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German Pages 169 [172] Year 1912
Die
Geistesreligion und das jüdische Religionsgesetz Ein Beitrag zur Erneuerung des Judentums von
Dr. Ignaz Ziegler Rabbiner in Karlsbad
Mit einem Geleitwort von
Rudolf Eucken
Berlin Druck und Verlag von Georg Reimer 1912
I n h a l t .
Geleitwort von Rudolf Eucken
Seite V
Vorwort
VII Erstes Kapitel.
Die Geisteereligion
i Zweites Kapitel.
Das jüdische Religionsgesetz innerhalb der jüdischen Religion
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Drittes Kapitel. Der Zweck des Religionsgesetzes
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Viertes Kapitel. Das Recht des Religionsgesetzes in der Geistesreligion
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Geleitwort. Der Unterzeichnete hat sich über seine Stellung zum Christentum und im Christentum zu oft ausgesprochen, als daß es mißverstanden werden könnte, wenn er ein religionsphilosophisches Werk aus dem Kreise des Judentums mit empfehlendem Wort begleitet. Dringend verlangt die Lage der Gegenwart, daß die verschiedenen Religionen, heute alle in schweren Problemen befindlich, j a in einem Kampf ums Dasein begriffen, sich auf ihre gemeinsame Aufgabe besinnen und sich gegenseitig nicht als Feinde, sondern als Genossen behandeln. So kann ich es nur erfreulich finden, wenn vom Standpunkte des Judentums aus ein auf reiches geschichtliches Wissen und ernste philosophische Überzeugung gegründeter Versuch gemacht wird, die Tatsachen und Bewegungen, welche das geschichtliche Judentum mit einer Religion des Geisteslebens verknüpfen, zusammenzufassen und als Ganzes zur Wirkung zu bringen. Es kann das außerhalb und innerhalb des Judentums aufklärend und berichtigend wirken: außerhalb für die, welche das Judentum trotz seines großen sittlichen Ernstes und seines inmitten tausendjähriger schwerer Bedrückungen tapfer aufrechterhaltenen freudigen Lebensmutes glauben geringschätzig behandeln zu dürfen, innerhalb des Judentums aber namentlich für jüngere Geister, welche von den überkommenen Formen nicht den Weg zu einer vertieften Überzeugung finden und daher nicht nur mit jenen, sondern mit aller und jeder
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Religion zerfallen, zugleich aber sich einer krassen Verneinung ergeben, welche die eigene Seele ins Leere führt und das Wirken mehr zerstören als aufbauen läßt. Das vorliegende Werk möchte solcher Gefahr entgegenarbeiten, indem es Geschichtliches und Ewiges, indem es Freiheit und Tiefe zur Ausgleichung zu bringen strebt. So kann man nur wünschen, daß es sowohl innerhalb als außerhalb des Judentums gebührende Beachtung finde. Jena.
Rudolf Eucken.
Vorwort. Nationalität und Religion sind die Tragpfeiler jedes Volkstums; die Liebe zur Nationalität macht es widerstandsfähig gegen äußere Feinde, die Religion gegen Zersetzung durch Sittenfäulnis, beide zusammen paralysieren die egozentrischen Strebungen der Volksglieder und ermöglichen den langsamen Aufstieg zur Alleinheit. Die Liebe zur Nationalität ist bedingt durch die Großtaten der Vergangenheit, beglückende Gegenwart und viel verheißende Zukunft; die Liebe zur Religion durch ihre Übereinstimmung mit dem Kulturstande jedes Zeitalters. Liebe zur Nationalität ist nur dort, wo ihre Teile Treue und Wahrheit, Hilfsbereitschaft und Opferwillen vereint; Liebe zur Religion, wo diese jene Potenzen schafft. Fehlen diese Bedingungen, verliert das Volk seinen eigenen, in ihm selbst liegenden Kulturwert und damit die Freude an der Selbsterhaltung. Das gilt natürlich für alle Völker, nur daß bei Minoritäten diese Erfahrungen samt ihren Folgen schroffer und schärfer, auch früher in die Erscheinung treten. Darum ist die Geschichte des jüdischen Volkstums die Probe auf das Exempel. Was es bis heute in der Zerstreuung endlosem Leid hat trotzen lassen, war die Liebe zur Nationalität und zur Religion: Nationalität wurde Religion und Religion Volkstum. Allerdings eine Anomalie an Nationalität, ohne Land, ohne Sprache und ohne kompaktes Beisammensein des Ganzen, eine Ausnahme von der Regel,
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wie eben vielfach wahrhaft Großes eine Ausnahme ist. Darin jedoch keine Ausnahme, daß es auch ohne Nationalität und ohne Religion sich erhalten könnte. Will die Judenheit trotz ihres Eintritts in die Staatsbürgerschaft mit allen ihren Pflichten und Rechten als Volkstum weiter leben, darf sie Nationalität und Religion nicht preisgeben. Nationalität und Religion! Denn nur eine sittlich große Nationalität beglückt alle ihre Teile, sittliche Größe kann aber nicht ohne Religion sein, ohne Verbindung mit einer überlegenen Weltordnung, ja sie ist an sich schon Religion. Aber Liebe zur Religion, so sagten wir, ist bedingt durch ihre Übereinstimmung mit dem Kulturstand jedes Zeitalters. Ist diese Übereinstimmung mit unserer Zeit vorhanden? Nein, weder bei Christen noch bei Juden. Nicht einmal bei den Massen, geschweige denn bei den Intellektuellen. Die Religion der Massen kann man ja überhaupt kaum noch Religion nennen, aber selbst ihr dunkles Ahnen ist zersetzt von Zweifel und Mißmut. Der Intellektuelle vollends hält Religion für einen überwundenen Standpunkt, für eine absterbende Phase in der Geistesgeschichte der Menschheit, die gewaltsam zu halten Pfaffen, Reaktionäre und Träumer sich vergebliche Mühe nehmen. Und wenn schon die Intellektuellen der Religion an sich ein gewisses Recht am Menschen einräumen wollten, die historischen Religionen weisen sie weit von sich; sie wollen der Religion an sich, dem religiösen Empfinden, der religiösen Gesinnung und Tat eine große Bedeutung zur Erhaltung der sittlichen Reinheit jedes Volkstums zugestehen, sprechen dagegen den charakteristischen Religionen jeden höheren Wert ab. Wer sonach der Überzeugung ist, daß der gesunden Existenz eines Volkstums Liebe zur Religion — und wo eine charakteristische, historische Religion vorhanden ist, auch zu dieser — ebenso unentbehrlich ist, wie die zur Nationalität, steht in seinem Streben für das Gemeinwohl zu arbeiten vor einer doppel-
- I X ten Aufgabe: i. alles daranzusetzen, um in erster Reihe die Intellektuellen zur Religion an sich zurückzuführen; 2. denselben Kreisen die Erkenntnis von dem Werte der h i s t o r i s c h e n Religion beizubringen. Dafür gibt es meiner Ansicht nach nur ein Mittel: die Philosophie. Gewiß ist Religion nicht Philosophie, aber wohl angebracht ist diese die beste Waffe jener. Die Philosophie kann der gefährlichste Feind eines bestimmten religiösen Glaubens sein, der Religion an sich und der religiösen Tat niemals, sie haben keinen besseren Freund. * * *
Von den dargelegten Erwägungen ist Samson Raphael H i r s c h ausgegangen, da er auf philosophischer Grundlage die jüdische N e o o r t h o d o x i e gegründet hat, mit sehr achtbarem Erfolg, wenn auch nicht der Ziffer, so doch dem Geiste nach. Ein Sieg im ganzen war ihm aber versagt; eine Partei zu bilden glückte ihm, die gesamte Judenheit zu erobern konnte ihm nicht gelingen. Er hat das tiefe Bedürfnis seines Jahrhunderts vollauf verstanden nach einer Verjüngung der Religion durch Philosophie. Weil er jedoch geglaubt hat, nichts von der alten Denkweise, von der alten Art, von den alten Formen aufgeben zu dürfen, wurde er für den größten Teil der jüdischen Intellektuellen unmöglich. Er vergaß, oder wollte vergessen, daß sich in der Menschheit grundstürzende Denkwandlungen vollzogen hatten, und hat das Alte an allen Punkten für umwandelbar erklärt. Das war ein verhängnisvoller Irrtum. Niemals wird die Religion mit unserer Zeit verwachsen, nie sie beherrschen und führen, »wenn sie die Gegenwart starr an die Vergangenheit bindet, wenn sie zu uns nicht in den Gefühlen, Begriffen, ja Worten der eigenen Zeit spricht« (Eucken). Mein Buch sei ein Versuch, dasselbe zu erreichen, was S. R. Hirsch erreichen gewollt hat, nur auf entgegenZ i c g 1 e r , Geistesreligion.
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gesetztem Wege. Auch ich will das h i s t o r i s c h e Judentum erhalten, auch ich will die Tradition retten, aber so, daß ich das Unwesentliche an ihr preisgebe, um das Wesentliche zu stützen. Auch ich versuche, philosophisch der R e l i g i o n a n s i c h die Herzen der Kulturjuden, unserer Intellektuellen, neu zu erschließen, aber nicht so, daß ich ihnen Philosophie biete, über die sie bestenfalls ironisch lächeln, sondern so, daß ich auf i h r Denken eingehe, mich auf i h r e n Standpunkt stelle, mit i h r e n Gedanken arbeite. Nicht auf Basis meiner philosophischen Überzeugung und nicht auf der des altgläubigen Theologen, sondern auf Grundlage der philosophischen Überzeugungen j e n e r soll das historische Judentum zu neuer Blüte erstehen, die nach Religion verlangen, aber eine an dem alten Gottesglauben haftende Religion mit ihrem Denken unvereinbar halten. Gelingt der Versuch, dann ergibt sich aus meiner Arbeit die Methode von selbst, mit deren Hilfe auch jenem Teile der Judenheit, der in das allgemeine Kulturleben einzutreten erst im Begriffe ist, die Liebe zur Religion an sich und zum historischen Judentum erhalten werden kann. Ich habe lange geschwankt mit der Veröffentlichung' des Buches. Ungezählte Male habe ich mich gefragt, ob denn nicht der innere Wert des Werkes zu gering sei gegen das Aufsehen und vielleicht auch die Entrüstung, die es an manchen Stellen hervorrufen wird. Schließlich hat das Verlangen, dem Judentum in meiner Weise zu dienen, die Furcht vor persönlichem Leid unterdrückt. Wenn ich auch weit entfernt bin, mich einen Weisen nennen zu wollen, mögen doch H e r b e r t S p e n c e r s Worte im Urteil der Unbefangenen und Wohlgesinnten für mich sprechen: »Nicht als zufällig hinzugekommen wird ein Weiser den in ihm lebenden Glauben betrachten. Die höchste Wahrheit, welche er erkennt, wird er furchtlos aussprechen; er weiß, daß, mag kommen, was da kommen
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will, er in dieser Weise seine richtige Rolle in der Welt spielen wird — , er weiß, daß, wenn er die Änderung bewirken kann, die er erstrebt, es gut ist; kann er es nicht, ist es auch gut, wennschon nicht so gut.« Und an Goethe denke ich, da ich willens bin, dies Buch in die Welt hinaüszusenden: »Dem tätigen Menschen kommt es darauf an, daß er das Rechte tue; ob das Rechte geschehe, soll ihn nicht kümmern.« KotXov yd; ctftXov xoti rt ¿X-i; ¡itfdk^ »Schön ist der K a m p f p r e i s , u n d die H o f f n u n g groß«.
R u d o l f E u c k e n s überaus wohlwollendes Urteil und aneifernden Worte haben wesentlich beigetragen, die Hoffnung auf diesen Kampfpreis: Stärkung und Neubelebung des religiösen Gefühls in der Judenheit, nicht aufzugeben. Ihm sei auch an dieser Stelle innigst gedankt. Herzlich danke ich auch Herrn Regierungsrat Prof. Dr. J e r u s a l e m in W i e n für einige freundliche Winke und meinem lieben Freunde Prof. Dr. B l a u in B u d a p e s t für die Durchsicht des 2. und 3. Kapitels. K a r l s b a d , im Februar 1912. Dr. I. Ziegler.
Erstes Kapitel.
Die Geistesreligion. (Wesentlich nach Eucken). Der moderne Mensch unterscheidet sich nicht nur in der äußeren Lebensführung von dem Menschen vergangener Zeiten, er ist auch in seinem Denken ein ganz anderer geworden. Über die Natur zu herrschen war in früheren Zeiten nie des Menschen Streben gewesen, nur sich ihr anzupassen, sich vor ihr zu schützen; ihre Kräfte sich dienstbar zu machen war nicht sein Bemühen, nur ihnen nicht zu unterliegen. Heute ist das gerade Gegenteil eingetreten. Es hat sich der Mensch zum Herrscher der äußeren Welt aufgeworfen, ihre geheimsten Kräfte spürt er auf, um sie in seinen Dienst zu stellen; für ihn, den mächtig und sicher Dastehenden ist die Welt nunmehr ein interessantes Objekt, das dem Menschen immer neue Rätsel zu lösen gibt, immer neue Probleme zur Ergründung hinstellt. Leon Battista Albertis Wort ist in Erfüllung gegangen: »Die Menschen können von sich aus alles, sobald sie wollen.« Die Folgen dieses Wandels sind gar mannigfache. Die erste ist das überaus starke Hervorkehren des Individualismus. Das Bewußtsein von der Größe des Menschen und seines Wertes hat auch in jedem einzelnen das Selbstbewußtsein gesteigert und jeden auf sich selbst gestellt. Die Bedeutung des Menschen als Gattung ist auch dem einzelnen zugute gekommen. Sich ausleben, seine Fähigkeiten nutzen ist heute die grundZ i e g 1 e r , Geistesreligion.
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legende Forderung der Einzelindividualität geworden. Diese Wendung zum Subjekt teilte sich dann auch Rassen und Völkern mit. Das scharfe Betonen des nationalen Bewußtseins, des Rassenstolzes ist nur die Anwendung des Individualisierens auf die Gesamtheit, auf das Ganze. Eine weitere Folge dieses Wandels im Kerne des menschlichen Lebensprozesses ist das ungeheuere Anschwellen der Arbeit. Der Mensch will in vollen Zügen den Becher leeren, den ihm die Herrschaft über die Natur in die Hand gegeben, er will seine Macht befestigen, ihr Gebiet immer weiter dehnen; die Natur soll ihm derart Untertan sein, daß ihm schließlich die eigene manuelle Kraft ganz überflüssig werde. Rast- und ruhelos arbeitet der menschliche Geist dem einen Ziele entgegen: der äußeren Welt unumschränkter Gebieter zu werden. Dieser Wandel, der mit der Renaissance anhub, hat in unserem Jahrhundert den kritischen Höhepunkt erreicht und fordert stürmisch eine endgültige Auseinandersetzung mit Anschauungen, die sich aus der alten Zeit zu uns hinübergerettet haben und Anlaß geben zu erbitterten, nutzlosen Kämpfen der Menschen untereinander und des Menschen mit sich selbst. *
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Im Laufe der immer weiter greifenden Arbeit an allen Erscheinungen der Welt ist der Mensch zu bestimmten Resultaten gelangt, die nunmehr zu den unveräußerlichen Gütern des Kulturlebens gehören und die ihm nichts auf Erden mehr entreißen kann. Die zwei wichtigsten sind: die Stellung der Erde im Kreise des Planetensystems und die Stellung des Menschen im Kreise der anderen Lebewesen. Dort lehrt die wissenschaftliche Erkenntnis, die Erde nur als einen kleinen Punkt anzusehen in der unermeßlichen und unzählbaren Fülle von Welten, die im Räume sich bewegen, hier hat sie das Gesetz der Entwicklung
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aufgestellt, das dem Menschen unabänderlich seine Stellung anweist in der Runde der höherentwickelten Tiergattung. Hier wie dort bewegt sich alles nach genauen Gesetzen, die gegenseitige Anpassung im Gange der Entwicklung durch die Milliarden von Jahren geschaffen hat. Daß diese beiden Resultate unvereinbar sind mit den kosmischen Anschauungen der mosaistischen Religionen, bedarf nicht vieler Worte. Die Wissenschaft kann sich weder mit der Erschaffung der Welt, noch mit der Erschaffung des Menschen, noch mit dem Wunder in irgendeiner Form befreunden. Ebenso unhaltbar sind vor ihrem Forum die Lehren vom Jenseits und von der körperlichen Auferstehung. Die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Erkenntnis ergänzt die vergleichende Religionswissenschaft und das Studium der Entwicklung in der Staaten- und Gesellschaftsgeschichte. Ohne die erzieherische Bedeutung der Bibel erschüttern zu w o l l e n , aber auch ohne die des israelitischen Volkes für die Religionsgeschichte eines großen Teiles der Menschheit erschüttern zu k ö n n e n , hat die Wissenschaft Offenbarung und Auserwählung ihrer überweltlichen Hülle entkleidet und als mächtige Ausgangspunkte eingereiht in den geistigen und religiösen Entwicklungsprozeß des Menschengeschlechts. Die Bibel gilt nicht mehr als Zeugnis eines von außen wirkenden Gottes, sondern als Zeugnis unerreichter religiöser Intuition des menschlichen Geistes. Und noch eines hat die Erfahrung den Menschen immer mehr und mehr einsehen gelehrt. Die uralte Klage von Leid und Wehe, von Schmerz und Qual, Elend und Siechtum hat längst den Glauben an diese beste aller Welten zur Mythe gemacht. So bewundernswert die Zweckmäßigkeit im Baue aller Natur ist, die zahllosen Zufälligkeiten, denen alles was lebt unterworfen ist,, lassen auf eine gerechte Vorsehung nicht schließen. Und i»
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das Zeitungswesen, das uns in einer halben Stunde Kunde gibt über Geschehnisse, die in allen Weltteilen sich zugetragen haben, reißt Stück um Stück von dem goldenen Schleier ab, mit dem die Ahnen vor den Mückenstichen der Erfahrung ihren Verstand schützen wollten. Und schließlich ist dem denkenden Menschen auch die Verbindung der Geistigkeit der Gottesidee mit dem Anthropomorphismus, der nun einmal von dem Vorsehungs- und Richtamte der Gottheit nicht zu trennen ist, eine Verschmelzung, deren Unvereinbarkeit er täglich schmerzlicher empfindet und die ihm die mosaistische Gottesauffassung zu unhaltbarem Atavismus stempelt. Alle diese wissenschaftlich unerschütterlichen Erkenntnisse und Erwägungen haben dem modernen Menschen die Idee einer über uns herrschenden allweisen, allgütigen, allwissenden, lohnenden und strafenden, verzeihenden und liebenden Gottheit, in deren Hand das Schicksal aller Menschen und aller Völker ruht, unannehmbar gemacht. Es ist nur eine Frage der Zeit und eine Frage der Bildung, wann der alte Gottesglaube von der gesamten Kulturmenschheit der Religionsgeschichte überwiesen wird. Nicht als ob der Mensch nunmehr sich selbst den Allwissenden nennen wollte; er weiß, daß je mehr Wissen, um so mehr Rätsel, je mehr Antworten, um so mehr Fragen ihn umstürmen: »Verdoppelte sich der Sterne Schein, Das All wird ewig finster sein«.
