Die Erfindung Des Theologen: Wittenberger Anweisungen Zum Theologiestudium Im Zeitalter Von Reformation Und Konfessionalisierung 3161488784, 9783161585388, 9783161488788

English summary: What does a theologian have to know in order to talk about God in a responsible manner? Marcel Nieden e

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Titel
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen und Siglen
Kapitel 1: Einleitung
1. Geistliche Bürger
2. Konfessionalisierung
3. Forschungssituation
4. Anlage der Arbeit
Kapitel 2: ‚Geistiger Stand‘ des ‚geistlichen Standes‘ im Spätmittelalter
1. Bildungsideal und Bildungspraxis
2. Reformdiskussion
Kapitel 3: Anfänge evangelischer Theologenausbildung an der Wittenberger Universität
1. Geistiges Profil der Wittenberger Theologischen Fakultät
2. Universitätstheologie und Universitätsreform
3. Kontinuität und Wandel im theologischen Lehrbetrieb
3.1 Vorlesungen
3.2 Disputationen
3.3 Promotionen
Kapitel 4: Reformatorische Anweisungen zum Theologiestudium
1. Philipp Melanchthon: „Brevis discendae theologiae ratio“ (1529/30)
2. Martin Luther: Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner deutschen Schriften (1539)
3. Caspar Cruciger d.Ä.: „Admonitio ad verbi divini ministros“ (1540)
4. David Chytraeus: „Oratio in repetitionem locorum communium D. Philippi“ (1549)
5. Zwischenresultat
Kapitel 5: Reform des theologischen Studiengangs (1580–1606)
1. Kursächsische Universitätspolitik im Zeichen der konfessionellen Konsolidierung
2. Jakob Andreaes Reformprogramm (1577)
3. Gesetzliche Rahmenbestimmungen für den theologischen Studiengang an der Wittenberger Universität
3.1 Universitätsgesetze der Jahre 1580–1606
3.2 Theologischer Studiengang
3.2.1 Lehrpersonal
3.2.2 Vorlesungen
3.2.3 Disputationen
3.2.4 Promotionen
Kapitel 6: Konfessionelle Folie: Katholische und reformierte Konzeptionen der Theologenausbildung
1. Humanistisch-reformatorische Herausforderungen
2. Societas Jesu: „Ratio studiorum“ (1599)
3. Johann Heinrich Alsted: „Praecognitorum theologicorum libri duo“ (1615)
Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe Anweisungen zum Theologiestudium
1. Quellenlage
2. Frühe Studienratgeber
2.1 Johann Förster: „Consilium de Studio Theologico ritè instituendo & absolvendo“ (1608–1613)
2.2 Leonhart Hütter: „Consilium de studio theologico rectè inchoando feliciterque continuando“ (1610–1616)
3. Zwischenresultat
4. Programmatische Entwürfe
4.1 Balthasar Meisner: „Praecognitorum theologicorum disputationes“ (1625)
4.1.1 Theologie als „habitus θεόσδοτος practicus“
4.1.2 Konzeption des Theologiestudiums
4.1.2.1 Exoterica theologiae cognitio
4.1.2.2 Acroamatica theologiae cognitio
4.1.2.3 Theologie und Frömmigkeit
4.2 Johann Hülsemann: „Methodus studii theologici“ (1635)
4.3 Abraham Calov: „Paedia theologica“ (1652)
Kapitel 8: Komparatistische Perspektiven: Die Erfindung des Theologen
1. „theologia“ und „theologus“
2. Konzeptionelle Entwicklungen
3. Gewandeltes Selbstverständnis
4. Akademisch-öffentliches und häuslich-privates Theologiestudium
5. Grenzen der Konfessionalisierung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen
1. Drucke aus den Jahren 1500–1800
2. Drucke aus den Jahren 1800ff.
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Die Erfindung Des Theologen: Wittenberger Anweisungen Zum Theologiestudium Im Zeitalter Von Reformation Und Konfessionalisierung
 3161488784, 9783161585388, 9783161488788

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Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe begründet von Heiko A. Oberman herausgegeben von Berndt Hamm in Verbindung mit Johannes Helmrath, Jürgen Miethke und Heinz Schilling

28

Marcel Nieden

Die Erfindung des Theologen Wittenberger Anweisungen zum Theologiestudium im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung

Mohr Siebeck

MARCEL NIEDEN, geboren 1965; 1996 Dr. theol. Erlangen-Nürnberg; 2004 Dr. theol. habil. Neuendettelsau; Privatdozent für Kirchen- und Dogmengeschichte an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau; seit 2 0 0 5 Pfarrer in Gilching-Weßling.

ISBN 3-16-148878-4 978-3-16-158538-8 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN-13 978-3-16-148878-8 ISSN 0937-5740 (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2006 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck aus der Sabon belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Meiner Susanne

Vorwort Die historische Forschung zur „Vormoderne" widmet sich der Frage nach dem Selbstverständnis, der Selbst-Sicht, dem Selbst-Konzept von Individuen und sozialen Gruppen schon seit längerer Zeit mit verstärkter Aufmerksamkeit. Ob es um das Selbstverständnis Berliner Juden, preußischer Junker, reisender Handwerksgesellen oder schlichtweg um das Selbstverständnis des deutschen Bürgertums oder der Engländer des 18. Jahrhunderts geht - die für den neuzeitlichen Individualismus so konstitutive Praxis der „Selbstgestaltung" soll offenbar auch in der Vergangenheit als geschichtsmächtiges Agens identifiziert, im Sinne einer historischen Selbstvergewisserung am überkommenen Material gleichsam verifiziert werden. Freilich, so plausibel diese Vermutung zunächst auch erscheinen mag, die Hinwendung zum Selbstverständnis vergangener Personen und Gruppen dürfte sich nicht nur einer mehr oder weniger bewussten psychologischen Motivation' verdanken. Sie resultiert vielmehr auch aus der historischen Einsicht, dass der Ort sozialer Gruppen innerhalb der frühneuzeitlichen Gesellschaft sich nur dann genau bestimmen lässt, wenn neben Bildung, Mobilität, Status, externer Rollenzuweisung auch ein so schwer greifbarer Faktor wie das Selbstverständnis in die historisch-soziologische Ortsbestimmung einbezogen wird, wenn also nicht nur über den faktisch zugewiesenen, sondern auch über den beanspruchten gesellschaftlichen Platz einer Gruppe einigermaßen klare Vorstellungen gewonnen sind. In dem hier skizzierten Forschungsfeld einer Rekonstruktion historischen Selbstverständnisses ist auch die vorliegende Arbeit anzusiedeln. Sie untersucht mit einem primär ideen- und theologiegeschichtlichen Zugriff das theologische Bildungsideal, das frühneuzeitliche Universitätstheologen mit ihren Anweisungen zum Theologiestudium propagierten. Die konzeptionsgeschichtliche Rekonstruktion zielt darauf ab, das Theologenideal zu erhellen, das die Professoren und Dozenten bei ihren studentischen, aber auch außerstudentischen Lesern durchzusetzen versuchten. Die Untersuchung möchte damit einen Beitrag zur Klärung des Selbstverständnisses nicht nur der elitären Gruppe der frühneuzeitlichen Universitätstheologen, sondern auch der Geistlichkeit insgesamt leisten, deren Ausbildung je länger je mehr in akademischen Bahnen verlief. Der Titel der Untersuchung bedarf freilich hinsichtlich Zeitverpflichtung wie auch geschichtlicher Tiefe einer kommentierenden Vorbemerkung. Seit der linguistischen und pragmatischen Wende in der Historiographie boomt gewisser-

Vili

Vorwort

maßen die kreationsmetaphorisch betitelte Fachliteratur. 1 Epochen, Institutionen, Strukturen, nicht zuletzt - so eine provokative These Michel Foucaults - der Mensch selbst 2 , sie alle werden „erfunden", „erschrieben" oder „erlesen". Der Begriff „Erfindung" erscheint von daher vorbelastet und nicht mehr ohne die Konnotationen wahrgenommen werden zu können, die er durch die Verwendung in einem wesentlich von der Annales-Schule und vor allem von Foucault bestimmten Diskussionszusammenhang erhalten hat. 3 Indes, dekonstruktivistische Konnotationen und der aus ihnen sprechende, leicht überlegene Gestus einer historischen Auflösung selbstverständlicher Entitäten sind mit der hier erfolgten Übernahme des Begriffs nicht verbunden. Gerade eine im Kontext der Theologie beheimatete Historiographie wird mit der, christlicher Tradition zufolge, nur göttlichem Schaffen vorzubehaltenden Vorstellung einer creatio ex nihilo vorsichtig sein und stets den Bezug auf das „Zuhandene" betonen. Der Begriff „Erfindung" soll nicht mehr, aber auch nicht weniger als das konstruktive Moment bezeichnen, das sich in der intensiv geführten, konfessionsübergreifenden Debatte über Inhalte, Ziele, Institutionen der Theologenausbildung im 16. und 17. Jahrhundert allenthalben manifestierte. Nie zuvor wurde nämlich in der Geschichte des Christentums mit einer solchen Intensität über die Bildung der Geistlichen diskutiert, nie zuvor wurde so heftig über Wesen und Ausbildung des geistlichen Standes gestritten wie im Gefolge von Humanismus und Reformation. Die Begriffe „Theologie" und „Theologe", wie sie heute gemeinhin verstanden werden, reichen ihrer Entstehung nach bekanntlich weit ins Mittelalter zurück, und erst recht ist „die Sache" der Theologie älter als die Bezeichnung, die sich letztlich dafür durchgesetzt hat. Begriffsgeschichtliche Untersuchungen zeigen, dass sich schon im 12. Jahrhundert der vorher für die Gotteslehre gebrauch1 Vgl. Graf, S. 116, der gerade der neueren Nationalismusforschung einen starken „Gebrauch von Kreationsmetaphern" (ebd.) attestiert. Um sich einen Eindruck von der derzeitigen Konjunktur entsprechender Titelformulierungen zu machen, genügt ein Blick in die einschlägigen Buch- und Aufsatzbibliographien zur Geschichte. 2 Vgl. nur die berühmte, geradezu divinatorische Formulierung Foucaults in dem Schlussabschnitt von „Die O r d n u n g der Dinge", S.462: „Der Mensch ist eine Erfindung, deren junges D a t u m die Archäologie unseres Denkens ganz offen zeigt. Vielleicht auch das baldige Ende." ' Foucault hatte aus Friedrich Nietzsches „Genealogie der M o r a l " wichtige Anregungen für seinen eigenen „genealogischen" Ansatz gewonnen: Eine Geschichtsschreibung ohne die Annahme eines sich durchhaltenden, transzendentalen Subjekts, ohne Teleologie, die sich statt dessen an Kontingenz, Ereignishaftigkeit, Diskontinuität orientierte; eine Sicht auf den Menschen, die statt Einheit und Vernunft die Zersplitterung und den Körper ins Z e n t r u m stellte. Z u den rezipierten Elementen gehörte auch der von Nietzsche als Gegenbegriff zu „Ursprung" pointierte Terminus „Erfindung": „Die Erfindung ist für Nietzsche einerseits ein Bruch, andererseits etwas, das einen kleinen, niederen, engstirnigen, uneingestandenen Anfang besitzt. Das ist der entscheidende Aspekt der Erfindung." (Foucault, Wahrheit, S. 17) Mit dieser ursprungskritischen Stoßrichtung hatte Foucault den Begriff „Erfindung" („invention") aufgenommen, spielte dieser Begriff dann eine zentrale Rolle in Foucaults Theorieprojekt einer non-subjektiven, kritischen Dekonstruktion scheinbar transzendentaler Gegenstände.

IX

Vorwort

te Begriff „theologia" gleichsam pars pro toto auf das ganze, dem christlichen Glauben geltende Reflexionsunternehmen auszuweiten begann. In dieser Zeit entwickelte sich auch der bis in die Gegenwart hinein dominante weite Begriff des „theologus" im Sinne des akademisch geschulten Theologen, der mit wissenschaftlichen Mitteln vom christlichen Glauben Rechenschaft zu geben in der Lage ist. Er verdrängte den älteren und engeren Begriff, mit dem bis dahin vor allem biblische oder auch andere Persönlichkeiten bezeichnet wurden, die „rechtgläub i g " , das heißt „ o r t h o d o x " , von G o t t und seinem Wesen zu reden wussten. Ein zu Gegenseitigkeit und wechselseitigen Beeinflussungen führender Diskussionszusammenhang um die Ausbildung der „theologi" setzte jedoch erst später ein von einigen Vorläufern abgesehen, eigentlich erst gegen Ende des 15. J a h r h u n derts. Es ist kaum Zufall, dass die frühesten Beiträge dazu von Reformkräften stammen, die eine andere Kirche, ja ein anderes Christentum forderten und gerade deshalb auf eine R e f o r m der Theologenausbildung drangen. Wenn vor dem Hintergrund konziliaristischer, humanistischer, reformatorischer Vorstellungen von Kirchenreform Wesen und Aufgabe des Theologen neu bestimmt wurden, dann stand dahinter nicht zuletzt die in der Christentumsgeschichte mehrfach nachweisbare, unter religionssoziologischen Gesichtspunkten durchaus plausible Uberzeugung, dass jede R e f o r m der Kirche mit einer R e f o r m des „geistlichen Standes" zu beginnen habe und dass Veränderungen im Verständnis der T h e o l o gie bis zu einem gewissen Grad immer auch Veränderungen im Verständnis des Theologen nach sich ziehen müssen. Beide Lesarten des Titels - genitivus

objectivus

und genitivus subjectivus

- er-

weisen sich übrigens, historisch gesehen, als zulässig. Denn die Untersuchung wird zeigen, dass die konzeptionelle Diskussion vorrangig von theologisch gebildeten Autoren geführt wurde, die ihre Auffassung von Theologie auf die Konsequenzen für das eigene theologische Selbstverständnis hin ausdachten. Wie man Theologe wurde und was letztlich die theologische Existenz ausmachte, das hatte unter dem protestantischen Vorzeichen einer sich ständig selbst revisionierenden Theologie jede Zeit offenbar eigens für sich zu er-finden. Die Arbeit ist im April 2 0 0 4 abgeschlossen und im O k t o b e r desselben Jahres an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau als Habilitationsschrift angenommen worden. Sie wurde für den Druck geringfügig überarbeitet. M i t ihr ist ein längeres Forschungsprojekt zu Ende gekommen, zu dessen Abschluss viele durch Mithilfe und Unterstützung beigetragen haben. So gilt mein herzlicher D a n k zuerst Herrn Professor Dr. Wolfgang Sommer, dem langjährigen Lehrstuhlinhaber für Kirchengeschichte an der Augustana-Hochschule, der die Arbeit stets neugierig-kritisch begleitet und das Erstgutachten geschrieben hat. Das gemeinsame Interesse an der frühneuzeitlichen Geistlichkeit war ein wesentliches Stimulans für den Fortgang des Projekts. Zugleich danke ich Herrn Professor Dr. D. M a r t i n Brecht D . D . D . D . , Münster. Er hat nicht nur das Zweitgutachten erstellt, sondern mich auch schon frühzeitig Einblick in die Dissertations-

X

Vorwort

schrift seines Schülers Herrn Dr. Chi-Won Kang nehmen lassen. Ferner gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Berndt Hamm, Erlangen, und den anderen Herausgebern von „Spätmittelalter und Reformation", die durch ihre Gutachten die Aufnahme der Arbeit in die Reihe ermöglichten. Zu besonderem Dank weiß ich mich Herrn Professor Dr. Hans Schneider, Marburg, verpflichtet. Die Gespräche mit ihm haben wesentliche Impulse zu diesem Forschungsvorhaben gegeben. Während meines Arbeitens habe ich immer wieder wertvolle Anregungen von meinem Vater, Herrn Dr. Hans-Jörg Nieden, erhalten. Ferner erwies sich der Kreis der Stipendiaten und Gäste der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel als ein ausgesprochen inspirierendes Forum. Der Bibliothek spreche ich zudem für die Gewährung eines Stipendiums meinen aufrichtigen Dank aus. Dankbar erwähnen möchte ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek der Augustana-Hochschule, der Bayerischen Staatsbibliothek, der Bibliothek des Wittenberger Predigerseminars für die Beschaffung nicht immer leicht greifbarer Literatur. Was die harte Arbeit am Text betrifft, danke ich Frau Andrea Siebert für die Erstellung des Typoskripts und Herrn Pfarrer Wolfgang Huber für das sorgfältige Gegenlesen. Frau Jana Trispel und Herr Dr. Henning Ziebritzki vom Verlag Mohr Siebeck haben die Drucklegung sehr kompetent betreut. Danken möchte ich schließlich aber vor allem meiner Frau Susanne. Sie war mir in den letzten Jahren eine kritisch-konstruktive Gesprächspartnerin, mit der ich viele theologie- und bildungsgeschichtliche Probleme diskutierten konnte. Sie ist für mich der sprechendste Beweis, dass sich eine Studie über „Die Erfindung der Theologin" lohnen würde. Von ihren Überlegungen ist mehr eingeflossen, als hier sichtbar gemacht werden kann. Ihr sei das Buch deshalb auch gewidmet. Weßling, im Juni 2006

Marcel

Nieden

Inhalt Vorwort Abkürzungen und Siglen Kapitel 1: Einleitung 1. 2. 3. 4.

Geistliche Bürger Konfessionalisierung Forschungssituation Anlage der Arbeit

Kapitel 2: ,Geistiger Stand' des .geistlichen Standes' im Spätmittelalter 1. Bildungsideal und Bildungspraxis 2. Reformdiskussion Kapitel 3: Anfänge evangelischer Theologenausbildung an der Wittenberger Universität 1. Geistiges Profil der Wittenberger Theologischen Fakultät 2. Universitätstheologie und Universitätsreform 3. Kontinuität und Wandel im theologischen Lehrbetrieb 3.1 Vorlesungen 3.2 Disputationen 3.3 Promotionen Kapitel 4: Reformatorische Anweisungen zum Theologiestudium . . . 1. Philipp Melanchthon: „Brevis discendae theologiae ratio" (1529/30) 2. Martin Luther: Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner deutschen Schriften (1539) 3. Caspar Cruciger d.Ä.: „Admonitio ad verbi divini ministros" (1540) 4. David Chytraeus: „Oratio in repetitionem locorum communium D. Philippi" (1549) 5. Zwischenresultat

V XIII 1 1 4 7 12

18 18 26

35 35 42 44 44 53 59 69 69 80 87 91 95

XII

Inhalt

Kapitel 5: Reform des theologischen Studiengangs ( 1 5 8 0 - 1 6 0 6 ) . . .

98

1. Kursächsische Universitätspolitik im Zeichen der konfessionellen Konsolidierung 2. J a k o b Andreaes Reformprogramm (1577)

98 102

3. Gesetzliche Rahmenbestimmungen für den theologischen Studiengang an der Wittenberger Universität 3.1 Universitätsgesetze der Jahre 1 5 8 0 - 1 6 0 6 3.2 Theologischer Studiengang 3.2.1 Lehrpersonal 3.2.2 Vorlesungen 3.2.3 Disputationen 3.2.4 Promotionen

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Kapitel 6: Konfessionelle Folie: Katholische und reformierte Konzeptionen der Theologenausbildung 1. Humanistisch-reformatorische Herausforderungen 2. Societas Jesu: „Ratio studiorum" (1599) 3. Johann Heinrich Aisted: „Praecognitorum theologicorum libri duo" (1615) Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe Anweisungen zum Theologiestudium 1. Quellenlage 2. Frühe Studienratgeber 2.1 Johann Förster: „Consilium de Studio Theologico rite instituendo & absolvendo" ( 1 6 0 8 - 1 6 1 3 ) 2 . 2 Leonhart Hütter: „Consilium de studio theologico recte inchoando feliciterque continuando" ( 1 6 1 0 - 1 6 1 6 ) 3. Zwischenresultat 4. Programmatische Entwürfe 4.1 Balthasar Meisner: „Praecognitorum theologicorum disputationes" (1625) 4.1.1 Theologie als „habitus OeöoöoTog practicus" 4 . 1 . 2 Konzeption des Theologiestudiums 4.1.2.1 Exoterica theologiae cognitio 4 . 1 . 2 . 2 Acroamatica theologiae cognitio 4.1.2.3 Theologie und Frömmigkeit 4 . 2 Johann Hülsemann: „Methodus studii theologici" (1635) . . . . 4.3 Abraham Calov: „Paedia theologica" (1652)

133 133 135 145

160 160 164 164 175 185 186 186 186 195 198 204 210 213 225

Inhalt

Kapitel 8: Komparatistische Perspektiven: Die Erfindung des Theologen 1. 2. 3. 4. 5.

„theologia" und „theologus" Konzeptionelle Entwicklungen Gewandeltes Selbstverständnis Akademisch-öffentliches und häuslich-privates Theologiestudium . . Grenzen der Konfessionalisierung

XIII

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Quellen- und Literaturverzeichnis

249

Quellen 1. Drucke aus den Jahren 1500-1800 2. Drucke aus den Jahren 1800ff Literatur

249 249 258 261

Abkürzungen und Siglen Die Abkürzungen folgen dem von Siegfried M . Schwertner zusammengestellten Internationalen Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete: I A T G 2 , 2., überarbeitete und erweiterte Aufl., Berlin-New York 1 9 9 2 . Außerdem werden folgende Abkürzungen und Siglen benutzt: BPS Wittenberg BSB München GUW H A B Wolfenbüttel MelDt. MSA Pachtler

Reyscher

RS s.a.

s.l. SLUB Dresden SS SSB Augsburg StA SUB Göttingen U L B Halle UUW

Bibliothek des Evangelischen Predigerseminars Wittenberg Bayerische Staatsbibliothek München Friedensburg, Walter: Geschichte der Universität Wittenberg, Halle/S. 1 9 1 7 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Melanchthon Deutsch, hg. von Michael Beyer, Stefan Rhein und Günther Wartenberg, Bd. 1 - 2 , Leipzig 1 9 9 7 Melanchthon, Philipp: Werke, Bd. 1-7/2, hg. von Robert Stupperich, Gütersloh 1 9 5 5 - 1 9 8 3 Ratio Studiorum et Institutiones Scholasticae Societatis Jesu per Germaniam olim vigentes collectae concinnatae dilucidatae a G . M . Pachtler, Bd. 1 - 4 ( M G P 2; 5; 9; 15), Berlin 1887-1894 Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Sammlung der württembergischen Gesetze, hg. von August Ludwig Reyscher, Bd. 1 - 1 9 , Stuttgart; Tübingen 1 8 2 9 - 1 8 5 1 Ratio studiorum sine anno sine loco Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Sommersemester Stadt- und Staatsbibliothek Augsburg Luther, Martin: Studienausgabe, unter Mitwirkung von M i chael Beyer u.a. hg. von Hans-Ulrich Delius, Bd. 1 ff., Berlin; Leipzig 1 9 7 9 ff. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Halle/ S. Friedensburg, Walter (Bearb.): Urkundenbuch der Universität Wittenberg, 2 Teile (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt N . R . 3), Magdeburg 1926

XVI

VD 16

VD 17

WLB Stuttgart WS

Abkürzungen

und Siglen

Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts, hg. von der Bayerischen Staatsbibliothek in München in Verbindung mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, 1. Abt.: Verfasser, Körperschaften, Anonyma, Bd. 1 - 2 2 , Stuttgart 1983-1995 Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts (Datenbank der Bayerischen Staatsbibliothek München) Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Wintersemester

Kapitel 1

Einleitung 1. G e i s t l i c h e B ü r g e r Die Entstehung der evangelischen Geistlichkeit als sozialer Gruppe gehört zu den gravierendsten Veränderungen, die Reformation und konfessionelles Zeitalter für die Gesellschaft des Alten Reiches mit sich brachten. Der Stand des Klerus, der nach dem klassischen Modell die Spitze der aus Adel, Bürgertum und Bauern bestehenden mittelalterlichen Gesellschaftspyramide bildete, sollte in den protestantischen Staaten gleichsam in das Bürgertum hinein ,verschwinden' und dort zu einer eigenen, den Juristen und Ärzten vergleichbaren elitären Sozialgruppe werden. 1 Die Ursachen dieses gesellschaftlichen Prozesses sind vielschichtig. Das reformatorische Verständnis des Priesteramtes, das, verbunden mit den entsprechenden gnadentheologischen und ekklesiologischen Revisionen, die heilsmittlerschaftlichen Funktionen auf die Wortverkündigung und die Austeilung von Taufe und Abendmahl zurücknahm und das Amt seiner sakramentalen Würde entkleidete, scheint entgegen nahe liegenden Vermutungen für die sich wandelnde Verortung der Geistlichen im Stratum der frühneuzeitlichen Gesellschaft nicht verantwortlich zu sein. Auch der lutherische Pfarrer war als Inhaber des öffentlichen Predigtamtes, als Verwalter der Sakramente, als Beichthörer aus der Gemeinde herausgehoben und stand ihr gegenüber. 2 Der mittelalterliche Dual von Priestern und Laien wurde zwar als Dual von Amt und Gemeinde rekonstruiert, die oppositionelle Grundstruktur blieb aber dabei grundsätzlich erhalten. Dagegen hat die Aufhebung des Zölibats, langfristig gesehen, sozial weitreichende Konsequenzen nach sich gezogen. Zwar lebten auch schon vor der Reformation nicht wenige Priester in einem vom unmittelbaren sozialen Umfeld mehr oder weniger akzeptierten Connubium mit einer teilweise familienähnlichen Haushaltsführung. Aber das waren illegitime Verhältnisse, gegen die vonseiten der Kirchenleitung vorgegangen werden konnte und oft auch vorgegangen wurde. Die Aufhebung des Zölibats in den protestantischen Territorien bewog jedoch viele Pfarrer, in den Stand der Ehe zu treten und Familien zu gründen. Da-

Vgl. dazu die Diskussion bei Schorn-Schütte, Evangelische Geistlichkeit, S. 3 1 - 4 2 . Vgl. Moeller, Pfarrer als Bürger, S. 15; van Dülmen, Europa, S. 1 5 3 - 1 5 5 , der insbesondere die Kontinuität des „geistlichen Standes" betont. 1

2

2

Kapitel 1: Einleitung

durch wurde zum einen die klerikale Distanz zur Gemeinde im Bereich des alltäglichen Zusammenlebens etwas zurückgenommen, zum anderen wurde die Standesbildung beschleunigt. Die evangelischen Geistlichen begannen sich zum überwiegenden Teil aus den eigenen Reihen und aus den nahe stehenden Gruppen der Juristen und Ärzte zu rekrutieren, wodurch wiederum der Abschluss als Sozialgruppe forciert wurde.3 Das Musterbeispiel, auf das in diesem Zusammenhang meist verwiesen wird, ist das Herzogtum Württemberg, wo im 18. Jahrhundert rund 4 4 % aller Geistlichen selber wiederum Pfarrhäusern entstammten. 4 Als noch entscheidender für die gesellschaftliche Verortung des evangelischen Pfarrerstandes dürfte sich freilich dessen zunehmende akademische Bildung erwiesen haben. Auch diese Entwicklung bedeutete einen signifikanten Unterschied zum mittelalterlichen Klerus. Ein Universitätsstudium, häufig ein juristisches Studium, war lediglich bei den Inhabern hoher geistlicher Amter usuell. Der clerus minor hatte in der Regel die Lateinschule, allenfalls noch die ArtistenFakultät besucht und sich dort vorwiegend Kenntnisse der lateinischen Sprache erworben, die für den priesterlichen Dienst als notwendig, oft aber auch als hinreichend angesehen wurden. 5 Beim evangelischen Pfarrer waren die Erwartungen der Reformatoren wie dann auch des Staates von vornherein anspruchsvoller: Selbst dem einfachen' Landgeistlichen wurde die theologisch-homiletische Leistung einer Predigt, die eigenständige Auslegung des biblischen Wortes, zugemutet. 6 Die Aufnahme ins Pfarramt wurde deshalb schon früh an das Bestehen eines Examens gekoppelt, in dem ausreichende Kenntnisse der reformatorischen 3 Z u r These der so genannten „Selbstrekrutierung" vgl. die revidierenden Bemerkungen bei Schorn-Schütte, Evangelische Geistlichkeit, S. 9 0 . 9 3 . 1 3 6 . 4 5 3 . Sie lässt die These nur gelten in Bezug auf eine Rekrutierung innerhalb der auch Juristen und Ärzte umfassenden Gesamtgruppe des bürgerlichen Beamtentums. Vgl. auch Dixon/Schorn-Schütte, Introduction, S . 4 - 1 1 . 4 Vgl. Brecht, Herkunft und Ausbildung, S. 1 7 2 f . ; Hasselhorn, S . 3 0 . Ein anderes Beispiel ist die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, in welcher der Selbstrekrutierungskoeffizient der neuen Sozialgruppe ebenfalls rasch eine beachtliche H ö h e erreichte; vgl. Eckhardt, S. 1 0 4 . 5 Vgl. dazu unten Kapitel 2 . 6 Dass unter den Predigern der ersten nachreformatorischen Generationen das Postillen-Lesen verbreitet war, die Wirklichkeit also nur bedingt den hohen Erwartungen entsprach, ist in der Literatur immer wieder festgestellt worden; vgl. nur Drews, Der evangelische Geistliche, S . 2 2 f . ; T . Kaufmann, Universität, S . 5 0 8 f . Siehe nicht zuletzt Luthers Vorrede zum „Kleinen Katechismus" WA 30/1, S. 3 4 6 - 3 5 3 . Luther selbst hatte das Verlesen der Postillen zwar als Mittel zur Lehrvereinheitlichung empfohlen (siehe WA 1 9 , S. 9 5 , Z . 3 - 1 8 ; vgl. T. Kaufmann, Universität, S . 5 0 8 f . ) , die Gefahren dieser Predigtsammlungen aber durchaus gesehen; siehe die Vorrede zu J o h a n n Spangenbergs deutscher Postille von 1 5 4 3 (WA 5 3 , S. 2 1 8 , Z . 3 - 1 3 ) : „Aber gleichwol sind widerrumb etliche faule Pfarrher und Prediger auch nicht gut, die sich auff solche und ander mehr gut bücher verlassen, das sie eine predigt draus können nehmen, Beten nicht, Studiren nicht, lesen nicht, trachten nichts jnn der Schrifft, gerade als müste man die Biblia darumb nicht lesen, brauchen solcher bücher, wie der Formular und Calender, jhre jerliche narung zuverdienen, Und sind nichts denn Psittich oder Dolen, die unverstendlich nach reden lernen, So doch unser und solcher Theologen meinung diese ist, sie damit jnn die Schrifft zu weisen, und zu vermanen, das sie dencken sollen, auch selbs unsern Christlichen glauben nach unserm tode zu ver-

1. Geistliche

Bürger

3

Lehre nachzuweisen waren, in dem aber auch die Lebensführung und Glaubenspraxis des Kandidaten beurteilt werden sollten. Faktisch war das dazu erforderliche Wissen nur auf einer Universität zu erwerben, wenn auch der Staat erst relativ spät den angehenden Geistlichen ein Universitätsstudium verbindlich vorschrieb. 7 Der evangelische Pfarrer trat durch seine akademische Ausbildung somit an die Seite der beiden anderen Gelehrtengruppen, der Juristen und Arzte. Aus dem einfachen Kleriker des Mittelalters war ein „Intellektueller" 8 geworden. In der durch die Aufhebung des Zölibats ermöglichten familiären Existenz sowie in der sich abzeichnenden Akademisierung sind ohne Zweifel zwei wesentliche Ursachen für die gesellschaftliche Verortung der evangelischen Geistlichen im Bürgertum zu suchen. Doch dürften sie allein als Erklärung schwerlich ausreichen. In der neueren Sozialgeschichtsschreibung ist die Auffassung vertreten worden, dass eine Bestimmung des sozialen Ortes der Geistlichkeit im Stratum frühneuzeitlicher Gesellschaft nur unter der Berücksichtigung der objektiven und subjektiven Bedingungsfaktoren der jeweiligen sozialen Lage erfolgen könne. Die Kriterien sozialer Schichtung wie Herkunft, Einkommen, Macht, Besitz seien gerade aufgrund des Selbstverständnisses der betreffenden Gruppe sowie des Fremdverständnisses der mit dieser Gruppe konfrontierten anderen Sozialgruppen zu werten und zu gewichten. 9 Damit wurde von der Sozialgeschichtsschreibung ein methodischer Ansatz vorgestellt, der nicht zuletzt auch Anschlussmöglichkeiten für theologiehistorische Forschungen bietet. Die vorliegende Arbeit versteht sich nicht zuletzt als Versuch eines Brückenschlags von der Theologiegeschichte hinüber zu dem skizzierten sozialgeschichtlichen Forschungsfeld. Sie möchte einen Beitrag zur Klärung des Selbstverständnisses der frühneuzeitlichen Geistlichkeit leisten, indem sie nach den theologischen Bildungsidealen fragt, wie sie in einer speziellen Quellengruppe, nämlich den Anweisungen zum Theologiestudium, beschrieben worden sind. In diesen teidigen widder den Teuffei, Welt und fleisch. Denn wir werden nicht ewiglich an der spitzen stehen, wie wir jtzt stehen." 7 Eine neuere Untersuchung zur Geschichte des theologischen Prüfungswesens fehlt. Abgesehen von teilweise schon früh erhobenen staatlichen Forderungen nach universitärer Vorbildung (vgl. Cohrs, Art. Unterricht, S . 3 0 6 , Z. 5 1 - 5 6 ; Drews, Der evangelische Geistliche, S. 16 [ohne Quellennachweis]; siehe auch unten Kapitel 5.3.1), wurde den künftigen evangelischen Geistlichen in den meisten deutschen Territorien ein Universitätsstudium doch erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts verbindlich vorgeschrieben. So wurde in Preußen durch die königlichen Verordnungen vom 2 5 . M ä r z 1 7 2 9 und vom 9. Januar 1 7 3 6 festgelegt, dass alle künftigen preußischen Pfarrer zwei Semester auf der Universität Halle zu studieren hatten; vgl. Holze, S. 2 5 9 , Anm. 9 4 . Bereits 1 7 1 8 waren die preußischen Superintendenten verpflichtet worden, alle Theologiestudenten ihres Bezirks, die von den Universitäten kamen, in Lehre und Leben zu examinieren und zwar unabhängig von der Berufung auf eine bestimmte Stelle („tentamen pro licentia concionandi"); vgl. ebd., S . 3 0 ; Cohrs, Art. Unterricht, S . 3 0 8 , Z . 4 3 - 5 7 . 8 Vgl. Vogler, S . 3 6 6 . 9 Vgl. Schorn-Schütte, Evangelische Geistlichkeit, S. 3 1 f., und die dort genannte Literatur.

4

Kapitel 1:

Einleitung

Schriften entfalten führende Theologen ein ideales Theologiestudium, das aufgrund des darin zum Ausdruck gebrachten Theologenideals Aufschlüsse über das damals von den Autoren vertretene und propagierte Selbstverständnis zu geben verspricht. Durch die Untersuchung der Anweisungen, des in ihnen propagierten intellektuellen und spirituellen Qualifikationsprofils sowie des geistlichen Berufsideals dürften sich wesentliche Einsichten in den geistigen Formierungsprozess gewinnen lassen, der entscheidend zur Ausbildung eines evangelisch-geistlichen Selbstbewusstseins und damit zur Vergesellschaftung der neuen geistlichen Sozialgruppe beigetragen hat.

2. Konfessionalisierung Als Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling 1981 anstelle des von Ernst Walter Zeeden geprägten Terminus der „Konfessionsbildung" den Begriff der „Konfessionalisierung" einführten und zur Konfessionalisierungsthese ausbauten, gelang ihnen die Etablierung eines Forschungsparadigmas, dessen strukturgeschichtlich-funktionalistische Interpretationsperspektive sich in der deutschen und internationalen Frühneuzeitforschung bis heute als wissenschaftlich ertragreich erweist. Die beiden Inauguratoren verstehen unter „Konfessionalisierung" einen von der Religion ausgehenden, gesamtgesellschaftlichen Wandlungsprozess, in dem sich aus der mittelalterlichen Einheitskultur heraus verschiedene religiös-kulturelle Systeme entwickelten, die sich deutlich in Lehre, Frömmigkeit, Kultus und Lebensweise unterschieden. 1 0 Wenn auch die zeitlichen Begrenzungen dieses Fundamentalvorgangs verschieden gesetzt werden, so sind sich doch die inzwischen zahlreichen Vertreterinnen und Vertreter dieses Paradigmas weitgehend einig, dass die entscheidenden Konfessionalisierungsprozesse und mithin das Z e n t r u m des Wandels im letzten Drittel des 16. und im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts zu suchen sind. 1 1 Behauptet wird mit diesem Forschungsparadigma eine strukturelle Verzahnung von Religion und Politik, Kirche und Staat. Die Religion, und zwar gerade in ihrer konfessionellen Differenzierung, habe eine nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche prägende Kraft gewonnen. 1 2 In Verbin10 Die A u f n a h m e des Paradigmas in der historischen Forschung k a n n hier nicht d o k u m e n tiert werden. Der aktuelle Diskussionsstand ist aber inzwischen in einigen Berichten leicht zugänglich: Hsia, S. 2—9; T. K a u f m a n n , Die Konfessionalisierung von Kirche u n d Gesellschaft; Schilling, Literaturbericht „Konfessionsbildung" u n d „Konfessionalisierung"; ders., Literaturbericht „Konfessionelles Zeitalter"; Schmidt, S. 8 6 - 1 2 2 , u n d neuerdings Ehrenpreis/Lotz-Heum a n n , S. 6 2 - 7 1 . Z u r älteren Diskussion vgl. vor allem Reinhard, Gegenreformation als M o d e r nisierung?; ders., Z w a n g zur Konfessionalisierung?; Schilling, Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser u n d gesellschaftlicher Wandel in Deutschland zwischen 1555 und 1620; Zeeden, Konfessionsbildung, S. 6 7 - 1 1 2 . 11 Vgl. die informative Übersicht bei Ehrenpreis/Lotz-Heumann, S. 7 1 - 7 9 . 12 Klueting, S. 109: „Dabei w a r der Konfessionalisierungsprozess nicht auf den kirchlichen

2.

5

Konfessionalisierung

d u n g m i t d e m S t a a t sei sie d a s e n t s c h e i d e n d e g e s a m t g e s e l l s c h a f t l i c h e A g e n s dieser Z e i t in E u r o p a g e w e s e n . 1 3 D i e s e D e u t u n g ist f r e i l i c h e b e n s o u m s t r i t t e n w i e die F r a g e n a c h d e m V e r h ä l t n i s d e r K o n f e s s i o n a l i s i e r u n g zu d e n g l e i c h f a l l s als „Fundamentalvorgängen"

behaupteten Prozessen der

„Sozialdisziplinierung",

„Modernisierung" und „Säkularisierung".14 U n t e r d e n sich i m Z u s a m m e n h a n g d e r K o n f e s s i o n a l i s i e r u n g s d e b a t t e e r g e b e n d e n D i s k u s s i o n s f e l d e r n ist für d e n h i e r zu e n t w i c k e l n d e n U n t e r s u c h u n g s g e g e n s t a n d v o r a l l e m die F r a g e n a c h d e m G e l t u n g s b e r e i c h des P a r a d i g m a s r e l e v a n t . 1 5 D i e B e g r ü n d e r d e r T h e s e w o l l t e n die K o n f e s s i o n a l i s i e r u n g als e i n e n n a h e z u alle gesellschaftlichen

Bereiche

durchziehenden

Fundamentalvorgang

verstanden

w i s s e n , m a r k i e r t e n a b e r g l e i c h w o h l G r e n z e n des V e r l a u f s . S o s p r a c h H e i n z S c h i l ling v o n „ n i c h t k o n f e s s i o n a l i s i e r b a r e n S t r u k t u r e n " , die e r v o r a l l e m i m R ö m i s c h e n R e c h t , a b e r e t w a a u c h in d e n h u m a n i s t i s c h g e p r ä g t e n

nonkonformisti-

s c h e n , I n t e l l e k t u e l l e n ' g e g e b e n s a h . 1 6 G e g e n e i n e s o l c h e r m a ß e n e n g e F a s s u n g des Nichtkonfessionalisierbaren hat vor allem Anton Schindling Einwände erhoben. S e i n e r M e i n u n g n a c h h a b e sich d e r H u m a n i s m u s n i c h t n u r a u ß e r k i r c h l i c h in b e s t i m m t e n i n t e l l e k t u e l l e n E i n z e l p e r s ö n l i c h k e i t e n als q u a s i a - c h r i s t l i c h e V o r a u f k l ä r u n g d e r K o n f e s s i o n a l i s i e r u n g e n t z o g e n , s o n d e r n sei v i e l m e h r als ü b e r g r e i f e n Bereich beschränkt, sondern erfasste alles Öffentliche und alles Private und drang tief ein in die Politik, Gesellschaft und Kultur." 1 3 Schilling definierte den Begriff zuletzt so: „,Konfessionalisierung' meint einen gesellschaftlichen Fundamentalvorgang, der in meist gleichlaufender, bisweilen auch gegenläufiger Verzahnung mit der Herausbildung des frühmodernen Staates, mit der Formierung einer neuzeitlich disziplinierten Untertanengesellschaft, die anders als die mittelalterliche Gesellschaft nicht personal-fragmentiert, sondern institutionell-flächenmäßig organisiert war, sowie parallel zur Entstehung des modernen kapitalistischen Wirtschaftssystems das öffentliche und private Leben in Europa tiefgreifend umpflügte." (ders., Konfessionalisierung von Kirche, Staat und Gesellschaft, S.4) Vgl. ders., Konfessionelle und politische Identität im frühneuzeitlichen Europa, S. 106, und auch ders., Confessional Europe, S.642f. 1 4 Nach Reinhard sind „Konfessionalisierung" und „Sozialdisziplinierung" Teilaspekte des umfassenderen Vorgangs der „Modernisierung"; vgl. ders., Sozialdisziplinierung - Konfessionalisierung - Modernisierung; ähnlich auch die Verhältnisbestimmung bei Schilling, Das konfessionelle Europa, S. 1 3 - 1 9 . Vgl. auch die zusammenfassenden Bemerkungen zur Debatte um das Verhältnis von „Konfessionalisierung" und „Sozialdisziplinierung" bei Schmidt, S. 9 4 - 1 1 0 . Zur Auseinandersetzung um die Schillingsche Charakterisierung der Jahrzehnte um 1600 als „Vorsattelzeit der Moderne" (ders., Confessional Europe, S.643) vgl. jetzt Ehrenpreis/LotzHeumann, S. 7 2 - 7 4 . Der Säkularisierungsprozess wird vor allem von Winfried Schulze und Michael Stolleis als begrenzender Faktor gegen Schilling betont; vgl. Schulze, Deutsche Geschichte, S. 160; ders., Einführung, S . 6 5 - 7 0 . 2 1 8 - 2 3 1 ; Stolleis, „Konfessionalisierung" oder „Säkularisierung"; ders., Religion und Politik. 15 Die immer wieder genannten, mehr oder weniger gewichtigen Einwände gegen die Konfessionalisierungsthese sollen hier nicht wiederholt werden. Statt dessen sei auf folgende systematisierende Zusammenstellungen wichtiger Kritikpunkte verwiesen: T. Kaufmann, Einleitung; Reinhard, „Konfessionalisierung" auf dem Prüfstand; Schorn-Schütte, Konfessionalisierung, S. 6 6 - 6 9 . 16 Vgl. Schilling, Das konfessionelle Europa, S. 58f.; ders., Die Konfessionalisierung von Kirche, Staat und Gesellschaft, S . 2 3 f .

6

Kapitel 1 : Einleitung

de geistige Strömung durch alle Konfessionen hindurchgelaufen, ohne doch selber „konfessionalisiert" zu werden. 1 7 Schindling zufolge sei über die gemeinsame Rezeption des letztlich konfessionalisierungsresistenten Humanismus hinaus in Theologie und Spiritualität der Konfessionen mehr an gemeinsamer Basis zu entdecken, als bisher angenommen wurde - so vor allem „die gemeinsame dogmen- und exegesegeschichtliche G r u n d l a g e " 1 8 aus der Zeit der Alten Kirche. Angesichts dieser unterschiedlichen Einschätzung des Verlaufs der Grenze zum Nichtkonfessionellen dürften gerade Untersuchungen zum Bildungsweg der Geistlichen weiterführen. Es ist grundsätzlich zu fragen, inwieweit sich die T h e o logenausbildung konfessionalisieren ließ. Gelang es wirklich, konfessionsspezifische Bildungsgänge für die als Multiplikator religiöser N o r m e n und Werte so bedeutsame Geistlichkeit einzurichten? Bekanntlich brachte die R e f o r m a t i o n , sieht m a n einmal von den in ihrem Z u s a m m e n h a n g durchgeführten humanistischen Universitätsreformen ab, keine tief greifenden Veränderungen im artistischen, juristischen und medizinischen Lehrangebot der Universitäten hervor. 1 9 Und selbst die Theologenausbildung gewann in den sich konfessionalisierenden Kirchen nur bedingt ein jeweils eigenständiges Profil. Alle Konfessionen verlangten von ihren künftigen Geistlichen Qualifikationen, wie sie die Humanisten propagiert hatten: Beherrschung der biblischen Sprachen, Ansätze philologischer Kritik, Kenntnisse der Geschichte, rhetorische Ausdrucksfähigkeit. Bildet also die gemeinsame Humanismusrezeption die Grenze einer Konfessionalisierung der Theologenausbildung? Z u r Beantwortung dieser Frage erscheinen konfessionell-komparatistische Studien viel versprechend. Sie allein können letztlich Aufschluss darüber geben, inwieweit sich die Konfessionen im Blick auf ihre theologischen Bildungsvorstellungen wechselseitig beeinflussten. D a dem Humanismus im Vergleich zur konfessionell gebundenen Wissenschaft das größere Modernitätspotential bescheinigt wurde, 2 0 hängt von der Einschätzung des Grenzverlaufs nicht zuletzt auch das Urteil über die M o d e r n i t ä t der neuen Sozialgruppe der evangelischen Geistlichkeit ab.

1 7 Vgl. Schindling, Konfessionalisierung und die Grenzen von Konfessionalisierbarkeit, S. 1 3 f . , sowie die Diskussionsvoten Schindlings in Reinhard/Schilling, S . 4 8 . 4 5 4 . Vgl. auch Walther, S. 1 1 7 . 1 8 Schindling, Konfessionalisierung und die Grenzen von Konfessionalisierbarkeit, S. 13. 1 ? Vgl. Seifert, Das höhere Schulwesen, S . 2 7 8 . Prononciert auch Stichweh, S . 4 1 : „Die Reformation war im übrigen eine Bewegung, die - im Unterschied zu dem erst kurz vor ihrem Beginn in Deutschland einflussreich werdenden Humanismus - letztlich kein eigenständiges wissenschaftliches Profil b e s a ß . " 2 0 Vgl. Troeltsch, Protestantismus, S. 8 0 , und die Charakterisierung der Auseinandersetzung zwischen Luther und Erasmus in ders., Protestantisches Christentum, S . 4 7 8 .

3.

3.

Forschungssituation

7

Forschungssituation

Im Z u s a m m e n h a n g mit der neuerdings intensiv und von verschiedenen historischen Zugängen aus betriebenen Erforschung der evangelischen Geistlichkeit ist auch die Frage der evangelischen Theologenausbildung im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung schon verschiedentlich berührt worden. Umfangreichere monographische Arbeiten, in denen die universitäre Theologenausbildung im Mittelpunkt der Untersuchung steht, fehlen jedoch bislang. 2 1 Z w a r liegen zu einzelnen Territorien des Reiches wichtige Abhandlungen zu H e r k u n f t und Ausbildung der frühneuzeitlichen evangelischen Geistlichen vor, 22 aber der eigentliche Bildungsverlauf nach seinen einzelnen Phasen und Institutionen ist noch nicht übergreifend, erst recht nicht konfessionsübergreifend untersucht worden. Die im weitesten Sinne mit der evangelischen Geistlichkeit befasste Forschung thematisierte im Einzelnen recht unterschiedliche Aspekte der frühneuzeitlichen Sozialgruppe, und dementsprechend unterschiedlich relevant sind dann auch die Arbeiten im Blick auf die hier in Angriff zu nehmende theologie- und bildungsgeschichtliche Untersuchung. Die so genannte Pfarrhausliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts, konzentriert auf die Beschreibung der beruflichen und familiären Lebenswelt des Pfarrers, suchte mit jeweils unterschiedlichem wissenschaftlichen Anspruch die soziale und kulturelle Bedeutung des Pfarrhauses herauszustellen. 2 3 Sie trug wesentlich 21 Die zweibändige „History of the Study of Theology" von Charles Augustus Briggs (London 1916), eine Überblicksdarstellung der theologischen Bildung im Christentum von den Anfängen bis zur Gegenwart, die institutionengeschichtliche und konzeptionsgeschichtliche Aspekte verbindet, vermag weiter gehenden wissenschaftlichen Ansprüchen nur bedingt zu genügen. 22 Zu nennen sind hier vor allem die Studien von Brecht, H e r k u n f t und Ausbildung der protestantischen Geistlichen des Herzogtums Württemberg im 16. Jahrhundert; Cramer, Die ersten evangelischen Pfarrer in Badisch und Württembergisch Franken; Lenckner, Die Universitätsbildung der 1528 vom Markgrafen von Brandenburg visitierten Geistlichen; Liebe, Die Ausbildung der Geistlichen im Herzogtum Magdeburg bis zur Kirchenordnung von 1739; Klaus, Soziale H e r k u n f t und theologische Bildung lutherischer Pfarrer der reformatorischen Frühzeit [zu Franken]; Tierz, Das Erscheinungsbild von Pfarrstand und Pfarrgemeinde des sächsischen Kurkreises im Spiegel der Visitationsberichte des 16. Jahrhunderts; Vogler, Le clergé protestante rhénan au siècle de la réforme (1555-1619). Vgl. ferner die Beiträge in Franz, Beamtentum und Pfarrerstand, neuerdings auch Riegg, Konfliktbereitschaft und Mobilität, S. 2 9 - 7 4 . Mit zeitlichem Schwerpunkt im 18. und 19. Jahrhundert außerdem H a u ß m a n n , Zwischen Verbauerung und Volksaufklärung, S. 8 0 - 1 2 2 . 23 Vgl. die Literaturangaben bei Schorn-Schütte, Evangelische Geistlichkeit, S. 18, A n m . 5 . Einschlägig sind vor allem Baete, Das Buch vom deutschen Pfarrhaus; W. Baur, Das deutsche evangelische Pfarrhaus. Seine Gründung, seine Entfaltung und sein Bestand; Drews, Der evangelische Geistliche in der deutschen Vergangenheit; M e u ß , Lebensbild des evangelischen Pfarrhauses vornehmlich in Deutschland; Werdermann, Der evangelische Pfarrer in Geschichte und Gegenwart; ders., Die deutsche evangelische Pfarrfrau. Ihre Geschichte in vier Jahrhunderten. Vgl. ferner an neueren Studien, die sich - mit mehr oder weniger kritischem Ansatz - der kultur-

8

Kapitel

1:

Einleitung

dazu bei, zwei geistes- beziehungsweise gesellschaftsgeschichtliche Topoi zu stabilisieren: das Pfarrhaus als Hort der Bildung und als exemplarisch geführtes „bürgerliches H a u s " . Charakteristisch für diese Literatur war die behauptete „Bürgerlichkeit" des Pfarrhauses. Das Theologiestudium trat dabei nur selten in den Mittelpunkt der Darstellung. Die Arbeiten interessierten sich vor allem für die Berufs- und Haushaltsführung des amtierenden Pfarrers. Diese Schwerpunktsetzung ist von der beabsichtigten Bedeutungsvergewisserung her nachvollziehbar, obwohl natürlich nicht nur das festgestellte Bildungsbemühen, sondern auch die behauptete Bürgerlichkeit nach den Voraussetzungen im Bildungsweg der Geistlichen fragen lassen. Intensiv betrieben wurde die Erforschung der frühneuzeitlichen Geistlichkeit erst nach dem Zweiten Weltkrieg, und zwar auf drei verschiedenen methodischen Wegen, die sich als sozialgeschichtlicher, alltagsgeschichtlicher und theologiegeschichtlicher Zugang charakterisieren lassen. 1) In einem umfassenden Horizont, zugleich auf breiter Quellenbasis und mit dem Instrumentarium der modernen sozialgeschichtlichen Methoden, hat Luise Schorn-Schütte die Frage nach Entstehung, Wandel und Bedeutung der neuen Sozialgruppe aufgenommen. Zu den signifikantesten Ergebnissen ihrer Arbeit über die frühneuzeitliche evangelische Geistlichkeit 2 4 dürfte die These von einem politisch wirksamen Sonderbewusstsein gehören, das gerade als ein wesentliches Merkmal des ständischen Selbstbewusstseins lutherischer Geistlicher diagnostiziert wird. Für die zugesprochene wie beanspruchte soziale Verortung im Bürgertum der frühmodernen Gesellschaft wird die Bedeutung der universitären Bildung nachdrücklich herausgestellt und im Untersuchungszeitraum - er reicht von der Mitte des 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts - eine zunehmende Akademisierung und Professionalisierung der evangelischen Geistlichkeit festgestellt. Allerdings habe sich der universitäre Bildungsweg, wie Schorn-Schütte zusammenfassend behauptet, bei den meisten Geistlichen nur auf die Artes-Fakultät erstreckt; an der theologischen Fakultät hätten nur diejenigen studiert, die ambitioniertere Ziele verfolgten und sich für ein Amt auf der Leitungsebene

geschichtlichen Bedeutung des Pfarrhauses widmen: Friedenthal, Das evangelische Pfarrhaus im deutschen Kulturleben; Greiffenhagen (Hg.), Das evangelische Pfarrhaus. Eine Kultur- und Sozialgeschichte; Janz, Das evangelische Pfarrhaus; ders., Das evangelische Pfarrhaus als deutscher Erinnerungsort; Kantzenbach, Zur kirchen- und kulturgeschichtlichen Bedeutung des evangelischen Pfarrhauses; Lehmann, „Das ewige H a u s " . Das lutherische Pfarrhaus im Wandel der Zeiten; Mohr, 4 5 0 Jahre deutsches evangelisches Pfarrhaus. 2 4 Schorn-Schütte, Evangelische Geistlichkeit in der Frühneuzeit. Deren Anteil an der Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit und Gesellschaft. Dargestellt am Beispiel des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Stadt Braunschweig. Vgl. auch dies., Die Geistlichen vor der Revolution; dies., Zwischen „ A m t " und „Beruf"; dies. / Sparn, Einleitung. Unter den früheren Arbeiten zur Erforschung der evangelischen Geistlichkeit sind nur wenige sozialgeschichtlich orientiert; vgl. am ehesten noch Franz, Das evangelische Pfarrhaus.

3.

Forschungssituation

9

empfehlen wollten. 2 5 O b sich die theologischen Interpretationskompetenzen aus einem reinen Artes-Studium heraus erklären lassen, scheint allerdings fraglich und wird sich wohl erst entscheiden lassen, wenn über das strukturelle und inhaltliche Profil des artistischen und theologischen Studiums einigermaßen Klarheit besteht. 2 6 2) Eine relativ hohe Kompetenz zur Deutung der Lebenswelt wurde den evangelischen Geistlichen vor allem von einer auf die Wechselwirkungen von Predigt und sozialer Wirklichkeit konzentrierten alltagsgeschichtlichen Forschung attestiert. 2 7 Wenn m a n in dieser Forschungsrichtung auch im Unterschied zu SchornSchütte das Modernisierungspotential des Luthertums für die Entwicklung der bürgerlichen und industrialisierten Gesellschaft geringer einschätzte und den Erfolg der vielfältigen M a ß n a h m e n zur Durchsetzung konfessionsspezifischer N o r m e n und Werte skeptischer beurteilte, so wurde gleichwohl bei den Geistlichen eine beachtliche Fähigkeit zur religiösen, sinnstiftenden Deutung von Welt und sozialem Handeln festgestellt. In den Predigten suchten die Pfarrer nach der Ansicht dieser Forscherinnen und Forscher keineswegs nur die gegebenen Verhältnisse zu legitimieren und zu stabilisieren, sie beschränkten sich auch nicht auf religiöse Kontingenzbewältigung, sondern eröffneten ihren Hörerinnen und H ö r e r n durch Propagierung eines bestimmten religiösen Ethos auch neue Verhaltensmöglichkeiten. Die solchermaßen vorausgesetzten Qualifikationen wurden allerdings in der alltagsgeschichtlichen Forschung nur selten auf ihre Ausbildungsursprünge hin verfolgt. 3) Besonders ausgeprägte theologische Deutungskompetenzen vermochte eine theologiegeschichtliche Forschung bei geistlichen Elitegruppen aufzuzeigen. So erwiesen sich die lutherischen Hofprediger, deren Predigten Wolfgang Sommer untersuchte, 2 8 als versierte Theologen, die ihren Obrigkeiten mit einer differenzierten, ausgesprochen theologisch begründeten Kritik gegenübertreten konn25

Vgl. Schorn-Schütte, Evangelische Geistlichkeit, S. 191, wobei freilich zu berücksichtigen ist, dass sich diese Einschätzung aus den Untersuchungen zu den eher ländlich geprägten Verhältnissen im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel u n d in der Landgrafschaft Hessen-Kassel ergibt. Die stadtbraunschweigische Bildungssituation sah demgegenüber besser aus; vgl. dies., S. 1 9 2 - 1 9 9 . 26 Vgl. T. K a u f m a n n , Education, S. 127; ders., Frühneuzeitliche Religion, S.391; ders., Universität, S . 3 1 9 . 27 Vgl. H a a g , Predigt und Gesellschaft. Die lutherische O r t h o d o x i e in Ulm 1 6 4 0 - 1 7 4 0 ; H a genmaier, Predigt und Policey. Der gesellschaftspolitische Diskurs zwischen Kirchen u n d Obrigkeit in Ulm 1 6 1 4 - 1 6 3 9 ; Holtz, Theologie und Alltag. Lehre und Leben in den Predigten der T ü binger Theologen 1 5 5 0 - 1 7 5 0 ; Rublack, „Der Wohlgeplagte Priester". Vom Selbstverständnis lutherischer Geistlichkeit im Zeitalter der O r t h o d o x i e ; ders., Lutherische Predigt und soziale Wirklichkeiten; Wahl, Lebensplanung und Alltagserfahrung. Württembergische Pfarrfamilien im 17. J a h r h u n d e r t . 28 Sommer, Gottesfurcht u n d Fürstenherrschaft. Studien z u m Obrigkeitsverständnis J o h a n n Arndts u n d lutherischer H o f p r e d i g e r zur Zeit der altprotestantischen O r t h o d o x i e . Vgl. auch ders., Obrigkeits- und Sozialkritik. Für Brandenburg vgl. von T h a d d e n , Die brandenburgischpreußischen H o f p r e d i g e r im 17. und 18. J a h r h u n d e r t .

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Kapitel 1:

Einleitung

ten, sobald sie die bestimmungsgemäße Ausübung des staatlichen Regiments durch eine moralisch verwerfliche H o f h a l t u n g oder einen unverantwortlichen Umgang mit Kirchengütern gefährdet sahen. Die Ergebnisse dieser auf die Predigtätigkeit konzentrierten Forschung zu den lutherischen Geistlichen stabilisieren mithin die angedeutete Spannung zwischen der erworbenen Deutungskompetenz und dem daraus resultierenden Selbstbewusstsein auf der einen und der offenbar relativ kurzen universitären Bildungsphase auf der anderen Seite. Am weitesten ging bislang unter den theologiegeschichtlich orientierten Forschungen T h o m a s K a u f m a n n auf die Ausbildungssituation der frühneuzeitlichen Geistlichkeit ein. 2 9 Er untersuchte am Beispiel der Theologischen Fakultät der Universität Rostock den Z u s a m m e n h a n g zwischen Universität und Konfessionalisierung. Demnach scheint es für die lutherischen Territorien im Unterschied zu den reformierten und vor allem zu den katholischen Staaten charakteristisch gewesen zu sein, dass in ihnen die Konfessionalisierung primär durch die Universitäten, insbesondere durch das predigende, lehrende und kirchenorganisatorische Wirken der Theologieprofessoren vorangetrieben worden ist. Anders als die vorwiegend auf die staatlichen Disziplinierungsmaßnahmen fokussierten Untersuchungen schätzte K a u f m a n n im Bereich des Luthertums die Bedeutung ,außerreligiöser' Faktoren für den Konfessionalisierungsprozess geringer ein. Neben dem Bemühen der Theologieprofessoren, alles private und öffentliche Leben auf das in Christus begegnende Heil hin zu zentrieren, seien M a ß n a h m e n staatlicher Sozialdisziplinierung eher „ N e b e n k r a t e r " 3 0 gewesen. Auch habe sich die Konfessionalisierung nicht als Reaktion auf Vorgänge in den anderen Konfessionen, sondern als immanenter Vorgang vollzogen, als Fortsetzung der Reformation unter den Bedingungen der reichsrechtlichen Sanktionierung der confessio Lutherana,31 Abgesehen von diesen die aktuelle Debatte um die Konfessionalisierung betreffenden Resultaten, sind in vorliegendem Untersuchungszusammenhang vor allem die Ausführungen zum faktischen Lehrangebot an der Rostocker Theologischen Fakultät, zu den studienkonzeptionellen Überlegungen der Professoren sowie zum Bildungsprofil der Rostocker Theologiestudenten von Interesse. K a u f m a n n rekonstruierte das in den Satzungen vorgeschriebene sowie faktisch umgesetzte Angebot an Vorlesungen und Disputationen, das in dieser Zeit der Konfessionalisierung keineswegs von nichtexegetischen, etwa dogmatischen oder apologetischen Lehrveranstaltungen dominiert war. In seiner Untersuchung der Rostocker Anweisungen zum Theologiestudium stellte Kaufm a n n zudem fest, dass die Normierungen und Vorschriften im Lauf der Zeit zu29 T. K a u f m a n n , Universität und lutherische Konfessionalisierung. Die Rostocker Theologieprofessoren und ihr Beitrag zur theologischen Bildung und kirchlichen Gestaltung im Herzogtum Mecklenburg zwischen 1550 und 1675. 30 T. K a u f m a n n , Universität, S.610. 31 Vgl. die resümierenden Bemerkungen T h o m a s Kaufmanns in ders., Universität, S . 6 0 8 614.

3.

Forscbungssituation

11

nahmen und zugleich die Frömmigkeit, die zunächst ein zentraler Bestandteil aller Vorstellungen von Theologie und Theologiestudium gewesen war, allmählich zum Randthema wurde. 32 Darüber hinaus versuchte Kaufmann nicht nur, den theologischen Bildungsidealen der Professoren nachzugehen, sondern auch das faktische „Bildungsprofil" der Rostocker Theologiestudenten zu ermitteln. 33 Die angesichts der schwierigen Quellenlage gewonnenen Erkenntnisse haben zwar lediglich beispielhaften, vorbehaltlichen Charakter; die in anderen Territorien zu beobachtende Tendenz zur Akademisierung der evangelischen Geistlichkeit ist gleichwohl auch für Mecklenburg offensichtlich. Zum angemessenen Verständnis der durch die Reformation initiierten theologischen Bildungsreformen sind nun freilich im Anschluss an diese Untersuchung weitere Studien zu anderen Universitäten erforderlich - insbesondere zur Universität Wittenberg, auf deren Vorbildfunktion auch Kaufmann hingewiesen hat. Wertvolle Vorarbeiten für das hier anvisierte Thema leisteten dann natürlich Studien, in denen bereits, wenn auch zum Teil im Zusammenhang anderer, übergreifender Fragestellungen, die frühneuzeitlichen Programme, Entwürfe, Konzeptionen der Theologenausbildung zum Untersuchungsgegenstand wurden. Immer noch lesenswert ist der informative, wenngleich nicht unbedingt als Forschungsbeitrag konzipierte Aufsatz von Rudolf Mau, in dem einige Aspekte der ,Idealität' und ,Realität' des lutherischen Theologiestudiums im 17. und 18. Jahrhundert benannt und die Interdependenzen zwischen der Entwicklung der Theologie und dem theologischen Studienbetrieb verdeutlicht werden. 34 Eingehender als Mau befasste sich sodann Chi-Won Kang mit den orthodoxen und pietistischen Studienreformprogrammen im Luthertum. 35 Seiner Meinung nach waren die von Spener, Francke, Rambach und anderen vertretenen Konzeptionen der Theologenausbildung gleichermaßen auf eine Kultivierung von Frömmigkeit und Gelehrsamkeit hin ausgerichtet. Kangs Studie wies an einem nicht unwesentlichen Punkt des pietistischen Reformprogramms beachtliche Kontinuitäten zwischen den Reformvorschlägen Speners und den theologischen Bildungsvorstellungen Luthers und der lutherischen Orthodoxie auf. So sei ein Lehre und Leben integrierendes Verständnis des Theologiestudiums den lutherischorthodoxen und pietistischen Theologen durch die vom Reformator betonte Trias von „oratio, meditatio, tentatio" vorgegeben gewesen und von ihnen dann auch bis ins 18. Jahrhundert hinein - mit wenigen Ausnahmen - den eigenen Stu-

Vgl. T. Kaufmann, Universität, S . 3 1 5 - 3 1 8 . Vgl. T. Kaufmann, Universität, S . 3 1 9 - 3 6 5 . 3 4 M a u , Programme und Praxis des Theologiestudiums im 17. und 18. Jahrhundert. 3 5 Kang, Frömmigkeit und Gelehrsamkeit. Die Reform des Theologiestudiums im lutherischen Pietismus des 17. und des frühen 18. Jahrhunderts. In dieser Arbeit werden die Reformvorschläge von Philipp J a k o b Spener, August Hermann Francke, Johann J a k o b Rambach und Johann Albrecht Bengel ausführlich und mit gelegentlicher Tendenz zur Paraphrasierung vorgestellt. Vgl. dazu auch die Rezension von Wallmann, Spener im Plus, Arndt im Minus. 32

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Kapitel

1:

Einleitung

dienkonzeptionen zugrunde gelegt worden. Es wird zu prüfen sein, inwiefern sich diese These von den Wittenberger Anweisungen her verifizieren lässt. Allerdings musste in Kangs streng theologiegeschichtlich angelegter Interpretation der nähere politische, insbesondere konfessions- und bildungspolitische Kontext der untersuchten Konzeptionen vom Ansatz her unberücksichtigt bleiben. Das gilt auch für die enzyklopädiegeschichtliche Arbeit Leonhard Heils, die das von der Aufklärung entwickelte Projekt der „theologischen Enzyklopädie" in die gattungs-, disziplin- und problemgeschichtlichen Wurzeln hinein zurückverfolgt. 3 6 Sie erbrachte das wichtige Resultat, dass in den zum Theologiestudium anleitenden Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts trotz der Unterscheidung verschiedener theologischer Wissensgebiete „an der Fiktion methodischer und materialer Einheitlichkeit der Theologie festgehalten" 3 7 und somit gleichsam ein wissensorganisatorisches Einheitskonzept von Theologie vertreten wurde. Hell konnte zudem an einigen prägnanten Beispielen zeigen, wie durchlässig die Grenzen der sich ausbildenden beziehungsweise ausgebildeten Konfessionen für die Rezeption von theologischen Bildungskonzepten waren.

4 . A n l a g e der A r b e i t Ausgehend von dem forschungsgeschichtlichen Problemhorizont lässt sich das Untersuchungsvorhaben dieser Arbeit näher bestimmen. Gefragt wird nach den Konzeptionen, welche die Wittenberger Theologieprofessoren für die Ausbildung evangelischer Theologen entwickelt haben. Die Frage zielt dabei letztlich auf das, was man vielleicht am treffendsten als „Theologenideal" bezeichnen könnte. Dass dieses nicht ohne weiteres mit dem „Pfarrerideal" der Autoren identisch ist, wird zunächst vorausgesetzt. Identität und Verschiedenheit beider Idealvorstellungen sind jeweils eigens festzustellen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Quellengruppe der „Anweisungen zum Theologiestudium". 3 8 Es handelt sich dabei um separat oder im Zusammenhang mit anderen Schriften veröffentlichte Texte, in denen Theologieprofes-

Hell, Entstehung und Entfaltung der theologischen Enzyklopädie. Hell, S . 2 1 0 . 3 8 So die übliche Bezeichnung in der Forschungsliteratur; vgl. etwa T. Kaufmann, Universität, S. 2 5 6 u.ö. Der Begriff wird auch in der vorliegenden Arbeit trotz einer gewissen Doppeldeutigkeit beibehalten: Er vermag sowohl einen literarischen Text (die Anweisungsschrift) als auch eine Sprachhandlung (die Anweisung) zu bezeichnen. Beides hängt sachlich eng zusammen. Daher wird hier auf eine terminologische Differenzierung verzichtet. Aus dem jeweiligen Darstellungszusammenhang dürfte unzweideutig zu erkennen sein, ob der Begriff für die Quelle oder für den pädagogisch-instruktiven Sprechakt steht. Entgegen früherer Verwendung (vgl. Nieden, Anfechtung) wird im Folgenden der Begriff „Anweisungsschriften" vermieden, da dieser selbständig erschienene Publikationen supponiert, was auf die hier untersuchten Texte nicht in jedem Fall zutrifft. 36

37

4. Anlage der Arbeit

13

soren oder mit der Theologenausbildung befasste Universitätslehrer Empfehlungen zur Einrichtung des Theologiestudiums geben. Über die Bezeichnung und den genauen Umfang dieses Quellenkorpus hat sich in der Forschung noch kein Konsens ergeben. 39 Gleichwohl wurde in der Literatur seit dem 17. Jahrhundert immer wieder auf dieselben Texte verwiesen. Diese Tatsache zeigt, dass die Vorstellung einer „Quellengruppe" schon früh einigermaßen konkret ausgebildet war. Auf lutherischer Seite war es erstmals der Wittenberger Theologe Abraham Calov (1612-1686), der in seiner „Paedia theologica" (1652) und damit in einer selber den Anweisungen zuzurechnenden Schrift einen Überblick über die vorangegangenen literarischen Versuche auf diesem Gebiet gab. 40 Er bezeichnete die angeführten lutherischen Anweisungen zusammenfassend als „consilia", „monita" oder „judicia" 41 . Erste ausführliche Auflistungen sowohl der lutherischen als auch katholischen und reformierten Literatur dieser Art finden sich sodann bei Johann Franz Buddeus (1667-1729) und Johann Georg Walch (1693-1775). Buddeus verweist in seiner sowohl Studienanweisung wie theologische Bibliographie verbindenden „Isagoge" unter der thesenartigen Überschrift „Methodi in studio theologica necessitas; in quo generatim consistât?" 42 auf die anweisenden Werke. Walch führt die Literatur in seiner theologischen Bücherkunde unter der Überschrift „De scriptis methodi studii theologici". Entsprechend konnten die Schriften dann später einfach als „Methodologien" bezeichnet werden. Daneben begegnet ebenfalls bereits im 18. Jahrhundert die Sammelbezeichnung

39 Von den Anweisungen sind die Schriften zu unterscheiden, die vorrangig eine bestimmte Amtstheologie und ein bestimmtes geistliches Berufsethos zu vermitteln suchen und die am ehesten als „pastoraltheologische Schriften" bezeichnet werden können; siehe zum Beispiel Paul Tarnov: De sacrosancto ministerio, libri très, Rostock 1623; Johann Ludwig H a r t m a n n : Pastorale evangelicum, seu instructio plenior ministrorum verbi, N ü r n b e r g 1678; J o h a n n Andreas Quenstedt: Ethica pastoralis et instructio cathedralis, Wittenberg 1678; Johann Friedrich Mayer: Museum ministri ecclesiae, Leipzig 1690. Gegen Leube, Die Theologen und das Kirchenvolk, S. 52, der neben den Anweisungen Hülsemanns und Calovs auch die Pastoraltheologien Mayers und Quenstedts als Beispiele für „Einführungen in das theologische Studium" (ebd., S.51) ausgibt. Zu den beispielhaft genannten Werken vgl. vor allem Rau, Pastoraltheologie, S. 1 0 3 - 1 1 7 . 40 Vgl. unten Kapitel 7.4.3. 41 Calov, Paedia, S. 3f.: „Volvat ac revolvat [futurus studiosus theologiae] Semper animò piò ac fideli consilia, atque monita ipsius Spiritus S. longè saluberrima [...]."; ebd., S.4: „ S u m m a m M o n i t o r u m B. Lutherus complexus est Consilio suô verè aureo, qvae nunqvam non recolanda erit." Es folgt ein (nicht ganz) wörtliches Zitat aus Luthers Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner deutschen Schriften (WA 50, S.658, Z . 2 9 - S . 660, Z . 30); Calov, Paedia, S. 10: „Aliorum Judicia non aspernanda sunt; sed ita evolvenda, ut ex iis colligantur monita salutarla, eademqve sedulò pensi habeantur." 42 Buddeus, Isagoge, S. l a ; siehe auch ebd., S.2 a : „[...] qui de methodo studii theologici scripserunt"; S.3 a : „[...] qui de methodo rationeque, eam [= theologiam] tractandi praeciperent."

14

Kapitel

1:

Einleitung

„Anweisungen" 4 3 , die sich mit jeweils unterschiedlicher näherer Charakterisierung bis in die Gegenwart erhalten hat. 4 4 Bei den Anweisungen handelt es sich um eine Quellengruppe, der sich Texte verschiedener, zur Anleitung ins Theologiestudium geeigneter literarischer Gattungen zuordnen lassen wie zum Beispiel diverse Formen der akademisch-öffentlichen Rede (Festrede, Vorlesung), Privatbriefe oder Vorreden zu theologischen Schriften. 4 5 Gemeinsame, eine literarische Gattung konstituierende sprachliche Strukturen dürften in diesem Fall nur schwer anzugeben sein. Die Texte werden eher durch das gemeinsame Thema als durch bestimmte sprachlich-literarische Kriterien zu einer Gruppe zusammengeschlossen. Sie zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie (1.) an Studenten oder Studieninteressierte der Theologie gerichtet sind; dass sie (2.) einem präskriptiven, lehrhaften bis paränetischen Duktus als rhetorischer Grundhaltung folgen; dass sie (3.) ein theologisches Studium' seinen wesentlichen Zügen nach beschreiben. Die Anweisungen geben ein mehr oder minder in die Wirklichkeit umsetzbares Idealstudium zu erkennen, das sich mit Gewinn auf die leitenden theologischen Bildungsvorstellungen hin befragen lässt, die mit diesen Texten durchgesetzt werden sollten. Die Konzentration der Untersuchung auf die theologische Fakultät einer einzigen Universität, in diesem Fall der einflussreichen „lutherischen Mutteruniversit ä t " 4 6 Wittenberg, ist wesentlich methodisch bedingt. Sie dient nicht nur der M a terialbegrenzung, sondern ist auch deswegen sinnvoll, weil nur so der universitätsrechtliche Kontext eingehender berücksichtigt und damit wiederum erst ein Vergleich der von den Theologieprofessoren entwickelten Formierungsvorstel4 3 Johann Lorenz von Mosheim: Kurze Anweisung, die Gottesgelahrtheit vernünftig zu erlernen, Helmsted 1 7 5 6 ; siehe dazu auch ebd., S. 10: „Die erste Anweisung zu der Theologischen Gelahrtheit hat, wie man insgemein glaubet, der seel. Luther gegeben, dessen Lehrsatz: tria faciunt theologum, oratio, meditatio, tentatio;[!] bekannt genug ist." 4 4 Zwei gelegentlich zur Bezeichnung der Anweisungen gebrauchte Begriffe entstammen dem historischen Kontext der Aufklärung und erscheinen daher zur Verwendung im Zusammenhang des 16. und 17. Jahrhunderts wenig geeignet. Der erste von ihnen - „hodegetische Schriften" - ist abgeleitet von dem Kunstwort der „Hodegetik", die „eine in Vorlesungen oder Büchern gegebene, vorwiegend an angehende Studenten gerichtete systematische methodologische Einführung in das akademische Studium und Leben" (Kern, Sp. 1 4 5 0 ) meint; vgl. etwa die verdienstvolle Bibliographie zum deutschen Universitätswesen von Wilhelm Erman und Ewald Horn, die unter der Überschrift „hodegetische Schriften" das bislang umfangreichste Verzeichnis der Anweisungen zum Studium der katholischen, evangelischen und jüdischen Theologie bietet. Der zweite - „Enzyklopädien" - bezeichnet jene Schriften, die im Gefolge des aufgeklärten Enzyklopädiegedankens nicht nur eine Übersicht über die in der jeweiligen Wissenschaft anzuwendenden Methoden und abzuhandelnden Inhalte bieten, sondern auch die Einheit der Theologie in der Vielzahl ihrer unterschiedlichen Disziplinen erweisen wollten; vgl. Hell, S. 1 6 7 186. Andere Bezeichnungen der Anweisungen wie zum Beispiel „Einleitungen" oder „Einführungen in das Theologiestudium", „Anleitungen zum Theologiestudium", „Studienberatungsbüchlein", teilweise basierend auf Werktiteln früherer Jahrhunderte, konnten sich bislang nicht durchsetzen. 4 5 Vgl. die gattungskritischen Überlegungen bei Nieden, Rationes studii theologici, S. 2 1 3 - 2 1 5 . 4 6 Vgl. die Kapitelüberschrift bei Seifert, Das höhere Schulwesen, S. 2 8 4 .

4. Anlage der Arbeit

15

lungen mit denjenigen des Staates gewagt werden kann. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung erstreckt sich auf das Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung, 4 7 im konkreten Fall der Wittenberger Universität auf ein Untersuchungsfenster, das von den auch universitätsgeschichtlich bedeutsamen zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts, den ,Sturmjahren' der Reformation, bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts reicht. Die Jahre des Westfälischen Friedensschlusses und der weiteren Friedensschlüsse markieren nicht nur eine epochengeschichtliche Wende, was die Konfessionalisierung betrifft, sondern bedeuten auch insofern einen fakultätsgeschichtlichen Einschnitt, als die Theologische Fakultät der Universität Wittenberg um 1650 einen personellen Umbruch erlebte. Innerhalb von fünf Jahren verlor sie alle vier ihrer damaligen Lehrstuhlinhaber: Am 8. Februar 1649 verstarb Wilhelm Leyser (geb. 1592), am 30. M a i desselben Jahres J a k o b Martini (geb. 1570), am 18. M ä r z 1651 Paul Röber (geb. 1587). J o h a n n Hülsemann (1602-1661) hatte Wittenberg bereits 1646 in Richtung Leipzig verlassen, um dort das Doppelamt eines Pastors an der Nikolaikirche und eines Theologieprofessors an der Universität zu übernehmen. M i t diesem auffallenden Wechsel des akademischen Lehrpersonals ging in gewisser Weise eine Epoche zu Ende. 4 8 Die Analyse ist auf die Konzeptionsgeschichte innerhalb dieses Untersuchungszeitraums fokussiert. Die entscheidende Beobachtungsfolie sind dabei nicht mittelalterliche oder spätmittelalterliche Programme der Theologenausbildung, sondern die der Wittenberger Reformatoren. Insofern liegt der interpreta-

47 Der neuerdings wieder diskutierte Begriff des „ S p ä t h u m a n i s m u s " vermag in dem hier gegebenen U n t e r s u c h u n g s z u s a m m e n h a n g den Begriff des „Konfessionellen Zeitalters" nicht zu ersetzen; vgl. zur Begriffsgeschichte Hammerstein, Einleitung. Z w a r sind beide Begriffe v o m zeitlichen U m f a n g her nahezu deckungsgleich, doch ist das Bedeutungsspektrum des Begriffs „ S p ä t h u m a n i s m u s " zu sehr auf das Feld der Bildungsgeschichte begrenzt u n d bezeichnet schwerlich einen der Konfessionalisierung vergleichbaren, gesamtgesellschaftlichen F u n d a m e n talvorgang. Z u r Diskussion vgl. Friedrich, Zwischen , S p ä t h u m a n i s m u s ' u n d ,Standeskultur'; Hammerstein/Walther. 48

Bereits Tholuck hatte in seiner theologisch-biographischen A b h a n d l u n g „Der Geist der lutherischen Theologen Wittenbergs im Verlaufe des 17. J a h r h u n d e r t s " ( H a m b u r g - G o t h a 1852) u m 1650 eine Darstellungszäsur gesetzt, die bei ihm allerdings mit einer m a r k a n t e n theologischen Wertungsgrenze verbunden war. Der Charakter der Wittenberger Theologen in der zweiten H ä l f t e des 17. J a h r h u n d e r t s zeichnete sich nach Tholuck im Unterschied zu dem der untersuchten Persönlichkeiten aus der ersten J a h r h u n d e r t h ä l f t e durch „theologische A n m a ß u n g " , „lutherische Scholastik", „Verblendung gegen die kirchlichen Z u s t ä n d e " , „Streitsucht und Und u l d s a m k e i t " aus; siehe die entsprechenden Abschnittsüberschriften. Derartige, in vielfacher Hinsicht problematische Wertungen sind mit der hier getroffenen Wahl des terminus ad quem nicht impliziert; die Z ä s u r der J a h r h u n d e r t m i t t e ist allein aus fakultätsgeschichtlichen G r ü n d e n gewählt. Auch Appold, O r t h o d o x i e , S. 102, sieht einen „ m a r k a n t e n Generationswechsel", betont aber zugleich gegen Tholuck die personellen Kontinuitäten: Professoren wie J o h a n n Meisner, Michael Wendler, J o h a n n Scharf oder Andreas Quenstedt, die den Wittenberger theologischen Lehrbetrieb in der zweiten H ä l f t e des 17. J a h r h u n d e r t s prägten, w a r e n bereits seit den zwanziger J a h r e n als Dozenten der Philosophischen Fakultät an der Leucorea tätig.

16

Kapitel

1:

Einleitung

torische Schwerpunkt auf den Konzeptionen des 17. Jahrhunderts, die vor dem Hintergrund der reformatorischen Anweisungen gedeutet werden sollen. Das Problem der Reichweite beziehungsweise Grenze der Konfessionalisierung wird in dieser Arbeit also von zwei Seiten aus angegangen: 1) Zunächst und zuerst von der konzeptionellen Seite, also von den durch die Theologieprofessoren verfassten Anweisungen, die Aufschluss darüber zu geben versprechen, wie nach den Vorstellungen der Professoren ein theologisches Studium unter lutherischen Vorzeichen aussehen sollte. Um mögliche Tendenzen einer „Konfessionalisierung" erfassen zu können, ist eine konfessionell-komparatistische Perspektive zu eröffnen, indem wichtige Ausbildungskonzepte aus dem katholischen und reformierten Bereich vergleichend herangezogen werden. 2) Sodann von der rechtlichen Seite, also von den Universitäts- und Fakultätsstatuten, die zunächst noch Sache der Wittenberger Professoren, im Zusammenhang der konfessionellen Konsolidierung aber zunehmend Ausdruck des legislativen Willens der außeruniversitär-staatlichen Gesetzgeber sind. Im Unterschied zu den bildungskonzeptionellen Äußerungen der Professoren erlangten die Statuten rechtliche Verbindlichkeit, sind also nicht mehr ,nur' Programm, sondern können auch bis zu einem gewissen Grad - soweit eben von Gesetzestexten auf die von ihnen regulierte Wirklichkeit geschlossen werden kann - Aufschluss über die Ausbildungsfaktizität geben. Zumindest lassen sie sich, wie die Anweisungen der Professoren, als Dokumente eines Formierungswillens im Blick auf die künftigen Theologen lesen. Bei der konzeptionsgeschichtlichen Rekonstruktion ist somit vor allem auf das „Theologenideal" zu achten. Die Anweisungen wie die universitären Rechtstexte sind daraufhin zu untersuchen, welches Verständnis des Theologen respektive des Geistlichen ihnen zugrunde liegt, welche Funktionen, welche Rollen vom künftigen Theologen mehr oder weniger explizit erwartet werden. Es ist damit zu rechnen, dass das Theologenideal der staatlichen Gesetzgeber mit dem der Professoren nicht in jeder Hinsicht übereinstimmt. Aus dem skizzierten Vorhaben ergeben sich folgende Konsequenzen für den Aufbau der Arbeit. Der Gang der Untersuchung folgt weitgehend der „Chronologie der Ereignisse", um Kontinuität und Wandel in den Konzeptionen möglichst genau erfassen zu können. Eine kurze, zugegebenermaßen sehr umrisshafte Vergegenwärtigung der spätmittelalterlichen klerikalen Bildungssituation sowie der bereits im 14. und 15. Jahrhundert nachweisbaren, wesentlich vom Humanismus inspirierten Reformdiskussion soll dazu verhelfen, den historischen Stellenwert der frühen Wittenberger Bildungskonzeptionen besser einschätzen zu können (Kapitel 2). Diesem Zweck dient auch der Überblick über die humanistisch-reformatorische Umgestaltung des theologischen Studiengangs und deren rechtliche Fixierung (Kapitel 3). Vor der solchermaßen gespannten kontextuellen Folie widmet sich ein erster Interpretationsabschnitt den frühen Anweisungen der Reformatoren (Kapitel 4). Die einschneidenden Reformen des theologischen Studiengangs im Rahmen der wechselnden kursächsischen Religionspoli-

4. Anlage der Arbeit

17

tik sind anschließend herauszuarbeiten, um ein möglichst genaues Bild von den staatlichen Ausbildungsvorstellungen zu gewinnen (Kapitel 5). Zur Beurteilung der Konfessionalisierungsfrage ist der Rahmen zunächst noch einmal um zwei weitere, beispielhaft ausgewählte katholische und reformierte Konzeptionen der Theologenausbildung zu erweitern (Kapitel 6). Die Analyse der Anweisungen aus der Zeit der Orthodoxie selbst bildet dann den zweiten Interpretationsabschnitt (Kapitel 7). Ein komparatistisches Schlusskapitel vergleicht die Wittenberger Anweisungen sowohl untereinander als auch mit den konfessionellen und universitätsrechtlichen Seitenstücken, bündelt die Ergebnisse der Untersuchung im Blick auf das eingangs beschriebene Diskussionsfeld und fixiert den aus der theologiegeschichtlichen wie bildungsgeschichtlichen Interpretation der Anweisungen gewonnenen Ertrag (Kapitel 8).

Kapitel 2

,Geistiger Stand' des geistlichen Standes' im Spätmittelalter 1. Bildungsideal u n d B i l d u n g s p r a x i s Über den Klerus 1 ist selten mehr geklagt und gespottet worden als im ausgehenden Mittelalter. In seinem sitten- und gesellschaftsparodierenden Epos „Narrenschiff" (1494) kritisierte Sebastian Brant (1458-1521) die ungeistlichen Motive, die viele junge Menschen seiner Zeit bewegen würden, den Beruf des Priesters zu wählen, und geißelte vor allem die Unwissenheit der Kleriker: „ Vnd wigt, priesterschafft so gering Als ob es sy eyn lychtes ding Des fyndt man yetz vii junger pfaffen Die als vii künnen als die äffen Vnd nement doch seisorg vff sich Do man kum eym vertruwt eyn vich Wissen als vii von kyrchregyeren Alls miillers esel kan qwintyeren2 Die Bischof die sint schuldig dran Sie solltents nit zùm orden lan"3

Solche parodierenden, mit mehr oder weniger kirchenreformerischem Anspruch vorgetragenen Stimmen haben sich in der deutschen, aber auch französischen und englischen Literatur des ausgehenden Mittelalters allenthalben erhoben. In einer bislang unbekannten Weise wurde damals der geistliche Stand - nicht nur auf der obersten Ebene von Papsttum und Kurie, sondern auch auf der Ebene der niederen Geistlichkeit - zum Zielpunkt der Satire und Kritik. In Dichtung und Prosa, in Schwänken, Spottgedichten und Traktaten parodierten vor allem humanistisch beeinflusste Autoren das lasterhafte Leben der Geistlichen, ihre Unfähigkeit, selbst die einfachsten pastoralen Aufgaben zu bewältigen, ihre Dünkelhaftigkeit, der faktisch oft eine hochgradige Unbildung entsprach. Die spätmittelalterliche Kleruskritik konnte sich literarisch vielgestaltig äußern und wirkte 1 Z u m Klerusbegriff vgl. B o e h m , Libertas, S . 2 7 ; O e x l e , S. 7 6 f., und auf der Basis oberrheinisch-elsässischer Q u e l l e n Pfleger, S. 1 - 4 8 . 2 Auf der Quinterna spielen, einer Vorläuferin der Gitarre; vgl. Brant, N a r r e n s c h i f f , S . 4 1 6 ( K o m m e n t a r zur Stelle). 3

Brant, N a r r e n s c h i f f , S . 7 2 (Nr. 7 3 ) , Z. 1 5 - 2 4 .

1. Bildungsideal

und

Bildungspraxis

19

teilweise erstaunlich lange nach. 4 Dabei erwies sich gerade der von den Humanisten geprägte Topos vom „dummen Pfaffen" als durchaus resistent, beeinflusst er doch in gewisser Weise die breitere wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Wahrnehmung der spätmittelalterlichen Geistlichkeit bis heute. Und in der Tat fällt es schwer, den teilweise massiven kleruskritischen Äußerungen eines Sebastian Brant, Johannes Geiler von Kaysersberg (1445-1510), Jakob Wimpfeling (1450-1528) oder Thomas Murner (1475-1537) einen gewissen Anhaltspunkt an der historischen Wirklichkeit von vornherein abzusprechen. 5 Literarische Topoi freilich spiegeln, indem sie verallgemeinern, selten die ganze Wahrheit. Die bekannten Zeugnisse der Literatur geben ohne Zweifel ein eher düsteres Bild der faktischen Bildungsverhältnisse unter den Geistlichen zu erkennen. Doch ist nicht auszuschließen, dass eine genauere Betrachtung des situativen Kontextes so mancher polemischen Äußerung zu tendenzkritischen Relativierungen führen würde. 6 Im Grunde ist trotz einer inzwischen intensivierten Spätmittelalterforschung über den tatsächlichen klerikalen Bildungsstand im 14. und 15. Jahrhundert noch viel zu wenig Sicheres bekannt. Deskriptive Quellen gibt es kaum. 7 Und das methodische Ausloten serieller Quellen auf bildungsgeschichtlich relevante Zusammenhänge steckt noch in den Anfängen. 8 Methodisch haltbarere Aussagen lassen sich immerhin über die normativen Vorstellungen gewinnen, und zwar zum einen über das Theologen- beziehungsweise Priesterideal, das von den Geistlichen, insbesondere von den scholastischen Autoren selbst formuliert und verbreitet wurde, zum anderen über die kirchenrechtlichen Vorschriften, die für den Bildungsgang und die Anstellung der Kleriker damals in Geltung waren. 4 Die Frage, inwieweit diese humanistisch inspirierte Kleruskritik als Ausdruck eines umfassenderen spätmittelalterlichen „Antiklerikalismus" zu verstehen ist, w ä r e eigens zu diskutieren. Die anachronistische A n w e n d u n g dieses in den politischen und geistigen Auseinandersetzungen des 19. J a h r h u n d e r t s wurzelnden Begriffs auf das Spätmittelalter erscheint nicht u n p r o b l e m a tisch. Vgl. dazu Eberhard, S.349f.; Swanson, S . 5 2 - 5 4 . Entscheidend ist natürlich, wie der Begriff jeweils definiert wird. Jedenfalls d ü r f t e die A n n a h m e schwerlich zu halten sein, jede Kritik an den Z u s t ä n d e n in der Kirche oder im Klerus sei im Kern „klerusfeindlich". Einen Meilenstein der diesbezüglichen Forschung bildet der von Peter A. D y k e m a u n d H e i k o A. O b e r m a n herausgegebene Band: Anticlericalism in Late Medieval and Early M o d e r n Europe; vgl. dazu die Rezension von T. K a u f m a n n . 5 Vgl. die Nachweise bei Oediger, Bildung, S. 132f.; ders., Klerusbildung, S. 186f.; Pfleger, S. 82 f. 6 Overfield betont zu Recht die schwerlich unvoreingenommene Sicht der Verhältnisse, die vielen literarisch vorgetragenen Kleruskritiken zugrunde liegt. So n e h m e n sich etwa die wenig günstigen Urteile des Elsässer H u m a n i s t e n u n d akademisch geschulten Theologen J a k o b W i m p feling über die Bildung der Geistlichen anders aus, w e n n m a n berücksichtigt, dass er seine geistliche Karriere durch den von klerikaler Seite gegen ihn e r h o b e n e n Vorwurf des N e p o t i s m u s u n d der Simonie gefährdet sah; vgl. ders., S.257. 7 Oediger, Bildung, S. 154f., verweist auf die allerdings gleichfalls tendenziösen Predigten, die im R a h m e n der spätmittelalterlichen Reformkonzilien gehalten w u r d e n . 8 Einen viel versprechenden Weg schlägt etwa die auf Universitätsmatrikeln basierende Studie von Overfield ein.

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Kapitel 2: ,Geistiger Stand' des ,geistlichen Standes' im Spätmittelalter Der geistliche Stand des Spätmittelalters war in sich vielfältig differenziert:

hierarchisch, funktional, von der Lebensform und vom Bildungsgang her. N e b e n den Priestern gab es die Subdiakone und Archidiakone, die Bischöfe und Kardinäle. N e b e n den einfachen Gemeindepfarrern auf dem Land oder in der Stadt ( „ p a r o c h o i " , „ p l e b a n i " , „ c u r a t i " , „vicarii") wirkten ausschließlich mit Eucharistiefeiern betraute Priester („altaristae"), daneben wiederum ausschließlich mit homiletischen Aufgaben betraute Prädikanten. Es gab Ordens- und Weltgeistliche. Es gab akademisch gebildete Theologen. Und es gab Geistliche, die noch nicht einmal eine der niederen Schulen besucht hatten. Gegenüber der vielfältigen hierarchischen und funktionalen Differenzierung stellte sich die faktische klerikale Bildungssituation des Spätmittelalters - nach allem zu schließen, was bislang bekannt ist - geradezu bipolar dar: Auf der einen Seite standen die wenigen Theologen, die ein Studium an der artistischen oder in noch seltenerem Fall an der theologischen Fakultät absolviert hatten und überwiegend kirchliche Spitzenpositionen einnahmen. Auf der anderen Seite formierte sich die große M e n g e der einfachen Priester, mit Seelsorge- oder nur mit Messaufgaben betraut, deren Kenntnisse, so sie nicht überhaupt erst in der pastoralen Praxis erworben waren, aus dem schwer greifbaren, vom geistigen Niveau her durchweg nicht allzu hoch anzusetzenden Bereich des vor- und außeruniversitären Unterrichts beziehungsweise Selbstunterrichts herrührten. Im westlichen Christentum waren schon früh durchaus anspruchsvolle Bildungsprogramme für die Ausbildung der Kleriker entwickelt worden. Augustin hatte in seinem Lehrbuch „De doctrina christiana" ( 3 9 6 - 4 2 7 ) ein umfassendes Konzept der Aneignung und Weitergabe eines spezifisch christlichen Wissens vorgestellt. N a c h den grundsätzlichen Überlegungen Augustins waren bei der Bibelauslegung auch die paganen Wissenschaften zu berücksichtigen, sofern sie das Textverstehen mit Wort- und Sacherklärungen zu fördern vermochten. 9 In 9 Augustin, De doctrina christiana 2 , 4 0 (60) (CChr.SL 3 2 , S. 7 3 , Z . 4 8 - S. 7 4 , Z . 1 6 ) : „Philosophi autem qui uocantur si qua forte uera et fidei nostrae a c c o m m o d a t a dixerunt, m a x i m e Platonici, non solum formidanda non sunt, sed ab eis etiam tamquam ab iniustis possessoribus in usum nostrum uindicanda. Sicut enim Aegyptii non tantum idola habebant et onera grauia, quae populus Israhel detestaretur et fugeret, sed etiam uasa atque ornamenta de auro et argento et uestem, quae ille populus exiens de Aegypto sibi potius tamquam ad usum meliorem clanculo uindicauit, non auctoritate propria, sed praecepto dei ipsis Aegyptiis nescienter commodantibus ea, quibus non bene utebantur, sie doctrinae omnes gentilium non solum simulata et superstitiosa figmenta grauesque sarcinas superuacanei laboris habent, quae unusquisque nostrum duce Christo de societate gentilium exiens debet abominari atque uitare, sed etiam liberales disciplinas usui ueritatis aptiores et quaedam morum praeeepta utilissima continent [ . . . ] . " Der berühmte Vergleich wurde zum ,klassischen' Begründungsmuster in den wissenschaftstheoretischen Überlegungen der Scholastik. In seinen „ R e t r a c t a t i o n e s " ( 4 2 7 ) hatte Augustin die christlichen Rezeptionsmöglichkeiten der antiken Wissenschaften allerdings vorsichtiger beurteilt; vgl. G r a b m a n n , Scholastische Methode, Bd. 1, S. 1 2 7 f . Zu den einzelnen Wissenschaften siehe Augustin, De doctrina christiana 2 , 1 1 (16); 2 , 1 6 ( 2 4 - 2 6 ) ; 2 , 2 8 (42); 2 , 2 9 (46); 2 , 3 0 (47); zurückhaltender im Blick auf die paganen Wissenschaften mit Ausnahme der Geschichte: ebd., 2 , 3 9 (58).

1. Bildungsideal

und

Bildungspraxis

21

Fortführung dieses integrativen Konzepts hatten Magnus Aurelius Cassiodor (um 4 9 0 - 5 8 3 ) und vor allem Hrabanus Maurus ( 7 8 0 - 8 5 6 ) programmatische Schriften zur Klerusbildung verfasst. 1 0 Die Bildungswirklichkeit sah allerdings anders aus. Von einer allgemeinen schulmäßigen theologischen Ausbildung des Klerus konnte keine Rede sein. Wie schon in der Alten Kirche, so war es auch im Frühmittelalter die Regel, dass der junge Kleriker seine Ausbildung in der Lehr-, Lern- und Lebensgemeinschaft mit einem Bischof oder einem erfahrenen Priester empfing. 1 1 Nur eine kleine Gruppe von Klerikern erhielt in den Pfarr- und Domschulen, die neben den Klosterschulen zu Zentren christlicher Erziehung ausgebaut wurden, eine gründlichere Bildung. Die Entwicklung einer distinkten theologischen Wissenschaft („theologia") im Verlauf des 12. Jahrhunderts führte zusammen mit der neuen Bildungsinstitution der Universität zu einer Zunahme des innerklerikalen Bildungsgefälles. 12 Der Typus des akademisch gebildeten Theologen („theologus") entstand. Er hatte auf den Universitäten die „sacra doctrina" in weitgehender Orientierung an den von Aristoteles entwickelten Kriterien „wissenschaftlich" studiert. 1 3 Er hatte die theologischen Probleme in der Sprache des Aristoteles zu formulieren gelernt und sich dazu Kenntnisse aus einem gegenüber den Vorstellungen Augustins noch einmal erweiterten Kreis subsidiärer Wissenschaften erworben. Zwischen dem schlicht vorgebildeten Priester („sacerdos simplex") und dem akade-

1 0 Magnus Aurelius Cassiodor, Institutiones divinarum et humanarum lectionum (um 5 4 4 ) ; Hrabanus Maurus, De institutione clericorum libri tres (um 817). Zu Hrabanus Maurus vgl. neuerdings Picker, der das Werk seiner literarischen Form nach als „Programmschrift zur Klerikerausbildung" bestimmt (ders., S . 2 2 . 2 4 ) .

Vgl. Oediger, Bildung, S. 7 6 - 7 9 . Ausgehend vom Sprachgebrauch des Dionysius Areopagita trug der Begriff „theologia" in frühmittelalterlicher Verwendung die spezifische Bedeutung der „Lehre von G o t t " . Er stand also für ein doktrinäres Teilgebiet des damals als „sacra doctrina", „sacra eruditio", „sacra pagin a " , „doctrina fidei" etc. bezeichneten christlichen Wissens. Gilbert von Poitiers scheint dann der erste gewesen zu sein, der die Gotteslehre in ihrem Verhältnis zu der (unter dem Einfluss der Aristoteles-Rezeption mehr und mehr konturierten) Kategorie der „scientia" bedachte und als „pars theologica" in die aristotelische Wissenschaftssystematik integrierte. Von da aus setzte sich offenbar der weitere Begriff von „theologia" durch, nämlich der Begriff einer „Wissenschaft", die alle Gebiete christlichen Wissens mittels der dialektischen Methode systematisch bearbeitete. Mit der Ausbildung einer christlichen Theologie wurde auch der Begriff des „theologus" als Bezeichnung des ,Theologie treibenden' Subjekts gebräuchlich und begann den traditionellen Magister-Begriff zurückzudrängen; vgl. die instruktive, immer noch lesenswerte Darstellung bei Ebeling, Art. Theologie; ferner Congar; Pannenberg, S. 1 1 - 1 8 ; Wallmann, Theologiebegriff, S. 1 1 - 1 7 . Zum vormittelalterlichen Verständnis von „theologia" vgl. Kattenbusch. 11

12

1 3 Neben der im 13. und 14. Jahrhundert zunehmend verbreiteten aristotelischen Auffassung der Theologie als „Wissenschaft" („scientia") konnte sich das ältere augustinische „Sapientia"Konzept von Theologie durchaus noch erhalten. Im Unterschied zu dem aristotelisch-wissenschaftlichen Studienprogramm der Universitäten wurden von diesem Theologieverständnis aus eher andere, stärker ethisch-religiös bestimmte Konzeptionen der Theologenausbildung entwikkelt; siehe vor allem Hugo von St. Viktor, Didascalicon de studio legendi (um 1 1 2 7 ) .

22

Kapitel

2: ,Geistiger

Stand' des ,geistlichen

Standes'

im

Spätmittelalter

mischen, womöglich graduierten Theologen („theologus") wurde nun deutlich unterschieden. 1 4 Im Vergleich zu den Bildungsanforderungen, denen sich die Theologen zu stellen hatten, waren die geistig-moralischen Ansprüche an den Mess- und Seelsorgeklerus des Hochmittelalters eher bescheiden. Beim ihm bestand auch - genau genommen - keine sachliche Notwendigkeit zu einer umfassenderen philosophisch-theologischen Bildung. Der Priester hatte vorrangig praktische, nicht intellektuelle Aufgaben. 1 5 Albertus Magnus ( 1 1 9 3 / 1 2 0 0 - 1 2 8 0 ) erachtete es bei den Priestern, die nicht zur Seelsorge, sondern nur zum Dienst am Altar bestimmt waren, für hinreichend, wenn sie über grammatische Grundkenntnisse verfügten und den lateinischen Text der Psalmen richtig vortragen konnten. Thomas von Aquin ( 1 2 2 5 - 1 2 7 4 ) forderte von ihnen, dass sie wenigstens die Konstitutiva des Altarsakraments benennen können müssten. 1 6 Die Bildungsvoraussetzungen der Gemeindepfarrer wurden kaum höher angesetzt. Sie sollten der Gemeinde die Glaubensartikel und die Zehn Gebote in einfacher Form darlegen und schwerwiegende Gewissensfragen als solche erkennen, wenn auch nicht entscheiden können. „Soweit der Priester zur Feier des Gottesdienstes verpflichtet ist, muss er soviel Grammatik kennen, dass er die Worte richtig aussprechen und betonen kann und dass er wenigstens den wörtlichen Sinn von dem versteht, was er liest. Soweit er Verwalter der Sakramente ist, muss er wissen, was die notwendige Materie und die notwendige Form eines Sakramentes ist, ferner die richtige Spendungsweise der Sakramente. Soweit er Lehrer ist, muss er wenigstens die Grundlehren des Glaubens kennen, die in den Artikeln des in der Liebe sich wirksam erweisenden Glaubens bestehen. Soweit er Richter in Gewissensfragen ist, muss er zwischen Sünde (lepra) und Nicht-Sünde, zwischen Sünde und Sünde unterscheiden können, wenigstens bei den Sünden, die allen bekannt sind." 1 7 Mit diesen Worten formulierte der Dominikanertheologe Ulrich Engelberti von Straßburg (ca. 1 ^ 2 5 - 1 2 7 7 / 7 8 ) die geistigen Minimalforderungen, die man seitens der Theologen an den niederen Klerus stellte und die eine weithin verbreitete, allerdings unverbindliche Erwartungshaltung wiedergeben dürften. Wenn man auch gelegentlich fordern konnte, dass die Altar- und Gemeindegeistlichen das Athanasianum auswendig können oder über bestimmte Canones Bescheid wissen sollten, so waren doch, insgesamt gesehen, die von den Theologen artikulierten Bildungsansprüche erstaunlich niedrig. 1 8

1 4 In der Hierarchie der kirchlichen Lehrtätigkeit hatte der Priester gegenüber dem Laien das Vorrecht der Predigt; aber das darüber hinausgehende, berufsmäßige Lehren stand allein dem Theologen zu; vgl. Oediger, Bildung, S. 1 0 8 . 1 5 So zu Recht betont von Swanson, S . 4 3 . 1 6 Vgl. die Nachweise bei Oediger, Bildung, S.54£. 1 7 Ulrich (Engelberti) von Straßburg, Summa de bono 6 , 4 , 2 4 ; zit. nach Oediger, Bildung, S . 5 5 f . ; vgl. auch Klaus, S . 2 8 f . 1 8 Vgl. Oediger, Bildung, S . 5 6 .

1. Bildungsideal

und

Bildungspraxis

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Gegenüber der scheinbar so plausiblen antiklerikalen Kritik der Humanisten und den offenkundig nicht allzu hohen Bildungserwartungen an den niederen Klerus stellt sich die faktische Ausbildungssituation der spätmittelalterlichen Geistlichen freilich komplexer dar. Verbindliche Ausbildungsbestimmungen mit einem heutigen Prüfungsordnungen vergleichbaren Regelungsgrad gab es nicht. Ein akademisches Studium war nirgends verbindlich vorgeschrieben. 19 Wer die höheren Weihen begehrte, meldete sich beim zuständigen Bischof. Kirchenrechtliche Bestimmungen schärften diesem zwar die Pflicht ein, die moralische Integrität der Kandidaten zu prüfen, blieben aber im Blick auf die geistigen Zulassungsvoraussetzungen meist unbestimmt oder stellten, wenn sie konkret wurden, eher nur geringe geistige Anforderungen, die auch ohne den Besuch einer niederen, geschweige denn höheren Schule erworben werden konnten. 2 0 So sollte der Bischof nach den Vorschriften des „Decretum Gratiani" die Bewerber durch eine Delegation von „Priestern und anderen klugen Männern" daraufhin prüfen lassen, „ob sie gut gebildet und im Gesetz des Herrn unterwiesen sind, vor allem aber, ob sie am katholischen Glauben festhalten und ihn mit einfachen Worten darlegen können" 2 1 . Wie die Nachforschungen im Einzelnen anzustellen waren, darüber scheint es keine Bestimmungen gegeben zu haben. Es blieb weithin dem 19 Oediger, Bildung, S.64, mit wünschenswerter Klarheit: „Wir müssen überhaupt die Vorstellung abstreifen, als seien Universitätsstudium und Theologie unentbehrliche Voraussetzungen für die Zulassung zur Weihe. Weder die päpstlichen Dekretalen noch die Synodalstatuten noch die Ordenskonstitutionen verlangen etwas Derartiges." Eine Ausnahme bildet freilich die Magdeburger Kirchenordnung von 1400, die festlegte, dass die Angehörigen von Stiften und Klöstern, aber auch die Pfarrer vor oder nach ihrer Anstellung drei Jahre lang studiert haben sollten; vgl. Liebe, S.35. 20 Siehe den dritten Kanon des Dritten Laterankonzils von 1179, C O D , Bd.2, S.212, Z . 1 9 23: „Inferiora etiam ministeria, utputa decanatus, archidiaconatus et alia quae animarum curam habent annexam, nullus omnino suscipiat, sed nec parochialium ecclesiarum regimen, nisi qui iam vigesimum quintum aetatis a n n u m attigerit, et qui scientia et moribus exsistat commend a n d u s . " Ferner die 27. Konstitution („De instructione o r d i n a n d o r u m " ) des Vierten Laterankonzils von 1215, C O D , Bd. 2, S. 248, Z . 4 - 1 2 : „Cum sit ars artium regimen animarum, districte praecipimus, ut episcopi promovendos in sacerdotes diligenter instruant et informent vel per se ipsos vel per alios viros idoneos super divinis officiis et ecclesiasticis sacramentis, qualiter ea rite valent celebrare; quoniam si ignaros et rüdes de caetero ordinäre praesumpserint, quod quidem facile poterit deprehendi, et ordinatores et ordinatos gravi decrevimus subiacere ultioni. Satius est enim, maxime in ordinatione sacerdotum, paucos bonos q u a m multos malos habere ministros, quia si caecus caecum duxerit, a m b o in foveam dilabuntur [vgl. Lk 6,39]." Ähnlich allgemein auch die Bestimmungen der 10. Konstitution („De praedicatoribus instituendis") zu den Prädikanten, die anstelle der Bischöfe den Predigtdienst übernehmen konnten, C O D , Bd. 2, S.239, Z . 2 4 - S.240, Z . 5 . 21 Decretum Gratiani 1,24,5 (ed. Richter, Sp. 88f.): „ Q u a n d o episcopus ordinationes facere disponit, omnes, qui ad sacrum ministerium accedere uolunt, feria quarta ante ipsam ordinationem euocandi sunt ad ciuitatem, una cum presbiteris, qui eos representare debent; et tunc episcopus a latere suo eligere debet sacerdotes et alios prudentes uiros, gnaros diuinae legis et exercitatos in ecclesiasticis sanctionibus, qui ordinandorum genus, uitam, patriam, etatem, institucionem, locum, ubi educati sunt, si sint bene litterati, si in lege Domini instructi, ante omnia diligenter inuestigent; si fidem catholicam firmiter teneant et uerbis simplicibus asserere queant.

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Kapitel 2: ,Geistiger Stand' des geistlichen

Standes' im

Spätmittelalter

Bischof überlassen, wie er sich von den Bildungsvoraussetzungen des Bewerbers überzeugen wollte. Geprüft wurde oft nur, ob der Kandidat einen lateinischen Text aus der Bibel oder dem Brevier einigermaßen fehlerfrei vorlesen und die Bedeutung einiger wichtiger lateinischer Worte angeben sowie weitere Flexionsformen dazu bilden konnte. Immerhin ist seit dem 15. Jahrhundert vermehrt die Praxis nachweisbar, Ordinanden, die unmittelbar nach der Priesterweihe eine Pfarrstelle übernehmen sollten, über dergleichen Elementada hinaus speziell in sakramentstheologischen Fragen zu prüfen. Auch hatte ein Priester, dessen Weiheexamen längere Zeit zurücklag, vor der Übernahme einer Seelsorgestelle mitunter noch einmal ein eigenes Curaexamen abzulegen. Offenbar erachtete man das einfache Weiheexamen als nicht mehr ausreichend für den Dienst in der Gemeinde. Da Forschungen zur spätmittelalterlichen Ordinationspraxis noch weitgehend fehlen, muss einstweilen offen bleiben, inwieweit sich das Curaexamen zu Beginn des 16. Jahrhunderts wirklich durchgesetzt hatte. Entsprechend den relativ geringen Anforderungen hatten viele der spätmittelalterlichen Geistlichen ihre Bildung auf den städtischen Lateinschulen oder durch eine „Lehre" bei einem amtierenden Pfarrer erworben, den sie eine Zeit lang begleiteten. 22 Wenn auch, wie gesagt, niemand ein akademisches Studium förmlich verlangte, so begaben sich doch nicht wenige angehende Geistliche auf die Universitäten. Das dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass im 15. Jahrhundert viele exponierte Stellen nur noch an Universitätsabsolventen vergeben wurden, die einen theologischen oder wenigstens einen philosophischen Grad erworben hatten. 23 Der Anteil der Studenten, die an der theologischen Fakultät studierten, scheint indes nicht besonders groß gewesen zu sein. Soweit sich den Matrikeln Zuweisungen zu den einzelnen Fakultäten entnehmen lassen, betrug er an den deutschen Universitäten nach 1450 nie mehr als fünf Prozent aller Immatrikulierten. 24 Von diesen wiederum wurde nur ein verschwindend kleiner Teil zum [...] §. 2. Igitur per tres dies continuos diligenter examinentur, et sie sabbato qui p r o b a d sunt episcopo represententur." Vgl. dazu Oediger, Bildung, S. 8 1 - 8 3 . 22 Vgl. ebd., S. 76 f. 23 N a c h der 11. Konstitution („De magistris scholasticis") des Vierten Laterankonzils von 1215 sollte zumindest an jeder Metropolitankirche ein Theologe angestellt werden, „qui sacerdotes et alios in sacra pagina doceat et in his praesertim informet, quae ad curam animarum spectare noscuntur." (COD, Bd.2, S.240, Z . 19f.) 24 Vgl. dazu Overfield, S.264, und die Statistiken ebd., S. 2 7 7 - 2 8 8 , die auf der Basis der gedruckten Matrikeln von zwölf deutschen Universitäten erstellt wurden. Soweit sich aus den M a trikeln nähere Angaben zum klerikalen Status der Inskribenten entnehmen lassen, scheinen sich die Anteile der Ordensstudenten und studierenden Weltgeistlichen an der Gesamtmenge aller eingeschriebenen Kleriker an den deutschen Universitäten des 15. Jahrhunderts gegenläufig entwickelt zu haben: Lag der Anteil der Ordensstudenten in dem Zeitabschnitt von 1376 bis 1400 noch bei 1 4 , 3 % , der Anteil der Weltgeistlichen bei 8 5 , 7 % , so war der Anteil der „reguläres" in dem Zeitabschnitt von 1 5 0 1 - 1 5 2 0 auf 6 4 , 3 % gestiegen, derjenige der „saeculares" auf 3 5 , 6 % gefallen; vgl. Overfield, S.264f.288, der diese auffällige Entwicklung vor allem mit der Schließung der ordenseigenen „Studia" erklärt.

1. Bildungsideal

und

Bildungspraxis

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Bakkalaureus, Sententiarius oder Magister promoviert. Die meisten der geistlich ambitionierten Studenten begnügten sich mit dem Besuch der Artes-Fakultät, die sie häufig ohne Magisterabschluss verließen. Der Ausbildungsgang der theologischen Fakultät war recht detailliert geregelt. 25 Die Bestimmungen orientierten sich dabei am Modell der Pariser Universität. Im Unterschied zu den beiden anderen „höheren Fakultäten" der Jurisprudenz und der Medizin wurde vom Theologiestudenten eine mit dem Magisterium abgeschlossene artistische Ausbildung noch an nahezu allen deutschen Universitäten des Spätmittelalters verlangt. 26 Im Theologiestudium standen traditionellerweise zwei Lehrbücher im Mittelpunkt: die Bibel (samt den antiken und mittelalterlichen Kommentarwerken, vor allem der „Glossa ordinaria"), die möglichst ganz im Rahmen von exegetischen Vorlesungen gehört werden sollte, was freilich keine verbindliche Vorschrift, sondern eine unverbindliche Forderung war; und die „Vier Bücher der Sentenzen" (1154-1157) des Petrus Lombardus (ca. 1100-1160), die man als systematisch-theologisches Lehrbuch benützte und zu deren Erklärung umfangreiche scholastische Kommentare herangezogen wurden. Das Studium selbst bestand, was die Seite der akademisch angebotenen Lehrveranstaltungen betrifft, aus Vorlesungen über die genannten Lehrbücher, aus Disputationen zu bestimmten bibelexegetischen und vor allem dogmatischen Fragen. Hinzu kamen gelegentlich noch Übungen, in denen der in den Vorlesungen gehörte Stoff wiederholt und vertieft werden sollte. Die Studiendauer war in den seltensten Fällen rechtlich näher festgelegt. Und umfassendere Leistungskontrollen existierten nur in Gestalt der akademischen Grade, deren Erwerb freilich ins Belieben des Studenten gestellt war. Immerhin waren die zu den Graden zu erbringenden Voraussetzungen, die Prüfungsleistungen und die aus den Graden erwachsenden Lehrverpflichtungen in den Fakultätsstatuten meist genauer geregelt. Ob sich ein Kandidat zur Promotion in der Theologie entschloss, war nicht zuletzt eine finanzielle Frage, da zum Teil hohe Gebühren anfielen und im Fall der Doktorpromotion, dem akademischen Brauch entsprechend, ein aufwendiges Festmahl für die Professoren und Kommilitonen auszurichten war. Alles in allem ergab sich aus den Vorschriften für die Verleihung der Grade eine Regelstudienzeit von wenigstens zehn Jahren. Nur wenige Studenten konnten sich dieses zeitintensive Studium der Theologie leisten, und Lizentiaten- oder Doktorpromotionen waren im Spätmittelalter immer sehr seltene, nicht zuletzt wohl auch deshalb besonders feierlich begangene Akte. Der ganze Studiengang zielte nicht auf einen kirchlichen Beruf, sondern diente eher der Selbstrekrutierung der theologischen Fakultät. 27 Die wenigen Studenten, die den theologischen Studienkurs bis zur Doktorpromotion absolvierten, 25

Vgl. Asztalos, S . 3 6 5 - 3 6 7 ; Seifert, Das höhere Schulwesen, S . 2 1 3 f . In den Pariser Statuten fehlt die Bestimmung, dass n u r der Magister der Theologie w e r d e n k ö n n e , der zuvor als „magister a r t i u m " tätig gewesen sei; vgl. Asztalos, S . 3 6 5 f . 27 Vgl. Overfield, S . 2 7 0 . 26

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Kapitel

2:,Geistiger

Stand' des ,geistlichen

Standes'

im

Spätmittelalter

bildeten zweifellos eine geistig-geistliche Elite, die sich durch eine beachtliche Bibelkenntnis und eine ausgeprägte Fähigkeit zur rationalen Durchdringung kirchlicher Lehrinhalte auszeichnete. Auch im Spätmittelalter vermochte die Universität immer noch Theologen von Rang hervorzubringen.

2. Reformdiskussion An Vorschlägen zur Hebung des Bildungsniveaus im niederen Klerus hat es im Spätmittelalter nicht gefehlt. Sie kamen vor allem von konziliaristischen Theologen, sodann auch aus humanistisch beeinflussten geistlichen Kreisen sowie nicht zuletzt von den Humanisten selbst. Die Reformüberlegungen zielten in eine doppelte Richtung: zum einen auf eine Verbesserung des Bildungsstands bei den bereits im Amt befindlichen Geistlichen; zum anderen auf eine Verschärfung der Eingangsvoraussetzungen zur Priesterweihe und der Kriterien zur Vergabe von Pfarrstellen. So forderten Johannes Gerson ( 1 3 6 3 - 1 4 2 9 ) und Heinrich von Langenstein ( 1 3 2 4 - 1 3 9 7 ) zum Beispiel, dass regelmäßig Synoden und Visitationen abgehalten beziehungsweise durchgeführt würden. 2 8 Die Bischöfe sollten sich ein möglichst genaues Bild vom faktischen Bildungszustand ihrer Geistlichen machen und diese zur Aufnahme von begleitenden Studien bewegen. Das unter dem Einfluss Gersons auf dem Konzil von Basel im Jahr 1 4 3 3 verabschiedete Dekret „De conciliis provincialibus et synodalibus" sah vor, die Provinzialsynoden mehr noch als bisher zu theologischen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen umzugestalten. 2 9 Die Synoden hatten demnach nicht nur die Aufgabe, die Priester an ihre geistlichen Pflichten zu erinnern, sondern sie auch durch Verlesung der Provinzial- und Synodalstatuten, durch Verlesung einschlägiger Traktate zur Sakramentstheologie und zur Seelsorge zu belehren. Da Papst Eugen IV. ( 1 4 3 1 1 4 4 7 ) das Konzil ablehnte, erlangte das Dekret jedoch keine kirchenrechtliche Gültigkeit. Die spätmittelalterlichen Reformüberlegungen galten aber vor allem den geistigen und moralischen Mindestanforderungen, die an die Bewerber für das Prie-

Vgl. Oediger, Klerusbildung, S. 1 4 7 . 1 5 1 . C O D , B d . 2 , S . 4 7 3 , Z. 1 7 - 2 6 : „Prima autem die convenientibus dioecesano et omnibus aliis qui huiusmodi synodo interesse tenentur, infra missarum solemnia, vel post, dioecesanus vel alius eius nomine verbum Dei proponat, exhortando omnes ad bonos mores sectandum, abstinendum a vitiis, et ad ea quae pertinent ad ecclesiasticam disciplinam et officia singulorum, et praesertim ut hi, quibus animarum cura commisssa est, diebus dominicis et aliis solemnitatibus plebem subiectam doctrinis et monitis salutaribus instruant. Postea legantur statuta provincialia et synodalia, et inter alia aliquis compendiosus tractatus, docens quomodo sacramenta ministran debeant, et alia utilia pro instructione sacerdotum." 28

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2.

Reformdiskussion

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steramt zu stellen w a r e n . 3 0 Grundkenntnisse des Lateinischen, der wichtigsten liturgischen Texte und Gesänge, meist auch der sakramentstheologischen Elementaría wurden von den Bewerbern um die Priesterweihe vielfach gefordert. Von denjenigen, die als Seelsorger einer Gemeinde tätig werden sollten, verlangte man wenigstens Grundkenntnisse in der kirchlichen Lehre und M o r a l , ferner auch die zur Verwaltung des Bußsakraments unabdingbare Fähigkeit, die Sünden unterscheiden und die Buße taxieren zu können. W o humanistischer Einfluss spürbar ist, wie bei den Vertretern des oberrheinischen Kreises um Geiler und Wimpfeling, da wurde insbesondere die Forderung nach einem stärkeren U m gang der Geistlichen mit der Bibel laut. Aufs Ganze gesehen gingen diese Vorschläge jedoch nicht wesentlich über das vom Kirchenrecht vorgeschriebene, nicht allzu anspruchsvolle M a ß hinaus. 3 1 Die Reformtheologen ermahnten die Bischöfe, mit der Vergabe der Weihe und der Seelsorgestellen nicht zu lax zu verfahren und sich gründlich der Bildungsvoraussetzungen der angehenden Priester zu vergewissern. Unkundige, insbesondere Bibelunkundige sollten nicht ordiniert werden. Angesichts des bei den Weihe- und Curaexamina offenbar nur schwer einzuhaltenden Prüfungsniveaus erhoben konziliaristische Kreise die Forderung, alle Seelsorgestellen oder zumindest die höheren Seelsorgestellen nur noch an akademisch graduierte Bewerber zu vergeben. 3 2 Die „ R e f o r m a t i o Sigismundi" ( 1 4 3 9 ) formulierte besonders klar: „Ain byschof sol kein pfarrkirchen mit kainem besetzen, er pring denn von ainer hohen schuol brief und Insigel, das er wirdig sey, ain pfarr auszerichten, Z u o dem so sol auch der bischof ain solichen verhörn w a n er sol zo dem mindesten ain bacularius s e i n . " 3 3 Faktisch wurde damit erstmals der Universität der Auftrag zur Pfarrerausbildung erteilt. Die Stellenbesetzungspraxis entsprach, was die höheren Stadt- und Stiftspfarrstellen anging, freilich schon seit längerem den vorgetragenen Forderungen. Im Blick auf die niederen Pfarrstellen sahen die Ver-

3 0 Z u m Folgenden vgl. Oediger, Klerusbildung, S. 1 5 9 - 1 6 1 . Zu Gersons Vorstellungen einer theologischen Ausbildungsreform vgl. Smolinsky, Johannes Gerson. 3 1 Die Reformtheologen suchten die Ausbildungssituation des niederen Klerus freilich auch institutionell zu verbessern. Z u dem Projekt einer theologischen Hochschule, das Geiler von Kaysersberg in Straßburg verfolgte, vgl. Pfleger, S. 8 0 - 8 2 . 3 2 Auf den Reformkonzilien wurden Standards zur Stellenvergabe formuliert, die jedoch keine päpstliche Approbation erlangten. So sah das auf dem Konzil von Konstanz verabschiedete deutsche Konkordat von 1 4 1 8 vor, ein Sechstel aller Kanonikate an Kathedral- und Stiftskirchen für Geistliche zu reservieren, die mindestens den philosophischen Magistergrad und in einem fünfjährigen Theologie- oder Kirchenrechtsstudium einen weiteren Grad an einer der beiden oberen Fakultäten erworben hatten. Auch sollten Pfarrgemeinden mit mehr als 2 0 0 0 Seelen Priestern vorbehalten bleiben, die in der Theologie oder Kanonistik promoviert worden waren; vgl. Overfield, S . 2 6 6 . Auf dem Konzil zu Basel wurde beschlossen, die bedeutenderen städtischen Pfarrstellen bevorzugt an akademisch graduierte Geistliche zu vergeben; vgl. Oediger, Klerusbildung, S . 1 5 9 . 3 3 Zit. nach Oediger, Klerusbildung, S . 1 6 2 , A n m . 7 8 . Vgl. auch T. K a u f m a n n , Universität, S. 3 2 4 , A n m . 3 5 8 .

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Kapitel 2: ,Geistiger Stand' des geistlichen Standes' im Spätmittelalter

hältnisse allerdings anders aus. Hier scheinen graduierte Geistliche durchweg die Ausnahme gewesen zu sein. D a die konziliaristischen Theologen mit ihren Reformvorschlägen sich in der Kirche nicht durchsetzen konnten, sollte sich daran auch zunächst nicht viel ändern. Die Autoren, die im engeren Sinne dem Humanismus zuzurechnen sind, machten die spätmittelalterliche Geistlichkeit bekanntlich zu einem prominenten Opfer ihrer Kritik, häufig verbunden mit scharfen Attacken, mit Spott und Ironie, teilweise aber auch verbunden mit Vorschlägen zur R e f o r m der klerikalen Bildungssituation. Über das scholastische, grammatikalisch wie stilistisch wenig anspruchsvolle Latein der Universitätstheologen erging man sich in medisanten Bemerkungen, über die Blüten der Unbildung unter dem niederen Klerus ergoss man seinen geistreichen Spott. Gelegentliche Vorschläge zur R e f o r m der Klerikerbildung waren jedoch meist wenig konkret und gingen selten über die bloße Ermahnung zum Bibelstudium hinaus. Eine Ausnahme bildete Erasmus von R o t terdam ( 1 4 6 9 - 1 5 3 6 ) . Er suchte, angeregt durch seine Begegnung mit J o h n Colet ( 1 4 6 6 - 1 5 1 9 ) , T h o m a s M o r u s ( 1 4 7 8 - 1 5 3 5 ) und J o h n Fisher ( 1 4 6 9 - 1 5 3 5 ) während seines ersten Englandaufenthaltes ( 1 4 9 9 - 1 5 0 0 ) , nach einer umfassenden Synthese von Humanismus und Theologie, von „bonae litterae" und „sacrae litt e r a e " - eine Synthese, die nicht zuletzt in einem neuen, wirkungsgeschichtlich einflussreichen geistlichen Bildungsideal Gestalt gewann. Folgt man der Auffassung Augustijns, 3 4 so wollte Erasmus vor allem die bislang nahezu ausschließlich mit paganen Quellen befassten humanistischen Studien auf christliche Quellen konzentrieren. Die „studia h u m a n i t a t i s " sollten zu Christus hinführen. Die antiken christlichen Texte, die Bibel voran und auch die Kirchenväter, waren in den Augen des Erasmus beredte Zeugnisse eines einfachen, geistvollen, innerlichen und zugleich zum Handeln bewegenden Christentums, inspiriert von der höchst einfachen und geistvollen „philosophia" seines Stifters, der gegenüber alle späteren Traditionen, dogmatischen und kirchenrechtlichen Lehrfestlegungen sowie scholastischen

Differenzierungsleistungen

als Degenerationsformen

erschie-

nen. 3 5 Eine der wichtigsten Aufgaben der Theologie sah er darin, mit Hilfe humanistischer M e t h o d e n der Textphilologie und -exegese diese

„philosophia

Christi" ihren Grundzügen nach aus der Bibel zu eruieren. Die Theologie sollte sich nicht so sehr mit philosophischen Subtilitäten beschäftigen, sondern zuerst und vor allem eine auf die biblischen Texte bezogene, humanistisch-methodische 3 4 Vgl. Augustijn, Art. Erasmus S. 3 - 6 ; Erasmus, S. 9 4 - 9 7 . Vgl. ferner Chantraine, „Mystèr e " et „Philosophie du C h r i s t " , S . 4 1 - 9 8 ; van Gelder, S. 1 3 4 - 1 4 6 ; H o f f m a n n , Erkenntnis und Verwirklichung, S. 5 8 - 5 9 ; Huizinga, S. 9 7 - 1 0 5 . Z u der seit Jahrzehnten intensiv diskutierten Frage, inwieweit sich Erasmus als „ T h e o l o g e " verstanden hat, sei hier nur auf die Stellungnahme von Walter verwiesen; vgl. ders., S . 3 f . 1 6 - 2 0 (Lit.). Eher zurückhaltende Beurteilung der Frage bei Augustijn in ders., Art. Erasmus, S. 5 , Z . 3 - 1 5 . 3 5 Z u r Scholastikkritik des Erasmus vgl. Walter, S . 2 5 8 f . Z u Gemeinsamkeiten und Unterschieden der erasmianischen „philosophia Christi" und der Spiritualität der „devotio modern a " vgl. Tracy, S. 3 9 - 4 7 .

2.

Reformdiskussion

29

R e k o n s t r u k t i o n der e i n f a c h e n L e h r e Christi sein. D i e T h e o l o g i e w a r i h r e m W e s e n n a c h n i c h t s a n d e r e s als die A u s l e g u n g der H e i l i g e n S c h r i f t . 3 6 I n v e r s c h i e d e n e n S c h r i f t e n e n t f a l t e t e er sein n e u e s , a n s p r u c h s v o l l e s I d e a l e i n e r t h e o l o g i s c h e n B i l d u n g i m S i n n e dieses „ B i b e l h u m a n i s m u s " 3 7 , a m k o n s e q u e n t e s t e n in d e r „ R a t i o seu m e t h o d u s c o m p e n d i o p e r v e n i e n d i a d v e r a m t h e o l o g i a m " v o n 1 5 1 8 . 3 8 Sie zeigt z u g l e i c h d e n E i n f l u s s v o n A u g u s t i n s „ D e d o c t r i n a c h r i s t i a n a " a u f d a s e r a s m i a n i s c h e B i l d u n g s k o n z e p t . D a s W e r k ist s e i n e r g a n z e n A u s r i c h t u n g n a c h e i g e n t l i c h n i c h t s a n d e r e s als e i n e u m f a n g r e i c h e E i n f ü h r u n g in die M e t h o d e d e r B i b e l a u s l e g u n g . U m die B i b e l v e r s t e h e n zu k ö n n e n , s i n d v e r s c h i e d e n e Q u a l i f i k a t i o n e n n ö t i g . D i e H e i l i g e S c h r i f t ist n ä m l i c h s p r a c h l i c h e r und

geistli-

c h e r N a t u r . Sie ist T e x t , z u g l e i c h a b e r a u c h R e p r ä s e n t a t i o n s g e s t a l t C h r i s t i . D e n n i m T e x t ist n i e m a n d g e r i n g e r e s als C h r i s t u s s e l b s t a n w e s e n d , d e r die M e n s c h e n l e h r t u n d u n t e r w e i s t . I m W o r t l e b t das W o r t w e i t e r . 3 9 A u s d i e s e r D o p p e l n a t u r e r g e b e n s i c h u n t e r s c h i e d l i c h e B e d i n g u n g e n des V e r s t e h e n s : A l s l i t e r a r i s c h e s D o k u m e n t , d a s in e i n e r f r e m d e n S p r a c h e g e s c h r i e b e n ist, k a n n die B i b e l n u r v e r s t a n d e n w e r d e n , w e n n m a n die S p r a c h e n b e h e r r s c h t u n d i h r e l i t e r a r i s c h e n G a t t u n -

5 6 Erasmus, Ausgewählte Werke, S.7, Z . 3 - 8 (Brief an Paul Volz; Basel, 14. August 1518): „Commodissimum itaque mea sententia fuerit, si muneris hoc viris aliquot iuxta piis ac doctis delegetur, ut ex purissimis fontibus euangelistarum et apostolorum, ex probatissimis interpretibus universam Christi philosophiam in compendium contrahant, ita simpliciter, ut tarnen erudite, ita breviter, ut tarnen dilucide." Die Kirchenväter und die altkirchlichen Lehrentscheidungen gehörten also für Erasmus als Dokumente einer beispielhaften, auf die „philosophia Christi" konzentrierten Schriftauslegung zum Kreis der theologischen Studienmaterien hinzu. 3 7 Das mit diesem Begriff bezeichnete historische Phänomen ist freilich nach wie vor nicht stringent beschrieben, wie selbst Augustijn, der diesen Terminus maßgeblich propagierte, einzuräumen scheint; vgl. die vorsichtigen Bemerkungen in ders., Humanismus, S. 1 0 4 . 1 1 0 . 3 8 Joachimsen, S . 5 8 , sieht in der „Ratio" von 1518 „das eigentliche Programm der Wiederherstellung des Christentums. " Vgl. zu dieser Schrift speziell Chantraine, The Ratio, und umfassend ders., „Mystère" et „Philosophie du Christ", S. 1 5 5 - 3 6 2 ; Hoffmann, Erkenntnis und Verwirklichung, S. 3 9 - 4 7 ; Stupperich, Entstehungsgeschichte; ders., Theologische Neuorientierung. Für das Bildungsideal ist ferner das Spätwerk „Ecclesiastes" (1535) bedeutsam, in dem Erasmus die geistigen und moralischen Anforderungen darlegt, die seiner Meinung nach an Bischöfe und Priester zu stellen sind. Die „Ratio" war 1516 erstmals erschienen, und zwar als Vorrede zur Ausgabe des griechischen Neuen Testaments. 1518 erschien erstmals ein Separatdruck in Antwerpen. Seit 1 5 1 9 wurde sie nur noch in Form von Einzeldrucken veröffentlicht. Erasmus hatte sie seit ihrem erstmaligen Erscheinen mehrfach umgearbeitet. So war die einstige „Vorrede" in der Ausgabe letzter Hand von 1523 schließlich zu einem Traktat von 112 Oktavseiten angewachsen. 3 9 Das ist der Grundgedanke der 1516 erstmals erschienenen „Paraclesis"; siehe Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 146, Z. 2 1 - 2 8 (Paraclesis): „Cur statim malumus ex hominum litteris Christi sapientiam discere quam ex ipso Christo? Qui quod pollicitus est se Semper nobiscum fore usque ad consummationem saeculi, in his litteris praecipue praestat, in quibus nobis etiamnum vivit, spirat, loquitur, paene dixerim efficacius, quam cum inter homines versaretur. Minus videbant, munus audiebant Iudaei, quam tu vides et audis in euangelicis litteris, tantum ut oculos et aures afferas, quibus ille cerni et audiri possit." Vgl. Wiedenhofer, Bd. 1, S. 3 7 - 3 9 ; ferner Hoffmann, Erkenntnis und Verwirklichung, S.75, Anm.9.

