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German Pages 254 [255] Year 1976
WERNER K. KESSLER
Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermauu, Tübingen
Band 5
Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt Rechtsfragen der Herstellung eines europäischen Filmmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Niederlassungs· und Dienstleistungsfreiheit sowie der Filmförderung
Von
Dr. Werner K. Ke.&ler
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Keßler, Werner K. Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt: Rechtsfragend. Herstellung e. europ. Filmmarktes unter bes. Berücks. d. Niederlassungs- u. Dienstleistungsfreiheit sowie d. Filmförderung. -1. Aufl.- Berlin: Duncker und Humblot, 1976. (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht; Bd. 5) ISBN 3-428-03759-6
D 21
Alle Rechte vorbehalten
© 1976 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03759 6
Meinen Eltern
Vorwort Die Arbeit hat im Wintersemester 1975/76 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Tübingen als Dissertation vorgelegen. Das schon einige Zeit zuvor abgeschlossene Manuskript wurde nachträglich überarbeitet, so daß die vorliegende Abhandlung im wesentlichen die Lage der europäischen Filmwirtschaft Anfang/Mitte 1976 widerspiegelt. Mein aufrichtiger und ganz besonders herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. Thomas Oppermann, der nicht nur die Bearbeitung des Themas angeregt und wohlwollend betreut, sondern mich auch darüber hinaus auf vielfältige Weise gefördert hat. Die Arbeit entstand zu einem guten Teil während eines sechsmonatigen Praktikums bei der Generaldirektion "Binnenmarkt und Rechtsangleichung" der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel, wo ich mich mit den spezifischen Fragen der Filmwirtschaft, aber auch mit anderen wichtigen Aspekten des Niederlassungs- und Dienstleistungsrechts vertraut machen konnte. Hierfür bin ich Herrn J eanPierre de Crayencour, ehemals Abteilungsleiter in der Europäischen Kommission, außerordentlich dankbar. Während meines Praktikums in Brüssel hat mich vor allem auch Herr P. Loriot freundlich unterstützt. Herr C. Degand (Centre National de la Cinematographie, Paris) und Herr R. Caspary (Filmförderungsanstalt, Berlin) haben mir wiederholt wichtige Informationen zukommen lassen. Ihnen allen, sowie zahlreichen anderen Personen und Behörden im Inund Ausland, möchte ich an dieser Stelle für ihre Hilfsbereitschaft danken. Mein Dank gilt schließlich Herrn Ministerialrat a. D. Prof. Dr. J. Broermann für seine Bereitschaft, diese Arbeit in die Reihe "Tübinger Schriften zum Internationalen und Europäischen Recht" aufzunehmen. London, im Juni 1976
Werner Keßler
Inhaltsverzeichnis Einleitung
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Abschnitt I
Die Filmwirtschaft A. Struktur der Filmwirtschaft, rechtliche und ökonomische Besonderhei-
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ten, allgemeine Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
I. Aufbau und Mechanismen der Filmwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
1. Das Produkt Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
1.1 Der Herstellungsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
1.2 Der Film als Träger von Urheberrechten . . . . . . . . . . . . . . . . 1.21 Filmwerk und Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.22 Urheber des Filmwerks und Stellung des Filmproduzenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.23 Inhalt und "übertragung der Nutzungsrechte . . . . . . . . . .
26 26 27 29
1.3 Der Film als individuelles Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
1.4 Ökonomische Besonderheiten und Finanzierungsrisiko . .
30
2. Die Filmproduktion
33
3. Filmverleih und Filmtheater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
4. Die Filmfinanzierung ....... . . ... .. .. ..... . ...... . .. ..·. . . . .
35
4.1 Hauptsächliche Finanzierungsquellen
35
4.2 Das Verhältnis Filmproduzent/Filmverleih . . . . . . . . . . . . . .
35
4.3 Die staatlichen Produktionsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
II. Die Lage der europäischen Filmwirtschaft 1. Allgemeine Daten und Fakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37
2. Das Produktionskostendefizit und seine Ursachen . . . . . . . . . .
39
2.1 Tendenz zur Überproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
2.2 Mangelnde Ausschöpfung des europäischen Marktes . . . . 41 2.3 Abhängigkeit von der amerikanischen Filmwirtschaft . . . .
42
3. Entstehung und Bedeutung der Filmförderungssysteme in den europäischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
10
Inhaltsverzeichnis Abschnitt II
Maßnahmen zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
47
A. Die Bedeutung von Niederlassungsfreiheit und freiem Dienstlei stun gsverkehr im EWG-Vertrag . . . .............. . ...... . ......... ... ... . .
47
I. Die allgemeinen Ziele des EWG-Vertrages . ............ . . . .. . .
47
II. Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr als Zielbestimmungen des EWG-Vertrages .... . .. . ............... . 48 1. Die Freiheiten des EWG-Vertrages .... . ................. . .
48
2. Inhalt und Funktion von Niederlassungsfreiheit und freiem Dienstleistungsverkehr ............ . .................. .. .. . 2.1 Inhalt ..... . .................. . . ....... . .......... .. . .
48 48 2.2 :Funktion ...... .... ... ......... .. . ...... . . .......... . . . 51
3. Die Verwirklichung von Niederlassungsfreiheit und freiem Dienstleistungsverkehr ............................. .... .. . 3.1 Die vom EWG-Vertrag vorgesehenen Maßnahmen . . .. . . 3.2 Die Allgemeinen Programme zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs .... . ... . .. . . ....... . .. .. . . .... . 3.3 Die Richtlinie als Mittel der Rechtsangleichung und Instrument zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs .. . .. . ... . . ... . .. . B. Die Verwirklichung der Niederlassungsfreihei t und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Filmwi rtschaft in den alten M i tgliedstaaten ................ .. .................. . ........... .. ..... .
51 51
52 53
56
I. Die Protektion der nationalen Filmmärkte und die besonderen Beziehungen innerhalb der europäischen Filmwirtschaft bei Inkrafttreten des EWG-Vertrages . ...... .. . . ..... .. . . . ..... . . . . 56 II. Die Allgemeinen Programme und ihre Postulate für die Filmwirtschaft ........... ... ........... . ...... . ..... . ...... . ..... . 57 III. Richtlinien des Rates betreffend die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet der Filmwirtschaft . .. . . . . .. .. ..... .. .. ... ........ . ...... ..... . ... .. .. . ... . 58 1. Die er ste Richtlinie des Rates vom 15. Oktober 1963 zur Durch-
führung der Bestimmungen des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Filmwesens .............. . .. . 58
1.1 Inhalt 1.2 Beurteilung . . .... . ... .... ... .. . .. . . . ..... . ... . ... . . . . 1.21 Die Zielsetzung der Richtlinie ... ... ... ... . ..... ... . . . 1.22 Die Definition des Artikel 3 . ... . ..... .. .. .. ... . .. .. . . 1.23 Die Bedeutung des Artikel 4 .. . ......... . ....... . .. .
58
62 62 63 66
Inhaltsverzeichnis
11
1.3 Rechtsgrundlage
68
1.4 Durchführung in den Mitgliedstaaten ....... . ......... . 1.41 Benelux-Staaten und Italien . .. ........ ..... . . ... .. . 1.42 Frankreich .. .. ................................. . . .. . 1.43 Bundesrepublik Deutschland .................. .... . . 1.5 Die Empfehlung der Kommission vom 8. April1964 . . . .. . 1.51 Zweck ..... . . . ................. . . ............. . .. . . . 1.52 Rechtsgrundlage ............ . .................... . . . 1.53 Ausführung durch die Mitgliedstaaten .......... .. . . . .
70 71 71 71 73 73 73 74
2. Die zweite Richtlinie des Rates vom 13. Mai 1965 zur Durchführung der Allgemeinen Programme zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Filmwesens . .. . 2.1 Inhalt ........................ .. . .. .......... . .... .. . . 2.2 Beurteilung .................... . ...................... . 2.3 Tragweite und Rechtsgrundlage des Artikel 4 , . . ... ... .. . 2.31 Der Inhalt des Artikel 4 .. .. .................. .. . .. . 2.32 Die Rechtsgrundlage des Artikel 4 ........ . . . ..... . . . . 2.33 Kritik der Auffassung Trobergs ................. . . . . . 2.34 Eigene Lösung ............. ... .................... . . 2.341 Die Bedeutung des Art. 54 Abs. 3 h EWGV . .. . . . . . 2.342 Das Verhältnis von Art. 54 Abs. 3h EWGV zu Art. 92 EWGV .................... .. ................... . 2.3421 Wortlaut . . .... . . . .. . ..... .. ............. . ... . . 2.3422 Systematische Stellung und Funktion . . .. .. .. .. . . 2.3423 Schlußfolgerungen .... ... ... ....... . .. ......... . 2.35 Ergebnis ...................... ... .................. . 2.4 Durchführung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten ..... . 2.41 Frankreich .................... .. .. ................. . 2.42 Italien ............ . . .......... . .................... . 2.43 Bundesrepublik Deutschland .. . ....... . .. . ......... . 2.44 Benelux-Staaten . . . ... ....... ... ............ . ...... .
74 74 77 79 79 80 82 83 83 85 85 86 86 87 88 88 88 89 89
3. Die Richtlinie des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs ... . . . ..................... . . . 89 3.1 Inhalt .......................... ... . ........... . .... . . 89 3.2 Beurteilung 3.3 Durchführung in den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.31 Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.32 Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.33 Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.34 Bundesrepublik Deutschland, Italien, Niederlande . . . .
92 94 94 94 94 95
4. Die Richtlinie des Rates vom 29. September 1970 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrsfür die selbständigen Tätigkeiten der Filmproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.1 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
12
Inhaltsverzeichnis 4.2 Beurteilung
97
4.3 Durchführung in den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
4.31 Das Erfordernis der "Nationalität" in Belgien, Frankreich und Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.31'1 Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.312 Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.313 Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3•2 Beurteilung der von Belgien, Frankreich und Italien vorgenommenen Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.321 Stellung der Gesellschaften innerhalb des Niederlassungs- und Dienstleistungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.322 Rechtliche Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.33 Die Haltung der Europäischen Kommission ........ . . 4.34 Die übrigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Durchführung der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.341 Belgien ................ ... . ......... . . . ....... ... 4.342 Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.343 Italien ... .... . ..... . ...................... . . . ..... 4.344 Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.345 Bundesrepublik Deutschland und Niederlande . . . . . .
99 99 100 100 102 102 104 106 106 106 106 107 107 107
5. Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften in der Filmwirtschaft (Filmregister-Richtlinie) . . . . 107 5.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.2 Zielsetzung und Inhalt der Richtlinie ...... . . ... ....... . . 108 5.21 Zielsetzung und Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5.22 Inhalt und Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 6. Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6.1 Vorbemerkungen .. . .. ... ..... .. . . ....... . .. ... ... . . . . . 114 6.2 Inhalt . . .. ..... .......... . ..... . . . . . ..... .. ..... . .. . . . 114 C. Die Übernahme des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Filmwirtschaft durch Großbritannien, Irland und Dänemark . . . . . . . . . . . . . . 116
I. Die allgemeine Ausgestaltung der sich für die neuen Mtigliedstaaten ergebenden Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
II. Die Erstreckung der Filmrichtlinien auf die neuen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Inhalt und Fristen der Verpflichtungen .. .. .. . . : . . . ...... .. 118 1.1 Richtlinie Nr. 68/369/EWG vom 15. 10. 1·968 . . . . . . . . . . . . . . 118
1.2 Richtlinie Nr. 70/451/EWG vom 29. 9. 1970 . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Erläuterungen der technischen Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Der Begriff d er Staatsangehörigkeit im Vereinigten Königreich ........... . . . .. .......... .. ...... . ....... . . .. . . ... . . . 120
Inhaltsverzeichnis
13
III. Die Durchführung der Richtlinien in Großbritannien und Dänemark ............................ , ......... . ............ .. . .. 121 1. Großbritannien
121
1.1 Der Inhalt der clause 8 des European Communities Act .. 121 1.2 Kritik der clause 8 des European Communities Act .. . . .. 123 2. Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.1 Gesetz über den Erwerb von Grundstücken und Häusern 124 2.2 Erfordernis der Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 D. Die Liberalisierung der übrigen "industrieHen Tätigkeiten" der F i lm-
wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Die Liberalisierung der selbständigen Tätigkeiten der technischen
Unternehmen der Filmwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
1. Die Art der zu liberalisierenden Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Der allgemeine Charakter der spezifisch filmwirtschaftliehen Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Die aufzuhebenden Ausländerdiskriminierungen . . . . . . . . . . . . 128 3.1 Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3.2 Bundesrepublik Deutschland
128
3.3 Dänemark
129
3.4 Frankreich
129
3.5 Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3.6 Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. 7 Luxemburg, Irland, Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4. Das Verhalten der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . 130 5. Die Urteile des EuGH betreffend die unmittelbare Anwendbarkeit der Artt. 52 und 59 EWGV und die Implikationen der Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5.1 Unmittelbare Anwendbarkeit der Artt. 52 und 59 EWGV 131 5.2 Auswirkungen auf die nationalen Filmförderungssysteme 132 II. Die Liberalisierung der selbständigen Tätigkeiten der Filmtheater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Allgemeine Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
2. Die Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Exkurs E. Die Freizügigkeit der in der Filmwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer 136 I. Die allgemeine Bedeutung der Freizügigkeit . . . . ....... ... . ... 136
14
Inhaltsverzeichnis li. Die Beschränkungen der Freizügigkeit für die in der Filmwirtschaft tätigen Arbeitnehmer - Rechtslage bis zum Urteil des EuGH vom 4. April 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Die Art der Beschränkungen .. .... . . .. .......... . ... . , . . . . 137
2. Die rechtliche Bedeutung der Artikel 3 und 4 der ersten Filmrichtlinie als Bestandteil der Verordnung Nr. 1612/68 ... . .. .. 138 3. Die nationalen Bestimmungen über die Staatsangehörigkeit des künstlerischen und technischen Personals ............. . 140 3.1 Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Dänemark .. . .. . ...... . . ... . .... .... . . .. . . .. .. ... . .. .. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belgien ....... . .............. . . ... . . .............. .... .. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141 141 142 14'2 143
III. Die Auswirkungen der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 48 EWGV auf die Filmförderungssysteme . ... .. . . ... .. . ..... . .. .. 144 1. Die Urteile des EuGH betreffend die unmittelbare Anwend-
barkeit des Art. 48 EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
2. Auswirkungen
145 Abschnitt III
Die Rechtsfragen der Filmförderung im Gemeinsamen Markt
147
A. Ausgestaltung und Umfang der gegenwärtig in den Mitgliedstaaten bestehenden Filmförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Frankreich ..... .. . . . . ... ·. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Historische und organisatorische Aspekte .... .. ........ .. . . 147
2. Die Finanzierung des Filmfonds .... . . ... ............. .. . ... 148 3. Das Förderungssystem ........ . ...... .. .................. . 3.1 Die automatische Förderung . . .. ... .. . . ........ . . . ... . .. 3.2 Die selektive Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.21 Abendfüllende Filme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.22 Kurzfilme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8
Beihilfen für Wochenschaufilme .. .. . ..... . ..... ........ Beihilfen für Filmtheater .... . . , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beihilfen für die technischen Industrien der Filmwirtschaft Sonstige Beihilfen Spielzeitquoten ... ... . ..... . . .. .. .. . .. . .. .. . . ... . ...... Förderung durch spezielle Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149 149 150 150 151 151 152 153 153 153 154
Inhaltsverzeichnis
15
3.9 Abkommen zwischen dem Centre National de la Cinematographie und dem Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4. Der Umfang der Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. I t a I i e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Historische und organisatorische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Die Förderungsmaßnahmen
157
2.1 Die automatische Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.2 Die qualitative Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2.3 Beihilfen für Wochenschaufilme .. .. ... .. ..... . ........ . 158 2.4 Beihilfen für Filmtheater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2.5 Spielzeitquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2.6 Die Kreditförderung der Autonomen Abteilung für Filmkredit bei der Banca Nazianaledel Lavoro ..... . ... . ... . 2.61 Der Dotationsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.62 Der Interventionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.63 Der Sonderfonds des Art. 28 des Gesetzes Nr. 1213 vom 4. 11. 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159 160 160 161
2.7 Die Autonome Anstalt für Filmverwaltung . .......... . 162 2.8 Der Sonderfonds des Art. 45 des Gesetzes Nr. 1213 vom 4. 11. 1965 .... .. ........ .. .. . .. .. . . ... .. . .. . ..... . . .. . . . 162 3. Finanzierung und Umfang der Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.1 Finanzierungsweise ................... . ... . ..... .. . .. .. 163 3.2 Umfang ... ... . .. .......... . .,,·. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. B u n d e s r e p u b 1 i k D e u t s c h I a n d
164
1. H istorische Entwicklung bis 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Filmförderungsgesetz und Filmförderungsanstalt . ..... .. .. 166 3. Die Förderung nach dem Filmförderungsgesetz in der Fassung vom 3. März 1974 ................. . ............ .. .... 167 3.1 Die Finanzierung der Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.2 Die "herkömmlichen" Förderungsmaßnahmen . . . . . . . . . . 3.21 Programmfüllende Filme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.211 Grundförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.212 Zusatzförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.213 Zusätzliche Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.22 Kurzfilme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.23 Förderungshilfen für Filmtheater 3.24 Sonstige Förderungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168 168 168 169 169 170
171
172
3.3 Die Projektförderung . . . . ... ... . . .. . ..... .. .. .. . . ... .,. . 172 3.31 Herstellung programmfüllender Filme . . . . . . . . . . . . . . . . 173
16
Inhaltsverzeichnis 3.32 Nachwuchs- und Filmtheaterförderung
174
3.4 Der Umfang der Förderung ......... . ........ . . . ...... . 174 4. Die kulturelle Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4.1 Die Filmförderung durch das Bundesministerium des Innern ....... .... ........... . .. . .................. .. .. 4.11 Allgemeine Förderungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12 Deutscher Filmpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.13 Weitere Filmpreise .......... . .... . ...... .. ...... . .. . 4.14 Umfang der Förderung .. . .. . . . ..... .. . ........ . . . . ..
175 175 176 176 177
4.2 Die beabsichtigte Neuordnung der kulturellen Förderung 177 4.3 Das Kuratorium Junger Deutscher Film e. V. . . . . . . . . . . . . 178 4.4 Sonstige Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5. Die Kreditförderung der Länder und des Bundes . . . . . . . . . . . . 180 5.1 Berlin . .. . .. . . . ... ....... . ... ..... . .... . ....... . . .. .. . . 181 6. Abkommen zwischen Filmförderungsanstalt und Fernsehen 182 6.1 Gemeinschaftsproduktionen
..... . .. ....... . .. . ....... .. 182
6.2 Vorabkauf von Verwertungsrechten . ................... 183 6.3 Projektförderungsmaßnahmen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
6.4 Umfang der Zusammenarbeit .. . . .. . ... .... .. , . . . . . . . . . 183 IV. G r o ß b r i t a n n i e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Historische und institutionelle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
2. Die Registrierung der Filme ........... . .,. . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Die Finanzierung des Filmfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4. Die automatische Filmförder ung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4.1 Modalitäten ... . . ....... . ............... . . . . .... . ... . . 186 4.2 Umfang
187
5. Sonstige Förderungsmaßnahmen der British Film Fund Agency ...... . ... . ................. . . ... ................ . 188 6. Die Kredite der National Film Finance Corporation . . . . . . . . . . 188 7. Die jüngsten Reformpläne ... ... . . ... .. . .. . .. . ... . . . .. .... 189 V. Belgien
190
1. Historische und allgemeine Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
2. Die Förderungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die automatische Filmförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Kredite für Kulturfilme . . ...... .. .. ... . . . . . . . ........ .. 2.3 Beihilfen für Filmtheater .. . . . . .......... .. . . .. . .. . ·. . . .
191 191 19·2 192
2.4 Sonstige Förderungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
Inhaltsverzeichnis VI. Dänemark
17 193
1. Die Finanzierung der Filmförderung . ... ......... . .......... 193
2. Die Aufgaben des Dänischen Filminstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2.1 Produktionsbeihilfen für abendfüllende Filme . . . . . . . . . . 194 2.2 Sonstige Beihilfen und Aufgaben des Filminstituts . . . . . . 194 3. Das Staatliche Filmzentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 VII. N i e d e r 1 a n d e
195
1. Institutionen und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Art und Umfang der Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 VIII. Zusammenfassung ... . .. ............ . ......................... 196 B. Filmförderung und Subventionsregelung des Art. 92 EWGV . . . . . . . . . . 198
I. Einordnung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Funktion und Tragweite des Art. 92 EWGV ..... .. ..... .... .... 200 1. Systematische und funktionale Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . 200
2. Inhalt und Auslegung des Art. 92 Abs. 1 EWGV ............ . . 200 2.1 Der Begriff der "staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfen gleich welcher Art" . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2.11 Der Begriff der Beihilfen ... . .. . . . ..... .. . ... .. . . . . .. 200 200 2.111 Allgemeine Bemerkungen 2.112 Einzelne Beispiele ..... .. .. . ..... . ............ .. .. 202 2.2 Das Element der staatlichen oder aus staatlichen Mitteln stammenden Gewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2.3 Die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder bestimmter Produktionszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2.4 Verfälschung des Wettbewerbs .. .. . . . ... .. .. . ...... . .. 205 2.5 Beeinträchtigung des zwischen staatlichen Handels . . .... 206 2.51 Zwischenstaatlicher Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2.52 Handelsbeeinträchtigung . . . .. .......... . ...... . . .. .. 207 2.6 Das Urteil des Gerichtshofs zu den französischen Textilbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Die subventionsrechtlichen Kompetenzen und Konzeptionen der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Die Kompetenzen der Kommission
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
2. Das Ermessen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3. Die Grundkonzeption der K ommission zur Beihilfenpolitik . . 213 IV. Die n ationalen Filmförderungssysteme im Lichte der Artt. 92 ff. EWGV .. ... . .. .. .. . ... . . ... . . . .. .. ...... . . .. ... .... . . .. ... .. 214 2 Keßler
18
Inhaltsverzeichnis 1. Filmförderung und Art. 92 Abs. 1 EWGV 1.1 Die "Staatsqualität" der Förderungsmittel .... . ......... 1.11 Bundesrepublik Deutschland ................. . ...... 1.12 Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.122 Sonstige Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.121 Parafiskalisches Abgabensystem? ................ .. 1.13 Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.14 Italien ...... .. ...................................... 1.15 Belgien, Dänemark, Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215 215 215 217 218 217 218 218 218
1.2 Förderung bestimmter Unternehmen oder eines bestimmten Produktionszweiges? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1.3 Die wettbewerbsverfälschenden und handelsbeeinträchtigenden Wirkungen der Filmproduktionsbeihilfen . . . . . . . . 1.31 Die "relevanten" Beihilfen .......................... 1.32 Wettbewerbsverfälschung .. ... ................. .... 1.33 Handelsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.34 Zwischenergebnis
219 219 220 221 221
2. Die bisherige Politik der Kommission auf dem Gebiet der Filmbeihilfen und die vertraglichen Postulate einer weiteren Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2.1 Die Anwendbarkeit des Art. 92 Abs. 3 c EWGV auf die Filmproduktionsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2.2 Leitlinien der Kommission bei der Anwendung des Art. 92 Abs. 3 c EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2.3 Die Politik der Harmonisierung und gegenseitigen Öffnung der Beihilfensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2.4 Kurzer Überblick : Der Entwicklungsstand der Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.41 Die Finanzierungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.42 Die Verteilungsmodalitäten . ... . ................. . ... 2.43 Der Umfang der Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.44 Allgemeine indirekte Besteuerung der Filmwirtschaft und mögliche Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Die Postulate des Art. 92 Abs. 3 c EWGV ........... ... 2.51 Allgemeine Vorbemerkungen .. ... . ................ . . 2.52 Das Problem der parafiskalischen Abgaben . . . . . . . . . . 2.53 Die Frage der Subventionierungsmodalitäten . . . . . . . . 2.531 Die Vorschläge der Bundesregierung ..... .. ....... 2.532 Anmerkungen zu den Vorschlägen der Bundesregierung .. . ................. .. ................ . .. ..... 2.533 Die Haltung der Europäischen Kommission . . . . . . . .
226 226 227 227 228 229 229 230 232 232 234 234
V. Mögliche Perspektiven einer gemeinsamen Filmwirtschaftspolitik ................ . . . ... . ...... .. . ................ . .. ... 236 1. Die Thesen des Brüsseler Kolloquiums über "Die Wege und Mittel einer gemeinsamen Filmwirtschaftspolitik im Gemeinsamen Markt" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Inhaltsverzeichnis
19
1.1 Analyse und Konzeption ........... . . ................... 236 1.2 Mögliche Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1.3 Die weitere Entwicklung und die Haltung der Kommission 240 2. Der Kommissionsvorschlag einer finanziellen "Gemeinschaftsproduktion" ... . . ... ............. . .... . ........... . .... . .. 241 2.1 Inhalt 241 2.2 Stellungnahme .. ................ . ............. .. .. .... 243
Literaturverzeichnis
246
Abkürzungsverzeichnis a.A. AbLEG Abs. Anm. Art. Artt. AWD BB Bd. bfrs BGBl BRD bspw. BVerfGE bzw. ca. CahRep CEE CITI
CMLR dkr Dok. DVBl EAG EFTA EGKS EGKSV etc. EuGH EuR Eur.Arch. EWG EWGV F
FFG Fn. frz. Fs GATT
anderer Auffassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Anmerkung Artikel Artikel (Plural) Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Betriebsberater Band Belgisehe Francs Bundesgesetzblatt Bundesrepublik Deutschland beispielsweise Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) beziehungsweise circa Cahiers de la Republique Communautes Economiques Europeennes Classification internationale type par industrie de toutes les branches d'activite economique, erstellt vom Statistischen Amt der Vereinten Nationen, Etudes Statistiques, Serie M, Nr. 4, Rev. 1, New York 1958. Common Market Law Review Dänische Kronen Dokument Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Atomgemeinschaft European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. 4. 1951 et cetera ·Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europarecht Europa Archiv Europä ische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957 Französische Francs Filmförderungsgesetz Fußnote französisch Festschrift General Agreement of Tariffs and Trade, Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (vom 30. 10. 1947)
Abkürzungsverzeichnis Gazetta Ufficiale hfl Hg. i. d. F . insb. i. s. d. i. s. v.
ital.
i. V.m.
JA JournDrint Journal Officiel JSFTA Jur. Diss. KSE lit. Lovtidende m.N. m.w.N. Memorial NJW OECD
OVG Rdnr. RevTrimDrComm RevTrimDrEuR RivDirEuR RMC Rs RsprGH
s.
sect. subsect. sog. UA u.a. u . ä. UFITA Vorb. VVDStRL
wirtschaftswiss. Diss. .WuW Ziff. z.B. ZfRV ZHR
21
Gazetta Ufficiale della Republica Italiana Niederländische Gulden Herausgeber in der Fassung insbesondere im Sinne des (der) im Sinnevon italienisch in Verbindung mit Juristische Analysen Journal du droit international Journal Officiel de la Republique Fran~aise Journal of the SQciety of film and television arts Juristische Dissertation Kölner Schriften zum Europarecht litera Lovtidende (Gesetzblatt) des Königreichs Dänemark mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen Memorial du Grand Duche de Luxembourg Neue Juristische Wochenschrift Organization for Economic Cooperation and Development, Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Übereinkommen vom 14. 12. 1960) Oberverwaltungsgericht Randnummer Revue trimestrielle de droit commercial = Revue trimestrielle de droit europeen Rivista di diritto europeo Revue du Marche Commun Rechtssache Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Seite(n) section subsection sogenannte Unterabsatz unter anderem und ähnliche(s) Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer wirtschaftswissenschaftliche Dissertation Wirtschaft und Wettbewerb Ziffer zum Beispiel Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
Einleitung Die Filmwirtschaft ist ein besonders eigenartiger Wirtschaftszweig, dessen Produkt nicht nur in hohem Grade ökonomische, sondern auch kulturelle, künstlerisch-schöpferische Dimensionen aufweist. Dadek1 hat den Film als "Kultursachbereich" charakterisiert, "der sich im Wege einer Erwerbswirtschaft von der Größenordnung und der historischen Struktur einer Industrie realisiert und für dessen gegenwärtigen Stand und künftige Entwicklung die Bedingungen, Formen und Mittel des industriellen Wirtschaftens entscheidend sind bzw. sein werden". Diese privatwirtschaftliche "Vermarktung" des Massenmediums Film, dem aus soziologischer Sicht ohne Zweifel die "Potenz einer Kunst" 2 mit den ihr eigenen artistischen und ästhetischen, sozialen und politisch-aufklärerischen Möglichkeiten zuzuerkennen ist, wird durch die Existenz staatlichprotektionistischer Einflußnahme und Organisiertheit nicht aufgehoben, sondern in ihrem Prinzip gerade bestätigt. Deshalb war bei aller Besonderheit der Filmwirtschaft die Anwendbarkeit des EWG-Vertrages nie zweifelhaft. Aus der Nationalitätsbezogenheit der Kultur im allgemeinen und der kulturellen Dimension des Filmprodukts im besonderen resultieren jedoch in Verbindung mit den staatlichen Förderungsmaßnahmen gemeinschaftsrechtliche Problemstellungen, die anderen Wirtschaftszweigen fremd sind. Im Verlauf der Arbeit, die sich das Ziel gesetzt hat, vornehmlich die rechtlichen Aspekte der Herstellung eines europäischen Filmmarktes herauszuarbeiten und zu systematisieren, wird dies immer wieder deutlich w erden. Die Thematik ist auf die Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten der Filmproduktion, einschließlich der Filmateliers und Kopieranstalten, sowie des Filmverleihs und der Filmtheater beschränkt. Insbesondere sind also die selbständigen Tätigkeiten im künstlerisch-technischen Bereich, beispielsweise der Regisseure, Kameramänner, Filmarchitekten, Toningenieure, Schnittmeister, Kostümmeister und Schauspieler ausgeklammert, denn die mit der Liberalisierung dieser Tätigkeiten verbundenen Fragen der gegenseitigen Anerkennung der Befähigungsnachweise und Diplome sowie der Koordinierung von Rechtsvorschriften machen eine umfassende, eigenständige Untersuchung erforderlich. 1 2
Dadek, Filmwirtschaft, S. XII. Dadek, Das Filmmedium, S. 12.