Aber das unbekannte Land mit Phantasien und Hirngespinnsten auszufüllen, dazu wird sein auf das Reale und Wirkliche gerichteter Sinn sich nicht mehr bequemen. So hat denn der Kulturmensch die Konsequenzen dieses Wandels im Denken ehrlich und ungescheut gezogen. Er hat sich von der Religion abgewandt, sein ganzes Sinnen und Trachten auf die Durchdringung und Erforschung der
gesamten Natur, sein ganzes Streben auf die Arbeit geworfen. *
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Aber die Herrschaft über die Umwelt, das Aufgehen in der Arbeit haben den Menschen von heute um das köstlichste Gut gebracht, das er einst besessen hat: um die Seelenharmonie. Zweifellos ist das menschliche Leben größer, mannigfaltiger, reicher, umfassender und weitausgreifender geworden, als es jemals gewesen ist. Des Menschen Macht- und Kraftgefühl ist unendlich gewachsen, seine Tätigkeit umfaßt immer weitere Gebiete, seine Freude an der Welt ist schier grenzenlos, die Bequemlichkeit der Lebensführung macht sein Dasein angenehmer und sicherer, sein Interesse an Kunst und Wissen wird immer lebhafter. Was sollte ihm noch zur vollen Befriedigung fehlen ? Und doch ist er unzufrieden, unzufriedener denn je. Mag sein Stolz sich noch so sehr sträuben, es ehrlich zu bekennen, tatsächlich ist er der Sklave seiner Arbeit geworden, und mehr als früher herrscht die Umwelt über ihn. Er arbeitet heute nicht mehr, weil er will, soweit er es braucht, sondern weil er muß; die seelenlosen Maschinen sind sein Herr und Gebieter, er selbst ist zur Maschine geworden. Nicht besser ergeht es ihm mit der Geistestätigkeit, die er in so verschwenderischer Fülle der Ergründung aller Natur zuwendet. Ein Jagen und Hasten, ein rastloses Vorwärtsdrängen in allem, nirgends ein Ruhepunkt, nirgends ein friedliches Zusichselbstkommen. Was heute Wahrheit ist, wird morgen zur Hypothese, was man heute anerkennt, bezweifelt man morgen, es gibt keine rechte Freude mehr am Errungenen, am Besitz, denn der nächste Morgen läßt ihn vielleicht schon als überholt erscheinen. Jede Stabilität hat aufgehört, in der Kunst, in der Wissenschaft, in der Technik. Das alles macht den modernen Geist ruhelos, friedlos, die Nerven stets überreizt und hochgespannt.
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Und was das Problem noch verwickelter macht: alle diese großen Errungenschaften haben Völker und Menschen nicht nähergebracht, sondern nur differenziert, auseinandergetrieben. Freundschaft ist seltener geworden, und der Argwohn der Konkurrenz lagert an allen Türen. Und nun das Allerschlimmste: die Unausgeglichenheit der eigenen Seele. Bei all dieser erhöhten Tätigkeit, bei all diesem ewigen Fortschritt in Technik und Wissenschaft nichts für die Seele, nichts für das Innenleben des Menschen, alles Streben nach außen und aller Gewinn äußerlich. Unsere Väter hatten in allen Nöten und Gefahren ihren sicheren Hort und Schutz, Trost und Stab an ihrem Vater im Himmel gefunden. Nach seinem Willen leben, in seinen Wegen wandeln war der Seele Höchstes. Der Mensch gewann damit ein eigenes, reines, ungetrübtes Seelenleben; er hat allezeit nach jeder Störung durch die Außenwelt den Weg zu Gott und damit zu sich selbst wiedergefunden. Der moderne Mensch ist an allem irre geworden und hat seine Seele an die Arbeit verloren. Was soll ihn trösten, ihn aufrichten, sein inneres Ebenmaß herbeiführen, was ihn innerlich beglücken ? Sicherlich finden Künstler, Forscher, Gelehrte, Erfinder und Entdecker volle Seelenbefriedigung in der Arbeit; sie sind nicht nur erfüllt vom Hochgefühl gelungener Versuche, nach außen strebenden Ehrgeizes, auch ihre Seelen leben auf- und schwelgen in der Genugtuung, das Wohl der Menschheit gefördert zu haben. Aber wie zerrt an ihren Seelen das sogenannte Leben in der Öffentlichkeit, die Sucht der Zeitungen, jedenVersuch aus dem stillenKämmerlein der Gedanken an das grelle Tageslicht zu bringen, und vernichtet das Beisichselbstsein des Gemütes. In früheren Zeiten sprach man viel und mit Recht von der harmonischen Innerlichkeit des Weisen, von seiner Einfachheit, von der anspruchslosen Lebensführung des Gelehrten.
Heute steht hinter jeder Retorte der Teufel Erwerb, und in die Probleme der Wissenschaft mischt sich grinsend das Verlangen nach dem Mammon. Aber selbst wenn das alles nicht imstande wäre, den Mann der Wissenschaft, der Kunst aus dem Gleise harmonischen Seelenlebens zu schleudern, wenn es auch unfähig wäre, bei aller Marktschreierei des Tages ihn innerlich zu unterwühlen, was bietet all das der Masse, was gewinnt diese durch die atemlose Aufeinanderfolge der künstlerischen Versuche, der wissenschaftlichen Ideen und technischen Errungenschaften ? Die Verwirrung, die Rastlosigkeit, die unsere Massen erfaßt hat, wird nur vergrößert, die idealste Errungenschaft wird nicht in letzter Reihe nach ihrem Geldwerte bemessen. Selbst die Sozialethik, die Richtung des humanitären Wirkens aufArbeitsnachweis, Jugendfürsorge,Kranken- und Siechenpflege, die Überzeugung Nächstenliebe als Pflicht üben zu müssen, selbst die ist, so wertvoll sie in vieler Hinsicht genannt zu werden verdient, doch zugleich eine Verflachung und Veräußerlichung des Wohltuns. Es fehlt auch da jene Wärme und Innerlichkeit, die früher jede private und häusliche Wohltätigkeit von sich ausströmte; der Erdgeruch der Familie ist ihr verloren gegangen, sie wirkt weniger befruchtend auf das Innenleben als auf das mehr äußerliche sittliche Bewußtsein. Denn trotz der ins Grandiose gesteigerten Stiftungen ist es um Treue und Wahrheit, Ehrfurcht vor Eltern und Lehrern, gegenseitige Duldsamkeit und Nachsicht, um Keuschheit und Lauterkeit der Gesinnung nicht nur nicht besser, sondern eher schlechter geworden. Und »inmitten aller Erfolge wird der Mensch arm und leer, er sinkt zu einem bloßen Mittel und Werkzeug eines unpersönlichen Kulturprozesses, der ihn nach seinen Bedürfnissen verwendet und verwirft, der mit dämonischem Zuge über Leben und Tod der Individuen wie der Geschlechter dahinbraust, ohne Sinn und
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Vernunft in sich selbst, ohne Liebe und Sorge für den Menschen« (Eucken). So erklärt sich die seelische Unzufriedenheit unserer Zeit, die in den besseren Geistern schon bewußt hervorbricht, in der großen Masse vorerst noch unbewußt sich kundgibt und überall als ein Sehnen nach einem Zusammenhang mit Höherem, Idealerem, also nach Religion sich kundgibt. Kirche und romantische Feudalherren halten ihre Zeit für gekommen, Staat und Gesellschaft zu »retten « und die Reaktivierung der vorrevolutionären Zustände durchzusetzen. Vergebliches Bemühen. Mag auch mancher Rückschritt gelingen, mancher Rückfall nicht erfolglos versucht werden, die konkreten Ergebnisse der Kultur können nicht gestrichen werden, und zu den kosmischen Anschauungen der mosaistischen Religionen kehrt die Welt nie und nimmer zurück. Ihre Weiterverbreitung unter die Massen mag sich verzögern, ihre Lehre in den Schulen zeitweise unterbunden werden, aus dem Bewußtsein der Kulturmenschheit können sie nicht mehr entfernt werden, selbst wenn der festeste Wille zum Glauben der wissenschaftlichen Erkenntnis Trotz zu bieten versuchte. Mag auch die Erschließung der Natur den Menschen vor immer neue und größere Fragen stellen, mag die Welt hinter der Erfahrung immer weiter vor unserem Geiste sich hindehnen, die Erkenntnis des ewig Unendlichen und Übersinnlichen wird uns frömmer, religiöser stimmen, bescheidener, schlichter, demütiger, wohlwollender in der Einsicht der eigenen Nichtigkeit, aber zu einer Religion, die von der alten Weltbetrachtung und dem leiblichen Schicksale des Menschen ausgeht, werden wir damit nicht zurückkehren. Eine solche könnte auch der Kulturwelt nie mehr d e n Segen bringen, den sie erwartet und nach dem sie verlangt. Die Probleme und Kämpfe blieben die alten, der Streit um die Religion würde nicht beigelegt, würde nur immer heftiger entbrennen. Ob die Weltbe-
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trachtung von der Zweckmäßigkeit aller Natur auf einen allwissenden und allgütigen Schöpfer neuerdings schließt, oder in der Unwandelbarkeit der Naturgesetze Gott sieht, auf keinem dieser Wege gelangen wir mehr zu einer unsere ganze Seele erfassenden Religion. *
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Was soll nun geschehen? Der Kulturmensch sehnt sich nach Religion, weist aber energisch die alte kosmische Gottesauffassung von sich. Sollen wir dies Sehnen nur als Atavismus ansehen und ruhig abwarten, bis nach mehreren Generationen diese alten Gefühle abgestorben und die Menschen sich zu neuen, festen Ideen durchgearbeitet haben werden ? Ist die seelische Unzufriedenheit des Zeitalters wirklich nur die Folge des Durchgangsstadiums, in dem wir uns befinden, da wir das Alte schon verloren, Neues noch nicht gewonnen haben, und unser Fehler nur der Mangel an Geduld, die unerläßlich ist, wenn Jahrtausende alte Vorstellungen schwinden und die neuen noch nicht ausgereift sind?! »Man sollte nie über die Stunden trauern, wo ein großartiger Glaube uns verläßt. Das Erlöschen eines Glaubens, das Springen einer Feder, das Ende der Herrschaft eines Gedankens, der uns nicht mehr beherrscht, weil wir i h n fortan zu beherrschen glauben, ist allemal ein Zeichen, daß wir leben, daß wir weiterkommen. Nichts sollte uns lieber sein, als wenn ein Gedanke, der lange unser Halt war, sich selbst nicht mehr halten kann. Und wenn wir auch nichts an die Stelle der gesprungenen Feder zu setzen haben, grämen wir uns darüber nicht! Es ist immer noch besser, es bleibt eine Lücke als eine verrostete Feder, oder eine WTahrheit, der wir nur halb trauen. Zudem ist die Stelle auch nur scheinbar leer, denn im Grunde tritt an die Stelle einer bestimmten Wahrheit stets eine namenlose Wahrheit, die ihre Zeit erharrt und ruft« (Maeterlinck). Und die neue
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Wahrheit ist nicht mehr namenlos, sie beginnt schon feste Formen anzunehmen und immer deutlicher in die Erscheinung zu treten: die Wissenschaft heißt sie. Sie soll'die Religion der Menschheit werden. »Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, hat auch Religion; wer jene beiden nicht besitzt, der habe Religion.« Wird aber diese Wissenschaft nicht von Tag zu Tag spezialisierter, sonach exklusiver, unzugänglicher? Die Last der täglichen Arbeit macht es selbst der Intelligenz fast unmöglich, sich liebevoll in irgendeine Wissenschaft zu versenken, mehr als je begnügt man sich mit Zeitungsberichten, kurzen Zusammenfassungen, um nur gerade orientiert zu sein, wie könnte die Wissenschaft jemals die Religion ersetzen oder gar Religion werden, deren Beruf ist, die ganze Tiefe und Breite der Menschenseele mit ihrer tröstlichen Gewißheit auszufüllen!? Und ist weiter die Behauptung so unberechtigt, daß es besser sei, an einem Irrtum festzuhalten als ihn aufzugeben, wenn seine Preisgabe zu viel Seelengut zu rauben geeignet ist und den Verlust der Innerlichkeit des Menschen bedeutet? »Worauf es ankommt« -— ich zitiere wieder M a e t e r l i n c k - — , »was unser Leben veredelt und verklärt, das sind viel weniger unsere Gedanken als die Gefühle, die sie in uns erwecken. . . Wir wissen nie, ob ein Gedanke uns nicht täuscht; aber die Liebe, mit der wir ihn geliebt haben, wird auf uns zurückfallen, ohne daß ein Tropfen ihrer Klarheit oder Kraft sich im Irrtum verlöre. . . . Die Art und Weise, wie wir ein Ding lieben, das wir für eine Wahrheit halten, hat mehr Bedeutung als die Wahrheit selbst. Wird man durch Liebe nicht besser als durch Denken? Einen großen Irrtum redlich lieben, ist mehr wert als einer großen Wahrheit kleinlich dienen.« Wahrlich, zuviel Seelenglück der Menschheit steht auf dem Spiele, und wer weiß, ob wir es nicht mit dem Verluste des religiösen Empfindens, somit aller Inner-
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lichkeit und Poesie büßen müßten, wollten wir warten, bis die Wissenschaft zur Religion des ganzen Menschengeschlechts sich entfaltet haben wird! Aber die Religion, die wir einst liebten, ist nicht mehr Irrtum, sie ist zur o f f e n k u n d i g e n Unwahrheit geworden; wir zweifeln nicht mehr, ob die alte kosmische Gottesauffassung noch haltbar sei, der moderne Mensch mag über diesen Punkt gar nicht mehr sprechen, wie soll doch seine Sehnsucht nach einem Zusammenhang mit höheren Ordnungen, nach Religion befriedigt werden? * * • Da heißt es denn, auf denselben Punkt das Augenmerk richten, von dem aus das neuerwachte Verlangen nach Religion ausgeht: auf das Innenleben, auf die Seele. Der Verstand sucht nicht Gott, die Seele lechzt nach ihm, das Gemüt ist es, das sich von ihm nicht lossagen will. Und hier muß eben das neue religiöse Leben mit verjüngter Triebkraft ansetzen. Dem denkenden Beobachter zeigt die Seele ein ganz eigenartiges Leben. Es ist, als ob alles Moralische und Geistige wie von unsichtbarer Hand in die Seele geschoben würde, um sich von da aus an das Tageslicht emporzuarbeiten. Das Suchen nach Schönem, Reinem, nach Gerechtigkeit, Güte, Liebe ist nicht da, weil wir wollen, sondern weil wir müssen. Etwas ist da in unserem Seelengrunde, das allen äußeren Hemmnissen zu Trotz das Geistige und Sittliche aus sich selbst heraus gebiert, in unsere Seele legt, daß sie es zur Geltung bringe. Echte Moral, echte Geistigkeit sind ewig dieselben, waren vor undenklichen Jahrtausenden schon im Menschen, in derselben Kraft, mit derselben Intuition, wie sie sich heute dem bewundernden Sterblichen offenbaren. Mag sein, daß der S i n n für Gerechtigkeit, Wohltätigkeit, für Kunst und Wissenschaft nichts anderes ist 1 als die »fine fleur«
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unserer ungezählte Jahrtausende alten Kulturentwicklung, nichts anderes als Nützlichkeitsergebnisse der menschlichen Gesellschaft. Mag sein. Ist aber der Sinn für eine Sache diese selbst? Und Demut, Liebe, selbstlose Opferwilligkeit, Wohlwollen, die Tiefe, Weihe und Durchgeistigt keit des Innenlebens, die Herzensandacht, diese geraden Gegenteile jeder Zweckmäßigkeit und Zweckstrebigkeit, die über alle privaten Interessen und Meinungen hinaus zu einer eigenen Welt sich erheben und die Menschheit zu einer inneren Gemeinschaft des Strebens verbinden; die oft und oft in elenden Hütten eher zu Hause sind wie in glänzenden Palästen, eher bei Unkultivierten als bei Gebildeten, sind alle diese Wesenszüge der Innerlichkeit wirklich nichts anderes als die fine fleur der Kultur? Wären sie mit ihren großen Forderungen an den Menschen, an seinen Egoismus auch nur als soziale Satzungen durchführbar, kämen sie nicht als Pflicht aus dem Innersten eines jeden Menschen ans Tageslicht?! Wie könnte sich der Mensch an Aufgaben wagen, die so außerhalb seiner animalischen Natur liegen, wenn sie nicht einer Welt angehörten, die zu ihm gehört, aber doch aus einer ganz andern Sphäre zu ihm kommt?! Und dazu noch diese ganze große geistige Welt, die so ganz anders in uns sich kundgibt als die alltägliche Umwelt, dies Schnei nach Wahrheit, für das die edelsten Menschen ihr Leben hingeopfert haben, die Ruhe des Daseins, die Wohlfahrt der Familie; dieser Wahrheit, vor der sich schließlich allen Widerständen zu Trotz jeder Mensch ehrfurchtsvoll beugt. Ist das alles wirklich nur Entwicklung, Entwicklurg auch im Tatbestand, nicht nur an uns ? Wenn aber nicht, woher das alles? Wie gelangen diese ethischen und geistigen Triebe in uns, und was leiht ihnen die Kraft, sich durchzusetzen in der Welt, die uns umgibt? Es k a m nicht anders sein, als daß eine große, unendliche, einheitliche, alles Geistige und Ethische in sich zusammenfassenle, un-
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unterbrochen wirkende und zeugende K r a f t vorhanden sei, vorhanden in uns und doch jenseits aller Erscheinungswelt, über unsere Erfahrung und unser Vorstellungsvermögen hinaus, die uns das kostbarste Gut, das wir besitzen, in seiner Gnadenfülle geschenkt h a t : unser geistiges und sittliches Seelenleben. Du kannst diese Urkraft nicht wahrnehmen, aber du fühlst sie in deiner Seele, du weißt nicht woher und wie, aber du weißt: sie ist da, ist in dir, ist der eigentliche Kern deines eigenen Lebens. Wäre sie nicht, woher dein ganzes so reiches Innenleben? »War' nicht das Auge sonnenhaft, Die Sonne könnt' es nie erblicken; Lag nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie könnt' uns Gottliches entzücken«?
