine Anwendung finden 364 . Hier wird die organisationsrechtliche Unterscheidung zwi360 Vgl. Beuthien/Gätsch, ZHR Bd. 157 (1993), 483 (486); dieselben, ZHR Bd. 156 (1992), 459 (469). 361 Helm/Wagner, BB 1979, 225 (228, 229); Reinhardt, ZBJV Bd. 103 (1967), 329 (351); BGHZ 36, 292 (293), Urt. v. 22. 01. 1962, Az: I I ZR 11/61; vgl. auch RGZ 2, 30 (32), Urt v. 26. 05. 1880, Az: 1807/80. 362 ZB zwischen der Geschäftsführung und der Gesellschafterversammlung. 363 ZB Einzelvertretung oder Gesamtvertretung. 364 Helm/Wagner, BB 1979, 225 (229 f.). Vgl. auch Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971, S. 147 ff.; Biirck, Selbstorganschaft oder Drittorganschaft in OHG und KG?, 1968, S. 107 ff.

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sehen inter- und intraorganisatorischer Willensbildung übersehen. Die Frage nach der Einzel- oder Gesamtbefugnis betrifft die organinterne Willensbildung. Nur wenn die organinternen Vorgaben beachtet werden, liegt ein relevanter Wille des (Gesamt-)Organs vor. Ist Gesamtgeschäftsführung vereinbart, müssen grundsätzlich alle Geschäftsführer zustimmen, damit der Wille des Organs gebildet wird; besteht dagegen Einzelvertretung, ist - respektive der Ausübung von Widerspruchsrechten - der Wille des einzelnen Geschäftsführers der Wille des Organs. Fehlt im Gesellschaftsvertrag eine besondere Regelung, ist allerdings nicht von einer Einzelbefugnis der Geschäftsführer entsprechend §§ 115, 125 HGB auszugehen. Denn diese Vorschriften sind auf die besondere Situation in der gesetzestypischen Handlungsverfassung der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellscaft zugeschnitten. Vielmehr wird man bei Vorhandensein mehrerer Organwalter Anleihen bei den Regelungskomplexen fremdorganschaftlicher Organisationsverfassungen nehmen können und in Anwendung des hinter den §§ 77 Abs. 1, 78 Abs. 2 AktG, 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG, 25 Abs. 1 S. 1 GenG Rechtsgedankens eine Gesamtbefugnis der Amtswalter annehmen müssen. Denn die Gesamtbefugnis bedeutet eine organinterne Sicherung der Gesellschaft vor ihren Organwaltern. Auf interorganisatorischer Ebene wird eine Übernahme der GmbH-Handlungsverfassung die Regel sein, die ihren selbstorganschaftlichen Gegenpart in § 116 Abs. 1, Abs. 2 HGB findet: die laufende Geschäftsführung obliegt dem Handlungsorgan; für Maßnahmen, die darüber hinausgehen, ist die Zustimmung der Gesellschafterorgane notwendig. Anders aber als in der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, deren Handlungsorgan weisungsunabhängig ist, wird man den Gesellschaftern regelmäßig - wie in der GmbH oder Partenreederei - ein kollektives Weisungsrecht 365 gegenüber der Geschäftsführung zubilligen können. Hinzukommt die personelle Abhängigkeit des Fremdgeschäftsführers von der Gesellschaft, wobei es entgegen Reuter nicht so sehr auf darauf ankommt, ob die Abberufung jederzeit oder doch nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich ist 3 6 6 . Dieser Auffassung liegt der überholte Gedanke zugrunde, dass ein - das unternehmerische Risiko tragender - Inhaber sorgfältiger handle als ein Fremdverwalter und daher per se einen Vertrauens Vorschuss verdiene 367 ; ein Satz, der auf dem Prinzip des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung beruht, denn er fußt auf dem Gedanken, dass Fremdverwaltung nicht so wertvoll sei wie Eigenverwaltung 368. Immer verbleibt der Ge365

Kollektives Recht meint Rechte des Gesellschafterorgans. 366 Vgl. Wiedemann , Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I = S. 371; anders Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 180 der (verbandsübergreifend) für den unternehmerischen Fremdverwalter vom Grundsatz der jederzeitigen freien Widerruflichkeit ausgeht. Nur bei den Gesellschaftern, die ein eigenes Interesse am Verband haben, sei die Beschränkung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes statthaft. 367

Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, § 11 5 b = S. 119; vgl. dazu Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 182 Fn. 94. 3 68 Vgl. nur Helm/ Wagner, BB 1979, 225 (232).

