Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich: Vom Ancien Régime bis zum ersten Versicherungsaufsichtsgesetz 1938 [1 ed.] 9783428559831, 9783428159833

In der wenig vorhandenen Literatur wird meist ein inkohärentes Bild der Entwicklungsgeschichte der französischen Versich

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German Pages 248 [249] Year 2020

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Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich: Vom Ancien Régime bis zum ersten Versicherungsaufsichtsgesetz 1938 [1 ed.]
 9783428559831, 9783428159833

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Comparative Studies in the History of Insurance Law Studien zur vergleichenden Geschichte des Versicherungsrechts Volume / Band 6

Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich Vom Ancien Régime bis zum ersten Versicherungsaufsichtsgesetz 1938

Von

Veronika Leitenbacher

Duncker & Humblot · Berlin

VERONIKA LEITENBACHER

Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich

Comparative Studies in the History of Insurance Law Studien zur vergleichenden Geschichte des Versicherungsrechts Edited by / Herausgegeben von Prof. Dr. Phillip Hellwege

Volume / Band 6

Die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich Vom Ancien Régime bis zum ersten Versicherungsaufsichtsgesetz 1938

Von

Veronika Leitenbacher

Duncker & Humblot · Berlin

The project ‘A Comparative History of Insurance Law in Europe’ has received funding from the European Research Council (ERC) under the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme (grant agreement No. 647019).

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 384 Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany

ISSN 2625-638X (Print) / ISSN 2625-6398 (Online) ISBN 978-3-428-15983-3 (Print) ISBN 978-3-428-55983-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2019 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt in erster Linie meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Phillip Hellwege M.Jur. (Oxford), der die Untersuchung im Rahmen des durch das European Research Council (ERC) geförderten Forschungsprojekts „A comparative history of insurance law in Europe“ (CHILE) angeregt hat. An seinem Lehrstuhl habe ich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin eine äußerst lehrreiche Zeit verbracht. Mir wurde dort das denkbar beste Umfeld zur Anfertigung der Arbeit geboten. Durch geförderte Forschungsaufenthalte in verschiedenen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen in Paris, Rouen, La Rochelle und Bordeaux konnte die Arbeit schließlich erfolgreich fertiggestellt werden: Lieber Phillip, ich möchte mich herzlich für deine stets offene Tür bei Fragen jeglicher Art und deine Unterstützung bei meinen Plänen bedanken. Ich hatte eine wunderbare Zeit an deinem Lehrstuhl, die ich nicht missen möchte! Danken möchte ich auch meinem Zweitkorrektor Prof. Dr. Andreas Früh für die zügige Korrektur. Ein herzlicher Dank gebührt zudem meinen Freunden und Kollegen, durch welche die Zeit an der Universität eine unvergesslich schöne für mich wurde. Ihre Unterstützung, sei es fachlicher oder gerade nicht fachlicher Natur, war wesentlich für das Gelingen der Arbeit. Insbesondere möchte ich mich bei Benedikt Wössner für seine große Hilfe bei der Fertigstellung der Arbeit bedanken. Auch Christopher Waldner war nicht nur während meiner gesamten Ausbildung, sondern auch während der Zeit der Erstellung dieser Arbeit eine ungemeine Stütze. Einen großen Dank für ihre guten Anregungen und lieben Worte möchte ich auch an Pia Müller, Dr. HannsPeter Kollmann, Dr. Michael Bachmann und Silvia Karmann richten. Größten Dank schulde ich zudem meiner Familie, allen voran meinen Eltern, Agnes Wiedemann und Alfons Leitenbacher, die mich während meiner gesamten Ausbildung unterstützt haben: Danke, dass ihr immer hinter mir steht. Ohne eure Unterstützung hätte ich meine Ausbildung nicht mit Erfolg geschafft! Augsburg, November 2019

Veronika Leitenbacher

Inhaltsübersicht A. Versicherungsaufsicht in Frankreich: Ein unzureichend erforschtes Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forschungsstand und Forschungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand und Methodik der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Französische Revolution: Eine Zäsur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das erste Aufsichtssystem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . VI. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 17 19 27 32 34 36 38

B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung des Versicherungswesens im Ancien Régime . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regeln versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur bis zum 17. Jahrhundert . . . . . . III. Versicherungsaufsichtsrechtliche Rechtsquellen ab dem 17. Jahrhundert . . . . . . IV. Assurances maritimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Assurances terrestres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Entwicklung versicherungsaufsichtsrechtlicher Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 45 52 63 75 110 111

C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stigmatisierung der Versicherungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Versicherungswesen zwischen Freiheit und Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgen der Auflösung und Liquidation der Compagnie Royale . . . . . . . . . . . . . IV. Zäsur für die Entwicklung der Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 115 119 126 128 129

D. Das erste Aufsichtssystem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . I. Nachwirken der Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Einordnung der sociétés d’assurances . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sociétés d’assurances à primes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sociétés d’assurances mutuelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausländische Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Régime d’autorisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131 131 142 144 155 165 169 171

E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts I. Regulierung während des régime d’autoritaire und régime de la liberté . . . . . . II. Sociétés d’assurances non-vie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sociétés d’assurances vie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175 175 183 190

10

Inhaltsübersicht IV. Ausländische Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 V. Système réglementaire und régime d’autorisation et de la surveillance . . . . . . . 200 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von der „liberté réglementée“ zur „liberté de plus en plus contrôlée“ . . . . . . . . II. Assurance contre les accidents du travail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Assurance sur la vie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sukzessive Ausweitung der contrôle auf alle Versicherungszweige . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

205 205 206 215 222 224

G. Historische Rechtsvergleichung auch nach Solvency II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Inhaltsverzeichnis A. Versicherungsaufsicht in Frankreich: Ein unzureichend erforschtes Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Forschungsstand und Forschungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Gegenstand und Methodik der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Die „Versicherungsaufsicht“ in der deutschen Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . 20 2. Die „contrôle“ in der französischen Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Gegenstand und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Die Französische Revolution: Eine Zäsur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 V. Das erste Aufsichtssystem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . 34 VI. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 VII. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Entwicklung des Versicherungswesens im Ancien Régime . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Regeln versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur bis zum 17. Jahrhundert . . . . . 45 1. Courtiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Amirautés . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Notaires und Tabellions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4. Kontrolle der Seeversicherungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Versicherungsaufsichtsrechtliche Rechtsquellen ab dem 17. Jahrhundert . . . . . 52 1. Ordonnance du Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Form- und Publizitätsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Lokale Genehmigungs- und Registrierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Ordonnance de la Marine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Ordonnances royales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IV. Assurances maritimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Erste Vereinigungen von Versicherern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Verstaatlichung und Monopolisierung im Seeversicherungswesen . . . . . . . . 67 3. Gründung von privaten Seeversicherungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Königliche Genehmigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