Und nicht nur deines Lebens, alles Lebens, aller Wirklichkeit Kern ist sie. Jede Blume, jede murmelnde Quelle, alles Organische und Unorganische spricht diese Doppelsprache: die des äußeren Scheins und die des inneren Beisichselbstseins. In dem Augenblicke, da der Mensch das erkennt, bekommt sein Dasein einen neuen Mittelpunkt, es ist nun wieder etwas da, von dem er ausgeht und zu dem er stets wieder seinen Rückweg finden kann, alles Leben hat von neuem einen Ausgangs- und einen Zielpunkt: die innere Welt. Und diese Urkraft, die unsichtbar und unfaßbar im Innenleben jedes Menschen ruht, zugleich den Kern aller Wirklichkeit bildet, ist die Gottheit, ist Gott. Zu beweisen, mit mathematischer Sicherheit, mit zwingendem logischen Schluß ist ihre Existenz nicht, und doch ringt sie sich als erlösende Offenbarung aus unserem Gemüte empor, setzt sich befreiend und erleuchtend in u n s fest und verläßt uns nimmermehr. Wer diese Wahrheit aus sich selbst heraus einmal ergriffen hat, dem ist's, als ob sich plötzlich eine neue Erkenntnis, eine neue Welt vor ihm aufgetan hätte, aus der sich seine Seele jubelnd und
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jauchzend emporschwänge. Jawohl, diese Wahrheit ist Willkür, sie gibt der Wissenschaft endlose Rätsel zu lösen. Wie ist diese Gottheit in die Menschenseele gedrungen? Der Mensch ist doch nur die reifste Frucht der Tiergattung, bei welcher Reife derselben beginnt diese Gottheit zu wirken ? Oder warum erst beim Menschen ? Gewiß, Fragen auf Fragen. Aber ist die Annahme dieses Dualismus schroffer, willkürlicher als die These der Identität von Leib und Seele, als der Glaube, Bewußtsein und Vernunft des Menschen seien ebenso das Produkt irgendeines Atomwirbelns, wie das Animalische in ihm? Hier wie dort führt keine logische Reihe zum Ursprung; nicht mittels Analyse kann Gott erkannt werden, nur intuitives Erfassen führt zu ihm. Die Befreiung der Gottesidee vom Kosmischen, die Leugnung eines exmundanen Schöpfers, des Lenkers des Weltalls, des Herrn über Tod und Leben; die Leugnung der Vorsehung, des Jenseits, des Lebens nach dem Tode, der Vergeltung in einer kommenden Welt, der Auferstehung, aller dieser Nachwehen der Verbindung des Mosaismus mit der heidnisch-kosmischen Gottesauffassung, sind nicht eine Folge ihrer Rätselhaftigkeit, des Geheimnisvollen an ihnen, sondern ihres offenen Widerspruchs zu den unerschütterlichen Tatsachen der Wissenschaft. Wären sie n u r rätselhaft, wir hätten sie nie verloren, der Geist hätte sie nicht preisgegeben. Die Gottheit des geistig-sittlichen Innenlebens jedoch, diese nicht exmundane, sondern nur exanimalische Urkraft, sie ist nur das tiefe Geheimnis und Rätsel unserer Seele, steht aber in keinerlei Gegensatz zur Wissenschaft. Aber auch nicht zum Mosaismus. Denn gerade das GeistigSittliche ist das eigentlich Mosaistische oder Sinaitische am Mosaismus. Das Kosmische ist der heidnisch-völkische Rest. Die Verbindung beider war vor drei Jahrtausenden eine gebotene und blieb eine solche Jahrtausende hindurch. Jetzt aber ist diese Verbindung der Pfahl im
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Fleische des Mosaismus geworden. Wenn daher diese nunmehr als trügerisch erkannte Verbindung der geistig-sittlichen Gotteswelt des Mosaismus mit dem Heidnisch-Kosmischen endgültig gelöst wird, ist das nicht eine Zersetzung und Auflösung des Mosaismus, sondern ein Zurückgehen auf sein ursprüngliches Element, auf den Wesenskern des Mosaismus und bedeutet in Wahrheit seine Befreiung und Rettung. Denn gerade vom Mosaismus gilt ganz besonders der Ausspruch Spencers: »Das wahrhaft religiöse Element der Religion ist immer gut gewesen; das, was sich in der Lehre als unhaltbar, in der Praxis als fehlerhaft herausgestellt hat, ist ihr irreligiöses Element gewesen." Und das wäre Atheismus? Wie! Weil der Mensch die kosmischen Irrtümer der Alten endlich beseitigt, weil er keinen im Himmel thronenden, außerhalb aller Welten schaffenden und wirkenden persönlichen Gott anerkennt, weil er endlich, endlich das der Gottheit unwürdige Spiel mit dem längst morschen Lohn- und Strafprinzip preisgibt, die Jenseitsduselei aus seinem Gedankenleben verweist, wäre er gottlos zu nennen? Wer hat denn Gott gesehen, um sagen zu dürfen, nur so sei er zu denken, wie ihn die Voreltern sich dachten, wie ihn aber des Enkels Vernunft nun und nimmermehr sich denken kann, anders nicht?! Der an die Gottheit seiner Innenwelt glaubt, verwahrt sich gegen den Vorwurf des Atheismus. Er ist durchaus positiver Gottgläubiger. Für ihn ist die Urkraft in ihm und doch jenseits der Erscheinungswelt, die in ihm alle geistigen und sittlichen Triebe ununterbrochen fortdauernd in Bewegung setzt, die denkbar positivste Gottheit, ihre Transzendenz ist ihm die denkbar lebendigste Realität. E r betet sie an und verehrt sie, seine Dankbarkeit gehört ihr, die er preist und bejubelt mit allen Hymnen, die seinen Lippen nur entströmen können; sie ist sein Herr und Gebieter, sein
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Vater und sein König; sie lohnt und straft sein Tun u n d Denken in ihm und an ihm durch sich selbst. Ihr gilt sein Hoffen und seine Zuversicht, auf sie vertraut er, für sie ist er bereit, alles Leid und alle Prüfung auf sich zu nehmen, für sie, die neben allem, was die kosmische Gottesidee ihm Erhabenes und Tröstliches gegeben hat, noch eines ihm bietet, was diese niemals unwidersprochen besessen h a t : die Gewißheit über jeden Zweifel, ihre t a t sächliche Existenz und jene beseligende, beglückende Sicherheit, ohne die eine Religion niemals feste Wurzel schlagen kann, weil gerade die Festigkeit des Glaubens seine segensvolle Größe ausmacht im rastlos wogenden Strome des menschlichen Lebens. *
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Und aus dem Glauben an diese einig-einzige, reingeistige, im Menschen ewig fortwirkende Urkraft entsteht die Religion von selbst. Das geistig-sittliche Leben, das in jedem menschlichen Wesen aus dieser göttlichen Urkraft heraus täglich, stündlich sich erneuert und aufwärts drängt, bildet eine Welt für sich: die geistig-sittliche Gotteswelt. Zu ihr stellt sich in schroffen Gegensatz die Welt der bloß äußerlichen Erscheinungen, die Welt des Scheins, des Trugs, die Welt der Sinne und Triebe, der Lust und Unlust. Sie führen gegeneinander einen erbitterten Kampf. Wohlan denn! Das Verhältnis des Menschen zu dieser ihm bekannten Welt und ihrem ihm unbekannten göttlichen Ursprung ist Religion. Der unerschütterliche Glaube an die positive Existenz dieser Urkraft, die ihr unsichtbares Band um jede Menschenseele schlingt und sie mit sich vereint, ihre Verehrung und Anbetung, die mutige Aufnahme des Kampfes für ihre Welt gegen die bloß menschliche äußere Welt ist Religion. Wissen, daß dieser Kampf schwer sei und vom Menschen unausgesetzt geführt werden muß; überzeugt sein von der
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Größe und Macht, von der Schönheit und dem Werte der äußeren Welt, sie nicht etwa leugnen und asketisch von sich werfen, sondern sich mit ihr freuen, sie brauchen, nutzen, aber nur im Dienste meiner seelischen Gottheit; die äußere Welt beseelen und was Seele an ihr ist, befruchtend in die eigene Seele aufnehmen, ist Religion. Leid und Sorge, Mühsal und Prüfung dulden, freudig und willig streiten und opfern, wo es den Sieg der Gotteswelt gilt, ist Religion. Allen Widerwärtigkeiten zu Trotz niemals auf den Sieg der geistig-sittlichen Gotteswelt verzichten wollen, niemals die Hoffnung auf die Möglichkeit aufgeben, daß die Sonne der Gotteswelt die Wolken der kleinmenschlichen Welt endgültig verscheuche, ist Religion. Und diese Religion ist nicht nur eine Religion, sie ist die Religion, die Religion der Kulturmenschheit, die universale Religion, die Geistesreligion. Denn nun endlich ist die Gottheit eine rein geistige, von jedem Anthropomorphismus vollständig losgelöste und befreite. Was den mosaistischen Religionen bislang trotz allen Mühens ihrer Philosophen nicht gelungen ist, Gott wahrhaft geistig zu lehren, gelingt dieser Religion vollständig mühelos, sie hat nur darauf zu achten, nicht in das Fahrwasser der Anthropomorphie zu geraten. Nun ist endlich der Alp des Lohn- und Strafprinzips von der Menschheit genommen, dieser gefährlichste Überrest der ältesten religiösen Regungen, und Lohn und Strafe kennt die Seele endlich nur in sich. Nun ist endlich der Kampf um ein Jenseits beseitigt, die Menschen haben Arbeit genug, das Gottesreich hier auf Erden aufzurichten. Nun ist schließlich das schwerste Problem der alten Religionen, das Problem der Willensfreiheit, gelöst und mit Glauben und Religion aufs beste vereinbar, denn der Sieg der Gotteswelt im Kampfe mit der sinnlichen Welt ist zur Gänze dem Willen des Menschen anheimgegeben. Was irdisch an uns ist, der Erfolg unserer nach außen strebenden Kraft, Z i e g-1 e T , Geistesreligion.
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Glück, Ehre, Reichtum, Leben und Gesundheit sind ein Werk unserer tierischen Natur, unseres hochentwickelter! Verstandes, Unserer Energie. Das alles hat mit der Religion hur so weit zu tun, als wir es nicht als die Hauptsache des Daseins ansehen, sondern nur als Mittel, die geistig-sittliche Gotteswelt in uns zu vertiefen und siegreich durchzusetzen. *
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Ist dieser Glaube nicht unendlich höher, edler, reiner, sittlicher, religiöser als der alte Glaube? Kann und darf die moderne Menschheit gar nichts zu sagen haben, wo es sich auch um ihre eigenen heiligsten Gefühle handelt, nur weil sie anders denkt, anders spricht, als man vor Jahrtausenden gedacht und gesprochen hat? So wahr es ist, daß das Religionsbedürfnis eine göttliche Uranlage des Menschen bleibt, so unleugbar ist ihre D a r s t e l l u n g von dem Kulturniveau der Jahrhunderte abhängig. So wahr es ist, daß die Religionsgenies der alten Zeiten Ideale aufgestellt haben, die ewiges Gemeingut der Menschheit bleiben werden, so wahr ist es auch, daß ihre p o s i t i v e V o r s t e l l u n g von Gott niemals ü b e r ihre Zöit hinausging. Was uns von jenen Großen trennt, ist nur in geringem Maße der Kern der Religion, ist vielmehr die äußere Vorstellungsweise von der Gottheit. So segensvoll es ist, in den Fußstapfen jener Großen weiterzugeheii und den historischen Fortgang aufrechtzuhalten, wird dieser doch zur Kette, die den Menschen an Unwahrheit fesselt, die den Segen in Fluch verwandelt, wenn ihm däs Recht nicht zugestanden werden sollte, die Ketten aüch lösen zu dürfen, die ihn an alte, unhaltbare Vorstellungeft schmiedet. Oder sollte das Wort Goethes wahr sein: »Wir alle leben vom Vergangenen und gehen am Vergangenen zugrunde«? *
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Daß diese Religion endlosen Schwierigkeiten begegnet, ehe sie die Religion der Menschheit wird; daß sie eine höhere Deriksfcufe und eine durchaus sittlich-idealistische LebötisaUFfässung von allen fordert, die sich zu ihr bekennen wollen, daher vor allem von der großen Menge abgelehnt wird, die sich eine Gottheit ohne engste Verbindung mit ihrem leiblichen und materiellen Wohl und Geschick gar nicht zu denken vermag, ist sicher. »Keine geistige Umwälzung kann ohne größere oder geringere Verletzungen vollzogen werden. Mag es ein Weehsel der Gewohnheit oder ein Wechsel der Überzeugung sein, er muß, wenn die Gewohnheit oder Überzeugung stark waren, einigen Gefühlen Gewalt angetan haben, und diese müssen sich ihm natürlich widersetzen, denn durch lahge Erfahrung erprobte und daher auch bestimmte Quellen der Befriedigung sind durch die Quellen der Befriedigung zu ersetzen, welche noch nicht erfahren waren und daher unbestimmt sind. Das, was relativ gut bekannt und real ist, muß aufgegeben werden für etwas, was relativ unbekannt und ideal ist. Und natürlich kann eine solche Veränderung nicht gemacht werden, ohne einen Schmerz mit sich bringender! Streit« (Spencer). Um nun die Menschheit zu dieser Umwälzung zu erziehen, daß sie ohne übergroße Erschütterungen vor sich gehe, müssen die historischen Religionen herangezogen werden. Sie sind auch dazu prädestiniert. Die Mission der mosaistischen Religionen, die scheinbar ihrem Ende entgegensah, hebt nunmehr gerade durch die Lehre der geistig-sittlichen Gotteswelt von neuem an, kann einen ungeahnten Aufschwung nehmen. Denn d i e Zeiten dürften wohl vorüber sein, da Religionen mit r e v o l u t i o n ä r e r Kraft in der Menschheit Boden zu gewinnen suchen. Die vorhandenen geschichtlichen Religionen haben ferner so außerordentlich vieles gemein mit den Idealen der Religion der göttlichen Innenwelt, daß der 2*
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Wandel auf evolutionärem Wege ihr den sichersten Erfolg verbürgt. Schließt j a auch so jede Revolution mit Evolution, und noch niemals ist es irgendeiner revolutionären Bewegung gelungen, sich vollständig von der Vergangenheit zu emanzipieren. »Historisch gewordene Lebensverhältnisse« sind zu wertvoll, als daß sie ganz verloren gehen dürften. Zu jeder Zeit mußte sich das Neue dem Alten anpassen, die Umwertung der Werte vornehmen, wollte es die Zukunft gewinnen. So kann auch die universale Religion*der g e s c h i c h t l i c h e n Religionen des Mosaismus, der c h a r a k t e r i s t i s c h e n Einzelreligionen nicht entraten. Diese wurzeln viel zu tief in der Gewohnheit, in^ unserem Gemütsleben und sind in ihrem Kerne zu gesund, als daß sie so leicht entwurzelt werden könnten. Die geschichtlichen Religionen müssen sich mit der universalen Religion auseinandersetzen, von ihr entlehnen, ihr aber auch leihen, bis jene sich nach und nach zur Höhe und Reinheit dieser durchgerungen haben werden, die dem Menschengeschlecht endlich d i e Religion sein wird, zu der sich alle bekennen werden. Die Aufgabe der mosaistischen geschichtlichen Religionen ist, schrittweise zur universalen Geistesreligion sich emporzuarbeiten. Soweit im Gedankengange R u d o l f *
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Euckens.
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Inwieweit ich mich diesen Ideen anschließe oder ablehnend zu ihnen verhalte, bitte ich den Leser, nicht zu fragen. Für mein eigenes religiöses Leben habe ich mir die Worte Goethes zum Wahlspruch gemacht: »Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.« Ich will in diesem Teile der Abhandlung, wie ich es schon im Vorwort erklärt habe, nichts anderes sein als der objektive
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Beobachter und Darsteller einer mächtig sich entwickelnden Religionsidee, die dem kritischen Denken unserer Zeit Rechnung trägt und doch bemüht ist, das heiße, unstillbare Sehnen der Menschenseele nach festem religiösen Halt zu befriedigen. Ich halte R u d o l f E u c k e n für einen Wiedererwecker des religiösen Sinns unseres Jahrhunderts, wie es S c h l e i e r m a c h e r dem 19. Jahrhundert gewesen ist. Seine Geistesreligion ist heute schon der Trost eines Teiles der Intelligenz in der deutschen Christenheit und wird von Jahr zu J a h r an Verbreitung gewinnen. Daß sich dieser Religionsidee auch die jüdische Intelligenz anschließen wird, vielleicht nur mit einer stärkeren Wendung zum Leben, zu den sozialen Pflichten, wie sie sich seinerzeit Schleiermacher vielfach angeschlossen hat, daran ist nicht zu zweifeln. An ihr kalt vorübergehen wäre ein verhängnisvoller Fehler der jüdischen Religions' philosophie, der sich am Judentum ebenso rächen würde, wie die Mißachtung der Schleiermacherschen Religionsidee nicht wenig zur Fahnenflucht der deutschen Juden im Anfang des 19. Jahrhunderts beigetragen hat. Ich halte es für unsere Pflicht, die Auseinandersetzung des Judentums mit einem so tiefgehenden Religionsgedanken anzubahnen und ungescheut vorzunehmen. Die Aufforderung Euckens, sich mit seiner » G e i s t e s r e l i g i o n « auseinanderzusetzen, ist an alle historischen Religionen gerichtet, und es geht nicht an, daß das Judentum, dessen Bekenner heute in so großer Zahl der modernen Intelligenz angehören, die neue religiöse Bewegung aus dem Bereiche seiner Gedankenwelt ausschalte. Mögen jene, die treu und fest zur alten exmundanen Gottesidee halten, von moderner Religionsphilosophie und den Ergebnissen der Wissenschaft sich nicht beirren lassen, das Judentum muß bestrebt sein, auch jene sich treu zu erhalten, die sich vom exmundanen Gottesbegriff losgesagt haben und nicht wissen, ob sie noch weiter im religiösen Sinne sich Juden
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Hennen dürften oder irgend etwas mit dem Judentum poch gemein haben. *
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Daß die Auseinandersetzung des Judentums mit der Geistesreligion für jenes eine eminente Lebensfrage ist, daran ist wohl nicht zu zweifeln. Es ist möglich, daß ein gewisser Kritizismus der jüdischen Hasse angeboren ist, jedenfalls haben Talmudismps und der Zwang geschärften Handelssinnes die Verstandestätigkeit und den kritisch prüfenden Geist in der Judenheit außerordentlich entwickelt. Die Judenheit unserer Tage hat zu ihrem großen Schaden keine Masse, keine Plebs im gewöhnlichen Sinne. Der tiefststehende Jude wollte im Mittelalter aus seinen Söhnen Rabbiner und will heute aus ihnen Doktoren machen. Das Streben nach geistig höherer Stufe ist in unserer Gesamtheit geradezu triebhaft. Das wurde für unser religiöses Leben zum Verhängnis. Die Juden traten in das allgemein geistige Leben in dem Moment ein, als Naturwissenschaft und Technik ihre höchsten Triumphe zu feiern begannen, Philosophie als Stiefkind beiseite geschoben, Religion als abgetan ehrenvoll begraben wurde. Dieser geistigen Sturzwelle hatte das Judentum nichts entgegenzusetzen. Ja, wenn es die spanisch-jüdische Religionsphilosophie, die Ethik der deutschen Juden aus dem 12. und 13. Jahrhundert besessen hätte, wären die Fluten des modernen Geistes nicht mit solcher verheerenden Macht in sein Gebiet eingebrochen. Aber Philosophie und Beschäftigung mit der Ethik waren — von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen — verloren gegangen, fristeten nur ein kümmerliches Dasein bei einigen hervorragenden Geistern, fanden nur hie und da von der Kanzel herab ungenügende Fortsetzung. Angelpunkt des religiösen Lebens waren das »Gesetz « und die Nation; die religiösen Gemütsbewegungen
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des Einzelindividuums erhielten keine konsequente Pflege vpn Seiten der offiziellen Religion und keine sorgfältige, ununterbrochene Züchtung, blieben daher ganz dem einzelnen überlassen, fanden höchstens in den Ausschreitungen des Chasidismus und der Kabbala ihren Abfluß. Was wunder, daß die jüdische Intelligenz mit ihren durch viele Jahrhunderte aufgespeicherten Kräften aus der alten, langgewohnten und für viele bis zum Überdruß geübten Beschäftigung, nicht mit der Religion — wenn es nur das gewesen wäre —, sondern mit Talmud und Schulchan aruch fluchtartig in das Lager des Individualismus und der allgemeinen Wissenschaften hinübereilte und skeptisch von der Religion gänzlich abrückte, sie als unnützen Ballast Über Bord warf. Auch die christliche Intelligenz unterlag dieser geistigen Krise. Aber einerseits fand sie mehr Halt in der ununterbrochen gepflegten und fortgesetzt sich vertiefenden Religionsphilosophie, anderseits war ihr religiös zersetzender Einfluß auf die ungeheure Masse der Intelligenzlosen viel geringer als in der winzigen Judenheit, in der das Beispiel der höheren auf die nur etwas niedrigere Intelligenz von außerordentlicher Tragweite sein mußte. Während also die christliche Kirche, insbesondere die katholische, noch mit einer von dem Geiste der Neuzeit fast gänzlich unberührten Menge rechnen darf, ferner mit einem Teile der Intelligenz, die auf philosophischer Grundlage gläubig ist, und schließlich mit dem intelligenten, aber vielfach tieferem Studium prinzipiell abgeneigten Adel, daher noch nicht unwiderstehlich zu einer Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Denken unserer Zeit gedrängt wird, ist das Judentum, das zumal im Westen Europas weder über eine solche Masse, noch über solchen Adel, noch über eine durch Philosophie gläubig gewordene Intelligenz in nennenswerter Weise verfügt, notgedrungen bemüßigt, diese Auseinandersetzung früher anzubahnen,