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

sellschaft die Widerrufsmöglichkeit aus wichtigem Grund 369 , d. h. bei Unzumutbarkeit, wozu auch Unfähigkeit, permanente - wenn vielleicht auch unverschuldete Erfolglosigkeit oder eine fehlende Vertrauensgrundlage gehören können 370 . Sofern der Gesellschaftsvertrag der fremdorganschaftlich verfassten Gesellschaft schweigt, wird man in Anwendung der fremdorganschaftlichen Regelungsverhältnisse vor Augen habenden Vorschriften der §§ 27 Abs. 2 S. 1 BGB, 38 Abs. 1 GmbHG, 24 Abs. 3 GenG, 492 Abs. 2 HGB den jederzeitigen Widerruf als Regelfall ansehen müssen371. Die Anwendung der §§ 117, 127 HGB scheidet dagegen aus. Denn diese Vorschriften sind auf eine Änderung der abstrakten Handlungs Verfassung, also des Gesellschaftsvertrages, zugeschnitten. Sollen einem geschäftsführenden Gesellschafter einer oHG seine organschaftlichen Befugnisse entzogen werden, bedeutet dies eine Änderung der Kompetenzordnung des Gesellschaftsvertrages. Die Bestellung und Abberufung eines Organwalters bewegt sich aber im Rahmen der abstrakten Handlungs Verfassung. Von einem Wechsel im Amte bleibt der Gesellschaftsvertrag unberührt; es wird nur die konkrete Handlungsverfassung, also die die Ämter wahrnehmenden Personen, ausgewechselt. Die organisatorische Gewaltenteilung trägt ihren Teil dazu bei, dass die Gesellschafter Herr des Unternehmens bleiben und der Grundsatz der Verbandssouveränität gewahrt bleibt. Flankiert wird dieses System von der schadensrechtlichen organschaftlichen Verantwortlichkeit. Die Geschäftsführer trifft die organschaftliche Verantwortlichkeit entsprechend §§43 GmbHG, 93 AktG, dass sie den Sorgfaltsanforderungen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (duty of care) gerecht werden und ihrer organschaftlichen Treuepflicht (duty of loyality) genügen372. Es gilt der Zusammenhang zwischen Herrschaft und schadensrechtlicher Verantwortung. Sorgfaltsmaßstab ist dabei nicht § 708 BGB, da die Anwendung dieser Norm aufgrund der Abweichung vom gesetzlichen Typus nicht mehr gerechtfertigt ist 3 7 3 . Keiner besonderen Erwähnung bedarf die Tatsache, dass sich die Vertretungsmacht des Handlungsorgans nach § 126 HGB richtet374. 369 Reinhardt, ZBJV Bd. 103 (1967), 329 (355). 370 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, § 15 I = S. 371, der das Gewicht weniger darauf legt, ob ein Widerruf der Bestellung nur aus wichtigem Grund erfolgen könne, da auch mangelndes Vertrauen einen wichtigen Grund bilde, sondern darauf, ob das Bestellungsorgan zu einer einheitlichen Beschlussfassung in der Lage ist. 371 Wie Reuter aufgezeigt hat, macht § 84 Abs. 3 AktG davon keine Ausnahme, sondern will nur das Auseinanderfallen von Betroffenheit und Bestellungsorgan ausgleichen. 372 Ein möglicher Einwand gegen die Zulässigkeit von Fremdorganschaft kann darin bestehen, dass den Fremdverwalter nicht die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht wie den geschäftsführenden Gesellschafter trifft (Reinhardt, ZBJV Bd. 103 (1967), 329 (352)), ein Einwand, der auch in BGHZ 36, 292 (294), Urt. v. 22. 01. 1962, Az: I I ZR 11/61 anzuklingen scheint. Dieser Einwand ist unzutreffend: zwar trifft den Fremdgeschäftsführer keine mitgliedschaftliche Treuepflicht, wohl aber wird er von der organschaftlichen Treuepflicht erfasst. 373 Vgl. i m Ergebnis ebenso: Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971, S. 148.

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D. Publizität der Drittorganschaft Mit Blick auf die Außenvertretung der fremdorganschaftlich verfassten Gesellschaft wird die Besorgnis geäußert, dass dadurch ein erhöhtes Maß an Rechtsunsicherheit in den Rechtsverkehr hineingetragen werden könnte 375 . Doch bemerkt man in der Literatur zutreffend, dass man dieses Bedenken durch Eintragung des jeweiligen Organwalters in das Handelsregister ausschalten kann; dem stehen keine prinzipiellen Erwägungen entgegen376. Der Eintragung eines Fremdorganwalters könnte nun allerdings § 40 Nr. 5 Abs. 2 lit. d HRV (Handelsregisterverfügung vom 12. August 1937), die aufgrund § 125 Abs. 3 FGG 3 7 7 erlassen wurde, entgegenstehen. Danach sind in Spalte 5 der Abteilung A des Handelsregisters zu vermerken. §40HRV.

1....

5.(1)... (2) Bei offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften sind zu vermerken: d) Vereinbarungen über die Vertretungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafter

Nach § 40 Nr. 5 Abs. 2 lit. d HRV ist für die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft 378 die Eintragung der Organwalter des vertretungsberechtigten Organs (zB: der Mitglieder des Vorstandes) oder eines entgegen § 170 HGB vertretungsberechtigten Kommanditisten nicht vorgesehen. Diese formell-registerrechtliche Regelung kann nicht verwundern, ist sie doch auf das gesetzestypische Regelungsprogramm der §§ 105 ff., 161 ff. HGB abgestimmt. Seinen unmittelbaren Ausdruck findet das Prinzip der Selbstorganschaft in Spalte 3 Abteilung A des Handelsregisters. Dort sind gem. § 40 Nr. 3 HRV bei offener Handelsgesellschaft 374

Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971, S. 150; Bürck, Selbstorganschaft oder Drittorganschaft in OHG und KG?, 1968, S. 112. 37 5 ZB: Hueck, Das Recht der oHG, 4. Auflage, 1971, § 201 = S. 278. 376 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 452 f.; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 282; Helm/Wagner, BB 1979, 225 (232); Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971, S. 153; Bürck, Selbstorganschaft oder Drittorganschaft in OHG und KG?, 1968, S. 131 ff.; Heidemann, Der zwingende oder dispositive Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften, 1999, S. 241 ff. Vgl. auch Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 14 I I = S. 262. 377 Die HRV wurde aufgrund § 125 Abs. 3 FGG a.F. erlassen, der durch die „Verordnung zur Änderung und Ergänzung des § 125 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Vom 10. August 1937" eingeführt wurde (RGBl. I 1937, 900). Die Registerverfügung ist in ihrer ursprünglichen, mittlerweile mehrfach geänderten Fassung, abgedruckt in: Deutsche Justiz 1937, 1251. 378 Ebenso für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, § 43 Nr. 4 HRV.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungs Verfassung