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Inhaltsverzeichnis b) Solvabilitätsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 V. Assurances terrestres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Moralische Vorbehalte gegen assurances contre l’incendie . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Verbot der assûrances sur la vie des personnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Stigmatisierung der assûrance sur la vie des personnes . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Natur der assûrance sur la vie des personnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Tontine und (Lebens-)versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Staatliche Tontine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Private Tontine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 cc) Bedeutung der Tontine für das Versicherungswesen . . . . . . . . . . . . . . 90 d) Regulatorische Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Genehmigung der ersten sociétés d’assurances contre l’incendie . . . . . . . . . 91 a) Arrêt vom 20. August 1786, Arrêt vom 6. November 1786 . . . . . . . . . . . 92 b) Contrôle par l’État . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Solvabilitäts- und Publizitätsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Contrôle a priori und contrôle permanent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Genehmigung der ersten société d’assurance sur la vie . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Arrêt vom 3. November 1787 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Genehmigungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Genehmigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Privilège exclusif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Contrôle spécifique de l’État . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Solvabilitätsvorschriften und Betriebsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Überwachung durch Commissaires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 VI. Entwicklung versicherungsaufsichtsrechtlicher Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . 110 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I. Stigmatisierung der Versicherungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Diskurs um die Agiotage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Diskurs um die Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Das Versicherungswesen zwischen Freiheit und Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Décret d’Allarde und Loi Le Chapelier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15 – 18. April 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Loi vom 21. November 1795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Revolutionäre Maßnahmen: Ein Wechsel von Freiheit und Verbot . . . . . . . . 124

Inhaltsverzeichnis

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5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Folgen der Auflösung und Liquidation der Compagnie Royale . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Zäsur für die Entwicklung der Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 D. Das erste Aufsichtssystem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . 131 I. Nachwirken der Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Code de Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Lokale und regionale mutuelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Selektive Genehmigungserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Versicherungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Versicherungszweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 II. Rechtliche Einordnung der sociétés d’assurances . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Sociétés d’assurances à primes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Genehmigungspflicht der sociétés anonymes gem. Art. 37 Code de Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Genehmigungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Genehmigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Kritik an dem Genehmigungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Contrôle a priori und contrôle permanent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 IV. Sociétés d’assurances mutuelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Genehmigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Avis vom 1. April 1809 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Avis vom 30. September 1809 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Circulaire vom 25. Oktober 1819 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Contrôle a priori – contrôle permanent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 V. Ausländische Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 VI. Régime d’autorisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175 I. Regulierung während des régime d’autoritaire und régime de la liberté . . . . . . 175 1. Verstaatlichungsbestreben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Sukzessive Abschaffung der Genehmigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Gesetze vom 17. Juli 1856, 23. Mai. 1863, 24. Juli 1867 . . . . . . . . . . . . . 177 b) Art. 21 Gesetz vom 24. Juni 1867 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

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Inhaltsverzeichnis c) Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867, Décret vom 22. Januar 1868 . . . . . . . . 180 II. Sociétés d’assurances non-vie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Sociétés d’assurances à primes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Sociétés d’assurances mutuelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Sociétés d’assurances vie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Surveillance der Tontinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Surveillance der Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV. Ausländische Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 V. Système réglementaire und régime d’autorisation et de la surveillance . . . . . . 200 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Von der „liberté réglementée“ zur „liberté de plus en plus contrôlée“ . . . . . . . 205 II. Assurance contre les accidents du travail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Art. 27 Gesetz vom 9. April 1898, Décret vom 28. Februar 1899 . . . . . . . . . 208 2. Cautionnement et réserves . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3. Surveillance et contrôle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Assurance sur la vie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Gesetz vom 17. März 1905 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Enregistrement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3. Garanties . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4. Surveillance et contrôle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 5. Pénalité . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 IV. Sukzessive Ausweitung der contrôle auf alle Versicherungszweige . . . . . . . . . 222 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 G. Historische Rechtsvergleichung auch nach Solvency II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Abkürzungsverzeichnis a. A. A. D. S. M. Arch. Nat. Art. Bd. bspw. Bull. bzw. Cap. Ders./dies. d. h. diesbzgl. EU f. ff. fol. fr. ggü. i. F. i. F. d. i. H. v. Lib. liv. Mio. Rub. S. sog. Tit. u. a. VAG vgl. Vol. z. B.

andere Ansicht Archives départementales de la Seine-Maritime Archiv nationale Artikel, Article (franz.) Band beispielsweise Bulletin beziehungsweise Capitolo (ital.), Caput (lat.), Capitel (Kapitel) Derselbe/Dieselbe das heißt diesbezüglich Europäische Union folgend fortfolgend folios Franc (franz. Währung) gegenüber in Form in Form des in Höhe von Libro (ital.: Buch), Liber (lat.: Buch) Livre (franz.: Buch), Livre (franz.: Währung) Millionen Rubriek (niederl.: Teil) Seite sogenannt Titre (franz.: Titel) unter anderem Versicherungsaufsichtsgesetz vergleiche Volume zum Beispiel