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Spätmittelalter

gen beherrscht; als göttliche Offenbarung, dagegen kann die Bibel nur verstanden werden, wenn der göttliche Geist selbst den Sinn erschließt. 4 0 Entsprechend bewegen sich die Anweisungen des Erasmus, stark schematisierend gesagt, auf zwei Ebenen. 4 1 Zunächst und zuerst einmal auf der Ebene der intellektuellen Kenntnisse und Fähigkeiten. Nach der Überzeugung des Erasmus kann niemand zu dem im biblischen Text verborgenen Geheimnis vordringen ohne ein Verständnis der ursprünglichen Form, in der es offenbart worden ist. Da aus den überlieferten hebräischen und griechischen Codices als den „Quellen" die „himmlische Philosophie" am reinsten geborgen werden kann, ist für den angehenden Theologen neben dem Lateinischen die Kenntnis der biblischen Sprachen unverzichtbar. 42 Außerdem lassen sich viele biblische Texte - als Dokumente einer anderen Zeit und Kultur - ohne ein historisches Realienwissen, ohne ein Wissen von der biblischen Topographie, der Botanik Palästinas, der Geschichte Israels nicht verstehen. 4 3 Wie Augustin, so fordert auch Erasmus das Studium realienbezogener Artes aus hermeneutischen Gründen. Wichtiger, weil für den Zugang zu den biblischen Texten entscheidend, sind ihm jedoch die sprachlichen Wissenschaften, voran die Grammatik, Rhetorik und Poesie. 4 4 Die Auslegung der biblischen Schriften folgt im Prinzip keinen anderen Grundsätzen als die Auslegung anderer Schriften auch. Sie geschieht nach allgemeingültigen hermeneutischen Regeln, die schon der Antike bekannt waren und von ihr traditionellerweise in der Disziplin der „Rhetorik" überliefert wurden. 4 5 Exegese in dem von Erasmus entworfenen Sinn ist eine grammatikalische wie auch eine rhetorisch-poetische Analyse. Im biblischen Text, das heißt in einer bestimmten sprachlichen Form, ist das göttliche Geheimnis verborgen. Deshalb sind die biblischen Texte gerade auch ihrer stilistischen Faktur nach zu analysieren, was wiederum eine gründliche Vertrautheit mit der klassischen Rhetorik und Poesie voraussetzt. 4 6 Zugleich helfen die sprachlichen Wissenschaften zu einer anspreVgl. Wiedenhofer, Bd. 1, S . 5 8 . Eine detaillierte Untersuchung der diversen Anweisungsüberlegungen des Erasmus in der „ R a t i o " bietet Walter, S. 1 5 4 - 2 0 0 . 4 2 Siehe Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 1 8 1 , Z . 1 5 - 2 5 (Ratio), mit Verweis auf Augustin, De doctrina christiana 2,1 (16); Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 1 8 2 , Z. 1 4 - 1 8 (Ratio): „Nam (ut omnes ceteras humanas disciplinas negligamus) nulla ratione fieri potest, ut intelligas quod scriptum est, si sermonis, quo scriptum est, fueris ignarus, nisi forte malumus otiosi quicquid hoc est muneris cum apostolis e caelis exspectare." 4 3 Siehe Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 1 8 4 , Z. 2 3 - 3 0 (Ratio), und dazu Augustin, De doctrina christiana 2 , 1 6 . 1 8 . 2 8 - 3 1 . 4 4 Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 1 8 7 , Z . 1 - 3 . 2 3 - 2 8 (Ratio). 4 5 Vgl. Hell, S. 19; Walter, S . 2 5 2 . 4 6 Chantraine, The Ratio, S. 1 8 1 : „ H o w can one read Scripture in the original without perceiving at the outset the warmth and breath of it? The mystery lies within the writing. T h a t is why he who would interpret Scripture without knowing the languages would risk profaning it: no one can have access to the mystery without understanding the form through which it is revealed." Siehe Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 1 8 5 , Z . 18f. (Ratio): „Atqui non raro ex ipsa rei proprietate pendet intellectus mysterii." 40 41

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Reformdiskussion

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chenden, auf Überzeugung zielenden Darstellung der gewonnenen exegetischen Erkenntnisse. Die Dialektik, Leitwissenschaft des scholastischen Umgangs mit biblischen Texten, nimmt bei Erasmus gegenüber R h e t o r i k und Poetik nur eine untergeordnete Stellung ein. D a es aber darauf a n k o m m t , das Ganze der biblischen Aussagen zu einem bestimmten Themenkreis im Blick zu behalten, empfiehlt Erasmus neben der grammatikalischen und rhetorisch-poetischen Analyse noch eine weitere M e t h o d e , die der Theologe ebenfalls zur Schriftauslegung beherrschen sollte: die L o c i - M e thode. Sie besteht darin, Lesefrüchte aus der Bibel in Blanko-Heften unter bestimmten Grundbegriffen ( „ l o c i " ) zu verzeichnen, unter denen sie bei Bedarf schnell wiedergefunden werden können. Die Grundbegriffe sollen dabei nach der sachlichen N ä h e oder Ferne der durch die Begriffe bezeichneten Dinge angeordnet werden. 4 7 Die Katalogisierung von Lesefrüchten nach einzelnen Loci war ein bereits in der Antike, dann vor allem wieder bei den italienischen H u m a n i sten praktiziertes Verfahren der Literaturbearbeitung. 4 8 Erasmus zufolge hat die Anlage derartiger Kollektaneen offenbar mehrere Funktionen: Durch Z u s a m mentragen von Bibelstellen unter bestimmte Loci wird die Glaubwürdigkeit der Aussage eines einzelnen biblischen Verses erhöht; andererseits motivieren Spannungen und Widersprüche zu weiteren Nachforschungen. Ferner lassen sich so idiomatische und tropische Redeweisen der Bibel mit größerer Sicherheit erkenn e n . 4 9 Es geht also nicht nur um eine Inventarisierung von Bildungsstoff, sondern um eine Intensivierung der Begegnung mit dem Text. Eine solche, nach bestimmten Grundbegriffen erfolgende Sammlung von Lesefrüchten diente vor allem pädagogischen Z w e c k e n . Sie sollte den Studenten zu einer intensiven, auf bestimmte Sachgesichtspunkte konzentrierten Lektüre zwingen und ihm zugleich im Lauf der Zeit eine Übersicht über die wichtigsten T h e m e n der „philosophia Christi" verschaffen. Die entscheidende Qualifikation zur Auslegung der Bibel liegt für Erasmus jedoch auf einer zweiten, anderen Ebene: auf der Ebene des Glaubens und der 4 7 Erasmus, Ausgewählte Werke, S . 2 9 1 , Z . 1 4 - 1 7 (Ratio): „ [ . . . ] id est huiusmodi, ut locos aliquot theologicos aut tibi pares ipse aut a b alio quopiam traditos accipias, ad quos omnia, quae legeris, velut in nidulos quosdam digeras [ . . . ] . " Als Beispiele solcher Loci nennt Erasmus, ebd., Z . 1 9 - 2 9 (Ratio): „[...] de fide, de ieiunio, de ferendis malis, de sublevandis infirmis, de ferendis impiis magistratibus, de vitando simplicium offendiculo, de studio sacrarum litterarum, de pietate erga parentes aut liberos, de Christiana caritate, de honorandis primatibus, de livore, de obtractatione, de castimonia atque aliis id genus; nam innumerabilies fingi possunt. His in ordinem compositis iuxta rerum pugnantiam aut affinitatem (ut in Copia quoque nostra quandam indicavimus) quicquid usquam insigne est in omnibus veteris instrumenti libris, in euangeliis, in Actis, in litteris apostolorum, quod vel conveniat vel dissonet, ad hos erit redigendum." Zu Erasmus' stark inhaltsorientiertem, sententiösem und nicht mehr so sehr logisch-formalem Verständnis der Loci vgl. M o s s , S. 1 0 1 - 1 1 5 ; Schmidt-Biggemann, S. 1 5 - 1 9 . 4 8 Vgl. die allgemeinen geschichtlichen Informationen bei Buck; Coenen; Mertner. Z u r Geschichte der gedruckten Loci-communes-Handbücher vgl. vor allem M o s s . 4 9 Siehe Erasmus, Ausgewählte Werke, S . 2 9 2 , Z . 9 - 1 1 ; S . 2 9 3 , Z . 1 1 - 1 3 (Ratio).

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Kapitel 2: ,Geistiger

Stand' des geistlichen

Standes' im

Spätmittelalter

F r ö m m i g k e i t . B e i d e s ist n ö t i g , u m d e m G e i s t h e r m e n e u t i s c h e n W i r k r a u m zu erö f f n e n . D a s zeigt s c h o n die B e t o n u n g d e r r e c h t e n i n n e r e n V o r b e r e i t u n g . D a m i t d e r G e i s t G o t t e s i m M e n s c h e n W o h n u n g n e h m e n u n d i h n u n t e r r i c h t e n k a n n , ist es n ö t i g , d a s s s i c h d e r E x e g e t „ w a h r h e i t s f e i n d l i c h e r " L e i d e n s c h a f t e n w i e R u h m s u c h t o d e r f a l s c h e r N e u g i e r e n t l e d i g t u n d s i c h s t a t t d e s s e n m i t d e m „ A u g e des G l a u b e n s " („oculus fidei") und mit Ehrfurcht dem biblischen Text annähert.50 D e s h a l b drängt E r a s m u s vor aller exegetischen Arbeit auf G e b e t und M e d i t a t i o n , d u r c h die e i n e e n t s p r e c h e n d e s e e l i s c h e D i s p o s i t i o n g e s c h a f f e n w i r d , e i n Geist der D e m u t , Einfachheit und Reinheit, der nicht auf neugieriges Spekulant e n t u m a u s ist, s o n d e r n sich a n d e n Stil des H e i l i g e n G e i s t e s zu g e w ö h n e n t r a c h tet.51 A u ß e r d e m drängt E r a s m u s d a r a u f , das Gelesene gleichsam lebenspraktisch a u s z u p r o b i e r e n u n d die e i g e n e n A f f e k t e d e n i m T e x t b e s c h r i e b e n e n a n z u g l e i chen.52 Aus einem frommen, „geistlichen" Lebenswandel erwächst dem M e n s c h e n n ä m l i c h j e n e G l e i c h f ö r m i g k e i t , die n a c h d e m p l a t o n i s c h e n P r i n z i p des „ S i m i l i a s i m i l i b u s " e r s t d e n t i e f e r e n , g e i s t l i c h e n S i n n des b i b l i s c h e n T e x t e s e r k e n n e n l ä s s t . 5 3 D e r W e g in die T h e o l o g i e ist d e s h a l b i m m e r a u c h d e r W e g in die F r ö m m i g k e i t . 5 4 D a s Z i e l ist die „ p i a d o c t r i n a " o d e r „ d o c t a p i e t a s " . 5 5 D a b e i ist zu b e -

50 Erasmus, Ausgewählte Werke, S . 1 7 9 , Z. 1 9 - 2 2 (Ratio): „Paulus enarrationem arcanae scripturae non philosophiam, sed prophetiam vocat. Prophetia vero spiritus illius aeterni donum est. Huic igitur pectus tuum praepares oportet, ut tu quoque verbo prophetico Oeoöiöaxxog vocari merearis. Adsit oculus fidei simplex et columbinus, qui non cernit nisi caelestia." Siehe ebd., S. 179, Z . 2 4 - S. 180, Z. 19 (Ratio). 5 1 Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 180, Z. 3 1 - 3 4 (Ratio): „Lectionem subinde interrumpat precatio aut gratiarum actio, quarum altera sacri spiritus imploret opem, alter beneficium agnoscat, sicubi te senseris profecisse." Ebd., S. 159, Z. 1 8 - 2 3 (Methodus): „Atque hisce iam rebus instructus iugi meditatione versetur in divinis litteris, has nocturna curet versare manu, versare diurna, [Horaz, De arte poetica, 2 6 9 ] has semper in manibus, semper habeat in sinu, ex his semper aliquid aut auribus instrepat aut oculis occurrat aut animo obversetur." Siehe auch ebd., S . 2 9 3 , Z. 1 3 - 1 8 (Ratio). 5 2 Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 180, Z. 2 2 - 2 4 (Ratio): „Hic primus et unicus tibi sit scopus, hoc votum, hoc unum age, ut muteris, ut rapiaris, ut affleris, ut transformeris in ea, quae discis." Vgl. Hoffmann, Faith and Piety, S . 2 4 5 - 2 4 7 ; Wiedenhofer, Bd. 1, S . 6 6 - 7 8 . Die Frage, wieweit dieser Transformationsprozess nach den Vorstellungen des Erasmus geht, ist umstritten. O'Rourke Boyle scheint an eine Aufhebung der Leseridentität zu denken; vgl. dies., S. 73 f. 8 2 - 8 4 ; vorsichtiger dagegen Carrington. 5 3 Vgl. Hoffmann, Erkenntnis und Verwirklichung, S . 7 6 f . 2 2 5 . Siehe zum Beispiel Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 85, Z. 31 - S. 86, Z. 2 (Enchiridion militis Christiani): „Si deus, inquit, est animus, nobis ut carmina dicunt, hic tibi praecipue sit pura mente colendus [Cato, Disticha 1,1]. Ne contemnamus auctorum vel ethnicum vel minutum. Sententia est magno etiam theologo digna et, ut ego quidem deprehendi, tarn intellecta a paucis quam a nemine non lecta. Ea vero est huiusmodi: Similia similibus afficiuntur." 5 4 Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 180, Z. 2 4 - 3 0 (Ratio): „Animi cibus est ita demum utilis, non si in memoria ceu stomacho subsidat, sed si in ipsos affectus et in ipsa mentis viscera traiciatur. Ita demum tibi videare profecisse, non si disputes acrius, sed si te senseris paulatim alteram fieri, minus elatum, minus iracundum, minus pecuniarum, aut voluptatum aut vitae cupidum, si cotidie vitiis decedat aliquid, aliquid accrescat pietati." Siehe auch ebd., S . 2 9 7 , Z . 7 - 9 (Ratio). 55

Siehe die captatio

benevolentiae

im Brief an Paul Volz (Basel, 14. August 1518), Erasmus,

2.

Reformdiskussion

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achten, dass zwischen beiden Gliedern ein Wertgefälle besteht: Die Frömmigkeit ist um ihrer selbst willen zu erstreben; die Gelehrsamkeit kann dagegen niemals Selbstzweck sein. Sie ist nur in Verbindung mit der Frömmigkeit ein erstrebenswertes Ziel des Theologiestudiums. 5 6 Die „ R a t i o " ist somit nicht einfach eine sich in mehr oder weniger konkreten Anweisungen ergehende Programmschrift für eine Reform der Klerikerausbildung. Sie richtet sich keineswegs nur an künftige oder bereits amtierende Priester oder Universitätstheologen wie noch die Schriften der Reformtheologen Johannes Gerson oder Nikolaus von Clemanges ( 1 3 6 7 - 1 4 3 7 ) , 5 7 sondern wendet sich vielmehr an alle des Lateins Lesekundigen, um sie zur „wahren Theologie" anzuleiten. 5 8 Erasmus war sich wohl darüber im Klaren, dass das von ihm entworfene, durchaus anspruchsvolle Sprachen- und Artes-Programm so nur von wenigen würde absolviert werden können. Sein Misstrauen gegen jede Übersetzung ging freilich nicht so weit, dass er die Kenntnis der biblischen Sprachen in jedem Fall zur Voraussetzung des Bibelverständnisses gemacht hätte. Er rechnete damit, dass der biblische Text selbst auch in Übersetzung - besonders durch die emotional bewegenden Gleichnisse und Allegorien - den Leser zu berühren vermag, ihn betroffen macht oder zum Handeln bewegt. Auch Ungebildete können unter Umständen die Bibel verstehen, teilt sich doch, wie bereits angedeutet, der Geist vorrangig denen mit, die sich möglichst unverbildet und leer dem biblischen Text zuwenden. Und in besonderem M a ß eröffnet sich der tiefere Sinn demjenigen, der versucht, die Botschaft des Textes ins Leben umzusetzen. 5 9 Die Ausgewählte Werke, S. 3, Z. 9f.: „[...] ut estis ipsi pia doctrina et docta pietate praediti, scio nihil probari, quod non iuxta pium sit atque eruditum [...]." Vgl. zu den unterschiedlichen Begriffspaarungen von „pius" und „doctus" (beziehungsweise „eruditus") Chantraine, „Mystère" et „Philosophie du Christ", S. 1 0 2 - 1 1 3 . 5 6 Siehe Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 180, Z . 2 4 - 3 0 (Brief an Paul Volz; Basel, 14. August 1518): „Neque illud sit nobis studio, ut ipsi litterati videamur, sed ut quamplurimos ad Christianam vitam pellicamus." Ebd., S. 154, Z. 17f. (Methodus): „[...] professio theologica magis constat affectibus quam argutiis [...]." Siehe auch ebd., S . 3 0 4 , Z. 1 1 - 1 5 (Ratio). Vgl. Wiedenhofer, B d . l , S . 7 8 . 5 7 Siehe die kleine Denkschrift, die Gerson seinem Brief an Petrus von Ailly vom 1. April 1400 als Anhang beigab: Jean Gerson, Œuvres complètes, Bd. 2, S . 2 6 - 2 8 , und dann vor allem die drei wohl zwischen April und September 1400 verfassten Briefe an die Mitglieder des Pariser Collège de Navarre: ebd., S. 30—43; zu Nikolaus von Clémanges siehe dessen „Liber de studio theologiae", der, ebenfalls in Briefform gehalten, wohl um 1411 erschienen ist. Eingehendere Vorstellung und kontextuelle Einordnung der genannten Werke bei Hell, S. 1 1 - 1 5 , und Smolinsky, Johannes Gerson. Zu Nikolaus von Clémanges vgl. neuerdings Bellitto. 5 8 Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 192, Z. 5f. (Ratio): „Nos plebeium et properantem instituimus theologiae tironem." 5 9 Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 143, Z. 3 - 1 8 (Paraclesis): „Is mihi vere theologus est, qui non syllogismus arte contortis, sed affectu, sed ipso vultu atque oculis, sed ipsa vita doceat aspernandas opes, Christiano non esse fidendum huius mundi praesidiis, sed totum oportere pendere de caelo, non esse retaliandum iniuriam, bene precandum male precantibus, bene merendum de male merentibus, bonos omnes velut eiusdem corporis membra diligendos ac fovendos ex aequo, malos tolerandos, si corrigi nequeant. [...] Haec inquam et huiusmodi si quis afflatus

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Kapitel 2: ,Geistiger Stand' des geistlichen

Standes'

im

Spätmittelalter

methodische Erschließung der sprachlichen Seite der Bibel ist indessen das eigentliche Geschäft der Theologen. Die Theologie stellte sich für Erasmus je nach Perspektive unterschiedlich dar: Als Kenntnis der einfachen „philosophia Christi" sowie als Versuch einer lebenspraktischen Umsetzung war sie jedermann zugänglich, und Erasmus konnte die viel zitierte Forderung aufstellen, dass jeder Christ Theologe sein müsse. 6 0 Als methodischer Vollzug, nämlich als Freilegung der einfachen Lehre aus dem biblischen Textkörper, war sie eine hochqualifizierte Tätigkeit, die einer gründlichen Anleitung und Einübung bedurfte. 6 1 Die „Ratio seu methodus compendio perveniendi ad veram theologiam" wurde innerhalb von fünf Jahren 14 M a l gedruckt und fand rasch weite Verbreitung. 6 2 Am 12. M ä r z 1519 traf sie in Wittenberg ein. 6 3 Vermittelt über Philipp Melanchthon, der das Werk positiv a u f n a h m , sollte die Methodenlehre des Erasmus d a n n auch für die konzeptionelle Arbeit der Wittenberger Reformatoren bedeutsam werden. 6 4

spiritu Christi praedicet, inculcet, ad haec hortetur, invitet, animet, is d e m u m vere theologus est, etiamsi fossor fuerit aut extor. H a e c si quis et ipsis praestet moribus, is denique m a g n u s est doctor." 60 Erasmus, Ausgewählte Werke, S. 144, Z . 35 - S. 145, Z . 3 (Paraclesis): „ H o c philosophiae genus in affectibus situm verius q u a m in syllogismis, vita magis est q u a m disputatio, afflatus potius q u a m eruditio, t r a n s f o r m a t i o magis q u a m ratio. Doctos esse vix paucis contingit, at nulli non licet esse Christianum, nulli non licet esse pium, a d d a m audacter illud: nulli n o n licet esse t h e o l o g u m . " Vgl. dazu Oediger, Bildung, S . 2 0 f . 61

Z u dieser Unterscheidung vgl. Hell, S. 18. Für die Jahre 1 5 1 9 - 1 5 2 3 verzeichnet das V D 16 vierzehn verschiedene Ausgaben; vgl. auch Bibliotheca Erasmiana, S. 167f., sowie Stupperich, Entstehungsgeschichte. 63 Vgl. Scheible, M e l a n c h t h o n zwischen Luther u n d Erasmus, S. 177f. 64 Selbstverständlich w u r d e die „ R a t i o " auch für die Wittenberger Universitätsbibliothek angeschafft. Im Bibliothekskatalog von 1536 ist ein Exemplar der 1520 bei Froben in Basel gedruckten Ausgabe (VD 16: E3518) nachgewiesen; vgl. K u s u k a w a , S . 6 5 (Nr. 372a). 62

Kapitel 3

Anfänge evangelischer Theologenausbildung an der Wittenberger Universität 1. Geistiges Profil der W i t t e n b e r g e r T h e o l o g i s c h e n F a k u l t ä t Kurfürst Friedrich III. von Sachsen (1463-1525), genannt Friedrich der Weise, trug sich schon bald nach der Regierungsübernahme im Jahr 1486 mit dem Gedanken, eine eigene Universität in dem von ihm zur Regierung übernommenen sächsischen Territorium zu gründen. Als Folge der Wurzener Fehde, der innersächsischen Auseinandersetzungen um die Aufteilung des Stammesterritoriums unter die zwei maßgeblichen Linien, war die Stadt Leipzig mit ihrer Universität an die Albertiner gekommen. Die ernestinische Linie vermochte sich zwar die Kurwürde und den alten Wittenberger Kurkreis zu sichern, besaß aber nun in ihrem Territorium keine eigene akademische Ausbildungsstätte mehr. Im Zuge eines sich ausbildenden landesherrlich-partikularen Bewussteins waren die Universitäten Gegenstand eines besonderen politischen Interesses der Fürsten geworden, wie die Welle der spätmittelalterlichen Universitätsgründungen in Deutschland recht anschaulich belegt. 1 Gegen Ende des 15. Jahrhunderts entbehrten unter den Kurfürstentümern allein Brandenburg und Sachsen einer eigenen Landesuniversität. Doch waren in beiden Territorien entsprechende Vorbereitungen im Gang und brachten im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts die Gründungsbewegung gewissermaßen zum Abschluss. Nach einer längeren Phase von Sondierungsgesprächen mit verschiedenen potentiellen Dozenten erhielt Friedrich der Weise von Kaiser Maximilian I. ( 1 4 5 9 1519; 1508) am 6. Juli 1502 das Privileg, in Wittenberg eine Volluniversität mit Promotionsrecht in allen vier Fakultäten zu errichten. 2 Die neue Universität, in 1 Z u den beiden für die deutsche Universitätsgeschichte konstatierten Gründungswellen ( 1 3 4 8 - 1 4 1 9 : Prag, Wien, Heidelberg, Köln, Erfurt, [Würzburg,] Leipzig, Rostock; 1 4 5 6 - 1 5 0 6 : Greifswald, Freiburg/B., Basel, Ingolstadt, Trier, Mainz, Tübingen, Wittenberg, F r a n k f u r t / O . ) vgl. Oexle, S.53; Schubert, S. 1 3 - 1 7 . 2 Eine neuere Bibliographie zur Geschichte der Leucorea fehlt. Die bis 1980 erschienene Literatur verzeichnet auf der Basis des Standardwerks von E r m a n / H o r n die „Bibliographie zur Geschichte der Universität W i t t e n b e r g " von Hildegard Herricht; vgl. auch die Angaben bei Pester, S. 193 f. Z u r Geschichte der Wittenberger Universität ist nach wie vor grundlegend, w e n n auch mit m a n c h e m Fehler behaftet, die 1 9 1 7 erschienene Darstellung von Walter Friedensburg (GUW). Ebenso unverzichtbar ist das von Friedensburg erarbeitete zweibändige U r k u n d e n buch. Z u den Anfängen der Universität sind ferner die gedruckten Quellen bei Israël zu verglei-

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Kapitel 3: Anfänge

evangelischer

Theologenausbildung

humanistischer Manier auch „Leucorea" genannt, wurde am 18. O k t o b e r 1502, am Tag des Arztes und Malers Lukas, feierlich eröffnet. 3 Der im Blick auf die übliche Legitimierungspraxis in Deutschland auffällige Tatbestand, dass Friedrich der Weise zuerst beim Kaiser um die Privilegierung seines Universitätsprojekts nachsuchte, lässt sich dabei wohl nicht als Indiz einer romkritischen, nationalbewussten Einstellung des sächsischen Kurfürsten werten. Die gewählte Reihenfolge unterstreicht lediglich den landesherrlichen Charakter der Universitätsgründung. 4 Im Übrigen bemühten sich die Universität wie der Kurfürst schon bald nach der Eröffnung um eine päpstliche Privilegierung, die m a n auch fünf Jahre später erhielt. 5 Im Rahmen der Bestätigung der von Friedrich dem Weisen und seinem mitregierenden Bruder J o h a n n ( 1 4 6 8 - 1 5 3 2 ; 1525) beantragten Inkorporation des Wittenberger Allerheiligenstifts in die Universität erteilte Papst Julius II. ( 1 5 0 3 - 1 5 1 3 ) der neuen Bildungseinrichtung am 20. Juni 1507 die Approbation. 6 Aus der Zeit vor 1508 sind bislang weder Universitätsstatuten noch Satzungen der Theologischen Fakultät nachweisbar. 7 Erhalten sind die Satzungen, die sich chen. Für das 16. Jahrhundert enthalten die „Scripta publice proposita" wertvolles Material. Hilfreich, wenngleich nicht immer fehlerfrei, ist die Materialsammlung von Gottfried Suevus. Aus der älteren Literatur sind zu Institution und Lehrpersonal der Leucorea hervorzuheben: Erdmann, Lebensbeschreibungen und litterarische Nachrichten von den Wittenbergischen Theologen seit der Stiftung der Universität 1502, bis zur dritten hundertjährlichen Säkularfeyer 1802; G r o h m a n n , Annalen der Universität zu Wittenberg, Bd. 1 - 2 . An neueren, disziplinenübergreifenden, zugleich durchweg jubiläumsbedingten Sammelbänden mit wichtigen Beiträgen zur Universitätsgeschichte seien ferner genannt: 450 Jahre Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Bd. 1 - 3 ; Lück (Hg.), Martin Luther und seine Universität; Oehmig (Hg.), 700 Jahre Wittenberg. Stadt - Universität - Reformation. 3 Vgl. GUW, S. 18-20. 4 Vgl. Baumgart, Humanistische Bildungsreform, S. 180f., A n m . 3 7 . Das kaiserliche Privileg dürfte auch einfacher zu erlangen gewesen sein, denn zur Finanzierung der Universität nach dem verbreiteten Modell der Stiftsinkorporation war Friedrich der Weise auf den Papst angewiesen; vgl. die dahin tendierenden Überlegungen Brechts in ders., Martin Luther, Bd. 1, S. 122. Siehe auch die Universitätsstatuten von 1508, in deren Präambel die päpstliche Approbation noch vor der kaiserlichen genannt wird: UUW I, S. 18 (Nr.22); chronologische Erwähnung der einzelnen Approbationsetappen dagegen im Text des theologischen Magisterprivilegs: UUW I, S. 37 (Nr. 23). 5 Bereits im Frühjahr bestätigte der Kardinallegat für Deutschland, Raimund Peraudi, das kaiserliche Privileg; siehe Suevus, Bl. B 4 a - C l a ; UUW I, S.5 (Nr.4). Auch die sicherheitshalber von der Universität an den Kardinallegaten gerichtete Nachfrage im Blick auf das Recht theologischer und kanonistischer Promotionen wurde von Peraudi positiv beschieden - wenn auch nur für die Dauer seiner Legation; siehe Suevus, Bl. C l b - C 2 a ; UUW I, S. 5 (Nr. 5) (in Auszügen). 6 Abgedruckt bei Suevus, Bl. A3 b -B3 b ; siehe auch UUW I, S. 17 (Nr. 19). 7 Außer der Überblicksdarstellung von Friedensburg vgl. zur Geschichte der Theologischen Fakultät speziell Aland und neuerdings Dingel/Wartenberg (Hg.), Die Theologische Fakultät Wittenberg 1502 bis 1602; Sames (Hg.), 500 Jahre Theologie in Wittenberg und Halle. Ältere Literatur bei Erman/Horn, Bd. 2, S. 1 1 2 2 - 1 1 2 6 , Nr. 1 9 6 3 7 - 1 9 6 9 8 ; Herricht, S. 1 9 - 2 1 , Nr. 1 6 7 195. Grundlegende Quelle ist der Liber Decanorum Facultatis Theologicae Academiae Vitebergensis, ex autographo edidit Carl Eduard Foerstemann; vgl. auch den faksimilierten Auszug der Jahre 1502 bis 1594 von Ficker (Hg.), Liber decanorum.

1. Geistiges

Profil der Wittenberger

Theologischen

Fakultät

37

die Artistische Fakultät im Frühjahr 1 5 0 4 gab und die sich weitgehend an denen der Tübinger Philosophischen Fakultät orientierten. Es ist gut möglich, dass auch die Theologische Fakultät in ähnlicher Weise verfuhr. 8 Gestützt werden könnte eine solche Überlegung durch personelle Verbindungen zwischen beiden Universitäten, hatte doch der Gründungsdekan der Wittenberger Theologischen Fakultät, Johann von Staupitz ( 1 4 6 9 - 1 5 2 4 ) nicht nur in Tübingen studiert und seine akademischen Grade erworben, 9 sondern auch einem dortigen Kollegen, dem Augustinereremiten Sigismund Epp (gest. 1 5 0 8 ) , zu einer Wittenberger theologischen Professur verholfen. 1 0 Über das geistige Profil der neuen Universität in den ersten Jahren nach der Gründung lässt sich, soweit es denn schon ausgeprägt war, nicht allzu viel Sicheres sagen. 1 1 Deutlich scheint immerhin, dass Friedrich der Weise ein Interesse daran hatte, seine Landesuniversität dem Humanismus zu öffnen. 1 2 Die von ihm berufenen Gründungsprofessoren, Martin Pollich aus Mellrichstadt (Meilerstadt) (ca. 1 4 5 0 - 1 5 1 3 ) und Johann von Staupitz, beide scholastisch geprägt, hegten bezeichnenderweise gewisse Sympathien für die humanistische Bewegung. 1 3 Der Scheurlsche Rotulus von 1 5 0 7 , die wichtigste Quelle zur Rekonstruktion der Personalsituation in der Frühzeit der Wittenberger Universität, nennt in der Theologischen Fakultät folgende ordentliche beziehungsweise außerordentliche Lehrkräfte: Johann von Staupitz, Martin Pollich - er war am 2 7 . Januar 1 5 0 3 in Wittenberg unter dem Vorsitz Johann von Staupitz' zum Doktor der Theologie promoviert worden und bekleidete im Frühsommer 1 5 0 7 das Dek a n a t - , Jodocus Truttfetter (ca. 1 4 6 0 - 1 5 1 9 ) - der nachmals bekannte nominalistische Theologe aus Erfurt - , Ludwig Henigen (Henning) (gest. 1 5 2 1 ) - Franziskanertheologe und Angehöriger des Wittenberger Minoritenkonvents - und J o hann Mantel (gest. 1 5 4 2 ) 1 4 - wie von Staupitz ein Theologe aus dem örtlichen

So die Vermutung von Friedensburg; vgl. GUW, S . 2 5 , im Anschluss an Bauch, S . 3 0 0 . Von Staupitz wurde in Tübingen am 7. Juli 1 5 0 0 zum Dr. theol. promoviert; vgl. Wriedt, Anfänge, S. 15. 1 0 Zu von Staupitz' Vermittlungstätigkeit vgl. Wriedt, Anfänge, S. 2 2 - 2 4 ; auch Kruse, S. 3 8 , Anm.37. 11 Nicht nur wegen der fundierten Kenntnisse der einschlägigen Archivalien immer noch wertvoll: Bauch, Wittenberg und die Scholastik. Weitergehende kontextuelle Einordnung bei Grossmann, Humanism in Wittenberg 1 4 8 5 - 1 5 1 7 ; dies., Humanismus in Wittenberg, 1 4 8 6 1 5 1 7 . Speziell zur Theologischen Fakultät vgl. zuletzt Wriedt, Die Anfänge der Theologischen Fakultät Wittenberg 1 5 0 2 - 1 5 1 8 . 8 9

1 2 Nach dem Schreiben vom 2 4 . August 1 5 0 2 , mit dem die kursächsischen Regenten zur Eröffnungsfeier der Universität einluden, waren die „studia humanitatis" von Anfang an im Lehrprogramm der neuen Alma mater vorgesehen. Siehe U U W I , S . 4 (Nr. 2): „[...] und verorden uß vergunst und erlaubnus der oberhant, in den freien künsten, der heiligen schrift, geistlichen unde werntlichen rechten, erzenei, poeterei und andern künsten[!] uff itzund Luce des heiligen evangelisten fest anfenglich zu lesen und exerciren [...]." 13 14

Vgl. dazu Grossmann, Humanism, S. 4 2 ^ 6 . Hinweise zur Biographie bei Wriedt, Anfänge, S . 2 3 .

38

Kapitel 3: Anfänge evangelischer

Theologenausbildung

Konvent der Augustinereremiten. 1 5 Nähere Angaben zu den Lektionen der einzelnen Theologieprofessoren enthält der Rotulus nicht, und auch spätere Quellen geben zur Erhellung des theologischen Lehrangebots der Frühzeit nicht viel her. Anders als bei den Theologen nennt der Rotulus bei den Artes-Professoren auch die dazugehörigen Lektionen. Die Disziplinen Logik und Physik waren demnach jeweils doppelt besetzt, und zwar mit einem thomistischen und skotistischen Vertreter. 1 6 Sah sich auch die Theologische Fakultät bei der Festsetzung der Lektionen daran gebunden, die beiden alten „realistischen" Wege in ihrem Lehrangebot zu repräsentieren? Eindeutig ist von den im Rotulus genannten D o zenten eigentlich nur der Lehrauftrag Pollichs zuzuordnen - und zwar aufgrund eines Universitätsberichts aus dem J a h r 1 5 1 6 . 1 7 Pollich hat offenbar „in via T h o m e " 1 8 gelesen, wie ja auch sonst bei ihm thomistische Prägungen nachweisbar sind. Von Staupitz' Lektion, eine ordentliche Vorlesung „in b i b l i a " 1 9 beziehungsweise „in der b i b l i a " 2 0 , wird in den Akten keinem der genannten Wege zugeordnet. Er selbst war offensichtlich im T h o m i s m u s verwurzelt. 2 1 Über die anderen Lektionen lässt sich nichts Sicheres in Erfahrung bringen. Immerhin ist es sehr wahrscheinlich, dass Truttfetter, dessen ockhamistische Prägung unbestritten ist, in der kurzen Zeit seiner Wittenberger Lehrtätigkeit der „theologia mod e r n o r u m " zur Sprache verholfen hat. 2 2 Was Henigen und M a n t e l gelesen haben, ist nicht bekannt. Es ist nicht auszuschließen, dass Henigen als Franziskanertheologe mit skotistischen Vorlesungen beauftragt war, sodass im Lehrangebot der Theologischen Fakultät zeitweilig drei „ W e g e " vertreten waren. D o c h 15

U U W I, S. 1 4 f . (Nr. 1 7 ) : „In Sacra t h e o l o g i a ordinarii et e x t r a o r d i n a r i i c o n d u c t i . D . J o a n -

nes de Staubitz, artium et sacre theologie m a g i s t e r Tubingensis, ordinis h e r e m i t a r u m vicarius. D . M a r t i n u s Polich de M e i l e r s t a d t , artium et m e d i c i n a r u m d o c t o r Lipsensis, sacre pagine magister V i t t e m b e r g e n s i s , gymnasii nostri vicecancellarius, facultatis t h e o l o g i c e d e c a n u s et Ordinarius V i t t e m b e r g e n s i s . D . J o d o c u s T r u t f i t t e r [ ! ] de Y s e n n a c h , sacre t h e o l o g i e magister E r f o r d i a n u s , a r c h i d i a c o n u s Vittenbergensis. D . L u d o v i c u s H e n i g n , sacre theologie magister Patavinus, ordinis m i n o r u m S a x o n i e minister. D . J o a n n e s M a n t e l , sacre pagine magister, ordinis heremitarum." 16

Vgl. Käthe, S . 1 7 .

17

U U W I , S. 7 6 - 8 1 (Nr. 5 7 ) .

18

U U W I , S.77 (Nr.57).

19

U U W I , S. 1 3 (Nr. 1 4 ) .

20

U U W I, S. 7 7 (Nr. 5 7 ) . D i e B e z e i c h n u n g e n „in b i b l i a " oder „in der b i b l i a " bringen in die-

sem Z u s a m m e n h a n g schwerlich s c h o n einen mit dieser Professur v e r b u n d e n e n , spezifisch „bib l i s c h e n " L e h r a u f t r a g zum A u s d r u c k , sondern stehen vielmehr nur - in einer d a m a l s g e b r ä u c h lichen U m s c h r e i b u n g - für „ T h e o l o g i e " . Es w a r w o h l erst Luther, der diesem t h e o l o g i s c h e n Lehrstuhl ein eigenes biblisches Profil gegeben h a t ; vgl. K ö p f , passim. 21

S o zumindest das Urteil der älteren F o r s c h u n g : B o e h m e r , S . 9 2 ; W o l f , Staupitz, S. 3 0 . 3 5 .

Z u r ü c k h a l t e n d e r dagegen W r i e d t , A n f ä n g e , S . 2 9 . E r sucht J o h a n n von Staupitz eher d u r c h die Berater- und Vermittlertätigkeit als durch eine b e s t i m m t e Position im spätmittelalterlichen Schulstreit zu c h a r a k t e r i s i e r e n ; vgl. ebd.; ders., G n a d e und E r w ä h l u n g , S. 1 5 - 2 7 . 22

A l a n d , S. 3 0 3 : „ W e n n m a n schon die via m o d e r n a als Schritt zur N e u z e i t hin über T h o m i s -

mus und S k o t i s m u s hinaus ansehen will, so ist T r u t f e t t e r für W i t t e n b e r g der E x p o n e n t der neuen Z e i t . E r i m p o r t i e r t den O c k h a m i s m u s aus E r f u r t an die E l b e . "

1. Geistiges Profil der Wittenberger Theologischen

Fakultät

39

kehrte Truttfetter nach nur dreijährigem Aufenthalt wieder an seine frühere Wirkstätte Erfurt zurück, und über den Lehrauftrag Ludwig Henigens lässt sich nichts Genaueres sagen. Seine Stelle scheint zudem nicht wieder besetzt worden zu sein. In den J a h r e n 1 5 0 7 und 1 5 0 8 gelang es Friedrich dem Weisen, seine universitäre Neueinrichtung organisatorisch wie rechtlich zu stabilisieren. Z u m einen erhielt er 1 5 0 7 die päpstliche Erlaubnis, nach einem damals durchaus üblichen Modell das örtliche Kollegiatstift in die Universität zu inkorporieren, das heißt genauer, die D o t a t i o n der Kanonikate an die Übernahme einer akademischen Lehrverpflichtung zu koppeln. 2 3 Von den ursprünglich drei zugedachten Stiftsstellen konnten die Theologen zunächst freilich nur das Archidiakonat und die Kustodie in Anspruch nehmen. Erstere hatte von 1 5 0 7 bis 1 5 1 0 der bereits erwähnte J o d o c u s Truttfetter inne; sein Nachfolger war Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt ( 1 4 8 6 - 1 5 4 1 ) . Letztere wurde 1 5 0 8 mit Petrus Lupinus (gest. 1 5 2 1 ) besetzt; nach dessen plötzlichem Tod 1 5 2 1 übernahm J o h a n n Dölsch (gest. 1 5 2 3 ) diese Stelle. Z u s a m m e n mit den beiden Ordenslekturen zeigte sich somit schon um 1 5 0 8 die für die Wittenberger theologische Lehrsituation später typische Vierzahl der Ordinarien. Z u m anderen erließ der Kurfürst 1 5 0 8 eine Verfassung der Universität mitsamt Statuten für die einzelnen Fakultäten, 2 4 nicht ohne dabei großzügig über die akademischen Selbstbestimmungsrechte hinwegzugehen, wogegen die Universität nachträglich protestierte. Die relativ hohe Bedeutung, die der Kurfürst der theologischen Ausbildung an der neuen Universität beimaß, zeigte sich schon daran, dass in der Präambel der Verfassung die „Vermehrung der Kleriker" als ein wesentliches Ziel der Bildungseinrichtung festgeschrieben wurde. 2 5 Was die Theologische Fakultät und deren Lehrangebot betrifft, so enthalten die Verfassung als auch die Fakultätsstatuten allenfalls beiläufige Hinweise zu den Lehrinhalten und zur Anzahl der ordentlichen Professuren. In einem die Bedeutung der Bibel betonenden Vorwort zu den Statuten sprach der Kurfürst gegenüber den Dozenten seine Erwartung aus, „dass das göttliche Gesetz ausgelegt und das Buch des Lebens unterrichtet w e r d e " 2 6 . Dies scheint darauf hinzudeuten, dass Friedrich vor allem an bibelexegetischen Vorlesungen, Übungen, Disputationen gelegen war. Die Statuten gehen, wie sich aus dem zehnten „ c a p u t " („De horis lectionum et m o d o legendi") ersehen lässt, im Unterschied zum Rotulus des Jahres 1 5 0 7 nur Vgl. zum Vorgang jetzt die übersichtliche Darstellung bei Käthe, S. 2 5 - 2 9 . Verfassung der Universität: U U W I, S. 1 8 - 3 1 (Nr. 2 2 ) . Statuten der Theologischen Fakultät: ebd., S . 3 1 - 3 9 ( N r . 2 3 ) ; Liber D e c a n o r u m , S. 1 4 1 - 1 5 1 . 2 5 U U W I, S. 18 (Nr. 2 2 ) : „Gymnasium nostrum litteratorium, quod pridem ad laudem dei optimi maximi, ad clericorum augmentum et communem studiosorum utilitatem approbante Julio pontífice m á x i m o et M a x i m i l i a n o imperatore instituimus [ . . . ] . " 2 6 U U W I, S. 3 2 (Nr. 2 3 ) . Vgl. auch Scheible, Wittenberger Universitätsreform, S. 1 2 4 , A n m . 6 . 23 24

40

Kapitel 3: Anfänge evangelischer

Theologenausbildung

noch von insgesamt vier ordentlichen theologischen Professoren aus: zwei O r densprofessoren (einem Augustinereremiten, einem Franziskaner) und zwei Professoren, die aus Mitteln des Allerheiligenstifts bezahlt wurden. Bezeichnenderweise werden die einzelnen Professuren nur im Z u s a m m e n h a n g der genauen Fixierung der Vorlesungszeiten beziehungsweise Lektionen benannt. Spezielle Lehrprofile - etwa die Verpflichtung auf bestimmte „viae" - werden nirgends vorgeschrieben. Der Professor der Augustinereremiten sollte im S o m m e r um 6 . 0 0 Uhr, im Winter um 7 . 0 0 Uhr morgens mit seiner Vorlesung beginnen, der Franziskanerprofessor nachmittags um 1 5 . 0 0 Uhr. Für die beiden Professoren des Allerheiligenstifts waren die Stunden von 8 . 0 0 Uhr beziehungsweise 9 . 0 0 Uhr und von 1 3 . 0 0 Uhr an reserviert. Die Bakkalaurei, Sententiare und Formati sollten um 5 . 0 0 Uhr, 9 . 0 0 Uhr, 1 1 . 0 0 Uhr oder 1 4 . 0 0 Uhr ihre Pflichtvorlesungen abhalten. 2 7 Den Professoren wurden private Vorlesungen zugestanden. Sie durften jedoch zeitlich nicht mit öffentlichen Vorlesungen kollidieren. 2 8 Die Bestimmungen lassen auf eine gewisse Hierarchie der Zeiten entsprechend der Hierarchie der Stellen schließen: Offensichtlich galten die Stunden am frühen Vormittag und Nachmittag als vornehmere, ,aufnahmebereite' Zeiten, die den ordentlichen Professoren reserviert wurden, während die Stunden um M i t t a g , in denen aufgrund des damals doch recht frühen Tagesbeginns mit Konzentrationseinbrüchen zu rechnen war, den studentischen Lehrkräften vorbehalten blieben.29 Kurfürst Friedrich der Weise, der die Entwicklung seiner Landesuniversität sorgsam beobachtete, ließ die Leucorea 1 5 1 6 nach dem Gang der Vorlesungen, nach der finanziellen Situation, nach dem Büchererwerb und anderem mehr befragen. Das erhaltene Antwortschreiben der Universität gewährt für die Frühzeit der Leucorea einen der wenigen Einblicke in den faktischen Lehrbetrieb der Theologischen F a k u l t ä t . 3 0 D e m n a c h gab es im Sommersemester 1 5 1 6 nur drei Vorlesungen ordentlicher Professoren: Der T h o m i s t Petrus Lupinus, Inhaber der Kustodie des Allerheiligenstifts, dem damals offenbar die Durchführung der Zirkulardisputationen oblag, las um 8 . 0 0 Uhr „in via T h o m e " - eine Lektion, die er von Pollich übernommen hatte. M a r t i n Luther, der von seinem Ordensvikar J o hann von Staupitz 1 5 1 2 den theologischen Lehrstuhl der Augustinereremiten Siehe U U W I , S. 3 7 ( N r . 2 3 ) . U U W I, S. 3 7 (Nr. 2 3 ) : „poterit eciam privatim quis profiteri sine tarnen ordinariarum leccionum praejudicio." 2 9 Die Vorlesungen der Theologen dürften nach anfänglichen provisorischen Unterkünften von 1 5 0 4 bis 1 5 1 1 im so genannten Alten Kolleg stattgefunden haben. Die Augustinereremiten konnten 1 5 0 9 ein neues Konventshaus mit Hörsälen beziehen, das so genannte Schwarze Kloster, in dem dann die lehrenden Angehörigen dieses Ordens ihre Vorlesungen überwiegend abhielten. Den übrigen theologischen Dozenten standen in dem 1 5 1 1 fertig gestellten Neuen Kolleg, dem Fridericianum, vergrößerte Hörsäle zur Verfügung. 27 28

3 0 U U W I, S. 7 7 (Nr. 5 7 ) . Vgl. dazu Junghans, Martin Luthers Einfluß, S. 6 7 , Anm. 5 2 ; Scheible, Wittenberger Universitätsreform, S. 1 2 6 .

1. Geistiges

Profil der Wittenberger

Theologischen

Fakultät

41

übernommen hatte, las „umb gelegenheit der Z e i t " , nicht eigentlich satzungsgemäß, um 1 3 . 0 0 Uhr „in der biblia" - bekanntlich behandelte er damals den Römerbrief. Die zweite dogmatische Vorlesung hielt in Vertretung des in R o m weilenden Andreas Bodenstein der ordentliche Artes-Professor für skotistische Logik und Lizentiat der Theologie Nikolaus von Amsdorf ( 1 4 8 3 - 1 5 6 5 ) . 3 1 Er las um 1 6 . 0 0 Uhr über Gabriel Biel (um 1 4 1 0 - 1 4 9 5 ) . 3 2 Welches Werk des bedeutenden Tübinger Theologen er dabei zugrunde legte, ist nicht bekannt. Ludwig Henigen, der Theologieprofessor aus den Reihen der Wittenberger Franziskaner, scheint in diesem Semester schon nicht mehr gelesen zu haben. 3 3 Die Inhalte der einzelnen Vorlesungen lassen sich kaum näher bestimmen. Die Lektüren an der Leucorea waren damals thematisch oder methodisch wenig spezifiziert. So hatte Pollich offensichtlich thomistische Vorlesungen zu halten, die dann wiederum Petrus Lupinus von ihm übernahm. Der franziskanische Theologieprofessor hatte möglicherweise die skotistische Lehrweise zu vertreten. In der Theologischen Fakultät der Leucorea sollte jedenfalls die „via antiqua" institutionell vertreten sein. Auch das geistige Profil der Lehrpersönlichkeiten weist in die Richtung einer - insgesamt gesehen - eher traditionell-realistischen Prägung der Fakultät. Der Archidiakon des Allerheiligenstifts, Jodocus Truttfetter, war zwar ein profilierter Vertreter des Nominalismus und dürfte seine Studenten in diesem Sinne theologisch unterrichtet haben. Karlstadt, sein Nachfolger im Wittenberger Archidiakonat, war ein Vertreter der „via antiqua" und gab der von Truttfetter übernommenen Lektur wohl eher ein realistisches Gepräge. Die „via moderna" scheint im Lehrangebot der Theologischen Fakultät - im Unterschied zur Artistischen Fakultät - nicht längerfristig vertreten gewesen zu sein. 3 4 Wenn auch die beiden führenden theologischen Lehrer, Martin Pollich aus Meilerstadt und Johann von Staupitz, mit Humanisten befreundet und für deren Geisteshaltung durchaus offen waren, wenn auch Luther zweifelsohne bibelhumanistische Prägungen erfahren hatte, so erlangte doch der Humanismus, insgesamt gese3 1 Von Amsdorf wurde am 2 8 . November 1 5 1 1 zum Lizentiaten der Theologie promoviert; siehe Liber Decanorum, S. 11. 3 2 U U W I, S. 7 7 (Nr. 57): „Doctor Petrus [Lupinus] sal alle freitag disputiren in theologia; sein sold seiner prebenden pension zu Cloden [= Klöden] und einkommen. dieweil aber die andern doctores der heiligen schrift mit im disputiren, so list er frue umb achte aus guten freien willen umbsunst die lection, die doctor Meilerstadt gelessen hat in via Thome. Umb eins noch essens doctor Martinus in der biblia, auf das closter gestift. wie wol ehr fru umb sechs lessen solt, aber umb gelgenheit der zeit list er itzt umb eins. Umb vier noch essens licenciatus Amsdorff in Gabriele anstadt doctoris Carolstadt. Carolstadts solt ist die pension seiner prebenden zu Orlamunde und einkommen. diesser solte wol umb eins lessen. dieweil aber doctor Martinus dieselbige stunde list, so liest ehr umb vier." 3 3 Historisch schwer greifbar ist auch der etwa 25 Jahre ältere Mitbruder Luthers, Johannes Herrgott, der - wahrscheinlich als außerordentlicher Professor - im Wintersemester 1 5 1 6 / 1 7 das Dekanat der Theologischen Fakultät innehatte; vgl. Wriedt, Anfänge, S . 2 3 . 3 4 Allerdings hat der Artes-Dozent Nikolaus von Amsdorf, der Karlstadt 1 5 1 6 in der Professur vertrat, über Gabriel Biel gelesen; siehe UUW I, S . 7 7 (Nr. 57).

42

Kapitel 3: Anfänge

evangelischer

Theologenausbildung

hen, in der obersten Fakultät zunächst keinen weiteren Einfluss. Die Geschichte offenbarte allerdings bald einen Wandel in den geistigen Konturen der Fakultät, der ohne eine grundsätzlich vorhandene Fähigkeit und Bereitschaft der Professoren, sich auf neue mystische, humanistische, augustinistische Denkwege einzulassen, schwerlich erklärt werden kann.

2. Universitätstheologie und Universitätsreform In den Jahren 1516 und 1517 begannen sich die inhaltlichen Konturen des theologischen Lehrbetriebs zu wandeln. Luther beendete im Sommersemester 1516 seine Vorlesung über den Römerbrief, in der er die traditionelle Methode, die biblischen Texte mit Hilfe der scholastischen Autoritäten kommentierend zu „determinieren", zusehends verließ, vermehrt Kirchenväterstimmen zur Erläuterung heranzog und vor allem eine bibelimmanenten Kriterien folgende Exegese zu entwickeln versuchte. Vom 27. Oktober 1516 bis zum 13. März 1517 las er über den Galaterbrief, anschließend begann er über den Hebräerbrief zu lesen. Lupinus hielt im Wintersemester 1516/17 eine Vorlesung zu Ambrosius, Karlstadt las über Augustinus, Johannes Aesticampianus (ca. 1457-1520), humanistischer Professor in der Artes-Fakultät, über Hieronymus. 35 Die auffällige Kirchenväterlektüre war ein Reflex der sich ausbildenden neuen Universitätstheologie. 36 Ausgehend von den Impulsen, die Luther gerade durch das Instrument der Promotionsdisputation der theologischen Diskussion unter den Fakultätskollegen gab und die sein gleichaltriger Ordensbruder und Bakkalaureus der Theologie Johann Lang (ca. 1487-1548) in seiner Lehrtätigkeit frühzeitig aufnahm, bildete sich ab etwa 1515 eine professorale Überzeugensgemeinschaft unter den Wittenberger Theologieprofessoren, die auf einem relativ breiten inhaltlichen und methodischen Konsens basierte. 37 Die neue Universitätstheologie fand in der von Luther anhand paulinischer Texte entwickelten Anthropologie und Gnadenlehre ihr bestimmendes sachliches Zentrum, von dem aus sie nun in andere theologische Themenkreise hin „ausgedacht" wurde. Dabei begann Luther schon relativ bald die synthetische, Natur und Gnade integrierende Grundstruktur des scholastischen Denkens insgesamt infrage zu stellen. Was den methodischen Konsens betrifft, so war man davon überzeugt, dass das Bemühen um eine rein biblische Legitimierung die der Theologie einzig angemessene Begründungsstrategie sei. Man betrachtete die Bibel als die maßgebliche Norm theologischer Argumentation, als eine Norm, die 35

Vgl. Bauer, S.44f. Vgl. den Titel der Studie von Bauer, Die Wittenberger Universitätstheologie und die Anfänge der Deutschen Reformation. 37 Z u r Entstehung des Wittenberger „reform teams" (Lewis W. Spitz) vgl. neuerdings Kruse, S. 1 0 8 - 1 1 2 . 36

2. Universitätstheologie

und

43

Universitätsreform

man jedenfalls derjenigen der scholastischen Autoritäten bei weitem vorzog. M a n wandte sich deshalb gegen die scholastische Theologie, verwarf deren zahlreiche philosophische Begründungsverfahren und forderte stattdessen eine rein bibelimmanente Beweisführung. Die Schriften der Kirchenväter, allen voran des Ambrosius, Hieronymus und Augustinus, schienen diesen methodologischen Vorstellungen schon recht nahe zu kommen und begannen deshalb die Aufmerksamkeit der Theologen auf sich zu ziehen. Der Wittenberger Universitätstheologie konnte man sich aus verschiedenen inneren Motiven heraus anschließen. Je weiter aber diese Theologie ausgeformt wurde, um so mehr mussten sich die verschiedenen Anliegen in der Ausgestaltung profilgebend auswirken und den professoralen Konsens unterlaufen. Die methodischen Bestrebungen der Wittenberger konnten gerade auch von humanistischen Grundüberzeugungen aus mitgetragen werden. Das zeigte nicht nur die rasch wachsende ideelle Unterstützung, welche die neue Universitätstheologie von Humanisten in und außerhalb Wittenbergs erfuhr. Bibelhumanistische Tendenzen dürften vielmehr auch die Motivlage Luthers und seiner Kollegen selbst nicht unwesentlich mitbestimmt haben. 3 8 Von außen her betrachtet, schienen die Bestrebungen der Wittenberger Theologen mit den Bestrebungen der Humanisten zu konvergieren, nämlich zu den unverstellten biblischen Quellen zurückzukehren und ein einfaches Christentum zu suchen. Tatsächlich arbeitete Luther zusammen mit Karlstadt bei Georg Spalatin ( 1 4 8 4 - 1 5 4 5 ) im Jahr 1 5 1 7 auf eine Universitätsreform

hin,

die weitgehend

bibelhumanistischen

Idealen

ent-

sprach. 3 9 Sie konnte 1 5 1 8 durchgeführt werden und bestand vor allem in einer Erweiterung des Lehrangebots der Artes-Fakultät durch Einrichtung humanistischer Vorlesungen, deren Besuch allerdings für die philosophischen Graduierungen nicht verpflichtend vorgeschrieben wurde. 4 0 Sieben neue Lehrstühle kamen damals zu den bestehenden elf hinzu, wobei freilich nur zwei langfristig Bestand 3 8 Zu Luthers humanistischer Prägung vgl. vor allem die Studie von Junghans, Der junge Luther und die Humanisten. 3 9 Scheible, Reform, S. 259f., unterscheidet deutlich zwischen „einer humanistischen Universitätsreform" (ebd., S.259) des Jahres 1518, die in seinen Augen eine „Ergänzung des traditionellen scholastischen Stellenplans durch neue Fächer aus dem Bereich der alten Sprachen, der Poesie, Geschichte, Mathematik und Medizin" (ebd., S.260) gewesen ist, und einer reformatorischen Universitätsreform, die „in Wittenberg in den Jahren 1523 bis 1536 durchgeführt" (ebd.) wurde und den Zusammenbruch des traditionellen scholastischen Lehrsystems zur Voraussetzung hat. Demgegenüber hat Junghans, Martin Luthers Einfluß, auf die wesentlich von Luther inspirierte theologische Motivierung der humanistischen Universitätsreform des Jahres 1518 hingewiesen und den Wert dieser Unterscheidung für die Wittenberger Situation insgesamt in Frage gestellt („wenig erhellend": ebd., S. 70). Seiner Meinung nach habe erst die Verbindung mit den reformatorisch-theologischen Impulsen den humanistischen Bestrebungen neue Wirkmöglichkeiten verschafft; vgl. ebd., S . 6 9 . Angesichts dieser Überlegungen ist zu fragen, ob nicht bei der Beschreibung der Wittenberger Universitätsreformen stärker zwischen dem Gesamtcharakter der Reformmaßnahmen und der Interessen- und Motivlage, aus der heraus die einzelnen Maßnahmen ergriffen wurden, zu differenzieren wäre. 4 0 Vgl. Käthe, S . 5 1 - 6 7 ; Scheible, Reform, S.260.

44

Kapitel 3: Anfänge

evangelischer

Theologenausbildung

haben sollten: der Lehrstuhl für Hebräisch und der Lehrstuhl für Griechisch. 4 1 Während die hebräische Professur erst 1 5 2 1 mit Matthäus Aurogallus (Goldhahn) ( 1 4 9 0 - 1 5 4 3 ) dauerhaft besetzt werden konnte, 4 2 gelang es dem Kurfürsten für den Lehrstuhl des Griechischen 1 5 1 8 einen Kandidaten zu gewinnen, der nicht nur zu den ersten der jungen humanistischen Avantgarde gehörte, sondern auch der Universität bis zu seinem Tod 1 5 6 0 die Treue halten sollte: Philipp Melanchthon. Der versierte Gräzist, ein Großneffe Reuchlins, sog die Wittenberger Universitätstheologie gleichsam in sich auf und dachte sie von seinen humanistischen Voraussetzungen aus weiter. Vor allem unterstützte er die Ansätze einer humanistischen Reform der Wittenberger Universität, nicht ohne aber sogleich eigene Akzente zu setzen. Dabei suchte er - ähnlich wie Luther - die artistischen Studien in enger Ausrichtung auf das sich abzeichnende neue geistig-geistliche Anforderungsprofil der Theologen zu reformieren. Er wollte seinen Studenten vor allem „eloquentia" vermitteln, die Fähigkeit zum differenzierten sprachlichen Ausdruck, die er als Grundvoraussetzung aller Wissenschaft erachtete, insbesondere natürlich der so wortorientierten Theologie. 4 3 M a n könnte sagen, dass sich die theologischen Impulse Luthers universitätsstrukturell zunächst einmal gerade in einem humanistischen Ausbau der Artes-Fakultät auswirkten. Die traditionellen philosophischen Lehrveranstaltungen blieben bestehen, wenngleich ihre Frequenz zeitweise einbrach. Es waren die Vorlesungen Melanchthons, die bei den Artisten, und die Vorlesungen Luthers, die bei den Theologen die Hörer an sich zogen. 4 4

3 . K o n t i n u i t ä t u n d W a n d e l im t h e o l o g i s c h e n L e h r b e t r i e b

3.1

Vorlesungen

Die Theologische Fakultät war von den humanistischen Reformmaßnahmen zunächst nicht berührt worden. Das theologische Lehrangebot hatte durch die Kirchenväter-Relecture ab 1 5 1 6 einen anderen Charakter angenommen. Luther suchte damals in exegetischen Vorlesungen seine paulinisch-augustinische Theo-

Siehe UUW I, S.85f. (Nr.64). Vgl. GUW, S. 125f. 4 3 CR 20, Sp. 703f. (Ratio discendi): „Ita factum est, ut interierit eloquentia. Nunc cum illam restituerit Deus, modis omnibus divinum munus tueamur. Collapsa illa quondam, quantam ruinam traxerit, non ignoratis. Theologia, pietas simul cecidere. Quam si conservatam volumus, ut debemus, agite, operam demus, ne intercidat eloquentia." 4 4 Die Einschreibungen an der Leucorea in den Jahren 1516 bis 1525 waren beträchtlich und lassen - bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von eineinhalb Jahren - auf die Gesamtfrequenz der Wittenberger Universität zurückschließen. Die jährlichen Inskriptionen betrugen nach Eulenburg, S . 2 8 8 : 162 (1516), 2 4 2 (1517), 2 7 3 (1518), 4 5 8 (1519), 5 7 9 (1520), 2 4 5 (1521), 2 8 5 (1522), 198 (1523), 170 (1524), 171 (1525). Vgl. auch Aland, S . 3 1 1 f . 3 2 5 f . 41

42

3. Kontinuität und Wandel im theologischen

Lehrbetrieb

45

logie an neuen biblischen Stoffen zu bewähren ( 1 5 1 7 - 1 5 1 8 : H e b r ; 1 5 1 8 : Gen; 1 5 1 8 - 1 5 2 1 : Ps). Karlstadt und Lupinus (beziehungsweise dessen Nachfolger Dölsch) scheinen die ihnen obliegenden scholastischen Bücher nur noch eingeschränkt beziehungsweise überhaupt nicht mehr gelesen zu haben. Allerdings lief der traditionelle theologische Lehrbetrieb insofern ungebrochen weiter, als die scholastischen Grade noch bis in die Jahre 1 5 2 2 bis 1 5 2 5 hinein vergeben wurden und die Promovenden für die beiden oberen Bakkalaureate daher auch die entsprechenden Qualifikationsleistungen in F o r m von Vorlesungen über die vier Sentenzenbücher des Lombarden zu erbringen hatten. 4 5 Neben der inhaltlichen Neuorientierung der bestehenden Lektionen trugen nicht zuletzt auch einige strukturelle Veränderungen im Personalbestand der Theologischen Fakultät zum Wandel des Lehrangebots bei. In weitgehender K o n tinuität, abgesehen von einigen politisch bedingten Unterbrechungen, versah Luther die „lectura in biblia" noch bis in sein vorletztes Lebensjahr hinein. 4 6 Dagegen kamen die beiden scholastischen Professuren Mitte der zwanziger J a h r e zum Erliegen. Karlstadt, der seit 1 5 2 2 immer deutlichere Vorbehalte gegen die akademisch-theologische Bildung entwickelte, verzichtete 1 5 2 4 endgültig auf seine Wittenberger Professur und zog sich nach Orlamünde zurück, um dort eine christliche Existenz nach seinen hochgespannt-enthusiastischen Idealen zu führen. 4 7 J o hann Dölsch, der 1 5 2 1 die Lektion „in via T h o m e " übernommen hatte, bat in Anbetracht des offensichtlichen Akzeptanzverlustes der thomistischen Vorlesungen 1 5 2 3 den Kurfürsten um eine neue Verwendung. 4 8 Berücksichtigt man, dass a b 1 5 2 5 auch die traditionellen theologischen Graduierungen und mit ihnen die Qualifikationsvorlesungen der Promovenden entfielen, ohne dass schon ein neues Graduierungskonzept entwickelt, geschweige denn umgesetzt worden war, so ist ein gewisses Ausdünnen des theologischen Vorlesungsangebots in der zweiten Hälfte der zwanziger J a h r e nicht zu übersehen. Immerhin k a m der Theologischen Fakultät die Stelle des Stiftspropstes zugute, die eigentlich den Kanonisten vorbehalten war. Im J a h r 1 5 2 1 war sie mit dem angesehenen Erfurter Kirchenrechtler Justus J o n a s d.Ä. ( 1 4 9 3 - 1 5 5 5 ) besetzt worden. Er bat noch im selben J a h r aus Gewissensgründen von seinem kirchenrechtlichen Lehrauftrag entbunden zu werden, erreichte beim Kurfürsten eine Trennung von Propstei und kanonistischer Professur und wurde schließlich im O k t o b e r 1 5 2 1 nach vorangegangener P r o m o tion zum D o k t o r der Theologie als Stiftspropst Mitglied der Theologischen Fakult ä t . 4 9 J o n a s begann sogleich exegetische Vorlesungen anzubieten, las 1 5 2 3 über

Vgl. Scheible, Wittenberger Universitätsreform, S . 1 2 6 f . Z u Luthers Vorlesungstätigkeit vgl. Brecht, M a r t i n Luther, Bd. 1, S. 2 7 5 - 2 8 4 ; Bd. 2 , S. 2 4 0 - 2 4 5 ; Bd. 3, S. 1 3 7 - 1 4 4 . Lektionsübersicht bei von Schubert/Meissinger, S. 8 - 2 2 . 4 7 Z u den Hintergründen dieses denkwürdigen Schritts vgl. Barge, B d . 2 , S. 9 5 - 1 4 3 ; ferner auch GUW, S . 1 6 9 f . 4 8 Vgl. Bauer, S . 1 2 8 f . 4 9 Vgl. Aland, S. 3 0 9 - 3 1 1 ; GUW, S. 1 4 4 - 1 4 6 . 45

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Kapitel 3: Anfänge evangelischer

Theologenausbildung

den Römerbrief, ein J a h r später über die Apostelgeschichte. Hinzu kamen sodann die exegetischen Vorlesungen M e l a n c h t h o n s , der seinen frühen gräzistischen Vorlesungen 1 5 2 1 / 2 2 vornehmlich neutestamentliche Schriften zugrunde legte und darüber hinaus an der obersten Fakultät studierte, in deren Dozentenkollegium er 1 5 1 9 mit der Promotion zum „baccalaureus biblicus" eintrat. 5 0 Wenn auch die theologischen Vorlesungen vor allem in die frühen Wittenberger J a h r e zu fallen scheinen, so hat doch M e l a n c h t h o n - wenngleich in größeren zeitlichen Abständen - bis ins letzte Lebensj ahrzehnt hinein immer wieder über biblische Texte gelesen. 5 1 Schließlich sind auch die zahlreichen exegetischen Vorlesungen des Wittenberger Stadtkirchenpfarrers J o h a n n e s Bugenhagen d.A. ( 1 4 8 5 - 1 5 5 8 ) zum Gesamtspektrum des theologischen Lehrangebots hinzuzurechnen. Zunächst im häuslich-privaten R a h m e n gehalten, fanden sie großen Zuspruch, sodass sie ab 1 5 2 3 in die Universität verlegt wurden. 5 2 Die Theologische Fakultät konnte den inneren personellen Kräfteverlust, den sie durch den Z u s a m m e n b r u c h des Graduierungssystems sowie durch den Verlust der beiden obsolet gewordenen scholastischen Professuren erlitten hatte, insofern auffangen, als ihr gleichsam von außen Lehrkräfte zugewachsen waren. Was die Rekonstruktion des Vorlesungsangebots betrifft, so stellt sich die Lage im Fall der Leucorea keineswegs einfach dar. Erst 1 6 1 0 fasste die Universität den Beschluss, semesterweise Lektionsverzeichnisse herauszugeben. 5 3 Für die Zeit davor existieren einzelne Vorlesungslisten, die zum Beispiel aus Anlass einer Visitation oder einer Fakultätsbeschwerde den Status quo festhalten, ebenso können aus gelegentlich publizierten Vorlesungen,

Vorlesungsnachschriften,

hochschulöffentlichen Bekanntmachungen, aus Briefen, Rückschlüsse auf die faktisch angebotenen Vorlesungen gezogen werden. 5 4 Die Vorlesungstätigkeiten der einzelnen Professoren im Zeitraum von der kurfürstlichen Visitation im J a h r 1 5 1 6 bis zur Neubegründung der Universität im J a h r 1 5 3 6 lassen sich - je nach

Vgl. ebd., S. 1 9 4 f . ; Scheible, M e l a n c h t h o n . Eine Biographie, S. 3 3 f . Ein (freilich unvollständiges) Verzeichnis der Vorlesungen Melanchthons findet sich bei Hartfelder, S. 5 5 3 - 5 6 6 . Vgl. auch Aland, S. 3 2 2 - 3 2 7 . 50 51

Vgl. GUW, S. 1 7 1 ; Gummelt, S. 1 9 2 - 1 9 7 . U U W I, S. 7 2 8 (Nr. 5 4 2 ) . Im Archiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sind semesterweise gedruckte Lektionsverzeichnisse der Leucorea erst von 1 7 0 5 an vorhanden. Diese Verzeichnisse wurden jedoch schon a b 1 6 1 0 (regelmäßig?) gedruckt; vgl. E r m a n / H o r n , Bd. 2 , S. 1 1 4 9 f . , N r . 2 0 0 5 4 (SS 1 6 1 0 ) ; 2 0 0 5 5 (SS 1 6 1 3 - S S 1 6 1 5 ) ; 2 0 0 5 6 (SS 1 6 1 4 ) ; 2 0 0 5 7 (SS 1 6 2 0 ) ; 2 0 0 5 8 (SS 1 6 2 6 ) ; 2 0 0 5 9 (WS 1 6 2 7 / 2 8 ) ; 2 0 0 6 0 (SS 1 6 2 8 ) ; 2 0 0 6 1 (WS 1 6 2 8 / 2 9 ) ; 2 0 0 6 2 (SS 1 6 2 9 - W S 1 6 3 0 / 3 1 ; SS 1 6 3 2 - W S 1 6 3 2 / 3 3 ) ; 2 0 0 6 4 (SS 1 6 3 5 ) ; 2 0 0 6 5 (SS 1 6 3 6 ) . 52 53

5 4 Siehe das Lektionsverzeichnis des Wintersemesters 1 5 3 8 / 3 9 ( U U W I, S . 2 0 0 - 2 0 2 [ N r . 2 1 0 ] ) , den Visitationsbericht des Jahres 1 5 7 7 (UUW I, S . 4 0 5 - 4 1 2 [Nr. 3 7 5 ] ) , das Visitationsprotokoll des Jahres 1 5 8 7 ( U U W I, S . 5 1 3 - 5 3 0 [ N r . 4 3 8 ] ) . Sodann enthalten die „Scripta publice p r o p o s i t a " , in denen Einladungen, Plakatanschläge, Veranstaltungshinweise und andere zur Bekanntmachung bestimmte Texte der J a h r e 1 5 4 0 bis 1 5 6 9 in Auswahl abgedruckt wurden, einige wertvolle Hinweise auf theologische Vorlesungen; siehe etwa den Lektionskatalog des Jahres 1 5 6 1 : Scripta publice proposita, Bd. 4 , Bl. m 5 a - m 7 b ; vgl. dazu T h o l u c k , Vorgeschich-

3. Kontinuität und Wandel im theologischen

Lehrbetrieb

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Quellenlage - unterschiedlich genau rekonstruieren. Immerhin gibt das vorhandene Material zu erkennen, dass bereits ab 1 5 1 6 die scholastischen Vorlesungen der Ordinarien weitgehend zessierten und zunächst von zahlreichen Vorlesungen über Schriften der Kirchenväter abgelöst wurden, bis auch diese zurücktraten und sich nahezu ausschließlich biblisch-exegetische Vorlesungen durchsetzten. Unter ihnen lassen sich einige biblische Bücher von offenbar herausragender, für die Wittenberger Universitätstheologie geradezu konstitutiver Bedeutung ausmachen, die von mehreren Professoren während des genannten Zeitraums in freilich unterschiedlicher „Vollständigkeit" - gelesen wurden. Z u nennen ist in diesem Z u s a m m e n h a n g vor allem der Römerbrief, über den Luther 1 5 1 5 / 1 6 , M e l a n c h t h o n 1 5 2 0 / 2 1 , 1 5 2 9 und 1 5 3 2 , J o n a s 1 5 2 3 , Bugenhagen 1 5 2 5 Vorlesungen hielten. Sodann der Psalter, den Luther 1 5 2 0 / 2 1 und 1 5 3 2 - 1 5 3 5 , J o n a s 1 5 2 9 , Bugenhagen 1 5 2 1 - 1 5 2 3 und 1 5 2 4 vor den Studenten auslegten. 5 5 Wenn damals die echten und vermeintlich echten Paulus-Briefe auffallend häufig zum Gegenstand der Vorlesung erhoben wurden, 5 6 so spiegelt sich darin die gemeinsam geteilte Überzeugung wider, dass in der paulinischen Theologie, vornehmlich in der Anthropologie und Gnadenlehre, der hermeneutische Schlüssel zur angemessenen Auslegung der Bibel zu finden sei. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass bis in das J a h r 1 5 2 3 hinein die traditionellen theologischen Bibel- und Sentenzenvorlesungen stattfanden, zu denen die Promovenden verpflichtet w a r e n . 5 7 N o c h M e l a n c h t h o n las - als „baccalaureus biblicus" - in Erfüllung des vorgeschriebenen Lehrpensums 1 5 1 9 über das Matthäusevangelium und 1 5 2 0 / 2 1 über den Römerbrief. Dass insbesondere die Sentenzenvorlesungen noch in nennenswertem Umfang Hörer gefunden haben, ist freilich wenig wahrscheinlich. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch die Dozenten der Artisten-Fakultät durch ihre Vorlesungen einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zum Wittenberger theologischen Lehrangebot leisteten. In den Lektionen für Griechisch und Hebräisch, die im Zuge der Universitätsreform von 1 5 1 7 / 1 8 eingerichtet worden waren, wurden oft schon bibelkundlich-exegetische Fragen behandelt. Die Vermittlung theologischer Inhalte an Studienanfänger wurde fortan überhaupt zu einem wesentlichen Bestandteil artistischer Lehrtätigkeit. 5 8 Deshalb dürfte es

te, Bd. 1/1, S . 9 6 . Des Weiteren kommen zur Rekonstruktion des Vorlesungsangebots vor allem die gedruckten, aus den Lehrveranstaltungen erwachsenen Bibelkommentare in Betracht. 5 5 Z u Luther vgl. Klaus, S . 4 3 ; von Schubert/Meissinger, S. 8 - 1 9 . Z u Bugenhagen vgl. Gummelt. Vgl. ferner den Lektionskatalog bei Mathesius, Ausgewählte Werke, Bd. 3 , S. 1 6 3 . 5 6 Neben dem Römerbrief las Luther 1 5 3 1 erneut über den Galaterbrief (WA 40/1, S. 1 5 3 2 . 3 3 - 6 8 8 ; 40/11, S. 1 - 1 8 4 ) , M e l a n c h t h o n 1 5 1 8 über den Titusbrief, 1 5 2 0 über den Galaterbrief, 1 5 2 1 / 2 2 über die beiden Korintherbriefe sowie 1 5 2 1 und 1 5 2 7 über den Brief an die K o losser (vgl. M S A 4 , S. 1 0 - 1 2 ) . 5 7 Über die Lehrverpflichtungen, die mit den einzelnen Graden verbunden waren, informieren vor allem die Promotionseide in den Statuten von 1 5 0 8 ; siehe U U W I, S . 3 5 f . ( N r . 2 3 ) ; vgl. Ritsehl, Bd. 1, S . 2 1 7 . 5 8 So zu Recht Käthe, S . 5 5 , A n m . 4 0 . Vgl. unten Kapitel 4 . 4 .

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Kapitel

3: Anfänge

evangelischer

Theologenausbildung

schwer sein, zwischen der Philosophischen und Theologischen Fakultät der Leucorea eine saubere Trennung durchzuführen. Sowohl vom Lehrangebot als auch vom Lehrpersonal her waren die Grenzen vielfach fließend. Studenten, die lediglich an der Artes-Fakultät studierten, konnten dort durchaus theologische Grundkenntnisse erwerben. 1 5 3 3 machte Melanchthon in den von ihm verfassten Statuten der Theologischen Fakultät ein Parallelangebot von alt- und neutestamentlichen Vorlesungen verbindlich. Die Studenten sollten jedes Semester die Möglichkeit haben, Auslegungen biblischer Bücher beider Testamente zu hören. Nach Melanchthons Vorstellungen sollten dabei insbesondere der Römerbrief, das Johannesevangelium, der Psalter, die Genesis und das Jesajabuch häufig gelesen werden, könnten doch diese Bücher die Studenten am meisten über die vorzüglichsten Loci der christlichen Lehre unterrichten. 5 9 Ebenso hatte er damals bereits gelegentliche Vorlesungen über Augustins „De spiritu et littera" gefordert - mit dem aufschlussreichen Hinweis, die Studenten sollten erkennen, dass die Lehre unserer Kirche auch das Zeugnis der gelehrten Väter habe. 6 0 Melanchthon bestimmte in seinen Fakultätsstatuten nicht nur das „quid", sondern auch das „quomodo" der exegetischen Vorlesungen: Der Professor sollte keine scholastischen Subtilitäten verhandeln, sondern nach der einfachen Wahrheit des Textes fragen und dessen Sinn durch eine grammatisch-rhetorische Untersuchung erhellen. 6 1 Vor allem verpflichteten die Fakultätsstatuten sogleich in der „Lex prima" alle theologischen Lehrer auf das Augsburgische Bekenntnis von 1 5 3 0 und verboten die Verbreitung und Verteidigung der in den vier ersten ökumenischen Konzilien verurteilten Häresien, sah man doch die Lehrbestimmungen dieser Konzilien „in den apostolischen Schriften sicher überliefert" 6 2 . Diese Bestimmungen zu Inhalt und 5 9 Melanchthons Vorstellungen haben nur Empfehlungscharakter. Seiner Meinung nach sollten der Dekan und ein Senior entscheiden, welche biblischen Bücher zu lesen waren; siehe UUW I, S. 1 5 5 (Nr. 171). 6 0 UUW I, S. 155 (Nr. 171): „Semper enarretur ab uno ex his über aliquis Veteris Testamenti, ab altero vero liber aliquis Novi Testamenti. Ac saepissime repetantur enarratio epistolae Pauli ad Romanos, evangelii Johannis, psalmorum, genesis, Esaiae, nam hi libri maxime erudire studiosos de praecipuis locis doctrinae christianae possunt. interdum etiam unus ex professoribus enarret librum Augustini de spiritu et litera, ut videant studiosi ecclesiarum nostrarum doctrinam etiam habere eruditiorum patrum testimonia." 6 1 Siehe ebd. 6 2 U U W I, S. 1 5 4 (Nr. 171): „Primum de genere doctrinae. Ut in ecclesiis totius ditionis nostrae et in puerilibus scholis, ita in academia, penes quam Semper debet esse praecipua gubernatio et censura doctrinae, volumus puram evangelii doctrinam, consentaneam confessioni, quam Augustae anno 1 5 3 0 imperatori Carolo exhibuimus, quam doctrinam certo statuimus esse verum et perpetuum consensum catholicae ecclesiae dei, pie et fideliter proponi, conservari et propagari. Severissime etiam prohibemus, spargi ac defendi haereses veteres damnatas in synodis Nicena, Constantinopolitana, Ephesina et Chalcedonensi; nam harum synodorum decretis de explicatione doctrinae de deo patre, filio et spiritu sancto et de duabus naturis in Christo nato ex virgine Maria assentimur eaque judicamus in scriptis apostolicis certo tradita esse." O t t o Ritsehl hat aus dem Interesse heraus, Luther von einer geistigen Mitverantwortung an dieser

3. Kontinuität

und Wandel im theologischen

Lehrbetrieb

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Modus der Vorlesungen wurden in den gleichfalls von Melanchthon verfassten Statuten der Theologischen Fakultät von 1545 im Wesentlichen wiederholt. 63 Im Jahr 1536 reorganisierte Kurfürst Johann Friedrich I. (1503-1554; 15321547) die Wittenberger Universität, ordnete die Finanzierung der theologischen Lehrstühle aus säkularisiertem Kirchengut und erließ in der Fundationsurkunde recht weit in die universitäre Selbstverwaltung eingreifende inhaltliche Bestimmungen im Blick auf die „Lectiones" der einzelnen Professoren. Erst von der Fundation des Jahres 1536 an kann man eigentlich von echten, staatlich finanzierten Professuren mit festumrissenen Lehrstuhldenominationen sprechen. 64 Es wurde damals bestimmt, dass es in der Theologischen Fakultät drei ordentliche „Legenten" geben sollte, die alle durch den Grad eines Doktors der Theologie ausgewiesen sein mussten. Die Inhaber der ersten beiden Professuren hatten jeweils vier Stunden pro Woche zu lesen, der Inhaber der dritten Professur brauchte nur zwei Stunden zu lesen, da ihm noch die Predigt in der Schlosskirche oblag. Die vierte Professur sollte der Stadtkirchenpfarrer neben seinen kirchlichen Diensten (Superintendentur) wahrnehmen. Er sollte wenigstens zum Lizentiaten der Theologie promoviert worden sein. Wegen der Doppelbelastung war auch bei ihm das Deputat halbiert. 65 1516 hatte die Theologische Fakultät eine biblische und zwei scholastische Professuren. Zwanzig Jahre später waren daraus vier biblische geworden. Die Vier-Ordinarien-Verfassung war damit etabliert. „traditionalistischen" Bekenntnisverpflichtung freizusprechen, die These vertreten, dass Melanchthon den Text der Statuten erst 1546 verfasst und nachträglich ins Dekanatsbuch der Theologischen Fakultät unter Angabe des Jahres 1533 eingetragen habe; vgl. Ritsehl, Bd. 1, S. 2 4 0 - 2 6 7 . Darauf Bezug nehmend auch Wolf, Bedeutung der Disputationen, S. 338, Anm. 24. Siehe Liber Decanorum, S. 152, Anm. 1. Ritschis Überlegungen, so bedenkenswert sie auch im Einzelnen sein mögen, sind jedoch insgesamt nicht zwingend und können das Gewicht des Melanchthon-Autographs schwerlich relativieren. 65 In den Fakultätsstatuten von 1545 trat allerdings der Gedanke der „Lehre" („doctrina") stärker in den Vordergrund. Die fünf vorrangig zu behandelnden biblischen Bücher (Rom, Joh, Ps, Gen, Jes) wurden mit dem bezeichnenden Hinweis empfohlen, in ihnen würden die vorzüglichsten Artikel der kirchlichen Lehre vorgestellt; siehe U U W I , S.262f. (Nr.272): „ C u m praecipue hi doctores et custodes propheticorum et apostolicorum voluminum et interpretes esse debeant, Semper a duobus aliquid libri Novi Testamenti et ab aliis duobus aliqui libri Veteris Testamenti enarrentur. ac saepissime repetatur enarratio epistolae Pauli ad Romanos, evangelii Joannis, psalmorum, genesis, Esaiae; nam in his libris praeeipui articuli doctrinae ecclesiasticae proponuntur." In den Vorlesungen sollte nach Melanchthon grundsätzlich die „integre Lehre" („integram doctrinam") vermittelt werden; die Professoren sollten sich bemühen, die einzelnen Lehrartikel „der Reihe nach" („ordine") zu erklären; siehe UUW I, S. 263 (Nr.272). Dazu sei es insbesondere hilfreich, ab und an das Nizänum auszulegen. Wie die gelegentliche Vorlesung über Augustins „De spiritu et littera", in der die Traditionskongruenz der reformatorischen Schriftauslegung nachgewiesen werden sollte, so hat auch die Vorlesung über das Glaubensbekenntnis lediglich eine subsidiäre Funktion: Die Vorlesung sollte dazu dienen, das rechtfertigungstheologisch gesteuerte Loci-Raster zu sichern, mit dessen Hilfe die Bibel nach Melanchthon einzig angemessen auszulegen war. 64 Vgl. Asche, S. 379.397. 65 Siehe UUW I, S. 175 (Nr. 193).

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Kapitel 3 : Anfänge

evangelischer

Theologenausbildung

An ihr wurde den gesamten Untersuchungszeitraum über im Wesentlichen festgehalten. 6 6 Zwar konnten im ersten durchaus krisengeschüttelten Jahrhundert der Universität nicht immer alle theologischen Lehrstühle kontinuierlich besetzt werden, aber alle Verordnungen und Statuten, welche die oberste Fakultät betrafen, sehen sie vor. Das gilt für die Fakultätsstatuten, die Melanchthon 1 5 4 5 ausarbeitete, ebenso, wie für die Verordnung Kurfürst Augusts ( 1 5 2 6 - 1 5 8 6 ; 1 5 5 3 ) von 1 5 8 0 und schließlich für deren Revision unter Kurfürst Christian II. ( 1 5 8 3 1 6 1 1 ; 1 5 9 3 ) von 1 6 0 6 . 6 7 Von den insgesamt vier theologischen Professuren sollten nach der Fundation von 1 5 3 6 die ersten beiden „Legenten" an allen universitären Lehrtagen in der Woche eine Stunde lesen. Der erste Legent sollte „im Neuen Testament nach einander lesen die epistel sancti Pauli zu den Romern, die epistel zu den Galattern und das ewangelium Johannis Evangeliste. der andere soll lesen Genesim, Psalterium, Esaiam und je zu Zeiten Augustinum de spiritu et littera, dem rechten vorstand de gracia in Paulo zu erhalten, der dritte soll in der wochen zwene tag, als auf den Montag und dornstag, nach ainander alle andere episteln sant Paulus, auch die episteln Petri und Johannes zu lesen und wöchentlich zwir in unser schloskirchen, als ainmal auf den Sonntag und es andere malh auf die mitwoch, zu predigen vorpflicht sein, neben denen [...] propheten lesen" 6 8 . Die Fundationsurkunde von 1 5 3 6 schrieb das Lehrprogramm, das Melanchthon in den Fakultätsstatuten von 1 5 3 3 vorgetragen hatte, nun auch staatlicherseits fest. Diejenigen biblischen Bücher, die im Zuge der Universitätsreformen den theologischen Lehrbetrieb erobert hatten, waren damit als Lehrgegenstände der Vorlesungen verbindlich. Entsprechend dem Profil der neuen Wittenberger Theologie standen die „Lehrschriften" der Bibel im Mittelpunkt dieses ,Kanons', und zwar vor allem die christologisch und rechtfertigungstheologisch relevanten Lehrschriften; dagegen blieben die so genannten Geschichtsbücher, wie zum Beispiel die Samuel- und Königsbücher, aber auch die Apostelgeschichte, weitgehend außen vor. Das dogmatische Studium, das im spätmittelalterlichen Lehrbetrieb eine so herausgehobene Rolle spielte, wurde auf eine gelegentliche Vorlesung von Augustins „De spiritu et littera" zurückgenommen, die vor allem der eigenen Traditionsvergewisserung dienen sollte. Inwieweit diese gesetzlichen Vorgaben auch im faktischen Lehrbetrieb umgesetzt wurden, lässt sich aus den überlieferten Quellen nur in Umrissen erschließen. Die vereinzelt überlieferten Lektionsverzeichnisse gewähren

allenfalls

punktuelle Einblicke, die freilich - unter deutlich markiertem Vorbehalt - einige Rückschlüsse erlauben. Dass das Gros der Vorlesungen exegetischer Natur war, 6 6 Die Fundationsurkunde des Jahres 1555 bestimmt allerdings im Blick auf das theologische Lehrpersonal (Israël, S. 124): „Und sollen nicht mehr lectores theologiae ordinarii, dan der pastor und zwene doctores vormoge der Stiftung gehalten werden." 6 7 Siehe [August von Sachsen], Verordnung, S . C C C L X X X I ; UUW I, S . 6 5 5 (Nr. 528). 6 8 U U W I , S. 174f. (Nr. 193).

3. Kontinuität

und Wandel im theologischen

Lehrbetrieb

51

dürfte für den Zeitraum von 1536 bis 1580 - insgesamt gesehen - wenig zweifelhaft sein. Die vergleichsweise gut rekonstruierbaren theologischen Vorlesungsprofile Luthers, Melanchthons, auch Bugenhagens d.A. und Crucigers d.A., lassen für die Zeit bis 1560 das Übergewicht biblischer Vorlesungen relativ deutlich erkennen. Dabei scheinen der Römerbrief und der Psalter, entsprechend den Vorgaben Melanchthons und der Fundation, durchaus vorrangig behandelt worden zu sein. 69 Daneben entwickelte sich aber offenbar auch bald ein spezifisches dogmatisches Lehrangebot, in dessen Mittelpunkt zunächst das Nizänum (Nizäno-Konstantinopolitanum), dann aber die einschlägigen Lehrbücher Melanchthons standen. Die von den Gesetzestexten her vorgeschriebene Augustin-Vorlesung scheint dagegen nur höchst selten angeboten worden zu sein, 70 wie überhaupt Lektionen über die Kirchenväter anders, als es vielleicht angesichts der eminenten Bedeutung des Kirchenväterstudiums in der Konstituierungsphase der Wittenberger Universitätstheologie zu erwarten gewesen wäre, nach 1521/22 sichtlich zessierten. Auch der ,Traditionalismus' des späten Melanchthon vermochte daran offenbar nichts zu ändern. 71 Nachdem die Statuten des Jahres 1545 in Kraft getreten waren, sind von Cruciger 1546 und von Melanchthon 1550 und 1557, möglicherweise auch 1552 Vorlesungen über das Nizänum gehalten worden. 72 Schon 1533 hatte Melanchthon ein Kolleg über seine „Loci communes theologici" angeboten, dann nochmals 1542 und 1560. 73 Über dieses bedeutende Kompendium scheinen dann auch Kollegen Melanchthons gelesen zu haben. David Chytraeus eröffnete noch im Rahmen seiner philosophischen Lehrtätigkeit an der Leucorea im Wintersemester 1558/59 eine Repetitionsübung zu Melanchthons „Loci" mit einer wichtigen Rede studienanweisenden Charakters. 74 69 Dem Hartfeiderschen Verzeichnis nach zu schließen, hat Melanchthon in den Jahren 1536 (Jena), 1539, 1544, 1 5 4 6 , 1 5 4 8 , 1 5 5 0 , 1552 und 1560 über den Römerbrief gelesen; vgl. Hartfelder, 5 5 3 - 5 6 6 . Zu Bugenhagen vgl. Gummelt, zu Cruciger die allerdings unvollständige Liste seiner Werke bei Cohrs, Art. Cruciger. 70 Vgl. die Vorlesungsintimation Melanchthons in den Scripta publice proposita, B d . l , S. 133 a : „Ideò nunc Reuerendus dominus Doctor Iohannes Bugenhagius Pomeranus, Pastor Ecclesiae nostrae, enarraturus est librum Augustini de Spiritu & litera, in qua enarratione ostendet, quo iudicio antiquitatis[!] legenda sit." Von Bugenhagen selbst ist dazu freilich nichts Schriftliches überliefert; vgl. Gummelt, S.200. 71 Nach der Präambel der von Melanchthon verfassten Statuten von 1545 war die Kenntnis der „Geschichte und Kämpfe der Kirche" ein integraler Bestandteil des Selbstverständnisses der Theologischen Fakultät; U U W I , S.262 (Nr. 272): „hoc ingens beneficium dei agnoscamus et simul sciamus ita tarnen servari doctrinam, ut velit deus coetus esse discentium libros propheticos et apostolicos et historiam ac certamina ecclesiae, ut vox evangelii in ecclesia publice sonet et propagetur." Vgl. dazu Scherer, S. 51 f. 72 Vgl. CR 23, Sp. 1 9 3 - 3 1 6 (1550). 3 4 7 - 5 8 4 (1557) und die von Hasse edierte „Enarratio secundae tertiaeque partis symboli Nicaeni" (1550), Gütersloh 1996; Hartfelder, S.564 (1552). 75 Vgl. MBW.T 5, S.468, Z . 2 0 - 2 2 (Nr. 1351); Hartfelder, S. 561.565. 74 Vgl. dazu unten Kapitel 4.4.

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Kapitel 3: Anfänge

evangelischer

Tbeologenausbildung

Regelmäßig scheint diese Übung in Wittenberg allerdings nicht angeboten worden zu sein. Eine Vorlesung über die „Loci" ist nach dem Tod Melanchthons erst wieder für das Jahr 1587 aus den Quellen sicher zu erschließen. 75 Offensichtlich konnte aber auch nur über einzelne Loci gelesen werden. Im Sommersemester 1561 erklärte Paul Eber (1511-1569) freitags und samstags jeweils um 7.00 Uhr die Evangelien, Georg Major (1502-1574) las am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag um 15.00 Uhr über die Briefe des Paulus - und zwar, wie ausdrücklich gesagt wird, „der Reihe nach". Paul Krell (1531-1579) hielt montags und dienstags um 7.00 Uhr eine Vorlesung über den Locus „De ecclesia" nach dem Kompendium Melanchthons. Cruciger d.J. las montags und dienstags um 16.00 Uhr über Melanchthons „Examen ordinandorum", donnerstags und freitags um 9.00 Uhr über den Römerbrief; Heinrich Moller (1530-1589) las über die Kleinen Propheten, Johannes Bugenhagen d.J. (1531/32-1592) über die Grundlagen der hebräischen Grammatik und über die Psalmen. 76 Das Kolleg über das „Examen ordinandorum" war allem Anschein nach regelmäßig angeboten worden, und zwar speziell für Anwärter, die sich ohne intensiveres Theologiestudium ordinieren lassen wollten. 77 Sie hatten wenigstens diesen theologischen Minimalkursus zu besuchen und darüber ein Examen abzulegen, um zur Ordination zugelassen zu werden. 78 Aufs Ganze gesehen, scheint sich das theologische Lektionsangebot weithin in dem von Melanchthon und der Fundationsurkunde von 1536 gesteckten Rah-

75 UUW I, S.518 (Nr. 438). Im Jahr 1588 las Georg Mylius über die „Loci" Melanchthons; siehe UUW I, S.568 (Nr. 449). 76 Scripta publice proposita, Bd. 4, m 5 b - m 6 a : „ T H E O L O G I C A E Lectiones. D. Pastor Doctor Paulus Eberus dictitabit[!] explicationes Euangeliorum hora séptima diebus Veneris & Saturni. D. Doctor Georgius Maior enarrabit ordine Epístolas Pauli hora 3. pomeridiana usitatis diebus quatuor. D. Doctor Crellius explicabit doctrinam Ecclesiae comprehensam in Locis communibus hora 7. diebus Lunae & Martis. M. Caspar Cruciger repetet Catecheticam doctrinam Ecclesiae traditam in Examine, diebus Lunae 8c Martis hora 4. Idem die Iouis & Veneris hora 9. enarrabit Epistolam Pauli ad Romanos. M . Henricus Moller enarrabit Textum Hebraicum minorum Prophetarum usitatis 4. horis. M. Iohannes Bugenhagen tradet Elementa Hebraicae linguae, & addet interpretationem uel Psalmorum uel Prouerbiorum hora prima pomeridiana." Vgl. auch UUW I, S . 4 6 7 - 4 7 4 (Nr. 393). Der Mittwoch und der Samstag waren damals in den meisten Universitäten Ruhetage, an denen keine öffentlichen Vorlesungen gehalten wurden. Das galt auch für Wittenberg; vgl. die Auskunft der Universitätsvertreter auf dem Torgauer Landtag 1579, ebd., S.474 (Nr.393). 77 UUW I, S. 414 (Nr. 376A): „Bericht. Zu Wittenbergk und Leipzigk ist eine sonderliche person gehalten worden, welche die ordinandos auf das examen theologicum ein tag oder 14 zuvorn abgerichtet hat." Z u r Wittenberger Ordinationspraxis immer noch unverzichtbar: Drews, Die Ordination, Prüfung und Lehrverpflichtung. 78 Nach den gleichfalls von Melanchthon verfassten Statuten der Philosophischen Fakultät von 1545 hatten die Bursenleiter die Studenten regelmäßig in der „Lehre" zu examinieren; UUW I, S.273 (Nr.273): „Privatim vero diebus festis post publicas conciones domestici praeceptores catechesin doctrinae christianae recitare discípulos cogant et interrogent eos ordine de articulis fidei et doctrinae locis praecipuis: (...]."

3. Kontinuität

und Wandel im theologischen

Lehrbetrieb

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men bewegt zu haben. 79 Die weitaus größte Zahl der Vorlesungen scheint demnach exegetischer Natur gewesen zu sein. Deutlich ist aber auch, dass nach 1545 vermehrt dogmatische Lektionen angeboten wurden, in denen die „doctrina" meist auf der Grundlage einschlägiger Lehrbücher Melanchthons - vermittelt werden sollte. 3.2

Disputationen

Neben der Vorlesung bildete traditionellerweise die Disputation die zweite, entscheidende Form der Vermittlung akademischer Lehre. Die „disputatio" der mittelalterlich-spätmittelalterlichen Universität war gleichsam eine agonale Inszenierung von Wissenschaft, bei der es - entsprechend einem stark autoritätsgebundenen Wissenschaftsverständnis - weniger darum ging, eine bestimmte Wahrheit in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Ansichten erst zu ,finden', als vielmehr eine bereits erkannte Wahrheit nach bestimmten Regeln wiederzugeben, anzuwenden und im anspruchsvollsten Fall auf mögliche Konsequenzen und auf Kohärenz mit anderen Wahrheiten hin auszuloten. Im Unterschied zu den „lectiones" boten die „disputationes" den Studenten die Möglichkeit, sich aktiv im Unterricht zu äußern - wenn auch nur in dem eng umgrenzten Rahmen von Reproduktion und Applikation des Erlernten. Die Wittenberger Theologieprofessoren waren nach den maßgeblichen Fakultätsstatuten des Jahres 1508 zu einem differenzierten, relativ umfangreichen Disputationsangebot verpflichtet. Jeder Professor sollte einmal im Jahr „öffentlich, feierlich und ordentlich" („publice, solenniter et ordinarie") disputieren. Außerdem sollten alle Professoren wöchentlich, und zwar freitags, in einem geschlossenen Kreis („circulariter"), das heißt mit einer vorher festgesetzten Zahl von Teilnehmern, reihum („secundum eorum ordinem") Disputationen durchführen. 8 0 79

Die Dauer der einzelnen Vorlesungen war in den zwanziger und dreißiger Jahren allerdings recht unterschiedlich. Melanchthon konnte seine exegetischen Vorlesungen sehr kurztaktig halten wie zum Beispiel im Jahr 1521, in dem er über den Römerbrief, die beiden Korintherbriefe und den Kolosserbrief las. Ein vergleichbar dichtes Vorlesungsprogramm absolvierte auch Luther in den Jahren 1526/27; vgl. von Schubert/Meissinger, S. 15f. Die Semesterbindung der Vorlesungen war keineswegs zwingend. Die Lektionen wurden oft mitten im Semester zu Ende gebracht beziehungsweise begonnen. Sie konnten sich vor allem auch über mehrere Semester erstrecken. Ein bekanntes frühes Beispiel ist Luthers Genesisvorlesung, die rund neun Jahre dauerte. Semesterübergreifende Vorlesungen scheinen dann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufiger der Fall gewesen zu sein; vgl. dazu unten Kapitel 5.3.2.2. 80 Der Charakter dieser Zirkulardisputationen ist nicht leicht zu bestimmen. Es scheint sich um „halböffentliche" Lehrveranstaltungen gehandelt zu haben, wie sie von T. K a u f m a n n auch für die Universität Rostock festgestellt wurden (vgl. ders., Universität, S.415f.): Sie waren „öffentlich", insofern sie vor einem Auditorium stattfanden, zu dem grundsätzlich alle Universitätsangehörigen Zutritt hatten; sie waren „privat", insofern die Z a h l der Disputationsteilnehmer von vornherein festgelegt worden war und das Auditorium sich somit nicht aktiv an der Disputation beteiligen konnte. Vgl. dazu H o r n , Disputationen und Promotionen, S. 31. N a c h G. K a u f m a n n , S.221, sind von diesen „halböffentlichen" Zirkulardisputationen im Blick auf

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Kapitel 3: Anfänge

evangelischer

Theologenausbildung

Neben den ordentlichen Disputationen und den Zirkulardisputationen sahen die Statuten schließlich noch die üblichen „Prüfungsdisputationen" („disputationes examinatoriae") im Zusammenhang von Promotionen vor: Die Disputationen zur Erlangung der theologischen Bakkalaureatsgrade sollten samstags vor dem „Frühstück" („prandium") stattfinden und rund drei Stunden dauern; die Disputationen zur Erlangung der „licentia" sollten darüber hinaus noch am Mittag fortgesetzt werden und sich somit - nach damaliger Diktion - „über einen ganzen Tag erstrecken" („durare per integrum diem"). 81 Dieses aufwendige Disputationsprogramm scheint allerdings, zumindest was die ordentlichen Disputationen betrifft, schon bald nicht mehr im vorgesehenen Umfang verwirklicht worden zu sein. So ist zum Beispiel aus den ersten Jahren der akademischen Lehrtätigkeit Luthers als Professor keine Disputation bekannt, die eindeutig diesem Genus zugewiesen werden könnte. 82 1521 konstatierte die Theologische Fakultät unter ihrem Dekan Karlstadt nur noch einen zweifachen „ordo disputationis": die regelmäßigen, wöchentlichen Zirkulardisputationen und die in unterschiedlichen Abständen anfallenden Prüfungsdisputationen. 83 Letztere sollten von 1525 an für rund acht Jahre zum Erliegen kommen. Mit den alten scholastischen Graden waren auch deren disputatorische Voraussetzungen den Wittenberger Theologieprofessoren suspekt geworden. Ob in den Jahren 1525 bis 1533 Zirkulardisputationen stattfanden, ist zumindest unsicher. Eindeutige Hinweise oder gar gedruckte Thesenreihen fehlen bislang, wobei allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass die eine oder andere Zirkulardisputation auf der Basis handschriftlich fixierter Thesen durchgeführt wurde. 84 den Ursprung noch einmal rein private „circulares" zu unterscheiden, „Disputierkränzchen oder Zirkel, in denen unter Leitung eines Professors oder eines anderen graduirten Lehrers oder auch unter einem älteren Scholaren in mehr oder weniger geregelter Weise ein Zweig einer Wissenschaft in der Weise studirt und einprägt wurde, dass über ihn Repeticionen oder Disputationen gehalten w u r d e n " (ebd.). Abgesehen vom äußeren Rahmen scheinen freilich auch für G. K a u f m a n n diese rein privaten Zirkulardisputationen von den „halböffentlichen" der Wittenberger Statuten nicht wesentlich verschieden gewesen zu sein. Z u r grundsätzlichen Problematik der Disputationsklassifikationen vgl. Appold, Orthodoxie, S. 77f. 81 U U W I , S. 37 (Nr. 23): „quilibet magister preter examinatoriam publice, solenniter et ordinarie in anno semel disputet, circulariter autem disputent magistri omnes secundum eorum ordinem singulis sextis feriis exceptis vacanciis generalibus, in quibus disputent baccalaurei, ab hora prima usque ad horam terciam. examinatorie autem disputaciones habeantur sextis feriis ante prandium per horas tres, praeter eas que pro licencia fiunt, quas statuimus durare per integrum diem et, ut prediximus, in materia respiciente quatuor libros sentenciarum." Vgl. die Interpretation der Stelle bei H o r n , Disputationen und Promotionen, S. 6f. 82 Lediglich im Fall der Disputation „De Lege et Fide" (WA 6, S. 33-60), die ausdrücklich für einen Donnerstag (!) des Jahres 1519 angekündigt ist, könnte eine feierliche Disputation im Sinne der Statuten von 1508 angenommen werden; vgl. Hermelink, S. XI. 83 UUW I, S. 110 (Nr. 101): „Duo sunt disputacionis ordines: unus hebdomatim suis vestigiis vadit; alter est presidencia eorum qui pro gradibus nanciscendis respondent propriumque cursum hic facit." 84 Auch in der Philosophischen Fakultät scheinen zu Beginn der zwanziger Jahre die Zirkulardisputationen zessiert zu haben. Melanchthon bestimmte deshalb in seinen Universitätssat-

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und Wandel

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Das herkömmliche Disputationswesen der Theologischen Fakultät Wittenberg war offenbar nach dem reformatorischen Entscheidungsjahr 1 5 2 5 in eine Krise geraten. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Sie liegen zum einen in der humanistisch-reformatorischen Kritik an den Formen der scholastischen Wissensvermittlung, zum anderen in Karlstadts antiwissenschaftlichen Neigungen, als deren Konsequenz er selbst 1 5 2 4 den akademischen Dienst quittierte. Sie liegen schließlich aber auch in der starken kirchenpolitischen Beanspruchung Luthers, Melanchthons und Jonas', neben der eine konsequente Erfüllung des in den Statuten von 1 5 0 8 vorgeschriebenen Disputationsdeputats schon aus rein zeitlichen Gründen schwerlich denkbar erscheint. 8 5 Dabei hatte Luther im Blick auf den mittelalterlich-theologischen Disputationsbetrieb wohl zwischen Form und Inhalt zu unterscheiden gewusst und die „disputatio" als dialogische Argumentationsübung, die eine klare, stringente, übersichtliche Behandlung theologischer Probleme erforderte, schon in den frühen Jahren seines akademischen Wirkens durchaus geschätzt. Sie bot ihm ein hervorragendes Instrumentarium, um die Konsequenzen seines theologischen Ansatzes herauszuarbeiten. In den Jahren 1 5 1 7 bis 1 5 2 3 entfaltete er mehrmals grundlegende Themen seiner Theologie in Form von Disputationsthesen - für Promotions- und Zirkulardisputationen, aber auch für die Verbreitung in der außeruniversitären Öffentlichkeit. 8 6 Bekanntlich sind nicht wenige, insbesondere auch deutsche Schriften Luthers dieser Zeit geradezu in einem „Disputationsstil" 8 7 geschrieben. Auch Melanchthon hat sich, wie bereits deutlich wurde, angesichts der artes-kritischen Tendenzen unter den Wittenberger Studenten schon relativ früh gegen eine vorschnelle Verurteilung und Verachtung der „disputatio" gewandt. Es bedurfte 1 5 3 3 lediglich eines äußeren Anlasses, um die theologischen Promotionen und mit ihnen die Promotionsdisputationen wieder aufzunehmen. 8 8 Der universitätsdidaktische Wert der Disputationen, ja ihr Wert für das theologische Erkennen Zungen des Jahres 1 5 2 3 im Blick auf den philosophischen Studiengang: „Postquam frigere coeperunt philosophicae disputationes, quae antea exercendorum adulescentium occasio erat non contemnenda, statuimus ut singulis mensibus bis declametur alias a professoribus rhetoricis et grammaticis, alias ab adulescentibus juxta rhetoris arbitrium" (UUW I, S. 1 2 9 [Nr. 131]). Vgl. Hermelink, S. XIII. Insbesondere in den Jahren unmittelbar nach der Leipziger Disputation wurde die disputa torische Thesenreihe zu einer von Luther bevorzugten Veröffentlichungsform. Die berühmte „Disputatio pro declaratione indulgentiarum", angekündigt für den 3 1 . Oktober 1 5 1 7 , sollte zwar wohl, wie Hermelink, S . X , bemerkt, „in akademischen Formen verlaufen", zielte aber schon mit ihrer Überschrift, die auswärtige Leserinnen und Leser zur Stellungnahme aufforderte, über den unmittelbar akademischen Rahmen hinaus. In der von Hermelink, S. I X - X I V , zusammengestellten Liste der aus den Jahren 1 5 1 6 - 1 5 3 3 erhaltenen Disputationen Luthers scheinen insbesondere folgende Nummern ohne konkreten Disputationsanlass verfasst worden zu sein: Nr. 19 (14 Thesen De excommunicatione [WA 9, S.310—312]), N r . 2 0 (Disputatio de excommunicatione [WA 7, S . 2 3 3 - 2 3 6 ] ) , N r . 2 1 (Disputatio de non vindicando [WA 6, S . 5 7 4 f . ] ) , Nr. 2 2 (Themata de votis [WA 8, S. 3 1 3 - 3 3 5 ] ) . 85

86

87 88

Boehmer, S . 2 7 0 . Vgl. dazu unten Abschnitt 3.3.

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Kapitel

3: Anfänge

evangelischer

Theologenausbildung

stand damals bei den beiden Ordinarien der Theologischen Fakultät, Luther und Jonas, sowie bei Melanchthon weniger noch als die einzelnen Graduierungen selbst infrage. 8 9 Zirkulardisputationen sind gleichfalls für die Zeit nach 1 5 3 3 wieder nachweisbar. 9 0 Die Fakultätsstatuten von 1 5 3 3 und 1 5 4 5 sahen vor, dass alle vier Theologieprofessoren, abgesehen von den außerordentlichen Prüfungsdisputationen, einmal im Jahr „öffentlich" disputieren sollten - entsprechend der schon in den Statuten des Jahres 1 5 0 8 vorgeschriebenen Anzahl der ordentlichen Disputationen. 9 1 Ebenso bestand die Fundationsurkunde Kurfürst Johann Friedrichs von 1 5 3 6 auf dem strengen Rhythmus vierteljährlicher ordentlicher Disputationen der besoldeten Professoren aller drei oberen Fakultäten und verbot ausdrücklich die Verrechnung dieser Disputationen mit den außerordentlichen Prüfungsdisputationen. 9 2 Nachdem 1 5 3 3 die akademischen Disputationen anlässlich der Promotionen wieder aufgenommen und 1 5 3 6 auf eine rechtliche Grundlage gestellt worden waren, scheint jedoch eine der Fundation entsprechende Disputationspraxis in der Theologischen Fakultät nicht recht in Gang gekommen zu sein. Kurfürst J o hann Friedrich konstatierte im J a h r 1 5 3 8 Mängel, beklagte insbesondere, dass „unser fundation, als sunderlich mit dem verordenten disputiren in allen faculteten, auch mit unvleissigem und seumigem lesen nicht nachgegangen" werde. 9 3 Die von der Universität einberufene Kommission, die dem Kurfürsten Vorschläge zur Beseitigung der konstatierten Mängel unterbreiten sollte, empfahl die Ein8 9 Dass die Wittenberger Theologie wesentlich in Gesprächen der Reformatoren gewonnen wurde und nicht zuletzt deshalb auch die theologischen Disputationen wieder eingeführt wurden, betont vor allem Wengert, Melanchthon and Luther, S. 6 8 - 7 0 . 9 0 Vgl. zu Luther WA 39/1, S. 9 - 3 9 (De Concilio Constantiensi [1. Hälfte des Jahres 1535]); WA 39/1, S . 2 6 4 - 3 3 3 , WA 39/11, S . 4 0 7 - 4 1 4 (De veste nuptiali [15. Juni 1537]); WA 39/11, S. 3 4 91 (Disputation über das Widerstandsrecht gegen den Kaiser [Mt 1 9 , 2 1 ] [9. Mai 1539]); WA 39/11, S. 9 2 - 1 2 1 (De divinitate et humanitate Christi [28. Februar 1 5 4 0 ] ) . Im Rahmen von Übungsdisputationen dürften ferner gehalten worden sein: WA 39/1, S. 6 3 - 7 5 (Über Dan 4 , 2 4 [16. Oktober 1535]); WA 39/1, S. 1 7 4 - 1 8 0 (De homine [14. Januar 1 5 3 6 ] ) , WA 39/1, S. 1 2 7 133 (61 Thesen und Thesenfragment zu Lk 7 , 4 7 [Januar 1536?]); WA 39/1, S. 1 3 4 - 1 7 3 , WA 39/ II, S . 4 0 2 - 4 0 7 (De missa privata [29. Januar 1536]); WA 39/1, S. 1 8 1 - 1 9 7 (De potestate concilii [Frühjahr 1536]); WA 39/1, S . 3 3 4 - 4 1 7 . 4 1 8 - 4 8 5 , WA 39/11, S . 4 1 4 - 4 1 9 . 4 1 9 - 4 2 5 (so genannte Antinomerdisputationen [18. Dezember 1 5 3 7 ; 12. Januar 1538]); WA 39/11, S. 1 - 3 3 (De sententia: Verbum caro factum est [Joh 1 , 1 4 ] [11. Januar 1539]). Vgl. auch WA 39/1, S. 7 6 f . (Entwurf einer Thesenreihe zu 1 Kor 13). 9 1 U U W I , S. 155 (Nr. 171): „Disputent etiam hocordine doctores theologiae, ut singulis anni quadrantibus una fiat publica disputatio, et sumantur materiae theologicae utiles ad erudiendos auditores." Siehe auch ebd., S . 2 6 3 (Nr. 2 7 2 ) . 9 2 U U W I, S. 1 7 7 (Nr. 193): „Und dieweil disputationes in allen faculteten zum studio, auch zur ubung der schuler merklich gros ursach geben, so wollen wir himit geschafft und unvorbruchlich bei und nach uns zu halten vorordent haben, das in den dreien hohen faculteten alle virtail jar ainmal disputirt. und ob sich gleich von wegen furfallender promotion dorzwuschen disputation zutrugen, so sollen doch dieselben nicht gerechent werden." Entsprechende Verrechnungen scheinen in der Juristischen und Medizinischen Fakultät der Fall gewesen zu sein. 93

U U W I , S. 1 8 9 (Nr.204).

3. Kontinuität und Wandel im theologischen

Lehrbetrieb

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führung einer Strafe von zwei Gulden für alle Theologieprofessoren, die ihrer Disputationspflicht aus selbstverschuldeten Gründen nicht nachkamen. Für Luther allerdings fasste sie eine Ausnahmeregelung ad personam

ins Auge und emp-

fahl dem Landesherrn, den Senior der Fakultät nicht auf die Abhaltung der Vierteljahresdisputationen zu verpflichten. 9 4 Doch darauf nahm der Kurfürst keine Rücksicht. Er drängte in den fundationsergänzenden Bestimmungen vom Herbst desselben Jahres Luther geradezu, „das er den anfang mache mit den disputación in berurter facultet vermuge mehergemelter unser fundación, damit die andern doctores und legenten aigner person, wie wir auch gehabt wollen haben, mit dergleichen disputación hernach volgen; dan wir bedenken, das solche persönliche disputación anleitung geben und meher geschickligkeit brengen, in contection kegen den Widersachern, so es von noten, zu s t e h e n " 9 5 . Luther hat diesem Wunsch entsprochen und den Reigen der ordentlichen Quartalsdisputationen bei den Theologen am 11. J a n u a r 1 5 3 9 mit einer Disputation „ D e sententia: Verbum caro factum est [Joh 1 , 1 4 ] " 9 6 eröffnet. In der Vorrede, die er als Präses hielt, betonte er die Notwendigkeit derartiger Übungsdisputationen angesichts des Häresievorwurfs gegen die Wittenberger Theologie: „Es ist nötig, dass wir uns mehr mit Eifer um das W o r t Gottes bemühen, damit wir selbst gewiß sein können über unsere Lehre und [unseren] Glauben, und damit wir bereit sind zu antworten und nicht nur Konterpart unserer Vernunft, sondern auch des Teufels und der Pforten der Hölle zu sein und die Widersacher zu überführen und zu besiegen." 9 7 Die vom ersten Petrusbrief (1 Petr 3 , 1 6 ) angemahnte Rechenschaft über die Hoffnung, die in uns ist, könne niemand geben, der nicht in der Disputationsarena geübt sei. Daher würde er, wenn es seine Kräfte zuließen, am liebsten jede Woche über die wichtigsten Lehrartikel disputieren, die Studierenden n o c h eifriger in der Auseinandersetzung mit den Gegnern machen und sie gegen künftige Häresien munitionieren. 9 4 Ebenso wurde für den Stadtpfarrer eine Erleichterung im Blick auf die jährlichen Disputationsverpflichtungen erwogen. Siehe U U W I , S. 1 9 5 (Nr. 2 0 9 ) : ,,D[ominus] doctor Martinus erbeut sich zu lesen und zu disputirn, wenn er kan und mag. er aber als der senior soll nicht verbunden sein. Es wird auch unser gst. h. wol bedenken, wie es mit andern personen, so mit emptern beladen, als mit dem pastor, unterscheid zu halden." 9 5 U U W I , S . 2 0 3 f . (Nr. 2 1 2 ) . 9 6 WA 39/11, (S. 1 - 3 ) S . 3 - 3 3 . 9 7 WA 39/11, S . 6 f . , Z . 1 5 - 2 1 . 1 - 7 : „Sunt etiam causae, quae nos theologos adhortari debent ad eiusmodi disputationes. N a m cum simus facti spectaculum orbis terrarum et accusamur haeresis et autores novae doctrinae, oportet nos magis ardere studio verbi Dei, ut nos ipsi possimus certi esse de doctrina nostra et fide, et ut parati simus ad respondendum, et non solum contrarii esse rationi nostrae, sed etiam diabolo et portis inferorum et contradicentes arguere et convincere. Et Petrus iubet, nos paratos esse ad responsionem reddendam ómnibus petentibus nobis de spe, quae in nobis est, et hoc cum modestia et timore. Q u o d facere nemo potest nisi in hac arena versatus, qui talibus monstris ab ¡neunte aetate adfuerint. Q u a r e et ego, si satisfacerent vires mei corporis, de ómnibus articulis doctrinae nostrae praecipuis ordine singulis septimanis disputarem et vos redderem alacriores ad contranitendum adversariis et armarem adversus haereses futuras, quarum multae erunt nobis mortuis."

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Kapitel 3: Anfänge

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Theologische Selbstvergewisserung und apologetisch-kontroverstheologische Schulung sind demnach die maßgeblichen Motive gewesen, weshalb Luther an der Praxis des universitären Disputierens gerade bei den angehenden Theologen festgehalten wissen wollte. Hinzu kam, wie Zeugnisse aus den Tischreden des Jahres 1538 erschließen lassen, ein gewisser disziplinierender Effekt, den er sich von den intellektuellen Anforderungen insbesondere der Übungsdisputationen im Blick auf die Selbsteinschätzung der Studenten versprach. 9 8 Ähnlich konnte auch Melanchthon die hochschuldidaktischen Vorzüge der „disputatio" beschreiben." Luther hegte offenbar in den Jahren 1538/39 ohnehin den Wunsch, die seit der Frühzeit der Universität nicht wirklich konsequent durchgehaltene und mit der Fundation von 1536 an sich überwundene Praxis der wöchentlichen Zirkularoder Übungsdisputationen in der Theologischen Fakultät wieder zu beleben. 1 0 0 Ein Lektions- und Disputationsverzeichnis vom Wintersemester 1538/39 und Sommersemester 1539 sowie eine Aufstellung der Kosten für die in diesen beiden Semestern abgehaltenen Disputationen und Deklamationen belegen die rege Disputationstätigkeit Luthers. 1 0 1 Dass seine Kollegen Jonas und Cruciger d.Ä. damals zirkulär disputiert hätten, lassen diese Quellen nicht erkennen. 1 0 2 Luther fungierte seit der Wiedereinführung der Promotionsdisputationen und dem dadurch initiierten Aufschwung des Disputationswesens in der Theologischen Fakultät zu Beginn der dreißiger Jahre bis zum Ende seiner akademischen Lehrtätigkeit als der maßgebliche, nahezu alleinige Disputator unter den Wittenberger Theologieprofessoren. Allerdings sind abgesehen von der bereits erwähnten Disputation ü b e r j o h 1,14 vom 11. Januar 1 5 3 9 n u r noch zwei weitere Zirkulardisputationen Luthers bekannt. 1 0 3 Alle anderen, aus den Jahren 1540 bis 1546 erhaltenen Disputationen Luthers sind Promotionsdisputationen. Die Praxis der Zirkular- oder Übungsdisputationen scheint demnach schon in den letzten Jah98

"WA.TR 4, S. 104, Z. 3 3 - 3 5 (Nr.4056): „Deinde dixerunt de utilitate disputationum circularium, quae magnam utilitatem et exercitium afferent adolescentiae: Vnd man füret die stoltzen gesellen vnter die rüden, ut experirentur, quales essent." Vgl. auch WA.TR 4 (Nr. 4193). " Vgl. Appold, Orthodoxie, S.31, A n m . 6 8 ; Hartfelder, S.449f. 100 Siehe die Aufzeichnung aus dem Jahr 1538, WA.TR 4, S. 191, Z . 3 6 - S.192, Z . 4 (Nr. 4193): „Disputationes circulares maximopere Lutherus extollebat, quia illa progymnasmata multum valerent ad exercitanda ingenia adolescentum: Olim frequentissimae erant illae disputationes, sed deerat materia. Iam materia existente stertimus. Ideo Deo volente iterum instituemus." 101 Vgl. UUW I, S. 2 0 0 - 2 0 2 (Nr. 210); S. 2 0 2 - 2 0 3 (Nr.211). 102 Z u r Disputationstätigkeit Melanchthons in der Artes-Fakultät vgl. Drews, Bemerkungen. Melanchthon hatte für zahlreiche Disputationen die Thesen verfasst, scheint aber selber eher selten disputiert zu haben. Wieviele Disputationen Melanchthon in der Theologischen Fakultät hielt, ist unklar; vgl. ebd., S.327. 103 Es handelt sich um die Disputation über das Recht des Widerstandes gegen den Kaiser (Mt 19,21), die am 9. Mai 1539 gehalten worden ist (WA 39/11, S. 34-91), sowie um die Disputation „De divinitate et humanitate Christi" vom 28. Februar 1540 (WA 39/11, S. 92-121); vgl. Hermelink, S.XVIf.

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ren von Luthers akademischer Lehrtätigkeit wieder ins Stocken geraten und nach dem Schmalkaldischen Krieg gar nicht mehr recht restituiert worden zu sein - und das, obwohl die Fundationsurkunde Kurfürst Johann Friedrichs für jeden Theologieprofessor nur noch eine ordentliche Disputation pro Jahr vorsah. Offenbar war die ,scholastische' Übung der Disputation in eine gewisse Akzeptanzkrise geraten. Verantwortlich zu machen sind dafür nicht allein humanistisch motivierte Vorbehalte, sondern wohl auch die Bedenken, die der Disputation als einer vorbereitungsintensiven Lehrveranstaltung, als einer gewissen geistigen ,Exhibition' vor den Kollegen von jeher entgegengebracht wurden.

3.3

Promotionen

In der theologischen Fakultät der mittelalterlichen Universität hatte sich ein differenziertes Graduierungssystem herausgebildet - streng orientiert an der Lektüre der beiden vorgeschriebenen Grundtexte, der Bibel und den „Libri quattuor sententiarum" des Petrus Lombardus. Die Statuten von 1 5 0 8 machten dieses System in einer geradezu typischen Weise auch für die neu gegründete Universität an der Elbe verbindlich. 1 0 4 Grundvoraussetzung für die Zulassung zu den theologischen Graden war demnach, dass der Student im Verlauf seiner bisherigen Studien täglich mindestens zwei Vorlesungen ordentlicher Professoren sowie an Festtagen außerdem eine Vorlesung eines Extraordinarius gehört haben sollte. Wer den untersten theologischen Grad des „baccalaureus biblicus" erwerben wollte, hatte ein fünfjähriges theologisches Studium nachzuweisen, musste den biblischen und dogmatischen Kursus mit vier Vorlesungen ordentlicher Professoren absolviert und wenigstens die niederen kirchlichen Weihen - in diesem Fall wenigstens die des Akoluthen - empfangen haben. Hatte der Kandidat den Grad eines „magister artium" noch nicht erworben, war ein insgesamt siebenjähriges Studium nachzuweisen. Dem damals üblichen Brauch zufolge hatte der Bakkalaureus dann ein Jahr lang über biblische Bücher zu lesen, wenn er nicht mit dieser Graduierung die Universität verließ, um sich in den kirchlichen Dienst zu stellen. Nach erfolgreich absolvierter exegetischer Lehrtätigkeit konnte er sich sodann zum „baccalaureus sententiarius" promovieren lassen. Als solcher hatte er zwei Jahre lang Vorlesungen über die ersten beiden Sentenzenbücher des Petrus Lombardus zu halten; er sollte dabei jedoch, wie in den Wittenberger Statuten ausdrücklich festhalten wird, nicht mehr als eine Distinktion pro Vorlesungsstunde behandeln. Dann konnte nach einem öffentlichen Examen („responsio publica") die Promotion zum „baccalaureus formatus" erfolgen, mit der zugleich die Verpflichtung zur „lectio" über das dritte und vierte Buch der Sentenzen verbunden war. 104

Vgl. zum Folgenden UUW I, S . 3 4 f . (Nr.23).

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Nach wiederum zwei Jahren war schließlich die Möglichkeit gegeben, die „licentia", die Vorstufe zum „doctor", zu erwerben - vorausgesetzt, der Kandidat hatte inzwischen wenigstens die Subdiakonatsweihe empfangen. In Wittenberg war die Doktorpromotion, wie an anderen mittelalterlichen Universitäten auch, ein feierlicher Kooptationsakt, 1 0 5 der keine weitere fachliche Qualifikation des Kandidaten feststellte, sondern lediglich seinen Rechtsstatus veränderte: Der Kandidat war nun, sofern er den Grad des „magister artium" erworben hatte, aus der Artistenfakultät förmlich ausgetreten und konnte in den Senat der theologischen Fakultät aufgenommen werden. O b sich der Kandidat nach dem Lizentiat noch zu diesem Akt entschloss, war nicht zuletzt eine finanzielle Frage. Die Gebühren einer theologischen Doktorpromotion waren beträchtlich und lagen deutlich über denen der anderen theologischen Graduierungen. 1 0 6 Wenn man nach einem spätmittelalterlichen Äquivalent zu den heutigen Fakultätsexamina sucht, so kann man am ehesten auf die akademischen Promotionsprüfungen verweisen. Abschlussexamina jenseits der Grade kennt die spätmittelalterliche Universität noch nicht. Wer keine Promotion anstrebte, verließ die Universität ohne irgendein Examen und damit meist auch ohne Testat. Die Wittenberger Theologische Fakultät hat in den ersten beiden Jahrzehnten ihres Bestehens - angesichts der insgesamt eher geringen Studienzahlen in dieser Disziplin 1 0 7 - eine beachtliche Zahl an Promovenden aufzuweisen: in den Jahren von 1 5 0 2 bis 1 5 2 1 wurden insgesamt 5 0 Studenten zu biblischen Bakkalaurei, 2 6 zu Sententiaren, 3 4 zu Formati, 3 2 zu Licentiaten und 19 zu Doktoren promoviert. 1 0 8 Der Graduierungsordo wurde keineswegs von allen bis zur „licentia" durchschritten. Die meisten begnügten sich mit dem biblischen Bakkalaureat. Selbst die inhaltlich eng verbundenen Grade des Sententiaren und Formatus wurden oft nicht im Doppel erworben. In diesem Zeitraum hatte die traditionelle Graduierungspraxis an der Theologischen Fakultät der Leucorea ungebrochen Bestand, wobei es freilich im Zuge der sich ausbildenden bibelhumanistisch orientierten, reformatorischen Uberzeugungsgemeinschaft unter den Professoren zu Kritik am bestehenden System, teilweise auch schon zu Reformvorschlägen kam. Die mit neuem hermeneutischen Ansatz durchgeführten Bibelvorlesungen zogen die Studenten an. Umgekehrt scheinen die Besucherzahlen in den Vorlesungen, die von den Sententiaren und Formati über das dogmatische Grundwerk des Lombarden statutengemäß gehalten wurden, in den Jahren ab 1 5 1 7 ge1 0 5 Vgl. die Bezeichnung dieses Aktes als „renunciatio" (so Melanchthon, U U W I, S . 2 6 3 [Nr.272]) oder als „judicium" (Liber Decanorum, S . 5 4 u.ö.). 1 0 6 Vgl. U U W I, S . 2 5 - 2 7 (Nr. 2 2 ) . 1 0 7 Da in Wittenberg keine Fakultätsmatrikeln geführt wurden und auch sonstige Dokumente, aus denen sich die Besucherzahlen der drei oberen Fakultäten erschließen lassen, fehlen, sind im Blick auf die Anzahl der theologischen Fachstudenten schwerlich genaue Angaben möglich; vgl. zu den grundsätzlichen Berechnungsproblemen Eulenburg, S. 1 8 9 - 1 9 2 . Absolute Wittenberger Inskriptionszahlen für den Zeitraum 1 5 1 0 - 1 5 2 0 bei Aland, S. 3 1 1 f., Anm. 110. 1 0 8 Vgl. die Angaben bei Suevus, Bl. C c c 3 a - F f f 3 b .