2-1
Einleitung
Eine nur kursorische Darstellung hat der Richtlinienvorschlag der Kommission über die allgemeine Einführung vom Filmregistern erfahren, weil eine nur einigermaßen erschöpfende Exegese der vorwiegend zivilrechtliehen Problemstellungen im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Überdies liegt zum ökonomischen und juristischen Hintergrund der gesamten Problematik bereits eine umfangreiche und kompetente französische Untersuchung3 vor. Die Maßnahmen zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs werden im zweiten Abschnitt der Arbeit behandelt. Schon hier wird eine Verklammerung des Niederlassungs- und Dienstleistungsrechts mit den staatlichen Filmförderungsmaßnahmen sichtbar. Mit der Darstellung und Beurteilung der nationalen Förderungssysteme anband der subventionsrechtlichen Bestimmungen des EWG-Vertrages ist der dritte Abschnitt der Arbeit befaßt. Dort werden auch die Möglichkeiten einer zukünftigen Entwicklung angesprochen. Zuvor jedoch sollen, im ersten Abschnitt, Aufbau und Mechanismen der Filmwirtschaft sowie die für das Verständnis der Thematik notwendigen, allgemeinen ökonomischen Zusammenhänge beleuchtet werden.
3 Lucy Witlemetz, Les Registres publies de la cinematographie; Etude de droit compare, Lausanne 1970.
ABSCHNITT I
Die Filmwirtschaft A. Struktur der Filmwirtschaft, rechtliche und ökonomische Besonderheiten, allgemeine Lage I. Aufbau und Mechanismen der Filmwirtschaft Die Filmwirtschaft besteht aus den drei Sparten Filmproduktion, Filmverleih und Filmtheater. Zur Filmproduktion im weiteren Sinne1 gehören auch die sogenannten "technischen Betriebe" der Filmwirtschaft, die Aufnahmestudios (Ateliers) und Kopieranstalten (Kopierwerke). Innerhalb der Filmwirtschaft nimmt der Filmverleih etwa die Rolle ein, welche der Großhandel für andere Wirtschaftsgüter spielt, während die Filmtheater mit dem Einzelhandel vergleichbar sind2 • Doch können diese Parallelen nur einer groben Veranschaulichung der filmwirtschaftliehen Grundstruktur dienen, denn die Beziehungen zwischen den drei Sparten der Filmwirtschaft sind wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten des filmischen Produkts sehr viel komplizierter und eigenartiger als in anderen Wirtschaftsbereichen. Daher ist zunächst der Produktionsgegenstand "Film" selbst zu betrachten. 1. Das Produkt Film
1.1 Der Herstellungsprozeß Die Entstehung eines Filmes3 beruht auf einem künstlerisch-technischen Herstellungsprozeß, in dessen Verlauf das Filmwerk mit seinen Bildfolgen, den Dialogen und der Musik entsteht, und in dem Bild und Ton jene Fixierung erfahren, die seine Reproduzierbarkeit begründet. Wichtigste Grundlage des Verfilmungsprozesses ist das Drehbuch, dessen Stoff entweder einem vorbestehenden literarischen Werk entstammt oder eigens für die filmische Gestaltung entwickelt sein kann, das selbst 1 Zur Unterscheidung zwischen Filmproduktion im weiteren und engeren Sinne siehe Abschnitt I, A, I, 2. 2 Vgl. Degand, Le cinema, S. 51 und 65. 3 Die Ausführungen orientieren sich an der Entstehung der wichtigsten Filmart: des Spielfilms.
26
Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
aber kein literarisches, sondern ein ausgesprochen filmisches Werkstück darstellt: neben dem Wortlaut der zu sprechenden Texte enthält es eine Fülle technischer Angaben über die Kulissen, Beleuchtung, Kameraeinstellung und Akustik sowie, verschiedentlich, auch präzise Arbeitsanweisungen an den Regisseur, dem die filmisch-künstlerische Umsetzung des Drehbuchs obliegt4 • Die auf der Grundlage des Drehbuchs und unter der Leitung des Regisseurs gespielten Einzelszenen werden vom Kameramann durch Belichtung des Rohfilmmaterials und - regelmäßig gesondert - vom Tonmeister auf einen reinen Tonträger (Magnettonträger) aufgezeichnet. Schließlich werden die belichteten und entwickelten Bildstreifen vom Schnittmeister unter Mitwirkung des Regisseurs zu einem Originalnegativ zusammengesetzt und erstmals auf der sogenannten Musterkopie mit dem Ton (Dialoge, Geräusche, Musik) gemischt5 • Nach Herstellung dieser Kopie ist der Film reproduktionsreif. 1.2 Der Film als Träger von Urheberrechten
1.21 Filmwerk und Urheberrecht Der Film gehört, sofern er als "persönlich-geistige Schöpfung" 6 oder, nach dem Vorschlag von Oekonomidis1 , als "künstlerisch realisierte geistige Schöpfung einer Bild- und Tonfolge" anzusehen ist, gleichgültig ob es sich dabei um ein in jeder Hinsicht originäres Werk oder um eine filmische Bearbeitung eines vorbestehenden Werkes handelt, in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu den urheberrechtlich geschützten Werken. Art. 2 der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) in der Stockholmer Fassung8, der als Verbandsstaaten alle Staaten der Europäischen Gemeinschaften angehören und deren Ziel es ist, den Urhebern persönlich-geistiger Schöpfungen durch das Prinzip der Inländerbehandlung und die Garantie von Mindestrechten den internationalen Schutz ihrer Urheberrechte zu gewährleisten9 , bezeichnet als "Werke der Literatur und Kunst" ausdrücklich auch "Filmwerke einschließlich der Werke, die durch ein ähnliches Verfahren wie Filmwerke hervorgebracht sind10 ". 4
Vgl. Dadek, Filmwirtschaft, S . 24 f. Dem Drehbuch Hegen zunächst "Ex-
pose" und "Treatment" zugrunde. Vgl. dazu aus urheberrechtlicher Sicht Möh-
ring/Nicolini, Anm. 2 zu§ 88, S. 509 f . 5 Vgl. Möhring/Nicolini, Anm. 3 b zu§ 94, S. 553. s Möhring/Nicolini, Anm. 8 zu§ 2, S. 68. 7 Oekonomidis, UFITA 1969, S. 94.
8 Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst, in der Stockholmer Fassung vom 14. Juli 1967 (abgedruckt in Möhring/Ni colini, a.a.O., S. 773 ff.). 9 Vgl. Abel, UFITA 19·69, S. 10.
I. Aufbau und Mechanismen der Filmwirtschaft
27
Die Rechte, die den Urhebern des Filmwerks aus dem Urheberrecht zustehen, sind ausschließlich Rechte, die teilweise den Schutz der nichtvermögensrechtlichen, ideellen Interessen der Urheber gewährleisten, teilweise vermögensrechtlicher Natur sind und also wirtschaftliche Nutzungsrechte darstellen11 • Daraus erhellt, daß es die Summe der mit dem materiellen Filmträger verbundenen Urheberrechte ist, die den ökonomischen Wert des Filmwerks repräsentiert, nicht aber der Filmstreifen selbst, dessen materiellem Wert gegenüber diesen Rechten so gut wie keine Bedeutung zukommt. Die besondere rechtliche Natur des Filmwerks hat auch Ausdruck gefunden in der ersten Filmrichtlinie des Rates12, die in Artikel 2 folgende Definition enthält: "Film im Sinne dieser Richtlinie ist ein Filmstreifen, der der Standardkopie eines zur öffentlichen oder privaten Vorführung bestimmten fertigen Filmwerks entspricht und auf den sich alle auf internationalen Übereinkünften und Bestimmungen beruhenden Rechte zu seiner wirtschaftlichen Nutzung beziehen13. " 1.22 Urheber des Filmwerks und Stellung des Filmproduzenten Nach der Revidierten Berner Übereinkunft ist es den nationalen Gesetzgebungen überlassen, den Inhaber des Urheberrechts am Filmwerk selbst zu bestimmen 14• Die urheberrechtliehen Regelungen sind beim Film sehr viel komplizierter als bei anderen, einfachen Geisteswerken, 10 Der Begriff "Filmwerk" ist in der Konvention selbst nicht definiert, was allgemein als Schwäche dieses internationalen Vertragswerkes angesehen wird. Aus Art. 2 und Art. 14 RBÜ ergibt sich lediglich, daß nur sog. "Originalwerke" als Filmwerke anzusehen sind. Dies ist ungenügend, weil hinsichtlich der "Originalität" einzelner Filmarten in den nationalen Gesetzgebungen nicht immer Übereinstimmung besteht. Vgl. hierzu Oekonomidis, UFITA 1969, S. 93. 11 Vgl. Abel, UFITA 1969, S. 14 ff.; vgl. auch Art. 6bis RBÜ. Im Gegensatz zu den kontinental-europäischen Urheberrechtsgesetzen kennt allerdings das britische Urheberrechtsgesetz eine nicht-vermögen srechtliche Komponente der Urheberrechte nicht (Abel, S. 14 f.; Bertholdl v . Hartlieb, S. 760 ff.). Doch wird in der Rechtsprechung in gewissem Umfang ein Persönlichkeitsrecht ebenfalls anerkannt (Bertholdl v. Hartlieb, S. 693 f.). Nach deutschem Recht wird das Urheberpersönlichkeitsrecht (frz.: "droit moral") als besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen (vgl. Möh~ ring!Nicolini, Anm. 5 b) zu§ 1, S. 51 f.). 12 Abi. EG vom 2. 11. 1963, S. 2661. 13 Die Umschreibung läßt sowohl die nationalen Gesetze als auch die internationalen Übereinkommen unberührt. Sie willlediglich auf die internationalen Bestimmungen verweisen (vgl. Willemetz, S. 179). Doch ist der zweite Teil dieser Definition zu Recht von Hirsch, S. 287, kritisiert worden: Die Nutzungsrechte beziehen sich nicht auf den Filmstreifen, also den materiellen Träger, sondern auf das Filmwerk als geistig-schöpferisches Produkt. Außerdem ist die Definition irreführend, weil die Verwertungsrechte prinzipiell nicht auf internationalen, sondern auf nationalen Rechtsnormen beruhen, durch die internationalen Übereinkünfte und Bestimmungen wird nur ein internationaler Schutz gewährleistet. u Vgl. Artikel14 (2} (a) RBÜ; Oekonomidis, UFITA 1969, S. 162.
28
Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
weil der Film bis zu seiner Vollendung regelmäßig viele Stufen künstlerischer Bearbeitung durchläuft und eine Vielzahl von Personen an seiner Entstehung beteiligt ist. Die nationalen Regelungen können deshalb hier nur in summarischer Form wiedergegeben werden15 • Das deutsche Urheberrechtsgesetz aus dem Jahre 196516, das den Begriff des "Filmwerks" neu aufgenommen und "durch die Hervorhebung der filmischen Gestaltung als eigene Art der Wertschöpfung der kinematographischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte Rechnung getragen hat" 17, hat die Frage, wer als Urheber eines Filmes anzusehen ist, nicht durch eine abschließende Enumeration entschieden, sondern hat es bei dem das deutsche Urheberrecht prägenden Grundsatz, daß Urheber ist, wer Schöpfer des Werkes ist (§ 7 UrhG), belassen; es hat allerdings die Auslegungsregel aufgestellt, daß die etwaigen Filmurheber im Zweifel die zur Verwertung des Filmwerks erforderlichen Nutzungsrechte dem Filmhersteller einräumen, wenn sie sich zur Mitwirkung bei der Herstellung des Films verpflichten(§ 89 UrhG). In der Lehre werden, je nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles, der Drehbuchautor, der Filmregisseur und zusätzlich auch der Filmkomponist, der Kameramann und der Schnittmeister als Urheber des Filmwerks angesehen18• Umgekehrt ist in§ 89 Abs. 3 UrhG klargestellt, daß die Urheber der zur Filmherstellung benutzten Werke (Roman, Drehbuch, Filmmusik) nicht als Urheber des Filmwerks gelten. Auch von ihrer Seite bedarf der Filmhersteller der Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte, doch liegt diese im Zweifel vor, wenn ihm die Urheber die Verfilmung ihrer Werke gestatten (§ 88 Abs. 1 UrhG)1 9 • Nach dem deutschen Urheberrecht muß der Filmhersteller also sowohl die Nutzungsrechte der Urheber des Filmwerks als auch die Rechte der filmisch benutzten vorbestehenden Werke vertraglich erwerben, was ihm aber durch die Vermutung der§§ 88, 89 UrhG beträchtlich erleichtert wird20 • Die urheberrechtliehen Bestimmungen in den kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten entsprechen im Prinzip dem deutschen Recht21 • Den gesetzlichen Regelungen in Frankreich, Italien, Belgien, Dänemark und 15 Vgl. zu den Einzelheiten der nationalen und internationalen Filmurheberr echtsregelung: Oekonomidis, UFITA 1969, S. 162; Möllering, Internationale Coproduktion, S. 52 ff. 16 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9. September 1965 (UrhG), BGBl, I, S. 1273. 17 Möhring/Nicolini, Anm. 8 zu§ 2, S. 67. 1s Vgl. Möllering, Internationale Coproduktion, S. 42 f. 19 Vgl. im einzelnen Möl!ering, ebd., S. 43. 20 Vgl. außerdem die Beschränkungen der Rechte der Filmurheber und der Urheber filmisch benutzter Werke in§ 90 UrhG. 21 Im folgenden wird Bezug genommen auf die rechtsvergleichenden Untersuchungen bei Möllering, Internationale Coproduktion, S. 52 ff., S. 56 ff. und S. 60 f.; vgl. auch Oekonomidis, UFITA 1969, Seite 104 ff.
I. Aufbau und Mechanismen der Filmwirtschaft
29
Luxemburg ist gemeinsam, daß grundsätzlich der oder die Schöpfer des Filmwerks als Filmurheber angesehen werden, und daß der Filmhersteller nur dann (Mit-)Urheber des Filmwerks ist, wenn er gleichzeitig als einer der geistigen Schöpfer des Films erscheint. Nur im niederländischen Urheberrecht wird der Filmhersteller in seiner Eigenschaft als Herausgeber des Films immer auch als Filmurheber betrachtet. In allen genannten Mitgliedstaaten, außer Italien, muß der Filmhersteller sowohl die Rechte der Filmurheber als auch die Nutzungsrechte an den vorbestehenden Werken vertraglich erwerben. Nach italienischem Recht übt der Filmhersteller die Nutzungsrechte am vollendeten und veröffentlichten Filmwerk zum Zwecke der filmischen Auswertung kraft Gesetzes aus; aber auch nach dem italienischen Recht müssen die filmischen Rechte an vorbestehenden literarischen und musikalischen Werken auf vertraglichem Wege übertragen werden. Grundsätzlich anders ist die Rechtslage nach dem englischen Urheberrecht. Der Copyright Act 1956 sieht vor, daß, im Gegensatz zum kontinen--
talen Recht, der Filmproduzent, gleichgültig ob natürliche oder juristische Person, der alleinige Urheber des Films und damit insbesondere originärer Inhaber des Vervielfältigungs- und Vorführungsrechtes ist22 • Vom Urheberrecht des Produzenten sind allerdings die Rechte der Urheber vorbestehender Werke sowie die Rechte der Urheber des Drehbuchs und des Komponisten der Filmmusik zu unterscheiden. Die entsprechenden Verfilmungsrechte müssen vom Produzenten (ebenfalls) vertraglich erworben werden23. 1.23 Inhalt und Übertragung der Nutzungsrechte
Nach Artikel 14 der Revidierten Berner Übereinkunft (Stockholmer Fassung) haben die Urheber von Werken der Kunst und der Literatur (zumindest) das ausschließliche Recht, die filmische Bearbeitung und Vervielfältigung dieser Werke sowie das Inverkehrbringen, die öffentliche Vorführung und die Übertragung mittels Draht an die Öffentlichkeit der auf diese Weise bearbeiteten oder vervielfältigten Werke zu erlauben24. Nach allen Urheberrechtsgesetzen sind die Urheber berechtigt, diese Nutzungsrechte auf andere Personen zu übertragen25 •26. Vgl. Bertholdlv. Hartlieb, S . 683 f. Vgl. Bertholdlv. Hartlieb, S. 682; Oekonomidis, UFITA 1969, S. 87 und S.106. 2' Vgl. hierzu§ 88 UrhG. 2s Vgl. Abel, UFITA 1969, S. 27. 26 Vgl. § 31 ff. UrhG. Gemäߧ 31 kann das Nutzungsrecht als einfaches oder als ausschließliches Nutzungsrecht "eingeräumt" werden. Der Inhaber eines einfachen Nutzungsrechts ist berechtigt, das Werk neben dem Urheber oder anderen Berechtigten auf die ihm erlaubte Art zu nutzen, während der Inhaber 22
23
30
Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
1.3 Der Film als individuelles Produkt Was sich am Ende des oben beschriebenen filmtechnisch-künstlerischen Herstellungsprozesses in materieller Ausformung als "Film" präsentiert, ist- wenn es sich um einen abendfüllenden (Spiel-)Film, das in wirtschaftlicher Hinsicht bei weitem wichtigste Filmgenre, handelt - ein Bild-Ton-Streifen, der eine Mindestlänge von 1600 m und eine Breite von 35 mm aufweist27 • Der Umstand, daß von einem solchen originären Produkt in der Praxis jeweils zahlreiche (ca. 60), und theoretisch beliebig viele, Kopien hergestellt und bis zu ihrem technischen Verschleiß wiederholt vorgeführt werden können, könnte zu der Annahme verleiten, daß es sich bei einem Film um ein typisches industrielles Massenprodukt handelt. Doch sind diese Merkmale eines typisierten, "massenhaften" Produkts ausschließlich in der Reproduktions- und Konsumsphäre existent, gelten aber nicht in bezug auf den Originalfilmstreifen, die sogenannte Musterkopie, selbst. Im Bereich der Filmherstellung findet eine durch Spezialisierung und Serienfertigung gekennzeichnete Massenproduktion nicht statt. Der Einzelfilm ist vielmehr ein "industriell erzeugtes individuelles Gut" 28, ein "Prototyp" 29, und also "das Ergebnis eines in den entscheidenden produktionstechnischen und produktionsökonomischen Hinsichten jeweils neuen Herstellungsprozesses" 30 • In dieser Individualität liegt die Besonderheit der filmischen Produktion.
1.4 Ökonomische Besonderheiten und Finanzierungsrisiko Eine unmittelbare Konsequenz der Prototypenproduktion besteht darin, daß das Gesetz der Massenproduktion, wonach mit wachsender Produktionsmenge die durchschnittlichen Herstellungskosten des Einzelprodukts sinken, bei der Filmwirtschaft nur geringe Gültigkeit besitzt31 • Ergibt sich dieses einmal daraus, daß die Herstellungskosten eines Films durch Rationalisierungsmaßnahmen kaum beeinflußt werden können, so liegt die zweite Ursache dafür in der Besonderheit, daß für das eines ausschließlichen Nutzungsrechts berechtigt ist, das Werk unter Ausschluß aller anderen Personen, auch des Urhebers, zu nutzen. - Die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts (ausschließliche Lizenz) stellt eine dinglich wirkende Verfügung über das Recht dar. Dagegen ist strittig, ob dies auch für die Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts (einfache Lizenz) gilt oder ob dieser nicht nur eine schuldrechtliche Wirkung zukommt (vgl. Möhring/ Nicolini, Anm. 5 zu§ 31, S. 227). 27 Vgl. Artikel2 der ersten Filmrichtlinie. 28 Dadek, Filmwirtschaft, S. 41. 29 Degand, Le cinema, S. 126. 30 Dadek, Filmwirtschaft, S. 42. 31 Vgl. Dadek, Filmwirtschaft, S. 61; Degand, Le cinema, S. 79. Bei bestimmten Betriebskosten ist mit wachsender Produktion eine gewisse Kostenersparnis zu erzielen. Auch bei den Dreharbeiten läßt sich durch rationelle Planung eine gewisse Kostendegression erreichen; vgl. Dadek, ebd., S. 61 und S. 57 f.
I. Aufbau und Mechanismen der Filmwirtschaft
31
Filmprodukt weder ein Herstellungspreis noch ein Marktpreis im üblichen Sinne existiert32 . Zwar können bei sorgfältiger Planung relativ exakte Kostenvorausberechnungen erstellt werden. Doch bringt es die Eigentümlichkeit einer "künstlerisch-schöpferischen" Prototypenproduktion mit sich, daß insbesondere bei den Dreharbeiten außerordentliche Kostenfaktoren (etwa bei Außenaufnahmen wegen ungünstiger Witterungsbedingungen, wegen Krankheit wichtiger Darsteller etc.) auftreten. Diesen "aleatorischen" Momenten bei der technisch-künstlerischen Realisierung des Films korrespondieren nicht weniger große Unvorhersehbarkeiten und Besonderheiten bei seiner kommerziellen Auswertung. Filme werden nicht wie andere industriell gefertigte Erzeugnisse zu festen Preisen verkauft33 ; der Verkaufswert eines Films, bei dem nur die Nutzungsrechte abgetreten werden, realisiert sich vielmehr erst bei der Aufführung in den Filmtheatern, deren "sozial-ökonomisch determinierte"34 Eintrittspreise zwar je nach Standort, Größe und Ausstattung des Theaters schwanken können, jedoch keine echten Marktpr eise darstellen im Sinne einer (unmittelbaren) Abhängigkeit von den Produktionskosten35. Dem Absatz des Filmprodukts liegt vielmehr ein prozentuales Verteilungssystem zugrunde, das eine bestimmte proportionale Beteiligung von Filmtheater, Filmverleih und Filmproduzent an den Kassenerlösen vorsieht und dessen Vorteil gegenüber einem Festpreissystem darin besteht, daß potentielle Verluste ebenso wie potentielle Gewinne von allen drei Sparten getragen werden36. Das Verteilungssystem ist normalerweise so ausgestaltet, daß ca. 60 OJo der Netto-Kassenerlöse bei den Filmtheatern verbleiben, während die restlichen 40 °/o zwischen Produzent und Verleih aufgeteilt werdens7, ss. 32 Vgl. Dadek, Filmwirtschaft, S. 78; V alter, Le regime, S. 39.
F estpreise gibt es allenfalls beim Filmexport. Dadek, Filmwirtschaft, S. 84. Dieses Phänomen wird besonders in Italien deutlich, wo die Kinopreise seit jeher am niedrigsten sind. 35 Vgl. Valter, Le regime, S. 39; Dadek, Filmwirtschaft, S. 80; Degand, RMC 1964, s. 381. 36 Vgl. Degand, Le cinema, S. 48; Dadek, Filmwirtschaft, S. 74 ff., S. 79; zur historischen Entwicklung vgl. Batz, Contribution, S. 38. 37 Man kann von einer grundsätzlichen Verteilung im Verhältnis : 30 Ofo Spesen für den Verleih, 70 Ofo für den Produzenten ausgehen (vgl. D egand, Le cinema, S. 75; Dadek, Filmwirtschaft, S. 48). Das ändert sich aber in dem Maße, wie der Verleih selbst an der Finanzierung des Films beteiligt war. Bei einer Finanzierung des Films durch den ~ilmverleih in Höhe von ca. 75 Ofo erhält der Verleih auch 75 ~/o aus den 40 °/o aus den gesamten Kassen einnahmen. 38 In Frankreich besteht für die Kontrolle der Kasseneinnahmen ein ausgeklügeltes Kontrollsystem, in dem eine wichtige Voraussetzung für eine optimale Finanzierung und Rentabilität der ~ilme gesehen wird. Dieser "contröle des recettes" liegt in den Händen des Centre National de la Cinematographie. Vgl. V alter, Le regime, S. 140 ff. 33
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Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
Die aus diesem System resultierende "Indifferenz des Filmproduktpreises gegen die Herstellungskosten" 39 ist ein wichtiges Charakteristikum der Filmwirtschaft. Aus ihm folgt wiederum, daß die Einnahmen eines Films zwar proportional sind zur Größe des Marktes bzw. des erreichten Absatzes, ohne daß jedoch - wie dies bei anderen industriell erzeugten Gütern der Fall ist- bei einer Expansion des Marktes bzw. Steigerung des Absatzes Herstellungskosten und "Verkaufspreis" sinken; es besteht im Gegenteil in der Filmwirtschaft sogar die Tendenz, daß bei steigendem Absatz auch die Produktionskosten zunehmen40 • Ertrag und Rentabilität eines Films bestimmen sich nach der Zahl der Filmtheater und natürlich insbesondere nach dem Umfang des Publikumszuspruchs, den der Film erfährt. Gerade aber d~r Publikumserfolg ist im Zeitpunkt der Herstellung des Films sehr ungewiß. Bedenkt man, daß die Herstellungskosten eines europäischen Films zumindest zwischen 1 und 2 Millionen DM, oft aber, vor allem bei Koproduktionsfilmen, sehr viel höher liegen41 , so wird deutlich, daß für die Produktion ein beträchtliches Kapital aufgebracht werden muß, dessen Amortisierung einem erheblichen Risiko ausgesetzt ist. Dieses Risiko ist für den Kreditgeber um so einschneidender, als mit der Hingabe des Kredits nicht gleichzeitig bereits belastbare Sachwerte entstehen, die zur Sicherung der investierten Mittel dienen könnten: denn ein unfertiger Film stellt keinerlei verwertbare Liquidationsmasse dar, und der weitaus größte Teil der Aufwendungen entfällt auf Löhne, Gehälter und Verbrauchsgüter, die für eine Kreditsicherung außer Betracht bleiben42 • Hinzu kommt, daß bei einer mittleren Laufzeit eines Filmes von 1 bis 2 Jahren sich der Rückfluß der Gelder auf eine relativ lange Zeit erstreckt und die Amortisierung des Kapitals nur allmählich erfolgt, so daß die Dauer, für die das Kapital in voller Höhe oder teilweise gebunden ist, recht beträchtlich sein kann43 • Es sind diese ökonomischen Besonderheiten und spezifischen Risiken der Filmproduktion, die die Frage der Finanzierung von Filmen zu einem zentralen Problem der Filmwirtschaft gemacht und ihre strukturelle Entwicklung weitgehend bestimmt haben.
Dadek, Filmwirtschaft, S. 79; vgl. auch Batz, Contribution, S. 36. Vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen bei Batz, Contribution, S. 41 f.; auch Bajile, UFITA 1970, S. 112 f. 39
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41 Ein Beispiel für die Zusammensetzung der Herstellungskosten eines Films findet sich bei Degand, Le cinema, S. 72 ff. 42 Dadek, Filmwirtschaft, S. 114. 43 Nach Dadek, Filmwirtschaft, S. 114, ist das Kapital für einen Zeitlaum von 5- 12 Monaten in voller Höhe gebunden. Vgl. auch Batz, Contribution, s. 56.
I. Aufbau und Mechanismen der Filmwirtschaft
33
2. Die Filmproduktion
Es ist zwischen der Filmproduktion im engeren Sinne und der im weiteren Sinne zu unterscheiden. Die Filmproduktion im weiteren Sinne umfaßt alle Tätigkeiten von der ersten Planung des Filmvorhabens über die Dreharbeiten bis zur Ausfertigung der Kopien und ihrer Übergabe an den Verleih. Die Filmproduktion im engeren Sinne beschränkt sich dagegen auf die planenden und organisatorischen Aufgaben44 • Die technische Ausführung des Filmprojekts, die eigentliche Filmherstellung, wird in den Atelierbetrieben und Kopieraustalten vorgenommen, die nicht notwendig Teil eines Filmproduktionsunternehmens sind, sondern als sogenannte "technische Industrie" ganz überwiegend ein eigenes und separates Gewerbe innerhalb der Filmwirtschaft bilden. Die Ateliers stellen neben den Räumlichkeiten, Requisiten, technischen Geräten, Ton- und Aufnahmestudios weitgehend auch das notwendige technische Fachpersonal zur Verfügung, so daß sie- im Rahmen der jeweiligen Vereinbarungen des Vertrages - die technische Produktion im Auftrage des Produzenten ausführen45 • In den Kopieraustalten werden dann die Entwicklung, der Schnitt, die Montage, die Vervielfältigung und die Synchronisation des Filmmaterials vorgenommen. Die Filmproduktion im engeren Sinne läßt sich also ohne eigene technische Produktionsstätte durchführen. Dieser zweischichtige Produktionsstil wird vor allem in den europäischen Ländern praktiziert, wo die Produktionsunternehmen eher handwerklichen als industriellen Zuschnitt haben46 und im besonderen Maße darauf angewiesen sind, leistungsfähige technische Filmbetriebe in Anspruch nehmen zu können. 3. Filmverleih und Filmtheater
Die eigentliche Rolle des Filmverleihs besteht in seiner Vermittlerfunktion zwischen Filmproduktion und Filmtheaterbetrieben und in seiner Aufgabe, den Filmen eine möglichst breite und effektive Verteilung zu sichern. Zu diesem Zweck erwirbt der Filmverleiher aufgrundeines Lizenzvertrages47 die in der Regel unbeschränkten und alleinigen Ver44 Zu den Aufgaben der Planung und Organisation eines Filmprojekts gehören: die Bearbeitung des Filmstoffes nach filmdramatischen Gesichtspunkten, gegebenenfalls die Herstellung des Drehbuchs : der Abschluß von Verträgen mit dem Regisseur, den Darstellern und den sonstigen künstlerischen und technischen Mitarbeitern; die Festlegung der Drehzeit, der Drehorte, der Dekorationen und Kostüme; der Vertragsabschluß über die Miete mit den Filmateliers; die Aufstellung einer Vorkalkulation und insbesondere die Filmfinanzierung (Verhandlung mit Filmverleih über Finanzierung und Übertragung der Auswertungsrechte an dem Film, Verhandlung mit Banken etc.). Vgl. Busch, S. 12. 45 Vgl. Dadek, Filmwirtschaft, S. 3 ff. 46 Broichhausen, S. 3; Degand, Le cinema, S. 69 f.