und Kommanditgesellschaft die persönlich haftenden Gesellschafter zu vermerken, bei der EWIV die Geschäftsführer, bei juristischen Personen iSd § 33 HGB die Mitglieder des Vorstandes, ferner die Liquidatoren. In Spalte 5 wird nur eingetragen, ob für die jeweilige Gesellschaft Gesamt- oder Einzelvertretung bestimmt ist und bei oHG oder KG ein persönlich haftender Gesellschafter ganz von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist 3 7 9 . Doch wird man in entsprechender Anwendung der §§ 148 Abs. 1 S. 1 HGB, 40 Nr. 3 HRV den Gesellschaftern die Möglichkeit zu geben haben, das bestellte Drittorgan zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. In Spalte 5 ist dann festzuhalten, dass die persönlichen Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Denn Sinn und Zweck des Handelsregisters, dessen Einrichtung und Führung die Registerverfügung regelt, ist es, die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsverhältnisse offen zu legen; demnach muss der materiell zulässig bestellte Fremdorganwalter eingetragen werden, denn das Registerrecht muss sich nach dem materiellen Recht ausrichten 380. Das formelle Registerrecht hat nur dienende Funktion. Sind fremdorganschaftliche Organisationsstrukturen in der offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder auch Kommanditgesellschaft auf Aktien möglich, können sie auch ins Handelsregister eingetragen werden. Ist der Fremdorganwalter dort eingetragen, kann er wegen § 15 Abs. 2 HGB weder mit einem persönlich haftenden Gesellschafter noch mit einem Prokuristen verwechselt werden 381 . Die Eintragung der Organwalter ist entsprechend §§ 108 Abs. 1, 148 Abs. 1 S. 1 HGB von allen Gesellschaftern zu bewirken. Das muss nicht mit Blick auf § 78 GmbHG für eine fremdorganschaftliche Handlungsverfassung als „systemwidrig" erscheinen. Denn zur Anmeldung des Korrespondentreeders sind auch die Mitreeder der Partenreederei verpflichtet, vgl. § 11 Nr. 9 SchiffsRegO 382. Allerdings sollte man in Erwägung ziehen, gerade bei mitgliederstarken, wirtschaftlichen Verbänden eine Anleihe am Gedanken des § 78 GmbHG vorzunehmen. Unbegründbar ist das nicht, kann doch ausweislich § 12 HGB eine Vollmacht zur Anmeldung erteilt werden. Dass § 108 Abs. 2 HGB nur von den vertretungsberechtigten Gesellschaftern spricht, folgt daraus, dass die §§ 105 ff. HGB nur den gesetzestypischen Normalfall der Selbstorganschaft vor Augen haben 383 .

379 § 40 Nr. 5 Abs. 2 lit. d (oHG/KG), Abs. 3 lit. b (EWIV), Abs. 4 (jur. Person iSd § 33 HGB). 380 Brox, FS-Η. Westermann, 1974, S. 21 (34 f.). 381 Beuthien, ZIP 1993, 1589 (1596 f.); H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 453. 382 Rabe, Seehandelsrecht, 4. Auflage, § 492, Rdnr. 4. Den Korrespondentreeder trifft nach Bestellung seinerseits eine eigene, neben die Pflichten der Gesellschafter tretende Anmeldepflicht hinsichtlich bestimmter Tatsachen, § 18 Abs. 1 SchiffsRegO. 383 H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 455 f.

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£. Haftung des Fremdgeschäftsführers nach außen Grundsätzlich haftet der zum Organwalter bestellte Dritte nicht 3 8 4 . Von diesem Grundsatz gibt es aber nach der hier entwickelten Auffassung für den nicht eingetragenen Verband eine Ausnahme. Als Ausgleich für die noch fehlende Registerpublizität haftet der bestellte Geschäftsführer entsprechend §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 S. 2 AktG. Die Haftung will ausgleichen, dass dem Vertragspartner wegen der nicht vorhandenen Verlautbarung der wesentlichen Informationen über Gesellschaft und Gesellschafter die Rechtsverfolgung gegen den Verband und seine Mitglieder erschwert ist. Der handelnde Geschäftsführer kann dieser Haftung dadurch entgehen, dass er dem Dritten die durch Preisgabe der benötigten Informationen (ladungsfähige Anschrift von Gesellschaft und Gesellschaftern) die Rechtsverfolgung gegen die Gesellschaft und die Gesellschafter ermöglicht. Da es sich um keine Ausfallhaftung handelt, kann sich der Dritte auch dann nicht mehr an den handelnden Geschäftsführer halten, wenn er mit seinen Ansprüchen gegen Gesellschaft und Gesellschafter ausfällt. Ist der Verband eingetragen (als oHG oder Kommanditgesellschaft), erlischt die Haftung aus §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 S. 2 AktG. Relativ uneinheitlich werden innerhalb der herrschenden Meinung die Rechtsfolgen der ihrer Meinung nach unzulässigen Fremdorganschaft beurteilt. Die überwiegende Lehre geht dahin, die unzulässige Drittorganschaft in der offenen Handelsgesellschaft als Ersetzung der Einzelvertretungsbefugnis durch die Gesamtbefugnis aller Gesellschafter zu deuten; die Stellung des unzulässigen Drittorgans kann dann als rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung angesehen werden 385 . Womit man soweit wäre, wie vor 140 Jahren. Der Bundesgerichtshof hat bezogen auf eine Publikumsgesellschaft des bürgerlichen Rechts obiter dicta ausgeführt, dass bei unzulässiger Fremdorganschaft an die Stelle der unwirksamen Vertragsbestimmung die gesetzliche Regelung trete, also bezogen auf eine BGB-Gesellschaft § 709 BGB 3 8 6 . Nitschke geht - angesichts seines Ansatzes durchaus konsequent - weiter: bei unzulässiger Fremdorganschaft müsse das vom Gesetz für den organschaftlichen Vertreter der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft vorausgesetzte Verhältnis von Macht und Haftung hergestellt werden. Das Fremdorgan müsse für sein Handeln im Namen der oHG wie ein vertretungsberechtigter Ge384 Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, 1971, S. 152; Bürck, Selbstorganschaft oder Drittorganschaft in OHG und KG?, 1968, S. 123 ff. Natürlich kann aber aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine Haftung nach Rechtsscheinsgrundsätzen oder culpa in contrahendo in Frage kommen; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 456 f. 38 5 ZB: Großkommentar HGB/Habersack, 4. Auflage, § 125, Rdnr. 10; Ueymänn/Emmerich, 1989; § 125, Rdnr. 8; Vgl. dazu: Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 c = S. 241 f. 38 6 BGH, in: NJW 1982, 877 (878), Urt. v. 16. 11. 1981, Az: II ZR 213/80.