3. Kontinuität

und Wandel im theologischen

Lehrbetrieb

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radezu eingebrochen zu sein. 109 Die Professoren begannen daher, Vorschläge zur Reform der einzelnen Grade und der mit ihnen verbundenen Lehrverpflichtungen zu diskutieren. Luther sah aber noch 1519, wie aus einem Brief an Spalatin ersichtlich ist, keine Möglichkeit, das traditionelle Graduierungssystem in der Theologie zu ersetzen. 110 Lutherschüler wie Bartholomäus Bernhardi (14871551) und Franz Günther (gest. 1528) durchliefen noch den gesamten scholastischen „ordo promotionum". Heinrich von Zutphen (1488-1524), einer der ersten „evangelischen Märtyrer", wurde noch am 11. Oktober 1521 durch Bernhardi zum Sententiar promoviert. 111 Andere erwarben immerhin den Titel eines „baccalaureus biblicus". Die traditionelle, den Bestimmungen der Statuten von 1508 verpflichtete theologische Graduierungspraxis bestand in Wittenberg, genau genommen, bis zum 3. Februar 1523. An diesem Tag erklärte der damalige Dekan der Fakultät, Karlstadt, künftig keine Promotionen mehr vornehmen zu wollen. Luther war über die Entscheidung, die offenbar nicht mit den Kollegen abgestimmt war, sichtlich verärgert. 112 Auf sein Betreiben hin wurden unter dem Dekan Justus Jonas, der Karlstadt 1523 im Amt nachfolgte, in den Jahren bis 1525 noch insgesamt fünf, allerdings von auswärts kommende Theologen zu Doktoren promoviert. 113 Dann aber scheint tatsächlich die theologische Promotionspraxis in Wittenberg für rund acht Jahre vollständig zum Erliegen gekommen zu sein. 114 Wie bereits angedeutet, bedurfte es eines Anstoßes von außen, um das theologische Promotionswesen wiederzubeleben. Das Ersuchen des Hamburger Magistrats, den zum Superintendenten berufenen Johannes Aepinus (Hoeck) (14991553) an der Leucorea zum Doktor der Theologie promovieren zu lassen, nah109

Vgl. Brecht, Martin Luther, Bd. 1, S. 171. WA.B 1, S.381, Z. 1 1 - 1 7 (Nr. 171): „Caeterum de lectionibus Theologicis habendis iam tractamus, necdum aliud vidimus, quam quod Sententiarum solos textus, ut hucusque, completa, Q u o d non confidimus tantum posse quenquam statim Candidatum Theologiae, ut vel Bibliam vel Ecclesiasticum patrem enarret. Tarnen successu temporum non videbitur hoc absurdum fieri, ubi radicata Theologia et libris multiplicatis res poterit felicius promoveri." Vgl. Scheible, Wittenberger Universitätsreform, S. 127. 111 Vgl. Suevus, Bl. D d d l " . 112 Vgl. Scheible, Melanchthon. Eine Biographie, S. 35. 115 Vgl. Suevus, Bl. Eee4 b . 114 Es lassen sich unterschiedliche Gründe für diese Stagnation nennen. Z u m einen waren die theologischen Grade, insbesondere die beiden höheren Bakkalaureatsgrade, sowohl von den Eingangsvoraussetzungen wie von den Lehrverpflichtungen her an scholastische Texte gebunden, die inzwischen theologisch fragwürdig geworden waren und denen auf Dauer schwerlich noch ein institutioneller Platz im Wittenberger Lehrbetrieb gesichert werden konnte. Z u m anderen war die bisher geltende Rechtsgrundlage, auf der die Universität die kirchlich relevanten theologischen Grade, insbesondere den Grad eines Doktors der Theologie vergeben konnte, nämlich die päpstliche Bestätigung, nicht mehr akzeptabel, eine neue Rechtsgrundlage aber offenbar noch nicht gefunden. Schließlich ist auch damit zu rechnen, dass die von Karlstadt vertretenen Gedanken über die wahre, „gelassene", geistgewirkte theologische Gelehrsamkeit noch verunsichernd im Professorenkollegium nachwirkten; vgl. GUW, S. 191 f.; Paulsen, Bd. 1, S.221f. 110

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Kapitel 3: Anfänge evangelischer

Theologenausbildung

men die Wittenberger als Gelegenheit, zusammen mit Aepinus auch noch zwei anderen, mit der Fakultät schon seit längerer Zeit verbundenen Dozenten, Caspar Cruciger d.A. und J o h a n n e s Bugenhagen d.A., formell die Lehrbefähigung auszusprechen und durch die Aufnahme in den theologischen Senat die zuletzt auf nur noch zwei Ordinarien, Luther und J o n a s , zusammengeschrumpfte Fakultät personell aufzustocken. 1 1 5 Alle drei legten am 1 7 . M ä r z 1 5 3 3 unter dem Vorsitz Luthers die zum Erwerb der „licentia" vorgeschriebenen Prüfungsdisputationen a b . 1 1 6 Die Thesen dazu hatte M e l a n c h t h o n ausgearbeitet. Die D o k t o r promotion erfolgte dann am nächsten Tag in der Schlosskirche. Der P r o m o t o r war der damalige D e k a n Justus J o n a s . Aufgrund der ideellen und vor allem auch tatkräftig-finanziellen Unterstützung des sächsischen Kurfürsten - er übernahm nicht nur die fälligen Gebühren, sondern wohnte auch persönlich mit zahlreichen adeligen Gästen dem feierlichen Promotionsakt bei und lud anschließend zum üppigen D o k t o r s c h m a u s ins Schloss - wurde der Kooptationsakt in der Schlosskirche geradezu als Inaugurationsfeier eines evangelischen D o k t o r a t s inszeniert. 1 1 7 M e l a n c h t h o n hatte dem D e k a n Justus J o n a s eine Eröffnungsrede geschrieben, die Wesen und Bedeutung des theologischen Doktorgrades im reformatorischen Verständnis grundsätzlich herausstellte. 1 1 8 Der Doktortitel wird von M e l a n c h t h o n als ein „öffentliches Zeugnis der Lehre und F r ö m m i g k e i t " („testimonium [...] publicum doctrinae et pietatis") defin i e r t . 1 1 9 Er soll nicht nur Nachweis eines bestimmten Wissensstandes, sondern vor allem auch eines bestimmten Lebenswandels sein. Beide Testatdimensionen gehören zusammen. Die Praxis der D o k t o r p r o m o t i o n , die in Wittenberg wieder aufgenommen werden soll, wird von M e l a n c h t h o n historisch legitimiert. Seiner Meinung nach ist diese Graduierung von Anfang an als ein kirchlicher Approbationsakt eingerichtet worden: Niemand sollte in der Kirche lehren, ohne zuvor durch anerkannte Lehrautoritäten bestätigt worden zu sein. 1 2 0 M e l a n c h t h o n spannt den Bogen dabei zurück bis zu den Anfängen des Christentums. Schon Vgl. Scheible, M e l a n c h t h o n . Eine Biographie, S. 5 1 - 5 4 . Diese Datierung dürfte als die wahrscheinlichste aus den in sich nicht stimmigen Eintragungen des Justus J o n a s im Dekanatsbuch (vgl. Liber D e c a n o r u m , S . 2 8 f . ) anzunehmen sein; vgl. Düfel, Art. Äpinus, S. 5 3 8 , Z . 3; Scheible, M e l a n c h t h o n . Eine Biographie, S. 5 2 - 5 4 ; dagegen setzen de Boor, S . 2 3 9 , Z . 14; Hermelink, S . X I V ; Suevus, Bl. D d d 3 b , die Disputation schon am 16. Juni 1 5 3 3 an. 1 1 7 Zu Recht behauptet Ritsehl, Bd. 1, S . 2 5 6 , dass von der Feier zumindest „eine neue Aera des Wittenberger Promotionswesens datirt". 118 C R 11, S p . 2 2 7 - 2 3 1 (Nr.30). 1 1 9 C R 1 1 , S p . 2 2 7 ( N r . 3 0 ) : „ N a m hic titulus testimonium est publicum doctrinae ac pietatis, quo nullo modo armandi sunt indocti ac i m p r o b i . " 1 2 0 C R 1 1 , S p . 2 2 8 ( N r . 3 0 ) : „Etenim cum hos gradus initio constitutos esse arbitraremur, ne temere admitterentur ad Ecclesias docendas ulli sine publico testimonio doctorum, ac horum virorum, nos quoque hoc Consilio retinemus morem, et ut inexploratos arceamus a nostris Ecclesiis, quantum fieri potest, et ut hi qui vocantur ad docendi munus, habeant quoddam, et vocationis et doctrinae suae publicum testimonium." 115 116

3. Kontinuität und Wandel im theologischen

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Paulus habe die Gemeinden ermahnt, alle zu prüfen, die zur Lehre in der Kirche zugelassen werden sollten und seinen Schüler Timotheus der Nachwelt nicht allein als einen von Jugend an eifrigen Leser der heiligen Schriften, sondern auch als einen Begleiter in allen apostolischen Anfechtungen und Gefährdungen vorgestellt. Insbesondere die Frömmigkeit wird in der Promotionsrede des Justus J o n a s als ein unverzichtbarer,Bescheinigungsgegenstand' des evangelischen D o k t o r a t s herausgestellt. M e l a n c h t h o n verweist dazu auf die erkenntnistheoretische Einsicht, dass in den meisten Wissenschaften, vor allem aber in der Theologie die Erkenntnisgegenstände ohne Gebrauch und Erfahrung nicht wirklich verstanden werden können. Die geistlichen Dinge seien nicht ohne Anfechtungen zu verstehen. 1 2 1 In der lebenspraktischen Anwendung der Lehre aber wiederum besteht für M e l a n c h t h o n das Wesen der „ F r ö m m i g k e i t " („pietas"). D e r D o k t o r g r a d kann hierbei nur einen gewissen Erfahrungsstand bestätigen, denn der praktische Umgang mit der Lehre ist ein Grundvollzug der doktoralen Existenz. Auf die nahe liegende und schwierige Frage, wie denn die individuelle Frömmigkeitspraxis des D o k t o r a n d e n beurteilt werden kann, geht M e l a n c h t h o n nicht näher ein. Offensichtlich k o m m t es ihm darauf an, mit dem Doktortitel nicht so sehr ein bestimmtes quantitierbares „ f r o m m e s " Verhalten, sondern eher die Tatsache zu attestieren, dass der D o k t o r a n d „einige J a h r e " lang erfahrene Lehrer hörte und sie auf ihren Wegen der Entscheidungsfindung in schwierigen Lehrfragen begleitete. 1 2 2 M i t der Rede versicherten die Wittenberger dem Kurfürsten, die Messlatte hoch anzulegen und diesen Titel niemandem zu verleihen, dessen Begabung, Wissensstand und Sittenwandel man nicht über längere Zeit genau beobachtet h a b e . 1 2 3 1 2 1 C R 1 1 , Sp. 2 2 8 (Nr. 3 0 ) : „Etenim si in aliis levioribus artibus doctrina, sine usu atque experientia non satis certa, ac firma est, quanto magis id accidit in hoc genere doctrinae, quod sine maximis certaminibus nullo m o d o potest intelligi." Ebd., S p . 2 2 9 (Nr. 3 0 ) : „Plato inquit: Satis beatum sibi videri, cui tandem in senectute contigerit, ut sapientum, verasque opiniones assequatur. Id ille vir summus ac sapientissimus de iis rebus, quas ratio deprehendere et pervestigare potest, dixit. Q u a n t o verius id de spiritualibus rebus affirmari potest, quae profecto non possunt vere aspici, nisi in ipsa dimicatione atque experientia, quo magis hoc seculum odio dignum est, quod nunc nemo non sumit sibi iudicium de rebus obscuris ac spiritualibus, una aliqua lectione audita, aut lecta una aliqua pagella." 1 2 2 Die Traumatisierung durch die spiritualistische Ablehnung der akademischen Theologie und insbesondere des akademisch-theologischen Graduierungswesens in der ersten Hälfte der zwanziger J a h r e scheint in der Rede des Justus J o n a s noch nachzuklingen, wenn die Notwendigkeit einer gründlichen Kenntnis der Lehre und entsprechender Erfahrungen aus dem Umgang mit der Lehre gegenüber dem Verweis auf die allein hinreichende „Geistsalbung" eigens betont wird; vgl. C R 1 1 , Sp. 7 2 9 (Nr. 3 0 ) . 1 2 3 C R 11, S p . 2 2 9 ( N r . 3 0 ) : „ [ . . . ] hoc testimonium tantum illis tribui debeat, qui annis aliquot audiverunt alios peritiores, qui viderunt quod alii de magnis ac dubiis rebus iudicaverint." Die eingangs aufgestellte Behauptung, man habe den Titel nur deswegen nicht mehr vergeben, weil geeignete Kandidaten - nach dem M a ß s t a b der hohen Anforderungen - nicht vorhanden gewesen seien (vgl. ebd., S p . 2 2 7 [Nr. 30]), wirkt wenig überzeugend, wenn im Duktus der Rede

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Die Wiederaufnahme der theologischen Promotionen legte eine Revision der geltenden Scheurlschen Promotionsbestimmungen aus dem Jahr 1508 nahe, die in vieler Hinsicht nicht mehr der Graduierungspraxis entsprachen. Den neuen Statuten von 1533 zufolge 124 sollten die bisherigen scholastischen Grade in Wittenberg grundsätzlich beibehalten werden - wenn auch leicht modifiziert. Zwar wurde der Erwerb der Grade so wenig wie in dem Erlass der Philosophischen Fakultät von 1526 verpflichtend vorgeschrieben, aber Melanchthon hob doch hervor, dass die traditionelle Praxis der fortschreitenden Graduierung zur Übung der Hörer nützlich sei. Er nennt insgesamt vier theologische Grade: die drei Bakkalaureate und den Doktor der Theologie. Der Text regelt nicht alles en detail.125 Im Blick auf die Prüfungsleistungen wird nur recht allgemein festgesetzt, dass derjenige, der einen Grad begehrt, sich in einer öffentlichen Disputation zu bewähren hat. Genauere Bestimmungen ergehen dann eher schon zu den Lehrverpflichtungen, die mit den einzelnen Graden verbunden sind. So soll der biblische Bakkalaureus über den Römerbrief lesen, die beiden anderen Bakkalaurei - nach dem Urteil des Dekans oder Seniors - über einige Psalmen oder ein prophetisches Buch. Die Frage, in welchem Zeitraum die einzelnen Leistungen zu erbringen sind, bleibt offen, ja es ist überhaupt fraglich, inwieweit Melanchthon noch einen sukzessiv zu absolvierenden „ordo promotionum" verbindlich machen will. Er spricht nur davon, dass es zur Übung der Hörer nützlich sei, die einzelnen Grade in bestimmten Abständen zu absolvieren, wenn denn die allgemeinen Verhältnisse der Zeit dies gestatten. 126 Als Zulassungsvoraussetzung für die Doktorpromotion wird lediglich festgehalten, dass der Kandidat mindestens sechs Jahre Vorlesungen über biblische Bücher bei ordentlichen Professoren gehört haben muss und ihm ein gewisser be-

sodann eine ausführliche Auseinandersetzung mit den radikalreformatorischen Infragestellungen der akademischen Grade folgt. 124 Vgl. zum Folgenden besonders die „Lex septima": UUW I, S. 156 (Nr. 171). Die Promotionen von Aepinus, Cruciger d.Ä. und Bugenhagen d.Ä. dürften schwerlich schon auf der Rechtsbasis dieser Statuten vollzogen worden sein; vgl. Ritsehl, Bd. 1, S.256. 125 Allerdings wurde in der „Lex septima" die Reform der traditionellen theologischen Grade rechtlich fixiert. Jeder, der einen Grad in der Theologie erwerben wollte, sollte zuvor in einer öffentlichen Disputation gehört werden. Die Bestimmungen zu den Graden und den mit ihnen verbunden Vorlesungsverpflichtungen spiegeln die durch die Reformation erfolgten Veränderungen: Der „baccalaureus biblicus" sollte über den Römerbrief lesen, das heißt, er sollte die Hörer und nicht zuletzt auch sich selber mit dem biblischen Text vertraut machen, indem er den lateinischen Text vortrug und wichtige Passagen erläuterte. Der Sententiar und der Formatus sollten sodann die Psalmen und Propheten vortragen. Der traditionelle Vorlesungsstoff, die vier Sentenzenbücher des Petrus Lombardus, wurde wegen theologischer Defizite im dritten und vierten Buch abgeschafft. Damit war die Unterscheidung der beiden scholastischen Grade im Grunde hinfällig geworden, und die Dogmatik zugunsten einer freilich dogmatisierenden Exegese zurückgedrängt. 126 UUW I, S. 156 (Nr. 171): „Et si temporum tranquillitas concedet, ut per intervalla singuli gradus conferantur, quod ad exercendos auditores utile est, servetur usitatus o r d o . "

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scheiden-ehrenhafter Lebenswandel nicht abgesprochen werden kann. 1 2 7 Allen, die offensichtlich zu häretischen Ansichten neigen, die übel beleumdet oder als „Sittenlose" bekannt sind, ist die Promotion jedenfalls zu verweigern. Melanchthon mahnt generell, mit der Vergabe der theologischen Grade nicht zu schnell bei der Hand zu sein, sondern die Bewerber sorgfältig zu prüfen. Die mit der Doktorpromotion verbundenen Kompetenzen der Lehrdarlegung und Lehrentscheidung („explicatio et dijudicatio doctrinae coelestis") bedeuten eine Verantwortung, die kaum zu überschätzen sei, 128 weshalb auch der „actus doctoralis" in feierlich-ernster Stimmung begangen werden solle, wie wenn man zum Altar hinzuträte. 129 Dagegen werden nun Verheiratete ausdrücklich zu allen Graden in der Theologie zugelassen und zugleich die traditionellen Vorstellungen einer zölibatären Lebensweise der Graduierten aus seelsorglichen Gründen verworfen. 130 In das, insgesamt gesehen, eher konservative Gesamtbild der Statuten passt es schließlich auch, dass Melanchthon die Promotionsgebühren nach der „hactenus usitata consuetudo" belassen wissen will. 131 In der faktischen Promotionspraxis des 16. Jahrhunderts spielten die niederen scholastischen Grade von 1533 an keine Rolle mehr. Theologische Bakkalaureatspromotionen sind seit 1522 in Wittenberg nicht mehr nachweisbar. 132 Die Fa127 U U W I , S. 156 (Nr. 171): „ N e m o admittatur ad gradum doctoratus nisi sexennio audierit enarrationes scripturae propheticae et apostolicae a doctoribus ordinariis in schola praelegentibus sive hic sive alibi in gymnasio amplectente puram evangelii doctrinam." 128 Nach J e n Statuten von 1508 hatten alle theologischen Promovenden üblicherweise per Eid zu beschwören, dem Dekan und den Professoren Gehorsam und Achtung zu erweisen, den Nutzen der Universität und insbesondere der Fakultät zu mehren, die Promotion nicht anderweitig zu wiederholen, bei allen offiziellen theologischen Aktivitäten mit Barett zu erscheinen und vor allem keine von der Kirche verurteilten Lehrmeinungen und die Frömmigkeit anderer verletzenden Ansichten zu vertreten; vgl. UUW I, S.35f. (Nr.23). Melanchthon geht in seinem Entwurf auf diesen Eid nicht weiter ein. Die Eidesformel, die im Dekanatsbuch der Theologischen Fakultät auf der Rückseite des ersten Blattes (fol. l v ) handschriftlich eingetragen wurde, stammt wahrscheinlich noch nicht aus der Zeit der Wiederaufnahme des theologischen Promotionswesens, wie insbesondere O t t o Ritsehl plausibel dargelegt hat; vgl. ders., Bd. 1, S. 2 1 2 239. 129 UUW I, S. 156 (Nr. 171): „In doctoratu omittantur ineptiae vesperiarum. nam si vere aestimamus, nullus totius vitae gradus sustinent difficilius et majus onus quam hic ordo, cui commendatur explicatio et dijudicatio doctrinae coelestis, quod cogitare majus potest? sit igitur illa publici testimonii renunciatio plena gravitatis, ut de magnitudine oneris cogitare nos ceteri intelligant. Reverenter ut ad aram, ita ad hunc gradum accedendum est, quo bonis et doctis aditum praebet ad ecclesiae gubernationem, quae adfert ingentia certamina." 130 Vgl. den achten Abschnitt der Statuten, UUW I, S. 156f. (Nr. 171). 131 UUW I, S. 157 (Nr. 171). Die anfallenden Kosten der theologischen Promotionen werden aus dem Schreiben sichtbar, mit dem die Universität 1516 die finanziellen und organisatorischen Anfragen des Kurfürsten beantwortete. UUW I, S. 78 (Nr. 57): „In theologia: 4 flor. gibt ein baccalaureus biblicus; 4 flor. ein baccalaureus senteciarius; 8 flor. ein licenciatus; 10 flor. ein doctor." Die Promotionsgebühren bei den Juristen und Medizinern lagen damals in der Regel um ein bis drei Gulden höher. 132 N ^ h Suevus, Bl. Ddd2 a , fand am 18. November 1522 die letzte theologische Bakkalaureatspromotion statt; damals wurde Nikolaus Koch zum „sententiarius f o r m a t u s " promoviert.

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Kapitel 3: Anfänge evangelischer

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kultät vergab de facto nur noch zwei theologische Titel: den des Lizentiaten und den des Doktors der Theologie. Entsprechend ließ auch Melanchthon in seiner neuen Fassung der Fakultätsstatuten von 1545 die niederen Grade stillschweigend fallen. Darin liegt die vielleicht wichtigste Neuerung gegenüber der Fassung aus den dreißiger Jahren. Ansonsten betonte er erneut die Feierlichkeit („gravitas") des Aktes der Doktorpromotion, begründete sie allerdings, wie schon Ritsehl gesehen hat, 133 nicht nur damit, dass dem Promovenden die Kompetenz der Lehrerklärung und -beurteilung, sondern vor allem auch die richtige Einstellung, das „recte sentire", im Blick auf alle Artikel der kirchlichen Lehre attestiert wird. 134 Außerdem wird im Unterschied zur ersten Fassung der Statuten von 1533 die Bedeutung des theologischen Doktorgrads als Nachweis der reinen evangelischen Lehre deutlich herausgestellt - ein Gedanke, den Melanchthon bereits in der Promotionsrede von 1533 entfaltet hatte und der nun auch in die Statuten expliziten Eingang findet: „Und es soll der Brauch der Graduierung gewahrt bleiben, dass nicht überall in den Schulen und Kirchen unkundige und unerfahrende Herumtreiber an die Spitze gestellt werden, die nicht nachweisen, woher sie ihre Art der Lehre empfangen haben. Wenn jemand lehren will, soll er also Zeugnisse bewährter Ordnung haben, damit man wissen kann, wie er beschaffen ist und woher er seine Lehrart empfangen hat." 1 3 5 Wenn man die Fakultätsstatuten von 1545 mit denen von 1533 vergleicht, so ist - bei aller offenkundigen Parallelität - ein neuer Zungenschlag nicht zu überhören: Der Doktortitel soll nicht nur bescheinigen, dass der Kandidat in der Lage ist, die kirchliche Lehre angemessen wiederzugeben und komplizierte Lehrfragen zu entscheiden; der Titel soll nicht nur die Provenienz der Lehre, er soll gerade auch die .richtige' innere Einstellung dazu attestieren. Melanchthon wollte den Doktortitel offensichtlich stärker als Nachweis der „Orthodoxie" verstanden wissen - und zwar im Sinne eines inneren Überzeugt-Seins von der evangelischen Lehre. 136 Mit den Fakultätsstatuten von 1545 war ein evangelisch-theologisches Promotionswesen an der Leucorea etabliert, dessen beide Grade - aufgrund der Vgl. Ritsehl, Bd. 1, S . 2 5 5 . U U W I , S. 2 6 3 ( N r . 2 7 2 ) : „[...] haec ipsa renunciatio non est prophanum spectaculum, sed est publicatio judicii, quo tot ministri evangelii testantur coram ecclesia, hunc, quem gradu ornant, recte sentire de omnibus doctrinae articulis et idoneum esse ad explicationem et dijudicationem gravissimarum controversiarum ecclesiae." 1 3 5 U U W I , S . 2 6 3 ( N r . 2 7 2 ) : „et servatur consuetudo tribuendi gradum, ne passim scholis aut ecclesiis praeficiantur errones ignoti et inexplorati, qui unde aeeeperint genus doctrinae non ostendunt. habeant igitur testimonia probati ordinis, si qui volent docere, ut sciri possit quales sint et unde genus doctrinae aeeeperint." 1 3 6 Untersuchungen zum faktischen, in den zwanziger und dreißiger J a h r e n des 1 6 . J a h r h u n derts erreichten theologischen Bildungsstand der Wittenberger Studenten fehlen bislang. Die Dissertation von Erwin Eckert über die „Theologische Bildung in Wittenberg im Zeitalter der R e f o r m a t i o n " bleibt in dieser Hinsicht unzureichend; sie bewegt sich zudem auf einer zu schmalen Quellenbasis. 1,4

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doch recht anspruchsvollen Prüfung - durchaus eine wissenschaftlich-theologische Bildung von Niveau bescheinigten. Der Kurfürst hatte den Aufbau nicht nur aus Prestigegründen unterstützt, sondern sah darin wohl schon früh die Möglichkeit zur Heranbildung von Spitzenkräften für die höheren und höchsten kirchlichen Ämter. Von staatlicher Seite war der entscheidende Impuls zum Aufbau einer speziell evangelischen Graduierungspraxis gegeben worden, für die allerdings die pädagogischen und nicht zuletzt theologischen Überzeugungen der Reformatoren längst schon den Boden bereitet hatten. Die von Melanchthon genannte Zweckbestimmung der akademischen Grade, Nachweis theologischer Kenntnisse und zugleich theologischer Orthodoxie, entsprach genau den Interessen, die auch der Staat mit der akademischen Graduierungspraxis verband. Der Aufbau eines akademischen Graduierungswesens an der Leucorea ist ein besonders eindrucksvollen Beispiel dafür, wie bei der Reform der Wittenberger Universität staatliche Interessen und die Interessen der Reformatoren Hand in Hand gingen. Der Weg in die theologische Promotion wurde naturgemäß nur von wenigen beschritten, nicht zuletzt schon aus finanziellen Gründen. 1 3 7 Das Gros der künftigen Pfarrer verließ die Universität ohne einen akademischen Grad erworben, ja ohne überhaupt eine Abschlussprüfung abgelegt zu haben. Abschlussexamina in der Theologie, aber auch in den anderen Fächern gab es an der Leucorea innerhalb des hier zu untersuchenden Zeitraums nicht. Immerhin ließen sich viele Theologiestudenten, entweder auf eigenen Wunsch oder weil sie von ihren Kirchenleitungen dazu angehalten waren, eine schriftliche Bescheinigung (Testimonium) von ihrem Studieren und Betragen durch die Professoren der Artes- oder Theologischen Fakultät ausstellen. Um ein Mindestmaß an theologischer Bildung zu sichern, wurde aufgrund der ernüchternden Erfahrungen der Kirchen- und Schulvisitation 1526-1530 schon früh ein Examen gefordert, in dem die Anwärter auf ein kirchliches Amt im Kurfürstentum Sachsen Minimalstandards in „Lehre und Leben" nachweisen sollten. 138 Dem staatlichen Interesse an theologisch qualifizierten und zugleich rechtgläubigen Pfarrern war es zu verdanken, dass 1535 im Kurfürstentum Sachsen diese Ordinandenprüfung, die zunächst Sache der örtlichen Superintendenten gewesen war, zentralisiert und der Theologischen Fakultät der Wittenberger 137

Z u den Zahlenverhältnissen vgl. unten Kapitel 5.1. Siehe die charakteristische Wendung im „Unterricht der Visitatoren" von 1528, StA, Bd. 3, S.456, Z. 11-13: „Der [Superattendent] soll verho(e)ren vnd examiniren / wie sie [= die angehenden Pfarrer beziehungsweise Prediger] ynn yhrer lere vnd leben geschickt/ ob das volck mit yhnen genugsam versehen sey [...]." Vgl. Drews, Ordination, Prüfung und Lehrverpflichtung, S. 8 2 - 9 0 , zum „Unterricht der Visitatoren" speziell Junghans, Philipp Melanchthon als theologischer Sekretär, S. 1 3 1 - 1 3 9 . Nach de Ridder-Symoens wurden die kirchlichen Examina bei Lutheranern, Reformierten, Katholiken vor allem deswegen eingeführt, weil die akademischen Promotionen nur unzureichend über das intellektuelle Leistungsvermögen der Kandidaten Aufschluß gaben; vgl. dies., S. 161. 138

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Kapitel 3: Anfänge evangelischer

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Universität übertragen w u r d e . 1 3 9 Das Ordinationsexamen stand allerdings in keinem unmittelbaren, organischen Z u s a m m e n h a n g mit dem Universitätsstudium. Es wurde zum einen erst nach erfolgter Berufung in ein Kirchenamt abgelegt, der oft eine längere Zeit in einer anderen Tätigkeit, zum Beispiel im Schuldienst, vorausgehen konnte. Das Universitätsstudium lag also unter Umständen schon etwas zurück. Z u m anderen unterzogen sich ihm auch Kandidaten, bei denen es höchst fraglich ist, o b sie überhaupt je eine Universität besucht h a t t e n . 1 4 0 Wenn sich auch das universitäre Theologiestudium als Weg zu den im Ordinandenexamen geforderten Kenntnissen geradezu aufdrängte, und man sich auch schwerlich vorstellen kann, w o das abzuprüfende Wissen sonst angeeignet werden sollte, rechtlich vorgeschrieben war das Studium nicht. Es gab immer auch noch einen Weg ins Pfarramt, der an der Universität vorbeiführte.

1 3 9 Vgl. Drews, Ordination, Prüfung und Lehrverpflichtung, S. 86. Die feierliche Ordination mit Handauflegung ist, so sehr sie von Luther schon früher bedacht und schon einzeln praktiziert worden war, doch eigentlich erst durch die kurfürstliche Zentralisierung 1535 in festen Gebrauch gekommen. Zuvor wurde mit „Ordination" oft einfach nur die Sendung ins Pfarramt bezeichnet; vgl. Brecht, Martin Luther, Bd. 3, S. 1 2 7 - 1 2 9 . Zur Amts- und Ordinationstheologie Luthers und Melanchthons vgl. die Studie von Lieberg. Ordinationszeugnisse der Jahre 1 5 3 6 1545 ediert in WA.B 12, S. 447^485; ergänzend Moeller, Wittenberger Ordinationszeugnis. Vgl. außerdem Volz. 1 4 0 Siehe Wittenberger Ordiniertenbuch. Vgl. dazu Brecht, Martin Luther, Bd. 3, S. 129; Cohrs, Art. Unterrichts- und Bildungswesen, S.306, Z . 3 1 - 3 8 ; Karant-Nunn, S . 9 - 1 1 .

Kapitel 4

Reformatorische Anweisungen zum Theologiestudium 1. Philipp Melanchthon: „Brevis discendae theologiae ratio" (1529/30) Die neue Wittenberger Universitätstheologie, die in Überzeugungsgemeinschaft vor allem von Luther, Karlstadt, von Amsdorf entwickelt wurde, hatte, wie aus dem vorhergehenden Kapitel deutlich geworden sein dürfte, schon recht bald zu einer Reform des bisherigen scholastischen' Theologiestudiums geführt. Das theologische Lehrangebot wurde mehr und mehr auf die Bibel und die Kirchenväter umgestellt; auch der im Blick auf das Theologiestudium wichtige Artes-Unterbau wurde früh einbezogen und im Rahmen einer aus reformatorisch-theologischen wie humanistischen Motiven heraus durchgeführten Universitätsreform um neue Fächer erweitert. Der Reformwille der Theologen betraf aber nicht nur das akademisch-öffentliche Lehrangebot, sondern das theologische Studium überhaupt, also gerade auch dessen häuslich-privaten Vollzug. Auch in dieser Hinsicht wurde ein reformerischer Gestaltungswille der Wittenberger Theologieprofessoren erkennbar, begannen sich mit der Zeit Konturen eines neuen theologischen Studienkonzepts abzuzeichnen. Dem dürfte aufseiten der Studenten ein gestiegener Beratungsbedarf entsprochen haben. Es gab wohl damals in Wittenberg nicht wenige Studenten, die nach Hinweisen und Ratschlägen verlangten, wie sie ihre theologischen Studien am besten einzurichten hätten. Nicht ohne Grund sahen bereits die neuen Universitätssatzungen von 1 5 2 3 eine obligatorische Studienberatung samt Erstellung eines individuellen Studienplans („ratio studiorum") bei allen Neuankömmlingen an der Wittenberger Universität vor. 1 Der erste literarische Versuch, die Studenten zu einem Theologiestudium anzuleiten, das den neuen Vorstellungen entsprach, stammt allerdings nicht aus der

1 U U W I, S. 1 2 8 (Nr. 1 3 1 ) : „1. Quisquís studiorum caussa se huc confert, primum omnium apud rectorem nomen suum profiteatur. ñeque enim potest consulere publicis studiis rector nisi ei se commendent juvenes. 2 . Et quia juvenilis aetas nec de studiis nec de moribus recte judicare potest, rector profitentem nomen suum, si ita poscat res, statim alicui ex paedagogis c o m m e n det, qui íIli studiorum certam rationem praescribat. neque enim nocentior pestis ulla est quam discendi nullam certam rationem sequi et tanquam sine scopo j a c u l a r i . " O b diese Vorschriften auch in jedem Einzelfall umgesetzt wurden, darf bezweifelt werden; vgl. Scheible, M e l a n chthon. Eine Biographie, S. 3 8 f . 4 9 . Zu den „Pädagogen" vgl. Käthe, S . 7 5 .

Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Feder eines der genannten Theologieprofessoren, sondern von Philipp Melanchthon, einem philosophischen Kollegen, der zwar auch theologische Studien betrieben hatte und 1525 zum „baccalaureus biblicus" promoviert worden war, der sich aber - je später, je mehr - vor allem der Artes-Fakultät verpflichtet wusste. Sein Interesse galt einer umfassenden Universitäts- und Studienreform, basierend auf einem humanistisch geprägten Reformprogramm. Mehrere Studienpläne zeigen, wie Melanchthon in diesem Sinne studienberatend tätig geworden ist. Die meisten dieser Studienpläne sind für Studienanfänger geschrieben, befassen sich also vorwiegend mit der Gestaltung des Studiums in den ersten Semestern auf der Artes-Fakultät. 2 Daneben gibt es aber auch einen Studienplan, den Melanchthon für einen (nicht namentlich genannten) Theologiestudenten verfasst hat. 3 Der Text, es handelt sich der literarischen Form nach um einen Privatbrief, ist wahrscheinlich im Spätherbst 1529 entstanden. 4 Er wurde ab 1537 mehrfach in Sammelwerken gedruckt 5 und unter der Bezeichnung „Brevis discendae theologiae ratio" bekannt. Aufgrund der Bedeutung des Textes sei hier zunächst dessen Inhalt den wichtigsten Linien nach vorgestellt. 6 Im Zentrum dieses Studienplans steht das Bibelstudium, das nach Melanchthon in zwei unterschiedlichen Arbeitsgängen zu bewältigen ist. 7 Zum einen 2 Vgl. die „Ratio studendi feliciter in theologia" (WA.TR 2, S.399, Z . 2 4 - S.400, Z . 3 1 [Nr. 2227b]); den Studienplan für den spanischen Studenten Franciscus Dryander (gest. 1552), „ M o d u s et ratio studiorum" („Ratio studiorum"), 1542 (MBW 3123; CR 4, S p . 9 3 4 - 9 3 6 [Nr.2608]); die beiden Studienpläne für unbekannte Studenten: der eine, „De ratione studior u m " , [Wittenberg, 1 5 3 5 - 4 6 ] (MBW 9408) wurde von Bindseil ediert (CR 3, Sp. 1 1 1 0 - 1 1 1 3 [Nr. 2030]), eine Abschrift des anderen, wohl gleichfalls in Wittenberg entstandenen, aber undatierten Studienplans befindet sich in der Landesbibliothek Detmold (MBW 9409); den Studienplan, den Melanchthon wahrscheinlich für den polnischen Studenten Adrian Chelmnicki verfasst hat, die so genannte „Ratio studiorum" [Wittenberg, Juni 1554] (MBW 7228; CR 10, Sp.99f. [Nr. 7093]; MelDt. Bd. 1, S. 103 f.); den Begleitbrief mit Studienplan für Herzog Johann Friedrich von Pommern [in Wolgast], [Wittenberg, 10. November] 1554 (MBW 7331; CR 8, S p . 3 8 2 - 3 8 7 [Nr.5695]). Vgl. außerdem die so genannte „Ratio discendi", die zusammen mit dem „Philippi Melanthonis de Luthero et Erasmo Elogion" und der Empfehlung „ Q u o iudicio Augustinus, Ambrosius, Origenes ac reliqui doctores legendi sint" erstmals 1522 zu Wittenberg im Druck erschien (CR 20, Sp. 6 9 8 - 7 0 8 [Nr. 6[): Sie ist weniger ein Studienplan als vielmehr ein grundsätzliches Plädoyer für die Notwendigkeit des Studiums der lateinischen und griechischen Sprache im Blick auf Theologie und „pietas". 3 M B W 854; CR 2, S p . 4 5 5 - 4 6 1 (Nr. 953); vgl. Erman/Horn, Bd. 1, S.391, Nr. 8 0 2 5 - 8 0 2 8 . 4 Z u r Datierungsfrage vgl. die Angaben in den Regesten zu M B W 854; Nieden, Wittenberger Anweisungen, S. 135, Anm. 8. 5 Z u r Druckgeschichte vgl. MBW.T 3, S. 6 6 5 - 6 6 9 ; M . Jung, Sapientia, S. 172. 6 Vgl. zum Folgenden Nieden, Wittenberger Anweisungen, S. 1 3 5 - 1 3 8 . Inhaltsangaben ferner bei Hartfelder, S.472^174; Mager, Melanchthons Impulse, S. 116f.; Scheible, Melanchthon. Eine Biographie, S.50f. Vgl. auch Bayer, Melanchthons Theologiebegriff, S. 3 0 - 3 3 . 7 Für T. Kaufmann, Martin Chemnitz' Kommentar, S. 2 0 3 f., Anm. 67, ergibt sich bei dieser Deutung des Textes das „methodologische Problem", dass Melanchthon erst nach der Thematisierung der Bibellektüre auf die „methodus" zu sprechen k o m m t , mit deren Hilfe die biblischen Bücher zu lesen und zu exzerpieren sind. K a u f m a n n ist daher geneigt, die mit „praeterea" angeschlossenen Hinweise als methodisch-didaktische Auslegung der Forderung „tota biblia ordine

1. Philipp Melanchthon:

„Brevis discendae theologiae

ratio"

(1529/30)

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soll der Student morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Schlafengehen „gleichsam um zu beten" ein oder zwei Kapitel aus der Bibel lesen, sodass mit der Zeit die ganze Heilige Schrift der Reihe nach („ordine") durchgelesen wird. Melanchthon empfiehlt, dabei mitlaufend wichtige Bibelstellen in ein Verzeichnis von „Grundbegriffen" („loci communes") einzutragen, die möglichst das „Ganze" („summa") der christlichen Lehre umfassen. 8 Die Nomenklatur dieser Loci kann der Student zunächst einfach dem entsprechenden Lehrbuch Melanchthons (in der revidierten Fassung von 1522) entnehmen. Diese fortlaufende Lektüre dient dazu, mit dem biblischen Text möglichst vertraut zu werden. 9 Zum anderen hat sich der Student mit Hilfe der Bibel eine „methodus", das heißt in diesem Fall ein „Raster" 1 0 , anzueignen, durch das er die christliche Lehre vollständig zu erfassen vermag. Die Grundstruktur dieser „methodus" ist anhand des Römerbriefes zu erarbeiten, „weil der über die Rechtfertigung, den Gebrauch des Gesetzes, den Unterschied von Gesetz und Evangelium disputiert, welche die wichtigsten Begriffe der christlichen Lehre sind" 11 . Ein oder zwei fixe legenda" zu verstehen und nur einen einzigen Akt des Bibelstudiums anzunehmen. Das erscheint indessen doch recht unwahrscheinlich. Erstens gibt Melanchthon für die zur Aneignung der „ m e t h o d u s " empfohlene Lektüre des Römerbriefes ausdrücklich noch einmal eine eigene Zeitangabe („certam aliquam horam, aut si libet duas") - offensichtlich im Unterschied zur morgend- und abendlichen Bibellesung. Zweitens hat Melanchthon in den durch das „praeterea" eingeleiteten Anweisungsabschnitten anscheinend nicht die ganze Bibel im Blick, sondern nur die für die Erarbeitung der „methodus" besonders relevanten biblischen Bücher. Drittens rät Melanchthon zur „ordentlichen" Lektüre der ganzen Bibel „ t a n q u a m orandi causa", wobei „gelegentlich" („obiter") eine herausragende Bibelstelle exzerpiert und ein Kommentar befragt werden kann, während er für die Lektüre des Römer-, Galater- und Kolosserbriefes, dann aber auch der anderen genannten biblischen Schriften ein sorgfältiges Erwägen aller Sätze empfiehlt, begleitet von einem intensiven Kommentarstudium. Melanchthon denkt offenbar an zwei unterschiedlich ausgerichtete Lektüren der Bibel, an zwei verschiedene Arbeitsgänge, die wohl beide im täglichen Studium ihren Platz haben sollten: eine kursorische Lektüre, die der kanonischen Reihenfolge der biblischen Bücher folgt und auf das Erfassen des Duktus ausgerichtet ist, und eine eher statarische Lektüre, die sich um den Sinn einzelner Worte und Sätze m ü h t und einer rechtfertigungstheologisch bestimmten Reihenfolge der biblischen Bücher folgt. Durch letztere erwirbt man sich die Kenntnis der „methodus". Vgl. dazu auch T. K a u f m a n n , Universität, S.275, Anm. 125. 8 O b Melanchthon dabei an ein geschriebenes oder bloß gedanklich-vorgestelltes Verzeichnis gedacht hat, ist aus dem Text nicht zu ersehen. 9 MBW.T 3, S.669, Z . 3 - 1 0 : „Illud initio praestandum est, ut textus Bibliae fiat familiaris. M e u m igitur consilium est ut mane, postquam surrexisti, et vesperi, cum cubitum ire voles, legas t a n q u a m orandi causa unum atque alterum caput. Ita ordine tota Biblia legenda. Et si quis occurrit obscurus locus, quaerendus est interpres. Et simul obiter sunt excerpendae praecipuae sententiae, quae sunt in locos communes digerendae qui continent summam doctrinae christianae. Nomenclaturam talium locorum alicubi edidi et sumi possunt ex meis Locis communibus." 10 Der Begriff des „Rasters" wird hier gegenüber dem Begriff des „Systems" bevorzugt, um nicht dem Missverständnis einer zu engen logischen Verbindung zwischen den einzelnen Loci Vorschub zu leisten; vgl. Junghans, Theologieverständnis, S.202. 11 MBW.T 3, S.669, Z . 10 - S.679, Z . 15: „Praeterea danda opera est, ut informes tibi met h o d u m aliquam in qua sit summa doctrinae christianae. Et ad hanc accommodanda est episto-

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Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Stunden - gemeint ist wohl am Tag und nicht in der Woche 12 - sind daher für die Lektüre des Römerbriefes zu reservieren. 13 Melanchthon liegt daran, dass der Student das Loci-Raster nicht nur einfach aus dem Lehrbuch übernimmt, sondern auch die in diesem Raster verwendeten „Grundbegriffe" ihrem Inhalt nach versteht und so den Weg nachgeht, auf dem der Wittenberger Lehrer selbst seine theologischen „loci communes" gewonnen hat. Das geschieht, soweit aus den kurzen Hinweisen ersichtlich, durch eine logisch-rhetorische Analyse paulinischer Texte, vor allem des Römerbriefes. Aus ihm sind die rechtfertigungstheologischen Grundbegriffe zu erheben. 14 Anschließend folgen der Galaterbrief (mit Luthers Kommentar in der zweiten Auflage von 1523) und der Kolosserbrief (mit Melanchthons Kommentar von 1527). Wer diese Schriften durchgearbeitet hat, besitzt einen Überblick über das Ganze der christlichen Lehre. Melanchthon ist davon überzeugt, dass sich auch die Inhalte der anderen biblischen Schriften den so erarbeiteten Loci zuordnen lassen. Der Student soll sich in diesem Zuordnen üben, indem er anschließend - gemäß der sachlichen Nähe zum solchermaßen rechtfertigungstheologisch bestimmten Zentrum der christlichen Lehre - die übrigen Paulusbriefe, die Evangelien, sodann die Genesis, das Deuteronomium, die Psalmen, Propheten und Geschichtsbücher liest. 15 Es geht dabei im Unterla Pauli ad Romanos. Haec enim p r o p e m o d u m est methodus totius scripturae, quia disputat de iustificatione, de usu legis, de discrimine legis et evangelii, qui sunt praecipui loci doctrinae christianae." 12 So Scheible, Melanchthon. Eine Biographie, S. 50. Das umfangreiche Lesepensum, das Melanchthon zur Lektüre im Z u s a m m e n h a n g der Methodus-Erarbeitung aufgibt, lässt sich eigentlich nur im täglichen Rhythmus bewältigen. Anders Hartfelder, S.472, der die Zeitangabe Melanchthons auf die ganze Woche bezieht. 13 MBW.T 3, S.674, Z . 18f.: „Sumas igitur tibi certam aliquam horam, aut si übet duas, ad legendum epistolam ad R o m a n o s . " 14 MBW.T 3, S. 670, Z . 19-22: „Hic diligenter expendendae omnes sententiae sunt et considerandum, quid in utramque partem dici possit. Et quaerenda certa sententia Pauli, oberservanda series argumentorum et propositionum." Melanchthon hat dieses Verfahren in seinem Römerbriefkommentar von 1532 selber praktiziert und aus einer rhetorischen Analyse heraus die Loci gewonnen; vgl. Schäfer, Melanchthons Hermeneutik. Kurz vor der Abfassung der „Brevis dicendae theologiae ratio" hatte Melanchthon die „Dispositio orationis in epistola Pauli ad Rom a n o s " (1529) publiziert (CR 1, S. 1043; 15, S . 4 4 3 - 4 9 2 ) , in der er das rhetorische Gefüge des Römerbriefes bis in die kleinsten Wendungen hinein analysierte; siehe Supplementa Melanchthoniana, Bd. 5/2, S.XLI-LI. 15 MBW.T 3, S.671, Z . 2 8 - 3 2 : „His diligenter lectis habebis quasi summam doctrinae christianae. Facile igitur intelligi iam caetera Pauli epistolae poterunt, quia subinde idem docet. Deinde legendum evangelium Matthaei aut Lucae. Hic videndum, q u o m o d o accomodanda sint omnia et includenda in illos locos c o m m u n e s " ; MBW.T 3, S.672, Z . 4 6 - 5 0 : „Vellern initio legi Genesin cum enarratione Lutheri, postea Deuteronomion cum enarratione Lutheri, deinde Psalterium. Et in his diligenter videndum est, q u o m o d o et haec quadrent ad locos illos communes qui summam doctrinae christianae continent." Melanchthon empfiehlt ferner, während der Lektüre wichtige biblische Belegstellen zu den verschiedenen „loci communes" (wie zum Beispiel Trinität, Schöpfung, Glaubensgerechtigkeit und andere) in einem eigenen H e f t zu verzeichnen. Als Vorbild kann dabei das (ungedruckte) „Handbüchlein" („Enchiridion") Melanchthons dienen, das er für seine dogmatischen Vorlesungen zusammengestellt hat; vgl. dazu

1. Philipp Melanchthon:

„Brevis discendae theologiae

ratio"

(1529/30)

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schied zur morgend- und abendlichen Bibellektüre um ein intensiv analytisches Lesen, das die Texte im Licht bestimmter theologischer Gesichtspunkte (vor allem der beiden Fundamentalloci „Gesetz" und „Evangelium") zu verstehen sucht. Der Student soll mit Hilfe der Loci-Methode lernen, einzelne biblische Aussagen im Lehrsystem zu verorten und dadurch zu ,vereindeutigen', „so dass er", wie Melanchthon schreibt, „einen zweifelsfreien [Schrift-]Sinn festlegt, der das Gewissen genau über den Willen Gottes unterrichten kann. Denn diese Erkenntnis ist für den Gebrauch, für die Anfechtungen bereitzustellen" 16 . Die Loci-Methode macht in den Augen Melanchthons die konventionelle, in der mittelalterlichen Bibelauslegung vorherrschende allegorische Methode überflüssig und hilft, viele dunkle Stellen zumal im Alten Testament zu klären. Freilich - so wird beiläufig festgehalten - lassen sich die biblischen Verheißungs- und Drohworte erst dann begreifen, „wenn der eine oder andere Gebrauch im Leben hinzukommt, wenn die Anfechtung den Geist übt und zu beten zwingt. An Gelegenheiten zum Gebet jedoch mangelt es niemals" 17 . Das Einüben der Bibelinterpretation nach der Loci-Methode ist Melanchthon zufolge mit dem Studium der kirchlich-theologischen Tradition zu verbinden. Empfohlen werden die Schriften Augustins, insbesondere diejenigen gegen die Pelagianer. Auch von Hieronymus ist einiges mit Gewinn zu lesen. Die exegetische und dogmatische Literatur des Mittelalters, die den traditionellen theologischen Studiengang prägte, bleibt dagegen außen vor. Lediglich das biblische Kommentarwerk des Nikolaus von Lyra (ca. 1270-ca. 1349) scheint sich Melanchthon noch als Begleitlektüre vorstellen zu können. 1 8 Ferner sind die „canones" und Lehrkorpora der Alten Kirche zu studieren. Zu wählen ist dabei freilich, was mit dem Evangelium übereinstimmt, wie überhaupt bei der kirchlichen Lehre sorgfältig zwischen Aussagen, die das geistliche Leben, und solchen, die politische Dinge betreffen, zu unterscheiden ist. 19

MSA 7/2, S. 95f., Anm. 18. Wenn Melanchthon auch zugesteht, dass dieses H e f t dem zuvor besprochenen Loci-Heft sehr ähnlich („pene similis") sein werde (MBW.T 3, S.671, Z . 4 2 ; vgl. Kunze, Art. Loci theologici, S.572, Z . 12-15), so sind für ihn um 1530 die Loci offenbar noch nicht einfach mit den „Glaubensartikeln" identisch; vgl. Troeltsch, Vernunft und Offenbarung, S.63, Anm. 2. 16 MBW.T 3, S. 674, Z. 7 2 - 7 5 : „Hoc potius aget, ut unam certam sententiam constituât, quae certo docere conscientiam possit de voluntate Dei. Est enim ad usum, ad tentationes comparanda haec cognitio." 17 MBW.T 3, S. 672, Z. 34 - S. 673, Z. 56: „Haec Ipromissiones et comminationes] tunc demum intelligi poterunt, cum aliquis in vita usus accedit, cum tentatio exercebit animum, et orare coget. Neque unquam tarnen desunt occasiones orandi." 18 MBW.T 3, S.674, Z . 6 9 - 7 1 : „Nonnihil tarnen adiuvabitur in his e d a m a sancto Hieronymo, nonnihil a Lyra, qui sic satis diligens est in historia." 19 MBW.T 3, S. 675, Z. 9 7 - 1 0 0 : „Denique in tota doctrina ecclesiastica diligenter observandum est, quae pars ad vitam spiritualem proprie pertineat, quae pars doceat de civili conversatione et de politicis rebus."

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Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen zum

Theologiestudium

Außerdem hat sich der Student mit den „humanae litterae" und praktischen Stilübungen zu befassen. Letztere helfen ihm, religiöse Streitfragen zu klären. So lässt sich das Urteilsvermögen schärfen, wenn man ab und an theologische Auseinandersetzungen, die zum Beispiel mit den Wiedertäufern geführt werden, schriftlich festhält. Die Kenntnis der Sprachen und der Rhetorik ist zum Verständnis der Bibel und damit auch zur Widerlegung häretischer Ansichten unverzichtbar. 2 0 Aus Philosophie und Jurisprudenz soll der Student nach M e l a n chthon einiges studieren, aber darauf achten, „dass er nicht unpassend geistliche Lehre mit politischer v e r m i s c h e " 2 1 . Die Dialektik ist so notwendig wie die G r a m matik und Rhetorik. N u r ignorante Theologen verachten die Philosophie. Nähere studientechnische Ratschläge zu diesen Fächern gibt M e l a n c h t h o n allerdings nicht. M i t einem kurzen Hinweis auf den Nutzen, den der gelegentliche Besuch juristischer Disputationen bringen kann, beschließt er seinen Studienplan. Geht man von den Vorstellungen aus, die heute mit studienberatender Literatur üblicherweise verbunden werden, so muss selbst bei einer nur oberflächlichen Betrachtung der „ R a t i o " der geringe Bezug des Studienplans zum akademischen Lehrbetrieb auffallen. Z w a r sind einige beachtliche inhaltliche Übereinstimmungen zwischen dem erneuerten Wittenberger theologischen Vorlesungsangebot und dem Studienplans M e l a n c h t h o n nicht zu übersehen. M i t den von den Professoren nachweislich behandelten biblischen Büchern ( R o m , Ps, Gal), Kirchenvätern (Augustin) und Texten der Tradition (Nizänum) sollte sich der Student auch privat intensiv beschäftigen; ebenso sollte er auch zu Hause sich in der exegetischen M e t h o d e üben, die ihm die Professoren in ihren Vorlesungen demonstrierten. Aber es fällt doch auf, dass M e l a n c h t h o n s Studienplan - von einigen Autoren als „die erste evangelische Schrift über die M e t h o d e des T h e o l o g i e s t u d i u m s " 2 2 bezeichnet - keinerlei Hinweise auf zu hörende Vorlesungen gibt und weder den Besuch von theologischen Disputationen noch von philosophischen Deklamationen erwähnt, die in Wittenberg auf M e l a n c h t h o n s Betreiben hin eingerichtet worden waren. Stattdessen steht das Selbststudium im Vordergrund. Inge M a g e r hat zu Recht festgestellt, dass M e l a n c h t h o n in der „ R a t i o " auf die humanistischen Studien wie auf eine weitgehend abgeschlossene Studienphase zurückblickt. Ihrer

2 0 M B W . T 3, S. 6 7 6 , Z . 1 1 2 - 1 1 8 : „Est etiam et ad perfecte intelligendas scripturas et ad refutandos haereticos cognitione linguarum opus. Multae enim controversiae diiudicari possunt recte cognita natura sermonis et figurarum. Neque tarnen de natura sermonis et de figuris iudicare poterit quisquam, nisi legerit eloquentium hominum scripta, Ciceronis, Livii, Virgilii, Terentii, Ovidii, Quintiliani. Addendi sunt et Graeci Homerus, Herodotus, Demosthenes, Lucian u s . " Siehe dazu auch die Hinweise auf den Nutzen der Rhetorik für die künftigen Theologen in der von M e l a n c h t h o n verfassten philosophischen Studienordnung von 1 5 2 6 : U U W I, S. 1 4 7 (Nr. 1 4 8 ) . 2 1 M B W . T 3, S . 6 7 6 , Z . 1 2 0 - 1 2 1 : „|...|, ne inepte commisceat doctrinam spiritualem cum politica." Vgl. auch M B W . T 3, S . 6 7 7 , Z . 1 2 5 - 1 2 6 : „|...|, ne inepte confundatur doctrina Christiana et philosophica." 22

Stempel, S . 1 4 0 f . ; vgl. auch Kirn, S . 5 4 1 .

1. Philipp Melanchthon:

„Brevis discendae

tbeologiae

ratio"

(1529/30)

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Meinung nach gibt Melanchthon mit diesem Text „Anweisungen für ein studienbegleitendes oder auch ganz autodidaktisches Lernen nach dem Abgang von der Universität" 23 . Man wird freilich angesichts des doch wohl in Universitätsnähe anzusiedelnden Adressaten24 vielleicht vorsichtiger zu formulieren haben: Melanchthon gibt in der „Brevis discendae theologiae ratio" einem studentischen Leser Hinweise zur Einrichtung privater theologischer Studien mit losem universitären Bezug. Jedenfalls fehlen alle expliziten Bezüge auf die Berufswirklichkeit eines Geistlichen, auf Predigt, Sakramentsverwaltung oder Seelsorge. Der Studienplan ist nicht unmittelbar auf den Erwerb bestimmter pastoraler Kompetenzen abgezweckt. Es geht vielmehr berufsunspezifisch um die Heranbildung eines „doctor euangelii" 25 , der in der Lage ist, strittige Lehrfragen zu entscheiden, die „dogmata" zu verteidigen und die „Häretiker" zu widerlegen. Das Theologiestudium,26 das Melanchthon in dieser Anweisung empfiehlt, ist zuerst und vor allem Bibelstudium, und zwar in zwei Studienakten: einer eher fortlaufenden, ,kursorischen' Lektüre, die den großen Sinnlinien folgt und inhaltliche Zusammenhänge erschließt; und einer eher verweilenden, ins Detail gehenden Lektüre, die den Text mit Hilfe der rechtfertigungstheologisch gesteuerten Loci-Methode bearbeitet. Im Zuge dieser ,statarischen' Lektüre, zu der Melanchthon besonders ausführlich anleitet, soll sich der Student anhand einschläMager, Melanchthons Impulse, S. 115. Melanchthon scheint einen universitären Kontext beim Adressaten vorauszusetzen. Zum einen dürfte sich die zu lesende Literatur, dürften sich insbesondere die exegetischen Kommentare der Reformatoren und die Ausgaben der antiken Klassiker, schwerlich in der Privatbibliothek eines Universitätsabgängers befunden haben. Der Zugang zu einer größeren Bibliothek scheint vielmehr vorausgesetzt. Zum anderen wird damit gerechnet, dass sich der Student Manuskripte von Melanchthons Vorlesungen besorgen und auch gelegentlich Disputationen der juristischen Fakultät besuchen kann. Der Adressat könnte somit durchaus unter den zeitgenössischen Wittenberger Studenten zu suchen sein. Doch ist eine solche Annahme nicht wirklich zwingend. Es ist vom Text allein her nicht zu entscheiden, ob Melanchthon die Teilnahme am universitären Lehrbetrieb einfach voraussetzt und mit seinem Studienplan folglich auf das häuslich-private Studium, auf die stille Seite des akademischen Alltags zielt, oder ob er ein post- beziehungsweise außeruniversitäres Selbststudium zu formieren beabsichtigt. Jedenfalls scheint sich Melanchthon an einen philosophisch vorgebildeten Leser zu wenden. T. Kaufmann zufolge hat Martin Chemnitz sein theologisches Selbststudium, das er während seiner Zeit als Königsberger Bibliothekar betrieb, nach den Anweisungen der „Ratio" eingerichtet; vgl. ders., Martin Chemnitz' Kommentar, S . 2 0 2 f . 2 5 MBW.T 3, S. 675, Z. 100 - S. 676, Z. 103: „Sciendum, quid ad doctorem evangelii pertineat, quid item ad magistratum pertinet, et doctrina evangelii procul seiungenda est a politica." 2 6 Dass es sich in der „Brevis discendae theologiae ratio" um Anweisungen zu einem Theologie-Studium handelt, ist vom sprachlichen Befund her nicht ohne weiteres ersichtlich. Das Wort „theologia" kommt im Text überhaupt nicht vor (zur sekundären Überschrift vgl. C R 2, S. 4 5 6 , Anm. 1 |Nr. 953]). Lediglich zweimal wird - im Blick auf den Adressaten - vom „theologus" beziehungsweise allgemein von „theologos" gesprochen (MBW.T 3, S . 6 7 6 , Z. 120; S . 6 7 7 , Z. 123). Der Begriff der „doctrina" wird offensichtlich dem der „theologia" vorgezogen. Vgl. zu diesem für Melanchthon typischen Sprachgebrauch die terminologischen Beobachtungen und Überlegungen bei Wallmann, Theologiebegriff, S. 1 9 - 2 3 , und Wiedenhofer, Bd. 1, S. 3 4 4 346. 23 24

Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

giger Paulusbriefe zunächst die Grundbegriffe der Rechtfertigungslehre aneignen - „gleichsam eine Summe der christlichen Lehre" - und sich anschließend darin üben, von der solchermaßen bestimmten Schriftmitte aus die Bibel zu lesen. Er soll also lernen, die Bibel von der in ihr geoffenbarten, rechtfertigungstheologischen „doctrina" aus zu verstehen und auszulegen. Das Theologiestudium besteht demnach schwerpunktmäßig darin, die Lehre aus den Paulinen zu eruieren und nach dieser Lehre die übrigen biblischen Texte zu interpretieren. Das entspricht der für Melanchthon charakteristischen Betonung der „christlichen Lehre" und seinem Verständnis der Theologie als einer „Lehrwissenschaft". 2 7 Um das theologische Studienprogramm und das ihm zugrunde liegende Verständnis des Theologen bei Melanchthon richtig einschätzen zu können, ist ein kurzer Vergleich der „Ratio" mit den anderen, auf die Formierung des Artes-Studiums abzielenden Anweisungen Melanchthons hilfreich. Dabei zeigen sich einige auffällige Übereinstimmungen. Das Drängen auf tägliche, kursorische Bibellektüre am Morgen und am Abend durchzieht die nichttheologischen Anweisungen Melanchthons ebenso wie der Rat, sich anhand des Römerbriefes (und weiterer ausgewählter biblischer Schriften) eine bibelhermeneutische Methodus zu erarbeiten und auf diese Weise die wichtigsten Loci einzuprägen. 28 Wenn für die kursorische Lektüre des angehenden Theologen ausdrücklich die reflektierte (und wohl auch schriftlich festzuhaltende) Zuordnung des Gelesenen zu bestimmten Loci communes gefordert und für die (wohl täglich anzusetzende) statarische Lektüre ein quantitativ wesentlich umfangreicherer, vermehrt auch Kommentarwerke einbeziehender Literaturkanon aufgestellt wird, so erscheinen diese Empfehlungen der „Ratio" lediglich als eine intensivierte, gleichsam professionellere' Variante eines im Grunde für alle Studenten von Melanchthon zugedachten Studienprogramms. Die Anweisungen unterscheiden sich also an diesem Punkt nur graduell. Die theologischen Privatstudien, wie sie Melanchthon in der „Ratio" anlegt, gehen aber dann in der Beschäftigung mit der kirchlichen Tradition, mit den Kirchenvätern und den „canones", und in der kontroverstheologischen Ausrichtung der Stilübung über das allen Studenten auferlegte Programm hinaus. Wie bei der Bibelexegese so steht auch bei der Beschäftigung mit diesen Texten die Fähigkeit der Sinndetermination durch Unterscheidung (Dihärese) im Mittelpunkt. Melanchthon mahnte den Studenten an mehreren Stellen in der „Ratio", zwi27

Vgl. Wallmann, Theologiebegriff, S. 7 5 - 8 2 . Siehe CR 3, Sp. 11 lOf. (Nr. 2030); CR 4, Sp. 935 (Nr. 2608); CR 8, Sp. 382 (Nr. 5695); CR 10, Sp. 100 (Nr. 7093). Z u r Bedeutung der Loci-Kenntnis für das Christsein siehe auch die berühmte Formulierung der ersten Auflage der Loci, MSA 2/1, S. 7, Z. 7 - 1 2 : „Reliquos vero locos, peccati vim, legem, gratiam, qui ignorarit, non video q u o m o d o christianum vocem. N a m ex his proprie Christus cognoscitur, siquidem hoc est Christum cognoscere beneficia eius cognoscere, non, quod isti docent, eius naturas, modos incarnationis contueri." 28

1. Philipp Melanchthon:

„Brevis discendae tbeologiae

ratio"

(1529/30)

17

sehen geistlichem Leben und politischem Sachverhalt, zwischen geistlicher Lehre und Politik, zwischen „doctrina christiana" und „philosophia" zu unterscheiden und beide Bereiche nicht zu vermischen. Die unterschiedlichen Gegensatzpaare sind jeweils spezifische Ausprägungen der für Melanchthon fundamentalen Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium. Sie bildet die Leitdifferenz, das entscheidende hermeneutische Kriterium für den Umgang des Theologen mit den „canones" der Alten Kirche, der Philosophie oder auch den juristischen Fragen. Und die Fähigkeit, mit Hilfe dieser Leitdifferenz den Sinngehalt biblischer, aber auch theologisch-traditioneller Texte zu determinieren, macht eine Grundqualifikation des Theologen aus. Darüber hinaus erwartet Melanchthon vom Theologen offenbar auch gewisse apologetisch-kontroverstheologische Kompetenzen, wie die Begründungen für die Kenntnis der biblischen Sprachen und der Stilübungen zeigen. Insgesamt gesehen, lässt die „Ratio" ein Bild des Theologen erkennen, der als gleichsam professioneller Bibelleser' in der Lage ist, biblische, aber auch andere theologische Texte im Licht bestimmter Leitdifferenzen zu lesen und dadurch zu ,vereindeutigen', und der zugleich gelernt hat, die kirchliche Lehre gegenüber externen Kritikern mit guten Gründen zu verteidigen sowie in strittigen theologischen Fragen ein kompetentes Urteil abzugeben. Die humanistische Prägung Melanchthons, insbesondere aber auch der Einfluss der „Methodus" des Erasmus, sind in der „Ratio" mit Händen zu greifen: die herausgehobene Stellung des Bibel- und Kirchenväterstudiums, vor allem Augustins und Hieronymus', die Empfehlung der Loci-Methode, die Forderung gründlicher Kenntnisse in den „humanae litterae". Aber es ist doch unschwer zu erkennen, dass sich die Gewichte verschoben haben. Sah Erasmus, jedenfalls in seinen prononciertesten Äußerungen, den Theologen erst eigentlich durch die tatsächliche Praxis pietatis konstituiert, so sind doch bei Melanchthon „doctrina" und „pietas" von der Bedeutung her geradezu gleichwertig. Beide zusammen erst konstituieren den Theologen. Vor allem aber ist Melanchthon viel stärker als Erasmus an einer schriftimmanenten Texterschließung nach rechtfertigungstheologischen Prinzipien interessiert. Die „philosophia Christi" des Erasmus ist inhaltlich nur bedingt mit der vor allem aus dem Römerbrief gewonnenen „doctrina" Melanchthons identisch. Das zeigt die charakteristische Veränderung in der Rezeption der Loci-Methode: Melanchthon hatte sich bei der Übernahme der Loci-Methode in seiner Rhetorik von 1519 an dem Vorbild des Erasmus orientiert und mit einem Loci-Raster operiert, das vorwiegend aus anthropologisch-moralischen Begriffen und Formeln konstruiert war. 29 Unter dem Einfluss von Luthers reformatorischer Theologie versuchte er nun die Loci-Methode auch für die Theologie fruchtbar zu machen, indem er ein Raster von Loci communes entwarf, das einer rechtfertigungstheologischen Logik folgte. 30 Den 29 30

Siehe CR 20, Sp. 6 9 3 - 6 9 8 . Vgl. Junghans, Philipp Melanchthons Loci theologici; Kunze, Art. Loci communes; Schei-

78

Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Weg, den er selber bei der Konstruktion dieses Rasters gegangen war, hat er - in groben Zügen - in der „ R a t i o " beschrieben und zur N a c h a h m u n g empfohlen. Melanchthon legte Wert darauf, keine von außen vorgefertigten Loci an den biblischen Text heranzutragen. Vielmehr suchte er, diese Loci aus dem biblischen Text selber zu gewinnen. Die paulinischen Schriften bildeten die hermeneutische „methodus" für die Interpretation der gesamten Bibel, da sie klar und einsichtig die rechtfertigungstheologisch maßgeblichen Loci wie „Buße", „Gesetz", „Evangelium", „ G l a u b e " zur Verfügung stellten, durch die der Leser den soteriologischen Sinn auch anderer biblischer Texte entdecken konnte. Sie bildeten gleichsam die rechtfertigungstheologische Grammatik der Bibel. 31 H a t t e der Student diese Grammatik verinnerlicht und nach ihren Gesetzen den biblischen Text zu dechiffrieren begonnen, dann, so die Uberzeugung Melanchthons, würde sich auch dessen heilschaffender Sinn erschließen. M a n k a n n dieses Auslegungsverfahren gewissermaßen „dogmatisch" nennen, insofern Melanchthon den Studenten mit der Loci-Methode dazu anleiten möchte, die Bibel auf ihre (rechtfertigungstheologisch bestimmte) „doctrina" hin zu lesen und auszulegen. Z u beachten ist dabei der applikative Impetus, der nicht nur speziell bei Melanchthon, sondern schon in der früheren humanistischen Verwendung mit dieser M e t h o d e verbunden ist. Bereits die Ratschläge der italienischen Humanisten zum Sammeln und Exzerpieren von Literatur waren wesentlich durch das Interesse motiviert, den Lesern einen Weg zur Anverwandlung des fremden, aber doch so sehr erstrebten antiken Lebens und Denkens zu weisen. 3 2 Die Loci-Methode bot die Möglichkeit, die Lesefrüchte so zu ordnen, dass damit zugleich auch Prozesse geistiger Verarbeitung des Gelesenen initialisiert wurden. Diese Motivlage spielte auch in Melanchthons Konzept der Loci eine entscheidende Rolle. Auch er wollte den Studenten dazu anweisen, die Bibel nach rechtfertigungstheologischen Gesichtspunkten zu lesen, um so mit der „doctrina" gedanklich affiziert zu werden. Allerdings rechnete Melanchthon mit einer endgültigen Sinnerhellung erst dann, wenn der biblische Text auch „gebraucht", das heißt auf eine bestimmte Lebenssituation angewendet wurde, wenn die Anfechtung hinzutrat und m a n in einer solchen bedrängenden Situation den Trost der christlichen Lehre erfuhr. Melanchthon hielt wie Luther die sinnerschließende

ble, Melanchthon. Eine Biographie, S. 1 4 0 - 1 4 2 ; ders., Melanchthon zwischen Luther und Erasmus, S. 167, A n m . 6 3 . 31 Melanchthon, Heubtartikel, S.77, Z. 18-24: „Und ist das gantze Predigtampt, das Gott geordnet hat in öffentlichen versamlungen, auch das schreiben, nicht anders denn der Propheten und Aposteln schrifften und die Symbola dem Volck für lesen oder sprechen und dabey eine erinnerung thuen - wie eine Grammatica - , was der spräche warhafftiger verstand sey, was Gott genennet ist, was erschaffene ding sind, was diese namen: Leib, Geist, Person, Gesetz, Sünde, Evangelium, Verheissung, Glaube, Gnade, Gerecht werden, Gottesdienst etc. bedeuten." Vgl. Bayer, Theologiebegriff, S.43, Anm. 131. 32 Vgl. dazu die Hinweise bei Buck, S. 142 f.

1. Philipp Melanchtkon:

„Brevis discendile theologiae ratio"

(1529/30)

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Kraft der Erfahrung aus der Frömmigkeit für bibelhermeneutisch unverzichtbar. 3 3 Verglichen mit den Ausführungen zur L o c i - M e t h o d e hat er diesen Aspekt des exegetischen Verfahrens wie auch den der grammatisch-rhetorisch Analyse in der „ R a t i o " lediglich gestreift. Melanchthon wies zwar darauf hin, dass die bibelexegetischen Einsichten für Anfechtungssituationen bereitzustellen' seien ein Hinweis, der sich offensichtlich der auch in anderen Schriften M e l a n c h t h o n s greifbaren Uberzeugung verdankte, dass nur derjenige die biblischen Worte richtig und sachgemäß aufzufassen vermag, der ihre Heilskraft erfahren h a t . 3 4 Aber in seiner „ R a t i o " deutete er diesen Aspekt mehr an, als dass er ihn thematisierte. 3 5 Möglicherweise sah er in dieser Hinsicht keinen Anweisungsbedarf bei seinem Adressaten. Wahrscheinlich aber hat schon der angestrebte Textcharakter eines Studienplans M e l a n c h t h o n davon abgehalten, das Bibelverstehen allzu sehr an die didaktisch nicht vermittelbaren Erfahrungen des Heiligen Geistes zu knüpfen. So wird in dieser Anweisung das Theologiestudium nahezu ausschließlich als Bemühen um lehr- und lernbare Inhalte fassbar, dessen vorrangiges Ziel darin besteht, spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten in der Bibelauslegung, in der Ermittlung der „ d o c t r i n a " zu gewinnen.

3 3 Dass M e l a n c h t h o n die Frömmigkeit als eine wesentliche hermeneutische Voraussetzung der Theologie verstanden hat, ist neuerdings von Martin Jung überzeugend herausgearbeitet worden; vgl. ders., Frömmigkeit und Theologie, S. 3 1 7 f . Vgl. auch Grosse; Wiedenhofer, Bd. 1, S. 3 3 3 f. 3 4 In seiner Abhandlung „De officiis concionatoris" (Mai oder Juni 1 5 2 9 ) betont M e l a n chthon, Supplementa M e l a n c h t h o n i a n a , Bd. 5 / 2 , S. 8, Z . 8 - 1 0 : „Neque vero studio tantum consequetur, ut intelligat sacras literas, sed opus est, ut doctore spiritu sancto experiatur vim earum in variis vitae casibus." Vgl. Haendler, S. 1 8 9 ; Scheible, Melanchthons Bildungsprogramm, S. 1 0 7 . Siehe auch die programmatische Rede „Necessarias esse ad o m n e studiorum genus artes dicendi" (das so genannte „Encomium eloquentiae") von 1 5 2 3 , M S A 3 , S. 5 9 , Z . 3 0 - 3 6 : „Et ut paucis e x p o n a m , quid iudicem ad sacrarum litterarum tractationem conferre linguarum scientiam, non sum in eo errore, ut humani ingenii industria sacra penetrar! statuam. Sunt in sacris, quae nisi monstrante deo nemo umquam cernat, nec innotescit nobis Christus, nisi doceat spiritus sanctus. Sic enim Christus ipse inquit a spiritu se 6oi|aa6fjvcu." 3 5 Hier wiederholt sich in gewisser Weise die Spannung, die M e l a n c h t h o n s Verständnis der „ d o c t r i n a " kennzeichnet: Die „ L e h r e " ist geradezu ein historischer Gegenstand, beglaubigt durch Wunder und somit allen Menschen über den Weg der „fides historica" zugänglich - und doch soll die Zustimmung („assensus") vom Heiligen Geist bewirkt sein; vgl. Wallmann, T h e o logiebegriff, S. 7 6 f. Entsprechend ist auch der eine Sinn der Bibel mit den jedermann zugänglichen Mitteln humanistischer Exegese eruierbar - und soll doch erst vom Heiligen Geist erschlossen werden.

80

Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

1. Martin Luther: Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner deutschen Schriften ( 1 5 3 9 ) Auch Martin Luther hat sich verschiedentlich zu Fragen des Theologiestudiums geäußert. Der wichtigste Text in diesem Zusammenhang - gleichsam die Äußerung ex professo - ist Teil einer Vorrede, und zwar der Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Gesamtausgabe seiner deutschen Schriften von 15 3 9. 36 Luther entfaltet darin seinen Lesern die Begriffstrias von „oratio, meditatio, tentatio" als „eine rechte weise in der Theologia zu studirn" 37 . An einer herausragenden Stelle im Lutherschen Oeuvre platziert und von offensichtlich prinzipiellem Charakter, gelangte der Text der Vorrede zu großem Einfluss auf die schriftlichen Ratschläge und Hinweise, welche die lutherischen Theologen den angehenden Geistlichen zu Wesen und Aufbau des Theologiestudiums an die Hand gaben. 38 36 WA 50, S. 657, Z. 1 - S. 661, Z. 8. Wesentliche Elemente der Vorrede (Gebet, Meditation) von 1539 begegnen bereits in der an amtierende Priester gerichteten „Ratio vivendi sacerdotum" von 1519 (WA.B 1, S. 175). Weitere Äußerungen ,anweisenden' Charakters finden sich vor allem in den so genannten Tischreden: WA.TR 5, S . 2 0 4 , Z. 15 - S . 2 0 5 , Z. 18 (Nr. 5511); WA.TR 2, S. 67, Z. 32^10 (Nr. 1353). Zum Zeugniswert der in WA.TR gesammelten Texte vgl. Junghans, Tischreden (im Anschluß an Kroker: „eine ebenso wertvolle geschichtliche Quelle wie andere tagebuchähnlichen Niederschriften" [ebd., 174] auch). 3 7 WA 50, S. 658, Z. 2 9 f . Luthers Vorrede ist in drei neueren monographischen Arbeiten umfassender interpretiert worden. Nicol zufolge wurzelt Luthers Meditationsverständnis, das gerade auch in der Vorrede von 1539 greifbar ist, in der monastischen Meditationstheologie und -praxis des Hoch- und Spätmittelalters und kann nur von daher angemessen verstanden werden. So habe Luther mit der triadischen Formel das verbreitete Stufenschema (lectio - meditatio - oratio - contemplano) Giugo (II.) des Kartäusers aufgenommen und zugleich modifiziert. So sehr auch Luther den öffentlichen Charakter der „meditatio" in der Rede betont habe, sein Meditationsverständnis sei doch wesentlich von der monastischen Praxis des einsamen, innerlichen Nachdenkens über den biblischen Text geprägt gewesen; vgl. ders., S. 6 4 - 1 0 1 . Demgegenüber hat Bayer - interessiert am Theologiebegriff Luthers - in seiner Interpretation der Vorrede die „äußerliche" Seite des Wortes, die im Zeithorizont des apokalyptischen „cursus euangelii" geradezu aktive Dimension der „meditatio" und die damit konstitutiv verbundene passive der „tentatio" hervorgehoben. Die „tentatio" verdeutliche, dass der Theologe nach Luther das biblische Wort „erleide" (vita passiva). Theologie im Lutherschen Sinne sei ein Umgang mit dem Wort, in dem der Meditierende letztlich selber von Gott ausgelegt werde; vgl. ders., Theologie, S. 5 5 - 1 0 6 ; Martin Luthers Theologie, S. 2 7 - 3 4 . Kang wiederum liest die Vorrede stärker von ihrer Wirkungsgeschichte her, liest sie gleichsam mit den Augen der orthodoxen und pietistischen Theologen, die sie zur Legitimierung ihrer Reformprogramme für das Theologiestudium an den Universitäten heranzogen. Seiner Meinung nach sind „Frömmigkeit und Gelehrsamkeit", auf deren Erwerb die pietistischen Anweisungen zielen, sowohl bei Vertretern der lutherischen Orthodoxie als auch bei Luther selbst schon als die entscheidenden Zielvorgaben des Theologiestudiums festzustellen; vgl. ders., S. 7 1 - 2 0 4 . 38 Eine Untersuchung zur Rezeptionsgeschichte der Vorrede von 1539 im Luthertum steht noch aus, wenn auch schon einige wichtige Spuren gesichert und verfolgt wurden; vgl. etwa die Analyse der Rostocker Anweisungen des David Chytraeus bei T. Kaufmann, Universität, S. 2 5 7 2 8 5 . Im Rahmen einer Vorgeschichte der pietistischen Studienreform behandelt Kang die Rezeption im Luthertum anhand ausgewählter Autoren des 17. Jahrhunderts; vgl. ders., S. 71— 140.

2. Martin Luther:

Vorrede zum ersten Band seiner deutschen

Schriften

(1539)

Vor allem die triadische Formel wurde in den lutherischen Anweisungen auf breiter Linie aufgenommen. Sie erlangte im Luthertum des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts geradezu .kanonische' Geltung 39 , und zwar über die Grenzen der verschiedenen theologischen Strömungen hinweg, bevor sich dann ihr Einfluss gegen Ende des 18. Jahrhunderts - im Gefolge der sich durchsetzenden Trennung von Theologie und Religion - aus den Anweisungen verlor. 40

39

H ä u f i g auch in der erweiterten Fassung: „ O r a t i o , meditatio, tentatio faciunt t h e o l o g u m " . Tholuck spricht diesbezüglich gar vom „symbolum Luthers" (ders., Vorgeschichte, Bd. 2/1, S. 82). Die Trias in der F o r m „oratio, meditatio, tentatio" begegnet im gesamten Lutherschen Schrifttum n u r an dieser Stelle; vgl. Bayer, Theologie, S. 61, A n m . 126. D o c h scheint auch die erweiterte Fassung möglicherweise auf Luther selbst zurückzugehen. Siehe weniger den Bucheintrag WA 4 8 , S . 2 7 6 (wohl Exzerpt der Vorrede von anderer H a n d ) als vielmehr die Tischredennotiz bei Mathesius, Bd. 3, S . 2 9 3 , Z . 3 - 1 0 : „Item, drey stück machen ein T h e o l o g u m : M e d i t a tio, oratio & tentatio. M a n m u ß dencken vnd der schrifft w o r t e nachtrachten vnnd den H e r r n der Biblien v m b seinen geyst hertzlich ansprechen, welcher der t h o r h ü t e r ist zu Gottes liberey. Vnd m u ß etwas in schola crucis versucht vnd erfaren h a b e n . Wie Christus auch zuuor in die Wüsteney vom geyst gefürt vnd vom Teufel versucht w a r d , ehe er im dreissigsten jar a u f f t r a t . " 40 N i c h t wenige lutherische Theologen der O r t h o d o x i e und des Pietismus, ja selbst der beginnenden A u f k l ä r u n g zogen in ihren Anweisungen die triadische Formel oder sogar größere Passagen der Vorrede selbst heran, wobei die Art und Weise der Rezeption im Einzelnen naturgem ä ß unterschiedlich sein konnte; vgl. dazu Kang, S . 4 9 4 - 5 0 7 . Die drei „Regeln" w u r d e n dabei häufig als unverzichtbare „ i n s t r u m e n t a " , „requisita" oder „ m e d i a " eines gelingenden Theologiestudiums thematisiert. Einige Autoren wie David Chytraeus oder J o h a n n G e r h a r d suchten d a r ü b e r hinaus einen möglichst engen Anschluss an Luthers Überlegungen der Vorrede und erh o b e n die Trias mehr oder weniger zum Strukturprinzip der eigenen Anweisung. Es w a r J o h a n n Lorenz von M o s h e i m , der in seiner „Kurzen Anweisung, die Gottesgelahrtheit vernünftig zu erlernen" (Helmstedt 1763) z w a r mit den pietistischen Theologen die Intention Luthers gegen die Rezeption seiner Anhänger ausspielte, im Unterschied zu den Pietisten aber nicht m e h r d a v o n überzeugt war, dass die Vorrede, im ursprünglichen Sinn g e n o m m e n , einem Theologiestudenten im 18. J a h r h u n d e r t Wesentliches zu Anlage u n d A u f b a u seines Studiums zu sagen habe. Von M o s h e i m zweifelte, o b Luther mit der Vorrede ü b e r h a u p t z u m akademischen Studium der Theologie hatte anleiten wollen und ob mit den drei Begriffen „oratio, meditatio, t e n t a t i o " samt der D e u t u n g Luthers alles angesprochen worden sei oder wenigstens angesprochen werden k ö n n e , was zur gelingenden P f a r r a m t s f ü h r u n g notwendig ist; vgl. ders., S . 2 3 f . J o h a n n Sal o m o Semler n a h m das Urteil von M o s h e i m s positiv auf und verteidigte es in einer eigenen Schrift gegen pietistische und o r t h o d o x e Angriffe. Semler zufolge h a b e Luther unter „theologia" im Z u s a m m e n h a n g der Vorrede n u r die „praktischen W a h r h e i t e n " verstanden, gleichsam den „ o r d o salutis", nicht aber das Gesamtgebiet der gerade auch theoretische Lehrsätze u m f a s senden Theologie; siehe Semler, A n h a n g , S.40: „Der angefürte G r u n d zeigt, dass er Theologie hier d a f ü r nimt, was wir sonst die O r d n u n g des Heils nennen [ . . J . " Ebd., S. 66: „Von der Theologie ü b e r h a u p t , ohne weitere Einschränkung, k a n dieses nicht verstanden werden; s o n d e r n n u r von den Wahrheiten, die eigentlich unser Verhalten bestimmen helfen. D u r c h diese drey Mittel, welche immer beisammen sind und seyn müsssen, wird der M e n s c h ein rechter Theologus, nemlich in allen diesen practischen W a h r h e i t e n . " Semler sah im Text der Vorrede vornehmlich eine Anweisung zur privaten Frömmigkeit des Theologen, eine Anweisung zur religiösen Praxis, die seiner M e i n u n g nach sorgfältig vom theologischen Studium zu unterscheiden war. Die für den N e u p r o t e s t a n t i s m u s charakteristische T r e n n u n g von Theologie und Religion, die bei Semler bereits ausgebildet vorliegt, trug dazu bei, dass die Luthersche Trias aus den Anweisungen z u m Theologiestudium im 18. und 19. J a h r h u n d e r t allmählich v e r s c h w a n d .

82

Kapitel

4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Luther verfasste die Vorrede für das von ihm anfangs reserviert aufgenommene Projekt einer Gesamtausgabe seiner Schriften, das, zunächst von Straßburger Seite vorangetrieben, schließlich 1 5 3 9 in Wittenberg verwirklicht werden konnte. 4 1 Der Adressatenkreis der Vorrede ist nicht leicht zu bestimmen. Luther richtet den Text an Theologiestudenten, scheint darüber hinaus aber noch einen weiteren Leserkreis im Blick zu haben. 4 2 Jedenfalls gab er dem Text keine akademische Sprachgestalt und hat ihn offensichtlich auch nicht als Anweisung zu einem universitären Studium verfasst. Die Vorrede gliedert sich deutlich in zwei Teile, 4 3 die zwar miteinander verzahnt sind, die aber doch unterschiedliche Ziele verfolgen. Im ersten Teil greift Luther Gedanken auf, die er schon früher gegen das Projekt einer Gesamtausgabe seiner Schriften geäußert hat. Den Topos der Bescheidenheit betretend, ermahnt er die Leser, über der Lektüre der theologischen Werke (Luthers inklusive) das Studium der Bibel nicht zu vernachlässigen. Sie sollen sich mit unterschiedlichen Lektüremodi ,dem Buch' und den Büchern zuwenden, sie sollen die Bibel studieren, die theologischen Schriften dagegen allenfalls zum Zweck historischer Information ,einsehen'. 4 4 Der ganze Passus zielt offensichtlich darauf, das Leseverhalten der Rezipienten im Blick auf die geplante Gesamtausgabe zu steuern. Im zweiten Teil werden sodann drei „Regeln" zur praktischen Durchführung des zuvor als so unverzichtbar herausgestellten Bibelstudiums gegeben: „oratio, meditatio, t e n t a d o " . 4 5 Die drei Begriffe gehören eng zusammen und bilden im Grunde nur eine einzige Regel, einen einzigen Weg, mit der Bibel studierend umzugehen. 4 6 Luther entwickelt die Trias in maßgeblicher Orientierung am 119. Psalm, in dem er sich mit seinen eigenen geistlichen Erfahrungen offenbar wie4 1 Zur Entstehungsgeschichte des Publikationsprojekts vgl. Brecht, Martin Luther, Bd. 3, S. 1 4 4 - 1 4 8 . 4 2 Nach T. Kaufmann, Universität, S. 2 5 5 , Anm. 14, ist es nicht eindeutig zu entscheiden, ob Luther Theologiestudenten oder alle lesekundigen Christen im Blick hat. Doch spricht einiges dafür, dass Theologiestudenten der vornehmliche Adressatenkreis sind, in dem Luther mit der Lektüre der Vorrede und wohl auch seiner „Gesammelten Werke" rechnet. Kaufmann selbst (ebd.) weist darauf hin, dass Luther Leser voraussetzt, welche die Kirchenväter studieren, Leser, von denen er erwartet, dass sie einmal Bücher schreiben und andere belehren können. Es gibt zudem deutliche Hinweise, dass Luther von einer späteren Predigttätigkeit seiner Leser ausgeht. Das von der schulischen Wirklichkeit bestimmte Sprachfeld, dem die Leitworte des Textes entstammen (Pult, Bank, Doktor, studieren, lehren, schreiben), würde mit dieser Annahme gut zusammenstimmen. 4 3 Erster Teil: WA 5 0 , S. 6 5 7 , Z . l - S. 6 5 8 , Z. 2 8 ; zweiter Teil: WA 5 0 , S. 6 5 8 , Z . 2 8 - S. 6 6 0 , Z . 3 0 (Schlussabschnitt [WA 5 0 , S . 6 6 0 , Z . 3 t - S . 6 6 1 , Z . 8 ] ) . 4 4 WA 5 0 , S . 6 5 8 , Z. 1 3 - 2 0 : „Wolan, so las gehen in Gottes Namen, On das ich freundlich bitte, wer meine Bücher zu dieser zeit ia haben will, der lasse sie jm bey leibe nicht sein ein hindernis, die Schrifft selbs zu studirn, sondern lege sie, wie ich des Babsts Drecket und Drecketal und der Sophisten bücher lege, das ist: O b ich zu zeiten sehen, was sie gemacht, oder auch die geschieht der zeit rechen wolle, Nicht das ich darinne studirn oder so eben darnach thun müste, was sie gedaucht hat, Nicht viel anders thu ich mit der Veter und Conciben Bücher auch." 4 5 Vgl. zum Folgenden auch Nieden, Anfechtung, S. 8 4 - 8 8 . 4 6 Siehe das Resümee WA 5 0 , S . 6 6 0 , Z . 1 7 : „Sihe, da hastu Davids Regel [...]."

2. Martin Luther:

Vorrede zum ersten Band seiner deutschen

Schriften

(1539)

dererkennt. Das traditionelle Schema der monastischen Meditationspraxis des Mittelalters - „lectio - meditatio - oratio - contemplatio" 4 7 - schimmert zwar noch durch, ist aber von Psalm 119 her wesentlich verändert worden. Im Unterschied zur Tradition und nicht ohne vernunftkritischen, antischolastischen Unterton stellt er das Gebet („oratio") an den Anfang seiner Anweisung - und zwar speziell als Bitte um Erleuchtung durch den Heiligen Geist zum rechten Verständnis der biblischen Schriften. 48 Die übernatürlichen Lehrgegenstände der Bibel erfordern nach Luther einen übernatürlichen ,hermeneutischen Schlüssel'. Denn die Fähigkeiten, welche die menschliche Vernunft von Natur aus besitzt, reichen zur Erkenntnis des ewigen Lebens nicht aus. 49 So sehr Luther der Vernunft Erkenntnisfähigkeiten für den Bereich ,dieser Welt' zugesteht, so sehr bestreitet er ihr Einsicht und Urteil in ,jene Welt'. Die zweite Regel, die „meditatio", knüpft an die traditionellen Übungsschritte des innerlichen und halblauten Lesens („lectio"), des „Wiederkäuens" („ruminatio") und der Betrachtung („meditatio") der biblischen Schriften an. Die Meditation ist auch nach der Vorrede zunächst einmal ein intensives, studierendes Nachsinnen über das biblische Wort, ein „treiben und reiben, lesen und widerlesen, mit vleissigem auffmercken und nachdencken". Diese Schritte bleiben allerdings nicht auf die Privatsphäre begrenzt, sondern werden geradezu als öffentliche' Vorgänge verstanden. Gegen schwärmerische' Auffassungen betont Luther, dass sich das solchermaßen verstandene Meditieren auf das „äußere Wort" bezieht, hat doch Gott an das geschriebene, gepredigte, gelesene, gehörte Bibelwort seinen Geist gebunden. 50 Der Zusammenhang von Gebet und Meditation wird somit deutlich: Das Wort setzt den Heiligen Geist voraus - deshalb soll man um den Geist bitten; der Geist setzt das Wort voraus - deshalb soll man das Wort lesen und betrachten. Die auffälligste Veränderung des traditionellen Schemas besteht darin, dass Luther die „contemplatio" durch die Anfechtung („tentatio") ersetzt hat. Er versteht sie hier speziell als eine „An-fechtung" im wörtlichen Sinne, als eine Aggression von außen gegen den Meditierenden. 51 Der öffentliche Umgang mit 47

Vgl. Nicol, S. 1 7 - 2 0 ; Nieden, Anfechtung, S. 84, A n m . 10. Vgl. WA 50, S . 6 5 9 , Z . 1 0 - 1 2 . 49 WA 50, S. 6 5 9 , Z . 5 - 8 : „Erstlich soltu wissen, das die heilige Schrifft ein solch Buch ist, das aller ander Bücher Weisheit zur narrheit macht, weil keins vom ewigen leben Leret on dis allein. D a r u m b soltu an deinem sinn u n d verstand stracks verzagen. D e n n damit wirstu es nicht erlangen." 50 WA 50, S . 6 5 9 , Z . 2 2 - 2 5 : „ Z u m andern soltu meditirn, das ist: Nicht allein im hertzen, sondern auch eusserlich die mündliche rede und buchstahische w o r t im Buch jmer treiben u n d reiben, lesen u n d widerlesen, mit vleissigem auffmercken und n a c h d e n k e n , was der heilige Geist damit meinet." Ebd., S. 3 2 - 3 5 : „Denn Gott will dir seinen Geist nicht geben on das eusserliche Wort, da rieht dich nach. D e n n er hats nicht vergeblich befolhen, eusserlich zu schreiben, predigen, lesen, hören, singen, sagen etc." 51 Luther begreift die Anfechtung an dieser Stelle vor allem als A n f e c h t u n g s m a c h t ; zur Unterscheidung von Anfechtungsziisfarcd und Anfechtungsmacht vgl. Beintker, S. 6 0 - 6 6 . Der seeli48

Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

der Bibel ruft den Teufel auf den Plan: „frevele Fürsten oder Tyrannen" und „falsche Geister und R o t t e n " , das heißt eine antievangelische Politik und Lehre, machen dem Frommen zu schaffen und versuchen, den Lauf des Evangeliums aufzuhalten. 5 2 Erneut wird der sachliche Konnex der „Regeln" sichtbar: Die Meditation des Wortes führt in die Anfechtung. Die Anfechtung aber treibt wieder zurück in das „lesen und widerlesen" des Wortes; sie ist der „Prüfestein", wie Luther sagt, die Situation, in der sich das meditierte biblische Wort in seiner konsolatorischen Tiefendimension bewähren und bewahrheiten kann, lehrt sie doch den Angefochtenen „nicht allein wissen und verstehen, sondern auch erfaren, wie recht, wie warhafftig, wie süsse, wie lieblich, wie mechtig, wie tröstlich Gottes w o r t sey, Weisheit über alle Weisheit" 53 . Aus der Anfechtung resultiert ein Verstehen und vor allem Erfahren der heilsamen Eigenschaften des „verbum externum". Die „tentatio" sucht gleichsam ihre Uberwindung im Wort. Sie treibt den Menschen in die „meditatio", und im Zuge dieser „meditatio" eröffnen sich dem Angefochtenen die biblischen Worte in ihrer tröstlichen Bedeutung - ein Vorgang, den Luther an anderer Stelle als Gleichgestaltung des menschlichen Affekts mit dem biblischen Wort beschrieben hat. 5 4 In der Anfechtung zieht somit eine Situation von besonderer hermeneutischer Erschließungsqualität herauf. Im Vergleich zur „Brevis discendae theologiae ratio" Melanchthons ist der Anweisungs-Passus der Vorrede nicht so sehr auf konkrete Studieninhalte und -methoden, sondern eher auf die „Weise" des Studierens, auf den modus studendi thematisch konzentriert. Luthers Überlegungen gelten dem, was m a n in heutiger Begrifflichkeit vielleicht am treffendsten als „Studienethos" bezeichnen könnte. Schon von daher ist verständlich, weshalb auf die Situation des universitären Lehrens und Lernens kein Bezug genommen und außer der Heiligen Schrift eigentlich kein weiterer Studiengegenstand behandelt wird. Das Studium „in der theologia" sollte dem Grundvollzug nach ein beständiger Umgang mit der Bibel sein, und zwar ein Umgang, der auf ein intellektuelles wie existentielles Verstehen des Textes zielt. Das doppelte hermeneutische Ziel des „äußeren" Wissens sehe Zustand des Angefochtenseins wird von ihm nicht übersehen - die äußeren Angriffe schlagen, drängen, ängstigen den Angefochtenen und lassen ihn verzweifeln. Doch stellt er den Aspekt der externen, öffentlichen Aggression deutlich in den Vordergrund. Dem auf die welthafte Außendimension hin geöffneten Meditationsverständnis entspricht das auf die öffentliche Aggression hin pointierte Anfechtungsverständnis. 52 WA 50, S.660, Z. 5 - 1 6 . Der apokalyptische Zeithorizont Luthers wird vor allem von Bayer hervorgehoben; vgl. ders., Theologie, S. 6 4 - 7 0 . 9 2 . 9 7 f . Luther schreibt den Text der Vorrede in einer Zeit, in der sich die politischen Spannungen zwischen den Altgläubigen und den Schmalkaldenern einerseits, sowie zwischen dem Reich und den Osmanen andererseits wieder verschärften; vgl. zum geschichtlichen Kontext Brecht, Martin Luther, Bd. 3, S. 1 7 4 - 2 2 8 . 53 WA 50, S.660, Z. 1 - 4 . 54 Siehe zum Beispiel WA 3, S. 549, Z . 3 3 - 3 5 : „Nullus enim loquitur digne nec audit aliquam Scripturam, nisi conformiter ei sit affectus, ut intus sentiat, quod foris audit et loquitur, et dicat: ,Eia, vere sie est'." Vgl. dazu H a m m , Zentralbegriff, S. 117f.

2. Martin Luther:

Vorrede

zum ersten Band seiner deutschen

Schriften

(1539)

und „inneren" Erfahrens ließ sich nicht allein durch fleißiges „auffmercken und nachdenken" und damit durch ein Studium im eigentlichen Sinne des Wortes erreichen. Erforderlich war vielmehr ein Umgang mit der Bibel, der Raum für Erfahrungen mit dem Text eröffnete. Luther zufolge schlagen dem Meditierenden um seines Meditierens willen aus dem gesellschaftlichen Umfeld Aggressionen entgegen, die ihn in die Lektüre des biblischen Wortes zurücktreiben, das gerade dadurch sein konsolatorisches Potential zu erweisen vermag; die trostreichen Worterfahrungen sind aber, ohne dass dies hier ausdrücklich gesagt würde, als ein Wirken des Heiligen Geistes zu begreifen. 55 Das ganze Theologiestudium war somit darauf angelegt, dass der Student dem biblischen Wort „vertraute", ja Luther parallelisiert in diesem Passus der Vorrede das Theologiestudium faktisch mit dem Glaubensvollzug. Luther hat die Bedeutung des Studiums für das Verstehen der Bibel keineswegs übersehen - im Gegenteil. Weil sich der Geist an das äußere Wort gebunden hat, ist die Kenntnis der Offenbarung nur durch fleißigen Umgang mit den biblischen Texten zu gewinnen. Luther konnte bekanntlich gut humanistisch das Studium der Altsprachen als Voraussetzung der Schriftauslegung fordern. 5 6 Aber in dem besagten Passus der Vorrede bleibt die wissenschaftliche Arbeit der Bibelauslegung, bleiben damit auch alle weiteren Fragen nach Inhalt und Anlage des Studiums bezeichnenderweise im Hintergrund. 5 7 Dagegen wird das erschließende Wirken des Heiligen Geistes hervorgehoben: Der Geist erst lässt das biblische Wort als Gottes Wort hören; und auf das Hören des biblischen Wortes als Gottes Wort kommt es letztlich auch im Theologiestudium an. Von daher weist Luther

5 5 Siehe die grundsätzlichen Äußerungen in der Vorrede zur Magnificat-Auslegung (1521), WA 7, S . 5 4 6 , Z. 2 1 - 1 9 : „DIeszen heiligen lobesang ordenlich zuuorstehen / ist zu merckenn / das die hochgelobte iunckfraw Maria ausz eygner erfarung redet / darynnen sie durch den heyligen geist ist erleucht vnnd geleret worden. Denn es mag niemant got noch gottes wort recht vorstehen / er habs denn on mittel von dem heyligen geyst. Niemant kansz aber von dem heiligenn geist habenn / er erfaresz vorsuchs vnd empfinds denn / vnnd yn der selben erfarung / leret der heylig geyst / alsz ynn seiner eygenen schule / auszer wilcher wirt nichts geleret / denn nur schein wort vnnd geschwetz." Siehe auch WA 7, S . 5 5 0 , Z . 2 - 1 8 . 5 6 Vgl. den einschlägigen Abschnitt in der Schrift „An die Ratsherren aller Städte deutschen Lands, dass sie christliche Schule aufrichten und halten sollen" von 1524, WA 15, S . 3 6 , Z . 6 S . 4 3 , Z . 2 0 und dazu die Interpretation von Wriedt, Pietas et eruditio. Siehe außerdem WA 11, S . 4 5 5 , Z . 2 7 - S . 4 5 6 , Z . 3 ; WA 36, S . 3 5 3 , Z . 3 8 - S . 3 5 4 , Z . l ; WA 4 0 II, S . 4 7 4 , Z. 1 7 - 3 8 ; S . 4 7 5 , Z. 1 6 - 2 3 . 5 7 In anderen Äußerungen zum Theologiestudium konnte Luther durchaus konkrete Studiengegenstände benennen. Siehe vor allem WA.TR 5, S . 2 0 4 , Z. 1 6 - 2 4 (Nr.5511): „Wer ein öeoXoyos will werden, der hatt erstlich ein grossen vortheil: Er hatt die bibel. Die ist nun so klar, das er's kann lesen an omni impedimento. Darnach lese er darzu locos communes Philippi; die lese er vleissig vnd wol. also das er's gar im kopff habe. Wenn er die zwei hat, so ist er ein theologus, dem wider der Teuffell noch kein ketzer abbrechen kann: dem sthehet die gantze theologia offen, das er alles darnach, was er will, lesen kann ad aedificationem. Wenn er will, mag er dazu lesen ad Romanos, meine Galatas, Deuteronomium; das gibet im denn eloquentiam et copiam verborum."

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Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

seine Leser zu einem Umgang mit der Bibel an, der dem Geist möglichst breiten Wirkraum eröffnet. Das solchermaßen konzipierte Studium entsprach dem neuen, gegenüber der Scholastik geschichtlich' gewendeten Theologieverständnis. Luther erblickte den Gegenstand der Theologie nicht mehr, dem Wortsinn des Begriffs entsprechend, einfach in Gott, sondern in der Beziehung zwischen Mensch und Gott. 5 8 Er war der Überzeugung, dass die Theologie Gott nicht anders als im Glauben habe. 5 9 Das hatte zur Folge, dass damit der Mensch in den Gegenstandsbereich der Theologie gehörte. Es bedeutete aber auch, dass die Theologie selbst als Glauben zu konzipieren war, wenn sie es wirklich mit Gott zu tun haben wollte. Das Theologiestudium, wie es Luther in seiner Vorrede beschrieb, war daher im Grunde eine fromme Praxis, die sich vom Glaubensvollzug aller anderen Christinnen und Christen nicht prinzipiell unterschied. 6 0 Entscheidend war dabei und hier zeigt sich eine grundsätzliche Differenz zum theologischen Bildungsideal des Erasmus - , dass das solchermaßen konzipierte Theologiestudium gerade in eine Situation der Passivität, eine Situation des Leidens, hineinführte, in der die eigenen Glaubensbemühungen als fragwürdig und alle Evokationen des Heilsglaubens als so wenig wie möglich vom Tun des Theologen abhängig erschienen. Damit war ein Gedanke variiert, den Luther bereits in der Heidelberger Disputation von 1 5 1 8 mit dem Begriff der „theologia crucis" pointiert zum Ausdruck gebracht hatte: Die Erfahrung eigenen Nicht-Könnens ist eine wichtige Voraussetzung, um Gottes rechtfertigendes Handeln zu erkennen. 6 1 Erasmus zufolge kam die Theologie erst dann zu ihrem Ziel, wenn der Theologe versuchte zu leben, was er selber aus seinem Bibel- und Kirchenväterstudium gelernt hatte. Die frömmigkeitspraktische Umsetzung oder „Bewährung" der „philosophia Christi" war dabei selbstverständlich als eine im Willen des Theologen stehende Möglichkeit vorausgesetzt. Etwas plakativ kann man sagen: Bei Erasmus sollte 5 8 WA40/11, S . 2 3 8 , Z. 17: „[...] theologiae proprium subjectum est homo peccati reus et perditus, et Deus justificans ac salvator hominis peccatoris." Vgl. auch WA.TR 5 (Nr. 5757). Zu Luthers Theologiebegriff vgl. Bayer, Theologie, S. 3 5 - 5 5 ; Wallmann, Theologiebegriff, S. 1 7 19. 5 9 Siehe den locus classicus in „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium" (1520), WA 6, S . 5 1 6 , Z . 3 0 - 3 2 : „Neque enim deus [...] aliter cum hominibus unquam egit aut agit quam verbo promissionis. Rursus, nec nos cum deo unquam agere aliter possumus quam fide in verbum promissionis eius." 6 0 Von daher konnte Luther auch alle Christinnen und Christen als „Theologen" bezeichnen; siehe die charakteristische Passage in der Predigt über Ps 5 vom 17. Januar 1535, WA 4 1 , S. 11, Z. 9 - 1 2 : „[...] omnes sumus Theologi, heisst ein iglicher Christ. Theologia: Gottes wort, Theologus: Gottes worter redet. Das sollen alle Christen sein. Omnes dicimur Theologi, ut omnes Christiani, [...]." 6 1 Siehe die 19. und 20. These der Heidelberger Disputation, StA, Bd. 1, S . 2 0 7 , Z . 2 6 S . 2 0 8 , Z. 3: „Non ille digne Theologus dicitur, qui inuisibilia Dei, per ea, quae facta sunt, intellecta conspicit. [...] Sed qui uisibilia (et) posteriora Dei, per passiones (et) crucem conspecta intelligit." Ebd., S . 2 0 8 , Z. 27: „At Deum non inueniri, nisi in passionibus (et) cruce, iam dictum est."

3. Caspar Cruciger d.Ä.: „Admonitio

ad verbi divini ministros"

(1540)

87

sich der Theologe, bei Luther das Wort bewähren. Wenn Luther die Theologie insgesamt als „praktisch" charakterisieren konnte, 6 2 so bedeutete das also keine Zustimmung zum aristotelischen Praxisbegriff. Denn die Praxis, um die es Luther ging, sollte eine Einübung in Gebet, Meditation und Anfechtung sein, zielte also - wie gesehen - nicht auf eine aktiv herbeizuführende, sondern passiv zu erleidende Wort-Erfahrung. 6 3 Dieser den Theologen mit den Gläubigen verbindende Studienmodus ist im Grunde das heimliche Thema der Vorrede. Darüber sind dann offensichtlich alle näheren, für die spätere pfarramtliche Berufswirklichkeit nötigen „funktionalen" Qualifikationen in den Hintergrund getreten. 6 4

3. Caspar Cruciger d.Ä.: „Admonitio ad verbi divini ministros" (1540) Angestoßen von den verschiedenen Visitationen, die teilweise desolate Bildungszustände unter den Geistlichen in den protestantischen Territorien offenbarten, sind ab den dreißiger Jahren verstärkt Tendenzen zur intellektuellen Formierung der evangelischen Geistlichkeit bei den Reformatoren und Regierungen erkennbar. In Wittenberg war durch Melanchthon 1533 und 1545 sowie durch die Fundation von 1536 das akademisch-öffentliche Lehrangebot der Theologischen Fakultät den grundsätzlichen Inhalten und Lehrformen nach festgelegt worden. 62 WA.TR 2, S. 56, Z . 2 2 f . (Nr.1340): „Theologia est practica, non speculativa." Siehe auch ebd., S.464f. (Nr. 2444); WA.TR 1, S.72f. (Nr. 153); WA.TR 5, S.384 (Nr. 5867). 63 Gleichwohl waren für Luther der Theologe und der Christ nicht einfach identisch. Das Konzept des Theologen ging vom Begriffsinhalt her insofern darüber hinaus, als der Theologe doch eine vertiefte Kenntnis der Bibel erlangt haben sollte (siehe zum Beispiel WA.TR 4, Nr. 4 5 1 2 und 4567), als er in der Lage sein sollte, die Bibel mit den von den Humanisten propagierten Mitteln auszulegen, als er insbesondere gelernt haben sollte, zwischen der Weisheit Gottes und der Weisheit der Welt, zwischen Gesetz und Evangelium zu unterscheiden; siehe WA.TR 1, Nr. 626, S. 297, Z . 8—11: „Es mus einer, der ein Theologus sein will, die schrifft gar inne haben, das er auff alle locos seine solutio hab, quidquid opponi potest, nempe distinctionem legis et euangelii. Si hanc haberem perfecte, wolt ich nimmer traurig werden." Siehe auch WA.TR 2, Nr. 2146. Trotz des gewandelten Theologieverständnisses verstand auch Luther den Theologen seiner Haupttätigkeit nach vor allem als „Lehrer"; siehe etwa WA.TR 2, Nr. 2764. Im Unterschied zum Pfarrer sah er den Theologen jedoch nicht beziehungsweise nicht nur durch ein „ A m t " , sondern eigentlich erst durch besagte geistig-geistliche Kompetenzen in der Schriftauslegung zur „Lehre" befähigt. Für Luther war jeder Pfarrer und jeder Theologe auch „Lehrer". Dass jeder Pfarrer auch Theologe und jeder Theologe auch Pfarrer sei, hätte Luther dagegen schwerlich behauptet. 64

Luther konnte durchaus ein konkretes Anforderungsprofil der evangelischen Geistlichen zeichnen. Das zeigen etwa Texte wie WA.TR 2, S. 531, Z . 4 - 9 (Nr. 2580): „Conditiones boni praedicatoris. Primo debet esse didacticos. 2. sol ein fein kop haben, 3. wol bered sein. 4. sol ein stimme haben, 5. bonam memoriam. 6. sol wissen auffzuhoren. 7. sol seins dings fleissig sein. 8. sol leib und leben dran setzen. 9. sol sich von ydem man lassen geheyen [= verspotten]. Ultimo, quod patienter ferat. In praedicatoribus nihil facilius aut citius videri q u a m eorum vitia etc." Vgl. die Parallele WA.TR 6, S. 193, Z . 2 7 - 3 5 (Nr.6793). Siehe ferner WA.TR 4, S. 307, Z . 2 8 S.308, Z . 3 (Nr.4426).

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Kapitel

4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Daneben bestand aber auch ein Interesse, das häuslich-private Studieren der Studenten selbst zu formieren. Melanchthon hatte durch seine Deklamationen zu Fragen des Theologiestudiums, die er für bestimmte Redner schrieb, wesentlich zur Verbreitung eines entsprechenden Problembewusstseins und zugleich zur geistigen Auseinandersetzung mit seinen eigenen theologischen Bildungsvorstellungen beigetragen. So hatte er etwa 1 5 3 7 für seinen Kollegen Caspar Cruciger d.Ä. ( 1 5 0 4 - 1 5 4 8 ) eine Deklamation über die Würde des geistlichen Amtes und die rechte Vorbereitung dazu ausgearbeitet. 6 5 Wenig später sollte sich Cruciger selbst mit einer als Anweisung zum Theologiestudium zu bezeichnenden „Admonitio" bildungskonzeptionell zu Wort melden. Der humanistisch gebildete, naturwissenschaftlich interessierte Cruciger wurde 1 5 3 3 in Wittenberg zum Doktor der Theologie promoviert und in die Theologische Fakultät aufgenommen. 6 6 Seine Lehrtätigkeit erstreckte sich vor allem auf exegetische Vorlesungen über biblische Bücher beider Testamente, umfasste aber auch Lektionen über hebräische Grammatik oder über das Nizänum. Obwohl er sich um die Bibelübersetzung wie um die Edition der Werke Luthers verdient gemacht hatte, Luther ihn gelegentlich gar als seinen „Elisa" bezeichnete, 6 7 war Cruciger vor allem von Melanchthon theologisch geprägt. Zu der dialogisch aufbereiteten Ausgabe der „Loci theologici" Melanchthons von 1 5 3 5 , die der Nordhäuser Pfarrer und Kirchenorganisator Johann Spangenberg ( 1 4 8 4 - 1 5 5 0 ) für die Geistlichen des Fürstentums Braunschweig-Grubenhagen veranstaltete, 6 8 steuerte Cruciger ein kurzes Vorwort bei, in dem er den Pfarrern die Unverzichtbarkeit solider theologischer Bildung einschärfte. M i t diesem Vorwort brachte Spangenberg die „Margarita theologica" betitelte, lateinische Ausgabe seiner Loci-Bearbeitung schließlich 1 5 4 0 in Leipzig heraus. 6 9 Eine deutsche Überset6 5 C R 11, S. 3 2 4 - 3 2 9 (Nr. 4 4 ) . Zu Caspar Cruciger d.Ä. vgl. de Boor, S. 2 3 8 - 2 4 0 ; Cohrs, Art. Cruciger, S. 3 4 3 f.; GUW, S. 2 5 1 . 2 5 7 f . Ältere Literatur bei Lucas Osiander d.Ä., De Studiis Verbi Divini Ministrorum, Anhang, S. 10, Anm. *. Gegen die in der kirchenhistorischen Forschung des 19. und 2 0 . Jahrhunderts erkennbare Tendenz, hinter wichtigen Reden und Kommentarwerken Crucigers Melanchthon als eigentlichen Verfasser zu vermuten, wendet sich Wengert, Caspar Cruciger, mit bedenkenswerten Argumenten. 6 6 Vgl. oben Kap. 3 . 3 . 6 7 Vgl. die Nachweise bei de Boor, S . 2 4 0 , Z. 5. 6 8 Zur biographischen Orientierung vgl. Fauth; Kawerau. 6 9 Johann Spangenberg: Margarita Theologica, Continens Praecipvos Locos Doctrinae christianae, per quaestiones, breuiter & ordine explicatos, omnibus Pastoribus, uerbi preconibus & ecclesiae ministris summe utilis & necessaria. [...] Cum praefaciuncula D[octoris] Casparis Crucigeri, Leipzig 1 5 4 0 . Ein leicht gekürzter Druck der Vorrede Crucigers findet sich auch in der 1 7 3 3 veröffentlichten Neuausgabe der Anweisung des Lukas Osiander d.Ä.: D[octoris] Lvcae Osiandri Theologi Olim Wvrtembergici Celeberrimi De Stvdiis Verbi Divini Ministrorum Privatis Recte Institvendis Admonitio [...], Frankfurt. Leipzig 1 7 3 3 . Alle nachfolgenden Seitenangaben zur Vorrede Crucigers beziehen sich auf den Leipziger Druck der „Margarita Theologica" von 1 5 4 0 : Caspar Crvciger, Lectori salvtem dicit. In: Johann Spangenberg, Margarita Theologica, Bl. [b v] a -[b viij] a . Im Folgenden der Einfachheit halber zitiert als „Lectori salvtem".

3. Caspar

Cruciger

d.Ä.: „Admonitio

ad verbi divini ministros"

(1540)

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zung der „Margarita" erschien noch im selben Jahr zu Wittenberg, eine niederdeutsche 1 5 4 2 in Magdeburg. Die drei Versionen wurden im 16. Jahrhundert mehrfach aufgelegt. 7 0 Cruciger wendet sich in seinem Vorwort an Studenten („studiosi"), denen er das Werk Spangenbergs offensichtlich zur Examensvorbereitung empfiehlt. 7 1 Er mahnt, sich gründlich auf das „Lehramt" („ministerium docendi") vorzubereiten, und gibt ihnen dazu einige Studienempfehlungen, die sich recht deutlich an den künftigen beruflichen Anforderungen orientieren. Ausgehend von 1 Tim 3 , 2 hebt er aus den dort genannten Qualifikationen eines „episkopos" die didaktische als die Schlüsselqualifikation des Geistlichen hervor, die Fähigkeit, die christliche Lehre reflektiert und verantwortungsvoll an die Gemeinde weitergeben zu können. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, muss man zum einen von Haus aus eine „gut durchdachte sowie oft und über längere Zeit meditierte Summe der christlichen Lehre" mitbringen, das heißt über gründliche dogmatische Kenntnisse verfügen, gilt es doch die „doctrina" jederzeit für die praktische Anwendung parat zu haben; zum anderen ist „Klugheit und Geschicklichkeit im Lehren" nötig, damit man das, was die Gewissen der Menschen tröstet, angemessen und deutlich vermitteln kann. 7 2 Sowohl die Erkenntnis der Lehre als auch die „Klugheit und Geschicklichkeit im Lehren" erfordern „ein intensives 7 0 Vgl. die Drucknachweise bei Nieden, Wittenberger Anweisungen, S. 1 4 5 , Anm. 4 4 . Zur Interpretation der Vorrede vgl. ebd., S. 1 4 4 - 1 4 7 . 7 1 Cruciger beschließt seine Vorrede mit den Worten: „Haec breuiter dixi, admonendorum imperitiorum causa, ut accessuri ad ministerium docendi diligentius se praeparent, ut ueniant instructi quadam perfectiore doctrina, quam fere in uulgo esse solet, Ac bonam operam nauauit I O A N N E S Spangebergus, qui ut adiuuaret imperitiorum studia, praecipua capita & partes doctrinae ex locis communibus editis ä uiro doctissimo D[omino] PHILIPPO Melanthone, contraxit in quaestiones, ut in promptu sit, unde petant studiosi quid de singulis respondendum sit. Itaque hunc libellum studiosis commendo" (Lectori salvtem, Bl. [b viij] a ). Während sich Crucigers Vorrede an Studenten richtet, scheint Spangenberg vor allem Geistliche in den ersten Amtsjahren als Adressaten im Blick gehabt zu haben; vgl. Nieden, Wittenberger Anweisungen, S. 1 4 5 , Anm. 4 5 . 7 2 Lectori salvtem, Bl. |b v] a - [b v] b : „ C V M SIT A M P L I S S I M V M omnium munus in terris, & summa functio, docere Euangelium Christi, & pascere ecclesiam, quam deus sanguine suo acquisiuit, summa relligione[!] ac ueneratione ad id ministerium accedere, & magno studio praeparare sese debebant omnes, ut ad rem tantam uenirent instructi ijs dotibus, quas in pastore seu doctore Ecclesiae requirit Paulus, inter quas praecipuum est, quod praecipit, ut qui praeficitur gubernationi ecclesiae, sit ölöcoraxög [vgl. 1 Tim 3,2], id est, qui non solum ipse norit doctrinam christianam, sed etiam idoneus sit ad alios docendos, & doctrinam quam tenet, recte & foeliciter populo tradere possit. Horum utrunque magnum est, & requirit acre Studium & curam. Primum enim necesse est, ut alios docturus, ipse domo afferat bene cognitam ac multum & diu meditatam summam doctrinae Christianae [...]. Deinde adiungenda est & in docendo prudentia & dexteritas quaedam, ut 8c utilia ac necessaria conscientijs doceat, &: ut apte proprie ac perspicue ea tradat." Der Ausdruck „meditatam summam doctrinae Christianae" dürfte speziell auf das dogmatische Kompendium Melanchthons beziehungsweise dessen durch Spangenberg dialogisierte Bearbeitung anspielen; vgl. Lectori salvtem, Bl. [b vi] b , wo Cruciger den Reformatoren großen Dank dafür ausspricht, dass sie die reine Lehre wiederhergestellt, ,desophistiziert' und in die Form einer Lehrsumme gebracht haben.

90

Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen zum

Theologiestudium

und unablässiges Studium, ein beständiges Lesen und Meditieren der [biblischen] Schriften, ebenso die Hilfsmittel der anderen K ü n s t e " 7 3 . Der Student muss über rhetorisch-logische Grundkenntnisse verfügen, um die Lehre überzeugend vertreten und häretische Ansichten begründet zurückweisen zu k ö n n e n . 7 4 M i t dem Studium und der „ m e d i t a t i o " ist ferner das Gebet ( „ i n v o c a t i o " ) zu verbinden, worunter Cruciger die Bitte um Erleuchtung durch den Heiligen Geist versteht. 7 5 Ein vertieftes Verständnis der „ d o c t r i n a " soll also nach den Worten der Vorrede durch eine von den Artes unterstützte, grammatikalisch-rhetorische „ l e c t i o " und „meditatio" der biblischen Schriften erworben werden. Vergleicht man das Vorwort Crucigers mit den Anweisungen M e l a n c h t h o n s und Luthers, so fällt auf, dass auch dieser Text keinen direkten Bezug auf die Realität akademischen Lehrens und Lernens erkennen lässt, ja Cruciger gibt generell keinen Hinweis darauf, w o und wie die von ihm angesprochenen Qualifikationen erworben werden sollen. Offensichtlich kann er sich auch eine rein autodidaktische Bewältigung des von ihm vorgeschlagenen Pensums vorstellen. Anders als bei M e l a n c h t h o n und Luther sind nun freilich Crucigers Überlegungen klar auf das geistliche Amt und dessen berufliches Anforderungsprofil hin ausgerichtet. D e r Text ist vor allem aus der Absicht heraus geschrieben worden, die Leser des Spangenbergschen Kompendiums von der Unverzichtbarkeit einer gründlichen Kenntnis der „doctrina christiana" zu überzeugen. Nicht ohne Grund wird deshalb der Geistliche in diesem Text gerade als Multiplikator und Verteidiger der kirchlichen Lehre vorgestellt, der zur Wahrnehmung seiner Aufgaben einer gründlichen dogmatischen Schulung bedarf. Allerdings mutet Cruciger, und das ist ein gewichtiger Unterschied zu M e l a n c h t h o n s Anweisung, dem Studenten nicht mehr die selbstständige Erarbeitung der „ d o c t r i n a " an biblischen Texten mit Hilfe der L o c i - M e t h o d e zu. Jedenfalls fehlen im Vorwort alle diesbezüglichen Hinweise. Die Meditation hat vielmehr bereits eine „ S u m m e " der kirchlichen Lehre zur Grundlage, und dabei dürfte nun - vom Anlass des Textes her zu schließen - vor allem an das Lehrbuch M e l a n c h t h o n s beziehungsweise an dessen Bearbeitung durch Spangenberg gedacht sein.

7 3 Lectori salvtem, Bl. [b vi] a - [b vi] b : „ H a e c omnia postulant acre & indefessum Studium, assiduam lectionem & meditationem scripturarum, item adminicula aliarum artium, quae sunt necessariae ad erudite ac dextre explicandos difficiliores locos, & de quibus est aliquid controuersiae." 7 4 Lectori salvtem, Bl. [b vi] a : „Ad hanc facultatem [in docendo prudentia & dexteritas quaedam] opus est etiam instrumentis aliarum artium, praesertim cum incidunt controuersiae, & refutandae sunt opiniones, quae non consentiunt cum pura doctrina Euangelij, ubi danda est opera, ut ostensis fontibus & prolatis ueris rationibus & scripturae testimonijs, conscientiae euoluantur ex erroribus & perplexitate, & confirmentur in uera doctrina." 7 5 Lectori salvtem, Bl. |b vij] b : „Sed studio ac meditationi coniungenda est inuocatio, ut Spiritus sanctus mentes nostras sua luce perfundat, ut haec sanctissima mysteria comprehendere possimus, utque adsit ministerio nostro, & illud gubernet ad gloriam Dei & salutem Ecclesiae."

4. „Oratio in repetitionem

locorum communium

D. Philippi"

(1549)

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Der Text scheint zur Beschreibung des konkreten Studienvollzugs Elemente aus dem Studienplan Melanchthons mit denjenigen der Vorrede Luthers zu kombinieren. Dass es im Theologiestudium vorrangig d a r u m geht, die christliche Lehre gründlich und vollständig zu erlernen, ist gut melanchthonisches Erbe. Auch erinnert die Legitimierung des Artes-Studiums mit dem Hinweis auf die kontroverstheologischen Aufgaben des Theologen an die „Brevis discendae theologiae ratio". Dagegen dürfte das Verständnis des Bibelstudiums als „meditatio" ebenso ein Reflex der Lutherschen Vorrede sein wie die betonte N o t w e n digkeit des Heiligen Geistes zum Verstehen der göttlichen Geheimnisse. Bezeichnenderweise wird die „meditatio" von Cruciger auf die Erarbeitung einer „summa doctrinae" hin ausgerichtet. Derartige Synthetisierungstendenzen im Blick auf die Anweisungsüberlegungen der beiden Wittenberger Lehrer lassen sich in einem weiteren Text aus dem Schülerkreis noch deutlicher beobachten.

4. David Chytraeus: „Oratio in repetitionem locorum communium D. Philippi" (1549) Der aus dem hohenlohischen Ingelfingen gebürtige und für die Geschichte des Konkordienluthertums bedeutsame David Chytraeus 7 6 ( 1 5 3 0 - 1 5 6 0 ) hatte als junger Magister artium von 1544 an in Wittenberg Theologie studiert. Infolge des Schmalkaldischen Krieges musste er 1547 sein Studium abbrechen. N a c h einer Reise in die süddeutsche Heimat, verbunden mit Besuchen in Tübingen und Heidelberg, kehrte er 1548 wieder an die Leucorea zurück. W ä h r e n d seines zweiten, gleichfalls nur kurzen Wittenberger Aufenthalts ( 1 5 4 8 - 1 5 5 1 ) übern a h m er verschiedene Vorlesungen, las über Rhetorik, Astronomie sowie über die „Loci c o m m u n e s " seines verehrten Lehrers Philipp Melanchthon. N a c h d e m Chytraeus 1548 erstmals eine Repetition der „Loci c o m m u n e s " angeboten hatte, wiederholte er im darauffolgenden Jahr diese offensichtlich mit großem Erfolg durchgeführte Lehrveranstaltung noch einmal und eröffnete sie mit einer studienanweisenden „Oratio in repetitionem locorum c o m m u n i u m Dfomini] Philippi", auf die T h o m a s K a u f m a n n erstmals wieder a u f m e r k s a m gemacht hat. 7 7 Dieses Frühwerk gelangte nach allem, was bekannt ist, nur einmal zum Druck, nämlich in einem Sammelband von Deklamationen Jenaer Professoren, der 1554 in Straßburg erschien. 7 8 Für das auf die Rostocker Universität konzentrierte Untersuchungsinteresse K a u f m a n n s eher von mittelbarem Belang, ver76 Z u r biographischen Orientierung vgl. Barton; Keller, Art. Chytraeus; ders., Die Confessio Augustana. Druckschriftenverzeichnis bei T. Kaufmann, Universität, S. 6 2 1 - 6 4 0 . 77 Vgl. T. Kaufmann, Universität, S. 2 5 7 - 2 6 0 . 78 David Chytraeus: Oratio Davidis Cythraei[!] in repetitionem locorum c o m m u n i u m D[omini] Philippi, habita Vuitebergae Anno Christi. 1549. In: Selectarum Declamationum Professorum Academiae Ienensis, Tomus Primus, Straßburg 1554, S. 4 5 0 ^ 1 7 4 .

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Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

dient die Rede im Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Wittenberger theologischen Studienanweisungen hier größere Aufmerksamkeit. In seiner Eröffnungsrede geht Chytraeus der Frage nach, wie man die der Kirche von Gott anvertraute Lehre („doctrina") möglichst optimal, das heißt „mit großer Frucht an wahrer Frömmigkeit und frommer Gelehrsamkeit", erlernen könne. 79 Mit den Begriffen „pietas" und „eruditio" sind zwei Leitworte des christlichen Humanismus bezeichnet, zu denen sich Melanchthon ausdrücklich bekannte und die auch die isagogischen Überlegungen seines Schülers bestimmen. 80 Chytraeus betont zwar, dass Melanchthon ihm und anderen Studenten die „ratio studii Theologici" vorgeschrieben habe. 81 Das Grundraster seiner Anweisung übernimmt er aber dann doch von Luther, ohne ihn freilich in diesem Zusammenhang mit Namen zu nennen. Der konkrete Studienvollzug ist also an der Trias von „oratio, meditatio, tentatio" auszurichten. Dass das Erlernen der Lehre nicht nur eigenen Heilsinteressen dienen, sondern auch dazu befähigen soll, andere in der wahren Gottesverehrung zu unterrichten, wird dabei vorausgesetzt. Die Hörer werden deutlich vernehmbar als künftige Geistliche, als Multiplikatoren der christlichen Lehre, angesprochen. 82 Chytraeus weist die Studenten zunächst an das Gebet. Er versteht darunter nicht nur speziell die Bitte um den Heiligen Geist zur rechten Erkenntnis des biblischen Wortes, sondern allgemeiner die Bitte um Lenkung und Unterstützung der eigenen Studien und Frömmigkeitsübungen („exercitia pietatis") sowie um Bewahrung vor den damals umlaufenden interimistischen Irrtümern. 83 Das Ge79 Oratio, S.454: „Dicam enim quae sit ratio optima discendi doctrinam, quae à Deo Ecclesiae tradita est." Ebd., S.455: „[...], facilè intelligi potest, omnes nos rationem q u a n d a m ac uiam desiderare, cui insistentes m a g n o cum fructu poßimus & uerae pietatis, & piae eruditionis in discenda Ecclesiae doctrina uersari." Vgl. auch ebd., S.456.462. Vgl. zum Folgenden auch die Interpretation der Eröffnungsrede bei Nieden, Wittenberger Anweisungen, S. 1 4 7 - 1 5 1 . 80 Vgl. das kleine Katechismusstück Melanchthons, das unter der Überschrift „Duo sunt, ad quae t a n q u a m ad scopum vita omnis dirigenda est, Pietas et Eruditio" in den „Catechismi Christiani Capita" des Ambrosius Moibanus von 1533 abgedruckt wurde: Supplementa Melanchthoniana, Bd.5/1, S.373, Z . 1 - 2 2 ; vgl. CR 2, S . 4 6 1 - 4 6 2 , A n m . 3 0 (Nr.953). Dieses Stück ist möglicherweise schon 1522/23 entstanden; vgl. Supplementa Melanchthoniana, Bd. 5/1, S. LXIIIf. und Grane, Studia humanitatis, S.84; Stempel, S. 5 1 - 5 6 . 81

Oratio, S.463: „Haec qualiscunque diligentia legendi textum Bibliae, tantas secum commoditates adfert, ut à clarissimo uiro D[omino] praeceptore rationem studij Theologici, &i alijs & mihi praescribente, aliquoties probari audiuerim, & mandari illud praecipuè singulari cura singulis praenitendum esse, ut textuales fiant, & textum Bibliae quàm familiariSimè & optimè cognitum habeant." Möglicherweise hat Chytraeus bei den „alijs" auch an Victorin Strigel gedacht, dessen „Ratio discendi theologiam" in ähnlicher Weise die Luthersche Trias mit einem humanistischen Studienprogramm verbindet. 82 Siehe Oratio, S. 455: „Alij uerò mediocri ingenio homines [...] tanto cum fructu in hoc studio uersati sunt, ut sibi & alijs ad ueram Dei inuocationem, & ad uitam bene beatéque agendam plurimum contulerint." Ebd., S.470f.: „[...] animus, ad haec reuocandus est, donec et uerum iudicium de articulis doctrinae sibi comparet, déque ijs etiam alios proprio &C perspicuo orationis genere docere poßit." Vgl. auch ebd., S.468f. 83

Oratio, S.461: „[...], petamus à Deo Spiritum sanctum, qui mentes nostras luce accendat,

4. „Oratio

in repetitionem

locorum

communium

D. Pbilippi"

(1549)

93

bet wird von Chytraeus von Anfang an auf die eigene Praxis pietatis bezogen, ja es stellt selbst ein frommes „exercitium" dar, „das die aus der Lektüre aufgenommenen Sätze über die Lehrartikel in den Gebrauch überführt" 8 4 . Das Gebet ist gleichsam angewandte Theologie. Ähnlich wie für Melanchthon dürfte dabei auch für Chytraeus der Gedanke ausschlaggebend gewesen sein, dass erst die lebensweltliche Anwendung dem Studenten zur Einsicht in die Lehre verhilft. Wirkungsgeschichtlich folgenreich war Chytraeus' Auffassung der „meditat i o " , die er in der Repetitionsrede erstmals vortrug. Auch bei den Hinweisen zu diesem Studienakt setzte er im Vergleich zu Luther die Akzente etwas anders. So definiert Chytraeus die „meditatio" als „die gesamte Arbeit, die im Lernen und Lehren aufgewendet w i r d " 8 5 . Er versteht unter der „meditatio" die morgendliche und abendliche Lektüre der Bibel (in Luthers Ubersetzung) samt Führung eines Loci-Heftes, 8 6 das Studium der biblischen Redefiguren (auf der Grundlage solider sprachlicher, grammatischer und rhetorischer Kenntnisse), das Erlernen eines vollständigen „corpus doctrinae" mit Hilfe der Dialektik. 8 7 Schließlich rechnet er auch noch das Selbststudium der dogmatischen Tradition („testimonia antiquitatis") zur „meditatio", da er davon ausgeht, dass kaum jemand das gesamte Lehrkorpus in Vorlesungen werde hören können - nicht ohne aber zugleich deutlich vor einem selbstgenügsamen studentischen Autodidaktismus zu warnen. 8 8 Die „meditatio" fungiert bei Chytraeus somit als Schnittstelle', über regat & adiuuet, ut 8c in discenda doctrina Prophetarum & Apostolorum, & exercitijs pietatis proficiant [...]." Ebd., S . 4 5 7 : „At in hoc nostro studio, nisi accedat pia, frequens, quotidiana & ardens precatio, quae discendi labores petat ä Deo regi, gubernari & adiuuari, non modo omnes operae uanae ac irritae, sed saepe etiam illis ipsis auditoribus & alijs exitiales fuerunt." Ebd., S . 4 5 8 : „[...], ut toto pectore ä Deo aeterno conditore peteremus, ne in hos fanaticos errores, qui passim iam in Germania uagantur, incidere sinat. Vere enim si unquam alias, nunc praecipue diuino auxilio opus est, in regendis ac confirmandis animis, ne ä uera sententia aberrent [...]." Ebd., S . 4 5 9 : „[...] aßiduo uerö gemitu uota ad Deum facienda sunt, ut ipse nostras mentes, studia & actiones gubernet & adiuuet." 8 4 Oratio, S . 4 6 0 : „[...] imö illud nihil dubitans affirmare ausim, plus prodesse illud qualecunque exercitium inuocationis, languidum certe in nobis & frigidum, quod ad usum transfert sententias de articulis doctrinae, lectione perceptas, quam multorum dierum aßiduam lectionem per multos libros uolitantem: [...]." 8 5 Oratio, S . 4 6 1 : „Alterum instrumentum, quo uera & salutaris cognitio doctrinae coelestis comparatur, est meditatio: hoc est uniuersus labor, qui in discendo &C docendo consumitur [...]." 8 6 Das Heft ist offensichtlich nur noch als Kollektaneenheft für zentrale Bibelverse gedacht; vgl. Oratio, S . 4 6 1 . 8 7 Vgl. Oratio, S. 4 6 1 ^ 6 9 . Unter dem Begriff „corpus doctrinae" dürfte Chytraeus damals im Sinne Melanchthons - die ganze, in sich abgeschlossene Summe richtiger Schriftauslegung, das Ganze der kirchlichen Lehre verstanden haben; vgl. Haendler, S. 2 2 6 - 2 3 0 . Siehe Melanchthons Fakultätsstatuten von 1 5 3 3 , UUW I, S. 156 (Nr. 171): „hos locos et has metas magna ex parte monstrat epistola ad Romanos, imo, si addes doctrinam de trinitate ex Johannis evangelio, integrum corpus habes doctrinae ecclesiasticae." Der Lernprozess hat wahrscheinlich die „Loci theologici" Melanchthons zur Textgrundlage. 8 8 Oratio, S . 4 6 9 : „Postremö illud etiam ad meditationem pertinet, inquirere ac cognoscere testimonia antiquitatis, de praecipuis articulis doctrinae. Et cum nemini facultas praebeatur au-

94

Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

die wichtige, von Melanchthon beschriebene humanistische Studienakte in die Luthersche Trias integriert werden. Das dritte Element, die „tentatio", wird von Chytraeus in der Bedeutung zurückgenommen. 8 9 Anfechtung durch die „Unwetter des Lebens" ist seiner Meinung nach für die Jugend noch kein Thema, die gleichsam in einer ,halkyonischen Schönwetterperiode' lebe. Doch sollen sich die Studenten durch ein fleißiges Erlernen der christlichen Lehre auf die kommenden ,Anwendungssituationen' in Kirche, Staat und Haushalt vorbereiten. 9 0 Denn die Anfechtung „ist wie eine Praxis, welche die zuvor in der Meditation empfangene Lehre in den Gebrauch überführt und von Gott die Wirkung seines Wortes erbittet, nämlich Beistand und Trost" 9 1 . Chytraeus rät den Studenten, sich in Ermangelung der „tentationes" auf das Gebet als Ersatzübung zu verlegen, zu dem schon jetzt reichlich Gelegenheit gegeben sei. 92 M i t der 1554 gedruckten „ O r a t i o in repetitionem locorum c o m m u n i u m D[omini] Philippi" wird die erste, nämlich bereits 1549 vorgetragene, speziell an akademische Theologiestudenten gerichtete öffentliche Studienanweisung im Bereich des Luthertums greifbar. 9 3 Auffallend ist der synthetische Charakter der diendi omnium partium doctrinae coelestis explicationem, legere etiam aliorum scripta & commentarios, in quibus ipsi uel scriptum aliuod sacrum uel articulum doctrinae enarrarunt. Cauendum est enim omne studio, ne atiTOÒtòaxTOi uideri uelimus, quibus nil nisi suae opiniones placent." 89 Vgl. T. Kaufmann, Universität, S.259f. 90 Oratio, S.473: „Etsi autem in nos iuuenes nondum pericula uel tempestates negotiorum & aerumnarum ingruunt: tarnen paulò post in Ecclesia, in politia et oeconomia, sine dubio multis miserijs conflictabimur, ad quas pio & forti animo tollerandas praeparatione hac scholastica opus est. Ideóque nos, quibus iam qualiacunque halcyonia conceduntur, omni cura ac studio eniti debemus, ut iam animos nostros salutari doctrina confirmemus, ut paulò post, cum irruent in nos aerumnae, sustineamus & tolleremus, doctrinamque antea cognitam in uita usurpemus." 91 Oratio, S.472: „[...] [tentatio] est uelut 3Tpó|i5, quae doctrinam ante meditationem perceptam ad usum transfert, & petit à deo effectum uerbi sui, scilicet auxilium & consolationem, ut dicitur Psalmo. 110. [richtig: 119, 71J Bonum mihi quòd humiliasti me, ut discerem iustificationes tuas [...]." 92 Oratio, S.461: „Etsi nos iuuenes n o n d u m in illis tentationum periculis versamur: tarnen in inuocatione hanc doctrinam exercemur, nec dubitemus Deo hanc qualemcunque exercitationem doctrinae gratam esse, eamque ab ipso adiuuari & benedici, & in ea donari nobis Spiritum sanctum petentibus [...]." 93 T. K a u f m a n n , Universität, S.256f.: „Die Gattung der spezifisch an akademische Theologiestudenten gerichteten öffentlichen Studienanweisung ist im Luthertum von Chytraeus geschaffen worden." K a u f m a n n betrachtet die „Oratio de studio theologiae, exercitiis verae pietatis et virtutis potius quam contentionibus et rixis diputationum colendo", die Chytraeus am 21. April 1551 in Rostock hielt, aber offenbar erst 1581 veröffentlichte, als die „älteste Äußerung des Chytraeus zu Wesen und Gestalt des Theologiestudiums" (ebd., S.260). M a g auch Chytraeus mit seiner Wittenberger Repetitionsrede primär beabsichtigt haben, den Studenten aufzuzeigen, „quae sit optima uia discendi doctrinam à Deo Ecclesiae t r a d i t a m " (Oratio, S.473), so hat er doch selbst seine Überlegungen als eine Aussage zu „Wesen und Gestalt des Theologiestudiums" verstanden, vgl. ebd., S.456: „Nihil autem utilius nihil salubrius de form a n d o studio Theologiae dici aut explicari potest, quam ea ratio, quae in Psalmo 110. [richtig:

5.

Zwiscbenresultat

95

Rede: Wesentliche Ratschläge und Empfehlungen der beiden Wittenberger Lehrer, Luther und Melanchthon, werden von Chytraeus zu einem neuen Ganzen verbunden, hinter dem ein durchaus eigenständiges, in gewisser Weise sogar originelles Konzept des Theologiestudiums sichtbar wird. Maßgeblich bleibt für Chytraeus die Luthersche Trias und das ihr zugrundeliegende praktisch-existentielle Theologieverständnis. Mit ihr sind die fundamentalen Vollzüge des Theologiestudiums beschrieben, die allerdings von Chytraeus auf das doppelte humanistische Bildungsziel von „eruditio" und „pietas" hin spezifiziert werden. So verlieren die „invocatio" und die „tentatio" - letztere durch die dilatorische Behandlung ohnehin etwas marginalisiert - ihren exklusiven Bezug auf das biblische Wort und werden zu praktischen Übungen, durch die der Student seine „pietas" kultivieren lernen soll. Die „meditatio", angereichert um weitere Studienakte, bezeichnet dagegen den Weg zu einer gründlichen theologischen Bildung. Dieser synthetische Ansatz wurde von Chytraeus in seinen Rostocker Anweisungen schließlich noch erweitert und vertieft. 9 4 Indem der Wittenberger Magister das Studium der Lehre wie Melanchthon als Bibelstudium begreift, dem aus hermeneutischen Gründen bestimmte artistische Disziplinen zugeordnet sind, gehen seine Anweisungen weit über lernpädagogische Hinweise für den Umgang mit Melanchthons „Loci communes" hinaus und entfalten unter dem Leitmotiv des Studiums der „doctrina" nichts geringeres als eine eigene Konzeption vom Wesen und A u f b a u des Theologiestudiums.

5.

Zwischenresultat

Die „Brevis discendae theologiae ratio" Melanchthons von 1529 und die Vorrede Luthers von 1539 formulierten Anweisungen zum Studium der Theologie, die bei allen offenkundigen Differenzen gleichwohl beachtliche Ubereinstimmungen aufwiesen. Beide konzipierten das Theologiestudium als eine Einheit von wissenschaftlicher Theologie und Glaubenspraxis. Das war die Konsequenz eines Theologieverständnisses, das die Illuminationsgnade - und damit das Gebet - als Voraussetzung der Bibelexegese verlangte und auf Bewährung des theologischen Wissens in der Anfechtung drängte. Melanchthon teilte mit Luther die Überzeugung, dass in den biblischen Worten - oder melanchthonisch gewendet: in der christlichen „doctrina" - ein konsolatorisches Sinnpotential steckt, das sich erst 119] proposita est." Die in Ps 119 vorgestellte „ratio" ist natürlich keine andere als die Trias von „oratio, meditatio, t e n t a t i o " , die das Grundraster der Wittenberger Repetitionsrede bildet. „Theologie studieren" und „kirchliche Lehre Lernen" sind für Chytraeus damals offensichtlich weitgehend identische Vollzüge. 94 Vgl. T. K a u f m a n n , Universität, S. 2 5 6 - 2 8 5 , sowie Kang, S. 8 8 - 1 0 2 . Hinzuweisen ist vor allem auf die mehrfach aufgelegte „ O r a t i o de studio theologiae recte i n c h o a n d o " (1560); vgl. die Drucknachweise bei T. K a u f m a n n , Universität, S . 6 2 5 f .

96

Kapitel 4: Reformatorische

Anweisungen

zum

Theologiestudium

im lebenspraktischen Gebrauch erschließt. Beide Reformatoren stimmten in dieser „Hermeneutik der Erfahrung" weitgehend überein, wenn auch Melanchthon diesen Aspekt in seiner Anweisung eher im Hintergrund beließ. Das Theologiestudium, zu dem Melanchthon und Luther ihre Leser anweisen wollen, ist seinem Wesen nach nichts anderes als eine selbstreferentielle, bibelhermeneutische Erschließungspraxis, die im Theologen selbst zum Ziel kommt. Ferner entwarfen beide ein Theologiestudium ohne eindeutigen Bezug zum akademischen Unterricht und geistlichen Amt. Die auffällige „Leerstelle" hat bei Melanchthon und Luther jeweils unterschiedliche Ursachen, die vor allem in intentionalen Differenzen zu suchen sein dürften. Nicht zu übersehen ist schließlich auch, dass sich beide Autoren, ungeachtet der gerade bei Melanchthon offenkundigen, sachlichen Parallelen, in ihren Anweisungen in jeweils spezifischer Weise von dem Studienkonzept absetzten, dass Erasmus in seiner „Methodus" vorgelegt hatte. Wie aus den vorhergehenden Analysen deutlich geworden sein dürfte, tendierten die Anweisungen der Schüler zu einer Synthese der eher an den Studieninhalten ausgerichteten „ R a t i o " Melanchthons und der eher am Studienethos orientierten Vorrede Luthers. Die Texte selbst wiesen Anschlussmöglichkeiten auf. Melanchthon sprach davon, dass manches biblische Wort erst verstanden werde, wenn ein gewisser Gebrauch im Leben hinzukomme und die Anfechtung den Geist übe, womit er offensichtlich ein existentielles Schriftverstehen andeutete, wie es auch Luther in seiner Vorrede zum Ausdruck brachte. Luther wiederum mahnte, die Bibel mit „fleißigem auffmercken und nachdencken" zu lesen - eine Aussage, die offen genug formuliert war, um auch als Legitimierung des von Melanchthon konzipierten Bibelstudiums interpretiert werden zu können. Beide Anweisungen erwiesen sich mithin als durchaus ,kompatibel'. Schon Cruciger verknüpfte in seiner Vorrede einzelne Studienempfehlungen Luthers und Melanchthons. Vor allem aber entwickelte dann Chytraeus während seines zweiten Wittenberger Aufenthaltes geradezu ein Kombinationsmodell. Das ideale Theologiestudium war der Grundausrichtung nach eine fromme Praxis, in die über die „meditatio" weitere, vorwiegend humanistische Studienakte integriert waren. Gebet und Anfechtung bildeten nach diesem Modell die unverzichtbare spirituelle' Klammer aller unter der „meditatio" subsumierten Studienanstrengungen. Die fromme Praxis in Gebet, Meditation und Anfechtung verband den Studenten mit den übrigen Christen, die Meditation qualifizierte ihn zugleich darüber hinaus. Dieses Studium war damit sowohl Bildungsprozess als auch Glaubensvollzug. In der Zweipoligkeit von „eruditio" und „piet a s " , fein austariert zugunsten einer gelehrten Frömmigkeit, sollte sich also evangelisches Theologiestudium vollziehen. Und Chytraeus war sichtlich daran interessiert, dieses Kombinationsmodell als Studienideal im universitären Theologiestudium und damit in der Theologenausbildung durchzusetzen. Den Anweisungen Luthers und Melanchthons fehlten noch engere Bezüge zur

5.