3 Keßler
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Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
wertungsrechte (Handelsmonopole) und vermietet diese Rechte seinerseits für eine bestimmte Anzahl von Aufführungen an die Filmtheater. Hierfür erhält der Filmverleih vom Produzenten das Originalnegativ des Films ausgehändigt und beauftragt eine Kopieranstalt im eigenen Namen und auf eigene Kosten mit der Anfertigung einer Anzahl von Kopien, die er dann in den Kinobetrieben in Umlauf setzt. Zugleich übernimmt er die gesamte Werbung für den Film. Die Beziehungen zwischen Filmverleih und Filmtheater sind dadurch gekennzeichnet, daß die Verleiher bemüht sind, einen Teil ihres insbesondere aus der Filmfinanzierung48 entstehenden Risikos auf die Filmtheater abzuwälzen. Da die Abnahmebedingungen für alle Filme im wesentlichen gleichgehalten werden, basiert der Wettbewerb unter den Verleihern praktisch nur auf der Qualität bzw. den kommerziellen Erfolgsaussichten der von ihnen angebotenen Filme40 • Um deshalb zu vermeiden, daß von den Kinobetrieben nur die (voraussichtlich) erfolgreichen Filme gemietet und aufgeführt werden, geben die Verleiher ihre Filme nicht einzeln, sondern nur "en bloc" ab. Dieses sogenannte "Blockbuchen" ist ebenso wie das sogenannte "Blindbuchen", bei dem sich die Filmtheater verpflichten, die Filme noch vor Fertigstellung der Filmstaffel bzw. der Filme selbst zu bestellen, ein international übliches Geschäftsgebaren, das sich die Verleihfirmen aufgrund ihrer überlegenen Marktstellung und ihrer jeweiligen Handelsmonopole ohne weiteres "leisten" können50• Aus der ihm in der Anfangszeit der filmwirtschaftliehen Entwicklung zugewiesenen Rolle des reinen Filmhändlers ist der Filmverleih seit langem hinausgewachsen. Die Filmverleihe sind zum Zentralisationspunkt von Angebot und Nachfrage geworden. Sie taxieren die Marktchancen eines Films und bestimmen die Theater, in denen die Filme (zuerst) aufgeführt und die "Massierung", in der sie in einer ersten oder zweiten Aufführungsphase eingesetzt werden51 • Außerdem entscheiden sie über Umfang und Art der Werbung für einen Film und kontrollieren weitgehend auch die Einnahmen und deren Verteilung. Die Filmverleihe sind aber nicht nur die "Promoter" der fertiggestellten Filme; als einer der Hauptfinanziers der Filmherstellung nehmen sie bereits mehr oder weniger stark Einfluß auf die Produktion selbst und besetzen alles in al47 Dieser Lizenzvertrag ist nach deutschem Recht ein urheberrechtlicher Nutzungsvertrag sui generis, und zwar im Sinne der Übertragung einer ausschließlichen Lizenz mit dinglicher Wirkung; vgl. Berthold/v. Hartlieb, S. 357; Möhring/Nicolini, Anm. 5 zu§ 31, S. 227. 's Vgl. Abschnitt I, A, I, 4.2. 49 Vgl. Busch, S. 25. 50 Diese Methoden dürften in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht sehr problematisch sein. Doch liegt die Frage, ob sie etwa in Widerspruch stehen zu Artt. 85 ff. EWGV, außerhalb der Zielsetzung dieser Arbeit. 51 Vgl. Batz, Contribution, S. 43 f.
I. Aufbau und Mechanismen der Filmwirtschaft
35
lern innerhalb der Filmwirtschaft eine Schlüsselrolle, die mit der Kurzformel "Qui tient la distribution, tient le cinema" treffend umschrieben worden ist52• Am deutlichsten wird die Schlüsselrolle des Filmverleihs am Beispiel der großen amerikanischen Verleihfirmen, den sogenannten "Major Companies" (Metro-Goldwyn-Mayer, Twentieth Century Fox, Paramount, United Artists Corporation, Columbia, Warner Brothers), die dank einer umfassenden und hochentwickelten Vertriebsorganisation in der Lage sind, ihre Filme auf dem ganzen Weltmarkt, insbesondere in Europa, abzusetzen. Aber auch im europäischen Rahmen sind die Produzenten weitgehend vom Filmverleih abhängig, so daß nur in ganz wenigen Ausnahmefällen ein Film überhaupt ohne die Mitwirkung eines Filmverleihs entstehen kann53 • 4. Die Filmfinanzierung
4.1 Hauptsächliche Finanzierungsquellen In der europäischen Filmwirtschaft können als Hauptfinanzierungsquellen die folgenden Mittel angesehen werden: -
-
die von der Filmwirtschaft, d. h. von den Produzenten, Verleihern und eventuell auch den Filmateliers und Kopieranstalten aufgebrachten Gelder; die staatlichen Beihilfen und Kredite; die speziellen Privatkredite, meist Bankkredite.
Von praktisch wichtigster Bedeutung ist die Finanzierung durch staatliche Beihilfen, Prämien und Kredite sowie die unmittelbare oder mittelbare Finanzierung durch den Filmverleih54.
4.2 Das Verhältnis Filmproduzent/Filmverleih Das Verhältnis zwischen Filmproduktion und Filmverleih55 ist maßgeblich durch den Umstand geprägt, daß der Filmverleih im Laufe der Zeit zum "Hauptfinanzier" der Filmproduktion geworden ist. Der Grund für diese Entwicklung liegt darin, daß die ökonomische Position der Filmverleiher von jeher stabiler war als die der Produzenten: denn die Filmverleiher können wegen der ihnen an zahlreichen Filmen gleichzeitig zuVgl. Degand, Le cinema, S. 236. Batz, Contribution, S. 46. 54 Vgl. zur Filmfinanzierung insbesondere Degand, Le cinema, S. 79 ff. ss Die Ausführungen beziehen sich auf den Fall, daß Filmverleih und Filmproduktion zwei verschiedene Unternehmen darstellen. Anfänge einer Bildung von vertikalen Konzernen existieren zwar in der Bundesrepublik (UFA-Konzern, 1962) ebenso wie in Frankreich, Italien und Großbritannien, scheiterten aber durchweg. 52
53
36
Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
stehenden Nutzungsrechte privaten Kreditgebern sehr viel bessere Sicherheiten bieten als kleine und mittlere Produktionsunternehmen und besitzen überdies aufgrund ihrer Beziehungen zu den Filmtheatern direkte Einwirkungsmöglichkeiten, um einen Film auf dem Markt "durchzusetzen"56. Im Normalfall vollzieht sich die Filmproduktion, legt man einmal die deutsche Rechtsterminologie zugrunde, im Wege einer sogenannten "echten Auftragsproduktion" 57, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sich ein Filmproduzent gegenüber einem Filmverleih zur Herstellung eines Films im eigenen Namen und auf eigene Rechnung sowie zur Übereignung des für die Filmauswertung notwendigen Materiales (Filmnegativ, Werbevorspann, Standfotos u. ä.) und zur Übertragung der ausschließlichen Verwertungsrechte (sog. Monopolrechte) für ein bestimmtes Gebiet (sog. Monopolgebiet) und eine bestimmte Zeit (sog. Monopolzeit) verpflichtet58 ; dafür übernimmt der Filmverleih einen Großteil der Filmfinanzierung sowie, in der Regel, die keineswegs unerheblichen Kosten für die Herstellung der notwendigen Kopien59 • Die Beteiligung an der Finanzierung erfolgt entweder in der Weise, daß der Filmverleih dem Produzenten die Beschaffung von Bankkrediten dadurch ermöglicht, daß er ihm eine sogenannte "Mindestgarantie'' einräumt, d. h. sich verpflichtet, unabhängig von den eingehenden Erlösen (sog. Leihmieten) einen bestimmten Betrag an den Produzenten zu leisten, oder aber in der Form, daß der Filmverleih unmittelbar die Finanzierung der Filmproduktion (durch Wechsel oder eigene Kredite) etwa bis zu einer Höhe von 75 Ofo selbst übernimmt und sich dafür entsprechend höhere Anteile an den Leihmieten übertragen läßt80• 4.3 Die staatLichen Produktionsbeihilfen
Die für die europäischen Filmwirtschaften typischen, staatlichen Produktionsbeihilfen, die überwiegend als sogenannte "automatische" Subventionen, zum Teil auch nach qualitativen Gesichtspunkten "a fonds Vgl. Batz, Contribution, S. 47. Vgl. Berthold/v. Hartlieb, S. 353. 58 Die allgemeinen Bedingungen zum Lizenzvertrag Produktion/Verleih sehen vor, daß sämtliche Nutzungs- und Verwertungsrechteam Film, am Drehbuch, an Texten und Musik im voraus auf den Verleih übertragen werden, so daß die Rechteam Film sogleich beim Verleiher entstehen. Der Verleiher wird also Inhaber der Rechte vom Augenblick der Belichtung des Rohmaterials an, und zwar hinsichtlich Bild und Ton. 59 Von einem deutschen Spielfilm werden, sofern er auch für den Export bestimmt ist, etwa 60 Kopien hergestellt. Die Kosten einer Kopie belaufen sich auf ca. 5000 DM. 60 Vgl. Dadek, Filmwirtschaft, S. 11'5; Degand, Le cinema, S. 81 (Tableau Nr. 20); V alter, Le regime, S. 45. 56 57
II. Lage der europäischen Filmwirtschaft
37
perdus" vergeben werden6 t, sollen die Kreditchancen der Filmproduzenten auf dem Privatsektor verbessern und die Rentabilität der Filme sicherstellen. Sie machen durchschnittlich etwa 20- 25 °/o der Herstellungskosten eines Films aus62. Auf Einzelheiten der in den Mitgliedstaaten bestehenden Produktionsbeihilfen wird im dritten Abschnitt einzugehen sein. II. Die Lage der europäischen Filmwirtschaft 1. Allgemeine Daten und Fakten
Die europäische Filmwirtschaft ist einer der Problemsektoren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ein, wie es ein hoher Beamter der Europäischen Kommission einmal ausdrückte, "Krisensektor, ähnlich der Landwirtschaft, der seinen Mansholt noch nicht gefunden hat" 63 • Von einer Krisenlage der europäischen Filmwirtschaft spricht man etwa seit dem Jahre 1957, als die bis dahin eher latenten Schwierigkeiten durch einen ständigen Rückgang der Besucherzahlen spektakuläre Ausmaße annahmen. Allein in den Jahren 1957 bis 1964 nahm in der Bundesrepublik Deutschland die Zahl der Filmbesuche von 817,5 Millionen auf 320,4 Millionen, also um mehr als 50 Ofo, ab, und reduzierte sich bis heute noch einmal um etwa die Hälfte64. Ähnlich stark war der Besucherrückgang in Belgien und insbesondere in Großbritannien65 , während Frankreich, die Niederlande und vor allem Italien, das auch heute noch die weitaus höchsten Besucherzahlen innerhalb der Gemeinschaft aufweist und mit einer konstanten Quote von jährlich 500 Millionen Filmbesuchern nach den Vereinigten Staaten den zweitgrößten Filmmarkt der Welt besitzt66, weniger starke Verluste hinzunehmen hatten. Bezogen auf den gesamten Raum der Europäischen Gemeinschaft - ohne die neuen Mitgliedstaaten - läßt sich sagen, daß die Besucherzahl zwischen 1956 und 1967 von 2 222 Millionen auf 1 090 Millionen, also um die Hälfte zurückging67. Auch in den folgenden Jahren war die Entwicklung, wenn auch in sehr viel geringerem Maße, rückläufig; erst innerhalb der letzten Vgl. Abschnitt III, A, I. bis VII'!. Vgl. Batz, Contribution, S. 34; V alter, Le regime, S. 198. 63 Herr Rabier, Generaldirektor der Generaldirektion Presse und Information, anläßlich der "Journees d'Etudes de l'Union Europeenne des Travameurs du Film", Bruxelles, 17. und 18. April1972 64 Vgl. Filmstatistisches Taschenbuch 1973, S. 12 (Tabelle 20) und S. 29 (Tabelle 40}. 65 In Großbritannien ging die Zahl der Filmbesuche von 635 Millionen im Jahre 1946 auf 163 Millionen im Jahre 1972 zurück. Quelle: Cinema d'oggi, Nr.17 v. 7. 5. 1973, S. 1. 66 Cinema d'oggi, Nr. 18 vom 14. 5. 1973, S. 15. s1 Degand, Le cinema, S. 118. 61 62
Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
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drei Jahre dürfte sich der Markt bei etwas mehr als 900 Millionen Filmbesuchen pro Jahr "stabilisiert" haben68 • Die Hauptursachen dieser Entwicklung liegen in einer tiefgreifenden Umstrukturierung der Freizeitgewohnheiten gerade in den unteren und mittleren sozialen Schichten, die den größten Teil der Kinogänger repräsentieren. Insbesondere die zunehmende Motorisierung und die Einführung des Fernsehens haben sich naturgemäß unmittelbar auf die Kinobesuch ausgewirkt69 • Überdies wurde der Prozeß des Besucherrückgangs durch die Schließung zahlreicher Filmtheater, durch die viele Besucher für die Filmwirtschaft völlig verloren gingen, weil sie nunmehr auf den Besuch anderer Filmtheater verzichteten, zusätzlich beschleunigt7°. In struktureller Hinsicht ist die europäische Filmwirtschaft gekennzeichnet durch die Existenz einer Vielzahl mittlerer und kleiner Unternehmen sowohl auf dem Produktions- als auch dem Verleihsektor. Dieser Tatbestand rechtfertigt nicht nur die Feststellung, daß "die Filmwirtschaft nirgends in Europa mit hoher organischer Zusammensetzung des Kapitals arbeitet" 71, sondern dokumentiert bis zu einem gewissen Grad auch die Unfähigkeit zu rationeller Produktion "in großem Stil" 72 , eine Schwäche, die durch das Instrument der Koproduktion nur in beschränktem Maße ausgeglichen wird. Besonders krass ist die "Zersplitterung" in Frankreich: insgesamt gibt es dort ungefähr 110- 120 "aktive" französische Produktionsunternehmen, von denen allerdings der überwiegende Teil höchstens einen Film pro Jahr produziert. Die Zahl der Produktionsfirmen, die in der Lage sind, jährlich etwa 5 bis 10 Filme herzustellen, ist sehr viel geringer73• In der Bundesrepublik gab es im Jahre 1974 insgesamt 53 aktive "deutsche" Produktionsfirmen, von denen jedoch 38 nur einen, 6 weitere nur 2 Filme hergestellt haben. Daneben bestanden 35 "ausländische" Produktionsfirmen74• Vgl. Filmstatistisches Taschenbuch 1975, S. 29 (Tabelle 40). Vgl. insbesondere Prokop, Soziologie des Films, S. 163 und S. 170; auch Degand, Le cinema, S. 116 f. 70 Der Rückgang der Filmtheater in der EG (ohne die neuen Mitgliedstaaten) hatte folgendes Aussehen: 1959: 25 326 Filmtheater; 1965: 22 774 Filmtheater; 1971: 17 958 Filmtheater. (Filmstatistisches Taschenbuch 1973, S. 29; Batz, Apropos de la crise, S. 127.) 11 Dost!Hopf/Kluge, S. 59 72 Vgl. Batz, Contribution, S. 4. 7 S Vgl. Degand, Le cinema, S. 70; Degand meint, daß nur etwa 3 französische Firmen überhaupt in der Lage seien, 5 Filme und mehr pro Jahr herzustellen. 74 Vgl. Filmstatistisches Taschenbuch 1975, Tabelle 3, S. 2 (In dieser Statistik sind allerdings auch die Märchen- und Jugendfilmproduktionen eingeschlossen.). 68
69
Il. Lage der europäischen Filmwirtschaft
39
Diese strukturellen Schwächen schließen nicht aus, daß innerhalb der Gemeinschaft eine relativ große- wohl zu große75 - Anzahl von Filmen produziert wird: Unter Berücksichtigung der in Koproduktion hergestellten Filme ergibt sich, daß- ohne Großbritannien- von einem jährlichen Produktionsvolumen in Höhe von mindestens 350 Spielfilmen ausgegangen werden kann76 • In der Bundesrepublik wurden von 1965 bis 1974 durchschnittlich in jedem Jahr 93 Spielfilme produziert; davon waren durchschnittlich 33 Filme Koproduktionen77 • 2. Das Produktionskostendefizit und seine Ursachen
Die Krise der europäischen Filmwirtschaft ist ökonomisch gesehen das Problem eines permanenten Produktionskostendefizites, dessen Existenz durch den wirtschaftlichen Erfolg einiger weniger Filme nicht widerlegt, sondern im Prinzip gerade bestätigt wird78 • Für diese Situation werden - von dem fast ausschließlich soziologisch bedingten Besucherverlust in den sechziger Jahren einmal abgesehen79 - verschiedene Ursachen geltend gemacht, deren Gewichtigkeit im einzelnen aber selbst unter Filmwirtschaftsexperten unklar zu sein scheint. Deshalb kann auch die vorliegende Arbeit nicht mehr leisten, als all jene Faktoren und Zusammenhänge zu rekapitulieren, die aus ökonomischer Sicht für die "Dauerkrise" der europäischen Filmwirtschaft verantwortlich gemacht werden.
2.1 Tendenz zur Oberproduktion Dadek 80 hat in seiner "Theorie zur Filmökonomik" dargelegt, daß nach dem in der Filmwirtschaft bestehenden Verteilungssystem (60 °/o für die 75
76
Dazu sogleich unter 2.1.
Degand, Le cinema, S. 122. Bei der Tabelle 38 des FilmstaUstischen Ta-
schenbuches 1975, S. 29, ist zu beachten, daß die Koproduktionsfilme für jeden koproduzierenden Staat ·g ezählt sind. 77 Vgl. Filmstatistisches Taschenbuch 1975, Tabelle 1, S. 1. 78 Vgl. Batz, Contribution, S. 26. 70 Inwieweit eine "Reaktivierung" des Kinobesuches in der heutigen Gesellschaft möglich ist, soll und kann in dieser Arbeit nicht untersucht werden. Zu diesem Problemkreis ist vor allem auf die Darstellung von Dost!Hopf/Kluge, S. 80 ff., sowie auf die dort in ihren wesentlichen Aussagen wiedergegebene Studie des amerikanischen Sozialforschers Ernest D i chter über die Freizeitbedürfnisse und die Präferenzstruktur des Filmpublikums in der Bundesrepublik Deutschland zu verweisen. Angesichts der .,besonderen" Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland sei jedoch die Bemerkung gestattet, daß sich das nicht zu unterschätzende aUgemeine kulturelle Ansehen der deutschen Filmwirtschaft und folglich auch ihre ökonomische Situation überhaupt nur dann verbessern werden, wenn auf breiter Basis der Wille besteht, wieder filmische Qualität an die Stelle eines kurzatmigen und geistlosen Kommerzialismus zu setzen. Hoffnungsvolle Anzeichen hierfür sind in jüngster Zeit durchaus erkennbar geworden. 8o Dadek, Filmwirtschaft, S. 109.
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Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
Filmtheater, 30 °/o der verbleibenden 40 0/o der Gesamteinnahmen für den Verleih), bei dem fast 4 /s der Gesamteinnahmen des Films vom Vertriebs- und Absatzapparat beansprucht werden, und lediglich 1/s der Erlöse zur Deckung der Produktionskosten verbleibt, der Film ungefähr das 41/2fache seiner Produktionskosten einspielen muß, um überhaupt rentabel zu sein. Das bedeutet, daß ein Film, der beispielsweise Herstellungskosten in Höhe von einer Million DM zu amortisieren hat, bei einem durchschnittlichen Kinopreis von etwa 4,50 DM8 \ auch mindestens von einer Million Besuchern gesehen werden muß. Daß diese Zahl auf dem deutschen Markt nur in Ausnahmefällen erreicht werden kann, erhellt aus folgenden Daten: im Jahre 1974 gab es in der Bundesrepublik 136 Millionen Filmbesucher, denen aber schon allein 359 ur- und erstaufgeführte Filme, darunter 77 deutsche Filme bzw. deutsch/ausländische Koproduktionen, angeboten wurden. Bezogen auf die Jahre 1967-1974 ist die Bilanz kaum günstiger: einer jährlichen Besucherzahl von 163 Millionen wurden durchschnittlich 400 ur- und erstaufgeführte Filme gezeigt. Ähnlich ungünstig sind die Verhältnisse in Frankreich, das im Jahre 1973 bei einer Filmbesucherzahl von 174 Millionen allein 200 französische Filme (einschließlich Koproduktionen) hergestellt hat. In Italien war die Zuschauerzahl mit 545 Millionen im Jahre 1973 zwar die bei weitem höchste, aber auch die Zahl der italienischen Filme war mit 248 Filmen deutlich höher als in allen anderen Mitgliedstaatens2 • Diese - groben - Zahlen mögen Feststellungen verdeutlichen, die außer von Dadek auch von anderen83 gemacht worden sind: daß nämlich das Produktionskostendefizit mit zunehmendem Produktionsumfang ebenfalls ansteigt und innerhalb der europäischen Filmwirtschaft eine deutliche Tendenz zur Überproduktion erkennbar ist. Demgegenüber vermag das zur Begründung des Defizits gebrauchte Argument der "zu kleinen Märkte" nicht in dem Maße zu überzeugen, wie es oft benutzt wird. Dadek84 betont in seiner filmwirtschaftliehen Untersuchung, daß diese "kanonische Regel" der europäischen Filmwirtschaft, jedenfalls in dieser Stringenz, nicht stichhaltig sei: da die Abmessungen der europäischen Märkte von der Nachfrageseite her einigermaßen festgelegt seien (wenn sie auch bei Verbesserung der Absatzvoraussetzungen, der Qualität der Filme etc. gesteigert werden könnten), liege der reale Grund dafür, daß die Märkte als zu klein erscheinen, darin, daß ihnen ein zu großes Angebot zugemutet werde. Mit anderen Worten: es sei der europäischen So im Jahre 1974. Vgl. zu allen Angaben: Filmstatistisches Taschenbuch 1975, Tabellen 9, 20, 38, 40. In Italien haben sich im Jahre 1970 die Filme auf dem italienischen Markt nur zu 50 Ofo amortisiert (Cinema d'oggi, Nr. 28 vom 23. 3. 1973, S. 1 f.). 83 Degand, RMC 1966, S. 689 und derselbe, Le cinema, S. 124; Dost!Hopf/ Kluge, S. 113 f . 84 Dadek, Filmwirtschaft, S. 101. 8t
82
II. Lage der europäischen Filmwirtschaft
41
Filmwirtschaft nicht gelungen, den Produktionsumfang an die reale Marktsituation anzupassen. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser These liefert in der Tat das amerikanische Beispiel: Obwohl die Filmbesucherzahl auf dem amerikanischen Markt im .Jahre 1968 mit 1175 Millionen der innerhalb der Europäischen Gemeinschaft erreichten Besucherzahl entsprach85, wurden von den Amerikanern .etwa 200 Filme weniger produziert als in den europäischen Staaten86• Zwar wird man die Verhältnisse auf dem sehr homogenen, weil einsprachigen, amerikanischen Markt nicht ohne weiteres auf den europäischen Markt mit seiner verschiedenartigen Kulturstruktur übertragen können, doch scheint die Forderung an die europäische Filmwirtschaft unausweichlich, zu einer "Gesundschrumpfung" des Produktionsumfangs bei gleichzeitiger qualitativer Produktionssteigerung zu gelangen. Dieser Aspekt wird bei einer zukünftigen gemeinsamen Beihilfenpolitik der Europäischen Gemeinschaft besonders zu berücksichtigen sein, da die in den europäischen Staaten bestehenden Produktionsbeihilfen in ihrer gegenwärtigen Form die Überproduktion eher fördern als einschränken57.
2.2 Mangelnde Ausschöpfung des europäischen Marktes Ein wesentlicher Grund für das Rentabilitätsdefizit der europäischen Filme scheint auch darin zu liegen, daß es - trotz Koproduktion und Abbau der Kontingente - nicht gelungen ist, für die Auswertung der Filme den gesamten europäischen Markt zu erschließen. Bis heute verfügt keine europäische Verleihfirma über ein Vertriebssystem, das den gesamten europäischen Raum erfaßt, geschweige denn in der Lage ist, den Weltmarkt zu erreichen88 • Eine umfassende Verbreitung der europäischen Filme innerhalb des Gemeinsamen Marktes oder gar auf dem Weltmarkt wird nur von den großen Verleihfirmen amerikanischer Provenienz garantiert - mit der Folge einer zunehmenden Abhängigkeit der europäischen von der amerikanischen Filmwirtschaft, dem zugleich stärksten Konkurrenten. Ein ganz wichtiger Ansatzpunkt für die Verbesserung der Lage der europäischen Filmwirtschaft wird deshalb in einer strukturellen und qualitativen Erweiterung des europäischen Vertriebssystems gesehen, d. h. in der Entwicklung europäischer Verleihfirmen, die in der Lage sind, zumindest auf dem europäischen Markt selbst mit den amerikanischen Firmen zu konkurrieren89 • ss Vgl. Degand, Le cinema, S . 128. es Vgl. Degand, Le cinema, S . 125. 87 Vgl. dazu Batz, Contribution, S . 107. Der Gewährung von Filmproduktionsbeihilfen liegt in den meisten Mitgliedstaaten ein "automatisches Prinzip" zugrunde; vgl. Abschnitt III, A. 88 Vgl. Batz, Contribution, S. 4; Dost!Hopf/Kluge, S. 24.
42
Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
2.3 Abhängigkeit von der amerikanischen Filmwirtschaft Mit dem besonderen Verhältnis zur amerikanischen Filmwirtschaft, das weniger durch echte Konkurrenz als durch Abhängigkeit gekennzeichnet ist, ist bereits eine weitere Ursache für die allgemeinen Schwierigkeiten der europäischen Filmwirtschaft angesprochen. Der europäische Filmmarkt wird von den amerikanischen "Major Companies" maßgeblich beeinflußt. Ihr Anteil am europäischen Verleihumsatz beträgt etwa 35-40%90, diejenigen "europäischen" Filme nicht einbezogen, die von amerikanischen Firmen finanziert und vertrieben werden. Besonders krass ist die amerikanische Dominanz in Großbritannien: dort nahm zwischen 1962 und 1969 der Anteil der Filme, die ganz oder teilweise von amerikanischen Gesellschaften produziert oder finanziert wurden, von 43 Ofo auf 78 Ofo zu91. Jüngster Schätzung zufolge sind die Finanzierungsmittel für britische Filme zu ca. zwei Dritteln amerikanischen Ursprungs92 . Aber auch in Italien, wo die US-Investitionen im Jahre 1969 mit einer Summe von 60 Millionen Dollar ihren Höhepunkt erreichten93, ist der amerikanischeEinfluß beträchtlich. Die amerikanischen Unternehmen sind im Gemeinsamen Markt hauptsächlich auf dem Sektor des Filmverleihs tätig; sie treten entweder als selbständige Anbieter auf oder aber betreiben, so vor allem in Italien, den Verleih in Partnerschaft mit europäischen Gesellschaften. Gleiches gilt, soweit die amerikanischen Firmen im Produktionsbereich tätig sind: beispielsweise ist die Verleihfirma "Paramount" zu 50 ()/o an der französischen Produktionsfirma "Parafrance" beteiligt, "Metro-GoldwynMayer", "Columbia", "United Artists" und "Warner Bros." besitzen eigene Produktionsfirmen94• Das Eindringen amerikanischer Filme, amerikanischen Kapitals und amerikanischer Filmgesellschaften auf den europäischen Markt begann unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg. Da auch die amerikanische Filmwirtschaft, früher als die europäische, wegen des konkurrierenden Unterhaltungs- und Freizeitangebotes einen starken Besucherrückgang und Krisensymptome zu verzeichnen hatte, und da gleichzeitig, im Zusammenhang mit einem allgemeinen Kostenanstieg, die Filmproduktionskosten expandierten, ging die amerikanische Filmindustrie in den frühen fünfziger Jahren mehr und mehr dazu über, ihre Filme in den su 90 91
Vgl. Batz, Contribution, S. 31. Batz, Contribution, S. 24; Degand, Le cinema, S. 66 und 8.124. Vgl. Murdock, in Prokop, Massenkommunikationsforschung, S. 57; Gu-
back, S. 148.
92 Quelle: Bericht einer von der britischen Regierung im Jahre 1975 eingesetzten Untersuchungsgruppe, sog. "Terry-Report", vgl. Screen International1976, Nr.19, S.l. 93 9'
Dost!Hopf/Kluge, S. 32. Dost/Hopf/Kluge, S. 44.
II. Lage der europäischen Filmwirtschaft
43
weitaus billigeren europäischen Filmstudios, insbesondere in Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien, zu produzieren (sog. "runaway~ production") und ein eigenes Vertriebssystem in Europa aufzubauen95 • Auf dem finanziell schwachen europäischen Filmmarkt vermochten die US-Unternehmen leicht Fuß zu fassen: sie begannen mit der Produktion "europäischer" Filme, die von europäischen Regisseuren, Schauspielern und Technikern hergestellt, zugleich für den europäischen und den amerikanischen Markt bestimmt waren96 • Das führte in den folgenden Jahren zu einem außerordentlich steilen Anwachsen der amerikanischen Investitionen auf dem europäischen Filmmarkt, nach Guback 97 "one of the most impressive developments in the last twenty years". In vielen Fällen existierte zwischen den europäischen und den amerikanischen bzw. amerikanisch finanzierten Filmen überhaupt "kein echter Wettbewerb". Denn die Produktionskosten der amerikanischen Filme, die sich auf dem großen heimischen Markt leicht amortisieren konnten, waren durchschnittlich 61/2mal höher98 als die Kosten europäischer Filme, ein Umstand, der den Amerikanern "Superproduktionen" ermöglichte, die sehr viel attraktiver waren, als die durchschnittlichen europäischen Filme99 • Hinzu kommt, daß es den amerikanischen Firmen durch die Gründung europäischer Tochtergesellschaften gelang, an den in Großbritannien, Frankreich und Italien bestehenden Förderungssystemen unmittelbar zu partizipieren100 und damit ihre Dominanz auf dem europäischen Filmmarkt zusätzlich zu festigen. An dieser Situation hat sich bis heute im wesentlichen nichts geändert. 3. Entstehung und Bedeutung der Filmförderungssysteme in den europäischen Staaten
Die Entstehung von Filmförderungssystemen in Frankreich, Großbritannien und Italien Anfang der fünfziger Jahre war in erster Linie eine Reaktion auf das Eindringen der amerikanischen Filmproduktionen in die europäischen Märkte. Sie muß auch in Zusammenhang mit anderen protektionistischen Maßnahmen gesehen werden, die zum Schutze der nationalen Filmwirtschaften in jener Zeit ergriffen wurden, nämlich den sogenannten Spielzeit- und Einfuhrkontingenten. Spielzeitkontingente sind gesetzliche Bestimmungen, die den Filmtheatern die Mindestauf95 98
Vgl. Guback, S. 164 f. Vgl. Batz, Apropos de la crise, S. 43.