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

seilschafter persönlich unbeschränkt haften. Diese persönlich unbeschränkte Haftung des Fremdorgans will Nitschke in Rechtsanalogie zu den §§ 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG herleiten: „wenn das Gesetz bei nichtrechtsfähigen Verbänden, bei denen es eine Fremdorganschaft zulässt, eine persönliche Haftung der im Namen des Verbandes handelnden Personen vorsieht, so muß das erst recht für das unzulässigerweise bestellte Fremdorgan einer Personengesellschaft gelten" 387 . Der Vorschlag hat keine Freunde gefunden. Selbst John, in Sachen Selbstorganschaft ein Verwandter im Denken, sieht für eine Funktionshaftung oder eine Haftung analog § 54 S. 2 BGB anders als Nitschke keinen Grund 388 . Zu Recht: die von Nitschke bemühte Analogie ist nicht tragfähig. Die benannten Vorschriften wollen nicht - weder heute noch damals - einen Ausgleich darstellen für die Rechtsmacht des Geschäftsführers, die Gesellschafter unbeschränkt verpflichten zu können. Und man besinne sich auf die schon in Art. 167 Abs. 3 ADHGB angelegte Entscheidung des Gesetzgebers: kann der Rechtsverkehr erkennen, dass der Geschäftsführer nicht als persönlich haftender Gesellschafter auftritt, scheidet eine unbeschränkte Haftung aus. Auch Kühler will die „eigenverantwortliche Geschäftsführung und organschaftliche Vertretung" der Gesellschaft durch einen Dritten sanktionieren. Durch die Ausübung dieser organschaftlichen Funktionen werde der Dritte zum persönlich haftenden Gesellschafter. Wer nach außen selbständig am gemeinsamen Betrieb des Unternehmens beteiligt sei, werde damit kraft schlüssigen Verhaltens zum Gesellschafter 389. Aber schon der Blick auf den Korrespondentreeder (§ 492 HGB) zeigt, dass organschaftliche Tätigkeit nicht aus sich heraus mitgliedschaftliche Haftung zur Folge hat. Auch ist nicht klar, was Kühler mit eigenverantwortlicher Geschäftsführung meint. Der Fremdgeschäftsführer ist wie jede Organperson auf das Gesellschaftswohl verpflichtet und in die Handlungsorganisation der Gesellschaft integriert. In seinem Kompetenzbereich mag er einen größeren oder kleine387 Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, § 13 IV 1 c = S. 242 f.; vgl. Müller, NJW 1955, 1909 (1910), der den Fremdgeschäftsführer einer wohl § 128 HGB entsprechenden Funktionshaftung unterwerfen will. 388 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 296; für ihn ist die Sanktion der unzulässigen Übertragung von organschaftlichen Befugnissen an Nichtgesellschafter oder Kommanditisten deren Nichtigkeit. Ebenfalls ablehnend gegenüber Nitschke: Κ Schmidt, GS-Knobbe-Keuk, S. 307 (316 f.). 38 9 Kühler, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, 1999, § 20 I I 2 a = S. 286, II 3 c = S. 289 f. Anfang des letzten Jahrhunderts hat Bacmeister versucht, den Gedanken mit anderer Zielrichtung nutzbar zu machen. Aus § 105 HGB folge die Unzulässigkeit der Fremdorganschaft, da bei einer Unternehmensleitung durch einen Nichtgesellschafter nicht mehr von einem Betrieb des Unternehmens durch die Gesellschaft gesprochen werden könne. (Bacmeister, ZHR Bd. 55 (1904), 417 (435 f.)). Aber dagegen bleibt doch zu sagen, dass es für das Betreiben des Unternehmens durch die Gesellschaft/Gesellschafter ausreicht, wenn in ihrem /deren Namen gehandelt wird. Zumal aufgrund des zwingenden Grundsatzes der Verbandssouveränität die Gesellschafter niemals die Oberleitung in der Gesellschaft verlieren. Zudem dürften regelmäßig nach GmbH-Vorbild Weisungsrechte zugunsten der Gesellschafter vereinbart werden.