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will es sich retten, sich erhalten, seine Intelligenz nicht fast vollständig verlieren, nicht von den Wogen der alles religiöse Denken umwälzenden Wissenschaften verschlingen lassen. Wie Schleiermacher die Erneuerung des religiösen Lebens im protestantischen Deutschland gerade dort zuerst bewerkstelligen wollte, wo die Geringschätzung jeder Religion zu Hause war, in der Intelligenz, so muß auch die jüdische Religionsphilosophie in erster Linie an die geistig Höherstehenden unter den Juden sich wenden, die leicht geneigt sind, das Judentum als Religion zu mißachten und zu verleugnen, um von da aus die Besserung im ganzen Lager herbeizuführen. Wenn aber noch Schleiermacher die Möglichkeit hatte, Religion als das schlechthinige Abhängigkeitsgefühl von einer über uns befindlichen Macht zu erklären und so für eine kurze Zeit die Intelligenz mit dem exmundanen Gottesbegriff auszusöhnen, wird heute diese Erklärung von fast dem größten Teile der christlichen und jüdischen Intelligenz rundweg abgelehnt: sie leugnet jeden persönlichen Gott und jede wie immer geartete ex-' mundane Gottesidee. Besonders schroff verhält sich diesbezüglich die jüdische Intelligenz. Es muß zugestanden werden: sie befindet sich zum großen Teil im Lager H a e c k e 1 s. Daraus einen Strick drehen für die gesamte Judenheit, wie es Judenfeinde lieben, hieße kleine Diebe fangen und die großen laufen lassen. Tout comprendre, c'est tout pardonner. Daß diese jüdische Intelligenz, die in ihrer überwiegenden Zahl dem Arzte-, Juristen- und Technikerstand angehört, zumeist zum Monismus und zum idealistischen Materialismus sich bekennt; ist für den mit den geistigen Verhältnissen, mit dem geistigen Werdegang der modernen Judenheit Vertrauten nicht überraschend. Diese beiden Prinzipien waren es ja, die ihren Siegeszug in der ganzen Kulturwelt unternahmen gerade zu jener Zeit, da die Juden mit weitgespannten Segeln aus dem engen Ghettohafen hinausfuhren in^die
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große, offene See des allgemeinen Geisteslebens. Die anerzogene, vielleicht sogar angeborene Begabung, den Sinn stets auf das Reale, Wirkliche, auf einen festen Punkt und ein bestimmtes Ziel zu richten, der Zwang, vornehmlich die nächste Umwelt, das Materielle immer im Auge zu behalten, beide trugen sicherlich viel dazu bei, dem wissenschaftlich gebildeten Juden Monismus und idealistischen Materialismus außerordentlich sympathisch zu machen; eine gewisse geistige Korrespondenz verband sie und brachte sie einander näher. Aber wie der naturwissenschaftliche Monismus in den christlichen denkenden Kreisen nach und nach an Bekennern verliert und dem Dualismus wieder Platz macht, so beginnt er auch langsam in der jüdischen Intelligenz seinen momentan allerdings noch sehr starken Anhang zu verlieren. Auch da regt sich schon ein neues Suchen, das zweifellos auch den jüdischen Denker zum Dualismus zurückzuführen berufen ist. Und es gehört keine besondere Prophetengabe dazu, vorauszusehen, daß die Zukunft der dualistischen Weltbetrachtung d e r G e i s t e s r e l i g i o n E u c k e n s gehört, sowohl im christlichen wie im jüdischen Lager. Wie soll sich aber dann das historische Judentum zur Geistesreligion stellen? Soll es sich dem schroffen »Entweder — oder« der christlichen Kirchen anschließen: entweder die alte kosmische Gottesidee ohne jede Einschränkung mit allen ihren Glaubenskonsequenzen oder gar keine? Meiner Ansicht nach wird es diesen Standpunkt nicht teilen können. Sieht sich doch der Protestantismus heute schon genötigt, mit seinen besten Kräften die Geistesreligion an sich zu ziehen, sich ihr anzuschmiegen, und auch der Katholizismus wird sicherlich von seinem non possumus früher oder später Abstand nehmen und trachten, mit dem Modernismus seinen Frieden zu schließen. Auch das historische Judentum muß es tun. J e früher es geschieht, um so besser, um so eher wird es ihm ge-
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lingen, die denkenden Kreise der Judenheit sich treu zu erhalten. Nicht starr und feindselig soll sich das Judentum richten gegen die Weltbetrachtung der Geistesreli.gion, sondern eine Auseinandersetzung mit ihr soll es anstreben, um sie sich dienstbar zu machen, aber zugleich ihr zu dienen. *
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Die Aussprache des Judentums mit der Geistesreligion müßte eigentlich drei Momente betreffen. Das erste Moment wäre die Gottesidee. Hier scheint mir jedoch friedliche Auseinandersetzung unmöglich zu sein. Unmöglich, weil das Judentum den kosmischen Gottesbegriff lehrt, Lohn und Strafe, Auferstehung und Wunder, die Geistesreligion dagegen diese vollständig negiert, durch die Wendung in das Seelenleben überflüssig macht. Eine Einigung und Verständigung auf diesem Boden ist zwischen Judentum, wie überhaupt zwischen Mosaismus und Geistesreligion ausgeschlossen; hier kann nur entweder von einem langsam, vorsichtig fortschreitenden Sich-unterwerfen die Rede sein oder von einem unversöhnlichen, ewig unüberbrückbaren Gegensatz. Anderseits wieder ist die Auseinandersetzung bezüglich des Gottesbegriffes unnötig, weil erstlich die Geistigkeit Gottes vom Judentum theoretisch als grundlegender Glaubenssatz verkündet wird, wenn ihm auch die, ich möchte so sagen, praktische Durchführung der Geistigkeit gerade infolge der Verbindung mit dem Heidnisch-Kosmischen nicht gelungen ist; weil ferner die Identität der Gottesidee mit der religiösen Sittlichkeit für das Judentum über jeden Zweifel erhaben ist. Und nicht zuletzt, weil die jüdische Religion nicht eine Religion des Glaubens, sondern des ethischen Tuns ist. Wohl ist Gott der Angelpunkt der jüdischen Ethik. Sie holt alle ihre Kräfte aus Gott, um sie wieder bereichert zu Gott zurückzutragen. Aber als Religion, die nie das Hauptgewicht
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auf den Glauben gelegt hat, wenn er nur in seinen Grundelementen unberührt blieb, läßt sie dem Denken der Menschen über Gott recht freien Spielraum und sieht sich nicht gefährdet bei Spekulationen, die von anderen Religionen nicht schnell genug in Acht und Bann getan werden können. t»Wo die rechte Handlung das Maßgebende ist, kann dem Ausdruck des Glaubens eine um so unbeschränktere Weite gegeben sein« (Bäck). War nur des Menschen Tun göttlich, sein Meinen konnte sich manches erlauben. Natürlich ist auch dem eine Grenze gezogen, aber die Grenze selbst nicht engherzig abgezirkelt. Das zweite Moment der Aussprache zwischen Judentum und Geistesreligion beträfe den gottesdienstlichen Teil des historischen Judentums, seine Gebete und Feste. In diesem Punkte wäre die Umwertung der alten Werte zwar nicht ohne Schwierigkeit, doch vielfach ohne zu große Erschütterung des historischen Besitzstandes durchführbar. Da mehr, da weniger. Während das Sabbatprinzip, die Bußzeit und das Offenbarungsfest in ihrem Wesen vollinhaltlich von der Geistesreligion aufgenommen werden könnten, die religiösen Gedanken und Ideale dieser Feste m ungetrübtem Einklang mit der sittlichen Gotteswelt der Geistesreligion sich befinden, bedarf es bei den anderen historischen Festen bei allem Festhalten ihrer nationalen Werte mehr der Wendung nach innen, um sie vollwertig zu erhalten. Eine Wendung jedoch, die dem Judentum keineswegs schwerfallen würde. Schwieriger wäre es schon mit den Gebeten. Diese sind nicht nur durch ihre nationale Färbung, sondern auch durch die heidnisch-kosmische Gottesidee, die sie durchzieht, für die Geistesreligion fast unannehmbar. Vorsehung, Lohn und Strafe, Sorge um das leibliche Wohlergehen sind die alles beherrschenden Gedanken nahezu sämtlicher Gebete. Hier Wandlung zu schaffen, gehörte zu den dringendsten Aufgaben der historischen Religion,
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so sie willens wäre, die Ideen der Geistesreligion in sich aufzunehmen und mit ihnen nach und nach sich und die Gesamtheit zu durchtränken. Manch ein altgewohntes Gebet, manche Hymne, ohne die sich heute der Jude seine Gebetordnung nicht vorstellen kann, müßten da Platz machen einer Reihe von herrlichen Psalmen und prophetischen Gebeten, die unsere sittliche Gotteswelt in unvergleichlicher Vollkommenheit wiedergeben und doch — den alten nationalen Prinzipien des jüdischen öffentlichen Gottesdienstes zufolge — in die Gebetsordnung keine Aufnahme fanden. Bei einem großen Teil der Gebete jedoch genügte vollständig die Wendung zur Seele, die Beziehung auf den Urquell der sittlichen Welt, den wir als unseren Herrn preisen, auf den wir vertrauen, dem wir danken, gehorchen wollen, dessen Satzungen und Gebote wir beobachten, um sie der Geistesreligion anzupassen, ohne an ihrer alten historischen Fassung eine tiefer einschneidende Änderung vornehmen zu müssen. Hier läge die größere Aufgabe in der Erziehung und Gewöhnung des eigenen Selbst, von dem heidnisch-kosmischen Gottesgedanken abzusehen und sich auf den Quell des geistigsittlichen Lebens zu konzentrieren. Den größten Widerstand scheint aber der Umwertung durch die Geistesreligion jenes Gut des historischen Judentums entgegenzusetzen, das tatsächlich das eigentlich Charakteristische des Judentums ausmacht, durch das es sich scharf absondert von den anderen mosaistischen Religionen, zumal dem Christentum: das sogenannte »Religionsgesetz«, dies dritte Moment in der Aussprache zwischen Judentum und Geistesreligion. Während in betreff der beiden ersten Punkte sämtliche mosaistischen Religionen mehr oder weniger den gleichen Weg gehen, die gleiche Arbeit vorfinden, die Umwertung im großen und ganzen nach und nach ohne allzu große Erschütterung vor sich gehen könnte, steht das historische Judentum mit
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seinem »Gesetz« allein da, auf sich selbst angewiesen, ohne Freund und ohne Anerkennung, eine zu Boden drückende Crux sich selbst, dem Judentum, dessen Bekennern und der Geistesreligion. Welche wegwerfende Beurteilung das jüdische Religionsgesetz über sich ergehen lassen muß, wie es fast alle christlichen Theologen und Philosophen von Paulus bis auf unsere Zeit für minderwertig erklären; wie sich heute ein großer Teil der jüdischen Intelligenz des Ostens wie des Westens — dort fast noch mehr wie hier — dieser Verurteilung angeschlossen hat, bedarf keiner weiteren Erörterung. Es geht so weit, daß man der jüdischen Religion, als ob sie außer dem »Gesetz« nichts anderes besäße und als ob Gesetzeserfüllung etwas anderes wäre als Gesinnung und de»r praktische Verkehr mit der Gottheit«, die »Gesinnung« rundweg abspricht und ein religiöses Innenleben im Judentum leugnet. Wenn das richtig wäre, dann hätte allerdings die Geistesreligion mit dem Judentum nichts gemein, dann wäre es tatsächlich auszuschalten aus der religiösen Zukunftsgeschichte der Menschheit im Sinne der Geistesreligion und nur als Vorstufe anzusehen für die Weiterentwicklung der großen Religionen. Weil wir uns jedoch dessen bewußt sind, daß teils Unwissenheit, teils absichtliche Entstellung dies Urteil über die jüdische Religion verursacht haben; weil wir überzeugt sind, daß das Judentum auch in diesem Punkte eine Auseinandersetzung mit der Geistesreligion nicht zu scheuen braucht; daß im Gegenteil das jüdische »Religionsgesetz« von denselben Grundprinzipien ausgeht, die von der Geistesreligion gelehrt und aufgestellt werden, erachten wir es für unsere Pflicht, gerade an diesem Punkte die Aussprache zwischen Judentum und Geistesreligion zu bewerkstelligen. Wo die beiden angeblich in unversöhnlichstem Gegensatz zueinander stehen, im »Religionsgesetz«, das statt Innerlichkeit, diesem Kern der Geistesreligion, nur formale Äußerlichkeit zu fordern scheint, da soll die Aus-
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eihandersetzung vorgenommen werden. D ie Frage wollen wir beantworten, ob das Judentum als historische Religion mit seinem geschichtlich wesentlichsteh Chafakterzuge, dem »Gesetz« fähig ist, von sich aus teilzunehmen an der großen Zukunftsarbeit der universalen Religion, an der Erneuerung und Verjüngung des religiösen Lebens in einem großen Teil der Intellektuellen des ¿0. Jahrhunderts; das heißt, ob das historische Judentum dem geistig rastlos vorwärtsschreitenden, aber doch nach religiösem Innenleben sich sehnenden Teile der Judenheit die gesuchte religiöse Befriedigung zu bieten vermag oder nicht. Denn daß diese Kreise durch Nationalität zur Religiosität geführt werden könnten, das für möglich zu halten, wäre denn doch etwas zu gewagt. Einer der glühendsten Verfechter des politischen Zionismus behauptet zwar: » D i e n a t i o n a l e W i e d e r g e b u r t des j ü d i s c h e n V o l k e s b i l d e t die u n e r l ä ß l i c h e V o r b e d i n g u n g für die religiöse Z u k u n f t des J u d e n t u m s . ...Die wiedererwachende Nation mit ihren großen äußeren und inneren Erlebnissen wird i h r e re 1i g i ö s - e t h i s c h e G e n i a l i t ä t von n e u e m b e k u n d e n « (Joseph). Wer sich aber nicht vom Glanz der Worte blenden läßt, wird bald die Unhaltbarkeit dieser Sätze einsehen. Weil die jüdische Religion ursprünglich aus der Nationalität hervorgegangen ist, riiuß sie für ewige Zeiten an sie gekettet bleiben ? Ist es möglich, daß ein Kulturmensch die Religion an die Nationalität binde ? Ja, die Natioiialität kann ihm zur Religion werden, er kann religiös-nationale Sitten und Bräuche mit aller Liebe Umfassen, als heiliges poetisches Gut seines Volkes erhalten, aber die Religion an sich wird er nur von ihrer universalen Seite her anerkennen. Die Verbindung von Religion ünd Nationalität ist nach der Befreiung von der kosmischen Göttesäüffassung unwiderbringlich verloren.
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Die Liebe zur Nationalität und zur Religion, beide sind unerläßlich, sie beeinflussen sich gegenseitig, trotzalledem bilden sie zwei vollständig gesonderte Gebiete. Eher wäre für das moderne Judentum der Satz aufzustellen, daß die Liebe zur Nationalität durch die Liebe zur Religion von neuem erstarken könne. Die jüdische Nationalität ist jetzt bezüglich ihrer Kulturtätigkeit, gleich den anderen großen Nationalitäten, ein Teil der allgemeinen Kulturwelt. Original kann sie nur religiös wirken. Wie einst die Größe des jüdischen Volkes ausschließlich in seiner religiösen Genialität bestand, und zwar in der ethischen, so wird auch heute der Jude stolz auf seine Nationalität sein, wenn sie religiös auf ihre einstige Größe sich besinnt und einen Teil ihrer Tatkraft der religiösen Entwicklung wieder widmet. D e r S t o l z a u f d i e h o h e S t u f e der e i g e n e n R e l i g i o n ist f ü r den K u l t u r juden die s i c h e r s t e Basis für die T r e u e z u r N a t i o n a l i t ä t . Ob nun das R e l i g i o n s g e s ö t z der jüdischen Religion ein Hindernis ist, diese hohe Stufe zu erklimmen, oder eine unentbehrliche Staffel, das ist eben die Frage. Es sei daher im folgenden der Versuch unternommen, das jüdische Religionsgesetz, diesen charakteristischesten Teil das h i s t o r i s c h e n Judentums, mit den Prinzipien der Geistesreligion, der u n i v e r s a l e n Religion, in Einklang zu bringen *). *
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') Wenn bei diesem Versuch die hellenistische Rcligionsphilosophie, selbst dij Philos, und die des jüdischen Mittelalters
unberücksichtigt
bleiben ind nur Talmud und Midrasch herangezogen werden, geschieht es erstliü, weil diese trotz babylonischer und persischer, auch teilweise griechiscler Einflüsse doch nie die Bahn der eigenen Entwicklung verlassen häien, södann, weil die späteren Jahrhunderte doch immer in der Sphäre cbr talmudischen Ideen geblieben sind und weil schließlich bezüglich ies Verhältnisses des Judentums zur religiösen Ethik jene Zeit am meisten strittig ist.
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Vorerst jedoch muß noch eine grundlegende Frage beantwortet werden: Hat die jüdische Religion das Recht, eine Verständigung zu suchen mit der Geistesreligion? Das Wesentliche an der Geistesreligion ist doch die These von dem Vorhandensein einer der Umwelt des Menschen entgegenarbeitenden Innen w e i t . Kennt die jüdische Religion eine solche? Ist ihr die Annahme einer geistigsittlichen Gotteswelt nicht etwas vollständig Fremdes, etwas ihr Widersprechendes? Man pflegt das Judentum eine Gesetzesreligion zu nennen im Gegensatz zum Christentum als Erlösungsreligion. Eucken stellt zwischen den beiden Religionen folgenden prinzipiellen Unterschied fest: »Jene — die Gesetzesreligionen — vollziehen keinen gänzlichen Bruch mit der Welt und fordern nicht eine völlig neue Art des Seins, aber sie vermissen in der Welt der Erfahrung die sittliche Ordnung, die Gerechtigkeit, die aufzugeben unmöglich dünkt; zu ihrer Verwirklichung fordern sie eine überlegene Macht richtender und vergeltender Art; sie bringen aus solcher Ordnung der Gerechtigkeit an den Menschen strenge Gebote, deren Erfüllung überschwänglichen Lohn im Hier oder Dort, deren Übertretung harte Strafen verheißt. Daß dem Menschen die Kraft innewohne, das Gute zu tun, das Böse zu lassen, darüber waltet in diesen Zusammenhängen keinerlei Zweifel. Das menschliche Streben scheint nur einer Anfeuerung, einer Kräftigung, einer sicheren Lenkung zu bedürfen, um sich auf dem rechten Wege zu halten«. »Über diese Fassung des Problems und diese Leistung der Religionen geht aber in den Erlösungsreligionen die Bewegung weit hinaus. Ihnen scheint an der vorgefundenen Welt nicht nur dieses oder jenes als unzulänglich, sondern sie erscheint bis zum Grunde als verfehlt, zerrüttet und der Unvernunft verfallen; so kann nur eine völlige Befreiung von ihr und eine bis zum Grunde neue Ordnung der Dinge dem Leben einen Halt und Wert ver-
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leihen, so genügt hier nicht eine allmähliche Verbesserung, sondern eine gänzliche Umwälzung tut not. Erst mit dieser Wendung erhält das Problem der Religion eine allbezwingende Macht, stellt sich nun doch Welt gegen Welt und scheint alle Arbeit vergeblich und aller Gewinn ein Schein, wenn nicht der Anstieg zu einer neuen Ordnung gelingt und mit ihm ein neues Wesen erreicht wird. Bei solcher Steigerung des Problems müssen den Erlösungsreligionen die Gesetzesreligionen als bloße Vorstufen gelten.« Ist dem so, kennt das Judentum dies Grundprinzip der zwei Welten nicht, dann schmückt es sich mit fremden Federn, wenn es von einer eigenen sittlichen Gotteswelt spricht, und die Geistesreligion baut sich in ihrem Grundzuge nur auf dem Christentum auf. Können Judentum und Geistesreligion bei solchem prinzipiellen Unterschied in irgendwelche nähere Beziehung zueinander treten? Wir müssen die Frage entschiedenst bejahen. Zunächst weil j a die Geistesreligion die u n i v e r s a l e Religion sein will, der Brennpunkt aller höheren Religionen, die in sich Wesen und Kern sämtlicher historischen Religionen vereinigt; nicht das Wesen e i n e r Religion bildet sie, sondern das d e r Religion. Und dies Wesen ist das Unbefriedigtsein der menschlichen Seele mit dem sichtbaren Weltstand und ihr Sehnen nach einem Zusammenhang mit dem Unerkennbaren. Wie die verschiedenen Religionen diesem Gedanken Form und Ausdruck verleihen, das macht ihre primitive, höhere oder höchste Stufe aus. Aber das Grundmotiv ist bei allen dasselbe. Insofern hat also auch das Judentum seinen Anteil an der Geistesreligion, und eine Auseinandersetzung mit ihr ist ihm ebenso notwendig wie jeder anderen historischen Religion. Es ist aber auch in Wahrheit bezüglich der Stellung von Welt zu Welt zwischen Erlösungs- und Gesetzesreligion keinerlei Unterschied wahrzunehmen außer Z i e g l e r , Geistesrelig-jon.