Guback, S. 164. Batz, Contribution, S. 40. 99 Vgl. Guback, S. 10. Musterbeispiele für amerikanische Superproduktionen: "Der längste Tag" (Kosten: 10 Millionen Dollar), "Meuterei auf der Bounty" 97
98
(8,5 Millionen Dollar); "Cleopatra" (30 Millionen Dollar); in jüngerer Zeit: "The Godfather"; "The Great Gatsby". Das Normalbudget eines US-Films beläuft sich auf 4 bis 6 Millionen Dollar. too Vgl. hierzu: Guback, S. 165 ff.; Batz, Contribution, S. 25.
44
Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
führungen einheimischer Filme innerhalb eines bestimmten Zeitraums zur Pflicht machen, während Einfuhrkontingente unmittelbare, zahlenmäßige Importbeschränkungen darstellen. Beispielsweise sah eine im Jahre 1948 zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten abgeschlossene Vereinbarung vor, daß pro Vierteljahr 5 Wochen, also etwa 38 Ofo der Spielzeit, für französische Filme reserviert sein sollten; gleichzeitig wurde die Zahl der Importe amerikanischer Filme nach Frankreich auf 110 Filme jährlich beschränkt101. Italien, das im Jahre 1950 einen Filmimport von 400 amerikanischen Filmen zu verzeichnen hatte, sah sich ebenfalls zu Einfuhrkontingenten gezwungen: in einer Vereinbarung zwischen der "Motion Picture Export Association of America" (MPEA)1°2 und der ANICA103 , dem Dachverband der italienischen Filmindustrie, wurde im Jahre 1951 die Zahl der amerikanischen Filmexporte nach Italien auf 225, drei Jahre später auf 190 und im Jahre 1959 auf 185 Filme beschränkt104. Erst Anfang der sechziger Jahre, als die Höhe der amerikanischen Filmexporte wegen der "runaway-productions" spürbar zurückgegangen war, wurde der Filmaustausch zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich bzw. Italien vollständig liberalisiert105. Dagegen besaßen Großbritannien und die Bundesrepublik gegenüber den Vereinigten Staaten keine Einfuhrkontingente 108. Im Vereinigten Königreich bestand seit 1927 ein Spielzeitquotensystem, das zwar im Jahre 1948 effektiviert, aber infolge der amerikanischen Direktinvestitionen auf dem gleichsprachigen britischen Markt praktisch völlig unterlaufen wurde1o7. Die Anfang und Mitte der fünfziger Jahre in verstärktem Maße in Frankreich, Großbritannien und Italien einsetzende Filmsubventionierung war der Versuch, protektionistische Wirkungen zugunsten der eigenen Filmwirtschaft gewissermaßen "auf positive Weise" zu erzielen, was freilich die Folge hatte, daß sich die derart errichteten "Barrieren" nicht nur gegenüber der amerikanischen Konkurrenz auswirkten. Die protektionistische Funktion der nationalen Filmförderungssysteme erhellt aus dem Umstand, daß sie den üblicherweise durch Zölle erstrebten Schutz, deren Mechanismen auf Filmimporte nicht effektiv anwendbar sind108, substituieren: die im Zeitpunkt der Aufführung erhobenen Abgaben, deren Gesamtbetrag in Form der Beihilfen ausschließlich den inlän101 Vgl. Guback, S. 22 f. 102 Zusammenschluß der größten amerikanischen Filmverleihfirmen (MGM,
Twentieth Century Fox, Paramount, Columbia, United Artists u . a.). 103 Associazione Nazianale Industrie Cinematografiche ed Affini. 1o4 Vgl. Guback, S. 26. 108 Die BRD besaß allerdings Kontingente gegenüber Frankreich und Italien. 1o1 Vgl. Guback, S. 35. 1os Vgl. Guback, S. 24 und S. 27. 1os Vgl. V alter, L regime, S. 204.
li. Lage der europäischen Filmwirtschaft
45
dischen Produzenten zugute kommt, erzielt praktisch nicht nur die gleiche Wirkung wie eine Zollabgabe109, sondern bietet darüber hinaus dem Staat den zusätzlichen Vorteil, bei der "Rück.verteilung" der vereinnahmten Gelder zugleich wirtschaftslenkend tätig werden zu können110• Angesichts der mit der Subventionierung der europäischen Filmwirtschaft verbundenen wirtschafts-und "kulturprotektionistischen" Zielsetzung mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, daß in der Praxis auch die von US-Unternehmen in europäischen Studios produzierten Filme an der Subventionierung partizipieren111 ; denn ohne Zweifel haben die Förderungsmaßnahmen dazu beigetragen, den europäischen Filmmarkt für die amerikanischen Kapitalgeber in zusätzlicher Weise interessant zu machen. Hinweise sprechen dafür, daß die Teilhabe amerikanischer Produktionen an der europäischen Filmförderung zunächst aus mehr oder weniger politischen Gründen nicht verhindert werden konnte oder sollte112 • Schließlich hat der EWG-Vertrag selbst eine besondere juristische Situation geschaffen, da Art. 58 EWGV im Rahmen des Niederlassungs- und Dienstleistungsrechts die Diskriminierung von Gesellschaften aus Gründen der Nationalität ihrer Kapitaleigner verbietet. Darauf wird später, nämlich im Zusammenhang mit der vierten Filmrichtlinie und den in Frankreich, Italien und Belgien bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, noch ausführlich einzugehen sein113• to9 Vgl. V alter, Le reg.ime, S. 204 ff. uo Im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts sind Zölle, Einfuhr- und
Ausfuhrkontingente und Subventionen vielfach praktizierte und weitgehend austauschbare Schutzinstrumente (vgl. Götz, S. 7'7 ff.). Ihre Wirkung ist indessen verschieden stark. Da Kontingente ein besonders wirksames und daher den internationalen Handel besonders störendes Schutzinstrument sind, unterliegen sie nach den Bestimmungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) einem grundsätzlichen, unbedingten Verbot (Liebich, S. 12). Dieses Verbot hat für Filmkontingente sogar eine spezielle Erwähnung und Ausgestaltung erfahren: nach Teil II, Artikel IV des GATT dürfen die Vertragsparteien "innerstaatliche Vorschriften über mengenmäßige Beschränkungen für beHchtete Kinofilme" nur in Form von Spielzeitkontingenten aufrechterhalten. Allerdings verliert diese Vorschrift an Gewicht, weil die Bestimmungen des Teil II des GATT nach dem sog. "Protocol of Provisional Application" vom 30. 10. 1947 von den Vertragsparteien bis jetzt nur insoweit zu beachten sind, als sie der bestehenden nationalen Gesetzgebung nicht widersprechen (Liebich, S. 6 und S. 113). 111 Voraussetzung ist allgemein, daß eine Mindestzahl der mitwirkenden Künstler und Techniker die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaates besitzt; vgl. dazu im einzelnen Abschnitt II, E. li. 3. Vor allem Frankreich und Italien machen die Gewährung von Produktionsbeihilfen außerdem von der Staatsangehörigkeit der Organe der Produktionsgesellschaft abhängig -eine Bestimmung, die praktisch wenig effi2lient ist; vgl. Fn. 113. 112 Vgl. Hierzu Guback, S. 168 f. und S. 174. Nach Dost/Hopf/Kluge, S. 48, bereiste der Spitzenfunktionär der MPPA (Motion Picture Association of America) Jack Valenti, in den Jahren 1966/67 mehrfach die europäischen Länder und wirkte daraufhin, daß Filmförderungsgesetzte so gestaltet werden, daß US-Tochtergesellschaften Förderungen erhalten konnten. ua Siehe Abschnitt II, B. 111. 4.31 ff.
46
Abschn. I A. Die Filmwirtschaft
Die Subventionierung der europäischen Filmwirtschaft kann freilich nicht nur unter außenwirtschaftliehen Gesichtspunkten beurteilt werden. Es ist schon oben darauf hingewiesen worden, daß die Finanzierung von Filmen mit einem überdurchschnittlich großen wirtschaftlichen Risiko behaftet ist114. Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen sollen deshalb neben ihrer unmittelbaren Kostendeckungsfunktion vor allem dazu beitragen, die Filmwirtschaft auch für private Kapitalinvestitionen interessant zu machen115• Doch dürfte gerade das letztgenannte Ziel bisher nicht in dem gewünschten Umfange erreicht worden sein. Schließlich ist anzumerken, daß die Filmförderung natürlich nicht nur von wirtschaftspolitischen Erwägungen bestimmt ist. In allen Mitgliedstaaten liegt, der Sache entsprechend, der Förderung eine starke "kulturelle Motivation" zugrunde, auch wenn sie nicht immer im Vordergrund steht. Das gilt zum Beispiel für die Bundesrepublik, wo man aus verfassungsrechtlichen Gründen bestrebt sein mußte, dem Filmförderungsgesetz vornehmlich wirtschaftspolitische Zielsetzungen zu vermitteln. Deutlich kommt aber die Wahrnehmung staatlicher Kulturpflichtigkeit dort zum Ausdruck, wo die Förderung in Form von Preisen und Prämien, also nach qualitativ-künstlerischen Gesichtspunkten, verwirklicht wird. Vor allem in Frankreich und Italien wird die Bedeutung des Mediums Film als eines kulturellen Ausdruckmittels, das wie kein anderes geeignet ist, nationale Kultur im Ausland zu verbreiten, hoch eingeschätzt116. Wie immer die Ursachen für die defizitäre Lage der europäischen Filmwirtschaft und das Entstehen von Filmförderungssystemen im einzelnen auch zu qualifizieren sein mögen, so besteht doch allgemeine Einigkeit darin, daß die Filmwirtschaft in ihrer gegenwärtigen Struktur ohne staatliche Unterstützung nicht existenzfähig bzw. amerikanischem Kapital und Einfluß fast vollständig ausgeliefert wäre. Dieser Auffassung hat sich, wie noch zu zeigen sein wird117, nach anfänglichem Zögern auch die Europäische Kommission angeschlossen, so daß heute nicht mehr das Ob, sondern nur noch das Wie der filmwirtschaftliehen Förderung im Gemeinsamen Markt in Frage steht. In diesem Zusammenhang sind nicht nur wirtschaftliche und juristische Lösungen zu finden; eine gemeinschaftliche oder nach gemeinsamen Maßstäben betriebene Filmförderung ist auch ein "kulturelles Politikum", an dem sich die Europäische Gemeinschaft bewähren muß. 114 Nach Degand, Le cinema, S. 85 f., beträgt die Chance, daß ein Film seine Herstellungskosten aus den Einnahmen deckt, 50 Prozent. m Vgl. Degand, Le cinema, S. 89. 116 "Le cinema est devenu un moyen d'expression ..., qui fait desormais partie du patrimoine artistique de l'humanite" - so der ehemalige französische Kulturminister J. Duhamel in seinem Vorwort zu Degands Buch "Le cinema, cette industrie", S. 7. 117 Siehe Abschnitt III, B, IV, 2.1.
ABSCHNITT II
Ma.finahmen zur Verwirklichung der Niederlassungs· freiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Filmwirtschaft A. Die Bedeutung von Niederlassungsfreiheit und freiem Dienstleistungsverkehr im EWG-Vertrag I. Die allgemeinen Ziele des EWG-Vertrages Nach Art. 2 EWGV besteht die Aufgabe der Gemeinschaft darin, eine "harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind". Zur Verwirklichung dieser Aufgabe verfügt die Gemeinschaft über zwei Mittel: die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitiken und die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes. Der Begriff des Gemeinsamen Marktes - sozusagen Leitbild der Römischen Verträge- ist nirgends ausdrücklich bestimmt. Seine Grundkonzeption ergibt sich aber aus Art. 2 und insbesondere aus den Zielbestimmungen des Art. 3, die zugleich inhaltlichen und instrumentalen Charakter haben1• Der Gemeinsame Markt ist danach gekennzeichnet durch die Freiheiten des Waren-, Personen-, Dienstleistungs-, Kapitalund Zahlungsverkehrs, die Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs, einer gemeinsamen Landwirtschafts-, Verkehrs- und Handelspolitik und nicht zuletzt durch ein System unverfälschten und nicht beeinträchtigten Wettbewerbs. Das Verbot der Diskriminierung bestimmt ebenso das Bild des Gemeinsamen Marktes wie das Gebot der Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, das ausgerichtet am ordnungsmäßigen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, zugleich seine dynamische, auf Fortentwicklung angelegte Konzeption deutlich werden läßt; es impliziert, daß sich das Leitbild des Gemeinsamen Marktes auch immer wieder den neuen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Forderungen 1
I. Schwartz, Fs Hallstein, S. 478.
48
Abschn. II A. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
zu stellen hat. Nach Ipsen 2 ist der Gemeinsame Markt hinsichtlich seines Rechtsgehalts ein "dauernd wirksamer, im Sinne der Integration optimaler Maßstab der Gestaltung, Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts aller Erscheinungsformen". Deshalb ist der häufig verwendete und zweifellos sehr anschauliche Begriff des "europäischen Binnenmarktes" für ihn nur ein Element idealer rechtlicher Ordnung, die im Gemeinsamen Markt verkörpert ist3 • II. Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr als Zielbestimmungen des EWG-Vertrages 1. Die Freiheiten des EWG-Vertrages
Kernstück des gemeinsamen Marktes ist eine Zollunion, die gekennzeichnet ist durch den schrittweisen Abbau der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren sowie durch die Beseitigung aller sonstigen Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten4 • Die Liberalisierung im Gemeinsamen Markt geht aber weit über den Warenverkehr hinaus. Binnenmarktähnliche Dimensionen erhält der europäische Markt erst durch die Inkorporation zusätzlicher Freiheiten: der Freizügigkeit der Arbeitskräfte, der Niederlassungsfreiheit sowie der Freiheiten des Dienstleistungs-, Kapital- und Zahlungsverkehrs, deren Inhalt und Verwirklichungsmodalitäten in einzelnen Vertragskapiteln explizit behandelt sind5 • Die Freiheiten des EWG-Vertrages stehen zueinander in funktionaler Ergänzung: Während die Freizügigkeit der Personen und die freie Kapitalbewegung die Mobilität der Produktionsfaktoren garantiert, gewährleistet die Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs den unbehinderten und verzerrungsfreien Austausch der Produktionsergebnisse. 2. Inhalt und Funktion von Niederlassungsfreiheit und freiem Dienstleistungsverkehr
2.1 Inhalt Gegenstand der Verwirklichung von Niederlassungsfreiheit und freiem Dienstleistungsverkehr ist die Ausübung selbständiger ErwerbstäIpsen, Gemeinschaftsrecht, § 28/12, S. 551. Ipsen, Gemeinsch:aftsrecht, § 28/12, S. 551. 4 Zur Zollunion gehört außerdem die Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs und einer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Drittländern. 5 Artt. 48- 51 Freizügigkeit; Artt. 52- 58 Niederlassungsfreiheit; Artt. 59- 66 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs; Art. 67 -73 Freiheit des Kapitalverkehrs; Art. 106 Freiheit des Zahlungsverkehrs. 2
3
II. Inhalt und Verwirklichung der Freiheiten
49
tigkeiten6 • Niederlassungsfreiheit bedeutet die Freiheit der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen Bestimmungen für seine eigenen Staatsangehörigen eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben sowie Unternehmen, gleichgültig ob Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft, gründen und leiten zu können (Art. 52 EWGV)1. Demgegenüber betrifft die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs die Erbringung von grenzüberschreitenden Leistungen durch einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Leistungserbringer, ohne daß von dem Leistenden in dem Aufnahmestaat eine feste Niederlassung begründet wird8 • Dienstleistungen sind deshalb in Art. 60 EWGV als vorübergehende Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat charakterisiert. Während die Niederlassung als die Einrichtung entweder einer bloßen "Operationsbasis" für die schwerpunktmäßig in einem anderen Mitgliedstaat angesiedelte, selbständige Tätigkeit, also als Gründung einer Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft, oder aber als die Errichtung eines völlig neuen Zentrums gewerblicher Aktivität, gegebenenfalls eines neuen Unternehmens9, relativ leicht zu fassen ist, bereitet der Dienstleistungsbegriff gewisse Schwierigkeiten, weil es sich dabei um eine dem EWG-Vertrag eigenartige10 Begriffsbildung handelt, die im geltenden Recht noch kein Vorbild hat. Eine abschließende, positive Präzisierung scheint nicht möglich, ist aber auch nicht notwendig. Die im Schrifttum vorgenommene Charakterisierung des Dienstleistungsbegriffs als "heterogene Auffangposition" 11 findet ihre Berechtigung in der Definition des Art. 60 EWGV, die durch die Methode negativer Ausgrenzung gekennzeichnet ist: Nach Art. 60 sind Dienstleistungen in der Regel gegen Entgelt erbrachte 12, insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Wareno Erwerbstätigkeit ist jede unabhängige Tätigkeit, die dem Erwerb von Einkommen dient. Abzustellen ist also auf den Erwerbszweck einer Tätigkeit. Eine selbständige Erwerbstätigkeit liegt regelmäßig vor, wenn eine Tätigkeit auf eigene Rechnung und eigenes Risiko ausgeübt wird. Da der Vertrag sowohl in Art. 52 als auch in Art. 60 von "Tätigkeiten" spricht, geht es nicht um feste Berufsbilder, sondern nur um das :Daktische Tätigwerden auf einem bestimmten Gebiet. Vgl. Everting, Niederlassungsrecht, S. 110 f. 7 Dies gilt "vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr". Das Niederlassungsrecht erstreckt sich daher nicht auf Fragen, die mit der Einbringung von Kapital in die Unternehmen zusammenhängen. 8 Vgl. Everting, Niederlassungsrecht, S. 17. 9 Vgl. Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Art. 52 Anm. I, S. 460. 10 Everting, in: Wohlfahrth/Everling/Glaesner/Sprung, Art. 60 Anm. 4, S. 196. Anlehnungen des Begriffs "Dienstleistung" bestehen an die "unsichtbaren Transaktionen" im Liberalisierungskodex der OECD (wiedergegeben im Anhang III zum EWGV; vgl. auch Art. 106 EWGV). 11 Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Vorb. I Artt. 59- 66, S. 506. 12 Dieses Merkmal entspricht dem für das Niederlassungsrecht erforderten Erwerbszweck der Tätigkeit. 4 Keßler
50
Abschn. II A. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
und Kapitalverkehr sowie über die Freizügigkeit der Personen unterliegen und auch von dem Kapitel über die Niederlassungsfreiheit nicht erfaßt werden. In systematischer Hinsicht sind die Dienstleistungen dem Niederlassungsrecht zugeordnet. Das erklärt sich indessen weniger aus der wirtschaftlichen Verwandtschaft der beiden Freiheiten als vielmehr aus der gleichartigen Technik der bestehenden Beschränkungen und - dementsprechend - aus der Möglichkeit, diese aufzuheben. Denn wie beim Niederlassungsrecht ist für die Dienstleistungen typisch, daß nicht fertige, sozusagen "meß- oder wägbare" Produkte die Grenze überschreiten, sondern Personen, die ihre wirtschaftliche Aktivität erst im Aufnahmeland entfalten. Insoweit ist die "vorübergehende Natur" der Dienstleistung, die den Schwerpunkt der Tätigkeit unverändert im Heimatland beläßt, das entscheidende Abgrenzungskriterium13 • In wirtschaftlicher Hinsicht freilich entspricht der Dienstleistungsverkehr dem Warenverkehr, da bei ökonomischer Betrachtung nicht, wie beim Niederlassungsrecht, die Mobilität von Produktionsfaktoren, sondern die Mobilität von Produkten betroffen ist: Der Dienstleistungserbringer verlagert nicht seinen Betrieb, um die Produktionsbedingungen einer fremden Volkswirtschaft zu nutzen, sondern "er läßt lediglich die Leistung seines Betriebes die Grenze zu diesem anderen Mitgliedstaate überschreiten14 ". Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr sind nicht als absolute Freiheiten zu verstehen; sie sind vielmehr funktional orientiert an der Zielbestimmung "Beseitigung der Hindernisse" 15 im Sinne einer dem Prinzip des Art. 7 EWGV zu entnehmenden Gleichstellung des nicht inländischen Marktbürgers mit dem Inländer bzw. des nicht inländischen Unternehmens mit dem inländischen Unternehmen16 • Herstellung von Niederlassungsfreiheit und freiem Dienstleistungsverkehr zielt deshalb auf die Beseitigung solcher mitgliedstaatlicher Beschränkungen ab, die eine unterschiedliche Behandlung von Inländern und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten implizieren. Das gilt gleichermaßen für Beschränkungen der Aufnahme wie der Ausübung einer Tätigkeit, wobei es auf materielle, nicht auf formelle Kriterien der Ungleichbehandlung ankommt17 • Folglich ist auch unerheblich, worauf solche Be13 Vgl. Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Vorb. I 3 Artt. 59- 66, S. 508 f. Die Abgrenzung kann nicht generell, sondern nur für den Einzelfall vorgenommen werden. Insbesondere kann die Bestimmung der "wirtschaftlichen Funktion" der Tätigkeit weiterhelfen. 14 Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Vorb. I 3 Artt. 59-66 EWGV, S. 509. 1s Art. 3 c) EWGV. 16 Ipsen, Gemeinschaftsrecht § 35/1, S. 642. 17 Everling, Niederlassungsrecht, S. 42; Ipsen, Gemeinschaftsrecht § 35/7, S. 645. Vgl. auch Bode, S. 158.
II. Inhalt und Verwirklichung der Freiheiten
51
schränkungen beruhen, denn der diskriminierende Effekt kann gleichermaßen durch Rechtsnormen, Verwaltungsvorschriften oder bloße Verwaltungspraktiken hervorgerufen werden18• 2.2 Funktion
Die Niederlassungsfreiheit soll sicherstellen, daß sich ein Unternehmen im Gemeinsamen Markt ungehindert dorthin begeben kann, wo die für seine Arbeit maßgeblichen Produktionsfaktoren, die notwendige Infrastruktur und die sonstigen Elemente die günstigste Kostenrelation aufweisen. Die nach optimalen Bedingungen ausgerichtete Standortwahl soll zugleich zu einer sinnvollen Arbeitsteilung im Gemeinsamen Markt, zu einer Steigerung der Produktivität und einer Hebung des Lebensstandards im Sinne des Art. 2 EWGV führen 19 , "weil durch eine bessere Arbeitsteilung eine Verzettelung von Produktionskräften verhütet wird, und durch die größere Sicherheit in der Güterversorgung ein Verzicht auf Produktionen möglich ist, die ohne Rücksicht auf ihre Kosten betrieben werden" 20 • Die ökonomische Bedeutung des freien Dienstleistungsverkehrs liegt darin, daß sie die so entstandene Mobilität der Unternehmen durch den unbehinderten Austausch von grenzüberschreitenden Leistungen, die von diesen Unternehmen ausgehen, komplettiert. Die Liberalisierung des Niederlassungs- und Dienstleistungsbereichs ist von sehr großem integrationspolitischem Wert, denn die Mobilität der Faktoren und Produkte schafft erst die Voraussetzung für die Freiheit und Unverfälschtheit des Wettbewerbs und für die gegenseitige Durchdringung der Märkte. Schließlich hat die Gleichstellung der Marktbürger in jedem Mitgliedstaat auch eine wichtige allgemeinpolitische Bedeutung für die Fortentwicklung der Gemeinschaft. 3. Die Verwirklichung von Niederlassungsfreiheit und freiem Dienstleistungsverkehr
3.1 Die vom EWG-Vertrag vorgesehenen Maßnahmen
Zur Verwirklichung von Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sieht der Vertrag zwei Gruppen von Maßnahmen vor: -
Die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs (Artt. 52, 54, 59,63 EWGV);
18 Ipsen, Gemeinschaftsrecht § 35/7, S. 645: Hierzu gehört auch eine bislang diskriminierende Ermessenshandhabung. Ebenso: Schlachter, S. 68. 19 Vgl. Everling, in: Wohlfahrth/Everling/Glaesner/Sprung, Vorb. vor Art. 52, Anm. 1, S. 165. 20 Mestmäcker, Fs Böhm, S. 354.
52 -
Abschn. II A. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise (Artt. 57 Abs. 1, 66 EWGV) sowie die Koordinierung des nationalen Rechts über die Aufnahme und
Ausübung der selbständigen Tätigkeiten (Artt. 57 Abs. 2, 66 EWGV). Beschränkungen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit liegen vor, wenn nationale Bestimmungen den Ausländern die Ausübung bestimmter Berufe verbieten oder durch zusätzliche Bedingungen erschweren, den Ausländer also "in gezielter Weise" schlechter stellen als den Inländer. Die Aufhebung solcher diskriminierender Beschränkungen ist für alle selbständigen Tätigkeiten bis zum Ende der Übergangszeit zwingend vorgeschrieben21 • Das im Abbau der Ausländerdiskriminierungen sich verwirklichende Prinzip der "Inländerbehandlung" läßt das nationale Recht so lange unberührt, als die Anforderungen, die nationale Gesetze hinsichtlich der Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten stellen, für Inländer und Ausländer in gleicher Weise gelten. Der materielle Wert von Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit konstituiert sich also in der Summe der für Inländer und Ausländer innerhalb eines Staates gleichermaßen geltenden Rechte und ist folglich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden. Auf die zweite Gruppe der Maßnahmen, die gegenseitige Anerkennung der Diplome etc. und die Koordinierung des nationalen Rechts über die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeiten, braucht nicht näher eingegangen zu werden, da dieser Problemkreis im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht relevant wird22 •
3.2 Die Allgemeinen Programme zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs Zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs hatte der Rat gemäß den Artt. 54 Abs. 1, 63 Abs. 1 EWGV einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und der Versammlung jeweils ein allgemeines Programm aufzustellen. Diese allgemeinen Programme sollten "für jede Art von Tätigkeiten die allgemeinen Voraussetzungen und insbesondere die Stufen für die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit" bzw. "die allgemeinen Voraussetzungen und die Stufen der Liberalisierung für jede Art von Dienstleistungen" festlegen 23 • Kommission und Rat sind diesen Verpflichtungen fristgemäß nachgekommen: Das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkun21 22 23
Art. 52 Abs. 1 EWGV. Vgl. zu diesen Fragen Everling, Niederlassungsrecht, S. 55 ff. Art. 54 I UA 2, Art. 63 I UA 2 EWGV.
II. Inhalt und Verwirklichung der Freiheiten
53
gen der Niederlassungsfreiheit wurde zusammen mit dem entsprechenden Programm für die Dienstleistungsfreiheit nach den in den genannten Vertragsvorschriften vorgesehenen Verfahren vom Rat am 16. Dezember 1961 angenommen24 • Die Programme definieren im wesentlichen zunächst in allgemeiner Form den Kreis der Begünstigten (Abschnitt I) sowie die möglichen Beschränkungen (Abschnitt III), um anschließend die für die Liberalisierung in Frage kommenden Tätigkeiten25 in einen detaillierten, dreistufigen Zeitplan einzuordnen, der mit dem Ablauf der Übergangszeit, also am 31. Dezember 1969, endete26 •
3.3 Die Richtlinie als Mittel der Rechtsangleichung und Instrument zur VerwirkZiehung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs Sowohl die Allgemeinen Programme als auch die gegenseitige Anerkennung der Diplome und die Koordinierung des nationalen Rechts über Berufsaufnahme und -ausübung sind durch Richtlinien zu verwirklichen, die der Rat in der Regel bis zum 31. Dezember 1961 einstimmig und danach mit qualifizierter Mehrheit27 auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie der Versammlung zu erlassen hatte. Die Bestimmungen über das Niederlassungsrecht und den freien Dienstleistungsverkehr enthalten damit zwar gegenüber den allgemeinen Regeln der Artt. 100 -102 EWGV spezielle Rechtsangleichungsanweisungen, verwenden jedoch mit der Richtlinie das für die Rechtsangleichung typische und spezifisch geeignete Instrument, so daß auf dem Gebiet des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs kein Unterschied besteht zu Funktion und Verfahren des Art. 100 EWGV. Rechtsangleichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist nicht Selbstzweck. Ihr Inhalt und Ausmaß richtet sich vielmehr nach den Erfordernissen des Gemeinsamen Marktes, der Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken und der Durchführung gemeinschaftlicher Politiken in bestimmten Bereichen28 • Aus den Vertragsbestimmungen des Art. 3 h) und der Artt. 100-102 24 Abl. EG vom 15. 1. 1962, S. 32 und S. 36. Die Allgemeinen Programme sind vertragsergänzende Rechtsakte eigener Art, durch die der Rat sich selbst und die anderen Gemeinschaftsorgane, nicht jedoch die Mitgliedstaaten, gebunden hat. Vgl. Les Novelles, Nr. 1864. 25 Für die Tätigkeiten wurde Bezug genommen auf die vom Statistischen Amt der Vereinten Nationen aufgestellte "Classification internationale type, par industrie, de toutes les branches d'activite economique" (CITI). 28 Der Zeitplan konnte in vielen Punkten nicht eingehalten werden. Bis heute sind zahlreiche - insbesondere freiberufliche - Tätigkeiten nicht liberalisiert. 27 Vgl. die Abweichungen in Art. 56 Abs. 2 und Art. 57 Abs. 2 EWGV.
28
Seidel, S. 211.