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ren Entscheidungsspielraum haben, aber das ändert nichts an seiner fremdnützigen Tätigkeit, die der eines Angestellten, aber nicht der eines Eigentümers gleichkommt 3 9 0 . Um in den Worten der tradierten Gesamthandslehre zu sprechen: der Fremdgeschäftsführer betreibt nicht das Unternehmen, dies sind die Gesellschafter, die sich des Fremdgeschäftsführers bedienen. Auf dem Boden der hier vertretenden Lehre ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der rechtsfähige Verband das Unternehmen betreibt, und nicht seine Gesellschafter oder die Angehörigen seiner Handlungsorganisation 391. In der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft haften die Komplementäre nicht aufgrund ihrer organschaftlichen Tätigkeit, sondern aufgrund ihrer Gesellschafterstellung. Zudem drängt sich der Gerechtigkeitsgehalt von Küblers Konstruktion nicht gerade auf: obwohl der Fremdverwalter am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens als Nichtgesellschafter nicht partizipiert, soll er doch für dessen Schulden haften 392 . Der zum Fremdgeschäftsführer bestellte Dritte wird durch seine Tätigkeit nicht zum (persönlich haftenden) Gesellschafter. Alleine aus der Integration in die Handlungsverfassung eines Verbandes folgt nicht die Mitgliedschaft. Abschließend kann Folgendes festgehalten werden: der Fremdgeschäftsführer einer eingetragenen offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft haftet den Gesellschaftsgläubigern grundsätzlich nicht; unberührt bleiben natürlich besondere Haftungsgründe wie culpa in contrahendo oder Rechtsschein. Dagegen trifft den Fremdgeschäftsführer eines nicht eingetragenen Verbandes - unabhängig vom idealen oder wirtschaftlichen Zweck - eine Haftung aus §§ 54 S. 2 BGB, 41 Abs. 1 S. 2 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG, der er sich aber dadurch entziehen kann, indem er die Rechtsverfolgung gegen Gesellschaft und Gesellschafter ermöglicht. Der Verband seinerseits haftet gem. § 31 BGB für das Verschulden seiner Organwalter. F. Eine mögliche Handlungsverfassung Ans Ende sollen zwei Beispiele einer möglichen rechtstechnischen Fixierung einer fremdorganschaftlich verfassten Gesellschaft gestellt werden. Dies ist zum einen der Vorschlag einer Handelsgesellschaft auf Einlagen von Götz Hueck, Marcus Lutter, Hans-Joachim Mertens, Eckard Rehbinder, Peter Ulmer, Herbert Wiedemann und Wolf gang Zöllner, der in der damaligen Literatur durchaus wohlwollende Aufnahme fand 393 , aber vom deutschen Gesetzgeber nicht aufgegriffen wurde, 390 Vgl. BGH, NJW 2000, 3133 (3125) = BGHZ 144, 371, Urt. v. 28. 06. 2000, Az: VIII ZR 240/99 m. w. N. (ständige Rechtsprechung): GmbH-Geschäftführer als Verbraucher iSd § 1 VerbrKrG. 391 Vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB , 30. Auflage, 2000, § 1, Rdnr. 31. 392 Helm/Wagner, BB 1979, 225 (231): das Unternehmen betreibt, wer das wirtschaftliche Risiko trägt; ebenso H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 332. 393 Schilling, BB 1972, 1 (3) bezeichnet den Vorschlag als gelungen; ebenso Barz, NJW 1972, 465 (467); auch: HP Westermann, ZRP 1972, 93; Raisch, FS-Knur, 1972, S. 165 ff. 37 Bergmann

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zum anderen der Entwurf einer einfachen Gesellschaft als Teil eines Obligationenrechts für Bosnien-Herzegowina von Rüßmann, der allem Anschein nach als einfache Partnerschaft Eingang in das Recht von Bosnien-Herzegowina finden wird.

I. Die Handelsgesellschaft auf Einlagen Die Handelsgesellschaft sollte eine fremdorganschaftlich verfasste „Personengesellschaft" darstellen. Anders als der Vorschlag von Rüßmann baute die Handlungsorganisation der Handelsgesellschaft auf Einlagen auf einem System der Haftungsbeschränkung a u f 3 9 4 . Hinsichtlich der Handlungsverfassung der HGaE war der Entwurf spektakulär 3 9 5 . Er orientierte sich stark an der Normal Verfassung der GmbH, ließ aber doch auch Elemente der offenen Handelsgesellschaft einfließen, was allerdings teilweise in Kombination - als Regeltypus - unangebracht gewesen sein mag. Die Handlungs Verfassung war in den §§ 180 ff. H G B des Reform Vorschlages enthalten: §180 HGB Reformvorschlag. (1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Diese müssen natürliche Personen, sie brauchen nicht Gesellschafter zu sein. Die Bestellung erfolgt im Gesellschaftsvertrag oder durch einen von allen Gesellschaftern einstimmig zu fassenden Beschluss. (2) Der Anstellungsvertrag mit den Geschäftsführern wird von der Gesellschafterversammlung geschlossen. § 181 HGB Reformvorschlag. (1) Die Geschäftsführer sind jeweils allein zu handeln berechtigt. Widerspricht ein anderer Geschäftsführer der Vornahme einer Handlung, so entscheidet die Gesellschafterversammlung. (2) § 115 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. § 182 HGB Reformvorschlag. (1) Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. Schon vorher gab es (private) Versuche, eine „Personengesellschaft mit beschränkter Haftung zu institutionalisieren"; vgl. dazu m. w. N.: Schilling, BB 1972, 1; H.P. Westermann, ZRP 1972, 93 Fn. 4. 394 Zur allgemeinen Begründung der Handlungsverfassung hieß es: „Hinsichtlich der Organstellung trägt der Entwurf dem vor allem bei der GmbH & Co. KG sichtbar gewordenen Bedürfnis Rechnung, auch Nichtgesellschafter als Gesellschaftsorgane zu bestellen und ihnen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse zu übertragen. Die Bedenken gegen eine derartige Gestaltung gründen sich bei OHG und KG bekanntlich auf die Gefahren der unbeschränkten Verpflichtung von Gesellschaftern aus Handlungen von beschränkt haftenden oder Nichtgesellschaftern; bei der HGaE sind sie angesichts der Haftungsbeschränkung sämtlicher Gesellschafter gegenstandslos. Im übrigen berücksichtigt der Entwurf den qualitativen Unterschied zwischen Selbst- und Drittorganschaft durch unterschiedliche Ausgestaltung der Entziehung der Organstellung" (Arbeitskreis GmbH-Reform, Thesen und Vorschläge zur GmbHReform, Band 1, Die Handelsgesellschaft auf Einlagen, S. 13 f.). 395 Hinsichtlich der Verwirklichung der Drittorganschaft in der HGaE lobend äußert sich H.P. Westermann, ZRP 1972, 93 (96).