Zwischenresultat

97

Institution „Universität" und zu deren Lehr- und Lernwirklichkeit. Auch ließen die Anweisungen der beiden Wittenberger Lehrer noch keine durchschlagende konzeptionelle Ausrichtung auf das Pfarramt erkennen. Beides sollte sich bei den Schülern ändern. Crucigers Studienempfehlungen orientierten sich bereits explizit am Lehramt („ministerium docendi") und dessen Anforderungsprofil - freilich noch ohne jeden universitären Bezug. Cruciger gewichtete die theologischen Bildungsinhalte in seiner Anweisung erstmals sehr deutlich nach dem Ertrag für die späteren pfarramtlichen Aufgaben. Die Repetitionsrede des Chytraeus folgt dieser Orientierung an der späteren pastoralen Praxis grundsätzlich, wenn auch nicht in gleicher Stringenz wie die „Admonitio" Crucigers. Die Bedeutung der Rede des Chytraeus liegt vor allem darin, dass sie sich erstmals ausdrücklich und ausschließlich an Studenten des artistisch-theologischen Studiengangs richtete und Luthers studienethische Vorstellungen gerade auch für die universitäre Theologenausbildung geltend zu machen suchte. In den späteren Anweisungen des Chytraeus weiter ausgebaut, erlangte das Kombinationsmodell eine beachtliche Vorbildfunktion und wurde mehrfach von anderen Autoren übernommen. 9 5 Es vermochte die Studenten von der Vorstellung zu überzeugen, dass im Denken und Handeln des evangelischen Theologen fromme und theologische Praxis letztlich eine untrennbare Einheit bilden. Das Selbstverständnis der lutherischen Geistlichen im konfessionellen Zeitalter dürfte durch derartige Studienanweisungen als ,bewusstseinsbildenden Maßnahmen' wesentlich mitgeformt worden sein.

9 5 Kang, S. 1 0 2 - 1 4 0 , verweist auf die „Prolegomena, de feliciter instituendo studio theologico" in Matthias Hafenreffers „Loci theologici" (1603), auf Johann Gerhards „Methodus studii theologici" (1620) und auf die „Paedia theologica de methodo studii theologici" (1652) Abraham Calovs; vgl. dazu unten Kapitel 7.

Kapitel 5

Reform des theologischen Studiengangs ( 1 5 8 0 - 1 6 0 6 ) 1. Kursächsische Universitätspolitik im Zeichen der konfessionellen Konsolidierung Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts ist in der europäischen Kirchengeschichte von weitreichenden Konfessionalisierungsprozessen geprägt. 1 In der katholischen Kirche brachte das Konzil von Trient ( 1 5 4 5 - 1 5 6 3 ) die von verschiedenen Reformkreisen getragene Bewegung auf eine strukturell einheitlichere, in theologischen Fragen konkordantere „römisch-katholische" Kirche hin zu einem gewissen Abschluss. Im westeuropäischen reformierten Protestantismus entstanden „Confessiones", welche die innere und äußere Bindung protestantischer Gemeinden in Frankreich, in den Niederlanden, in Schottland an die Genfer Reformation zum Ausdruck brachten und die theologischen und moralischen Normen sowie die Kirchengestalt für die Protestanten dieser Länder wesentlich bestimmten. Im Bereich des deutschen Reformiertentums, das reichsrechtlich - genau genommen - nur als Kirche „Augsburgischen Bekenntnisses" legitimiert war, erlangten die kurpfälzische Kirchenordnung und vor allem der Heidelberger Katechismus (1563) den Rang vorbildlicher Rechts- und Bekenntnistexte, auf deren Grundlage sich die reformierte Konfession in verschiedenen deutschen Ländern weiter konsolidierte. In den Territorien, die sich der Wittenberger Reformation angeschlossen hatten, kam es ebenfalls zu konfessionellen Konsolidierungsprozessen. Sie führten nach längeren, teilweise heftig geführten Auseinandersetzungen um das ,wahre' lutherische Erbe 1 5 8 0 zur Promulgierung eines Bekenntniskorpus, dem so genannten Konkordienbuch, das Ausdruck des originären Luthertums zu sein beanspruchte, wenngleich es nicht alle lutherischen Kirchen unterschrieben. Veranlasst durch das Augsburger Interim von 1 5 4 8 waren gravierende theologische Divergenzen im Verständnis der lutherischen Theologie zu Tage getreten, die sich bald auf verschiedenen theologischen Themenfeldern offenbarten und gegenüber den beiden anderen sich konsolidierenden Konfessionen zunächst ein eher disparates konfessionelles Erscheinungsbild des Luthertums bedingten. In 1 Vgl. die Überblicksdarstellungen zur europäischen beziehungsweise deutschen Geschichte im konfessionellen Zeitalter: Heckel; Klueting; K o c h , Das konfessionelle Zeitalter; Schilling, Aufbruch und Krise; Schmidt; Zeeden, Das Zeitalter der Glaubenskämpfe; ders., Hegemonialkriege und Glaubenskämpfe; vgl. auch Lehmann, Das Zeitalter des Absolutismus, S. 5 1 - 6 1 .

3. Kursächsische

Universitätspolitik

im Zeichen der

Konsolidierung

99

den Auseinandersetzungen wurden die beiden Wittenberger Reformatoren Luther und Melanchthon zu sich einander immer mehr ausschließenden Autoritätspolen, auf die sich „Philippisten" und „Gnesiolutheraner" beriefen. Kursachsen w a r durch die Universität Wittenberg in diese Konflikte von Anfang an involviert und sollte schließlich nach der Überwindung des mitteldeutschen Philippismus geradezu eine Führungsrolle im Konsolidierungsprozess des originären Luthertums übernehmen. Wie neuere Forschungen gezeigt haben, dürfte es sich bei den so genannten Philippisten in Kursachsen wohl nicht um eine sozial wie intellektuell einheitliche Gruppierung gehandelt haben. 2 Theologen, Räte, Ärzte, die Schüler Melanchthons waren oder doch - von außen betrachtet - ihm als geistig wesensverw a n d t erschienen, hielten in verschiedenen theologischen Fragen, vor allem in der Abendmahlsfrage, an „melanchthonischen" Positionen fest, die sie aber womöglich eher aus humanistisch-erasmianischen Grundüberzeugungen heraus teilten als aus einer speziellen Prägung durch den „Praeceptor Germaniae". 3 Auch an der Theologischen Fakultät der Universität Wittenberg waren gegen Ende der sechziger Jahre mit Caspar Cruciger d.J. ( 1 5 2 5 - 1 5 9 7 ) , Christoph Pezel (1539-1604), 4 Friedrich Wiedebram (1532-1585) und Heinrich Moller ( 1 5 3 0 1589) Melanchthonschüler auf Lehrstühle gekommen, die in diesem Sinne als „Philippisten" gelten konnten. Sie genossen die Gunst des Kurfürsten, führten in seinem Auftrag den Disput mit den Theologen aus dem ernestinischen Thüringen, die zeitweise stark von dem Melanchthonschüler und ehemaligen Wittenberger Hebräischdozenten Matthias Flacius ( 1 5 2 0 - 1 5 7 5 ) beeinflußt waren. Solange sich die kursächsische Religionspolitik auf Konfrontationskurs zu den vor allem in den ernestinischen Gebieten agierenden Gnesiolutheranern und Flacianern befand, konnten die Wittenberger Philippisten ihre Positionen als legitimiert betrachten. 5 Und auch als sich nach dem Tod Herzog J o h a n n Wilhelms ( 1 5 3 0 - 1 5 7 2 ; 1567) im Jahr 1573 der Gegensatz zu den Ernestinern abschwächte, standen die Philippisten immer noch mit der kursächsischen Regierung gegen den Württemberger Ubiquitismus in einer gemeinsamen Frontlinie. Erst als Kurfürst August aus verschiedenen, im Einzelnen noch immer nicht befriedigend geklärten Motiven heraus seinen religionspolitischen Kurs änderte und unter anderem die politische Annäherung an das H a u s H a b s b u r g suchte, ergaben sich Konflikte. Kurfürst August entzog den „Philippisten" die bislang gewährte Gunst, ja

2

Vgl. Hasse, Paul Krell; Koch, Der kursächsische Philippismus. Z u m „Philippismus" in und außerhalb Kursachsens vgl. die Übersicht bei Junghans, Kryptocalvinisten. Aus der älteren Forschung sind vor allem hervorzuheben: Calinich; Ritsehl, Bd. 4, S. 3 3 - 7 0 . 3 Vgl. Koch, Der kursächsische Philippismus, S. 6 7 - 7 3 . 4 Zu Pezel vgl. die Studie von Wetzel. 5 Bekanntlich hatte Kurfürst August 1571 das „Corpus doctrinae christianae" (1560) für Kursachsen bestätigt und damit zunächst noch einmal den Gegensatz zum herzoglichen Sachsen verschärft; vgl. Tschackert, Entstehung, S. 5 4 4 - 5 4 9 .

100

Kapitel 5: Reform des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

Protektion. Unter dem Verdacht der Konspiration wurden einige vorübergehend oder für längere Zeit inhaftiert; so vor allem die Philippisten am Dresdener Hof. Andere wie die Wittenberger Theologieprofessoren, die ihre Unterschriften unter die Torgauer Artikel von 1574 - wenn auch nur unter Vorbehalt - leisteten, 6 wurden milder behandelt und lediglich des Landes verwiesen. 7 Die M a ß nahmen richteten sich nicht gegen das Ansehen und die Autorität Philipp Melanchthons, sondern w a n d t e n sich gegen einen Philippismus, der seine Identität in den Augen des Kurfürsten - nur durch die Abgrenzung von Luther zu finden suchte. 8 Die religionspolitische Kursänderung war die Konsequenz eines staatlichen Reglementierungsdrucks, der sich nach 1574 auf die Kirche, auf die Schulen und Universitäten in Kursachsen insgesamt verstärkte. Die Religionspolitik erhielt noch einmal mehr Gewicht und trug nun unzweideutig die Handschrift des Kurfürsten selbst. Ziel war dabei nicht nur eine ,innere', kursächsische Konsolidierung im Sinne eines unverfälscht lutherischen Bekenntnisses, sondern zugleich auch die ,äußere' konfessionelle Einigung des originären Luthertums in Deutschland. Z u r D u r c h f ü h r u n g praktischer Konsolidierungsmaßnahmen im Sinne des erstrebten lutherischen Konsensus' ließ der Kurfürst nach geeigneten Kräften in Württemberg anfragen, einem Territorium, das unter den Herzögen Christoph und Ludwig zu einer anerkannten lutherischen Vormacht im deutschen Südwesten aufgestiegen war. 9 Im Jahr 1576 konnte der Tübinger Propst, Professor und Universitätskanzler J a k o b Andreae ( 1 5 2 8 - 1 5 9 0 ) 1 0 für die N e u o r d n u n g der Kirchen und Schulen in Kursachsen gewonnen werden. Da die evangelischen Landesfürsten zur konfessionellen Formierung und Konsolidierung ihrer Territorien auf die Theologen und Pfarrer und deren geistige Prägung angewiesen waren, wurden die Universitäten als zentrale Ausbildungsstätten der künftigen landeseigenen Geistlichkeit bevorzugter Gegenstand staatlichen Reglementierungswillens. Die beiden „ H o h e n Schulen" des Kurfürsten6 Sie leisteten die Unterschrift unter die Torgauer Artikel nur vorbehaltlich der Übereinstimmung mit dem Corpus doctrinae von 1569; vgl. GUW, S.298. Zu den Torgauer Artikeln vgl. Dingel, Torgauer Artikel. 7 Die Professuren wurden noch 1574 neu besetzt, und zwar mit Paul Krell, Martin Oberndörfer d.J., Kaspar Eberhard und Johann H a b e r m a n n . Diese Theologen hatten verständlicherweise bei den Studenten, die weitgehend von den Vorgängern geprägt waren, keinen leichten Stand und blieben nicht lange auf der Universität. Kaspar Eberhard starb schon 1575. Johann H a b e r m a n n übernahm 1576 eine Superintendentur in Zeitz, Oberndörfer d.J. und Krell wechselten 1577 in neue Ämter; vgl. GUW, S. 2 9 9 - 3 0 3 ; Hasse, Paul Krell, S.452f. 8 Koch verweist darauf, dass die Ereignisse von 1574 keine radikale Abkehr von der bisherigen Religionspolitik zur Folge hatten; vgl. ders., Der kursächsische Philippismus, S. 76. 9 Z u r Konfessionspolitik der württembergischen Herzöge vgl. Rudersdorf. 10 Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Biographie des Württemberger Theologen fehlt. Das Werk von Theodor Pressel blieb unvollendet (Manuskript in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Signatur: Cod. hist. Fol. 898 Fase. VII a). Als Vorarbeit im Druck erschienen: Ders., Die fünf Jahre des Dr. Jakob Andrea in Chursachsen; vgl. Brecht, Art.

1. Kursächsische

Universitätspolitik

im Zeichen der

Konsolidierung

101

tums, Wittenberg und Leipzig, sollten durch gesetzliche Neubestimmungen des Universitäts- und Studienwesens konfessionspolitisch auf Linie gebracht werden. Zugleich stellte sich Kursachsen mit der Berufung Andreaes an die Spitze der Einigungsbewegung innerhalb der Kirchen, die sich der Wittenberger Reformation verpflichtet wussten. Bereits am 9. April 1576 traf Andreae in Kursachsen ein, und zwar in Torgau, wo auf einem bevorstehenden Theologenkonvent eine neue Unionsformel erarbeitet werden sollte. Andreae bekam vom Kurfürsten den Auftrag, neben den Konkordienvorbereitungen und -Verhandlungen vor allem eine „generalis inspectio et reformatio" der kursächsischen Kirchen, Schulen und Universitäten durchzuführen.11 Der Kurfürst betraute den Tübinger Professor ferner mit theologischen Lektionen an der Leipziger Universität. Andreae hielt dort am 20. November 1576 seine Antrittsvorlesung, die unter dem Titel „Oratio de studio sacrum literarum" 1577 im Druck erschien. 12 Die Rede handelte weniger vom Theologiestudium, wie der Titel vielleicht vermuten lässt, sondern suchte vielmehr die Uberwindung des Philippismus in Kursachsen ex post theologisch zu rechtfertigen und zugleich Andreaes religionspolitische Sendung zu legitimieren. 13 Nur kurz ging Andreae auf die Inhalte ein, die er in Leipzig vorlesungsmäßig zu behandeln gedachte. Im Frühjahr 1577 siedelte er mit seiner Familie nach Wittenberg über, um vor Ort die Universitätsreform in die Hand zu nehmen. Im großen Auditorium der Leucorea hielt er am 25. April als kurfürstlicher Beauftragter in Gegenwart des damaligen Rektors, Andreas Wolfgang Baron von Polheim (1557-1592), eine Rede vor Studenten und Dozenten „Über die Einrichtung des Theologiestudiums an der Wittenberger Akademie". 14 Auch diese Rede Andreae; M a h l m a n n , J a k o b Andrea. Z u r Frühzeit Andreaes (bis 1 5 6 1 ) siehe dessen Autobiographie: Leben des J a k o b Andreae, D o k t o r der Theologie. 11 Vgl. Liber Decanorum, S . 5 8 . Dass diese Beauftragung am 2 . Februar 1 5 7 7 erfolgte, wie Friedensburg ( U U W I , S. 4 5 8 [Nr. 3 8 2 ] ) behauptet, geht aus dem Text selbst nicht eindeutig hervor; vgl. auch Pressel, S . 4 1 . 1 2 J a k o b Andreae: Oratio de studio sacrarum literarum in academia Lipsensi recitata a lacobo Andreae d. X X . Novembris, Anno 1 5 7 6 , Wittenberg 1 5 7 7 ( V D 16: A 2 6 7 4 ) . Die Rede wurde 1 5 7 7 auch bei Georg Gruppenbach in Tübingen (VD 1 6 : A 2 6 7 3 ) , bei H a n s R a m b a u d.Ä. in Leipzig ( V D 1 6 : A 2 6 7 2 ) gedruckt. 1 3 Vgl. Pressel, S . 4 0 . 14 Vgl. U U W I, S. 4 5 8 (Nr. 3 8 2 ) . Andreae hatte offenbar an den Universitäten noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Eine gewisse Anspannung im Blick auf die bevorstehende Rede als kurfürstlicher Agent im ,philippistischen' Wittenberg ist seinem Schreiben an die Kurfürstin deutlich anzumerken: „Als ich heut um 9 Uhr eine Oration im Beisein Rektors, Regenten und großer Anzahl der Studiosen gehalten und schier auf die Hälfte kommen, sind mir die Flüsse unversehens gefallen, dass ich besorgte, ich würde die Oration nicht zu Ende bringen. Aber G o t t gab mehr Stärke und Kraft, denn ich hoffen können, dass es wohl abgangen. So ist auch eine solche große Anzahl der Studiosen versammelt gewesen, dass ein großer Theil vor den Fenstern und Gittern stehen bleiben müssen, sonsten das ganze Lektorium erfüllt, dazu die ganze Oration so still, dass sich nicht einer geräuspert, sondern mit allem Fleiß aufgemerkt [ . . . ] . " Zit. nach Pressel, S . 4 3 f .

102

Kapitel

5: Reform

des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

erschien 1 5 7 7 zu Wittenberg im Druck. 1 5 Wie schon in der Leipziger Rede rechtfertigte er noch einmal die vom Kurfürsten vollzogene religionspolitische Kursänderung sowie die in diesem Zusammenhang durchgeführten Maßnahmen. Darüber hinaus entfaltete er aber auch seine eigenen Vorstellungen einer künftigen Reform des theologischen Lehrangebots an der Universität Wittenberg, die nun eingehender zu betrachten sind. 1 6

2. Jakob Andreaes Reformprogramm (1577) Andreaes Überlegungen zur Reform des Theologiestudiums an der Universität Wittenberg stehen in enger Verbindung mit seinem religionspolitischen Auftrag. Nach Auffassung des Tübinger Kanzlers sind durch die Lehrinhalte, aber auch Lehrweisen der entlassenen „philippistischen" Theologieprofessoren die klaren Konturen der frühen, von den Wittenberger Reformatoren übereinstimmend vertretenen Lehre gegenüber der altgläubigen wie auch „sakramentiererischen" Theologie verwischt worden. Dass die Theologie dieser „perversen Lehrer" („peruersi D o c t o r e s " ) 1 7 von altgläubigen Theologen positiv aufgenommen werden konnte, stellte für Andreae ein Skandalon dar. Noch schlimmer freilich erschien ihm, dass sich diese Professoren lange Zeit („multis annis") einer Abendmahlstheologie öffneten, die dem Konsens der Wittenberger Reformatoren letztlich zuwiderlief. 18 Demgegenüber gelte es wieder zu dem theologischen Zentrum beziehungsweise zu dem „Nerv" der früheren reformatorischen Uberzeugungsgemeinschaft zurückzufinden, der Uberzeugung, dass die Bibel alleinige Autorität habe und ihre Worte höchst „einfach" seien. 1 9 Der reformatorische Konsens 1 5 J a k o b Andreae: Oratio de instauratione studii theologici, in academia Witebergensi, ad eam puritatem doctrinae coelestis, in qua, vivente D. Luthero, doctores sacrarum literarum pie consenserunt, recitata Witebergae 2 5 . Aprilis Anno 1 5 7 7 , Wittenberg 1 5 7 7 (VD 16: A 2 6 6 9 ) . Weitere Ausgaben erschienen im selben Jahr bei Matthäus Welack in Wittenberg (VD 16: A 2 6 7 0 ) , bei Hans Rambau d.Ä. in Leipzig (VD 16: A 2 6 6 7 ) , bei Georg Gruppenbach in Tübingen (VD 16: A 2 6 6 8 ) und bei Donat Richtzenhan in Jena (VD 16: Z V 1 7 0 0 0 ) . Der Rede wurde im Druck die öffentliche Einladung durch den Rektor Baron von Polheim vorangestellt; vgl. Suevus, Bl. T2 a .Iii3 b . 1 6 Zu dieser Rede vgl. jetzt auch die Interpretation von Appold, Orthodoxie, S. 1 8 - 2 5 . 1 7 Oratio, Bl. B2 b . 1 8 Oratio, Bl. B l b - B 2 a : „Idem consensus clarissimorum virorum cum Luthero, in haeresibus, quas Satan ad remorandum cursum Doctrinae Euangelicae renataé excitauerat, reprimendis & refutandis vniuerso terrarum orbi notus est, cùm erga Anabaptistas & similes Spiritus fanaticos, tùm vero in primis, contra eos, qui simplicem, planam & perspicuam Doctrinam de substantia Sacramentorum noui testamenti, rationis humanae argumentis friuolis perturbarunt. Quod certamen Ecclesijs nostris, maius damnum dedit, quam summa papistarum crudelitas, quam in membra Christi, multis annis, exercuerunt." 1 9 Oratio, Bl. C l a - C l b : „Quod tum conspicuum erit omnibus, quando accuratè & studiose inquisierimus, quis neruus concordiae fuerit, quo tanquam sanctissimo vinculo colligati Reuerendissimi & sancti Patres Lutherus, Philippus, Pomeranus, Ionas, Cruciger, quos honoris causa

2. Jakob Andreaes Reformprogramm

(1S77)

103

sei gerade daran zerbrochen, dass die Tradition zum Kriterium der Schriftauslegung gemacht und damit in den Rang einer theologisch maßgeblichen Norm erhoben wurde. 20 Luther zufolge werde aber nicht aufgrund der Autorität von Konzilien geglaubt, sondern aufgrund klarer biblischer Zeugnisse. 21 Die akademische Theologie, wie sie Andreae in seiner Wittenberger „Instaurationsrede" (Appold) vorstellt, versucht demgegenüber letztlich nichts anderes als eine mit wissenschaftlichen Mitteln betriebene Auslegung der Bibel nach dem Prinzip der „sacra scriptura sui interpres" zu sein. Eben diese Theologie soll an der Leucorea wieder gelehrt werden. Andreae ist davon überzeugt, dass sich der lutherische Konsens unter den Theologen und damit die Eintracht in der kursächsischen Kirche insgesamt wiederherstellen lassen, wenn man in der Normenfrage nur konsequent nach dem solchermaßen bestimmten Schriftprinzip verfährt. 22 Schon die einleitenden Überlegungen Andreaes offenbaren insofern ein gegenüber Melanchthon anders akzentuiertes Theologieverständnis, als die Normativität der Bibel mit deutlich antitraditionalistischem und vor allem antispekulativem Zungenschlag eingefordert wird. Ein zweiter Differenzpunkt wird sodann darin sichtbar, dass Andreae zwar mit den Reformatoren die Theologie nach wie vor als eine praktische Wissenschaft begreift, unter der theologischen Praxis aber nun nicht mehr allein und ausschließlich die persönliche, rein auf sich selbst bezogene, bibelhermeneutisch erforderte Frömmigkeitspraxis des Theologen, sondern auch deutlich dessen berufliche Praxis als Geistlicher versteht. In einer so in Wittenberg noch nie da gewesenen Konsequenz wird von ihm das Theologiestudium als Pfarrerausbildung konzipiert. Die Studenten werden bewußt als künftige Geistliche angesprochen. Der gesamte theologische Studiengang, wie Andreae ihn seinen Wittenberger Zuhörern skizziert, zielt darauf ab, „dass der Theologieiterum nominatim commemoro, in perpetuo & sanctissimo consensu pietatis & Doctrinae, cum de omnibus partibus Doctrinae Christianae, tum de Sacramentis inprimis constanter perseuerarunt. Q u o d vno verbo dicere possumus: Solius scripturae sacrae authoritati & eius verbis simplicissimis assentientes [...]." Vgl. auch ebd., Bl. D4 a . Z u r „simplicitas" der evangelischen Lehre siehe ebd., Bl. A3 a . 20 Oratio, Bl. D l a : „ Q u o d Diuus Lutherus non modo de sanctorum patrum, sed etiam de suis ipsius proprijs scriptis pronunciat, non protinus hoc vel illud verum esse, quia Lutherus, Augustinus, vel alius quisquam scriptor Ecclesiasticus dixerit, aut scripserit, nisi apertis & sufficientibus scripturae sacrae testimonijs, confirmauerit. Qua in parte, sine diminutione honoris 8c existimationis omnium, is obtinebit, à cuius partibus Prophetae &c Apostoli steterint. Hac via, si ingressi fuissent, quorum infoelici opera harmonia & consensus Academiae huius suauissimus, summo cum Ecclesiae & Scholarum in his alijsque regionibus, detrimento, perturbatus est, quantum offendiculum cauere, quanta mala praeuenire potuissemus?" 21 Andreae verweist auf Luthers Schrift „Von den Konziliis und Kirchen" von 1539; siehe Oratio, Bl. C2 a . 22 Oratio, Bl. C3 a : „Cum enim tot annorum memoria, firma consensio, in hac Inclyta & longè celeberrima Academia, permanserit, quam diu scriptura sacra sui ipsius interpres in Schola & Ecclesia fuit, nec patrum aut conciliorum authoritate pugnatum est: Quis non videt, si idem à nobis quoque studiosè diligenterque obseruatum fuerit, iam Ecclesijs & Scholis nostris piam pacem & tranquillitatem restitutam esse?"

104

Kapitel 5: Reform des theologischen Studiengangs

(1580-1606)

Student die prophetischen und apostolischen Schriften recht versteht, und sie seinen H ö r e r n , denen er vorstehen muss, methodisch und nützlich, sei's für die Predigt, sei's für private Anfechtungen, weitergeben k a n n " 2 3 . Die Studenten sollen also durch das universitäre Studium lernen, wie man den biblischen Text interpretiert und auf die eigene Person sowie auf die anvertraute Gemeinde appliziert. Die Theologie ist gerade insofern praktisch, als sie dem Theologen die nötigen Kenntnisse zur Ausübung des geistlichen Amtes zur Verfügung stellt. Wie sehr es Andreae darauf a n k o m m t , dass der Theologiestudent das, was er biblisch verstanden hat, dann auch praktisch in der Gemeinde anzuwenden in der Lage ist, lässt sich daran ersehen, dass er anregt, fortgeschrittenere Studenten „bisweilen" („interdum") einem erfahrenen Gemeindegeistlichen anzuvertrauen, um an dessen Seite die Anfechtungen der Kranken und Sterbenden kennen zu lernen. 2 4 In diesen Situationen nämlich werde die „wahre T h e o l o g i e " erlernt, die der philosophischen Spekulation gänzlich unbekannt sei. Und jeder Professor sei im Grunde als theologischer Lehrer ungeeignet, der nicht in jener Frömmigkeitspraxis Erfahrungen gesammelt habe. Alles universitär erworbene theologische Wissen soll den Studenten letztlich dazu befähigen, den T e x t auf die eigene und fremde Lebenssituation zu applizieren. Die gesamte Theologie ist für Andreae insofern letztlich „ p r a k t i s c h " . 2 5 Hier wird also eine gewisse Verschiebung innerhalb des Theologieverständnisses erkennbar, als im Unterschied zu Luther und M e l a n c h t h o n nun neben der persönlichen frommen Praxis des Theologen ausdrücklich auch seine berufliche Praxis, seine seelsorglichen Begegnungen mit Kranken und Sterbenden, in die bibelhermeneutische Anwendung, in den sinn- und trosterschließenden „usus" einbezogen wird. Ausgehend von diesem streng bibelzentrierten, um nicht zu sagen ,biblizistischen' und zugleich auf die pastorale Praxis ausgerichteten Verständnis theologischer Wissenschaft entfaltete Andreae vor den versammelten Wittenberger Studenten und Dozenten seine Vorstellungen eines theologischen Studiums an der Leucorea, gab insbesondere hochschuldidaktische Hinweise zu Vorlesung, Disputation und Predigt.

2 3 Oratio, Bl. E l a : „His enim duobus maximè intentum esse oportet Sacrarum literarum studiosum, vt scripta Prophetica & Apostolica rectè intelligat, & suis auditoribus, quibus praeficiendus est, methodo & vtiliter, cum pro concione, tum in priuatis tentationibus, proponere possit [...]." 2 4 Andreae betrachtet die Diakonatspraxis offenbar als Ergänzung zur universitären Ausbildung des Geistlichen; zu den mittelalterlichen Wurzeln dieser Praxis vgl. oben Kapitel 2.1. 2 5 Oratio, Bl. E l a : „Plurimum vero prodesset, qui iam ad ministerium docendi in Ecclesia accessuri sunt, vt interdum ministris Ecclesiae coniuncti, vel aegrotantium, vel capitis supplicio damnatorum tentationes cognoscerent. Hic enim vera Theologia discitur, quam Philosphicae speculationes prorsus ignorant. Siquidem vniuersa Theologia practica est, eiusque Professor ineptus, qui in hoc genere exercitatus non est. Theorica vero nulla est, vbi vói]|ia, prestantissima vis animae, in obsequium Christi captiua ducenda est, & simplici opus est fide, cuius vis, quanta sit, non nisi in summis certaminibus conspicitur."

2. Jakob

Andreaes

Reformprogramm

105

(1577)

D e r T ü b i n g e r T h e o l o g e h ä l t a n d e n L e h r s t u h l d e n o m i n a t i o n e n , w i e sie in d e r F u n d a t i o n von 1 5 3 6 sowie den Statuten M e l a n c h t h o n s von 1 5 4 5 fixiert w o r d e n w a r e n , i m W e s e n t l i c h e n f e s t : D e r e r s t e P r o f e s s o r soll d e m n a c h ü b e r d e n P e n t a t e u c h u n d die f r ü h e n P r o p h e t e n , d e r z w e i t e ü b e r die s p ä t e r e n P r o p h e t e n , d e r d r i t te ü b e r die A p o s t e l b r i e f e u n d d e r v i e r t e - hier a l l e r d i n g s n i m m t A n d r e a e e i n e k e i n e s w e g s u n b e d e u t e n d e R e v i s i o n v o r - ü b e r die „ L o c i " M e l a n c h t h o n s l e s e n . 2 6 E r kritisiert,27

d a s s die ö f f e n t l i c h e n

Vorlesungen

h ä u f i g zu

grammatikalischen

Ü b u n g s s t u n d e n in d e n b i b l i s c h e n G r u n d s p r a c h e n v e r k o m m e n . D i e T h e o l o g i e p r o f e s s o r e n s o l l t e n n i c h t als G r a m m a t i k e r a g i e r e n , die bei d e r E r k l ä r u n g d e r einz e l n e n W o r t e h ä n g e n b l e i b e n . D i e s e A r b e i t sei v i e l m e h r v o n d e n e n t s p r e c h e n d e n a r t i s t i s c h e n P r o f e s s o r e n zu ü b e r n e h m e n . O h n e G r u n d k e n n t n i s s e in d e r G r a m m a t i k des G r i e c h i s c h e n u n d H e b r ä i s c h e n s o l l t e n die S t u d e n t e n j e d e n f a l l s n i c h t zu t h e o l o g i s c h e n V o r l e s u n g e n z u g e l a s s e n w e r d e n . 2 8 A u ß e r d e m m o n i e r t er, d a s s s i c h die P r o f e s s o r e n in i h r e m V o r t r a g s s t i l zu s e h r a n d e n s c h r i f t l i c h e n K o m m e n t a r e n o r i e n t i e r t e n , i n d e m sie b e i j e d e m B i b e l v e r s zu w e i t e n b i b l i s c h e n E x k u r s e n a u s h o l t e n u n d die A u s l e g u n g e n d e r T r a d i t i o n a u s f ü h r l i c h d i s k u t i e r t e n . 2 9 D i e V i s i t a t o r e n , w e l c h e die U n i v e r s i t ä t W i t t e n b e r g i m J a n u a r 1 5 7 7 b e s u c h t e n , h a t t e n b e r e i t s v o r g e s c h l a g e n , d e n drei a m t i e r e n d e n T h e o l o g i e p r o f e s s o r e n P a u l K r e l l ( 1 5 3 1 - 1 5 7 9 ) , J o h a n n e s Bugenhagen d.J. ( 1 5 3 1 / 3 2 - 1 5 9 2 ) und M a r t i n

Obern-

d ö r f e r d . J . ( c a . 1 5 3 3 - 1 5 9 1 ) e i n e n „ m o d u s d o c e n d i " v o r z u s c h r e i b e n , d a m i t sie

2 6 Oratio, Bl. D2 a f.: „Alter enim ex Theologis Professoribus JtgVTCiTEUXOV hoc est, quinque libros Mose, Principis Prophetarum, perpetua & ordinaria explicatione enarrabit. Alter reliquorum Prophetarum, quos Maiores & minores vocant, explanationem suscipiet. Quem deinceps sequetur, qui Epistolas Apostolicas, Pauli & reliquorum, interpretabitur. Quartus Professor locorum communium Philippi Melanthonis Theologicorum lectionem obtinebit, quos D. Lutherus, vidit, approbauit, commendauit." Melanchthon hatte in den Statuten der Theologischen Fakultät von 1545 vorgeschrieben, dass stets zwei Professoren über alttestamentliche und zwei über neutestamentliche Bücher lesen sollten, wobei der vierte Legent auch gelegentlich Vorlesungen über das Nizänum sowie über das zur Legitimierung der reformatorischen Schriftauslegung wichtige Werk Augustins „De spiritu et littera" anbieten sollte; vgl. UUW I, S . 2 6 2 f . (Nr. 272). Zu den rechtlich-statutarischen Bestimmungen im Blick auf das Loci-Studium an protestantischen Universitäten vgl. T. Kaufmann, Martin Chemnitz' Kommentar, S. 1 8 5 - 1 9 0 , Anm.4. Speziell zu Wittenberg vgl. unten den Abschnitt 3.2.2. 2 7 Andreaes Kenntnisse des Wittenberger theologischen Lehralltags dürften vor allem aus den Akten der kursächsischen Universitätsvisitationen vom Januar 1 5 7 7 resultieren. Im auszüglichen Visitationsbericht wird den amtierenden Professoren Krell, Oberndörfer d.J., Bugenhagen d.J. sowie dem Hebräisch-Legenten Schindler im Blick auf ihre Vorlesungstätigkeit kein gutes Zeugnis ausgestellt; vgl. UUW I, S . 4 0 6 (Nr. 376); S . 4 1 4 (Nr.376A). 2 8 Oratio, Bl. D2 b : „Neque enim pro arbitrio cuiquam publicè profiteri licebit, sed ad certam rationem adstricti erunt Professores omnes, quam in scripturae sacrae explicatione maximè expeditam sequantur. Non Grammaticos agent, qui singulis vocibus explicandis inhaereant. Hunc enim laborem Graecae &c Hebraeae linguae Professores doctissimi, compendio praestabunt, ne sine grammaticae, hoc est, absque vtriusque Linguae graecae et hebraicae mediocri cognitione ad lectionem studij Theologici auditores accédant." Es bleibt allerdings unklar, wie die entsprechenden Grundkenntnisse nachzuweisen waren. 2 9 Siehe Oratio, Bl. D2 a f.D3 b f.

106

Kapitel

5: Reform

des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

ihre Vorlesungen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu Ende brächten. 3 0 Der von Andreae favorisierte Lektionsmodus sollte, entsprechend dem Tübinger Vorbild, folgendermaßen aussehen: 3 1 Von jedem Kapitel eines biblischen Buches gibt der Professor zunächst eine kurze Zusammenfassung („argument u m " ) , dann stellt er den Inhalt des Kapitels in paraphrasierender Auslegung vor (mit kurzen Wort- und Sacherklärungen), schließlich zeigt er den Studenten, welchen Nutzen („usus") sie für die tägliche Glaubens- und Lebenspraxis aus dem Kapitel ziehen können. Auf diese Weise sollte ein Kapitel in drei bis vier Vorlesungsstunden behandelt werden können. 3 2 Dabei geht es nicht um eine philologisch fundierte Einzelexegese, sondern um einen inhaltlichen Überblick über den gesamten Kanon. Die Forderung eines möglichst breiten

bibelkundlichen

Grundwissens ist also hier die Konsequenz, die sich aus der Rückbesinnung auf die sich selbst auslegende Schrift ergibt. Andreae möchte der damals offensichtlich nicht unbegründeten Gefahr vorbeugen, dass sich die Professoren in der Einzelexegese der biblischen Worte und Sätze verlieren. Der theologische Studiengang soll so eingerichtet werden, dass in ihm angesichts der relativ kurzen Verweildauer der Studenten auf der Universität möglichst viel biblisch-praktisches Wissen vermittelt wird. 3 3 Erst nach einem solchermaßen betriebenen Bibelstudium sollen sich die Studenten der Lektüre der altkirchlichen Konzilstexte und der Werke der Kirchenväter widmen. Das Autoritätsgefälle zwischen Bibel und Tradition soll sich also auch im Studienprogress widerspiegeln. Was die Disputationen betrifft, so war sich Andreae des Konfliktpotentials, das in ihnen verborgen liegt, und der Vorbehalte, welche die Wittenberger Professoren gegen sie hegten, 3 4 wohl durchaus bewusst. Aber ein Verzicht auf diese Lehrform kam für ihn nicht in Frage. Er war fest entschlossen, sie an der Leucorea als ein Instrument zur Wahrheitsfindung und Konsensbildung zu reetablieren. 3 5 Dazu war es seiner Ansicht nach allerdings nötig, dass die Bibel von allen

3 0 UUW I, S . 4 1 4 (Nr. 3 7 6 ) : „itzgenanten dreien müste ein sonder modus docendi vorgeschrieben werden, damit ein ider seinen cursum innerhalb einer gewissen zeit auslese." 3 1 Oratio, Bl. D3 a f.: „Dabunt ergo singuli Professores Theologi operam, vt cuiusque capitis scripturae breuissimum argumentum Discipulis tradant. Deinceps partium explicationem subiungent paraphrasticam breuem, quae sententiam Prophetae vel Apostoli aperte demonstret. Postea vsum ostendent, quibus partibus Doctrinae Christianae confirmandis, aut erroribus refutandis praesens locus seruiat, quem explicandum susceperunt." Siehe dazu Reyscher, Bd. 11/ 3, S. 1 2 9 (Nr.22) (Herzog Christophs Ordnung der Universität zu Tübingen, 1 5 . M a i 1 5 5 7 ) . 3 2 Siehe Oratio, Bl. D 3 b . 3 3 Die Visitatoren forderten von den zu berufenden künftigen Theologieprofessoren der Universität ihr Vorlesungsangebot so einzurichten, dass die Studenten innerhalb von fünf Jahren Vorlesungen über alle biblischen Bücher hören können; siehe U U W I, S . 4 0 6 (Nr. 3 7 6 ) . Andreae selbst setzt in seiner Wittenberger Rede keinen festen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen der biblische Vorlesungskurs absolviert werden sollte. 3 4 Vgl. unten Kapitel 3 . 2 . 3 . 3 5 Andreae folgt mit dieser Auffassung von der Konsensbildung als der maßgeblichen Funktion der akademischen Disputation weitgehend Melanchthon; vgl. Appold, Orthodoxie, S . 3 4 .

2. Jakob Andreaes

Reformprogramm

(1577)

107

Disputationsbeteiligten als normative Letztinstanz anerkannt wurde 3 6 und sich alle um Vermeidung von Sophismen bemühten. 37 Andreaes Vorstellungen nach sollte an der Theologischen Fakultät offenbar in jedem Monat ordentliche Disputationen stattfinden. 38 Die bislang geltenden Bestimmungen, die Satzung Melanchthons von 1545, sahen nur vierteljährliche Disputationen vor - und selbst dieses Quantum wurde offenbar nur selten erreicht. 39 Andreae will die Studenten an der gemeinsamen Wahrheitsentfaltung beteiligt wissen. Er empfiehlt den Professoren, einzelne begabte Studenten die Rolle des Opponenten übernehmen zu lassen und sie so im akademischen Rededuell zu üben. Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil dieser Lehrform im Vergleich zur Vorlesung sieht er auch darin, dass der Präses in der Disputation nicht, wie es oft in Vorlesungen geschieht, die Erklärung einer „dunklen Bibelstelle" schuldig bleiben kann. 4 0 Die Predigten der Professoren werden schließlich von Andreae in auffallender Weise für hochschuldidaktische Zwecke in Anspruch genommen. Nicht anders wie bei Vorlesung und Disputation wird auch hier die zentrale Rolle der Bibel angemahnt. Um den Studenten ein Beispiel der Praxistauglichkeit zu geben, sollen die Professoren dabei diejenige Predigtmethode anwenden, die sie in ihren Vorlesungen lehren. Ferner empfiehlt Andreae die Predigttexte in den Wochentagsgottesdiensten nach didaktischen Gesichtspunkten auszuwählen. Keiner von den Professoren soll vom Predigtdienst ausgenommen sein, für eine Predigt aber ein Nachlass von zwei Vorlesungsstunden gewährt werden. 41 Andreaes Vorstellungen des akademisch-theologischen Lehrbetriebs an der Leucorea zielen also stets mehr oder weniger auf die beiden eingangs beschriebenen Kompetenzen, die sich die Studenten durch das Theologiestudium erwerben sollen: die hermeneutische und die vermittelnde Kompetenz. Es geht darum, dass die Professoren innerhalb der bestehenden Lehrformen und anhand der vorgegebenen Lehrinhalte den Studenten ein bibelkundliches Überblickswissen vermitteln, ihnen die Auflösung schwieriger Bibelstellen sowie die Applikation des Textes auf die Hörer praktisch-exemplarisch vorführen. Andreaes Reformvorschläge sprengen nirgends den durch die Statuten der Theologischen Fakultät von 1545 gesteckten Rahmen. Die Verteilung des biblischen Stoffes auf die Professu36

Siehe O r a t i o , Bl. D4 a . Wie Appold, O r t h o d o x i e , S. 23f., zu Recht betont, hat Andreae hier gerade auch das Disputationswesen der Jesuiten vor Augen. 38 O r a t i o , Bl. D4 a : „In disputationibus q u o q u e Theologicis quae singulis mensibus d a b u n t u r Vgl. A p p o l d , O r t h o d o x i e , S.22, A n m . 2 9 . 39 Vgl. oben Kapitel 3.2.1. 40 O r a t i o , Bl. D4 b : „Occasione enim data, quod potissimum 8C vnicè in disputationibus Theologicis spectandum est, Disputationis praeses, loca scripturae obscura enodabit, c u m ab aduersario vrgeatur, quod in ordinaria explicatione saepè omitteretur." 41 O r a t i o , Bl. El": „Conciones autem publicae, à quibus, grauissimo Consilio, n e m o ex Professoribus Theologis in p o s t e r u m liberabitur, ita instituentur, vt vna concio loco d u a r u m lection u m scholasticarum esse possit." 37

108

Kapitel 5: Reform des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

ren, die Konzentration auf das Schriftstudium, die pädagogische Wertschätzung der Disputation, die selbstverständlich vorausgesetzten „studia humanitatis", das Drängen auf praktische Anwendung des biblischen Wortes zeigen, dass sich Andreaes theologische Bildungsvorstellungen grundsätzlich in den Bahnen Melanchthons bewegen. Nicht ohne Grund sieht Andreae eine eigene Loci-Professur vor. Allerdings sind die Akzente insofern verschoben, als das Konzept des Württemberger Theologen - dem Tübinger Vorbild folgend - stärker auf den Erwerb eines breiten bibelkundlichen Überblickswissens abstellt im Gegensatz zu einer vertieften, einzelexegetischen, gerade auch die theologische Tradition berücksichtigenden Schriftauslegung. Andreaes Überlegungen laufen darauf hinaus, den Wittenberger Philippismus durch die Ausrichtung der theologischen Ausbildung auf ein konsequentes, textimmanentes Bibelstudium zu überwinden - ein Bibelstudium, das gleichsam als H u m u s verstanden wird, aus dem allein eine originär lutherische Theologie erwachsen kann.

3. Gesetzliche Rahmenbestimmungen für den theologischen Studiengang an der Wittenberger Universität 3.1 Universitätsgesetze

der Jahre

1580-1606

Für eine langfristige Imprägnierung des frühneuzeitlichen Territorialstaates mit einem bestimmten Konfessionsstatus waren die Universitäten in ihrer Funktion als zentrale Ausbildungsstätten des Theologennachwuchses von einer geradezu identitätsstiftenden Bedeutung. 42 Die Dresdener Regierung war sich bewusst, dass die konfessionelle Geschlossenheit der kursächsischen Landeskirche wesentlich davon abhing, welche geistig-geistliche Prägung die jungen Theologiestudenten auf den beiden Landesuniversitäten erfuhren. Je nach religionspolitischem Kurs wurden daher in den Jahren 1580 bis 1606 verschiedene gesetzliche Rahmenbestimmungen für den theologischen Studiengang an den beiden Universitäten erlassen. Aus den einschlägigen Verordnungen sind im Folgenden gleichsam die gesetzlichen Eckwerte herauszuarbeiten, innerhalb derer sich nach dem Willen des Kurfürsten und seiner Räte das akademisch-öffentliche Lehren und Lernen in der Theologie vollziehen sollte, um dadurch eine Folie zu gewinnen, vor der sich dann die im nächsten Kapitel zu untersuchenden Wittenberger Anweisungen interpretieren lassen. Auf die faktische Umsetzung der Rechtsbestimmungen kann im Folgenden nur ein Seitenblick geworfen werden. Sie zu untersuchen, wäre ein eigenes Thema. In den Jahren 1580 und 1588 wurden zwei umfangreiche Universitätsordnungen ausgearbeitet und erlassen. Der wechselnde religionspolitische Kurs schlug 42

Vgl. Rudersdorf, S.84.

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

sich relativ schnell in jeweils neuen, umfangreichen,

Studiengang

109

Organisationsstruktur,

Lehrbetrieb und Studienvollzug regelnden Universitätsgesetzen nieder. Am Anfang der auffälligen Phase kursächsischer Universitätsgesetzgebung steht die besondere „Verordnung" für die Universitäten Leipzig und Wittenberg, die Kurfürst August 1 5 8 0 als Anhang der „Kursächsischen Kirchenordnung" veröffentlichen ließ. Nach der religionspolitischen Wende zu Beginn der siebziger Jahre drängte Kurfürst August darauf, den neuen Kurs gesetzlich festzuschreiben. Sowie die Ausarbeitung des Konkordienwerks voranschritt und sich dessen überterritoriale Approbation abzeichnete, suchte Kurfürst August in Kursachsen die kirchlichen und schulischen Verhältnisse im Geist eines strengen Luthertums umfassend neu zu regeln. Nachdem er ab 1572 schon vereinzelt kirchengesetzgeberisch aktiv geworden war, auch die Landstände Anregungen zur Verbesserung der Kirchengesetze gegeben hatten, wurde 1 5 7 9 ein Ausschuss von Theologen unter Führung J a k o b Andreaes mit der Ausarbeitung einer „Kirchenordnung" beauftragt. 4 3 Die Ordnung wurde bereits 1 5 8 0 in teilweise enger Anlehnung an die „Große Württembergische Kirchenordnung" von 1 5 5 9 fertiggestellt und noch vor der Veröffentlichung des Konkordienbuches in Kursachsen als Gesetz bekannt gemacht. 4 4 Sie stellt streng genommen eine Sammlung verschiedener Gesetzestexte dar, deren Materie bereits der Titel erkennen lässt. Die zugrundeliegende Intention des Gesetzgebers ist freilich überall weithin dieselbe, woraus nicht geringe inhaltliche Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Korpora resultieren: Es geht darum, die „Confessio Augustana" von 1 5 3 0 sowie deren „Erklärung" - gemeint ist die „Formula Concordiae" - als Bekenntnisgrundlage durchzusetzen, das kirchliche und schulische Leben nach dieser Norm auszurichten und eine wirksame Kontrolle dieses Fomierungsprozesses zu gewährleisten. 4 5 Die Reglementierungsdichte der Kursächsischen Kirchenordnung von 1 5 8 0 erreicht dabei ein bisher kaum gekanntes M a ß , gerade auch was die Uberwachung des Bekenntnisstandes anbelangt. Eine besondere „Verordnung" wurde für die beiden Landesuniversitäten Wittenberg und Leipzig ausgearbeitet, denen zur Heranbildung eines konfessionell sich „gleichförmig" verhaltenden Pfarrerstandes eine Schlüsselfunktion zukam.

Vgl. E K O , Bd. 1/1, S. 130. E K O , Bd. 1/1, S. 3 5 9 : „Des durchlauchtigsten, hochgebornen fürsten und herrn, herrn Augusten, herzogen zu Sachsen u.s.w. Ordnung, wie es in seiner churf. g. landen, bey den kirchen, mit der lehr und ceremonien, deßgleichen in derselben beyden universiteten, consistorien, fürsten und partikular schulen, Visitation, synodis, und was solchem allem mehr anhanget, gehalten werden sol." Die Universitätsverordnung wurde von Sehling nicht aufgenommen. 4 5 E K O , Bd. 1/1, S . 3 6 3 f . : „So ist unser ernstlicher wille und meinung, das alle und jede kirchen und schuldiener, in unsern chur, fürstenthumben und landen, sich in allen, besonders aber dieser zeit streitigen artickeln, durchaus, in allen ihren Predigten, und Verrichtung ihres amptes, sich zuförderst den schrifften der apostel, propheten, und mehrgedachter augspurgischer confession, auch der christlichen, und in gottes wort wolgegründten, hievor gemelten erklerung der streitigen artickeln, gleichförmig und einhellig, verhalten und erzeigen." 43

44

110

Kapitel 5: Reform des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

Z w a r wurde innerhalb des Untersuchungszeitraums ein akademisches Studium den künftigen kursächsischen Geistlichen noch nicht verbindlich vorgeschrieben. 4 6 Aber die Kirchenordnung von 1580 forderte von ihnen doch ein M a ß an theologischer Bildung, das im Grunde nur auf einer Universität zu erreichen war. 4 7 Damit wurden die Universitäten als Institutionen zur Formierung eines konfessionell einheitlichen Pfarrerstandes immer bedeutsamer. Theologische Lehrvielfalt und Abweichungen vom offiziellen konfessionspolitischen Kurs sollten deshalb in den „ H o h e n Schulen" möglichst unterbunden werden. Deshalb wurden die verschiedenen Universitätsangehörigen einem umfassenden Kontrollsystem unterworfen. So wurde vor allem der universitätspolitische Spielraum des Rektors beschnitten, indem man das Kanzleramt, das an der Universität Wittenberg bis dahin nicht besonders ausgeprägt war, mit weitgreifenden Aufsichtskompetenzen ausstattete und ihm einen ständiger Universitätsrat („consilium perpetuum"), der mit dem Senat nicht identisch war, als leitenden Magistrat zur Seite stellte. Ferner wurden kurfürstliche Kommissare mit der Universitätsaufsicht beauftragt, die Professoren zu einem viermal jährlich stattfin46 Auf der von Drews, Der evangelische Geistliche, S. 16, angeführten Leipziger Konferenz von 1544 wurde für das herzogliche Sachsen angeblich beschlossen, „keinen anzustellen, der nicht eine Zeit lang auf einer Universität w a r " (ebd.). Aber dieser Beschluss scheint dann doch sofort dahingehend eingeschränkt worden zu sein, dass auch Bewerber zum Pfarramt zugelassen werden sollten, die lediglich bei einem Superintendenten oder Pfarrer ,in die Lehre' gegangen waren; vgl. ebd.; Cohrs, Art. Unterrichts- und Bildungswesen, S.306. Aus der Tatsache, dass die Ordinandenexamina seit 1535 von Professoren der Wittenberger Theologischen Fakultät abgenommen werden mussten, lässt sich schwerlich auf ein vorheriges Universitätsstudium der Ordinanden schließen; vgl. Drews, Ordination, S.86f. Zu diesen Examina siehe etwa die Bestimmungen der kursächsischen „Generalartikel" von 1557, EKO, Bd. 1/1, S.321: „Es sol hinfüro [...] kein pfarherr one vorwissen der superattendetnen [...] auf- oder angenommen werden, w a n n aber hieran kein mangel, das er also dann zu der examination in die universiteten gegen Wittemberg oder Leipzig geschickt, und w a n n er vor genugsam gelert und tüglich befunden, zu solchem seinem ambte, darzu er berufen, aufgenommen, eingeweiset und investirt werde, [...]." Im Blick auf die Patrone wurde immerhin der Wunsch geäußert, ebd., S. 334: „Es sollen auch die edelleute und andere lehenherrn, denen kirchen-diener mangeln, dieselben in wolbestalten hohen schulen oder universiteten zu Leipzig und Wittenberg suchen, und nicht allenthalben ungelerte gesellen, oder vordorbene handwergs-leute aufklauben, oder ire Schreiber, reuter oder stall-jungen priesterlich kleiden und auf pfarren stecken, auf das sie sich bei denselben desto leichter erhalten können [...]." 47 Siehe EKO, Bd. 1/1, S.377: „[...] sollen unsere verordente consistoriales fürnemlich auf nachfolgende artikel achtung geben. Erstlich, das sie mit besonderem fleis und ernst erkündigen, ob er [= der Kandidat] in der lehre rein, und nicht mit falschen opinionibus und schedlichen irrthumen in einem oder mehr artikeln vergiftet sei. Z u m andern, sollen sie auch mit allem fleis seine geschickligkeit erkündigen, was er in heiliger schrift zufördert, und denn auch sonsten studiert, ob er nicht allein der lateinischen, sondern auch der griechischen und hebreischen spräche erfaren, wie er auch sonsten in den controversiis geübet, das er die reine lehr, im fall der noth, wider die papisten, rotten und secten mit bestendigem gründe gottes worts wisse zuvertheidigen." Ferner sollten die Konsistorialen den Kandidaten in den wichtigsten Lehrartikeln befragen, wozu in der Kirchenordnung ein ausführliches Frageschema vorgegeben wird; vgl. ebd., S. 3 7 7 - 3 7 9 . Z u r Beantwortung dieser Fragen waren zweifelsohne eingehendere dogmatische Kenntnisse erforderlich.

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

lH

d e n d e n so g e n a n n t e n „ e x a m e n n e g l e c t u u m " v e r p f l i c h t e t 4 8 und den S t u d e n t e n das W o h n e n in „ K o l l e g i e n " v e r b i n d l i c h v o r g e s c h r i e b e n - letzteres lief f a k t i s c h a u f eine R ü c k k e h r z u m m i t t e l a l t e r l i c h e n B u r s e n w e s e n h i n a u s u n d s c h r ä n k t e die d u r c h die R e f o r m a t i o n g e w o n n e n e n s t u d e n t i s c h e n F r e i h e i t e n ' des W o h n e n s w i e d e r e i n . 4 9 V o r a l l e m a b e r w a r e n alle t h e o l o g i s c h e n P r o f e s s o r e n u n d P r o m o v e n d e n p e r E i d a u f die u n v e r ä n d e r t e „ A u g s b u r g i s c h e C o n f e s s i o n " v o n 1 5 3 0 u n d die „ F o r m u l a C o n c o r d i a e " v o n 1 5 7 7 zu v e r p f l i c h t e n . 5 0 D i e „ V e r o r d n u n g " K u r fürst A u g u s t s b e d e u t e t e m i t i h r e m V e r s u c h , die U n i v e r s i t ä t e n e i n e m e n g m a s c h i g e n , teilweise w e c h s e l s e i t i g e n N e t z der K o n t r o l l e zu u n t e r w e r f e n , z w e i f e l l o s einen r a d i k a l e n E i n s c h n i t t in die universitäre S e l b s t v e r w a l t u n g . W e n n sie n i c h t in j e d e r H i n s i c h t u m g e s e t z t w o r d e n zu sein scheint, so lag das w o h l n i c h t zuletzt d a r a n , dass sich ihre B e s t i m m u n g e n u n t e r s c h i e d s l o s a u f die im E i n z e l n e n r e c h t v e r s c h i e d e n e u n i v e r s i t ä r e S i t u a t i o n in W i t t e n b e r g o d e r Leipzig b e z o g e n u n d d a d u r c h o f f e n b a r zu einer selektiven L e k t ü r e der „ V e r o r d n u n g " h e r a u s f o r d e r t e n . 5 1 K u r f ü r s t C h r i s t i a n I. ( 1 5 6 0 - 9 1 ; 1 5 8 6 ) , der v o n e i n e m e r a s m i a n i s c h e n H u m a n i s m u s g e p r ä g t w a r u n d a u c h m y s t i s c h e n und s p i r i t u a l i s t i s c h e n V o r s t e l l u n g e n a u f g e s c h l o s s e n g e g e n ü b e r s t a n d , schlug im U n t e r s c h i e d zu s e i n e m V a t e r e i n e n a n d e r e n K u r s ein. D i e k o m p r o m i s s l o s e K o n f e s s i o n s p o l i t i k im S i n n e des K o n k o r d i e n l u t h e r t u m s w u r d e a u f g e g e b e n . S t a t t d e s s e n v e r s u c h t e er e h e r die F o r m i e r u n g 48 Viermal im Jahr hatten sich alle Professoren einem so genannten „examen neglectuum" zu unterziehen, in dem jeder der Professoren vor den Kollegen und im Beisein des Kanzlers öffentlich darüber Auskunft geben musste, „wieviel lectiones er das nechst vergangene Quartal in seiner Profession/ auff welchen Tag/ vnd aus was vrsachen/ versaumbt/ vnd nicht gelesen habe" ([August von Sachsen], Verordnung, S.CCCCXXIII). 4 9 Allenfalls in begründeten Ausnahmefällen sollte dem Studenten erlaubt sein, in der Stadt zu wohnen - dann freilich zusammen mit einem Privatlehrer oder einer anderweitig von den Eltern zur Aufsicht bestimmten Person. Den Bürgern war es verboten, die Schlüssel zu ihren Häusern in studentische Hände zu geben oder Studenten im Sommer nach 22.00 Uhr, im Winter nach 21.00 Uhr bei sich zuhause zu beherbergen. Kein Student durfte über Nacht „ohne Vorwissen des Rectoris von der Universität bleiben." Zu vergleichbaren Tendenzen der „Verschulung" und „Internierung" im katholischen Bereich vgl. Seifert, Studienfreiheit und Studienordnung. 50 Vgl. [August von Sachsen], Verordnung, S.CCCCXVIII, und dazu GUW, S.349. 51 Bei zeitgenössischen Äußerungen über die faktische Umsetzung der Kirchenordnung Kurfürst Augusts von 1580 ist die jeweilige Situation zu berücksichtigen. Wenn die Universitätsordnung von 1588 behauptet, „dass die jungst von unserm geliebten hern vatern sehligen publicirte Ordnung bißhero noch nie zu werk gerichtet werden können, sondern daß auch die höchste notturft sei, etliches nach itziger gelegenheit zu vorendern, die bißhero eingeriessene mangel abzuschaffen und darauf fernere vorordenung zu thun" (UUWI, S. 555 [Nr. 449]), so scheint eine konfessionspolitisch motivierte Übertreibung im Sinne eines Vorwands nicht ausgeschlossen. Anders sind die negativen Urteile aus dem unmittelbaren höfischen Umfeld Kurfürst Christians II. zu beurteilen, der bekanntlich den religionspolitischen Kurs seines Großvaters verfolgte. Als die Theologische Fakultät bei der Anstellung Leonhart Hütters 1596 Bedenken hatte, diesen wegen eines natürlichen Leidens, das ihm zu predigen versagte, als Theologieprofessor zu berufen, wurde ihr vonseiten der kurfürstlichen Räte entgegengehalten, dass die Ordnung Kurfürst Augusts überhaupt nie im strengen Sinne des Wortes eingehalten worden sei und es vielmehr genüge, wenn der „Pastor" und der Schlosspropst dem Predigtamt oblägen; vgl. GUW, S.399.

112

Kapitel

5: Reform

des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

des Untertanenverbandes im Sinne einer „Reformation des Lebens". Nach einem längeren Konsultationsprozess mit den Räten und einem Ausschuss der Landschaft ließ er 1588 eine neue Universitätsordnung verkündigen.52 Die restriktiven Eingriffe in die universitäre Selbstverwaltung wurden darin wieder rückgängig gemacht. Das Amt des Kanzlers sollte nicht auf Dauer, sondern nur pro tempore vergeben werden, die kurfürstlichen Kommissare als übergeordnete Aufsichtsbehörde und das „consilium perpetuum" wurden abgeschafft und die Universitätsleitung wieder ausschließlich in die Hände des Rektors und der vier Dekane gelegt. Damit waren die Rechtsverhältnisse der Zeit vor 1580 zum großen Teil wiederhergestellt. Wenn auch der Versuch einer „zweiten Reformation" in Kursachsen am erheblichen Widerstand des Adels, der Geistlichkeit und der Landstände scheiterte, so blieb doch die Universitätsordnung von 1588 de facto die maßgebliche gesetzliche Rahmenbestimmung der Universität Wittenberg für nahezu hundert Jahre. 53 Zwar steuerte Herzog Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar (15621602; 1586), der das Kurfürstentum nach dem überraschenden Tod Christians I. bis zur Mündigkeit des Anwärters Christian II. (1583-1611; 1591) verwaltete, wieder auf den religionspolitische Kurs Kurfürst Augusts zurück. Doch nahm er keine Revision der Universitätsgesetze in Angriff, obwohl ihn die Theologieprofessoren der Leucorea baten, die „Verordnung" von 1580 im Blick auf die konfessionelle Ausrichtung der Universität und die Verhältnisse insbesondere an der Theologischen Fakultät wieder in Kraft zu setzen.54 Auch als Kurfürst Christian II. 1602 die Regierungsgeschäfte übernahm, änderte sich nichts an dem unter Christian I. erreichten universitätsrechtlichen Status quo. Der Kurfürst ließ zwar einen umfangreichen Neuentwurf „wie es in den Universitäten Leipzig und Wittenberg mit der Lehre, Disziplin und sonst allenthalben gehalten werden soll" 5 5 ausarbeiten, der in letzter Fassung 1606 von Polykarp Leyser d.Ä. (1552-1610) U b e r Decanorum, S. 1 6 1 - 1 7 6 ; U U W I, S. 5 5 5 - 5 6 8 (Nr. 4 4 9 ) . Dafür kommen mehrere Gründe in Frage: Die konfessionelle Linie Kursachsens blieb nach der Überwindung der philippistischen Streitigkeiten über Generationen hinweg weitgehend stabil; zugleich begann der Konfessionalisierungsdruck seitens des Staates auf die Hochschulen nachzulassen. Möglicherweise hatten sich aber auch einfach viele Bestimmungen dieser Ordnung in der Praxis bewährt. 5 4 UUW I, S. 6 0 3 (Nr. 4 9 3 ) : „als bitten E. f. g. wir underthenigst. dieselbe geruhe [...] per definitivam sententiam gnedigst zu erkleren, das churfurst Augusti Ordnung durch vielgedachte reformationem electoris Christiani nicht abgethan, sondern nochmals (zuvoraus was das religionwesen betrifft) wir samptlich an dieselbe geweiset sein sollen." Die Theologen beanstandeten an der Ordnung Christians insbesondere, dass „die subscriptio libri Concordiae abgeschaffet und die herrliche Streitschriften Lutheri zu Vorschub unreiner Calvinischer lehr, deren fortpflanzung ettliche hierunder gesucht, ausgesetzet und allein seiner lehrschriften gedacht worden ist" (ebd., S. 6 0 2 ) . Zu den Kritikpunkten siehe den entsprechenden Abschnitt „Von der subscription des Concordienbuches" in der Ordnung Kurfürst Christians I. vgl. U U W I, S . 5 6 6 f . (Nr.449). 5 5 Der Entwurf, der den fünften Teil einer neuen Kirchen- und Schulordnung bilden sollte, findet sich in Auszügen bei Friedensburg, U U W I, S . 6 4 1 - 7 1 4 ( N r . 5 2 8 ) . 52

53

3. Gesetzliche Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

113

einer doppelten Revision unterzogen wurde. Aber zum einen setzte er die Ordnung von 1 5 8 8 nicht außer Kraft. Z u m anderen wurde der Entwurf von 1 6 0 6 nie formell erlassen, erlangte also im Kurfürstentum Sachsen keine Rechtsgültigkeit. 5 6 Er wird daher im Folgenden nur am Rande, das heißt nur im Blick auf den intendierten Willen des Gesetzgebers, berücksichtigt. D a m i t blieb die Ordnung aus der „reformierten" Zeit der Leucorea auch während der Hochphase der lutherischen O r t h o d o x i e in Geltung. 3.2 3.2.1

Theologischer

Studiengang

Lehrpersonal

Die beiden Kurfürsten August und Christian I. suchten die für die konfessionelle Identität Kursachsens so wichtige universitäre Theologenausbildung jeweils von ihren religionspolitischen Interessen her zu regeln. Besondere Aufmerksamkeit der mit der Gesetzesformulierung beauftragten R ä t e und Theologen fand dabei naheliegenderweise das akademische Lehrpersonal. Hier suchte man durch bestimmte Zulassungsvoraussetzungen auf die Qualität der Lehre Einfluss zu nehmen. Kurfürst August verlangte in der 1 5 8 0 erlassenen Kirchenordnung von allen Geistlichen, Lehrern und eben auch Professoren den Eid auf die Konkordienf o r m e l . 5 7 Kurfürst Christian I. hob diese Bestimmung bereits 1 5 8 7 auf, im ersten J a h r nach seinem Regierungsantritt, und lockerte damit die konfessionelle Disziplinierung der Geistlichkeit. 5 8 Sein Sohn Christian II. n a h m die Aufhebung des Religionseides dann 1 5 9 2 wieder zurück. Nun hatten alle Geistlichen, alle Beamten im Schul- und Kirchendienst einen Eid zu leisten, der sie nicht nur auf die Bibel und das Konkordienbuch festlegte, sondern ausdrücklich auch zur Verwerfung des reformierten Bekenntnisses verpflichtete. 5 9 N a c h d e m es im Z u g der Überwindung des „Kryptocalvinismus" gelungen war, die theologischen Lehrstühle mit Professoren zu besetzen, die sich dem genuinen, in der Konkordienformel repräsentierten Luthertum verpflichtet wussten, begann sich das geistige Klima an der Leucorea insgesamt zu wandeln. Die oberste Fakultät sollte nun den Weg in die strenge O r t h o d o x i e eingeschlagen. 6 0 So auch Appold, O r t h o d o x i e , S . 4 1 . Vgl. E K O , Bd. 1/1, S . 3 8 0 . 5 8 Einen instruktiven Überblick über den vornehmlich von Kurfürst Christian I. und seinen theologisch-politischen Beratern initiierten Versuch einer Fortführung der Reformation in humanistisch-calvinisierender Richtung gibt Blaschke. 56

57

Vgl. Blaschke, S . 9 4 . Den neuen, konsequent am Konkordienluthertum ausgerichteten Geist der Theologischen Fakultät repräsentieren Polykarp Leyser d.Ä. ( 1 5 5 2 - 1 6 1 0 ) , der allerdings - nachdem er zwischenzeitlich sechs J a h r e lang das Pfarramt in Braunschweig innegehabt hatte - schon 1 5 9 3 als Hofprediger nach Dresden berufen wurde, Ägidius Hunnius ( 1 5 5 0 - 1 6 0 3 ) , Leonhart Hütter ( 1 5 6 3 - 1 6 1 6 ) , Salomon Gesner ( 1 5 5 9 - 1 6 0 5 ) und David Runge ( 1 5 6 4 - 1 6 0 4 ) . Leyser war 1 5 7 7 , Hunnius 1 5 9 2 , Gesner 1 5 9 5 auf eine theologische Professur berufen worden; Hütter und R u n 59

60

114

Kapitel 5: Reform des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

N a c h der O r d n u n g von 1580 durfte niemand mehr auf eine theologische Professur in Wittenberg oder Leipzig berufen werden, „der nicht zugleich auch ein geübter Prediger sey" 6 1 . M a n verwies dazu auf die Anfangsjahre der Universität, in denen niemand auf einen theologischen Lehrstuhl berufen worden sei, der nicht zugleich die priesterliche Weihe besessen habe. 6 2 Das bedeutete faktisch, dass bei der Vergabe der Professuren nur noch Bewerber zum Zuge k o m m e n sollten, die einige Zeit im Gemeindedienst zugebracht und entsprechende homiletische Erfahrungen gesammelt hatten. Der Zweck dieser Bestimmung liegt auf der H a n d : M a n erwartete von solchen Professoren, die geistliche Leitung durch Visitation gewohnt waren, eine stärkere Orientierung an der pfarramtlichen Praxis sowie eine geringere Bereitschaft zur theologischen Auseinandersetzung und damit auch eine geringere Neigung zur Abweichung vom konfessionspolitischen Kurs des Staates. Der Hinweis auf die Negativfolie der „kryptocalvinistischen" Wittenberger Professoren ist in diesem Z u s a m m e n h a n g aufschlussreich genug: „ N a c h dem sich aber im werck befunden/ das durch die Theologen/ so nicht im Predigampt zuuorn geübet/ in Kirchen vnd Schulen/ schedliche irrthumb eingefüret/ vnd ergerliche trennung angerichtet/ als die mehr ihren Philosophischen speculationibus und gedancken nachgehenget/ denn das sie sich nach dem einfeltigen wort Gottes gerichtet/ [...]." 6 3 Statt die Theologie mit philosophischen Mitteln zu betreiben, sollten die Professoren vielmehr verbleiben „in der einfeltigen/ reinen/ vnuerfelschten lehre des glaubens/ vermanung vnd trost der heiligen Schrifft/ deren sich der mensch mit der vernunfft/ vnd allen ihren gedancken/ unterwerffen vnd gefangen geben m u ß " 6 4 . Theoretisch-theologische Arbeit w u r d e offenbar als konfliktriskant verdächtigt. Durch die konsequente Umorientierung des theologischen Lehrbetriebs von einer sich gerade auch philosophisch orientierenden Theologie hin zu einer vorwiegend bibelexegetischen Theologie hoffte man, die Gefahr von Auseinandersetzungen unter den Professoren und

ge hatten 1596 theologische Lehrstühle übernommen; vgl. GUW, S. 3 9 5 - 4 0 4 . Die aus dem Kontext des schwäbischen Luthertums stammenden, wesentlich von Andreae beeinflussten Theologen haben immer wieder die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden: Z u Polykarp Leysers Wittenberger Aufenthalt vgl. Peters; zu Ägidius Hunnius vgl. Matthias, Theologie und Konfession, der seine Untersuchung allerdings auf den württembergischen und hessischen Lebensabschnitt konzentriert; zu Leonhart Hütter vgl. die im Kapitel 7.2.2 genannte Literatur. Z u Gesner und Runge fehlen neuere Arbeiten. 61 [August von Sachsen], Verordnung, S.CCCLXXXII. 62 Siehe [August von Sachsen], Verordnung, S.CCCLXXXII. Vgl. dazu die Promotionsbestimmungen der Statuten von 1508, oben Kapitel 3.3. 63 [August von Sachsen], Verordnung, S. CCCLXXXIf. Kurt Aland hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in den Ausführungen der „Verordnung" die gedankliche Abfolge an dieser Stelle entscheidend ist: Zuerst wird die höhere Konfliktbereitschaft philosophisch arbeitender theologischer Lehrer genannt; dann folgt die Erwägung, dass auch um der seelsorglichen Ausbildung willen Praxiserfahrung eigentlich unverzichtbar sei; vgl. ders., S. 195. 64 [August von Sachsen], Verordnung, S. CCCLXXXI1.

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

115

damit der Uneinigkeit des theologischen Lehrerkollegiums an den sächsischen Universitäten auszuschalten. Auch diese Bestimmung fiel in der maßgeblichen Ordnung Christians I. wieder dahin. Dem Kurfürsten lag vor allem an der wissenschaftlichen Qualität des theologischen Lehrpersonals seiner beiden Landesuniversitäten. Er hob die Zulassungsvoraussetzung mit der Begründung auf, „dass der almechtige gott die gaben underschiedlich austheilet und das bißhero viel trefflicher und gelerter professores in theologia befunden, obgleich dieselben nicht prediger gewesen" 65 . Das bedeutete, dass in Wittenberg nicht mehr alle ordentlichen Theologieprofessoren zum Predigdienst verpflichtet waren. Die daraus resultierende, etwas ungleichmäßige Arbeitsverteilung konnte leicht zu Spannungen innerhalb des theologischen Lehrerkollegiums führen - eine Konsequenz, die von den Gesetzgebern offenbar in Kauf genommen wurde. Auch der Entwurf Kurfürst Christians II. sah an diesem Punkt keine Änderung vor.66 3.2.2

Vorlesungen

Der Blick auf die insgesamt dürftigen Spuren des faktischen theologischen Lehrbetriebs der Jahrzehnte um 1550 hatte bereits erkennen lassen, dass sich die angebotenen Vorlesungen mehr oder weniger in dem inhaltlichen Rahmen bewegten, der durch die Fundationsurkunde von 1536 vorgegeben war. 67 Ein weiter gehendes staatliches Formierungsinteresse suchte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts den Vorlesungsbetrieb nach Inhalten, Methoden und zeitlicher Ansetzung detaillierter zu regeln. Den Vorstellungen der kursächsischen Regierung zufolge sollten die Professoren ihre Vorlesungen im Sinne eines bibelexegetischen Gesamtzyklus besser aufeinander abstimmen. Die Visitatoren, die Kurfürst August 1577 zur Bestandsaufnahme der personalerneuerten Universität nach Wittenberg schickte, bemängelten bei den Theologen: „es müsten aber auch die nauen professores im lesen solche Ordnung halten, das der zuhörer in 5 jähren durch die bibel kommen möcht, welche Ordnung itzo nicht gehalten

65

UUW I, S.557 (Nr. 449). Siehe UUW I, S. 653 (Nr. 528). Der Entwurf Kurfürst Christians II. ließ noch positive Reminiszenzen an die Bestimmung Augusts von 1580 erkennen, folgte aber im Ganzen der Argumentation Christians I. und vermied es festzusetzen, dass nur noch Theologen als Professoren berufen werden sollten, die zugleich auch den universitären Predigtdienst versehen konnten. M a n wollte „solches so genau nicht suchen, sondern darmit vergnüget sein, wan ein solcher theologus sich nicht besser zu sein bedünket als ein prediger, das predigtambt ehret, bei den studiosis theologiae rühmet und, soviel ihme möglich, seine lectiones dahin richtet, d a ß er nicht scholasticas speculationes ihnen fürtrage, sondern die schrift in reinem, einfaltigem verstände dahin erklehre, wie S. Paulus lehret, daß sie den studiosis nütze und diene zur lehr, zur straffe, zur besserung, zur Züchtigung in der gerechtigkeit." (ebd.) Vgl. auch GUW, S.399f., A n m . 5 . 67 Vgl. oben Kapitel 3.3.1. 66

116

Kapitel 5: Reform des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

wird.'" 5 8 Die angesprochene „Ordnung" geht nicht auf einen für die Leucorea gültigen Rechtstext zurück. Entsprechende Bestimmungen sind jedenfalls bislang nicht nachweisbar. D e r Passus zeigt aber, dass man sich offenkundig am kursächsischen H o f eine Zeitlang der Vorstellung hingab, das theologische Vorlesungsprogramm der Leucorea müsse es dem Studenten ermöglichen, in fünf Jahren einen die ganze Bibel abdeckenden exegetischen Lektionszyklus zu hören. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die sich einer praktischen Umsetzung dieser anspruchsvollen Vorstellung aufgrund der immer ausgedehnteren Vorlesungen in den Weg stellen mussten, war die Annahme, Studierende würden sich fünf J a h r e zum Studium an der Universität aufhalten, verwegen-illusorisch genug. Die durchschnittliche Verweildauer von Studenten lag im 16. Jahrhundert generell wohl deutlich darunter, wie die freilich nicht in jeder Hinsicht unanfechtbaren Berechnungen Eulenburgs ergeben h a b e n . 6 9 Und in der Tat redete schon die für Leipzig und Wittenberg erlassene Universitätsverordnung Kurfürst Augusts von 1 5 8 0 sehr viel vorsichtiger: „Sollen die Professores dieser Facultet ihre lectiones also vnter sich selbst austeilen/ vnd dermassen anstellen/ darmit ein studiosus derselben auff bestimpte gewisse zeit/ durch Gottes gnade/ in den schrifften der Propheten vnd Apostel/ einen solchen verstandt fassen möge/ da er gleich nicht alle bücher gentzlich hören erkleren/ sich dennoch in alle schicken könne/ vnd mit derselben Zeugnis alle artickel Christlicher lehr wisse zuuertheidigen/ wie auch derselbigen wiederwertige irrthumb mit bestendigem grund der warheit zuuerwerffen/ vnd seine zuhörer darfür z u w a r n e n . " 7 0 Ähnlich war es auch in dem Entwurf der Universitätsordnung von 1 6 0 6 formuliert worden, den Kurfürst Christian II. hatte ausarbeiten lassen. Die Studenten sollten an ausgewählten biblischen Texten, also gleichsam exemplarisch in den Vorlesungen lernen, wie die Worte der Bibel auszulegen und zur Verteidigung der Lehre heranzuziehen seien. Apologetisch-polemische Fähigkeiten werden in den kursächsischen Verordnungen häufig als zweites wichtiges Lernziel neben der Befähigung zur Schriftauslegung genannt. Wie der zitierte Passus aus der Universitätsordnung von 1 5 8 0 erkennen ließ, wurde damals die strikte Bindung der Lektionen an bestimmte Lehrstühle aufgegeben. Wer welche Vorlesung übernahm, konnten die Professoren nun unter sich ausmachen. Es sollte nur gewährleistet sein, dass „stetigs zweene Professores im alten Testament lesen/ der eine die fünff bücher M o s e / der ander aber die Prophe-

6 8 U U W I , S. 4 0 6 (Nr. 3 7 6 ) ; vgl. auch ebd., S. 4 1 4 (Nr. 3 7 6 A ) . Eine solche „ O r d n u n g " scheint zuvor nicht schriftlich existiert zu haben. 6 9 Eulenburg ermittelt für das 15. bis 1 7 . Jahrhundert einen generellen Aufenthaltskoeffizienten von 1,8 J a h r e n ; vgl. ders., S . 4 0 . 7 0 [August von Sachsen], Verordnung, S. C C C L X X X I I I . Andreae hatte in seiner Rede vor den Wittenberger Studenten und Professoren auf die Angabe eines festen zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen der biblische Vorlesungszyklus vollendet werden sollte, verzichtet; vgl. oben Kapitel 5 . 2 .

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

ten erkleren. DEßgleichen auch zweene im nawen Testament/ Der eine die Episteln S. Pauli/ sonderlich an die Römer vnd Galater/ Der ander aber beneben den Episteln Pauli an Timotheum vnd Titum/ auch die Hauptartickel Christlicher lehr/ Locos Communes Philippi/ gründlich handien." 7 1 Die Bestimmungen zum inhaltlichen Profil der einzelnen Lektionen sind insofern bemerkenswert, als zum einen die neutestamentlichen Vorlesungsstoffe völlig auf das Corpus Paulinum konzentriert und zum anderen nun erstmals die „Loci Communes" Melanchthons als Vorlesungslektüre offiziell vorgeschrieben werden. Die Evangelien, aber auch die anderen biblischen „Geschichtsbücher", dazu die Psalmen werden von der Verordnung auf die Ebene von Predigtstoffen hinabgedrückt, wobei allerdings die Unterschiede zwischen einer Vorlesung und einer Predigt nicht allzu hoch angesetzt werden sollten. Das Ziel war nach wie vor eine umfassende Auslegungskompetenz im Blick auf die biblischen Schriften. Doch war man aufgrund der ernüchternden Universitätsvisitation realistisch genug geworden und gab sich nicht mehr länger der Vorstellung hin, ein Theologiestudent könne im Verlauf seines Studiums exegetische Vorlesungen zu allen Büchern der Bibel hören. In den Vorlesungen sollte vielmehr ein offensichtlicher Kernbestand an biblischen Schriften traktiert werden; der auffällige Paulozentrismus im neutestamentlichen Vorlesungsprofil dürfte in diesem Zusammenhang als eine vor dem Hintergrund der kryptocalvinistischen Auseinandersetzungen durchaus nachvollziehbare, selbstvergewissernde Rückbesinnung auf die maßgeblichen biblischen Quellen der lutherischen Theologie zu verstehen sein. Melanchthon selbst hatte, wie erwähnt, mehrfach über die „Loci Communes" auf der Basis des von ihm verfassten Lehrbuches gelesen. 72 Auch haben die Wittenberger Theologieprofessoren dogmatische Vorlesungen über einzelne Loci angeboten, denen sie offensichtlich das Lehrbuch Melanchthons zugrundelegten. Zu dem Lehrkanon, den die Theologieprofessoren in öffentlicher Lehrtätigkeit anzubieten verpflichtet waren, gehörten diese Loci-Vorlesungen aber nicht. 73 Erst die Ordnung Kurfürst Augusts von 1580 machte die „Haupt=Artikkel Christlicher Lehre, Locos Communes Philippi" zum verbindlichen Gegenstand der öffentlichen Lehre. Sie ließ freilich offen, welche Ausgabe der vierte Legem seinen Vorlesungen zugrundelegen sollte. Der auffällige Tatbestand, dass ausgerechnet die aus den „kryptocalvinistischen" Auseinandersetzungen hervorgegangene, auf Überwindung des „Melanchthonianismus" in Kursachsen bedachte Ordnung Kurfürst Augusts die „Loci" des „Praeceptor Germaniae" erstmals zum Lehrgegenstand erhob, scheint am ehesten dadurch erklärbar, dass die sächsischen Gesetzgeber klar zwischen Werk und Rezeption zu unterscheiden wussten und Melanchthon durch „rechtgläubige" Universitätslehrer gleichsam 71 72 73

[August von Sachsen], Verordnung, S. CCCLXXXIII. Vgl. oben Kapitel 3.3.1. Vgl. diese Einschätzung bei T. Kaufmann, Martin Chemnitz' Kommentar, S. 185, A n m . 4 .

118

Kapitel 5: Reform des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

gegen seine „calvinisierenden" Liebhaber verteidigt sehen wollten. 7 4 Allerdings scheint diese gesetzliche Vorgabe, zumindest was die Universität Wittenberg betrifft, nicht ernsthaft umgesetzt worden zu sein. Die revidierte O r d n u n g Kurfürst Christians I., der dem Melanchthonianismus wieder aufgeschlossener gegenüberstand, widmete sich im Abschnitt „Von den lectionibus ordinariis in der theologischen facultet" offensichtlich nicht ohne Grund schwerpunktmäßig der rechten Einrichtung der „Loci"-Vorlesung: „dieweil wir aber vormarkt, das die loci communes Philippi Melanchtonis, unangesehen daß es in den neuen ordenungen ausdrucklich bevohlen, bißhero wenig gelesen worden und solch buch des herren doctoris Martini Lutheri zeugnus nach ein vortrefflich und dergleichen werk ist, als in theologia bishero nicht viel geschrieben, so wollen und ordnen wir, daß bemeltes buch h i n f u h r o durch D. Heinricum M a j u m oder wem wir es künftig sonsten bevehlen möchten, öffentlich gelesen, bei der studirenden jugend mit allem vleiße getrieben und derselben nach rechtem vorstände, wie es der author seibesten gemeinet und in seinen anderen buchern ercleret, auch ohne einmischung der frembden ergerlichen streite expliciret und sonsten in den lectionibus und disputationibus die scripta Lutheri et Philippi vleißig inculciret und die jugend an des herren Philippi art zu reden gewohnet werde." 7 5 Auch der Entwurf des sich wiederum am konfessionspolitischen Kurs Augusts orientierenden Kurfürsten Christian II. sah öffentliche Vorlesungen über die „Loci" Melanchthons verbindlich vor. Es sollte immer einer der Theologieprofessoren - es musste nicht immer derselbe sein - abwechselnd über das Konkordienbuch und die „Loci" Melanchthons lesen. 76 Damit war in Wittenberg der dogmatische Lehrauftrag - wenn auch noch nicht als dogmatischer Lehrstuhl - dauerhaft festgeschrieben. Die auffallende Reglementierungsdichte der O r d n u n g von 1580 wird insbesondere an den Bestimmungen zur Vorlesungsmethode erkennbar, die von den Hochschullehrern angewendet werden soll. Die Vorschriften folgen wiederum weitgehend den Gedanken, die Andreae bereits in seiner Rede vor den Wittenberger Studenten und Professoren 1577 entfaltet hatte. Auf die Verwendung des Urtextes in den Vorlesungen wird besonderer Wert gelegt. Die Professoren sollen „so viel müglich", die biblischen Texte in den beiden biblischen Sprachen behandeln, die Studierenden deshalb erst d a n n zu den Vorlesungen der Theologen zugelassen werden, wenn sie über ausreichende Kenntnisse im Griechischen und im 74 Dass sich die Religionspolitik Kurfürst Augusts nach 1574 nicht grundsätzlich änderte, insbesondere nicht gegen die Person Melanchthons zu wenden begann, betont zu Recht Koch, Der kursächsische Philippismus, S. 76 (gegenüber manchen dahingehenden Ansichten der älteren Forschung). In den Augen des Kurfürsten bestand zwischen Luther und Melanchthon eine geistige Konkordanz. 75 UUW I, S.558f. (Nr.449). Vgl. auch ebd., S . 5 6 7 (Nr.449). Die Lehrschriften (nicht die Streitschriften) Melanchthons und Luthers sollten also überhaupt regelmäßig im akademischen Unterricht gelesen werden; vgl. Klein, S.78. 76 Vgl. UUW I, S.654 (Nr.528).

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

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Hebräischen verfügen. Doch soll in der Vorlesung weniger eine wissenschaftlich aufwendige philologische Exegese im Vordergrund stehen, als vielmehr die Auslegung des Textes nach dem Literalsinn, den die Professoren „auff das einfeltigst vnd kürtzest/ so es immer sein kan/ ihren Discipeln erkleren" 7 7 sollen, sowie die Anwendung, der Gebrauch („usus") des Textes als Gesetz und Evangelium, das heißt die Applikation des Textes auf seine Hörer. Der Entwurf Christians II. schließt sich inhaltlich diesen Vorgaben an und sucht ihre Umsetzung durch noch genauere Bestimmungen der Vorlesungsmethode zu sichern. 7 8 M a n erhoffte sich von der häufigen Demonstration einer streng am Literalsinn orientierten Exegese, dass die Studenten befähigt würden, biblische Texte selbständig in diesem Sinn auszulegen und die (lutherische) Lehre daraus zu beweisen. Das übergeordnete Ausbildungsziel war stets, wie die Ordnung von 1 5 8 0 formulierte, „das sie alle bücher/ altes vnd newes Testaments/ eigentlich gefast/ dieselbige jeder zeit nützlich erkleren/ vnd menniglichen nottürfftigen vnd gnugsamen bericht ihres glaubens vnd lehre daraus geben k ö n n e n " 7 9 . Die Bibel war noch nicht wissenschaftlicher Gegenstand um ihrer selbst willen, sondern nur Materialbasis der kirchlichen Lehre. Die doktrinale Schulung stand auch in den vorwiegend exegetisch ausgerichteten Lehrveranstaltungen im Vordergrund. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts scheint sich in Wittenberg das Diktat als maßgebliche Vorlesungsform unter den Theologieprofessoren mehr und mehr durchgesetzt zu haben, was die Vorlesungen teilweise beträchtlich in die Länge zog. 1 5 8 7 gab Georg Mylius ( 1 5 4 8 - 1 6 0 7 ) , damals Kanzler der Universität, bei der kurfürstlichen Visitation zu Protokoll: „Mit dem langsam lesen sei ein grosser mangel. Was man in 2 jharen vorrichten sollt, könte itzo in 5 jharen nicht geschehen wegen des vielfeltigen dictirens und dis sei erst ahngefangen post mortem Philippi." 8 0 Drei bis maximal vier Vorlesungsstunden müssen der Verordnung von 1 5 8 0 zufolge ausreichen, um ein Kapitel der Bibel vor den Studenten auszulegen. Auf das Einholen der zeitgenössischen wie traditionellen exegetischen Diskussion war zu verzichten. Das Diktieren wurde ausdrücklich unter[August von Sachsen], Verordnung, S. C C C L X X X I I I . U U W I, S . 6 5 4 (Nr.528): „[...] sie sollen ihre lectiones simpliciter, schlecht und einfaltig, kurz und rund fassen, das argumentum, dispositionem und die partes capitis mit wenigem anzeigen, darauf die explicationem textus, so viel die Wichtigkeit phraseos oder andere umbstend erfodern, mit verstendlichen Worten einführen und dann entlich weisen, wie ein jeder ort und sprach der heiligen schrift nach eingenommenem eigentlichen verstand entweder zu bestettigung unserer christlichen lehr oder zu Widerlegung falscher lehr oder zum trost und vermahnung oder zur Warnung für sünden und Ungerechtigkeit nützlich gebraucht werden möge." 7 9 [August von Sachsen], Verordnung, S . C C C L X X X V . 8 0 UUW I, S . 5 1 4 (Nr.438). J a k o b Andreae verwies in seiner Wittenberger Rede vom April 1 5 7 7 karikierend auf die damals umlaufende Fama von jenem Theologieprofessor - ein Wittenberger ist offenbar nicht gemeint - , der über die vier ersten Worte des Johannesevangeliums insgesamt vier Jahre lang gelesen haben soll, Oratio, Bl. D 2 b - 3 " : „[...] de inepto quodam Professore Theologo perhibetur, qui annos quatuor, Initij Euangelij Iohannis quatuor vocibus: In principio erat Verbum, impendisse dicitur." 77 78

120

Kapitel

5: Reform

des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

sagt. Man drängte auf eine zügige Behandlung des Lektürestoffes in den Vorlesungen, sichtlich motiviert von dem Bemühen, „Verdruß" zu vermeiden und den Studenten in der kurzen universitären Aufenthaltsdauer ein möglichst breites, wenn auch nicht so sehr tiefes biblisches Wissen zu sichern.81 Damit wurde also der Versuch unternommen, auf rechtlichem Weg das offenkundig um sich greifende diktierende Lesen mit ausgearbeiteten und vorgetragenem Anmerkungsapparat, das Lesen „cum apparatu", und die daraus resultierende, hochschuldidaktisch bedenkliche Retardation in den Griff zu bekommen. Nach der Neuordnung des Promotionswesens war auf eine gewisse Vorlesungsdisziplin zu achten. Die Studenten mussten die Gewähr haben, die zum Erwerb der Grade vorgeschriebenen Vorlesungen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums hören zu können. Andernfalls drohten die theologischen Graduierungen an Attraktivität zu verlieren. De facto freilich nahm der zeitliche Umfang der Wittenberger theologischen Vorlesungen aufgrund des Diktierens und der breiteren stofflichen Anlage zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu. Die Wittenberger Visitationsdekrete von 1614 und 1624, die den Theologieprofessoren einschärfen, die projektierten Vorlesungen innerhalb der Frist eines Jahres zu Ende zu bringen, sprechen eine beredte Sprache. 82 Die Professoren neigten nicht nur in exegetischen Lehrveranstaltungen zur Weitschweifigkeit. Auch in den dogmatischen Vorlesungen scheinen die Erklärungen zu den einzelnen Loci aufgrund einer sich immer weiter ausdifferenzierenden systematischen Theologie, aber auch bedingt durch die verstärkten kontroverstheologischen Herausforderungen deutlich länger und zeitaufwendiger geworden zu sein. 16 Stunden sollte der dogmatische Legent nach dem Visitationsdekret von 1614 längstens zur Behandlung eines Locus brauchen. 83 Dass wenigstens zeitweise auf eine ernsthafte Umsetzung dieser Vorschriften gedrungen wurde, zeigt ein Schreiben Leonhart Hütters an den Kurfürsten, in dem der Wittenberger Professor den Antrag stellt, für die Behandlung einer wichtigen sozinianischen Kontroverse von der 16-Stunden-Klausel befreit zu werden. 84 Ob diesem Antrag statt gegeben wurde, ist nicht mehr festzustellen.

8 1 Dem entspricht auch der schon erwähnte Hinweis, in den Wochengottesdiensten diejenigen Bibelbücher als Predigttexte zu bevorzugen, die nicht in den Vorlesungen behandelt werden. 8 2 Siehe U U W II, S . 1 9 f . ( N r . 5 7 9 ) ; Opel, S . 2 1 5 - 2 2 2 . 8 3 U U W II, S. 2 0 (Nr. 5 7 9 ) : „dieweil aber solches alles mehr hochgedachtes unsers großherrn vaters universitet-ordnung sub tit. ,Von der theologischen facultet' schnurstracks zuwieder und daselbst diesen gebrechen zur gnuge remedirt worden ist, so wollen wir unsere professores theologiae ingesambt und sonders hiermit auf solche ordnunge gewiesen und ihnen im ernst eingebunden haben, das sie über keinem capittel mehr als drei oder vier lectiones noch über einem loco communi mehr dann 16 lectiones thun, sondern jeder alle wochen ein caput biblicum und der professor controversiarum alle monat einen locum zu ende bringen sollen." 8 4 Vgl. U U W II, S . 3 1 (Nr. 5 9 3 ) .

3. Gesetzliche Rahmenbestimmungen 3.2.3

für den theologischen

Studiengang

121

Disputationen

O b w o h l man staatlicherseits an den theologischen Disputationen als Lehrform festhalten wollte, war nach allem, was für das zweite Drittel des 1 6 . Jahrhunderts erkennbar ist, ein den Bestimmungen der Fundationen und Statuten entsprechender Disputationsbetrieb in Wittenberg offensichtlich nicht in Gang gek o m m e n . Z w a r bat man die Promovenden im R a h m e n ihrer Prüfungen in die theologische Arena zum Disput, aber die ordentlichen und zirkulären Disputationen zessierten. Der neue Landesherr, Kurfürst August, war angesichts der sich gegeneinander abschließenden Konfessionen insbesondere an einer Wiederbelebung der ordentlichen Disputationen bei den Theologen interessiert. Als er 1 5 6 4 , ein J a h r nach Beendigung des Trienter Konzils, 2 7 Stipendienplätze stiftete, verfügte er, dass gerade die theologischen Stipendiaten - 2 4 Plätze waren Theologiestudenten vorbehalten - möglichst oft disputieren und insbesondere in der Begriffssprache und Begriffswelt der katholischen Theologie Unterricht erhalten sollten, um der Herausforderung durch die Jesuiten begegnen zu können. 8 5 D e r Kurfürst wünschte deshalb die Wiederaufnahme der öffentlichen Disputationen in der Theologischen Fakultät, begehrte von den Professoren, „das sie dieselben der lieben jugend zu nutz widerumb vor die hand n e h m e n " 8 6 . Dem Anliegen wurde nicht wirklich entsprochen. Die Z a h l der Disputationen stagnierte nach wie vor auf niedrigem Niveau. Die Visitation der Universität Wittenberg, die der Kurfürst 1576/77 zum Zweck einer Restitution des akademischen Lehrbetriebs nach den heftigen philippistischen Auseinandersetzungen durchführen ließ, scheint deutliche Defizite im Lektions- und Disputationsangebot der Theologischen Fakultät ergeben zu haben. 8 7 Jedenfalls sah sich die Universität zu einem umfassenderen Rechenschaftsbericht in Sachen Disputations-

85

U U W I, S . 3 4 3 (Nr. 3 2 2 ) : „ U n d weil m a n befindet, das zu diesen Zeiten vielmals c o l l o q u i a

und disputationes mit den Pebstlichen und denen so ketzereien, secten und neue o p i n i o n e s in kirchen und schulen zu stiften sich understehen, gesucht und begert w e r d e n : d o m i t n u n junge leuthe zu einem rechten m e t h o d o in disputationen und b e r i c h t e n , so sie uff begehr a n d e r e r leuthe begreifen und stellen sollen, g e w e n e t , so sollen die, so t h e o l o g i a m studiren, sich erstlich mit d i s p u t a t i o n i b u s o f t üben und d o n e b e n auch s c h o l a s t i c a m d o c t r i n a m und derselben t é r m i n o s , deren sich die Pepstischen mehrertheils g e b r a u c h e n , mit fleiß lernen, d o m i t sie den Papisten, sonderlich a b e r der neuen secte der J e s u i t e n , zu Verantwortung und defensión unserer w a h r e n christlichen religión und a b l e h n u n g derselben s o p h i s m a t u m mit der zeit begegnen k ö n n e n , darzu dan a u c h unsere universitet ihnen die b u c h e r in ihrer b i b l i o t h e c a zu solchen studio dinstlich zu lesen gestadten s o l l . " 86

E b d . , S. 3 4 4 (Nr. 3 2 2 ) . W e n n in den kurfürstlichen B e s t i m m u n g e n v o n Z i r k u l a r d i s p u t a t i o -

nen die R e d e ist, dann sind d a m i t offensichtlich nicht m e h r P r i v a t d i s p u t a t i o n e n , s o n d e r n die ordentlichen D i s p u t a t i o n e n gemeint; siehe ebd.: „ W a n auch c i r c u l a r e s oder andere p u b l i c a e disputationes p r o licentia in t h e o l o g i a , jure oder medicina gehalten w e r d e n [ . . . ] . " 87

U U W I, S . 4 0 5 (Nr. 3 7 6 ) : „ D i e circulares und o r d i n a r i a e disputationes w e r d e n v e r m ö g e

der Statuten nicht gehalten, und w i r t v o r g e w a n t , der herr Philippus und a n d e r e n a c h ihm h a b e n dieselbige zu v o r h ü t u n g e z a n k s und haders a b g e s c h a f t . "

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Kapitel 5: Reform

des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

praxis veranlasst. 8 8 Die Ausführungen zielten, insgesamt gesehen, darauf ab, eine Wiederaufnahme der ordentlichen Disputationen zu verhindern, und zwar aus mehreren Gründen: Zuerst und vor allem habe man mit diesem Institut schlechte Erfahrungen gemacht, sei doch durch derlei Veranstaltungen „viel gezengs, emulationes und factiones, und also mer böses dan guetes, daraus entstand e n " 8 9 und durch die allzu freie Möglichkeit, gegenteilige Sentenzen und Meinungen zu verteidigen, oft eher die Ketzerei als die reine Lehre argumentativ gestärkt worden - als Beispiele streitsüchtig-maliziöser Disputanten werden Veit Amerbach 9 0 und Matthias Flacius Illyricus 91 genannt, die freilich beide der Artes-Fakultät angehörten; wenn ferner auch diesen Disputationen bei einer sachorientierten D u r c h f ü h r u n g ein gewisser pädagogischer Ertrag nicht abzusprechen sei, so fehlten doch gegenwärtig Personen von Autorität, die zankende Teilnehmer zur O r d n u n g rufen könnten; zudem erforderten die Disputationen umfassende Vorbereitungen, die den Professoren der oberen Fakultäten bei ihren vielfältigen Verpflichtungen nicht zugemutet werden könnten. Schließlich verstieg man sich gar zu der historisch schwerlich zutreffenden Behauptung, „das auch entlich Lutherus sheliger selber bevohlen die disputationes zu unterlassen" 9 2 . Der Kurfürst ließ sich von derlei ,Vorwendungen' nicht beeindrucken. Er bestand in seiner detailliert regelnden Universitätsordnung von 1580 darauf, dass in der Theologischen Fakultät von den Professoren jährlich insgesamt zwölf ordentliche Disputationen gehalten werden sollten. 9 3 Die O r d n u n g betonte im Anschluss an die Überlegungen Andreaes in der Wittenberger Rede von 1577 den großen „ N u t z e n " der Disputationen gerade im Bereich der Theologie, würden doch die Studenten dadurch lernen, die ermahnend-tröstende Botschaft in Predigt, Katechese und Seelsorge strukturiert, „kurz und r u n d " zu fassen und vor allem die reine lutherische Lehre mit biblischen Gründen zu verteidigen, „darauf

88

U U W 1, S . 4 2 5 f . (Nr. 380). Der Bericht datiert v o m 24. M ä r z 1577. Ebd., S . 4 2 5 (Nr. 380). 90 Der anfänglich von M e l a n c h t h o n beeinflusste, sich d a n n aber gerade in psychologischen und theologischen Fragen (Seelenlehre, Rechtfertigungslehre) m e h r und m e h r von ihm (und Luther) distanzierende Veit T r o l m a n n , genannt A m e r b a c h ( 1 5 0 3 - 1 5 5 7 ) , w a r von 1 5 3 5 - 1 5 4 2 Professor der Physik in Wittenberg, unterrichtete daneben aber auch Poetik; vgl. GUW, S . 2 2 5 f . ; Käthe, S . 1 0 2 f . 91 M a t t h i a s Flacius Illyricus teilte sich zunächst mit Lukas Edenberger von 1 5 4 3 an den hebräischen Lehrstuhl der Philosophischen Fakultät, bis er nach dem Ausscheiden des partizipierenden Kollegen 1546 den Lehrstuhl ganz ü b e r n a h m . Er verließ 1549 Wittenberg - mit entscheidenden Prägungen, aber auch mit kritisch-divergierenden Ansichten über die Theologie seines einstigen Förderers M e l a n c h t h o n ; vgl. Friedensburg, Die Anstellung des Flacius Illyricus an der Universität Wittenberg; GUW, S . 2 2 1 f.; Käthe, S. 112f. Z u Flacius vgl. jetzt umfassend Olson. 92 U U W I, S . 4 2 5 (Nr.380). 93 Vgl. [August von Sachsen], Verordnung, S . C C C L X X X V . 89

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

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die Jugend sonderlich durch die Disputationes abgerichtet werden m u ß " 9 4 . Die Disputationen seien eine ideale Schulung im Blick auf die homiletischen, seelsorglich-paränetischen und vor allem apologetischen Aufgaben des künftigen Kirchendienstes. Dem Kurfürsten war überhaupt daran gelegen, dass die Disputationen vornehmlich als Übungsforum der Studenten (und nicht als Diskussionsforum der Professoren) verstanden und durchgeführt werden. In besagten ordentlichen Disputationen sollten - unter dem Vorsitz des Professors - nur Studenten opponieren und respondieren, wobei freilich zur Verteidigung bereits erfahrenere Semester, vor allem aber auch Stipendiaten herangezogen werden sollten. 9 5 Im Sinne des landesherrlichen Interesses an der „disputado" als einer auf den Prämissen lutherischer Lehre basierenden, disziplinierenden ,Argumentationsschule', die im Grunde nur der Demonstration einer bereits feststehenden Wahrheit dienen werden sollte, wurde der „modus disputandi" genau festgelegt. 9 6 Die Bibel hatte die alleinige Norm zu sein. Jedem Bemühen, die Kirchenväter, das heißt die theologische Tradition, als Autorität heranzuziehen, wurde eine Absage erteilt. Alle Konfliktrisiken, die man durch die Einbeziehung philosophischer oder patristisch-theologischer Fragen heraufziehen sah, sollten im voraus gebannt sein. So sehr damit auch Gedanken aufgenommen worden waren, die Andreae in seiner Instaurationsrede von 1 5 7 7 formuliert hatte, so wenig lässt sich übersehen, dass in der kurfürstlichen Verordnung die Disputation doch ungleich stärker als Mittel zur Indoktrination aufgefasst wurde. 9 7 Dass mit dem Institut der „disputado" weniger denn je Vorstellungen von freier Meinungsäußerung verbunden wurden, zeigen die schon früh in den Wittenberger Fakultätsgesetzen begegnenden Zensurbestimmungen. 9 8 Die zu disputie9 4 [August von Sachsen], Verordnung, S. C C C L X X X V : „Nach dem eine zeit lang die ordinariae Disputationes, in dieser/ wie auch andern Faculteten/ nicht ohne geringen schaden vnd nachteil der studierenden Jugendt vnterlassen/ vnd aber besonders viel daran gelegen/ das ein Kirchendiener nicht alleine auff der Cantzel mit guter Ordnung vnd nützlich leren/ sondern auch die krancken/ angefochtene/ oder sonst irrende leute/ kurtz vnd rund des grunds der Göttlichen warheit/ in fürfallenden gewissens sachen/ berichten/ deßgleichen da es die noth erfordert/ auff angestalten Colloquien/ die warheit reiner Göttlicher lehre/ vnser Kirchen jeder zeits gegen allermenniglichen bestendiglich mit Gottes wort vertheidigen können/ darauff die jugendt sonderlich durch die disputationes abgerichtet werden müssen/ Ist vnser ernstlicher wille vnd meinung/ das vermöge vnd nach ausweisung derer Statuten/ dieselbige wiederumb angerichtet/ vnd vnnachleßlich gehalten werden sollen." 9 5 Vgl. [August von Sachsen], Verordnung, S . C C C L X X X V I . Dem entspricht auch die Bestimmung, dass Studenten und Dozenten anderer Fakultäten ihre eventuellen Einwände gegen die disputierten Thesen nicht selber, sondern durch Theologiestudenten vortragen lassen sollten. Vgl. ebd., S. C C C L X X X V I I . 9 6 Die Teilnehmer sollen sich kurz fassen, sollen pro Person nicht mehr als drei oder vier streng syllogistisch strukturierte Argumente vortragen; sie sollen ausschließlich über die „realia" des Glaubens disputieren, nicht über philosophische Probleme; schließlich sollen sie ihre Beweisgründe alleine aus der Bibel und aus Texten von Kirchenvätern, die mit dieser übereinstimmen, entnehmen; siehe ebd., S. C C C L X X X V I I f . 97 98

Vgl. dazu die komparatistischen Überlegungen bei Appold, Orthodoxie, S . 3 4 f . Zur kursächsischen Zensurpraxis im 16. Jahrhundert vgl. vor allem die Forschungen von

124

Kapitel 5: Reform

des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

renden Thesen unterlagen strenger Kontrolle. Bereits in seinen Fakultätsstatuten von 1533 hatte Melanchthon verfügt, dass jede Thesenreihe, bevor sie offiziell am schwarzen Brett der Universität bekannt gemacht wurde, vorher vom zuständigen Dekan auf Übereinstimmung mit der reformatorischen Lehre geprüft werden sollte. Im Zweifelsfall hatte der Dekan die Kollegen des beantragenden Präses zu konsultieren. Legten diese ein Veto ein, war die Disputation zu verschieben und die Thesenreihe erneut im Kollegium zu p r ü f e n . " Die Thesen waren also von der Fakultät unbedingt zu genehmigen. Gleichwohl dachte sich Melanchthon ausgehend von den solchermaßen zensierten Propositionsreihen dann die Disputation durchaus als ein Forum, in dem die behaupteten Sätze in ihrer Wahrheit vertieft werden und insofern auch neue Einsichten gewonnen werden konnten. Dagegen bekam die Disputation in der Universitätsordnung von 1580 eine andere Ausrichtung. Die Zensurbestimmungen Melanchthons wurden im Wesentlichen wiederholt - nicht ohne freilich das Kontroll-Prozedere detailliert zu regeln. 1 0 0 Vor allem aber wurde den Professoren eingeschärft, die Jugend auf keinen Fall durch die Disputationen in einer häresiedisponierenden Unklarheit über das behandelte Thema zu belassen oder gar in eine solche zu führen. Die Thesenreihen sollten so ausgearbeitet werden, dass klar erkennbar war, welche Sätze als schriftgemäß behauptet und welche als häretisch verworfen wurden. Die Disputationen sollten nach dem Willen des Kurfürsten weniger denn je eine Schule des methodischen Zweifels sein, sondern im Gegenteil die Wahrheit der reinen lutherischen Lehre zweifelsfrei erweisen. 1 0 1 Es ging nicht d a r u m , die Studenten zu einem ergebnisoffenen Problemlösungsverhalten anzuleiten, sondern sie zu einer Hasse: Zensur theologischer Bücher in Kursachsen im konfessionellen Zeitalter; Bücherzensur an der Universität Wittenberg im 16. Jahrhundert. 99 U U W I , S. 155 (Nr. 171): „ipsae vero materiae priusquam publice proponatur, ostendantur decano totius collegii, qui, si quid improbabit, jubeat corrigi. si quis autem vel non ostendit vel jussus non corriget, rector et decanus jubeant differri disputationem in aliud tempus et propositiones prius in toto collegio examinentur." Vgl. die entsprechenden Bestimmungen in den „Leges academiae" (UUW I, S . 2 5 7 [Nr.271]) und in den Fakultätsstatuten von 1545 (UUW I, S.263 [Nr.272]). 100 Dekan und Fakultätskollegen sollten die Thesen wenigstens 14 Tage vorher zur Prüfung schriftlich vorgelegt bekommen und sich eines kritischen Urteils nicht enthalten. Z u r Überwindung von Konfliktfällen, die sich aufgrund von Korrekturvorschlägen unter den Theologieprofessoren ergeben konnten, war der Kanzler heranzuziehen. Den Studenten waren die Thesen, über die am Freitag disputiert werden sollte, zwecks ausreichender Vorbereitung schon am vorhergehenden Sonntag durch öffentlichen Anschlag bekannt zu machen. Vgl. [August von Sachsen], Verordnung, S.CCCLXXXVI. 101 [August von Sachsen], Verordnung, S. CCCLXXXVI: „ES sollen aber die Theologischen Professorn in ihren Positionibus nichts in zweiffei stellen/ sondern in denselben ausdrücklichen die assertion der Göttlichen warheit/ vnd verwerffung der irrigen falschen lehre/ setzen/ darmit die studierende Jugendt nicht in zweiffei gelassen/ sondern gleich aus den Positionibus oder artickeln der Disputation sehen mögen/ was Gottes wort gemeß gehalten/ oder demselben zuwieder verworffen werde." Vgl. auch ebd., S.CCCLXXXVII. Appold, Orthodoxie, S.28: „[...] die Disputation soll laut Universitätsordnung nicht primär der Wahrheitsfindung, sondern der Wahrheitspräsentation dienen."

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

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möglichst schlagenden biblischen Determinierung theologischer Fragen - wie m a n unzweideutig genug formulierte - „abzurichten". Die Disputation war kein Instrument zur Herstellung eines Lehrkonsenses. Sie setzte diesen vielmehr voraus. N a c h der Universitätsordnung von 1580 waren Anwendung und Reproduktion einer bereits feststehenden Wahrheit das vorrangige Ziel dieser akademischen Veranstaltungsform: Die Studenten sollten in der geistigen H a n d h a bung der reinen Lehre eingeübt werden. Eine disputative Verteidigung verurteilter Sätze zu Übungszwecken hatte freilich schon Melanchthon verboten. 1 0 2 Wie sehr dem Kurfürsten an einer Wiederaufnahme der ordentlichen Disputationen gelegen war, zeigt die Bestimmung, dass im Fall eines Dissenses unter den Professoren im Blick auf eine eingereichte Thesenreihe die fällige Disputation nicht einfach verschoben, sondern ersatzweise mit einer anderen Materie durchgeführt werden sollte, damit „an der anzal der Ordinarien Disputation den studiosis nichts abgehe noch versaumbt werde" 1 0 3 . M i t der Universitätsordnung von 1580 hatte Kurfürst August ein offenbar hinreichend detailliertes Gesetzeswerk geschaffen, zu dem seine Nachfolger allenfalls bestätigende beziehungsweise korrigierende Bestimmungen f ü r notwendig erachteten. Das gilt gerade auch im Blick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Disputationswesen an der Theologischen Fakultät Wittenberg. Revisionen erforderte insbesondere das M a ß der verpflichtend vorgeschriebenen Disputationen. Die von Kurfürst August verfügte Zahl von jährlich zwölf ordentlichen Disputationen erwies sich als unrealistisch und wurde schon von seinem Sohn und Nachfolger Christian I. - nach desillusionierenden Visitationsberichten - in dessen Universitätsordnung von 1588 auf vier reduziert. 1 0 4 Die gesetzlichen Bestimmungen zum Disputationswesen der Theologischen Fakultät 102

Vgl. U U W I , S.156 (Nr. 171); S.263 (Nr.272). [August von Sachsen], Verordnung, S.CCCLXXXVI. 104 Appold, Orthodoxie, S. 36, geht zwar aufgrund der Disputationsdrucke nicht unbegründet davon aus, dass in den Jahren von 1 5 8 4 - 1 5 8 6 das vorgeschriebene Disputationsquantum von den Professoren auch tatsächlich erreicht wurde. Doch zeigen schon die Akten der Universitätsvisitation, die Kurfürst Christian I. im Mai 1587, im ersten Jahr nach seinem Regierungsantritt, durchführen ließ, ein anderes Bild. Johannes Matthäus gab zu Protokoll: „Disputationes theologicae werden gehalten, aber nicht nach der ordenung, nehmlichen jharlichen 12. itzo werden etwan des jhars vier disputationes gehalten." (UUW I, S.520 [Nr.438J) Laut Auskunft Polycarp Leysers d.Ä. war allerdings im laufenden Jahr erst einmal disputiert worden. Vgl. UUW I, S. 518 (Nr. 438). Sein Kollege Georg Mylius benannte kurz und k n a p p vier Gründe für die desolate Disputationssituation an der Theologischen Fakultät, die dann auch von den kurfürstlichen Visitatoren in den abschließenden Bericht aufgenommen wurden: „die 4. stell mangelt; 2. m a n wolle es hie cum apparatu haben, weis nicht wie man es ausm ermel schütten könne; 3. m a n hette keinen respondenten; 4. der disputirn solte, vorliesse gemeiniglich dieselbe woche seine lectiones." (Ebd., S.514 [Nr.438]) Vgl. sodann den Bericht der Universitätsvisitatoren vom 29. Mai 1587, UUW I, S. 534 (Nr. 439). Anders als sein Vater ging Christian I. auf die Überlegungen der Wittenberger Theologieprofessoren positiv ein und setzte in der wiederum für die beiden Landesuniversitäten gültigen O r d n u n g von 1588 die Zahl der ordentlichen Disputationen in allen drei oberen Fakultäten auf vier pro Jahr fest; vgl. UUW I, S. 559 (Nr.440). 103

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Kapitel

5: Reform

des theologischen

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(1580-1606)

wurden grundsätzlich übernommen. 1 0 5 Dass der Kurfürst wegen seines geänderten konfessionspolitischen Kurses auf eine häufigere und regelmäßigere Durchführung der Disputationen gedrungen habe, um die Begegnung mit neuen theologischen Auffassungen im Sinne der calvinistischen Reformer zu begünstigen, lässt sich aus dieser Ordnung zumindest für die Theologische Fakultät nicht erweisen. Eher scheint er darauf bedacht gewesen zu sein, den Professoren durch Zugeständnisse die Zustimmung zum konfessionspolitischen Kurswechsel innerlich zu erleichtern. Erst das Visitationsdekret Kurfürst Johann Georgs I. ( 1 5 8 6 - 1 6 5 6 ; 1 6 1 1 ) von 1 6 1 4 setzte die Zahl der ordentlichen Disputationen wieder auf acht herauf, indem es - nicht ohne Verweis auf die Ordnung von 1 5 8 0 - bestimmte, dass jeder der vier Theologieprofessoren wenigstens zwei Disputationen im Jahr halten oder durch eine entsprechend habilitierte Person in seinem Namen durchführen lassen solle. 1 0 6 Aber zu dieser Zeit musste mit Protesten gegen eine Erhöhung des Disputationsquantum bei den Theologieprofessoren nicht mehr gerechnet werden. Im Gegenteil. Die Disputation war in den Augen der Professoren seit 1 5 9 0 mehr und mehr zu einer angesehenen, reputationssteigernden Lehrform geworden, die von den Professoren geradezu gesucht wurde. Das zeigt die enorme, geradezu Quantensprunghafte' Zunahme der Disputationsdrucke in den Jahren nach 1 5 9 0 . Sie hängt vor allem damit zusammen, dass die Theologieprofessoren nun vermehrt ganze Serien von Thesenreihen zu bestimmten biblischen Büchern oder lutherischen Bekenntnisschriften ausarbeiteten. 1 0 7 Die Promotionsdisputationen machten jetzt nur noch einen verschwindend kleinen Teil der Drucke aus, das Gros lag privaten oder zirkulären Disputationen zugrunde. Die auffällige Steigerung des Disputationsquantums hängt vor allem damit zusammen, dass die lutherisch-or1 0 5 Die aristotelische beziehungsweise melanchthonische Dialektik bildete traditionellerweise die Methode der „Problemlösung" in den Disputationen nicht nur der Theologen, sondern auch der Philosophen; vgl. Appold, Orthodoxie, S. 7 2 - 7 7 . Allerdings wurde der Ramismus, den Christian I. in der Instruktion zur Einführung der neuen Universitätsordnung noch strikt aus Wittenberg gebannt wissen wollte (siehe U U W I, S. 5 5 3 [Nr. 4481), ¡ n der Ordnung selbst nun doch als Argumentationsmittel in den philosophischen Disputationen erlaubt; siehe ebd., S. 5 6 5 (Nr. 4 4 9 ) . Klein sieht darin eine „verborgene Zulassung des Ramismus" an der Philosophischen Fakultät; vgl. ders., S . 7 9 f . Dazu auch Käthe, S . 2 0 3 . 1 0 6 Siehe U U W II, S. 17 (Nr. 5 7 9 ) . 1 0 7 So ließ etwa Ägidius Hunnius von 1 5 9 3 bis 1 5 9 5 in einem Privatkolleg 17 Thesenreihen zur „Confessio Augustana" oder Friedrich Balduin ( 1 5 7 5 - 1 6 2 8 ) im Jahr 1 6 0 6 nicht weniger als 2 2 Thesenreihen zu den „Schmalkaldischen Artikeln" disputieren. Weitere Beispiele sind die Disputationszyklen Salomo Gesners zu Gen 1 - 4 9 (38 Disputationen) und zum Danielbuch (12 Disputationen) oder David Runges zum ersten und zweiten Korintherbrief (17 beziehungsweise 15 Disputationen). Balthasar Meisner scheint wesentliche Teile seines theologischen „Systems" erst einmal in umfassenderen Disputationszyklen auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft zu haben. So hielt Meisner von 1 6 1 2 - 1 6 1 9 eine Serie von 3 0 Disputationen zur Anthropologie und Sündenlehre, 1 6 2 0 eine Serie von 2 0 Disputationen zur Sakramentstheologie, 1 6 2 3 / 2 4 eine Serie von 5 0 Disputationen zur Christologie und 1 6 2 6 eine Serie von 4 0 Disputationen zu fundamentaltheologischen Fragen. Vgl. die Nachweise im V D 16 und 17.

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

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thodoxen Theologen - entgegen den stark restriktiven, letztlich an der Indoktrination interessierten Disputationsbestimmungen der Ordnung von 1 5 8 0 und 1 5 8 8 - die Disputation als ein Mittel zur Konsensbildung verstanden, mit dem sich die im Konkordienbuch festgehaltene Wahrheit in den innerlutherischen, aber vor allem auch konfessionellen Kontroversen weiter entfalten und spezifizieren ließ. Die Disputationen waren jedenfalls seit 1588 zu einem integralen Bestandteil des theologischen Lehrangebots an der Leucorea geworden. 1 0 8 3.2.4

Promotionen

Die Promotionsbestimmungen, die Melanchthon in seinen beiden Fassungen der Fakultätsstatuten formuliert hatte, blieben relativ lange in Geltung. Weder die Fundationsurkunde von 1 5 3 6 noch die programmatische Reformrede J a k o b Andreaes von 1 5 7 7 sahen im Blick auf das theologische Promotionswesen in Wittenberg weiteren Regelungsbedarf. Scheinbar hatten sich die relativ offen gehaltenen Bestimmungen Melanchthons in der Praxis durchaus bewährt. In den Jahren von 1533 bis 1 5 6 0 wurden insgesamt 39 Kandidaten zu Lizentiaten und 38 Kandidaten zu Doktoren promoviert. Nahezu jedes Jahr fanden ein bis vier Lizentiaten- und Doktorpromotionen statt. 1 0 9 Die Promovierten besetzten später meist geistliche Leitungsämter in den sich konstituierenden in- und ausländischen evangelischen Landeskirchen. Auffallend ist dann aber eine größere ,Lücke' in der zeitlichen Verteilung der Promotionen: Von 1 5 6 0 bis 1 5 8 4 fanden keine Doktor- und lediglich drei Lizentiatenpromotionen statt - bis auf das eine Ausnahmejahr 1 5 7 0 , in dem der damalige Dekan Georg Major überdurchschnittlich viele Promotionen, nämlich insgesamt 11 Lizentiaten und 12 Doktorpromotionen, durchführte. Ab 1 5 8 4 näherten sich die Zahlen dann wieder dem Häufigkeitsmuster der Jahre bis 1 5 6 0 an. Wie lässt sich das extreme Verteilungsprofil in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erklären? Die Immatrikulationszahlen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lagen weit höher als zu Beginn der zwanziger Jahre, so dass nicht einzusehen ist, weshalb ab 1 5 6 0 weniger geeignete Kandidaten zur Verfügung gestanden haben sollten als die Jahre unmittelbar davor. 1 1 0 Eher ist hier 1 0 8 Was das Spektrum der in den Disputationen behandelten Themen betrifft, so ist angesichts der markanten geistigen und religiösen Umbrüche in der Fakultätsgeschichte von vornherein kaum mit einer Konstanz zu rechnen, wie sie für andere theologische Fakultäten dieses Zeitraums charakteristisch gewesen zu sein scheint. Kenneth Appold bereitet einen Katalog aller gedruckten theologischen Disputationen der Wittenberger Universität vor, der demnächst erscheinen soll. Durch eine quantitative Betrachtung dieses Materials dürfte das bereits aus den Visitationsprotokollen den Umrissen nach sichtbar gewordene Bild des Wittenberger Disputationsangebots noch weiter zu konturieren sein. 1 0 9 Ausnahmen sind die Jahre 1 5 3 4 , 1 5 3 9 , 1 5 4 1 , 1 5 4 7 , 1 5 4 9 , 1 5 5 1 f., 1 5 5 5 und 1 5 5 7 f . ; siehe den „Catalogus promotorum" bei Suevus, Bl. Ccc3 a -Fff2 i l , und den Liber Decanorum, S. 8 4 86. 1 1 0 Vgl. Eulenburg, S . 2 8 8 f . ; Gößner, Studenten, S. 2 3 - 2 8 . Nach der Matrikel betrugen die

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Kapitel 5: Reform des theologischen Studiengangs

(1580-1606)

schon der Tod M e l a n c h t h o n s als mentale Zäsur in Anschlag zu bringen. Der „Praeceptor G e r m a n i a e " hatte von 1 5 4 6 an sämtliche Lizentiatspromotionen in der Theologischen Fakultät als Präses geleitet und die Thesenreihen ausgearbeitet. Die Durchführung der Lizentiatspromotionen war so eng mit seiner Person verknüpft, dass unter den Schüler-Kollegen möglicherweise zunächst H e m m u n gen bestanden, diese Rolle des verehrten Lehrers zu übernehmen - zumal M e lanchthon selbst ja, wie gesehen, mit der Verantwortung des Doktortitels implizit auch die Verantwortung des Promotors, der über die Wiedergabe- und Urteilsfähigkeit der Promovenden im Blick auf die kirchliche Lehre zu befinden hatte, nachdrücklich betont h a t t e . 1 1 1 Nicht zuletzt könnten aber auch die relativ hohen Promotionsgebühren des „actus doctoralis" manchen Kandidaten davon abgehalten haben, das theologische Studium mit einer Graduierung abzuschließen.112 Eine personelle Umbruchsituation unter dem theologischen Lehrpersonal im J a h r 1 5 7 0 scheint dann mit ein Auslöser für die beiden großen Promotionsakte gewesen zu sein, die Georg M a j o r als D e k a n im M a i desselben Jahres durchführte. Am 1 8 . M ä r z 1 5 7 0 waren insgesamt fünf neue Dozenten in das theologische Kollegium offiziell aufgenommen w o r d e n , 1 1 3 die zusammen mit dem Magister Einschreibungen nach Jahrfünften von 1 5 1 6 bis 1 6 6 0 : 1 7 1 4 ( 1 5 1 6 - 1 5 2 0 ) , 1 0 6 9 ( 1 5 2 1 - 1 5 2 5 ) , 716 (1526-1530), 1061 (1531-1535), 1674 (1536-1540), 2928 (1541-1545), 2135 ( 1 5 4 6 1550), 2 8 9 1 (1551-1555), 3200 ( 1 5 5 6 - 1 5 6 0 ) , 3213 (1561-1565), 3351 (1566-1570), 2883 (1571-1575), 2448 (1576-1580), 2368 (1581-1585), 2670 (1586-1590), 2706 (1591-1595), 2508 (1596-1600), 2911 (1601-1605), 3202 (1606-1610), 3299 (1611-1615), 2796 (16161620), 2231 (1621-1625), 2 1 0 2 (1626-1630), 1665 (1631-1635), 681 (1636-1640), 1114 ( 1 6 4 1 - 1 6 4 5 ) , 1 9 9 0 ( 1 6 4 6 - 1 6 5 0 ) , 2 4 9 9 ( 1 6 5 1 - 1 6 5 5 ) , 2 3 0 0 ( 1 6 5 6 - 1 6 6 0 ) ; vgl. Junghans, M a r tin Luther und Wittenberg, S . 2 1 2 f . 1 1 1 Vgl. oben Kapitel 3 . 3 . 3 . 1 1 2 Nach einer von Luther selbst in das Dekanatsbuch eingetragenen Übersicht beliefen sich die Gebühren für die Promotion zum „baccalaureus biblicus" und zum „sententiarius" jeweils auf vier Gulden, die für die Promotion zum „licentiatus" auf acht, die zum „doctor theologiae" noch einmal auf zehn Gulden. Bei der Promotion zum „ f o r m a t u s " war lediglich ein Gulden an den Universitätsfiskus abzuführen; siehe Liber Decanorum, S. 1 6 0 . Die herkömmlichen Promotionsgebühren sollten nach den Fakultätsstatuten von 1 5 3 3 und 1 5 4 5 beibehalten werden; siehe U U W I, S. 1 5 7 (Nr. 1 7 1 ) ; S . 2 6 4 ( N r . 2 7 2 ) . Zu den bei der Promotion .üblichen', meist sehr kostspieligen Festessen vgl. T h o l u c k , Vorgeschichte, Bd. 1/1, S . 2 9 7 f . 1 1 3 Vgl. Liber D e c a n o r u m , S. 5 3 . Aufgenommen wurden damals Christoph Pezel, der nach dem Wechsel Paul Krells ins Meißener Konsistorium die dritte Professur und die erste Schlosspredigerstelle übernahm, Friedrich W i d e b r a m , der dem 1 5 6 9 verstorbenen Stadtpfarrer und Inhaber der vierten theologischen Professur Paul Eber im Amt nachfolgte, ferner die Privatdozenten Johannes Bugenhagen d.J. und Heinrich Moller, die schon seit längerer Zeit das theologische Lehrangebot mit exegetischen und philologischen Vorlesungen ergänzt hatten und nun fest angestellt wurden. Hinzu kam schließlich noch Caspar Cruciger d.J., der bereits 1 5 6 1 zum Lizentiaten der Theologie promoviert worden war und von M e l a n c h t h o n die theologischen Vorlesungen übernommen hatte. O b w o h l Kurfürst August die Promotion zum D o k t o r der Theologie wünschte, bat sich Cruciger damals aus, den „actus doctoralis" noch so lange aufzuschieben, bis die Promotionen weiterer Doktoranden anstünden, mit denen er sich die offensichtlich hohen Kosten teilen konnte. Alle vier genannten Dozenten waren Magister der Philosophie, hatten

3. Gesetzliche

Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

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Nikolaus Seinecker ( 1 5 3 0 - 1 5 9 2 ) am 1 1 . M a i 1 5 7 0 in der Schlosskirche feierlich zu D o k t o r e n der Theologie promoviert wurden, nachdem a m 5. M a i die entsprechenden Lizentiatenpromotionen stattgefunden hatten. Am 2 6 . M a i wurden ferner sechs weitere Kandidaten, dieses M a l Wittenberger studentische N a c h wuchskräfte, zu Lizentiaten und drei Tage später zu D o k t o r e n der Theologie p r o m o v i e r t . 1 1 4 D a n n sollten die D o k t o r p r o m o t i o n e n bis 1 5 8 4 wiederum stagnieren. Inzwischen waren in der Universitätsordnung Kurfürst Augusts von 1 5 8 0 nun erstmals die Eingangsvoraussetzungen und Prüfungsleistungen der Graduierungen in der evangelischen Theologie, aber auch in den anderen universitären Lehrfächern genauer geregelt worden. Dahinter steht ein ausgeprägtes Interesse des Landesherrn, die akademischen Grade als Qualifikationsindikatoren im Blick auf die staatliche Verwendbarkeit der Promovierten zu profilieren. Schon der erste Satz der Promotionsbestimmungen für die drei oberen Fakultäten weist in diese Richtung: „DJeweil publicae promotiones bey den hohen Schulen anders nichts/ dann öffentliche Testimonia vnd Zeugnissen sein/ darbey die frommen/ fleissigen studiosi, von den andern vnterschieden/ auch die Herrschaft jeder zeit wissen mögen/ wie ein jeder seiner geschickligkeit halben/ in der Regierung/ Kirchen oder Schulen/ nützlich zugebrauchen/ derwegen dieselbige auch billich pure gratis, nach eines jeden Gottes furcht/ zucht/ fleis vnd geschickligkeit/ gegeben/ vnd sonst nichts angesehen werden s o l . " 1 1 5 Die beabsichtigte Indikationsfunktion sieht die Ordnung vor allem dadurch gefährdet, dass auf der einen Seite faktisch zu viele ungeeignete Kandidaten promoviert und auf der anderen Seite viele geeignete Kandidaten aufgrund der hohen Kosten von einer Promotion abgeschreckt werden. Um dieser Gefahr zu begegnen, wird den Universitäten gegenüber nachdrücklich die M a h n u n g ausgesprochen, die Unkosten für die Graduierungen so anzusetzen, „das auch arme Gesellen nicht vber die gebür beschwer e t " 1 1 6 werden. Bestimmte Taxen werden nicht vorgeschrieben. Die Universitäten behalten ihre finanziellen Entscheidungsspielräume, sollen aber bei der Festlegung der Gebühren Augenmaß bewahren. Den Missstand der teilweise leichtfertigen Vergabe der akademischen Titel versucht die Ordnung durch ein Verbot der „promotio per saltum" in den Griff zu bekommen; die Zwischengrade, so sie in den oberen Disziplinen noch vergeben werden, sind sukzessive zu erwerben. Ferner sollen befähigte Kandidaten nicht dadurch von einer P r o m o t i o n abgehalten werden, dass sie die vorgeschriebenen Studienzeiten nicht in Leipzig oder Wittenberg, sondern an einer anderen „ausländischen" Universität absolviert haben. D e r „Quereinstieg" an einer der beiden sächsischen Universitäten sollte aber noch keinen theologischen Grad erworben; vgl. Liber Decanorum, S . 5 1 f . ; GUW, 2 6 1 266. 1 , 4 Vgl. Liber Decanorum, S . 5 4 . 1 1 5 [August von Sachsen], Verordnung, S . C C C X C . 1 1 6 [August von Sachsen], Verordnung, S . C C C X C I .

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Kapitel 5: Reform des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

also grundsätzlich möglich sein. Vor allem aber wird dem Kanzler, dessen Kompetenzen insgesamt nach dem Vorbild der Tübinger Universität verstärkt werden, die Qualitätssicherung' zur Aufgabe gemacht. Der Kanzler sollte die laufenden Promotionsverfahren in allen drei oberen Fakultäten daraufhin überprüfen, ob sie „mit gebürendem ernst vnd fleis gehalten/ auff das nicht vngelarte/ vngeschickte/ vntüchtige/ ergerliche personen promouirt/ sondern da sie der gestalt befunden/ a petitione h o n o r u m abgehalten w e r d e n " 1 1 7 . Entsprechend dem landesherrlichen Interesse, die Grade als Qualifikationsindikatoren zu profilieren, konzentrieren sich die Promotionsbestimmungen in der Theologie ganz auf die Anforderungen und die Prüfungsleistungen. Über die aus den Graden erwachsenden Lehrverpflichtungen verlieren sie kein Wort. So soll der Titel des „baccalaureus" 1 1 8 bescheinigen, dass der Kandidat gründliche Kenntnisse von den biblischen Büchern und den Hauptartikeln der kirchlichen Lehre hat und vor allem in der Lage ist, diese Lehre mit biblischen Argumenten zu verteidigen. Auf die apologetische Kompetenz wird bei allen Graden besonderer Wert gelegt. Das bibelkundliche und dogmatische Grundwissen sowie die apologetischen Argumentationsfähigkeiten sind durch die Theologieprofessoren in einer öffentlichen Disputation und einem privaten Examen abzuprüfen. Im Rahmen dieses Examens sind auch Anweisungen zum weiteren theologischen Studienweg zu geben, wobei die Dozenten insbesondere auf herausragende Talente achten, sie ermuntern, ihnen eventuell auch spezielle Förderung vermitteln sollen. 1 1 9 Ähnlich, wenn auch nicht ganz so deutlich wie in den detailliert geregelten Stipendiatenordnungen des Kurfürsten, signalisiert auch hier das Drängen auf Früherkennung und -förderung begabter Theologiestudenten ein offenkundiges staatliches Interesse am A u f b a u einer landeseigenen geistlichen Funktionselite. 120 Die Anforderungen, die von der Universitätsordnung von 1580 an die künftigen Lizentiaten der Theologie gestellt werden, sind im Wesentlichen dieselben wie bei den theologischen Bakkalaurei. Der Grad eines theologischen Lizentiaten soll nur an Bewerber verliehen werden, die über ein gründliches bibelkundliches Wissen sowie Kenntnisse „in allen artickeln vnser Christlichen Religion" 117

[August von Sachsen], Verordnung, S.CCCXCI. Die Bestimmungen zur Bakkalaureatspromotion dienten faktisch nur der Regelung der Leipziger Promotionspraxis, denn an der Theologischen Fakultät der Leucorea war der Grad eines Bakkalaureus seit 1522 nicht mehr vergeben worden; vgl. oben Kapitel 3.3.3. Melanchthon hatte zwar in seinen Fakultätsstatuten von 1533 dafür plädiert, die angestammten scholastischen Grade grundsätzlich beizubehalten. Aber die Bakkalaureatsgrade ließen sich auch in der modifizierten Fassung an der Theologischen Fakultät nicht mehr restituieren. O f f e n b a r wurden sie weder von den Professoren empfohlen noch auch von den Studierenden begehrt. Wer in Wittenberg sein Theologiestudium mit einer Graduierung abschließen wollte, hatte also auf die Lizentiaten-, daran anschließend eventuell auch noch auf die Doktorpromotion zuzugehen. 119 Siehe [August von Sachsen], Verordnung, S.CCCXCI. 120 Vgl. dazu jetzt Gößner, Studenten. 118

3. Gesetzliche Rahmenbestimmungen

für den theologischen

Studiengang

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verfügen. Die Promovenden sollen „deß grundts der vnwandelbaren Göttlichen warheit berichtet sein/ das sie solche mit lautern eigentlichen Zeugnissen der heiligen Schrifft erweisen/ alle falsche vnd vnreine lehre mit grundt derselben wiedersprechen/ vnd der Jugendt/ auch der gemeine Gottes nützlich vortragen könn e n " 1 2 1 . Abgesehen von der nun ausdrücklich erwähnten didaktischen Befähigung, wird hier insbesondere die apologetische Argumentationsfähigkeit betont. Die leitende Vorstellung dabei ist offenbar der T h e o l o g e , der im kontroverstheologischen Disput, vor allem mit katholischen und reformierten Theologen, die lutherische Lehre mit schlagkräftigen Bibelstellen („dicta p r o b a n t i a " ) untermauern kann - eine Befähigung, die angesichts der exegetischen Diffizilität, mit der dieser Disput um 1 5 8 0 geführt wurde, nicht nur beachtliches Bibelwissen, sondern auch hohes textinterpretatorisches Können voraussetzt. Im Unterschied zum spätmittelalterlich-scholastischen Verständnis der theologischen Graduierungen wird in der Ordnung der Grad eines Lizentiaten und D o k t o r s der Theologie nicht mehr nur vom K o n t e x t der akademischen Selbstrekrutierung her verstanden, als Nachweis, dass der Kandidat in der Lage ist, die Grundtexte der Disziplin in Vorlesungen zu behandeln und über theologische Probleme „lege artis" zu disputieren. Der Lizentiatengrad soll vielmehr gerade auch ein Nachweis über Kompetenzen im außeruniversitären Berufsfeld der Kirche sein, der dem Landesherrn Anhaltspunkte für die Verwendung der Promovenden im kirchlichen Dienst bietet. Wie sehr schließlich der Staat daran interessiert war, gerade innerhalb der akademisch graduierten geistlichen Führungsgruppe jedes theologisches Konfliktpotential auszuschalten und eine monokonfessionelle Bekenntnisnorm durchzusetzen, wird abschließend besonders gut an der Eidesformel sichtbar, die für alle an den beiden Landesuniversitäten promovierten Theologen verbindlich gemacht wird. Verglichen mit dem Wittenberger Doktoreid in der 1 5 4 5 festgesetzten F a s s u n g , 1 2 2 verpflichtet die Formel von 1 5 8 0 die Kandidaten über die altkirchlichen Symbola und die „Confessio Augustana invariata" hinaus auf diejenigen Texte, die den Lehrkonsens im Sinne des von Kurfürst August erstrebten Konkordienluthertums dokumentieren („Apologia Confessionis", „Schmalkaldische A r t i k e l " , „ G r o ß e r " und „Kleiner K a t e c h i s m u s " , die Torgauer Deklaration von 1 5 7 6 und die „Formula C o n c o r d i a e " von 15 8 0 ) . 1 2 3 D a m i t sollte dem [August von Sachsen], Verordnung, S. C C C X C I I . Vgl. Liber Decanorum, S. 1 5 8 . 1 2 3 Der Promotionseid lautet in seinem die konfessionelle Ausrichtung betreffenden ersten Abschnitt, [August von Sachsen], Verordnung, S . C C C C X V I I I : „Eyd der Theologen/ wann sie promoviren sollen. ICh gelobe G o t t dem allmechtigen/ Vater vnsers H E R R N Jhesu Christi/ dem Schöpffer des menschlichen geschlechts/ vnd seiner Kirchen/ mit seinem Sohn/ vnserm H E R R E N Jhesu Christo/ vnd dem heiligen Geist/ das ich der Kirchen mit Gottes hülffe/ in der lehr des heiligen Euangelii/ ohne einige corruptelen/ threwlich dienen/ vnd die Symbola/ das Apostolische/ Nicenisch vnd Athanasij, bestendiglich verfechten/ auch bey dem Consens der lehr/ so in der erstenvnuerenderten Augspurg. Confession/ welche dem Keyser C a r o l o V. im jhar 1 5 3 0 . 121

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Kapitel 5: Reform des theologischen

Studiengangs

(1580-1606)

Wiederaufleben des Philippismus in der geistlichen Führungsschicht Sachsens ein Riegel vorgeschoben werden. Der durch Kurfürst August aufgebaute Konfessionsstaat konnte um seiner Identität willen nicht auf die imprägnierende Wirkung einer konfessionell geschlossenen Theologenelite verzichten.

vbergeben/ deßgleichen in derselben Apologia, Schmalkaldischen Artickeln/ Catechismis Lutheri, vnd in der zuTorgaw/ Anno, &c. 1576. gestalter/ vnd Anno, 8cc. 1580. hernach publicierter Declaration/ begriffen/ durch Gottes gnade bestendig verharren vnd bleiben [...] wolle/ Als mir Gott helffe."