54
Abschn. II A. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
EWGV ergibt sich, daß Rechtsangleichungspolitik "für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes nützlich und förderlich" 29 sein muß. Die auf Art. 189 III EWGV basierenden Richtlinien verlangen, insbesondere im Gegensatz zu den Verordnungen, ein zweistufiges Verfahren: der Erlaß der Richtlinie erfolgt als Rechtsakt der Gemeinschaft, der Vollzug dagegen als Rechtsakt der Mitgliedstaaten, die hinsichtlich des für die Mitgliedstaaten verbindlichen "Ziels" der Richtlinie gegebenenfalls eine Änderung ihres nationalen Rechts vorzunehmen haben. Die auf diese Weise erfolgende Rechtsangleichung ist "als Annäherung der jeweiligen materiellen nationalen Rechte im Sinne ihrer funktionalen Abstimmung aufeinander" 30 zu verstehen, wobei der funktionsbestimmende Regelungskern durch das mehr oder weniger detaillierte Richtlinienziel vorgegeben ist. Solches Verfahren setzt aber keineswegs voraus, daß in den (allen) Mitgliedstaaten überhaupt schon ein betreffendes nationales Recht existiert81 • "Die Wahl der Form und Mittel" bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, die auch die alleinigen Adressaten der Richtlinie sind. Was die Wahl der "Form" betrifft, so ist unbestritten, daß die Mitgliedstaaten entsprechend den Bestimmungen ihres nationalen Verfassungsrechts befinden können, ob sie zur Durchführung der Richtlinie ein neues Gesetz erlassen, bereits geltende Gesetze ändern oder ob sie sich auf den Erlaß von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften beschränken sollen. Dagegen ist über die "Ziel-Mittel-Relation" und die damit verbundene Frage, wie weit die Regelungsintensität einer Richtlinie gehen darf, ob und in welchem Umfang also der Richtliniengeber dem innerstaatlichen Normsetzer auch Detailregelungen verbindlich vorschreiben oder gar von den Mitgliedstaaten eine "loi uniforme" verlangen kann, in der Literatur viel diskutiert worden32• Inzwischen ist - so Ipsen - "anerkannt, daß die Richtlinie erforderlichenfalls das zu erreichende Angleichungsziel bis in die Einzelheiten normativ fixieren kann, so daß die nationale Umsetzung sich letztlich in der Rezeption der Richtlinie erschöpfen müßte"ss. Diese - herrschende - Auffassung rechtfertigt sich vor allem aus Gründen der Effektivität und Praktikabilität der Rechtsangleichung34 • Abweichende Stimmen unterstreichen aber nicht zu Unrecht die dem Ipsen, Gemeinschaftsrecht, § 39/5, S. 690. I. Schwartz, Fs Hallstein, S. 505. 3t Ipsen, Gemeinschaftsrecht, § 39/11, S. 694. 32 Fuß, DVBI. 1965, S. 378 ff.; Ipsen, Fs Ophüls, S. 67 ff.; Lutter, EuR 1969, S. 1 ff., m. w. N .; Kreplin, NJW 1965, S. 467 ff.; ZuLeeg, KSE 1969, S. 260 ff. ; Zweigert, Fs Dölle, Bd. li, S. 401 ff. ; OLdekop, S. 92 ff. 33 Ipsen, Gemeinschaftsrecht, § 39/12, S. 696. 34 Vgl. Lutter, EuR 1969, S. 10m. w. N. (Fn. 23). 29
so
II. Inhalt und Verwirklichung der Freiheiten
55
Artikel 189 III EWGV immanente Intention, den nationalen Gesetzgeber zu "schonen" und nicht zu einem bloßen Befehlsempfänger zu denaturieren: deshalb müsse der den Staaten verbleibende Regelungsbereich auch noch beachtlichen Umfang haben, wobei es auf den Einzelfall und die mit der jeweiligen Kompetenznorm verknüpften Ziele ankomme35. Dem entspricht der Gedanke, an die "Erforderlichkeit" sehr detaillierter Richtlinien strengere Anforderungen zu stellen: so soll etwa die Freiheit des nationalen Gesetzgebers, den materiellen Lösungsweg selbst zu bestimmen, zugunsten der höherrangigen Gleichwertigkeit der Rechtsangleichung erst dann zurücktreten müssen, wenn nicht gleichwertige, die innerstaatlichen Regelungsbefugnisse weniger beschränkende Lösungswege zur Verfügung stehen36• Angesichts der großen Bedeutung und der Vielzahl detaillierter Richtlinien, deren Regelungen zur Erreichung des Ziels teilweise wortwörtlich in nationale Gesetze transformiert werden müssen37, werden jedoch solche oder ähnliche Postulate38 für eine wirklich befriedigende Lösung kaum ausreichen. Deshalb erscheint es wichtig, die Bestimmung des Art. 189 III EWGV als eine ausgesprochen politische Norm zu begreifen39 , deren schwerwiegenden Implikationen - Kompetenzbeschneidung der nationalen Parlamente am besten mit politischen Methoden, insbesondere der Stärkung der Kontrollkompetenz des Europäischen Parlaments, begegnet werden sollte40 •
as Runge, S. 18; vgl. auch Zuleeg, KSE 1969, S. 270 ff., 281; Oldekop, S. 92 ff. s&So Lutter, EuR 1969, S. 11. 37 Vgl. I. Schwartz, Fs Hallstein, S. 508 und 511 ; Les Novelles, Nr. 1870. 38 Nach Fuß, DVBl. 1965, S. 380, soll eine detaillierte Regelung dann ergehen können, wenn und soweit dies zur Erreichung eines Vertragsziels als unumgänglich erscheint. Nach Zweigert, Fs Dölle, S. 413, soll eine "loi uniforme" zulässig sein, wenn die Rechtsangleichung nur durch die Uniformität von Ziel, Mitteln und Form verwirklicht werden kann. 39 Vgl. hierzu Andre, EuR 1969, S. 191 ff. 40 Vgl. Lutter, S. 11; v . d. Groeben, NJW 1970, S. 364; Les Novelles, Nr. 1871.
B. Die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Filmwirtschaft in den alten Mitgliedstaaten I. Die Protektion der nationalen Filmmärkte und die besonderen Beziehungen innerhalb der europäischen Filmwirtschaft bei Inkrafttreten des EWG-Vertrages Als die Römischen Verträge in Kraft traten, bestand nur in den drei großen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, also in Frankreich, Italien und der Bundesrepublik, eine Filmproduktionsindustrie von nennenswerter Bedeutung. Die Benelux-Staaten spielten eine sehr untergeordnete Rolle: sie waren in erster Linie Konsumenten, ihre Produktion beschränkte sich ganz überwiegend auf Kurzfilme1 • Die Beziehungen zwischen den drei großen Filmländern hatten einen ambivalenten Charakter. Die Bundesrepublik besaß Einfuhrkontingente2 gegenüber Frankreich und Italien, während der Filmaustausch mit allen anderen Staaten, vor allem den USA, völlig liberalisiert war. Aus deutscher Sicht rechtfertigte sich diese exzeptionelle Kontingentierung aufgrund der in Italien und Frankreich schon seit Anfang der fünfziger Jahre bestehenden, intensiven Filmprocluktionsförderung3• Einfuhrkontingente bestanden zunächst auch noch zwischen Frankreich und Italien4• Gleichzeitig versuchten diese Staaten, den Schutz ihrer nationalen Filme durch Spielzeitkontingente zu gewährleisten, eine Maßnahme, die in Frankreich, Italien und Großbritannien auch heute noch gegenüber "nicht-gemeinschaftlichen" Filmen praktiziert wird. Die Mindestaufführungszeit, die die Filmtheater innerhalb eines bestimmten Zeitraums für die Aufführung nationaler Filme vorsehen 1 Vgl. Bericht im Namen des Binnenmarktausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG an den Rat betreffend eine Richtlinie zur Durchführung der Bestimmungen zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Filmwesens vom 15. 1. 1963, Europäisches Parlament, Dok.120, S. 2. 2 Die Kontingentierung betraf nur abendfüllende Filme. Von den Kontingentierungen ausgenommen waren aber alle Filme, die zur Aufführung in der Originalfassung bestimmt waren. 3 Vgl. Caspary, Film und Recht 1970, S. 9. Die Kontingente wurden im Jahre 1960 gegenüber Italien von 30 auf 40, und gegenüber Frankreich von 30 auf 35 Spielfilme erhöht. 4 Sie wurden im Jahre 1960 aufgehoben.
li. Die Allgemeinen Programme
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mußten, betrug in Frankreich 5 Wochen pro Halbjahr, in Italien für Spielfilme 100 Tage, für Kurzfilme 180 Tage pro Jahr5 • War dadurch der Filmaustausch einerseits spürbar beschränkt, so hatten sich doch andererseits auch spezifische Formen zwischenstaatli'cher Zusammenarbeit entwickelt. Sowohl zwischen Frankreich und Italien als auch zwischen der Bundesrepublik und Frankreich bestanden staatliche Koproduktionsabkommen, die bereits in den Jahren 1949 bzw. 1959 abgeschlossen und später immer wieder verlängert worden waren. Freilich sind diese Abkommen selbst wiederum bis zu einem gewissen Grad als Reaktion auf die Einfuhr- und Spielzeitkontingente anzusehen, denn ihre Bedeutung bestand vornehmlich darin, daß die auf der Grundlage der Abkommen koproduzierten und -finanzierten Filme eine doppelte Nationalität erhielten und dadurch an den Privilegien der nationalen Filme in vollem Umfange partizipierten6• Vor dem Hintergrund dieser historischen filmwirtschaftliehen Situation müssen vor allem diejenigen Maßnahmen verstanden werden, die die Europäische Kommission und der Ministerrat in den ersten beiden Richtlinien auf dem Gebiet des Filmwesens getroffen haben.
II. Die Allgemeinen Programme und ihre Postulate für die Filmwirtschaft Die Allgemeinen Programme sehen auf dem Gebiet des Filmwesens die Aufhebung aller Beschränkungen vor, die in den Mitgliedstaaten für die selbständigen Tätigkeiten der Filmproduktion, des Filmverleihs sowie der Vorführung von Filmen bestehen (Hauptgruppe aus 84 aus 841 CITI). Nach Abschnitt III u . V des "Allgemeinen Dienstleistungsprogramms" waren, vorbehaltlich der im Vertrag vorgesehenen Ausnahmen und Sonderbestimmungen7 , "alle beschränkenden Vorschriften und Verwaltungspraktiken, durch die ein Leistungserbringer anders behandelt wird als die eigenen Staatsangehörigen" auf dem Gebiet des Filmwesens vor Ablauf der dritten, also der letzten Stufe, aufzuheben. Jedoch waren vor Ablauf der ersten Stufe, also noch vor 1962, bereits diejenigen bilateralen Kontingente, die bei Inkrafttreten des Vertrags zwischen einigen Mitgliedstaaten bestanden, in den Staaten um ein Drittel zu erhöhen, in 5 Europäisches Parlament, Bericht im Namen des Binnenmarktausschusses vom 15. 1. 1963, Dok. 120, S. 3. 8 V alter, Droit et Affaires 1972, S. 29. 7 Diese sind in Abschnitt III der Allgemeinen Programme näher bezeichnet. Es handelt sich danach insbesondere um die Artt. 55, 56 und 61 EWGV, um die Bestimmungen über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen sowie über die steuerlichen Regelungen.
58
Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
denen die Einfuhr von belichteten und entwickelten Filmen beschränkt war8 • Nach Abschnitt III und IV des "Allgemeinen Niederlassungsprogramms" sollten auf dem Gebiet der Filmwirtschaft vor Ablauf des zweiten Jahres der zweiten Stufe, also noch vor 1964, die Beschränkungen hinsichtlich der Eröffnung und des Betriebes von Filmtheatern aufgehoben werden, die ausschließlich Filme in der Sprache des Herkunftslandes aufführen9 • Zwischen dem Ablauf des zweiten Jahres der dritten Stufe, 1967, und dem Ende der Übergangszeit sollten schließlich alle sonstigen Beschränkungen der Produktion, des Verleihs und der Vorführung von Filmen beseitigt werden10. 111. Richtlinien des Rates betreffend die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet der Filmwirtschaft 1. Die erste Richtlinie des Rates vom 15. Oktober 1963 zur Durchführung der Bestimmungen des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dieostleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Filmwesens 1.1 Inhalt
Die erste Richtlinie 11, die am 15. Oktober 1963, gemessen am Zeitplan des "Allgemeinen Diestleistungsprogramms" also mit einem Verzug von mehr als einem Jahr, vom Rat verabschiedet wurde, beinhaltete nur einen ersten Schritt zum Abbau der in Form der bilateralen Einfuhrkontingente zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden protektionistischen Maßnahmen. In der Ausführung von Abschnitt V C c) des "Allgemeinen Dienstleistungsprogramms" wurden in Artikel 7 der Richtlinie12 die Kontingente für abendfüllende, in der Sprache des Aufführungslandes synchronisierte Filme um ein Drittel auf 70 Filme pro Filmjahr erhöht. Gleichzeitig wurde die Einführung neuer Kontingentierungen ausdrücklich untersagt, eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die sich schon unmittelbar aus der Stillhalteklausel des Art. 62 EWGV ergibt13. Da Unklarheiten bestanden, was im Rahmen der Kontingente zur Filmeinfuhr zu rechnen war, stellte Artikel 7 II klar, daß spätere Wiederaufführungen von technisch überarbeiteten Filmen von den zustän8
Abschnitt V C c).
o A:bschnitt IV A i. V. m. Anlage I. 10 Abschnitt IV Ei. V. m. Anlage IV. 11 Abl. EG vom 2. 11. 1963, S. 2661.
12 Artikel ohne nähere Angaben sind im folgenden Artikel der Richtlinie. 13 Everling, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, Anm. zu Art. 62, S. 198.
III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
59
digen Stellen der betreffenden Mitgliedstaaten "in gegenseitigem Einvernehmen" genehmigt werden sollten. Die seit dem Inkrafttreten des EWG-Vertrages bereits eingetretene oder schon vorher bestehende Liberalisierung wurde in den Artikeln 5 und 6 für "Einfuhr, Nutzung und Verleih von abendfüllenden Filmen in der Originalsprache mit oder ohne Untertitel in der oder einer der Sprachen des Aufführungslandes" sowie für Kurzfilme und sogenannte abendfüllende Dokumentarfilme bestätigt. Lediglich für Wochenschaufilme durften bis zum Ende der Übergangszeit die bestehenden Beschränkungen hinsichtlich des Verleihs und der Nutzung solcher Wochenschaufilme, "die nicht zur Vorführung in mehreren Ländern bestimmt sind", noch aufrecht erhalten werden. Nach ArtikelS war auch der Austausch des wirtschaftlichen Filmzubehörs, das mit der Einfuhr und dem Verleih eines Films in untrennbarem Zusammenhang steht, also der Austausch von Kopien, Negativabzügen und Werbematerial, vollständig zu liberalisieren. Die Bestimmung sollte verhindern, daß die Liberalisierung des Filmaustausches durch irgendwelche indirekten Maßnahmen beeinträchtigt wurde. Den gleichen Normzweck hat Artikel 10; danach darf die Erteilung der Genehmigungen für die Einfuhr, den Verleih und die Nutzung von Filmen, die als Film eines Mitgliedstaates gelten14, von keiner Steuer oder Maßnahme gleicher Wirkung abhängig gemacht werden, die sich bei ihrer Anwendung oder im Falle einer Befreiung diskriminierend auswirken könnte. Die Richtlinie gestattete zunächst noch die Aufrechterhaltung der in Frankreich und Italien bestehenden Spielzeitquoten, denn nach Artikel 9 sollten "die geltenden Vorschriften über die Vorführung der einheimischen oder der ihnen gleichgestellten Filme" durch die Richtlinie nicht berührt werden. Ihren besonderen Charakter erhält die erste Filmrichtlinie durch die Bestimmungen der Artikel 2, 3 und 4. Um die Richtlinie überhaupt praktikabel zu machen, mußte zunächst definiert werden, was unter "Film" zu verstehen ist. Daher enthält Artikel 2 neben der allgemeinen Definition des Dienstleistungsobjekts ("Film im Sinne dieser Richtlinie ist ein Filmstreifen, der der Standardkopie eines zur öffentlichen oder privaten Vorführung bestimmten fertigen Filmwerkes entspricht und auf den sich alle auf internationalen Übereinkünften beruhenden Rechte zu seiner wirtschaftlichen Nutzung beziehen") zusätzlich besondere Begriffsbestimmungen für die einzelnen Filmarten. Die Unterscheidung zwischen Kurzfilmen und Spielfilmen geht davon aus, ob ihre Länge ein abendfüllendes Programm gestattet oder nicht. Die Länge sogenannter "abendfüllender Filme" muß, bei einer Breite von 35 mm15, mindestens 14 Siehe Artikel 3 und 4. ts Die Verwendung anderer Filmbreiten wird nicht ausgeschlossen, solange die gleiche Vorführdauer gewährleistet ist; vgl. Artikel2 (am Ende).
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Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
1600 m betragen. Andernfalls handelt es sich um Kurzfilme. Bei Wochenschaufilmen kommt es hingegen weniger auf die Länge ("eine durchschnittliche Mindestlänge von 200 Meter") als vielmehr darauf an, ob sie "der regelmäßigen Berichterstattung sowie der filmischen Darstellung des Zeitgeschehens dienen"; insbesondere kann die Länge farbiger Wochenschaufilme weniger als 200 Meter betragen. Die Artikel 3 und 4 stipulieren mit der Umschreibung der "Gemeinschaftszugehörigkeit" eines Films ganz grundlegende Bestimmungen, deren Wirkung, wie noch zu zeigen sein wird16, inzwischen sogar über die erste Richtlinie hinausgeht, und die hier wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung wörtlich wiedergegeben werden. Artikel3lautet: "Ein Film im Sinne dieser Richtlinie gilt als Film eines Mitgliedstaates, wenn er folgende Voraussetzungen erfüllt: a) Er muß von einem Unternehmen hergestellt sein, das den in Abschnitt I des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs genannten Voraussetzungen entspricht. b) Bei Atelieraufnahmen müssen die Ateliers im Gebiet der Gemeinschaft liegen. Sind jedoch vom Thema her Außenaufnahmen in einem dritten Land erforderlich, so dürfen höchstens 30 v. H. der Atelieraufnahmen im Gebiet des dritten Landes gedreht werden. c) Abgesehen von Dialogstellen, für die nach dem Drehbuch etwa eine andere Sprache vorgeschrieben ist, muß die Originalfassung des Films in der oder einer der Sprachen des betreffenden Mitgliedstaates hergestellt sein; bei mehreren Fassungen muß eine in der oder einer der Sprachen des betreffenden Mitgliedstaates hergestellt sein. d) Drehbuchautor, Bearbeiter, Verfasser der Dialoge und, wenn die Musik eigens für den Film geschrieben wurde, der Komponist, müssen Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaates sein oder aus seinem Kulturbereich stammen. e) Der Regisseur muß Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaates sein oder aus seinem Kulturbereich stammen. f) Die mitwirkenden Kräfte, d. h . die Hauptdarsteller, der Produktionsleiter, der Kameramann, der Toningenieur, der Schnittmeister, der Chefdekorateur und der Kostümmeister, müssen überwiegend Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaates sein oder aus seinem Kulturbereich stammen. Die Mitwirkung von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten oder von Personen, die aus dem Kulturbereich eines Mitgliedstaates stammen, an den Tätigkeiten im Sinne der Buchstaben d), e) und f) steht der Anerkennung des Films als Film eines Mitgliedstaates nicht entgegen, wenn ihm der betreffende Mitgliedstaat diese Eigenschaft zuerkannt hat. Auch die Mitwirkung von Staatsangehörigen dritter Staaten, die nicht aus dem Kulturbereich eines Mitgliedstaates stammen, an den Tätigkeiten im Sinne der Buchstaben d) und f) steht - sofern ihre Zahl 2/5 der dort genannten Mitwirkenden nicht über16
V gl. 1.22.
III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
61
steigt- der Anerkennung des Films als Film eines Mitgliedstaates nicht entgegen, wenn ihm der betreffende Mitgliedstaat diese Eigenschaft zuerkannt hat. Das gleiche gilt, wenn die unter Buchstabe e) genannte Tätigkeit von einem Staatsangehörigen eines dritten Staates ausgeübt wird, der nicht aus dem Kulturbereich eines Mitgliedstaates stammt, sofern alle anderen unter Buchstabe d) genannten Tätigkeiten sowie 4/5 oder mehr Tätigkeiten im Sinne des Buchstaben f) von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ausgeübt werden." Artikel4 hat folgenden Wortlaut: "Die von Produzenten der Mitgliedstaaten in Gemeinschaftsproduktion mit Produzenten dritter Staaten oder unter deren Mitwirkung hergestellten Filme gelten - in Abweichung von Artikel 3 - als Filme eines Mitgliedstaates. Die im Rahmen internationaler Gegenseitigkeitsabkommen hergestellten Filme gelten als in Gemeinschaftsproduktion hergestellte Filme. Die gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften von Produzenten eines oder mehrerer dritter Staaten hergestellten Filme gelten als unter Mitwirkung verschiedener Staaten hergestellte Filme. Bei den in Gemeinschaftsproduktion hergestellten Filmen und den unter Mitwirkung verschiedener Staaten hergestellten Filmen muß der künstlerische und technische Beitrag dieses beziehungsweise dieser Mitgliedstaaten mindestens 30 v. H. betragen. Die in diesem Artikel genannten Filme können zum Zweck des Verleihs und der Nutzung zwischen sämtlichen Mitgliedstaaten frei ausgetauscht werden." Artikel 11 regelt die Anwendung der Richtlinienbestimmungen. Er bestimmt, daß die Behörden der einführenden Mitgliedstaaten nur dann verpflichtet sind, für ihr Hoheitsgebiet Genehmigungen für die Einfuhr und die Nutzung von Filmen im Rahmen der Richtlinien zu erteilen, wenn den Filmen eine von dem ausführenden Mitgliedstaat ausgestellte Bescheinigung beigefügt ist, die gemäß Artikel 3 und 4 dieser Richtlinie die Anerkennung des Films als Film eines Mitgliedstaates nachweist. Um die einheitliche Ausgestaltung dieser "Herkunftsbescheinigungen" zu gewährleisten, hat die Kommission am 8. April 1964 den Artikel 11 der Richtlinie durch eine Empfehlung im Sinne des Art. 155 EWGV ergänzt17. Unerwähnt blieb bisher der Artikel 1. Hier handelt es sich um eine Vorschrift allgemeiner Art, die in allen Richtlinientexten des Niederlassungs- und Dienstleistungsrechts wiederkehrt. Sie bezeichnet jeweils die von der Richtlinie begünstigten Wirtschaftssubjekte durch Verweisung auf Abschnitt I der Allgemeinen Programme. Es sind dies die innerhalb der Gemeinschaft ansässigen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und diejenigen Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet sind und ihren satzungsmäßigen Sitz innerhalb der Gemeinschaft haben. Bei nur satzungsmäßigem Sitz in17
Siehe unten 1.5.
62
Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
nerhalb der Gemeinschaft muß die Tätigkeit der Gesellschaft in tatsächlicher Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates stehen; diese Verbindung darf aber nicht von der Staatsangehörigkeit, insbesondere derjenigen der Gesellschafter, der Mitglieder der Leitungs- und Überwachungsorgane oder der Inhaber des Gesellschaftskapitals abhängig gemacht werden. Hintergrund und praktische Relevanz dieser Regelung werden im Zusammenhang mit der vierten Filmrichtlinie darzustellen sein18•
1.2 Beurteilung 1.21 Die Zielsetzung der Richtlinie Ziel dieser ersten Filmrichtlinie war die- partielle -Liberalisierung des Austausches von Filmen zwischen den Mitgliedstaaten. Mit dieser Richtlinie sollte die im "Allgemeinen Dienstleistungsprogramm" geforderte Mindesterhöhung der für synchronisierte Spielfilme bestehenden Kontingente, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie schon de facto erreicht war19, auf mindestens 70 Filme pro Filmjahr erweitert und im übrigen all das in einer für die Mitgliedstaaten verbindlichen Weise festgeschrieben werden, was zu diesem Zeitpunkt bereits tatsächlich liberalisiert war20 • Letzteres gilt für den Inhalt der Artikel 5 und 6, die lediglich den Liberalisierungsgegenstand auf dem Gebiet des Verleihs, der Auswertung sowie des Austausches von solchen Filmtypen fixieren, die, auch vor Inkrafttreten des EWG-Vertrages, einer Kontingentierung nicht unterworfen waren: das sind Kurzfilme aller Art, Wochenschaufilme mit internationaler Verbreitung, abendfüllende Dokumentarfilme, Kulturfilme, wissenschaftliche Filme etc. 21 sowie abendfüllende Filme in der Originalfassung22 • Da die Mitgliedstaaten davon ausgingen, daß Beschränkungen gegenüber "nicht-gemeinschaftlichen" Filmen weiterhin möglich sein sollten, setzte eine praktikable Anwendung der Richtlinie voraus, daß Klarheit darüber bestand, welchen Anforderungen Filme genügen müssen, um einem Mitgliedstaat bzw. der Gemeinschaft zugeordnet werden zu können und damit dem liberalisierten Austausch zu unterfallen23 • Dieser Aufgabe der "gemeinschaftsbezogenen Kategorisierung" der Filme dienen die Bestimmungen der Artikel 3 und 4 der Richtlinie. Siehe Abschnitt II, B, III, 4.32. Die im Jahre 1960 zwischen der Bundesrepublik und Frankreich sowie zwischen der Bundesrepublik und Italien bestehenden Kontingente, die einen gegenseitigen Austausch von 35 bzw. 40 Filmen vorgesehen hatten, waren bereits im Dezember 1961 bzw. im März 1962 um ein Drittel erhöht worden. 20 Vgl. Lyon-Caen, RevTrimDrComm 1963, S. 215. 21 Vgl. im einzelnen Artikel5. 22 Vgl. Artikel 6. 23 Vgl. Erwägungsgründe der Richtlinie. 18
19
III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
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1.22 Die Definition des Artikel 3 Die Definition des Artikel 3 (.,Ein Film gilt im Sinne dieser Richtlinie als Film eines Mitgliedstaates . . .") ist als Anlehnung an die "ultraprotektionistische Konzeption der Nationalität von Filmen" 24 , mithin als eine Art Rückfall in nationalstaatliches, protektionistisches Denken kritisiert worden25 • Doch wird ein solches Urteil weder der begrenzten Zielsetzung noch den politischen Möglichkeiten dieser ersten Filmrichtlinie gerecht. Artikel 3 hat - ebenso wie Artikel 4, auf den ebenfalls noch näher einzugehen sein wird, -eine Ausgrenzungsfunktion. Zu diesem Zweck nennt er Kriterien, die ein Film erfüllen muß, um als Film eines Mitgliedstaates zu gelten: Die Produktionsunternehmen müssen den Voraussetzungen des Abschnitts 1 des "Allgemeinen Dienstleistungsprogramms", also den Voraussetzungen des Art. 58 i. V. m. Art. 52 EWGV, entsprechen, die Ateliers müssen grundsätzlich26 auf dem Gebiet der Gemeinschaft liegen, die Sprache der Originalfassung eines Films muß eine der Sprachen der Mitgliedstaaten sein, und die genannten Künstler und Techniker müssen überwiegend27 Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sein oder aus dem Kulturbereich eines Mitgliedstaates stammen28. Artikel 3 liefert also die Umschreibung einer Gemeinschaftsherkunft der Filme. Er legt die Mitgliedstaaten in keiner Weise auf eine nationalstaatliche Definition fest. Überhaupt impliziert die Vorschrift des Artikel 3 keine Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten; sie garantiert lediglich das Funktionieren der Richtlinie selbst, besitzt also gewissermaßen .,verfahrensrechtlichen" Charakter. Mit anderen Worten: Die Mitgliedstaaten sind bei der Definition der Nationalität ihrer Filme im Rahmen ihrer Gesetzgebung überhaupt nicht gehalten, die Bestimmungen des Artikel 3 zu beachten. Erst wenn die Filme die nationalen Grenzen überschreiten und an dem erweiterten- heute: freien- Austausch partizipieren sollen, müssen ihre Daten den Rahmenbedingungen des Artikel 3 entsprechen. Folglich sind die Mitgliedstaaten erst in diesem Zusammenhang verpflichtet, die Konformität mit Artikel 3 für den importierenden Mitgliedstaat kontrollierbar zu machen, indem sie dem Film bei seiner Ausfuhr eine Bescheinigung beifügen, .,die gemäß Artikel 3 (und 4) der Richtlinie die Anerkennung eines Films als Film eines Mitgliedstaates nachweist" 29 . Artikel 3 greift also nicht .,gewaltsam" in
Lyon-Caen, RevTrimDrComm 1963, S. 217. In diesem Sinne Hirsch, UFITA 1964, S. 288. 28 Vgl. im einzelnen Artikel3 b) der Richtlinie. 27 Vgl. im einzelnen Artikel3 f) der Richtlinie. 28 Beachte Art. 3 f) UA 2 Satz 1, der offen läßt, ob die Mitgliedstaaten bei den in Artikeln 3 d), e) und f) genannten Künstlern nur eigene oder auch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten einbeziehen wollen. 2u Artikel 11 der Richtlinie. 24
25
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Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
das Rechtsgefüge der Mitgliedstaaten ein, beeinflußt aber natürlich die wirtschaftliche Praxis in seinem Sinne und hat auch de facto zu einer weitgehenden Anpassung der nationalen Filmdefinitionen an den von Artikel 3 gesetzten Definitionsrahmen und damit zu einer Harmonisierung geführt. Natürlich liegt, von der Idee des Gemeinsamen Marktes und der "Entnationalisierung" des Denkens her gesehen, die Schwäche des Artikel a darin, daß er die Mitgliedstaaten nicht stricto sensu dazu verpflichtet, etwa die Tatsache, daß der Produzent Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates war oder daß der Film in den Studios eines anderen Mitgliedstaates hergestellt wurde, ebenso unbeachtlich sein zu lassen wie die Staatsangehörigkeit der mitwirkenden Künstler etc. - solange es sich dabei nur um Angehörige irgendeines Mitgliedstaates handelte. Wenn nämlich die Richtlinie den Mitgliedstaaten jede andere Definition als die der "Gemeinschaftsherkunft" im Sinne des Artikel 3 untersagt hätte, so hätte dies nichts anderes beinhaltet als die Anwendung des Diskriminierungsverbots aus Gründen der Nationalität wie es in den Bestimmungen des Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Freizügigkeitsrechts seinen speziellen Ausdruck findet. Doch ist, bevor man die gemeinschaftsrechtliche Unzulänglichkeit dieser Richtlinienbestimmungen kritisiert, zweierlei zu bedenken: Zum einen bestand, um die Liberalisierung des Filmaustausches zu verwirklichen, wie gezeigt, keine Notwendigkeit, den Mitgliedstaaten die Übernahme einer Definition der "Gemeinschaftsherkunft" in ihre nationale Gesetzgebung zu oktroyieren. Zum anderen aber ist entscheidend, daß sich ein solches Vorgehen zum damaligen Zeitpunkt für den Rat geradezu verbot, weil die Frage der Nationalität eines Filmes in den Mitgliedstaaten unlösbar mit der Einbeziehung der Filme in die nationale Filmförderung verknüpft ist30• Hätte also der Rat die Mitgliedstaaten zu einer ausschließlich gemeinschaftsbezogenen Filmdefinition verpflichtet, so hätte er damit die nationalen Filmförderungssysteme mit einem Schlage gesprengt, ohne daß er zu diesem Zeitpunkt auch nur im entferntesten eine Lösung für diese vielschichtige Problematik hätte anbieten können31 • Aus diesen Gründen konnte und mußte die in ihrer Funktion streng begrenzte Richtlinie, die nur einen ersten Liberalisierungsschritt im Bereich des Filmaustausches verwirklichen sollte, die Möglichkeit der nationalstaatliehen Zuordnung von Filmen völlig unberührt lassen. Die Definition in Artikel 3 der ersten Filmrichtlinie ließ bzw. läßt eigentlich erst "post festum" zwei Nachteile erkennen, unter anderem deshalb, weil sie nachträglich eine Bedeutung gewonnen hatte, die über 30 31
Diesen wichtigen Gesichtspunkt betont auch Valter, Le regime, S. 187. Vgl. Abschnitt III, B, IV, 2.