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(2) Zur Vornahme von Handlungen, die darüber hinausgehen, ist ein Beschluss der Gesellschafter erforderlich. (3) Die Bestellung eines Prokuristen bedarf der Zustimmung aller Geschäftsführer, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Den Widerruf der Prokura kann jeder Geschäftsführer aussprechen. § 183 HGB Reformvorschlag. (1) Die Geschäftsführungsbefugnis kann einem Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter ist, entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Der Beschluss erfordert, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, die Zustimmung der übrigen Gesellschafter. Der Gesellschaftsvertrag kann auch vorschreiben, dass die Abberufung einer gerichtlichen Entscheidung auf Antrag der übrigen Gesellschafter bedarf. (2) Geschäftsführer, die nicht zugleich Gesellschafter sind, können durch Beschluss der Gesellschafter abberufen werden. §184 HGB Reformvorschlag. (1) Die Beschlüsse der Gesellschafter in Fragen der Geschäftsführung bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit), soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmen. (2) Das Stimmrecht richtet sich nach den Nennbeträgen der Hafteinlagen. Der Gesellschaftsvertrag kann das Stimmrecht anders regeln. § 187 HGB Reformvorschlag. Zur Vertretung der Gesellschaft ist jeder Geschäftsführer ermächtigt. Die Vorschriften der §§125 Abs. 2 und 3 und 126 finden entsprechende Anwendung. §188 HGB Reformvorschlag. Die Vertretungsmacht endet gleichzeitig mit der Befugnis zur Geschäftsführung. Sie kann nur gemeinsam mit dieser nach § 183 entzogen werden. Auch ohne Entziehung der Befugnis zur Geschäftsführung können die Gesellschafter nachträglich Bestimmungen nach den in § 187 S. 2 genannten Vorschriften treffen; hierfür gilt § 183 entsprechend.

II. Der Entwurf einer einfachen Gesellschaft für Bosnien-Herzegowina von Rüßmann

Schließlich sei auf die Regelung der einfachen Gesellschaft im Entwurf eines Obligationenrechts für Bosnien-Herzegowina von Rüßmann hingewiesen396. Besonders bemerkenswert ist dabei das Zusammentreffen von Fremdorganschaft und persönlicher Haftung der Gesellschafter 397; der Vorschlag löst sich von der heute

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http://ruessmann.jura.uni-sb.de / BiH-Project / Data / Gesamtentwurf.pdf. 397 Art. 1102 EntwOblRBosHerz. Haftung Gesellschafter. (1) Sind die Gesellschafter gemeinschaftlich oder durch Stellvertretung einem Dritten gegenüber Verpflichtungen eingegangen, so haften sie ihm als Gesamtschuldner persönlich. Die persönliche Haftung der Gesellschafter wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der zum Geschäftsführer bestellte Dritte die Verbindlichkeit begründet hat. (2) Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam. 36*

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4. Teil: Der Wechsel der Handlungserfassung

überholten Vorstellung, dass das Zusammentreffen von Drittorganschaft und persönlicher Haftung ein Unding sei. Ähnlich dem Recht der deutschen Partenreederei ist die einfache Gesellschaft originär selbstorganschaftlich verfasst, überlässt den Gesellschaftern aber die Option, sich fremdorganschaftlich zu organisieren und auf diese Art und Weise Kompetenz von dritter Seite in die Gesellschaft zu integrieren. Bemerkenswert ist insbesondere Art. 1091 Abs. 3, der die Unterscheidung zwischen den formellen und materiellen Organisationsprinzipien relativiert; es gibt nur punktuelle Sonderregeln: die Unterschiede sind eben nicht überzubewerten; der Vorschlag von Rüßmann ist moderner, weil er sich aus den strengen Gegensätzen der formellen und materiellen Organisationsprinzipien herauslöst und es den Gesellschaftern überlässt, wie sie die Handlungsorganisation ihrer Gesellschaft gestalten wollen. Art. 1091 EntwOblRBosHerz. Geschäftsführung. (1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. (2) Im Gesellschaftsvertrag oder, sofern dies der Gesellschaftsvertrag vorsieht, durch Beschluss der Gesellschafter kann die Geschäftsführung einem oder mehreren Gesellschaftern oder Dritten ausschließlich übertragen werden. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. (3) Sofern sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt, entsprechen die Rechte und Pflichten des zum Geschäftsführer bestellten Dritten denjenigen der geschäftsführenden Gesellschafter. (4) Steht nach dem Gesellschaftsvertrage die Führung der Geschäfte allen oder mehreren Gesellschaftern in der Art zu, dass jeder allein zu handeln berechtigt ist, so kann der zur Geschäftsführung Berechtigte der Vornahme eines Geschäfts durch den anderen widersprechen. Im Falle des Widerspruchs hat das Geschäft zu unterbleiben. Art. 1092 EntwOblRBosHerz. Umfang der Geschäftsführung. (1) Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der gemeinschaftlichen Geschäfte mit sich bringt. (2) Zur Vornahme von Handlungen, die darüber hinausgehen, und zur Bestellung eines Generalbevollmächtigten ist ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter erforderlich. (3) Sofern ein Dritter zum Geschäftsführer bestellt ist, hat er gegenüber der Gesellschaft die Beschränkungen einzuhalten, die ihm für den Umfang seiner Befugnisse durch den Gesellschaftsvertrag oder die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Er hat sich nach den von den Gesellschaftern gefassten Beschlüssen zu richten und ihre Beschlüsse zur Ausführung zu bringen. Art. 1093 EntwOblRBosHerz. Rechte und Pflichten des geschäftsführenden Gesellschafters. Soweit weder in den Bestimmungen dieses Titels noch im Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorgesehen ist, bestimmen sich die Rechte und Pflichten der geschäftsführenden Gesellschafter nach den Vorschriften über die Geschäftsbesorgung. Art. 1095 EntwOblRBosHerz. Entzug der Geschäftsführung. (1) Die einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag (oder Beschluss) übertragene Befugnis zur Geschäftsführung kann ihm durch einstimmigen Beschluss oder, falls nach dem Gesellschaftsvertrage die Mehrheit der Stimmen entscheidet, durch Mehrheitsbeschluss der übrigen Gesellschaf-