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dem, daß manche Erlösungsreligion nicht nur den Welts t a n d , den d e r m a l i g e n Welt z u s t a n d für zerrüttet hält, sondern die irdische Welt als solche, als Ganzes und für ewige Zeiten, während die Gesetzesreligion, und nach Eucken auch das Christentum, immer nur den Welt s t a n d anders haben will. Die Unterscheidung, die Eucken aufstellt, besteht eigentlich in der Sache gar nicht, nur in Worten. Denn soll diese geistig-sittliche Welt bezüglich der Gottheit, von der sie ausgeht, Wirklichkeit sein, nicht vage Gefühlsstimmung, werden wir sie nicht anders definieren können als die Dokumentierung des göttlichen Willens. Wie offenbart sich aber für die sinnliche Welt, für den Menschen dieser Wille anders als durch bestimmte Forderungen und Gesetze? Diese Gesetze sind nicht Projizierungen der sittlichen und sozialen Entwicklungen der Menschheit in die barbarischen Gottesideen, sondern die Schöpfungen sind sie der menschlichen Erkenntnis von dem wahren Wesen der Gottheit, der Erkenntnis, daß die wahre Gottesidee eine ganz andere Welt in sich schließt, als die Umwelt sie uns zeigt. Das Gesetz ist eben nichts anderes als die kristallisierte geistig-sittliche Gotteswelt. Die Offenbarung am Sinai, der Dekalog, die Heiligkeitsgesetze, sie sind nichts Geringeres als die Eröffnung einer neuen, geistig-sittlichen Gotteswelt an Israel und der Aufruf zur freudigen Aufnahme des Kampfes für diese Gotteswelt gegen die Umwelt, gegen die Welt des Kleinmenschlichen und Irdischen. Dekalog und Heiligkeitsgesetze fließen zu uns herüber, sie sind die Zeugnisse Gottes, sie bezeugen das Vorhandensein einer anderen, höheren Welt, ohne deren Existenz sie niemals von Menschen erfaßt und verkündet worden wären. Oder sind die Sätze: »Ihr sollet mir sein ein Reich von Priestern und ein heilig Volk« (Ex. 19,6), »Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin ich, der Herr, euer Gott« (Lev. 19,2), »Liebe den Herrn deinen Gott mit deinem ganzen Herzen, deiner
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ganzen Seele und deiner ganzen Kraft« (Deut. 6,5), »Und nun Israel, was verlangt der Herr dein Gott, von dir? Nichts anderes als daß du fürchtest den Herrn deinen Gott, in seinen Wegen wandelst, ihn liebest, und daß du dienest dem Herrn deinem Gott mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele« (Deut. 10,12), sind diese Sätze, diese Grundgedanken des Mosaismus nicht das Verlangen, ein Gottesreich in sich aufzurichten, im Gegensatze zur Umwelt? Und wenn Arnos dem Volke zuruft: »Hasset das Böse, liebet das Gute, richtet auf im Tore das Recht. . . . Entferne aus meiner Nähe das Getümmel deiner Lieder, den Gesang deiner Harfen will ich nicht hören. Wie Wasser flute das Recht einher und Gerechtigkeit gleich einem mächtigen Sturzbach« (5, 15, 23 f.), heißt das nicht: hie Gotteswelt, hie kleinmenschliche Welt? Hoseas berühmte Worte: »Liebe zu mir verlange ich, nicht Opfer« (6,6), wollen die nicht sagen, der Mensch müsse ganz in Gott aufgehen? »Waschet euch, reiniget euch, schaffet das Böse fort aus meinen Augen, lasset vom Frevel ab. Lernet Gutes tun, strebet nach Recht, führet auf den rechten Weg den Gewalttätigen, nehmet euch der Streitsache der Waisen und Witwen an« (Jes. I, 16 f.). Was besagen denn diese Worte Jesaias ? Oder der Satz Michas: »Er, der Herr, hat dir ja, o Mensch, verkündet, was recht ist und was Jahve von dir fordert: nur recht tun, Liebe zur Gnade und demütig in Gott wandeln« (6, 8), was lehrt der? Doch sicherlich nur eines: Laß ab von den Trieben und Gelüsten der Welt, die dich umgibt, von Haß, List und Gewalt, und begib dich in den Willen Gottes und seine Welt! Hierin also gibt es tatsächlich keinen Unterschied zwischen Gesetzes- und Erlösungsreligion. Beide sind mit dem Weltstand unzufrieden, beide stellen der Welt des Alltags die Innenwelt entgegen, die Welt Gottes, und beide formulieren diese Gotteswelt in bestimmte Satzungen und 3*
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Forderungen. Oder stellt das Christentum keine Gesetze auf? Ist doch die Pflicht »die grundlegende und beständige Erscheinung jeder Religion«, und ist nicht Pflicht Gesetz? Wie könnte denn auch das Christentum anders ins Leben treten als durch Gesetze? Welt gegen Welt, das ist der Schlachtruf sowohl der Gesetzesreligion als der Geistesreligion. Der Kampf dieser beiden Welten ist der schwerste, den der Mensch auszutragen hat, der dem naturalen Menschen ungeheuerlichste, ohne das Gesetz einer göttlichen Autorität hätte er ihn nicht aufgenommen. Ja, wir dürfen sagen, ohne der Überhebung bezichtigt zu werden, daß dieses revolutionäre, entscheidende Moment zwischen Christentum und Heidentum, dies »Entweder — oder« der zwei Welten urjüdisch ist. Diese Sehnsucht mit Gott sich zu vereinigen, sein ganzes Dasein nach Gott zu richten, die Römer und Griechen verblüffende Tat Jesu ist ausschließlich, durch und durch jüdisch. Das bezeugt unsere Religionsgeschichte auf jedem Blatte, man lese nur die Gesänge in dem von Flemming und Harnack kürzlich herausgegebenen »Ein Psalmbuch aus dem ersten Jahrhundert«. Und wenn die Geistesreligion diesen Kampf von Welt gegen Welt in neuer Form wieder aufnimmt, ist es der jüdische Religionsgeist, auf dessen Grundmauern sie ihr Gebäude erhebt. Dem Judentum sonach das Anrecht an die Geistesreligion und ihre Welt absprechen wollen, hieße die Quellen verschütten, die dem Strom der Geistesreligion das erste Dasein gespendet haben. Es sei dabei das große, überragende Verdienst christlicher Religionsheroen um die Erhaltung und stete Neubelebung des aus dem Judentum stammenden Ideals der Gotteswelt willig anerkannt. Nur den organischen Zusammenhang zwischen Judentum und Geistesreligion wollen wir zugestanden wissen. Die Auseinandersetzung mit der Geistesreligion ist ein gutes, historisches Recht des Judentums.
— Zweites
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— Kapitel.
Das jüdische Religionsgesetz innerhalb der jüdischen Religion1). Mit der Kanonisierung des Pentateuchs durch Esra und Nehemia im fünften vorchristlichen Jahrhundert gewann die sinaitische geistig-sittliche Gotteswelt ihre feste, dauernde Form. Doch nicht nur diese wurde kanonisiert. Es muß immer wieder daran erinnert werden, daß alles Leben Kompromisse fordert. Will der höhere Geist auf den geringeren wirken, muß er sich zu ihm herablassen, wie sich Gott auf den Sinai herniederließ, und den Gewohnheiten der tieferstehenden die eigenen Ideen aufpfropfen. Gewiß besteht die Gefahr, daß schließlich das Gute von dem Schlechten bis zur Unkenntlichkeit aufgesogen wird und die Paarung Bastarde hervorbringt. Es ist eben Sache der führenden Geister, auf der Höhe zu bleiben und ein Versinken hintanzuhalten, nicht zur Masse zu werden, sondern diese zu heben. Nicht die G r ü n d e r der Religionen sind anzuklagen, daß sie Kompromisse mit den Volksreligionen geschlossen haben, nur die Epigonen, daß sie lässig oder unverständig das eigentliche Endziel des Kompromisses außer acht ließen. Die Beibehaltung einerseits der heidnisch-kosmischen Gottesauffassung, anderseits der alten religiösen Volksbräuche und Priestersatzungen von Seiten Mosis und deren Aufnahme in den Kanon durch die Esrazeit war der uner') Die Zitate aus Talmud und Midrasch in diesem Kapitel, wie auch in den folgenden Abschnitten sind nach Tunlichkeit chronologisch geordnet.
Bezüglich der Übersetzung habe ich nicht immer auf gerade
wortgetreue Wiedergabe gesehen, doch nie in den T e x t hineingelesen, was nicht klar und offen aus ihm herauszulesen ist. Daß unter den Zitaten Sätze nicht fehlen dürfen, die ungezählte Male schon zitiert worden sind, wird der Kundige verstehen und entschuldigen.
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läßliche Kompromiß des Mosaismus mit dem altisraelitischen Heidentum, das auf diese Weise Eingang gefunden hat in die sinaitische geistig-sittliche Gotteswelt und den prophetischen Lehren Mosis gleichgestellt worden ist. Wohl geschah das nicht ohne eine gewisse Umwertung der Werte; die altisraelitischen Ritussatzungen wurden ethisiert, der mosaischen Gottesidee angepaßt, aber doch auch kanonisiert: d e r K u l t u s w u r d e s o e i n g l e i c h w e r t i g e r Teil der S c h r i f t gewordenen g e i s t i g - s i t t l i c h e n G o t t e s w e l t , der P r o p h e t i e. Die Führer der nachesraischen Generationen hatten fortab nur ein Ziel: das Gebiet ihrer im Pentateuch niedergelegten Gotteswelt, und das waren nunmehr Kosmogonie, Prophetie und Kultus in gleichem Maße, zu festigen, zu kräftigen, zu erweitern und mit grandioser Beharrlichkeit Stück um Stück des äußeren Lebens in den Bereich der Gotteswelt einzubeziehen. ihr zu unterordnen. So kam es zum Ausbau sowohl der P r o p h e t i e M o s i s wie auch der V o l k s - u n d Priesterbräuche und der K o s m o g o n i e . Jedoch trotz der Gleichstellung der Prophetie und der altisraelitischen Religionssitten im Kanon und demzufolge in der Tätigkeit der nachesraischen Religionsführer war diesen das Bewußtsein von der h ö h e r e n R a n g s t e l l u n g der Prophetie und von dem, daß s i e die eigentliche und wirkliche Gotteswelt sei, niemals abhanden gekommen. Es ist ja tief bedauerlich, daß die religiöse Literatur der Juden von E s r a bis H i 11 e 1 — das geistige Leben von fast vier Jahrhunderten - soweit sie nicht ein Teil des biblischen Kanons geworden, oder in den Apokryphen uns erhalten geblieben ist, nahezu gänzlich verloren gegangen ist. Doch ist es nicht unberechtigt, von dem Geiste, der Mischnalehrer und Talmudweisen, Tannaiten undAmoräer beseelt hat, auf den Geist ihrer Vorgänger zu schließen: die Traditionskette von Aboth Ii ist nicht so ohne weiteres von
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der Hand zu weisen. Und Mischna- wie Talmudweisen haben allezeit das P r o p h e t i s c h e im Bibelkanon, also das R e l i g i ö s s i t t l i c h e , als den Kernpunkt der Religion, der Gotteswelt Israels angesehen und behandelt, wenn sie auch unentwegt die Vollwertigkeit der Volks- und Priesterbräuche, die Autorität der in der Bibel niedergelegten Weltanschauung, betonten. Schon die Tatsache, daß die Weisen durchgehends Güte und Erbarmen als Wesen und Grundelement Gottes bezeichnen, müßte hinreichender Beleg dafür sein, daß auch von ihnen vor allem die religiöse Sittlichkeit als das Wesen des Judentums angesehen wurde. In der Mischna Schebuoth I V I 3 heißt es: Wenn jemand sagt: »Ich beschwöre euch, ich gebiete euch, ich verbiete euch«, sind sie verpflichtet, dem Schwur Folge zu leisten; sagt er jedoch »bei Himmel und Erde«, sind sie nicht verpflichtet. Ruft er: »Bei den Buchstaben Alef—Daleth oder J o d — H e « des Gottesnamens, »bei Schaddaj -Zebaoth«, bei »gnädig und barmherzig«, bei »langmütig und reich an Gnade« oder er beschwört bei sonst irgendeinem Attribut Gottes, sind sie verpflichtet, dem Schwur Folge zu leisten. Zu dieser Mischnasteile sagt die Gemara folgendes. »Aus all dem ist zu ersehen, daß »gnädig«, »barmherzig« als Namen Gottes betrachtet werden. Nun aber lernten wir: es gebe Namen, die ausgelöscht werden dürfen, und welche, die nicht weggelöscht werden dürfen. Die man nicht weglöschen darf, sind zum Beispiel El, Elohecha, Elohim, Elohechem, Ehje-ascher-ehje, Alef-Daleth, Jod-He, Schaddaj-Zebaoth, diese dürfen nicht weggelöscht werden. Jedoch: der Große, der Mächtige, der Ehrfurchtbare, der Majestätische, der Starke, der Gewaltige, der Siegreiche, gnädig, barmherzig, langmütig, reich an Gnade, diese dürfen ja weggelöscht werden. Damit stünde doch die Mischna in Widerspruch!? D a sagte Abaji, die Mischna meine, wenn jemand den andern beschwört, »bei dem der
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gnädig, bei dem der barmherzig ist. Raba entgegnete darauf: So wäre ja auch der Schwur »bei Himmtl und Erde« aufzufassen: bei dem, dem Himmel und Erde gehört. Ist dem aber so ? Nein. Denn, d a e s n i c h t s sonst gibt, was gnädig und b a r m h e r z i g an s i c h g e n a n n t w i r d , k a n n b e i d i e s e n Worten nur gemeint sein, bei dem, der g n ä d i g o d e r b a r m h e r z i g i s t ; Himmel und Erde sind aber für sich existierende Dinge, beschwöre ich also jemanden bei diesen, dann meine ich eben auch diese« 1 ). — Eine ungemein häufig variierte Sentenz R. Akibas, der hierin Jose dem Galiläer folgt, lautete: »Die zwei Thronsessel in Daniel 7,9 stünden bereit für das Recht und das Erbarmen Gottes« 2 ). So heißt es auch an einer andern Stelle, der göttliche Thron sei umgeben von vier Kohorten: von Gerechtigkeit, Recht, Gnade und Wahrheit 3). — Abba Saul, ein jüngerer Zeitgenosse Rabbi Akibas, deutete den Vers 15,2 im Exodus dahin, daß das Wort in.lJW. sagen will: »ich will ihm gleich sein« (nach Raschi zu Sabbat 1335 VIM« = NW] = ich und er). Das heißt, sei ihm gleich: w i e e r b a r m h e r z i g u n d g n ä d i g i s t , s e i e s a u c h d u 4). — Derselbe Abba Saul erklärte Lev. 19, 2 in folgender'Weise: »Heilig sollet ihr sein, denn heilig bin ich, der Herr euer Gott«. Israel sei die Familie des Königs. Welche Pflicht obliegt dieser? Dem König nachzueifern« 5). — Diese Auffassung von der Gnade Gottes, die die Welt erfülle, wird als allgemein gültiger Lehrsatz immer wiederholt, immer aufs neue eingeprägt. So heißt es zu Ex. 22, 25 f.: »Wenn du pfändest das Kleid deines Nächsten, bei Sonnenuntergang gib es ihm zurück, denn das ist sein einziges Kleid, die Hülle für seinen Körper, worauf soll er sich denn niederlegen! Sonst, wenn er zu mir klagt, höre ich auf ihn, denn ich bin gnädig.« Dieser letzte Satz bedeute, d a ß i c h d i e W e l t i n E r b a r m e n e r s c h a f f e n habe«6).