III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
65
die Zielsetzungen der ersten und zweiten Filmrichtlinie, zu deren Behandlung sie zunächst ausschließlich bestimmt war, teilweise hinausging. D1ese erweiterte Bedeutung betraf den Bereich der Freizügigkeit. Da Artikel 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates 32, welche- grundsätzlich - die vollständige Freizügigkeit innerhalb des Gemeinsamen Marktes herstellte, die Bestimmung des Artikel 3 der ersten Filmrichtlinie ausdrücklich unberührt ließ, blieb für die Mitgliedstaaten von Rechts wegen die Möglichkeit eröffnet, gemäß Artikel 3 d), e) und f) für die dort bezeichneten Tätigkeiten nur eigene Staatsangehörige bzw. aus ihrem Kulturbereich stammende Künstler zu akzeptieren. Auf den besonderen Zusammenhang zwischen der Verordnung Nr. 1612/68 und Artikel 3 der Richtlinie wird an späterer Stelle noch einmal ausführlich einzugehen sein33 . Er hat seine juristische Signifikanz inzwischen deshalb eingebüßt, weil der Europäische Gerichtshof der Freizügigkeitsgarantie des Art. 48 EWGV unmittelbare Geltung zuerkannt hat34 . Doch muß rückblickend darauf hingewiesen werden, daß auch die Beschränkung der Freizügigkeit nicht der ersten Filmrichtlinie angelastet werden kann, sondern im Kern einen Teilaspekt der Beihilfenproblematik darstellt. Eine Schwäche der Richtlinie selbst ist dagegen der Ausdruck "Kulturbereich". Die Formulierung liegt der Gedanke zugrunde, für die Gemeinschaftszugehörigkeiteines Films- soweit die Mitwirkung von Künstlern und Technikern betroffen ist- eher kulturelle denn politische Grenzen maßgeblich sein zu lassen35 . Dementsprechend hat der Terminus "Kulturbereich" auch im deutschen Filmförderungsgesetz Verwendung gefunden36. So soll beispielsweise ein deutscher Film auch unter der Leitung eines Österreichischen oder deutschsprachigen schweizerischen Regisseurs zustande kommen können. Außerdem war bei der Verabschiedung des Filmförderungsgesetzes an jene Personen gedacht, die Deutschland während der Eitlerzeit verlassen und eine andere Staatsangehörigkeit erworben haben37 . Die Intentionen, die hinter dieser Regelung stehen, sind also durchaus anzuerkennen. Dennoch: die Richtlinienformulierung "oder aus seinem Kulturbereich stammen" ist so unscharf, daß nicht nur bei extensiver Auslegung Schwierigkeiten auftreten können. Das gilt nunmehr vor allem im Hinblick auf Großbritannien: Können amerikanische Künstler als aus dem britischen Kulturbereich stammend angesehen werden? Und wie sind Personen zu behandeln, die die sogenannte "Staats32 Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vom 15. Oktober 1968, EG Nr. L 257/2 ber. Nr. L 257/12. 33 Vgl. Abschnitt li, E, li, 2. 34 Urteil vom 4. 12. 1974, Rs 41/74, RsprGH XX, S. 1337. Vgl. dazu Abschnitt II, E, III. 35 Vgl. de Pirro, Lo Spettacolo 1963, S. 88. 36 Vgl. Art. 7 Abs. 3 Ziff. 5 FFG, BGB11974, I, S . 1048. 37 Auskunft der Filmförderungsanstalt, Berlin.
5 Keßler
66
Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
bürgerschaft des Vereinigten Königreichs und der Kolonien" besitzen? Es scheint daher, daß der Begriff des Kulturbereichs wenn nicht einer Änderung so doch einer für alle Mitgliedstaaten verbindlichen, restriktiven- möglicherweise kasuistischen- Interpretation bedarf. 1.23 Die Bedeutung des Artikel 4
Die ausdrücklich als eine Abweichung von Artikel 3 bezeichnete Regelung des Artikel 4 erweitert den Kreis der Filme, die dem liberalisierten Austausch unterfallen, durch die Einbeziehung auch der in Form von Gemeinschaftsproduktionen mit Produzenten dritter Länder zustande·gekommenen Filme. Artikel 4 entspricht der Bedeutung der internationalen Gemeinschafts- oder Koproduktionen38, deren Zahl gerade in den sechziger Jahren in beachtlichem Maße zugenommen hat39 • Die Vorteile der Koproduktion liegen in einer anteilmäßigen Verteilung der Kosten und Risiken der Produktion, in einer Art Arbeitsteilung auf technisch-künstlerischem Gebiet und, da internationale Koproduktionsfilme immer für mehrere Märkte produziert werden, in einer wesentlichen Verbesserung der Absatz- und Amortisierungschancen des Films40 • Vor allem erlangen die in internationalen Gemeinschaftsproduktionen hergestellten Filme grundsätzlich die Nationalität aller ihrer Herstellungsländer, also eine mehrfache Nationalität, was dazu führt, daß sie in den Ländern der Produzenten wie sonstige nationale Filme zur Auswertung zugelassen werden und zugleich von mehreren Mitgliedstaaten staatliche Produktionsbeihilfen, letztlich also eine Art "Superprotektion " 41 erhalten42 • Koproduktionsahkommen bestehen seit langem43 zwischen vielen europäischen Staaten, keineswegs nur den EG-Mitgliedstaaten, die aber doch untereinander die wichtigsten Koproduktionspartner sind. Die Bundesrepublik Deutschland besitzt mehrfach abgeänderte oder erneuerte Ab38 Die Begriffe "Gemeinschaftsproduktion" und "Coproduktion" bzw. "Koproduktion" sind identisch; vgl. Möllering, Internationale Coproduktion, S. 17, Fn.l. 39 In den sechziger Jahren wurden 67 °/o der französischen, ca. 52 Ofo der italienischen und 36% der deutschen Filme als Koproduktionen hergestellt. Vgl. Guback, S. 182, sowie Tabelle 1, S. 183. • 0 Vgl. Guback, S. 181; Berthold/v. Hartlieb, S. 340. 41 Bafile, Lo Spettacolo 1969, S. 33. ~ 2 Vgl. Bundesrepublik: § 7 Abs. 5 und 6 FFG, BGB11974, I, S. 1048; Belgien: Art. 3 Abs. 1 d) Arrete Royal vom 23. 10. 1963, Moniteur Beige vom 5. 11. 1963, S. 10659; Frankreich: Art. 13 Abs. 1 Dekret Nr. 59-1512 vom 30. 12. 1959, Journal Officiel vom 31. 12. 1959, 3. 9. 1961, 2. und 20 6. 1963, 1. 5. 1966, 26. 4. 1967, 18. 8. 1967, 15. 9. 1967 und 5. 4. 1972; Italien: Art. 19 Gesetz Nr. 1213 vom 4. 11. 1965, Gazetta Ufficiale Nr. 282 vom 12. 11. 1965; Großbritannien: sect. 20 Films Act 1960, in: Halsbury's Statutes of England, volume 35, 197'1, S. 257. 43 Das erste europäische Koproduktionsahkommen zwischen Frankreich und Italien stammt aus dem Jahre 1949. Vgl. Guback, S. 188.
III. Die F·ilmrichtlinien und ihre Durchführung
67
kommen mit Belgien, Frankreich, Italien, Jugoslawien und Spanien44 • Frankreich, Großbritannien und Italien haben gegenseitige Produktionsabkommen sowie Abkommen mit zahlreichen anderen, auch außereuropäischen Staaten45 • Zumeist ist in den Abkommen auch die Möglichkeit zu drei- oder vierseitigen Koproduktionen vorgesehen und von nicht geringer praktischer Bedeutung46 • Die Koproduktionsahkommen machen die Koproduktionen von abendfüllenden Spielfilmen, teilweise auch von Kurzfilmen, von der Genehmigung der zuständigen Behörden der Staaten abhängig, denen die Produzenten angehören47 • Dementsprechend enthalten sie Bestimmungen über die Durchführung der Gemeinschaftsproduktionen, also vor allem über das Mindestbudget, den finanziellen Anteil der einzelnen Produzenten, die Beteiligung des künstlerischen und technischen Personals sowie über das Verfahren beim Export des Films in dritte Länder48 • Außerdem beinhalten die Abkommen, zumeist in Anlagen, Bestimmungen über das Genehmigungsverfahren selbst49 • Die Regelung des Artikel 4 der Richtlinie unterscheidet zwischen den in Gemeinschaftsproduktion, nämlich den im Rahmen der internationalen Gegenseitsabkommen hergestellten Filmen, und solchen Filmen, denen keine staatlichen Koproduktionsahkommen zugrunde liegen. Mit der Berücksichtigung auch dieser zweiten Gruppe von Filmen soll verhindert werden, daß Koproduktionen zwischen Produzenten aus Mitgliedstaaten und dritten Staaten nur deshalb nicht zustande kommen, weil zwischen den Staaten keine Abkommen bestehen50 • Die Einzelheiten der Anerken44 Vgl. die abschließende Aufzählung bei Möllering, Internationale Coproduktion, S. 20, mit genauenNachweisen (Fn. 16- 21). 45 Frankreich besitzt Abkommen mit Argentinien, Belgien, Brasilien, Canada, Deutschland, Großbritannien, Italien, Jugoslawien, Österreich, Rumänien, Schweden, Spanien, der Tschechoslowakei und der UdSSR. Italien besitzt Abkommen mit Argentinien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, JugosLawien, Österreich, Rumänien, Schweden, Spanien, der Tschechoslowakei und der UdSSR. Vgl. Möllering, Internationale Coproduktion, S. 21 f. mit Nachweisen (Fn. 22 und 23). 4& Vgl. Guback, S. 188 ff. 47 Die zuständigen Behörden sind für die Bundesrepublik: Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, Frankfurt a. M.; für Belgien: Direction Generale du Commerce aupres du Ministere des Affaires Economiques et de l'Energie, Brüssel; für Frankreich: Direction Generale du Centre National de la Cinematographie, Paris; für Italien: Direzione Generale dello Spettacolo nel Ministero del Turismo e dello Spettacolo, Rom. 4 s Vgl. im einzelnen Möllering, Film und Recht 1968, S. 179 ff., 181 f. 49 Rechtsgrundlage der Genehmigungspflicht ist nach deutschem Recht § 17 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) vom 28. 4. 1961 (BGBl Hl-61, I, S. 481) in Verb. mit § 48 Ziff. 2 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) vom 22. 12. 1967 (BGBl
1967, I, S. 1352).
50 Europäisches Parlament, Bericht im Namen des Binnenmarktausschusses, Dok. 120, 15. Januar 1963, S. 6 f.
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Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
nung solcher Filme als Filme eines Mitgliedstaates überläßt Artikel 4 den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die in diesen Fälfen gegebenenfalls besondere Regelungen vorsehen51 •
1.3 Rechtsgrundlage Nach den Erwägungsgründen basiert die erste Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Filmwesens "insbesondere auf Artikel63 Abs. 2" EWGV. Das bedeutet, daß der Vorgang des Filmaustausches zwischen den Mitgliedstaaten vom Rat als Dienstleistung im Sinne der Artt. 59 ff. EWGV angesehen wird - eine Qualifizierung, die bereits durch die Aufnahme der Filmeinfuhrbeschränkungen in den Liberalisierungskatalog des "Allgemeinen Dienstleistungsprogramms" zum Ausdruck kommt. Die Einordnung ist nicht ohne weiteres verständlich, denn auf den ersten Blick scheint eine Richtlinie über die Beseitigung von Einfuhrbeschränkungen für Filme eher dem zweiten Kapitel des EWG-Vertrages, nämlich den in den Artt. 23-33 stipulierten Bestimmungen über den Warenverkehr zu unterfallen: sichtbare Objekte des grenzüberschreitenden Verkehrs sind die Filmkopien, also körperliche Gegenstände, die typischerweise unter den Warenbegriff des EWG-Vertrages zu subsumieren sind. Implizierte der Filmaustausch nur die Übereignung körperlicher Gegenstände, so bestünden wegen des ausdrücklich subsidiären Charakters des Dienstleistungsbegriffs keine Zweifel, daß sich die Liberalisierung des Filmaustausches nicht nach den Artt. 59 ff. EWGV, sondern gemäß den Artt. 23 ff. EWGV zu vollziehen hätte. Doch ist, wie gezeigt, das Produkt Film ein Erzeugnis, das sowohl hinsichtlich seiner Entstehung, als auch hinsichtlich seiner kommerziellen Auswertung mit anderen industriell gefertigten Produkten nur in begrenztem Maße gleichgesetzt werden kann. Das reproduktionsfertige Filmnegativ und die Filmkopien vergegenständlichen gewissermaßen eine Summe von- vom Produzenten erworbenen bzw. originär bei ihm entstandenen - Urheberrechten52, die praktisch den ausschließlichen ökonomischen Wert des Films ausmachen. Dieser Umstand sowie die besondere Form, in der die Filme den Konsumenten zugänglich gemacht werden, bringen es mit sich, daß sich die wirtschaftliche Auswertung eines Filmwerkes nicht in einer Vielzahl von durch Eigentumsübertragungen charakterisierten, individuellen Veräußerungsvorgängen realisiert, sondern allein dadurch, daß für die dem Urheberrecht immanenten Nutzungs- und Auswertungsrechte zeitlich und räumlich begrenzte Lizenzen erteilt werden. Das gilt nicht nur für Verträge, die auf nationaler Ebene zwischen dem Produzenten und dem Verleiher sowie zwischen 51 52
So z. B. § 7 Abs. 5 Ziff. 2 FFG, BGB11974, I, S. 1048. Siehe Abschnitt I, A, I, 1.2.
III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
69
dem Verleih und den Filmtheatern abgeschlossen werden, sondern auch für die beim Export eines Films entstehenden Rechtsbeziehungen. In aller Regel vollzieht sich der Filmaustausch in der Weise, daß - unter Zwischenschaltung einer Exportfirma, eines sog. Filmvertriebs, - zwischen dem nationalen und dem ausländischen Filmverleih ein Auslandslizenzvertrag abgeschlossen wird 53 , in dem der inländische Filmverleih (Lizenzgeber) dem ausländischen Verleih (Lizenznehmer) für ein bestimmtes Gebiet und gegen prozentuale Beteiligung an den dort erzielten Einnahmen oder zu einem Festpreis die alleinigen Auswertungs- und Vorführungsrechte an einem Film überträgt~4 • Eine Eigentumsübertragung findet zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer nicht statt: Das Eigentum an den Negativen und Kopien sowie dem sonstigen Zubehör verbleibt beim Lizenzgeber55, und der Lizenznehmerist verpflichtet, ihm nach Ablauf des Lizenzvertrages sämtliche Materialien wieder zurückzugeben56. All dies macht deutlich, daß die "ratio" des Filmaustausches nicht in der Übergabe der zur Filmverwertung erforderlichen Materialien, sondern allein in der Übertragung des Nutzungsrechts an dem Filmwerk zu sehen ist57 • Wollte man angesichts dieser juristischen und ökonomischen Besonderheiten des Filmaustausches die Vorschriften über den Warenverkehr anwenden, der doch- wenn nicht ausschließlich, so doch zumindest im Prinzip- auf die Eigentumsübertragung an körperlichen Gegenständen abstellt, so würde man die vom Dienstleistungsbegriff der Artt. 59 ff. EWGV eröffnete "Auffangposition" 58 außer acht lassen. Zwar erfaßt der Dienstleistungsbegriff des EWG-Vertrages in erster Linie die vorübergehende, entgeltliche (handwerkliche, industrielle, freiberufliche) 53 Fälle, in denen ein Produzent direkt mit einem ausländischen Verleih kontrahiert, sind wegen der damit verbundenen Finanzierungsfrage selten. Eine Änderung dieser Situation wird von der Filmregister-Richtlinie erwartet. Der Fall, daß ein Verleih direkt an ausländische Filmtheater vermietet, hat wohl nur theoretische Bedeutung. Wenn die Vertriebsorganisation einer Filmverleihfirma hierfür groß genug ist, so wird sie ohnedies ihre eigene Niederlassung im Ausland besitzen. 54 In den "Allgemeinen Bedingungen zum Auslands-Lizenzvertrag", herausgegeben von der Export-Union der Deutschen Filmindustrie e. V., heißt es unter Nr. 1: "Die eingeräumten Rechte beschränken sich auf die Auswertung und Vorführung des Films mittels Positivkopien im Normalformat für gewerbliche Zwecke an Stätten der öffentlichen Unterhaltung mit oder ohne Variete." Rechte einer Radio- und Fernsehübertragung sind in der Lizenz nur enthalten, wenn sie dem Lizenznehmer ausdrücklich eingeräumt sind. 55 Nr. 4 der "Allgemeinen Bedingungen zum Auslandslizenzvertrag" bestimmt, daß auch an den vom Lizenznehmer gegebenenfalls selbst hergestellten Kopien das Eigentum dem Lizenzgeber zusteht. Die Übergabe wird in diesem Falle durch die Vereinbarung eines Besitzkonstituts gemäß § 930 BGB ersetzt. 56 Vgl. Nr. 16 der "Allgemeinen Bedingungen zum Auslandslizenzvertrag". 57 Vgl. auch Lyon-Caen, RevTrimDrComm 1963, S. 215. 58 Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Vorb. I Artt. 59- 66, S. 506.
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Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
Tätigkeit für einen Gebietsfremden, doch ist anerkannt, daß er in Anlehnung an die "unsichtbaren Transaktionen" im Liberalisierungskodex der OECD entwickelt worden ist 59 und seine Entstehung zu einem guten Teil der Vorstellung verdankt, "daß neben Waren- und Produktionsfaktoren zwischen den Mitgliedstaaten noch ,unsichtbare' Phänomene ausgetauscht werden, geldwerte Leistungen, Zahlungen, die nicht zum Kapitalverkehr gehören, schwererfaßbare Vorgänge wie Urheberrechte, Reisen, Gegenleistungen für andere Gegenstände als Waren" 60 • Man wird allgemein sagen können, daß dem Dienstleistungsbegriff des Art. 60 auch solche grenzüberschreitenden Rechtsgeschäfte unterfallen, die unabhängig sind vom Austausch sichtbarer Produkte oder Leistungen, die aber in gleicher Weise wie diese Kapitalbewegungen auslösen, ohne daß indessen die Kapitalbewegung selbst alleiniger oder hauptsächlicher Inhalt des Rechtsgeschäfts ist. Zu dieser Kategorie von Transaktionen gehören beispielsweise bestimmte Dienstleistungen von Banken, Versicherungsverträge und Vermietungen, etwa Leasingverträge, sowie die Vergabe von Patentlizenzen61 . So gesehen dürfte sich die erste Richtlinie auf dem Gebiet des Filmwesens, die das Ziel hat, den "Austausch von Filmen zum Zwecke des Verleihs und der wirtschaftlichen Nutzung" 62 zu liberalisieren, "nahtlos" in die Liberalisierung der Dienstleistungen einreihen, da beim Filmaustausch eindeutig nicht der Austausch von entwickelten und belichteten Filmstreifen, sondern die Übertragung von Urheberrechten im Vordergrund steht. Die Bedenken, daß damit etwas auf den Dienstleistungsbegriff "abgeladen" worden ist, "was unter keine andere Vertragsrubrik passen will" 63 , erscheinen deshalb verfehlt64 • 1.4 Durchführung in den Mitgliedstaaten
Da die Richtlinie im Prinzip lediglich eine Konsolidierung des schon erreichten Liberalisierungsstandes beinhaltete, bestanden für die Mitgliedstaaten entweder gar keine oder aber nur geringfügige Durchführungsverpfli ehtungen.
59 Vgl. Everling, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, Vorb. vor Art. 59, Anm. 2, S. 191. 60 Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Vorb. I 1) Artt. 59- 66, S. 506. 61 Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Art. 60, Anm. II 2), S. 522. 62 Erwägungsgründe der Richtlinie. 63 So Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Art. 60, Anm. II 2), S. 523. 64 Trobergs Bedenken dürften auf einer ungenauen Vorstellung von den rechtlichen Hintergründen des Filmaustausches beruhen. Es ist weder notwendig noch richtig, das "über den Warenverkehr hinausgehende Phänomen", wie Troberg meint, in der "Herstellung des Gemeinsamen Filmmarktes selbst" zu sehen; es kommt vielmehr, wie gezeigt, auf die Übertragung der Nutzungsrechte an.
III. Die FHmrichtlinien und ihre Durchführung
71
1.41 Benelux-Staaten und Italien Im Belgien, das seine Gesetzgebung schon im voraus auf die erste Filmrichtlinie abgestimmt hatte65 , in Luxemburg, den Niederlanden und Italien waren keine Durchführungsmaßnahmen erforderlich. 1.42 Frankreich Frankreich66 sah sich gezwungen, seine Gesetzgebung an die Normen des Artikels 2 a) und b) der Richtlinie anzupassen und die Mindestlänge für abendfüllende Filme, die bis dahin 1300 Meter betragen hatte, auf 1600 Meter zu erhöhen. Dies geschah durch Dekret Nr. 64-459 vom 28. 5. 196467 • 1.43 Bundesrepublik Deutschland In der Bundesrepublik können gemäß § 17 A WG68 Rechtsgeschäfte über 1. den Erwerb von Vorführungsrechten an Filmen von Gebietsfremden, wenn die Filme zur Vorführung im Wirtschaftsgebiet bestimmt sind, und 2. die Herstellung von Filmen in Gemeinschaftsproduktion mit Gebietsfremden beschränkt werden, um der Filmwirtschaft ausreichende Auswertungsmöglichkeiten auf dem inneren Markt zu erhalten69 • Auf dieser Grundlage bestimmte § 48 Abs. 1 A WV vom 22. 8. 1961 70 , daß diese Rechtsgeschäfte der Genehmigung bedürfen, wenn die Filme im Wirtschaftsgebiet in deutscher Sprache vorgeführt (oder gesendet71) werden sollen. Um eine mit der ersten Filmrichtlinie konforme Anwendung dieser Regelung sicherzustellen, wurde vom Bundesminister für Wirtschaft durch den "Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 17/64" vom 6. 4. 196472, also in Form einer Verwaltungsvorschrift, bestimmt, daß "das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft bei der Genehmigung von Rechtsgeschäften über 85
Vgl. "Arrete Royal d'aide
a
l'industrie cinematographique beige" vom
23. 10. 1963, Moniteur Beige vom 5. 11. 1963.
66 Vgl. zu der Möglichkeit der französischen Regierung, die Umsetzung einer EWG-Richtlinie entweder in Anwendung "eigener Verordnungsgewalt" in Form eines "Decret" oder auf der Grundlage gesetzlicher Ermächtigung in Form einer "Ordonnance" vorzunehmen, Jura Europae, Nr. 30.10.17 ff. 67 Journal Officiel vom 29. 5. 1964. Vgl. auch Loy, JournDrint 1968, S. 689. 68 Außenwirtschaftsgesetz vom 28. 4. 1961, BGBl, I, S. 481 ff. 69 Gemäß § 17 Satz 2 AWG sind die Beschränkungen allerdings nur zulässig, wenn ohne sie ein erheblicher Schaden für die Filmwirtschaft des Wirtschaftsgebietes eintritt oder einzutreten droht, und wenn dieser Schaden im Interesse der Allgemeinheit abgewendet werden muß. 70 Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes, BGBl 1961,
I, S. 1381. 71
72
So zusätzlich§ 48 AWV in der Neufassung vom 20. 12. 1966, BGBl, I, S. 2 ff. Bundesanzeiger Nr. 71 vom 15. 4. 1964.
72
Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtsch·aft
den Erwerb von Vorführungsrechten an Filmen mit Gebietsfremden nach § 48 Außenwirtschaftsverordnung vom 22. 8. 1961 die erste Richtlinie des Rates ..., insbesondere Artikel 5 und 7, beachten" wird. Das bedeutete im Ergebnis, daß eine Einfuhrbeschränkung nur in dem von Artikel 5 und 7 der ersten Filmrichtlinie noch gestatteten Umfang aufrechterhalten wurde. Die Durchführung der Richtlinie mittels einer Verwaltungsvorschrift ist freilich ein sehr "schwacher" Transformationsakt, der - wenn auch die Europäische Kommission im konkreten Fall keine Einwände dagegen erhoben hat- nach richtiger Auffassung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, nationales Recht zu setzen, nicht genügen dürfte73 : denn die Verwaltungsvorschriften selbst haben trotz der aus Art. 3 GG resultierenden Selbstbindung der Verwaltung keinen Rechtssatzcharakter, und das den Richtlinien wesenseigene Ziel der Angleichung nationaler Rechtsvorschriften wird dadurch gerade nicht erreicht; vielmehr wird nur die Richtlinie selbst, also Gemeinschaftsrecht, in Form eines Ermessensmaßstabes in die nationale Rechtsordnung eingeführt74 • Überdies widerspricht es der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und damit auch dem Interesse an der Funktionsfähigkeit gemeinschaftsrechtlicher Regelungen, die den Marktbürgern aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte in bloße Verwaltungsvorschriften zu "verdrängen". Die Transformation von Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften dürfte daher dem "Gebot perfekter Umsetzung" 75 im allgemeinen nicht gerecht werden. Im Gegensatz zu § 48 Abs. 1 A WV waren die Bestimmungen des § 17 A WG i. V. m . § 48 Abs. 1 Ziff. 2 A WV über die Genehmigung von Gemeinschaftsproduktionen nicht anpassungsbedürftig, da Artikel 4 der Richtlinie auf die im Rahmen internationaler Gegenseitigkeitsabkommen bzw. einzelstaatlicher Vorschriften zustandegekommenen Gemeinschaftsproduktionen abstellt und es also den Mitgliedstaaten überläßt, unter welchen Voraussetzungen sie Gemeinschaftsproduktionen zulassen wollen. Nach deutschem Recht ergeben sich diese Voraussetzungen allein aus den §§ 3 und 17 A WG7a. Auswirkungen hat Artikel 4 der Richtlinie aufgrund der durch den Runderlaß erfolgten Anpassung allerdings auf § 48 Abs. 1 Ziff. 1 AWV, da die- unter der Voraussetzung des Artikels 4 a. A. etwa Weber, S. 76 f. m. w. N. auch zur Gegenmeinung. In diesem Sinne Riegel, EuR 1976, S. 81 f. 75 Ipsen, Gemeinschaftsrecht, § 21/29, S. 459. 76 Die zwischenstaatlichen Filmabkommen, die gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 3 GG als internationale Verwaltungsabkommen zu qualifizieren sind und denen innerstaatlich die Wirkung von allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des § 48 AWV zukommt, vermögen die Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes nicht abzuändern. Divergenzen, wiewohl denkbar, treten jedoch praktisch nicht auf. Vgl. Möllering, UFITA 1971, S. 64. 73
74
111. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
73
zustandegekommenen - ausländischen Koproduktionen von Herstellern aus einem Mitgliedstaat und einem dritten Staat im Rahmen des § 48 Abs. 1 Ziff. 1 A WV wie normale Filme eines Mitgliedstaates zu behandeln sind. 1.5 Die Empfehlung der Kommission vom 8. ApriZ 1964
1.51 Zweck Die an die Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlung der Kommission vom 8. April1964 77 betraf "die in Artikelll der ersten Richtlinie auf dem Gebiet des Filmwesens vorgesehene Bescheinigung zur Anerkennung von Filmen als Filme eines Mitgliedstaates". Die Empfehlung sollte die Mitgliedstaaten dazu veranlassen, eine gemäß den Artikeln 3 und 4 dieser Richtlinie nach einheitlichen Kriterien ausgearbeitete Herkunftsbescheinigung für Filme einzuführen, um auf diese Weise den Zollbehörden die Kontrolle zu erleichtern und den Filmaustausch in der Gemeinschaft praktikabel zu machen. Die Kommission hatte der Empfehlung zu diesem Zweck einen Vordruck beigefügt78, dessen Muster von den Mitgliedstaaten übernommen und in der Sprache des betreffenden Landes ausgeführt werden sollte. 1.52 Rechtsgrundlage Die Empfehlung beruht auf Art. 155 EWGV. Danach kann die Kommission, um das ordnungsgemäße Funktionieren und die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten, "auf den in diesem Vertrag bezeichneten Gebieten" Empfehlungen abgeben, "soweit der Vertrag dies ausdrücklich vorsieht oder soweit sie es für notwendig erachtet". Gegenstand des Vertrages sind alle Sachgebiete, die (ausdrücklich) im Vertrag geregelt sind oder mit den Regelungen des Vertrages in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang stehen79 • Eine ausdrückliche Vertragsregelung lag der Empfehlung nicht zugrunde. Doch stand sie in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit den vertraglichen Vorschriften des Dienstleistungsrechts und deren Anwendung auf das Filmwesen. Im übrigen wurde die Empfehlung, ausgehend von Artikel 11 der ersten Filmrichtlinie, von der Kommission nach pflichtgemäßem Ermessen80 für notwendig erachtet. Abl. EG vom 18. 4. 1964, S. 1025. "Herkunftsbescheinigung für belichtete Filme, ausgestellt gemäß Artikel 11 der Richtlinie des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 15. 10. 1963", Abl. EG 1964, S. 1026. 79 Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/GLaesner/Sprung, Art. 155, Anm. 3, 77
78
s. 460. 80
Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, Art. 155, Anm. 3,
s. 460.