A. Versicherungsaufsicht in Frankreich: Ein unzureichend erforschtes Rechtsinstitut I. Forschungsstand und Forschungsziel „Die Behandlung der Geschichte der Versicherung ist ein umfangreiches Thema, selbst wenn man sich dabei auf das französische Gebiet beschränkt […]“1, urteilte Hubrecht Mitte des 20. Jahrhunderts. Auch wenn man die Versicherungsaufsicht in den Fokus der Untersuchung rückt, reduziert sich der Umfang nur geringfügig. Da eine rein isolierte Betrachtung von versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen unmöglich erscheint, ist die Geschichte der französischen Versicherungsaufsicht immer auch die Geschichte des gesamten französischen Versicherungswesens.2 Die französische Versicherungsgeschichte war bereits mehrfach Gegenstand moderner rechtshistorischer Forschung. Umfangreiche Darstellungen der Versicherungsrechtsgeschichte finden sich in dem Guide des sources sur l’histoire de l’assurances (2007) und in den Mémoires d’assurances (2011). Auch Gallix zeichnete die Rechtsgeschichte des französischen Versicherungswesens in dem Werk Il était une fois…l’assurance im Ganzen nach.3 Die Versicherungsaufsicht wird in diesen Arbeiten hingegen gar nicht oder nur sehr knapp behandelt. Bei Sichtung weiterer Forschungsarbeiten zur Versicherungsrechtsgeschichte zeigt sich, dass dies nicht ungewöhnlich ist. Fourastié stellte im 20. Jahrhundert fest, dass Literatur, welche die Aufsichtsgesetzgebung von Beginn an und detailliert untersucht, nicht vorhanden ist.4 Seither hat sich an diesem Umstand nicht viel geändert. Moderne Untersuchungen, welche sich primär und umfassend mit der Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich befassen, sind rar.5 Die wenigen existierenden 1

Hubrecht, VersArch 1958, 149. Vautrin (1905), S. 75; Blondel (1965), S. 3; L’Argus (1979), Bd. 1, S. 197. 3 Gallix, Il était une fois…l’assurance (1985), Paris. 4 Fourastié (1937), S. 18, Fn. 2, der selbt nur rudimentäre Überlegungen zur Entwicklung des Versicherungsaufsichtsrechts anstellte. 5 Eine Untersuchung mit umfangreicherem geschichtlichen Teil von Anthon, Du contrôle de l’état en matière d’assurances (1937). Eine allgemeine Untersuchung der Entwicklung der contrôle de l’economie ab dem 19. Jarhundert in Bruguière et al., Administration et contrôle de l’economie (1985). Eine eingehende Untersuchung der intervention de l’État mit dem Schwerpunkt auf die Lebensversicherung ist in Vautrin (1905), S. 75 ff. zu finden. Eine knappe, aber übersichtliche Darstellung findet sich in Richard (1956), S. 201 ff.; Auch jüngere Forschung beschäftigt sich mit der Versicherungsaufsicht. Eine reflektierte, aber wenig detaillierte Gesamtanalyse der Entwicklung der Versicherungsaufsicht bietet Ruffat, Financal history re2

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

Studien sind zudem oft schwer zugänglich und auffindbar. Untersuchungen, insbesondere Dissertationen, sind im internationalen Leihverkehr nicht verfügbar oder werden in den Bibliothekskatalogen der französischen Universitäten ausschließlich intern gelistet. Versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen sind oftmals nicht in versicherungs-, sondern in gesellschafts- oder sozialgeschichtlichen Untersuchungen angeführt.6 Ausführungen zur Versicherungsaufsicht finden sich mithin nicht immer in Analysen mit rechtshistorischem Schwerpunkt, was die spezifische Suche nach diesen erschwert. Vorhandene rechtshistorische Forschung beschäftigt sich hingegen meist mit einzelnen Regelungen und einzelner Gesetzgebung, selten jedoch mit der gesamten Entwicklung des Versicherungsaufsichtsrechts. Oft sind versicherungsaufsichtsrechtliche Ausführungen auf bestimmte Gesellschaftsformen oder Versicherungszweige beschränkt. Hierdurch wird weniger ein Gesamtbild gezeichnet als vielmehr fragmentarisch einzelne aufsichtsrechtliche Regelungen in zeitlich chronologisch, unsystematisierter Weise dargestellt. Diese Darstellungsweise resultiert aus der Vielzahl verschiedener versicherungsaufsichtsrechtlicher Regelungen, welche nach Anthon vor dem 20. Jahrhundert keiner Einheit folgten. Er begründet diesen Umstand damit, dass Aufsichtsmaßnahmen wegen des Regulierungsbedarfs der Praxis angeordnet wurden. Ein regulatorisches Leitprinzip sei diesen daher nicht zugrunde gelegt worden.7 Diese These rechtfertigt indes nicht die rein isolierte Betrachtung versicherungsaufsichtsrechtlicher Regelungen, vermag diese doch nicht, die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich in angemessenem Umfang und notwendiger Tiefe darzustellen. Inhaltlich sind die Ausführungen zur Geschichte der französischen Versicherungsaufsicht uneinheitlich und lückenhaft gestaltet. Sowohl die Frage, wann erste versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen vom französischen Staat ergriffen wurden, als auch die Frage, welche Aufsichtsmaßnahme für die Entwicklung der französischen Versicherungsaufsicht entscheidend waren, werden in der Forschung unterschiedlich beantwortet. Die Auseinandersetzung mit einzelnen versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen erfolgt zu wenig detailliert. Die Gesetzgebungsgeschichte sowie die Umsetzung und Effektivität von Versicherungsaufsichtsrecht wie auch deren Reformierung und Novellierung werden meistens nicht näher erläutert. Beispiele aus der Praxis werden selten angeführt. Eine gesamtheitliche Betrachtungsweise bei der historischen Analyse der Versicherungsaufsicht fehlt damit meist. Erschwerend kommt hinzu, dass ein kritischer Umgang mit Priview (2003), 185 ff.; ders., in: Nùñez (1998), S. 59 ff. Ebenso, wenn auch deutlich kürzer erscheint die histoirsche Analyse der contrôle von Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 33 ff. 6 So Untersuchungen zur Geschichte der sozialen Absicherung oder des Vorsorgestaates z. B. in Ewald, Histoire de l’État providence; Penaud, Politiques Sociales; Dreyfus et al., Se protéger, être protégé. So Untersuchungen zu Aktiengesellschaften z. B. Ducouloux-Favard, Les sociétés anonymes en droit français, allemand et italien, Bd. 1. 7 Anthon (1937), S. 53.