§ 24 Die fremdorganschaftlich verfasste oHG

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ter entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. (2) Die Bestellung eines Dritten zum Geschäftsführer kann jederzeit durch Mehrheitsbeschluss widerrufen werden, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Art. 1096 EntwOblRBosHerz. (1) Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft den Fleiß und die Sorgfalt anzuwenden, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. (2) Er haftet der Gesellschaft für den Schaden, welcher ihr durch sein Verschulden entstanden ist. Er kann gegen diesen Schaden nicht die Vorteile aufrechnen, welche er der Gesellschaft in anderen Fällen durch seinen Fleiß verschafft hat. (3) Steht die Geschäftsführung nicht allen Gesellschaftern zu, so haften die geschäftsführenden Gesellschafter entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsbesorgung. (4) Der zum Geschäftsführer bestellte Dritte ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden. Er schuldet der Gesellschaft besondere Treue. Art. 1097 EntwOblRBosHerz. Rechenschaft und Information. (1) Die geschäftsführenden Gesellschafter sind bei Beendigung der Gesellschaft und, soweit der Zweck der Gesellschaft oder die Geschäftsführeraufgaben dies erfordern, auch bereits während der Dauer des Gesellschaftsverhältnisses verpflichtet, den Gesellschaftern Rechenschaft abzulegen. Sie haben den Gesellschaftern die erforderlichen Nachrichten zu geben und ihnen auf Verlangen Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen. Jeder Gesellschafter kann sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich oder durch einen von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichteten Vertreter unterrichten und die Geschäftsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen. (2) Eine diese Rechte ausschließende oder beschränkende Vereinbarung steht der Geltendmachung der Rechte nicht entgegen, wenn Grund zu der Annahme unredlicher Geschäftsführung besteht. Art. 1099 EntwOblRBosHerz. Vertretung. (1) Wenn ein Gesellschafter zwar für Rechnung der Gesellschaft, aber im eigenen Namen mit einem Dritten Geschäfte abschließt, so wird er alleine dem Dritten gegenüber berechtigt und verpflichtet. (2) Wenn ein Gesellschafter im Namen der Gesellschaft oder sämtlicher Gesellschafter mit einem Dritten Geschäfte abschließt, so werden die übrigen Gesellschafter dem Dritten gegenüber nur insoweit berechtigt und verpflichtet, als es die Bestimmungen über die Stellvertretung mit sich bringen. (3) Soweit einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag die Befugnis zur Geschäftsführung zusteht, ist er im Zweifel auch ermächtigt, die Gesellschaft oder sämtliche Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten. (4) Das gilt für den zum Geschäftsführer bestellten Dritten entsprechend.

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Sachregister Abgrenzung nicht eingetragener Verein Gesellschaft 348-350, 353-355, 351352, 362-364 Abspaltungsverbot 543-549, 570-570 Eigenverwaltung 332-337, 338-342 Fremdorganschaft - allgemeines verbandsrechtliches Phänomen 35 - 36 - Begriff 25-27, 72-72 - Berechtigung zum Insolvenzantrag bei fremdorganschaftlich verfasster Personengesellschaft 476-477 - Beziehung zur Handelndenhaftung 457458, 540-543, 575-577 - formelle Selbstorganschaft 263-265, 262-263 - körperschaftlich organisierte Gesellschaft 355, 348-350, 374-376, 366-367, 393-394, 390-390, 366-366, 411412-400, 396-397 - Korrespondentreeder als Organ 275 - 279, 281-283, 2 9 3 - - 3 3 7 - nicht eingetragene Dauergenossenschaft 399-400 - Publikumsgesellschaft Siehe körperschaftlich organisierte Gesellschaft 394 - Publizität der Haftungsbeschränkung 520-522, 515-516, 574-575 - selbstorganschaftlich verfasste GmbH 220-224, 233-238 - tradiertes Recht der Vorgesellschaften 396-397 - unechte Vorgesellschaften 411-412337, 338-342 Gesamthandsgesellschaft Siehe juristische Person gesellschaftsrechtlicher Dualismus Siehe gesellschaftsrechtlicher Monismus

gesellschaftsrechtlicher Monismus 35-36, 51-56, 56-58, 348-350 gesetzlicher Rechtsform Wechsel 159-162 Gleichlauf von Herrschaft und Haftung 458, 522, 457-458, 515-516, 527-528, 506-508, 533-534, 532-533, 530532, 540-543, 575-577 Haftung - BGB-Gesellschaft 357-359, 359-361 - nicht eingetragener/konzessionierter Verein 357-359, 369-370 Handelndenhaftung - als Ausgleich fehlender Registerpublizität 447-450, 441-443, 456-457, 457458,436-438, 575-577 - als Gründerhaftung 447-450,431 -432 - als Korrektiv von Rechtsmacht 364-366, 457-458, 540-543, 575-577 - als Organhaftung 447-450, 457-458, 431-432 - europarechtliche Komponente 432-434 Handlungsorganisation Siehe Handlungsverfassung Handlungsverfassung 65 - 66, 74 - 76 - abstrakte Handlungsverfassung 77-78, 100-101,74-76 - als rechtskonstruktive Fremdbeschreibung 58-61 - atypische Handlungsverfassung 254257, 348-350, 355-356, 476-476, 469-470, 476-477, 467-469, 461463, 482-484, 520-522, 515-516, 527-528 - Bestimmung der Anzahl der Organwalter 329-332, 324-327 - Durchbrechung der Kontinuität der Handlungsverfassung 166 -166, 152-154, 152-152

598

Sachregister

- Durchbrechung des Organisationsprinzips der Selbstorganschaft 169-170, 152154, 152-152, 503-505, 498-503, 496-498, 553-559, 549-553, 559-568 - Einzelermächtigung 310-311 - fakultatives Drittorgan 220-224, 271272, 275-279, 281-283, - Gesamtvertretung 209-210, 216-218, 218-218, 233-233-300, 310-311, 314-315, 338-342 - gesamtvertretungsberechtigter Prokurist als Organ 310-311,485-494 - Gewaltenteilung 207-208, 209-210, 224-224, 299-300, 314-315, 338342, 364-366, 570-573 - individuelle Informationsrechte 213214,218-218 - kapitalistische Verfassung 220 - 224 - kollektive Informationsrechte 218-218 - Kompetenzverschiebung 211-212, 224228, 245-, 2 5 2 - - 2 5 7 - konkrete Handlungs Verfassung 100-101, 74-76 - Kontinuität der Handlungsverfassung 145-146, 169-170, 166-166, 152152, 149-152,411 -412-400, 396-397 - körperschaftliche Verfassung 348-350, 353-355, 374-376, 366-367, 393394, 390-390 - Organisationshoheit der Gesellschafter 158-159, 553-559, 559-568 - personalistische Verfassung 220-224, 233-238, 348-350, 374-376 - personelle Abhängigkeit 214-216, 218218, 228-232, 242-245, 254-257, 298-298-337, 338-342 - Prinzip der Gesamtleitung Siehe Prinzip der Gesamtverantwortung 218 - Prinzip der Gesamtverantwortung 216218, 233 - 233 - 242, 338 - 342 - Regelungskompetenz der Aktivvertretung (Gesamt- oder Einzelvertretung) 329332, 322-323 - Überwachung 212-213, 213-214, 218218 - unechte Gesamtvertretung 310-311 - verbandsinterne Verantwortlichkeit für die Erfüllung der den Verband treffenden