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Abschn. li B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
Empfehlungen sind gemäß Artikel189 V EWGV nicht verbindlich. Die Mitgliedstaaten waren daher in juristischer Hinsicht lediglich gehalten, die Kommissionsempfehlung "ernsthaft zu prüfen" und sich ihr gegenüber "gemeinschaftsfreundlich einzulassen" 81 • Um eine normativ strengere Wirkung zu erzielen, wie dies der Binnenmarktausschuß in seinem Bericht zum Richtlinienvorschlag der Kommission an den Rat angedeutet hatte82, hätte der Rat eine gesonderte Richtlinie erlassen müssen. Die Kommission war indessen der Auffassung, daß das dazu notwendige Verfahren zu umständlich sei, um eine rasche Anwendung des Artikels 11 der ersten Richtlinie zu gewährleisten. 1.53 Ausführung durch die Mitgliedstaaten Sämtliche Mitgliedstaaten haben gegenüber der Kommission ihre Bereitschaft erklärt, entsprechend der Kommissionsempfehlung Herkunftsbezeichnungen zum Zwecke des Nachweises der Nationalität eines Films auszustellen. Die Bundesrepublik hat dabei einige Anpassungen an den üblichen deutschen Sprachgebrauch vorgenommen, die aber keine inhaltlichen Veränderungen implizieren83• Ausgestellt wird die Herkunftsbescheinigung in der Bundesrepublik vom Bundesamt für Gewerbliche Wirtschaft, in Belgien vom Ministere des Affaires Economiques et de l'Energie, in Frankreich vom Centre National de la Cinematographie, in Luxemburg vom Chambre de Commerce du Grand-Duche de Luxembourg, in Italien vom Ministero del Turismo e dello Spettacolo und in den Niederlanden vom Ministerie van Cultur, Recreatie en Maatschappelijk Werk. 2. Die zweite Richtlinie des Rates vom 13. Mai 1965 zur Durchführung der Allgemeinen Programme zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Filmwesens
2.1 Inhalt Die zweite Richtlinie auf dem Gebiet der Filmwirtschaft, die am 13. Mai 1965 vom Rat erlassen wurde84, brachte neben einer fast vollständi-
Ipsen, Gemeinschaftsrecht, § 21/36, S. 461. Europäisches Parlament, Dok. 120, 15. Januar 1963, S. 8 und S. 14. 83 Anstelle von "Herkunftsbescheinigung" heißt es "Ursprungszeugnis", anstelle von "daß der Film ... in Deutschland hergestellt wurde" heißt es: "daß der Film deutschen Ursprungs ist", anstelle von "Darsteller" heißt es: "Hauptdarsteller"; die Bezeichnungen "Chefdekorateur" und "Kostümmeister" wurden, in Parenthese, den Bezeichnungen "Filmarchitekt" bzw. "Kostümberater" beigefügt. 84 Abl. EG Nr. 85 vom 19. 5. 1965, S. 1437. 81 82
III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
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gen Liberalisierung des Filmaustausches auch eine erste Liberalisierung im Bereich des Niederlassungsrechts: Die Mitgliedstaaten wurden in Artikel 1 der Richtlinie85 grundsätzlich verpflichtet, die in Abschnitt II der Allgemeinen Programme erwähnten Beschränkungen aufzuheben, welche die Eröffnung von "spezialisierten Filmtheatern", die Einfuhr- und Spielzeitkontingente und die Synchronisierung von Filmen betrafen. Die praktisch wichtigsten86 Bestimmungen der Richtlinie sind in den Artikeln 5 und 7 enthalten. Gemäß Artikel 7 waren die Kontingente für die Einfuhr von Filmen, die die Nationalität eines oder mehrerer Mitgliedstaaten haben, bis zum 31. Dezember 1966 aufzuheben. Die Beseitigung der Kontingente umfaßte, analog zur Regelung des Artikels 8 der ersten Filmrichtlinie, auch das Recht zur unbeschränkten Einfuhr von Kopien, Negativabzügen und WerbemateriaL Jedoch beinhaltete Artikel 7 gleichzeitig eine nicht unwesentliche Ausnahmeregelung zugunsten der Bundesrepublik Deutschland, denn die Bundesrepublik behielt während der Übergangszeit das Recht, die Einfuhr solcher Filme zu beschränken, die die Nationalität eines oder mehrerer Mitgliedstaaten hatten und bei denen die inländische Zensur den Freigabevermerk mehr als 4 Jahre vor dem Zeitpunkt erteilt hatte, an dem der Antrag auf Einfuhr bei den zuständigen Stellen gestellt worden war. Artikel 5 löste die nicht weniger wichtige Frage der Spielzeitkontingente87 nicht durch eine Verpflichtung zur Beseitigung, sondern im Sinne einer "Vergemeinschaftung" 88 der Spielzeitquoten; er verpflichtete diejenigen Mitgliedstaaten, die am Tage der Bekanntgabe der Richtlinie für inländische Filme Spielzeitkontingente hatten, spätestens bis zum 31. Dezember 1966 in gleicher Weise zu den Kontingenten auch solche Filme zuzulassen, denen die Nationalität eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zuerkannt ist. Zugleich wurde diesen Mitgliedstaaten gestattet, die Zahl der Tage des Spielzeitkontingents mit Rücksicht auf dessen Erweiterung auf Filme anderer Länder zu erhöhen. Umgekehrt durften Mitgliedstaaten, die am Tage der Bekanntgabe der Richtlinie keine Spielzeitkontingente vorgeschrieben hatten, solche Kontingente unter denselben Bedingungen wie die anderen Mitgliedstaaten einführen. Für die in Artikel 1 a) der Richtlinie genannten Filmtheater, "die auf die ausschließliche 85 Artikel ohne nähere Angaben sind im folgenden solche der zweiten Filmrichtlinie. 86 V alter, Droit et Affaires 1972, S. 31. 87 Der Binnenmarktausschuß des Europäischen Parlaments, dem intern die Prüfung der Filmrichtlinien obliegt, hatte schon in seiner Stellungnahme zur ersten Filmrichtlinie bemerkt, daß die Spielzeitkontingente ebenso wirksam seien wie die Einfuhrkontingente; daher sei es "reine Augenwischerei", wenn nicht wenigstens ein erster Schritt zur Aufhebung dieser Kontingente gemacht würde. Vgl. Europäisches Parlament, Dok. 120, vom 15. 1. 1963, S. 7. 88 Vgl. V alter, Droit et Affaires 1972, S. 31: "les quotas sont venus communautaires".
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Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtsch·a ft
Vorführung ausländischer Filme in der Sprache des Ursprungslandes, mit oder ohne Untertitel, spezialisiert sind", durften jedoch keine Spielzeitkontingentevorgeschrieben werden. Artikel 8 betraf die Beseitigung von Beschränkungen im Zusammenhang mit der Synchronisation von Filmen. Für Filme von Mitgliedstaaten waren alle Bestimmungen, die vorsahen, daß ausländische Filme im einführenden Land synchronisiert werden mußten, bis spätestens 31. Dezember 1966 aufzuheben. Neben diesen den Filmaustausch betreffenden Regelungen enthielten die Artikel 1 a), 3 und 4 der Richtlinie, wie schon angedeutet, auch erste Vorschriften zur Liberalisierung des Niederlassungsrechts im Bereich der Filmwirtschaft. Die Liberalisierung betraf die Eröffnung von "spezialisierten Filmtheatern" und hätte nach dem Zeitplan des "Allgemeinen Niederlassungsprogramms" noch vor Ablauf des zweiten Jahres der zweiten Stufe, also noch vor dem Jahre 1963, erfolgen müssen89• Eine Ausnahmeregelung gibt es jedoch auch hier: sie gilt für diejenigen Mitgliedstaaten, die, wie Luxemburg, Belgien und die Niederlande, die Filme in der Regel in der Sprache des Ursprungslandes aufführen (Artikel 3), so daß zumeist kein Unterschied mehr besteht zwischen spezialisierten und nichtspezialisierten Filmtheatern. In analoger Weise eröffnet Artikel 6 die Möglichkeit, daß ein Mitgliedstaat auf eigenen Antrag und auf Vorschlag der Kommission vom Rat ermächtigt wird, die Vorführung von solchen ausländischen Filmen in spezialisierten oder nichtspezialisierten Filmtheatern zu begrenzen, die nicht in der Sprache des Ursprungslandes aufgeführt werden, wenn diese Sprache die Sprache des Gebietes ist, in dem sich das spezialisierte Filmtheater befindet. Die Regelung ist nicht ohne weiteres verständlich; ihr Inhalt muß in Zusammenhang gesehen werden mit Artikel 5 III, der die Anwendung von Spielzeitkontingenten auf spezialisierte Filmtheater verbietet. Dies könnte nämlich dazu führen, daß in Regionen eines Mitgliedstaates, in denen die Sprache des Ursprungslandes von Filmen auch die Sprache des Aufführungsgebietes ist, ausländische Filme praktisch ohne Beschränkungsmöglichkeit aufgeführt werden können, während in anderssprachigen Gebieten desselben Mitgliedstaates die Filmtheater an Spielzeitkontingente gebunden sind. Die Schutzklausel des Artikel 6 soll ermöglichen, die aus einer solchen denkbaren Sachlage entstehenden "Verzerrungen" zu verhindern. Von dieser Sonderregelung hat jedoch bisher kein Mitgliedstaat Gebrauch gemacht. Eine juristisch interessante Vorschrift stellt Artikel4 dar; er bestimmt, daß die Eröffnung eines spezialisierten Filmtheaters in einem Mitgliedstaat nicht die Gewährung einer direkten oder indirekten Beihilfe finansg
Vgl. Abschnitt IV Ades "Allgemeinen Niederlassungsprogramms".
III. Die F.Umrichtlinien und ihre Durchführung
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zieller oder sonstiger Art seitens eines anderen Mitgliedstaates zur Folge haben darf, wenn diese Beihilfe die Wirkung hätte, die Niederlassungsbedingungen zu verfälschen. Unter diese Bestimmungen fallen insbesondere Beihilfen für die Errichtung, den Umbau oder die Modernisierung von Filmtheatern; für die Ausführung von Arbeiten für Sicherheit, Hygiene und technische Verbesserungen; für den Erwerb von Ausrüstungen; für den Erwerb von Vorführungsrechten an Spielfilmen und für die Deckung von Risiken oder Verlusten in der Geschäftsführung. Darüber hinaus bestimmt Artikel 4 weiter, daß die in irgendeiner Form in den Mitgliedstaaten bestehenden Beihilfen für die Eröffnung von spezialisierten Filmtheatern- um eine Verfälschung der Niederlassungsbedingungen zu vermeiden - auch Betriebsinhabern, die anderen Mitgliedstaaten angehören, ohne Diskriminierung gewährt werden müssen. Dabei darf die den Begünstigten der Mitgliedstaaten gewährte Behandlung in keinem Falle ungünstiger sein als diejenige, die natürliche Personen und Gesellschaften dritter Länder vorbehalten ist. Auf Inhalt und Bedeutung des Artikel4 wird sogleich noch näher einzugehen sein90 •
2.2 Beurteilung Die hauptsächliche Bedeutung der Richtlinie liegt darin, daß auf ihrer Grundlage, praktisch seit 1967, eine völlige Liberalisierung des Filmaustausches durch die Beseitigung bzw. "Vergemeinschaftung" der in den Mitgliedstaaten bestehenden Kontingente erreicht wurde. Zwar hatte die Bundesrepublik geglaubt, auf das in Artikel 7 eingeräumte Recht, die Einfuhr bestimmter Filme noch bis zum Ende der Übergangszeit zu beschränken, nicht verzichten zu können, solange die deutsche Filmwirtschaft gegenüber der italienischen und französischen Filmwirtschaft wegen des Fehlens umfassender staatlicher Förderung benachteiligt war91 . Vor allem richtete sich diese Schutzklausel gegen relativ alte Filme, bei denen die Gefahr bestand, daß sie, nachdem sie sich bereits auf anderen Märkten amortisiert hatten, zu niedrigen Festpreisen auf den deutschen Markt exportiert würden92 • Da die Bundesrepublik jedoch von diesem Recht keinen Gebrauch machte, sind die Einfuhrkontingente zwischen allen Mitgliedstaaten tatsächlich seit dem 1. Januar 1967 aufgehoben. Für die Spielzeitkontingente wurde in der Richtlinie eine Lösung gefunden, die als sehr geschickt anzusehen ist. Durch die Regelung des Artikel5 wurden die Kontingente zwar nicht völlig beseitigt, doch wurde durch die Vergemeinschaftung der Spielzeitquoten die ihnen immanenSiehe unten 2.3. Vgl. Caspary, Film und Recht 1970, S. 9. 92 Vgl. Bericht des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments zum Vorschlag der Kommission der EG betreffend die zweite Richtlinie auf dem Gebiet des Filmwesens, vom 14. Januar 1965, Europäisches Parlament, Dok. 125, S. 3. 90 91
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ten, diskriminierenden Beschränkungen unter den Mitgliedstaaten vermieden, ohne daß den davon betroffenen Staaten, nämlich Frankreich und Italien, der Schutz gegenüber Drittländern genommen wurde 93 • Im übrigen ist anzumerken, daß die von Artikel 5 eingeräumten Möglichkeiten- Erhöhung der Zahl der Tage der Spielzeitkontingente, Neueinführung von Spielzeitkontingenten - von keinem der gegebenenfalls dazu berechtigten Mitgliedstaaten wahrgenommen wurde94 • Von nicht geringer wirtschaftlicher Bedeutung war auch die Aufhebung der die Filmsynchronisierung betreffenden Beschränkungen. Die in Frankreich, und vor 1957 auch in Italien, bestehende gesetzliche Verpflichtung, daß ausländische Filme im Importland synchronisiert werden mußten, hatte primär kulturelle Gründe: sie sollte dem Schutz der nationalen Sprache und Ausdrucksweise dienen. Gleichzeitig führte sie aber zu beträchtlichen ökonomischen Vorteilen für die nationalen Filmstudios, weil diese dadurch das ausschließliche Recht zur Synchronisation aller ausländischen Filme besaßen, die im Inland zur Aufführung gelangten. Beide Aspekte konnten eine Aufrechterhaltung der Beschränkungen im Gemeinsamen Markt nicht rechtfertigen: der Gesichtspunkt des kulturellen Schutzes hatte durch die zunehmende Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer an Bedeutung verloren, da nunmehr auch im Ausland ohne weiteres Fachkräfte aus dem Einfuhrland verwendet werden konnten, die eine perfekte Synchronisierung in der Sprache des Einfuhrlandes gewährleisteten95 ; und die Privilegierung der nationalen Studios gegenüber den Studios der anderen Mitgliedstaaten stand ohnedies im Widerspruch zu den Postulaten des Niederlassungs- und Dienstleistungsrechts. Demgegenüber war die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit für die spezialisierten Filmtheater ohne nennenswerte ökonomische, freilich von einiger kultureller Bedeutung, weil es sich bei den in der Originalsprache aufgeführten Filmen in der Regel um künstlerisch besonders qualifizierte Filme handelt. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für spezialisierte Filmtheater nach den Bestimmungen des "Allgemeinen Niederlassungsprogramms" schon möglichst frühzeitig erfolgen sollte. 93 Im Rahmen des GATT (Anlage III, Art. IV) werden Spielzeitkontingente als die einzig zulässige Schutzmaßnahme zugunsten der nationalen Filmwirtschaft angesehen. Vgl. hierzu V alter, Le regime, S. 230. 94 Vgl. V alter, Droit et Affaires 1972, S. 30. es Vgl. Abschnitt III der Erwägungsgründe. Zustimmend der Wirtschaftsund Sozialausschuß (vgl. Dok. CES 47/64, S. 6); demgegenüber hatte der Wissenschafts- und Kulturausschuß des Europäischen Parlaments die Synchronisierung der Filme im Importland aus kulturellen Gründen nach wie vor befürwortet (vgl. Anlage III Anm. 20, zum Bericht des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments, Dok. 125 vom 14. Januar 1965).
III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
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Das "Beihilfenverbot" des Artikel 4, das folglich nur Beihilfen zugunsten spezialisierter Filmtheater betrifft, hatte lediglich präventiven Charakter: Beihilfen, die der Vorschrift des Artikel4 unterfallen, bestanden und bestehen in keinem Mitgliedstaat. Gleichwohl wirft die Regelung interessante rechtliche Fragen auf, die nachstehend zu behandeln sind.
2.3 Tragweite und Rechtsgrundlage des Artikel4 2.31 Der Inhalt des Artikel4 Der Inhalt des Artikel 4 bedarf einer näheren Betrachtung. Artikel 4 Satz 1 untersagt, daß ein Mitgliedstaat für die Eröffnung von spezialisierten Filmtheatern in einem anderen Mitgliedstaat direkte oder indirekte Beihilfen gewährt, welche die Niederlassungsbedingungen verfälschen. Das gilt sicher für den praktisch wichtigsten Fall, daß ein Mitgliedstaat in dieser Weise die Niederlassung seiner eigenen Staatsangehörigen fördert. Die Regelung des Artikel 4 geht aber ihrem Wortlaut nach weiter: sie verbietet nämlich ganz generell, daß ein Mitgliedstaat die Eröffnung von spezialisierten Filmtheatern - ob durch eigene Staatsangehörige, Staatsangehörige des Aufnahmelandes oder dritter Mitgliedstaaten- unterstützt, wenn dadurch die Niederlassungsbedingungen verfälscht werden. Das Verbot gilt nach seinem Wortlaut also auch unabhängig davon, ob die eigenen Staatsangehörigen von der Förderung ausgenommen sind oder nicht. Es spricht zweierlei dafür, daß Artikel 4 Satz 1 das Verbot von die Niederlassungsbedingungen verfälschenden Beihilfen nicht nur auf die Förderung eigener Staatsangehöriger beschränken, sondern auch die anderen, normalerweise wenig wahrscheinlichen Konstellationen bewußt erfassen will, daß es sich also bei dem weiten Wortlaut nicht etw a nur um eine redaktionelle Ungenauigkeit handelt: Wegen der besonderen Materie- Eröffnung spezialisierter Filmtheater- ist es denkbar, daß ein Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat die Eröffnung von spezialisierten Filmtheatern (auch) durch Angehörige eines anderen Mitgliedstaates fördern will, um dadurch seinen eigenen, in der Originalsprache aufgeführten Filmen bessere Absatzmöglichkeiten zu verschaffen. Zum zweiten ist, wie noch zu sehen sein wird, in den entspr echenden Bestimmungen des Artikel 6 der dritten und des Artikel4 der vierten Richtlinie betreffend die Filmwirtschaft eine eindeutig engere Formulierung gewählt: dort ist ausdrücklich davon die Rede, daß Mitgliedstaaten ihren Staatsangehörigen, die sich zur Ausübung einer der in Artikel 2 dieser Richtlinien genannten Tätigkeiten (des Filmverleihs bzw. der Filmproduktion) in einen anderen Mitgliedstaat begeben, keine Beihilfen gewähren, durch welche die Niederlassungsbedingungen verfälscht werden könnten. Für eine restriktive Auslegung des Artikel 4 im obigen Sinne
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Abschn. li B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
könnte allerdings die in den Erwägungsgründen gebrauchte Formulierung sprechen: "Die Bedingungen für die Niederlassung dürfen nicht durch Beihilfen verfälscht werden, die der Mitgliedstaat gewährt, aus dem der Begünstigte dieser Richtlinie stammt." Die Erwägungsgründe der Richtlinie haben jedoch eher programmatischen Charakter und sind für die Auslegung einer Einzelnorm sicher nicht zwingend. Da auch die übrigen sprachlichen Fassungen des Artikel 4 den deutschen Wortlaut bestätigen, besteht kein Grund, die Bestimmung nicht in dem oben dargestellten, weiten Sinne zu interpretieren96 • Dagegen verlangt Artikel 4 Satz 3 in dem Fall, daß in einem Mitgliedstaat für die Eröffnung spezialisierter Filmtheater Beihilfen bestehen, nicht deren Beseitigung, sondern nur die (Inländer-)Gleichbehandlung derjenigen Betriebsinhaber, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind. Artikel 4 Satz 3 richtet sich also gegen die Diskriminierung der Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten. 2.32 Die Rechtsgrundlage des Artikel4 Die Frage der Zulässigkeit von Beihilfen im Gemeinsamen Markt wird im EWG-Vertrag und in den Allgemeinen Programmen in drei verschiedenen Normkomplexen angesprochen, nämlich in Art. 52 i. V. m . Abschnitt III A zweite Buchstabenfolge lit. g) der Allgemeinen Programme97, in Artikel 54 Abs. 3 h) i. V. m. Abschnitt VII des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen derNiederlassungsfreiheit9R und schließlich in den Artt. 92 ff. EWGV. Es wird zu prüfen sein, auf welche dieser Bestimmungen Artikel 4 der Richtlinie gestützt ist. Das Verständnis des Art. 52 i. V. m . Abschnitt III A der Allgemeinen Programme bereitet keine Schwierigkeiten: diese Regelung bezieht sich auf Beschränkungen, die durch direkte und indirekte Beihilfen eines 96 Die geringe praktische Revelanz dieser Auslegungsfrage wird keineswegs verkannt. Weder hat ein Mitgliedstaat die Eröffnung spezialisierter Filmtheater in einem anderen Mitgliedstaat durch nicht eigene Staatsangehörige jemals gefördert, noch könnte dies in Zukunft zu erwarten sein. i 7 Diese Bestimmungen der Allgemeinen Programme haben, im Zusammenhang gelesen, folgenden Wortlaut: "Vorschriften und Praktiken, die allein für Ausländer die Befugnisse zur Ausübung der normalerweise mit der Erbringung von Dienstleistungen bzw. mit einer selbständigen Tätigkeit verbundenen Rechte ausschließen, beschränken oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen (sind aufzuheben), und zwar insbesondere die Befugnis ... (g) direkte oder indirekte staatliche Beihilfen in Anspruch zu nehmen." 98 Abschnitt VII lautet: "Von den Mitgliedstaaten gewährte Beihilfen, welche die Niederlassungsbedingungen verfälschen können, sollen spätestens mit der Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit für diejenige selbständige Tätigkeit aufgehoben werden, bei der die Niederlassungsbedingungen verfälscht sind, und zwar unbeschadet der Anwendung der Artikel 92 ff. des Vertrages."
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Mitgliedstaates deshalb entstehen, weil sie Ausländern bei ihrer Niederlassung nicht in gleicher Weise zugute kommen wie eigenen Staatsangehörigen99. Hierbei handelt es sich also um eine typische ausländerdiskriminierende Bestimmung im Sinne des Art. 52 EWGV. Weniger Klarheit besteht hingegen bei der Auslegung von Art. 54 Abs. 3 h) EWGV. Nach Art. 54 Abs. 3 h) erfüllen der Rat und die Kommission die ihnen gemäß Artikel 54 Abs.l und 2 EWGV übertragenen Aufgaben, "indem sie insbesondere sicherstellen, daß die Bedingungen für die Niederlassung nicht durch Beihilfen der Mitgliedstaaten verfälscht werden". Der weite Wortlaut des Art. 54 Abs. 3 h) ist zunächst dahingehend zu verkürzen, daß die soeben erwähnten, von Art. 52 abgedeckten Fälle aus dem Normbereich des Art. 54 Abs. 3 h) ausscheiden. Nach Eve1·ling 100 ist Art. 54 Abs. 3 h) deshalb auf solche Beihilfen beschränkt, die von einem Mitgliedstaat seinen eigenen Angehörigen zur Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat gewährt werden. Nach Ehring 101 und Ruggierolde Dominicis102 richtet sich das Verbot des Art. 54 Abs. 3 h) außerdem auch dagegen, daß ein Mitgliedstaat die Niederlassung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auf seinem Gebiet durch die Gewährung von Beihilfen besonders fördert. Differenziertere Aussagen zu Art. 54 Abs. 3 h) EWGV finden sich bei Troberg 103 • Er geht davon aus, daß die Grundsätze des Art. 54 Abs. 3 in zwei Gruppen einzuteilen sind: die erste Gruppe enthalte Auslegungsregeln zu Art. 52, während die zweite Gruppe dadurch charakterisiert sei, daß ihre Durchführung nicht unmittelbar die Aufhebung von Niederlassungsbeschränkungen bedeute, mithin eine "Ausweitung" des Art. 52 darstelle und für die Gemeinschaftsorgane neue Eingriffsbefugnisse, d. h. neue Rechtsgrundlagen schaffe, die allerdings keine eigenen Verfahrensregelungen enthielten. Der sehr enge Zusammenhang zur Herstellung der Niederlassungsfreiheit spreche indessen für eine Anwendung des gleichen Verfahrens wie es für die Niederlassungsfreiheit in Art. 54 Abs. 2 vorgesehen ist. Zu dieser zweiten, "eigenständigen" Gruppe gehören nach Auffassung Trabergs die Grundsätze lit. b), g) und h). Auch bei der inhaltlichen Analyse des Art. 54 Abs. 3 h) differenziert Troberg 104 • Zunächst ist auch für ihn klar, daß Art. 54 Abs. 3 h) den Fall betrifft, in welchem ein Mitgliedstaat durch Beihilfen an seine eigenen 99
Vgl. Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Art. 54 Anm. III 2), S. 480;
Platz, S . 130. 100
182.
10 1 102
Everling, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, Art. 54 Anm. 12, S. Ehring, in: Groeben/Boeckh, 1. Aufl., Art. 54 Anm. 15. Ruggierolde Dominicis, in: Quadri/Monaco/Trabucchi, Art. 54 Anm. 5,
S.429. 103 104
Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Art. 54 Anm. III 1), S. 478 f. Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Art. 54 Anm. III 2), S. 480.
6 Keßler
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Staatsangehörigen deren Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat fördert. Außerdem soll - hierin besteht Übereinstimmung mit Ehring und Ruggiero/de Dominicis- von Art. 54 Abs. 3 h) auch die Fallkonstellation erfaßt werden, "daß ein Aufnahmeland den einwandernden Unternehmen Vorteile zusagt, die der bereits ansässigen Industrie verschlossen sind", daß Inländer also ungünstiger behandelt werden als Ausländer. Im letzteren Falle soll Buchstabe h) nur eine Verweisung auf Art. 7 EWGV darstellen, wenn die Beihilfen ohne Differenzierung nach Produktionszweigen schlechthin den ausländischen Unternehmen versprochen werden105• Andererseits soll in dem erstgenannten Falle, daß ein Mitgliedstaat seine auswandernden Unternehmen begünstigt, nicht Art. 54 Abs. 3 h) sondern Art. 92 EWGV anwendbar sein, wenn die Unterstützung bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen gilt; nur wenn die Unterstützung generell allen Unternehmen angeboten ist, die etwa sekundäre Niederlassungen im Ausland errichten, soll der Regelungsbereich des Art.92 überschritten sein und Art. 54 Abs. 3 h) mit seiner eigenen Verfahrensregelung zum Zuge kommen106• 2.33 Kritik der Auffassung Trobergs Die oben wiedergegebenen, teilweise sehr lapidaren Kommentierungen zu Art. 54 Abs. 3 h) EWGV zeigen, daß über die Tragweite dieser Norm hinreichend präzise Vorstellungen noch nicht bestehen. Auch der bei Everling 101 zu findende Hinweis, die Bestimmung des Art. 54 Abs. 3 h) sei deshalb in den Vertragstext aufgenommen worden, weil zweifelhaft ist, ob die genannten Beihilfen bereits durch Art. 92 Abs. 1 EWGV erfaßt werden, veranschaulicht viel eher die Notwendigkeit der Interpretation dieser Norm, als daß er zu ihrer Klärung beiträgt. Klarheit besteht nur über die Ausgrenzung solcher Beihilfen, die - weil sie innerhalb eines Mitgliedstaates echte Beschränkungen darstellen - schon von Art. 52 EWGV erfaßt werden. Daß also innerhalb des Niederlassungsrechts zwei verschiedene Kategorien von Beihilfen angesprochen sind, ist, wie gezeigt, auch in den Allgemeinen Programmen zum Ausdruck gekommen. Nach der Auffassung von Troberg 108 könnte die in Artikel4 Satz 1 der ersten Richtlinie enthaltene Regelung ihre Rechtsgrundlage insoweit 105 Art. 7 EWGV erfaßt als lex generalis auch die Schlechterstellung der eigenen Staatsangehörigen. Vgl. Everling, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/ Sprung, Art. 7 Anm. 5; Feige, S. 49, m. w. N. 106 Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Artikel 54 Anm. III 2), S. 180, spricht davon, daß Artikel 54 Abs. 3 h) EWGV insofern "als eigene Rechtsgrundlage auch gegenüber Artikel 92" erscheine. 107 Everling, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, Art. 54 Anm. 12, S.
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108
Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Art. 54 Anm. III 2), S. 480.