II. Gegenstand und Methodik der Untersuchung

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mär- und Sekundärquellen nicht stets gewährleistet wird. Überdies entbehren einige Thesen jeden nachprüfbaren Arguments. Die Analyse des Forschungsstands offenbart mithin im Bereich der historischen französischen Versicherungsaufsicht Forschungsbedarf.8 Auf der Grundlage des beschriebenen Forschungsstands und in Schließung der genannten Forschungslücken wird diese Arbeit eine umfangreiche Darstellung versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen ab dem Ancien Régime bis zum Erlass des ersten einheitlichen Versicherungsaufsichtsgesetzes im Jahr 1938 vornehmen. Nur mit diesem zeitlich weiten Rahmen erscheint es möglich, Entwicklungslinien des historischen Versicherungsrechts nachzuzeichnen. Da vorhandene Forschung keine Aussagen zur Kontinuität versicherungsaufsichtsrechtlicher Regelungen trifft, muss das Fortwirken einzelner aufsichtsrechtlicher Regelungen herausgearbeitet werden. Finden sich einzelne frühe aufsichtsrechtliche Maßnahmen in späterer Aufsichtspraxis oder Aufsichtsgesetzgebung wieder, ist darauf hinzuweisen. Zudem muss geklärt werden, ob entgegen der oben angeführten These von Anthon die einzelnen aufsichtsrechtlichen Regelungen systematisierbar sind. Die Komplexität, welche die Literatur des 20. Jahrhunderts9 bei Erforschung der Versicherungsaufsicht moniert, soll von diesem umfangreichen Vorhaben nicht abhalten. Einige Einschränkungen bei der Forschung sind jedoch im Hinblick auf die Quellenlage zu machen. Nicht immer können Primärquellen bei der Untersuchung herangezogen werden. Zum einen sind zahlreiche Materialien in Archiven verlorenen oder zerstört. Zum anderen sind vorhandene Texte oft in schlechtem Zustand. Abschließende versicherungsrechtliche Gesetzestextsammlungen fehlen überdies.10 Daher sind bei Fehlen von Primärquellen Sekundärquellen heranzuziehen. Hierbei sind die Ergebnisse der Sekundärliteratur kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf die hier herausgearbeiteten Mängel und Lücken des Forschungsstands notwendig.

II. Gegenstand und Methodik der Untersuchung Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich vom Ancien Régime bis zum Erlass des ersten einheitlichen Versicherungsaufsichtsgesetzes im Jahr 1938. Doch wie ist in einer historischen Betrachtung „Ver8 Zum ungenügenden Forschungsstand in Europa ausführlich Hellwege, in: Hellwege (2018), Bd. 1, S. 11 ff. 9 So Anthon (1937), S. 53; Privat-Aubouard (1906), S. 106. Vgl. auch Braudel, in: Boiteux (1968), Préface allgemein zur Komplexität der Versicherungsmaterie. 10 Einen Versuch, die wichtigsten Regelungen zusammenzufassen unternimmt Pouilloux, Mémoire des assurances (2011). Sein Werk ist jedoch lückenhaft und enthält oft nur Ausschnitte. Zudem erschwert das Fehlen einer chronologischen Sammlung das Auffinden der Texte. Bekannt sind auch die Textsammlung von Isambert, Fantanon und Pardessus.

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

sicherungsaufsicht“ zu verstehen? Diese Frage muss, ohne auf die Rechtsnatur11 näher einzugehen, zwingend vor Beginn der Untersuchung beantwortet werden, bildet die Versicherungsaufsicht doch den Untersuchungsgegenstand. Eine einheitliche Definition der Versicherungsaufsicht existiert in der Wissenschaft nicht. Daher muss bei Beantwortung der Frage die deutsche, wie französische Wissenschaft herangezogen werden. Freilich ist nicht die deutsche, sondern die französische Versicherungsaufsicht Untersuchungsgegenstand, so dass insofern weniger das deutsche, als vielmehr das französische Begriffsverständnis entscheidend ist. Gleichwohl soll zunächst die deutsche Wissenschaft betrachtet werden. Zum einen kann man sich in einer deutschen Untersuchung nie ganz von ihren Anschauungen trennen, zum anderen dient sie dem besseren Verständnis der französischen Wissenschaft. 1. Die „Versicherungsaufsicht“ in der deutschen Wissenschaft In Deutschland fand eine erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Bedeutung von Versicherungsaufsicht mit Erlass des ersten Versicherungsaufsichtsgesetzes im 20. Jahrhundert statt.12 Seither entwickelte die deutsche Wissenschaft in Reflexion der historischen und zeitgenössischen Versicherungsaufsicht sukzessive verschiedene sog. „Aufsichtssystem (Aufsichtsmittel und „Aufsichtstheorien“ (Aufsichtszwecke). Als Aufsichtssystem werden die von der Staatsgewalt im Bereich von privaten Versicherungswesen eingesetzten Methoden staatlichen Einwirkens bezeichnet.13 Zu den vier Aufsichtssystemen zählen das Publizitätssystem, das System der Normativbestimmungen (auch Normativsystem), das Konzessionssystem (auch Erlaubnisoder Zulassungssystem) und das System der materiellen Staatsaufsicht. Dem Publizitätssystem liegt der Gedanken zu Grunde, dass dem Interesse der Versicherten ausreichend gedient ist, wenn der Öffentlichkeit die Möglichkeit der Einsicht in den Entstehungsvorgang, den laufenden Geschäftsbetrieb und den Auflösungsvorgang des Versicherungsunternehmens gegeben wird.14 Publizitätsvorschriften regeln daher die periodische Veröffentlichung von Geschäftsunterlagen und von Geschäftsergebnissen sowie meist auch von Geschäftsplänen nach bestimmten Vorgaben.15 Das System der Normativbestimmungen zielt auf die Verhinderung der Entstehung von kapitalschwachen und unseriösen Unternehmen ab. Gleichzeitig soll 11 Für Deutschland aktuell siehe Dreher, in: Prölss/Dreher (13. Aufl. 2018), S. 7, Fn. 29 ff.; Bürkle in: Kaulbach/Bähr (6. Aufl. 2019), 3 f., Rn. 2 ff. 12 Weingartner (1989), S. 6. 13 Bánde (1933), S. 12. 14 Manes, Versicherungswesen (1930), Bd. 1, S. 140; ders., Versicherungslexikon (1930), Sp. 1214; Bánde (1933), S. 13. 15 Ogris (1988), Bd. 2, S. 23. Umfassende Darstellung der zu veröffentlichen Unterlagen in Boss (1955), S. 35 ff.