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— Zu Joel 3, 5: »Alles, was man nennt mit dem Namen Gottes, wird gerettet« wurden die Lehrer gefragt: Kann denn der Mensch mit dem N a m e n Gottes genannt werden ? Die Antwort lautet: Nein, sondern w i e G o t t g n ä d i g und b a r m h e r z i g g e n a n n t wird, so sei auch du gnädig, barmherzig und mildtätig gegen alle; w i e G o t t g e r e c h t g e n a n n t wird... sei es auch du; w i e G o t t d e r L i e b e v o l l e h e i ß t , sei es auch du« 7). — »Und Moses neigte sich rasch zur Erde und bückte sich« (Ex. 34, 8). Was sah Moses? Chanina b. Gamliel sagte, er habe die L a n g m u t gesehen, die Weisen dagegen meinten, d i e W a h r h e i t . — Die erste Ansicht findet sich auch in folgender Baraitha: »Als Moses zu Gott emporstieg, fand er den Herrn sitzend und das Wort »langmütig« niederschreibend. Da sprach Moses: Herr der Welt, langmütig wohl für die Frommen. Gott erwiderte ihm: Auch für die Frevler« 8 ). — Jehuda tradierte einen Ausspruch des Rab: »Zwölf Stunden hat der Tag. Die ersten drei Stunden beschäftigt sich Gott mit der Thora; in den folgenden drei Stunden richtet er über die Welt. Wie er sieht, daß sie Vernichtung verdienen würde, steht er vom Richterstuhle auf und setzt sich auf den Thron der Barmherzigkeit. In den weiteren drei Stunden verpflegt er die ganze Welt. . .; im letzten Viertel scherzt er mit dem Lewiathan«9) Chanina, ein palästinensischer Amoräer aus dem 3. Jahrh., tat den berühmten, überaus oft zitierten Ausspruch, das Wort nDN = Wahrheit sei der Siegelring Gottes 10 ). —• Chama, der Sohn Chaninas sprach: »Warum heißt es: „Dem Herrn euerem Gott sollt ihr nachwandeln" (Deut. 13,5) ? Kann denn der Mensch der göttlichen Majestät nachwandeln? heißt es doch: „Denn der Herr dein Gott ist ein verzehrendes Feuer" (Deut. 4,24). Also nachwandeln sollst du den E i g e n s c h a f t e n Gottes. Wie er Nackte kleidet, so kleide auch du Nackte; wie er Kranke besucht, besuche
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auch du Kranke; wie er Trauernde tröstet, tröste auch du Trauernde; wie er Tote begräbt, begrabe auch du Tote« 11 ). — Samuel b. Nachman sagte: »Alles hat Gott in seine Welt hineinerschaffen, nur nicht die Lüge, die hat er nicht erschaffen, und die Falschheit, die hat er nicht hervorgebracht. Diese haben die Menschen aus sich heraus ersonnen«"). Diese Darstellungen vom Wesen Gottes sind wohl Beweis genug für die Rangstellung der Sittlichkeit im Judentum. Gewiß, lesen wir auch, Gott selbst beobachte den Sabbat '3), Gott selbst lege die Tefillin an '4). Während jedoch diese Sätze ein kümmerliches Dasein in der jüdischen Literatur fristen, aus unserer Religionsentwicklung vollständig ausgeschaltet bleiben, werden Gnade und Güte im göttlichen Walten zur Grundmauer der jüdischen Gottesidee, auf der das Lehrgebäude des Judentums durch alle Zeiten weiter aufgebaut wird. Wohl wird auch oft und oft von Gottes Zorn, von Gottes Eifersucht, von seiner Rache gesprochen, aber nicht als von göttlichen Wesenseigenschaften, sondern von augenblicklichen, vorübereilenden Wallungen und Erregungen. Das Ewige an Gott im Judentum ist Gnade, Güte, Erbarmen, Liebe, Recht und Gerechtigkeit. Die Talmudweisen haben uns an geschlossenen religionsphilosophischen Werken, an systematischen Arbeiten über das Judentum nichts hinterlassen. Das lag keineswegs an irgendeinem Rassenfehler oder einer Denkunfähigkeit. In keinem Volke war religiös-philosophisches Denken in so weite Schichten gedrungen wie im jüdischen schon zu damaliger Zeit. Es ist jedoch zweifellos, daß meistens dort Bücher über Religion geschrieben werden, wo die Skepsis sich zu regen beginnt, wo Wankende gestützt, Zweifelnde gefestigt zu werden brauchen. In der Judenheit der talmudischen Zeit war die Existenz Gottes derart über jeden Zweifel erhaben — was zählten auch die paar Ketzer? —, daß darüber Abhandlungen zu
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schreiben überflüssig war. Wie weder Moses noch die Propheten über die Existenz Gottes schrieben, so hatten es auch die Späteren nicht nötig. U m so mehr gaben sie ihre Denkresultate in kleiner Münze aus und trugen sie so unter die Menge 'S). Dasselbe gilt von der Frage über das Wesen des Judentums. Bücher darüber sind allerdings aus ältesten Zeiten nicht vorhanden, aber es genügt, die Perlen, die unsere Weisen unter das Volk gestreut haben, aufzulesen und aneinanderzureihen, um das beste Buch über das Judentum als Religion in Händen zu halten (s. auch Lazarus, Die Ethik des Judentums, S. 67). Zu Hillel kam ein Heide mit dem wahrscheinlich den großen Umfang der jüdischen Satzungen ironisierenden Verlangen: Ich will J u d e sein, doch nur unter der Bedingung, daß du mich die ganze Thora lehrst in der Zeit, als ich ohne Unterbrechung auf einem Fuße stehen kann. Hillel antwortete ihm: »Was dir unlieb ist, tue nicht dasselbe deinem Nächsten. Das ist die ganze Thora, alles andere ist nur Kommentar dazu. Gehe, lerne 1 6 )*).« Seine Ergänzung *) Bekanntlich wird von christlichen Theologen der positiven Form des Satzes, wie sie in Mth. 7, 12 zu lesen ist, d«T Vorzug gegeben gegenüber der von Hillel gebrauchten negativen. Es sei der Spruch J e s u : »Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun, tut auch ihr ihnen« ethisch ungleich höher zu bewerten, als der Hillels : »Was du nicht willst, daß man es dir tue, tue es auch deinem Nächsten nicht.« Abgesehen nun davon, daß die Didache, der älteste christliche Katechismus, das Gebot ebenfalls in negativer Form bietet, ein Beweis, daß der Spruch auch bei Jesus noch negativ gelautet hat, dürfte, bei eingehender Prüfung diese Form keine geringere Tat in sich schließen wie die positive. Der Kampf der sittlichen Gotteswelt gegen die der Sinne muß sowohl offensiv als defensiv geführt werden. Defensiv ihn führen, heißt Haß und Lieblosigkeit in die Seele nicht eindringen lassen; offensiv ihn führen, heißt den Haß, der sich unser schon bemächtigt hat, aus der Seele vertreiben. Nun ist zweifellos die eigentliche Tätigkeit der sittlichen Welt die defensive, das Tatgebot, durch dessen Erfüllung ein Damm aufgerichtet wird gegen das Hineinfluten der äußeren Welt in das Seelenleben. Wenn ich nun sage : »Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun, so tut
— findet deinen
dieser
Satz
Nächsten
in
dem
w i e dich
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Ausspruche selbst«
(Lev.
Akibas: 19,
»Liebe
1 8 ) ist
der
große, z u s a m m e n f a s s e n d e S a t z der T h o r a J7). — A l s einst, so erzählt der T a l m u d , R . E l i e s e r v e r g e b e n s F a s t e n a n g e ordnet hatte
wegen
a n h a l t e n d e r D ü r r e , diese aber t r o t z
der V e r r i c h t u n g v o n 2 4 B e n e d i k t i o n e n n o c h i m m e r anhielt, während
ein e i n f a c h e s k u r z e s
Gebet
Akibas
sofort
den
R e g e n b r a c h t e , d a rief eine G o t t e s s t i m m e den W e i s e n z u : » N i c h t k a m der R e g e n , weil dieser W e i s e größer ist als jener, n u r weil dieser n a c h s i c h t i g
ist, j e n e r n i c h t 1 8 ) . « —
Der
B a b y l o n i e r R a b a e r h o b diesen G e d a n k e n zu einer allgemeinen
Sentenz:
»Wer nachsichtsvoll
alle S ü n d e n v e r z i e h e n 1 ^ . « folgendermaßen:
ist,
dem
werden
E r w e i t e r t lesen w i r dasselbe
»Drei sind es, die G o t t l i e b t : w e r n i c h t
zornig w i r d , sich n i c h t b e s ä u f t u n d w e r n a c h g i e b i g i s t 2 0 ) . « —
A l s R . J o s u a v o r J o c h a n a n b. S a k k a i in K l a g e a u s -
auch ihr ihnen«,'so heißt das : liebe, denn du willst, daß man dich liebe; sei gerecht, denn du willst, daß man es gegen dich sei. Bist du aber gerecht und liebevoll, bist du damit in der Defensive gegen Lieblosigkeit und Ungerechtigkeit, die an der Pforte des Herzens lauern, aber nicht hinein können, solange Liebe und Gerechtigkeit darin sind. Sonach ist die positive Form die Defensive. Ist aber die negative Form nicht ebenso Defensive ? Sie lautet: »Was du nicht willst, daß man dir tue, tue es auch deinem Nächsten nicht«. Also sei nicht lieblos, weil du ja nicht willst, daß man es gegen dich sei; sei nicht haßerfüllt, ungerecht, weil du nicht willst, daß man es gegen dich sei. Das alles werde ich aber nur dann nicht sein, wenn ich das Gegenteil ja bin. Wenn einer nicht haßt und nicht liebt, sondern indifferent ist, vermag er seine Seele nicht zu schützen gegen das Eindringen des Hasses. Das vermag der Mensch nur, wenn sein Herz der Liebe voll ist. Sonach ist die negative Form ebenso Defensive wie die positive und setzt ebenso die Tat voraus. — Daß im übrigen für das menschliche Leben, für das Getriebe des Daseinskampfes, die Unterlassung der bösen Tat von größerer Bedeutung ist als der Vollzug einer guten, wird jeder bestätigen, der nicht achtlos am Leben vorübergeht. » D a s w a h r h a f t p r o d u k t i v e H a n d e l n in d e r W e l t besteht n u r i m U n t e r l a s s e n « (Tolstoi). — Über die Didache s. die Note, S. 153 f.
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brach über die Zerstörung des Tempels durch die Römer, tröstete ihn der Meister mit den Worten: »Mein Sohn, gräme dich nicht darüber; wir h a b e n noch ein Mittel zur Versöhnung mit Gott, im Werte gleich den Tempelopfern. Es heißt: Liebeswerke 2I ).« — Derselbe Jochanan, der nicht nur Gesetzeslehrer, sondern auch Denker und Dichter war, sprach eines Tages zu seinen Schülern: »Erwäget nun einmal, welche die rechte Art ist, an die sich der Mensch halten möge. Elieser meinte, ein gutes Auge zu haben (nicht neidisch zu sein); Josua, einen guten Gefährten zu haben; Simeon, das Kommende vorauszusehen ; Eleasar, ein gutes Herz zu haben. Da sprach der Meister: Ich halte die Meinung Eleasars für die richtigste, denn seine Worte fassen die eueren in sich 22 ).« — Meir, der bedeutendste unter den Schülern Akibas, tat folgenden Ausspruch : »Sein Gelübde zu bereuen kann man dem Menschen auch mit Hilfe von Bibelversen Veranlassung geben. Man sage ihm: Wenn du gewußt hättest, daß du durch dein Gelübde das Verbot übertrittst: ,Räche dich nicht und trage nicht nach' . . . ,hasse nicht deinen Bruder in deinem Herzen' (Lev. 19,18, 17), oder die Gebote: ,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst' (Lev. 19,18, . . . ,Dein Bruder lebe mit dir' (Lev. 25,36) hättest du das Gelübde getan? Wenn er erwidert: Ich hätte nicht gelobt, wenn ich das gewußt hätte, ist er frei 23).« — In einer Predigt sagte Bar Kappara, ein jüngerer Zeitgenosse des Jehuda Hannasi: »Welcher ist der kleine Satz, an dem sämtliche Haupt grundsätze der Thora hängen? ,Erkenne ihn auf allen deinen Wegen und er ebnet deine Pfade' (Pr. 3, 6) 24) Von demselben Lehrer stammt auch der schöne Spruch »Wer Tränen vergießt über den Tod eines braven Menschen, dessen Tränen zählt Gott und hinterlegt sie in seine Schatzkammer 25).« Dieser Satz wurde dann zu folgendem Ausspruch verallgemeinert: »Wer über den Heimgang eines braven Menschen weint, dem verzeiht man alle
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Sünden « — In einer alten Mischna heißt es: »Folgende Dinge, wenn der Mensch sie tut, genießt er ihre Früchte auf dieser Welt, der eigentliche Lohn aber bleibt ihm für die kommende Welt aufbewahrt: Ehrung der Eltern, Liebeswerke und Frieden stiften zwischen einem und den anderen. Doch wiegt Thorastudium alle auf*?).« Etwas modifiziert lautet der Satz folgendermaßen: »Von sechs Dingen genießt der Mensch die Früchte schon in dieser Welt, obwohl ihr eigentlicher Lohn ihm aufbewahrt bleibt für die kommende Welt: gastliche Aufnahme Wandernder, Krankenbesuch, eindringliches Gebet, frühes Aufstehen ins Lehrhaus, Unterricht der Kinder in der Thora und Urteil über den Nächsten stets nach der milden Seite«28). — Ein anderer alter Satz der Weisen lautet: »Wer den Nachbar liebt, seine Verwandten an sich heranzieht, seine Nichte heiratet und dem Armen in der Not Geld borgt, von dem heißt es: ,Dann wirst du rufen und Gott wird antworten' (Jes. 58,9)«39). — Wir lesen: »Hätten die Israeliten rechte Einsicht genommen in die Worte der Thora, die ihnen gegeben wurde, kein Volk und kein Reich hätte über sie geherrscht. Und was sagte ihnen die Thora? Nehmet auf euch das Joch des Gottesreiches, entscheidet untereinander in Gottesfurcht, und gehet miteinander wohlwollend um«3°). In Sifra lesen wir: »Gott hätte Israel aus Ägypten nur unter der Bedingung befreit, daß sie die Gebote betreffend das rechte Maß beobachten, denn wer sich zu diesen Geboten bekennt, glaubt an den Auszug aus Ägypten; wer nicht, glaubt nicht daraus 1 ). — EinAmoräer aus dem 3. Jahrhundert war Josua ben Levi. Dieser ließ sich einmal über die Offenbarung folgendermaßen aus: »Als Moses zu Gott emporstieg, riefen die Engel des Dienstes Gott zu: Herr der Welt, was sucht ein Weibgeborener unter uns? E r sprach: E r ist gekommen, die Thora in Empfang zu nehmen. Sie riefen: Dies kostbare Kleinod willst du einem Menschen geben? . . . Da sprach Gott zu
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Moses: Wohlan, antworte ihnen. Dieser hub an: . . . Herr der Welt, in der Thora, die du mir gibst, heißt es: ,Ich bin der Herr dein Gott, der ich dich hinausgeführt habe aus dem Lande Ägypten.' Und sich hinwendend zu den Engeln rief er: Seid ihr etwa nach Ägypten gezogen, habet ihr dem Pharao gedient, was soll e u c h die Lehre? Sodann heißt es: ,Ihr sollt keine andern Götter haben.' Wohnet ihr unter götzendienerischen Nationen? Ferner heißt es: .Gedenke des Sabbattages, ihn zu heiligen'. Ihr habet doch keine Arbeit, von der ihr ausruhen müßtet. Sodann lautet es: ,Du sollst nicht den Namen Gottes zum Falschen aussprechen.' Ist denn unter euch Handel und Wandel? ,Ehre Vater und Mutter.' Habet ihr Vater und Mutter? Sodann: ,Du sollst nicht morden, nicht ehebrechen, nicht stehlen.' Ist denn in euch Eifersucht, herrscht in euch der Trieb zum Bösen ?«3*) — Simlai, ebenfalls ein palästinensischer Amoräer des 3. Jahrhunderts, hielt einmal folgende Predigt: »613 Gebote wurden dem Moses am Sinai offenbart, 365 Verbote, nach den Tagen des Jahres, und 248 Gebote, entsprechend den Gliedern des menschlichen Körpers. . . . Da kam David und faßte sie in eilf zusammen, denn es ist geschrieben: , 0 Herr, wer wird weilen in deinem Zelte, wohnen auf deinem heiligen Berge? Der vollkommen wandelt, recht tut und wahr spricht von Herzen; nicht verleumdet, an seinem Nächsten nichts Böses verübt und sich keine Schande auflädt wegen eines Verwandten; sich selbst geringachtet, dagegen die Gottesfürchtigen ehrt, sein Gelübde hält, selbst wenn es ihm Schaden bringt; sein Geld nicht um Wucherzinsen verleiht und keine Bestechung nimmt selbst für einen Unschuldigen« (Ps. 15). Dann trat Jesaia auf und faßte sie in sechs zusammen: »Wer von uns wird weilen bei dem verzehrenden Feuer, den ewigen Gluten ? Wer recht handelt, gerade spricht, Bedrückergewinnst verwirft, seine Hände schüttelt, daß sie nicht nach Bestechung greifen,
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sein Ohr verstopft, daß es von Blutschuld nichts höre, sein Auge schließt, daß es Böses nicht sehe« (Jes. 33, 14 f.). Micha kam dann und faßte sie in drei zusammen: »Man hat es dir, o Mensch, gesagt, was recht ist und Gott von dir verlangt: Recht üben, Liebe zur Gnade und bescheiden wandeln in deinem Gott« (Micha 6, 8). Dann faßte sie Jesaia wieder in zwei zusammen: »Beobachtet Recht und übet Gerechtigkeit« (Jes. 56, 1). Schließlich kam Arnos und faßte sie in eines zusammen: »Suchet mich und bleibet am Leben« (Arnos 5, 4) 33). — Anani b. Sason, er lebte gegen Ende des dritten Jahrhunderts, war der Anschauung, daß gleich den Opfern auch die Priestergewänder ein Sühnmittel wären. Und zwar folgendermaßen: Der Leibrock sühnt Blutvergießen. . . . Die Unterbeinkleider sühnen Blutschande, der Kopfbund sühnt Hochmut, der Gürtel die sündhaften Gedanken des Herzens, das Brustschild sühnt (ungerechte) Rechtssprüche, das Ephod Götzendienst, der Oberrock Verleumdung, das Diadem sühnt Frechheit 34). — Wenn die Israeliten am Sabbat Gott preisen, ruft ihnen der Herr — so meinte der Agadist Acha — zu: Meine Kinder, sprechet laut, damit es die Genossen, — das sind die Engel des Dienstes — hören und richtet euer Augenmerk darauf, euch gegenseitig nicht zu hassen, nicht zu beneiden, nichts Böses gegeneinander zu sinnen, gegenseitig euch nicht zu beschämen, damit die Engel des Dienstes nicht sprechen: Sie halten die Thora nicht, die du ihnen gegeben hast, Haß, Neid, Mißgunst und Bosheit herrschen unter ihnen 35). — Ein »Perlenausspruch« des Babyloniers Abaji lautet: Der Mensch sei erfinderisch im Bezeigen der Gottesfurcht: er sei sanft, milde, friedfertig gegen Brüder, Verwandte, gegen jedermann, selbst gegen die Feinde auf der Straße, damit er geliebt sei vor Gott und angenehm, gut gelitten vor den Menschen 36). — Den Satz Ex. 18,20b: »Mache ihnen bekannt den Weg, den sie gehen sollen, und die Tat, die