III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
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nicht in Art. 54 Abs. 3 h) finden, als sie Beihilfen verbietet, die von Mitgliedstaaten an ganz bestimmte auswandernde bzw. einwandernde ausländische Unternehmen - hier: spezialisierte Filmtheater - gewährt werden. Diese Auslegung erscheint aber nicht stichhaltig. Einmal beruht sie auf einem sehr schematischen Vorgehen. Denn Troberg nimmt von Art. 54 Abs. 3 h) einfach alle jene Beihilfen aus, die, weil sie nicht generell vergeben werden, sondern nur bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zugute kommen, angeblich ausschließlich von Art. 92 EWGV erfaßt werden. Solches Vorgehen läßt unberücksichtigt, daß die beiden Normen ganz verschiedenen Teilen des EWG-Vertrages zugeordnet sind und ihnen daher im System des Vertrages mit Wahrscheinlichkeit auch sehr verschiedene Funktionen zufallen. Darauf deutet schon die Divergenz der Tatbestandsmerkmale hin, die die von den Beihilfen ausgehenden Wirkungen umschreiben: hier handelt es sich um Verfälschungen der Niederlassungsbedingungen, dort um Wettbewerbsverfälschungen und Handelsbeeinträchtigungen. Da man also eine "funktionelle Identität" der beiden Normen a priori nicht unterstellen kann, ist die schlicht nach dem Kreis der Subventionsadressaten vorgenommene Abgrenzung der Normbereiche schon im Ansatz wenig überzeugend. Außerdem ist zu bedenken, daß die "echt beschränkenden", weil ausländerdiskriminierenden Beihilfen - auch nach der Meinung von Troberg - vollständig in den Regelungsbereich des Art. 52 EWGV fallen, also unabhängig davon, ob es sich um "generelle" oder "spezielle" Beihilfen handelt. Da Art. 52 i. V. m. Abschnitt 111 A zweite Buchstabenreihe lit. g) der Allgemeinen Programme einen von Art. 92 EWGV nicht beschnittenen, eigenwertigen Regelungsbereich hat, ist nicht ersichtlich, wieso man für den doch gleichfalls der Niederlassungsfreiheit verpflichteten Art. 54 Abs. 3 h) EWGV zu einem anderen Ergebnis gelangen sollte. Dies gilt um so mehr, als eine Beschränkung auf nur generell gewährte Beihilfen die praktische Bedeutung des Artikels 54 Abs. 3 h) minimalisieren würde. 2.34 Eigene Lösung 2.341 Die Bedeutung des Art. 54 Abs. 3 h) EWGV Zunächst ist aufzuzeigen, von welchen grundsätzlichen Überlegungen sich die oben zitierten Interpretationsergebnisse des Art. 54 Abs. 3 h) EWGV überhaupt herleiten. Die Art. 52 ff. EWGV fordern in erster Linie den Abbau der für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten in einem bestimmten Mitgliedstaat bestehenden ausländerdiskriminierenden Beschränkungen. Sie verbieten aber nicht nur - negativ - eine Schlechterstellung der Ausländer, sondern gebieten auch- positiv- ihre Gleichstellung mit den Inlän6*
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dern109• Sofern die Niederlassungs"gleichheit" 110, also die Chance, in einem Mitgliedstaat unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Inländer zu gewerblichen Zwecken ein neues oder ein sekundäres Unternehmen zu errichten, nicht gewährleistet ist, weil ein Mitgliedstaat nur die Niederlassung eigener Staatsangehöriger111 fördert, kommt deshalb unstreitig die Vorschrift des Art. 52 EWGV zum Zuge. Die Gleichheit der in einem Mitgliedstaat in rechtlicher oder verwaltungspraktischer Hinsicht für alle Angehörigen von Mitgliedstaaten bestehenden Niederlassungsbedingungen kann jedoch auch dadurch tangiert sein, daß ein Mitgliedstaat die Niederlassung auswandernde-r Staatsangehöriger in einem anderen Mitgliedstaat begünstigt und auf diese Weise die in einem Aufnahmeland ursprünglich für alle gleichen Niederlassungsbedingungen zugunsten seiner eigenen Staatsangehörigen verändert. Da jedoch keine Ausländerdiskriminierung im Inland vorliegt, wird diese Sachlage nicht mehr von Art. 52, sondern nur noch von Art. 54 Abs. 3 h) erfaßt. Insofern schafft Art. 54 Abs. 3 h) für den in Art. 52 enthaltenen Grundgedanken einen neuen und aus der Sicht des Art. 52 erweiterten Tatbestand112• Der gleiche Effekt wie bei der Begünstigung auswandernder Staatsangehöriger entsteht, wenn ein Mitgliedstaat einwandernden Unternehmen V orteile zusagt, die der eigenen Industrie verschlossen sind. Deshalb ist der Auffassung von Ehring, Ruggierolde Dominicis und Troberg, daß auch diese Beihilfen dem Art. 54 Abs. 3 h) unterfallen, zuzustimmen. Indessen scheint es weder notwendig noch gerechtfertigt, im letzten Falle in Art. 54 Abs. 3 h) lediglich eine Verweisung zu sehen auf das Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV113, das auch die Diskriminierung eigener Staatsangehöriger verbietet114• Denn es ist, zumindest theoretisch, auch die Sachlage denkbar, daß ein Mitgliedstaat seine eigen en auswandernden Staatsangehörigen und zugleich die Niederlassung der Angehörigen des Aufnahmelandes, nicht aber der Angehörigen dritter Mitgliedstaaten begünstigt, so daß Art. 54 Abs. 3 h) dann wiederum als eigenständige Rechtsgrundlage in Erscheinung treten müßte, weil eine "discrimination a rebours" nicht mehr vorläge. Man wird Art. 54 Vgl. dazu vor allem M. Schwartz, S. 84 ff. Schlachter, S. 68; Platz, S. 50. 111 Bei juristischen Personen gilt die im Abschnitt I der Allgemeinen Programme verwendete Definition der "Staatszugehörigkeit". Vgl. dazu Abschnitt 1o9
uo
II, B, III, 4.321.
In diesemSinne auch M. Schwartz, S. 78. So aber Troberg, in: Groeben/Boeckh/Thiesing, Art. 54 Anm. III 2), S. 480, der die Schlechterstellung eigener Staatsangehöriger als "discrimination a rebours" bezeichnet. 114 Vgl. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, Anm. 5 zu Art. 7, S. 17; Feige, S. 49. 112
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III. Die Filmrichtlinien und ihre Durchführung
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Abs. 3 h) daher generelL als eigenständige Rechtsgrundlage zu begreifen haben, auch wenn er zum Teil nur eine spezielle Ausprägung von Art. 7 EWGV konstitutiert115 • Konsequenz der bisherigen Überlegungen muß schließlich sein, daß der gewiß sehr seltene, aber- wie das Beispiel der spezialisierten Filmtheater zeigt - keineswegs völlig abwegige Fall, daß ein Mitgliedstaat (nur) die Niederlassung fremder Staatsangehöriger in deren Staatsgebiet begünstigt, dem Art. 54 Abs. 3 h) EWGV unterfällt. Art. 54 Abs. 3 h) ist überhaupt auf jede theoretisch denkbare Konstellation anwendbar, die dadurch charakterisiert ist, daß durch die Beihilfen eines Mitgliedstaates die Niederlassungsbedingungen in einem anderen Mitgliedstaat zum Nachteil irgendeines Teils der Angehörigen der Europäischen Gemeinschaften verändert werden.
2.342 Das Verhältnis von Art. 54 Abs. 3 h) EWGV zu Art. 92 EWGV Die Abgrenzung der Normbereiche von Art. 54 Abs. 3 h) und Art. 92 EWGV kann insbesondere ausgehen vom Wortlaut der Bestimmungen und ihrer systematischen Stellung im Vertrag. 2.3421 Wortlaut Art. 54 Abs. 3 h) gebietet sicherzustellen, daß die Bedingungen für die Niederlassung nicht durch Beihilfen der Mitgliedstaaten verfälscht werden. Dagegen erklärt Art. 92 solche staatlichen Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Schon der bloße Wortlaut der beiden Bestimmungen macht deutlich, daß zwei grundsätzlich verschiedene Wirkungen staatlicher Beihilfen "inkriminiert" werden. Gleichzeitig zeigt sich, daß der Vertrag in beiden Fällen niemals die staatlichen Beihilfen "per se", sondern nur im Hinblick auf ihre spezifischen Wirkungen auf das Marktgefüge einer Regelung unterwirft. Aus ökonomischer Sicht erklärt sich solche "Sensibilität" des EWG-Vertrages für die Beihilfen daraus, daß Beihilfen neben den klassischen ökonomischen Grundgegebenheiten - den Rohstoffen, Arbeitskräften, Absatzmärkten und Transportmöglichkeiten - künstliche Marktbedingungen und mithin von vorneherein potentielle Störfaktoren darstellen116• 115 Das ist vom Prinzip her nichts Besonderes. So werden die Artt. 52 ff. und 59 ff. EWGV ja generell als leges speciales zu Art. 7 EWGV angesehen, ohne daß ihnen dabei nur der Charakter von Verweisungen zuerkannt wird. 116 Vgl. Spaak-Bericht, S. 64 f.
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2.3422 Systematische Stellung und Funktion
Während Art. 54 Abs. 3 h) in das Kapitel Niederlassungsfreiheit eingeordnet ist und daher zur "Freizügigkeit" und zu den im Zweiten Teil des EWG-Vertrages geregelten "Grundlagen der Gemeinschaft" gehört, ist Art. 92 Bestandteil des Kapitels "Wettbewerbsregeln" und damit Konstitutivum der im Dritten Teil des Vertrages gen~gelten "Politik der Gemeinschaft". Zu den Grundlagen des Vertrages gehört an erster Stelle die Schaffung einer Zollunion, die darauf angelegt ist, die aus dem Abbau der Zölle, Kontingente und Maßnahmen gleicher Wirkung entstandenen Möglichkeiten des Warenverkehrs rechtlich zu sichern; ihre Fortentwicklung zu einem einheitlichen Markt ist dadurch gewährleistet, daß durch die Freizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr sowie den freien Kapital- und Zahlungsverkehr auch alle übrigen Beschränkungen beseitigt werden und eine vollständige Liberalisierung der Mobilität von Produkten und Faktoren ermöglicht wird. Erst der so gewonnene Freiheitsraum schafft die Voraussetzungen für eine Gemeinsame Politik mit dem Ziel einer politischen und rechtlichen Gestaltung des Gemeinsamen Marktes im allgemeinen und der Errichtung eines europäischen Rechtssystems unverfälschten Wettbewerbs im besonderen117. Daraus erhellt, daß Art. 54 Abs. 3 h) und Art. 92 grundsätzlich verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben, weil sie auf verschiedenen vertraglichen "Funktionsebenen" angesiedelt sind. 2.3423 Schlußfolgerungen
Aus dieser Funktionsverschiedenheit ergibt sich folgendes: Wegen der Einbettung des Art. 54 Abs. 3 h) in das System der Art. 52 ff. EWGV kann nicht zweifelhaft sein, daß es ihm nur darum geht, solche durch Beihilfen bedingten, künstlichen Faktoren zu eliminieren, die unmittelbar die Niederlassungssituation in einem bestimmten Mitgliedstaat beeinflussen, indem sie für die Angehörigen von Mitgliedstaaten ungleiche Niederlassungsvoraussetzungen, mithin ungleiche "Niederlassungschan·cen", schaffen. Implizieren die Artt. 52 ff. das Prinzip der Inländergleichbehandlung, so besteht die von Art. 54 Abs. 3 h) herbeigeführte Ausweitung darin, daß er ganz allgemein eine nicht vom Aufnahmestaat ausgehende Ungleichheit der Niederlassungsbedingungen zu verhindern hat. Die dem Art. 54 Abs. 3 h) immanente Erweiterung des Art. 52 erklärt sich aus dem besonderen Charakter der Beihilfen als eines ökonomischen Regelungsinstruments, das einen Mitgliedstaat in die Lage versetzt, gewissermaßen von außen in einen anderen Mitgliedstaat faktische Ungleichheiten "hineinzuprojizieren". Diese spezielle Konstellation faktf.117
Vgl. Mestmäcker, Fs Böhm, S. 353.
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scher Benachteiligungen im Rahmen des Niederlassungsrechts zu erfassen, ist eigenständige Aufgabe des Art. 54 Abs. 3 h) EWGV. Folglich verbietet Art. 54 Abs. 3 h) nicht nur Beihilfen, die ein Mitgliedstaat generell seinen auswandernden Staatsangehörigen zukommen läßt, sondern entgegen Traberg- auch solche Beihilfen, die nur der Förderung von ganz bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen dienen sollen. Demgegenüber zielt Art. 92 EWGV darauf ab, solche durch künstliche Faktoren geschaffenen Wettbewerbsverfälschungen zu verhindern, die den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen. Dem Art. 92 unterfallen staatliche Beihilfen letztlich nur dann, "wenn sie den Warenaustausch oder den Austausch von Dienstleistungen beeinflussen, zur Errichtung von Handelsschranken auf dem Markt beitragen und die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Durchdringung der Märkte auf diese Weise erschweren"118. Das kann beispielsweise im Wege des "klassischen" Falls der Exportbeihilfen geschehen119 oder aber durch Beihilfen, die deshalb zu Exportsteigerungen führen, weil die Produktionskosten mittels der Beihilfen künstlich niedrig gehalten sind. Die praktische Schwierigkeit der Abgrenzung von Beihilfen im Sinne des Art. 54 Abs. 3 h) EWGV und Beihilfen im Sinne des Art. 92 EWGV resultiert daraus, daß ihre Wirkungen auf den Gemeinsamen Markt beide Normen gleichzeitig aktualisieren können, ohne daß dabei die eine Norm durch die andere verdrängt wird. So werden beispielsweise Beihilfen, welche die Bundesrepublik Deutschland an eigene Unternehmen eines bestimmten Produktionszweiges für die Errichtung sekundärer Niederlassungen in Frankreich vergibt, sicher dem Art. 54 Abs. 3 h) unterfallen, weil sie auf dem französischen Markt ungleiche Niederlassungsbedingungen hervorrufen. Gleichzeitig können diese Beihilfen aber auch Wirkungen haben, die zu Wettbewerbsverfälschungen und Handelsbeeinträchtigungen führen. Das wird regelmäßig vom Verwendungszweck und vom Umfang der Beihilfen, letztlich also vor allem von ihrer "Inzidenz" auf die Produktionskosten abhängig sein. Man wird in jedem Einzelfalle gesondert zu entscheiden haben, ob bei einem solchen Sachverhalt neben Art. 54 Abs. 3 h) auch die Voraussetzungen des Art. 92 vorliegen. 2.35 Ergebnis Ergebnis der obigen Überlegungen ist, daß Artikel 4 Satz 1 der zweiten Filmrichtlinie in vollem Umfange von Art. 54 Abs. 3 h) EWGV gedeckt wird, während Artikel 4 Satz 3 seine Rechtsgrundlage in Art. 52 EWGV findet. Dem entspricht der Richtlinientext, in dem als Rechtsgrundlage 118 So der EuGH, Urteil vom 12. 12. 1967 ("Brasserie de Haecht"), RS 23/67, RsprGH XIII, S. 544 ff. (556). 119 Vgl. Everling, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, Art. 92 Anm. 5,
s. 275.
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Abschn. II B. Maßnahmen auf dem Gebiet der Filmwirtschaft
derjenigen Bestimmungen, die das Niederlassungsrecht betreffen, "insbesondere" Artikel 54 Abs. 2 und 3 EWGV sowie das Allgemeine Programm, insbesondere Abschnitt IV A, genannt sind.
2.4 Durchführung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten Frankreich und Italien waren von den Bestimmungen der zweiten Richtlinie auf dem Gebiet des Filmwesens am stärksten betroffen. 2.41 Frankreich
Frankreich hat durch Dekret Nr. 67-367 vom 24. 4. 1967 120 die Filme aus Mitgliedstaaten in seine Spielzeitkontingente einbezogen. Gleichzeitig wurden, ebenfalls in Durchführung des Artikel 5 der Richtlinie, die spezialisierten Filmtheater von den Spielzeitkontingenten ausgenommen121. Durch Dekret Nr. 67-260 vom 23. 3. 1967122 wurde gemäß Artikel 8 der Richtlinie bestimmt, daß Filme, welche die Nationalität eines oder mehrerer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft besitzen, von den Bedingungen freigestellt wurden, derzufolge die Vorführgenehmigung für nicht-französische Filme nur erteilt wird, wenn die Synchronisation in vollem Umfange in Studios erfolgt, die auf französischem Hoheitsgebiet liegen. 2.42 Italien
Italien hat seine Gesetzgebung durch das Filmgesetz vom 4. 11. 1965123 an die Bestimmungen der Richtlinie angepaßt. Durch Artikel 18 Abschnitt 1 dieses Gesetzes wurden die gemäß der ersten Filmrichtlinie von einem Mitgliedstaat als nationale Filme anerkannten abendfüllenden Filme und Kurzfilme zum Spielzeitkontingent und zu den zugunsten der Filmtheater bestehenden Nachlässen .. . in gleicher Weise und innerhalb der gleichen zeitlichen Grenzen zugelassen, wie dies für die italienischen Filme vorgesehen ist1 24 . Außerdem sieht Artikel 35 des Gesetzes vor, daß die Besitzer von Filmtheatern, die ausschließlich Filme in der Sprache des Ursprungslandes aufführen, von den Spielzeitkontingenten ausgeJournal Officiel vom 28. 4. 1967, S. 4340. Der frz. Gesetzestext spricht von "quotas a l'ecran" (Spielzeitquoten). Die Terminologie der Richtlinie orientiert sich dagegen an Artikel4 des GATT, wo der Ausdruck "Spielzeitkontingente" verwendet wird. Inhaltlich bestehen keine Differenzen. 122 Journal Officiel vom 31. 3. 1967, S. 3132. 123 Gesetz Nr. 1213 vom 4. 11. 1965, Gazetta Uffiziale vom 12. 11. 1965, Jahrgang 106, Nr. 282. 124 Nach Artikel 18 Abschnitt 3 des Gesetzes Nr. 1213 sind auch die in den Mitgliedstaaten der OECD produzierten Kurzfilme den italienischen Kurzfilmen gleichgestellt. 120 121
III. Die F.Umrichtlinien und ihre Durchführung
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nommen sind. Auf die Verpflichtung zur Synchronisation der Filme in italienischen Studios wurde gänzlich verzichtet. 2.43 Bundesrepublik Deutschland Die Bundesrepublik Deutschland hat in Durchführung der zweiten Filmrichtlinie die noch für die französischen und italienischen Filme bestehende Kontingentierung zum 1. 12. 1966 aufgehoben, sich allerdings eine mögliche Anwendung des Artikel 7 Abschnitt 2 der Richtlinie zunächst ausdrücklich vorbehalten. Weitere Maßnahmen waren in der Bundesrepublik nicht zu treffen. 2.44 Benelux-Staaten In Belgien, Luxemburg125 und in den Niederlanden bestanden keine Beschränkungen, die nach den Bestimmungen der zweiten Filmrichtlinie zu beseitigen oder zu modifizieren waren. 3. Die Richtlinie des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs
3.1 Inhalt Die vom Rat am 15. Oktober 1968 verabschiedete dritte Richtlinie im Bereich der Filmwirtschaft regelt die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs 126 • Der Filmverleih gehört zu den im "Allgemeinen Niederlassungsprogramm" in Titel IV E, Anlage IV, genannten Tätigkeiten, die in der Zeit von Anfang 1967 bis zum Ende der Übergangszeit liberalisiert werden sollten. Es handelt sich dabei um die Tätigkeiten der Produktion, des Verleihs sowie der Vorführung von Filmen. Die Richtlinie beschränkte sich auf die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs. Der freie Dienstleistungsverkehr wurde zunächst zurückgestellt, da seine Verwirklichung in den Mitgliedstaaten noch "gewisse wirtschaftliche Schwierigkeiten" 127 bereitete. Zu ihrer Behebung sollte zuvor geprüft werden, ob die Bestimmungen über die Sicherheit für Kredite durch die Einführung von Filmregistern koordiniert werden können128• 125
126 121 128
Vgl. Loy, JournDrlnt 1968, S. 693. Abl. EG vom 22. 10. 1968, Nr. L 260, S. 23. Erwägungsgründe der Richtlinie. Vgl. die Erwägungsgründe der Richtlinie.
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Diese dritte Richtlinie hat, erstmals auf dem Gebiet des Filmwesens, nach Form und Inhalt "klassischen Charakter" 129 : Artikel 1, eine Art Generalklausel, bestimmt, daß die Mitgliedstaaten zugunsten der Be~ günstigten130 alle in Abschnitt III des Programms zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit genannten diskriminieren~ den Beschränkungen für die in Artikel 2 beschriebenen Tätigkeiten (des Filmverleihs und der Filmvermietung) aufzuheben haben. Artikel 2 Il soll, ähnlich wie die Definitionen in den Artikeln 2, 3 und 4 der ersten Filmrichtlinie, mit seinem Versuch, die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs umfassend und exakt zu beschreiben, eine einwandfreie Anwendung der Richtlinie sicherstellen. Die Definition des Artikels 2 II lautet: "Als Tätigkeiten des Filmverleihs und der Filmvermietung gelten alle Tätig~ keiten, die die Verfügung über die Rechte hinsichtlich der wirtschaftlichen Nutzung eines Films im Hinblick auf seine kommerzielle Verbreitung auf einem bestimmten Markt und die vorübergehende Einräumung des Rechts zur öffentlichen Vorführung zugunsten aller, die unmittelbar solche Vorführungen in dem Aufnahmeland veranstalten, einschließen." Nach Artikel 2 I Satz 2 gehört die Filmvermietung zu den Tätigkeiten des Filmverleihs. Artikel 3 spezifizierte die Generalklausel des Artikel 1 in Anlehnung an Abschnitt III A des Allgemeinen Programms. Danach haben die Mitgliedstaaten vor allem diejenigen Beschränkungen aufzuheben, welche a) die Begünstigten daran hindern, sich unter den gleichen Bedingungen und mit den gleichen Rechten wie die Inländer im Aufnahmeland niederzulassen; b) aus einer Verwaltungspraxis entstehen, die darauf hinausläuft, daß die Begünstigten eine gegenüber Inländern unterschiedliche Behandlung erfahren. Auf der Grundlage dieser allgemeinen Postulate ist in Artikel 3 II konkretisiert, welche gesetzlichen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit in einzelnen Mitgliedstaaten zu beseitigen sind. Dabei handelt es sich um folgende Beschränkungen: a) In Belgien: Um das Erfordernis einer "carte professionelle" (Artikel! des Gesetzes vom 19. Februar 1965); b) in Frankreich: Um das Erfordernis einer "carte d'identite d'etranger commer!;ant" (Decretloi vom 12. November 1938, Decret vom 2. Februar 1939, Loi vom 14. April 1954, Decret Nr. 59-852 vom 9. Juli 1959); V alter, Droit et Affaires 1972, S. 32. Die Begünstigten sind, wie üblich, die in Abschnitt 1 der Allgemeinen Programme genannten natürlichen Personen und Gesellschaften. 129
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c) in Luxemburg: Um die begrenzte Geltungsdauer der Ausländern erteilten Genehmigungen (Gesetz vom 2. Juni 1962, Artikel 21). Die Beschränkungen haben keinen spezifisch filmwirtschaftliehen Charakter. Es sind Beschränkungen allgemeiner Art, die in den Mitgliedstaaten auch auf zahlreiche andere selbständige Tätigkeiten Anwendung fanden und zum Teil heute immer noch finden. Gleiches gilt für Artikel 4 der Richtlinie. Auch er enthält Bestimmungen, die nicht speziell für selbständige Tätigkeiten innerhalb der Filmwirtschaft gelten, sondern fester Bestandteil zahlreicher anderer Richtlinien zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit sind. Artikel 4 stipuliert die Anerkennung bestimmter "gleichwertiger" Bescheinigungen, falls in einem Mitgliedstaat für die Aufnahme der zu liberalisierenden Tätigkeiten ein Zuverlässigkeitsnachweis oder der Nachweis verlangt wird, daß der Betreffende vorher nicht in Konkurs gegangen ist131 • Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Regelung der gegenseitigen Anerkennung "sonstiger Befähigungsnachweise" im Sinne des Art. 57 Abs. 1 EWGV. Auch Artikel 5 der Richtlinie beinhaltet eine allgemeine, für das Niederlassungsrecht typische Regelung. Denn er eröffnet für die Begünstigten den "diskriminierungsfreien" Zutritt zu den jeweiligen Berufsorganisationen. Die Befugnis, den Berufsvereinigungen beizutreten, wird im "Allgemeinen Niederlassungsprogramm" als eines der üblicherweise mit der Ausübung selbständiger Tätigkeiten verbundenen "Rechte" genannt132• Für die leitenden Positionen, deren Zugang prinzipiell garantiert ist, gilt eine Ausnahme nur dann, wenn die betreffenden Organisationen aufgrund einer Rechtsvorschrift an der Ausübung öffentlicher Gewalt teilnehmen. Diese Ausnahme beruht auf dem in Art. 55 EWGV niedergelegten Prinzip, wonach das Niederlassungsrecht auf Tätigkeiten, die dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, keine Anwendung findet. Vor diesem Hintergrund ist auch Artikel 5 II der Richtlinie zu verstehen, der bestimmt, daß in Luxemburg die Mitgliedschaft in der Handelskammer den Begünstigten nicht das Recht auf Teilnahme an der Wahl der Verwaltungsorgane verleiht133 • Da die in den Artikeln 4 und 5 enthaltenen Bestimmungen, die sich auch in der vierten Filmrichtlinie wiederholen, im Bereich der Filmwirtschaft keine besonderen Fragen aufwerfen, braucht im folgenden nicht näher auf sie eingegangen zu werden. 131 Vgl. zu den Einzelheiten den Text des Artikel 4 der Richtlinie. Im Zusammenhang mit dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten hat Abschnitt 2 des Artikel4 eine Änderung erfahren. Siehe Abschnitt II, C, II, 1.1. 132 Vgl. Abschnitt III lit. i) der zweiten Aufzählung des "Allgemeinen Niederlassungsprogramms". 1ss Vgl. Lahusen, S. 100.
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Artikel 6 schließlich entspricht der ausführlich erörterten Bestimmung des Artikel 4 der zweiten Filmrichtlinie, ist aber, wie schon oben angedeutet, restriktiver formuliert. Er verbietet den Mitgliedstaaten, ihren Staatsangehörigen, die sich zur Ausübung der selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs in einen anderen Mitgliedstaat begeben, Beihilfen zu gewähren, durch welche die Niederlassungsbedingungen verfälscht werden könnten. 3.2 Beurteilung
Die wirtschaftliche Bedeutung der dritten Richtlinie ist durch die Zurückstellung der Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs nicht unerheblich eingeschränkt. Der Entschluß des Rates, die Verwirklichung von Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs aufzuspalten, wird nur verständlich aufgrund der besonderen Bedeutung, die den Finanzierungsfragen bei der Filmproduktion zukommt, aufgrund der zerltralen Funktion, die der Filmverleih auf dem Finanzierungssektor innehat, sowie aufgrund der ausgeklügelten Kreditsicherungsmechanismen, die in der Regel zwischen dem Produzenten, dem Filmverleih und einem dritten, staatlichen und/oder privaten Geldgeber angelegt sind. In Italien und Frankreich haben die besonderen Finanzierungsprobleme der Filmwirtschaft schon früh zur Schaffung staatlicher Filmregister geführt134• Aufgabe dieser Register ist es, die an einem Filmwerk bestehenden wirtschaftlichen Nutzungsrechte publik zu machen und eine Transparenz der Kreditgewährung und Kreditsicherungsmaßnahmen, deren wichtigste die Vorausabtretung zukünftiger Einnahmen ist, zu gewährleisten. Dabei sind an die Registereintragungen besondere Rechtswirkungen geknüpft; sie dokumentieren sich nach italienischem und französischem Recht darin, daß die Eintragungen jedem Dritten entgegengehalten werden können13 5 • Der Gedanke, die Filmfinanzierung durch die Einrichtung von Filmregistern in allen Mitgliedstaaten zu erleichtern, war schon im Jahre 1962 auf dem "Colloque International de Droit Cinematographique" in Paris lanciert worden136 und wurde schließlich auf einem Expertenkolloquium, das 1968 in Brüssel stattfand, erneut befürwortet137• In Italien besteht ein Filmregister seit 1938, in Frankreich seit 1944. Sogenannte "opposabilite aux tiers". Vgl. zur Funktion und Wirkungsweise des französischen und italienischen Filmregisters die ausführlichen Darstellungen bei Willemetz, S. 36 ff. und S. 74 ff. t3& Vgl. WiHemetz, S. 187. 137 ,.Colloque sur les voies et moyens cfune politique commune de la cinematographie dans le Marche Commun", Bruxelles 1968. Vgl. Batz, Contribution, S.l04. 13 4
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Vor allem Frankreich und Italien drängten - gegen den anfangs re·soluten Widerstand der Bundesrepublik - darauf, daß die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs für den Filmverleih mit der allgemeinen Einführung von Filmregistern nach französischem und italienischem Vorbild verknüpft wurde. Aus französischer und italienischer Sicht erschien und erscheint eine Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs überhaupt nur sinnvoll und effizient, wenn für die italienischen und französischen Filmverleiher, bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Produzenten zur Herstellung und Finanzierung eines Films, im Ausland gleichwertige gesetzliche Sicherheiten wie im Inland bestehen. Das kann in der Tat wohl nur mit Hilfe von Filmregistern erreicht werden, weil nur auf diese Weise die notwendige Transparenz hinsichtlich der mit dem Filmwerk verbundenen Nutzungsrechte gesichert und den Eintragungen eine spezifische Rechtswirkung vermittelt werden kann. Mit diesen Vorstellungen haben sich Frankreich und Italien in der Kommission und im Rat durchgesetzt. So sinnvoll aber die Einrichtung von Filmregistern in allen Mitgliedstaaten sein mag, so bleibt doch die Entscheidung, die Herstellung der Dienstleistungsfreiheit für die Tätigkeiten des Filmverleihs zurückzustellen, bedenklich, weil sie weder aus juristischer noch aus ökonomischer Sicht zwingend war, sondern eher aufgrund politisch-taktischen Kalküls mit der Einführung von Filmregistern verknüpft wurde 138• Was die einzelnen Bestimmungen der dritten Filmrichtlinie angeht, so ist festzustellen, daß sie keine besonderen Fragen aufwerfen. Die Definition des Artikel 2 II hat besonders die Aufgabe, die Tätigkeiten des Filmverleihs und der Filmvermietung von den Tätigkeiten des bloßen Exports und Imports, des sogenannten "Filmvertriebs", abzugrenzen139 . Hierbei liegt das entscheidende Charakteristikum von Filmverleih und Filmvermietung in der, wenn auch möglicherweise zeitlich und räumlich beschränkten, Verfügungsmacht über die wirtschaftlichen Nutzungsrechte an dem Filmwerk Artikel 6 basiert, ebenso wie der Artikel 4 der zweiten Filmrichtlinie, auf Art. 54 Abs. 3 h) EWGV i. V. m. Abschnitt VII des "Allgemeinen Niederlassungsprogramms". Deshalb kann hierzu auf die Ausführungen verwiesen werden, die im Zusammenhang mit der zweiten Richtlinie gemacht wurden140 • Im übrigen handelt es sich auch bei Artikel 6 um eine "defensive" Regelung, da im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richt138 Inzwischen ist diese "Koppelungstaktik" infolge der vom EuGH erklärten unmittelbaren Anwendbarkeit der Artt. 59 und 60 EWGV (Urteil vom 4. 12. 1974, RsprGH XX, S. 1299) auch durch die Rechtsentwicklung überholt worden; vgl. unten B, III, 6.1. 139 V alter, Droit et Affaires 1972, S. 32. uo Abschnitt II, B, III, 2.3.
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linie in keinem der Mitgliedstaaten entsprechende Beihilferegelungen vorhanden waren. 3.3 Durchführung in den Mitgliedstaaten
3.31 Belgien Belgien141 hat seine Gesetzgebung durchArreteRoyal vom 23. 9. 1969142 den Erfordernissen der dritten Filmrichtlinie angepaßt. Nach Artikel 1 dieser Verordnung wurden von der gemäß Artikel 1 des Gesetzes vom 19. 2. 1965143 bestehenden Verpflichtung, die für die Ausübung der selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs und der Filmvermietung durch Ausländer einen Berufsausweis ("carte professionelle") vorschreibt, die Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten, die sich in Belgien niederlassen wollen, ausgenommen. Zu diesem Zweck definiert Artikel 2 der Verordnung die Tätigkeiten des Filmverleihs und der Filmvermietung in der von Artikel2 der Richtlinie vorgezeichneten Weise. 3.32 Frankreich Entsprechend hat auch Frankreich144 durch Ordonnance Nr. 69-815 vom 28. 8. 1969145 die Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten, die sich in Frankreich niederlassen wollen, von der für Ausländer geltenden Pflicht, Besitzer einer "carte d'identite d'etranger commer