Kapitel

6

Konfessionelle Folie: Katholische und reformierte Konzeptionen der Theologenausbildung 1. H u m a n i s t i s c h - r e f o r m a t o r i s c h e H e r a u s f o r d e r u n g e n Die Humanisten hatten mit ihrer sprachästhetischen, pädagogischen und sozialutilitaristischen Kritik am scholastischen Wissenschaftsbetrieb vor allem das Wesen und die Gestalt des damaligen Theologiestudiums in Frage gestellt. Je mehr sich das neue sprachliche Ideal eines ciceronianischen Lateins als anziehend erwies, um so schwerer wurde es für die scholastischen Theologen, sich der humanistischen Kritik zu entziehen. Die didaktisch unbewältigte Diskrepanz zwischen dem weiter gesunkenen Eintrittsalter der artistischen Erstsemester und dem zu außerordentlichen Höhen vorangetriebenen Reflexionsniveau einer von theologischen Fragen herausgeforderten Philosophie, mit der eben diese Erstsemester im Rahmen des artistischen Curriculums konfrontiert wurden, war nicht mehr zu übersehen. Dem humanistischen Drängen auf gesamtgesellschaftliche „Nützlichkeit" des gelehrten Wissens hatten die Theologen wenig entgegenzusetzen. Insbesondere kritisierten die Humanisten die scholastische „Durchführung" der Theologie in Form von Quaestionen, Summen, Disputationen und anderen spezifischen Lehrformen, durch welche die Theologie zu offensichtlich immer abgehobeneren und diffizileren Problemen geführt worden war. Gerade die an den christlichen Quellen interessierten Humanisten forderten stattdessen eine Rückbesinnung auf praktizierte Frömmigkeit, entwarfen - wie etwa Erasmus eine „philosophia Christi", ein wesentlich ethisch orientiertes Christentum, in dem gerade die gelebte Nachfolge im Mittelpunkt stehen sollte. Das Text- und Quellenprinzip des Humanismus, von Erasmus erstmals auf die Bibel angewendet, implizierte eine Absage an die bisherigen scholastisch-theologischen Auslegungstraditionen. Verstärkt wurde dieses Moment der Kritik noch durch die Wittenberger Reformatoren, die mit einem neuartigen, speziell an Paulus und Augustinus orientierten Theologieverständnis nicht nur bestimmte Auslegungstraditionen, sondern gerade auch entscheidende philosophisch-theologische Grundüberzeugungen der Scholastik verwarfen. Die humanistisch-reformatorische Kritik am spätmittelalterlichen theologischen Lehrbetrieb war selbstverständlich auch in den sich mehr und mehr ausbildenden katholischen und reformierten Konfessionssphären aufgenommen worden und gab dort wichtige Impulse bei den eigenen Überlegungen zur Reform der

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Kapitel 6: Konzeptionen der

Tbeologenausbildung

bestehenden Theologenausbildung. In der zweiten Hälfte des 1 6 . und zu Beginn des 17. Jahrhunderts erschienen einige einflussreiche Anweisungen von grundsätzlich-konzeptionellem Charakter, die zwar im R a h m e n eines bestimmten konfessionellen Formierungsprozesses entstanden waren, aber jeweils über die sich abzeichnenden Grenzen der eigenen Konfession hinauswirkten. Wie noch zu zeigen sein wird, sollten sich die Wittenberger Theologieprofessoren ab den fünfziger J a h r e n bis in die ersten Jahrzehnte des 1 7 . Jahrhunderts hinein nicht mehr auf dem literarischen Feld der „Anweisungen zum Theologiestudium" bewegen. In den sich innerhalb der Konfessionen bildenden Debatten, über die theologische Studienreform, auf dem sich formierenden M a r k t für theologische Studienberatungsliteratur spielten Texte der damals in Wittenberg lebenden und lehrenden Autoren nur eine bedingte Rolle. Leitend wurden die Anweisungen anderer Autoren. Das in den frühen Wittenberger Anweisungen sichtbar gewordene „synthetische", die Anliegen M e l a n c h t h o n s wie Luthers integrierende theologische Studienkonzept wurde im Bereich des Luthertums einflussreich von M e lanchthonschülern außerhalb Wittenbergs propagiert, vor allem von David Chytraeus in R o s t o c k . 1 Im Bereich des römischen Katholizismus avancierte die mit Anweisungselementen durchsetzte „ R a t i o studiorum" der Jesuiten schnell zum alles dominierenden Leittext der Reformdebatte. Im Bereich der reformierten Kirchen gewann zunächst der weitgehend von oberdeutschen Einflüssen bestimmte M a r b u r g e r Theologe Andreas Gerhard (Gheeraerts) aus Ypern (Hyperius) ( 1 5 1 1 - 1 5 6 4 ) mit seinen „De recte f o r m a n d o Theologiae studio, libri IUI" (Basel 1 5 5 6 ) 2 an Bedeutung, dann vor allem der Herborner Theologe J o h a n n Heinrich Aisted ( 1 5 8 8 - 1 6 3 8 ) . Angesichts dieser Quellenlage ist es ähnlich wie im Fall der Wittenberger Reformatoren also auch vor einer Untersuchung der zweiten Wittenberger Schaffensphase sinnvoll, zunächst den historischen K o n t e x t , wenigstens exemplarisch und in groben Zügen, anzudeuten, mit dem sich die dann im nächsten Kapitel eingehender zu betrachtenden Wittenberger Anweisungen des 1 7 . Jahrhunderts auseinander gesetzt haben. Erst vor dieser Folie lassen sich die Konzeptionen beobachten und in ihrer jeweiligen Eigenart erfassen. Welche Wege wurden von den Wittenberger Professoren konzeptionell beschritten? Liefen sie denen der Vgl. unten Kapitel 7. Z u r Druckgeschichte vgl. Krause, Andreas Gerhard Hyperius, S. 1 3 9 - 1 4 1 . Weitere Ausgaben erschienen - unter verändertem Obertitel ( „ D e theologo, seu de ratione studii theologici libri IIII") - Basel 1 5 5 9 , Straßburg 1 5 6 2 , Basel 1 5 7 2 und 1 5 8 2 . Von Hyperius sind außerdem noch drei kleinere Schriften erhalten, die sich in unterschiedlich engem Bezug dem T h e m a einer R e f o r m des Theologiestudiums widmen: „De sacrarum literarum non deserendis", „ D e institutione novorum collegiorum" und „De publico studiosorum in schola Theologica examine, consilium". Alle drei wurden erstmals in folgendem Sammelband veröffentlicht: Andreae Hyperii Varia opuscula Theologica [...], Basel 1 5 7 0 , S. 1 - 3 0 4 . 3 0 5 - 3 6 3 . 3 6 4 - 4 3 6 ; vgl. Krause, Andreas Gerhard Hyperius, S. 1 4 9 (Nr. 18/1). Kurzcharakterisierungen bei Frielinghaus, S. 1 4 4 f . ; Kantzenbach, Andreas Hyperius, S. 5 9 - 6 7 ; Krause, Andreas Hyperius in der Forschung, S . 2 8 5 . 1

2

2. Societas Jesu: „Ratio studiorum"

(1599)

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anderen Konfessionen weitgehend parallel? Oder führten sie in andere Richtungen? Die Antworten auf diese Fragen werden nicht zuletzt für die eingangs entwickelte Diskussion um die Grenzen der Konfessionalisierung von Bedeutung sein.

2. Societas Jesu: „Ratio studiorum" (1599) Unter den theologischen Bildungskonzeptionen, die im Z u s a m m e n h a n g der „katholischen R e f o r m " entwickelt und diskutiert wurden, ist die jesuitische „ R a t i o studiorum" zweifelsohne die wirkungsgeschichtlich bedeutendste. Die in dem mehrfach überarbeiteten, schließlich rechtsgültig erlassenen D o k u m e n t zum Ausdruck gebrachten Bildungsvorstellungen beeinflussten nicht nur das gesamte katholische Seminarwesen nachhaltig, sondern wirkten darüber hinaus auch auf die evangelische Diskussion ein. Keiner anderen frühneuzeitlichen katholischen Bildungskonzeption war ein ähnlicher geschichtlicher Erfolg beschieden. Die „ R a t i o studiorum" zählt zu den Leittexten im Konfessionalisierungsprozess von der spätmittelalterlichen Kirche hin zum römischen Katholizismus und ist schon von daher für einen Vergleich mit den theologischen Studienanweisungen der ,,evangelische[n] Musteruniversität" 3 Wittenberg interessant 4 - zumal Anweisungen mit einem dem Wittenberger Schrifttum vergleichbaren Verbreitungsgrad im Bereich des Katholizismus für den Untersuchungszeitraum weitgehend fehlen. 5 Hammerstein, Bildung und Wissenschaft, S. 18. Ein vollständiger Überblick über die Literatur zur „ R a t i o studiorum" lässt sich hier selbstverständlich nicht geben. Es sei lediglich auf einige neuere Arbeiten verwiesen: Hengst, S. 6 6 7 2 ; Kessler; Seifert, Das höhere Schulwesen, S. 3 1 7 - 3 2 0 . Unter enzyklopädiegeschichtlichem Gesichtspunkt speziell Hell, S. 5 5 - 7 0 5 Vgl. die Zusammenstellung bei E r m a n / H o r n , Bd. 1, S . 3 8 3 - 3 8 5 . An katholischen Anweisungen, die innerhalb des hier gewählten Untersuchungszeitraums erschienen, werden dort neben den Schriften des Erasmus genannt: J o h a n n e s Gaudentius Anhauser: O r a t i o in sacrae theologiae laudem, Wien 1 5 3 7 (Nr. 7 8 8 8 ) ; Georg Witzel: Methodus studii theologici pariter et concionalis officii, Köln 1 5 5 2 (Nr. 7 8 8 9 ) ; Lorenzo de Villavicencio: De recte formando theologiae studio, libri quatuor, Antwerpen 1 5 6 5 (Nr. 7 8 9 0 ; 7 8 9 1 [Köln 1 5 7 5 ] ) ; Oswald Fischer: De vera studendi Sacrae Theologiae ratione libri tres, Ingolstadt 1 5 6 4 (Nr. 7 8 9 2 ) ; Valentin R o t m a r : O r a t i o de ratione & methodo studii theologici. In: ders., Tomus primus orationum Ingolstadiensium opera, Ingolstadt 1 5 7 1 (Nr. 7 8 9 3 ) ; Uberto Foglietta: De vitae et studiorum ratione hominis sacris initiati. In: ders., Opuscula nonnulla, R o m 1 5 7 4 (Nr. 7 8 9 3 ) ; weitere Aufl.: R o m 1 5 7 9 ; Lyon 1 7 0 4 . Das Werk von Lorenzo de Villavicencio ist eine katholisierende Neuauflage von Andreas Hyperius: De recte formando theologiae studio, libri IUI, Basel 1 5 5 6 . Eine neuere Interpretation des in der Forschung selten und meist nur negativ bedachten „Plagiats" bei Hell, S . 4 5 - 4 7 ; vgl. auch Krause, Andreas Gerhard Hyperius, S. 1 4 0 f . Zu Fischer vgl. Smolinsky, Humanismus, S. 3 3 - 3 6 . Das Werk des spanischen Franziskanertheologen Luis de Carvajal: D e restituía theologia liber unus, Köln 1 5 4 5 ; 2 . Aufl., Antwerpen 1 5 4 8 , ist keine Anweisung, sondern ein Lehrbuch der Gotteslehre, dem ein Vorwort mit einigen grundsätzlich-konzeptionellen Äußerungen zur Theologenausbildung vorangestellt ist; vgl. Hell, S . 2 8 f . Als Beispiel einer theo3 4

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Kapitel 6: Konzeptionen

der

Theologenausbildung

Bevor allerdings das theologische Bildungsprogramm seinen wichtigsten Linien nach aus dem Text eruiert wird, sind zunächst einige entstehungs- und gattungsgeschichtliche Aspekte zu bedenken, um den Stellenwert der „Ratio" im Vergleich zu den lutherischen und reformierten Anweisungen richtig einschätzen zu können. Der verwickelten Entstehungsgeschichte der jesuitischen „Ratio studiorum" kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht en detail nachgegangen werden. 6 Es ist lediglich daran zu erinnern, dass sich das ganze bildungsreglementierende Unternehmen im Wesentlichen der Initiative des Generaloberen Claudius Aquaviva ( 1 5 4 3 - 1 6 1 5 ) verdankt. Er suchte zum einen die vielschichtigen erzieherischen Aktivitäten, in die der Orden allmählich hineingewachsen war, in ihrer pädagogischen Qualität zu sichern und zum anderen die Ausbildung an allen ordenseigenen Gymnasien, Akademien, Kollegien und Universitäten zu vereinheitlichen.7 Dazu berief er ein Gremium von zunächst zwölf, dann sechs jesuitischen Theologen, das er mit der Ausarbeitung einer entsprechenden „Studienordnung" beauftragte. 8 Diese „Ratio studiorum" unterlag im Zusammenhang ihrer Ratifizierung einem nicht unerheblichen gattungsgeschichtlichen Wandel, der bei einem Vergleich mit den Anweisungen zum Theologiestudium, wie sie eingangs definiert worden sind, zu berücksichtigen ist. 9 Die erste Fassung von 1586, die an alle Provinzen des Ordens mit der Bitte um Rückmeldung versandt wurde, behandelte das ganze theologische Studium samt den vorbereitenden humanistischen und philosophischen Kursen in der Form kurzer Abhandlungen, die einzelnen Fächern, akademischen Lehr- und Lernformen gewidmet waren und weithin programmatischen Charakter besaßen. Die aufgrund der Rückmeldungen ausgearbeitete Fassung von 1591, vor allem dann aber die am 8. Januar 1599 definitiv verabschiedete Version wurden anders gestaltet: 10 Sie logischen Bildungskarriere interessant, wenn auch keine Anweisung im hier definierten Sinne ist die Autobiographie J o h a n n Ecks: Epistola de ratione studiorum suorum, Ingolstadt 1 5 3 8 ; kritische Ausgabe: Münster 1 9 2 1 . Einen nicht unbedeutenden frühen Gegenentwurf zum R e f o r m programm des Erasmus bietet J a k o b Latomus: De trium linguarum et studii theologici ratione dialogus, s.l. 1 5 1 7 (Erman/Horn, Bd. 1, S. 3 8 4 , Nr. 7 8 7 2 ; Nr. 7 8 7 3 - 7 8 7 5 [Basel 1 5 1 9 ; Antwerpen 1 5 1 9 ] ) ; vgl. dazu Hell, S . 2 3 - 2 7 . 6 Z u r Entstehungsgeschichte der „ R a t i o studiorum" vgl. Duhr, S . 3 - 7 8 , und Julia sowie die Einleitungen in den Editionen: Pachtler, B d . 2 , S. 3 - 9 ; M P S I , Bd. 5, S. 1 *-34"'. Z u m Beitrag des Petrus Canisius speziell Giard, Le röle secondaire. 7 Eine einheitliche, detaillierte Schulordnung war bereits im vierten Teil der „Constitutiones Societatis J e s u " ( R o m 1 5 5 8 / 5 9 ) in Aussicht gestellt worden; vgl. Duhr, S. 16. 8 Die mit der Revision des Entwurfs von 1 5 8 6 betrauten, für die endgültige Fassung von 1 5 9 9 verantwortlichen Theologen waren J u a n Azor ( 1 5 3 6 - 1 6 0 3 ; Spanien), C a s p a r Con^alves ( 1 5 3 9 - 1 5 9 0 ; Portugal), J a m e s Tyrie ( 1 5 4 3 - 1 5 9 7 ; Frankreich), Petrus Busaeus ( 1 5 4 3 - 1 5 8 7 ; Österreich), Antoine Guise ( 1 5 4 0 - 1 5 9 4 ; Belgien) und Stefano Tucci ( 1 5 4 1 - 1 5 9 7 ; R o m ) ; vgl. Julia, S . 3 7 , A n m . 2 ; Pachtler, Bd. 2 , S . 7 f . 9 Vgl. Hell, S . 5 6 f . 1 0 Die Studienordnung von 1 5 9 9 wurde 1 6 1 6 noch einmal leicht modifiziert, blieb dann aber in dieser Fassung bis ins 18. Jahrhundert hinein unverändert in Kraft. Duhr, S . 2 1 : „Einige wenige Zusätze über die Prüfungen in der Theologie und Philosophie, welche die siebente General-

2. Societas Jesu: „Ratio studiorum"

(1599)

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sind nicht mehr nach verschiedenen Sachgesichtspunkten gegliedert, sondern vorrangig nach den am Studienbetrieb beteiligten Personengruppen (Provinzial, Rektor, Studienpräfekt, Professor, Student, Pedell), deren Verhalten sie durch Listen von einzelnen, kurzen „Regeln" („regulae") normieren. Außerdem enthalten sie verschiedene Bestimmungen in Gesetzesform - etwa zu den schriftlichen Prüfungen oder zu den schulisch-akademischen Prämierungen. Offensichtlich sah man in dem revidierten Text eine größere Praktikabilität der Ordnung im schulischen Alltag, mithin einen schnelleren Zugriff gewährleistet, was wiederum den beiden oben angedeuteten Absichten der Qualitätssicherung' und Vereinheitlichung entsprach. Die Fassung von 1 5 9 9 erweist sich somit in gattungsgeschichtlicher Hinsicht gewissermaßen als ,Tragelaph'. Im Unterschied zum Erstentwurf sind die „Regeln" naturgemäß weitaus weniger durchlässig für das dahinterliegende Bildungskonzept, haben aber andererseits - aufgrund ihres präskriptiven Sprachduktus - wiederum eher „Anweisungscharakter". 1 1 Trotz des zugegebenermaßen reduzierten Anteils prinzipiell-programmatischer Aussagen wird den nachfolgenden Überlegungen zum theologischen Curriculum die „Ratio studiorum" in der Fassung von 1 5 9 9 zugrundegelegt und nur zur gelegentlichen Klärung des konzeptionellen Hintergrunds der Erstentwurf herangezogen. Im Unterschied zu den bisher untersuchten Wittenberger Anweisungen wurde die „ R a t i o " förmlich promulgiert, erlangte damit also rechtliche Verbindlichkeit innerhalb des jesuitischen Schulwesens. 1 2 Jede Untersuchung der „ R a t i o " hat zu beachten, dass die Schrift nach dem Willen der Initiatoren zunächst nur als Programm zur Erziehung des ordenseigenen Priester- und Professorennachwuchses gedacht war. 1 3 Welches Curriculum kongregation im Jahre 1615 beschloss, wurden in die Ausgabe vorn Jahre 1616 aufgenommen, indem die Regeln des Provinzials eine kleine Erweiterung erhielten. Diese so verbesserte Studienordnung blieb in Geltung bis zur Aufhebung der Gesellschaft." 11 Dass die „Ratio" auch als Studienanweisung gelesen werden sollte, könnte aus der Bestimmung erhellen, derzufolge der Präfekt der niederen, gymnasialen Studien jedem Neuankömmling „regulas auditorum nostrorum ostendat" (MPSI, Bd. 5, S . 4 0 5 [RS 1599]). Als „Anweisungen zum Theologiestudium" im eingangs definierten Sinn (vgl. oben Kapitel 1.4) wird man aber, genau genommen, nur die „Institutio eorum qui per biennium privato studio theologiam repetunt" (MPSI, Bd. 5, S. 4 4 3 ^ 1 4 5 [RS 1599]) verstehen können; sie ist ausdrücklich an Studenten der Theologie adressiert. Siehe aber auch die „Regulae scholasticorum nostrae Societatis" (MPSI, Bd. 5, S . 4 4 2 f . [RS 1599]). 1 2 Entsprechend dem Akkomodationsprinzip der Ignatianischen Konstitutionen verstand sich auch die „Ratio" nicht als wortwörtlich, sondern approximative bindender Rechtstext. Sie räumte durchaus die Freiheit ein, die örtlichen Umstände zu berücksichtigen und den Schulbetrieb bis zu einem gewissen Grad anders einzurichten, als es im Studienplan vorgesehen war. Derartige Abweichungen sollten allerdings nur im Einvernehmen mit der Ordensleitung erfolgen; siehe MPSI, Bd. 5, S . 3 6 6 (RS 1599). Vgl. Giard, S . 9 9 4 . Zur Geschichte des jesuitischen Schulwesens in Deutschland vgl. nur Hengst; Krammer; Seifert, S. 3 1 7 - 3 2 4 ; Müller, Schul- und Bildungsorganisation; ders., Zwischen Traditionalismus und Modernität. 1 3 Die Anweisung an die einzelnen Provinziale, den gymnasialen Unterricht in den „humanae litterae" in die Hand von zwei oder drei herausragend gebildeten Lehrpersönlichkeiten zu legen,

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Kapitel 6: Konzeptionen der

Theologenausbildung

wurde zu diesem Z w e c k verbindlich gemacht? Der vorgeschriebene Ausbildungskurs folgt einem dreistufigen Aufbau von humanistischen, philosophischen und theologischen Studien und zeigt damit eine Folge von Studieninhalten, die der Tendenz nach auch schon in den untersuchten evangelischen Anweisungen sichtbar wurde. Sie ist freilich in der „ R a t i o " besonders konsequent durchgeführt worden. 1 4 1 ) Das jesuitische Gymnasium gliederte sich nach dem Konzept der „ R a t i o " in fünf aufeinander aufbauende „ K l a s s e n " , die jeweils von einem eigenen Lehrer unterrichtet werden sollten. 1 5 Die Basis bildeten die drei unteren G r a m m a t i k klassen. Ihnen folgten als vierte die „classis humanitatis", deren wesentlichster Unterrichtsgegenstand die Poetik war, und als Abschlussklasse die „ R h e t o r i k " , in der auch Griechisch unterrichtet wurde und die wenigstens ein J a h r lang von allen Schülern gehört werden sollte. 1 6 In diesen beiden zuletzt genannten Klassen werden neben ausgewählten und zum Teil purgierten Dichtern und Historikern der griechisch-römischen Antike auch schon einige griechische Kirchenväter gelesen (Gregor von Nazianz, Basilius von Caesarea, J o h a n n e s Chrysostomus, Agapet). 1 7 2 ) Das Philosophiestudium war sodann als dreijähriger Kurs entworfen. 1 8 Die „ R a t i o " behandelte die Philosophie auffallenderweise als eine einheitliche Disziplin und vertraute sie in toto einem einzigen Lehrer zum Unterricht an. Dieser sollte die theologischen Adepten während des ersten Kursjahres in der Logik, während des zweiten in der Naturphilosophie, während des dritten in der Psychologie, Ethik und Metaphysik unterrichten. Unumstrittene Autorität war Aristoteles. Die zu lesenden Werke aus dem Corpus

aristotelicum

wurden genau

aufgeführt, dazu Fragen benannt, mit denen man an die Texte herangehen sollte. Begleitend zum philosophischen erfolgte der mathematische Unterricht, im ersten J a h r in der Algebra und den Grundlagen der Geometrie, im zweiten und wird gerade damit begründet, dass diese durch ihre Arbeit ein „bonorum professorum genus quoddam ac tamquam seges" heranbilden können (MPSI, B d . 5 , S . 3 6 3 [RS 1 5 9 9 ] ) . 1 4 Die Frage nach den nächsten maßgeblichen Vorbildern der jesuitischen „ R a t i o studior u m " wurde in der Forschung lange kontrovers diskutiert. Dass sich die Dreigliederung, die bereits im ersten Entwurf des Ignatius begegnet, weitgehend an dem „ M o d u s Parisiensis" („facultas linguarum", „facultas a r t i u m " , „theologia") orientiert, scheint Konsens zu sein; vgl. Duhr, S . 4 , und vor allem Codina Mir. Ebenso unbestritten sind die Einflüsse des niederländischen Humanismus. Dagegen wird die von J o h a n n Sturm selbst aufgebrachte These, die Jesuiten hätten aus seinen Quellen geschöpft, heute ebenso zurückhaltend beurteilt wie die Annahme eines allzu weitreichenden Einflusses des pädagogischen Konzepts von J u a n Luis Vives; vgl. Codina Mir, S . 2 1 8 - 2 3 3 . 3 1 6 f . ; Duhr, S . 6 - 1 6 . 15 Siehe M P S I , B d . 5 , S. 1 1 1 - 1 5 8 (RS 1 5 8 6 ) . 1 6 M P S I , Bd. 5, 4 3 0 ^ 1 3 3 (RS 1 5 9 9 ) . 17 Siehe M P S I , Bd. 5 , S . 4 3 4 (RS 1 5 9 9 ) . Lateinische Kirchenväter gehören auffallenderweise nicht zum Lektüreprogramm. Vgl. auch Giard, S . 9 9 9 f . 18 M P S I , Bd. 5, S. 3 9 7 - 4 0 2 (RS 1 5 9 9 ) . Ein dreijähriger Philosophiekurs ließ sich allerdings nicht an allen Schulen durchsetzen. Es gab mehrfach Ausnahmegenehmigungen; vgl. Duhr, S. 1 5 2 - 1 5 6 .

2. Sociètas

Jesu:

„Ratio

Studiorum"

(1599)

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dritten Jahr - allerdings nur für ausgewählte, begabte Schüler - in der analytischen Geometrie, in der Differential- und Integralrechnung. 1 9 In den gymnasialen Studien dominierten die humanistischen Fächer, wenn auch das Philosophiestudium von der Studiendauer und vom Stoffplan her keineswegs gering angesetzt war. 2 0 Neben einer gründlichen logischen Schulung legten die Autoren der „ R a t i o " vor allem auf eine offenkundig instrumental verstandene naturphilosophische Ausbildung großen Wert. 3) Das Theologiestudium, zu dem die gymnasialen Studien propädeutisch hinführen sollten, war grundsätzlich zweigleisig angelegt. Im Unterschied zu den bisher untersuchten lutherischen Anweisungen Wittenbergs unterschied die „ R a t i o " klar zwischen zwei verschiedenen Theologiestudien mit jeweils verschiedenen Zielsetzungen, Methoden, Lehrern und Studenten: Einem eigentlich „theologischen" Studiengang für die so genannten „Scholastiker" („scolastici"), der eine umfassende akademisch-theologische Bildung zum Ziel hatte, und einem pastoralen Ausbildungskurs für die so genannten „Positiven" („positivi"), der die zur Ausübung der Prediger- und Beichtvatertätigkeit unabdingbaren Qualifikationen vermitteln sollte. 2 1 Die humanistisch-philosophischen Studien waren im Blick auf die beiden theologischen Studiengänge gleichsam als Bewährungsphase konzipiert: Zu dem eigentlich wissenschaftlich-theologischen Studiengang sollte nur zugelassen werden, wer sich durch besondere Leistungen im Propädeutikum hervorgetan hatte. Mittelmäßige Begabungen wurden dagegen von der Ordensleitung in den priesteramtlichen Studiengang („ad casus") geschickt. Sie sollten lediglich die pastoralen Grundqualifikationen für Kanzel und Beichtstuhl erwerben. Was die inhaltliche Seite des Theologiestudiums betrifft, so stellten die Autoren der „ R a t i o " die Bibel und die „Summa theologiae" des Thomas von Aquin in den Mittelpunkt der Ausbildung. 2 2 War Aristoteles die unumstrittene Autorität in der Philosophie, so Thomas von Aquin in der Theologie. Zu keinem anderen Autor Siehe MPSI, B d . 5 , S. 9 5 - 1 1 0 (RS 1 5 8 6 ) . Verglichen mit dem Lehrangebot der Artisten-Fakultäten nahm sich der jesuitische Philosophiekurs allerdings eher „ärmlich" aus, wie Seifert, S . 3 2 3 , zu Recht festgestellt hat. 2 1 MPSI, Bd. 5, S . 8 5 (RS 1 5 8 6 ) , wird über die kontroverstheologische Vorlesung bestimmt: „Retineatur haec lectio Romae pro ultramontanis. Quorum duo fiant ordines: unus positivorum, qui quadriennio audiant controversias, casus conscientiae et Scripturam; alter scholasticorum, qui audiant duas scholasticas lectiones, tertiam Scripturae primo biennio, controversiarum in secundo, nihil de casibus, nisi quae audiunt in scholastica. [...] Ad secundum ordinem non eligantur, nisi qui praestant ingenio plus quam mediocri et natura valde docili, nec elatiore animo, qui superbiant postmodum, et nostris adversentur apud episcopos, ut sese in eorum gratiam insinuent." Siehe auch ebd., S . 4 4 2 f . (RS 1 5 9 9 ) . Vom Professorder Kasuistik wird schon in der Fassung von 1 5 8 6 ausdrücklich verlangt, auf die scholastische Darbietung der Moral zu verzichten, „eo Consilio ac ductu, ut Confessarius informetur, non Theologus" (ebd., S . 9 1 ) . Sehr klar auch die RS 1 5 9 9 (ebd., S. 3 9 5 ) : „Eo suam omnem operam atque industriam conferre studeat, ut peritos parochos seu sacramentorum administratores instituât." 2 2 Siehe ebd., S. 3 8 3 - 3 8 5 . 3 8 6 - 3 8 8 (RS 1 5 9 9 ) . 19

20

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Kapitel 6: Konzeptionen der

Theologenausbildung

bringt die „ R a t i o " ähnlich detaillierte Lehranweisungen. M i t diesen beiden Autoritäten, der Bibel und dem Aquinaten, hatten sich die Absolventen im einen wie im anderen theologischen Studiengang schwerpunktmäßig auseinander zu setzen. Von der inneren fachlichen Gliederung her folgten die Autoren der „ R a t i o " damit de facto der konventionellen, mittelalterlichen Einteilung in die beiden Grunddisziplinen Bibelwissenschaft und scholastische Theologie. Die anderen, von der „ R a t i o " noch genannten theologischen „ F ä c h e r " waren dagegen lediglich studiengangsspezifisch zu studieren und wurden offenbar nicht als integrale Bestandteile der „ T h e o l o g i e " verstanden: 2 3 Die „Kasuistik" ( „ D e c a s i b u s c o n s c i e n t i a e " ) , in der die wichtigsten „casus particulares" der künftigen Beichtpraxis thematisiert wurden, war nur von den „positivi" zu hören; die Absolventen des T h e o l o giestudiums dagegen hatten die „materiae m o r a l e s " , das heißt die „ M o r a l t h e o l o gie" zu studieren, in der die Prinzipien christlichen Handelns nach scholastischtheologischer M e t h o d e gelehrt wurden. Ebenso war die Kontroverstheologie ein Fach, das den Studenten des Pastoralkurses vorbehalten war, und zwar nur denjenigen, die für einen späteren Einsatz in einem konfessionell gespaltenen Land bestimmt waren; sie wollte man gezielt auf ihre Wirksamkeit als „gegenreformatoris c h e " Prediger vorbereiten. Das Hebräische wiederum wurde nur von den T h e o logiestudenten verlangt; sie sollten es darin wenigstens so weit gebracht haben, dass sie einen hebräischen Text mit Hilfe eines Wörterbuches übersetzen konnten. Die biblisch-exegetische und die scholastische Theologie hatten im theologischen Studienkonzept der „ R a t i o " ein eigenes Cachet. So stellte man an die sprachlichen Kompetenzen der exegetischen Professoren zwar beachtliche Anforderungen; das Fach selbst aber, wie es akademisch zu unterrichten war, bestand lediglich in einer Art „ B i b e l k u n d e " , in der die einzelnen biblischen Schriften dem Literalsinn nach erklärt werden sollten, wobei sich die Erklärung an der Auslegung der Kirchenväter zu orientieren, bisweilen auch die Auslegung der R a b b i n e n heranzuziehen hatte. 2 4 Grundlage des Unterrichts war die Vulgata. Der hebräische und griechische Text sollte nur als zusätzliche Erklärung herangezogen werden. 2 5 Selbst der Professor für Hebräisch hatte den Text der Vulgata zu verteidigen. 2 6 Eine Diskussion der durch den Bibeltext aufgeworfenen theolo-

Vgl. Hell, S . 5 8 . Siehe M P S I , Bd. 5, S. 8 5 - 8 8 (RS 1 5 8 6 ) . Der Professor der Heiligen Schrift sollte über eine breite Sprachenkenntnis sowie über eine profunde theologische und historische Bildung verfügen, darüber hinaus auch noch möglichst eloquent sein; siehe M P S I , Bd. 5, S. 3 5 7 . 3 8 3 - 3 8 5 (RS 1 5 9 9 ) . 2 5 Siehe M P S I , Bd. 5 , S. 3 8 3 (RS 1 5 9 9 ) . Rabbinische Kommentare sollten allenfalls dann berücksichtigt werden, wenn aus ihnen etwas „pro latina editione vulgata vel pro catholicis dogmatibus utiliter possit afferri" (ebd., S. 3 8 4 ) . 1 6 M P S I , Bd. 5 , S. 3 8 5 (RS 1 5 9 9 ) : „Inter caetera, ad quae ejus intentio feratur, illud sit, ut versionem ab Ecclesia approbatam defendat." Auslegungen nach dem Literalsinn hatten natürlich dem zu folgen, was von den päpstlichen Canones oder den Allgemeinen Konzilien als „literal" festgelegt worden war; siehe M P S I , Bd. 5 , S. 3 8 3 f . (RS 1 5 9 9 ) . Vgl. Giard, S. 1 0 0 2 f . ; Hell, S . 6 1 63. 23

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2. Societas Jesu: „Ratio studiorum"

(1599)

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gischen Fragen sollte im exegetischen Fach weithin unterbleiben. 2 7 Sie war der scholastischen Theologie vorbehalten. Die biblisch-exegetische Theologie war zu einer im ,Vorstudium' zu bewältigenden Bibelkunde herabgestuft, die eigentlich exegetisch-theologische Diskussion in die „theologia scolastica" verlagert. Insofern lässt sich durchaus sagen, dass die „Ratio studiorum" die Identität von „Theologie" und scholastisch-theologischer Auslegung biblischer Texte geradezu festgeschrieben hat. 2 8 Die Theologie, das war zunächst und vor allem die systematische Theologie, die auf der Grundlage ausgewählter Partien der „Summa" des Thomas von Aquin unterrichtet werden und die Studenten zu einem differenzierten Argumentieren befähigen sollte. Das scholastische Studium in der theologischen und in der pastoralen Ausbildung unterschied sich lediglich im Blick auf die Auswahl der zu behandelnden „Partes" der „Summa theologiae". Die „ R a t i o " bestimmte ausdrücklich, im scholastischen Unterricht vorrangig Thomas von Aquin zu Wort kommen zu lassen, enthielt gleichzeitig aber (in der ersten Fassung von 1 5 8 6 ) auch einen „delectus opinionum", der den jesuitischen Lehrern an bestimmten Punkten die Möglichkeit einräumte, von der Lehrmeinung des Aquinaten abzuweichen, an die sich die Autoren bei aller Wertschätzung offenbar nicht insgesamt binden wollten. 2 9 Von der zeitlichen Struktur her war der theologische Ausbildungsgang der „scolastici" als vierjähriger Kurs konzipiert, dem zwei weitere Jahre mit Repetitionen und Übungen folgen sollten. Vorlesungen in der scholastischen Theologie waren dabei während des gesamten Quadrienniums zu hören, daneben im ersten und zweiten Jahr auch moraltheologische, im dritten und vierten Jahr auch exegetische Vorlesungen. 3 0 Während der vier Jahre sollten die Theologiestudenten 2 7 MPSI, Bd. 5, S. 3 8 4 (RS 1599): „Quaestiones Sacrarum Scripturarum proprias scholastico more non tractet." 2 8 Hell, S. 59: „Von den ideologischen Voraussetzungen des mittelalterlichen Theologiestudiums hebt sich die Ratio jedoch insofern ab, als sie - was in der akademischen Praxis wohl weithin auch früher schon der Fall war - nun die Identität von eigentlicher Theologie und Auslegung scholastisch-theologischer Texte weitgehend festschreibt." Vgl. auch ebd., S. 7 6 - 7 9 . 2 9 Siehe MPSI, Bd. 5, S. 6 - 1 7 (RS 1586). Um den scholastischen Kurs möglichst auf das methodengeleitete systematisch-theologische Argumentieren zu konzentrieren, wurden die Professoren aufgefordert, alle theologischen Fragen zu meiden, die auch in anderen Disziplinen behandelt werden konnten. In gewisser Weise hatten die übrigen theologischen Fächer den Charakter von „Entlastungsdisziplinen" im Blick auf die Systematische Theologie; siehe ebd., S. 3 8 7 (RS 1599) 3 0 MPSI, Bd. 5, S. 358 (RS 1599; textus anno 1616 retractatus): „Ubi autem tres [professores] erunt, tertia lectio erit moralis theologia, in qua ex professo et solide explicentur materiae morales, quae ab ordinariis professoribus vel omnino praetermitti vel brevissime perstringi solent. Quam quidem lectionem nostri biennio saltem audiant, alteroque biennio Scripturam Sacram." Diese Angabe, die in der Mainzer Ausgabe der „Ratio" von 1600 fehlt, widerstreitet der vorausgehenden Bestimmung, derzufolge die Theologen „etwa" („fere") im zweiten und dritten Jahr des theologischen Kurses täglich eine dreiviertel Stunde lang eine exegetische Vorlesung hören sollten; vgl. ebd., S . 3 5 7 (RS 1599).

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Kapitel 6: Konzeptionen der

Theologenausbildung

wenigstens ein J a h r lang an Lehrveranstaltungen zum Studium der hebräischen Sprache teilnehmen, von denen allerdings in Ausnahmefällen sprachlich minderbegabte Theologiestudenten befreit werden konnten. Ferner war der Besuch der einmal in der Woche stattfindenden Konferenz über spezielle seelsorgliche Einzelfälle („collatio c a s u u m " ) obligatorisch, eines Gesprächszirkels von Professoren und Studenten, in dem ausgewählte Beispiele aus der alltäglichen Beichtpraxis diskutiert werden sollten, um den „scolastici" eine gewisse Anschlussfähigkeit ihrer theologischen Bildung an die seelsorgliche Praxis zu erhalten. 3 1 Auf Wiederholung des erlernten Stoffes wurde von den Autoren der „ R a t i o " großen Wert gelegt. Täglich sollten die Theologiestudenten in F o r m von Privatdisputationen und Repetitionen den zuvor gehörten Vorlesungsstoff wiederholen. Wöchentlich waren am Samstag Lernkontrollen in F o r m von Disputationen durchzuführen, in denen die Adepten ihren Wissensstand zu einem bestimmten systematisch-theologischen Problem vor dem Präfekten und den Dogmatik-Professoren unter Beweis zu stellen hatten. W ä h r e n d des Studienjahres sollte ein M o n a t lang in den Lehrveranstaltungen kein neuer Stoff gelehrt, sondern lediglich der alte wiederholt werden. 3 2 Und schließlich hatten die Studenten nach Absolvierung des theologischen Kurses in der Regel zwei J a h r e lang das erlernte Pensum, ungestört und von pastoralen Verpflichtungen weitgehend befreit, in F o r m privater Studien zu wiederholen und zu vertiefen. W ä h r e n d dieser Zeit sollten sie keine Vorlesungen mehr hören, konnten aber bereits selber Vorlesungen in eng begrenztem Umfang übernehmen. Es wurde zudem erwartet, dass sie an fünf öffentlichen Disputationen aktiv teilnahmen und einem breiteren Auditorium den Fortschritt ihrer Kenntnisse demonstrierten. 3 3 Demgegenüber dauerte der pastorale Kurs, der einen inhaltlichen Schwerpunkt auf der Kasuistik hatte, insgesamt nur zwei J a h r e . 3 4 Der zeitliche Umfang und das inhaltliche Profil des für die künftigen Pfarrer und Sakramentsverwalter bestimmten Pastoralkurses unterschieden sich also deutlich von denen des Theologiestudiums. Selbstverständlich wollten auch die Autoren der „ R a t i o " bei den Absolventen der beiden theologischen Ausbildungsgänge das Studium mit einer persönlichen Frömmigkeitspraxis verbunden sehen, 3 5 ohne freilich in diesem Z u s a m m e n h a n g 31

Siehe M P S I , Bd. 5 , S. 4 4 3 - 4 4 5 ( R S 1 5 9 9 ) .

52

Siehe M P S I , Bd. 5 , S. 3 8 1 - 3 8 3 ( R S 1 5 9 9 )

55

Siehe M P S I , B d . 5 , S . 4 4 4 ( R S 1 5 9 9 ) .

34

D a s geht aus den „ R e g u l a e " der mit der Priesterausbildung b e t r a u t e n beiden „ p r o f e s s o r e s

c a s u u m c o n s c i e n t i a e " hervor, die ihr U n t e r r i c h t s p e n s u m in zwei J a h r e n ( „ b i e n n i o " ) durchzubringen h a t t e n ; siehe M P S I , Bd. 5 , S . 8 9 ( R S 1 5 8 6 ) ; S . 3 9 5 ( R S 1 5 9 9 ) . 55

D i e A k t e n der K o n f e r e n z , die der G e n e r a l Claudius A q u a v i v a 1 5 8 4 zur V o r b e r e i t u n g einer

„ R a t i o s t u d i o r u m " einberufen h a t t e , formulierten die Kultivierung von F r ö m m i g k e i t und W i s senschaft als die zwei grundsätzlichen Anliegen der Societas J e s u ; siehe M P S I , Bd. 5 , S. 2 : „ D u o plane sunt Societatis n o s t r a e praesidia ac f i r m a m e n t a : ardens pietatis Studium et p r a e s t a n s rerum scientia. In h a e c d u o c a p i t a o m n i s C o n s t i t u t i o n u m n o s t r a r u m vertitur c a r d o ; e o q u o d pietas, si d o c t r i n a e luce o r b a t a sit, singulis q u i d e m privatim prosit n o n p a r u m ; at in Ecclesiae prox i m o r u m q u e utilitatem o p e r a m pene n u l l a m c o n f e r r e possit in c o n c i o n i b u s , in s a c r a m e n t i s ad-

2. Societas Jesu: „Ratio studiorum"

(1S99)

143

ausführlichere Anweisungen zur spirituellen Alltagsgestaltung zu geben. Die Studenten wurden angehalten, um Gnadenbeistand für einen gedeihlichen Fortgang ihrer Studien zu bitten. Täglicher Besuch der Messe, K o m m u n i o n an Hochfesten, monatliche Beichte wurden schon bei den Gymnasiasten als selbstverständlich vorausgesetzt, sollte doch das Studieren von den göttlichen Dingen aus seinen Anfang und seine Kraft n e h m e n . 3 6 Und die Professoren wurden aufgefordert, zu Beginn ihrer Vorlesungen ein kurzes Gebet sprechen zu lassen oder die Lektion wenigstens mit einem Kreuzeszeichen zu eröffnen. 3 7 Das Ziel des Studiums umschrieb die „ R a t i o " kurzerhand mit der „Ehre Gottes und dem Nutzen der S e e l e n " 3 8 - eine Wendung, die sich sowohl auf die Theologiestudenten als auch auf die ihnen künftig anvertrauten „Seelen" bezog. Der Student sollte im Studium die Qualifikationen erwerben, die ihn zum Dienst in der Kirche als Priester, Seelsorger, Prediger, wissenschaftlicher Lehrer befähigten. Wenn man das Theologiestudium als ein „sehr verdienstliches W e r k " bezeichnete, dann zeigt dies, dass man das Studieren aber zugleich auch auf das studierende Subjekt selbst bezogen s a h . 3 9 Das Theologiestudium an sich wurde bereits als ein spiritueller Akt, als ein Akt gelebten Glaubens verstanden. Die „ R a t i o studiorum" markiert insofern eine über den katholischen Geltungsbereich hinausreichende bildungsgeschichtlich bedeutende Stufe, als in ihr das Theologiestudium wohl erstmals, zumindest aber in einer bislang so noch nicht begegnenden Konsequenz auf zwei unterschiedliche geistliche „Profession e n " hin konzipiert wurde. Sie entwirft im katholischen Bereich einen grundsätzlich zweigeteilten theologischen Studienbetrieb, der auf unterschiedliche berufliche Tätigkeiten vorbereiten soll, auf das universitäre Lehramt und auf das Amt des Predigers und Beichtvaters. Der „scolasticus" wird dabei als ein an T h o mas von Aquin geschulter, wenn auch nicht in jeder Hinsicht dem T h o m i s m u s verpflichteter, wissenschaftlich gebildeter Gelehrter („Scholastiker") vorgestellt, der in der Lage ist, Probleme des Dogmas (und der M o r a l ) mit einem differenministrandis, in iuventute erudienda, in disputationibus cum fidei adversariis, in consiliis, responsisque de dubiis rebus, et caeteris nostrorum hominum muneribus ac functionibus, quae doctrinam non vulgarem illam, sed excellentem quandam desiderant." 3 6 Siehe M P S I , Bd. 5, S. 1 4 1 - 1 4 3 (RS 1 5 8 6 ) ; ebd., S. 1 4 2 (RS 1 5 8 6 ) : „Quotidie quoque missae sacrificio intersint, idque ante scholis, ubi viget ea consuetudo, ut literariae exercitationes a rebus divinis initium sumant et robur." 3 7 M P S I , Bd. 5, S. 3 8 0 (RS 1 5 9 9 ) : „[...] ante lectionis initium dicat aliquis brevem orationem ad id institutam, quam praeceptor et discipuli omnes aperto capite attente audient; vel saltem ipse praeceptor signo crucis se muniat aperto capite, et incipiat." 3 8 M P S I , B d . 5 , S . 4 4 2 (RS 1 5 9 9 ) : „In primis animi puritatem custodire, et rectam in studiis intentionem habere scholastici nostri conentur; nihil aliud in his, nisi divinam gloriam et animarum fructum quaerentes [ . . . ] . " 3 9 M P S I , Bd. 5 , S . 4 4 2 (RS 1 5 9 9 ) : „[...] illum tarnen studendi laborem ex obedientia et c a n t a te, ut par est, susceptum opus esse magni meriti in conspectu divinae et summae Maiestatis apud se s t a t u a n t . " Die religiös qualifizierte „Verdienstlichkeit" des Studiums wurde nicht zuletzt auch im jesuitischen Schuldrama einflußreich propagiert; vgl. Rädle, S. 1 3 8 - 1 4 1 .

144

Kapitel

6: Konzeptionen

der

Theologenausbildung

zierten philosophisch-theologischen Instrumentarium zu determinieren. Der Absolvent des Pastoralkurses („positivus") ist der Mann der pastoralen Praxis. Er hat seine Kompetenzen auf dem Gebiet der Predigt und vor allem der Seelsorge. Dank einer gründlichen kasuistischen Schulung vermag er die ihm in der Beichte zu Ohren gekommenen Taten im Sinne der kirchlichen Moral zu werten und gegebenenfalls entsprechende Bußleistungen differenziert festzusetzen. In konfessionell gemischten Gebieten soll er zudem den katholischen Glauben gegen andersgläubige Kritik verteidigen können. Wie die Betonung der Disputationen zeigt, kommt es den Autoren der „ R a t i o " vor allem darauf an, dass der Theologe, der Scholastiker wie der Seelsorger, mit einer gewissen Gewandtheit und Schlagfertigkeit seine Sache vertreten kann. Mit der Etablierung eines eigenen Pastoralkurses in den Jesuitenuniversitäten, der den Seelsorgeklerus speziell auf seine seelsorglichen und homiletischen Aufgaben vorbereitete, ihm insbesondere kasuistische Kompetenzen vermittelte, war - wenigstens vom Angebot her - ein neuer Grad an Professionalisierung 4 0 im Vergleich zur spätmittelalterlichen Ausbildungssituation des niederen Klerus erreicht. Die jesuitischen Autoren waren davon überzeugt, dass der pastorale Dienst in der Gemeinde spezielle Kompetenzen erforderte, die nur auf einer höheren Schule erworben werden konnten. Zugleich wurde durch das duale Ausbildungssystem der rein theologische, auf die Heranbildung hochschuleigenen Nachwuchses bedachte Studiengang von der Auseinandersetzung mit Praxisfragen entlastet und auf das eigentlich systematisch-scholastische Studium hin konzentriert. Der Einfluss des Humanismus auf das jesuitische Bildungskonzept ist nicht zu übersehen. 4 1 Die gymnasialen Vorstudien waren in gewisser Weise von humanistischen Fächern bestimmt. Grammatik, Rhetorik und Poesie wurden von der „ R a t i o " als integrale Bestandteile des artistischen Curriculums gesetzt und waren in den fünf ersten Klassen jedes Jesuitengymnasiums zu unterrichten. Anders als in den Universitäten zu Beginn des 16. Jahrhunderts, in denen die „humanior a " allenfalls fakultativen Status erlangten, wurden die „studia humanitatis" in den jesuitischen Bildungseinrichtungen von Anfang an für alle Studenten verbindlich und zu prüfungsrelevanten Fächern gemacht. Und selbst während des Philosophie- und Theologiestudiums sollten die Scholastiker neben den obligatorischen Lehrbüchern auch noch „ein Buch, das die studia humanitatis be4 0 Vgl. zu den Problemen einer historischen Verwendung des Professionalisierungsbegriffs die grundsätzlichen Überlegungen bei Hawkins, S. 2 4 1 - 2 5 1 (mit weiterführenden Literaturhinweisen). Der Begriff „Professionalisierung" wird in dieser Untersuchung in einer semantisch eng umgrenzten Bedeutung verwendet: Er bezeichnet eine gegenüber den bisherigen Vorstellungen neue oder wenigstens konsequentere Ausrichtung des theologischen Bildungsideals an bestimmten beruflichen Funktionen. Die neue funktionalistische Perspektive äußerte sich in den Anweisungen vor allem in einer Spezifizierung der Kenntnisse und Fähigkeiten, die man in den Studenten je nach angestrebter geistlicher Profession auszubilden gedachte. 4 1 Zur Humanismusrezeption im jesuitischen Bildungswesen vgl. Rädle, passim; Seifert, Humanismus, S. 1 5 0 - 1 5 4 ; Smolinsky, Humanismus.

3. Johann Heinrich Aisted: „Praecognitorum theologicorum

libri duo" (1615)

145

t r i f f t " , lesen. 4 2 D e n n o c h fallen im Vergleich zu den Bildungskonzepten eines Erasmus oder Philipp M e l a n c h t h o n einige .Beschränkungen' ins Auge. So sollte zwar von den „heiligen Sprachen" das Griechische in der Rhetorik-Klasse unterrichtet werden; das Hebräische jedoch sah die „ R a t i o " nur im Ausbildungsgang der Scholastiker vor. Auch wirkte sich der Humanismus letztlich nicht in Richtung einer Ausgestaltung eines eigenen bibelexegetischen Faches aus. Die exegetischen Vorlesungen hatten in der „ R a t i o " eher nur den Charakter vorbereitender bibelkundlicher Übungen, in denen zwar einzelne philologisch-exegetische Probleme geklärt werden sollten, eine Diskussion der v o m biblischen Text her aufgeworfenen theologischen Fragen jedoch der scholastischen Theologie vorbehalten blieb. 4 3 Hinweise zur Loci-Methode, mit der die Humanisten biblischtheologisches Wissen organisieren wollten, sucht man in der „ R a t i o " vergebens. Durch die jesuitische Studienreform ist jedenfalls - trotz der betonten Wichtigkeit des Bibelstudiums - die Ausbildung eigenständiger exegetischer Disziplinen nicht wirklich vorangetrieben worden. Unklar ist die Stellung der für den H u m a nismus charakteristischen geschichtlichen Fächer: Die Historik war als Fach in dem Entwurf von 1 5 8 6 vorgesehen. In der promulgierten Fassung der „ R a t i o " fehlen jedoch spezielle Instruktionen zur Einrichtung geschichtlicher und kirchengeschichtlicher Studien. 4 4 So sehr auch der Humanismus die programmatischen Vorstellungen der gymnasialen Studien beeinflusste, im theologischen Curriculum waren seiner Rezeption doch eher enge Grenzen gesteckt. 4 5

3. J o h a n n Heinrich Aisted: „Praecognitorum theologicorum libri d u o " (1615) Auch im reformierten Bereich wurden Anweisungen zum Theologiestudium publiziert, deren konzeptionelle Bedeutung weit über die Grenzen der eigenen K o n fession hinausreichte. Abgesehen von dem umfangreichen, freilich eher noch bucerisch-oberdeutsch beeinflussten G r o ß w e r k des M a r b u r g e r Theologen Andreas Hyperius sowie einigen kleineren Publikationen waren es dann vor allem die 4 2 MPSI, Bd. 5, S.377 (RS 1599): „Theologis praeterea ac Philosophie omnibus librum aliquem ad Humanitatis studia pertinentem distribuât: moneatque, ut certis quibusdam temporibus legere, ubi commodum ist, non omittant." 4 3 Hell, S. 77f.: „Die als theologisches Einzelfach institutionalisierte Schriftauslegung wird dadurch zur bloßen Zuarbeiterin der scholastischen Theologie; ihre Abtrennung vom zentralen theologischen Geschäft führt also, wenigstens vom Grundgedanken her, keineswegs zu einer Aufwertung einer biblischen Theologie, die dann gar noch in kritischem Gegenüber zur herkömmlichen, scholastischen zu sehen wäre. Hier blieb der ursprüngliche, auch in der Gesellschaft Jesu virulente humanistische Antrieb nicht nur stecken, er verkehrte sich m.E. letztendlich in sein Gegenteil." 4 4 Vgl. Hengst, S.69. 4 5 Vgl. auch die Einschätzung bei Hammerstein, Bildung und Wissenschaft, S.39f.

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Kapitel 6: Konzeptionen der

Theologenausbildung

„Praecognitorum theologicorum libri d u o " des reformierten Theologen J o h a n n Heinrich Aisted, die gerade auch von lutherischen Theologen rezipiert werden sollten. Aisted lehrte ab 1 6 0 9 als theologischer Dozent am Pädagogium in Herborn, dann ab 1 6 1 1 als außerordentlicher, ab 1 6 1 5 als ordentlicher Professor für Philosophie und schließlich von 1 6 1 9 an als Ordinarius für Theologie und R e k tor der dortigen nassauischen Hochschule. 1 6 2 9 folgte er - nicht zuletzt veranlasst durch die Kämpfe in Nassau während des Dreißigjährigen Krieges - einem R u f an die Bethlensche reformierte Hochschule in Alba Iulia/Weissenburg (Siebenbürgen), w o er bis zu seinem Tod 1 6 3 8 als theologischer Professor tätig war. 4 6 Alsteds geistesgeschichtliche Bedeutung liegt vor allem in seinem philosophischen Schaffen. Er konnte bereits auf eine profilierte philosophische Wirkungszeit zurückblicken, als er 1 6 1 9 erstmals eine theologische Professur übernahm. Sein besonderes Interesse galt wissenschaftstheoretischen Grundfragen. Die Idee einer Begründung allen menschlichen Wissens durch einen universalen Wissenschaftsbegriff zählte dabei zu den Vorstellungen, die sein Denken am meisten bewegt, ja stimuliert haben. Zwischen zwei unterschiedlichen, in vieler Hinsicht gegensätzlichen Positionen suchte Aisted zeitlebens zu vermitteln: dem Ramism u s , 4 7 der alle Wissenschaft an einen einzigen, strengen Methodenbegriff, den der „natürlichen D i a l e k t i k " , band und damit auf das Ordnen von Sätzen („Urteilen") reduzierte, und dem wesentlich durch den Paduaner Philosophen J a k o b Zabarella ( 1 5 3 3 - 1 5 8 9 ) revitalisierten Aristotelismus, 4 8 für den nicht nur die Annahme spezieller praktischer Wissenschaften, sondern insbesondere auch der Begriff einer kontemplativen, an der Betrachtung und Erkenntnis von Gegenständen orientierten Wissenschaften charakteristisch war. Gelang es den Ramisten, erstmals ein methodisch kontinuierliches, topisch gegliedertes Feld von Wissenschaft zu konstituieren, das aber eben auf den Umgang mit „Urteilen" beschränkt und somit „begrenzt" war, so vermochten die Aristoteliker mit ihrem in sich differenzierten Wissenschaftsbegriff (aktiv-methodische und passiv-kontemplative Erkenntnis) der Vielfalt menschlichen Wissens besser gerecht zu werden, hatten dafür aber den Preis der Inhomogenität dieses Begriffs zu bezahlen. 4 9 4 6 Z u r biographischen Orientierung vgl. Staedtke (mit wichtigen Hinweisen zu veröffentlichten und unveröffentlichten Quellen); M e n k , S. 2 7 4 - 2 8 1 , der Aisted vor allem als Vermittler, nicht so sehr als Schöpfer Herborner Theologie und Philosophie interpretiert, und jetzt vor allem H o t s o n , der am Beispiel Alsteds eindrucksvoll zeigt, wie durchlässig die Grenzen zwischen Humanismus, Hermetismus und Calvinismus damals sein konnten. 4 7 Z u Petrus Ramus ( 1 5 1 5 - 1 5 7 2 ) und seinem geistesgeschichtlichen K o n t e x t vgl. die grundlegenden Arbeiten von O n g und Schmidt-Biggemann. Vgl. ferner die „mnemotechnische" Interpretation bei Yates, S. 2 1 4 - 2 2 4 . 4 8 Zu Zabarella vgl. die instruktive Einführung von Copenhaver/Schmitt, S. 1 1 7 - 1 2 1 . 4 9 Vgl. die Charakterisierung der zeitgenössischen wissenschaftstheoretischen Diskussionslage bei Schmidt-Biggemann, S. 1 0 7 : „Aisted stand also vor einer komplizierten wissenschaftlichen Situation: Einmal war der ramistische Wissenschaftsbegriff zwar homogen, aber nicht umfassend genug, dafür war der zabarellistische Wissenschaftsbegriff zwar umfassend, aber nicht

3. Johann Heinrich Aisted: „Praecognitorum

theologicorum

libri duo"

(1615)

In verschiedenen, mehr oder weniger Entwurfscharakter tragenden Werken unternahm Aisted den Versuch, die beiden unterschiedlichen Wissenschaftstheorien mit Hilfe lullistischer Kombinatorik in ein umfassendes System zu integrieren und somit ein neues Wissenschaftsmodell zu generieren. Alsteds Denken lässt dabei eine beachtliche Entwicklung erkennen. In den Werken der frühen, bis zur Berufung auf den Herborner theologischen Lehrstuhl anzusetzenden Schaffensphase wie etwa der „Panacea Philosophica" von 1610, den „Trigae canonicae" und der „Philosophia digne restituta" von 1612 sollte ein von der „Ars magna" (1272) des Raymundus Lullus (1235-1316) inspiriertes „enzyklopädisches" Konzept den Integrationsrahmen bieten. 50 Mit der Übernahme der theologischen Professur begannen die Vorstellungswelten der calvinistischen Orthodoxie sein Denken mehr und mehr zu bestimmen. Aisted trennte nun deutlich zwischen Philosophie und Theologie, ohne doch die Suche nach dem verbindenden universalen Wissenschaftsbegriff aufzugeben. In seiner 1630 erschienenen großen „Encyclopaedia Septem tomis distincta", in der er das Wissen aller Disziplinen nach einem ramistischen Schema zu vereinigen und neu zu begründen suchte, werden schließlich - trotz des nach wie vor festgehaltenen Sondercharakters der theologischen Erkenntnis - aufgrund der Rezeption mystisch-kabbalistischer Elemente Tendenzen einer Wiederanknüpfung an das frühere „lullistische" Wissenschaftskonzept erkennbar. Am Übergang von der philosophischen Frühphase in die mittlere, theologische Phase steht die auf acht Bücher angelegte „Methodus sacrosancte theologiae". In ihr versuchte Aisted das Ganze einer Wissenschaft, nämlich der Theologie, in Form einer Fachenyzklopädie gleichsam als Vorarbeit für die anvisierte Universalenzyklopädie zur Darstellung zu bringen. Infiziert vom „morbus encyclopaedicus", fasste Aisted um 1610 den Plan, eine „biblische Enzyklopädie" herauszugeben, in der zum Zweck des theologischen Unterrichts alle Grundlagen, Prinzipien und Ableitungen der in den biblischen Schriften enthaltenen „philosophia sacra" methodisch geordnet dargestellt werden sollten. Dazu hatte er sich jedoch zuvor - wie er selber in der Widmungsvorrede an den brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund (1572-1619; 1608) mitteilt - über die homogen. Den Beschreibungsbereich universaltopischen, polyhistorischen Wissens hatte Keckermann zusätzlich durch Historie erweitert, aber weiter heterogenisiert, dabei zugleich den Philosophiebegriff insgesamt als institutionellen Zusammenhang für Wissenschaft, Institution und systematische Pädagogik gewertet. Alsteds Problembereich lag also in der Homogenität oder Inhomogeneität der Wissenschaften, in der Frage ihres Kompetenzbereiches und im Begriffsverhältnis von Philosophie, System und Gesamtwissenschaft." Zu Ramus und Zabarella vgl. ebd., S. 3 9 - 6 6 . 6 7 - 8 1 . 50 Vgl. Schmidt-Biggemann, S. 101.107. Z u r „ars lulliana", einer auf der Kombination von wenigen Grundbegriffen beruhenden universalen Erkenntnismethode, und vor allem zu deren Rezeption in der frühneuzeitlichen Rhetorik vgl. die Studie von Traninger. Speziell zur Rolle Alsteds in der Geschichte des Lullismus vgl. ebd., S. 1 6 0 - 1 7 1 . Lehrreiche Darstellung des Lullismus als Gedächtniskunst bei Yates, S. 1 6 2 - 1 8 4 .

148

Kapitel

6: Konzeptionen

der

Theologenausbildung

„ M e t h o d e " d e r T h e o l o g i e K l a r h e i t zu v e r s c h a f f e n . 5 1 D a s

„Methodus"-Projekt

v o n 1 6 1 4 / 1 5 ist d e r V e r s u c h e i n e r e n z y k l o p ä d i s c h e n , s y s t e m a t i s c h e n l u n g des g e s a m t e n t h e o l o g i s c h e n W i s s e n s . N a c h d e m A i s t e d die

Darstel-

„Methodus"

1 6 1 1 in e i n e r e r s t e n F a s s u n g h e r a u s g e b r a c h t h a t t e , die s i c h a u f d a s in s e c h s S t o f f gebiete eingeteilte Feld der T h e o l o g i e b e s c h r ä n k t e , 5 2 b r a c h t e er das W e r k in

einer

überarbeiteten,

nicht

unbeträchtlich

erweiterten

Version

auf

1614 den

M a r k t . 5 3 Sie z e i c h n e t s i c h v o r a l l e m d a d u r c h a u s , d a s s A i s t e d d e n s e c h s , j e w e i l s einem theologischen Stoffgebiet gewidmeten „ B ü c h e r n " n o c h zwei „libri" mit „praecognita theologica" („theologischen Vorkenntnissen") vorangestellt hat, z w e i B ü c h e r , in d e n e n e r w i s s e n s c h a f t s t h e o r e t i s c h e G r u n d f r a g e n e r ö r t e r n s o w i e methodische Grundlagen vermitteln wollte. Diese Bücher gehören Aisted zufolge o f f e n k u n d i g b e r e i t s z u m speziell t h e o l o g i s c h e n W i s s e n d a z u . D e r T e x t d e r b e i d e n B ü c h e r ist n i c h t n u r in e n z y k l o p ä d i e g e s c h i c h t l i c h e r H i n s i c h t e i n s c h l ä g i g , 5 4 s o n d e r n g e r a d e a u c h i m B l i c k a u f die F r a g e n a c h d e m z u g r u n deliegenden theologischen Ausbildungskonzept interessant.55 D a s erste B u c h , betitelt „ D e natura t h e o l o g i a e " , handelt v o m T h e o l o g i e b e g r i f f und den verschie5 1 Aisted, Methodus, Bl. ):( ):( 2h: „Hanc omnimodam sacrarum literarum perfectionem cum paulo altius mecum reputarem, in eam adductus fui sententiam, nostrae Philosophiae, quam in Scholae[!] tradimus, nihil tribuendum esse, nisi quatenus cum coelesti illa conuenit. Hinc coepi cogitare de Encyclopoediae Biblica iam à tribus vel quatuor annis, qua semina, principia & conclusiones Philosophicae è sacris literis erutae disponerentur methodice, quam docendi rationem Semper feci plurimum, & secutus sum pro virili mea. Verum deprehendi me hanc talem Encyclopoediam non posse concinnare, nisi iam de piena sacrosanctae Theologiae methodo mihi constaret. Hinc sumsi animum cum Deo summo ilio Theologo, & ea quae in sacris literis occurrunt, quaeque praxis vitae Ecclesiasticae requirit, in ordinem methodicum redegi." 5 2 Johann Heinrich Aisted: Methodus ss. theologiae in sex libros tributa. In quorum I. Theologia naturalis II. Theologia catechetica. III. Theologia didactica, seu loci communes. IUI. Sotirologia seu scholae tentationum, & casus conscientiae. V. Prophetica, ubi rhetorica & biographia ecclesiastica. VI. Theologia acroamatica [...], Offenbach 1611 (Aisted, Encyclopedia, Bd. 1, S . X X [A09.01]). Weitere Ausgaben des Werkes erschienen 1619 und 1634 in Hannover (vgl. ebd. [A09.02 und A09.03]). 5 3 Johann Heinrich Aisted: Methodus sacrosanctae theologiae octo libris tradita. In quorum I.II. Praecognita. III. Theologia naturalis. IV. Theologia catechetica. V. Theologia scholastica VI. Theologia casuum. VII. Prophetica. VIII. Acroamatica [...], [Frankfurt/M.,] 1614. Die für diese Untersuchung herangezogene Ausgabe (ULB Halle) ist offensichtlich mit der in Aisted, Encyclopedia, Bd. 1, S . X X I I (A18.01), beziehungsweise bei Erman/Horn, Bd. 1, S. 395, Nr. 8091, genannten identisch (Vgl. aber die leicht abweichenden bibliographischen Angaben). Weitere Ausgaben der achtteiligen Fassung des Werkes erschienen 1615 in Frankfurt/M. und 1623 in Hannover (vgl. ebd., [A18.02. und A18.03]). Die von Schultz, S . 1 3 4 (Nr.29), genannte 1634 bei Konrad Eifried in Hanau erschienene Ausgabe ließ sich nicht nachweisen. Zu den beiden verschiedenen Fassungen der „Methodus" vgl. Hell, S. 88, Anm. 23. Die Bemerkung Heils, dass die beiden Bände mit den Praecognita erst 1615 und nicht schon 1614, „wie meist behauptet wird" (ebd., Anm.24), erschienen sind, konnte von dem hier benutzten Exemplar her nicht bestätigt werden. 5 4 Die beiden „libri praecognitorum" sind eine wichtige Quellengrundlage des Alsted-Abschnitts bei Hell, S. 8 5 - 9 8 . Vgl. auch explizit Hell, S . 8 8 , Anm.23. 5 5 Die beiden Bücher werden im Folgenden als „Methodus I" und „Methodus II" nachgewiesen.

3. Johann

Heinrich

Alsted:

„Praecognìtorum

theologicorum

libri duo"

(1615)

149

denen „Teilen" („partes") der Theologie. Das zweite, wesentlich umfangreichere Buch enthält, wie die Überschrift „Qui est de Theologiae studio recte formand o " bereits erkennen lässt, Anweisungen zum Theologiestudium. Den weitaus größten Teil der insgesamt 6 8 8 Oktavseiten dieses zweiten Buches - von Seite 80 bis Seite 6 6 0 - bildet eine „Isagoge" in die biblischen Bücher, die im Einzelnen eine biblische Hermeneutik entfaltet, bibelkundliche Übersichten zu jeder Schrift der beiden Testamente gibt und in die biblische Chronologie und Geographie sowie in die Geschichte Israels einführt. Die eigentliche Darstellung der „ratio studii theologici" ist also in dem voluminösen Werk insgesamt nur recht knapp gehalten. Johann Heinrich Alsted hatte im ersten Band seiner „Methodus" die Theologie in der Linie einer langen, bis ins Mittelalter hineinreichenden Tradition primär der aristotelischen Kategorie der „sapientia" zugeordnet und damit zunächst und zuerst als einen Habitus des Intellekts bestimmt. 5 6 Er verstand unter „Weisheit" - in enger Anlehnung an Aristoteles - einen „Habitus, durch den wir geneigt sind, Prinzipien und Schlussfolgerungen zuzustimmen" 5 7 . Das Erkennen der übernatürlichen, geoffenbarten, aber auch der natürlich eingegebenen Prinzipien und das Deduzieren von Wissen aus diesen Prinzipien waren demnach die Grundvollzüge der Theologie. Allerdings ging die Theologie, Alsted zufolge, darin nicht auf. Sie suchte gerade auch die praktischen Implikationen, suchte aus den Prinzipien nicht nur die Wahrheit, sondern auch die Prinzipien des guten Handelns zu erkennen. 5 8 Insofern war sie - genau genommen - unter den intellektuellen Habitus als ein „gemischter Habitus" („habitus mixtus") zu charakterisieren, waren doch der Theologie neben den habituellen Zügen der Weisheit, der Einsicht („intelligentia") und des Wissens („scientia") immer auch die Züge der Klugheit („prudentia") zu eigen. 5 9 5 6 Methodus I, S . 4 6 : „[Genus Theologiae viatorum est sapientia.] [...] Nos illam concludimus hoc syllogismo. Theologia non est intelligentia, nec scientia, nec prudentia, nec ars. Ergo est sapientia." Siehe ferner ebd., S . 4 6 - 6 7 . 5 7 Methodus I, S. 5 2 : „Sapientia est habitus intellectualis, quo inclinamur ad assentiendum principiis & conclusionibus." Aristoteles sah in der Weisheit, folgt man der Nikomachischen Ethik, die vollkommenste aller Wissenschaften; siehe ders., Nikomachische Ethik 6 , 7 1 1 4 1 a 17f.: „ÖEL a p a TÒV aotpòv |J,F] |xòvov xà tx zöv àp%G)v eìòévoa, àXka x a i jiepi XÀG àg%àq àXr]9Eii8iv." 58

Siehe Methodus I, S . 5 3 ; vgl. unten Kapitel 7.4.1.1 und ferner Schmidt-Biggemann, S. 1 2 7 -

131. 5 9 Methodus I, S . 5 3 : „Quare sie concludamus: Theologia est habitus prineipiorum & conclusionum, non solum quatenus ilia faciunt ad cognitionem veri, sed etiam ad actionem boni. Ergo est & intelligentia, & scientia, & prudentia."; ebd., S. 6 0 : „Theologia est habitus mixtus, & is quidem xuxXoeiòrjs, circularis. Nam primo incipit operari intellectus, audito, lecto vel cognito aliquo axiomate Theologico, verbi gratia, hoc: Deus omnis creauit valde bona. Secundo loco est voluntas, quae occupatur circa propositionem istam cognitam, & mediante vi intellectus practici videt, Deum esse amandum & imitandum." Compendium theologicum, S . 5 : „Rectè igitur Thomas Aquinas disputat, theologiam esse disciplinam mixtam ex theoriä & praxi. N a m sicut scriptura sacra non solum docet modum cognoscendi voluntatem Dei, sed etiam tradit ra-

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Kapitel 6: Konzeptionen

der

Theologenausbildung

Wie wird nun der solchermaßen bestimmte theologische Habitus erworben? Wenn auch, wie gesagt, die eigentliche Anweisung ins Theologiestudium nur einen kleinen Teil der Darstellungen des zweiten Bandes der „praecognita" ausmacht, so beabsichtigt Aisted doch mit dem zweiten Band als Ganzem ein „Ideal des Theologen" („idea Theologi") zu zeichnen. 60 Die Gliederung des Bandes folgt einer von Aisted erstellten topischen Ordnung aller zum Studium nötigen theologischen Wissensbereiche, einem verzweigten Divisionsschema, in das Aisted dann auch seine ausführlichen biblisch-isagogischen Überlegungen einzuordnen vermag. Ausgangspunkt ist - in sichtlich aristotelischem Zugriff - das Verständnis des Theologiestudiums als einer „Handlung („actio"), durch die der Theologiestudent so mit der Erkenntnis der göttlichen Dinge beschäftigt ist, dass er diese [Dinge] einmal anderen lehren kann" 6 1 . Sie ist nach Ziel, Zeitrahmen und Mitteln näher zu bestimmen. 1) Das erste und unmittelbare Ziel des Theologiestudiums besteht für Aisted in der Ehre Gottes, nächstes und mittelbares Ziel ist sowohl die ewige Seligkeit des Theologen selbst als auch seines Nächsten sowie generell - und hier ist ein spezieller Tonfall Alsteds nicht zu überhören - die Vervollkommnung von Intellekt, Willen und Sprachvermögen. 62 Die Theologie ist demnach eine Praxis, die gleichermaßen auf das studierende Subjekt wie auch auf dessen menschliches Umfeld abzielt. Das Bild des Theologen ist bei Aisted wesentlich von der Vorstellung des „Lehrers" bestimmt, ähnlich wie es im Wittenberger Kontext etwa schon in der Anweisungsrede Crucigers d.A. zu beobachten war. 63 Dabei unterscheidet nun Aisted zwischen einem kirchlichen und schulischen Lehren („genus docendi Ecclesiasticum & Scholasticum"). Der Student sollte sich frühzeitig klar darüber werden, in welcher Funktion er einmal als theologischer Lehrer tätig sein möchte. Denn das Anforderungsprofil der beiden „genera docendi" ist durchaus verschieden, und entsprechend nimmt sich auch die Gestaltung des Theologiestudiums unterschiedlich aus. Wer künftig in (höheren) Schulen theotionem faciendi hanc voluntatem: ita quoque theologia se habet, quippe quae methodica collectio rerum divinarum in scripturä patefactarum." 60 Methodus II, S. 685: „Hactenus igitur edisseruimus rationem studii Theologici, si prolixius forte, attamen fructuosius vt speramus, quam si obiter & nimis breuiter ea perstrinxissemus [...]. Ideam Theologi respeximus, vt in Politicis f o r m a m u s ideam Reip. vel boni principis. Huius ideae finis non est inanis & Platonica speculatio, sed humiliatio & excitatio. Humiliatio; vt agnoscamus quam multa nobis, qui Theologiae studio nos dedimus, desint. Excitatio; vt eo diligentius incumbamus in illud Studium, quod implicatum videmus tot difficultatibus." 61 Methodus II, S.2: „Studium Theologicum est actio, qua studiosus Theologiae occupatur circa cognitionem rerum diuinarum, vt eas aliquando poßit alios docere. In eo spectanda sunt tria, scopus, meta, 8t media. In omni actione spectare oportet tria ista, finem, metam, & media." 62 Methodus II, S. 2: „Scopus in studio Theologico spectandus, est vel remotus, vel proximus. Remotus est tum summus, gloria Dei, tum subordinatus, videlicet felicitas aeterna studiosi ipsius & proximi, itemque perfectio intellectus, voluntatis, & sermonis." 63 Vgl. oben Kapitel 4.3.

3. Johann Heinrich Aisted: „Praecognitorum

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libri duo"

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logisch lehren will, sollte vor allem die scholastisch-theologischen Autoren studieren und sich erst an zweiter Stelle „kirchlichen" Autoren widmen. Wer dagegen künftig eine Gemeinde zu „belehren" beabsichtigt, sollte sich zunächst anhand wissenschaftlich-theologischer Autoren die dogmatischen Grundlehren aneignen und auf diesem Fundament dann die praxisbezogenen „Teile" der Theologie studieren. Der angehende Gemeindegeistliche sollte sich im Rahmen des Studiums vor allem darum bemühen, die später in der Kirchenzucht, Unterweisung und Seelsorge erforderlichen Kompetenzen zu erwerben. 64 Wie die jesuitische „Ratio studiorum" versteht auch der reformierte Theologe Aisted das Theologiestudium als „Ausbildung", die auf unterschiedliche geistliche Professionen hin auszurichten und dementsprechend zu differenzieren ist. 2) Was den zweiten Aspekt, den des zeitlichen Rahmens, betrifft, so vermeidet Aisted genaue Vorschläge zur Studiendauer. Jeder Student müsse selber wissen, wie lange er sich theologischen Studien widmen wolle, wobei aber nach Aisted die Zeitvorstellungen der Eltern, Präzeptoren und Stipendiengeber unbedingt berücksichtigen werden sollten. 65 Seine Empfehlungen fasst Aisted in den kurzen, in seiner vermittelnden Struktur wiederum für ihn typischen, geradezu salomonischen' Ratschlag zusammen: „Der Theologiestudent soll auf den Schulen nicht vergreisen, aber auch nicht jene vorschnell verlassen." 66 3) Kann sich Aisted bei seinen Überlegungen zum Ziel und zum zeitlichen Rahmen des Theologiestudiums relativ kurz fassen, so geht er bei seinen Überlegungen zu den Mitteln - wie bereits angedeutet - in eine unverhältnismäßige Breite. Angesichts des zweifellos interessanten, aber umfänglichen Materials wird es im Folgenden darauf ankommen, die Untersuchung auf das konzeptionelle Profil der Alstedschen „Methodus" zu fokussieren. Aisted unterscheidet göttliche und menschliche „media" des Theologiestudiums: Zu ersteren gehören 64 Methodus II, S.4f.: „[Duo sunt veluti summi gradus &C apices studii Theologici, genus docendi Ecclesiasticum & Scholasticum.] Magna est canonis huius necessitas, vtilitas magna. N a m solent plerumque in Theologicis ita versari; vt sine delectu obuios quoscunque authores Theologos excutiant, susque deque habito discrimine illo, quod hic canon exprimit. Tu vero, qui recta es mente, diligenter illud discrimen obseruabis. Aut enim docebis populariter in Ecclesia Dei, aut acroamatice & accurate in Schola, aut vtrumque praestare per Dei gratiam cogitas. Si illud; Scholasticos leges primo, vt intelligas fundamenta religionis, iisque ex methodico aliquo systemate cognitis superstrues Theologiam illam copiose docentem, q u a m vocant Ecclesiasticam, &c in ea te exercebis diligentissime. Si hoc; Scholasticam Theologiam ex professo & Semper euolues, & authores, qui illam scriptis comprehenderunt, tibi reddes q u a m familiarissimos, Ecclesiasticos etiam leges, sed ita, vt potiorem habeas rationem & curam t u o r u m Scholasticorum. Per Scholasticos hic intelligo omnes illos, qui controuersias religionis scriptis methodicis complexi sunt." Siehe auch Compendium theologicum, S.8: „ C u m enim alii theologi sint pastores in ecclesiä: alii doctores in scholä E p h . 4 . v . l l . necesse est, vt studiosus theologiae prudenter cogitet häc de re, num aliquando velit se impendere ecclesiae, vel scholae: quia non est eadem per omnia docendi ratio in ecclesiä & scholä." 65

Siehe Methodus II, S. 7f. Methodus II, S. 8: „Studiosus Theologiae nec in Scholis consenescere, nec illis iusto citius nuntium remittere debet." 66

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Kapitel 6: Konzeptionen der

Theologenausbildung

die Erleuchtung und Leitung durch den Heiligen Geist, zu letzteren die aufseiten des Menschen vorauszusetzenden beziehungsweise durch ein Studium zu erwerbenden philosophisch-theologischen Kenntnisse. 6 7 M i t dieser Leitunterscheidung bewegt sich Aisted auf der Ebene des Gemeinguts reformatorischer Anweisungen zum Theologiestudium. Eine gegenüber den untersuchten Wittenberger Texten spezifische Akzentuierung wird aber darin sichtbar, dass das Gebet und das Bemühen um die „Heiligkeit des L e b e n s " („sanctitas vitae") gleichermaßen als Boden bereitende, mithin „notwendige", natürlich nie „hinreichende" Bedingungen der für das Gelingen des Studiums so konstitutiven Erleuchtung und Leitung durch den Heiligen Geist verstanden werden. Aisted bindet das Wirken des Geistes an das Gebet und die Frömmigkeitspraxis des Studenten zurück - und erhebt damit beide indirekt zu entscheidenden „ M e d i e n " des Theologiestudiums. Die Bitte um den Heiligen Geist zur Erleuchtung des Bibel lesenden Verstandes wird von Aisted nicht anders als von den Wittenbergern mit den üblichen biblischen Belegstellen erwiesen. 6 8 Der reformierte Theologe ist an diesem Punkt unbefangen genug, um gerade auch zwei einschlägige Luther-Dikta als „Väterbew e i s " dem Studenten in Erinnerung zu rufen. 6 9 Daneben ist aber eben auch ein „heiliges Leben des Theologiestudenten" („Sancta vita Studiosi T h e o l o g i a e " ) nötig, damit der göttliche Geist erleuchtend zum Zuge k o m m e n kann. M i t wiederum unverkennbar aristotelischem Einschlag spricht Aisted von drei zu diesem heiligmäßigen Leben „erforderlichen Gaben"

(„dona requisita"): der „Frömmigkeit gegen G o t t "

(„pietas

erga

D e u m " ) , der „Gerechtigkeit gegen den N ä c h s t e n " („iustitia erga p r o x i m u m " ) und der „Mäßigung gegen sich selbst" („temperantia erga s e i p s u m " ) . 7 0 Detailliertere Hinweise zur konkreten Lebensgestaltung gibt er sodann dadurch, dass er drei Listen mit je zwölf kurzen „ R e g e l n " des humanistisch geprägten Neupiatonikers Giovanni Pico della Mirandola ( 1 4 6 3 - 1 4 9 4 ) wörtlich anführt, die das Verhalten in „geistlichen K ä m p f e n " , die tugendhaften „Gegenmittel" in Anfech-

6 7 Methodus II, S . 8 : „ M e d i a studii Theologici sunt vel diuina, vel humana. Media diuina, sunt Spiritus sancti illuminano & gubernatio, quae precibus & sancta vita tum impetranda, tum f o u e n d a . " Etwas anders akzentuiert dagegen im Compendium theologicum, S. 9f.: „ M e d i a divina sunt, quae superant naturam & industriam nostram: putà precario & sancta vita. Precario est, qua studiosus theologiae indesinenter implorat gratiam Spiritus sancti. [...] Sancta vita est, qua studiosus theologiae conatur singulis momentis seipso fieri melior, ita nimirùm, ut e x praescripto regulae Paulinae vivat piè adversus Deum, temperanter erga seipsum, & justè adversus proximum. T i t . 2 . v e r s . l l . " 6 8 Siehe Methodus II, S . 9 (mit Verweisen auf Ps 1 1 9 , 1 8 ; Lk 2 4 , 3 6 ; J o h 3 , 2 7 ) . 6 9 Methodus II, S. 10: „ H a c ratione cognoscet, verissimum esse illud Lutheri; Bene orauisse, est pene studuisse. Item: Tria faciunt T h e o l o g u m , Precario [!], Meditatio & Tentatio. O vtinam hoc perpenderent Studiosi Theologiae! O vtinam artem precandi sibi haberent quam c o m m e n datissimam! Fieret profecto, vt spatio vnius dieculae plus proficerent, quam hodie multi, qui vel non precantur, vel male precantur, spacio annuo, vel semestri." 7 0 Methodus II, S. 14: „Sanctitas vitae consideratur quoad partes, & regulam suam. Partes sanctae vitae, sunt pietas erga Deum, iustitia erga proximum, & temperantia erga seipsum."

3. Johann

Heinrich

Aisted:

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tungen und die Ausdrucksformen wahrer Gottesliebe betreffen. 7 1 Dass in der Betonung der „vita sancta" als Voraussetzung der Geistbegabung ein eher reformiertes Spezifikum zu sehen ist, lässt sich gerade durch den Vergleich mit den isagogischen Überlegungen Luthers aus der Vorrede von 1 5 3 9 verdeutlichen: Luther nannte als gleichsam mögliche Vorbereitung auf das unverfügbare Geisteswirken das Gebet um Erleuchtung sowie die Meditation des biblischen Wortes; die „tentatio" dagegen war der Ort, an dem sich nicht eigentlich der Theologe, sondern vielmehr das meditierte biblische Wort bewähren sollte. 7 2 Im Anschluss an Luther und vor allem Melanchthon wurde in den Wittenberger Anweisungen die Frömmigkeitspraxis des Studenten unter dem leitenden Gesichtspunkt der „Bewährung des Wortes" beziehungsweise des „Gebrauchs der Lehre" thematisiert. Aisted hingegen behandelt die „vita sancta" - zusammen mit dem Gebet eher als Voraussetzung der so notwendigen Geisteserleuchtung und ist damit Vertreter einer gerade im reformierten Kontext nachweisbaren Traditionslinie, die im 17. Jahrhundert dann freilich auch von orthodoxen Lutheranern wie J o hann Gerhard ( 1 5 8 2 - 1 6 3 7 ) aufgenommen werden sollte. 7 3 So sehr nun auch Aisted die „göttlichen Hilfsmittel" („dona divina") zum Theologiestudium, die „illuminatio" und „gubernatio" durch den Heiligen Geist, als die vorrangigen und entscheidenden „media" begreift, so werden diese seiner Meinung nach doch erst wirksam im Verbund mit anderen, „menschlichen Mitteln" („dona humana"). 7 4 Aisted versteht unter diesen, vom Studenten selbst bereitzustellenden „Mitteln" sowohl objektive wie subjektive Qualifikationen, Qualifikationen, die von Natur aus („natura") gegeben sein müssen, und solche, die sich der Student durch eigenes Bemühen („cura"), durch „Kunst und 7 1 Methodus II, S. 16: „Vtraque illa regula, tum generalis tum specialis illustrior euadet, spero, si in medium adferam quae Iohannes Picus Mirandula de spirituali pugna scripta reliquit pag. 2 1 9 . 2 2 0 . 2 2 1 . t o m . l . edit. Basiiiens." Gemeint ist die Ausgabe Basel 1 6 0 1 (VD 17: 1 : 0 4 6 7 9 7 W ) . Die Listen sind bei Aisted im Einzelnen überschrieben: „ R E G V L A E X I I . P A R T I M E X C I T A N T E S , PARtim dirigentes hominem in pugna spirituali." (Methodus II, S. 16), „EIV U S D E M PICI, SPIRITVALIS P V G N A E A R M A XII. quae homo, cum peccandi eum tenet libido, in promtu habere debet." (ebd., S. 18) und „ E I V S D E M PICI, D E D V O D E C I M A M A N t i s (Deum) conditionibus." (ebd., S. 19). Im Anschluss an Aisted hat dann auch Johann Gerhard in seiner „Methodus studii theologici" auf die „Regeln" des Giovanni Pico della Mirandola hingewiesen; vgl. ders., Methodus, S. 3 2 8 .

Vgl. oben Kapitel 4 . 2 . Johann Gerhard, Methodus, S. 19: „Spiritus sanctus est verus 8c internus ille Doctor, qui ducit in omnem veritatem, J o h . 16. v.13. 1. J o h . 2. v.27. Cathedram in coelo habet, qui intus docet. Atqui is non habitat in corde peccatis subjecto. 5. Qui in tenebris peccatorum ambulat, easque amat, non potest ad lucem spiritualis cognitionis aspirare, [...]." Vgl. auch Kuyper, Bd. 1, S. 1 7 5 , der in diesem Zusammenhang allerdings nur auf Spener verweist und die lutherisch-orthodoxe Traditionslinie übersieht. 72 73

7 4 Methodus II, S. 2 0 : „In Logicis dici solet, principale non tollit accessorium. Idem cense de mediis studii Theologici. Media illa diuina, precario & vita sancta, sunt primaria. Sed ideo non excluduntur secundaria, quorum duo capita summa constituimus, Naturam &c Curam; sub cura comprehendentes, artem & exercitationem."

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Kapitel 6: Konzeptionen der

Theologenausbildung

Ü b u n g " („ars et e x e r c i t a t i o " ) anzueignen h a t . 7 5 Was das erste betrifft, so handelt es sich schlichtweg um bestimmte geistige und körperliche Voraussetzungen, die der Student „von Z u h a u s e " mitbringen muss. Das Theologiestudium verlangt nach Aisted ein bestimmtes, von ihm allerdings nicht näher qualifiziertes M a ß an Begabung, Gedächtnis und M o t i v a t i o n , erfordert eine „gute

Konstitution"

(„bona constitutio") - dabei dürfte vor allem an eine gewisse körperlich-seelische Belastbarkeit gedacht sein - , eine „klare und modulationsfähige S t i m m e " („vox clara et flexibilis") und eine „gute Mischung der zum Studium dienlichen Glieder" („membrorumque ad studia imprimis servientium [...] bona c r a s i s " ) . 7 6 Derartige objektive Qualifikationskriterien, die in den bislang untersuchten Wittenberger Anweisungen nicht begegneten und mit denen Aisted den Reigen der vom Studenten zu erbringenden Studienvoraussetzungen auffällig genug eröffnet, dürften sich bei ihm freilich in diesem Fall einem von der aristotelischen Zweck-Mittel-Relation beeinflussten Systematisierungsdrang verdanken. Die Bedeutung der körperlichen und geistigen Eingangsvoraussetzungen wird allerdings von Aisted sogleich relativiert, wenn er darauf verweist, dass derartige Qualifikationen nur in ,mittlerem' M a ß vorhanden sein müssten und niemand wegen möglicher Defizite in diesem Bereich an seiner Eignung zum Theologiestudium zweifeln solle. 7 7 Bei den in der „ c u r a " des Studenten liegenden Studienmitteln handelt es sich um subjektive Qualifikationsmerkmale, also um M e r k m a l e , die sich der Student vor dem Beginn beziehungsweise im Zuge des Theologiestudiums durch ein Studium der Kunst („cura artis") und durch ein praktisches Einüben derselben („cura exercitationis") in F o r m von Deklamationen, Disputationen und Predigten erarbeiten kann. 1) Aisted weist den Studenten unter dem Leitbegriff der „cura artis" zum einen an die üblichen Propädeutika, die biblischen Sprachen und die „Muttersprac h e " , die Philosophie im Sinne des artistischen Curriculums, 7 8 empfiehlt in die7 5 Z u r Unterscheidung von subjektiven, durch das Studium zu erwerbenden, und objektiven, von „Natur a u s " gegebenen Qualifikationsmerkmalen vgl. Stolleis, S. 2 8 1 f. 7 6 Methodus II, S. 2 0 : „Media naturalia, seu bona naturalia animi, sunt ingenii dexteritas, in apprehendendo & iudicando; memoriae fidelitas, in imprimendo, retinendo, & recordando seu reddendo; & affectus vehementia, in amore & impetu ad hoc Studium. Bona corporis sunt totius corporis dignitas & constitutio bona, vox clara & flexibilis, membrorumque ad studia imprimis seruientium, vt cerebri, cordis, & ventriculis, bona crasis." 7 7 Methodus II, S . 2 1 : „(Bona naturae praesupponuntur in futuro T h e o l o g o , si non excellenter, saltem mediocriter.] Hic canon additur praecedenti, vt ne Studiosus Theologiae despondeat animum, si audiat tot & tanta naturae bona exigi & requiri ad Studium Theologicum feliciter inchoandum, & felicissime absoluendum. N o n requiruntur haec talia in gradu summo, quem dicunt excellentiae: sufficit, si sint talia in gradu remisso, quem vocant temperamenti. N a m O m n i a non omni dat sua dona Deus. Vult enim sapientissimus Pater, esse discrimina donorum. Et idem dat vnicuique manifestationem Spiritus ad vtilitatem. l . C o r . l 2 [ , 7 ] . " Vgl. auch die entsprechenden Äußerungen im Compendium theologicum, S. 11. 7 8 Vgl. Methodus II, S . 2 1 - 7 9 .

3. Johann

Heinrich

Aisted:

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sem Zusammenhang das Studium des Römischen Rechts und der Medizin - letztere beiden weniger aus bibelexegetischen Gründen, als vielmehr im Blick auf die spätere berufliche Praxis im Pfarramt. 7 9 Wie schon Hyperius in seinem Werk „De recte formando Theologiae studio, libri IUI" so fordert auch Aisted vom angehenden protestantischen Theologen im Rahmen der Propädeutik das Studium des mittelalterlichen kanonischen Rechts. 8 0 Ausgehend von der geradezu emphatisch vertretenen These, dass die Philosophie mit der wahren Theologie nicht im Widerstreit liegen könne, 8 1 wird von Aisted dem angehenden Theologen die „Notwendigkeit" („necessitas") philosophischer Studien eingeschärft. 8 2 Die Philosophie sei wie die Theologie eine „göttliche G a b e " , und „göttliche G a b e n " könnten einander nicht widersprechen. 8 3 Die Behauptung einer „doppelten Wahrheit" wird von Aisted ebenso abgelehnt wie eine Vermischung von Theologie und Philosophie. Aisted bleibt damit grundsätzlich auf der von Melanchthon eingeschlagenen Linie der Verhältnisbestimmung von Vernunft und Offenbarung. 8 4 Die Philosophie leistet wertvollste Zuträgerdienste für die Theologie. Im Einzelnen werden dem angehenden Theo-

7 9 Ein Verweis auf die Schriftauslegung erfolgt explizit nur beim Medizinstudium; siehe M e thodus II, S. 7 9 : „Ratio prioris est: quia occurrunt loca Scripturae, in quibus structura hominis magnifice commendatur. Haec solide explicare nemo potest, qui Anthropologiae est ignarus." Juristische Studien werden von Aisted mit der charakteristischen Begründung empfohlen, „vt populo inculcetur Studium & zelus piorum Imperatorum: id quod multum ponderis habet in concionibus. Deinde vt eximatur opinio illa quibusdam Theologis, Iurisprudentiam pugnare cum Theologia." (ebd.) Auch spätmittelalterliche Anweisungen konnten - wie gesehen - bereits Grundkenntnisse in Jura und Medizin vom angehenden Theologen fordern; vgl. oben Kapitel

2.1. 8 0 Methodus II, S. 7 9 : „Ius Canonicum quoque legi debet. Quanquam enim in eo est congeries multorum, quae ad stabiliendam Romani Pontificis tyrannidem excogitata sunt: tarnen &: multa ibidem habentur valde vtilia, vt patebit legenti." Siehe Andreas Hyperius, De recte formando theologiae studio, S. 5 6 0 - 6 1 9 . 8 1 Alsteds Überlegungen zum Verhältnis von Theologie und Philosophie nehmen im zweiten Buch der „Methodus" - abgesehen von der schon erwähnten biblischen Hermeneutik - den breitesten Raum ein. Aisted spricht selbst davon, die Notwendigkeit des Philosophiestudiums für die angehenden Theologen „fuse" dargelegt zu haben; siehe Methodus II, S. 7 4 . Die entsprechenden Ausführungen belaufen sich in dem hier zugrundegelegten Exemplar auf rund 3 6 Quart-Seiten. 8 2 Die „Notwendigkeit" („necessitas") des Philosophiestudiums für den angehenden Theologen wird von Aisted mit folgenden vier Argumenten begründet (Methodus II, S. 38): „1. [Philosophia docet nos cognitionem Dei, ex opificio mundi petitis rationibus; quae res plurimum facit ad erudiendum populum.]" Ebd., S . 3 9 : „2. [Philosophica naturae contemplatio mirifice in nobis accendit amorem Dei; ita vt vsus philosophiae sit in Theologia, 8c quoad theoriam, & quoad praxin.]" Ebd., S. 3 9 f . : „3. [Philosophia est necessaria ad rerum diuinarum tractationem methodico aliquo systemate comprehendam.]" Ebd., S. 4 0 : „4. [Multi termini simplices, multae item conclusiones seu quaestiones Theologicae, nec plene intelligi, nec satis diiudicari possunt sine cognitione rerum philosophicarum.]" Siehe auch ders., Compendium theologicum, S. 13. 8 3 Methodus II, S . 4 1 : „Thesis vera est: Philosophia cum vera Theologia nunquam pugnat. Rationes pro hac thesi sunt. 1. Dona Dei inter se non pugnant." 8 4 Vgl. dazu Althaus, S. 1 3 - 1 7 .

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Kapitel 6: Konzeptionen

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Theologenausbildung

logen folgende philosophische Disziplinen zum vorbereitenden Studium empfohlen: Logik als „instrumentum i n s t r u m e n t o r u m " 8 5 , Physik, Mathematik - inklusive ihrer damaligen „Unterdisziplinen" Arithmetik, Geometrie, Musik, Optik, Architektur, Astronomie, Geographie - , Metaphysik und die „praktischen Disziplinen" Ethik, Ökonomie, Politik, Scholastik und Historik, 8 6 wobei Aisted hier keine systematische und vollständige Beschreibung des Artes-Curriculums geben will. 8 7 Es ist sofort sichtbar, dass Aisted ein gegenüber den bisher betrachteten lutherischen Anweisungen ungleich breiter angesetztes, in sich differenzierteres philosophisches Propädeutikum verlangt. Doch wird erst noch zu untersuchen sein, wie die zeitgenössischen Wittenberger Theologen des 17. Jahrhunderts das herkömmliche artistische Vorstudium konzipieren, sollen nicht durch einen Vergleich ,ungleichzeitiger' Konzeptionen falsche bildungsgeschichtliche Folgerungen gezogen werden. 2) Z u m anderen fällt unter den Leitbegriff der „cura artis" natürlich auch das theologische Fachstudium selbst. Dieses soll seinem wesentlichen Grundvollzug nach nichts anderes sein als häuslich-private Lektüre der Heiligen Schrift („lectio Sacrae Scripturae"). 8 8 Die so ausführliche Erläuterung der grammatikalisch-rhetorischen Figuren der Bibel im zweiten Band der „libri praecognitorum" hat ihren vornehmlichen Zweck gerade darin, dem Studenten das analytische Rüstzeug zu einer selbständigen „verstehenden" Bibellektüre an die H a n d zu geben. Das Bibelstudium des Studenten bildet für Aisted gleichsam das „ H a u p t " des Theologiestudiums, um das alle weiteren im Rahmen universitärer Lehrveranstaltungen anfallenden Studienakte als „Hilfswissenschaften" angelagert werden. 8 9 Im Unterschied zur biblischen Isagoge, mit der Aisted eigener Auskunft zufolge die „vorrangige und verstandesgemäße Art der Bibellektüre" ( „ m o d u m legendi S. Scripturam dianoeticum principalem") entfaltet haben wollte, versteht er das Studium der theologischen Fächer demgegenüber geradezu als eine „Hilfsweise" („modus subsidiarius") des privaten Bibelstudiums. 9 0 Die inhaltlichen Dimensionen des theologischen Fachstudiums lassen sich am besten einer Passage der „ M e t h o d u s " entnehmen, in der Aisted einen sachlichen „ o r d o " der einzelnen Stoffe empfiehlt: „Der Körper der gesamten Theologie 85

M e t h o d u s II, S.75. Siehe Methodus II, S. 7 4 - 7 8 . 87 M e t h o d u s II, S.74: „ N o n instituimus hoc loco accuratam Philosophiae distributionem: sed ordinem doctrinae melioris obseruabimus. De ordine doctrinae accuratioris ex professo tractare est Philosophorum. Nos informemus Theologiae candidatum quoque ordine singulas Philosophiae partes percurrere debeat, ostendamus." 88 M e t h o d u s II, S. 80: „Paedia Theologica est generalis, & specialis. Paedia generalis est circa lectionem sacrarum literarum, quas dicimus Biblia sacra. Haec nempe sunt f u n d a m e n t u m omnis omnino sapientiae coelestis. Proinde illorum lectio est vnice necessaria." 89 Methodus II, S.685: „Caput autem rei in hoc studio nobis est lectio sacrarum literarum, quae q u o m o d o legendae sint cum vero pietatis affectu, & in eadem profectu praecognoscendum est iis, qui summo Theologo, qui est Iesus Christus, conformes in hac vita fieri cupiunt." 90 Methodus II, S.680. 86

3. Jobann

Heinrich

Aisted:

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(1615)

157

wird in sieben Glieder unterteilt, welche sind die Praecognita, die natürliche Theologie, die Katechetik, die scholastische Theologie, die Soterologie[!] oder kasuistische Theologie, die prophetische und die akroamatische [Theologie]. Wie wir diese sieben Glieder oben im ersten Buch festgestellt und im Vorhergehenden begrenzt haben. Dann sollen diese einzelnen Teile durchlaufen werden, und zwar so, dass sie einzeln für sich absolviert werden, nicht aber zur gleichen Zeit mehrere miteinander verbunden werden. Zuerst also werden die Praecognita zur Hand genommen, denen nach ihrer Absolvierung die natürliche Theologie folgt, und so weiter." 91 Alsteds Einteilung des theologischen Wissensfeldes ist bis zu einem gewissen Grad seine eigene Schöpfung.92 Dabei zögert Aisted auch nicht, einige gebräuchliche Disziplinenbezeichnungen mit neuen semantischen Inhalten zu belegen. Eine nähere Verständigung über die Bedeutung der genannten Disziplinenbezeichnungen ist deshalb unumgänglich: Der Student soll nach Beendigung der vorbereitenden Artes-Studien zuerst die theologischen „Praecognita" studieren, unter denen - vom Inhalt des Alstedschen Werkes her zu schließen - vornehmlich Studienanweisungen und Einführungen in die grammatisch-rhetorische Bibelauslegung (unter Zuhilfenahme der Loci-Methode) zu verstehen sind. Dann erfolgt das Studium der „theologia naturalis", einer im Grunde philosophischen, von Aisted im Unterschied zu seinem geistigen Vorbild Bartholomäus Keckermann gleichwohl der Theologie zugeschlagenen Disziplin, in der Möglichkeiten einer rein „natürlichen", mit den Mitteln der bloßen Vernunft erreichbaren Gotteserkenntnis eruiert werden. 93 Die daran im Anschluss zu studierende „katechetische Theologie" bietet nach Aisted eine auf heilsnotwendiges Wissen hin ausgerichtete, komprimierte Darstellung der christlichen Grundwahrheiten, die insbesondere der Glaubensvermittlung an Kinder und Jugendliche erleichtern soll. In der scholastischen Theologie werden eben diese Grundwahrheiten sodann „wissenschaftlich" en detail entfaltet und vor allem auch kontroverstheologisch diskutiert. Dann sind die „theologia casuum" - die kasuistische Theologie 94 - und schließlich die von Aisted so genannte propheti9 1 Methodus II, S . 6 8 0 : „[Vniversae Theologiae corpus diuidatur in Septem membra, quae sunt, Praecognita, Theologia naturalis, Catechesis, Theologia Scholastica, Soterologia seu Theologia casuum, Prophetica, & Acroamatica. Prout haec membra supra libro primo constituimus &C finiuimus in antecessum. Tum percurrantur singulae istae partes, ita quidem, vt singulae seorsum absoluatur, non autem vno tempore plures coniungantur. Primo igitur Praecognita in manus sumantur; quibus absolutis ad Theologiam naturalem accedatur, & sic consequenter.]" 9 1 Aisted verweist auf die übliche Auffächerung, Methodus I, S. 1 4 2 : „Vsitata est in Scholis distinctio Theologiae, in positiuam, scholasticam, in practicam, & in controuersiam." 9 3 Vgl. zu Keckermann Hell, S. 8 5 - 8 7 . 9 4 Es handelt sich dabei um eine Theologie der Seelsorge (Poimenik). Aisted, Compendium Theologicum, S . 3 8 6 : „THeologia casuus est dottrina solvens casus conscientiae ad obtinendam ipsius tranquillitatem. Alias appellator schola tentationum: quia haec promiscuè sumuntur, casus, quaestio & tentatio conscientiae. Ejus partes duae sunt: una de hominis conscientiä illiusque anatome, alter de modo afflictum conscientiam tranquillandi."

158

Kapitel 6: Konzeptionen der

Theologenausbildung

sehe und akroamatisehe Theologie zu studieren. Bei den beiden zuletzt genannten Disziplinen handelt es sich um zwei, auf unterschiedliche „ S u b j e k t e " bezogene Theologien, in denen Verständnis, Rechte und Pflichten des geistlichen Amtes beziehungsweise der Gemeinde erörtert werden. An dem solchermaßen entworfenen Curriculum des reformierten Theologen Aisted muss die „exegetische" Leerstelle auffallen. Aisted kennt offenbar kein Fach, das speziell auf die Vermittlung biblischen Wissens ausgerichtet wäre. 9 5 D a m i t wird indirekt bestätigt, was oben bereits festgestellt wurde: Das eigentliche Studium der Bibel vollzieht sich nach Aisted nahezu ausschließlich im R a h m e n der privaten Praxis pietatis. Wie die Passage aus der „ M e t h o d u s " zeigt, hat die Theologie bei Aisted bereits einen relativ hohen Grad an innerer Fächerdifferenzierung erreicht. Die Einteilung in die verschiedenen „ m e m b r a " erfolgt nicht nur nach inhaltlichen Gesichtspunkten, sondern offensichtlich auch unter dem Aspekt des jeweiligen Adressatenkreises, auf den hin der theologische Inhalt in dem einzelnen Fach spezifiziert wird. So richtet sich die „theologia naturalis" im Grunde an alle rational ansprechbaren M e n s c h e n , die „theologia c a t e c h e t i c a " an die Jugend, die „scholastische T h e o l o g i e " an die Studenten, die „theologia c a s u u m " vornehmlich an die Geistlichen, die „theologia p r o p h e t i c a " und die „theologia a c r o a m a t i c a " schließlich an alle Gemeindechristen. 9 6 Der Theologiestudent soll sich nach Aisted offenbar im Verlauf seines Studiums bis zu einem gewissen Grad in unterschiedlichen Rezipientenrollen erleben. Der „ o r d o " dieses theologischen Curriculums ist von der inneren Logik her nicht wirklich zwingend. Immerhin scheinen die einzelnen Fächer so zusammengestellt worden zu sein, dass ein gewisser Progress entsprechend der biographischen Entwicklung (vom Kind zum Geistlichen) und der beruflichen Spezifikation (von der allen zugänglichen natürlichen Theologie zur Theologie des Geistlichen Amtes) erkennbar wird. Das Theologenideal, das Aisted durch seine anweisende „ M e t h o d u s " dem Studenten nahe zu bringen versucht, zeigt einen frommen und umfassend gebildeten theologischen Lehrer, der insbesondere über gediegene philosophische Kenntnisse verfügt. 9 7 Auffallend ist, wie sehr trotz aller übergeordneten enzyklopädischen Gesichtspunkte die berufliche Perspektive Alsteds theologisches Bildungskonzept bestimmt. Das Theologiestudium ist eine Ausbildung zur geistlichen Profession: zum Gemeindepfarrer oder zum akademisch beziehungsweise schulisch tätigen Theologen. Dabei setzt das von Aisted entwickelte Konzept zu seiner Realisierung nicht notwendigerweise einen universitären K o n t e x t voraus. Viele anweisende Überlegungen scheinen sich eher auf ein häuslich-privates Studium zu beziehen. Insbesondere scheint Aisted das für sein Konzept zentrale Bibelstudium nur in Form einer privaten Bibellektüre des einzelnen Studenten zu 95

Vgl. schon Hell, S . 9 1 f .

96

S i e h e M e t h o d u s I, S. 1 3 5 - 1 4 4 .

97

Aisted will die U m f ä n g l i c h k e i t der v o r g e s t e l l t e n , d u r c h d a s S t u d i u m zu e r w e r b e n d e n

K e n n t n i s s e g e r a d e z u als Ü b u n g z u r D e m u t v e r s t a n d e n w i s s e n ; siehe M e t h o d u s II, S . 6 8 5 .

3. Johann

Heinrich

Aisted:

„Praecognitorum

theologicorum

libri duo"

(1615)

159

kennen. So sehr nun auch neuaristotelische Einflüsse in der Anlage der „Praecogn i t a " , in der topischen Ordnung des theologischen Wissens, nachweisbar sind, so wenig werden doch die in den bisher untersuchten Anweisungen greifbaren humanistischen Studieninhalte und -methoden in Frage gestellt. In der literarischen Verbindung einer biblischen Hermeneutik mit der Anweisung zum Theologiestudium folgt Aisted - vermittelt über Hyperius - einem letztlich erasmianischen Programm. Das Studium der Sprachen und der Artes, darunter insbesondere auch der „praktischen" Fächer wird breit angesetzt. Das Anlegen und Führen von handschriftlichen Loci-Heften wird gleichsam als Universalmethode, als Generalzugang zu jedem der genannten theologischen Fächer empfohlen. 9 8 Das theologische Bildungs- oder, besser gesagt, Ausbildungskonzept Alsteds bleibt in wesentlichen Punkten humanistischen Vorstellungen verpflichtet.

9 8 So soll sich der Student für jedes der genannten theologischen Fächer ein eigenes BlankoBuch zulegen, in das bestimmte fixe Leitbegriffe eingetragen werden, denen jeweils mehrere freie Seiten zur Aufnahme entsprechender Notate zugeordnet sind; siehe Methodus II, S. 6 8 1 f.: „Nulla autem via hie inueniri potest alia, nisi haec, vt locos communes adornemus, qui sunt veluti memoria subsidiaria & repraesentatitia[!]. [...] Partes maiores, sunt ipsa Volumina; quae volumus esse Septem in hoc studio, ita vt peculiari volumine disponantur praecognita, peculiari Theologia naturalis, Catechetica, & c . "

Kapitel 7

Lutherisch-orthodoxe Anweisungen zum Theologiestudium 1.

Quellenlage

Nachdem sich Melanchthon und Luther zu Wesen und Anlage des Theologiestudiums an exponierten Stellen, aber jeweils in unterschiedlicher Akzentuierung geäußert hatten, griffen die Schüler das Thema auf und versuchten eine Synthese wesentlicher Elemente aus den Anweisungsüberlegungen der beiden großen Wittenberger Lehrer. Besonders konsequent verfuhr dabei David Chytraeus in seiner Repetitionsrede, in der er die eher humanistische Studienanweisung Melanchthons mit dem eher monastischen Studienideal Luthers verband. Eine ähnliche Tendenz ließ auch die Vorrede Caspar Crucigers d.Ä. zu Spangenbergs lateinischer Ausgabe des Loci-Schulbuchs „Margarita theologica" erkennen. 1 Der Bekanntheitsgrad der Repetitionsrede - sie erschien offenbar nur in einem Sammelband - war allerdings begrenzt und dürfte kaum über die sächsischen Territorien hinaus gereicht haben. Einen regelrechten Publikationserfolg mit einer Anweisung konnte Chytraeus erst an seiner neuen Wirkstätte, der Universität Rostock, mit der „Oratio de studio theologiae recte inchoando" (1560) verzeichnen, für die allein im 16. Jahrhundert neun Ausgaben nachweisbar sind. 2 Auch der ehemalige Wittenberger Student Victorin Strigel ( 1 5 2 4 - 1 5 6 9 ) publizierte als Professor in Jena und Leipzig theologische Anweisungen. 3 Nicht zu vergessen ist ferner der als Anweisungsautor einflussreiche Lutherfreund und -schüler Hieronymus Weller ( 1 4 9 9 - 1 5 7 2 ) , der an der Freiberger Lateinschule theologische Vorlesungen hielt. 4

Vgl. oben Kapitel 4 . 3 . Vgl. die Drucknachweise bei T. Kaufmann, Universität, S . 6 2 5 f . 3 Victorin Strigel: R a t i o discendi theologiam. In: Enchiridion theologicum. In quo contentur libelli in usum tyronum theologiae: Scripti à viro clarissimo: memoriae Victorino Strigelio [...], Bremen 1 5 8 4 , Bl. A l a - A 6 b ; ders., O r a t i o de studio theologico, praelectioni locorum theologicorum D. Philippi piae memoriae, Ienae, A. 1 5 5 2 [ 0 9 . 0 3 . 1 5 5 2 ] . In: ders., Orationum clarissimi viri D. Victorini Strigelii, Tomus secundus, J e n a 1 5 8 9 , S. l a - 1 2 h (Erman/Horn, Bd. 1, S . 3 9 2 , Nr. 8 0 4 1 ) . 4 Hieronymus Weller: R a t i o formandi studij theologici [...], Nürnberg 1 5 6 3 (Erman/Horn, Bd. 1, S. 3 9 3 , Nr. 8 0 6 8 ) . Vgl. A D B 4 4 , S . 4 7 2 f . , und T. Kaufmann, Universität, S. 2 9 5 - 2 9 7 (mit Literaturhinweisen ). 1

2

1.

Quellenlage

161

Während also die Luther- und Melanchthon-Schüler an ihren neuen Arbeitsstätten Anweisungen von teilweise beachtlicher Breitenwirkung verfassten, wurden in Wittenberg seit dem Tod Melanchthons derartige Schriften offensichtlich von keinem Universitätslehrer mehr in Angriff genommen. Für den Zeitraum von 1560 bis etwa 1610 ist aus der Feder der Wittenberger Theologieprofessoren kein einziger, im eingangs definierten Sinne als „Anweisung zum Theologiestudium" zu bezeichnender Text bekannt. 5 Die auffällige .Leerstelle' dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass die besagte Rostocker „Oratio" des Chytraeus offensichtlich auch für den entsprechenden Lektürebedarf in Wittenberg als hinreichend erachtet und empfohlen wurde, zumal Chytraeus viele Ausgaben seines Rostocker Opus in Wittenberg hatte drucken lassen. Möglicherweise erwiesen sich aber auch die ständigen Revisionen der Universitätsgesetzgebung sowie der häufige personelle Wechsel in der Theologischen Fakultät während der Jahre 1574 bis 1606 in dieser Hinsicht als ungünstig. 6 Wittenberger Anweisungen zum Theologiestudium begegnen jedenfalls erst wieder um 1610, also nachdem sich die personelle Lage in der obersten Fakultät durch die staatlichen Umstrukturierungen auf der Basis eines streng lutherisch-orthodoxen Kurses stabilisiert hatte. Im Jahr 1635 gab der Wittenberger Theologieprofessor Johann Hülsemann (1602-1661) sein unter dem Titel „Methodus concionandi" erschienenes Sammelwerk heraus. 7 Der Band hatte beachtlichen Erfolg und wurde insgesamt sie5

Die von Erman/Horn, Bd. 1, S. 394, Nr. 8080, unter die Studienanweisungen gezählte Rede des Wittenberger Professors Johannes M a t t h ä u s (1526-1588) „De studio theologico non deser e n d o " von 1580 ist keine Anweisung zum Theologiestudium, sondern eine im Geist Melanchthons gehaltene Werberede für das Theologiestudium, die der Autor dem Rat seiner Heimatstadt Schmalkalden als M a h n u n g zum Erhalt der dortigen Schule gewidmet hat; siehe die von Caspar Cruciger d.Ä. rezitierte Rede Melanchthons „De dignitate studii theologici" (1537): CR 11, S p . 3 2 4 - 3 2 9 (Nr.44). 6 Vgl. etwa die häufige Neubesetzung der vierten Professur: Friedrich Wiedebram ( 1 5 7 0 1574), Kaspar Eberhard (1574-1577), Polycarp Leyser d.Ä. (1577-1587), David Voit ( 1 5 8 7 1589), Urban Birnbaum (Pierius) (1590-1591), Ägidius Hunnius ( 1 5 9 1 - 1 6 0 3 ) . 7 Das Werk erschien 1648 in dritter Auflage (Oktav-Format) unter dem Titel: Johannis Hulsemanni, Doctoris Theologi in Academia Wittebergensi, Methodus Concionandi, auctior edita. Cui accesserunt ejusdem autoris Methodus Studii Theologici, in privatum q u o r u n d a m usum conscripta; nec non Doctoris Johannis Forsteri, Methodus ac formulae concionandi, eiusdemque & D.D. [= Doctorum] Leonhard Hutteri, ac Balthasaris Meisneri celeberrimorum quondam in eädem Academia Doctorum & Profeßorum. Consilia De studio Theologico, & lectione Biblicä recté instituendis, ob argumenti similitudinem in unum volumen collecta; 6c impressa. Editio tertia. [...], Wittenberg 1648. Zwei Ausgaben waren zuvor 1635 und 1638 in Wittenberg erschienen (VD17: 14:685347P; 23:644830P). Dem Titelblatt des 1666 in Leipzig veröffentlichten Predigtbandes lässt sich entnehmen, dass Hülsemann 1631 und in den darauffolgenden Jahren an der Leucorea Vorlesungen zur homiletischen Rhetorik gehalten hat, aus denen seine „ M e t h o d u s concionandi" offensichtlich hervorging: Johannis Hülsemanni Doctoris Theologi, de ecclesia Aug. Conf. optimé meriti dispositiones epistolares, sive lectiones in epístolas dominicales et festorum totius anni, qvibus pericopae illae ad f u t u r u m concionandi usum eleganter disponuntur, & tironibus studiorum theologicorum via & methodus monstratur exponendi eas &

162

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen zum

Theologiestudium

benmal aufgelegt. 8 Er vereinigte Texte des Herausgebers und seines inzwischen verstorbenen Kollegen, des Stadtkirchenpfarrers und Inhabers der vierten theologischen Professur, J o h a n n Förster ( 1 5 7 6 - 1 6 1 3 ) . Beide waren in dem Band mit je einer Einführung in die Homiletik sowie einer Anweisung zum Theologiestudium vertreten. Ferner enthielt das Werk - wohl schon in der ersten Auflage noch zwei weitere, ältere Anweisungen aus der Feder Wittenberger Theologieprofessoren: Die „Brevis Instructio de lectione biblica & locis c o m m u n i b u s " 9 Balthasar Meisners ( 1 5 8 7 - 1 6 2 6 ) von 1 6 1 4 sowie das „Consilium de studio theologico

rectè inchoando

feliciterque

continuando"10

Leonhart

Hütters

( 1 5 6 3 - 1 6 1 6 ) , das in den J a h r e n zwischen 1 6 1 0 und 1 6 1 6 entstand. Beide Anweisungen waren zuvor noch nicht im Druck erschienen. 1 1 Über ihren Entstehungskontext lässt sich nicht mehr viel in Erfahrung bringen. Meisner und Hütter hatten die Texte offenbar nur handschriftlich ausgearbeitet, möglicherweise als Grundlage akademischer Reden zur Einführung in das Theologiestudium. Die im Hülsemannschen Sammelband vereinigten Anweisungen sind allesamt an Studenten der Universität Wittenberg adressiert. 1 2 Die Texte, die eindrucksvoll belegen, wie sich die Wittenberger Theologieprofessoren ab 1 6 1 0 wieder aktiv am theologisch-isagogischen Diskurs beteiligten, sollen im Folgenden - der Reihenfolge ihrer zeitlichen Entstehung nach - auf die in ihnen entworfenen Bildungskonzepte und das darin zum Ausdruck kommende Selbstverständnis der Theologen hin untersucht werden. Hinzutritt ferner die umfangreiche und im Untersuchungszeitraum völlig singuläre Reihe von Disputationen über die „Praecognita t h e o l o g i c a " , die Balthasar Meisner 1 6 2 5 an der Leucorea disputieren ließ, sowie abschließend die Anweisungsmonographie „Paedia t h e o l o g i c a " A b r a h a m Calovs, die erstmals 1 6 5 2 erschien. Die drei zuletzt genannten Textkorpora bilden die maßgebliche Quellenbasis für die nachfolgende Untersuchung der Wittenberger Anweisungen zum Theologiestudium aus der ersten

tradendi dextere ac utiliter, publice qvondam in Acad. Wittebergensi a n n o 1 6 3 1 . seqq. studiosi dictatae, nunc ad multorum vota luci expositae, Leipzig 1 6 6 6 . 8 Wittenberg, 1 6 4 8 ; Leipzig, 1 6 5 6 ; Wittenberg, 1 6 5 7 ( V D 1 7 : H 3 9 : 1 4 1 0 8 2 U ) ; Wittenberg, 1 6 6 7 ; Wittenberg, 1 6 7 1 . Von den bei Witte, M e m o r i a e T h e o l o g o r u m , B d . 2 , Decas Decima, S. 1 3 8 4 , genannten Ausgaben Wittenberg 1 6 6 0 und 1 6 7 7 (verschrieben?) ließ sich noch kein Exemplar nachweisen. 9 Hülsemann, Methodus, S . 4 3 5 - 4 4 8 (Erman/Horn, B d . l , S . 3 9 4 , N r . 8 0 9 0 ) . 1 0 Hülsemann, Methodus, S . 3 9 7 - 4 1 7 (Erman/Horn, B d . l , S . 3 9 4 , N r . 8 0 9 5 ) . 11 Der Obertitel der beiden Schriften ( „ C o n s i l i u m " ) , der möglicherweise auf Hülsemann zurückgeht, wird im Folgenden der Einfachheit halber beibehalten. 1 2 Die Frage, ob vorwiegend Studenten der Artes-Fakultät oder schon Studenten der Theologischen Fakultät ursprünglich angesprochen werden sollten, ist nicht definitiv zu beantworten, ist aber auch angesichts der damals fließenden Grenzen zwischen den beiden Fakultäten in ihrer Bedeutung zu relativieren; vgl. T. K a u f m a n n , Frühneuzeitliche Religion, S. 3 9 1 ; ders., Universität, S . 3 1 9 f .

1.

Quellenlage

163

Hälfte des 17. Jahrhunderts. 13 Die bereits 1614 vorgetragene „Brevis instructio" Meisners ist, da sie lediglich zur rechten Einrichtung des Bibellesens und (kontroverstheologischer) Loci-Kollektaneen anleiten will, nur bedingt aussagekräftig im Blick auf das zugrundeliegende Theologenideal und wird deshalb im Zusammenhang mit der Disputationsreihe von 1625 berücksichtigt. 14 Weil das zu untersuchende Quellenmaterial in vieler Hinsicht gleichförmig ist, zahlreiche inhaltliche Parallelen und Überschneidungen aufweist, die sachlichen Differenzen jedoch erst auf den zweiten Blick erscheinen, wird hier folgender Modus der analysierenden Betrachtung gewählt: Innerhalb der beiden Quellengruppen, den beiden kleinen „Consilia" und den drei größeren programmatischkonzeptionellen Entwürfen, wird jeweils die erste Quelle ausführlicher behandelt, um eine möglichst detailreiche Vorlage zu haben, auf der sich dann die anderen Texte der Gruppe beobachten lassen. Die analytischen Abschnitte zu den weiteren Quellen lassen sich dadurch weitgehend auf Beobachtungen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden hin konzentrieren. Dieser Verfahrungsmodus der „progressiven Rückkoppelung" gewährt vielleicht am ehesten die Möglichkeit, Veränderungen, Verschiebungen, Entwicklungen innerhalb der Studienkonzepte und des in ihnen vermittelten Theologie- und Selbstverständnisses auf die Spur zu kommen. Eine terminologische Bemerkung ist noch vorauszuschicken. Wie die Studie von Hell gezeigt hat, entwickelte sich die Auffassung von der Theologie als einer 13

Das bei Jöcher, Bd. 2 (1750), Sp. 1778, genannte „Consilium de studio theologiae recte inc h o a n d o feliciterque pertexendo", das der Wittenberger Theologieprofessor Nikolaus Hunnius (1585-1643) handschriftlich hinterlassen haben soll, hat sich trotz intensiver Archivrecherchen bislang nicht auffinden lassen und muss deshalb unberücksichtigt bleiben. Nicht in den hier gegebenen Untersuchungszusammenhang gehört das kleine, 4 7 Oktav-Seiten starke Schriftchen „De studio theologico compendiariä, genuina tarnen ratione, inchoando & continuando breve consilivm" (Wittenberg 1631) des schwedischen Mediziners Kaspar Bartholinus (1585-1629); vgl. Erman/Horn, Bd. 1, S. 395, Nr. 8108. Die Anweisung wurde zwar (posthum) in Wittenberg gedruckt, w o Bartholinus, beeinflußt vor allem durch Jakob Martini, wenigstens zwei Jahre studiert (1603-1605) und später (nach 1610) nochmals als Mediziner praktiziert hatte, entstammt aber, wie das Titelblatt erkennen lässt, seiner Zeit als Doktor und Professor der Theologie in Kopenhagen (ab 1626), hat also einen anderen Entstehungskontext als den der Leucorea; vgl. Käthe, S.211, A n m . 2 6 7 . 14 Balthasar Meisner: Brevis instructio de lectione biblica & locis communibus. B.D. Balthasaris Meisneri, praelecta mense martio anno 1614. In: Hülsemann, Methodus concionandi, S.435—448. Daneben sind noch gelegentlich Schriften, die aus den H ä n d e n Wittenberger Professoren stammen, sich jedoch nur abschnittsweise dem Thema der Anweisung zum Theologiestudium widmen oder eher allgemein in das Universitätsstudium einführen, bei den einzelnen Interpretationsgängen heranzuziehen. Z u denken ist etwa an Privatbriefe wie zum Beispiel an den studienberatenden Brief, den Friedrich Balduin seinem Schwager Balthasar Meisner 1604 geschrieben hat; abgedruckt bei Tholuck, Geist der lutherischen Theologen, S. 1 5 - 1 7 . Dagegen stellt die „Paedia seu prudentia in disciplinis generalis" Jakob Martinis von 1631 - ungeachtet ihres anweisungsverdächtigen Titels - eine an Aristoteles orientierte, mit zahlreichen Beispielen durchsetzte Einführung in die Logik dar. Das Werk ist für den hier gegebenen Untersuchungszusammenhang nur indirekt von Belang.

164

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Wissenschaft, die aus einem mehr oder weniger festen Kanon inhaltlich und methodisch verschiedener Disziplinen aufgebaut ist, erst in der Auseinandersetzung mit den Wissenschaftskonzepten der Aufklärung. 15 Gleichwohl lässt sich das Bewusstsein, dass die Theologie ein Fach aus Fächern und Fachgruppen war, schon bis in die Anfänge der Frühen Neuzeit zurückverfolgen. Obwohl man noch bis ins 18. Jahrhundert hinein an der Vorstellungen der materialen Einheitlichkeit der Theologie festhielt, wurde doch schon früh zwischen verschiedenen theologischen Stoffgebieten, vor allem zwischen Bibelexegese und Dogmatik, unterschieden. Wenn im Folgenden daher von „Stoffgebieten" oder „Fächern" der Theologie die Rede ist, dann sind dabei moderne Vorstellungen von selbständigen' theologischen „Disziplinen" noch fernzuhalten. Es geht nur darum, verschiedene Stoffgebiete einer damals freilich insgesamt noch als wissenschaftlichen Einheit verstandenen Theologie griffig zu bezeichnen.

2. F r ü h e Studienratgeber 2.1 Johann Förster: „Consilium de Studio Theologico rite instituendo & absolvendo" (1608-1613) Neben seinen eigenen Einführungsschriften in die homiletische Rhetorik sowie in das Studium der Theologie hatte Johann Hülsemann in den von ihm herausgegebenen Sammelband von der ersten Auflage an auch ein kurzes „Consilium de Studio Theologico rite instituendo & absolvendo" seines einstigen Wittenberger Kollegen Johann Förster aufgenommen. Der aus dem vogtländischen Auerbach stammende, dichterisch begabte Förster hatte nicht in Wittenberg, sondern in Leipzig Artes und Theologie studiert, wo er auch - nach einigen Jahren im Schul- und Gemeindedienst - 1606 zum Dr. theol. promoviert worden war. 1608 übernahm er an der Leucorea eine der unteren, mit einem Predigtauftrag an der Schlosskirche verbundenen theologischen Professuren. 16 Förster scheint sich während seines kurzen Wirkens als Wittenberger Theologieprofessor - 1613 wechselte er bereits wieder die Stelle und übernahm die Generalsuperintendentur in Eisleben - vorwiegend alttestamentlichen und dogmatischen Fragen gewidmet zu haben: Er publizierte Disputationsreihen zum Dekalog, zum Apostolikum, zum „Kleinen Katechismus", ferner einige Bände mit Predig-

15

Vgl. Hell, S. 1 8 7 - 2 1 5 . Vgl. GUW, S.406f.; Jöcher, Bd. 2 (1750), Sp.679; Witte, Memoriae Theologorum, Bd. 1, Decas Prima, S. 6 6 - 7 1 . Die Jahresangabe 1609 bei Jöcher ist falsch, wie schon Erdmann, S. 70, zu Recht festgestellt hat. N a c h Suevus, Bl. M m 2 a , war Förster 1608 bereits Rektor der Wittenberger Universität. 16

2. Frühe Studienratgeber

165

ten, darunter eine umfangreiche Homilie zum Buch Exodus. 1 6 2 0 erschien posthum sein aus Vorlesungen erwachsener J e s a j a - K o m m e n t a r . 1 7 Auch zur Einrichtung des Theologiestudiums hat sich Förster schriftlich geäußert, und zwar in F o r m eines „ C o n s i l i u m " , das er nicht erst eigens für das Hülsemannsche Werk verfasst, sondern offensichtlich schon zuvor ausgearbeitet hatt e . 1 8 Als Ausgangspunkt für die zunächst zu bedenkende Frage nach dem T h e o logieverständnis bietet sich die Definition an, die Förster im Z u s a m m e n h a n g seiner Anweisungen zum Dogmatikstudium gibt. D o r t bestimmt er die Theologie als Wissenschaft („disciplina"), in der es darum geht, „den sündigen M e n s c h e n über das mit Eifer zu ergreifende ewige Heil zu informieren, zu welchem zu erreichenden Z w e c k die Loci communes die Mittel sind. Unter diesem N a m e n k o m men die Glaubensartikel [daher], die in der Schrift begründet s i n d " 1 9 . Diese Definition zeigt mit ihrer Zweck-Mittel-Relation bereits deutlich den Einfluss der sich im Luthertum um 1 6 0 0 verstärkenden Rezeption neuaristotelischer Terminologie und M e t h o d o l o g i e . 2 0 Der Ausdruck „disciplina i n f o r m a n d i " deutet darauf hin, dass Förster die Theologie als eine „praktische" Wissenschaft versteht. Der von M e l a n c h t h o n geprägte „Doctrina"-Begriff wird an dieser Stelle bezeichnenderweise nicht mehr aufgenommen, die Theologie nicht einfach als „doctrin a " definiert, als ob bereits die durch die Offenbartheit der Inhalte begründete Gewißheit die Theologie zur Wissenschaft machte. Konstitutiv ist vielmehr der Bezug auf eine berufliche Praxis, die darin besteht, M e n s c h e n anhand der Glaubensartikel über den Weg zum ewigen Seelenheil zu unterrichten. Die spärlichen Ausführungen zum Theologiebegriff in Försters „ C o n s i l i u m " dürfen freilich nicht überbewertet werden. Eine eindringendere Diskussion der mit der Theologie gegebenen wissenschaftstheoretischen Probleme ist nirgends 1 7 Vgl. das (unvollständige) Werkverzeichnis bei Witte, M e m o r i a e T h e o l o g o r u m , Bd. 1, Decas Prima, S. 6 9 - 7 1 . N a c h dem Statutenentwurf Kurfürst Christians II. von 1 6 0 6 sollte der vierte Professor „wechselweis handeln die häubtartickel christlicher lehr einmal aus dem Libro Concordiae, das ander mal aus den locis communibus Philippi." ( U U W I, S . 6 5 4 [Nr. 5 2 8 ] ) Z u Förster fehlt eine neuere Bibliographie; vgl. die Publikationslisten in den entsprechenden Artikeln bei Zedier und Jöcher. 1 8 Der Verfasser des einschlägigen Artikels zu „Forster ( J o h . ) " in Jöchers Gelehrtenlexikon, Bd. 2 ( 1 7 5 0 ) , Sp. 6 7 9 , führt die „ M e t h o d u s " und das „ C o n s i l i u m " Försters in seiner Werkauflistung als „notas ad J o h . Hülsemanni methodum concionandi 8c studii theologici" an. Dass aber Förster die beiden Werke eigens als „Anmerkungen" zu den entsprechenden Einführungsschriften Hülsemanns verfasst hat, ist schon von der Chronologie her nicht möglich: Hülsemann k a m erst 1 6 2 1 als Student nach Wittenberg; vgl. unten Abschnitt 4 . 2 . Da Förster in seinem „Consiliu m " auf das 1 6 0 7 in Neuburg/D. erstmals publizierte „Uncatholisch P a b s t u m b " J a k o b Heilbrunners Bezug nimmt (siehe J o h a n n Förster, Consilium, S . 4 3 3 ) , dürfte das Schriftchen (vgl. E r m a n / H o r n , Bd. 1, S. 3 9 4 , Nr. 8 0 8 9 ) wohl erst nach der Berufung auf die Wittenberger Professur entstanden sein. 1 9 Consilium, S . 4 2 1 : „Theologia est disciplina informandi hominem peccatorem, salutis aeternae recipiendae studio, cujus finis consequendi media sunt loci communes. Q u o nomine veniunt necessarii religionis Christianae articuli, qui fundati sunt in Scripturä." 20

Vgl. dazu unten Abschnitt 4 . 1 . 1 .

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Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

intendiert. Und so sehr auch Förster die Theologie berufspraktisch definiert, so wenig war doch damit der primäre Bezug auf das theologische Subjekt in Frage gestellt. Theologie war und blieb bei Förster stets auch eine Praxis, die der Theologe zu seinem eigenen Seelenheil vollzog. Jedenfalls ließ Förster keinen Zweifel am übernatürlichen Charakter (Theodosie) der Theologie. 21 Deutlich ist auch, dass die Loci, verstanden als die Lehrinhalte des christlichen Glaubens, ihre zentrale Stellung innerhalb der Theologie behalten. Sie sind das Medium, mit dessen Hilfe der Theologe die Gläubigen über den Weg zur Seligkeit unterrichten soll. Im Vergleich zu den übrigen Texten der Hülsemannschen „Methodus" hat das „Consilium" Försters ein eigenes Profil. Es ist streng nach den „Studienobjekten" („subjecta") gegliedert, das heißt, die Studieninhalte, nicht die Studienakte stehen im Mittelpunkt. Anhand von neun kurzen „Kapiteln" („capita") - ein zehntes Kapitel ist dem Studienverlauf gewidmet - erhält der Leser der kleinen Anweisung einen Uberblick über die wichtigsten theologischen Stoffe, klassifiziert und gewichtet nach „nützlichsten" („utilissima"), „nützlicheren" („utiliora") und „nützlichen" („utilia") Materien. Aufgrund der häufigen, wenn auch knapp gehaltenen Literaturhinweise, die Förster zu den theologischen Inhalten gibt, gewinnt das „Consilium" faktisch den Charakter eines Leseplans, wenngleich praktische Anweisungen zu bestimmten Studienakten keineswegs fehlen. Försters Ratschläge zielen also auf das häuslich-private Studium. Das aus der heutigen Studienberatungspraxis naheliegende Thema der zeitlichen Studienanlage wird nur gestreift. Da der Förstersche Text im Sinne des eingangs beschriebenen Verfahrens als Beobachtungsfolie dienen soll, ist hier ausführlicher darzustellen, wie sich der Wittenberger Professor Wesen und Anlage des Theologiestudiums vorstellt. Welche Studieninhalte werden genannt und wie werden sie im Einzelnen gewichtet? Auf der obersten Ebene kommen - wie zu erwarten - die Bibel und die „Loci communes" zu stehen, aber auch die „theologische Praxis" („Praxis Theologica"), worunter Förster vor allem die seelsorglich-kasuistische Praxis des Pfarramtes versteht. Auf der nächsten Ebene rangiert die theologische Tradition - Förster nennt in offensichtlich absteigender Klimax Luther, die kirchlichen Historiographen, die Kirchenväter und die Scholastiker - , auf der untersten Ebene die zeitgenössischen kontroverstheologischen Auseinandersetzungen zwischen lutherischen Autoren auf der einen und katholischen und reformierten auf der

2 1 Das zeigt gerade die Lobrede, die Johann Förster im Rahmen der Promotion seines Schülers Balthasar Meisner am 21. Januar 1612 auf Luthers Doktorat und Ehestand hielt; vgl. Liber Decanorum, S. 89. Dort wird die Belehrung durch den Heiligen Geist ganz selbstverständlich als die entscheidende Voraussetzung aller akademisch zertifizierten Schriftgelehrsamkeit herausgestellt. Die Mittel, durch die der Geist belehrt, sind freilich keine anderen als die schon von Luther genannten: „ardens oratio, devota meditatio, ac denique multivaria tentatio, docente ipso Reverendo Patre Luthero, in Praefatione, in Tomos, filo styloque Germanico conscriptos." (Förster, Oratio Panegyrica, S. 10)

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anderen Seite. Im Vergleich zur Studienanweisung des Chytraeus hat sich das inhaltliche Spektrum nur geringfügig verändert: Das Idealstudium des lutherischen Theologiestudenten hat auch zu Beginn des 17. Jahrhunderts vorrangig die Bibel, dogmatische Lehrbücher sowie ausgewählte Kirchenvätertexte zum Gegenstand, hinzugekommen sind einige „praktisch-theologische", „kirchengeschichtliche" und „kontroverstheologische" Studieninhalte. Die vorrangige Aufgabe im Theologiestudium ist das Bibelstudium. Es geschieht in zwei, offenbar von Anfang an nebeneinander her laufenden Studienakten: In einer kursorischen und in einer akkuraten Lektüre, oder in den Worten Försters: in einer „lectio minus accurata et sine commentario" und einer „lectio magis accurata et cum commentario" 2 2 . Beide Lektüren unterscheiden sich in fünffacher Weise, nämlich nach dem täglichen zeitlichen Aufwand, den zu Grunde zu legenden Bibelausgaben, dem am Tag zu bewältigenden Pensum biblischer und gegebenenfalls weiterer Texte, dem Modus der Lektüre und der Form der Ertragssicherung. 1) Zur kursorischen Lektüre soll sich der Student jeweils eine Stunde am Morgen und am Abend reservieren, dazu noch ein wenig Zeit nach dem Prandium. Textgrundlage ist die deutsche Bibelübersetzung - eine bestimmte Ausgabe wird nicht genannt, aber es ist anzunehmen, dass Förster dabei die Übersetzung Martin Luthers als Textgrundlage voraussetzt. Zwei Kapitel sollen täglich gelesen werden. Der Student soll sich auf diese Weise einen Überblick über die Themen der einzelnen biblischen Bücher, ja Kapitel verschaffen. Dabei soll er vor allem auf „Kernstellen" achten, sie am besten mit roter Tinte am Rand markieren und (durch wiederholtes Lesen) gründlich dem Gedächtnis einprägen. 23 Als Orientierung kann ihm das von Vinzenz Schmuck (1565-1628) erstellte „Bibelbüchlin" dienen. 24 Diese „denkwürdigen" Bibelverse sind möglichst auswendig zu lernen.