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sie tun sollen« erklärte der Babylonier Josef (nach einer Baraitha) dahin, daß unter dem Worte »mache ihnen bekannt« verstanden sei »der Nahrungszweig«; »den Weg« bedeute Liebeswerke; »den sie gehen sollen«, das ist Krankenbesuch; »den« ist Beerdigung; »die Tat« ist der Richtspruch; »die sie tun sollen « will sagen: über das Maß des bloßen Rechts hinaus 37).« Die Männer, deren Worte hier zitiert sind, gehören zu den anerkanntesten Autoritäten und rabbinischen Gründern des »Gesetzes«. Warum nennt H i 1 1 e 1 nicht ein großes Ritualgesetz den Fundamentalsatz der Religion, warum nicht R. A k i b a ? Warum suchen J o c h a n a n b. S a k k a i und seine Schüler den rechten Weg zu Gott n u r in der religiösen Ethik ? Wie kommt M e i r auf den Gedanken, ein Gelübde aufzuheben, wenn es die Vernachlässigung ethischer Pflichten mit sich bringt? Mit welchem Recht nennt K a p p a r a einen religiös-ethischen Bibelsatz den Satz, an dem alle Satzungen der Schrift hängen ? Warum verspricht die Mischna den Lohn Gottes in beiden Welten gerade für sittliche Taten ? Und warum ist es nur die religiöse Sittlichkeit, die Israel nie unter Fremdherrschaft hätte kommen lassen ? J o s u a b. L e v i läßt in der Verteidigungsrede Mosis gegen die Engel mit keiner Silbe ein Ritualgesetz erwähnen; S i m 1 a i kennt in seiner Zusammenfassung der 613 Vorschriften ausschließlich das Sittengesetz; die Priestergewänder sühnen nur Vergehungen gegen die ethischen Ideale der Religion; der Vorwurf, den die Engel des Dienstes gegen Israel richten und vor dem Israel sich schützen soll, ist nur ethischer Natur, die Babylonier A b a j i , J o s e f , R a b a stellen nur ethische Forderungen als Hauptgrundsätze des Judentums auf. Ist das alles wirklich nur Zufall, sind das nur nebensächliche Sentenzen ? In Presbers »Die Bücher des deutschen Hauses« ist als 83. Bändchen ein Büchlein von Theodor Kappstein erschienen: »Leuchten der MenschZiegler, Geistesreligion. A
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heit.« In diesem Büchlein spricht Kappstein ausführlicher über das Judentum in vier Aufsätzen (S. 139 ff.). Da wird das deutsche Publikum, das deutsche Haus über die religionsgesetzliche Tätigkeit der Pharisäer folgendermaßen aufgeklärt: »Auf Schritt und Tritt, vom Morgen bis zum Abend, von der Geburt bis zum Grabe hatten sie Tun und Lassen dem echten Israeliten mit unglaublichem frommen Raffinement vorgeschrieben. . . . Dieser fromme Fanatismus ließ sie im Bunde mit den Schriftgelehrten die sogenannten Midrasche ausarbeiten. . . . A l l e s , w a s da g e s c h r i e b e n s t e h t , i s t h a a r s p a l t e n d und h a a r s t r ä u b e n d ! So überwucherte bald die w i l l k ü r l i c h s t e T r a d i t i o n das G e s e t z M o s e s v o l l k o m m e n « (S. 178 f.). In dem Aufsatz über den Täufer schreibt Kappstein: »Und der Konflikt ? Die harte Forderung der Gerechtigkeit vor Gott, wie sie im G e g e n s a t z e zu der r a b b i n i s c h e n S t i c k l u f t die reine Luft der mosaisch-prophetischen Tradition für jeden Israeliten war oder hätte sein sollen, ist des Täufers Schibboleth« (S. 190). — Ich frage aber Herrn Kappstein: Sind diese Sätze, die ich hier auf diesen Seiten zitiert habe, wirklich so haarspaltend und haarsträubend, ist das wirklich rabbinische Stickluft? Ich frage Herrn Kappstein auf Ehre und Gewissen, ob es angeht, über Schriftgelehrten, die solche religiös-ethische Mahnungen an das Volk richten, ein derartig vernichtendes Urteil zu fällen und sie ad maiorem dei gloriam in den Augen des deutschen Publikums solcherweise herabzusetzen? Und dabei unterschiebe ich Herrn Kappstein nicht das geringste t e n d e n z i ö s e Übelwollen. Er hat es eben so gelernt. Die Urquellen sind ihm unbekannt, und auf Treu und Glauben nimmt er das Urteil seiner Lehrer auf und verbreitet es als unverfälschtes Ergebnis objektiv wissenschaftlicher Forschung. Jedoch, wir wollen aus diesen verstreuten Einzelsentenzen, wie sie
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von uns da aneinandergereiht wurden, noch keine endgültigen Schlüsse ziehen. *
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Kundigen Lesern sage ich sicherlich nichts Neues, nenne ich die Kardinalsünden, die zu begehen nach einmütiger Ansicht sämtlicher Schriftgelehrten der Jude sich vor allem hüten muß. Sie sind: Götzendienst, Unzucht und Mord, hebräisch: »Aboda sara, Gilluj arajoth und Schefichuth damim«. Von der Bedeutung dieses Verbotes zeugt die rabbinische Auffassung, daß es schon Adam und den Söhnen Noas wäre erteilt worden 38), nicht minder, daß es selbst in die Heidenmission des jungen Christentums vorbehaltlos aufgenommen wurde 39). Es ist sehr lehrreich, die wichtigsten Aussprüche der Weisen über diese Sünden vom Standpunkte der Religion kennen zu lernen. So heißt es einmal: Wo es gilt, Menschenleben zu retten, dürfe, ausgenommen zur Zeit allgemeiner Religionsverfolgung, jedes Verbot übertreten werden, nur nicht das Verbot des Götzendienstes, der Unzucht und des Blutvergießens 4»), — R. Jochanan erzählte, er hätte von Simon b. Jehozadak gehört, daß die Weisen im Lud folgenden Beschluß gefaßt hätten: »Welches Verbot der Thora immer dürfe der Mensch übertreten, wenn man ihm droht: übertritt es, sonst wirst du getötet, mit Ausnahme des Verbotes, Götzendienst zu treiben, Unzucht zu verüben und Blut zu vergießen 41). Ein anderes Wort desselben Meisters lautet: »Alles darf man als Heilmittel verwenden, nur nicht Dinge, die mit Götzendienst, Unzucht und Mord zusammenhängen 4«). »Meine Rechte sollet ihr ausüben« (Lev. 18, 4). Das bezieht sich auf jene in der Thora niedergeschriebenen Satzungen, die, wären sie nicht schon geschrieben, hätten geschrieben werden müssen, wie das Verbot des Raubes, der Unzucht, des 4*
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Götzendienstes, der Gotteslästerung und des Blutvergießens« 43). — »Wegen folgender Dinge wird der Mensch schon hienieden bestraft, doch die Hauptstrafe bleibt ihm aufgespart für die kommende Welt: wegen Götzendienstes, Unzucht und Mord« 44). — »Wenn du gegen deinen Feind zum Kriege ziehen willst, m u ß t du dich gehütet haben vor jeder bösen Tat« (Deut. 23, 10). »Ist darunter etwa gemeint das Gesetz über Reinheit und Unreinheit oder über Zehnt ? Darum heißt es weiter (V. 15): »er soll an dir nichts von Blöße sehen«, sonach ist unter jeder bösen Tat Unzüchtiges zu verstehen. Woher wäre nun zu entnehmen, daß man sich ebenso vor Götzendienst, Blutvergießen und Gotteslästerung hüten müsse ? Weil es heißt: » mußt du dich gehütet haben vor j e d e r bösen Tat«45). — »Ihr habet gesehen, was ich an Ägypten getan habe« (Ex. 19, 4). Nicht etwa als Tradition sage ich es euch, auch habet ihr es nicht nur schriftlich, und nicht mittels Zuschrift teilte ich es euch mit und auch nicht mittels Zeugen, sondern ihr habet es g e s e h e n . Sehet, wegen wie vieler Sünden die Ägypter strafbar waren: wegen Götzendienstes, Unzucht und Mord, und doch habe ich sie nur euretwegen gezüchtigt 46). Über Götzendienst waren folgende Grundsätze allgemein verbreitet: Das Gebot, keinen Götzendienst zu treiben, wiege a l l e andern Gebote auf 47). — »Wer Götzendienst treibt, der ist, als verübte er Ehebruch gegen Gott« 48). — »Denn ich der Herr dein Gott bin ein eifervoller Gott« (Ex. 20, 5). Voller Eifer züchtige ich den Götzendienst, aber gnädig und barmherzig bin ich bei anderen Vergehungen« 49). — »Wer sich zum Götzendienst bekennt, leugnet die zehn Gebote und alles, was Mose, den Propheten und den Vätern befohlen worden; und wer den Götzendienst verleugnet, bekennt sich zu den zehn Geboten und zur ganzen Thora«5°). — »Solange Götzendienst in der Welt vorhanden ist, herrscht auch der Zorn Gottes über der Welt;
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mit dem Götzendienst schwindet auch der göttliche Zorn«?1). — »Wer des Götzendienstes verdächtig ist, ist auch verdächtig, alle Gesetze der Thora zu übertreten« 52). — »Wer den Götzendienst leugnet, bekennt sich zur ganzen Thora« 53). — R. Jochanan sagte, Mardechaj stamme zwar von Benjamin ab, wurde aber doch Judäer genannt, weil er sich öffentlich geweigert hat, dem Götzendienst zu huldigen. Denn wer den Götzendienst verleugnet, wird Judäer genannt 54). — Von dem eben genannten Jochanan tradierte Abahu folgenden Satz: »Wenn ein Prophet es fordert, darfst du jedes Thoraverbot übertreten, mit Ausnahme des Götzendienstes. Selbst wenn dir jener Prophet die Sonne in der Mitte des Firmaments zum Stillstand bringt, höre nicht auf solches Verlangen« 55). — Ahaba, der Sohn Seiras, meinte, wer nicht Wahrsagerei treibt, gelange nach seinem Tode in eine so nahe Sphäre des göttlichen Thrones, die nicht einmal die Engel des Dienstes betreten dürfen 56). Nicht minder streng lauten die Worte der Weisen über Unzucht und Mord. Bar Kappara lehrte, daß alles vor Gott gesühnt werden könne, nur Unzucht nicht, mit der habe Gott keine Geduld 57). — »Er soll nicht irgendeine Blöße an dir sehen, sonst wendet er sich ab von dir« (Deut. 23, 15). Das lehrt, daß Unzucht die göttliche Majestät entfernt58). — Raba lehrte: »Wer Ehebruch verübt, mag er auch die Thora, von der es heißt, sie sei kostbarer als Edelsteine (Prov. 3, 15) bei dem Hohenpriester gelernt haben, der Eintritt hat ins Allerheiligste, die Sünde bringt ihm Höllenstrafe« 59). — Rab sagt wieder: Der Ehebrüchige, er mag sonst wie Abraham Gottes Allmacht anerkennen, wird nicht frei von der Strafe der Hölle. Schela meinte, auch dann nicht, wenn er sonst die Thora gleich Moses auf sich genommen hat, und nach. R. Jochanan nicht einmal, wenn er im Geheimen Gutes hat 60 ). — »Wer Blut vergießt, der ist, als ob er geringschätzen würde das Bild
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des Königs« 61 ). — »Wenn jemand seine nNächsten haßt, ihm auflauert, über ihn herfällt und ihn tötet. . . schone ihn nicht« (Deut. 19, 11 ff.). Daher sagten sie (die Weisen): Wenn jemand ein geringes Gebot zuerst übertritt, wird er schließlich ein schweres übertreten. Übertritt er das Gebot: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« (Lev. 19, 18), wird er zum Schluß auch das Gebot übertreten: »Hasse nicht deinen Bruder in deinem Herzen . . . sei nicht rachsüchtig . . . trage nicht nach (ibid. V. 17, 18), dann das Gebot: »Dein Bruder lebe mit dir (Lev. 25, 36), bis er schließlich auch zur Sünde des Mordes kommt«62). — »Gib Versöhnung deinem Volke Israel, das du, o Herr, erlöst hast« (Deut. 2 1 , 8). Du hast uns unter der Bedingung erlöst, daß unter uns kein Blutvergießen sei« 63). — »Wegen der Sünde des Blutvergießens zog sich die göttliche Majestät zurück und das Heiligtum ward verunreinigt« 64). Handelt es sich in diesen Kardinalsünden um etwas anderes als um Vergehungen gegen die sittliche Weltordnung? Warum wurde nicht die Übertretung einer Ritualvorschrift zu einer solchen Kardinalsünde gestempelt ? J a , Gehässigkeit, Mangel an Wohltätigkeit, an nachsichtsvoller Milde werden ebenso scharf getadelt, aber die Nichtbeachtung eines Zeremonialgesetzes nicht. Jochanan ben Tortha sagte: »Warum wurde der erste Tempel zerstört? Weil darin Götzendienst, Unzucht und Mord geherrscht haben. Aber vom zweiten Tempel wissen wir, daß sie sich zu jener Zeit um die Thora bemüht und auf den Zehnt geachtet haben, warum mußten sie da ins Exil ? Weil sie am Gelde hingen und einer den andern haßte. Das lehrt dich, daß schlimm ist vor Gott der Haß ohne Ursache und daß die Thora ihn gleichstellt mit Götzendienst, Unzucht und Mord«68). — »Und es war Hungersnot zur Zeit Davids drei Jahre lang, J a h r auf Jahr« (II. Sam. 2 1 , 1). Im ersten Jahre sprach er zu ihnen: Sind vielleicht Götzendiener unter euch ? . . . Man suchte und fand keine. Im
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zweiten frug er: Treibt man vielleicht Unzucht unter euch ? Man suchte und fand nicht. Im dritten Jahre frug er: Vielleicht gibt es unter euch Leute, die öffentlich Almosen bestimmen und nicht geben ? Man suchte und fand keinen«66). — »Die Strafe der Übertretung des Gesetzes über gerechte Maße ist schwerer als die für Unzucht«6?). *
Aber nicht nur diese Kardinalsünden werden als die größten Vergehungen angesehen, auch sonst gilt die Mißachtung der sittlichen Lebensführung für die strafwürdigste Verletzung der Religion, und die Weisen suchen nach den schärfsten Strafandrohungen, um das Volk zur Ehrfurcht vor der sittlichen Gotteswelt zu erziehen, wie sie anderseits nicht Worte genug haben, um die Befolgung der Sittlichkeitsgebote zu rühmen, für sie göttlichen Lohn zu verheißen. Es ist nicht Zufall, daß die Sentenzen über die sittlichen Gebote vielfach gruppiert, zusammengestellt sind, offenbar, um sie dem Gedächtnisse besser einzuprägen. Eine solche Sentenzengruppe ist in B. Sota 5 a b über Bescheidenheit enthalten. Da heißt es: Chijja bar Abba tradierte einen Satz Jochanans: Wer hochmütig ist, versündigt sich zum Schluß am Weibe eines andern. . . . R. Jochanan lehrte den Satz Simon b. Jochais, ein Hochmütiger sei wie ein Götzendiener . . . und er selbst meinte, der Hochmütige sei dem gleichzustellen, der das Wesen der Religion leugnet. : . . Nach Chama b. Chanina begehe ein Hochmütiger eine solche Sünde, wie einer, der sich vergeht gegen alle Unzuchtsverbote. . . . Nach Ula ist ein Hochmütiger so, als hätte er einen Höhenaltar errichtet. . . . Ammi, oder Assi, soll es gesagt haben, jeder Hochmütige werde einmal erniedrigt. . . . R. Eleasar sagt: Jeden Hochmütigen sollte man wie einen Götzenhain umhauen. . . . Wer hochmütig ist, dessen Staub wird bei der Auferstehung
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nicht erweckt. . . . Wer hochmütig ist, über den stimmt die Majestät Gottes ein Klagelied an. . . . R. Chisda, nach anderen Mar Ukba, lehrte: Wer hochmütig ist, von dem sage Gott: Ich und er, wir können nicht zusammen auf Erden weilen. . . . Nach R. Alexander bringe den Hochmütigen der kleinste Wind in Verwirrung. Und nach Chiskia werde des Menschen Gebet nur erhört, wenn er sein Herz so weich (bescheiden) wie Fleisch macht. R. Aschi stimmt mit dem älteren Palästinenser Ammi überein, wenn er behauptet, der Hochmütige werde letzlich geringgeschätzt. . . . Siehe, sprach Josua ben Levi, wie groß die Demütigen vor Gott sind! Als das Heiligtum stand und der Mensch ein Ganzopfer darbrachte, kam ihm der Lohn für das Ganzopfer zu; brachte er ein Speiseopfer, der Lohn dessen. Dem Demütigen aber rechnet es Gott an, als hätte er sämtliche Opfer gebracht, denn es heißt: »Den Opfern Gottes ist gleich ein gebrochenes Herz« (Ps. 51, 19) . . . sein Gebet wird nicht v e r w o r f e n . . . . Welche religiöse Bedeutung der Bescheidenheit von allen Talmudweisen sämtlicher Zeitalter zugeschrieben wird, mag noch aus nachstehenden Zitaten ersichtlich sein. Als Simon b. Gamliel und Ismael gefangen genommen und zum Tode verurteilt wurden, saß, so erzählt die Legende, Simon reumütig vor sich hinstarrend und sprach: Wehe uns, daß wir hingerichtet werden, als wären wir Sabbatübertreter, Götzendiener, Unzüchtige oder Mörder. Da sprach zu ihm Ismael b. Elischa: Gestattest du, daß ich dich etwas frage. Sprich! sagte Simon. Er sprach: Als du gemächlich bei deiner Malzeit saßest, vielleicht kamen da Arme, stellten sich vor deine Tür, du aber ließest sie nicht eintreten und essen. Er erwiderte: BeimHimmel, wenn ich so getan hätte! Nein. Wächter ließ ich vor der Türe sitzen, damit sie, wenn Arme kamen, diese gleich zu mir hineinführen, damit sie mit mir essen und trinken und das Tischgebet sprechen. Darauf der andere: Viel-