II. Gegenstand und Methodik der Untersuchung

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ein freier Wettbewerb möglich sein.16 Als Normativbestimmungen werden in diesem Zusammenhang Bestimmungen bezeichnet, welche die von Versicherungsunternehmen bei deren Entstehung zu erfüllenden Anforderungen festlegen. Oft werden zudem Vorschriften für den laufenden Geschäftsbetrieb festgesetzt.17 Die Normativbestimmungen regeln meist den Gründungsvorgang, die Rechtsformwahl, den Satzungsinhalt, den Geschäftsplan, das einzubringende Eigenkapital, Kapitalanlagen und die Rechnungslegung. Auch Solvabilitätsvorschriften, die durch die Gewähr ausreichenden Eigenkapitals oder anderer Sicherheiten für Vertrauen und Sicherheit der Versicherten sorgen sollen, sind keine Seltenheit.18 Das Konzessionssystem besteht im Wesentlichen aus der Konzessionspflicht. Eine zuständige Behörde erteilt auf be- oder unbegrenzte Zeit einem oder mehreren Konzessionären für den Einzelfall mit mehr oder weniger freiem Ermessen das Recht der Errichtung und des Betriebs eines Versicherungsunternehmens.19 Das jüngste der vier Systeme ist das der materiellen Staatsaufsicht. Der Begriff wurde durch den Gesetzgeber des VAG, das erste einheitliche deutsche Versicherungsaufsichtsgesetz, geprägt. Das System leitet seinen Namen von der Möglichkeit ab, auch materiell auf den laufenden Geschäftsbetrieb des Versicherungsunternehmens umfassend einzuwirken.20 Die Aufsicht geht daher über eine bloße Überwachung nach „klassischen“ gewerblichen Normen hinaus und umfasst auch eine inhaltliche Kontrolle des gesamten Geschäftsbetriebs.21 Dass die Versicherungsaufsicht in Deutschland nach Solvency II und deren Umsetzung im VAG im Jahr 2016 heute keinem dieser Systeme absolut zuordenbar ist, versteht sich von selbst, handelt es sich bei den beschriebenen Systemen doch lediglich um auf dem Aufsichtsmittel basierende und damit historisch gewachsene Grundkonzepte der Versicherungsaufsicht. Gleichwohl wird auch in der modernen Wissenschaft immer noch auf diese Aufsichtsmethoden Bezug genommen.22 Die dargestellten historischen Aufsichtsmethoden verfolgen verschiedene Aufsichtsziele. Letztere werden in „Theorien der Versicherungsaufsicht“ zusammengefasst, obzwar nicht eine die gesamte Versicherungsaufsicht erfassende Theorie gemeint ist, da andernfalls neben der Beschreibung des Zielsystems auch die Art der 16

Bánde (1933), S. 14; Ogris (1988), Bd. 2, S. 23. Manes, Versicherungswesen (1930), Bd. 1, S. 141 f.; ders., Versicherungslexikon (1930), SP. 1102; Ogris (1988), Bd. 2, S. 23 f.; Boss (1955), S. 45. 18 Farny (5. Aufl. 2011), S. 113; Ogris (1988), Bd. 2, S. 23 f.; Umfassende Darstellung der Normativbestimmungen in Boss (1955), S. 47 ff. 19 Manes, Versicherungswesen (1930), Bd. 1, S. 144; ders., Versicherungslexikon (1930), Sp. 903. 20 Farny (5. Aufl. 2011), S. 113. Umfassende Darstellung der Eingriffsmöglichkeiten in Boss (1955), S. 62 ff. 21 Schüffner/Frank, in: Sodan (3. Aufl. 2018), § 47, Rn. 61. 22 So Bürkle in: Kaulbach/Bähr (6. Aufl. 2019), S. 5, Rn. 7, der in seinem modernen Kommentar von drei wesentlichen Systemen spricht und hierbei das Konzessionssystem ausschließt. 17

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

Zielerfüllung erfasst sein müsste.23 Um Unklarheit zu vermeiden wird in der jüngeren Literatur daher auch der Begriff der „Aufsichtskonzeption“ verwendet.24 Nach der Gefahrtheorie dient die Versicherungsaufsicht dem Schutz des einzelnen Versicherten vor einer konkret bevorstehenden Gefahr oder vor einem eingetreten Schaden.25 Die Schutztheorie beschreibt das Ziel, die Belange der Versicherten gegenüber den Versicherungsunternehmen zu schützen. Der Schutz erfolgt in Ergänzung und Erweiterung der Gefahrentheorie auch präventiv und erfasst überdies abstrakte unternehmensspezifische interne oder allgemeine externe Gefahren.26 Die Schutztheorie wurde von Starke zu der Strukturtheorie weiterentwickelt. Nach dieser steht weniger der Schutz der Belange der einzelnen Versicherten, als vielmehr der Erhalt der Funktionsfähigkeit der Versicherungsunternehmen im Fokus, weisen doch Versicherungsunternehmen Strukturschwächen auf, welche die Versicherungsaufsicht als Korrektiv auszugleichen hat. Zu diesen Schwächen zählen bspw. das Fehlen greifbarer Produkte sowie das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Versicherern und Versicherten.27 Die Versicherungswirtschaft hat indes großen Einfluss für die gesamte Volkswirtschaft, weshalb die Struktur des Versicherungswesens zu sichern ist. Dies gilt einmal mehr in Anbetracht der engen Verknüpfung des Versicherungsmarktes mit den Finanz- und Bankenmärkten.28 Über die hier beschriebenen gängigen Theorien hinaus hat die deutsche Wissenschaft weitere Theorien, wie z. B. die soziale Theorie, die ethische Theorie, die hoheitliche Theorie oder die Mehrzwecktheorie entwickelt.29 Die genannten Aufsichtszwecke sind damit nicht abschließend. Dies ist freilich nicht überraschend, verändern sich die Ziele der Versicherungsaufsicht doch fortwährend mit den sich ändernden politischen, sozialen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. So verfolgt auch die aktuelle Versicherungsaufsicht verschiedene an die gegenwärtigen Bedürfnisse des Versicherungsmarktes angepasste Zwecke.30 Die dargestellten Theorien sind mithin nur Ausfluss des historisch gewachsenen Diskurses. Die Grundzüge der von der deutschen Wissenschaft beschriebenen Aufsichtssysteme (Aufsichtsmittel) und Aufsichtstheorien (Aufsichtszwecke) sind auch in anderen europäischen Ländern auffindbar. Weil jedoch historische, soziale und 23