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Consilium, S . 4 1 8 f . Consilium, S.419: „Hic q u o q u e n o t a n d u m , quod singulis e capitibus certa q u a e d a m dicta ä^io|j,vr)|iövTa memoriae m a n d a n d a , utque tenaciüs memoriae inhaerescant, crebrö repetenda. Illa verö vel asterisci in margine ostendent, vel libellus Schmugkii, qui dicitur: Bibelbüchlein/ vel s u u m cuique judicium." 24 Vinzenz Schmuck: Bibelbüchlin. Deutsche Monosticha auff alle vnd ¡gliche Capitel aller Bücher heiliger Schrifft / Altes vnd Newes Testaments. D a r n e b e n die vornemsten Sprüche aus jglichem Buch. Z u ende mit einem sonderlichen Register / darinnen die Sprüche vnd f ü r n e m s t e Historien vnter ihre Locos gezogen werden, Leipzig 1601. Dieses z u m G e b r a u c h an höheren und niederen Schulen gedachte „ m e m o r i a l " (ebd., Bl. A5 a ) w a r von der Anlage her dreigliedrig: Es bot zu jedem biblischen Buch zunächst (meist) eine kurze, nur wenige Zeilen umfassende Inhaltsangabe; sodann eine Übersicht über die einzelnen Kapitel in F o r m von sich paarweise reim e n d e n „ M o n o s t i c h a " , wobei Schmuck versuchte hatte, den Inhalt jedes Kapitels in einem einzigen, achtsilbigen Vers „zusammenzuziehen". Im Anschluß d a r a n folgte schließlich eine Liste der Kernstellen, zu jedem Kapitel wenigstens ein „Spruch", oft auch mehrere. Das von Förster erwartete Lernpensum w a r also beachtlich. Allerdings hatte auch schon Schmuck selbst im Blick auf die Theologiestudenten die zuversichtliche Einschätzung geäußert, dass „so jm einer die hie auffgezeichneten Sprüche nur bekandt vnd leufftig zumachen/ ein gantzes Jar gleich 23

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Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

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Die „kursorische" Lektüre dient also offenbar dazu, ein bibelkundliches Überblickswissen zu erwerben. 2) Zum anderen Lektüremodus, der „lectio magis accurata et cum commentario", ergehen gleichfalls detaillierte Anweisungen. Mit dieser „sorgfältigeren Lektüre" beginnt die eigentliche Arbeit der Interpretation. Die Bibel ist nun gründlich und genau durchzulesen und das Gelesene eingehend zu bedenken. Der zeitliche Umfang lässt sich aus dem „Consilium" allerdings nur erschließen: Förster setzt, wie der von ihm aufgestellte Tagesplan erkennen lässt, offenbar eine Stunde am Tag - am besten vormittags - zur akkuraten Lektüre der Bibel an. 25 Textgrundlage sind in diesem Fall der hebräische und der griechische Text, wobei Förster wiederum keine näheren Angaben zu den jeweils zu gebrauchenden Bibelausgaben macht. Dagegen werden einige Kommentare benannt, die der Student im Rahmen dieser „lectio" begleitend zur Urtextlektüre lesen sollte. Empfohlen werden natürlich zunächst Autoren, die im Sinne des Konkordienluthertums unverdächtig sind. Förster weist die Studenten insbesondere auch auf die einschlägigen exegetischen Werke Luthers hin. Doch kennt er keine konfessionellen Berührungsängste gegenüber der außerlutherischen exegetischen Literatur. Römisch-katholische und reformierte Autoren zu lesen, ist nicht verboten. Nur soll der Student sich zuerst mit approbierten lutherischen Exegeten beschäftigen. Die Begegnung mit dem konfessionell „Anderen" soll erst nach einer gründlichen Imprägnierung durch die eigene konfessionelle Lehrtradition erfolgen. Die rhetorischen, grammatikalischen, semantischen Sacherklärungen der Kommentare helfen dem Studenten bei der Sinndeterminierung biblischer Texte. Wenn Förster ausdrücklich die „Biblia latina" (1573-1586) 2 6 Lukas Oslanders d.Ä. (1534-1604) als „maxime necessaria" empfiehlt, wird jedoch erst das eigentliche Ziel sichtbar, das mit diesem Modus der Bibellektüre letztlich erreicht werden soll: Die Osianderbibel wird deswegen empfohlen, weil sie die einzelnen biblischen Passagen auch den entsprechenden Loci communes zuordnet. 27 Und darauf kommt es Förster offenbar an: Dass der Student durch die gründliche Beschäftigung mit dem biblischen Urtext lernt, die einzelnen Verse ihrem Literal(welches ja ohne alle mühe zu thun) darzu neme/ derselbe die zeit gar wol angewendet/ vnd zu einem textuali einen feinen anfang erlanget habe[n]." (ebd., Bl. A6 a ) 25 Siehe Consilium, S. 434. 26 Lukas Osiander d.Ä.: Biblia Latina [...] juxta veterem seu vulgatam translationem, ad hebraeam veritatem emendata, et brevi ac perspicua explicatione illustrata: insertis etiam praecipuis locis communibus, in lectione sacra observandis, Bd. 1 - 9 , Tübingen 1 5 7 3 - 1 5 8 6 . 27 Consilium, S.421: „ O m n i u m autem maxime studioso Theologiae necessaria sunt Biblia Osiandri, in quibus habetur 1. Brevis textüs paraphrasis. 2. Praecipuorum locorum communium annotatio. Potest etiam Biblia Tremellii conjungere." Siehe die Vorrede Osianders an den Leser im ersten Band seiner Bibelausgabe, Quinque Libri Moysis, Bl. **4*: „Atque vt pius Lector historias Biblicas, &c oracula Spiritus sancti ad vsum transferre facilius poßit, sparsi paßim in hoc commentariolo semina locorum c o m m u n i u m , quae hoc signo [ ] inclusi: eo fine, vt quid praecipue in Biblijs obseruare deberet Lector, videret, ac disceret, etiam sine cortice (vt prouerbio dicitur) aliquando natare."

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sinn nach zu klären und sodann einem bestimmten Locus zuzuordnen, dass er lernt, einen biblischen Ausdruck, einen biblischen Satz gedanklich zusammen mit anderen unter einen treffenden Grundbegriff zu stellen, der den Sinn determiniert, auf den hin der Text dann auszulegen ist. Dieses bibelexegetische Verfahren bewegt sich noch ganz im Rahmen der humanistischen Loci-Methode, die Melanchthon in der „Brevis discendae theologiae ratio" empfohlen hatte. Neben der Bibel sind daher auch die Loci communes der wichtigste Gegenstand des häuslich-privaten Studiums. Es geht darum, sich ein zur Bibelexegese notwendiges Loci-Raster anzueignen und eine gründliche Kenntnis der mit den einzelnen Loci verbundenen Lehrinhalte zu gewinnen. Aus der eingangs zitierten Theologiedefinition wird deutlich, dass für Förster - vergleichbar dem späten Melanchthon 28 - die Loci communes mit den Glaubensartikeln identisch sind. Der Begriff „Loci communes" steht nicht mehr für die dialektisch-rhetorischen Topoi, mit denen die Texte der Bibel hermeneutisch erschlossen werden, sondern gleichsam metonymisch für die Summe der christlichen Lehre, für das Ganze der durch diese Topoi konstituierten Glaubenslehre. 29 Wie schon die reformatorischen Theologen der zweiten Generation, Cruciger d.Ä. und Chytraeus, schickt auch Förster den Theologiestudenten nicht mehr, mit einem Loci-Raster ausgerüstet, in das Bibelstudium zur selbständigen Erarbeitung der „doctrina". Vielmehr soll sich der Student, um den einheitlichen Konfessionsstand nicht zu gefährden, eine bereits fest umrissene Lehr-Summe aneignen. Als einschlägige Lehrbücher, in denen die mit den einzelnen Loci verbundenen Lehrinhalte im Sinne des Konkordienluthertums ex professo dargestellt sind, empfiehlt Förster dem Studenten zum einen „überblicksmäßig" angelegte Loci-Kompendien wie die bekannten Werke Matthias Hafenreffers (1561-1619) und Jakob Heerbrands ( 1 5 2 1 - 1 6 0 0 ) 3 0 oder auch die „Margarita theologica" Johann Spangenbergs 31 , zum anderen „ausführlicher" referierende Lehrbücher wie die „Loci theologici" (1593) von Martin Chemnitz ( 1 5 2 2 - 1 5 8 6 ) , den „Thesaurus theologicus" von Matthäus Vogelius ( 1 5 1 9 - 1 5 9 1 ) 3 2 - oder einfach das Konkordienbuch. 33 Vgl. oben Kapitel 4 . 1 . Coenen, S . 4 0 8 : „Wie der N a m e ,loci communes' metonymisch vom Inhalt auf das G e f ä ß übertragen wurde, lieh auch umgekehrt das Gefäß dem Inhalt seinen N a m e n : Nicht nur die Sammlung und ihre Rubriken, sondern auch die gesammelten Eintragungen waren ,loci c o m munes'." 3 0 J a k o b Heerbrand: Compendium theologiae, quaestionibus methodi tractatum, Tübingen 1573. 3 1 Vgl. oben Kapitel 4 . 3 . 3 2 M a t t h ä u s Vogelius: Thesavrvs theologicvs ex sola sacra scriptvra depromtvs: in qvo vnico t o m o omnes loci theologici testimoniis verbi Dei explicantvr, Tübingen 1 5 9 2 . 3 3 Consilium, S. 4 2 2 f . : „ Q u o d ut eö faciliüs consequatur, in locis communibus cognoscendis opera collocetur indefessa, idque partim audiendo Professores, partim legendo locorum c o m munium interpretes, qui in duplici differentiä. Quidam tractant auvojrtiMüjg, ut Hafenref. M a r garita T h . Compen. Heerbr. Quidam öieijoÖLXüjg, quos inter excellunt loci Chemnicii, Thesaurus Vogelii, liber Christianae Concordiae, illi priüs, hi posterius legendi sunt." 28

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Neben der Bibel und der kirchlichen Lehre gehört noch die „theologische Praxis" („praxis theologica") zu den „utilissima" des Theologiestudiums. Gemeint ist damit sowohl die Lebensführung als auch die Lehrtätigkeit des Theologen. Nur letzterer, der „Praxis der Lehre" („praxis doctrinae"), geht Förster in seinem „Consilium" weiter nach. Die Lehrtätigkeit des Theologen umfasst Predigt ( „praxis doctrinae theologica") und Seelsorge („praxis doctrinae ecclesiastica"). 3 4 Wenn auch Förster dem Studenten empfiehlt, frühzeitig das Predigen zu probieren, und ihm dazu eine sehr knapp gefasste rhetorisch-homiletische „methodus" an die Hand gibt, so ist doch der Wittenberger Professor auch im Blick auf diesen Studiengegenstand vornehmlich daran interessiert, das häuslich-private Studium zu formieren und dazu entsprechende Literaturhinweise zu geben. 3 5 Konkret handelt es sich um Studienbücher zur homiletischen Rhetorik und zur Seelsorge- und Beichtpraxis. 3 6 Damit ist ein Studienbereich markiert, der aus heutiger Perspektive am ehesten als „Praktische Theologie" zu bezeichnen wäre, wobei natürlich die damit implizierten Vorstellungen einer gegenstandsmäßig wie methodisch eigenständigen theologischen „Disziplin" noch ferngehalten werden müssen. Die hier zu studierende Materie ist - wie schon der Name sagt („ praxis doctrinae " ) - nichts anderes als eine Form der Beschäftigung mit der Lehre und damit nur eine weitere Facette des einen theologischen Gegenstandes. Auf der nächsten Stufe der „nützlicheren" („utiliora") Studieninhalte siedelt Förster das Studium der Kirchengeschichte („historia ecclesiastica") und der Kirchenväter an, vor allem derjenigen, die als rechtfertigungstheologisch sachgemäße Interpreten der Bibel erkannt und anerkannt waren. Förster unterscheidet vier deutlich voneinander abgesetzte Textgruppen, mit denen sich der Student seiner Meinung nach in diesem Studienzusammenhang beschäftigen sollte: Luthers Werke, kirchengeschichtliche Uberblickswerke, Schriften der Kirchenväter und Schriften der Scholastiker. Es ist bezeichnend für das geistige Klima an der Leucorea des 17. Jahrhunderts, dass Luther nun zum ,Gegenstand' wird, der um seiner selbst willen zu studieren ist, wenn auch freilich im Zusammenhang der theologischen Tradition. Diese Gewichtung liegt in der theologischen Bedeutung 3 4 Consilium, S . 4 2 3 : „Praxis Theologica spectat partim vitam, partim doctrinam Theologi. De illa alias docendi locus ex 1. Tim. 3. ubi virrutes[!] ministri Ecclesiae longa seriè memorantur. Praxis vero doctrinae vel est mere Theologica vel Ecclesiastica. Merè Theologica exercetur concionando, de quo subsequentia observentur capita." Ebd., S . 4 2 5 f . : „Jam paucis etiam de praxi Ecclesiastica, quo nomine appello ea, quae propriè administrationem muneri[!] Ecclesiastici, variosque casus, qui inibi occurrunt, scitu & cognitu necessaria sunt." 3 5 Consilium, S . 4 2 3 : „Exercitium concionandi non differatur in aetatem, provectiorem, sed in fiorente adhuc juventute, positis jam Theologiae fundamentis, in vero timore Domini, absque omni temerità te, suscipiatur." 3 6 So verweist Förster auf die homiletischen Lehrbücher des Ägidius Hunnius, Lukas Osiander d.Ä., Andreas Pancratius und Bartholomäus Keckermann. Im Blick auf die Seelsorgepraxis werden vor allem Konrad Porta: Pastorale Lutheri, Eisleben 1582, und Felix Bidembach: Consiliorum Theologicorum, Das ist Theologischer Bedencken, Bericht oder Antwort auf mancherley [...] zutragende Fäll und vorfallende Fragen, Frankfurt/M. 1 6 0 7 - 1 6 1 4 , empfohlen.

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L u t h e r s im V e r g l e i c h zu den K i r c h e n v ä t e r n b e g r ü n d e t . 3 7 S c h o n M e l a n c h t h o n und Chytraeus hatten den Studenten auf ausgewählte W e r k e Luthers hingewiesen. A b e r das w a r e n einzelne L i t e r a t u r e m p f e h l u n g e n i m R a h m e n v o n e x e g e t i s c h e n L i t e r a t u r h i n w e i s e n . Sie b e t r a f e n n u r B i b e l k o m m e n t a r e . L u t h e r b e g e g n e t e den S t u d e n t e n in d e n A n w e i s u n g e n eigentlich n u r als A u t o r e x e g e t i s c h e r F a c h l i teratur, der m i t a n d e r e n l u t h e r i s c h e n K o m m e n t a t o r e n z u m V e r s t ä n d n i s biblis c h e r T e x t e i m R a h m e n der a k k u r a t e n B i b e l l e k t ü r e h e r a n z u z i e h e n w a r . 3 8 Bei F ö r s t e r w i r d L u t h e r n u n e r s t m a l s zu einer G r ö ß e der Studienliteratur, zu e i n e m S t u d i e n a u t o r , dessen L e h r - u n d Streitschriften zu lesen s i n d . 3 9 N ä h e r e A n w e i s u n g e n , wie diese S c h r i f t e n zu b e a r b e i t e n sind, g i b t F ö r s t e r a l l e r d i n g s n i c h t . A n k i r c h e n g e s c h i c h t l i c h e n D a r s t e l l u n g e n n e n n t F ö r s t e r b e i s p i e l h a f t die W e r k e einiger a l t k i r c h l i c h e r H i s t o r i o g r a p h e n ( E u s e b , S o k r a t e s , S o z o m e n o s , E v a g r i u s , N i c e p h o r u s , J o h a n n e s Z o n a r a s ) , d a n e b e n d a n n - v o n d e n für die l u t h e r i s c h e K i r c h e n g e s c h i c h t s s c h r e i b u n g m a ß g e b l i c h e n D a r s t e l l u n g e n - die A u s z ü g e a u s d e n „ M a g d e b u r g e r C e n t u r i e n " , die L u k a s O s i a n d e r d . Ä . u n t e r d e m T i t e l „ E p i t o m e s h i s t o r i a e e c c l e s i a s t i c a e " v e r ö f f e n t l i c h t h a t t e . 4 0 E b e n s o w e n i g w i e die „ p r a k t i s c h e T h e o l o g i e " begreift F ö r s t e r die „ K i r c h e n g e s c h i c h t e " s c h o n als eine e i g e n s t ä n d i ge t h e o l o g i s c h e D i s z i p l i n . Sie ist i h m n o c h - in r h e t o r i s c h e r F a s s u n g - die „ E r z ä h lung der k i r c h l i c h e n G e s c h e h n i s s e " ( „ r e r u m E c c l e s i a s t i c a r u m e n a r r a t i o " ) . A n ders als bei d e n A n w e i s u n g e n zur L u t h e r l e k t ü r e w e r d e n h i e r v o n F ö r s t e r i m m e r -

3 7 Die überragende Bedeutung der Lutherschen Schriften wird von Förster gleich zu Beginn des einschlägigen Abschnitts nicht ohne konfessionspolitischen Seitenhieb herausgestellt; siehe Consilium, S. 426: „Hujus scripta tarn abunde sapientiä coelesti &c eruditione Theologicä sunt referta, ut etiam nonnulli ex Pontificiis, licet ipsi äratovSoi sint hospes D. Lutheri, affirmare non dubitarint, in uno scriptorum Lutheri folio plus Theologiae inveniri, quam interdum in integro alicujus Patris Codice." Der polemisch gewendete Buch-Seite-Vergleich hatte in der damaligen theologischen Literatur geradezu topischen Charakter; siehe etwa den Bericht der kursächsischen Kommissare an Herzog Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar, UUW I, S.583 (Nr.466): „M. Otto habe gesagt: in einem halben bladt Institutionum Calvini stehe mehr theologia als in allen tomis Lutheri, man könne auch mehr daraus lernen."

Vgl. oben Kapitel 4.1. Förster teilt die Werke Luthers in zwei Gruppen ein: in „Lehrschrifften", in denen ein dogmatischer Locus oder ein bestimmter biblischer Text ausgelegt wird - wie zum Beispiel die Galaterbriefvorlesung (1535) oder die Abhandlung „Von den letzten Worten Davids" (1543) - und in „Streitschriften", in denen sich Luther mit altgläubigen und ,calvinistischen' Positionen auseinandersetzt. Beispiele für letztere sind „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium" (1520), „Wider die himmlischen Propheten" (1525) oder auch „Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis" (1528); siehe Consilium, S.426f. Die Theologische Fakultät hatte 1596 bei Herzog Friedrich Wilhelm I. an der Universitätsordnung Christians I. unter anderem beanstandet, dass diese lediglich die Lehrschriften, nicht jedoch die Streitschriften als Vorlesungs- und Disputationsgrundlage empfohlen habe; siehe UUW I, S.602f. (Nr. 493). Vgl. auch Klein, S. 78. In den Lehrveranstaltungen scheinen die polemischen Werke Luthers nach 1596 (wieder?) verstärkt herangezogen worden zu sein. Förster empfiehlt sie dann erstmals auch ausdrücklich für die häuslich-privaten Studien. 38

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4 0 Lukas Osiander d.Ä.: Epitomes historiae ecclesiasticae, centuria 1 - 1 6 , Tübingen 1 5 9 2 1603.

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hin einige Gesichtspunkte benannt, auf die der Student beim Lesen dieser Darstellungen achten sollte. Daraus erhellt zugleich, warum das Studium der Kirchengeschichte nach Förster sinnvoll ist: Beim Lesen der Geschichten ist besonders auf die Ausbreitung, Verfolgung und das Uberleben der Kirche in der Verfolgung zu achten, ebenso auf die Kirchenlehrer, die häretischen Bewegungen und die gegen sie zusammengerufenen Konzilien. Die Kirchengeschichte ist demnach also vorrangig als Bewahrungsgeschichte des göttlichen Wortes in der Welt zu lesen, als ein Beweis göttlicher Providenz. Eingehender bedacht wird die dritte Textgruppe, die Schriften der „Kirchenväter". Förster versteht unter den „patres" die kirchlichen Lehrer („doctores ecclesiae") des ersten bis zehnten Jahrhunderts und unterteilt sie - nach der Zäsur des Konzils von Nizäa 3 2 5 - in Kirchenväter „prae", „circa" und „post Conciliu m " . Sie sind zu studieren, weil (und sofern) sich in ihnen der „consensus ecclesiae" manifestiert, was wohl im Sinne Melanchthons als Ubereinstimmung in der evangelischen Auslegung der Bibel zu verstehen ist. Nicht alle Kirchenväter sind solche ,evangelischen Bibelinterpreten'. Der Lutheraner Förster empfiehlt unter Verweis auf das Urteil des Wittenberger Kollegen Aegidius Hunnius - dem angehenden Theologen besonders das Studium der Schriften des Athanasius, Augustinus, Johannes von Damaskus und Bernhard von Clairvaux, 4 1 nicht ohne dabei sogleich eine konfessionelle Differenz zu markieren und auf den untergeordneten normativen Stellenwert der Kirchenväter im Vergleich zu den biblischen Schriften hinzuweisen. Den Schriften der Kirchenväter käme - im Unterschied zur selbstevidenten Heiligen Schrift - keine „ Autopistie" zu. Sie seien deshalb allenfalls bestätigend heranzuziehen: Nur soweit sie dem biblischen Zeugnis entsprächen, dürfe man ihnen Glauben schenken. Insbesondere bei den frühen Kirchenvätern sei noch viel „Stroh und M a k e l " zu finden. Daher wird auf eine Begleitlektüre theologisch korrekter Literatur beim Studium der frühesten Vätertexte gedrungen. 4 2 Die theologischen Schriftsteller, die auf die so definierten „Kirchenväter" bis ins 16. Jahrhundert hinein folgten, bezeichnet Förster als „Scholastiker" („scholastici"). Von ihrer Lektüre wird nicht generell abgeraten. Aber Förster warnt doch vor der bei ihnen offenkundigen Tendenz zur Vermischung von theologi4 1 Bei den Anweisungen zur Väterlektüre werden die Schriften Bernhards von Clairvaux zweimal explizit empfohlen, was auf eine besondere Wertschätzung des Zisterziensertheologen durch Förster schließen lässt; siehe Consilium, 4 2 3 . 4 2 9 f . 4 2 Consilium, S . 4 3 0 : „Judicio D. Hunnii 8c aliorum, Patrum omnium optimos lectuque dignissimos esse Athanasium, Augustinum, 8c Damascenum, quibus nos adjungimus Bernhardum. 2. Patres non sunt aiiTÖmatoi, sicut S. Scriptura, sed eatenus tantüm fides scriptis eorum adhibenda, quatenus ea sunt analoga S. Scripturae, quae unica est norma 8c forma articulorum fidei. 3. Ideö nefas est ä manifestis Scripturae testimoniis provocare ad Patres. 4. Patres tantüm faciunt Jtpcbg xöv aDymxa\|)TicpL0növ, consensum Ecclesiae. 5. In prioribus occurrunt multae stipulae 8c naevi, qui vel commodä interpretatione ex aliorum scriptis sanandi [...]." Förster erklärt allerdings nicht, welche Texte zur Begleitlektüre heranzuziehen sind.

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sehen und philosophischen Fragen. Am ehesten gesteht er noch die Lektüre der Sentenzen des Petrus Lombardus zu. 4 3 Eine quellenbasierte Kenntnis der Scholastik wird vom künftigen lutherischen Theologen also nicht erwartet. Keiner der großen mittelalterlichen Theologen wird an seinen Schriften studiert. Und die Lektüre des lombardischen Sentenzenwerks dürfte wohl nur deswegen zugestanden worden sein, weil es als Exzerptbuch der Kirchenväter - gleichsam als „Enchiridion Patristicum" - gelesen werden konnte. Damit ist das vom Studenten kirchengeschichtlich zu bewältigende Lektürepensum umrissen. Nochmals niedriger eingestuft wird schließlich - für die angeblich so streitbare' Orthodoxie erstaunlich genug - das Studium der kontroverstheologischen Literatur („adversariorum scripta"), das zwar mit dem dogmatischen sachlich eng verbunden ist, von Förster aber nur den „utilia" zugerechnet wird. M i t Verweis auf die klassische Belegstelle Tit 1,9, wo vom Bischof gefordert wird, er solle sich an die Lehre halten, „damit er die Kraft habe, zu ermahnen mit der heilsamen Lehre und zurechtzuweisen, die widersprechen", wird dem Studenten mit einer schon von den exegetischen Literaturempfehlungen her bekannten Konzilianz geraten, sich um eine gewisse kontroverstheologische Kompetenz zu bemühen, die wiederum nicht anders zu gewinnen sei, als durch Kenntnisse der gegnerischen Lehre. 4 4 Die eigentlichen Herausforderungen erblickt Förster in der römisch-katholischen, genauer jesuitischen, und in der reformierten Theologie. Dem Wittenberger Theologiestudenten wird die private Lektüre theologischer Schriften aus dem Bereich der beiden anderen Konfessionen durchaus zugestanden, ja sie wird von ihm geradezu gefordert. Doch darf diese konzedierende Anweisung nicht überbewertet werden. Zum einen sind die von Förster als „utilia" charakterisierten Stoffe seinem, unten noch eingehender zu betrachtenden Zeitplan zufolge erst im dritten Studienjahr und somit nach einer gründlichen Schulung in der lutherischen Dogmatik als Studienmaterien vorgesehen. Z u m anderen sind selbstverständlich nach beziehungsweise schon parallel zu der Lektüre der jesuitischen und reformierten Theologen lutherische Widerlegungen zu lesen wie etwa das „Examen Concilii Tridentini" ( 1 5 6 5 - 1 5 7 3 ) des Martin Chemnitz, das „Uncatholisch Pabstumb" ( 1 6 0 7 ) J a k o b Heilbrunners ( 1 5 4 8 - 1 6 1 8 ) 4 5 oder aber auch die antireformierten Streitschriften des Ägidius Hunnius. Derartige lutherische Kontroversliteratur wird von Förster in einer der Gesamtgewichtung Siehe Consilium, S . 4 3 1 . Consilium, S . 4 3 2 : „In Theologo requirit Apostolus [vgl. Tit 1,9] non tantüm ut sit fowxvög tot) öiöaijcu, verum etiam ut sit ö-uvatög Jtpög[!] TO ekiyx^o/ toCs avxiXeyovxag, quod fieri non potest, nisi eorum avuXoyiav r} i|)eu6o6töaaxaXiav praecognoscat." 4 5 Uncatholisch Pabstumb/ Das ist: Gründtliche augenscheinliche Erweisung auß GOttes Wort/ dann auch auß den alten Patribus, Concilijs, Kirchenhistorijs, theyls auß dem Iure Canonico, dass die Päbstische Lehre vnnd vermeinte GOttesdienst/ mitnichten: hingegen aber die Euangelische Religion Augsp. Confession, gut Chatholisch/ Christlich vnnd Apostolisch sey. [...] Im Namen der Pfaltz Neuburgischen/ auch mit approbation vnd Vorreden der ChurSächsischen vnd Würtembergischen Theologen, Durch Jacob Heylbrunnern D. [...], [Neuburg/D.] 1607. 43

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Theologiestudium

der kontroverstheologischen Studien leicht zuwiderlaufenden Wertung jedem Theologiestudenten als .unverzichtbar' ans Herz gelegt. 46 So sieht also das Pensum aus, das nach Förster von den Studenten in einem dreijährigen Studium bewältigt werden soll. 47 Ausgehend von den reformatorischen Anweisungstexten ist freilich nach dem Überblick über die Inhalte und Praktiken der zu erwerbenden theologischen Gelehrsamkeit noch eine weitere Studiendimension zu verfolgen: die Frömmigkeitspraxis. Gebet und Anfechtung bildeten bei Luther gleichsam den Rahmen, in den alle meditierende Beschäftigung mit dem biblischen Wort eingebettet sein sollte. Keinen geringeren Stellenwert maß auch Melanchthon der Frömmigkeitspraxis zu, wenngleich er in seiner „Brevis discendae theologiae ratio" das Gebet und die Anfechtung - verstanden als „usus doctrinae" - eher nur am Rand thematisierte. Die frömmigkeitspraktische Anwendung der Lehre, ihre Uberführung auf das Feld der Praxis pietatis, war bei Melanchthon das unmittelbare Ziel des Studiums. Denn erst die in der praktischen Anwendung gemachten Erfahrungen führten zu einem vertieften Verständnis der „Lehre". Berücksichtigt man die große Rolle, welche die Trias von „oratio, meditatio, tentatio" in den meisten lutherischen Anweisungen des 17. Jahrhunderts spielt, 48 so muss ihr Fehlen bei Förster auffallen. Er erwähnt die Trias mit keinem Wort. Förster orientiert sich offensichtlich nicht an den synthetischen, die Ansätze Luthers und Melanchthons verbindenden Anweisungen der zweiten reformatorischen Generation. Seine Anweisung ist anders angelegt. Sie folgt den verschiedenen Studieninhalten und steht damit in unmittelbarer Nähe zur „Brevis discendae theologiae ratio" Melanchthons. Die persönliche Frömmigkeitspraxis des Studenten thematisiert Förster eigentlich nur in der Form des Gebets, das als Bitte um göttlichen Beistand am Schluss des „Consilium" kurz, aber eindrucksvoll in seiner Bedeutung für

46

Consilium, S . 4 3 3 : „ Q u i b u s scriptis vere gemmeis, 8c si quid gemmis praeciosius, n e m o ex Theologiae Studiosis carere potest ac debet." 47 N e b e n den Überlegungen zu den dreifach nach der ,Nützlichkeit' klassifizierten Studienmaterien enthält das Förstersche „ C o n s i l i u m " noch einige k n a p p e Hinweise zur zeitlichen Anlage des Theologiestudiums. Der Wittenberger Professor rät dem Studenten nach dem Absolvieren des philosophischen Vorstudiums zu einem dreijährigen theologischen Fachstudium, in dessen erstem Jahr die „utilissima", im zweiten J a h r die „utiliora" und im dritten J a h r die „utilia" den Studienmittelpunkt bilden sollten; siehe Consilium, S . 4 3 4 . Ein Tagesplan, den Förster in groben Zügen umreißt, beschreibt ein mindestens zehnstündiges tägliches Studium; siehe ebd.: „Singulos per dies secundum horas, in discendo h u n c potest observare ordinem: Usque ad sext a m piis precibus & Bibliorum G e r m a n i c o r u m lectioni immoretur. A sextä usque ad septimam Scripturam legat c u m C o m m e n t a r i o . Octavä & N o n a det o p e r a m audiendis Professoribus. Decimä lectiones repetat. A primä ad secundam incumbat historiae Ecclesiasticae: Secundä lectiones repetat. Tertia & Q u a r t a audiat Professores. Q u i n t a tribuat lectioni scriptorum Lutheri. Ab octavä usque ad n o n a m iterum o p e r a m det lectioni Bibliorum Germ, piisque precibus. Caeteris iis horis quibus vel Professores n o n audiat, vel illi non legant, scripta adversariorum legendo percurrat." 48 Vgl. Kang, S. 8 8 - 1 4 0 .

175

2. Frühe Studienratgeber

das Studium herausgestellt wird. 4 9 Die „tentatio" oder der „usus" der Lehre in der Praxis werden dagegen nicht mehr erwähnt. Dass Förster sich vorwiegend an der Anweisung Melanchthons orientiert, wird auch am zugrunde liegenden Theologenbild sichtbar, das ganz vom „ i n f o r m a t o r " , vom „Lehrer der L e h r e " , bestimmt ist. D e r Student soll sein Studium so einrichten, dass er mit der „doctrina christiana" gründlich vertraut wird, dass er fundiert Auskunft über sie geben und sie gegenüber konfessioneller oder innerlutherischer Kritik verteidigen kann. Allerdings: So sehr sich Förster damit auch in den Bahnen M e l a n c h t h o n s bewegt, in zweifacher Hinsicht tendiert er doch darüber hinaus und scheint sich in eine andere Richtung zu bewegen: Die T h e o l o g i e 5 0 wird auffallend zweckbestimmt, gleichsam funktionalistisch definiert - wie man es so bei M e l a n c h t h o n schwerlich finden würde; dem entspricht umgekehrt eine Unterbelichtung der Frömmigkeitspraxis des Theologen. Selbst auf die lebenspraktische Anwendung der Lehre wird nirgends angespielt. Es wird zu prüfen sein, o b sich diese Tendenzen auch in den anderen Wittenberger Anweisungen verifizieren lassen.

2.2 Leonbart Hütter: „Consilium de studio theologico inchoando feliciterque continuando" (1610-1616)

recté

Dass die Universität Wittenberg nach der Überwindung des kursächsischen „Philippismus"

zu den ersten lutherisch-orthodoxen

Ausbildungsstätten

in

Deutschland aufrückte, hat sie neben Ägidius Hunnius wohl vor allem Leonhart Hütter (Hutterus) zu verdanken. Hütter stammte aus dem

schwäbi-

schen, damals zur Reichsstadt Ulm gehörenden Nellingen und wirkte rund zwei Jahrzehnte als Professor an der Leucorea ( 1 5 9 6 - 1 6 1 6 ) . 5 1 Geprägt durch eine sechsjährige Studienzeit in Straßburg, w o er vor allem J o h a n n Pappus ( 1 5 4 9 1 6 1 0 ) hörte, sodann auch durch Studienaufenthalte in Leipzig, Heidelberg und nicht zuletzt im lutherischen J e n a , erwies sich Hütter in seiner Wittenberger Lebensstellung als streitbarer theologischer Interpret und kirchenpolitischer Verfechter der „Formula C o n c o r d i a e " , der in Auseinandersetzung mit der katholischen und reformierten Theologie die Positionen des Konkordienluthertums argumentativ zu behaupten suchte. In seinem Werk dominieren dogmatische und polemische Schriften. 5 2 Dass sich Hütter daneben aber auch Gedanken um die Ausbildung der lutherischen Theologen machte, beweist sein „Consilium de studio theologico recté inchoando feliciterque c o n t i n u a n d o " . Siehe Consilium, S.435. Melanchthons Vorbehalte gegenüber dem Begriff „theologia" wurden von seinen Schülern relativ schnell aufgegeben; vgl. Pannenberg, S.234. 5 1 Vgl. die neueren biographischen Artikel von Uecker und Sparn, Art. Hütter. Aus der älteren Literatur vgl. Erdmann, S. 65f.; Witte, Memoriae Theologorum, Bd. 1, Decas Prima, S. 8 9 95, und vor allem Kunze, Art. Hutter. 5 2 Vgl. ebd., S.499f. 49

50

176

Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Wie schon Johann Förster so wendet sich auch Hütter mit dieser kleinen Schrift, die zwischen 1 6 1 0 und 1 6 1 6 entstanden sein muss, 5 3 an Studenten der Theologie im akademischen Kontext und gibt ihnen einige Ratschläge zur Organisation des häuslich-privaten Studienvollzugs. Dabei spricht Hütter im Vergleich zu Förster die Studenten allerdings persönlicher und zugleich eindeutiger als künftige Geistliche an. 5 4 Hütters Text gliedert sich in zwölf lose zusammenhängende „observationes" von jeweils unterschiedlicher Länge und offensichtlich auch unterschiedlichem Gewicht und hat insgesamt eher entwurfhaften Charakter. Wie sieht das Theologiestudium aus, das der wegen seiner Re-Orientierung an Luther als „Lutherus redonatus" 5 5 titulierte Hütter den Studenten empfiehlt? Was das Spektrum der theologischen Studieninhalte betrifft, so zeigen sich bei Hütter im Vergleich zu Förster wenig Unterschiede. Auch bei ihm findet das Theologiestudium im Bibelstudium und im Studium der „articuli fidei" seine sachliche Mitte. Auch bei ihm treten das Studium der theologischen Tradition einerseits sowie das Studium der zeitgenössischen theologischen Gegner andererseits begleitend hinzu. In moderner und dem Überblick dienlicher Terminologie gesprochen, lässt sich sagen: Das theologische Idealstudium besteht auch nach Hütter aus Exegese und Dogmatik, Polemik und Kirchengeschichte. Im Unterschied zu Förster wird aber die Dimension der Praktischen Theologie von Hütter nicht weiter bedacht. Betrachtet man die Studienanweisungen im Einzelnen, so zeigen sich freilich einige charakteristische Übereinstimmungen und Differenzen, die den Konsens in den Idealvorstellungen, aber auch das jeweils eigenständige denkerische Profil der Wittenberger orthodoxen Theologen sichtbar werden lassen. Das Bibelstudium soll sich nach Hütter in den bekannten zwei Leseakten vollziehen, einer kursorischen („lectio generalis") und einer akkuraten Lektüre („lectio specialis"). 5 6 Das Verständnis der beiden Lesarten ist bei Hütter im Wesentlichen dasselbe wie bei Förster. Allerdings fasst Hütter die kursorische Lektüre als reinen Leseakt auf - frei von jeglichem Exzerpieren und Memorieren. Er stellt sich vor, dass die Studenten die deutsche Bibel in diesem Lektüremodus in einem Jahr durchlesen 55 Genauer lässt sich das Entstehungsdatum kaum angeben. Der terminus a quo ergibt sich durch den Verweis auf das „Compendium locorum theologicorum", das erstmals 1610 in Wittenberg erschien; siehe Leonhart Hütter, Consilium, S. 4 0 7 : „Sed cum jam ä nobis Compendium Theologicum e Scripturis, & nostrarum Ecclesiarum symbolis sit adornatum [...]." Als der am strengsten zu ziehende terminus ad quem kommt in diesem Fall nur das Todesdatum Hütters (23.10.1616) in Frage. 5 4 Die persönliche Anrede in der zweiten Person Singular deutet darauf hin, dass sich Hütter an einzelne Studenten wendet. 55 Vgl. GUW, S . 4 0 0 , Anm. 3; Steiger, Leonhard Hutters Compendium, S. 100. 5 6 Das Begriffspaar „lectio Bibliorum generalis" und „lectio Bibliorum specialis" wird von Hütter erst am Ende der die beiden Lektüremodi behandelnden „Observatio III" genannt; siehe Consilium, S . 4 0 5 .

2. Frühe

Studienratgeber

177

am besten schon im ersten Jahr auf der Universität. Wenigstens fünf Kapitel sollen sie deshalb täglich lesen. 5 7 Wer diese Vorschrift befolgte, konnte schon in gut sieben Monaten die deutsche Bibel durchgelesen haben. Um zügig durch den biblischen Text zu kommen, soll die „lectio generalis" möglichst nicht von Schreib- und Memorierarbeiten unterbrochen werden. Diese Arbeiten verbannt Hütter vielmehr in die von ihm so genannte „lectio specialis". In diesem Studienakt haben die Studenten nicht nur wie bei Förster auf der Basis der Osianderbibel 5 8 „dunkle" Stellen mit Hilfe des Urtextes und einschlägiger Kommentare 5 9 vom Sinn her zu determinieren und den Lehrgehalt der biblischen Texte eruieren, sondern sollen sich eben auch ein bibelkundliches Detailwissen erarbeiten. 6 0 Gegenüber dem Försterschen „Consilium" kommt nun bei Hütter insofern eine neue Anweisungsdimension hinzu, als er den Studenten nicht nur Instruktionen zum Lesen, sondern auch zur schriftlichen Ertragssicherung des Gelesenen gibt. Hütter empfiehlt ihnen, sich zur biblischen Speziallektüre zwei Blanko-Hefte („libelli") zuzulegen. In das eine sind diejenigen Verse aus der Lutherbibel einzutragen, die ihnen zur Begründung der Glaubensartikel oder zum Trost bedrängter Gewissen als geeignet erscheinen. 6 1 Diese Stellen sind am besten auswendig zu lernen. Die Studenten sollen sich dadurch ein Kernstellenwissen aneignen, das ihnen für die späteren geistlichen Aufgaben zur Verfügung steht. Wenn Hütter erklärt, dass nichts dem Theologen mehr zu helfen vermöge, als mit der Schrift zu sprechen, so geht es hier nicht um das Diktionsideal der später so genannten „Sprache Kanaans", sondern eher darum, dass dem lutherischen Theologen 5 7 Consilium, S. 4 0 5 : „Proinde lectio haec Biblica, pomeridiana vel vespertina, potiüs erit generalis, ubi illud potissimüm tibi curae sit, ex ea Jipöyvaiaiv aliquam haurias, ut in genere scias, qua de re quovis in libro vel capite agatur, licet non 8|i4>d{JEi,5 singularum phrasium &C sententiarum, item argumentorum confirmantium eruas, & in suas cellulas reponas, id quod m o x praestabit suo tempore subsequens accurata illa & methodica lectio Biblica. Quare lectione hac pomerdianä Biblica, per sesqui horulae, spacium, quinque ad minimum capita percurrere, & sie quovis anno universorum Bibliorum lectionem facile expedire potes." Die Erwartung, dass der lutherische Geistliche die Bibel in deutscher Übersetzung mindestens einmal ganz durchgelesen haben sollte, wurde insbesondere auch von vielen Visitationsbehörden an die Pfarrer im Amt herangetragen. Wie zum Beispiel das Protokoll der Magdeburgischen Visitation von 1 5 8 3 zeigt, konnte ein Pfarrer gerade dafür gerügt werden, dass er die Bibel nur einmal durchgelesen hatte; vgl. Liebe, S . 4 1 . 5 8 Hütter macht keine weiteren Angaben zu den Ausgaben des griechischen Bibeltextes, die der Student benutzen soll. Als lateinische Übersetzung wird Lukas Osianders d.Ä. „Biblia latin a " empfohlen. Die deutsche Übersetzung ist selbstverständlich diejenige Luthers; siehe Consilium, S . 3 9 9 . 5 9 Hütter empfiehlt keine bestimmten Autoren, sondern spricht nur allgemein von „aliquem interpretem sive commentatorem" (Consilium, S . 4 0 0 ) . 6 0 Entsprechend hatte er nicht nur die „Biblia latina" Osianders und die Urtextausgaben, sondern auch die deutsche Übersetzung bei dieser „lectio specialis" heranzuziehen. 6 1 Consilium, S. 3 9 9 : „Ex unoquoque capite in peculiarem libellum in forma octavä, ex Charta puriore compactum referantur YVü)|i,ou & sententiae illustriores, quae vel ad confirmandos articulos fidei faciant, vel ad consolandum perterritas conscientias plurimüm momenti obtineant. Scribantur autem illae sententiae germanico idiomate ex Lutheri versione petito."

178

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen zum

Theologiestudium

wichtige Bibelstellen als „dicta p r o b a n t i a " auch dann zu Gebote stehen, wenn er gerade keine Bibel zur H a n d hat. In das andere Heft sollen die Studenten zu jedem Kapitel der Bibel eine kurze inhaltliche Zusammenfassung - eine „Kapitelsumme" - eintragen, eine Art schematische Kapiteldisposition skizzieren und ferner - mit Hilfe von Bibelkommentaren - insbesondere die dogmatischen beziehungsweise

kontroverstheologi-

schen „ a r g u m e n t a " des jeweiligen Kapitels festhalten. 6 2 Hütter schwebt offensichtlich eine Art „Bibelkunde in Kapitelübersichten" vor, durch die sich die Studenten im Fall einer theologischen Kontroverse schnell darüber orientieren konnten, w o am ehesten einschlägige biblische Aussagen zum T h e m a zu finden waren. Auch dieses Kollektaneum soll häufig gelesen, sein Inhalt also weitgehend dem Gedächtnis eingeprägt werden. Die Studenten haben idealiter vom Inhalt jedes Kapitels der Bibel eine grobe, ungefähre Vorstellung und können besonders wichtige Bibelverse im Wortlaut auswendig hersagen. Bedenkt man, dass die Lutherbibel insgesamt 1 1 8 9 , mit den Apokryphen 1 3 4 1 Kapitel umfasst, so wird deutlich, welche beachtliche Gedächtnisleistung der schwäbische Theologe hier von den Studenten erwartet. Z u r Lektüre der historischen Bücher der Bibel empfiehlt Hütter ferner die Anschaffung eines Exemplars der „Epitome b i b l i c a " des Ägidius Hunnius. 6 3 In diesem Werk hatte Hunnius zu den alttestamentlichen Geschichtsbüchern kurze Kapitelsummen veröffentlicht. Diese sind nach den Vorstellungen Hütters für das Neue Testament fortzusetzen, indem die Studenten entsprechende Z u s a m menfassungen auf den freien Fußstegen seines Epitome-Handexemplars

no-

tiert. 6 4 W ä h r e n d Förster das täglich zu bewältigende Pensum der statarischen Bibellektüre offen ließ, macht Hütter hier genauere Angaben: Ein bis zwei Kapitel der 6 2 Consilium, S.400: „Ex singulis capitibus brevia argumenta sive summulae capitum, olxovo|xia àvaXuTmr] seu dispositio in certas partes alteri cuidam libello, itidem ex mundiore charta comparto, inscribantur: tum adjiciatur brevis quaedam & paucissimis verbis comprehensa consignatio praecipuorum argumentorum, quibus unaquaeque propositio, sive quaestio, seu controversia in quovis capite à Spiritu S. confirmatur." 6 5 Epitome biblica, vel svmmarivm comprehendens svmmas breves et argvmenta capitum totius sacrae historiae ueteris testamenti canonicae [...], Marburg 1583. Weitere Ausgaben erschienen in Wittenberg 1593, 1594 und 1603; vgl. Matthias, S.337. 1609 hatte Leonhart Hütter - gleichsam als Ersatz für das Hunniussche Werk - eine eigene „Epitome biblica" auf deutsch veröffentlicht: Epitome Biblica. Das ist Kurtzer vnd doch eigentlicher Begriff aller vnd jeder Capiteln der gantzen heiligen Schrifft, altes vnd newes Testaments nach den versiculn, mit grossem fleis, zu dem ende verfasset, das hieraus menniglich [...] die heilige Bibel jhnen recht bekam machen [...] mögen [...], Wittenberg 1609. 6 4 Consilium, S.402f.: „Qua in parte utilissimam operam navavit & x E L P a Y ( 0 Y^ a v quasi monstravit praeclarissimus Theologus D. Hunnius p.m. in sua epitome Biblica quam quisque sibi comparare, & huc in modum conpingi curare debet, ut circa calcem illius charta purior, unius digiti latitudinem adaequans, adjiciatur, cui charthae[!| potissimùm eädem, qua à D. Hunnio coeptum est, via &C methodo summulae historiarum Evangelicarum &i Apostolicarum N.T. inscribantur."

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Studienratgeber

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Bibel sind auf diese Weise täglich zu bearbeiten. Dafür sind mindestens zwei Vormittagsstunden zu reservieren. J e nach Gattung des biblischen Buches - Hütter unterschied zwischen historischen, didaktischen und „gemischten" Büchern - ist dann aber das Zeitreservoir noch zu vergrößern. Für besonders zeitaufwendig hält Hütter die Lektüre der neutestamentlichen Didaktika, allen voran der Paulus-Briefe. Generell mahnt er dazu, bei der „speziellen" Bibellektüre nicht zu sehr zu eilen. Wenn man es nicht schaffe, am Tag zwei Kapitel in besagter Weise zu lesen, genüge auch eines - gemäß dem in Anweisungen häufig begegnenden M o t t o des jüngeren Plinius „multum, non m u l t a " . 6 5 Selbst bei gemäßigtem Lesetempo ist es nach Hütter möglich, innerhalb eines Jahres durch alle neutestamentlichen Briefe hindurchzukommen. Offensichtlich soll den Vorstellungen Hütters zufolge die gesamte Bibel in diesem Lesemodus durchgearbeitet werden. Dass die Studenten diese Aufgabe schon während ihres Aufenthalts auf der Universität bewältigen können, dürfte der schwäbische Theologe kaum angenommen haben. Ihm geht es mit derlei Anweisungen eher um die Formierung und Initialisierung eines lebenslangen, berufsbegleitenden Studienprozesses, als um die Einführung in ein rein universitätsbezogenes Lernen und Arbeiten. Das Studium der Glaubensartikel hat bei Hütter ähnliche Gestalt wie bei Förster. Ziel des entsprechenden Studienaktes ist stets die Aneignung eines festen Loci-Rasters und das Erarbeiten der mit den einzelnen Loci implizierten Lehrinhalte. Hütter empfiehlt dazu nicht anders als Förster die „Loci theologici" Matthias Hafenreffers, darüber hinaus aber auch sein eigenes 1 6 1 0 in Kursachsen als verbindliches Lehrbuch an Schulen und Universitäten eingeführtes „Compendium Locorum Theologicorum" 6 6 , das lediglich „aus den Phrasen und Worten des Konkordienbuches selbst" bestehe und das die Studenten - das wird nun im Unterschied zu Förster auch explizit gesagt - am besten auswendig lernen sollen. 6 7 Die Forderung, ein dogmatisches Kompendium auswendig zu lernen, mag vielleicht aus heutiger Perspektive heraus betrachtet fragwürdig erscheinen. Ein historisches Verständnis hat freilich zu berücksichtigen, dass in der frühneuzeitlichen Bildungsdebatte häufig die Auffassung vertreten wurde, es sei zur Aneignung gelehrten Wissens notwendig, für jede Disziplin ein autoritatives Leitbuch

Consilium, S . 4 0 4 : „Quöd si non semper duo capita hunc in modum tractando absolvere possis unum sufficiat: neque enim multa, sed multüm est legendum." Siehe Plinius d.J., Epistolae 7 , 9 , 1 5 : „[...] aiunt enim multum legendum esse, non multa." Den Gedanken formulierte der Sache nach schon Quintilian, der Lehrer des Plinius; siehe ders., Institutio oratoria 1 0 , 1 , 5 9 : „[...] et multa magis quam multorum lectione formanda mens." 6 6 Leonhart Hütter: Compendium locorum theologicorum, ex scripturis sacris, & libor Concordiae [...] collectum, Wittenberg 1 6 1 0 . Zur Entstehungsgeschichte vgl. Steiger, Leonhard Hutters Compendium, S. 1 0 0 - 1 0 7 . 6 7 Consilium, S . 4 0 7 : „Sed cum jam ä nobis Compendium Theologicum e Scripturis, & nostrarum Ecclesiarum symbolis sit adornatum, velim illud vel omnino locis Hafenrefferi praeferri, eo quöd constet ex ipsis phrasibus & verbis libri Concordiae, vel certe cum eo conjungi, & ad unguem edisci." Siehe auch ebd., S . 4 0 6 .

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Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen zum

Theologiestudium

zu lesen, und zwar lebenslang zu lesen oder am besten auswendig zu lernen, ein Leitbuch, das gleichsam eine geistige Landkarte des jeweiligen Wissensgebietes entfaltet und damit Erinnerungsorte für die Lektüre bezeichnet, denen dann weitere Stoffe aus anderen Büchern gedanklich zugeordnet werden k ö n n e n . 6 8 Für das Wissensgebiet der evangelischen Lehre hat Hütter offenbar sein „Compendiu m " als ein solches, intensiv zu lesendes Leitbuch verstanden wissen wollen. M i t diesem Buch in der H a n d oder vielmehr ,im K o p f ' sollten sich die Theologiestudenten auf das weite Feld der dogmatischen Literatur hinauswagen, um dort dann durch eine extensive, auf „Nützliches" bedachte Lektüre Lesefrüchte zu sammeln und festzuhalten. Im Unterschied zu Förster drängt Hütter deshalb beim dogmatischen Studium auf eine Ertragssicherung durch Exzerpieren. Er rät den Studenten dringend, sich ein eigenes Heft anzulegen, dieses nach Loci einzuteilen und darin Lesefrüchte aus der Literatur zu sammeln. Das Exzerpieren nach Loci communes stellt für ihn die M e t h o d e schlechthin dar, mit der sich Gedanken und Zitate der theologischen Lektüre - er denkt dabei speziell an die theologische Sekundärliteratur - organisieren und verfügbar machen lassen. „ D a es nun aber wenig nützt, vieles gehört oder gelesen zu haben, wenn nicht die zentralen Bedeutungen der Dinge festgehalten und in den Gebrauch überführt werden; und k a u m einer genannt werden kann, der die Erinnerung an alles Gehörte und Gelesene bewahren kann, ist der Gebrauch theologischer Loci communes in der Tat sehr wichtig. Denken andere in der Frage, wie diese [Loci] recht einzurichten seien, auch anders, wir folgen der Ansicht, dass nämlich die Loci communes nicht anders aufgezeichnet werden denn als Handbucheinträge, die sowohl im Haus als auch draußen gebraucht werden können - von der Anzahl der Seiten her aber nicht überbordend, was [nur] Müdigkeit und Verwirrung hervorbringt, vielmehr in kurzer, knapper, attischer Darstellung g e f e r t i g t . " 6 9 Das Exzerpieren nach der L o c i - M e t h o d e wird an dieser Stelle von Hütter vor allem deshalb empfohlen, weil dadurch Strukturen geschaffen werden, die einen schnellen, wiederholbaren Zugriff auf das Gehörte und Gelesene ermöglichen und eine breite Anwendbarkeit gewährleisten. Das Loci-Heft bringt die wichtigsten Inhalte des Gelesenen in eine transportable und damit anwendbare F o r m . 7 0 6 8 Vgl. etwa die Überlegungen zur akademischen Lesepraxis bei Aisted in dessen Encyclopaedia, Bd. 1, S. 1 0 1 b - 1 0 3 b , und dazu Zedelmaier, Lesetechniken, S.20f. 6 9 Consilium, S.410f.: „Porrö cum parum prosit, multa vel audiisse, vel legisse, nisi praecipua rerum momenta retineantur, ac ad usum transferantur; & verö vix ullus dari queat, qui rerum omnium auditarum & lectarum memoriam conservare possit, ideoque usus locorum communium Theologicorum certe maximus est. De iis recte instituendis aliis aliter videtur, nobis isthaec placet sententia, ut conscribantur loci communes, non alii, nisi Enchiridici, quorum usus &i domi 8c foris esse possit, non paginarum numero abundantes, id quod taedium & confusionem parit: sed scriptione brevi, succinctä, Atticä, repleti." 7 0 Die Wendung „ad usum transferantur" (Consilium, S.410) dürfte dabei wohl als ein Reflex des Melanchthonschen Usus-Gedankens aufzufassen sein, wie er schon der „Brevis discen-

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Studienratgeber

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Gerade weil man sich als Student nicht alles merken kann, ist es nötig, theologisches Wissen in Form von Loci-Einträgen über den Tag hinaus für die Praxis präsent zu haben. Im Blick auf den konkreten Vollzug des Exzerpierens empfiehlt Hütter einen zweifachen Studienakt: Die Studenten lassen sich zum einen ein griechisch-lateinisches Neues Testament beziehungsweise eine griechisch-lateinische Bibel für den persönlichen Studiengebrauch so zusammenbinden, dass zwischen zwei bedruckten Seiten jeweils ein leeres Blatt zu liegen kommt. Begegnen ihnen in der Sekundärliteratur oder in den Disputationen und Predigten ,vor Ort' erhellende Gedanken zu bestimmten biblischen Problemstellen („loci Biblici"), halten sie entsprechende Notizen zu den Stellen auf der eingeschossenen Leerseite fest. 7 1 Diese Studienbibel soll dann offenbar vor allem im Rahmen der „lectio specialis" des biblischen Textes zum Einsatz kommen. Zum anderen legen sie sich ein spezielles Loci-communes-Handbuch („locorum communium Enchiridion") an. Das ist ein Blanko-Buch, in dem für jeden einzelnen dogmatischen Locus ein bestimmtes Quantum an Seiten reserviert ist, auf denen dann relevantes Material aus der Literatur schriftlich gesammelt werden kann. 7 2 Die auffallend detaillierten Angaben Hütters zum Aufbau des „Enchiridion" zeigen, wie sehr ihm dieses Handbuch ein studienberatendes Anliegen ist, obgleich er seine Anweisungen ausdrücklich nur als Vorschläge verstanden wissen will. 7 3 Das Ganze gleicht einem in Buchform angelegten Karteikasten, der den Studenten helfen soll, Exzerpte zu den theologischen Grundbegriffen zu sammeln. Ein solches frühzeitig in der Studienzeit angelegtes und konsequent geführtes Loci-communes-Handbuch ist dann zusammen mit den oben erwähnten biblischen Exzerptheften, dem dae theologiae ratio" erkennbar zugrunde lag; vgl. oben Kapitel 4.1. Möglicherweise denkt auch Hütter daran, dass sich das unter den einzelnen Loci Rubrizierte - in der Praxis herangezogen - dem Studenten in seiner Bedeutung („momentum") weiter erschließt und im Gedächtnis festsetzt. 7 1 Der Ausdruck „loci" wird im „Consilium" also in einer doppelten Bedeutung verwendet, bezeichnet zum einen wichtige biblische Belegstellen, zum anderen - spezieller gefasst - biblisch-theologische Grundbegriffe. Ähnlich doppeldeutig konnte schon Melanchthon den Begriff verwenden. 7 2 Woher die Loci zu nehmen sind, wird nicht explizit gesagt. Da aber Hütter dazu rät, zunächst ein dogmatisches Kompendium durchzuarbeiten, geht er wahrscheinlich davon aus, dass sich der Student an dem dort verwendeten Loci-Raster orientiert. 7 3 Consilium, S . 4 1 4 : „Haec commodissima videtur ratio instituendi locos communes Theologicos. Quod si tarnen aliis aliud visum fuerit, eos libenter suo sensu abundare patimur, modo virgulam criticam & censoriam in hoc nostrum consilium non prius sibi sumserint, quam periculum fecerint, utra[!] methodus studiosis Theologiae magis sit profutura." Die ersten drei Lagen des etwa 2 0 0 - 3 0 0 Seiten starken Buches im Oktav-Format sind alphabetisch zu nummerieren und dem zu erstellenden Index vorbehalten. Die restlichen Seiten sind numerisch durchzuzählen. Sie nehmen die Notizen zu den einzelnen Loci fortlaufend auf, wie die Loci dem Studenten im Studium begegnen. Für jeden Locus sind zwei Leerseiten zu reservieren. Unter dem Locus (als Überschrift) können dann entsprechende Bibelstellen, philosophisch-theologische Argumente (lutherischer und anderer Autoren), Väterzitate und anderes festgehalten werden; siehe ebd., S . 4 1 3 f .

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Kapitel 1: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen zum

Theologiestudium

Kernstellen- und dem Kapitelsummenheft, gerade für die künftige pfarramtliche Berufspraxis von Bedeutung. Ein Geistlicher führt nach Hütter diese drei „Büchlein" stets bei sich; dadurch ist er in der Lage, „in N o t f ä l l e n " auch kurzfristig, nach einer Vorbereitungszeit von ein bis zwei Stunden, eine Rede oder Predigt zu halten. 7 4 Die Anweisungen zu den übrigen Inhalten des Theologiestudiums bewegen sich weitgehend in den schon bei Förster sichtbar gewordenen Bahnen. Das polemische Studium wird auch von Hütter auf die Kontroversen der Lutheraner mit reformierten und katholischen Theologen ausgerichtet, die der fortgeschrittene, in der christlichen Lehre bereits kundige Student zunächst aus einschlägigen lutherischen Werken, dann auch aus denen der Gegenseite studiert. 7 5 Hütter geht nur insofern über Förster hinaus, als er zum polemischen Studium gerade auch den Besuch von Disputationen empfiehlt, hier also kein reines Literaturstudium ansetzt, und wiederum auf eine - diesmal speziell kontroverstheologische

-

schriftliche Ertragssicherung dringt, wenn er den Studenten rät, die im Blick auf die lutherische Lehre pro und contra vorgebrachten Argumente wiederum in zwei getrennt zu führenden Exzerptheften festzuhalten. 7 6 Ferner erwartet Hütter nicht anders als Förster das Studium der theologischen Tradition von den Wittenberger Studenten. Allerdings gibt er zu diesem, vor allem für die höheren Semester gedachten Studium nur spärliche Hinweise. Das Spektrum der im R a h m e n dieses kirchengeschichtlichen Studiums zu bewältigenden Textgruppen ist nicht so groß wie bei Förster. Es umfasst im Grunde nur drei Gruppen, und zwar die Werke der Kirchenväter, die Schriften Luthers und M e l a n c h t h o n s . Dass ausgerechnet der „Lutherus r e d o n a t u s " , in dem m a n den Initiator der Melanchthon-Kritik in der lutherischen O r t h o d o x i e zu sehen meinte, 7 7 die Lektüre der Schriften des „Praeceptor G e r m a n i a e " eigens und positiv thematisiert, fällt auf und lässt Hütters Melanchthon-Polemik in einem anderen

7 4 Consilium, S . 4 0 1 f . : „Jam si accedat primi illius libri usu, qui insigniores Scripturae sententias continet, haud erit difficile amplius, vel bihorii spatio sese praeparare: praesertim si conjungatur liber tertius, qui est locorum communium, de quo infra agetur. Tres istos libellos nunquam non ad manum habere debet minister verbi, sive domi in sua Ecclesia officium faciat, sive aliò ablegetur, & vel in ipso etiam itinere rogatus concionem habere debeat, ubi admodùm turpe, hie demum velie inquirere libros & commentarios in textum, vel nobis ab Ecclesia propositum, vel sponte nostra ad explicandum susceptum." 7 5 Die Lektüre der zeitgenössischen katholischen und reformierten Literatur - im Blick sind vor allem R o b e r t o Bellarmini und J o h a n n e s Calvin - wird als nützlich empfohlen, wenn frühzeitig die maßgeblichen lutherischen Antipoden dazu gelesen werden. Siehe Consilium, S . 4 1 5 : „Lectio Scriptorum adversariorum ita profuerit, si prius T h e o l o g o r u m nostrorum libellos istis ex professo oppositos probè cognoverimus." 7 6 In das eine Heft soll der Student eintragen, was ihm im Verlauf seiner Lektüre als ein wichtiges Argument für die lutherische oder gegen die katholische beziehungsweise reformierte Lehre erscheint, in das andere, was er bei einer Disputation als antilutherisches Argument und als argumentative Auflösung desselben beobachtet; siehe Consilium, S . 4 0 8 f . 7 7 Vgl. Wallmann, Melanchthonbild, S . 1 5 .

2. Frühe

Studienratgeber

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Licht erscheinen. Hütter rät von der Lektüre Melanchthons keineswegs ab; allerdings besteht er darauf, dass seine Werke mit theologischem Urteilsvermögen gelesen werden. Das entspricht der bei Hütter auch anderweitig schon festgestellten Simultanität von Hochschätzung und kritischer Distanz. 78 Es scheint, als habe sich Hütter damit gegen eine allzu einseitige antimelanchthonische Fremdwahrnehmung seiner selbst verwehren wollen. 79 Auffallend unterbelichtet ist im Vergleich zum Försterschen „Consilium" der Bereich der pastoralen Praxis. Das gesamte Stoffgebiet der Praktischen Theologie wird von Hütter ausgeblendet, obwohl er mit seinem Studienkonzept gerade künftige Pfarrer heranbilden möchte. 80 Die Lektüre einschlägiger Werke zur beruflichen Praxis des Geistlichen sah Hütter offensichtlich nicht als eine vom Theologiestudenten im Rahmen seines akademischen Studiums zu bewältigenden Aufgabe an. 81 Freilich will auch Hütter das Theologiestudium mit einer gewissen Frömmigkeitspraxis verbunden sehen, was daraus hervorgeht, dass er den Studenten doch recht konkrete Ratschläge zur Einrichtung des täglichen Gebets erteilt. Hütter zufolge ist das Studieren des Theologiestudenten einzubetten in einen Gebetsrahmen. Morgens und abends sollen die Studenten ihre „preces" verrichten, verstanden vornehmlich als Bittgebet um den eigenen Studienfortschritt und um die Bewahrung der Familienangehörigen sowie der „ganzen katholischen Kirche Christi". 82 Wie schon sein Kollege Förster so kann sich auch Hütter eine dauerhafte theologische Performierung des menschlichen Geistes ohne Beistand des göttlichen Geistes nicht vorstellen. Betrachtet man das „Consilium" Hütters im Zusammenhang des Wittenberger Anweisungsschaffens, so fällt auf, wie sehr noch zu Beginn des 17. Jahrhun78 Vgl. Steiger, Leonhard H u t t e r s C o m p e n d i u m , S. 104. Die in der Literatur immer wieder gern erinnerte Geschichte von der Z e r s t ö r u n g eines Melanchthon-Bildes d u r c h L e o n h a r t H ü t t e r hat M a h l m a n n mit gewichtigen G r ü n d e n als eine lancierte Anekdote erwiesen; vgl. ders., Bezeichnung M e l a n c h t h o n s , S. 1 6 4 - 1 7 4 . 79 Consilium, S.417: „ Q u o a d scripta D n . Philippi, si quis ea legere, & evolvere voluerit; h a u d equidem reluctari velim: siquidem in illis multa o r t h o d o x a , utilia, salutaria contineri, nem o , nisi impius & amens, negaverit. Interim tarnen non quodvis p r o b a n d u m & simpliciter accip i e n d u m in iisdem, sed exactum judicium adhibendum esse, omnes cordati 8c exercitati Theologi graviter judicant." 80 H ü t t e r scheint - a u f g r u n d eines körperlichen Gebrechens - nie gepredigt zu haben; vgl. U U W I, S . 6 0 2 (Nr.493); Appold, O r t h o d o x i e , S.40, A n m . 1 1 4 . Möglicherweise h a t er a u c h deshalb an den Fragen der Predigtpraxis kein intensiveres Interesse entwickelt. 81 Was schließlich die zeitliche Strukturierung des Studiums betrifft, so h a t H ü t t e r im Vergleich zu Förster hier weniger klar umrissene Vorstellungen. Das tägliche Z e i t p e n s u m ist geringer angesetzt: N u r rund sechs Stunden erwartet H ü t t e r vom Studenten an Z e i t a u f w a n d , wobei ein gewisser Schwerpunkt auf der kursorischen und statarischen Lektüre der Bibel liegt; siehe Consilium, S. 3 9 8 . 4 0 7 . 4 1 7 . Z u r mittel- und langfristigen Z e i t p l a n u n g des Studiums gibt H ü t t e r keine Hinweise. 82 Consilium, S. 397: „His non m o d o nos nostrosque, verum etiam t o t a m Ecclesiam Catholicam Christi, [...] misericordi Deo c o m m e n d a b i m u s [...]."

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Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

derts in der kleinen Schrift dieses dem Konkordienluthertum unzweifelhaft verpflichteten Autors das Erbe Melanchthons durchschlägt. Die Anlage des „Consilium" folgt nicht dem Lutherschen Schema von „oratio, meditatio, tentatio", sondern orientiert sich an der „Brevis discendae theologiae ratio" Melanchthons, in der das loci-gesteuerte Bibelstudium im Mittelpunkt steht. Gebet und „Anfechtung", die bei Luther den hermeneutischen Rahmen der „meditat i o " bildeten, werden von Hütter in der Fassung aufgenommen, in der sie schon in der Anweisung Melanchthons begegnen: Dem Gebet, wie es im „Consilium" empfohlen wird, fehlt die spezielle Ausrichtung auf den Heiligen Geist, der nach Luther die exegetischen Bemühungen des Studenten leiten soll; es geht vielmehr um ein allgemeines Fürbittengebet. Die „tentatio" scheint allenfalls noch in der speziell melanchthonischen Fassung als „usus doctrinae" präsent zu sein, nämlich als die lebenspraktische und damit sinnerschließende Umsetzung des aus der Bibel als „Lehre" Erkannten. 8 3 Hütter steht auch mit seinen Anweisungen zu einer doppelten, kursorischen wie statarischen Lektüre der Bibel sowie zum Exzerpieren nach der Loci-Methode viel näher bei Melanchthon als bei Luther. Eine Synthese der Anweisungen beider Reformatoren versucht Hütter so wenig wie Förster. Sind auch einige inhaltliche Vorbehalte gegenüber Melanchthon nicht zu übersehen, werden dessen Schriften nur unter Vorbehalt zur Lektüre empfohlen und insbesondere seine „Loci communes" mit keinem Wort mehr erwähnt, so verbleibt Hütter doch methodisch noch weitgehend in den von Melanchthon angelegten Bahnen. Das „Consilium" folgt dem humanistischen Ansatz Melanchthons, der die Studenten dazu anzuleiten suchte, der im biblischen Text geoffenbarten „Lehre" („doctrina") mit Hilfe der heiligen Sprachen, der artistischen Studien, der Kirchenväterkommentare, der Loci-Methode auf die Spur zu kommen. Der „Lutherus redonatus" wahrt in dieser Hinsicht kein unerhebliches Erbe des „Praeceptor Germaniae". Letztlich humanistisch geprägt sind auch die auffallend häufigen, teilweise recht detaillierten Hinweise zur Anlage von Kollektaneensammlungen. Das systematische Exzerpieren ist bei Hütter die wichtigste Methode zur Disziplinierung des studentischen Textumgangs. Insgesamt sechs verschiedene Hefte beziehungsweise Bücher dieser Art - mit jeweils unterschiedlichen Systematiken werden dem Studenten zur Anlage und Führung empfohlen. 8 4 Sie dienen dazu, das im Rahmen eines Vortrags oder der eigenen Lektüre als wissensrelevant be83 Siehe die eher beiläufige Bemerkung, Consilium, S . 4 1 0 : „Porrö cum parum prosit, multa vel audiisse, vel legisse, nisi praecipua rerum momenta retineantur, ac ad usum transferantur [•••]•" 84 Neben dem Kernstellen- und Kapitelsummenheft, den beiden kontroverstheologischen Notizheften und dem Loci-communes-Enchiridion empfiehlt Hütter schließlich noch das Anlegen und Führen eines allgemeinen Miszellen-Heftes, in dem Sinnsprüche, gefällige Wendungen, Sentenzen und ähnliches festgehalten werden sollen - und zwar unter dem Gesichtspunkt der rhetorischen Aufbereitung eigener schriftlicher und mündlicher Äußerungen; siehe Consilium, S.417.

3. Zwischenresultat

185

trachtete theologische Material so zu organisieren, das es jederzeit, vor allem aber eben auch in der künftigen geistlichen Praxis verfügbar und abrufbar ist. Das unter bestimmten „Gesichtspunkten" („loci") rubrizierte Material soll die „inventio" der Argumente erleichtern - etwa wenn zu einem bestimmten Locus eine Predigt zu halten oder eine theologische Auseinandersetzung zu führen ist. Insgesamt gesehen, zielt das „Consilium" Hütters nicht auf akademische Selbstreproduktion. Sein Anliegen ist die Formierung des Theologiestudiums künftiger Geistlicher. Die auffallenden Hinweise zur Anlage von Exzerptheften belegen die gestiegenen Bildungsansprüche. Hütter kann sich offenbar den Dienst des Pfarrers nicht mehr vorstellen, ohne die memoriale oder eben auch durch Exzerpthefte gewährleistete Präsenz eines breiteren theologischen Wissens. Das Qualifikationsprofil hat sich dabei gegenüber den im 16. Jahrhundert formulierten Erwartungen noch nicht grundlegend verschoben: Predigt, Seelsorge, Katechese, Lehrverteidigung sind auch bei Hütter die mehr oder weniger klar ausgesprochenen Aufgaben der Geistlichen, zu deren professioneller Wahrnehmung das Bibelstudium und das Erlernen der Glaubensartikel beitragen sollen.

3. Zwischenresultat Die eingehende Betrachtung der beiden kleinen „Consilia" offenbart in unterschiedlicher Hinsicht Kontinuität und Wandel. Einerseits dürfte deutlich geworden sein, dass die Wittenberger Professoren den konzeptionellen Faden nicht einfach dort wieder aufnahmen, wo ihn die zweite reformatorische Generation hatte liegen lassen. Chytraeus hatte versucht, die praktischen Studienratschläge Melanchthons in das Luthersche Konzept von „oratio, meditado, tentatio" zu integrieren. Das häuslich-private Theologiestudium, zu dessen Anlage Förster und Hütter zu Beginn des 17. Jahrhunderts Ratschläge erteilen, sieht anders aus. Auffallend ist, dass die Luthersche Trias von „oratio, meditado, tentatio" in den frühen Studienratgebern nirgends erwähnt, dass auf sie nirgends explizit Bezug genommen wird, wenn auch beide Professoren die Frömmigkeitsübung des Gebets den Studenten durchaus empfehlen. Die Gewichte sind verschoben. Förster und Hütter legen das Theologiestudium vorwiegend als Fachstudium an, in dem sich die Studenten diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten erarbeiten sollen, die sie für den künftigen geistlichen Dienst brauchen. Der für Chytraeus charakteristische, Lehre und Leben integrierende Theologiebegriff scheint zurückgenommen. Das Theologiestudium wird nicht mehr wie bei Luther zuerst und vor allem als ein Weg zu einer Erkenntnis oder, besser gesagt, Erfahrung beschrieben, die am Studenten selbst zur Wirkung kommt. Vielmehr deutet sich eine stärker funktionale Auffassung an, wenn die Theologie gerade als Mittel zum pastoralen Zweck definiert wird, als Mittel, das vorrangig dazu dienen soll, den Theologen zum Un-

186

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

terricht über das Seelenheil beziehungsweise zur Weitergabe der „doctrina" zu befähigen. Dieses so auffallend von der späteren pastoralen Praxis her bestimmte Theologieverständnis Försters und Hütters steht nun andererseits aber auch in beachtlicher Kontinuität zu demjenigen, das sich in den Anweisungen der frühen Melanchthonschüler sowie dann vor allem in der Instaurationsrede Jakob Andreaes gezeigt hatte. Entsprechend orientiert sich das Studienkonzept viel stärker an der „Brevis discendae theologiae ratio" Melanchthons als an der Vorrede Luthers. Natürlich ist die „doctrina" den Grundzügen nach allen Christinnen und Christen zur Erlangung des Seelenheils zu wissen nötig - auch dem Theologen. Aber er beschäftigt sich mit ihr doch vorwiegend im Blick auf eine spätere Weitergabe der Lehre an andere. Deshalb erwirbt er auch einige spezielle, mit dem Erlernen der Lehre noch nicht selbst gegebene Vermittlungskompetenzen. Er erwirbt sich nicht nur eine fundiertere Kenntnis der Lehre, sondern er lernt die Lehre auch gegenüber den Einwänden römisch-katholischer oder reformierter Theologen zu verteidigen, er lernt sie aus der Bibel zu eruieren, er lernt mit altkirchlichen Autoritäten den katholischen Traditionsbeweis zu konterkarieren. Die Theologie erweist sich somit in den beiden „Consilia" als pastoral abgezweckte Lehrwissenschaft, der Theologe entsprechend ausschließlich und eindeutig als „Lehrer". Die beiden Anweisungen sind also im Vergleich zu denen des 16. Jahrhunderts ungleich stärker auf den geistlichen Beruf fokussiert; eindeutige Bezüge zum akademischen Unterricht lassen sie aber noch nicht erkennen. Sie sind noch ganz auf die Formierung des häuslich-privaten Studiums konzentriert.

4 . Programmatische Entwürfe 4.1. Baltbasar (1625) 4.1.1

Theologie

Meisner: „Praecognitorum als „habitus Oeöaöoxog

theologicorum

disputationes"

practicus"

In der Geschichte der lutherischen Theologie markieren die Jahre um 1600 einen bedeutsamen Einschnitt. Wesentlich angestoßen durch die Wissenschaftslehre des Neuaristotelismus kam eine damals lebhaft geführte innerprotestantische Diskussion um das Selbstverständnis der „Theologie" als Wissenschaft in Gang. 85 Es waren zunächst reformierte Theologen, die das Wissenschaftskonzept Zabarellas übernahmen und den Status der Theologie im Kontext dieses Ge8 5 Zu dieser Diskussion und den in ihr vertretenen Standpunkten vgl. Appold, Orthodoxie, S . 6 4 - 6 7 ; ders., Vocatio, S . 4 6 - 6 6 ; Gaß, Bd. 1, S . 2 3 1 - 2 3 5 ; Matthias, Art. Orthodoxie, S . 4 7 3 476; Pannenberg, S . 2 3 4 - 2 3 6 ; Sparn, Krise, S. 7 1 - 8 2 ; ders., Wiederkehr, S. 3 0 - 3 5 ; ders., Wiederkehr (Diss. theol.), S. 117-194a; Wallmann, Theologiebegriff, passim.

4. Programmatische

Entwürfe

187

samtkonzepts von Wissenschaft zu bestimmen suchten. Vor allem über den am Danziger reformierten Gymnasium illustre unterrichtenden Bartholomäus Keckermann (1571-1609) scheint die neuaristotelische Wissenschaftslehre dann auch in der lutherischen Schulphilosophie und -theologie bekannt geworden zu sein. Wie bereits gesehen, hatte sich im reformierten Bereich schon Johann Heinrich Aisted in seiner „Methodus studii theologici" mit diesem Konzept auseinandergesetzt und die Theologie ihrem wissenschaftstheoretischen Status nach den „scientiae" zugeordnet. 86 Ähnlich zeigten sich dann auch Vertreter der Luthertums daran interessiert, das Verständnis von Theologie im Kontext dieser Wissenschaftslehre zu diskutieren. 87 Das von Melanchthon überkommene Verständnis der Theologie als einer „Lehrwissenschaft" wurde mehr und mehr aufgegeben. Kennzeichnend für das sich verlagernde Theorie-Interesse ist das allmähliche Zurücktreten des „doctrina"-Begriffs in den wissenschaftlich-theologischen Texten. In der zu Beginn des 17. Jahrhunderts geführten innerprotestantischen Diskussion um das Selbstverständnis der Theologie als Wissenschaft wurden schon relativ früh Fragen der Theologenausbildung aufgenommen. Diese Erweiterung des Gesprächszusammenhangs war sachlich bedingt. Denn ,die' Theologie, deren Verständnis man damals diskutierte, war gleichsam ein von Menschen „in statu viae" betriebenes ,Geschäft', um dessen wissenschaftstheoretischen Status wohl gestritten werden konnte, von dem man aber überzeugt war, dass bei ihm immer auch angegeben werden müsse, wie es von den Menschen hier und jetzt zu erlernen und zu praktizieren war. Dies galt erst recht dann, wenn man, der neuaristotelischen Habituslehre folgend, die Theologie in einer wie auch immer näher zu bestimmenden Weise als „Gehaben" („habitus") und damit als eine „Tugend" von Verstand und Willen auffasste, die nicht von Natur aus gegeben war, sondern durch Belehrung und Übung erworben werden musste. So war es nur konsequent, dass sich von dem veränderten wissenschaftstheoretischen Ansatz her auch die Frage nach dem konkreten Studienvollzug neu stellte und zu einer kritischen Revision der bisherigen Ausbildungskonzepte und der bisherigen Ausbildungspraxis herausforderte. Im Zeichen der entflammten Diskussion um den Theologiebegriff traten in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts einige Autoren mit Anweisungen hervor, die sich von der bisherigen Anweisungsliteratur dadurch heraushoben, 86

Vgl. oben Kapitel 6.3. Das neu erwachte Interesse an dem Verständnis von Theologie und den Implikationen des Theologiebegriffs hängt sachlich eng mit der schon im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts zu beobachtenden Metaphysik-Rezeption zusammen, die wiederum nicht allein aus konfessionsapologetischen Motiven heraus erklärt werden kann, sondern eher in einer generellen wissenschaftlichen Interessenverschiebung von Glaubensfragen hin zu Fragen der Logik und der O n tologie begründet liegen dürfte, der sich dann auch die lutherische und reformierte Theologie nicht dauerhaft entziehen konnte; vgl. Sparn, Wiederkehr, S . 9 - 1 3 ; Wallmann, Theologiebegriff, S.25f.; Weber, Philosophische Scholastik, S. 1 - 3 4 . 87

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Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

dass in ihnen zunächst der Theologiebegriff diskutiert wurde und erst im Anschluss daran Wesen und Anlage des Theologiestudiums zur Sprache kamen. Die Arbeiten fielen qualitativ und quantitativ recht unterschiedlich aus, waren auch in ihrem Praxisbezug durchaus verschieden. Eine der frühesten und wissenschaftsgeschichtlich bedeutendsten Leistungen in diesem Zusammenhang sind die bereits erwähnten beiden Bücher über die „Praecognita theologica" des Herborner Theologieprofessors Johann Heinrich Aisted. 88 Auf lutherischer Seite nahm sich vor allem Johann Gerhard ( 1 5 8 2 - 1 6 3 7 ) eingehender des Themas an. 8 9 Seine 1 6 1 7 in Jena gehaltene Vorlesung über das Theologiestudium erschien erstmals 1 6 2 0 unter dem Titel „Methodus studii theologici" und wurde dreimal aufgelegt. 90 Im Unterschied zu Alsteds breit angelegtem Opus ist die „Methodus" Gerhards vom Umfang her wesentlich knapper und praxisnäher geschrieben. Sie fällt, theoriegeschichtlich betrachtet, in eine Zeit, in der Gerhard im Gefolge Melanchthons noch weitgehend am „Doctrina"-Konzept festhält. Das habituelle Theologieverständnis, dem Gerhard 1 6 2 5 mit dem berühmten „Prooemium" seiner „Exegesis" endgültig zum Durchbruch in den lutherischen Dogmatiken verhelfen sollte, 91 ist in der studienanweisenden frühen Jenaer Vorlesung allenfalls angebahnt. Leitend ist in der „Methodus" das Verständnis von Theologie als eines Selbstvollzugs des Theologen, also als einer Praxis, die vorrangig auf das theologisierende Subjekt und dessen Affizierung mit der heilsamen kirchlichen Lehre abzielt. Nicht ohne Grund orientiert Gerhard deshalb auch seine Studienanweisung an der Lutherschen Trias von „oratio, medita tio, tenta t i o " . 9 2 Unter den lutherisch-orthodoxen Theologieprofessoren, die in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts an der Theologischen Fakultät der Leucorea lehrten, zeigte sich vor allem Balthasar Meisner ( 1 5 8 7 - 1 6 2 6 ) 9 3 an den Fragen nach dem Wesen der Theologie und des Theologiestudiums interessiert. Der aus Dresden stammende Meisner hatte in Wittenberg (unter anderem bei Johann Vgl. oben Kapitel 6.3. Noch ohne vorhergehende wissenschaftstheoretische Diskussion des Theologiebegriffs war 1619 die aus fünf Disputationen hervorgegangene „Isagoge theologica" des Helmstedter Professors Theodor Berckelmann ( 1 5 7 6 - 1 6 4 5 ) erschienen. Das Werk wurde 1665 in Helmstedt ein weiteres Mal aufgelegt (VD 17: 1:001440K). 90 Die Ausgaben erschienen 1620, 1622 und 1654 in Jena; vgl. Erman/Horn, Bd. 1, S . 3 9 4 , N r . 8 0 9 6 - 8 0 9 8 . Vgl. ferner Gaß, B d . l , S . 2 2 4 - 2 3 1 ; M . Jung, Sapientia, S. 1 7 7 - 1 8 2 ; Kang, S. 1 1 0 - 1 1 9 ; Nieden, Anfechtung, S. 9 3 - 1 0 1 ; ders., Theologie; Preus, Bd. 1, S. 1 2 0 - 1 2 8 . 91 Vgl. Wallmann, Theologiebegriff, S. 7 1 - 7 5 . Die „Exegesis" stellt eine gerade in der Schriftlehre erweiterte Fassung des ersten Bandes der „Loci theologici" von 1610 dar. Sie erschien unter dem Titel: Exegesis sive uberior explicatio articulorum de Scriptura Sacra, de Deo et de persone Christi in tomo I Locorum Theologicorum concisius pertractatorum, Jena 1625; vgl. J. Baur, S. 108.118. 92 Vgl. dazu Kang, S. 1 1 0 - 1 2 1 ; Nieden, Theologie. 93 Sparn, Art. Meisner; Tholuck, Geist der lutherischen Theologen, S. 1 4 - 3 7 ; Vgl. Witte, Memoriae Theologorum, Bd. 1, Decas Prima, S. 2 1 4 - 2 2 2 . 88

89

4. Programmatische

Entwürfe

189

Förster und Leonhart Hütter), Tübingen, Straßburg und Gießen, mithin an bedeutenden Universitäten des sich konfessionalisierenden Luthertums, studiert, als sich ihm durch Vermittlung des kursächsischen Oberhofpredigers Matthias Hoe von Hoenegg (1580-1645) die Möglichkeit eröffnete, nach Wittenberg zurückzukehren: 1611 übernahm er die ethische Professur bei den Artisten, 1613 schließlich die mit einem Predigtauftrag an der Schlosskirche verbundene theologische Professur seines Doktorvaters Johann Förster. Aus einem besonderen Interesse an allen Fragen des kirchlichen Lebens heraus, öffnete er sich - wie übrigens auch der mit ihm freundschaftlich verbundene Johann Gerhard - der wesentlich von Johann Arndt (1555-1621) inspirierten Frömmigkeitsbewegung 94 und suchte gerade auch aus dieser Perspektive heraus intellektuellen Anschluss an die zeitgenössischen philosophischen Diskussionen. 95 In einer im Wittenberger theologischen Lehrbetrieb so noch nie da gewesenen Weise und Konsequenz ließ Meisner nahezu alle Bausteine eines geplanten, groß angelegten, dogmatischen „systema" zunächst von Studenten disputieren. Die Dogmatik als Ganze wurde nie vollendet. Nachweisbar sind aber (mindestens) 219 Disputationen zu nahezu allen systematisch-theologischen Themengebieten. 96 Unter ihnen findet sich auch eine Reihe von zehn Disputationen zu den wissenschaftstheoretischen und -organisatorischen Präliminarien der Theologie („praecognita theologica"). Diese zehn Disputationen ließ Meisner vom 16. 94 Vgl. dazu Brecht, Aufkommen; einen forschungsgeschichtlichen Überblick bietet Anetsberger, S. 18-61; Geyer, Bd. 1, S. 1 5 - 5 8 ; vgl. auch Sommer, Politik, S . 2 9 5 - 3 0 3 . Vom 3. bis 5. Dezember 1998 fand in Wittenberg ein Symposium zu J o h a n n Arndt statt, auf dem die gegenwärtig geradezu polare Situation der kirchenhistorischen Arndt-Forschung unübersehbar hervortrat. Die Publikation der Tagungsbeiträge steht noch aus. 95 Bereits im ersten Jahr nach seinem Eintritt in die Wittenberger Theologische Fakultät gab Balthasar Meisner seinen Studenten in einer kurzen Rede einige Hinweise zu den beiden wichtigsten häuslich-privaten Studienakten, dem Bibellesen und dem Exzerpieren nach der Loci-Methode. Die Rede, im M ä r z 1614 gehalten und ursprünglich nur für die Wittenberger Studenten bestimmt, erschien wohl erstmals posthum 1635, und zwar im Rahmen der ersten Auflage des Hülsemannschen Sammelwerks „Methodus concionandi", S . 4 3 5 - 4 4 8 , unter dem Titel: „Brevis Instructio de Lectione Biblica & Locis C o m m u n i b u s " . Die bei Witte, Memoriae Theologorum, Bd. 1, Decas Prima, S.221, unter den Meisnerschen Werken aufgeführten „Consilia de studio theologico & lectione Biblica rectè instituendis" (Wittenberg 1635) dürften mit der genannten „Brevis Instructio" identisch sein. 96 Vgl. das demnächst erscheinende Verzeichnis der Wittenberger theologischen Disputationen von Kenneth Appold, das zu dieser Untersuchung dankenswerterweise schon vorab eingesehen werden konnte. Wie bei den frühneuzeitlichen akademischen Disputationen im Allgemeinen, so ist auch bei den Disputationen Meisners im besonderen von einer maßgeblichen Autorschaft des disputationsleitenden Präses auszugehen; vgl. dazu vor allem H o r n , S. 5 1 - 7 2 ; G. K a u f m a n n , S. 221 f. Gleichwohl ist es nicht von vornherein auszuschließen, dass die Promovenden, für die Meisner die Disputationen ausarbeitete, an der Gestaltung einzelner Passagen beteiligt gewesen sind; darauf deutet etwa schon die Tatsache, dass im Text auf die Werke des anwesenden Präses in der grammatikalischen Form der dritten Person verwiesen wird; siehe zum Beispiel: Balthasar Meisner, Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, Bl. C4 a : „[...] uti id ipsum sufficienter & eleganter deducitur à Cl[aro] D[omi]n[e] D[octore] Praeside in Phil[osophia] Sob[ria], [...]."

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7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

März bis zum 2 9 . Juni 1 6 2 5 mittwochs beziehungsweise freitags im Kleinen Auditorium der Universität als Übungsdisputationen verfechten. 9 7 Meisner suchte in diesen Disputationen vor dem Hintergrund des aufkeimenden Neuaristotelismus nach einer wissenschaftstheoretischen Statusbestimmung der Theologie. Seine geistigen Gesprächspartner waren dabei vor allem Johann Heinrich Aisted und Johann Gerhard. Der Einfluss der Alstedschen und Gerhardschen „Methodus" wird schon an den zahlreichen Zitaten deutlich, wobei insbesondere das Werk des reformierten Theologen Aisted bis hinein in die Wahl der Überschriften und der Formulierungen der einzelnen Argumente vorbildlich wirkt. Gleichwohl stellt Meisners Wittenberger Disputationsreihe nicht nur gattungsbedingt doch noch einmal einen völlig eigenständigen Diskussionsbeitrag zu dem Fragenkreis der theologischen Präliminarien und insbesondere des Theologiestudiums dar. Schon der zugrundegelegte Theologiebegriff ist verschieden. Wie definierten Aisted und Gerhard die Theologie als Wissenschaft? Diese Frage ist zuerst zu klären, denn es ist anzunehmen, dass je nach zugrunde gelegtem Theologiebegriff auch die Konzepte theologischer Ausbildung unterschiedlich ausfielen. Johann Heinrich Aisted hatte in seiner „Methodus" die Theologie zunächst der „sapientia" zugeordnet, sie dann freilich, um der praktischen Folgerungen willen, die sie aus ihren Einsichten zog, näherhin als einen „gemischten Habitus", einen „habitus mixtus", bezeichnet. 9 8 Einen etwas anders gewichteten Theologiebegriff legte Johann Gerhard seiner „Methodus studii theologici" zugrunde. Der Jenaer Theologe erkannte ähnlich wie Aisted die Notwendigkeit, vor dem systematischen Anweisungsteil zunächst den Theologiebegriff zu determinieren, das heißt genau abzuklären, was eigentlich unter „Theologie" zu verstehen ist, zu deren Studium er die Hörer und Leser anleiten wollte. Ohne die Frage nach dem Wesen der Theologie eingehender zu berühren, bestimmte Gerhard, dass „wir das Wort ,theologia' [...] im allgemeinen vom ganzen System der christlichen Lehre akzeptieren; und nicht einfach die wie auch immer geartete, allen Gläubigen gemeinsame Erkenntnis des Glaubens und der christlichen Religion unter diesem Wort verstehen, sondern eine genauere und vollkommenere Erkenntnis der göttlichen Geheimnisse, wie sie im Status dieses Lebens eben Platz haben kann, wodurch derjenige, der unterrichtet worden ist, über die theologischen Kontroversen urteilen, die Orthodoxie der himmlischem Wahrheit behaupten und deren Feinde wirksam überwinden k a n n " 9 9 . Eine konsequente 9 7 Die einzelnen „disputationes" sind vom Umfang her sehr unterschiedlich (Format: 4°): Disp. I (28 S.), Disp. II (12 S.). Disp. III (72 S.), Disp. IV (36 S.), Disp. V (36 S.), Disp. VI (38 S.), Disp. VII (40 S.), Disp. VIII (22 S.), Disp. I X (24 S.), Disp. X (20 S.). Die umfängliche dritte Disputation dürfte entweder nur in Auswahl zugrunde gelegt oder aber für den Druck nachträglich erweitert worden sein; vgl. auch Appold, Orthodoxie, S. 6 5 , Anm. 1 9 5 . 9 8 Vgl. oben Kapitel 6.3. 9 9 Johann Gerhard, Methodus, S. 9f.: „[...] in genere accipimus de toto Christianae doctrinae systemate; nec qualemmcunque fidei & religionis Christianae cognitionem omnibus fidelibus communem hoc nomine intelligimus, sed accuratiorem & perfectiorem mysteriorum divinorum

4. Programmatische

191

Entwürfe

Orientierung am aristotelischen Schema der Verstandestugenden ist in der Anweisung Gerhards noch nicht zu erkennen. Gerhard vermeidet es 1 6 1 7 , die Theologie als „ h a b i t u s " zu definieren. Theologie, wie er sie in der „ M e t h o d u s " verstand, war noch weithin im Gefolge Melanchthons einfach die „ E r k e n n t n i s " beziehungsweise „ K e n n t n i s " („cognitio") der geoffenbarten Glaubensgeheimnisse -

eine Erkenntnis, die grundsätzlich allen Christinnen und Christen

zugänglich und heilsnotwendig ist und vom Theologen lediglich in einer eingehenderen,

gründlicheren,

nämlich

„wissenschaftlichen"

Weise

gewonnen

wird.100 Im Vergleich dazu schlug Meisner eine andere Richtung ein. Alsteds und Gerhards Bestimmungen der Theologie, so unterschiedlich sie auch akzentuiert waren, kamen darin überein, dass sie einen ethischen, selbstbezüglichen Praxisbegriff voraussetzten und den theologischen Vollzug mithin als ein auf das agierende Subjekt abzielendes Handeln dachten. 1 0 1 D a eine solchermaßen verstandene theologische Praxis in den Augen Meisners in der Gefahr stand, leicht in die N ä he eines regenitorischen oder gar meritorischen Aktes zu geraten, suchte er in seinen Überlegungen einen anderen Praxisbegriff zur Geltung zu bringen. 1 0 2 Er sah die Praxis des Theologen zunächst und zuerst auf das personale Gegenüber bezogen, das eben dadurch zur ewigen Seligkeit gelangen soll. Erst dieses äußere, auf den gefallenen Menschen gerichtete Handeln macht den Theologen formal

zum

T h e o l o g e n . 1 0 3 Meisner hat die hier geltend zu machende Differenzierung in der cognitionem, qualis quidem in statu hujus vitae locum habere potest, qua qui instructus est, de controversiis Theologicis judicare, ò p S o ò o ^ i a v coelestis veritatis asserere, ejusdemque adversarios potenter convincere possit." Vgl. dazu Wallmann, Theologiebegriff, S. 7 5 - 8 4 . Z u m Praxisbegriff des Aristoteles vgl. Bien, Sp. 1 2 7 8 - 1 2 8 6 . Aufgrund des Gegensatzes zur „Poiesis" betont Aristoteles gerade den subjektimmanenten Charakter der „ P r a x i s " ; siehe ders., Nikomachische Ethik 6 , 4 1 1 4 0 a 1 - 2 3 . Die Phronesis steuert die Praxis des Subjekts hin auf das Ziel des „guten L e b e n s " ; siehe ebd., 6 , 5 1 1 4 0 a 2 5 - 3 0 . 100 101

1 0 2 Bartholomäus Keckermann hatte die Theologie nach dem Modell der aristotelischen „cppóvriòtg/prudentia" verstanden. Meisner lehnt diese Auffassung ab, Praecognitorum T h e o logicorum Disputano I, Bl. A 4 a : „Quid quod hac ratione pollex premeretur Pontificijs meritum bonorum operum docentibus, si Theologia esset prudentia religiosa, ad modum civilis prudentiae se habens, in sanctimonia vitae & actionibus virtuosis consistens. Sequeretur enim, sicuti Ethica prudentia per virtutes Ethicas hominem ducit ad summum b o n u m civile consequendum, finem Ethicae; ita quoque per Theologicam prudentiam bonis operibus, salutem aeternam summum illud bonum spirituale hominem illä praeditum consequi & acquirere, quòd oppidò Papismum olet." Vgl. auch S p a m , Krise, S . 7 2 ; ders., Wiederkehr, S . 3 2 ; und ausführlicher: ders., Wiederkehr (Diss. theol.), S. 1 5 4 - 1 5 7 . 1 ( " Praecognitorum Theologicorum Disputatio 1, Bl. B l " : „[...1 eorumque [= docti Ecclesiae ministri] praxis non est sanctitas operum, puritas vitae &C sanctimonia actionum juxta legem moralem conformatarum [...], sed actiones istae externae circa hominem lapsum convertendum, & conversum beandum versantes & occupatae, interpretando verbum Dei, auditores informando, Sacramenta administrando, adhortando, consolando 8cc. Ratione enim istius praxeos ejusdem sunt conditionis cum piis & fidelibus alijs; Ratione vero hujus formaliter sunt T h e o logi."

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7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

dritten Pars seiner „Philosophia sobria" unzweideutig auf den Punkt gebracht: Der innere Zweck der Theologie ist nicht das „Zum-Heil-Kommen" („pervenire ad salutem") des Theologen, sondern das „Zum-Heil-Führen" („perducere ad salutem") anderer Menschen durch den Theologen. 1 0 4 Das Theologiestudieren, das Theologie-Treiben in Schule und Gemeinde ist Allopraxie, nicht Autopraxie. 1 0 5 Der aristotelische, „ethische" Praxisbegriff ist bei Meisner zugunsten eines neuen, und zwar an der Medizin orientierten, auf das äußere Objekt des Wirkens bezogenen Praxisbegriffs aufgegeben. 1 0 6 Wenn die Theologie „praktisch" genannt werden kann, dann nicht wegen des Theologie treibenden Subjekts, also wegen des Theologen als Habitus-Trägers, sondern „wegen des äußeren Subjekts des Handelns, um dessen willen gehandelt wird, das ist: der gefallene Mensch, sofern er ein für die Ewigkeit zu rettender i s t " 1 0 7 . Meisner definierte zu Beginn seiner ersten Präliminariendisputation: „Die Theologie ist ein von Gott gegebener praktischer Habitus, der im Geist des Theologen existiert und ihn dahin lenkt, dass er die gefallenen Menschen durch die wahre Religion zur ewigen Seligkeit f ü h r t . " 1 0 8 Theologie ist demnach nichts an-

1 0 4 Philosophia Sobria III, S. 1 9 2 : „Non ergo possumus adprobare definitionem Keckermanni, scribentis; Theologiam esse prudentiam religiosam perveniendi ad salutem: Ut enim de genere nihil dicam, differentia minùs rectè assignata est, quoniam exinde sequeretur, Theologiam primo esse habitum auditorum & salvandorum, non autem doctorum, & neminem pervenire posse ad salutem, nisi qui sit Theologus, vel habitu Theologiae instructus, quod absurdum. Est ergo doctrina non perveniendi, quod auditorum: sed potius perducendi aut promovendi ad salutem, quod doctorum." Vgl. Sparn, Krise, S . 7 2 f . 1 0 5 Zur Unterscheidung von „Allopraxie" und „Autopraxie" vgl. Nieden, Anfechtung, S. 93. 106 p r a e c o g n i t o r u m Theologicorum Disputatio VIII, Bl. C 2 b : „Subjectum operationis Theologiae est homo, quatenus aeternùm salvandus; Sicut subjectum Medicinae etiam est homo, quatenus corporaliter sanandus [...]." Philosophia Sobria III, S. 1 8 1 f.: „Ex quo insuper patet, quòd Theologia fermè majorem cum Medicina cognationem habeat, quam cum disciplina Etilica. Ut enim Medicina docet, quomodo Medicus operari debeat circa hominem corporaliter sanandum; Sic Theologia docet, quomodo Theologus operari debeat circa hominem spiritualiter sanandum, quod ipsum quum sit aliqua iipd^ig, voce generaliter sumtà, licèt non sit talis, qualem Ethici consideranti hie ipsa Theologia rectè nuncupatur practica. Discrimen vero in eo est, quòd operatio Medici sit externa, & physicis illa medicamentis utatur, opusque post se relinquat physicum, nempè sanitatem corporis, unde ipsa Medicina artibus, circa opera naturalia occupatus, annumerari solet: Operatio vero Theologi sit interna, intellectum 8i voluntatem attinens, atque hyperphysicis utitur ille remediis, nimirum rectä informatione per verbum, & app l i c a t i o n Sacramentorum, nihilque physici post se relinquit, sed effectum quoque hyperphysicum, nempè sanitatem spiritualem animae [...]." 1 0 7 Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. A4 a : „[...] cùm tamen [theologia] practica dicatur ob subjectum operationis externum, circa quod operatur, quod est homo lapsus quatenus aeternùm salvandus, in quem formam accidentalem, sed supernaturalem, sanitatem puta spiritualem animae, ad quam in eo datur potentia obedientialis, introducere minister Dei per suam Theologiam allaborat." 1 0 8 Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. A2 b : „Theologia est habitus 0EÓOÒOXO5 j i p a j r a x ò g in mente Theologi existens, eumque dirigens, ut homines lapsos per veram religionem perducat ad aeternam beatitudinem." Siehe auch die geringfügig ergänzte Schlussdefinition, ebd. VIII, Bl. C 3 b .

4. Programmatische

Entwürfe

193

deres als die praktische Fertigkeit („habitus") zur pastoralen Seelenführung an den Menschen, der Theologe nichts anderes als ein „geistlicher Arzt" („medicus spiritualis") - wie Meisner in Anlehnung an Augustin sagt. 109 Dass die Theologie ganz und gar „praktisch" ist, bedeutet, dass in ihr grundsätzlich alles Mittel zum Zweck der Seelenführung ist. 110 Theoretisches Wissen, gerade in der Gotteslehre, gehört für Meisner zu dem so verstandenen theologischen Habitus selbstverständlich hinzu. Der theologische Habitus ist ein Habitus des Intellekts. Aber das theoretische Wissen wird nicht um seiner selbst willen gewusst, sondern um andere Menschen dadurch zum Heil zu führen. 1 1 1 Alles theologische Wissen zielt letztlich auf die berufliche Praxis. Die Qualifikation „Oeöaöoxog" verdankt sich freilich - wie bei Gerhard - der Absicht, den Habitus der Theologie nicht einfach den anderen aristotelischen Habitus gleichzustellen oder gar einzuordnen, die allesamt durch Belehrung und Übung erworben werden. Für den lutherischen Theologen Meisner gründet die Theologie, auch wenn sie habituell gefasst wird, in einem dem Menschen letztlich unverfügbaren Geisteswirken. Die Theologie ist ihrem Prinzip („principium ex quo"), der Bibel, sowie vor allem ihrer Wirkursache („principium per quod"), der Illuminationsgnade, nach übernatürlichen Ursprungs und insofern „von Gott gegeben". 112 Das bedeutet nicht, dass Meisner hierbei an einen unmittelbaren Akt göttlicher Einwirkung denkt, wie er etwa nach den urchristlichen Schriften den Aposteln und anderen biblisch bezeugten Geistesträgern zuteil wurde. Der Habitus wird zwar von Gott im Menschen angelegt, aber eben mittelbar und an eine Ordnung gebunden („ordinarie"), nämlich durch die beständige Lektüre und Meditation des göttlichen Wortes und die Belehrung in den Artikeln des

109 Siehe Philosophia sobria I, S.463; III, S. 122. Augustin gebraucht die Metapher des „medicus a n i m a r u m " allerdings nahezu ausschließlich für Gott; siehe zum Beispiel ders., De sermone Domini in monte secundum M a t t h a e u m libri duo 1,19,57 (PL 34,1259): „ Q u o s ergo Dominus medicus animarum, curandis proximis instruebat [...]?" 110 Philosophia sobria III, S. 166: „Ergo finis etiam Theologiae, t a n q u a m spiritualis Medicinae, similiter non erit Theoreticus, sed practicus, quippe in spirituali animorum sanitate restituenda unice consistens." 111 Meisner lässt die Bestimmung der Theologie als „habitus mixtus" gelten, sofern damit ausgedrückt werden soll, dass die theologische Habitualisierung sowohl den Intellekt wie den Willen betrifft. Von seinem stark zielorientierten Habitusverständnis her gibt er freilich dem Prädikat „praktisch" den Vorzug. Es umfasst für ihn sowohl die intellektuelle wie die voluntativ-praktische Seite; siehe Philosophia sobria I, S.460f. 112 Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. B l a - b : „Licet itaque comparetur habitus Theologicus ex crebris nostris actionibus, propterea tarnen non fit acquisitus, sed est & manet infusus, quia principium ex quo & per quod addiscitur non est naturale, sed supernaturale, sacrosancta nimirum scriptura, ejusque causa efficiens non est vis &C potentia naturalis, sed peculiaris gratia & donum aliquod gratis datum, quae requiruntur ut quis evadat in eruditum Theologum. [...] in nullo homine est [theologia] acquisita proprie, quia per solertiam h u m a n a m non acquiritur, neque ex principiis rationis nostrae eruitur."

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Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen zum

Theologiestudium

christlichen G l a u b e n s . 1 1 3 Fleiß und Begabung des Studenten sind durchaus erforderlich, damit das Wissen um die Seelenführung habituell werden kann. Der „ o r d o " , den G o t t bei der Verursachung des theologischen Habitus befolgt, ist kein anderer als der von Aristoteles beschriebene. Von den drei Bedingungen für das Zustandekommens eines H a b i t u s 1 1 4 übernimmt Meisner die „askesis" und „ m a t h e s i s " : N u r durch die wiederholte Belehrung ( „ i n f o r m a t i o " ) in den Glaubensartikeln und deren beständige praktische Anwendung („exercitat i o " ) wird der theologische Habitus erworben. Die dritte Bedingung, die natürliche Potenz („physis"), wird dagegen abgelehnt. Z u m Erwerb des theologischen Habitus gibt es im M e n s c h e n keine natürliche Potenz, die mit den von außen kommenden Einflüssen in der Belehrung und Übung aktiv zusammenwirken könnte. Der menschliche Intellekt besitzt allenfalls eine „potentia oboedientialis" zur ,passiven Mitwirkung' mit dem erstursächlich wirkenden göttlichen G e i s t . 1 1 5 Aus dem solchermaßen gefassten Habitusverständnis resultiert als wichtiger Unterschied zu den aristotelischen „habitus acquisiti", dass der theologische Habitus den Theologen nicht allein befähigt, theologische Akte leichter, sondern überhaupt zu setzen. 1 1 6 So sucht Meisner den Gedanken einer göttlichen Wirkursache des Habitus festzuhalten und gleichzeitig die Möglichkeit eines theologischen Lernens und damit einer methodischen Anweisung zum T h e o logiestudium zu eröffnen. Meisner hatte an der Leucorea damit erstmals ein konsequent auf die pastorale Praxis hin ausgerichtetes Theologieverständnis vorgetragen. Unabhängig von den reformierten Quellen war in Wittenberg der geistige Boden dazu gleichsam schon bereitet. Denn wie gesehen hatte Andreae - als Agent staatlichen Interesses an einer konfessionelle Werte und N o r m e n multiplizierenden, propagierenden Geistlichkeit - bereits 1 5 7 7 in seiner Instaurationsrede ein Ausbildungskonzept vertreten, das vor allem an den beruflichen Tätigkeiten des Gemeindepfarrers orientiert w a r . 1 1 7 Theoretische Basis war auch bei Andreae freilich immer noch ein Verständnis von Theologie, dass diese im Gefolge M e l a n c h t h o n s weithin als „ d o c t r i n a " begriff. Es wird nun zu fragen sein, inwieweit demgegenüber der neue, allopraktische Theologiebegriff Meisners auch veränderte Vorstellungen von der lutherischen Theologenausbildung nach sich zog. 113 p ra ecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. B l a : „Itaque ut innotescat qualis sit habitus, restringitur quod sit 9 e o o ô o x o ç seu infusus â Deo, non quidem immediatè & extraordinariè, quod contigit Prophetis & Apostolis, sed ordinariè &i mediatè per lectionem assiduam & meditationem verbi Dei, informationemque in articulis fidei orthodoxae." 1 1 4 Zu den besagten Bedingungen siehe Aristoteles, Nikomachische Ethik 1,8 1099b 1 3 - 1 8 . 1 1 5 Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. A4 a ; B2 a . 116 Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. B2 a : „Habitus estTheologia eô quod facilitet potentiam suam, eamque habilitet ad operationes, perficiatque intellectum practicum ad edendos actus Theologicos, non tantum quoad facilitatem, verum etiam quodad[!J substantiam ipsam actuum, non duntaxat ut promptiùs & melius sed ut cbtXôjç operetur." 1 1 7 So auch Appold, Orthodoxie, S.64f.

4. Programmatische

4.1.2 Konzeption

des

Entwürfe

195

Theologiestudiums

Der Einfluss der damals im Luthertum geführten Diskussion um den wissenschaftstheoretischen Status der Theologie zeigt sich sogleich in der Anlage der Meisnerschen Disputationsreihe. Rein quantitativ betrachtet, nehmen die Ausführungen zum Wesen des Theologiestudiums innerhalb der zehn Wittenberger Disputationen über die „praecognita theologica" von 1625 den breitesten Raum ein (Disputatio I bis VI). Unter dem Stichwort dieser „theologischen Vorkenntnisse" behandelt Meisner jedoch nicht nur die „ratio studii theologici", sondern auch die Bedeutung wichtiger theologischer Grundbegriffe, das Problem der Abgrenzung der Theologie gegenüber den anderen Wissenschaften sowie die innere disziplinäre Gliederung der Theologie. Diese Themen werden jeweils im Rahmen eigener Disputationen erörtert (Disputatio VII bis X). Ausgehend von der neuen wissenschaftstheoretischen Statusbestimmung der Theologie sieht nun Meisner - nicht anders als Aisted - das Wesen des Theologiestudiums in der Anbahnung und Einübung des theologischen Habitus. Jeder nicht von Natur aus gegebene Habitus wird nach Aristoteles durch Einübung erworben. 1 1 8 Das gilt grundsätzlich auch vom Habitus der Theologie. Dabei sind im Anschluss an Aristoteles Ziel („finis"), Mittel („media") und Weg („via ac Processus") zu unterscheiden. 119 Entsprechend gliedert Meisner seine Ausführungen in drei Teile, wobei die Überlegungen allerdings in einen jeweils unterschiedlich engen inhaltlichen Bezug zu den aristotelischen Leitbegriffen treten. 1) So wird unter dem ersten Stichwort des „finis" nicht eigentlich über Ziel und Zweck des Theologiestudiums gehandelt - als Ziel des Theologiestudiums wird der professionelle Habitus der Seelenführung eher beiläufig festgehalten 120 - , sondern über die richtige innere Einstellung, über das Studienethos, das aufseiten des Studenten notwendig ist, um besagtes Ziel des Theologiestudiums zu erreichen. Es sind mithin eher Grundvoraussetzungen, die unter diesem Stichwort thematisiert werden: Meisner ermahnt die Studenten zu Fleiß, zur Einteilung der Studienzeit, zum regelmäßigen Besuch von Vorlesungen und Predigten. Vor allem wird die Bedeutung der persönlichen Frömmigkeitspraxis für das Theologiestudium hervorgehoben. Darauf wird unten noch einmal zurückzukommen sein.

118 119

Siehe A r i s t o t e l e s , N i k o m a c h i s c h e E t h i k 2 , 1 1 1 0 3 a 2 3 - 1 1 0 3 b 7 .

P r a e c o g n i t o r u m T h e o l o g i c o r u m D i s p u t a t i o I, Bl. B 3 b : „ P r i m u m c a p u t iXEOoôoXoytxôv i t e r u m c o n s t a t & a b s o l v i t u r t r i b u s p o t i ß i m u m m e m b r i s . M e m b r u m p r i m u m est d e R e q u i s i t i s g e n e r a l i b u s s t u d i o s i T h e o l o g i a e . 2 . d e A d m i n i c u l i s . 3. d e R a t i o n e ipsa s t u d i j T h e o l o g i c i . In o m ni a c t i o n e n o s t r a t r i a s o i e n t c o n s p i c i . 1. S c o p u s . 2 . M e d i u m . 3. Via & m e t h o d i c u s p r o c e s s u s . " 120 P r a e c o g n i t o r u m T h e o l o g i c o r u m D i s p u t a t i o I, Bl. B l b : „ [ . . . ] o m n i a q u e illa c o n f e r t & t r a n s f e r t a d f i n e m p r a c t i c u m , q u i est d u p l e x : U l t i m a t u s , s a l u s a e t e r n a , q u a e est nil a l i u d , q u a m b e a t a visio, f r u i t i o Se v e n e r a t i o D e i , n o n in n u d a c o n t e m p l a t i o n e , sed p o t i u s in a c t i o n e , in act u o s a g l o r i f i c a t i o n e , v e n e r a t i o n e & c u l t u c o n s i s t e n s . S u b o r d i n a t u s est p e r d u c e r e & p r o m o v e r e h o m i n e s a d s a l u t e m q u o d fit v e r b i a u d i b i l i s p r a e d i c a t i o n e & visibilis a d m i n i s t r a t i o n e , & g u b e r n a t i o n e Ecclesiae [ . . . ] . "

196

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen zum

Theologiestudium

2) Unter dem Stichwort der „ m e d i a " verhandelt Meisner sodann die philologischen und philosophischen, juristischen und medizinischen „Hilfsmittel" („adminicula") zum Theologiestudium. Erstmals wird in einer Wittenberger Anweisung zum Theologiestudium aus dem 1 7 . Jahrhundert das Studium der Artes und der Sprachen ausführlich behandelt. Meisner unterscheidet mit Aisted zwischen vorrangigen („principalis") und weniger vorrangigen („minus principalis") Hilfsmitteln. Z u ersteren zählt er die Sprachen und die „ K ü n s t e " ( „ a r t e s " ) . Eine überdurchschnittliche, stilgewandte Beherrschung der deutschen sowie der lateinischen, mit Einschränkungen auch der griechischen und hebräischen Sprache ist für den angehenden Theologen unverzichtbar. Grundkenntnisse in weiteren orientalischen Sprachen wie des Aramäischen („Chaldäischen") und Syrischen helfen zur Lektüre bestimmter alttestamentlicher Textpassagen oder Textzeugen, sind aber nach Meisner im ,Normalstudium' nicht unbedingt erforderlieh. 1 2 1 Vor dem eigentlichen Theologiestudium sollen sich die Studenten außer dem Studium der Sprachen vor allem noch demjenigen der „artes" widmen. Meisner versteht darunter das Studium der Philosophie, die für ihn folgende Disziplinen umfasst: die „instrumenteilen"

Disziplinen des Triviums, Logik,

Rhetorik,

G r a m m a t i k , die „realen" Disziplinen Metaphysik, Physik, M a t h e m a t i k , die „praktischen" Disziplinen Ethik, Politik, Ö k o n o m i e , Geschichte und P o e t i k . 1 2 2 Wie der Fächerkanon zeigt, sind in diesem Philosophiekonzept die von den Humanisten propagierten Disziplinen selbstverständlich präsent. Die Philosophie erscheint bei Meisner so wenig wie bei M e l a n c h t h o n schon als eine einheitliche, von einigen, wenigen Prinzipien ausgehende Wissenschaft, sondern als eine in verschiedene Disziplinen zerfallendes „enzyklopädisches" Wissenskonglomerat, zu dessen Erwerb die einzelnen Disziplinen nach den ihr eigenen Traditionen und Leittexten studiert werden müssen. In sichtlicher Wendung gegen eine offenbar anzutreffende Vernachlässigung der Philosophie unter den Theologiestudenten betont Meisner in der Disputationsreihe kurz den vielfachen Nutzen eines vorgängigen Philosophiestudiums für angehende Theologen. Die Philosophie schärfe den Verstand und leiste wertvolle Hilfe bei der Begriffs- und Realienerklärung schwieriger Bibelstellen. Sie müsse daher von den Theologiestudenten „besonnen, sparsam, k l u g " studiert w e r d e n . 1 2 3 Ihre Begründungsleistungen in der Theologie sollten nicht überschätzt, das Theologiestudium ihretwegen nicht unnötig hinausgezögert, das spezielle Ziel des Theologiestudiums darüber nicht aus den Augen verloren werden. Die von M e l a n c h t h o n her bekannte scharfe Unterscheidung zweier Erkenntnissphären, der weltlichen und der geistlichen, ist dabei auch von Meisner Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio II, Bl. A2 b -A3 b . Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio II, Bl. B l a - B 2 b . 1 2 3 Praecognitorum Theologicorum Disputatio II, Bl. A4": „Sit autem Studium hoc Philosophicum in genere 1. Sobrium. 2. Parcum. 3. Prudens." 121

122

4. Programmatische

Entwürfe

197

noch vorausgesetzt. Jede der beiden Wissenschaften, Philosophie wie Theologie, hat ihren eigenen Erkenntnisbereich. Die Empfehlung, Aristoteles und nicht Petrus Ramus mit seiner universalwissenschaftlichen Methode zu folgen, wird deutlich ausgesprochen. 124 Als „weniger vorrangige" Hilfsmittel für das Theologiestudium betrachtet Meisner im Anschluss an Aisted die Jurisprudenz und die Medizin. Beide Wissenschaften können zur Schriftauslegung Erhellendes beitragen. Daher sollten sich die Studenten im Rahmen ihrer vorbereitenden Studien auch hier geistige Zugänge eröffnen. Von einer eingehenderen Beschäftigung mit diesen Fächern, gerade auch mit der Jurisprudenz rät Meisner dagegen ab - trotz mancher sachlichen Nähe zur Theologie. So wichtig die vorbereitenden Studien auch sind, sie dürfen letztlich nicht zuviel Zeit einnehmen, soll nicht angesichts der meist sehr begrenzten universitären Verweildauer das eigentliche theologische Studium zu kurz kommen. 1 2 5 3) Dem dritten aristotelischen Stichwort, dem „Weg und methodischen Fortschritt" („via et methodicus Processus"), ordnet Meisner schließlich seine Überlegungen zu Inhalt und Aufbau des Theologiestudiums zu. Das Verhältnis von philologisch-philosophischen und theologischen Studien wird anhand der bekannten Metapher von Tempel und Vorhof unzweideutig beschrieben: Erst mit der Aufnahme des Theologiestudiums betritt der Student das Heiligtum selbst. 126 In einer für den Prozess der theologischen Professionalisierung aufschlussreichen Weise unterscheidet Meisner zu Beginn der dritten „disputatio" hinsichtlich des theologischen Studienvollzugs zwischen einer „exoterischen", breiteren Kreisen zugänglichen, gleichsam .populären' und einer „akroamatischen", exakteren, lediglich Fachleuten vorbehaltenen theologischen Erkenntnis. 127 Damit werden bei Meisner im Grunde, einer schon in der jesuitischen „Ratio studiorum", aber auch in der „Methodus" Alsteds erkennbaren Tendenz folgend, zwei theologische Bildungsstufen markiert, die zwei unterschiedlichen Professionalisierungsgraden entsprechen: Ein Basiswissen für die Geistlichen im Gemeindedienst oder - wie Meisner in Aufnahme der Alstedschen Terminologie sagt - für das Lehren nach dem „genus ecclesiasticum" und ein Expertenwissen 124 Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio II, Bl. A 4 b - B l a . Z u m vorübergehenden Einfluss des Ramismus in der Wittenberger Philosophischen Fakultät vgl. Käthe, S. 1 3 8 f . 2 0 2 205. 12s Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio II, Bl. B2 b . 126 Vgl. Meisners „Praeloquium" zur dritten Disputation: Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, A2 a ~ b . Die zur Verhältnisbestimmung von philosophisch-philologischen Vorstudien und theologischem Hauptstudium in den Anweisungen häufig angezogene Metapher geht Troeltsch zufolge auf Gregor von Nazianz zurück; vgl. Troeltsch, S. 12., A n m . 5 ; siehe etwa auch Melanchthon, CR 20, Sp.704 (Nr. 6); Johann Gerhard, Methodus, S.39. 127 Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, Bl. A3 b . Die Unterscheidung beider Erkenntnisweisen begegnet bereits bei Aristoteles; vgl. ders., Topik 8,1 151b 9. Sie wurde unter anderem von Cicero übernommen, auf den Meisner in diesem Z u s a m m e n h a n g verweist; vgl. Cicero, De finibus b o n o r u m et malorum 5,5 (§ 12).

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Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

für die Theologen im Universitäts- und höheren Schuldienst oder in leitenden kirchlichen Ämtern („genus scholasticum"). I2S Anders als in der jesuitischen „Ratio studiorum" handelt es sich dabei aber nicht um zwei alternative Ausbildungswege, sondern um zwei aufeinanderfolgende Ausbildungssiw/e«. 4.1.2.1

Exoterica theologiae

cognitio

Das Spektrum der Studiengegenstände, die zum Erwerb eines theologischen Uberblickswissens empfohlen werden, hat sich im Vergleich zu den beiden bisher untersuchten Anweisungen von Johann Förster und Leonhart Hütter nicht wesentlich verändert. Auch Meisner erwartet, dass der Student die Bibel, ein dogmatisches Kompendium, kirchengeschichtliche Überblickswerke studiert sowie häufig Predigten der Professoren hört. Hervorzuheben ist allenfalls, dass jetzt auch ausdrücklich das Studium der Bekenntnisschriften als ein eigenständiger Studienakt gefordert wird. Die Bibel ist im exoterischen Curriculum lediglich in dem bewährten Modus der kursorischen Lektüre zu studieren, worunter Meisner - ähnlich wie Förster - die Studienakte des Lesens, Exzerpierens und Lernens versteht. Mindestens eine Stunde am Tag sollen sich die Studenten deshalb der kursorischen Lektüre der Bibel widmen, und zwar auf der Textgrundlage der deutschen Ubersetzung Martin Luthers von 1534 - ein Ratschlag, den schon Förster erteilt hatte. 129 Die Erwartungen an die Ertragssicherung sind allerdings gestiegen. Die Studenten sollen in ihren Bibelexemplaren nicht nur die Kernstel128 Praecognitorum Theologicorum Disputano I, Bl. B4 b -Cl a . Vgl. den charakteristischen Vergleich der Theologie mit der israelitischen Stiftshütte und ihrem dreifach gestuften Priesterpersonal bei Meisner, Praecognitorum Theologicorum Disputano IV, Bl. A2 a - b : „Non incommodè Theologia cum Tabernáculo Mosis comparatur, ubi erat 1. atrium sacerdotum, quasi amplum quoddam qradratumj!] coemiterium, in quod nemo ex populo ingrediebatur, sed soli sacerdotes, qui in eó sacrificia comburebant. erat ergo in ilio altare sacrificiorum & labrum aeneum. 2. In hoc atrio versus occasum concinnaticia quaedam domuncula, quadrangularis, intrinsecus per velum in duas partes divisa, quarum prima Sanctum vocabatur, in quod tantum certis & ordinariis sacerdotibus ire licebat, &i in eo altare thymiamatis, candelabrum 8c mensa panum erant; altera Sanctum Sanctorum, in quo ipsa arca Domini, semel tantum in anno soli summo sacerdoti acceßibile: Ita praeter communem populi Christiani Theologiam, alia est pastorum, ad quos labrum & altare sacrificiorum pertinet, hoc est, qui sacro & lustrico Baptismi lavacro homines mundant, Sacram Caenam administrant, deque merito Christi & vita aeterna mortales docent, atque hi in atrio manent. Quidam vero ex his etiam Sanctum ingrediuntur, quorum est & thymiama & candelabrum & panes, hoc est, qui ilio in obscuro lumine DEI benignò illuminati, panem vitae copiosè proponunt, singularibusque Spiritus Sancti donis & virtutibus fragrantißimum spirant Domino odorem. Sanctißimum autem soli Christo Catholico DEI patris sacerdoti concessum est, qui tamen exinde, quae nobis utilia ac salutarla satis manifestavit. Priorum ergo Theologiam rectè exotericam, secundorum acroamaticam vocamus." 129 Meisner empfiehlt seinen studentischen Hörern und Lesern, sich die Lutherbibel in zwei unterschiedlichen Druckformaten zuzulegen: Im opulenteren Quartformat mit einem breiten Rand, der handschriftliche Eintragungen und Notizen erlaubt - diese Ausgabe bildet gleichsam die Studienausgabe - und im kleineren, handlicheren, aber auch etwas weniger lesefreundlichen Oktavformat - diese Ausgabe dient als Taschenexemplar, das die Studenten möglichst immer bei sich tragen sollten, um für alle seelsorglichen und homiletischen „Notfälle" gerüstet zu sein;

4. Programmatische

Entwürfe

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len jedes Kapitels markieren, sondern sich darüber hinaus angewöhnen, nach jedem gelesenen Kapitel eine kurze Inhaltszusammenfassung zu formulieren und gleichsam als .Kapitelüberschrift' in ihr Arbeitsexemplar einzutragen. 130 Diese Kapitelsummen sind sodann zusammen mit den markierten Bibelversen durch häufige Wiederholung dem Gedächtnis einzuprägen.131 Hütter hegte, wie gesehen, ähnlich hohe Ansprüche an das bibelkundliche Wissen der Studenten, sah die entsprechenden Studienakte jedoch nicht im Rahmen der kursorischen, sondern der von ihm so genannten „lectio specialis" der Bibel vor. 132 Indem Meisner das Formulieren von Kapitelsummen schon im Rahmen der kursorischen Lektüre erwartet, gewinnt diese im Grunde einen statarischen Charakter. Als besonders hilfreich zur Lernkontrolle erachtet es Meisner, wenn sich die Kommilitonen in den Bursen und Contubernien gegenseitig mündlich abfragen. Neben den handschriftlichen Markierungen und Notizen hält er es auch für sinnvoll, wenn die Studenten vor der Lektüre eines neuen Buchs der Bibel einleitungswissenschaftliche Fragen abklären und gedruckte Inhaltsübersichten wie etwa diejenigen, die Aisted in seiner „Methodus" oder auch Hyperius in seinem Opus „De theologo" bietet, auswendig lernen. 133 Hinter Meisners Anweisungen wird ein relativ hoher bibelkundlicher Anspruch an die Wittenberger Studenten sichtbar: Die künftigen lutherischen Geistlichen sollen eine mehr oder weniger genaue Vorstellung vom Inhalt jedes Kapitels der biblischen Geschichts- und Lehrbücher erworben haben und zentrale Verse in deutscher Übersetzung auswendig wiedergeben können. Im Idealfall hatte der Student das Grundgerüst der biblischen Geschichte verinnerlicht, und zwar in Form einer kapitelgenauen Kenntnis der einschlägigen biblischen Bücher.

siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, Bl. E3 a -E4 1 '. Zu Förster vgl. oben Abschnitt 2.1. 1 3 0 Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, Bl. F l a : „Semper uno alterovè vocabulo notetur Summa Capitis, quae scribatur supra ipsum Caput, ut spatium marginale maneat purum, quo cum tempore in Lectione Accurata Partes Capitum in margine notari poßint." 1 3 1 In der „Brevis Instructio" hatte Meisner noch im Anschluß an Hütter das Führen einer Lose-Batt-Sammlung mit Kernstellen empfohlen; vgl. Brevis instructio, S . 4 3 7 . 1 3 2 Vgl. oben Abschnitt 2.2. 1 3 3 Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, Bl. F l b : „Valdè conducit ad memoriam & veram Textus intelligentiam, si generalia quaedam ante Libri alicujus Biblico lectionem praenotentur, ut de Autore, de Tempore, de Scopo, de Partitione, & similia: Quae omnia, quantum tyronibus sufficit, inveniuntur in Isagoge Biblica D. Palladij hic Wittebergae recusa, & conjungantur Typi Methodici ab Alstedio propositi, dispositionem singulorum Librorum continentes, Lib. II. Praecognitorum cap. 15. Quoties ergo Libri novi lectio est incipienda, toties legatur de ilio priùs Isagoge Palladij, Sc imprimatur memoria Typus Methodicus Alstedij." Bei dem genannten ,einleitungswissenschaftlichen' Werk handelt es sich um die „Isagoge ad libros propheticos et apostolicos", die Peter Palladius aus Mitschriften von exegetischen Vorlesungen Philipp Melanchthons zusammengestellt hatte. Sie wurde erstmals 1557 in Wittenberg gedruckt und bis ins 17. Jahrhundert hinein immer wieder aufgelegt; vgl. die Nachweise im VD 16 und VD 17.

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Theologiestudium

Damit aus der kursorischen Lektüre ein Sinnverstehen des Gelesenen resultiert, müssen freilich einige Bedingungen gegeben sein, die Meisner wiederum aristotelisierend - als hermeneutische „Mittel" begreift. Selbstverständlich ist zum Verstehen des biblischen Textes (in der deutschen Ubersetzung) die Kenntnis der Wortbedeutungen notwendig, sind Katechismuskenntnisse hilfreich und eine gewisse Gründlichkeit und Sorgfalt beim Lesen schlichtweg unerlässlich. Doch entscheidend ist die Sinnerschließung des Textes durch den Heiligen Geist. Für den Lutheraner Meisner ist der den theologischen Habitus letztlich verursachende Geist in seinem Wirken strikt an die biblischen Schriften gebunden, sodass sich die Gottverursachung des Habitus (die Theodosie) gerade beim Umgang mit den biblischen Schriften erweist - und genau genommen auch nur in diesem Zusammenhang erweisen kann. 1 3 4 Da das Wirken des Geistes prinzipiell unverfügbar ist, lassen sich allenfalls einige dispositive Anweisungen geben, wie die Studenten dem Geist gleichsam Wirkräume eröffnen können: 135 Meisner bleibt dabei in den von der lutherischen Anweisungsliteratur angelegten Bahnen, wenn er seine studentischen Hörer und Leser dazu ermahnt, ernsthaft um göttliche Erleuchtung zu bitten, wenn er dazu auffordert, ein gottgemäßes, frommes Leben zu führen oder die Demut angesichts des in den biblischen Schriften begegnenden „Deus loquens" zu kultivieren. Er entwirft seinen Studenten mit Gebet, Lesung und Danksagung geradezu ein Ritual, mit dem sie ihre tägliche kursorische Bibellektüre vollziehen können. Obwohl Meisner die persönliche Frömmigkeitspraxis nicht als conditio sine qua non des theologischen Habitus vom Studenten fordert, macht er sie dann doch als dispositive Bedingung der Erleuchtung faktisch verbindlich. 136 Auf diesen Befund wird noch einmal zurückzukommen sein. Was die Vorstellungen des dogmatischen Studiums betrifft, so fällt auf, dass den Wittenberger Professoren das Studium der lutherischen Bekenntnisschriften immer wichtiger wird. Erwähnte Förster noch das Konkordienbuch eher beiläufig unter den größeren dogmatischen Lehrbüchern, begnügte sich Hütter mit der Empfehlung seines Kompendiums, das fast nur aus den Worten des Konkordienbuches zusammengeschrieben sei, so konzipiert nun Meisner die Lektüre der lutherischen Bekenntnisschriften als einen eigenen Studienakt noch vor dem Studium der dogmatischen Kompendienliteratur. Schon im exoterischen Studium er134 Praecognitorum Theologicorum Disputano III, Bl. B4a: „Hoc Scripturae Verbum à DEO benignissimo datum est nobis Medium ordinarium, per cujus auscultationem devotam ac meditationem sedulam, in piorum animis, post preces ardentissimas praemissas, singular! Spiritus S. efficacia, vera DEI cognitio accenditur [...]." Siehe auch Praecognitorum Theologicorum Disputano I, Bl. C4 a_b . 1.5 Siehe zum Folgenden Praecognitorum Theologicorum Disputano III, Bl. C2 a -D3 a . 1.6 Praecognitorum Theologicorum Disputano III, Bl. C3 a : „Ita quoque Spiritus S. [...] ideoque subducit se ab illis, qui nil nisi impia & scelerata meditantur, nequitiasque & flagitia sectantur, Sap. 1,5. uti factum legitur Sauli 1.Sam.16,14. Impossibile igitur est, ut peccator contumax à Spiritu S. seu ductitetur seu illuminetur [...]." Sehr klar auch ebd. I, Bl. C4 a .

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Entwürfe

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wartet Meisner eine wenn auch nur kursorische Lektüre des Konkordienbuches. Wie bei der entsprechenden Lektüre der Bibel besteht auch hier das Ziel darin, eine Kenntnis vom Aufbau und vor allem von den theologischen Kernaussagen des Textes zu gewinnen - in diesem Fall von jeder einzelnen Bekenntnisschrift des Konkordienbuches.137 Daneben besteht Meisner natürlich auch auf der intensiven, beständigen Lektüre eines dogmatischen Kompendiums, dessen wichtigste Definitionen, Distinktionen und Zusammenfassungen ( „ C a n o n e s " ) der Student auswendig lernen soll. Dabei soll er zunächst bei dem Kompendium bleiben, das ihm vom Schulunterricht her vertraut ist. Wer noch nicht mit einem der gängigen lutherischen dogmatischen Schullehrbücher gearbeitet hat, dem wird das Kompendium M a t t h i a s Hafenreffers empfohlen. Nicht anders als Förster und Hütter betrachtet auch Meisner das Werk des württembergischen Theologen als Standardlehrbuch lutherischer D o g m a t i k im Sinne des Konkordienluthertums. M i t der Lektüre des angestammten oder Hafenrefferschen Lehrkompendiums soll der Student freilich noch die Lektüre der „Institutiones C a t e c h e t i c a e " 1 3 8 des K o n r a d Dieterich ( 1 5 7 5 - 1 6 3 9 ) und Balthasar Mentzers ( 1 5 6 5 - 1 6 2 7 ) K o m m e n t a r der „Confessio A u g u s t a n a " 1 3 9 verbinden, aus allen drei Texten die wichtigsten Lehrsätze exzerpieren und in einem eigenen Kollektaneum verzeichnen. Wie Hütter so verlangt auch Meisner eine schriftliche Ertragssicherung der dogmatischen Lektüre. Außerdem sollen sich die Studenten frühzeitig an das Lesen umfangreicherer dogmatischer Handbücher gewöhnen. O b w o h l Meisner für die Konzeption eines theologischen Systems 1 6 2 5 den so genannten analytischen „ o r d o 1 4 0 bevorzugt, empfiehlt er gleichwohl die noch der konventionellen Lokalmethode verpflichteten „Loci t h e o l o g i c i " 1 4 1 seines Jenaer Kollegen und Freundes J o h a n n Gerhard mit dem bezeichnenden Hinweis, dass „nach unserem unmaßgeblichen Urteil [...] außer ihm [= J o h a n n Gerhard] heute niemand gefunden wird, der theologische Fragen in so großer M e n g e und Fülle in einem Band zusammengedrängt 1 3 7 So rät er den Studienanfängern, vom ersten Semester an die lutherischen Bekenntnisschriften in einer zweisprachigen Quartausgabe täglich vorzunehmen, so dass der gesamte Band im Lauf eines Vierteljahres (und somit im Verlauf des Studiums insgesamt mehrfach) durchgearbeitet wird. Die wichtigsten Inhalte sind im eigenen Arbeitsexemplar stichwortartig am Rand zu notieren, die Reihenfolge der Artikel ist mit Hilfe von Übersichtstabellen zu lernen, Notizen mit Fragen, Anmerkungen zu schwierigen Stellen sind auf separaten Blättern festzuhalten, wöchentliche Wiederholungsphasen einzuplanen; siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, Bl. F3 a -H2 b . 1 3 8 Konrad Dieterich: Institutiones catecheticae e Lutheri Catechesi depromptae variisque notis logicis et theologicis [...] illustratae, Gießen 1604. , 3 9 Balthasar Mentzer: Exegesis Augustanae Confessionis, cujus articuli X X I . breviter & succincte explicantur [...] illustrantur, Gießen 1613. 1 4 0 Vgl. die terminologischen Bemerkungen bei Sparn, Wiederkehr, S.31. 1 4 1 Die „Loci theologici" waren in erster Auflage von 1610 bis 1622 erschienen. Zur zweiten erweiterten Auflage hatte Gerhard 1625 eine einleitende „Exegesis" über den Locus „De theologia" verfaßt; vgl. schon oben Kapitel 4.1.1.