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leicht, d a d u a m Tempelberge deine Vorträge hieltest u n d d i e M e n g e v o n J u d e n v o r dir s a ß , v i e l l e i c h t k a m S e l b s t ü b e r h e b u n g ü b e r dich ? D a rief e r : I s m a e l , m e i n B r u d e r , j e d e m M e n s c h e n ist sein S c h i c k s a l b e s t i m m t 68 ). — »Wer b e s c h e i d e n ist, u m d e s s e n t w i l l e n r u h t die g ö t t l i c h e M a j e s t ä t bei den Menschen im Lande. . . . Der H o c h m ü t i g e a b e r b r i n g t es d a z u , d a ß d a s L a n d u n r e i n w i r d u n d d i e g ö t t l i c h e M a j e s t ä t sich e n t f e r n t . . . . W i e d e r G ö t z e n d i e n s t d a s L a n d verunreinigt u n d die göttliche M a j e s t ä t vertreibt, s o a u c h d e r H o c h m u t « 69). — D i e sich d e m ü t i g e n lassen, o h n e a n d e r e z u d e m ü t i g e n , die sich s c h m ä h e n lassen, o h n e z u e r w i d e r n , d i e alles a u s L i e b e t u n u n d sich f r e u e n m i t P r ü f u n g e n , v o n d e n e n h e i ß t e s : ,Die i h n lieben, w e r d e n d e r S o n n e gleich sein, w e n n sie in i h r e r M a c h t a u f g e h t ' ( R i e h t . 5, 31) 7°). — R . J o c h a n a n s a g t e : W o d u in d e r H a g g a d a d i e W o r t e E l a s a r s , d e s S o h n e s des J o s e d e s G a l i l ä e r s h ö r s t , m a c h e d e i n e O h r e n e i n e m T r i c h t e r gleich. , Nicht wegen eurer großen Zahl unter den Völkern h a t e u c h d e r H e r r l i e b g e w o n n e n ' ( D e u t . 7, 7). G o t t s p r a c h z u I s r a e l : I c h liebe e u c h , weil i h r e u c h s e l b s t n i e d r i g e r gestellt h a b e t , d a ich G r ö ß e e u c h in Ü b e r f l u ß g e g e b e n h a b e . I c h g a b G r ö ß e d e m A b r a h a m , u n d er s p r a c h : , I c h b i n n u r S t a u b u n d A s c h e ' (Gen. 18, 2 7 ) ; d e m Mose u n d A r o n , d i e a b e r s p r a c h e n : , W a s s i n d w i r ? ' ( E x . 16, 7 ) ; d a n n D a v i d , d e r j e d o c h s p r a c h : , I c h b i n n u r ein W u r m , k e i n M a n n ' ( P s . 22, 7). A n d e r s die V ö l k e r d e r W e l t . I c h g a b G r ö ß e d e m N i m r o d , d e r a b e r r i e f : , W o h l a n , l a s s e t u n s eine S t a d t b a u e n ' (Gen. 1 1 , 4 ) ; d e m P h a r a o , u n d d e r s p r a c h : , W e r ist G o t t ? ' ( E x . 5 , 2 ) ; d e m S a n h e r i b , d e r w i e d e r s p r a c h : , W e r u n t e r a l l e n G ö t t e r n d e r L ä n d e r h a t sein L a n d a u s m e i n e r H a n d e r r e t t e t ? ' (Reg. I I . 18, 3 5 ) ; d e m N e b u k a d n e z a r , u n d d e r r i e f : , I c h will zu W o l k e n h ö h e n e m p o r s t e i g e n , d e m H ö c h s t e n gleich s e i n ' ( J e s . 14, 14); d e m Chiram, König von Tyrus, und der sprach: ,Einen Gottess i t z n e h m e ich e i n i m H e r z e n d e r M e e r e ' ( E z e k h . 28, 2) 7 1 ). —
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Raba, nach anderen Jochanan, lehrte: Die Welt besteht nur um des Verdienstes Mosis und Arons willen. Denn diese sprachen: ,Was sind wir' (Ex. 16, 7), in Hiob aber heißt es von der Schöpfung: ,Der die Erde aufhängt an einem Nichts' (26, 7) 7')*. — R. Ilaa meinte: ,Die Welt bestehe nur um dessentwillen, der sich stumm verhält bei einem Streite . . . nach Abahu dem zuliebe, der so bescheiden sich drückt, als wäre er gar nicht da, denn es heißt: ,Und die Arme der Welt sind unten' (Deut. 33, 27) 73). — Jehuda sagte im Namen Rabs: »Den Gottesnamen, der aus 42 Buchstaben besteht, überliefert man nur dem, der bescheiden, demütig ist, in höherem Mannesalter steht, nicht jähzornig ist, sich nicht berauscht und nicht nachträgt«?^. — Mar erklärte: »Wer hochmütig ist, verfällt der Strafe der Hölle« 75). Wird man nach solchen Sätzen doch nicht endlich sich bemüßigt fühlen, das Urteil zu rektifizieren, wonach jüdische Religion nur Gesetzesreligion wäre? Und ist es nach solchen Aussprüchen über Bescheidenheit und Demut am Platze, generalisierend von dem religiösen Hochmut zu sprechen, der angeblich das spätere Judentum ausgezeichnet haben soll (Gressmann) ? Wenn Männer, die solchermaßen die Demut eine religiöse Forderung nennen, voll Stolz waren auf ihre Religion gegenüber dem Heidentum, wäre es nicht besser, diesen Stolz auf seine innere Berechtigung zu prüfen, ihn mit den damaligen Zeitverhältnissen in Einklang zu bringen, als ihn von vornherein als religiösen Hochmut zu stigmatisieren, natürlich nur, um das Judentum im Zeitalter Jesu und der Apostel an die Wand zu drücken ?! Das Kapitel über Jesu Demut müßte nach diesen Aussprüchen denn doch in ein anderes Licht gestellt werden, als es bis jetzt geschah. *
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*) Das Wortspiel ist unübersetzbar : HD
bv-
n^lD
HD 13F"D
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Womöglich noch kräftiger klingen die Worte der Talmudweisen zu allen Zeiten, wo es sich um die religiöse Bewertung von Recht und Gerechtigkeit handelt. B. Sanhedrin 7 a b ist eine Sammlung von Lehren über den gerechten Richter. Samuel bar Nachman tradierte einen Satz Jonathans: »Jeder Richter, der ein wahrhaftes Urteil spricht, bewirkt, daß die Schechina in Israel ruhe. . . . Wer das nicht tut, bewirkt, daß sie sich von Israel entferne. . . . Ein Richter, der unrechtmäßig dem nimmt, jenem gibt, dem nimmt Gott das Leben. . . . Jeder Richter betrachte sich selbst so, als läge ein Schwert zwischen seinen Lenden und wäre die Hölle zu seinen Füßen geöffnet. . . . Simon b. Lakisch lehrte: Wer einen unwürdigen Richter über die Gemeinde setzt, ist so, als hätte er eine Aschera gepflanzt.« — Eine kleine Sammlung ist auch in B. Sabbat 1 3 9 a . »Jose ben Elischa sagte: Siehst du, daß über ein Geschlecht große Nöten hereinbrechen, geh' und forsche, wie es um die Richter in Israel bestellt ist, denn alle Strafen kommen der Welt nur zu wegen der schlechten Richter in Israel. . . . Gott läßt seine Schechina nicht eher über Israel ruhen, als bis sämtliche bösen Richter und Aufseher aus Israel geschwunden sein werden. . . . Ula sagte: Jerusalem wird nur durch Gerechtigkeit erlöst, nach Jes. 1, 27. . . . Papa wieder sagte: Hören die Übermütigen in Israel auf, verschwinden auch die Magier; hören die schlechten Richter auf, gibt es auch keine Steuereintreiber.« — Daß sich die Midraschsammler jene Bibelsätze, die vom Volke Wahrheit im Gericht fordern, nicht entgehen lassen, um da die mannigfaltigsten Aussprüche über Gerechtigkeit aneinanderzureihen, ist selbstverständlich. So lesen wir in Rabboth zu Ex. Kap. 2 1 : »Gott sprach zu Israel: Übet Recht hienieden, dann rette ich euch, daß ihr nicht zur Höllenstrale verurteilt werdet. . . . R . Elasar sagte: »Die ganze Thora hängt am Recht. Darum gab Gott die Rechtssatzungen nach den 10 Geboten. . . . So ist Sodom
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nur untergegangen, weil es das Recht übertrat, und auch Jerusalem ging nur ins E x i l wegen seiner Rechtsübertretung. . . . Moses sprach zu Israel: Wohlan, Gott gab euch seine Thora. So ihr nicht Recht üben werdet, nimmt er euch seine Lehre weg, denn er hat sie euch nur gegeben, damit ihr Recht übet«?6). Eine Reihe ähnlicher Sentenzen ist auch in Rabboth zu Deut. 16, 18 ff.: »Simon b. Gamliel lehrte: Spotte nicht über das Recht, denn es ist eines der drei Füße der Welt. W a r u m ? Weil die Weisen lehrten: Auf drei Dingen stehe die Welt: auf Recht, Wahrheit und Frieden. Wisse daher, wenn du das Recht beugst, machst du die Welt wanken, denn das Recht ist einer seiner drei Füße. Die Rabbinen sagten: Groß ist die K r a f t des Rechts, denn es ist einer von den Füßen des göttlichen Thrones. . . . »Recht und Gerechtigkeit üben ist Gott lieber als Opfer« (Pr. 21, 3). Es heißt nicht, es sei Gott lieb wie Opfer, sondern lieber als Opfer. Wie das ? Opfer brachte man nur im Tempel dar, Recht und Gerechtigkeit übte man zur Zeit des Tempels und auch ohne Tempel; Opfer sühnen nur Irrungen, Recht und Gerechtigkeit sühnt irrtümliche und absichtliche Versündigung; Opfer bringt man nur auf dieser Welt, Recht und Gerechtigkeit übt man in dieser und in der kommenden Welt. . . . Gott sprach: Unter allen Völkern, die ich erschaffen habe, liebe ich am meisten Israel, und von allen Dingen, die ich erschaffen habe, liebe ich nichts so sehr als das Recht. So gebe ich denn das, was ich am meisten liebe, dem Volke, das ich am meisten liebe. . . . Gott sprach zu Israel: Meine Kinder, bei euerem Leben, ich selbst werde erhoben, wenn ihr Recht übet. . . . Und weil ihr mich verherrlichet durch Recht, bin ich wohlwollend gegen euch und lasse meine Heiligkeit unter euch weilen. . . . Und so ihr beides beobachten werdet, Recht und Gerechtigkeit, werde ich sofort vollständige Erlösung euch zuteil werden lassen«77).
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Mit den folgenden zwei Aussprüchen wollen wir die Zeugnisse schließen, die bekunden, wie man in der rabbinischen Stickluft über den Wert des Rechts gedacht und gesprochen hat. »Tue kein Unrecht im Gericht« (Lev. 19, 15). Das lehrt dich, daß der Richter, der das Recht krümmt, ein schlechter und verhaßter genannt wird, ein abscheulicher, Bann und Gräuel. Er ist Ursache von fünf Strafen: er verunreinigt das Land, entweiht den Namen Gottes, vertreibt die Schechina, überliefert Israel dem Schwert und vertreibt es aus seinem Lande«78). — Chijja bar Rab aus Difte lehrte: »Ein Richter, der auch nur eine Stunde ganz wahrhaftig richtet, dem wird es so angeschrieben, als hätte er mit Gott gemeinsam die Welt erschaffen« 79). •*
Wo mit solchen Worten das Recht als höchstes Gut der Nation und der Religion gepriesen wird, sollte die Rechtlichkeit im Handel, im Erwerbsleben weniger hochgeschätzt worden sein? Der Kundige weiß es, wie die Talmudweisen den ehrlichen Handel allezeit als eine der ersten religiös-sittlichen Forderungen aufgestellt haben. Einige Sätze mögen das auch hier bestätigen. R. Elieser aus Modiim (um 100) sagte: »Wenn du tust, was recht ist in seinen Augen« (Ex. 15, 26). Das betrifft den Handel und lehrt dich, daß die Menschen an jedem, der seinen Handel mit Wahrhaftigkeit betreibt, ihr Wohlgefallen haben; es wird ihm angerechnet, als hätte er alle Satzungen der Thora erfüllt«80). — Chananje b. Chakhinaj sprach: »Wenn jemand sündigt und eine Treulosigkeit gegen Gott begeht und seinen Nächsten belügt« (Lev. 5, 21). Kein Mensch betrügt seinen Nächsten, wenn er nicht vorher einmal Gott verleugnet hat« 81 ). — Abaji erklärte den Vers Deut. 6, 5 folgendermaßen: »Der Name Gottes soll durch dich geliebt werden; er soll die Bibel
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lesen und die Tradition lernen und um die Weisen herum sein und seine Geschäfte mit den Menschen ehrlich betreiben. . . . Wer jedoch liest, lernt, die Weisen bedient, aber unehrliche Geschäfte macht und nicht sanft spricht mit den Menschen, was sagen die Leute von dem ? Wehe ihm, daß er gelernt hat; wehe seinem Vater, daß er ihn in der Thora unterrichten ließ; wehe seinem Lehrer, daß er ihn lehrte. Sehet, er, der Thora gelernt hat, wie krumm sind seine Taten, wie häßlich seine Wege«82). Man wird hier entgegenhalten, daß alle diese schönen Sentenzen nur zwischen Juden Geltung fanden, während der Nichtjude als vogelfrei betrachtet wurde. Gewiß, die Härte gegen den Ausländer, die sich sowohl in der Bibel wie auch im Talmud hie und da findet, wird jeden edeldenkenden modernen Menschen abstoßen. Vergessen wir aber nicht, daß in jedem Staate zu allen Zeiten de Gesetze bezüglich der Ausländer reziprok waren, und daß hierin kein Land eine Ausnahmestellung einnehmei konnte. »Haust du deinen Ausländer, haue ich meinen Ausländer«, das galt in alten Zeiten, wie es auch heute git. Moses konnte dem Ausländer gegenüber nicht milder sein als die anderen Völker waren; ebensowenig konnten ind durften die Führer des späteren Judäa in bezug auf das Ausländerrecht auf ein höheres Niveau sich stellen ir der Mitte von Nationen, die ihre harten Ausländergesetze die Juden ununterbrochen fühlen ließen. Doch warum von alten Zeiten sprechen? Ein Zeitalter, das ruhig nitansieht, wie die rumänische Regierung mit ihren Fremdmgesetzen ihre Vertragspflichten umgeht; das ohne mit d) ibid. »7) Pea i, 1 ; B. Kidduschin 39 b. l 8 ) B. Sabb. 127 a; vgl. Mischna Pea Ii. *9) B. Jebam. 62 b, Sanhedr. 76 b. 3») Sifre zu Deut. 32. 29 (§ Î23)- 3I ) Zu Lev. 19, 36 (91 a). 3») B. Sabb. 88 b f. 33) B. Makk. 23 b f. 34) B. Sebach. 88 b, Jer. Joma 44 b, Lev. r. X6. »5) Cant. r. zu 8, 12. 3«) B. Ber. 17 a. 37) B. Baba kama 99 b f., Baba mez. 30 b. 3«) Tos. Ab. sara IX 4 , B. Sanh. 56 a f., Gen. r. XVI«, XXXIVs. 39) Apostelg. 15, 19 f. 40) Tos. Sabb. XV17, B - J ° m a 8 2 a - 4 0 B. Sanh. 74 a 4») B Pes. 25 a f. 43) Sifra z. St. B. Joma 67 b. 44) Tos. Pea I». 45) Sifre z. St. (§ 254). 4«) Mech. z. St. (62 b). 47) Mech. zu Ex. 12, 6 (5 a). 4«) ibid. zu 20, 16 (78 b> 49) ibid. zu 20, S (68 a). 5») Sifre zu Num. 15, 22 (§ I i i ) . 5') ibid. zu Deut. 13. 18 (§96), B. Sanh. m b. 5>) Tos. Bech. III,j, B. Joma 85 a. 53) B. Ned. 25 a, Kidd. 40 a, Scheb. 29 a. 54) B Meg. 13 a. 55) B. Sanh. 90 a. 5«) B. Ned. 32 a. 57) Tanch. B. Gen. 47 a, Gen. r. XXVI5. 5«) Sifre z. St. ) A b . R . N . I I 9 a .
N i d d a 13 b ( R . A m m i ) .
5) A b . I V , .
7) B . S u k k a 52 a f . , K i d d . 3 0 b . 32 b , T a n c h . B . G e n . 102 f.
(60 b).
«) G e n . r . L I V , , P e s . r . 32 b .
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2
2
») B.
) A b . R . N . I 47 a . '7) M e c h . z u E x . 18, 27
T a n c h . B . E x . 57 b , D e u t . 8 a .
XLVIII,,.
9) B . N e d .
'3) S i f r e z u D e u t . 6, 6 ( § 33). '4) B . B a b a -
'«) B . S u k k a 52 a f., K i d d . 3 0 b .
XLI7, VI,4.
'5) B . S a n h . 4 3 b .
4) B . S a b b . 105 b ,
'») L e v . r . X X I V s ; v g l . i b i d . X X V I 5 .
S a b b . 105 b . « ) E x . r . X X X , 7 . m e z . 32 b .
3) A b . I I , , .
«) G e n . r . L I V , ; v g l . P e s . K . 8 0 a .
'9) B . S a n h . 105 a . » ) E x . r« ")
B . S u k k a 52 a.
" ) Gen. r.
3) E x . r . X L V I 4 . »4) N u m . r . X V I I « . '5) D e u t . r. I I 3 „ .
îé
) ibid.
7) T a n c h . B . G e n . 14 a . >8) i b i d . L e v . 4 0 b . 29) B . B e r . 60 b . 3») N u m . r .
X I V 4 , K o h . r . z u 12, I i ; P e s . r . 7 b . 33) B . B e z a 25 b .
3') A b . R . N . I 3 5 b f. 3») i b i d . 32 b .
M) M e c h . zu E x . 22, 3 0 ( 9 8 a).
S i f r a zu L e v . 20, 6 f .
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3$) B. Ab. sar. 5 b. 3«) Tos. Ber. IV,, B. Ber. 35 a. 37) ibid. 49 a. 3«) B. Ab. sara 20 b. 39) B. Men. 99 b. 4«) B. Ber. 5 a. 4') Pes. r. 136 a. Tanch. B. Lev. 40 b. 4«) Gen. r. XXII6. 43) Pes. K. 80 b. 44) Tanch. Deut. 17 a, Jalk. Pr. §937. 45) Sifre zu Deut. 22, 1 (§222). Sifra zu Lev. 19, 24 (R.Akiba). B. Kidd. 21 b u. a. St. 46) Sifre zu Deut. 11, 22 (§ 48), Ab. R . N . I 35 a f . 47) Sifre zu Deut. n , 15 (§43). 4«) Sifre zu Deut. 11, 18 (§44). B. Kidd. 30b. 49) Ab. R. N. II 15b. 5») Schoch. t. zu Ps. 119, 11. 5') ibid, zu Ps. 119, 135. 5») Gen. r. XLIVi u. a. St. 53) Lev. r. XIII 3 . 54) B. Nidda 61 b. 55) Sifre zu Num. 5, 2 (§ 1). B. Kidd. 29 a u. a. St. 5«) Num. r. XIV,». 57) Ex. r. XV'7. 5 8 ) Sifra zu Lev. 11, 44. 59) ibid, zu 20, 7. 6 °) ibid, zu 20. 26 ) B. Sukka 49 b. 8>) Gen. r. IX 5 . 8 i ) Ex. r. XLIV 3 , Lev. r. X X X V I 3 . «3) Deut. r. VI», Pes. r. 121 b. «4) Cant. r. zu 2, 14. 85) B. Berach. 17 a. 8S ) Tos. Bikkur. II15, B - Pesachim 50 b. 87) Sifre zu Deut. 11, 13 (§48), B. Nedar. 62 a. 8i ) B. Erubin 31 a, Rosch-hasch. 28 a. 89) XI 7 . 9") Num. r. XIXs. 9') Sifra zu Lev. 20, 26 (93 b). 9») Sifre zu Num. 28, 8 (§ 143), B. Menach. 110 a. 93) Mech. zu Ex. 23, 13 (S. 101 a). 94) Tauchuma zu Ex. 27, 20 (40 c). 95) Mech. zu Ex. 14, 31 (33 b). 9s) Sifre zu Num. 15, 41 (§ 115). 97) Sifra zu Lev. 18, 4, B. Joma 67 b. 98) B. Sota 21 a, Kidduschin 31 a, Baba K. 38 a, Aboda sara 3 a. 99) Cant. r. zu 2, 14. Ex. r. X X I 5 . 10°) Lev. r. Ii. ,01 ) B. Sukka 41 b. ' « ) Tos. Berach. VII7. I03) B. Sota 31 a; vgl. Ab. d. R. N. II 13 a. «4) Ab. IV,o, Ab. d. R. N. II 37 a. »5) Tos. Erubin III,,. Io6 ) B. Sabbath 130 a; vgl. Sifre zu Deut. 12, 23. I07) Sifre zu Deut. 12, 23 (§ 76). , o 8 ) Cant. r. zu Koh. 2, 4, 5. 10 9) Mech. zu Ex. 12, 34 (S. 11 a). "») Mech. zu Ex. 20, 2 (S. 66 a). »•) Ab. V a o , Ab. d. R. N. I 67 a. «») B. Nedarim 8 a. »3) B. Berach. 6 b. "4) Lev. r. XXXIVs. "5) Sifre zu Deut. 11, 32 (§ 58). I l 6 ) ibid, zu Deut. 6, 5 (§32). "7) B. Berach. 31 a; vgl. B. Sabb. 117 a. I l 8 ) B. Sabb. 30 b. "9) B. Sabb. 88 b, Joma 23 a. »») Pes. r. 99 b. ™) Tanch. Buber Lev. 18 a. »") Schochertob z. St. "3) ibid. z. St. "4) B. Berach. 13 a, Erubin 95 b, Pesachim 114b, Rosch-hasch. 28 b.
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Viertes Kapitel. «) S. oben S. 53. *) S oben S. 94fi. 3) Daselbst. «) B. Kidduschin 40 b; vgl. Sifre zu Deut. n , 13 (§ 41), Jer. Chagiga 76 c, B. Baba K. 17 a. J) Jer. Chagiga 76 c. «) Aboth IIIi 5 . 7) ibid. I17, Ab. d. R. N. II 35 b . 8 ) Mech. zu Ex. 23, 5 (S 105 a). 9) B. Sabb. 133 a, Jebam. 20 b, Nasir 41 a. ">) Aboth 111,7. " ) ibid III,. " ) ibid III,. "3) Sifra zu Lev. 26, 3, Jer. Berach. 3 b. M) Sifra zu Lev. 22, 29. »5) B. Jebam. 109 b. l 6 ) S. oben S. 22 fi. '7) Pes. r. 59 a t. l8 ) B. Sanhédrin 74 a. '9) Tos. Sota XIII10. ») B. Joma 39 a u. a. St. " ) B. Aboda sara 3 a. " ) Num. r. X X J 4 .