Dies fordert auch Ludwig (2008). S. 28, der aber der Theorie der Versicherungsaufsicht unterstellt, die Stellung einer Gesamttheorie einnehmen zu wollen. 24 Schmidt (2003), S. 32. 25 Schako (1939), S. 14; Ogris (1988), Bd. 2, S. 22; Farny (5. Aufl. 2011), S. 109; Sieg, in: Farny et al. (1988), S. 995 stellt nur auf eine bevorstehende Gefahr ab; ebenso Stein (1967), S. 10; Gondring (2015), S. 59: erfasst bloß konkret eingetretene Schäden. 26 Starke, in: Rohrbeck (1952), Bd. 3, S. 59. 27 Starke, in: Rohrbeck (1952), Bd. 3, S. 65, 68 f. 28 Gondring (2015), S.60. 29 Vgl. Scheibal (1954), S. 11; Kraus (1971), S. 32, 35; Farny (5. Aufl. 2011), S. 111; Mahr (1970), S. 382 ff.; Starke, in: Rohrbeck (1952), Bd. 3, S. 62, 64. 30 Zu den aktuellen Zielen der Versicherungsaufsicht Dreher, in: Prölss/Dreher (13. Aufl. 2018), S. 3, Rn. 6 ff.

II. Gegenstand und Methodik der Untersuchung

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kulturelle Unterschiede bestehen, können diese Systeme und Theorien nicht ausschließlich für die historische Analyse der französischen Versicherungsaufsicht herangezogen werden. Sie dienen jedoch der leichteren Erfassung des Gegenstands dieser Arbeit. 2. Die „contrôle“ in der französischen Wissenschaft Auch in Frankreich ist vor dem 20. Jahrhundert keine theoretische Auseinandersetzung mit der Versicherungsaufsicht vorzufinden.31 Bis zu diesem Zeitpunkt wurden staatliche Eingriffe in den Versicherungsmarkt keinem besonderen Rechtsinstitut zugewiesen. Die versicherungsaufsichtlichen Maßnahmen wurden in Primär- und Sekundärliteratur zunächst nach den einzelnen aufsichtsrechtlichen Mitteln „prohibition“/„interdiction“ „autorisation“ (Genehmigung), „surveillance“ (Überwachung) und „contrôle“ (Kontrolle) benannt.32 Dies kann damit begründet werden, dass es sich bei dem Versicherungsaufsichtsrecht nicht um ein traditionelles Rechtsinstitut handelt. Das Versicherungsaufsichtsrecht als eigenständige Regelungsmaterie konnte sich in Frankreich erst im Jahr 1938 mit Erlass des ersten einheitlichen Aufsichtsgesetzes etablieren. Bis dahin waren aufsichtsrechtliche Regelungen zunächst in seerechtlicher, dann gesellschaftlicher und sogar in sozialrechtlicher Gesetzgebung verortet.33 Versicherungsaufsichtsrechtliche Regelungen werden seit dem 20. Jahrhundert unter den Überbegriff „contrôle“ (Aufsicht) gefasst.34 Aber auch andere Begrifflichkeiten, so z. B. „réglement“, „réglementation“, „surveillance“, etc., werden zur Umschreibung der Aufsicht verwendet.35 Eine einheitliche Definition von „contrôle“ ist bis heute nicht vorhanden.36 Eine solche würde indes auch nur bedingt zur Beschreibung des Untersuchungsgegenstands beitragen, da der Bedeutungsgehalt stets gesetzgeberisch geprägt ist. Es handelt sich bei der contrôle mithin um keinen traditionellen, sondern einen historisch gewachsenen Rechtsbegriff. Dieser wurde von der französischen Wissenschaft theoretisch unzureichend untersucht. Eine umfangreiche, aber auf alle Wirtschaftszweige bezogene Untersuchung der contrôle findet sich in dem Werk von Demichel Le contrôle de l’État sur 31

So z. B. Chaufton (1884), Bd. 1, S. 479 ff., 645 ff., 681 ff. Auch Ruffat, Financial history review (2003), 185 hebt diese historischen Aufsichtsmittel in seiner Untersuchung hervor. 33 Siehe z. B. B. III. 1., 2 (S. 52 ff., 57 ff.); D. II (S. 142 ff.); F. II. 1 (S. 208 ff.). 34 So z. B. Anthon (1937), S. 41; L’Argus (1979), S. 197; Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 3. Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 12; Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 235 führen überdies die „réglementation“ (Regulierung) als Überbegriff an. 35 Vgl. Internationales Versicherungslexikon (1959), S. 168, 198. Vgl. auch Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 12; Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 235. 36 Bereits Thuillier/Tulard, in: Administration et contrôle de l’économie (1985), S. 161 sprach die Schwierigkeit der begrifflichen Fassung der contrôle im 20. Jahrhundert an. Vgl. auch Privat-Abouard (1906), S. 106. 32