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Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

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hat, der auch mit so großer Sorgfalt und Emsigkeit alle Kontroversen, die zwischen uns und den alten oder neuen Häretikern bestehen, dargestellt und behandelt hat" 1 4 2 . Eine gründliche „meditatio" der an den einzelnen „Örtern" verhandelten theologischen Probleme sowie Unterstreichungen und Exzerpte sollen freilich mit dieser kursorischen Lektüre noch nicht verbunden sein. 143 Es geht vielmehr nur darum, sich an den ausführlicher darstellenden, die Tradition in extenso berücksichtigenden Stil Gerhards zu gewöhnen und einen Uberblick über die unter den einzelnen „Grundbegriffen" verhandelten theologischen Themen zu gewinnen. Neben dem biblischen und dogmatischen Studium beschäftigt sich der Student auf dieser Stufe eigentlich nur noch mit einem einzigen weiteren Studiengegenstand: der Kirchengeschichte. Anders als Johann Gerhard, der in seiner „Methodus" das Studium der Kirchengeschichte erst im fünften Studienjahr und damit nur für die fortgeschritteneren Semester vorsah, 144 anders auch als Johann Heinrich Aisted, der historische Studien offenbar nur im Rahmen des artistischen Vorstudiums kannte, 145 rät Meisner in den ersten theologischen Fachsemestern zum Studium der Kirchengeschichte, und zwar aus Gründen der ,Rekreation', aber auch aus Gründen einer heilsgeschichtlich-theologischen und ethischen Selbstvergewisserung, zeige doch die Kirchengeschichte, wie die göttliche Verheißung von der Kirche gegen alle ,höllischen Anfeindungen' im Lauf der Zeiten sich immer wieder als wahr herausgestellt habe und Tugend und Laster immer wieder die gerechte Belohnung beziehungsweise Bestrafung erfahren hätten. 146 Meisner folgt damit freilich nur einer schon bei Johann Förster erkennbaren Motivierung kirchengeschichtlicher Studien. Das von Meisner zum Erwerb eines theologischen Basiswissens empfohlene Menü der Studieninhalte ist also auf Bibelwissenschaft, Dogmatik und Kirchengeschichte beschränkt. 1 4 2 Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, Bl. H4''-Il a : „Pro qua quidem absolvenda Locos potissimum Clarißimi Dn. D. Gerhardi Theologicos proptereä commendamus, quoniam pro nostro qualicunque judicio [...] nemo praeter ipsum hodie habetur, qui tantä copiä & ubertate Quaestiones quascunque Theologicas in unum fasciculum coarctavit, quique tantä curä & sedulitate Controversias omnes, quae nobis cum Haereticis quibusvis seu Veteribus seu Recentioribus intercedunt, enarravit & pertractavit [...]." 1 4 3 Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. I l a . 1 4 4 Siehe Johann Gerhard, Methodus, S.236; vgl. auch Gaß, B d . l , S.227. 1 4 5 Vgl. oben Kapitel 6.3. 1 4 6 Praecognitorum Theologicorum Disputatio III, Bl. I4 a : „Nam antequam ad pleniorum ac solidiorem dictae Historiae pertractationem accessus fieri queat; id ex Ulis rudimentis commodi habebitur, ut Historia Sacra magis dilucida fiat: Promissionis divinae de Ecclesia contra portas inferorum Semper duratura, veritas appareat: Exempla virtutum compensatarum ac vitiorum punitorum plurima innotescant: Atque ex his tandem omnibus honesta mentis oblectatio ac recreatio sufficienter suppetat. Fructus videlicet suscepti laboris sat eximius." Allerdings erschöpft sich das Studium der Kirchengeschichte im Lesen der Indizes von Quellensammlungen und Übersichtswerken. Ob sich bei dieser von Meisner vorgeschlagenen Gestaltung des kirchengeschichtlichen Studiums wirklich ,rekreative Effekte' einstellen konnten, sei dahingestellt.

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Ein neuer Zungenschlag ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht zu überhören. Viel deutlicher als Förster und Hütter möchte Meisner das solchermaßen konzipierte häuslich-private Studium mit dem Besuch akademischer Lehrveranstaltungen und Gottesdienste verbunden sehen. Sichtlich perhorresziert ist das freie, eigenständige Studium der theologischen Literatur. Vor Autodidaktismus wird indirekt gewarnt: Die Studenten sollen möglichst häufig öffentliche Vorlesungen und Disputationen besuchen, insbesondere auch die Gottesdienste der Professoren, um die Inhalte der häuslich-privaten Studien weiter zu vertiefen, 147 sie sollen verschiedene Exzerpthefte führen, in denen dann möglichst bald nach dem Besuch der Lehrveranstaltungen oder Predigten die zentralen Aussagen („Hörfrüchte") - in eigenen Worten formuliert und nach verschiedenen „Grundbegriffen" („loci") geordnet - eingetragen werden. 148 De facto geht es Meisner mit dieser Empfehlung jedoch auch und vielleicht sogar vorrangig um eine Kontrolle der privaten Studien. Durch häufiges Hören von Predigten und Vorlesungen approbierter Professoren soll möglichen Missinterpretationen der zu Hause gelesenen Texte vorgebeugt werden. Überblickt man die Anweisungen im Ganzen, die Meisner seinen Studenten zum Erwerb „exoterischer" Kenntnisse in der Theologie „disputative" entfaltet, so ergibt sich das Bild eines theologischen Grundkurses, der die Studenten an die biblischen und dogmatischen Studiengegenstände heranführt und in dessen Rahmen wichtige Studienakte wie das kursorische Lesen, das Exzerpieren und Wiederholen eingeübt werden sollen. Ziel des Kurses ist die weitgehend durch Auswendiglernen erfolgende Aneignung eines reproduzierbaren theologischen Überblickswissens vor allem in der Bibelkunde und den lutherischen Bekenntnisschriften sowie die gründliche Kenntnis eines dogmatischen Lehrbuches, noch nicht eigentlich die Einübung in das selbständige Denken oder gar Urteilen in theologischen Fragen. Meisner macht keine genaueren Angaben zum Zeitraum, innerhalb dessen das Kursprogramm zu bewältigen ist. Die Anweisungen dienen offenbar der Gestaltung einer Art Eingangsphase in das akademische Theologiestudium, an die sich ein intensivierendes Hauptstudium anschließen kann. Es bleibt aber offen, bis zu welchem Semester nach den Vorstellungen Meisners dieser Grundkurs absolviert sein sollte.

1 4 7 Praecognitorum Theologicorum Disputano I, Bl. C2b: „Vi hujus theorematis, Theologiae studiosus concionum debet esse frequens auditor. [...] Deinde quoque lectionum Theologicarum diligens debet esse auscultator. Viva enim vox praeceptorum efficacior ac penetrantior est multi librorum, diutiusque solet inhaerere." 148 p r a e c 0 g n i t o r u m Theologicorum Disputatio III, Bl. I l a _ b : „Cum enim privatae nostrae meditationes vel ad Scripturae intelligentiam, vel ad Locorum Theologicorum scientiam referantur: Conveniens sanè est & utile, ad geminum istum scopum auscultationem quoque publicam dirigi. Ita enim occasio habebitur commodissima turn Locos Scripturae difficiliores intelligendi, tùm Doctoris de Quaestione aliqua traditam Explicationem cum Compendio anteà probè cognito conferendi, atque sic penum Theologicae Cognitiones instructiorem reddendi

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Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

4.1.2.2 Acroamatica

theologiae

Anweisungen

zum

Theologiestudium

cognitio

Wer eine gründliche, „akkurate" theologische Erkenntnis erwerben will, hat sich nach den Vorstellungen Meisners nicht nur vertiefter und intensiver mit der Bibel, den Bekenntnisschriften und dogmatischen Lehrbüchern, mit den kirchengeschichtlichen Quellensammlungen und Darstellungen zu beschäftigen, sondern muss auch noch eine Reihe weiterer Fächer studieren. Von ihm wird im Unterschied zum Studenten des „exoterischen" Curriculums erwartet, dass er die Bibel in dem nun schon bekannten Modus der „akkuraten" Lektüre studiert, mit dem die eigentliche Arbeit der Interpretation beginnt. Basis ist auch bei Meisner selbstverständlich der Urtext, wobei der Student den deutschen Text - was schon Hütter vorsah - durchaus mit heranziehen kann. 1 4 5 Die Erwartungen sind hoch: Meisner verlangt, dass die Studenten die lateinische Bibel im Verlauf ihres Studiums insgesamt zwei bis dreimal durchlesen. 1 5 0 Zur praktischen Arbeit der Bibelauslegung gibt Meisner die von Melanchthon her vertrauten Ratschläge - Gebet, Sprachenkenntnis, Praxiserfahrung - und verweist im Übrigen kurzerhand auf die einschlägigen exegetischen Methodenwerke von Erasmus, Hyperius, Aisted, Gerhard, die seiner Meinung nach die entscheidenden hermeneutischen Regeln zur Sinndeterminierung dargelegt haben. 1 5 1 Nach dem Erwerb eines bibelkundlichen Überblickswissens erfolgt nun mit der „akkuraten" Lektüre auch bei Meisner die extensive Lektüre exegetischtheologischer Literatur. Neu ist dabei, dass zu dieser Lektüre ausführliche Literaturhinweise gegeben werden. Förster und Hütter begnügten sich noch mit dem Hinweis auf heranzuziehende „Kommentare und Interpreten". Meisner bietet jetzt in seinen gedruckten Disputationsthesen umfangreiche bibliographische Angaben der wichtigsten Kommentare zu den einzelnen biblischen Büchern, wobei er hier wenig konfessionelle Berührungsängste kennt. 1 5 2 Die schon bei Hype1 4 9 Die Grundlage der Lektüre bilden dabei die lateinische (in der Ausgabe Osianders und Tremellius') und die deutsche Übersetzung (in der Ausgabe Piscators), wobei der biblische Urtext so weit wie möglich vergleichend herangezogen werden soll. Praecognitorum Theologicorum Disputatio IV, Bl. A3 a ~ b : „Generalium hoc primum est: Comparentur Biblia Hebraea, Graeca & Latina cumprimis Osiandri & Tremellii, una cum versione Germanica Piscatoris." In den Erläuterungen dieser thesenartigen Zusammenfassung geht Meisner dann allerdings - was die „versio Germanica" betrifft - nicht mehr auf die Übersetzung Piscators, sondern ausschließlich auf die Lutherübersetzung ein, die mit wärmsten Worten empfohlen wird; vgl. ebd., Bl. A3 b . Siehe auch ebd., Bl. C l b . 150 yg| Praecognitorum Theologicorum Disputatio IV, Bl. C l h . 1 5 1 Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio IV, Bl. B l b - B 2 a ; ebd., Bl. B2": „Inprimis autem commendandae sunt illae, quas Flacius secunda aureae suae clavis parte magno numero, sapientia & usu collegit, item Erasmus in Methodo, D. Gerhardus libro de interpretatione, D. Finckius in canonibus, Glasius in philologia, Alstedius in praecognitis part. 2. ä cap. 99 usque ad cap. 128. Hyperius per totum librum secundum, & Dn. D. Franzius in suo de Interpretatione tractatu." 1 5 2 In dem für diese Untersuchung herangezogenen Druckexemplar der Disputation (Wittenberg BPS), das ursprünglich ein „M. Johannes Bohemus [Böhme]" besaß (vgl. den zeitgenössi-

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rius und Aisted zu beobachtende Tendenz, mit der Anweisung ins Theologiestudium auch eine Art theologische Literaturkunde zu verbinden, lässt sich von Meisner an auch bei den Wittenberger Professoren nachweisen. Die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts immer wieder unternommenen Versuche einer alle Wissenschaften umfassenden Bibliographie, sozusagen einer „Universalbibliothek", dürften hier noch verstärkend gewirkt haben. 153 Sie führten dann Anfang des 18. Jahrhundert unter anderem zu der freilich insgesamt eher selten angezogenen Publikationsform der theologischen Spezialbibliographie. 154 Wo freilich die theologische Literatur derartig mit einem geradezu enzyklopädischen Anspruch aufgewiesen wird, da entsteht Disziplinierungsbedarf. Ein vagabundierendes Lesen soll von vornherein unterbunden werden. Zur Beurteilung der exegetischen Literatur nennt Meisner zwei Kriterien, an denen die Studenten offenbar auch die eigene sinndeterminierende Arbeit an den biblischen Text bemessen sollen: „1. Es ist der wahre und ursprüngliche Sinn der Schrift gründlich und klar vorzustellen. 2. [Es ist] Christus wahrhaft, nach Kräften aus der Schrift, deren einziger Skopus er ist, zu erweisen." 155 Ferner gibt Meisner Ratschläge zur Bearbeitung des Gelesenen an die Hand: Gerade bei der extensiven Lektüre kommt es darauf an, Lesefrüchte zu sammeln. Für jedes Testament ist deshalb ein spezielles Loci-Heft anzulegen, dessen Einteilung genau beschrieben wird. 156 Meisner ist mit Johann Gerhard davon überzeugt, dass der theologische Materialfundus, den sich der Student auf diese Weise anlegt, beim Predigen und Disputieren von großem Nutzen sein wird. 157 Darin besteht für den Wittenschen handschriftlichen Eintrag auf dem Titelblatt), finden sich zu der Literaturliste zahlreiche handschriftliche Ergänzungen, die Kommentarwerke bis zum Jahr 1669 nachtragen. Auffälligerweise werden weder bei Meisner noch bei Bohemus Kommentare Melanchthons genannt. 153 Vgl. dazu Zedelmaier, Bibliotheca universalis und Bibliotheca selecta. 154 Siehe vor allem Joachim Lange: Institutiones studii theologici litterariae, Halle/S. 1724. 155 Praecognitorum Theologicorum Disputado IV, Bl. B2 b : „1. Est, sensum scripturae verum ac genuinum solidé &i perspicué proponere. 2. Christum veré, sedulö ex scriptura cujus ille unicus scopus est, monstrare." 156 Meisner rät im Anschluss an Johann Gerhard zur Anlage zweier Blankobücher im Folioformat, eines für das Alte, eines für das Neue Testament, die Notizen zu allen Kapiteln der einzelnen biblischen Bücher aufnehmen können; siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio IV, Bl. B2 b , mit Verweis auf Johann Gerhard, Methodus, S. 159. Gerhard hat den Ratschlag, biblische Exzerptbücher zu führen, selber befolgt; vgl. Steiger, Exzerptbücher. Für jedes Kapitel sind zwei bis sechs Seiten zu reservieren, in die dann im Lauf des universitären, aber auch postuniversitären Studiums eine kurze inhaltliche Zusammenfassung und Skopusangabe jedes Kapitels, ein Gliederungsschema, eine Aufteilung des Textes nach Versgruppen, einzelexegetische Anmerkungen (vor allem Kommentare der Kirchenväter, von Luther und lutherischen Theologen, aber auch von katholischen, reformierten, täuferischen, sozinianischen und anderen Theologen) und schließlich eine „praktische N u t z a n w e n d u n g " („usus") eingetragen werden sollen. 157 Praecognitorum Theologicorum Disputatio IV, Bl. B2 b : „Quisquis haec [septem membra] annotaverit, vel annotata habuerit, is praeclarum eruditionis Theologicae thesaurum sibi comparabit, & ad concionum ac disputationum exercitium adminiculo instructus erit longé utilissim o " ; siehe auch Johann Gerhard, Methodus, S. 159.

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berger Professor der vornehmliche Zweck dieser Kollektaneenbücher. Besonders vielversprechend erscheint es ihm, w e n n die Studenten sich zu kleineren Gruppen zusammenschließen und die bei der „ a k k u r a t e n " Bibellektüre anfallenden Lese- und Meditationsaufgaben gemeinsam arbeitsteilig bewältigen, lassen sich doch gerade von dem Gespräch, das auf der gemeinsamen Textarbeit basiert, exegetische Fragen gewinnbringend erörtern. Die Empfehlung eines solchen „Collegium biblicum" begegnete schon bei Aisted. 1 5 8 Meisner nimmt diesen Gedanken auf und baut ihn aus, indem er ein eigenes methodisches Prozedere entwirft, nach dem die biblischen Texte in diesem „Collegium" bearbeitet und diskutiert werden können. 1 5 9 Um ähnliche Arbeitsschritte intensiviert, soll sich nach Meisner auch die „genauere Lektüre und Bearbeitung" („accuratior lectio & evolutio") der Bekenntnisschriften vollziehen. Die Symbolischen Bücher sind nun auf die in ihnen verhandelten Probleme hin zu bedenken, Kommentare und weitere Schriften aus dem Z u s a m m e n h a n g der lutherischen Bekenntnisbildung sind heranzuziehen. Ferner ist ein spezielles Exzerptheft zu führen, in das - wiederum nach Problemkategorien („ loci") unterteilt - Notizen zum historischen Hintergrund der Texte, zu einzelnen Einwänden konfessioneller Gegner, zu den im Text vorgebrachten Widerlegungen einzutragen sind. 1 6 0 Und schließlich wird auch in diesem Fall wieder ein „Collegium Symbolicum disputatorium" empfohlen, in dem die Studenten, nachdem sie die Bekenntnistexte sorgfältig gelesen haben, kontroverstheologische Argumente vortragen und gemeinsam auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen können. 1 6 1 Damit wird bereits das Muster sichtbar, nach dem sich Meisner die Vertiefung des Theologiestudiums vorstellt: Die wiederholte, intensive Lektüre von autoritativen Büchern, die dem A u f b a u und den zentralen Aussagen nach geradezu auswendig zu lernen sind, wird erweitert um die extensive Lektüre von Kommentarliteratur, bei der Exzerpte in Loci-Kollektaneen zu sammeln sind. Nachdem sich die Studenten autoritative Bücher verinnerlicht haben, ist nun im Rahmen des Aufbaustudiums die Lektüre der theologischen, genauer der dogmatischen und kirchengeschichtlichen Fachliteratur in Breite aufzunehmen - und zwar als ein dezidiert ,extrahierendes', auf schriftliche Ertragssicherung zielendes Lesen. Die Anweisungen gehen also gerade dahin, dem Studenten einschlägige Literaturempfehlungen an die H a n d zu geben. So soll er sich nun an die gro158

Vgl. oben Kapitel 6.3. 159 PraecognitorumTheologicorum Disputatio IV, Bl. Cl": „Non inutile est, si Collegia Bíblica instituantur & quae á singulis collecta sunt, in commune conferantur. Nemo solus satis sapit, &i oculi plus vident, quam oculus. Communicatus cum aliis labor etiam levior minorque fit; sicut flumen, in plures rivos sparsum, minuitur. Propterea etiam in hoc studio opus est aliorum ingenio 6c opera uti. Id oprime fiet, si aliquot ingeniosi, industrii ac fideles amici Collegium Biblicum instituant." 160 Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio IV, Bl. C4 a . 161 Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio IV, Bl. C4a~b.

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ßen dogmatischen Lehrbücher von Chemnitz, Hütter oder Gerhard heranwagen und aus ihnen Lesefrüchte sammeln. Ferner soll er kirchengeschichtliche Quellenwerke und Darstellungen lesen. Meisner überlässt es offenbar den Studenten, wie viel sie an Zeit während ihres Universitätsaufenthaltes oder aber auch neben der späteren beruflichen Praxis in das kirchengeschichtliche Studium investieren wollen. 1 6 2 Die Lektüre der scholastischen Autoren ist für ihn kein unverzichtbarer Bestandteil des evangelischen Theologiestudiums, sondern gehört zum „bene e s s e " 1 6 3 des angehenden Theologen. Die dogmatischen und ethischen Lehrentscheidungen der Alten Kirche dagegen sind jedem angehenden Theologen zu wissen unverzichtbar. Ein freies Lesen in der patristischen und scholastischen Literatur ist freilich nicht erwünscht. Der auf den Vorrang der Schrift vor der Tradition bedachte lutherische Theologieprofessor Meisner kann nicht anders als sein Kollege Förster den Studenten die Beschäftigung mit den Kirchenvätern und erst recht mit den scholastischen Theologen nur anraten, wenn er seinen Hörern und Lesern zuvor die Notwendigkeit einer gründlichen Kenntnis der Bibel und ihrer „einfachen Theologie" beschworen hat. 1 6 4 Von dem Kriterium der schriftgemäßen Rechtfertigungslehre her erteilt Meisner einige Ratschläge zu einem kritischen Umgang mit den einschlägigen Texten, entfaltet dann auch einen „ o r d o " , nach dem die Studenten die Kirchenväter lesen sollen. Bezeichnenderweise rät Meisner den Studenten, wohl um ihnen ein kritisch-rechtfertigungstheologischen Lesebewusstsein zu erhalten, während ihrer patristischen Studien begleitend Lutherschriften zu lesen. 1 6 5 Das Lutherstudium ist also nach Meisner gleichsam als Korrektiv zur Kir-

1 6 2 Das Studium der Kirchengeschichte wird von Meisner allen Studenten, die „akkurate Theologen" werden wollen, aus zwei Gründen geradezu verbindlich vorgeschrieben: Zum einen wegen des theoretischen Nutzens, der sich aus einer gründlichen Lektüre der Kirchenväter für die eigene Schriftauslegung, aber auch für kontroverstheologische Auseinandersetzungen ziehen lässt; zum anderen wegen des Gewinns für die künftige Amtspraxis, sind doch aus der Kirchengeschichte zahlreiche Lehren, Vermahnungen, Tröstungen abzuleiten, die zur Veranschaulichung der Botschaft herangezogen werden können; siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio IV, Bl. A4 a . Darüber hinaus sieht Meisner die Kirchengeschichte gleichsam als ethische Mustersammlung: Die Entscheidungen, die bestimmte Personen in bestimmten Situationen im Bewusstsein der Bindung an bestimmte Bibeltexte getroffen haben, lassen sich ex post auf ihre Tragfähigkeit hin überprüfen und bieten so den Studenten eine wichtige Folie zur eigenen ethischen Orientierung. Nicht zuletzt erweist sich so die Kirchengeschichte - um einen geprägten Terminus aus der neuzeitlichen Diskussion aufzunehmen - als „Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift". 1 6 3 Praecognitorum Theologicorum Disputatio V, Bl. D2 b . 1 6 4 Praecognitorum Theologicorum Disputatio V, Bl. C3 a : „1. Lector Patrum habeat jipöyvwoLV seu praecognitionem scripturae & sincerioris fidei, normamque ad istam cuncta expendat. Sola enim scriptura est norma fidei. Proinde credimus scripturae propter se ipsam, Patribus vero propter scripturam." Ebd., Bl. D3 a : „Scholasticos nemo legat, priusquam solidam & fundamentalem sincerae Theologiae cognitionem sibi comparaverit. Alias hinc inde vagabundus fluctuabit vorticibus variarum opinionum abreptus." 1 6 5 Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio V, Bl. C4 b .

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chenväterlektüre aufzunehmen. Die Lektüre Melanchthons wird nicht mehr empfohlen. Seine Schriften sind aus dem Wittenberger Lektürekanon verschwunden. Die Auseinandersetzung mit der eigenen reformatorischen Tradition kommt somit in einer für das Bewusstsein historischen Abstands wie geschichtlicher Wertigkeit gleichermaßen aufschlussreichen Weise innerhalb des Kirchenväterstudiums zu stehen. Das Studium zum Erwerb der akroamatischen Erkenntnis bedeutet zugleich eine Erweiterung des inhaltlichen Spektrums. Die praktisch-theologischen „Ratschläge" („consilia") kommen hinzu. 1 6 6 Der Student studiert sie nach bewährtem Muster, liest intensiv die Bidembachschen „Consilia", 1 6 7 bis er deren Anordnung und Reihenfolge verinnerlicht hat, und widmet sich dann der kasuistischen Literatur, aus der er Lesefrüchte in Kollektaneen sammelt. Die Kontroverstheologie ist ebenfalls Gegenstand des fortgeschrittenen Studiums. Sie erhält jedoch im Unterschied zu den Försterschen und Hütterschen „Consilia" nicht so viel Gewicht, dass sie in Form eines eigenen Studiengangs zu studieren wäre. Vielmehr achtet der Student bei seiner Lektüre der großen dogmatischen Systeme, aber auch der Fallbeschreibungen in den Seelsorgehandbüchern auf Argumente, die in den interkonfessionellen theologischen Kontroversen für die lutherische Sache verwendet werden können. Ein regelrechtes Studium der Polemik kennt der auch sonst kontroverstheologisch eher moderate Meisner nicht. Ebenso besteht das homiletische Studium eigentlich nur in der Anlage eines fünfbändigen Kollektaneums von Lesefrüchten, die im Rahmen der theologischen Fachlektüre gesammelt und sodann in der Predigt verwendet werden können. Im Mittelpunkt der Lektüreanweisungen zu dieser theologischen Bildungsstufe stehen also bei Meisner umfangreiche Loci-Kollektaneen, die je nach Studiengegenstand unterschiedlich anzulegen sind. 1 6 8 Mehr noch als die im Rahmen der kursorischen Lektüre verwendeten Loci-Hefte sind die Loci-Bücher der „lectio

1 6 6 Das Stoffgebiet, das Meisner im Blick hat, entspricht schon in vieler Hinsicht dem, was heute als „Praktische Theologie" zu bezeichnen wäre, Praecognitorum Theologicorum Disputatio V, Bl. A2 a : „Quintum Medium est Consiliorum Theologicorum, de Casibus Conscientiae, de Causis Matrimonialibus, de Ritibus & gubernatione Ecclesiae, & similibus materijs agentium, annotatio 8c collectio." 1 6 7 Consiliorum Theologicorum Decas ... Das ist/... Theologischer Bedencken/ Bericht/ oder Antwort/ auff mancherley... zutragende Fäll/ und vorfallende Fragen/ oder Handlungen gerichtet/ und mehrern Theils vor vielen Jaren gestellet: Durch ettliche Hochgelehrte und vortreffliche Theologos [...] Nun aber [...] zusammen getragen/ und zum Truck befördert/ Durch Felixen Bidembach [...], Tübingen 1 6 0 5 - 1 6 2 1 [10 Dekaden; ab Decas 9 hg. von Johann Moritz Bidembachj. 1 6 8 Zum Sammeln der dogmatischen und ethischen Loci ist jeweils ein eigenes Blanko-Buch anzuschaffen, zu dessen Einrichtung Meisner detaillierte Instruktionen gibt; zum Sammeln der praktisch-theologischen Loci sind es insgesamt fünf Blanko-Bücher - entsprechend den fünf klassisch-rhetorischen „genera dicendi". Das Raster ist der schon in der „Brevis instructio" empfohlenen, von Joseph Lang herausgegebenen „Polyanthea Nova" (Lyon 1604) zu entnehmen.

4. Programmatische Entwürfe

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accuratior" auf ein postuniversitäres, geradezu lebenslanges Sammeln von Lesefrüchten hin angelegt. Die Empfehlung von Loci-Büchern ist bei Meisner ähnlich wie bei Hütter vornehmlich aus materialorganisatorischen Gründen motiviert: Es geht darum, die Lesefrüchte aus der Fachlektüre so zu organisieren, dass sie im pastoralen Praxisfall leicht in den eigenen Unterlagen aufgefunden werden können. Um ein „theologus accuratus" zu werden, führt schließlich kein Weg an einem intensiven universitären Studium vorbei. Trotz der ausführlichen Anweisungen zur Einrichtung der privaten Studienpraxis wäre es nach Meisner kurzschlüssig zu meinen, das Theologiestudium ließe sich im Wesentlichen autodidaktisch bewältigen. Ein regelmäßiger Besuch von Vorlesungen, von Disputationen und Redeübungen, wie sie an der Universität angeboten werden, ist vielmehr zum Erreichen eines vertieften theologischen Wissens unverzichtbar. Die Erstbegegnung mit dem Stoff sollte nach Meisner bevorzugt über das Hören - mithin über die lebendige Rede - erfolgen. Erst dann ist seiner Ansicht nach eine intensivere Lektüre im betreffenden Fach didaktisch sinnvoll. 169 Überblickt man das von Meisner zum Erwerb einer gründlicheren theologischen Kenntnis entwickelte Studienkonzept, so handelt es sich hierbei eher um ein Maximalprogramm für Qualifikanten der höchsten geistlichen und universitären Ämter. Der Wittenberger Professor rechnet selber nicht damit, dass dieses Programm von einem durchschnittlichen Studenten während eines zwei bis drei Jahre dauernden Universitätsaufenthaltes umgesetzt werden kann. Es geht vielmehr um die Präsentation eines Ideals, an dem sich die eigenen, jeweils immer begrenzten Studien orientieren sollen. Entscheidend ist für Meisner, dass die Studenten während ihres Studiums einen Studienhabitus, eine Fertigkeit des Studierens erwerben, die sie in die Lage versetzt, auch im Schul- oder Kirchendienst das angeeignete theologische Grundwissen im Blick auf den Umfang nicht nur weitgehend stabil zu halten, sondern möglichst noch an der einen oder anderen Stelle zu erweitern und zu vertiefen. Das überfordernde Programm hat nicht zuletzt einen didaktischen Zweck: Es soll den Studenten von der Unzulänglichkeit des faktischen theologischen Wissensstandes überzeugen und ihn so einerseits vor der Untugend der Hybris bewahren, ihm andererseits zugleich aber auch die Notwendigkeit lebenslanger, ,berufsbegleitender' Studien insinuieren. 4.1.2.3

Theologie

und

Frömmigkeit

Eine wichtige Konsequenz aus dem neuen, allopraktischen Theologieverständnis deutete sich bereits darin an, dass Meisner zwar auf einer gewissen Frömmigkeitspraxis des Theologiestudenten bestand, sie aber offenkundig auch nicht mehr als notwendige Bedingung der theologischen Existenz' zu verstehen be-

169

Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio V, Bl. h l ' ^ .

210

Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

müht war. Meisners Verhältnisbestimmung von Theologie und Heilsglaube ist insgesamt nicht ganz spannungsfrei. Auf der einen Seite kann sich Meisner ein existentielles Verstehen der biblischen Schriften ohne die übernatürliche Erleuchtung durch den Heiligen Geist nicht vorstellen. Der Heilige Geist ist das Prinzip, durch das die Theologie erlernt wird („principium per quod"). Ebenso wenig hält es Meisner für möglich, dass der Heilige Geist ein „unfrommes" Subjekt erleuchtet. Der Theologiestudent soll vielmehr eo ipso „ein Student der Frömmigkeit und Ehrbarkeit" sein. 170 Denn der Heilige Geist nehme in einem Gottlosen nicht auf Dauer Wohnung. Vielmehr stehe zu befürchten, dass ein unfrommes Leben den Geist letztlich vertreibt. 171 Daher stellt Meisner, obwohl das zunächst von seinem Theologiekonzept her nicht unbedingt zu erwarten ist, dann doch die Bedeutung des Gebets, insbesondere die Bitte um das erleuchtende Wirken des Heiligen Geistes, für das Gelingen des Theologiestudiums recht eindrücklich heraus. Und wenn er in einer studienethischen Auslegung von 1 Kor 4,9-13 und 2 Kor 12,4 vor allem die Anfechtungen und die Verfolgungen als ein Kennzeichen der theologischen Existenz' behauptet, so wird damit ein weiteres, für Luthers Anweisung von 1539 charakteristisches, von den lutherischen Studienanweisungen freilich nur bedingt festgehaltenes Element aufgenommen. Nicht ohne Grund rekurriert Meisner gerade in diesem - allerdings auch nur in diesem - sachlichen Zusammenhang auf die Luthersche Trias von „oratio, meditatio, tentatio". 1 7 2 Die Praxis pietatis wird also unzweideutig als Dispositiv der Illuminationsgnade gefordert, die wiederum die Wirkursache der theologischen Erkenntnis ist. Damit wird aber die Konsequenz einer „theologia renatorum" eigentlich unvermeidbar. 1 7 0 Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. C3 b : „[...1 studioso Theologiae, qui eo ipso simul pietatis & honestatis est studiosus [...1." 171 Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. C4 a : „Nihilominus tarnen propterea in comparanda exacta eruditione Theologica, vera fides & pietas ex oculis non sunt removenda aut parum curanda, verum potius certö statuendum, quod thesaurus & 7t£i|j,r|)iiov istud puro in vasculo cordis sit recondendum, & Studium omne nostrum in sacris multas patiatur remoras, tandemque fine & scopo excidamus ipso, si S. Sanctus, qui est Spiritus sapientiae Esa. 11,2 & veritatis loh.16,13. qui contristatur & abigitur inopiä & sceleratä vitä Eph. 4,30. gratiosa suä praesentiä non adest nec advenit, sed potius expellitur. Sapientia enim non ingreditur animam malignam, nec habitat in corpore peccatis obnoxio, inquit Sapiens 1,4. Spcctat quoque huc locus 2.Cor. 4 , 4 . " 1 7 2 Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. D l b - D 2 a . Auf die Luthersche Trias wird auch als Mittel zur Überwindung der Anfeindungen verwiesen, die den Theologiestudenten aufgrund seines Studiums treffen können; siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio IX, Bl. B2 b . Tholuck bringt Auszüge aus einem Brief, den Meisner 1622 an einen befreundeten oldenburgischen Prediger geschrieben hat. Darin heißt es: „Du bist also bisher in der Schule des Gebets, der Meditation und Tentation geblieben, welches jene Mittel sind, die den vollkommenen Theologen machen" (ders., Geist der lutherischen Theologen, S . 7 9 ; vgl. Kang, S. 120, Anm. 168). Meisner hat die mit den „drei Regeln" zum Ausdruck gebrachte Grundhaltung durchaus geschätzt, macht die Trias selbst aber bezeichnenderweise nicht mehr zum Strukturprinzip seines theologischen Bildungskonzepts.

4. Programmatische

Entwürfe

211

Auf der anderen Seite räumt Meisner jedoch die Möglichkeit einer „theologia non-renatorum" durchaus ein und rechnet deshalb die Illuminationsgnade auch nicht zu den Wesensmerkmalen des theologischen Habitus. Dahinter steht die von den lutherischen Denkvoraussetzungen her an sich plausible Überlegung, dass die sich dem freien Wirken des Heiligen Geistes verdankende Erleuchtung eigentlich nicht habituell werden kann. Meisner verweist vor diesem Hintergrund auf die Unhaltbarkeit der Annahme, die Illuminationsgnade sei eine conditio sine qua non des theologischen Habitus. Sie hätte zur Folge, dass ein Theologe, sollte er einmal die Heilsgnade und damit die Erleuchtungsgnade aufgrund einer schweren Sünde verlieren, notwendigerweise auch des theologischen Habitus verlustig gehen müsste, was der Erfahrung offenkundig widerspricht. 173 Meisner unterscheidet genau zwischen dem „dogmatischen" und dem „rechtfertigenden Glauben" („fides dogmatica" / „fides salvifica"). 174 Der in einer korrekten Kenntnis der dogmatischen Lehren bestehende Glaube kann Meisner zufolge auch von einem Subjekt erworben werden, das diesen Glauben nicht praktiziert und insofern auch nicht im rechtfertigungstheologisch relevanten Sinn Gott „vertraut" wie die biblischen Beispiele der guten Theologen, aber schlechten Christen Bileam, Saul, Kaiphas oder Judas zeigen. 175 Die Möglichkeit eines mit rein natürlichen Mitteln erworbenen theologischen Habitus wird also keineswegs ausgeschlossen, ja Meisner hält eine „theologia non-renatorum" sogar beim einfachen Kirchendiener für denkbar. 176 Ausgehend von dem genannten Begriffspaar lässt sich die Spannung in Meisners Theologiebegriff vielleicht folgendermaßen umschreiben: Die „fides dogmatica" soll hinreichende Bedingung des theologischen Habitus sein, die „fides salvifica" aber ihren Status einer notwendigen Bedingung nicht verlieren. Die Meisnerschen Überlegungen zeigen, wie die bislang weithin unreflektiert vorausgesetzte Union des Frommen und des Theologen beziehungsweise Theo1 7 5 Philosophia Sobria I, S . 4 5 8 : „Etenim habitus Theologiae cadit etiam in subjectum non renatum & hominem perversae vitae, quod exempla docent, & ratione evincit. Sequeretur enim alias, Theologiae habitum perire, si quispiam Theologus moraliter peccaret, illum rediret, si poenitentiam ageret, qualis alternata habituum abitio & reditio est absurda, cum e^iç a ôiaôéoEi hoc unico distinguatur, quod e subjecto tarn facile non cedat & moveatur." Ebd., S. 4 5 9 : „ Q u o d si subjectum renatum sit, accedit respectus tertius [nämlich über das Prinzip und das O b j e k t hinaus], nimirum specialis Dei illuminatio & inhabitatio, quae tarnen non est de essentia Theologici habitus, nisi illum tempore impoenitentiae statim perire contra experientiam asserere voluerimus."

Siehe Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. A 4 b - B l a . Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. C 3 b - C 4 a : „Licet enim fides dogmatica, 8c salvifica, natura & essentiâ plané différant, earumque una absque altera benè existere & separari possit, ita quidem ut bonus Theologus fit quandoque malus Christianus &C hypocrita, carens fide justificante, quo pacto cum dono Prophetandi in V. & initio N . T . conincidit T h e o l o g i a , uti patet exemplo Bileami N u m . 2 7 , 2 2 . Saulis 1. Sam. 1 0 , 1 3 . Caiphae J o h . 1 1 , 5 1 . imö in reverendissimo Collegio B. Apostolorum unus fuit filius perditus Judas Iscariothes, qui omnes fuerunt Prophetae & Theologi, attamen infideles & reprobi." 174

175

176

Vgl. Sparn, Krise, S . 8 1 .

212

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

logiestudenten durch die Rezeption der neuaristotelischen Wissenschaftslehre fraglich geworden war. M a n muss das bei Meisner erstmals im Wittenberger Kontext zu beobachtende A u f k o m m e n des praktisch-habitualen Theologiebegriffs aber wohl auch als Symptom einer generellen Professionalisierungskrise im Luthertum deuten: Die von dem traditionellen, autopraktisch-reflexiven Theologieverständnis vorausgesetzte Einheit von beruflicher und f r o m m e r Praxis ließ sich gerade von der theologischen Elite, die sich den nicht nur aus konfessionsapologetischen Motiven heraus gesteigerten Qualifikationsansprüchen zu stellen versuchte, immer schwieriger realisieren. Im Z u s a m m e n h a n g der innerlutherischen Debatte um den Theologiebegriff wurde insbesondere das Verhältnis von Theologie und Heilsglauben diskutiert, wobei sich nach der neueren Forschung drei, im Einzelnen freilich unterschiedlich klar zu fassende Positionen herauskristallisierten. 1 7 7 1) Relativ eindeutig zu beschreiben, ist die Haltung einer Gruppe von vorwiegend in kirchlichen Ämtern stehenden Theologen, die sich jeglicher philosophischen Beschreibung der Theologie als Wissenschaft verweigerte. Sie sah den Zweck der Theologie unmittelbar in der eschatologischen Vervollkommnung des theologischen Subjekts selbst und bestand von daher nachdrücklich auf der personalen Einheit des Theologen und des Frommen. Theologie, soweit sie die O f f e n b a r u n g betraf, war demnach nur als „theologia renatorum/regenitorum" möglich. Hier ist vor allem J o h a n n Arndt zu nennen, der in der Vorrede zum dritten Buch des „Wahren Christentums" die Kultivierung des Willens (und nicht nur des Verstandes) als unverzichtbaren Bestandteil des theologischen Studiums forderte. Für Arndt war die Theologie nichts Geringeres als der Weg zur „unio mystica" des Theologen mit Gott. 1 7 8 Die Grenzen zwischen Theologie und Frömmigkeit waren hier nahezu verwischt. 2) Die entgegengesetzte Position wurde d a n n erstmals von dem Helmstedter Theologen Georg Calixt (1586-1656) vertreten. Er rückte die Wissenschaft der Theologie sehr deutlich vom Heilsglauben ab, der sich seiner Meinung nach gerade durch Vertrauen und Gewissheit auszeichnete. N a c h Calixt sollte eine wissenschaftliche Theologie rein auf der Basis natürlicher Erkenntnis grundsätzlich möglich sein. Entsprechend verwarf er die bislang dominierende Vorstellung einer Personalunion des Frommen und des Theologen. 1 7 9 3) Eine dritte, am schwierigsten zu umschreibende Gruppe wurde durch eine doppelte negative Klammer zusammengehalten: Sie lehnte die Identifikation des Theologen mit dem Frommen ebenso ab wie die radikale Trennung von Theologie und Frömmigkeit. Die sich in diesem Sektor bewegenden Ansichten konnten 177

Vgl. dazu Sparn, Krise, S. 7 8 - 8 2 . Einschlägige Stellen aus dem „Wahren Christentum" sowie der Arndtschen Ausgabe der „Theologia deutsch" finden sich im wörtlichen Zitat bei Meisner, Praecognitorum Theologicorum Disputatio I, Bl. A4 b . 179 Z u m Theologiebegriff Calixts vgl. Wallmann, Theologiebegriff, S. 8 5 - 1 6 1 . 178

4. Programmatische

213

Entwürfe

durchaus differieren. So versuchte etwa Johann Gerhard eine Synthese zwischen einem medizinalen, allopraktischen Praxisbegriff und einer „theologia renatorum". 1 8 0 In Gerhards Theologieverständnis, wie er es in seinen „Loci" darlegte, blieb die habitúale Glaubenserkenntnis die sachliche Mitte, ja die Glaubenspraxis des Theologen wurde ausdrücklich in die Definition des theologischen Habitus aufgenommen; er verzichtete jedoch auf jede konkrete Identifizierung dieses Glaubens. Umgekehrt räumte Meisner die Möglichkeit einer „theologia non-renatorum" ein und weigerte sich, den Heilsglauben als Wesensmerkmal des theologischen Habitus zu verstehen, wollte aber andererseits die Theologie selbstverständlich mit der Frömmigkeitspraxis verbunden sehen. 181 Meisners Theologiebegriff wurde nicht von allen zeitgenössischen und nachfolgenden Wittenberger Kollegen positiv aufgenommen. 182 Der von Meisner eingeschlagene ,Mittelweg' blieb zwar insgesamt maßgeblich, konnte aber auch von einzelnen Autoren zugunsten des althergebrachten Theologiebegriffs verlassen werden. 4.2 Johann Hülsemann: „Methodus studii theologia

' (1635)

In dem zwischen 1631 und 1638 erstmals erschienenen isagogischen Sammelwerk „Methodus concionandi" hatte der Herausgeber Johann Hülsemann im Anschluss an seine Einführung in die homiletische Rhetorik auch eine eigene Anweisung zum Theologiestudium abdrucken lassen. 183 Hülsemann, 1602 im ostfriesischen Esens geboren, war nach seinem Studium in Rostock, Wittenberg, Leipzig und Marburg 1629 als Nachfolger von Wolfgang Franz (1564-1628) auf die vierte Professur der Theologischen Fakultät der Leucorea berufen und im darauffolgenden Jahr zum Dr. theol. promoviert worden. 1 8 4 Er lehrte von 1629 bis 1646 an der Theologischen Fakultät, entfaltete daneben aber auch eine ge180

Vgl. Friedrich, Grenzen, S . 3 2 2 . Meisner w a r 1 6 1 7 von Andreas C r a m e r ( 1 5 8 2 - 1 6 4 0 ) , einem der wichtigsten K o m b a t tanten im s o g e n a n n t e n M a g d e b u r g e r Habitualstreit ( 1 6 2 2 - 1 6 3 1 ) auch persönlich u m Stellungn a h m e angegangen w o r d e n war, und hatte sich für ein habituales Wissenschaftsverständnis ausgespochen. In diesem von der Forschung bislang wenig beachteten Streit, der sich an einer von dem damaligen M a g d e b u r g e r Rektor Sigismund Evenius abgehaltenen Übungsdisputation über die habitúale Konstitution der Theologie als Wissenschaft entzündete, wiederholten sich in gewisser Weise noch einmal die Frontstellungen des H o f m a n n s c h e n Streits, stand also w i e d e r u m das Verhältnis von Theologie und Philosophie zur Debatte; vgl. neuerdings die Darstellung bei Friedrich, Grenzen, S. 1 9 3 - 2 0 2 . Der M a g d e b u r g e r Geistliche J o h a n n Kotzebue hatte in seinen Stellungnahmen z u m Habitualstreit die A b k o p p e l u n g des Glaubensvollzugs von der rational betriebenen Theologie besonders weit vorangetrieben und insbesondere den Teufel für einen hervorragenden Theologen ausgegeben; vgl. ebd., S . 2 9 1 . 3 7 0 . 182 Vgl. Appold, O r t h o d o x i e , S. 6 5 - 6 7 , wobei das Verhältnis J a k o b Martinis zu Balthasar Meisner im Blick auf das Theologieverständnis noch einer genaueren Untersuchung bedürfte; vgl. die gegenüber zu Appold anders lautende Einschätzung bei Sparn, Wiederkehr, S.33. 183 Vgl. oben Kapitel 7.1. 184 Vgl. GUW, S . 4 1 3 f . Eine Kurzvorstellung H ü l s e m a n n s a n h a n d seines „Breviarium theologicum: exhibens praecipuas fidei controversias, quae hodie inter Christianos a g i t a n t u r " (Wit181

214

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

wisse kirchenpolitische Wirksamkeit, deren Höhepunkt wohl die Teilnahme am Thorner „Colloquium charitativum" (28. August bis 21. November 1645) als „moderator theologorum Augustanae confessionis" gewesen sein dürfte. 1 8 5 Inwiefern seine nach außen nicht immer unzweideutig vertretene Orthodoxie zum endgültigen Bruch der Wittenberger mit der Helmstedter Theologie beigetragen hat, bedarf noch einer genaueren Untersuchung. 1646 folgte er einem Ruf auf eine Doppelstelle nach Leipzig, wurde Professor an der dortigen Universität und Pfarrer an der Nikolaikirche. Das Wittenberger theologische Lehrangebot hat er durch exegetische, dogmatische, homiletische und methodologische Lehrveranstaltungen bereichert. 186 Aus letzteren dürfte die kurze, 66 Oktav-Seiten umfassende „Methodus studii theologici" hervorgegangen sein. Der Text gliedert sich in zwei voneinander deutlich abgesetzte Teile: in einen ersten kurzen Vorspann, der die subjektiven und objektiven „Voraussetzungen" („praesupposita") des Theologiestudiums klärt, und in einen Hauptteil, der vorwiegend studienethische und zeitorganisatorische Anweisungen zum Theologiestudium enthält. 187 Hülsemann reflektiert nicht wie Meisner in einem eigenen Abschnitt auf das zugrunde gelegte Theologieverständnis. Im Verlauf der Darstellung wird gleichwohl deutlich erkennbar, dass auch er dem bereits bei Meisner sichtbar gewordenen habituellen Theologieverständnis folgt. Die Theologie ist ein praktischer Habitus, der sich gerade auch in der frommen Praxis des Theologen bewähren soll: „Denn man darf nicht meinen, dass die heilige Theologie nur ein Habitus des Verstandes sei oder [nur] eine Wahrnehmung wissbarer Dinge, wie sie auch die Teufel haben, sondern sie ist ein praktischer Habitus, der vom Wissenden zu seiner und anderer Seelen Vorteil angewendet werden muss." 1 8 8 Das Zitat zeigt ein auffälliges Miteinander von auto- und allopraktischem Theologieverständnis. Die Praxis, in der sich der theologische Habitus zu bewähren hat, richtet sich auf die Gemeinde wie auf das theologische Subjekt selbst. Wenn auch das bei Meisner zur Sicherung übernatürlicher Verursachung hervorgehobene Prädikat „öeöoöoxog" von Hülsemann in der „Methodus" nirgends erwähnt wird, so ist es doch gleichwohl der Sache nach vorausgesetzt. Denn die „gratia Spiritus Sancti" wird ganz selbstverständlich unter den Bedingungen genannt, ohne die

tenberg 1640) bei Gaß, Bd. 1, S . 3 1 6 f . Z u r Biographie vgl. vor allem Keller-Hüschemenger, S. 1 1 - 3 6 . Vgl. auch Witte, M e m o r i a e T h e o l o g o r u m , Bd. 2, Decas Decima, S. 1 3 7 1 - 1 3 8 6 . 185 Vgl. Tschackert, Art. T h o r n . 186 Vgl. T h o l u c k , Geist der lutherischen Theologen, S. 165. 187 Der U m f a n g des ersten Teils bemisst sich in der Ausgabe von 1648 auf elf ( S . 2 6 3 - 2 7 3 ) , der des zweiten Teils auf 55 Seiten (S. 2 7 4 - 3 2 8 ) . 188 J o h a n n H ü l s e m a n n , M e t h o d u s , S . 2 7 2 : „ N e c enim p u t a n d u m , sacram Theologiam esse t a n t u m mentis h a b i t u m , seu apprehensionem rerum scibilium, qualem Diaboli habent; sed esse h a b i t u m practicum, qui debeat à sciente ad suae & aliarum a n i m a r u m e m o l u m e n t u m adhiberi."

4. Programmatische

Entwürfe

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das Theologiestudium nicht mit Gewinn absolviert werden k a n n . 1 8 9 Das hängt wiederum damit zusammen, dass sich auch Hülsemann eine tiefere Bibelerkenntnis ohne das erleuchtende Wirken des göttlichen Geistes nicht vorstellen kann. Z u diesen Bedingungen zählen natürlich noch weitere subjektive und objektive Faktoren, die zum größten Teil schon zu Beginn des Studiums gegeben sein müssen, also geradezu den Charakter von Eingangsvoraussetzungen haben. So sollte, wer sich an das Studium der Theologie wagen will, vor allem eine klare Vorstellung vom angestrebten beruflichen Ziel haben („intentio finis") - da gibt es, wie gleich zu zeigen sein wird, durchaus verschiedene Möglichkeiten - , er sollte ein gewisses M a ß an Fleiß und Aufnahmefähigkeit („naturalis industria et aptitudo") mitbringen, über Kenntnisse in den biblischen Ursprachen und in den H u m a n i o r a („instrumentarum cognitio") verfügen, Frömmigkeit gegen G o t t und den Nächsten erkennen lassen („pietas erga D e u m et p r o x i m u m " ) und sich schließlich einer gewissen „ M ä ß i g u n g " („modestia") im Ertragen von Anfeindungen, aber auch vom Versagen anderer befleißigen. 1 9 0 M a n erkennt sofort: Hülsemann wiederholt hier nur etwas gerafft und gekürzt die Voraussetzungen, die schon von Meisner und Gerhard genannt wurden. Zwei Akzentuierungen sind jedoch bemerkenswert und für die Entwicklung des theologischen Bildungsideals an der „evangelischen Musteruniversität" signifikant: 1) Die schon bei Meisner nachweisbare Unterscheidung zweier theologischer Bildungsstufen wird von Hülsemann übernommen. D o c h während Meisner noch erwartete, dass der Student in beiden Lehrgenera - dem „genus ecclesiastic u m " und dem „genus scholasticum" - bewandert sein sollte, wird nun v o m angehenden Studenten von vornherein eine Wahl verlangt. Die „intentio finis" ist wichtig. Hülsemann bedrängt den Theologiestudenten, möglichst schon vor Studienbeginn zu entscheiden, welches von beiden Berufszielen er studierenderweise erreichen will: Will er „Prediger" ( „ c o n c i o n a t o r " ) werden, der seinen Gemeindegliedern die „rudimenta fidei et pietatis" lehrt, oder akademischer Lehrer, der nicht nur Kenntnisse der argumentativen Kunstgriffe und Autoritätsbeweise der wichtigsten theologischen Gegner des Luthertums hat, sondern auch in der Lage ist, diese anderen methodisch und klar zu vermitteln? 1 9 1 Was bei Meisner noch als Stufenbau gedacht war, wird also bei Hülsemann zur Alternative. Eltern und Erzieher oder auch der einzelne Student selbst sollten im Einzelfall 1 8 9 M e t h o d u s , S . 2 6 5 : „Statuto jam certo studii fine, quanquam ad utrumque finem obtinendum, naturalis Industria, pietas, modestia, gratia. Spiritus S. requiratur [ . . . ] . " 1 9 0 Siehe Methodus, S. 2 6 3 f. 1 9 1 Methodus, S. 2 6 4 : „An velit Christianum populum rudimenta fidei & pietatis docere, atque in eo consistere, quod est opus bonum ac pium, 1. Tim. 3 , 1 . J a c o b . 5 , 2 0 . An verö cogitet, non hanc solüm facultatem sibi comparare, sed eam praetereä, qua omnia circa fidem Christianam controversa, solennes adversariorum strophas, earum autores, & progressus in Ecclesia, solutiones ä Patribus, & aliis Doctoribus adhibitas, consilia, hic in Ecclesia & Republica obviandi, &LC. non solüm calleat, sed alios quoque methodice & evidenter docere possit."

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Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

prüfen, ob vom Alter, von der Intelligenz, von den zu erwartenden Kosten her ein Studium mit dem Ziel eines akademischen Lehramtes wirklich in Frage kommt. Studieneifer und Fleiß, Frömmigkeit und Geistbegabung sind für das Erreichen beider Ziele nötig. Aber hinsichtlich der Intensität, mit der sich die Studenten den theologischen Bildungsinhalten jeweils widmen sollen, gibt es beträchtliche Unterschiede. Eingehendere Sprachkenntnisse und apologetische Kompetenzen sind für den einfachen Gemeindepfarrer nicht erforderlich, es sei denn, er lebt mit seiner Gemeinde in einem fremden konfessionellen Umfeld. 1 9 2 Konzipiert Meisner das Theologiestudium für die beiden Erkenntnisgrade im Sinne der Tempelmetapher als Stufenprogramm, so denkt sich Hülsemann den Studienverlauf von Anfang an in unterschiedlichen Bahnen, gewissermaßen einem ,Voll'und einem ,Schmalspurstudium'. Für letzteres werden keine eigenen Anweisungen gegeben. Hülsemann setzt bei dem skizzierten Studienprogramm, das an der Ausbildung zum akademischen Lehramt orientiert ist, offenbar stillschweigend voraus, dass der Student dieses Maximalprogramm auf das gegebenenfalls angestrebte Ausbildungsziel des Gemeindepfarramtes hin entsprechend modifiziert. 2) Neben der Ausrichtung an der jeweiligen theologischen Profession zeigt sich in einer gewissen Reduktion des artistischen Propädeutikums ein weiterer charakteristischer Zug dieser Wittenberger „Methodus". Hülsemann setzt im Blick auf die Kenntnis der alten Sprachen generell, also offensichtlich auch für die Ausbildung zum akademischen theologischen Lehrer, ein deutlich gestaffeltes Niveau a n : 1 9 3 Die höchsten Anforderungen stellt er an die Kenntnisse des Lateins. Der Student sollte nicht nur in der Lage sein, klassische Autoren der Antike und scholastische Autoren des Mittelalters im Original zu lesen und zu verstehen, sondern auch die Fähigkeit zum schriftlichen und mündlichen Ausdruck in der lateinischen Sprache erworben haben. Hinsichtlich des Griechischen erwartet Hülsemann vom künftigen Theologen immerhin noch Grundkenntnisse in der „ K o i n e " , in der Grammatik, im Wortschatz und in den Phrasen des Neuen Testaments. Lutherische Theologen sollten nach Hülsemann die lateinische Version der Vulgata kritisch nach dem griechischen Urtext prüfen können; insbesondere sollten sie die Beweise und Argumente, mit denen katholische Theologen aus den griechischen Kirchenvätern den lateinischen Bibeltext untermauern, durch einschlägige Kenntnisse der griechischen Sprache außer Kraft zu setzen fähig sein. Was schließlich die hebräische Sprache betrifft, so nimmt Hülsemann die Anforderungen noch weiter zurück. Es genügt in diesem Fall, „wenn jemand Lexika und Konkordanzen sinnvoll gebrauchen kann und allein in

1 9 2 Methodus, S . 2 6 5 f . : „Futuro enim apud Christianam plebem concionatori, Linguarum peregrinarum scientia, notitia Artium disputandi, arguendi, confundendi, & c . polemicarum ex Patribus & Scholasticis disputationum, singularum haereticorum fraudum, & multa alia absolutè necessaria non sunt, sed tantum utilia, & ornamenta quaedam, si adsint [...]." 1 9 3 Siehe Methodus S . 2 6 8 f .

4. Programmatische

Entwürfe

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Grammatik instruiert [an den Text] herangeht" 1 9 4 . Die auffällige Zurücksetzung wird von Hülsemann theologisch zu begründen versucht. Während sich im Rahmen der Exegese die Benutzung außerbiblischer hebräischer Literatur verbiete, da in dieser ohnehin nur die theologisch falschen Interpretationen der Rabbinen verbreitet würden, sei die Benutzung lateinischer und griechischer Autoren - etwa als Materialfundus für die Theologie - zulässig, was Hülsemann mit dem fragwürdigen Argument begründet, dass Gott durch seinen Geist im Wunder der pfingstlichen Sprachbegabung alle Sprachen auf die Apostel und Umstehenden ausgeteilt habe - bis auf das Hebräische. Daher sei es nötig, im Griechischen und Lateinischen gründlichere Kenntnisse als im Hebräischen zu erwerben. 195 Dass von Ratschlägen, die solch bescheidenen Ansprüchen verpflichtet waren, nicht gerade Impulse zur Hebung des ohnehin dürftigen Kenntnisstands in den alten Sprachen unter den Theologiestudenten ausgingen, liegt auf der Hand. Als Inhalte des vorbereitenden artistischen Studiums werden von Hülsemann vor allem die Logik, Rhetorik und Metaphysik hervorgehoben. Die übrigen (Realien-)Fächer wie Mathematik, Physik, Ethik, Musik seien eher „Ornament" als „Fundament" des Theologiestudiums und tunlichst an den niederen Schulen zu erlernen. Auch sei aus den drei genannten artistischen Fächern auf der Universität nur das zu studieren, „was sich auf die Praxis bezieht, nicht das, was Stoff für Streitigkeiten und zu entscheidende Kontroversen dieser Disziplinen selbst zu sein scheint" 196 . Wer als Theologiestudent die Artes studiert, studiert sie um der Theologie, nicht um der Artes willen. Für die Hülsemannschen Empfehlungen im Blick auf das philologisch-philosophische Vorstudium ist somit insgesamt ein gewisser reduktionistischer Zug, ein Zug zu einer stärker an der beruflichen Wirklichkeit des Theologen orientierten Auswahl charakteristisch. Der zweite Teil der „Methodus" mit den Anweisungen zum eigentlichen Theologiestudium lässt sich vom Aufbau her als ein Gegenstück zu Försters „Consilium" begreifen: Folgte dieses den verschiedenen Studien Inhalten, so orientiert 194 Methodus, S.269: „Verum sufficit, si quis Lexicis & Concordantiis commodé uti possit, Sc sola Grammatices cognitione instructus accedat." Von einem neu erwachten philologischen Interesse am biblischen Text aus konnte August H e r m a n n Francke 1704 im Rahmen seiner Überlegungen zur Reform des Theologiestudiums diese Hülsemannsche Empfehlung scharf kritisieren; vgl. ders., Der Große Aufsatz, S.26f. 1,5 Methodus, S.270: „In caeteris verö linguis, hoc est, Latina Sc Graecä, quia ex aliis quoque auctoribus exemplorum inductio admittenda est, prolixior scientia requiritur. DEUS enim cum largiretur d o n u m linguarum in Nov. Testamento, Actor. 2. omnium aliarum linguarum facultatem distribuit, solae exceptae Ebraeae: Ebraei enim erant subjectum recipiens illius doni. Erant omnes Galilaei v.7." 196 Methodus, S.271: „Id saltem monemus; In addiscendis istis disciplinis, hoc c u r a n d u m etiam futuro Theologo, ut ea ex iis eligat, quae ad praxin accommodet, non, quae ad ipsarum discplinarum lites & controversias decidendas foecunda videntur, id est, solüm discat ex Logicis bené concludere. Ex Metaphysicis, recté subordinare, & distinguere. Ex Rhetoricis, apté disponere, & eleganter pronunciare."

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Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

sich jener an den einzelnen, für das Theologiestudium charakteristischen Stuáitnakten.

Durch die Ausrichtung der Anweisungen auf das Tun des Studenten

stand zunächst einmal grundsätzlich die Möglichkeit offen, der „Methodus" das bewährte und von Johann Gerhard in der Jenaer „Methodus" von 1 6 2 0 wieder aufgenommene Synthesemodell des Chytraeus zugrunde zu legen. Hülsemann hat diesen Weg jedoch nicht beschritten. Er hat in seiner Anweisung vielmehr die Trias von „oratio, meditado, tentado" zu einer weniger theologiespezifischen Quaternität von Beten („oratio"), Lesen („lectio"), Schreiben („scriptio") und Disputieren („disputado") umgebaut. Die innere Verknüpfung der einzelnen Studienakte in der Form eines auf die Doppelerfahrung von Anfechtung und Trost zielenden Umgangs mit dem biblischen Wort scheint damit aufgegeben. Gleichwohl ist zu fragen, was Hülsemann unter den einzelnen Studienakten versteht und inwiefern dabei nicht durchaus Luthersche Gedanken wieder aufgenommen worden sein können. Das Gebet nimmt in der „Methodus" Hülsemanns eine zentrale Stellung ein. Es wird geradezu als ein Grundvollzug des Theologiestudiums erachtet, ja in gewisser Weise als die Form dieses Studiums („formam studii Theologici") 1 9 7 selbst. Hülsemann definiert es als eine „Erhebung" („elevado") des Geistes wie der Lippen zu Gott zum Zweck der Bitte, der „Betrachtung" („contemplado") seiner Wohltaten und des Dankes. 1 9 8 Es wird dem Theologiestudenten speziell als Bittgebet um den göttlichen Geist der Weisheit empfohlen, sodann aber auch aus der Erwägung heraus nahegelegt, dass „ohne Gebet in diesem Studium niemand zur Frömmigkeit Fortschritte macht, sondern abgleitet zu unnützen Fragen, aus denen Gottlosigkeit und Atheismus erwachsen" 1 9 9 . Das Zitat deutet bereits an, dass Hülsemann das Gebet speziell als einen Disziplinierungs- und Bildungsakt begriffen hat: Zum einen werde beim Gebet der menschliche Geist durch fromme Intentionen gebunden, sodass er sich nicht so leicht weltlichen Begierden überlasse; zum anderen werde durch die mentale Vergegenwärtigung des zu Bittenden der Geist „geformt", werde das Erbetene dem Geist gleichsam „eingebildet". 2 0 0 Das Gebet als „Einbildung". Dieser Mechanismus ist vor allem bei der betenden Betrachtung von Bibelworten relevant, wie Hülsemann mit Verweis auf Augustins Auslegung des 85. Psalms ausführt: 2 0 1 Denn das Gebet forme aus den wiedererinnerten Worten der Bibel göttliche Dinge in Geist und VerMethodus, S . 2 7 6 . Methodus, S . 2 7 4 : „Per Orationem intelligo elevationem turn mentis, turn labiorum ad DEUM, ad eum sive deprecandum pro malis commissis, aut omissis bonis, sive postulandum pro conferendis beneficiis, sive orandum per contemplationem beneficiorum ejus, nostrae indignitatis, & c : sive ad gratias ei agendas pro bonis acceptis, quae species orationis recensentur 1. Timoth. 2,1,2. Philip.4,6.&c: [...]." 1 9 9 Methodus, S . 2 7 5 : „[...] & sine oratione in hoc studio nemo proficit ad pietatem, sed delabitur ad quaestiones inutiles, ex quibus impietas & atheismus nascitur, 2 Tim. 2 , 1 4 , 2 3 . " 2 0 0 Siehe Methodus, S . 2 7 5 f . 2 0 1 Vgl. PL 3 7 , 1 0 8 1 f. (Enarrationes in Psalmos). 197 198

4. Programmatische

Entwürfe

219

stand, „so dass wir nicht nur betenderweise mit G o t t reden, sondern auch G o t t mit uns, wenn der Gegenstand des Gebets aus seinem W o r t uns u n t e r s t ü t z t " 2 0 2 . Hülsemann nimmt damit einen Wesenszug der Lutherschen „ m e d i t a t i o " in sein Verständnis des Gebets auf. Die beiden ,aktivischen' Elemente der Trias erscheinen bei ihm gleichsam verbunden. Deshalb würde er, wenn eine „ F o r m " des Theologiestudiums angegeben werden müsste, am ehesten auf den Studienakt des Gebets verweisen. Ungeachtet der großen Bedeutung, die Hülsemann dem Gebet für den Vollzug des Theologiestudiums beimisst, lässt er dem Studenten ausdrücklich Freiräume bei der Gestaltung der eigenen Gebetspraxis. Weder bestimmte Gebetszeiten noch ein bestimmter Gebetsmodus werden vorgeschrieben. Seine diesbezüglichen Überlegungen haben vielmehr nur den Charakter von Empfehlungen, die individuell modifiziert umgesetzt werden können. G e m ä ß dem freilich allen Christen geltenden R a t des Paulus, ohne Unterlass zu beten, sei es zu wünschen, dass der Student vor, während und nach seinen täglichen Studien ein Gebet sprec h e 2 0 3 - am besten in freier Formulierung, um die disziplinierende und informierende Wirkung nicht durch stupend-routinierte Wiederholung bestimmter Gebetsformeln zu gefährden. 2 0 4 Aber das ist - wie gesagt - nur eine Empfehlung. Für alle diejenigen, die doch lieber in gebundener F o r m beten wollen, führt Hülsemann eine Reihe von Gebetstexten aus der Literatur an, die seiner M e i n u n g nach vor oder nach der Studieneinheit gesprochen werden können - nicht zuletzt auch um den Studenten die Möglichkeit zur Abwechselung zu g e b e n . 2 0 5 Luther verstand unter dem „meditirn" die traditionellen Übungsschritte des innerlichen und halblauten Lesens („lectio") und der Betrachtung ( „ m e d i t a t i o " ) der biblischen Schriften. 2 0 6 Wie die „ o r a t i o " so wird auch der Begriff der „medit a t i o " von Hülsemann aufgenommen, allerdings wird ihm ein anderer Stellenwert beigemessen. Der Wittenberger Theologieprofessor des 1 7 . Jahrhunderts 2 0 2 Methodus, S . 2 7 6 : „Adeöque si quicquam aliud tenet formara studii Theologici, oratio imprimis eam tenet. non solùm, quâ pietatis praxis est, sed etiam, qua per recordationem verborum, ex S. Scriptura mutuatorum, mentem & intellectum divinis rebus informat, ut non solùm orando nos loquamur cum D E O , sed etiam Deus nobiscum, quando orationis materiem[!] e x Verbo suo nobis suppeditat." 2 0 3 Methodus, 2 7 6 f . : „Tempus orandi Apostolus vult esse indefinitum. R o m a n . 1 2 , 1 2 , Ephes. 6 , 1 8 . 1. T h e ß . 5 . v . l 7 . Ac decet quidem Christianum quemvis diu, noctu, manè, vespere, quandocunque vacat, resolvi in preces Studiosum verè Theologiae oportet non hoc solùm cum Christianis aliis c o m m u n e habere, sed istud peculiare; quèd agressurus studia, pro felici eorum successu; vacaturus à studiis, pro felici recordatione 6c usu; i m è verô inter ipsa studia, saepè in suspiria resolvatur, pro sensûs difficilis enodatione, aut languoris, qui frequenter suboritur, refocillatione, [ . . . ] . " 2 0 4 Methodus, S . 2 7 7 : „ M o d u s orandi privatus iis, qui exercitatos in sacris se habent, H e b r 5.v.ult. praescribi non debet. Optima enim precandi ratio est, quam pro instantium necessitate, hîc & nunc Spiritus S. ex Verbo DEI homini fideli in memoriam revocat, aut indit, qui solus est magister docens rectè orare, R o m . 8 . 2 6 . " 205

Siehe Methodus, S . 2 7 8 - 2 8 3 .

206

Vgl. oben Kapitel 4 . 2 .

220

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

versteht die „lectio" in seiner „ M e t h o d u s " als den grundlegenden, nicht nur auf die biblischen Schriften, sondern auf die Texte aller theologischen Wissensgebiete bezogenen Akt „verstehenden Lesens" („avdyvMaig"). Dieser Akt wird im Idealfall auf dreifache Weise vollzogen: optisch, akustisch und auf dem Weg der „Erinnerung" („reminiscentia"). 2 0 7 Die „meditatio" wird von Hülsemann diesem dritten Weg der Erinnerung zugeordnet, bei dem der Student die gelesenen und vor allem gehörten Worte im Geist a u f r u f t und betrachtet. 2 0 8 Alle drei Vergegenwärtigungsweisen („quasi species") sollten beim Lesen miteinander verbunden werden, damit aus dem Gelesenen ein möglichst hoher geistiger Ertrag gewonnen werden kann. Sie sind untereinander auch keineswegs gleichwertig. O b w o h l die „lectio" f ü r diesen Studienakt insgesamt den N a m e n abgibt, ist doch das „ H ö r e n " vorzuziehen, da es im Unterschied zum bloßen Lesen R a u m zur Betrachtung gewährt - eine k a u m verdeckte Warnung vor Autodidaktismus und der Missachtung akademischer Lehrveranstaltungen. 2 0 9 Die „lectio" ist hier eine Chiffre für den G r u n d a k t der geistigen Textvergegenwärtigung. Im Vergleich zu Luther haben bei Hülsemann „lectio" und „meditatio" die Plätze vertauscht, indem nun die „lectio" zum Oberbegriff eines auch die „meditatio" umfassenden Studienaktes geworden ist. Im Z u s a m m e n h a n g der „lectio" werden auch die verschiedenen Studieninhalte aufgeführt, und zwar in Form von Literaturempfehlungen zum häuslich-privaten Studium. An erster Stelle steht die Bibel, die in den beiden üblichen Lektüremodi zu lesen ist. Ferner sind die von Hülsemann so genannten „Katecheten" zu studieren, „welche die Summe der christlichen Wahrheit aus der Heiligen Schrift und aus deren orthodoxen Interpreten, gefasst in These und Antithese, bündig überliefern, welcher Art bei den O r t h o d o x e n das Konkordienbuch ist" 2 1 0 . Konkret fallen darunter d a n n auch Luthers „Kleiner Katechismus" und das Hüttersche Kompendium, zu dem noch - wie gewohnt - die Hafenrefferschen „Loci" oder auch die „Institutiones Catecheticae" des Konrad Dieterich vergleichend herangezogen werden können. 2 1 1 D a n n gehören vor allem auch die „polemischen Schriftsteller" mit zum Lektürekanon des Wittenberger Theologiestudenten, und zwar Schriftsteller aller drei Konfessionen. Im Vergleich zu 207

Methodus, S.284: „Proinde Lectionis sunt tres quasi Species: 1. Scripturae lustratio per sensum visüs: [2.] ditpöaoig, per sensum Auditüs: 3. Meditatio, per Reminiscentiam, quae Studioso Theologiae conjungendae sunt, non separandae." 208 Im Vergleich zu dieser Vorstellung der erinnernden Textvergegenwärtigung ist das Meditationsverständnis der lutherischen Orthodoxie in Anlehnung an Luther stärker auf den äußeren Text und insbesondere auf die Bibel bezogen; vgl. Hägglund, Meditatio; Steiger, Meditatio sacra, S. 4 3 - 4 7 . 209 Siehe Methodus, S.284. 210 Methodus, S.297: „Catechetas vocamus eos, qui summam veritatis Christianae ex sacris literis, & h a r u m orthodoxis interpretibus collectum in thesi & antithesi breviter tradunt, qualis apud O r t h o d o x o s est Liber Christianae Concordiae, [...]." 211 Konrad Dieterich: Institutiones catecheticae e Lutheri Catechesi depromptae variisque notis logicis et theologicis [...] illustrantur, Gießen 1604.

4. Programmatische

Entwürfe

221

Meisner ist also die Polemik bei Hülsemann wieder zu einem eigenen Studienakt geworden. 2 1 2 Des Weiteren sind die „praktischen Schriftsteller" zu lesen. Darunter zählt Hülsemann Predigtbände, die der Student mit der Absicht liest, methodische Anregungen für die eigene Predigtpraxis zu sammeln, denen er sich aber auch aus rein erbaulichen Gründen widmen kann, ferner Beichtsummen und Ratgeber für ein „seliges Sterben", also Literatur aus dem Bereich der „Ars moriendi". 2 1 3 Schließlich soll der Student auch kirchengeschichtliche Darstellungen und natürlich ausgewählte Kirchenväter lesen. Im Vergleich zum Försterschen „Consilium" sucht Hülsemann ein anderes Lektüreverhalten zu korrigieren: Sah sich Förster genötigt, vor den Kirchenvätern der ersten beiden Jahrhunderte zu warnen, bei denen noch „viel Stroh" zu finden sei, und stattdessen spätere Autoren, insbesondere Bernhard von Clairvaux, zu empfehlen, 2 1 4 so sucht Hülsemann das Interesse wieder auf die früheren Autoren hinzulenken, seien doch Bernhard, Theophylaktos und selbst Johannes von Damaskus doch zeitlich sehr weit weg von der Apostolischen Zeit und insofern von geringerer theologischer Autorität als etwa Cyprian, Ambrosius oder Augustinus. In der Wertung der Kirchenväter gab es somit unter den Wittenberger Theologieprofessoren offensichtlich Differenzen: Bei Förster scheinen theologische Kriterien ausschlaggebend, bei Hülsemann eher die Nähe zum U r sprung'. Von daher leuchtet es ein, dass Hülsemann das Studium der Scholastiker nicht im Zusammenhang der Kirchengeschichte, sondern allenfalls im Zusammenhang der Kontroverstheologie empfiehlt. Aufgrund dieses ursprungsorientierten Verständnisses von Kirchengeschichte sieht Hülsemann im Unterschied zu Meisner offenbar auch keine Notwendigkeit mehr, das Studium von Lutherschriften als eine begleitende Korrekturfolie zur Kirchenväterlektüre zu fordern. Das Lutherstudium, erst recht das Studium Melanchthons, wird von Hülsemann überhaupt nicht mehr als spezieller Lektüreakt dem Studenten empfohlen. Das damit umrissene Lektüre-Programm soll nach den Vorstellungen Hülsemanns am besten in einem fünf Jahre dauernden Theologiestudium bewältigt werden. 2 1 5 2 1 2 Hülsemann verlangt vom lutherischen Theologiestudenten, der ein „theologus perfectus" werden möchte, eine genauere Kenntnis des römisch-katholischen Gegners, die auch die innerkatholischen Auseinandersetzungen in Vergangenheit und Gegenwart einschließt; siehe Methodus, S. 3 0 1 f. 2 1 3 An zu lesenden Predigern werden genannt, Methodus, S . 3 0 5 : „Pietatis autem & succi gratiä D. Lutheri, Balduini, Hermanni, Arndt homilias in Evangelia praeferimus." Arndts „Wahres Christentum" wird von Hülsemann unter den lesenswerten Erbauungsschriften jedoch nicht aufgeführt. 2 1 4 Vgl. oben Abschnitt 2.1. 2 1 5 Von der zeitlichen Verteilung her stellt sich Hülsemann die Beschäftigung mit den einzelnen Studieninhalten folgendermaßen vor: Das erste Studienjahr ist im Wesentlichen vom Katechismus-Studium bestimmt, das dazu dienen soll, das bereits angeeignete Katechismuswissen zu wiederholen und zugleich anhand der beiden normativen Quellen, Bibel und Bekenntnisschriften, zu vertiefen. Im zweiten Studienjahr beginnt die kursorische Lektüre („lectio nuda") der

222

Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Auch das dritte Element der Lutherschen Trias, die Anfechtung, ist in der Hülsemannschen Anweisung durchaus präsent, wenngleich in einer nicht untypischen Modifikation. Versteht man unter der Anfechtung - relativ dicht an dem von Luther intendierten Sinn - Situationen, in denen sich der Student äußeren und inneren Aggressionen um seines Umgangs mit dem biblischen Wort willen ausgesetzt sieht, so begegnet dieser Gedanke am ehesten in der Hülsemannschen Forderung, dass der künftige Theologiestudent die Eigenschaft der „Mäßigung" („modestia") zur Bewältigung des Studiums mitbringen müsse. Hülsemann versteht darunter zum einen die Bereitschaft, Anfeindungen geduldig zu ertragen und „sein Kreuz auf sich zu nehmen", zum anderen die Fähigkeit zur Nachsicht und Selbstbeherrschung gegenüber Fehlern, aber auch Ungerechtigkeiten anderer. 216 Der Gedanke der Lutherschen „tentatio passiva" wird damit von Hülsemann durchaus festgehalten. Eine wesentlich größere Rolle spielt in seiner Anweisung freilich die „tentatio activa", also das aktivische Verständnis der „tentatio" als Frömmigkeitspraxis, in welcher Form die orthodoxen Theologen den Anfechtungsgedanken der Vorrede von 1 5 3 9 meist aufgenommen haben. 2 1 7 So wird die „Frömmigkeit gegenüber Gott und dem Nächsten" („pietas erga D E U M & proximum") als eine der wichtigsten Eingangsvoraussetzungen zum Theologiestudium genannt, und zwar mit dem bezeichnenden Hinweis auf den wissenschaftstheoretischen cus".218

Status der Theologie als eines „habitus practi-

Die fromme Praxis des Studenten wird aus dem Theologiebegriff selbst

deutschen Bibel, schwerpunktmäßig wird aber ein kontroverstheologisches Überblickswissen erarbeitet. Das dritte bis fünfte Studienjahr dient schließlich exegetischen Studien. Spätestens hier hat der Student mit der statarischen Lektüre („lectio cum commentariis") der lateinischen Bibel zu beginnen, wobei einschlägige Kommentare und auch der hebräische und griechische Text heranzuziehen sind. In dieser Studienphase soll sich der Student möglichst breit in die kontroverstheologische Literatur einlesen, dazu auch etwas Kirchengeschichte studieren; siehe Methodus, S. 316 f. Eigentlich hätten nach der sachlichen Ordnung auch ethische und praktischtheologische Studien in diesem Studienabschnitt ihren Platz. Doch in seinem Idealplan des Quinquennium lässt Hülsemann diese Studien dann doch beiseite mit der charakteristischen Begründung, dass sie für den Studenten von der Belastung her „zuviel" wären; siehe ebd., 3 1 7 . Stehen die Studieninhalte in der Beschreibung der „lectio" zunächst einmal nebeneinander, so zeigen die Vorstellungen Hülsemanns vom zeitlichen Studienaufbau ein anderes Bild: In dem als Durchschnittsstudium vorausgesetzten Tertiennium dominiert die Kontroverstheologie und die Dogmatik; die Exegese soll lediglich in Form der kursorischen Lektüre, mithin auf einem rein bibelkundlichen Niveau studiert werden. 2 1 6 Methodus, S . 2 7 2 f . : „Denique in futuro Theologo maximopere necessaria est V. Modestia, tum tolerandi adversa patienter, tum condonandi aliis injurias. Christianis omnibus, sed futuris Ecclesiae Doctoribus imprimis dictum est, si quis vult discipulus meus esse, tollat crucem suam, Matth. 10,38. Luc. 14,26 seqq. in mundo habebitis afflicitonem, Johan. 1 6 , 3 3 . " 2 1 7 Vgl. Nieden, Anfechtung. 2 1 8 Methodus, S. 271 f.: „Necessaria est ante omnia in futuro Theologo IV. pietas erga DEUM & proximum. 1. Tim.4,7.8. Haec enim fundamentum, cui tota structura imponenda est. [...] Nec enim putandum, sacram Theologiam esse tantüm mentis habitum, seu apprehensionem rerum scibilium, qualem Diaboli habent; sed esse habitum practicum." Auf diesen Pas-

4. Programmatische

Entwürfe

223

heraus gefordert. Sie ist nicht nur einfach eine wünschenswerte Vollzugsgestalt des Studiums. Sie ist nicht nur conditio sine qua non, eine Bedingung, ohne die das Menü der verschiedenen Kompetenzen, die den Theologiestudenten in die Lage versetzen, andere Menschen zum Heil zu führen, nicht erworben werden kann, sondern Selbstzweck, hat doch Hülsemann - wie gesehen - das Gebet geradezu als „forma studii" bezeichnet. 219 Die Ausgestaltung der eigenen Praxis pietatis ist demnach, so wird man aus dieser Aussage folgern dürfen, ein wesentliches Ziel des Theologiestudiums. Theologie ist wesentlich Glaubensvollzug. Neben der solchermaßen breit entfalteten „lectio" fallen die Anweisungen Hülsemanns zur „scriptio" und „disputatio" eher bescheiden aus. Drangen Hütter und Meisner nahezu bei jedem Leseakt darauf, entsprechende Loci-Notizen meist noch in speziellen Heften - schriftlich festzuhalten, so zeigt sich Hülsemann in der Frage des Exzerpierens insgesamt zurückhaltender. Mit dem Führen spezieller Exzerpthefte sollte seiner Meinung nach nicht vor dem dritten Studienjahr begonnen werden, da der Student vorher kaum beurteilen könne, was eigentlich festhaltenswert sei und meist zu viel als zu wenig notiere. Außerdem bleibe das, was frühzeitig dem Gedächtnis und nicht nur dem Papier anvertraut werde, länger haften. 220 Schriftlich gesammelt werden sollten grundsätzlich nur seltenere Lesefrüchte, die entweder schwer zugänglich sind oder sich inhaltlich von der communis opinio abheben. Da die meisten Autoren heutzutage ihren Werken ausführliche Indizes anfügten, würden sich ohnehin viele Notate erübrigen. Hülsemann empfiehlt auch nicht mehr, das Exzerptheft nach einer bestimmten dogmatischen Ordnung anzulegen, sondern nach dem Alphabet. Der Grund dafür ist wissensorganisatorischer Natur: Biographische oder historische Informationen seien, wenn sie nicht unter einem eigenen Lemma ausgewiesen würden, in den umfänglichen Aufzeichnungen, die zu den Loci üblicherweise angelegt würden, oft nur schwer zu finden. 221 Die Überwindung des traditionellen „ordo" in der Dogmatik führt konsequenterweise auch zu einer Ablehnung der Loci-Anordnung bei der Anlage der Exzerptbücher. sus verweist David Hollaz zur Begründung seiner Forderung privater Frömmigkeitspraxis des Theologiestudenten; siehe ders., Examen theologicum acroamaticum, Bd. 1, S . 2 2 . 2 1 9 Das Gebet wird als Katalysator der offenbar als Zweck vorausgetzten Frömmigkeitspraxis verstanden; siehe Methodus, S . 2 7 5 : „[...] & sine oratione in hoc studio nemo proficit ad pietatem, [...]." 2 2 0 Methodus, S . 3 2 0 f . : „Loci Communes, aut codicilli Reminiscentiae, non sunt scribendi, nisi post tertium ab inchoato studio annum, seu post primum, quàm ex professo Controversiarum Tractationem Studiosus orsus fuit. Ratio est quod ante hoc tempus destituitur judicio, quid necessum sit annotare, mitatur omnia, omnia ipsi rara sunt, ut est ayvoiag proprium 8at)jiài^Eiv, juxta Aristotelem [vgl. ders., Metaphysik 1,2 9 8 2 b 17f.|. Deinde, quia ilia, quae primum in memoria locum occupant, non tàm facilè cedunt, quàm ea, quae postea ingrediuntur, cadunt enim in rasam tabulam, ut Philosophus dixit, adeoque feliciùs adhaerent, quàm quae succedunt, quae causa est, quòd eorum, quae infantes ferè didicimus, etiam senes recordemur; quae viri, difficilius." 2 2 1 Siehe Methodus, S . 3 2 0 f .

224

Kapitel

7; Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Unter der „disputatio" versteht Hülsemann schließlich „nicht das gegenseitige Befechten wie auf einer Fechtbahn, sondern das Miteinander-Vergleichen der Dinge, die wir gelesen oder mit anderen gelernt haben, je nachdem, wie beschaffen die Materie ist, damit der Student bereit und erprobt wird, das in den Gebrauch zu überführen, was er von beiden Seiten gesammelt hat" 2 2 2 . Die „disputatio" fungiert hier gleichsam als Oberbegriff für eine Reihe von Formen - insgesamt sind es drei - gemeinsamen, dialogischen Lernens in okkasionellen studentischen Lerngruppen. 223 Im Einzelnen unterscheidet Hülsemann (1) die „um Einverständnis bemühte Disputation" („disputatio homiletica"), verstanden als das gemeinsame Gespräch unter Freunden beim Spaziergang; (2) die „feierliche Disputation" („disputatio solennis"), das heißt die öffentliche, allen Universitätsangehörigen zugängliche, ordentliche oder auch außerordentliche akademische Disputation; schließlich (3) die „gemeinschaftliche Disputation" („disputatio socia"), die aus sechs, sieben oder mehr studentischen Teilnehmern bestehende Arbeitsgruppe, auch „collegium Gellianum" genannt, 224 in der bestimmte theologische Bücher arbeitsteilig gelesen und nachher diskutiert werden. Diese Form des gemeinschaftlichen Lernens, die schon Meisner im Anschluss an Aisted den Studenten nahe legte, wird auch von Hülsemann nachdrücklich empfohlen, wobei er allerdings beachtet wissen möchte, dass ein und derselbe Text stets von zwei Studenten gelesen wird, von denen einer referiert, der andere korrigiert, um gegebenenfalls allzu subjektive Perspektiven bei der Interpretation zu vermeiden. 225 Zu den „geistlichen Redeübungen" („exercitia concionatoria"), die gleichsam als vierte Form dialogischen Lernens hier genannt werden könnten, lässt sich Hülsemann in seiner „Methodus" nicht weiter aus, sondern verweist nur auf seine „Methodus concionandi". 226 Betrachtet man die hier vorgestellte, studientechnisch orientierte Anweisung insgesamt, so fällt auf, dass einzelne Studienakte der von Luther beschriebenen Trias - Gebet, Lesung,,passivische' Anfechtung - durchaus noch in Hülsemanns Konzept des Theologiestudiums präsent sind. Die Trias als Ganze aber bestimmt nicht mehr den Entwurf, sie bildet nicht mehr - wie noch bei Chytraeus - den Bogen, dem die einzelnen humanistischen Studieninhalte zugeordnet werden. Eine dem Lutherschen Konzept vergleichbare Gesamtausrichtung auf die Anfechtung, ja auch nur auf die als fromme Praxis verstandene „tentatio activa" fehlt bei Hülsemann. Die Frömmigkeit ist, wie gezeigt, ein wesentliches Ziel des Theologiestudiums, aber eben nur eines. Das andere ist die theologische Bildung. Die 2 2 2 Methodus, S. 325: „Disputationem dicimus non mutuam digladiationem, veluti ad scamna, sed collationem eorum, quae legimus aut didicimus cum aliis, qualis materia est, ut promptus fiat & expeditus Studiosus, ad transferenda ea in usum, quae hinc inde collegit." 2 2 3 Siehe Methodus, S. 3 2 5 - 3 2 8 . 2 2 4 Nach Aulus Gellius, Noctes Atticae 18,2. 2 2 5 Siehe Methodus, S. 3 2 5 - 3 2 8 . 1 1 6 Siehe Methodus, S . 3 2 8 . Die „Methodus concionandi" findet sich ebd., S. 1 - 2 0 2 .

4. Programmatische

Entwürfe

225

einzelnen Anweisungsüberlegungen Hülsemanns orientieren sich am einen oder am anderen Ziel. Eine organische Verbindung gelingt selten. Es entsteht im Ganzen der Eindruck, dass die Praxis pietatis zu einem Thema geworden ist, das sich immer schwieriger in ein professionelles, an bestimmten beruflichen Funktionen orientiertes Bildungskonzept integrieren lässt. 4.3 Abraham Calov: „Paedia theologica"

(1652)

Der letzte, hier zu betrachtende Autor, der aus dem ostpreußischen Mohrungen gebürtige Abraham Calov, gehört in gewisser Weise bereits einer neuen Generation von Wittenberger Theologieprofessoren an. 2 2 7 Ab 1648 waren innerhalb weniger Jahre alle vier theologischen Lehrstühle mit einer Reihe von profilierten Vertretern eines orthodoxen Luthertums besetzt worden: 1648 kam Johann Scharf (1595-1660) für den nach Leipzig abgewanderten Johann Hülsemann, 1650 Johann Meisner (1615-1684) für den verstorbenen Wilhelm Leyser (15921649). 228 1650 wurde Calov als Nachfolger Jakob Martinis (1570-1649) auf die dritte theologische Professur berufen. Schon 1651 beerbte er den verstorbenen Paul Röber auf der zweiten Professur (1587-1651), bis er schließlich 1660 als Nachfolger des verstorbenen Johann Scharf mit der Übernahme der ersten Professur an die Spitze der Theologischen Fakultät trat. 1652 konnte schließlich noch die inzwischen durch das Aufrücken freigewordene vierte Professorenstelle mit Andreas Kunad (1602-1662) besetzt werden. Die neuen Professoren standen mit ihrem Anliegen, das genuin-lutherische Erbe zu wahren, vor anderen Herausforderungen als ihre Vorgänger: Auf der einen Seite drohte in breiten Bevölkerungskreisen nach den in vieler Hinsicht traumatisierenden Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges eine schleichende Konfessionsmüdigkeit, auf der anderen eher kirchlich-theologischen Seite begann die immer einflussreicher werdende Irenik Georg Calixts den konkordistischen Konsens innerhalb des Luthertums zu untergraben. Calov wusste sich bereits seit seinem Studium bei Johann Behm (1578-1648) und Coelestin Myslenta (1588-1653) in Königsberg dem Geist eines strengen Luthertums verpflichtet. Auf dem Thorner Religionsgespräch, an dem er als Vertreter der Stadt Danzig teilnahm, wo er damals Rektor der Stadtschule und Pastor an der Trinitatiskirche war, erwies sich Calov als ein besonders konsequenter, unnachgiebiger Vertreter der lutherischen Partei, der wesentlichen Anteil an der Isolation Calixts und der Helmstedter Theologen hatte. Nachdem er Professor der Wittenberger Theologischen Fakultät geworden war, entfaltete er eine beachtliche schriftstellerische Wirksamkeit, die seinen Namen einer breiteren 227

Zur Biographie Calovs vgl. die Übersicht bei V. Jung, S. 4 - 7 , und die dort genannte Lite-

ratur. 228

Vgl. GUW, S.417-420.

226

Kapitel

1: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

Öffentlichkeit bekannt machte. 2 2 9 Vor allem aber wegen seiner offenkundigen Bereitschaft, den Kampf um die reine Lehre an nahezu allen Fronten aufzunehmen, blieb sein Name - verbunden mit der freilich wenig positiv konnotierten Vorstellung des orthodoxen „Streittheologen" - im Unterschied zu dem seiner Wittenberger Kollegen bis heute im kirchen- und theologiegeschichtlichen Gedächtnis bewahrt. Nachdem er auf die zweite theologische Professur aufgerückt war, las Calov 1 6 5 2 über die Methode des theologischen Studiums. Er veröffentlichte die Vorlesung in Form einer Anweisung, die erstmals 1 6 5 6 als zweiter, „Paedia theologic a " betitelter Teil der „Isagoge" zum geplanten dogmatischen „System" erschien. 2 3 0 Diese „Isagoge" erlebte immerhin zwei Auflagen 2 3 1 und ist als Gegenentwurf zu dem von Georg Calixt propagierten Helmstedter Konzept der Theologie und der Theologenausbildung gedacht. 2 3 2 Neben den Überlegungen zu Wesen und Anlage des Theologiestudiums beabsichtigte Calov dabei insbesondere, den Studenten einen Uberblick über die seiner Meinung nach für das Theologiestudium in Frage kommende philosophische und theologische Literatur zu geben. Das Werk hat deshalb über weite Strecken, gerade in den Abschnitten zu den einzelnen Studieninhalten, den Charakter einer theologischen Literaturkunde. 2 3 3 Wenn Calov den Traktat über das Wesen der Theologie mit dem Traktat über das Wesen des Theologiestudiums verbindet, dann folgt er einer bereits bei Aisted begegnenden Kompositionslinie, die Meisner erstmals auch für die Darstellung der lutherischen Dogmatik übernommen hatte. Offensichtlich verlangte die ,innere Logik' im Anschluss an die Abhandlung der Natur der Theologie nach einer Beschreibung des theologischen Vollzugs: Nachdem die Theologie in ihre 2 2 9 In diesem Zusammenhang ist vor allem an die so genannte Calov-Bibel zu erinnern, die mehrere Auflagen erlebte. V. Jung bereitet eine Bibliographie zu Abraham Calov vor, die der Forschung neue Impulse zu geben verspricht. 2 3 0 Das Einleitungswerk wurde erstmals 1 6 5 2 unter dem Gesamttitel „Isagoges ad ss. theologiam libri duo, De natura theologiae, et methodo studii theologici, pie, dextre, ac feliciter tractandi" bei Andreas Hartmann in Wittenberg veröffentlicht. Der zweite Teil selbst trägt den Titel „Paedia theologica De methodo studii theologici pie, dextre, feliciter tractandi, proposita in electorali universitate Wittebergensi. Anno Dni. M D C L I I . " 2,1 Im Jahr 1 6 6 6 erschien die „Isagoge" in zweiter, verbesserter und vermehrter Auflage bei Andreas Hartmann in Wittenberg. 2 3 2 Siehe die an Friedrich Metzsch, den Schatzmeister des Heiligen Römischen Reiches, gerichtete „Epistola dedicatoria", in der Calov sich eingehend mit zum Teil wörtlich angeführten studienkonzeptionellen Äußerungen Calixts auseinandersetzt, Isagoge, Bl. A l b - C 8 a . Calixts bildungskonzeptionelle Überlegungen finden sich vor allem in dessen posthum erschienenen „Apparatus sive introductio in Studium et disciplinam Sanctae Theologiae" (Helmstedt 1 6 5 6 ) ; siehe Calixt, Bd. 1, S. 3 7 - 3 6 4 . Dass die „Paedia" Calovs enzyklopädiegeschichtlich in vieler Hinsicht nur einen vermeintlichen Gegenentwurf darstellt, hat Hell herausgearbeitet; vgl. ders., S. 1 1 4 f . 2 3 3 Wobei schwer abzuschätzen ist, inwieweit dieses bibliographische Material 1 6 5 2 auch den Wittenberger Studenten in der Vorlesung mündlich vorgetragen wurde.

4. Programmatische

Entwürfe

227

verschiedenen Arten untergliedert und diese wiederum ihrem Wesen nach bestimmt worden waren, musste angegeben werden, welche Art von Theologie nun behandelt werden sollte, ja „in statu viae" allein behandelt werden konnte und auf welche Weise die entsprechenden theologischen Erkenntnisse und Einsichten zu gewinnen waren. 2 3 4 Was versteht Calov unter der (von Menschen zu betreibenden, im akademischen Studium zu erlernenden) „Theologie" 2 3 5 und was stellt er sich unter einem entsprechenden Theologiestudium vor? Im ersten Band seines insgesamt zwölfbändigen „Systema locorum theologicorum" ( 1 6 5 5 - 1 6 7 7 ) definiert er die Theologie ex professo: „Die Theologie ist ein praktischer Habitus der aus der göttlichen Offenbarung geschöpften Kenntnis über die wahre Religion, mit deren Hilfe der Mensch nach dem Fall durch den Glauben zum ewigen Heil zu führen i s t . " 2 3 6 Wie diese Definition erkennen lässt, folgt auch Calov den von Balthasar Meisner eingeschlagenen wissenschaftstheoretischen Bahnen, wenn er die wissenschaftliche Theologie als einen „habitus practicus" versteht. Alle theologische Erkenntnis dient dazu, eine bestimmte Zweckerfüllung zu bewirken, nämlich Menschen zum ewigen Heil zu führen. Insofern ist jede theologische Erkenntnis „praktisch" und die Theologie als solche ein „praktischer" Habitus. 2 3 7 Auch Calov vertritt diese schon von Meisner und Gerhard favorisierte Ansicht. Für ihn bedeutet der praktische Charakter, dass alles in der Theologie, aber auch alles unter dem praktischen Gesichtspunkt des vom Theologen am Menschen zu erfüllenden Auftrags zu thematisieren ist. Auch die Gotteslehre. Die Theologie handelt von Gott nicht „theoretisch", als bloßem Erkenntnisgegenstand, son234 N ^ h , j e m Divisionsschema, das Johann Gerhard in der 1625 publizierten „Exegesis" zum ersten Band seiner „Loci theologici" entfaltete, war die „wissenschaftlich" zu behandelnde Theologie der „theologia vera" zugeordnet worden, innerhalb der sie wiederum als „theologia viatorum", und zwar als auf übernatürlicher Offenbarung beruhender theologischer Erkenntnis, mithin als „theologia supernaturalis" näher zu bestimmen war; vgl. ders., Loci theologici, Bd. 1, S. 3f. (Prooemium §§ 1 3 - 1 7 ) . 2 3 5 Calov unterscheidet in den begriffstheoretischen Vorüberlegungen seines „Systema" zwischen einer „urbildlichen", Gott selbst substantiell eigenen, und einer „abbildlichen", den intellektuellen Kreaturen akzidentell zukommenden Theologie („theologia ektypa"); siehe ders., Systema, Bd. 1, S.2. Die wissenschaftlich zu betreibende Theologie wird dadurch als menschliche Rede über Gott qualifiziert, die auf das Wissen begrenzt ist, das sie aus ihrem göttlichen Prinzip, dem in der Bibel manifesten Wort Gottes, „abbildhaft" zu gewinnen vermag. Das wiederum unterscheidet sie in den Augen Calovs von allem menschlich-spekulativen Wissen über Gott; vgl. V. Jung, S . 2 4 3 f . 2 3 6 Systema, Bd. 1, S. 1: „Theologia est Habitus Practicus cognitionis e revelatione divinä haustae, de verä Religione, qua homo post lapsum per fidem ad salutem aeternam perducendus." 2 3 7 Selbstverständlich ist der Theologe nicht nur dann Theologe, wenn er actu „Seelen führend" tätig ist. Es genügt die potentielle Befähigung dazu; siehe Isagoge, S . 2 0 8 : „[...] haec 3tpd|i5 homines ad salutem perducendi, vel constitutit Theologum, vel fructio ejus propria est & officium ipsius Theologi. Qvanqvam autem Theologus non Semper in eo occupetur, ut homines ad salutem aeternam actu perducat, habitu tarnen isto instructus sit oportet homines ad salutem perducendi, qvi natura suä eö tendit."

228

Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

dem im Blick darauf, den Menschen durch die Aussagen vom Wesen und Willen Gottes zum Heil zu führen. 2 3 8 Im Anschluss an Meisner geht auch Calov dabei von einem allopraktischen, transeunten Praxisbegriff aus. Theologie ist die Fertigkeit, andere Menschen zum Heil zu führen. Der Anwendungsbereich dieser Fertigkeit liegt nicht im Theologen oder Theologiestudenten selbst, sondern in den ihm (später) anvertrauten Gemeindegliedern. 239 Die Theologie ist kein „habitus perveniendi", sondern „perducendi ad salutem", wie Calov sagt. 2 4 0 Damit ist der theologische Habitus vom Akt des Heilsglaubens grundsätzlich geschieden. 241 Natürlich kann der theologische Habitus auch dem Subjekt, dem er inhäriert, zugute kommen, vermag das Praxiswissen dem Theologiestudenten und Theologen, wenn er es auf sich selbst anwendet, auch zur Erlangung des eigenen Seelenheils behilflich zu sein. Diese reflexive Anwendung des ,Führungswissens' macht jedoch nicht das Wesen des theologischen Habitus aus, sondern ist allenfalls ein akzidentelles, äußerliches, im Grunde zufälliges Merkmal der Theologie, wie Calov wiederum mit dem Hinweis auf den analogen Praxisbegriff der Medizin belegt. Im Fall des kranken Arztes ist die therapeutische Fertigkeit natürlich auch einmal ein „habitus patientis". Dem Wesen nach ist sie aber ein Habitus des Arztes und dient dazu, anderen Menschen zur Gesundheit zu verhelfen. Analog verhält es sich mit der Theologie. 2 4 2 Wenn auch Calov grundsätzlich zwischen dem Akt des Heilsglaubens und dem theologischen Habitus unterscheidet, so versucht er doch - wie vor ihm schon Meisner und Hülsemann - , die Theologie nicht völlig vom Glaubensvollzug aller Christinnen und Christen zu entkoppeln und zu einer rein rational kon2 3 8 Darin dürfte auch der Grund liegen, weshalb Calov die Theologie wieder von der „doctrina" abrückt und die bei Gerhard noch greifbare Gleichsetzung beider Begriffe aufzuheben bestrebt ist. Der Begriff „doctrina" war offensichtlich theoretisch konnotiert; siehe ders., Isagoge, S. 5: „Si autem qvaeratur, qvidnam primario hoc nomine veniat, certum est, Theologiam praecipue, ac principaliter dici habitum Theologicum, secundaria autem & minus principaliter doctrinam, orationem, vel etiam librum Theologiam exhibentem: [...]." Vgl. V. Jung, S . 2 4 5 , Anm. 12; Wallmann, Theologiebegriff, S. 68f. 2 3 9 Calov unterscheidet aufgrund des solchermaßen transitiv (beziehungsweise relational) bestimmten Habitus zwei Subjekte der Theologie: das subiectum inhaesionis und das subiectum operationis, also zum einen den seelenführenden Theologen (beziehungsweise dessen Verstand als genauer anthropologischer Sitz des Habitus) und den zum Heil zu führenden Sünder; vgl. V. Jung, S . 2 4 6 . 2 4 0 Isagoge, S . 2 0 3 : „Sic Theologia vi conjugatorum non est habitus perveniendi sed perducendi ad salutem." 2 4 1 Vgl. Appold, Vocatio, S. 4 6 - 5 4 . 2 4 2 Isagoge, S . 2 0 3 : „Et ut Medicina non est habitus patientis, nisi forte ex accidenti, sed Medici, adeoqve primö non est doctrina perveniendi, sed perducendi ad sanitatem. Sic & Theologia non est habitus salvandi &c spiritualiter sanandi, nisi per accidens, sed Theologi & Doctoris alios perducentis ad spiritualem sanitatem. Ad Theologum ut sie, satis est habitus ille ad salutem perducendi hominem peccatorem, sive circa aliorum salutem versetur, seu suae ipsius salutis rationem habeat, qvod per accidens est ad Theologum qvä talem."

4. Programmatische

Entwürfe

229

stituierten Wissenschaft zu machen. Selbstverständlich wird die Theodosie des solchermaßen verstandenen praktischen Habitus eindrücklich herausgestellt. 2 4 3 Schon das Prinzip der Theologie, die Bibel, ist übernatürlicher Provenienz und erschließt sich in ihrem heilsbedeutenden Sinn nur aufgrund göttlicher Erleuchtung. Denn was auch zur Bibelauslegung an Hilfsmitteln sprachlicher und philosophischer Art erforderlich sein mag: Dass der Theologe mit Hilfe dieser Mittel eine Einsicht in den biblischen Text gewinnt, verdankt er nach Calov dem erleuchtenden Wirken des Heiligen Geistes. 2 4 4 Daher stellt die Theologie auch nicht mehr eine der fünf dianoetischen Tugenden dar. 2 4 5 Selbst die „scientia" und „sapientia" kommen für Calov als „genera" der Theologie nicht in Frage. Die Theologie ist ihrem wissenschaftstheoretischen Status nach am ehesten und unverfänglichsten als „cognitio" zu bestimmen. 2 4 6 Calov stellt noch einmal anders als Meisner den sachlichen Zusammenhang von Theologie und Glaubensvollzug heraus. Meisner unterschied nach dem Kriterium der Praxis zwischen den Christinnen und Christen als „theologi" im weiteren Sinne und den wissenschaftlich gebildeten Theologen als „theologi" im engeren Sinne: Die Praxis pietatis ist reflexiv, auf das handelnde Subjekt bezogen, die Praxis der Theologen aber „Seelenführung" an anderen Menschen. Calov erklärt nun gerade auch diese Praxis der „Seelenführung" zu einer allgemeinchristlichen spirituellen' Aufgabe. Alle Christinnen und Christen sind nach Calov gehalten, als theologische Doktoren zu fungieren, und zwar gegenüber ihren Nächsten, vor allem ihren nächsten Hausgenossen, weil alle die Pflicht haben, Rechenschaft abzulegen „vom Geist, der in ihnen i s t " 2 4 7 . So kann er das Theologiestudium geradezu als „heilsnotwendig" bezeichnen, als einen allen Christinnen und Christen nötigen Bildungsweg fordern und den Wunsch äußern, dass die Studen-

2 4 3 Da Ziel („salus aeterna") und Mittel (gnadenwirkende Wortverkündigung und Sakramente) nicht in der M a c h t des Theologen stehen, ist die Theologie genau genommen nur im weiteren Sinne als „habitus practicus" zu verstehen; vgl. Weber, Einfluß, S . 6 6 f . 2 4 4 Paedia, S . 4 3 : „Tertia est neceßitas illuminationis, ut & Sanctificationis Spiritus S. sine qvä neqve cognosere mysteria possumus, M a t t h . 1 1 . 2 5 . l . C o r . 2 . 1 1 . neqve Christum Dominum vocare, aut in ipsum credere l . C o r . 1 2 . 3 . neqve in verä fide ac pietate proficere 2 . T i m . 2 . 7 . Eph.3.16. Ut solem sine sole nemo videt: sie Deum nemo agnoscit sine Deo, seu divinä illuminatione." Zur Illuminationstheologie Calovs vgl. V. Jung, S. 8 8 - 1 0 8 . 2 4 5 Siehe Aristoteles, Nikomachische Ethik 6,3 1 1 3 9 b 1 4 - 1 8 . 2 4 6 Siehe Systema, Bd. 1, S. 1 . 4 . 2 8 . 2 4 7 Paedia, S. 14f.: „I. Studium Theologiae ut omnibus necessarium, ita ä nemine prorsus negligendum est. Necessarium est ad aeternam salutem, J o h . 5 . 3 9 , cap. 17.3. 2 . T i m . 3 . 1 5 . unde omnes omnium facultatum cultores meritö esse debebant S. Theologiae Auditores. Etsi enim eum finem sibi non praestituant omnes, ut alios publice viam salutis doceant, nedum ut veram salutis rationem contra Seductores asserant, nemo tarnen Salutis viam ignorare debet, omnes non sibi tantüm, sed aliis etiam, proximo nempe ac Domesticis, Doctores existere tenentur: incumbit omnibus probare Spiritus l . J o h . 4 . 1 . cavere Pseudo-Prophetas M a t t h . 7 . 1 5 . & ä seduetoribus recedere R o m . 1 6 . 1 7 . qvö fine Scriptura omnibus legenda proponitur."

230

Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

ten aller F a k u l t ä t e n a u c h H ö r e r in der T h e o l o g i s c h e n F a k u l t ä t s e i e n . 2 4 8 D a m i t w i r d freilich die D i f f e r e n z des wissenschaftlichen

Theologen

zum

einfachen

F r o m m e n lediglich zu einer Differenz der Intensität u n d B e a u f t r a g u n g , mit welcher

der

allgemeinchristliche

Auftrag

der

„Seelenführung"

wahrgenommen

wird.249 W i e sehr sich C a l o v der neuaristotelischen M e t h o d o l o g i e verpflichtet weiß, zeigt sich n i c h t zuletzt d a r a n , dass er die A n w e i s u n g z u m T h e o l o g i e s t u d i u m a n a log z u m V e r s t ä n d n i s der T h e o l o g i e als „ h a b i t u s p r a c t i c u s " begreift u n d entsprec h e n d seine „ P a e d i a " n a c h d e m a n a l y t i s c h e n „ o r d o " gliedert. A u c h die „ p a e d i a t h e o l o g i c a " ist e i n e p r a k t i s c h e F e r t i g k e i t , d u r c h d i e e i n b e s t i m m t e r Z w e c k a n e i n e m b e s t i m m t e n S u b j e k t d u r c h b e s t i m m t e M i t t e l v e r w i r k l i c h t w e r d e n soll. Als

„subiectum

informationis"

bestimmt

Calov

den

Theologiestudenten

selbst. In i h m soll der i s a g o g i s c h e H a b i t u s a n g e b a h n t w e r d e n , der z u m H a n d e l n , nämlich zum effektiven Theologie-Studieren, befähigt.250 Im Anschluss an Aisted b e s c h r e i b t C a l o v hier die o b j e k t i v e n Q u a l i f i k a t i o n s m e r k m a l e , die der T h e o logiestudent z u m S t u d i u m g l e i c h s a m als E i n g a n g s v o r a u s s e t z u n g e n

mitbringen

muss: Talent und geistige Disposition, dazu auch eine gute körperliche Verfas251

sung. D a s „ Z i e l " ( „ f i n i s " ) d e r p r a k t i s c h e n t h e o l o g i s c h e n S t u d i e r f ä h i g k e i t ist s e l b s t verständlich das Gelingen des Studiums, mittelfristig a u c h das eigene Seelenheil 2 4 8 Explizit werden theologische Kenntnisse besonders von Juristen und Medizinern erwartet; siehe Paedia, S. 15 f. 2 4 9 Die Betonung der allen Christinnen und Christen obliegenden theologischen Praxis hängt mit der grundsätzlichen Verhältnisbestimmung von Glaube und Theologie, von „habitus fidei" und „habitus theologiae" zusammen. Indem Calov die theologische Praxis formal als ein Herausarbeiten der Glaubensartikel aus der Bibel auffassen kann, wird bei ihm die Theologie geradezu eine Voraussetzung des Glaubens. Er siedelt im Konstitutionsprozess des Glaubens eine ,theologische Stufe' zwischen dem Lesen der Bibel und ihrem geistlichen Verstehen an, die jede Christin und jeder Christ zu nehmen hat. Sie besteht darin, dass aus den biblischen Texten „Gesetz" und „Evangelium" nach allgemein nachvollziehbaren rhetorisch-logischen Methoden abgeleitet und in Form von ,Konklusionen' zur „existentiellen" Zustimmung vorgelegt werden. Diese Zustimmung wird natürlich vom Wirken des Heiligen Geistes abhängig gedacht. Das methodengeleitete ,Extrahieren' selbst kann jedoch in den Augen Calovs grundsätzlich von allen Christinnen und Christen vollzogen und nachvollzogen werden. Freilich soll dieser Deduktionsprozess nur dann zu einem existentiell plausiblen Resultat führen, wenn er von anderen in Predigt und Lehre vollzogen wird, also das lutherische „ab e x t r a " gewahrt bleibt. Alle Christen haben in gewisser Weise den Auftrag zu solchem .Extrahieren' der Glaubensartikel - aber eben an anderen Menschen. Sie können sich nicht selber den Glauben aus der Bibel,andemonstrieren'; vgl. dazu Appold, Vocatio, S. 5 5 - 6 2 ; ebd., S . 5 4 : „Calov's Separation of habitus theologiae from habitus fidei, designed to distinguish the specific role and intellectual qualities of the theologian, nonetheless does not imply that the two - theology and faith - are entirely unrelated. Calov's definition, namely, includes faith - as a consequence of theology." 2 5 0 Siehe Paedia, S . 2 2 . 2 5 1 Siehe Paedia, S . 2 3 („indoles bona, & apta"); S . 2 4 („Judicii dexteritas, Memoriae fidelitas, Affectüs sinceritas"); S . 2 7 („voluntatis conveniens Dispositio"); S . 2 9 („Corporis denique vitia absint").

4. Programmatische

Entwürfe

231

und das Heil der Kirche, letztlich freilich die Ehre Gottes. Gerade an dieser Stelle der „Paedia" macht Calov deutlich, dass die Theologie, so sehr sie auch vom Akt des Heilsglauben zu unterscheiden ist, de facto doch immer mit diesem verbunden sein und ihm zugute kommen sollte. Zwar studiert der Student die theologischen Inhalte in der Perspektive der Vermittlung an andere; das solchermaßen erworbene Wissen bedeutet aber zugleich auch eine Vertiefung des eigenen Glaubenswissens und kommt daher auch dem eigenen Heilsglauben zugute. Bei aller Ausrichtung auf das Heil anderer darf der Student das eigene Seelenheil natürlich nicht aus dem Blick verlieren. 252 Calov rät dem Studenten deshalb, die persönliche Frömmigkeit zu kultivieren. Das sei schon aus Gründen des pastoralen Vorbilds ratsam. Solche Anweisungen zeigen wiederum, dass die Praxis pietatis inzwischen zu einem Element geworden ist, das dem theologischen Habitus, von außen zukommt, also nicht mehr notwendig mit ihm gegeben ist. 253 „Es ist überaus kennzeichnend, dass man die lutherische Trias ,oratio, meditatio, tentatio', die in der lutherischen Orthodoxie und auch im lutherischen Pietismus regelmäßig als Weg zur rechten Theologie genannt wird, bei Calixt gerade nicht findet." 2 5 4 So richtig diese Bemerkung Wallmanns im Blick auf das literarische Werk des Helmstedter Theologen ist, so problematisch erscheint sie als Aussage über die Orthodoxie und den Pietismus im Luthertum. Sie gilt, das wird man aufgrund des hier untersuchten Quellenmaterials sagen können, nur cum grano salis. Auch so unzweideutig der lutherischen Orthodoxie zuzurechnende Theologen wie Förster, Hütter oder Hülsemann kennen die Luthersche Trias in ihren Anweisungen zum Theologiestudium nicht. Sie war vielmehr seit der Repetitionsrede des Chytraeus als strukturgebendes Prinzip aus den Wittenberger Anweisungen verschwunden. 255 Meisner erwähnt die Trias in seinen groß angelegten „Praecognitorum theologicorum disputationes" an zwei Stellen nur obi252 Paedia, S. 34: „Salus nostra non negligenda, dum aliorum Saluti studemus promovendae. Sic ergo profectus intendantur in studio Sacro, qvi ad usum & salutem nostram non minus directi sunt, qväm ad usum Ecclesiae publicum, ut 8c nosmetipsos salvemus, & alios l.Tim. 4.16. Studeamus itaque ut in notitiä rerum ad salutem necessariarum proficiamus, in fide confirmatiores reddamur, omnesque dubitationum scrupulos nobis ipsis eximamus, ac certam JtA.r|pocpopiav de Omnibus asseqvamur, ut laetä ac securä conscientiä alios docere, monere, consolari qveamus." 253 Paedia, S. 35: „Similiter praefixus nobis in studiis hic debet esse scopus, ut veram Pietatis praxin, qvam alios docere cupimus, ipsi addiscamus, inque Scholä Pietatis nos sedulö exerceamus, qvö utiles verae Pietatis Doctores evadamus." 254 Wallmann, Theologiebegriff, S. 113 f. Siehe auch ebd., S. 114, Anm. 1: „Philipp Jacob Spener irrt, wenn er (Die allgemeine Gottesgelehrtheit aller gläubigen Christen, 1680, S. 186ff.) im Bemühen, seine Übereinstimmung mit der lutherischen Orthodoxie unter Beweis zu stellen, behauptet, wohl kein lutherischer Theologie habe die Notwendigkeit von oratio, meditatio und tentatio für das Zustandekommen des theologischen habitus außer acht gelassen. So sehr Spener im Blick auf die streng lutherischer Orthodoxie im Recht ist, so wenig für die auch nach Spener zum Luthertum zählende Schule Calixts." 255 Eine ähnliche Entwicklung hat T. Kaufmann in den Rostocker Anweisungen festgestellt; vgl. ders., Universität, S.297. Vgl. zum Sachverhalt auch Kang, S. 120f.

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Kapitel

7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen

zum

Theologiestudium

ter.256 Sie spielt keine maßgebliche Rolle in seinem Bildungskonzept. Richtig aber ist, dass Calov, der gewünschten Verbindung von frommer und beruflicher Erkenntnis und Praxis entsprechend, die Trias zu den grundlegenden Vollzügen („requisita") des Theologiestudiums zählt. Er bringt den entscheidenden TriasPassus der Lutherschen Vorrede sogleich im Eingangsteil der „Paedia" als wörtliches Zitat 2 5 7 und behandelt die drei „Regeln" jeweils in eigenen Abschnitten. 258 Die inhaltliche Füllung dieser Abschnitte folgt dem schon bei Chytraeus sichtbar gewordenen Modell, wobei Calov sich insgesamt enger und strenger an den Lutherschen Leittext zu halten bemüht ist: Die „oratio" ist die Bitte um „Erleuchtung" durch den Heiligen Geist, 259 die „tentatio" die aktivisch-passivische Bewährung des eigenen Studienfortschritts. 260 Die öffentlich-akademischen und häuslich-privaten Studienakte werden dagegen der „meditatio" zugeordnet.261 Dabei sollte man sich schon möglichst zu Beginn des Studiums über die angestrebte geistliche Profession Klarheit verschafft haben. Das Studienziel ist individuell festzulegen. Je nachdem, ob einer Prediger („concionator") oder Theologieprofessor werden will, sind dann die theologischen und vor allem philosophischen Stoffe unterschiedlich vertieft zu studieren und auch die vorrangigen Formen der Lehrveranstaltungen unterschiedlich zu wählen. 262 Calov schwebt nicht wie Meisner ein aufeinander aufbauender, geradezu zweistufiger theologischer Vgl. oben Abschnitt 4.1.2.3. Paedia, S . 6 - 1 0 . 2 5 8 Paedia, S . 4 1 - 5 8 („oratio"). 5 8 - 7 1 („meditatio"). 7 2 - 8 0 („tentatio"). 2 5 9 Paedia, S . 4 1 : „Primum reqvisitum est Oratio, qvae nihil aliud est, qvàm humilis ac fiducialis divinae illuminationis & salutaris profectus in S. studio sollicitatio." 2 6 0 Paedia, S. 72: „Tertium reqvisitum est Tentatio, qvae nihil aliud est, qvam exploratio qvaedam practica nostri profectus in Theologia, dum vel ab infirmitate carnis nostrae sollicitamur, vel cruce divina probamur, vel cribrationi Satanae subjicimur, qvo fides nostra confirmatior reddatur, boniqve evadamus Practici Theologi." Die ,passivische' Anfechtung ist bei Calov erstmals wieder stärker im Blick; vgl. Nieden, Anfechtung. 2 6 1 Paedia, S . 5 8 : „Alterum reqvisitum generale est Meditatio, qvae est Scripturae Sacrae, & qvae ex eä, 8c circa eam discenda sunt, attenta considerano, ut fideli mente custodiantur, &c ad usus salutares transferantur. Ad eam faciunt Lectio, Auditio, Recitano, Scriptio, Declamatio, Concio, Disputano, Repetitio 8c qvaecunqve aliae exercitationes." 262 p a e dia, s 3g. „Futuro enim Concionatori multa ita necessaria non sunt, qvae Professori Theologo, qvalia sunt lingvarum Orientalium studiorumque Philosophicorum exactior notitia, scriptorum Polemicorum & Controversiarum diligens pervestigatio, freqvens Exercitium Disputatorium &cc. Multa vice versa ab ilio studiosius qvàm ab hoc suscipienda veniunt, utpote S. Bibliorum vernacula lectio, Moralium observatio, Loci Comm. Practici, freqvens Exercitium concionandi 8cc." Siehe auch ebd., S . 2 6 , wo auf die Festlegung eines der individuellen Begabung angepassten Studienziels zu Beginn des Theologiestudiums gedrungen wird. Im Unterschied zu Calixt, der offenbar den Studenten, die den Gemeindedienst ansteuerten, größere Zugeständnisse im Blick auf das Erlernen des Hebräischen und Griechischen machte (vgl. die in der „Epistola dedicatoria" angeführten Zitate Calixts, Paedia, Bl. A3 a -A4 a ), kann sich Calov ein reduziertes Programm nur hinsichtlich der orientalischen Sprachen, nicht aber der biblischen Sprachen selbst vorstellen. 256

257

4. Programmatische

Entwürfe

233

Bildungsgang vor. Er denkt eher in der bei Hülsemann angebahnten Richtung an zwei verschiedene theologische Studien, die von Anfang an, was Stoff und Stoffbearbeitung betrifft, in unterschiedlichen Bahnen verlaufen - je nach erstrebtem geistlichen Beruf. Den Mitteln zur Realisierung des Theologiestudiums ist der weitaus umfangreichste, größte Abschnitt der Anweisung gewidmet. Er bringt die eigentlichen Studienanweisungen, steckt das Feld der Studieninhalte ab, leitet zur rechten Einrichtung des Artes-Studiums sowie des theologischen Fachstudiums an. Das philologische Programm, das auch die Rhetorik umfasst, 2 6 3 ist äußerst anspruchsvoll. Im Unterschied zu Hülsemann fordert Calov aus Gründen der Verbalinspiration in beiden biblischen Sprachen, also gerade auch im Hebräischen und im Aramäischen gründliche Kenntnisse. 2 6 4 Darüber hinaus hält er syrische, arabische, türkische, persische, äthiopische, koptische Sprachstudien - wenn es Zeit und Geld des einzelnen Studenten zulassen - für wünschenswert, damit möglichst viele Bibelübersetzungen in der Originalsprache gelesen werden können. 2 6 5 Dabei geht es natürlich noch nicht um eine Textkritik im modernen Sinne, sondern die Ubersetzungen sind „ob usus paraphrasium" 2 6 6 heranzuziehen, also deswegen, weil sie Umschreibungen bieten, die zum Verständnis des griechischen und hebräischen Textes hilfreich sein können. Auch im Blick auf die philosophischen Vorstudien werden anspruchsvolle Erwartungen formuliert, wobei sich das veränderte wissenschaftsgeschichtliche Profil der Philosophie in den Anweisungen Calovs unmittelbar niederschlägt. Als Instrumentaldisziplin ist natürlich die Logik unverzichtbar. Aber auch fast alle Realdisziplinen sind, aufgrund des vorausgesetzten Konkordanzmodells zwischen Philosophie und Theologie, für den angehenden Theologen nützlich zu studieren: die erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen

Grunddisziplinen

(„Gnostologia" und „ N o o l o g i a " ) , 2 6 7 die Metaphysik und die „Pneumatik"

Siehe Paedia, S. 8 3 . 1 0 3 f . Paedia, S. 9 2 f . : „Nec verö minus debemus audire Spiritum S. in propriä lingvä loqventem in Vet.Test. qväm in Novo, imö tantö freqventiüs illic ad fontes recurrendum est, qvanto impuriores deprehenduntur versionum rivuli in V. qväm in N.T. translationibus; & qvantö difficiliora sunt plurima V.T. loca, qvae nonnisi accuratioris literaturae Ebraeae beneficio dijudicari possunt. Necessaria ergo est lingvae Ebraeae notitia, ut fontes adiri possint [...]." 2 6 5 Paedia, S. 8 4 - 1 0 4 . Dass das Sprachenstudium mit konfessioneller Identität zu tun hat, zeigt sich daran, dass Calov den angehenden lutherischen Geistlichen von der eingehenderen Beschäftigung mit den westeuropäischen Sprachen der Zeit, die von verschiedenen reformierten Theologen den Geistlichen zum Studium empfohlen worden waren, geradezu abrät; siehe ebd., S. 83 f. 2 6 6 Paedia, S. 97. 2 6 7 Die erkenntnistheoretische „Gnostologia" analysiert die Begriffsbildung durch Abstraktion, die wissenschaftstheoretische „Noologia" die ersten Prinzipien der Erkenntnis; zum wissenschaftsgeschichtlichen, durch die Spannung von instrumentalistischer Logik und ontologischer Metaphysik geprägten Hintergrund dieser Disziplinenunterscheidung vgl. Sparn, Schulphilosophie, S . 4 8 0 f . 263

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Anweisungen

zum

Theologiestudium

(„Pneumatices Studium"), 2 6 8 ferner die Physik und Mathematik in der Vielzahl ihrer Teilgebiete sowie die praktische Philosophie. Calov gibt zu diesen Fächern freilich mehr Literatur- als eigentliche Studienhinweise. 2 6 9 Juristische und vor allem medizinische Studien werden den Theologiestudenten ausdrücklich empfohlen, und zwar nicht nur aus bibelhermeneutischen Gründen. Selbst das Studium der Geschichte wird schon in der Phase der propädeutischen Studien gefordert, wenn auch lediglich in der Gestalt eines Studiums der allgemeingeschichtlichen Topographie und Chronologie. Dabei sollen gerade auch die antiken Historiographen gelesen werden, deren Lektüre zur Verfestigung und Vertiefung der lateinischen und griechischen Sprachkenntnisse Wesentliches beizutragen vermögen. 2 7 0 Im Blick auf das eigentliche theologische Fachstudium unterscheidet Calov nach dem Kriterium der dogmatischen Normativität zwischen primären und sekundären Studien. Erstere beschäftigen sich mit der Bibel, letztere mit der Kirchengeschichte respektive der theologischen Tradition. 2 7 1 Zu den primären zählt selbstverständlich das „Studium biblicum", die bekannte kursorische Lektüre zum Erwerb eines kapitelfesten bibelkundlichen Überblickswissens 2 7 2 und ein von Calov so genanntes „Studium exegeticum", das weitgehend nach den üblichen Vorschlägen zur akkuraten Lektüre einzurichten ist. Ferner natürlich das Studium der Dogmatik, von Calov bezeichnenderweise „Studium didacticum" genannt, in dem sich der Student zunächst mit lutherisch-orthodoxen, katechismusartigen Überblickswerken und den Bekenntnisschriften beschäftigen soll, um sich sodann der Lektüre umfangreicherer Systeme zu widmen. Eng mit der Dogmatik verbunden ist das „Studium polemicum", zu dem Calov besonders ausführliche, nach den verschiedenen konfessionellen und religiösen Kontroversen gegliederte Literaturhinweise gibt. Außerdem gehören zu den primären Studiengegenständen die nun erstmals in den Wittenberger Anweisungen als eigenständiges Fach aufgeführte und deshalb auch eigenständig zu studierende theo-

268 p a e c ü 3 ; s . 3 1 8 . Nach dem sich in Wittenberg ab 1600 herausbildenden Metaphysikverständnis gehörte die Entität Gottes und der Intelligenzen nicht zur Ontologie hinzu, sondern wurde in einer der Physik alsbald gegenübergestellten Partikularwissenschaft, der „Pneumatik", thematisiert; vgl. Sparn, Schulphilosophie, S. 4 9 1 - 4 9 3 . 2 i 9 SiehePaedia, S. 1 0 9 - 1 3 3 . 2 7 0 Siehe Paedia, S. 1 3 4 - 1 4 4 . 2 7 1 Paedia, S. 186: „Dispesci possunt commodè Studia Sacra in primaria & secundaria. Primaria sunt, qvae circa Scripturam Sacram occupantur [...J." Ebd., S. 187: „Secundarium deniqve Studium est Ecclesiasticum [...]." 2 7 2 Calovs Vorstellungen stehen dabei denjenigen Hütters am nächsten, auch wenn bei diesem das eigentliche Memorieren im Rahmen der akkuraten Bibellesung erfolgen soll. Calov erwartet, dass der Student eine deutsche Übersetzung der Bibel in einem Jahr durchgelesen hat; siehe Paedia, S. 196: „Ut infigantur memoriae capita, daß man Capitel fest werde/ praeter dicta subsidia, & memoriam localem in Bibliis usualibus faciet, [...]."

4. Programmatische

Entwürfe

235

logische Ethik („Studium theologiae moralis") 2 7 3 sowie schließlich noch das Studium der homiletischen Rhetorik und der „Theologia casualis" hinzu. 2 7 4 Als sekundäre Studien gewichtet Calov dagegen die Studien der theologischen Tradition, das Studium der Kirchengeschichte und das „Studium der V ä t e r " („Studium p a t r u m " ) . 2 7 5 Sie werden, um nur jeden Anschein einer normativen Gleichrangigkeit mit der Bibel zu vermeiden, in die Schlussphase des Theologiestudiums verlegt und nur den ambitionierteren Studenten empfohlen. 2 7 6 Das Studium der Scholastiker ist nach Calov, wenn überhaupt, nur auf der bekannten Grundlage der vier Sentenzenbücher des Lombarden sowie der „Summa Theologiae" des Thomas von Aquin zu betreiben. Statt der mittelalterlichen Theologen sind vielmehr die Werke Luthers zu studieren. Sie sollen gleichsam in Fleisch und Blut übergehen. 2 7 7 Calov beschließt seine Einleitung mit dem Verlaufsplan eines auf fünf Jahre hin angelegten Studiums. Diese Zeit sollte in den Augen Calovs offenbar ausreichen, um die wichtigsten Inhalte des hier vorgestellten theologischen Bildungsprogramms zu bewältigen. Das 1 6 5 2 entworfene Studienprogramm bleibt also, aufs Ganze gesehen, inhaltlich weithin in den Bahnen, welche die vorangegangenen Wittenberger Anweisungen angelegt haben. Das von Calov vorgeschlagene Lesepensum übersteigt jedoch die bisherigen Erwartungen bei weitem, wobei freilich in der „Paedia" nicht immer genau auszumachen ist, ob die bibliographischen Angaben als Literaturübersicht und somit als Information oder Literaturempfehlung zu wer2 7 3 Die theologische Ethik stellt bei Calov freilich einen Grenzfall zwischen wissenschaftlicher Disziplin und frömmigkeitspraktischer Anwendung dar. Calov gibt in diesem Zusammenhang vorwiegend Literaturhinweise zur Gestaltung der studentischen Praxis pietatis, wobei die „Schola Pietatis" (Jena 1622) Johann Gerhards besonders empfohlen wird. Dann können aber auch andere Bücher hinzugezogen werden, „verbi gratia de Christianismo Joh. Arndi, praxis pietatis Baiiii & similes" (Paedia, S. 312). Zu der schon bei Calixt angebahnten, bei Calov vollends durchgeführten Unterscheidung zwischen der Dogmatik und der theologischen Ethik vgl. Hell, S. 114. 2 7 4 Die „theologia casualis" beschäftigt sich mit den im Spannungsfeld von Ethik, Seelsorge, Kirchenrecht auftretenden „Gewissensfällen"; siehe Paedia, S . 3 2 8 f . : „Casualis autem Theologiae Studium est, qvod occupatur in iis, qvae ad Conscientiam informandam in casibus dubiis faciunt, ut vel erigantur, vel emendentur aut constituantur." Auch hier ist Calov unbefangen genug, um die Studenten an Werke der katholischen Kasuistik zu verweisen; siehe ebd., S. 330f. 2 7 5 Calov erwähnt zustimmend Ägidius Hunnius, der besonders Athanasius, Augustin und Johannes von Damaskus zu lesen empfohlen hat, „qvibus adjungit Dn. Försterus Bernhardum" (Paedia, S. 356; vgl. oben Abschnitt 2.1). Seiner Ansicht nach gehören noch Johannes Chrysostomus, Theodoret von Kyros und Hieronymus zum Kreis der vorrangig zu lesenden Kirchenväter - und zwar als Autoren wichtiger Bibelkommentare; siehe ebd. 2 7 6 Paedia, S. 187: „Secundarium deniqve Studium est Ecclesiasticum, quod nempe impenditur tum Historiae Ecclesiasticae, praeter Biblicam, tum Lectioni Patrum Sc Scriptorum Ecclesiasticorum Veterum ac recentiorum: in qvö Studio non ita praecise ac necessariö omnes oportet occupari Studiosos, ut in prioribus ad Sacram Scripturam Legendam, explicandam [...]." 2 7 7 Paedia, S . 3 8 0 : „B. Lutheri scripta sedulö legenda sunt, & in succum qvasi ac in sangvinem convertenda." Der „Paedia" ist ein Anhang beigegeben, in dem die wichtigsten Werke Luthers, nach Sachgruppen gegliedert, verzeichnet sind.

236

Kapitel 7: Lutherisch-orthodoxe

Anweisungen zum

Theologiestudium

ten sind. Wenn auch Calov nur einen graduellen Unterschied in der theologischen Praxis der Christinnen und Christen einerseits und des Theologen andererseits annimmt, so musste jedenfalls doch die schon vom einfachen Gemeindepfarrer erwartete philosophisch-theologische Bildung eine beachtliche Wissensdifferenz begründen und damit die Professionalitätsdifferenz, die theologisch mit dem „Priestertum aller G l ä u b i g e n " gerade nivelliert werden sollte, gleichsam bildungsmäßig wieder aufrichten und stabilisieren.

Kapitel 8

Komparatistische Perspektiven: Die Erfindung des Theologen 1. „theologia" und „theologus" Die untersuchten Anweisungen zum Theologiestudium aus den ersten eineinhalb Jahrhunderten der Wittenberger Universität belegen eindrucksvoll das intellektuelle Engagement, mit dem die theologischen Lehrer um die richtige Gestaltung eines evangelischen Theologiestudiums rangen. Der universitäre artistisch-theologische Studiengang war einer der ersten Bereiche, in denen sich die neue reformatorische Theologie unmittelbar auszuwirken begann. Das war nur konsequent. So wenig wie die Reformatoren ihre Theologie einfach in die von der Scholastik her bereitgestellten Denkformen von „theologia" eingießen konnten, so wenig konnten sie auch die überkommenen Vorstellungen vom „theologus" und von der theologischen Ausbildung einfach für sich übernehmen. Zwar blieb der Begriffsinhalt des „Theologen" gleichsam den äußeren Konturen nach auch im Sprachgebrauch der Wittenberger Reformatoren erhalten. Wenn Luther unter dem Theologen vorwiegend einen besonders qualifizierten theologischen Lehrer verstand, so trat er mit dieser Vorstellung formal noch nicht aus dem semantischen Rahmen heraus, den auch schon das Hoch- und Spätmittelalter um den Begriff des „theologus" gelegt hatte. Das aber, was der Theologe studieren und ,treiben' sollte, war in den Augen Luthers gegenüber dem herkömmlichen scholastischen Verständnis etwas völlig anderes. Material wurde der Begriff des „theologus" neu konzipiert („Kreuzestheologe") - und mit ihm auch das Theologiestudium. Dem Verständnis der Theologie als einer „sapientia experimentalis" entsprach es, dass Luther das Theologiestudium als eine Form des Umgangs mit dem biblischen Wort entwarf, der gerade auf die Doppelerfahrung von Anfechtung und Trost zielte. Melanchthon, der sich dem Theologiebegriff gegenüber reserviert zeigte und stattdessen den Begriff „doctrina" bevorzugte, verfolgte für die Ausbildung des Theologen eine ähnliche Linie: Wenn er auch gerade die Notwendigkeit der Eloquenz und der Textphilologie betonte, so kam doch auch seiner Meinung nach die den theologischen Studiengang bestimmende Bibelauslegung erst in der lebenspraktischen „Anwendung" („usus") zum Ziel. Dass der evangelische Theologe zum Theologen wird durch den Umgang mit dem biblischen Wort sowie durch eine gründliche Schulung in den Sprachen und

238

Kapitel

8: Komparatistiscke

Perspektiven:

Die Erfindung

des

Theologen

Artes, gehörte zu den Überzeugungen, welche die Wittenberger Reformatoren weiterzugeben versuchten. Inwieweit gelang es den Schülern Luthers und Melanchthons, diesen Ansatz im Kontext sich etablierender konfessioneller Kulturen durchzuhalten?

2. Konzeptionelle Entwicklungen Innerhalb des gewählten Untersuchungszeitraums haben sich die Konzeptionen des Theologiestudiums, das die Wittenberger Professoren als Konstitutionsprozess des lutherischen Theologen entwarfen, in mehrfacher Hinsicht gewandelt. Dabei lassen sich verschiedene Entwicklungslinien beobachten, deren wichtigste in moderner und insofern ,ungleichzeitiger' historischer beziehungsweise sozialhistorischer Terminologie als „Akademisierung", „Konfessionalisierung", „Disziplinierung" und „Professionalisierung" bezeichnet werden können. 1) Akademisierung Innerhalb des hier untersuchten Zeitraums ließ sich eine immer engere, eindeutigere Orientierung der Konzeptionen an der Wirklichkeit des akademischen Lehrens und Lernens feststellen. Luther und Melanchthon wiesen in ihren Anweisungen Wege des Theologiestudiums auf, die nicht notwendig an die Institution der Universität, ja überhaupt an die Institution einer höheren oder niederen Schule gebunden waren. Die Texte enthielten sich nahezu aller Hinweise auf den akademischen Lehrbetrieb, sodass das von ihnen beschriebene Theologiestudium geradezu als Selbststudium erscheinen konnte.1 Die Möglichkeit eines universitätsunabhängigen Studiums war von ihrem Theologieverständnis her offenbar keineswegs ausgeschlossen.2 Noch die Anweisung Crucigers d.Ä., wenngleich sie einem Lehrbuch für höhere Schulen vorstand, ließ offen, inwieweit das skizzierte ,Theologiestudium' im Zusammenhang eines Schul- oder Universitätsbesuchs durchgeführt werden sollte. Erst die Repetitionsrede des Chytraeus hatte einen eindeutig akademischen Bezug. Sie richtete sich ausdrücklich an Studenten der Universität, um ihnen Hinweise zur Einrichtung Theologiestudiums im akademischen Kontext zu geben. Schon bei Chytraeus begegneten deutliche Autodidaktismus-Warnungen. Sie wurden in den Wittenberger Anweisungen aus 1 Melanchthons „Brevis discendae theologiae ratio" enthält zwar einige Hinweise, die nahe legen, dass der Adressat im universitären Milieu zu suchen sein dürfte; dadurch verändert sich jedoch nicht die grundsätzliche Ausrichtung des Textes auf das häuslich-private Studium. 2 Tatsächlich bestand ja mit der Einrichtung des „ D i a k o n a t s " , gleichsam der „Lehre" bei einem amtierenden Pfarrer, ein der universitären Ausbildung konkurrierender theologischer Bildungsweg, der erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer postuniversitären, praktischen Ausbildungsphase rechtlich umgestaltet wurde.