Pflichten als Annex der Geschäftsführung 458-459, 476-476, 469-470, 467469,461-463,482-484 - Weisungsabhängigkeit Siehe Weisungsbefugnis 248 - Weisungsbefugnis 224-228, 246-, 254-257, 267-268, 332-337 juristische Person 35-36, 51-56, 44-51, 66-68, 141-142, 343, 369-370, 485494 - Fiktionstheorie 4 4 - 5 1 - Theorie der realen Verbandspersönlichkeit 4 4 - 5 1 keine Haftung ohne Herrschaft 532-533 Lehre vom faktischen Organ 461-463, 482-484 Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ Siehe Lehre vom faktischen Organ Lehre von der modifizierten societas 382383 nicht eingetragener Verband 476, 348 - 350, 353-355, 351-352, 364-366, 362364, 382-383 numerus clausus der Gesellschaftsrechtsformen 30-32 Oechselhäuserscher Entwurf 220-224 Organ 65-66, 6 6 - 6 8 , 8 1 - 8 2 - allgemeiner Haftungsmaßstab 179-181, 181-184 - begrenzte Diligenzpflicht 197 -199, 181-184, 202-204, 202-202, 200200, 207-208, 254-257, 353-355, 570-573 - business judgement rule 179-181 - eingliedriger Organbegriff 65-66, 7 2 72, 100-101, 209-210, 240-240, 238239, 251-252, 275-275 - Gesamtvertretung 76 - 77 - gesamtvertretungsberechtigter als Organ 81-82

Prokurist

Sachregister - individuelle Informationsrechte 210, 232- -251-260, 338-342

209-

- kollektive Informationsrechte 209-210, 2 3 2 - - 2 5 1 - 2 6 0 , 338-342 - Korrespondentreeder als Organ 275-279, 281-283, 2 9 3 - - 1 7 2 , 176-179, 218218, 338-342 - organschaftliche Treuepflicht (duty of loyality) 171-172, 175-176, 173-175, 172-173,218-218, 338-342 - Organtheorie 44 - 51 - unechte Gesamtvertretung 7 7 - 7 8 - 8 2 , 76-77 - Unterscheidung Eigenhandlung - Dritthandlung 38-44, 65-66, 257-259, 549-553, 559-568 - Verantwortung als Korrektiv organschaftlicher Herrschaft 173-175, 176-179, 265-267, 338-342, 570-573 - Vertretertheorie 38-51 - zweigliedriger Organbegriff 65 - 66, 72 74, 209-210, 218-220, 275, 364-366 Publizitätsrichtlinie 134-135,432-434 Rechtsformverfehlung 403-412

169 -170,

402 -

Selbstorganschaft - allgemeines verbandsrechtliches Phänomen 35 - 36 - Ausschluss aller Gesellschafter von der organschaftlichen Vertretung 485 - 494, 496-498 - Ausschluss des einzigen Komplementärs von der organschaftlichen Vertretung 498-503 - begrenzte Diligenzpflicht 202-204, 202-202, 200-200 - Begriff 25-27, 72-72 - Beziehung zur Handelndenhaftung 457458, 540-543, 575-577 - der geschäftsführende Kommanditist 254-257, 257-259, 469-470, 498503, 520-522,515-516 - dispositiver Charakter 28 - 30

- Durchbrechung des Organisationsprinzips der Selbstorganschaft 169-170, 152154, 152-152, 281-283, 393-394, 503-505, 498-503, 496-498, 553559, 549-553,559-568 - fakultatives Drittorgan 220-224 - Kapitalgarantie 202-202, 200-200, 533-534 - Korrespondentreeder als Organ 275-279, 281-283, 2 9 3 - - 3 3 7 - materielle Fremdorganschaft 263-265, 262-263 - Organisationshoheit der Gesellschafter 158-159, 275-279, 281-283, 503505, 498-503, 496-498, 553-559, 549-553,559-568 - selbstorganschaftlich verfasste GmbH 220-224, 233-238 - unbeschränkte Haftung 202-204, 202202, 200-200, 275-279, 332-337, 364-366, 515-516, 527-528, 533534, 540-543 - zwingender Charakter 28 - 30 - zwingender Charakter des § 170 HGB 515-516, 520-522, Typenzwang und Typengesetzlichkeit 3 0 32, 34-35, 254-257, 261-262, 348350, 355-356, 527-528 ultra-vires-Lehre - außenrechtswirksame Kompetenzverschiebung 210, 146-148, 104-107, 138-139, 109 - Begriff 104-107, 137-138 - europarechtliche Bezüge 134-135 -Idealverein 104-107,146-148, - juristische Person des öffentlichen Rechts 104-107 - Kontinuität der Handlungsverfassung 145-146 - Liquidationsgesellschaft 131-132 - Theorie der juristischen Person 141 -142 - Umfang 137-138 - Vorgesellschaft 107-109 - (werbende) oHG 138

600

Sachregister

Verbandssouveränität 81-82, 218, 338342, 485-494, 494-496, 532-533, 543-549,559-568

Verein als körperschaftlich organisierte Gesellschaft Siehe nicht eingetragener Verband