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

les organismes privés.37 Vergleichbare Untersuchungen für die contrôle der Versicherungsgesellschaften fehlen weitgehend.38 Bigot differenziert in seiner historischen Analyse zwischen der „contrôle des condition d’accès à l’activité“ (Kontrolle der Bedingungen für die Aufnahme des Geschäftsbetriebs) und der „contrôle des conditions d’exercice de l’activité“ (Kontrolle der Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit).39 Diese Differenzierung besitzt indes eine geringere Aussagekraft als die von der deutschen Wissenschaft entwickelten Theorien und Systeme. Um über den Bedeutungsinhalt der contrôle genauere Auskunft zu erhalten, muss daher die moderne französische Wissenschaft betrachtet werden. Da die moderne contrôle Ergebnis des historischen Entwicklungsprozesses ist, lässt diese zumindest gewisse Rückschlüsse auf die historische Bedeutung der contrôle zu. In der modernen Wissenschaft wird bei Beschreibung der contrôle überwiegend nur eine Abgrenzung nach verschiedenen Kriterien vorgenommen. Diese Kriterien können grob in Gegenstand, Zeitpunkt, Ort und Aufsichtsperson untergliedert werden: Der Gegenstand der contrôle kann rechtlicher (Statuten, Policen, etc.), finanzieller (finanzielle Garantien, Anlagen, etc.), buchhalterischer (Bilanz, Gewinnund Verlustrechnung), versicherungstechnischer (Tarife, Kalkulation der Reserven, etc.) und wirtschaftlicher (Konditionen des Versicherungsmarktes sowie wettbewerbsrechtliche Regelungen, etc.) Natur sein.40 Die contrôle betriff nicht immer nur die Versicherungsgesellschaft. Auch Versicherungsverträge können Gegenstand der contrôle sein.41 Dies ist nach deutschem Verständnis nicht sofort nachvollziehbar, versteht man unter dem Versicherungsvertragsrecht doch die unmittelbar gesetzliche Regelung des Versicherungsvertrags und unter der Versicherungsaufsicht die Lenkung und Kontrolle der Versicherungsunternehmen.42 Die contrôle differenziert zwischen französischen und ausländischen Versicherungsunternehmen.43 Nicht für jeden Versicherungszweig müssen dieselben aufsichtsrechtlichen Regelungen gelten.44 Die contrôle erfolgt bei Entstehung bzw. vor Gründung (a priori/prealable), oder während des Geschäftsbetriebs (permanent). Sie betrifft damit entweder die Entstehung bzw. Gründung (départ /préalable à l’activité) oder den Geschäftsbetrieb (fonctionnement/à l’activité). Die contrôle kann sich überdies auf die Aussetzung und die Beendigung (Auflösung, Liquidation) der Geschäfte erstrecken.45 Sie erfolgt 37

Demichel, Le contrôle de l’État sur les organismes privés (1960). Fourastié, Le contrôle de l’État sur les sociétés d‘assurances (1937) untersucht die contrôle, bezieht sich hierbei jedoch mehr auf die zeitgenössische Bedeutung der „contrôle“ als Aufsichtsmittel, nicht jedoch als Gesamtheit aller versicherungsaufsichtsrechtlicher Regelungen. 39 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 33, 35. 40 Contrôle de l’assurance privée en Europe (1963), S. 11. 41 Contrôle de l’assurance privée en Europe (1963), S. 31 f.; Blondel (1965), S. 28. 42 Kimball/Pfennigstorf (1968), S. 5. 43 Contrôle de l’assurance privée en Europe (1963), S. 12. 44 Contrôle de l’assurance privée en Europe (1963), S. 25 ff. 45 L’Argus (1979), S. 201; Contrôle de l’assurance privée en Europe (1963), S. 13 ff. 38

II. Gegenstand und Methodik der Untersuchung

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am Sitz der Versicherungsgesellschaft (sur place) oder durch Prüfung geeigneter Dokumente in einer Behörde (sur piece).46 Die contrôle muss nicht zwingend durch den Staat und die von diesem hierzu eingesetzten Aufsichtsorgane ausgeübt werden. Auch die Versicherten oder die Versicherer können, soweit dies durch geeignete staatliche Maßnahmen vorgesehen ist, die Aufsicht ausführen. Die contrôle durch die Versicherer ist auch unter der Bezeichnung „autocontrôle“ bekannt.47 Insbesondere in jüngerer Wissenschaft werden diese Kriterien in „contrôle financier“ bzw. „contrôle technique“, „contrôle juridique“ und „contrôle economique“ zusammengefasst. Die Begrifflichkeiten erklären sich aus dem jeweiligen Zweck der contrôle. Die contrôle financier meint die Solvabilitätskontrolle. Die konkrete Ausgestaltung der Solvabilitätskontrolle variiert abhängig von dem dieser zugrunde gelegten gesetzlichen Regelung.48 Die contrôle financier dient nicht nur dem Interesse des Einzelnen, sondern auch dem allgemeinen Interesse.49 Die Notwendigkeit einer solchen Kontrolle ergibt sich aus der Natur der Versicherung. Idealtypisch erfolgt die Leistung des Versicherers im Schadensfall zeitlich später als jene des Versicherungsnehmers. Die Leistungsfähigkeit des Versicherungsunternehmens muss bis zu diesem Zeitpunkt gewährleistet werden, kann doch die Erfüllbarkeit der Verbindlichkeit gefährdet sein. Eine Gefahr ergibt sich z. B. aus der Person des Versicherers, welcher in finanziell rücksichtloser Weise agiert, aus Tarifen, die sich im Laufe der Zeit als falsch kalkuliert herausstellen, oder aus sonstigen außerhalb des Versicherungsverhältnisses liegenden Gründe, wie Finanz- oder Wirtschaftskrisen.50 Die Erfüllbarkeit kann durch verschiedene Maßnahmen, die vor der Gründung oder während des Geschäftsbetriebs zu beachten sind, erzielt werden. Zu diesen Maßnahmen zählen z. B. die Ausstattung der Versicherungsgesellschaft mit ausreichenden Eigenmitteln (Gründungskapital, Prämienzahlung, Rückstellungen, Kapitalanlage, etc.) und die Sicherstellung ausreichender finanzieller Mittel während des Bestehens (Mindestkapitalanforderungen, Unterdeckung, etc.).51 Die contrôle juridique betrifft hingegen nicht die Versicherungsgesellschaft, sondern den Versicherungsvertrag. Die inhaltliche Ausgestaltung der contrôle juridique ist wie bei der contrôle financier von der ihr zugrunde gelegten gesetzlichen Regelung abhängig. Im Allgemeinen zielt die contrôle juridique auf die Einhaltung

46 L’Argus (1979), S. 201; Contrôle de l’assurance privée en Europe (1963), S. 19 ff.; Blondel (1965), S. 30 ff. 47 Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 240 f. 48 Vgl. Lambert-Faivre/Leveneur (14. Aufl. 2017), S. 117 ff. 49 Blondel (1965), S. 19. 50 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 29 f.; Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 237 f.; Blondel (1965), S. 19. 51 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 29 f.