2. Konzeptionelle

Entwicklungen

239

der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mehrfach wiederholt. Aufgrund der konfessionellen Auseinandersetzungen drängten die Autoren verstärkt darauf, dass die angehenden Theologen nur approbierte Universitätslehrer hörten - gemeint waren natürlich vor allem Lehrer der Leucorea. Eine eigenständige, ,autonome' theologische Lektüre wurde offenbar mehr und mehr als Gefahr für den einheitlichen territorialen Bekenntnisstand angesehen. Allerdings blieben die in den Anweisungen erteilten Ratschläge zu den akademischen Veranstaltungsformen, zu den Vorlesungen und Disputationen, meist recht allgemein. Sie erreichten nur selten die Ebene konkreter Empfehlungen. 3 Die akademischen Grade wurden selbst im Z u s a m m e n h a n g der Disputationen völlig übergangen. Nirgends wurde eine artistische Graduierung unzweideutig vorausgesetzt, nirgends dem Studenten eine theologische Graduierung nahegelegt. Die Anweisungen auch des 1 7 . Jahrhunderts zielten vor allem auf das häuslich-private Studieren - aber eben als der stillen Seite des akademischen

Alltags. Das von ihnen entworfene theologi-

sche Idealstudium war nur noch als ein Universitätsstudium denkbar. 2)

Konfessionalisierung

Das von den Wittenberger Theologieprofessoren entworfene Theologiestudium gewann im Lauf der Zeit einen dezidiert „lutherischen" Charakter. Das zeigt sich zum einen an der Stellung der kontroverstheologischen Studien innerhalb der Studienkonzepte. Die Anweisungen Melanchthons, Crucigers und Chytraeus' wiesen eher nur unspezifisch auf die Aufgabe der Lehrverteidigung hin - ohne nähere Angabe, wie die entsprechenden Kompetenzen zu erwerben seien. Im 1 7 . Jahrhundert erwarteten dagegen alle untersuchten Autoren vom künftigen lutherischen Theologen Kenntnisse katholischer und reformierter Theologie aus den Quellen, dazu auch Kenntnisse einschlägiger lutherischer Polemiken. Die Gewichtung dieses Studiums konnte je nach Autor schwanken: Bei Hülsemann rangierte es noch vor dem eigentlich biblisch-exegetischen Studium, bei M e i s n e r war es nicht als eigener Studienakt, sondern lediglich im R a h m e n des dogmatischen Studiums zu bewältigen. Z u m anderen verlangten die Autoren das Studium zentraler Lehrdokumente der eigenen konfessionellen Tradition. Die lutherischen Bekenntnisschriften, wie sie im Konkordienbuch als Ausdruck des genuinen Luthertums verabschiedet und in den Unterzeichnerstaaten als L e h r n o r m verbindlich gemacht worden waren, sind nach den Vorstellungen aller orthodoxen Autoren wenigstens als dogmatisches Kompendium zu studieren, ein besonders eingehendes Studium des Konkordienwerks verlangte Meisner. Hütter verwies auf sein Kompendium als einer Anthologie des Konkordienbuches. Die ' Dass die untersuchten Konzeptionen das faktische theologische Lehrangebot der Leucorea nirgends erwähnen, dürfte allerdings damit zu erklären sein, dass die Anweisungen als Druckschriften sich an einen über die Wittenberger Studenten hinausgehenden Leserkreis wendeten. Dementsprechend wurden auch nur die Schriften, nicht aber die Lehrveranstaltungen der Wittenberger Kollegen empfohlen.

240

Kapitel 8: Komparatistische

Perspektiven: Die Erfindung des

Theologen

Tendenz zur konfessionellen Formierung zeigt sich auch darin, dass dem Studenten die Lektüre der Werke Luthers, bei Hütter auch die Lektüre der Werke M e lanchthons empfohlen wurden. Die Tatsache, dass man nun eigens ein Studium der beiden großen Wittenberger Reformatoren verlangte, deutet nicht nur auf ein Bewusstsein zeitlichen Abstands, sondern auch auf ein für den konfessionellen Konsolidierungsprozess typisches Interesse an einer spezifisch lutherischen Selbstvergewisserung und Identitätsbildung. 3)

Disziplinierung

In den untersuchten Anweisungen waren des weiteren sich verstärkende Tendenzen zur Disziplinierung der häuslich-privaten Studienakte feststellbar. Luther gab dem Studenten zum praktischen Vollzug der „meditatio" der Bibel keine näheren Hinweise, verwies ihn allgemein auf das „lesen und widerlesen, mit vleissigem auffmercken und n a c h d e n c k e n " 4 . M e l a n c h t h o n zufolge sollte sich der Student anhand des Römerbriefes ein Loci-Schema erarbeiten und mit dessen Hilfe die Bibel im Licht der zentralen rechtfertigungstheologischen Loci lesen. Die a u t o n o m e ' Bibellektüre wurde dann aber bereits in den Anweisungen des 1 6 . J a h r hunderts einzuschränken versucht. Das Loci-Raster und die mit den einzelnen Loci verbundenen theologischen Lehrinhalte sollte der Student aus approbierten Kompendien und eben nicht mehr selbständig aus dem biblischen Text erarbeiten. Im Blick auf das dogmatische Studium wurde schließlich ein zweistufiger Lektüremodus empfohlen: Eine intensive Lektüre autoritativer Lehrbücher, die dem Aufbau und den zentralen Aussagen nach geradezu auswendig zu lernen sind, und eine daran anschließende extensive Lektüre umfangreicherer Dogmatiken, bei der Exzerpte in Loci-Kollektaneen gesammelt werden. Dieser zweistufige Lesemodus konnte bei einigen Autoren auch als M u s t e r für die Leseanweisungen zu anderen theologischen Stoffgebieten ausgemacht werden, etwa im Fall der kontroverstheologischen, seelsorglichen oder patristischen Literatur. Immer ging es darum, dass sich der Student zunächst in einem unzweifelhaft lutherischorthodoxen Studienbuch beheimatet, bevor er an die Lektüre heterodoxen Schrifttums herangeht. D e r Student sollte zur Lektüre der theologischen Fachliteratur zunächst einen orthodoxen Hintergrund gewonnen haben, vor dem er das Gelesene beobachten und werten konnte. Die Anweisungen zum privaten Lesen und Lernen beweisen ein im Z u s a m m e n h a n g der Konfessionalisierung offensichtlich steigendes, bis ins Private hineinreichendes Reglementierungs- und Disziplinierungsinteresse der an den religiösen Formierungsprozessen maßgeblich beteiligten Theologieprofessoren. 5

4

5

WA 5 0 , S. 6 5 9 , Z . 2 4 . Vgl. die in dieser Hinsicht parallelen Ergebnisse bei T. Kaufmann, Universität.

2. Konzeptionelle

Entwicklungen

241

4) Professionalisierung Schließlich wurden in den untersuchten Bildungskonzepten mehr und mehr die Konturen eines theologischen ,Experten', eines Professionals', sichtbar. Luthers passivische Anweisung beschrieb im Grunde nur eine monastische Variante des prinzipiell allen Christinnen und Christen nötigen Umgangs mit „dem Wort", beschrieb mithin lediglich eine spezielle Form gelebten Glaubens. Entsprechend konnte Luther die ,einfachen Christen' als „Theologen" bezeichnen. Auch Melanchthon entwarf den Theologen noch nicht eigentlich als einen den .Laien' gegenüber zu stellenden ,Fachmann'. Denn auch der Theologiestudent erarbeitete sich anhand der Bibel die geoffenbarte „Lehre" nur so, wie es Melanchthon seinen humanistischen Idealvorstellungen nach von allen Getauften erwartete; er tat es lediglich in einer vertieften, vor allem um die Kenntnis der Sprachen, der Dialektik, Rhetorik und der Kirchenvätertexte erweiterten Weise. Denn er sollte die Lehre anderen verständlich weitervermitteln. Beiden reformatorischen Anweisungen ist gemeinsam, dass der Student die Theologie, die er studierte, zunächst einmal an sich selbst zur Anwendung brachte. Die Umstellung des ethischen auf den funktionalen Praxisbegriff, die dann von Meisner im Rahmen seiner Neukonzeption der Theologie als einer „praktischen Wissenschaft" vorgenommen wurde, hatte auf konzeptioneller Ebene einen Professionalisierungsschub zur Folge. Indem die Rückbindung an das zum eigenen Seelenheil nötige Glaubenswissen aufgegeben und die Theologie insgesamt als pastorales ,Führungswissen' verstanden wurde, ließen sich auch weitere, über die „notitia" des Glaubens hinausgehende Wissensfelder in den theologischen Wissensbestand integrieren, die allein aus beruflichen Gründen für notwendig erachtet wurden - wie zum Beispiel die immer wichtiger werdende Kontroverstheologie oder auch die Praktische Theologie. Die bereits bei Andreae zu beobachtende konzeptionelle Orientierung an der beruflichen Praxis des Theologen begann sich nun endgültig durchzusetzen. Dabei unterschied bereits Meisner in seinen Präliminariendisputationen sehr deutlich zwischen zwei geistlichen Professionen, deren unterschiedliches Anforderungsprofil ihn zum Entwurf zweier verschiedener Curricula veranlasste: den einfachen „Kirchendiener", der das zur Predigt und Sakramentsverwaltung notwendige biblisch-dogmatische Basiswissen besaß, und den „akkuraten Theologen", der darüber hinaus vertiefte kontroverstheologische, kirchengeschichtliche, praktisch-theologische Kenntnisse erworben hatte. Meisner, Hülsemann, Calov entwarfen für das Theologiestudium im Modus der „cognitio acroamatica" geradezu ein Maximalprogramm, das im Grunde einer professoralen Selbstreproduktion diente. 6 Beschrei6 Vgl. schon G a ß , der seine wesentlich auf Gerhards „ M e t h o d u s " basierende Ubersicht über den o r t h o d o x e n Studienplan mit der Frage beschloß: „Denken wir uns nun einen talentvollen Jüngling vier bis fünf Jahre lang, - denn bis auf diesen Termin erstrecken sich die Rathschläge, - der Theologie in der angegebenen Studienfolge obliegend, vertheilen wir seine Zeit in die Beschäftigung mit der Bibel und den symbolischen Lehrstücken, las-

242

Kapitel

8: Komparatistiscbe

Perspektiven:

Die Erfindung

des

Theologen

bungsleitendes Ziel war in den Anweisungen des 17. Jahrhunderts stets der wissenschaftlich gebildete, gerade auch kontroverstheologisch geschulte theologische Gelehrte, der die für den Gemeindedienst oder das akademische Lehramt nötigen Qualifikationen auf der Universität erworben hatte. Er war der eigentlich professionelle Theologe, der Theologe katexochen. Die Umorientierung von der frommen auf die berufliche Praxis brachte eine nicht unbedeutende Erweiterung des theologischen Wissenskanons und zugleich eine curriculare Spezifizierung mit sich.

3. Gewandeltes Selbstverständnis Mit der Professionalisierung ging offensichtlich ein signifikanter Wandel im Selbstverständnis der Theologen einher. Das in den Anweisungen des 16. Jahrhunderts hervortretende Ideal des lutherischen Theologen war bestimmt durch die Einheit von Frömmigkeit und Theologie. Frommer Christ und amtierender Theologe - beides war der lutherische Theologe gleichsam in Personalunion. Hinter der „Brevis discendae theologiae ratio" Melanchthons stand das Bild des humanistischen „Gebildeten", der in der Lage war, den griechischen und hebräischen Bibeltext anhand von Wort- und Sacherklärungen aus den artistischen Hilfswissenschaften' zu erklären und die „doctrina" mit Hilfe der rechtfertigungstheologisch gesteuerten Loci-Methode aus dem Text zu erheben. In der Vorrede Luthers dagegen erschien der Theologe vor allem als „Glaubender" oder - um es griffiger zu sagen - als der „Fromme", als derjenige, der eine bestimmte Weise des Umgangs mit dem biblischen Wort kultiviert, sodass sich das Wort in seinem konsolatorischen Tiefenpotential bewähren und gerade dadurch den Akt des Heilsglaubens evozieren kann. Die in den untersuchten Anweisungen der beiden Wittenberger Reformatoren erkennbaren, jeweils unterschiedlich akzentuierten Theologenideale waren nicht in jeder Hinsicht deckungsgleich, schlössen sich aber auch nicht aus. Luther hatte, so jedenfalls lasen es seine Schüler, die „meditatio" als eine Stelle markiert, in der das auch von ihm grundsätzlich befürwortete humanistische Bildungsprogramm integriert werden und das Ideal somit zum Gesamtbild des „frommen Gebildeten" beziehungsweise „gebildeten Frommen" erweitert werden konnte. In der Verbindung von „eruditio" und „pietas" kamen die Vorstellungen der Reformatoren vom Theologen offenbar überein. Charakteristisch für dieses Verständnis des Theologen war der Versuch, den Begriff des „theologus" sen wir ihn zur Vertheidigung seiner Confession und zum Angriff der Häresie frühzeitig auffgefordert werden und sich der geläufigen Streitmittel bemächtigen, denken wir ihn endlich in dem Schulfach der kirchlichen Logik und Dialektik einigermaaßen geübt: hatte ein Solcher nicht alle Aussicht, dereinst ein König, Calov oder Quenstedt zu werden?" (ders., Bd. 1, S . 2 3 1 )

3. Gewandeltes

Selbstverständnis

243

vom Begriffsinhalt her nahe an den des „Frommen" zu rücken, um die Anwendbarkeit auf alle Christinnen und Christen zu erhalten. Entsprechend trug das Bild umgekehrt relativ wenig pastorale Züge. In den Wittenberger Anweisungen des 17. Jahrhunderts schob sich dann, wie gesehen, ein anderes, von den Funktionen des geistlichen Amtes bestimmtes Theologenideal immer mehr in den Vordergrund. Schon dem Försterschen „Consilium" lag unverkennbar, wenn auch kaum explizit thematisiert, das Bild des Theologen als „Informators" zur ewigen Seligkeit zugrunde. Vor allem aber bei Balthasar Meisner wurde die Theologie dann expressis verbis mit der Medizin und der Theologe mit dem Arzt analogisiert. Propagiertes Leitbild war jetzt gleichsam der „Seelenarzt". Das ist bei Meisner die Konsequenz eines Verständnisses der Theologie als praktischer Habitus der Seelenführung. Der Theologe wird zum Theologen formal erst dadurch, dass er die Fertigkeit erworben hat, andere Menschen durch Lehren, Ermahnen, Trösten zum ewigen Heil zu führen. Die funktionale Perspektive wird entscheidend. Die Theologie ist der „habitus perducendi", nicht „perveniendi ad salutem". Das von den Theologen verbreitete Selbstverständnis wandelte sich somit vom autopraktisch theologisierenden „frommen Gebildeten" zum professionellen „Seelenarzt", der als „theologus accuratus" sein zweifellos nötiges, aber nun auch in Breite mögliches theologisches Wissen nicht an sich selbst, sondern eben an anderen zur Wirkung bringen sollte. Damit war freilich die Einheit von Frömmigkeit und Theologie, von „erudit i o " und „pietas", so sehr sie auch von den Wittenberger Theologen gewünscht wurde, doch eine äußerliche, akzidentelle, faktisch zufällige geworden. Der Wittenberger Versuch einer „via media" zwischen der Position einer grundsätzlichen Trennung (Calixt) und der einer grundsätzlichen Identifizierung (Arndt) des Frommen und des Theologen war schwierig und führte bei Meisner, Hülsemann und Calov zu nicht völlig spannungsfreien Lösungen. Die studentische Praxis pietatis wurde zwar angemahnt, aber schon Meisner konnte sie nicht mehr zwingend aus seinem Theologiekonzept folgern. Bei ihm begegnete bereits der dann für die nachfolgenden untersuchten Wittenberger Theologen insgesamt charakteristische Versuch, den Theologen gleichsam als „frommen Seelenarzt" zu erfinden. Dieses Ideal suchten Meisner, Hülsemann und Calov mit ihren Anweisungen offenkundig dem theologischen Nachwuchs, den künftigen Pfarrern, Lehrern, Professoren, einzupflanzen. Die Frömmigkeit wurde zu einem unverzichtbaren Teil des normativen Selbstverständnisses erklärt, ohne doch noch aus dem Theologiebegriff schlüssig abgeleitet werden zu können. Die stärkste Verankerung der Frömmigkeit im Konstitutionsprozess theologischen Wissens gelang noch über die Illuminationslehre. Hier bahnten sich allerdings Probleme an, die dann in den Auseinandersetzungen zwischen Pietismus und Orthodoxie aufbrechen und zu heftigen Kontroversen führen sollten.

244

Kapitel 8: Komparatistiscbe

Perspektiven:

Die Erfindung

des

Theologen

4. Akademisch-öffentliches und häuslich-privates Theologiestudium Die rechtliche Ordnung des theologischen Studiengangs nach den Universitätsreformen der frühen zwanziger J a h r e war das Werk Melanchthons. Er verfasste im J a h r 1 5 3 3 die Statuten für die Theologische Fakultät, aus denen wichtige Bestimmungen in die Fundation von 1 5 3 6 übernommen wurden. M e l a n c h t h o n hatte die Satzungen noch aus einem vom Mittelalter her nachwirkenden universitären Bewusstsein heraus verfasst, dem Bewusstsein der freien Gelehrtenkorporation, die ihre Studiengänge selber gestalten und regeln kann. Er verfolgte im Blick auf das akademisch-öffentliche Theologiestudium keine wesentlich anderen Bildungsziele als in der hier betrachteten „Brevis discendae theologiae r a t i o " . Insofern entsprachen sich die theologischen Bildungsideale weitgehend, die damals in beiden Studiensphären durchgesetzt werden sollten. Angesichts der rechtlich allerdings wenig ausgebauten Universitätsautonomie gelang es den Kurfürsten J o h a n n Friedrich und vor allem August, die landesherrlichen Eingriffsrechte gegenüber der Leucorea strukturell auszuweiten. Ziel dieser Ausweitung war vor allem die Sicherstellung einer für den absolutistischen Staatsaufbau konstitutiven Beamtenschaft. M i t der Universitätsordnung Augusts von 1 5 8 0 wurde die Leucorea endgültig zu einer staatlich privilegierten Ausbildungsstätte für den landesherrlichen Beamtennachwuchs in Staat, Kirche und Justiz sowie im Bildungswesen umgebaut. D a der Konsens über die einheitliche Bekenntnisnorm ein wesentlicher Z w e c k des konfessionellen Staates war, hatte Kurfürst August ein elementares Interesse daran, dass ihm die beiden Landesuniversitäten konfessionell loyale Geistliche heranbildeten, die im Sinne des Bekenntniskonsenses auf die kursächsische Bevölkerung einzuwirken vermochten, durch ihre Predigten Sitten und M o r a l besserten und den konfessionellen Konsensus stabilisierten. Gefragt war der Pfarrer als Multiplikator konfessionsspezifischer N o r m e n und Werte. Von ihm erwartete der Staat, dass er die konfessionellen N o r m e n korrekt vermitteln, sie aber auch an den für das Luthertum maßgeblichen theologischen Quellen begründen und beweisen konnte. Die Ordnung von 1 5 8 0 suchte daher die akademische Lehre durch einen entsprechenden Religionseid der Professoren auf die konfessionelle Linie Kurfürst Augusts hin auszurichten. Erstmals wurden an der Theologischen Fakultät Vorlesungen über „die Hauptartickel Christlicher lehr/ Locos communes Philippi" 7 verbindlich vorgeschrieben - eine Bestimmung, die in den Revisionen der Universitätsordnung unter den Nachfolgern Kurfürst Augusts eher noch betont wurde. Die drei übrigen Lehrstühle blieben ihren Denominationen nach unverändert. Deren Inhaber hatten über ausgewählte, für die lutherische Theologie besonders relevante Bücher des Alten und Neuen Testaments zu lesen. Auf die Disputation als einer Lehrform, in der die für Predigt, Seelsorge, Streitgespräch glei7

[August von Sachsen], Verordnung, S. CCCLXXXIII.

4. Akademisch-öffentliches

und häuslich-privates

Theologiestudium

245

chermaßen als grundlegend angesehenen Fähigkeiten des syllogistischen Denkens, der Schlagfertigkeit und intellektuellen Stringenz geschult werden sollten, wurde besonderer Wert gelegt. Die Promotionspraxis sollte so gehandhabt werden, dass die usuellen ,Nebenkosten' möglichst gering waren und die Grade somit m ö g l i c h s t , o b j e k t i v e n ' Aufschluss über die intellektuellen Fähigkeiten, aber auch über die konfessionsloyale Gesinnung der T h e o l o g e n geben konnten. Die von den Anweisungen des 1 7 . Jahrhunderts propagierten theologischen Bildungsideale stehen zu denen, die in der wesentlich von Andreae verantworteten Universitätsordnung erkennbar sind, im Verhältnis weitgehender K o n k o r danz. Das zeigt sich natürlich vor allem an der herausgehobenen Stellung, die dem Bibel- und Dogmatikstudium eingeräumt wird. W ä h r e n d die Universitätsordnung allerdings die Beschäftigung mit der D o g m a t i k im Vergleich zum Bibelstudium niedriger gewichtet und nur einen Lehrstuhl dafür bestimmt, nimmt das Dogmatikstudium in den Anweisungen, vom Studienaufwand her gesehen, doch einen mindestens gleichen, zum Teil sogar höheren R a n g ein. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass die Professoren auch in den biblischen Vorlesungen mitunter zu einer dogmatischen Exegese neigten und vor allem in den Disputationen, zu deren inhaltlicher Gestaltung keine staatlichen Vorgaben existierten, häufig Spezialprobleme der D o g m a t i k aufgegriffen wurden, sodass das faktische systematisch-theologische Lehrangebot wohl kaum so dürftig war, wie es von der Verteilung der Lehrstuhldenominationen her zunächst erscheinen mag. Bezeichnenderweise werden die „Loci communes theologici" M e l a n c h t h o n s , die nach den geltenden Ordnungen verbindlicher Vorlesungsgegenstand waren, in den Anweisungen mit keinem Wort mehr erwähnt. Das deutet nicht nur auf einen nach 1 6 0 0 rasch eintretenden Bedeutungsverlust des Melanchthonschen Studienwerks an der konkordienlutherisch ausgerichteten Leucorea. Es zeigt auch, dass die Wittenberger Professoren im häuslich-privaten Studieren ihrer Studenten in gewissem M a ß eigene Bildungsvorstellungen verwirklichen wollten und ihre Ideale externen Vorgaben nicht einfach anpassten. Parallele inhaltliche Vorstellungen lassen sich ferner in der Bewertung der Disputationen erkennen. Sie wurden von den Anweisungen aus den gleichen M o t i ven heraus geschätzt und empfohlen wie von der staatlichen Ordnung. M a n drängte auf den Besuch der universitären ,Schaukämpfe', bestand auf einem strengen Disputationsethos, empfahl aber auch das private Disputieren in okkasionellen studentischen Gruppen („collegium G e l l i a n u m " ) . Auffallend bleibt freilich das Schweigen über die Grade, wie überhaupt nirgends auf eine E x a m i nierung gedrungen wird. Das dürfte wohl damit zusammenhängen, dass die in den Anweisungen beschriebenen Studienprozesse weit über die akademischen Studienjahre hinauszielten, die Autoren also gerade ein lebenslanges theologisches Studieren im Blick hatten. Insgesamt gesehen, begegnen in den Universitätsgesetzen der J a h r e 1 5 8 0 bis 1 6 0 6 sowie in den darauffolgenden Wittenberger Anweisungen weithin die glei-

246

Kapitel 8: Komparatistische

Perspektiven:

Die Erfindung

des

Theologen

chen Formierungsinteressen. Die Studenten sollten durch die Universitätsordnungen zu Multiplikatoren konfessionsspezifischer Normen und Werte herangebildet werden. Diesem Anliegen wussten sich grundsätzlich auch die Professoren mit ihren vornehmlich auf das häuslich-private Studium ausgerichteten Anweisungen verpflichtet. Sie suchten das private Studium so zu formieren, dass die Studenten in ihm jene Kompetenzen erwerben konnten, an denen auch der Landesherr Interesse hatte: die Determinierung schwieriger Bibelstellen im Licht der lutherischen Lehre, die Verteidigung der Lehre im Disput - auf der Grundlage solider Kenntnis der konfessionellen „Unterscheidungslehren". Diese Ausbildungsziele standen hinter den einzelnen Bestimmungen der Universitätsordnung von 1 5 8 0 zur Gestaltung des akademischen Lehrbetriebs. Sie waren aber auch die Ziele, die man mit den Anweisungen zum Theologiestudium erreichen wollte.

5. Grenzen der Konfessionalisierung Ausgehend von dem hier untersuchten Quellenmaterial, der herangezogenen katholischen und reformierten sowie Wittenberger Anweisungen des 17. Jahrhunderts, lassen sich schließlich einige Beobachtungen zu dem inzwischen vielfach bewährten, im Blick auf die Grenzen gleichwohl zu diskutierenden Forschungsparadigma der „Konfessionalisierung" festhalten. Zweifelsohne zeigen die katholischen, reformierten und lutherischen Quellen nicht nur in oberflächlicher Betrachtung zahlreiche Übereinstimmungen, die in der Tat mit humanistischen Einflüssen in ursächlichen Zusammenhang zu bringen sind - von der ganz auf das Studienethos konzentrierten Vorrede Luthers einmal abgesehen. Das Bildungsideal von „eruditio et pietas", das Studium der Rhetorik, Poetik und der biblischen Sprachen, der Glaube an die Evidenz des Originals, die Ansätze historischer Bibelexegese, die Lektüre der Kirchenväter - das theologische Bildungsideal aller Konfessionen war wesentlich vom Humanismus beziehungsweise Späthumanismus 8 geprägt, der wiederum einer konfessionsspezifischen Ausgestaltung der Theologenausbildung enge Grenzen gesetzt zu haben scheint. Darüber hinaus glichen sich die in den Anweisungen entfalteten Ideale des theologischen Fachstudiums in vieler Hinsicht. Der Kanon der gemeinsam studierten Texte zeigte eine beachtliche Breite, umfasste neben den selbstverständlichen biblischen Schriften die Glaubensbekenntnisse und Lehrdokumente der Alten Kirche sowie die Werke der Kirchenväter. Die theologischen 8 Eine stabile Charakterisierung, geschweige denn feste Definition des Begriffs „Späthumanismus" hat sich in der Forschung bislang noch nicht durchgesetzt. Abzulehnen ist eine Bestimmung als Dekadenzepoche, ohne dass über die positiven Merkmale schon ein Konsens bestünde (Fort-, ja Aufleben humanistischer Bildungsideale in einem konfessionellen Umfeld; Akademisierung, Philologisierung, Instrumentalisierung des Humanismus); vgl. Hammerstein, Einleitung; Muhlack.

5. Grenzen der

Konfessionalisierung

247

Studieninhalte erschienen gleichsam elliptisch um zwei fachliche Brennpunkte gruppiert, um die Bibelexegese und die Dogmatik. Grundkenntnisse in der urtextbasierten, grammatisch-rhetorischen Bibelexegese erwarteten mehr oder weniger alle Autoren vom künftigen Theologen, wobei die „Ratio studiorum" die sich aus der Exegese ergebenden theologischen Probleme dann doch in der „scholastischen Theologie" und ausschließlich auf der Grundlage der normativen Vulgata verhandelt sehen wollte. Ausgehend von dem weitgehend geteilten Interesse an der humanistischen Textphilologie, gab es, was die empfohlenen Bibelkommentare, Urtextausgaben und exegetischen Hilfsmittel angeht, nur wenig ,konfessionelle Berührungsängste'. Schließlich wurde auch in den protestantischen Konzeptionen, wohl angeregt durch das Vorbild der Jesuiten, mehr oder weniger deutlich zwischen zwei theologischen Qualifizierungsstufen unterschieden. Es scheint, als sei gerade durch die offenkundig sehr breite Humanismusrezeption die konfessionsspezifische Ausgestaltung der Theologenausbildung in den drei Konfessionen nur bedingt gelungen. Dieses so einleuchtende Bild dürfte bei genauerem Hinsehen jedoch zu revidieren sein. So sehr auch die altkirchlich-theologischen Traditionen sowie die speziell vom Humanismus propagierten Inhalte und Methoden prima facie die Anweisungen und die ihnen zugrunde liegenden Ausbildungskonzeptionen als weitgehend konfessionsinvariant erscheinen lassen, im Einzelnen zeigen sich doch differenzierte Rezeptionsvorgänge. 9 Sie belegen, dass sich das Bemühen, die als gemeinsames Erbe empfundenen Texte nach konfessionsspezifischen Maßstäben unterschiedlich abzugrenzen und nach verschiedenen Methoden zu bearbeiten, dass sich also der Wille zur konfessionellen Differenz beachtlich weit in die Studieninhalte und -methoden hinein auswirkt und die scheinbar so sinnenfälligen Übereinstimmungen doch eher als akzidentell erscheinen lässt. Die Texte der theologischen Tradition wurden unterschiedlich gewichtet und sollten deshalb auch in unterschiedlicher Intensität studiert werden. Das lässt sich nicht nur an den scholastischen Autoren des Mittelalters verifizieren, sondern gerade an der Auswahl der ,christlich-antiken', der biblischen und patristischen Quellen. Schon die der exegetischen Ausbildung zugrunde zu legenden Bibeltexte (nicht nur Bibelausgaben) waren bekanntlich verschieden. Bei der Kirchenväterlektüre wurden unterschiedliche Autoren bevorzugt. Auch gab es im methodischen Zugriff gewisse Differenzen. So wurde in den lutherischen wie reformierten Anweisungen vorrangig die Loci-Methode empfohlen, die im Studienplan der Jesuiten - trotz der sonst deutlich erkennbaren humanistischen Einflüsse - keinen Eingang fand. 10 Vor allem lässt sich das humanistische Bildungs' Vgl. auch die entsprechenden Beobachtungen bei Walther, S. 1 2 3 . 10 Dem widerspricht nicht, dass die Loci-Methode aufgrund der Einbeziehung regionaler Traditionen an einzelnen jesuitischen Schulen und Universitäten gelehrt werden konnte; vgl. Hammerstein, Bildung und Wissenschaft, S. 9 4 . Sie stand auch in diesem Fall an Bedeutung der scholastischen Methode stets nach.

248

Kapitel 8: Komparatistische

Perspektiven: Die Erfindung des

Theologen

ideal von „eruditio et pietas" schwerlich als gemeinsamer konfessionsinvarianter Nenner der untersuchten theologischen Ausbildungskonzeptionen reklamieren. Die Anweisungsautoren in den jeweiligen Konfessionen sehen zwar das Theologiestudium eng mit der „ F r ö m m i g k e i t " („pietas") verbunden, suchen nicht nur die intellektuellen Potenzen des Studenten zu formieren, sondern mehr oder weniger auch sein religiöses Verhalten. Dabei wurde in allen Konzepten in der Tat die Frömmigkeit - wie schon bei Erasmus - als Studienethos gefordert, im Einzelnen freilich mit nicht unerheblichen Nuancen in der wesentlich aus bibelhermeneutischen Gründen geforderten Glaubenspraxis. Das Spektrum ist dabei recht weit und reicht vom Gebet um den Geist bei Luther bis hin zu bestimmten seelischen Dispositionen bei Erasmus oder frommen Verhaltensformen, von denen etwa Cruciger, Aisted oder auch Meisner das K o m m e n (und Bleiben) des Geistes abhängig denken. Zeigen sich schon hier unterschiedliche Vorstellungen von der illuminationsnotwendigen Praxis pietatis, so wird das humanistische Ideal der „eruditio et pietas" bei den Wittenberger Anweisungen des 1 7 . J a h r hunderts schließlich insgesamt brüchig - und die „pietas" zum gewiss immer gewünschten, aber eben nicht mehr aus dem Theologiebegriff selbst heraus zu legitimierenden „superadditum". Das lässt sich gerade an dem Wittenberger Versuch einer „via m e d i a " in der Verhältnisbestimmung von Theologie und Frömmigkeit im Blick auf die Person des Theologen zeigen. Die konfessionalisierungsbegrenzende Wirkung des Humanismus ist also vom hier untersuchten Quellenbefund her eher zurückhaltend zu beurteilen. M o c h t e n sich auch in der Ausbildungsrealität parallele Entwicklungen ergeben, die Ausbildungsideale der konfessionellen Autoren selber waren divergenter konzipiert, als es sich vielleicht en praxi umsetzen ließ.

Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen 1. Drucke aus den Jahren

1500-1800

Aisted, Johann Heinrich: COMPENDIUM || THEOLOGICUM, || Exhibens || MET H O D V M SS. || Theologiae || O C T O PARTIBUS || absolutam, & tribus Indi-||cibus instructam, || Authore || J O H A N N E HEN-||RICO ALSTEDIO. || [...] Hannover: Konrad Eifried, 1624. VD 17: (nicht bibliographiert); Exemplar: SLUB Dresden, Theol.ev.pol. 1208 d, 4) Aisted, Johann Heinrich: PRAECOGNI-||TORVM THEOLO-||GICORVM || LIBRI DVO: || Naturam Theologiae explican-||tes, & rationem studii illius plenis-||sime monstrantes. || [...]. Frankfurt/M.: Anton Humm, 1614. In: Aisted, Johann Heinrich: METHODVS || SACROSANCTAE || THEOLOGIAE || Octo libris tradita. || In quorum || I.II. PRAECOGNITA. || III. THEOLOGIA NATURALIS. || IV. THEOLOGIA CATECHETICA. || V. THEOLOGIA SCHOLASTICA. || VI. THEOLOGIA CAS W M . || VII. PROPHETICA. || VIII. ACROAMATICA. || Authore || IOHAN HENRICO ALSTEDIO || [...] Frankfurt/M.: Anton Humm, 1614. VD 17: 3:007725B; Exemplar: ULB Halle, AB 37 17/K, 13(1/2) Andreae, Jakob: ORATIO || DE INSTAVRA=||TIONE STVDII THEO=||LOGICI, IN ACADEMIA WITE=||bergensi, ad eam puritatem Doctrinae coelestis, || in qua, viuente D. Luthero, Doctores || Sacrarum Literarum pie con-||senserunt, || Recitata Witebergae 25. Aprilis ¡1 Anno 1577. || Per || IACOBVM ANDREAE D. || [...] Wittenberg: Johannes Krafft d.A., 1577. VD 16: A 2669; Exemplar: ULB Halle, Ung VI 67(3) Andreae, Jakob: ORATIO, || DE STVDIO || SACRARVM || LITERARVM. || IN ACADEMIA LIPSEN-||SI RECITATA || A || IACOBO ANDREAE D. || XX. Nouembris, || A N N O II 1576. || [...] Wittenberg: Matthäus Welack, 1577. VD 16: A 2674; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, H: C 187.8 Helmst.(3) [August von Sachsen (Kurfürst):] DEs Durchleuchtigsten/1| Hochgebornen Fürsten || vnd Herrn/ Herrn Augusten/ Hertzogen zu Sach=||sen/ des heiligen Römischen Reichs Ertz-

250

Quellen- und

Literaturverzeichnis

marschal=||chen vnd Churfürsten/ Landgraffen in Düringen/ || Marggraffen zu Meissen/ vnd Burggraffen || zu Magdeburg/1| Verordnung/1| Wie es in seiner Churf. G. beyden Vniuersiteten/1| zu Leipzig vnd Wittenberg/ mit lahr/ disciplin/1| vnd sonsten allenthalben/ jetzo vnd künfftig/ || gehalten werden sol. || 1580. In: [ders.:] DEs Durchlauchtigsten/ Hoch=||gebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Augusten/ || Hertzogen zu Sachsen/ des heiligen Römischen Reichs Ertzmarschalln/1| vnd Churfürsten/ Landgraffen in Düringen/ Marggraffen zu Meissen/ || vnd Burggraffen zu Magdeburg/ etc. || Ordnung/1| Wie es in seiner Churf. G. Landen/ bey den Kirchen/ mit || der lehr vnd Ceremonien/ deßgleichen in derselben beyden Vniuersiteten/ Consi=||storien/ Fürsten vnd Particular Schulen/ Visitation/ Synodis, vnd was || solchem allem mehr anhanget/ gehalten werden sol || [...] [S. CCCLXIII-CCCCXXXIIII] Leipzig: Hans Steinmann, 1580. VD 16: S 887; Exemplar: BSB München, 2 H.ref. 20 Bartholinus, Caspar: De || STUDIO || T H E O L O G I C O || COMPENDIARIA, || genuina tarnen ratione in-||coando & continuando || BREVE || CONSILIUM || Autore || CASP. BART H O L I N O || S.S. Theologiae D. & Prof. in || Acad. Hafn. Ordinario. || [...] Wittenberg: Johannes Hake, 1631. VD 17: 7 5 : 6 5 0 1 6 6 B ; Exemplar: SLUB Dresden, Theol. gen. 57 Berckelmann, Theodor: ISAGOGE THEOLOGICA, || De || STVDIO THEO-||LOGIAE || recté inchoando 8c continuando, || QVINQVE DISSERTATIONIBVS || COMPREHENSA, || ET || Ilpóg otxo8ojir)v xa'i ex^iüJfúpeaiv || publica disquisitioni proposita || ä || T H E O D O R O BERCKEL- || M A N N O , S.S. Theolog. D. || & Prof. publ. || IN ILLVSTRI IVLIA, || [...] Helmstedt: Jakob Lucius (Erben), 1619. VD 17: 2 3 : 2 7 9 6 6 8 F ; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, 5 5 2 . 1 6 Quod.(3) Buddeus, Johann Franz: IO. FRANCISCI BVDDEI || T H E O L . D . ET P.P. || ISAGOGE || HISTORICO-THEOLOGICA || AD || T H E O L O G I A M VNIVERSAM || SINGVLASQVE EIVS PARTES, || NOVIS SVPPLEMENTIS || AVCTIOR. || [...] Leipzig: Thomas Fritsch, 1730. Exemplar: Bibliothek der Augustana-Hochschule Neuendettelsau, Theol. Allg. 4 Calov, Abraham: I.N.J. || D. ABRAHAM CALO VI || PROFESS. THEOLOGI, || CIRCULI E L E C T O R . SAXONICI || Superintendentis Generalis, || & Consistorii Ecclesiastici || Adsessoris || PAEDIA || THEOLOGICA || De || M E T H O D O STUDII || THEOLOGICI || PIE, D E X T R E , FELICITER || TRACTANDI, || Proposita || In Electorali Universitate || Wittebergensi. || [...] In: Calov, Abraham: I.N.J. || ISAGOGES || AD || SS. T H E O L O G I A M || LIBRI DUO, || De || NATURA THEOLOGIAE, || ET || M E T H O D O STUDII THEO-||LOGICI, PIE, DEXT R E , AC FE-||LICITER TRACTANDI, || Cum examine Methodi Calixtinae. || AUTORE || ABRAHAM CALO VIO, || [...] Wittenberg: Andreas Hartmann, 1652. VD 17: 2 3 : 6 4 3 2 9 8 B ; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, 815.23 Th.(3)

Quellen

251

Calov, Abraham: I . N . J . || A B R A H A M CALOVI D. IN ACAD. || W I T E B E R G . P . P . E T E L E C T O R . S A X O N . |[ S U P E R I N T E N D . G E N E R . || S Y S T E M A || L O C O R U M T H E O L O G I C O R U M , || è Sacra Scripturä, 8c Antiquitate, || nec non adversariorum confessione, || D O C T R I N A M , P R A X I N , || & Controversiarum Fidei, || Cum Veterum, tùm imprimis recentiorum pertractationem || luculentam exhibens, || T O M U S PRIMUS GENERALIS || De Natura Theologiae, Religione, || Revelatione divina, Scripturä S. & Articulis || fidei in genere. || C U M E X A M I N E || NOVAE T H E O L O G I A E C A L I X T I N A E , || Adjicitur in fine Capitum Quaestionum &C materiarum, || locorum item Scripturae, Autorum, ut & Rerum || & Verborum Indices. || [...] Wittenberg: Andreas Hartmann, 1 6 5 5 . V D 17: 3 : 0 0 7 0 2 4 F ; Exemplar: W L B Stuttgart, Theol. 4 ° 1 2 7 5 Chytraeus, David: O R A T I O DAVID. CY=||threi[!] in repetitionem locorum com||munium D. Philippi, habita Vuitebergae || Anno Christi. 1 5 4 9 . In: SELECTA||RVM DECLAMATIO||num, Professorum Academiae || Ienensis. || T O M V S P R I M V S . || EDITVS A M . I O H A N N E GO=||niaeo Q. Argentora-||tense. I.C. || [...] [S. 4 5 0 - 4 7 4 ] Straßburg: Blasius Fabricius Chemnitz, 1 5 5 4 . V D 16 (nicht bibliographiert); Exemplar: HAB Wolfenbüttel, Q 2 0 5 Heimst. 8° Förster, Johann: C O N S I L I U M || J O H . F O R S T E R I , SS. Th. D. || de Studio Theologico ritè || instituendo & absolvendo. In: Hülsemann, Johann: J o h . Hulsemanni, || Doctoris Theologi in Academia || Wittebergensi, || M E T H O D U S C O N C I O N A N D I , || [...], S . 4 1 8 - 4 3 5 . Förster, Johann: O R A T I O P A N E G Y R I C A || D E D O C T O R A T V E T || C O N I U G I O B. LU||THERI, || Opposita Calumniis ac sophisticationibus frivolis || I A C O B G R E T S E R I , factionis Anti-||Iesuiticae Socio, || habita || in inauguratione Doctorali, viri Reverendi || ac praestabilis, Domini || BALTHASARIS M E I S N E R I || Philosophiae Practicae in Academiae Wi=||tebergensi, Professoris publici, || à || I O H A N N E F Ö R S T E R O SS.Th. || Doctore ac Professore Ordinario. || Superaddita sunt &C alia ad solennitatem || illam spectantia. || [...] Wittenberg: Georg Müller d.Ä., 1 6 1 2 . V D 17: 1 2 : 1 4 3 9 6 2 P ; Exemplar: SSB Augsburg, 4 Bio 3 0 5 Gerhard, Johann: M E T H O D U S || STUDII THEO-||LOGICI || Publicis praelectionibus in Aca-||demia Jenensi Anno 16171| exposita || à || J O H A N N E GER-||HARDO S. T H E O L O GIAE || Doctore & in Academia Jenensi || Professore. || [...] Jena: Tobias Steinmann, 1 6 2 0 . V D 17: 2 3 : 2 4 5 1 3 1 D ; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, 3 1 9 . 1 5 7 Th.(2) Hafenreffer, Matthias: Loci Theolo-||gici: || CERTA M E T H O D O || AC R A T I O N E , IN || Tres libros tributi. || Q V I || E T R E R V M || THEOLOGICA-||RUM S U M M A S , SUIS || S C R I P T U R A E TESTIMO-||nijs confirmatas, breuiter continent: earumque || Christianam Praxin paucis commonstrant: ac || nostri denique seculi praecipuas || ETepoÖLÖaaxaXiag fideliter || exponunt. || [...] Tübingen: Georg Gruppenbach, 1 6 0 0 . V D 16: H 1 5 2 ; Exemplar: BSB München, Dogm. 4 6 4

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Quellen- und

Literaturverzeichnis

Hülsemann, Johann: Joh. Hulsemanni, || Doctoris Theologi in Academia || Wittebergensi, || METHODUS CONCIONANDO || auctior edita. || Cui accesserunt Ejusdem Autoris || METHODUS STUDII THEOLOGICI, IN || privatum quorundam usum conscripta; || NEC N O N || Doctoris JOHANNIS FORSTERI, || Methodus ac formulae concionandi, || Eiusdemq; & || D.D. LEONHARTI HUTTERI, ac || BALTHASARIS MEISNERI || Celeberrimorum quondam in eädem Acade-||miä Doctorum & Profeßorum. || CONSILIA || De studio Theologico, & lectione Biblica rectè || instituendis, || Ob argumenti similitudinem in unum volumen || collecta; & impressa. Editio Tertia. || [...] Wittenberg: Johann Berger, 1648. VD 17: 2 3 : 6 6 9 0 9 7 R ; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, Ti 237 Hülsemann, Johann: METHODUS STUDII || THEOLOGICI. In: Hülsemann, Johann: Joh. Hulsemanni, || Doctoris Theologi in Academia || Wittebergensi, || METHODUS CONCIONANDI, || [...], S . 2 6 3 - 3 2 8 . Hütter, Leonhart: CONSILIUM. || LEONHARTI HUTTERI, || SS. Theologiae D. ejusdemque in Aca-||demia Witebergensi P.P. || De || Studio Theologico rectè inchoando feli||citerque continuando. In: Hülsemann, Johann: Joh. Hulsemanni, || Doctoris Theologi in Academia || Wittebergensi, || METHODUS CONCIONANDI, || [...], S . 3 9 7 - 4 1 7 . Hunnius, Ägidius: EPITOME BIBLICA, VEL || S V M M A R I V M || COMPRE=||HENDENS SVMMAS || BREVES ET ARGVMENTA || capitum totius sacrae historiae ueteris Testamenti Ca=||nonicae, in cum finem tendens & spectans, ut huius || Enchiridij beneficio partem istam S. Bibliorum hi=||storicum uelut in synopsi ob oculos positam ha=||bere, & summatim recolere sub=||inde liceat. || AVTORE ]| Egidio Hunnio, sacrae || T H E O L O GIAE D O C T O R E ET || Professore in Academia Mar-||purgensi. || [...] Marburg: Augustin Kolbe, 1583. VD 16: H 6067; Exemplar: WLB QuN 818(1) Hyperius, Andreas: De rectè forman||do Theologiae || studio, libri || IUI, || [...] Basel: Johannes Oporinus, 1556. VD 16: G 1419; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, M: Ta 45(1) [Lünig, Johann Christian:] C O D E X || AUGUSTEUS, || Oder || Neuvermehrtes || CORPUS JURIS || SAXONICI, || Worinnen || Die in dem || Churfürstenthum Sachsen || und darzu gehörigen Landen, || Auch denen || Marggrafthümern || Ober= und Nieder=Lausitz, || publicirte und ergangene || CONSTITUTIONES, DECISIONES, || MANDATA und Verordnungen enthalten, || Nebst einem ELENCHO, dienlichen Summarien und || vollkommenen Registern, || [...] || von || Johann Christian Lünig. || [...] [Theil 1] Leipzig: Friedrich Gleditsch (Sohn), 1724. Exemplar: ULB Halle, Pon Ve 264,2(1) Martini, Jakob: PAEDIA || Seu || PRUDENTIA IN DI=||SCIPLINIS GENERALIS, || Ante aliquot annos A-||cademicis praelectionibus in magna studiosorum frequentiä proposita,

Quellen

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hacte-||nus à multis desiderata, & nunc demum || in usum tàm docentium, quam discen||tium recognita, in quinque li-||bros tributa, & publici || juris facta || J A C O B O MARTINI SS-II Theol.Doctore. || [...] Wittenberg: Clemens Berger d.Ä. (Erben), 1631. VD 17: 3 : 0 0 6 8 3 2 M; Exemplar: BPS Wittenberg, Ph.8°.167(l) Matthäus, Johann: ORATIO || DE STVDIO || Theologico non || deserendo: || Habita à || J O H A N N E MATTHAEO || [...] Wittenberg: Simon Gronenberg, 1580. VD 16: ZV 16024; Exemplar: SUB Göttingen, 8 SVA III, 2680:3(9) Meisner, Balthasar: Brevis Instructio de || Lectione Biblica & Locis || Communibus. || B.D. BALTHASARIS MEIS-||NERI, Praelecta mense Martio || Anno 1614. In: Hülsemann, Johann: Joh. Hulsemanni, || Doctoris Theologi in Academia || Wittebergensi, || METHODUS CONCIONANDI, || [...], S . 4 3 5 - 4 4 8 . Meisner, Balthasar: PHILOSOPHIA || SOBRIA, || Hoc est: || PIA CONSIDE-||RATIO QUAESTIONUM || PHILOSOPHICARUM, IN || Controversiis Theologicis, quas || Calviniani moverunt Ortho-||doxis, subinde occur-||rentium. || AUCTORE || M. BALTHASARIS MEISNERO || DRESDENSI. || [...] [Pars Prima] Gießen: Nicolai Hempel, 1611. VD 17: 3 9 : 1 4 9 9 3 4 L ; Exemplar: BSB München, Polem. 1805 Meisner, Balthasar: PARS TERTIA || PHILOSOPHIAE || SOBRIAE, || In qua || PROBLE=||MATA ETHICA || ET POLITICA, IN CON-||TROVERSIIS PAPISTICIS || subinde occurrentia, studiosè discutiuntur; || Cui praefixa est praefatio, De gravissi-||ma servitutè Magistratus in || Papatu. || AUCTORE || BALTHASARE MEISNERO, || SS. Theolog. Doct. & in Witteb. || Acad. Prof. P. || [...] Wittenberg: Kaspar Heyden, 1623. VD 17: 7 5 : 6 6 5 6 3 5 B ; Exemplar: WLB Stuttgart, Theol. 8° 11876 Meisner, Balthasar: PRAECOGNITORUM THEO-||LOGICORUM || DISPVTATIO I. || DE GENERA-HLIBUS REQUISITIS || VERI THEOLOGIAE STU-||DIOSI, || Quam || Annuente Altißimo || Sub || PRAESIDIO || BALTHASARIS MEIS-||NERI, SS. Th. D. & P.P. || Ad disputationem placidam, in minori || Auditorio habendam || Proponit || M. JOHANNES MICHAELIS || Wittebergensis. || Habebitur die 16. Martij, horis pomeridianis. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1625. VD 17 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, LC V 1 2 2 / l a Meisner, Balthasar: PRAECOGNITORUM THE-||OLOGICORUM || DISPVTATIO II. || DE ADMINI-IICULIS STUDII THE-||OLOGICI, || Quam || Sub || PRAESIDIO || Reuerendi admodum, Clarißimi Sc || Excellentißmi Viri || BALTHASARIS MEIS-||NERI, S.S. Theol. D. & P.P. || Ad disputationem placidam, in minori || Auditorio habendam || Proponit || M . JOHANNES Stral/ Saga-1| nensis Silesius. || Habebitur die 30. Martij, horis pomeridianis. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1625. VD 17 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, LC V 1 2 2 / l b

254

Quellen- und

Literaturverzeichnis

Meisner, Balthasar: P R A E C O G N I T O R U M THE-||OLOGICORUM || DISPVTATIO III. || D E MEDIIS, || Quibus comparari potest || GENERALIS E T E X O T E R I C A || T H E O L O GIAE C O G N I T I O || Quam || Annuente Altißimo || Sub || PRAESIDIO || BALTHASARIS M E I S N E R I , || S.S. Theol. D. 8c Prof.Publ. || Ad au^r|Triaiv placidam || in Minori Auditorio habendam || Proponit || M . CHRISTIANUS R E I N H A R T U S || Wittebergensis. || Ad Diem 2 0 . Aprilis, Horis pomeridianis. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1 6 2 5 . V D 17 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, LC V 122/lc Meisner, Balthasar: P R A E C O G N I T O R U M THE-||OLOGICORUM || DISPVTATIO IV. || D E PRIMIS || Q U A T U O R MEDIIS || SPECIALIS E T ACROAMA-||TICAE C O G N I T I O NIS THE-||OLOGIAE, || Quae sunt, || Accurata Scripturae SS. lectio, || Librorum Symbolicorum evolutio, || Controversiarum piena pertractatio, || Locorum practicorum collectio. || Quam, || Annuente Altissimo || SUB PRAESIDIO || BALTHASARIS MEIS-||NERI, S.S. Theol. D. & P.P. || Ad placidam ov^r|tr|aiv in Auditorio minori || Proponit || M . C H R I STIANUS Grosius || Wittebergensis. || Die 6. Aprilis, horis pomeridianis. || [...) Wittenberg: Johannes Gormann, 1 6 2 5 . V D 17 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, LC V 122/ld Meisner, Balthasar: P R A E C O G N I T O R U M THE-||OLOGICORUM || DISPVTATIO V. || D E SEQUEN-||TIBUS Q U A T O U R ME-||DIIS SPECIALIS E T ACROA-||MATICAE COG N I T I O N I S || T H E O L O G I A E , || Quae sunt, || Consiliorum Theologicorum annotatio, || Historiae Ecclesiasticae cognitio, || Theologiae Scholasticae & Causidicae cognitio. || Quam, || Annuente Altissimo || SUB PRAESIDIO || Dn. BALTHASARIS MEIS-||NERI, S.S. Theol. D. & P.P. || Ad placidam ou^xriaiv, || Proponit || M . J O H A N N E S Z E I S O L DUS || Altenburgo-Misnicus. || Ad 14. Aprilis. || In Auditorio Minori. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1 6 2 5 . V D 17 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, LC V 122/le Meisner, Balthasar: P R A E C O G N I T O R U M THE-||OLOGICORUM || DISPVTATIO VI. || DE T R I B U S RE-||LIQUIS MEDIIS AC-||CURATAE C O G N I T I O N I S THE-||OLOGICAE, Q U A E SUNT.I. PRAELE-||CTIONUM A L I Q U O T P U B L I C A R U M || F R E Q U E N S E T ASSIDUA AUSCULTA-IITIO. II. E X E R C I T I A DISPUTA-||TORIA, E T III. E X E R C I TIA || C O N C I O N A T O RIA. || Quam || Deo Trinuno auspice || SUB PRAESIDIO || Dn. BALTHASARIS M E I S N E R I , || S.S. Theol. Doct. & Prof.P. Praeceptoris sui vultu || quo decet aeviternum suspiciendi, || In Incluta Wittebergensi Academia || placidae collationi subiicit. || M . CASPARUS C O N R A D U S SAHERUS Curia-||Variscus S.S. Theol. Studios. || Ad diem 2 7 . April, horis pomeridianis || in Collegio Veteri. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1 6 2 5 . V D 17 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, LC V 122/lf Meisner, Balthasar: P R A E C O G N I T O R U M THEO-||LOGICORUM || DISPVTATIO VII. || D E PRAECIPUIS || T E R M I N I S THEO-||LOGICIS, || Quam || Annuente Altißimo || Sub || PRAESIDIO || BALTHASARIS M E I S N E R I , || S.S. Theol. D. & Prof. Pubi. || Ad OT^iìttiolv placidam || In Minori Auditorio habendam || Proponit || M . BALTHASAR BALDUINUS || Dresdensis Misnicus. || Ad Diem 1. Junij, Horis pomeridianis. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1 6 2 5 . V D 17 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, LC V 122/lg

Quellen Meisner, Balthasar: P R A E C O G N I T O R U M

THEO-||LOGICORUM

255 || D I S P V T A T I O

VIII. || D E || T H E O L O G I A E || A P P E L A T I O N I B U S , || SPECIEBUS, G E N E R E , CAU-||SIS, & D E F I N I T O N E , || Q u a m || D E O feliciter annuente, || SUB Praesidio || Balthasaris Meisneri, || S.S. Theol. D. & Prof. Pubi. || Ad placidam ouir|Tr|aiv || Proponit || M . J A C O B U S S T O L T E R F O H T || L U B E C E N S I S , || Habebitur in Auditorio Minori || Die 2 2 M a j i , Horis pomeridianis. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1 6 2 5 . V D 1 7 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, L C V 1 2 2 / l h Meisner, Balthasar: P R A E C O G N I T O R U M T H E O - | | L O G I C O R U M || D I S P V T A T I O I X . || D E || A T T R I B U T I S , || USIBUS, M O D I S PRO-||PAGANDI, C O M P A R A T I O N E || C U M R E L I Q U I S DISCIPLINIS, E T || OPPOSITIS T H E O L O G I A E , || Q u a m || D E O D U C E E T AUSPICE || In Illustri Academiä W i t t e b e r g e n s i || SUB Praesidio || D N . Balthasaris Meisneri, || S.S. Theol. D. & Prof. Pubi. Praeceptoris sui || summoperè colendi, || Ventilandam & examinandem || Proponit || M . G O T H O F R E D U S B A R T H I S I U S , || Suidniciensis Silesius. || Ad diem 8. Junij Collegio Veteri. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1 6 2 5 . V D 1 7 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, L C V 1 2 2 / l i Meisner, Balthasar: P R A E C O G N I T O R U M T H E O - | | L O G I C O R U M || D I S P V T A T I O X . || D E V E R A PAR-IITITIONE THEOLO-||GIAE V E L A C C U R A T I SY-||STEMATIS T H E O L O G I C I . || Q u a m || Ter maximi ac trinunius J E H O V A E || auspiciis || SUB P R A E S I D I O || B A L T H A S A R I S M E I S N E R I , || S.S. Theol. D . & Prof. Pubi. || Ad placidam o ^ t ì t t i c r v in Auditorio minori || Proponit || G O T T F R I D U S O L E A R I U S , || Hallensis Saxo. || Die 2 9 . Junij, Horis pomeridianis. || [...] Wittenberg: Johannes Gormann, 1 6 2 5 . V D 1 7 (nicht bibliographiert); Exemplar: BPS Wittenberg, L C V 1 2 2 / l k Osiander, Lukas d.Ä.: D. Lvcae Osiandri || Theologi Olim Wvrtembergici Celeberrimi || De || Stvdiis Verbi Divini || Ministrorum Privatis || Recte Institvendis || Admonitio. || [...] || Accedvnt || Alia Qvaedam Similis Fere Argvmenti, || Phil. Melanchthonis et Casp[aris] Crvcigeri || nec non || Ineditarvm Hactenvs Aliqvot Cl. Virorvm || Epistolarvm Decas. || [...] Frankfurt, Leipzig: Georg M a r k u s Knoch, 1 7 3 3 . Exemplar: W L B Stuttgart, Theol.qt. 5 1 7 9 [Osiander, Lukas d.Ä.:] Quinque Libri Moysis || I V X T A VETE=||REM SEV W L G A ||TAM T R A N S L A T I O N E M , A D || H E B R A E A M V E R I T A T E M EMENDA-||ti, & breui ac perspicua Explicatione illustrati, insertis etiam [j praecipuis locis communibus in lectione sa-||cra obseruandis. || Lucas Osiander D. || Rationem totius nostri instituti ex altera praefatione huius || P R I M I Tomi intelliges. || [...] Tübingen: Georg Gruppenbach, 1 5 7 8 . V D 16: B 2 6 4 5 ; Exemplar: U B München, 4 ° Bibl. 9 7 6 ( 1 ) Schmuck, Vincentius: Bibelbüchlin. || Deutsche Monosticha || auff alle vnd ¡gliche Capitel aller || Bücher heiliger Schrifft / Altes vnd || Newes Testaments. || Darneben die vornemsten Sprüche || aus jglichem Buch. || Z u ende mit einem sonderlichen Register / dar=||innen die Sprüche vnd fürnemste Historien || vnter ihre Locos gezogen werden. || Gestellet durch || M . Vincentium Schmuck /1| Diener am wort Gottes zu Leipzig. || [...]

256

Quellen- und

Literaturverzeichnis

Leipzig: Michael Lantzenberger, 1601. VD 17: (nicht bibliographiert); Exemplar: SSB Augsburg, ThEx 857 Semler, Johann Salomo: D. Joh. Salom. Semlers || Versuch || einer || nähern Anleitung || zu nützlichem Fleisse || in || der ganzen Gottesgelersamkeit || für angehende || Studiosos Theologiae. || [...] Halle/S.: Johann Justinus Gebauer, 1757. Exemplar: ULB Halle, Ia 1614(1/3) Semler, Johann Salomo : D. Johan Salomon Semlers || erster Anhang || zu dem || Versuch einer Anleitung || zur || Gottesgelersamkeit, || enthaltend || eine || historische und theol. Erleuterung || des alten Ausspruchs || oratio, meditatio, tentatio || faciunt theologum, || in || einer Zuschrift an seine Zuhörer, || worin er seine Vorlesung anzeigt. || [...] Halle/S.: Johann Justinus Gebauer, 1758. Exemplar: ULB Halle, Ia 1614(1/3) Spangenberg, Johann: MARGARI=||TA THEOLOGI||CA, C O N T I N E N S || PRAECIPVOS L O C O S D O C T R I N A E || christianae, per quaestiones, breuiter & || ordine explicatos, omnibus Pastori=||bus, uerbi preconibus & ecclesiae || ministris summe utilis & || necessaria. || A V T O R E I O A N N E SPANGEBER=||GO, HERDESSIANO, APVD || Northusanos uerbi ministro.|| Cum praefatiuncula D. CASPARIS || Crucigeri.|| [...] Leipzig: Michael Blum, 1540. VD 16: S 7842; Exemplar: ULB Halle, Pon Iii 1125 s) Strigel, Victorin: E N C H I R I D I O N || T H E O L O G I C U M . || IN Q V O C O N T E N T V R LI||BELLI IN VSVM T Y R O - | | N U M T H E O L O G I A E : || Scripti || ä Viro Ciariß: memoriae || V I C T O R I N O STRIGELIO || [...] Bremen: Dietrich Gloichstein, 1584. VD 16: S 9580; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, Alv Aa 79 (1) [Strigel, Victorin:] O R A T I O N V M || CLARISSI=||MI VIRI D. VICTORI=||NI STRIGELII || T O M V S SECVUNDVS: || C O N T I N E N S SYL=||VAM DELECTAM EX OM=||ni genere doctrina earum declamationum, qua di-||gnitate, vtilitate, splendoreque ac suauitate || plurimum eminere videntur: Ac re-||spondens priori edito Ar-||gentina. || PRAETEREA: || EIVSDEM AVCTORIS VA-||ria formandi studij consilia, amicis ac discipulis in Academia Ie-||nensi olim proposita. || [...] Jena: Leonhard Wipprecht, 1589. VD 16: S 9639; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, Alv Cb 2 7 7 Suevus, Gottfried: ACADEMIA WITTE-||BERGENSIS || AB || Anno Fundationnis[!] || M D II. || Festo Divi Lucae die XIIX. Mens. || Octobr. usque ad Annum, || M D C LV. || Q u o ipso, supra seculi sui secundi dimidium, || annos tres complevit; || C O N T I N E N S || Privilegium Imperatoris, Bul-||lam Papalem, Conservatoria, N o m i n a Rectorum, || Illustrium, N o bilium, aliorumque egregiorum una cum || N u m e r o Inscriptorum. Catalogo Professorum & Promoto-||rum memorabilium annotatione. || ACCESSERUNT || INSCRIPTIONES WITTEBERGENSES, || usq; ad d. annum M D C LV. || EDITORE || G O T T F R I E D O SUEV O , Leorino Siles. || [...] Wittenberg: Michael Wendt, 1655. VD 17: 23:252636K; Exemplar: BPS Wittenberg, Her 401/2

Quellen

257

Walch, Johann Georg: IO. G E O R G I I WALCHII || B I B L I O T H E C A || T H E O L O G I C A || SELECTA || LITTERARIIS A D N O T A T I O N I B V S || I N S T R V C T A || T O M V S P R I M V S || [•••] Jena: Croecker (Erben), 1 7 5 7 . Exemplar: HAB Wolfenbüttel, M : Ta 133a Weller, Hieronymus: R A T I O || formandi studij || T H E O L O G I C I . || I T E M : || De modo & ra=||TIONE CON=||cionandi. || [...] Nürnberg: Johannes Berg und Ulrich Neuber, 1563. V D 16: W 1 8 3 1 ; Exemplar: HAB Wolfenbüttel, H: K 3 1 2 . 8 Helmst.(3) Witte, Henning: M E M O R I A E || T H E O L O G O R U M || N O S T R I SECULI, || CLARISSIM O R U M || RENOVATAE || DECAS [...] || curante || M . H E N N I N G O W I T T E N . || [...] Bd. 1: Decas 1 (1674)-Decas 6 (1675); Bd. 2: Decas 7 (1684)-Decas 16 ( 1 6 8 5 ) Frankfurt/M.; Königsberg: Martin Hallervord, 1 6 7 4 - 1 6 8 5 . V D 17: 2 3 : 2 4 3 0 2 7 D ; Exemplar: BSB München, Biogr.c. 3 5 4 ; Biogr.c. 3 5 1 [Wittenberg, Universität:] S C R I P T O R V M || PVBLICE || P R O P O S I T O R V M || A PROFESSORIBVS IN || Academia Vvitebergensi, Ab || anno 1 5 4 0 . usq; ad an=||num 1 5 5 3 . || T O M V S || P R I M V S . || [...] Wittenberg: Georg Rhau Erben, 1 5 6 0 . V D 16: W 3 7 6 2 ; Exemplar: BPS Wittenberg, 8° A . L . 1 2 0 8 [Wittenberg, Universität:] S C R I P T O R V M || PVBLICE || P R O P O S I T O R V M || A G V B E R N A T O R I B V S || studiorum in Academia || Witebergensi. || T O M V S || S E C V N D V S . || C O M P L E C T E N S AN=||num 1 5 5 3 . & tres sequentes. || [...] Wittenberg: Georg Rhau Erben, 1 5 6 2 . V D 16: W 3 7 6 3 ; Exemplar: BPS Wittenberg, 8° A.L. 1 2 0 9 [Wittenberg, Universität:] S C R I P T O R V M || PVBLICE || PRO=||POSITORVM A GV=|| B E R N A T O R I B V S STV=||diorum in Academia Witte=||bergensi. || T O M V S || T E R T I V S . || C O M P L E C T E N S AN=||num 1 5 5 6 . & tres se=||quentes. || [...] Wittenberg: Lorenz Schwenck, 1 5 6 8 . V D 16: W 3 7 6 5 ; Exemplar: BPS Wittenberg, 8° A.L. 1 2 1 0 [Wittenberg, Universität:] S C R I P T O R V M || PVBLICE || P R O P O S I T O R V M || A G V B E R N A T O R I B V S || studiorum in Academia || Witebergensi. || T O M V S || QVARTVS. || C O M P L E C T E N S AN=||num 1 5 5 9 . & duos sequentes vsq; || ad Festum Michaelis. || [...] Wittenberg: Georg Rhau Erben, 1 5 6 1 . V D 16: Z V 1 5 5 6 8 ; Exemplar: BPS Wittenberg, 8° A.L. 1 2 1 1 [Wittenberg, Universität:] S C R I P T O R V M || PVBLICE || P R O P O S I T O R V M || a Gubernatoribus studiorum in Academia || Witebergensi. || T O M V S || Q V I N T V S . || C O M P L E C T E N S T E M P V S || a 15 Calend: Octobris, quae est dies Lucae || Euangelistae, Anni 1 5 6 1 . usq; ad || eundem diem Anni 1 5 6 3 . || [...] Wittenberg: Hans Lufft, 1 5 6 4 . V D 16: W 3 7 6 4 ; Exemplar: BPS Wittenberg, 8° A.L. 1 2 1 2

258

Quellen- und

Literaturverzeichnis

[Wittenberg, Universität:] S C R I P T O R V M || PVBLICE || P R O P O S I T O R V M || A G V B E R N A T O R I B V S || studiorum, in Academia || Witebergensi. || T O M V S || S E X T V S . || C O M P L E C T E N S T E M P V S || ä die LVCAE EVANGELISTAE, || Anni 1 5 6 3 , vsq; ad Calendas M a i j , qui || dies est sanctorum Apostolorum || Philippi & Iacobi, Anni || 1 5 6 6 . || [...] Wittenberg: Johann Schwertel, 1 5 6 8 . V D 16: Z V 1 5 5 6 9 ; Exemplar: BPS Wittenberg, 8° A.L. 1 2 1 3 a [Wittenberg, Universität:] S C R I P T O R V M || PVBLICE || P R O P O S I T O R V M || A G V B E R N A T O R I B V S || studiorum doctrinae in Academia || Witebergensi. || T O M V S || SEPT I M V S . || C O M P L E C T E N S EA, QVAE PRO=||posita fuere à Calend. Maij, Anni Iesu Christi || M . D . L X V I . usq; ad Calend. M a i j , Anni || M . D . L X I X . || [...] Wittenberg: Clemens Schleich und Anton Schöne, 1 5 7 2 . V D 16: Z V 1 5 5 7 0 ; Exemplar: BPS Wittenberg, 8° A.L. 1 2 1 4

2. Drucke aus den Jahren

1800ff.

[Augustinus, Aurelius:] Sancti Avrelii Avgustini De Doctrina Christiana. De Vera Religione (CChr.L 32; Avrelii Avgvstini Opera 4 , 1 ) , Turnhout 1 9 6 2 . Album Academiae Vitebergensis, Bd 1: 1 5 0 2 - 1 5 6 0 , hg. von Carl Eduard Foerstemann, Leipzig 1 8 4 1 ; Bd. 2 : 1 5 6 0 - 1 6 0 2 , hg. von Otto Hartwig, Halle/S. 1 8 9 4 ; Bd. 3, Index, hg. von Karl Gerhard, Halle/S. 1 9 0 5 , Reprint Aalen 1 9 7 6 . Aisted, Johann Heinrich: Encyclopaedia. Septem tomis distincta, mit einem Vorwort von Wilhelm Schmidt-Biggemann und einer Bibliographie von Jörg Jungmayr, Bd. 1 - 4 , Stuttgart-Bad Cannstatt 1 9 8 9 - 1 9 9 0 . Aristoteles: Ethica Nicomachea, ed. I. Bywater (Scriptorum classicorum bibliotheca O x o niensis), Oxford s.a. Brant, Sebastian: Narrenschiff, hg. von Friedrich Zarncke, Leipzig 1 8 5 4 , Reprint Darmstadt 1 9 7 3 . Calixt, Georg: Werke in Auswahl, hg. von der Abteilung für Niedersächsische Kirchengeschichte an den Vereinigten Theologischen Seminaren der Universität Göttingen, Bd. 1—4, Göttingen 1 9 7 0 / 1 9 7 2 / 1 9 7 8 / 1 9 8 2 . Conciliorum Oecumenicorum Decreta, curantibus Josepho Alberigo et aliis consultante Huberto Jedin, 3. Aufl., Bologna 1 9 7 3 ; Dekrete der Ökumenischen Konzilien, im Auftrag der Görres-Gesellschaft ins Deutsche übertragen und hg. unter Mitarbeit von Gabriel Sunnus und Johannes Uphus von Josef Wohlmuth, Bd. 1 - 3 , Paderborn u.a. 1 9 9 8 /

2000/2002. Corpus iuris canonici, Editio Lipsiensis secunda post Aemilii Ludouici Richteri curas ad librorum manu scriptorum et editionis Romanae fidem recognouit et adnotatione critica instruxit Aemilius Friedberg, Teil 1: Decretum Magistri Gratiani, Leipzig 1 8 7 9 . Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession, 9. Aufl., Göttingen 1 9 8 2 . Die evangelischen Kirchenordnungen des X V I . Jahrhunderts, begr. von Emil Sehling. Fortgeführt von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, hg. von Gottfried Seebaß und Eike Wolgast, Bd. 1 ff., Leipzig 1 9 0 2 - 1 9 1 3 ; Tübingen 1 9 5 5 f f . Eck, Johannes: Epistola de ratione studiorum suorum (1538); Wolph, Erasmus: De obitu Ioan. Eckii adversus calumniam Viti Theodorici (1543), hg. von Johannes Metzler (CCath 2), Münster 1 9 2 1 .

Quellen

259

Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften. Lateinisch und deutsch, hg. von Werner Welzig, Bd. 1 - 8 , 2. Aufl., Darmstadt 1 9 9 0 . [Erasmus von Rotterdam:] Desiderius Erasmus Roterodamus. Ausgewählte Werke, in Gemeinschaft mit Annemarie Holborn hg. von H a j o Holborn, M ü n c h e n 1933, Reprint Darmstadt 1964. [Erasmus von Rotterdam:] Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami recognita et adnotatione critica instructa notisque illustrata, Bd. 1 ff., A m s t e r d a m 1 9 6 9 f f . [Francke, August H e r m a n n : ] August Hermann Franckes Schrift über eine Reform des Erziehungs- und Bildungswesens als Ausgangspunkt einer geistlichen und sozialen Neuordnung der Evangelischen Kirche des 18. Jahrhunderts. Der Große Aufsatz, mit einer quellenkundlichen Einführung hg. von Otto Podczeck (ASAW.PH 53,3), Berlin 1 9 6 2 . Friedensburg, Walter (Bearb.): Urkundenbuch der Universität Wittenberg, 2 Teile (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt N . R . 3), M a g d e b u r g 1926. [Gerhard, J o h a n n : ] Ioannis Gerhardi Loci theologici c u m pro adstruenda veritate tum pro destruenda quorumvis contradicentium falsitate per theses nervöse solide et copiose explicati. Opus praeclarissimum novem tomis comprehensum denuo juxta editionem principem accurate typis exscribendum curavit adjectis notis ipsius Gerhardi posthumis a filio collectis editionibus ann. 1 6 5 7 et 1 7 6 7 collatis paginis editionis Cottae in margine diligenter notatis praefationem indices generales post G.H. M u l l e r u m adauctos ac vitam Io. Gerhardi adjecit Ed. Preuss, Bd. 1 - 1 0 (Bibliothek classischer Theologie in wohlfeilen Ausgaben 9 - 1 8 ) , Berlin 1 8 6 3 - 1 8 7 5 . Gerson, J e a n : Œuvres complètes, ed. Palémon Glorieux, Bd. 1 - 1 0 , Paris u . a . 1 9 6 0 - 1 9 7 3 . Hollaz, David: Examen theologicum a c r o a m a t i c u m , Bd. 1 - 2 , Stargard 1 7 0 7 , Reprint Darmstadt 1 9 7 1 . Hutter, Leonhard: C o m p e n d i u m Locorum Theologicorum, hg. von W o l f g a n g Trillhaas (KIT 183), Berlin 1 9 6 1 . Israël, Friedrich: Das Wittenberger Universitätsarchiv, seine Geschichte und seine Bestände. Nebst den Regesten der Urkunden des Allerheiligenstiftes und den Fundationsurkunden der Universität Wittenberg (Forschungen zur thüringisch-sächsischen Geschichte 4), Halle/S. 1913. K u s u k a w a , Sachiko: A Wittenberg University Library Catalogue of 1 5 3 6 (Libri Pertinentes 3) (Médiéval & Renaissance Texts & Studies 142), Binghamton 1 9 9 5 . Leben des J a k o b Andreae, Doktor der Theologie, von ihm selbst mit großer Treue und Aufrichtigkeit beschrieben, bis auf das J a h r Christi 1 5 6 2 , eingeleitet, hg. und übersetzt von H e r m a n n Ehmer (QFWKG 10), Stuttgart 1 9 9 1 . Liber Decanorum Facultatis Theologicae Academiae Vitebergensis, ex a u t o g r a p h o ed. Carl Eduard Foerstemann, Leipzig 1838. Luther, M a r t i n : Werke in A u s w a h l , unter M i t w i r k u n g von A. Leitzmann hg. von Otto G e men, Bd. 1 - 8 , 3.-6. Aufl., Berlin 1962/1966. Luther, M a r t i n : Studienausgabe, unter M i t w i r k u n g von Michael Beyer u . a . hg. von HansUlrich Delius, Bd. l f f . , Berlin; Leipzig 1979ff. Luther, M a r t i n : Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. l f f . , W e i m a r 1 8 8 3 f f . (WA). Briefwechsel, Bd. 1 - 1 8 , W e i m a r 1 9 3 0 - 1 9 8 5 (WA.B). Tischreden, Bd. 1 - 6 , W e i m a r 1 9 1 2 1 9 2 1 (WA.TR). M a t h e s i u s , Johannes: Ausgewählte Werke, Bd. 1 - 4 , hg. von Georg Loesche (Bibliothek Deutscher Schriftsteller aus Böhmen 4; 6; 9; 14), Prag 1 8 9 6 - 1 9 0 6 .

260

Quellen- und

Literaturverzeichnis

M e l a n c h t h o n , Philipp: Enarratio secundae tertiaeque partis Symboli Nicaeni (1550), hg. und eingeleitet von Hans-Peter Hasse ( Q F R G 64), Gütersloh 1996. M e l a n c h t h o n , Philipp: Heubtartikel Christlicher Lere. M e l a n c h t h o n s deutsche Fassung seiner Loci theologici, nach dem A u t o g r a p h und dem Originaldruck von 1553 hg. von Ralf Jenett und J o h a n n e s Schilling, Leipzig 2 0 0 2 . M e l a n c h t h o n , Philipp: O p e r a [...] omnia, hg. von Karl Gottlieb Bretschneider und Heinrich Ernst Bindseil, Bd. 1 - 2 8 (CR 1 - 2 8 ) , Halle/S. - Braunschweig 1 8 3 4 - 1 8 6 0 . M e l a n c h t h o n , Philipp: Werke, Bd. 1 - 7 / 2 , hg. von Robert Stupperich, Gütersloh 1 9 5 5 1983. [Melanchthon, Philipp:] M e l a n c h t h o n i a n a paedagogica, hg. von Karl Hartfelder, Leipzig 1892. M e l a n c h t h o n Deutsch, hg. von Michael Beyer, Stefan Rhein und G ü n t h e r Wartenberg, Bd. 1 - 2 , Leipzig 1997. M e l a n c h t h o n s Briefwechsel: Kritische und kommentierte Gesamtausgabe im A u f t r a g der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hg. von Heinz Scheible, Abt. Texte, bearb. von Richard Wetzel ..., Bd. l f f . , Stuttgart-Bad Cannstatt 1991 ff. (MBW.T). M e l a n c h t h o n s Briefwechsel: Kritische und kommentierte Gesamtausgabe im A u f t r a g der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hg. von Heinz Scheible, Abt. Regesten, bearb. von Heinz Scheible/Walter Thüringer, Bd. 1 - 8 Stuttgart-Bad Cannstatt 1 9 7 7 - 1 9 9 5 (MBW). M o n u m e n t a Paedagogica Societatis Iesu, N o v a editio penitus retractata ed. Ladislaus Lukâcs S.J., Bd. 1 - 7 (MHSI 92, 107, 108, 124, 129, 140, 141), R o m 1 9 6 5 - 1 9 9 2 . von Mosheim, J o h a n n Lorenz: Kurze Anweisung, die Gottesgelahrtheit vernünftig zu erlernen, in akademischen Vorlesungen vorgetragen. N a c h dessen Tode übersehen und zum Drucke befördert durch Christian Ernst von Windheim, 2. Aufl., Helmstedt 1763, neu hg. und eingeleitet von Dirk Fleischer (Wissen und Kritik 14), Waltrop 1990. Ratio Studiorum et Institutiones Scholasticae Societatis Jesu per G e r m a n i a m olim vigentes collectae concinnatae dilucidatae a G . M . Pachtler, Bd. 1 - 4 ( M G P 2; 5; 9; 15), Berlin 1887-1894. Ratio Studiorum. Plan raisonné et institution des études dans la Compagnie de Jésus, Édition bilingue latin-français, présentée par Adrien Demoustier et Dominique Julia, traduite par Léone Albrieux et Dolorès Pralon-Julia, annotée et commentée par MarieMadeleine Compère (Histoire de l'éducation), Paris 1997. Schriften und Einrichtungen zur Bildung der Geistlichen, übersetzt, erläutert und mit einer Geschichte des geistlichen Bildungswesens eingeleitet von M a r k u s Siebengartner (Bibliothek der katholischen Pädagogik 14), Freiburg/Br. u.a. 1902. Supplementa M e l a n c h t h o n i a n a . Werke Philipp M e l a n c h t h o n s , die im C o r p u s R e f o r m a t o r u m vermißt werden, hg. von der Melanchthon-Kommission des Vereins f ü r R e f o r m a tionsgeschichte, Bd. 1 - 5 , Leipzig 1 9 1 0 - 1 9 2 9 , Reprint F r a n k f u r t / M . 1968. Vollständige, historisch u n d kritisch bearbeitete Sammlung der württembergischen Gesetze, hg. von August Ludwig Reyscher, Bd. 1 - 1 9 , Stuttgart; Tübingen 1 8 2 9 - 1 8 5 1 . Wittenberger Ordiniertenbuch, [Bd. 1:] 1 5 3 7 - 1 5 6 0 ; Bd.2: 1 5 6 0 - 1 5 7 2 , hg. von Georg Buchwald, Leipzig 1894/95.

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Personenregister

Aepinus (Hoeck), Johannes 62, 64 Aesticampianus, Johannes 42 Agapet(os) 138 Aland, Kurt 36, 38, 44, 46, 60, 114 Albertus Magnus 22 Aisted, Johann Heinrich 134, 146-159, 180, 187f., 190f., 195-197, 199, 202, 204-206, 224, 2 3 1 , 2 4 8 Althaus, Paul (d.J.) 155 Ambrosius von Mailand 42f., 221 Amerbach (Trolmann), Veit 122 von Amsdorf, Nikolaus 41, 69 Andreae, Jakob 1 0 0 - 1 0 9 , 1 1 4 , 1 1 6 , 118f., 122f., 127, 186, 194, 241 Anetsberger, Werner 189 Anhauser, Johannes Gaudentius 135 Appold, Kenneth G. 15, 54, 58, 102, 107, 113, 123-127, 183, 186f., 189f., 1 9 4 , 2 1 3 , 2 2 8 , 230 Aquaviva, Claudius 136, 142 Aristoteles 21, 138f., 149, 163, 191, 194f., 197, 2 2 3 , 2 2 9 Arndt, Johann 189, 212, 221, 235, 243 Asche, Matthias 49 Asztalos, Monika 25 Athanasius von Alexandrien 172, 235 August I., Kurfürst von Sachsen 50, 9 9 101, 109, 111-125, 128-132, 244f. Augustijn, Cornelis 28f. Augustinus, Aurelius 20f., 29f., 42f., 4 8 51, 73f., 77, 103, 105, 133, 172, 193, 219, 2 2 1 , 2 3 5 Aurogallus (Goldhahn), Matthäus 44 Azor, Juan 136 Baete, Ludwig 7 Balduin, Friedrich 126, 163, 221 Barge, Hermann 45

Bartholinus, Caspar 163 Barton, Peter F. 91 Basilius von Cäsarea 138 Bauch, Gustav 37 Bauer, Karl 42, 45 Baumgart, Peter 36 Baur, Jörg 188 Baur, Wilhelm 7 Bayer, Oswald 70, 78, 80f., 84, 86 Bayly, Lewis 235 Behm, Johann 226 Beintker, Horst 83 Bellarmin, Roberto 182 Bellitto, Christopher M. 33 Bengel, Johann Albrecht 11 Berckelmann, Theodor 188 Bernhard von Clairvaux 172, 221, 235 Bernhardi, Bartholomäus 61 Bidembach, Felix 170, 208 Bidembach, Johann Moritz 208 Biel, Gabriel 41 Bien, Günter 191 Bindseil, Heinrich Ernst 70 Birnbaum, Urban 161 Blaschke, Karlheinz 113 Bodenstein aus Karlstadt, Andreas Rudolf 39, 41-43, 45, 54f., 61, 69 Boehm, Laetitia 18 Boehmer, Heinrich 38, 55 Bohemus (Böhme), Johannes 205 de Boor, Friedrich 62, 88 Brant, Sebastian 18 f. Brecht, Martin 2, 7, 36, 45, 61, 68, 82, 84, 100f., 189 Briggs, Charles Augustus 7 Buck, August 31, 78 Buddeus, Johann Franz 13 Bugenhagen, Johannes (d.Ä.) 46f., 51, 62, 64, 102f.

286

Personenregister

Bugenhagen, Johannes (d.J.) 5 2 , 1 0 5 f . , 128 Busaeus (Buys), Petrus 136 Calinich, Robert 9 9 Calixt, Georg 2 1 2 f . , 2 2 6 , 2 3 1 , 2 3 3 , 2 3 5 , 243 Calov, Abraham 13, 9 7 , 1 6 3 , 2 2 5 - 2 3 6 , 241-243 Calvin, Johannes 1 7 1 , 1 8 2 Canisius, Petrus 136 Carrington, Laurel 3 2 Carvajal, Luis de 135 Cassiodor, Magnus Aurelius 2 1 Cato, Marcus Porcius 3 2 Chantraine, Georges 2 8 - 3 0 , 33 Chemnitz, Martin 7 5 , 1 6 9 f . , 1 7 3 , 2 0 7 Chelmnicki, Adrian 7 0 Christian I., Kurfürst von Sachsen 112f., 1 1 5 , 1 1 8 , 125f., 171 Christian II., Kurfürst von Sachsen 5 0 , 1 1 1 - 1 1 3 , 115f., 1 1 8 - 1 2 0 , 165 Christoph, Herzog von Württemberg 100 Chytraeus, David 5 1 , 81, 9 1 - 9 7 , 1 3 4 , 160f., 167, 169, 171, 185, 218, 225, 232, 238f. Cicero, Marcus Tullius 7 4 , 1 9 7 Codina Mir, Gabriel 1 3 8 Coenen, Hans Georg 3 1 , 1 6 9 Cohrs, Ferdinand 3, 5 1 , 6 8 , 88, 1 1 0 Colet, John 2 8 Congar, Yves Marie-Jean 2 1 Conçalves, Gaspar 136 Copenhaver, Brian B. 146 Cramer, Andreas 2 1 3 Cramer, Max-Adolf 7 Cruciger, Caspar (d.J.) 5 2 , 9 9 , 1 2 8 Cruciger, Caspar (d.Ä.) 5 1 , 5 8 , 6 2 , 6 4 , 8 7 - 9 1 , 96f., 102f., 1 5 0 , 1 6 0 f . , 1 6 9 , 238f., 248 Cyprian von Karthago 2 2 1 Demosthenes 74 Dieterich, Konrad 2 0 1 , 2 2 0 Dingel, Irene 3 6 , 100 Dionysius Areopagita 2 1 Dixon, C. Scott 2

Dölsch, Johann 3 9 , 4 5 Drews, Paul 2f., 7, 5 2 , 5 8 , 6 7 f . , 110 Dryander, Franciscus 7 0 Düfel, Hans 6 2 van Dülmen, Richard 1 Duhr, Bernhard 1 3 6 - 1 3 8 Dykema, Peter A. 19 Ebeling, Gerhard 2 1 Eber, Paul 5 2 , 1 2 8 Eberhard, Kaspar 1 0 0 , 1 6 1 Eberhard, Winfried 19 Eck, Johannes 136 Eckert, Erwin 66 Eckhardt, Albrecht 2 Edenberger, Lukas 122 Ehrenpreis, Stefan 4f. Epp, Sigismund 3 7 Erasmus von Rotterdam, Desiderius 6, 2 8 - 3 4 , 7 7 , 86, 9 6 , 1 3 3 , 1 3 5 f . , 1 4 5 , 204, 248 Erdmann, Johann Christoph 3 6 , 1 6 4 , 175 Erman, Wilhelm 14, 35f., 4 6 , 7 0 , 135f., 1 4 8 , 1 6 0 - 1 6 3 , 1 6 5 , 188 Eugen IV., Papst 2 6 Eulenburg, Franz 4 4 , 6 0 , 1 1 6 , 1 2 7 Eusebius von Cäsarea 171 Evagrius Ponticus 171 Evenius, Sigismund 2 1 3 Fauth, Dieter 88 Ficker, Johannes 3 7 Finck, Kaspar 2 0 4 Fisher, John 2 8 Fischer, Oswald 1 3 5 Flacius Illyricus, Matthias 9 9 , 122 Foerstemann, Carl Eduard 3 6 f . Förster, Johann 1 6 1 f . , 1 6 4 - 1 7 7 , 179f., 1 8 2 - 1 8 6 , 188f., 1 9 8 - 2 0 4 , 207f., 218, 221, 232, 235, 243 Foglietta, Uberto 135 Francke, August Hermann 11, 2 1 7 Franz, Günther 8 Franz, Wolfgang 2 0 4 , 2 1 4 Friedensburg, Walter 3 5 - 3 7 , 4 4 - 4 6 , 6 1 , 8 8 , lOOf., 1 1 1 , 1 1 3 - 1 1 5 , 1 2 2 , 1 2 9 , 161, 164, 1 7 6 , 2 1 4 , 225

Personenregister Friedenthal, Richard 8 Friedrich, M a r k u s 15, 213 Friedrich III. der Weise, Kurfürst von Sachsen 3 5 - 3 7 , 39f., 44f. Friedrich Wilhelm I., Herzog von Sachsen-Weimar 112, 171 Frielinghaus, Dieter 134 Gaß, Wilhelm 187f., 214, 241f. Geiler von Kaysersberg, Johannes 19, 27 van Gelder, Enno 28 Gellius, Aulus 224, 246 Gerhard (Gheeraerts), Andreas siehe Hyperius Gerhard, Johann 81, 97, 153, 188-191, 193, 197, 201 f., 2 0 4 - 2 0 7 , 213, 215, 218, 227f., 235 Gerson, Johannes 26f., 33 Gesner, Salomon 114, 126 Geyer, H e r m a n n 189 Giard, Luce 136-138, 140 Gilbert von Poitiers 21 Glassius, Salomon 204 Gößner, Andreas 127, 130 G r a b m a n n , Martin 20 Grane, Leif 92 Greiffenhagen, Martin 8 Gregor von Nazianz 1 3 8 , 1 9 7 G r o h m a n n , Johann Christian August 36 Grosse, Sven 79 Grossmann, Maria 37 Guigo (II.) der Kartäuser 80 Guise, Antoine 136 Gummelt, Volker 46f., 51 Günther, Franz 61 Haag, Norbert 9 H a b e r m a n n , Johann 100 Haendler, Klaus 79, 93 Hafenreffer, Matthias 97, 169f., 179, 201, 221 Hagenmaier, Monika 9 Hägglund, Bengt 220 H a m m , Berndt 84 Hammerstein, Notker 15, 135, 145, 247f. Hartfelder, Karl 46, 51, 58, 70, 72

287

H a r t m a n n , Johann Ludwig 13 Hasse, Hans-Peter 51, 99f., 124 Hasselhorn, Martin 2 H a u ß m a n n , Balthasar 7 Hawkins, Michael 144 Heckel, Martin 98 Heerbrand, J a k o b 169f. Heilbrunner, J a k o b 1 6 5 , 1 7 3 Heinrich von Langenstein 26 Hell, Leonhard 12, 14, 30, 33f., 135f., 140f., 145, 148, 157f., 164, 226 Hengst, Karl 135, 137, 145 Henigen (Henning), Ludwig 3 7 - 3 9 , 4 1 Herodot von Halikarnassos 74 Herrgott, Johannes 41 Heermann, Johann 2 2 1 Hermelink, Heinrich 54f., 59, 62 Herricht, Hildegard 35 f. Hieronymus 42f., 73, 77, 235 Hoe von Hoenegg, Matthias 189 Hoeck, Johannes siehe Aepinus H o f f m a n n , Manfred 28f., 32 H o f m a n n , Daniel 213 Hollaz, David 223 Holtz, Sabine 9 Holze, Heinrich 3 Homer 74 Horaz d.i. Quintus Horatius Flaccus 32 H o r n , Ewald 14, 35f., 46, 53f., 70, 135f., 148, 1 6 0 - 1 6 3 , 165, 188f. Hotson, H o w a r d 146 H r a b a n u s M a u r u s 21 Hsia, Ronnie Po-Chia 4 H u g o von St. Viktor 2 1 Huizinga, Johan 28 Hülsemann, Johann 15, 1 6 1 - 1 6 6 , 189, 2 1 3 - 2 2 5 , 229, 232f., 239, 2 4 1 - 2 4 3 Hunnius, Ägidius 114, 126, 161, 170, 172, 174f., 178f., 235 Hunnius, Nikolaus 163 Hütter, Leonhart 111, 114, 120, 161f., 1 7 5 - 1 8 6 , 189, 1 9 8 - 2 0 1 , 203f., 2 0 7 209, 221, 223, 232, 234, 239f. Hyperius (Gerhard), Andreas 134f., 145, 155, 159, 199, 204f. Israel, Friedrich 35, 50 Ignatius von Loyola 138

288

Personenregister

Janz, Oliver 8 Joachimsen, Paul 29 Jöcher, Christian Gottlieb 163 f. Johann der Beständige, Kurfürst von Sachsen 36 Johann Friedrich, Herzog von Pommern 70 Johann Friedrich I. der Großmütige, Kurfürst von Sachsen 49, 56f., 59, 62f., 67, 244 Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen

120, 126 Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg 147 Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen 99 Johannes Chrysostomus 138, 2 3 5 Johannes von Damaskus 172, 221, 235 Jonas, Justus (d.Ä.) 4 5 - 4 7 , 55f., 58, 6 1 63, 102 f. Julia, Dominique 136 Julius II., Papst 36, 39 Jung, Martin H. 70, 79, 188 Jung, Volker 2 2 5 - 2 2 9 Junghans, Helmar 40, 43, 67, 71, 77, 80, 99, 128

Klein, T h o m a s 118, 126, 171 Klueting, H a r m 4f., 98 Koch, Ernst 9 8 - 1 0 0 , 118 Koch, Nikolaus 65 König, Johann Friedrich 242 Köpf, Ulrich 38 Kotzebue, Johann 213 Krammer, O t t o 137 Krause, Gerhard 134f. Krell, Paul 52, 100, 105f., 128 Kroker, Ernst 80 Kruse, Jens-Martin 37, 42 Kunad, Andreas 2 2 5 Kunze, Johannes 73, 77, 161, 175 Kusukawa, Sachiko 34 Kuyper, Abraham 153 Lang, Johann 42 Lang, Joseph 209 Lange, Joachim 205 Latomus, Jacob 136 Lehmann, H a r t m u t 8, 98 Lenckner, Georg 7 Leube, Hans 13 Leyser, Polykarp (d.Ä.) 1 1 2 - 1 1 4 , 125,

161 Kang, Chi-Won 11, 80f., 95, 97, 174, 1 8 8 , 2 1 0 , 232 Kantzenbach, Friedrich Wilhelm 8, 134 Karant-Nunn, Susan C. 68 Karl V., Kaiser 48 Karlstadt siehe Bodenstein Käthe, Heinz 38f., 43, 48, 69, 122, 126, 163, 197 Kattenbusch, Ferdinand 21 Kaufmann, Gustav 53f., 189 Kaufmann, Thomas 2, 5, 9 - 1 2 , 19, 27, 53, 70f., 75, 80, 82, 91, 94f., 105, 117, 160, 162, 232, 241 Kawerau, Gustav 88 Keckermann, Bartholomäus 146f., 157, 170, 187, 191 f. Keller, Rudolf 91 Keller-Hüschemenger, M a x 161, 214 Kern, Manfred 14 Kessler, Stephan Ch. 135 Kirn, O t t o 74 Klaus, Bernhard 7, 22, 47

Leyser, Wilhelm 15, 225 Liebe, Georg 7, 23, 177 Lieberg, Hellmuth 68 Livius, Titus 74 Lullus (Llull), Raymundus 147 Lotz-Heumann, Ute 4f. Ludwig der Fromme, Herzog von Württemberg 100 Lück, Heiner 36 Lukian von Samosata 74 Lupinus, Petrus 3 9 - 4 2 , 45 Luther, Martin 2, 6, 11, 13f., 38, 4 0 - 4 5 , 47, 49, 51, 5 3 - 5 9 , 61f., 68f., 72, 77f., 8 0 - 8 8 , 9 0 - 9 3 , 9 5 - 9 7 , 99f., 1 0 2 - 1 0 5 , 118, 122, 128, 131 £., 134, 152f., 160f., 1 6 6 - 1 6 8 , 171 f., 174, 1 7 6 - 1 7 8 , 182, 1 8 4 - 1 8 6 , 188, 198, 205, 208, 210, 2 1 8 - 2 2 2 , 225, 232, 2 3 5 - 2 3 8 , 2 4 0 - 2 4 3 , 246, 248 Mager, Inge 70, 74 f. M a h l m a n n , Theodor 1 0 1 , 1 8 3

Personenregister Major, Georg 5 2 , 1 2 7 f . Majus, Heinrich 118 Mantel, Johann 3 7 f . Martini, J a k o b 15, 1 6 3 , 2 1 3 , 2 2 5 Mathesius, Johannes 4 7 , 81 Matthäus, Johannes 1 2 5 , 1 6 1 Matthias, Markus 1 1 4 , 1 7 8 , 1 8 7 Mau, Rudolf 11 Maximilian I., Kaiser 3 5 f . , 3 9 Mayer, Johann Friedrich 13 Meisner, Balthasar 1 2 6 , 1 6 1 - 1 6 3 , 1 6 6 , 186, 1 8 9 - 2 1 6 , 221, 223f., 2 2 7 - 2 2 9 , 232f., 2 3 9 - 2 4 3 , 248 Meisner, Johann 1 5 , 2 2 5 Meissinger, Karl 4 5 , 4 7 , 5 3 Melanchthon, Philipp 3 4 , 4 4 , 4 6 - 5 6 , 5 8 , 60, 6 2 - 7 9 , 84, 8 7 - 9 6 , 99f., 1 0 2 - 1 0 5 , 1 0 7 f . , 1 1 7 - 1 1 9 , 1 2 2 , 1 2 4 f . , 127f., 130, 134, 145, 153, 155, 160f., 165, 1 6 9 , 1 7 1 f . , 174f., 1 8 1 - 1 8 8 , 1 9 1 , 194, 196f., 199, 204f., 208, 222, 2 3 7 - 2 4 2 , 244f. Melierstadt, Martin siehe Pollich Menk, Gerhard 1 4 6 Mentzer, Balthasar 2 0 1 Mertner, Edgar 31 Metzsch, Friedrich 2 2 6 Meuß, Eduard 7 Moeller, Bernd 1 , 6 8 Möller, Martin 5 2 Mohr, Rudolf 8 Moibanus, Ambrosius 92 Moller, Heinrich 9 9 , 128 Morus, Thomas 2 8 von Mosheim, Johann Lorenz 1 4 , 8 1 Moss, Ann 3 1 Muhlack, Ulrich 2 4 7 Müller, Rainer A. 1 3 7 Murner, Thomas 19 Mylius (Müller), Georg 5 2 , 1 1 9 , 125 Myslenta, Coelestin 2 2 6 Nicephorus von Konstantinopel 171 Nicol, Martin 8 0 , 83 Nieden, Marcel 12, 14, 7 0 , 82f., 8 9 , 9 2 , 188, 192, 223, 2 3 2 Nikolaus von Clemanges 33

289

Nikolaus von Lyra 73 O'Rourke Boyle, Marjorie 3 2 Oberman, Heiko Augustinus 19 Oberndörfer, Martin (d.J.) 1 0 0 , 1 0 5 f . Oediger, Friedrich Wilhelm 19, 2 1 - 2 4 , 26f., 34 Oehmig, Stefan 3 6 Oexle, Otto Gerhard 1 8 , 3 5 Olson, Oliver K. 1 2 2 Ong, Walter J . 146 Osiander, Lukas (d.Ä.) 88, 1 6 8 , 1 7 0 f . , 177, 204 Otto, Peter 1 7 1 Overfield, James H. 19, 2 4 f . , 2 7 Ovid d.i. Publius Ovidius Naso 7 4 Pannenberg, Wolfhart 2 1 , 1 7 5 , 1 8 7 Pachtler, Georg Michael 136 Palladius, Peter 1 9 9 Pancratius, Andreas 170 Pappus, Johann 1 7 5 Paulsen, Friedrich 61 Peraudi, Raimund 3 6 Pester, Thomas 3 5 Peters, Christian 114 Petrus Lombardus 2 5 , 4 5 , 5 9 , 6 1 , 6 4 , 173, 235 Petrus von Ailly 3 3 Pezel, Christoph 9 9 , 128 Pfleger, Luzian 18 f., 2 7 Picker, Hanns-Christoph 2 1 Pico della Mirandola, Giovanni 152 f. Pierius, Urban siehe Birnbaum Piscator, Johannes 2 0 4 Plato(n) 63 Plinius (d.J.) 1 7 9 von Polheim, Andreas Wolfgang 101 f. Pollich aus Mellrichstadt, Martin 3 7 f . , 4 0 f. Porta, Konrad 170 Pressel, Theodor lOOf. Preus, Robert D. 1 8 8 Quenstedt, Johann Andreas 13, 15, 2 4 2 Quintilian(us), Marcus Fabius 7 4 , 1 7 9 Rädle, Fidel 1 4 3 f . Rambach, Johann J a k o b 11

290

Personenregister

Ramus, Petrus 146(., 197 Rau, Gerhard 13 Reinhard, Wolfgang 4 - 6 Reuchlin, Johannes 44 de Ridder-Symoens, Hilde 67 Riegg, Ernst 7 Ritsehl, O t t o 47, 49, 62, 6 4 - 6 6 , 99 Röber, Paul 1 5 , 2 2 5 Rotmar, Valentin 135 Rublack, Hans-Christoph 9 Rudersdorf, M a n f r e d 100, 108 Runge, David 114, 126 Sames, Arno 36 Schäfer, Rolf 72 Scharf, Johann 15, 225 Scheible, Heinz 34, 39f., 43, 45f., 61f., 69f., 72, 7 7 - 7 9 Scherer, Emil Clemens 51 Scheurl, Christoph 37, 64 Schilling, Heinz 4 - 6 , 98 Schindler, Valentin 105 Schindling, Anton 5 f. Schmidt, Heinrich-Richard 4f., 98 Schmidt-Biggemann, Wilhelm 31, 146f., 149 Schmitt, Charles B. 146 Schmuck, Vinzenz 167f. Schorn-Schütte, Luise 1 - 3 , 5, 7 - 9 Schubert, Ernst 35 von Schubert, Hans 45, 47, 53 Schultz, Ingo 148 Schulze, Winfried 5 Sehling, Emil 109f., 113 Seifert, Arno 6, 14, 25, 111, 135, 137, 139, 144 Seinecker, Nikolaus 128f. Semler, Johann Salomo 81 Smolinsky, Heribert 27, 33, 135, 144 Sokrates Scholastikos 171 Sommer, Wolfgang 9, 189 Sozomenos 171 Spalatin, Georg 43, 61 Spangenberg, Johann 2, 8 8 - 9 0 , 160, 169 Sparn, Walter 8, 175, 187, 189, 191f., 2 0 1 , 2 1 1 - 2 1 3 , 234 Spener, Philipp J a k o b 11, 153, 2 3 1 Spitz, Lewis W. 42

Staedtke, Joachim 146 von Staupitz, Johann 37f., 40f. Steiger, Johann Anselm 176, 179, 183, 205, 220 Stempel, Hermann-Adolf 74, 92 Stichweh, Rudolf 6 Stolleis, Michael 5, 154 Strigel, Victorin(us) 92, 160 Stupperich, Robert 29, 34 Sturm, Johann 138 Suevus, Gottfried 36, 6 0 - 6 2 , 65, 102, 127, 164 Swanson, Robert N . 19, 22 Tarnov, Paul 13 Terenz (Terentius), Publius 74 von Thadden, Rudolf 9 Theodoret von Kyros 235 Theophylaktos Simokattes 2 2 1 Tholuck, Friedrich August Gottreu 15, 46f., 81, 128, 163, 189, 210, 214 T h o m a s von Aquin 22, 1 3 9 - 1 4 1 , 143, 149, 235 Tierz, Gunter 7 Tracy, James D. 28 Traninger, Anita 147 Tremellius, Emanuel 168, 204 Troeltsch, Ernst 6, 73, 197 Trolmann, Veit siehe Amerbach Truttfetter, Jodocus 3 7 - 3 9 , 4 1 Tschackert, Paul 99, 214 Tucci, Stefano 136 Tyrie, James 136 Uecker, T h o m a s 175 Ulrich (Engelberti) von Straßburg 22 Vergil d.i. Publius Vergilius M a r o 74 de Villavicencio, Lorenzo 135 Vives, Juan Luis 138 Vogelius, M a t t h ä u s 169f. Vogler, Bernard 3, 7 Voit, David 161 Volz, H a n s 68 Wahl, Johannes 9 Walch, Johann Georg 13, 161

Personenregister Wallmann, Johannes 11, 21, 75f., 79, 86, 183, 187f., 191, 213, 228, 231 Walter, Peter 28, 30 Walther, Gerrit 6, 15, 248 Wartenberg, Günther 36 Weber, Hans Emil 1 8 7 , 2 2 9 Weller, Hieronymus 160 Wendler, Michael 15 Wengert, Timothy 56, 88 Werdermann, H e r m a n n 7 Wetzel, Richard 99 Widebram, Friedrich 99, 128, 161 Wiedenhofer, Siegfried 29f., 32f., 75, 79

291

Wimpfeling, J a k o b 1 9 , 2 7 Witte, Henning 161f., 164f., 175, 189, 214 Witzel, Georg 135 Wolf, Ernst 38, 49 Wriedt, M a r k u s 37f., 41, 85 Yates, Frances A. 146f. Zedelmaier, Helmut 180, 2 0 5 Zabarella, Jacob 146f., 187 Zeeden, Ernst Walter 4, 98 Zonaras, Johannes 171 von Zutphen, Heinrich 61

Ortsregister Die Stichworte „Sachsen" und „Wittenberg" wurden nicht in das Register aufgenommen. Alba Iulia 146 Antwerpen 29 Auerbach 164 Augsburg 48, 98 Basel (Stadt) 26f., 29, 32-34, 134 Basel (Universität) 35 Belgien 136 Brandenburg 35, 147 Braunschweig 9 Braunschweig-Grubenhagen 88 Braunschweig-Wolfenbüttel 9 Danzig 1 8 7 , 2 2 6 Detmold 70 Dresden 100, 108, 114, 116 Eisenach 38 Eisleben 164 Elsaß 18 f. England 28 Erfurt 35, 37-39, 45 Esens 214 Frankfurt/Oder 35 Frankreich 98, 136 Freiberg/Sachsen 160 Freiburg/Breisgau 35 Genf 98 Gießen 189 Greifswald 35 Halle/Saale 3, 36, 46 Hamburg 62 Heidelberg 35, 91, 175 Helmstedt 1 8 8 , 2 1 2 , 2 1 4 , 2 2 6 , 232 Herborn 134, 146f., 188 Hessen-Darmstadt 2 Hessen-Kassel 9, 114 Ingelfingen 91 Ingolstadt 35

Jena 91, 160, 175, 188, 190, 201, 218 Karlstadt 39 Klöden 41 Köln 35 Königsberg 75, 226 Konstanz 27 Kopenhagen 163 Leipzig (Stadt) 15, 35, 55, 88, 225 Leipzig (Universität) 35, 38, 52, 55, 101103, 109-111, 113f., 116, 129-131, 160, 164, 1 7 5 , 2 1 4 Magdeburg 23, 89, 177, 213 Mainz 35, 141 Marburg 1 3 4 , 1 4 5 , 2 1 4 Mecklenburg 11 Mellrichstadt 37f. Mohrungen 225 Nellingen 175 Neuburg/Donau 165 Niederlande 98, 138 Nordhausen 88 Österreich 136 Orlamünde 41, 45 Padua 146 Paris 25, 33, 138 Portugal 136 Prag 35 Preußen 3 Rom 23, 136 Rostock 10, 35, 53, 80, 91, 94f., 134, 160f., 214, 232 Schmalkalden 161 Schottland 98 Spanien 136 Straßburg 22, 27, 82, 91, 134, 175, 189 Thorn 2 1 4 , 2 2 6

Ortsregister

Thüringen 98 Torgau 52, 101, 132 Tübingen 35, 37f., 91, 100f., 105f., 108, 130, 189 Trient 98, 121 Trier 35 Ulm 175

Weissenburg (Siebenbürgen) 146 Wien 35 Württemberg 2, 98, 100, 114 Würzburg 35 Würzen 35 Ypern 134 Zeitz 100

293

Sachregister Häufig vorkommende Begriffe wie „Anweisung", „Theologische Fakultät", „Theologiestudium", „Universität" wurden nicht in das Register aufgenommen. Abendmahl 1, 99, 102 Akademisierung 3, 8, 11, 238f. Alte Sprachen (siehe auch Aramäisch, Griechisch, Hebräisch) 29f., 74, 154, 184, 2 0 4 , 2 1 5 - 2 1 7 , 2 3 8 , 2 4 1 , 2 4 6 Altes Testament 22, 50, 64, 72, 117, 126, 165, 178

Augsburger Interim 92, 98 Augustinismus 42 Autodidaktik 74f., 90, 93f., 2 0 3 , 209, 220, 239 Autopraxie / Allopraxie 192, 194, 209, 212f., 2 1 5 , 228

- Genesis 4 5 , 4 8 - 5 0 , 53, 72 - Jesaja 4 8 - 5 0 , 165 - Psalmen 22, 4 5 , 4 7 - 5 2 , 64, 72, 74, 82f., 117 Amt/Ämter/Amtslehre 1, 67f., 88, 90, 96, 104, 143, 158, 243 Anabaptisten 74, 102 Anfechtung (tentatio) 63, 73, 78, 80f., 83f., 86, 9 4 - 9 6 , 104, 152f., 174f., 184, 2 1 0 , 222f., 2 2 5 , 2 3 2 Anthropologie 4 2 , 47, 122, 126 Antiklerikalismus 19, 23 Apologetik siehe Kontroverstheologie Apologia Confessionis 131 Apostolikum 165 Aramäisch 196, 2 3 2 Aristotelismus 146, 158f., 165, 186f.,

Bakkalaureat siehe Grade (theologische) Bekenntnisschriften (Studienlektüre) 198, 200f., 2 0 6 , 2 3 5 , 2 3 9 Bibel (Verhältnis zur Tradition) 140, 172, 2 0 7 , 221 Bibelexegese (Fach) 28f., 4 1 , 4 5 , 4 7 - 4 9 , 52f., 69, 74, 88, 90, 93, 96, 105f., 140f., 156, 158, 166f., 176, 194, 198, 203, 2 2 0 , 2 2 2 , 2 3 4 , 2 3 9 , 2 4 5 Bibelexegese (Methode) 20, 2 8 - 3 4 , 61, 63, 72f., 7 6 - 7 9 , 81, 8 3 - 8 5 , 9 1 - 9 3 , 95 f., 103 f., 107, 116, 119, 133, 140, 149, 152, 157f., 168f., 177, 186, 2 0 0 , 204f., 215f., 229f., 232, 2 3 4 , 2 3 7 , 242, 2 4 6 f . Bibelhumanismus 29, 41, 4 3 , 60 Bibelkommentare 7 1 - 7 3 , 85, 168, 171, 177, 204f.

190, 212, 2 3 1 Artes(-Studium) 74, 90f., 93, 95, 105, 108, 154, 157, 196, 215f., 218, 2 3 2 , 238 articuli fidei (siehe auch Dogmatik) 52, 165, 172, 176f., 194 Artistische/Philosophische Fakultät 2, 25, 3 6 - 3 8 , 4 1 - 4 4 , 47f., 54, 56, 60, 67, 70, 122f., 139, 162 Astronomie 91 Athanasianum 2 2 Aufklärung 6, 12, 14, 81, 164

Bibellektüre 7 0 - 7 2 , 8 2 - 8 4 , 90, 163, 189, 194, 2 2 0 Bibliothek 34, 75 Bildungsfaktizität 2, 7 - 1 1 , 16, 1 9 - 2 1 , 23f., 60, 6 6 - 6 8 Bischof 2 0 - 2 4 , 26 f., 29 Botanik 30 Brevis discendae theologiae ratio (Melanchthon) 7 0 - 7 9 , 84, 90f., 96, 169, 175, 181, 184, 186, 2 3 8 , 2 4 4 Bürgertum 1, 8

295

Sachregister Bursen Buße

111

Enzyklopädie siehe T h e o l o g i s c h e Enzy-

78

klopädie Erfahrung 8 4 - 8 7 , 9 6

Calvinismus

146f.

eruditio et pietas 9 5 , 9 6 , 2 4 2 , 2 4 6 - 2 4 8

Christologie 2 9 , 5 0 , 1 2 6

Ethik (philosophisch) 1 3 8 , 1 5 6 , 1 9 6

Collatio casuum

Ethik (theologisch)

142

collegium Gellianum siehe Lerngruppe C o n f e s s i o Augustana 4 8 , 1 0 9 , 1 1 1 , 1 2 6 ,

235

E x a m e n (siehe auch G r a d e , O r d i n a t i o n ) 2f., 2 3 - 2 5 , 27, 52, 60, 67f., 130, 2 4 5 e x a m e n neglectuum

131, 201 consilium perpetuum

lllf.

111

Exzerpthefte siehe K o l l e k t a n e e n

contemplado 80, 83 Corpus doctrinae 9 3 , 99 Formula Concordiae 109, 1 1 1 , 113, 1 3 1 , Deklamationen 74, 88, 91 Demut 32, 2 0 0 devotio m o d e r n a

28

bet) 3 , 3 1 - 3 3 , 6 2 f . , 7 0 , 7 7 - 7 9 , 8 6 , 9 2 -

Diakonat 104, 238

96, 103f., 133, 142f., 152f., 158, 175,

D i a l e k t i k (Logik) 3 1 , 3 8 , 4 0 , 7 4 , 9 0 , 126, 138, 156, 196, 217, 234, 241 Diktat

175 F r ö m m i g k e i t (siehe auch Anfechtung, G e -

119f.

183, 196, 200, 210f., 213, 216, 222f., 225,229, 231,243, 248 Fundamentaltheologie

126

Disputation 2 5 , 3 9 , 5 3 - 5 9 , 7 4 f . , 1 0 6 f . , 121-127, 142, 144, 182, 224, 244f. -

disputatio circularis 4 0 , 5 3 - 5 6 , 5 8 f . , 121f., 126

-

1 8 3 f., 2 0 0 , 2 0 4 , 2 1 0 , 2 1 5 , 2 1 8 - 2 2 0 , 223, 232

disputatio ordinaria 5 3 , 5 9 , 1 0 7 , 1 2 1 -

Geistlicher Stand siehe Klerus (Stand)

1 2 3 , 1 2 5 f.

Geistlichkeit siehe Pfarrer

-

disputatio privata

-

disputatio pro gradu 4 2 , 5 3 - 5 6 , 5 8 f . ,

126

62, 126 -

Gebet 3 2 , 7 3 , 83, 9 0 , 9 2 - 9 6 , 1 5 2 , 1 7 4 f . ,

Geographie

30

Gesetz und Evangelium 7 1 , 7 3 , 7 7 f . , 8 7 , 119, 230

disputatio publica 5 3 , 5 6 , 6 4 , 1 2 1 ,

G n e s i o l u t h e r a n e r (Flacianer)

130

Gotteslehre 2 1 , 8 6

Disziplinierung 5 8 , 2 3 8 , 2 4 0 , 2 4 1 doctrina (siehe auch D o g m a t i k ) 2 f . , 4 9 , 52f., 57, 62f., 65f., 7 1 - 7 3 , 7 5 - 7 9 , 89f., 9 2 - 9 5 , 114, 1 2 2 - 1 2 4 , 128, 130f., 153, 165, 169, 175, 180, 184, 1 8 6 188, 194, 228, 241 D o g m a t i k (siehe auch articuli fidei, doctrina, L o c i c o m m u n e s [Grundbegrif-

99

G r a d e (theologische) 2 5 , 2 7 , 4 5 - 4 7 , 5 6 , 5 9 - 6 8 , 120f., 1 2 7 - 1 3 2 , 239, 245 - B a c c a l a u r e u s biblicus 2 5 , 4 0 , 4 6 f . , 5 4 , 5 9 - 6 1 , 64f., 70, 128, 130 - Baccalaureus formatus 4 0 , 4 5 , 5 4 , 60f., 64f., 128 - B a c c a l a u r e u s sententiarius 2 5 , 4 0 , 4 5 , 54, 5 9 - 6 1 , 64f., 128

fe]) 4 1 , 5 0 , 5 3 , 6 4 , 1 4 1 , 1 5 6 f . , 1 6 9 ,

- Licentiatus 4 9 , 6 0 , 6 2 , 6 6 , 1 2 7 - 1 3 1

1 7 6 - 1 7 8 , 194, 198, 2 0 0 - 2 0 3 , 207,

- Doctor 49, 6 0 - 6 6 , 1 2 7 - 1 3 1

222, 235, 239, 245

Grammatik 22, 30, 74, 144, 196, 2 1 7

D o k t o r siehe G r a d e (theologische) Dreißigjähriger Krieg 1 5 , 1 4 6 , 2 2 5 Eid 4 7 , 6 5 , 1 1 1 , 1 1 3 , 1 3 1 f . , 2 4 4 Ekklesiologie 4 8 , 5 2 E l o q u e n z (eloquentia) 4 4 , 8 5

Griechisch 3 0 , 4 4 , 4 6 f . , 1 0 5 , 1 3 8 , 1 4 5 , 216f., 232 Hebräisch 3 0 , 4 4 , 4 7 , 5 2 , 8 8 , 1 0 5 , 1 4 0 , 142, 1 4 5 , 2 1 7 , 232 Heiliger Geist siehe Illumination

296

Sachregister

Hermetismus 146 Historik 2 0 , 30, 145, 156, 196, 2 3 4 Hodegetik 14 Hofprediger 9 Homiletik 1 7 0 , 2 3 5 H u m a n i s m u s 5f., 16, 19, 2 6 - 2 8 , 37, 4 1 44, 55, 59, 69f., 74, 7 7 - 7 9 , 112, 133, 137f., 1 4 4 - 1 4 6 , 152, 158, 160, 169, 184, 196, 215, 2 4 6 - 2 4 8 Illumination 30, 63, 79, 81, 83, 85f., 9 0 92, 95, 152, 166, 184, 193f., 2 0 0 , 2 1 0 f . , 215f., 2 1 8 , 229f., 2 3 2 , 2 4 3 , 2 4 8 Immatrikulation 19, 24, 44, 60, 127f. Intellektuelle 3, 5 Irenik 2 2 6 Jesuiten (siehe auch Ratio Studiorum) 69, 107, 121, 1 3 4 - 1 4 5 , 151, 173, 197, 247 Juden / J u d e n t u m 1 4 0 , 2 1 7 Jura (siehe auch Römisches Recht) 5, 74, 77, 155, 196f., 2 3 2 Juristische Fakultät 25, 56, 65, 123, 125, 129 f. Kabbalistik 147 Kanonisches Recht 27, 4 5 , 155 Kanonistik 4 5 , 155 Kanzler 110, 112, 129f. Kasuistik 139f., 142 Katechismus (Großer / Kleiner) 131, 165, 2 2 1 Katechetik 157 Kirchen- und Schul Visitationen 1 7 7 Kirchengeschichte 51, 145, 167, 170f., 182, 198, 202f., 2 0 7 , 222f., 2 3 4 f . Kirchenväter 29, 47, 51, 69 f., 73 f., 76, 82, 106, 123, 138, 167, 170, 172, 182, 184, 2 0 7 , 221, 235, 2 4 1 , 2 4 6 f . Klerus (Begriff) 18 Klerus (Stand) 1 - 3 , 1 8 - 2 1 , 3 9 , 1 4 4 Klerus (höherer - niederer) 2, 8 f., 18, 2 0 22, 27f. Kollektaneen 31, 71f., 75, 77, 93, 158, 163, 177f., 1 8 0 - 1 8 2 , 184f., 2 0 1 , 2 0 5 f . , 208f., 2 2 4 , 2 4 0 Kompetenz (apologetisch-kontroverstheologisch) 77, 116, 130 f., 144, 173, 186, 216

Kompetenz (bibelhermeneutisch) siehe Bibelexegese (Fach, Methode) Kompetenz (dogmatisch-didaktisch) 89, 104, 107, 131, 143 f., 186 Kompetenz (seelsorglich-homiletisch) 74, 104, 123, 151 Konfessionalisierung (Diskussion) 4 - 6 , 10, 12, 1 5 - 1 7 , 135, 2 3 8 - 2 4 1 Konfessionalisierung (Prozess) 10, 15, 9 8 - 1 0 1 , 1 0 9 - 1 3 4 , 169, 2 3 2 , 246 Konkordienbuch 98, 109, 118, 165, 169, 179, 2 0 0 , 2 2 0 , 2 3 9 Kontroverstheologie 140, 167, 173 f., 178, 182, 2 0 8 , 2 2 1 f., 2 3 5 , 2 3 9 , 2 4 1 Konzilien 22, 2 9 , 4 8 , 73f., 76, 82, 93, 103, 106, 2 0 7 - Konzil von Basel 26 f. - Konzil von Konstanz 2 7 - Konzil von Nizäa 172 - Konzil von Trient 98, 121 Konziliarismus 2 6 - 2 8 Kryptocalvinismus siehe Philippismus Lehre siehe doctrina Lektionsmodus 106, 118f. Lektionsverzeichnisse 46f., 50, 5 8 Lektüremodi (kursorisch / statarisch) 7 1 73, 75f., 167f., 171, 1 7 6 - 1 7 9 , 183f., 1 9 8 - 2 0 0 , 204, 206, 2 0 9 , 220, 2 2 2 , 232, 2 3 4 f . , 240 Lektüretechniken / Lerntechniken 199, 201, 2 0 3 , 2 0 5 - 2 0 7 , 2 0 9 , 2 2 1 , 223f., 240 Lerngruppe 199, 206, 2 2 4 , 2 4 5 Literaturkunde, theologische 15, 2 2 7 Lizentiat siehe Grade (theologische) Loci c o m m u n e s (Grundbegriffe) 31, 48, 52, 76, 78, 93, 165f., 168, 181, 185, 201-203, 240 Loci c o m m u n e s (Loci-Methode) 31, 4 9 , 7 5 - 7 9 , 93, 145, 157, 168f., 181, 184f., 189, 2 0 3 , 208, 2 2 4 , 2 4 0 , 2 4 2 , 247 Loci c o m m u n e s theologici M e l a n c h t h o n s (Studienlektüre) 51f., 71f., 85, 89, 93, 95, 166, 2 4 4 Loci c o m m u n e s theologici M e l a n c h t h o n s (Vorlesung) 105, 117f., 165

297

Sachregister Lullismus 1 4 7

Piatonismus 1 5 2

Lutherschriften (Studienlektüre)

166,

171, 182, 2 0 8 , 2 2 2 , 235

Poetik 3 0 f . , 1 3 8 , 1 4 4 , 1 9 6 , 2 4 6 Polemik siehe Kontroverstheologie Politik 1 5 6 , 1 9 6

Magdeburger Habitualstreit 2 1 3

Praktische Theologie (siehe auch Kasuis-

Magister(grad) 2 1 , 2 5 , 2 7 , 5 9

tik, Katechetik, Homiletik) 1 4 0 , 1 4 2 ,

Mathematik 1 3 8 f . , 1 5 6 , 1 9 6 , 2 3 4

157, 166, 170, 183, 208, 221f., 235,

Matrikel siehe Immatrikulation Meditation (meditatio) 3 2 , 80, 8 3 f . , 90f., 9 3 - 9 6 , 174, 184, 194, 202, 219f., 232, 243

241 Praxis (Begriff) 1 0 3 f . , 1 6 6 , 1 9 1 f . , 2 1 3 , 228, 236, 241-243 Praxis (berufliche) 2 5 , 1 6 5 , 1 7 6 , 1 8 2 ,

Medizin 1 5 5 , 1 9 2 , 1 9 6 f . , 2 2 8 , 2 3 2 , 2 4 3 Medizinische Fakultät 2 5 , 5 6 , 6 5 , 1 2 3 , 125, 129f.

185f., 194f., 217f., 241 Praxis pietatis siehe Frömmigkeit Predigt (Studenten/Pfarrer) 1 - 3 , 9 f . , 5 0

Melanchthonschriften (Studienlektüre) 182f., 208, 2 2 2

Predigt (Professoren) 1 0 7 , 1 1 4 f . , 1 1 7 , 120, 198

Metaphysik 1 3 8 , 1 5 6 , 1 9 6 , 2 1 7 , 2 3 4

Predigtlehre siehe Homiletik

methodus 7 1 , 7 6 , 7 8

Priester 1, 2 1 , 2 6 f . , 2 9

Modernisierung 5 f., 9

Privatdozenten

Moraltheologie 1 4 0 f.

Professionalisierung 8, 1 4 4 , 1 9 7 f . , 2 1 2 ,

Mystik 4 2 , 1 1 2 , 1 4 7

128

236, 238, 241f. Professuren (Artes) 4 3 , 4 4 , 4 9 , 6 9 ,

Naturphilosophie Nizänum

138

51,74,88

Nominalismus 3 7 , 4 1 Neues Testament 4 2 , 4 6 f . , 5 0 , 5 3 , 71 f., 76, 78, 117, 126 - Galaterbrief 4 2 , 4 7 , 5 0 , 7 1 f., 7 4 , 117

105 Professuren (Theologie) 3 9 f . , 4 9 f . , 6 2 , 105 promotio per saltum

129

Promotion siehe Grade Promotionsgebühren 6 5 , 1 2 8 f . , 2 4 5 Psychologie

138

- Johannesevangelium 4 8 - 5 0 , 5 8 , 1 1 9 f . - Pastoralbriefe 4 7 , 1 1 7 - Römerbrief 4 1 f . , 4 6 - 5 3 , 6 4 , 7 1 f . , 7 4 , 76f., 117, 2 4 0

Qualifikationsmerkmale (subjektive / objektive) 1 5 3 f . , 1 9 4 , 2 1 4 , 2 1 6 , 2 3 1 Qualifizierungsstufen (theologische)

139-

144, 150f., 158, 1 9 7 - 2 0 9 , 215f., 232, Ökonomie 156, 196 Ordination 2 4 , 5 2 , 6 7 , 6 8 , 1 1 0

234, 241, 247 Quartalsdisputation

57

ordo salutis 8 1 Ramismus 1 2 6 , 1 4 6 f . Papst/Papsttum 82 Pastoraltheologie

13

Pfarrer (Sozialgruppe) 1 - 4 , 6 - 1 0 , 1 0 0 , 108, 110, 130, 132, 244f. Pfarrhaus l f . , 7f. Philippismus 9 9 - 1 0 2 , 1 0 8 , 1 1 2 - 1 1 4 , 117f., 121, 126, 131, 175 Physik 3 8 , 1 5 6 , 1 9 6 , 2 3 4 pietas et eruditio 3 2 f . , 9 2 , 2 4 2 Pietismus 11, 8 0 f . , 2 4 3

Ratio studiorum (Jesuiten)

134-145,

198, 2 4 7 Realismus 3 8 , 4 1 Rechtfertigungslehre 4 2 , 4 7 , 5 0 , 7 1 f., 7 6 - 7 8 , 86, 122, 170, 207f. Rektor 1 1 0 , 1 1 2 Repetitionen

142

Rhetorik 3 0 , 3 1 , 7 4 , 9 0 f . , 1 3 8 , 1 4 4 , 1 9 6 , 217, 234f., 2 4 1 , 2 4 6 Römisches Recht 5, 1 5 5

298

Sachregister

r u m i n a t i o 83 S a k r a m e n t s t h e o l o g i e 2 2 , 2 4 , 2 6 f . , 126 Säkularisierung 5 S c h m a l k a l d i s c h e Artikel 1 2 6 , 1 3 1 S c h m a l k a l d i s c h e r Krieg 5 9 Scholastik 19, 2 8 , 3 1 , 3 7 , 4 2 f . , 4 5 , 4 7 4 9 , 5 4 f . , 5 9 , 6 4 f . , 69, 73, 8 2 f . , 121, 1 3 0 f . , 133, 1 4 0 f . , 1 5 1 , 173, 2 3 7 , 2 4 7 Scholastische T h e o l o g e n (Studienlektüre) 4 7 , 1 4 0 f . , 167, 1 7 3 , 2 0 7 , 2 2 1 , 2 3 5 , 247 S c h r i f t a u s l e g u n g siehe Bibelexegese (Methode) Schulen (Niederschulen) 2, 2 1 , 2 4 , 1 3 6 f . , 161, 167, 2 1 7 Selbstverständnis 3f., 8, 10 S k o t i s m u s 38, 4 1 Sozialdisziplinierung 5, 10 Sozinianismus 120 S p ä t h u m a n i s m u s 15, 2 4 6 Spiritualismus 1 1 2 Stipendienwesen 121, 1 2 3 , 130 Studienzeit (faktische / vorgesehene) 2 5 , 2 7 , 1 1 6 , 120, 1 2 9 , 1 4 1 f., 1 5 1 , 1 6 6 , 174, 183, 197, 2 0 3 f . , 2 0 9 , 2 2 2 , 2 3 5 Sündenlehre 22, 27, 126 Testat ( t e s t i m o n i u m ) 60, 6 7 Teufel 3, 81, 8 4 f . T h e o l o g e n i d e a l 4, 1 0 - 1 2 , 1 4 - 1 6 , 19, 2 8 , 87 - Bibelleser 7 7 - Lehrer 9 0 , 9 2 , 96, 1 5 0 , 158, 1 7 5 , 186, 194, 2 4 5 - Seelenarzt 193, 2 2 9 f . , 2 4 3 t h e o l o g i a (Begriff) 2 1 , 86, 2 3 7 t h e o l o g i a crucis 86 theologia naturalis 157 theologia renatorum/regenitorum 210, 212 T h e o l o g i e (Subjekt) 2 1 , 192, 2 2 8 , 2 3 0 T h e o l o g i e (Verhältnis z u m G l a u b e n ) 8 5 87, 9 5 , 2 1 1 - 2 1 3 , 2 2 3 , 2 2 8 - 2 3 1 , 2 3 6 , 241-243 T h e o l o g i e (Verhältnis zur Philosophie) 147, 155, 187, 1 9 6 f . , 2 1 3

T h e o l o g i e (Verständnis) 2 8 f . , 7 5 f . , 8 6 f . , 9 5 , 1 0 3 f . , 1 3 3 , 140, 142, 1 4 7 - 1 5 1 , 1 6 5 f . , 186, 1 8 8 - 1 9 5 , 2 1 0 , 2 1 2 - 2 1 4 , 223, 226-229, 231, 236f., 241, 243, 248 -

c o g n i t i o 191, 2 2 9 , 2 4 2 intelligentia 1 4 9 h a b i t u s m i x t u s 149, 190, 1 9 3 habitus practicus 1 8 7 - 1 9 5 , 2 1 0 - 2 1 2 , 214f., 223, 227f., 243 - p r u d e n t i a 149, 1 9 1 - sapientia 1 9 0 , 2 2 9 - scientia 149, 1 8 7 , 2 2 9 T h e o l o g i s c h e E n z y k l o p ä d i e 12, 14, 1 4 7 f . t h e o l o g u s (Begriff) 2 1 , 3 4 , 8 6 f . , 2 2 9 f . , 237, 242f. t h e o l o g u s a c c u r a t u s 2 0 9 , 2 4 1 f. Thomismus 38, 40f., 45, 143 T o r g a u e r Artikel 100, 1 3 1 Trias (oratio, m e d i t a t i o , tentatio) 11, 14, 8 0 - 8 7 , 92, 95, 152, 166, 174, 1 8 4 f . , 188, 210, 2 1 8 - 2 2 0 , 222, 225, 231f. Ubiquitismus 99 Ü b u n g 2 5 , 39, 5 2 Universitätsgesetze (Wittenberg) 16, 3 5 f., 3 9 , 4 9 - 5 2 , 5 4 - 5 7 , 5 9 , 6 9 , 87, 105, 108-132, 244 - Satzungen / Statuten der Artistischen F a k u l t ä t 3 6 f . , 39, 5 2 , 6 4 - Satzungen / S t a t u t e n der T h e o l o g i s c h e n F a k u l t ä t 36, 39, 4 8 - 5 2 , 5 6 , 6 4 - 6 6 , 87, 93, 1 0 5 , 1 0 8 Universitätsreform 43f., 47, 69f. usus d o c t r i n a e 63, 73, 78, 119, 175, 1 8 1 , 184, 2 0 4 , 2 2 4 , 2 3 7 Visitation 2 6 , 4 6 , 1 1 7 , 119, 1 2 1 , 1 2 5 f. Vorlesung 2 5 , 3 9 - 4 1 , 4 4 - 5 3 , 5 9 - 6 1 , 6 4 f . , 7 4 f . , 88, 1 0 5 f . , 1 1 5 - 1 2 1 W i s s e n s c h a f t (Verständnis) 186f., 212, 223 Z e n s u r 1 2 3 f. Z ö l i b a t 1, 3, 6 5

146-149,

Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe Begründet von Heiko A. Oberman herausgegeben von Berndt Hamm (Erlangen-Nürnberg) in Verbindung mit Johannes Helmrath (Berlin), Jürgen Miethke (Heidelberg) und Heinz Schilling (Berlin)

Arnold, Matthieu: siehe Martin Bucer zwischen Luther und Zwingli. Ballweg, Jan: Konziliare oder päpstliche Reform. 2001. Band 17. Benad, Matthias: Domus und Religion in Montaillou. 1990. Band 1. Faix, Gerhard: Gabriel Biel und die Brüder vom gemeinsamen Leben. 1999. Band 11. Flachmann, Holger: Martin Luther und das Buch. 1996. Band 6. Freedman, Joseph S.: siehe Späthumanismus und reformierte Konfession. Gause, JJte: Paracelsus (1493-1541). 1993. Band 4. Hamm, Berndt: Lazarus Spengler (1479-1534). 2004. Band 25. —: siehe Martin Bucer zwischen Luther und Zwingli. —: siehe Spätmittelalterliche Frömmigkeit. Hinz, Ulrich: Die Brüder vom Gemeinsamen Leben im Jahrhundert der Reformation. 1997. Band 9. Hohenberger, Thomas: Lutherische Rechtfertigungslehre in den reformatorischen Flugschriften der Jahre 1521-22. 1996. Band 6. Holtz, Sabine: Theologie und Alltag. 1993. Band 3. Johannes a Lasco (1499-1560) - Polnischer Baron, Humanist und europäischer Reformator. Beiträge zum internationalen Symposium vom 14. bis 17. Oktober 1999 in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden. Herausgegeben von Christoph Strohm. 2000. Band 14. Jürgens, Henning P.: Johannes a Lasco in Ostfriesland. 2002. Band 18. Kaufmann, Thomas: Konfession und Kultur. 2006. Band 29. Kleinöder-Strobel, Susanne: Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern im 16. Jahrhundert. 2002. Band 20. Kuropka, Nicole: Philipp Melanchthon: Wissenschaft und Gesellschaft Ein Gelehrter im Dienst der Kirche (1526-1532). 2002. Band 21.

Spätmittelalter

und

Reformation

Lentes, Thomas: siehe Spätmittelalterliche Frömmigkeit. Lotz-Heumann, Ute: Die doppelte Konfessionalisierung in Irland. 2000. Band 13. Mantey, Volker: Zwei Schwerter - Zwei Reiche. 2005. Band 26. Martin Bucer zwischen Luther und Zwingli. Herausgegeben von Matthieu Arnold und Berndt Hamm. 2003. Band 23. Der Medici-Papst Leo X. und Frankreich. Herausgegeben von GötzRüdiger Tewes und Michael Rohlmann. 2002. Band 19. Miethke, Jürgen: De potestate papae. 2000. Band 16. Nieden, Marcel: Die Erfindung des Theologen. 2006. Band 28. Rohlmann, Michael: siehe Der Medici-Papst Leo X. und Frankreich. Schlotheuber, Eva: Klostereintritt und Bildung. 2004. Band 24. Schulze, Manfred: Fürsten und Reformation. 1991. Band 2. Seegets, Petra: Passionstheologie und Passionsfrömmigkeit im ausgehenden Mittelalter. 1998. Band 10. Selderhuis, Herman }. / Wriedt, Markus: Bildung und Konfession. 2006. Band 27. - : siehe Späthumanismus und reformierte Konfession. Simon, Wolfgang: Die Messopfertheologie Martin Luthers. 2002. Band 22. Späthumanismus und reformierte Konfession. Herausgegeben von Christoph Strohm, Joseph S. Freedman und Herman J. Selderhuis. 2006. Band 31. Spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen Ideal und Praxis. Herausgegeben von Berndt Hamm und Thomas Lentes. 2000. Band 15. Steinke, Barbara: Paradiesgarten oder Gefängnis? 2006. Band 30. Stoodt, Hans Christoph: Katharismus im Untergrund. 1996. Band 5. Strohm, Christoph: siehe Johannes a Lasco. - : siehe Späthumanismus und reformierte Konfession. Tewes, Götz-Rüdiger: siehe Der Medici-Papst Leo X. und Frankreich. Vogel, Sabine: Kulturtransfer in der frühen Neuzeit. 1999. Band 12. Weinbrenner, Ralph: Klosterreform im 15. Jahrhundert zwischen Ideal und Praxis. 1996. Band 7. Wriedt, Markus: siehe Selderhuis, Herman J.

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