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

aller Gesetze und Regelungen, die den Versicherungsvertrag betreffen, ab.52 Hierbei wird die schwächere Stellung des Versicherungsnehmers im Vertragsverhältnis berücksichtigt.53 Die contrôle juridique kann a priori oder a posteriori erfolgen. Die contrôle a posteriori wurde durch Unionsrecht eingeführt.54 Die contrôle economique zielt auf die Organisation der Versicherungsindustrie als Ganzes ab. Die Grundlage dieser Aufsicht wurde erstmals durch das Gesetz von 1938 geschaffen. Sie zählt zur Marktregulierung. Im Fokus stehen nicht nur die Interessen des Einzelnen, sondern gerade auch der Allgemeinheit. Der Versicherungsmarkt soll durch die contrôle economique nicht nur überwacht und gelenkt, sondern auch geschützt werden. Schutzobjekt sind die privaten Ersparnisse wie auch der öffentliche Kredit. Dies ist mit Blick auf die herausragend wichtige Bedeutung der Versicherungswirtschaft für die Volkswirtschaft ein wichtiger Zweck.55 3. Gegenstand und Methodik Um nun auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, muss definiert werden, was in dieser Arbeit unter „Versicherungsaufsicht“ zu verstehen ist. Hierbei sind die gewonnenen Erkenntnisse aus der Analyse der deutschen und französischen Wissenschaft zu berücksichtigen. Das moderne Verständnis ist mit dem historischen in Einklang zu bringen. Es ist jedoch stets darauf zu achten, dass der historische Sinn nicht verklärt wird. Daher sind in dieser Studie historische französische Begriffe zu verwenden, soweit sich aus moderner Sicht ein anderer Sinn ergibt oder sonstige Missverständnisse entstehen können. Dies erscheint angebracht, versteht sich diese Arbeit doch als rechtshistorische Analyse der französischen Versicherungsaufsicht. Andere Rechtsordnungen sollen nur soweit versicherungsaufsichtsrechtlich geboten angeführt werden. Gleiches gilt für Ausführungen zur modernen Rechtslage. Es ist an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass der Vergleich mit der modernen Wissenschaft oder Rechtslage primär dem besseren Verständnis der historischen Materie dient. Es handelt sich bei vorliegender Untersuchung nicht um eine rechtsvergleichende, sondern eine rechtshistorische Analyse der französischen Versicherungsaufsicht. Die historischen Erkenntnisse können indes als Grundlage für spätere Rechtsvergleichung herangezogen werden. Da in dieser Arbeit somit die historische Darstellung im Vordergrund steht, ist eine Gliederung in Zeitperioden angebracht. Innerhalb der Zeitperioden werden die verschiedenen versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen untersucht. Dies leitet über zu der Frage, welche Maßnahmen in dieser Arbeit nun konkret betrachtet werden. 52

Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 30. Siehe auch Lambert-Faivre/Leveneur (14. Aufl. 2017), S. 125. 53 Vgl. Blondel (1965), S. 20. 54 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 30. 55 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 30; Blondel (1965), S. 21 ff. Siehe auch Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 136 f.

III. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

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Im weitesten Sinne beschäftigt sich vorliegende Studie mit dem Verhältnis des französischen Staates und der im französischen Staatsgebiet tätigen Versicherungsunternehmen. Es ist damit grundsätzlich ein weites Verständnis von „Versicherungsaufsicht“ anzusetzen. Dieses soll nicht durch starre, der modernen Wissenschaft entstammende Abgrenzungskriterien eingeschränkt werden. Insofern kann in dieser Arbeit auch der Begriff der „Regulierung“ synonym verwendet werden. Primär sollen versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen untersucht werden, welche die Versicherungsgesellschaften in ihrer Organisation betreffen. Hierzu zählen Vorschriften, die bei Entstehung oder während des Geschäftsbetriebs beachtet werden müssen sowie Regeln der Überwachung und der Kontrolle von Versicherungsunternehmen bei der Entstehung und während des laufenden Geschäftsbetriebs. Versicherungsvertragsrechtliche Regelungen sollen nur sofern historisch geboten Erwähnung finden. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Identifizierung von Regelungen, welche ausschließlich das private Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherten betreffen und damit als Versicherungsbedingungen zu klassifizieren sind, nicht immer einfach. Insbesondere aus einer durch die deutsche Rechtsordnung geprägten Sicht erscheint eine klare Abgrenzung des Versicherungsvertragsrechts vom Versicherungsaufsichtsrecht daher nicht immer möglich zu sein.56 Zum anderen ist nicht die Aufsicht der Versicherungsverträge, sondern die der Versicherungsgesellschaften prägend für die Versicherungsaufsichtsgeschichte.57 Dies wird man nach der Darstellung der Entwicklung der Versicherungsaufsicht ab der Zeit des Ancien Régime bis zum Erlass des ersten Versicherungsaufsichtsgesetztes im Jahr 1938 erkennen.

III. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime Die Arbeit legt den Beginn der Untersuchung an den Anfang der Entwicklung des französischen Versicherungswesens im Ancien Régime. Der Ausgangspunkt der Studie liegt damit bereits vor dem 17. Jahrhundert, und damit sowohl vor der ersten Kodifikation des Versicherungsvertrags im Jahr 1681 als auch vor der Gründung der ersten Versicherungsunternehmen Ende des 17. Jahrhunderts. Die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Versicherung während des Ancien Régime werden eine zeitliche Zweiteilung in die Zeit bis zum und ab dem 17. Jahrhundert notwendig machen. Freilich kann diese zeitliche Trennung bei der Bearbeitung des Kapitels nicht immer konsequent durchgehalten werden. Bereits vor dem 17. Jahrhundert werden Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur zu finden sein. Dies ist ein überraschendes Ergebnis, zeichnet die 56

Dies stellte bereits Kimball/Pfennigstorf (1968), S. 4 fest. Dies stellte Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 238 bereits vor Harmonisierung des Versicherungsaufsichtsrechts innerhalb der EU fest. 57

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

Forschung doch oft ein anderes Bild von den Anfängen der Versicherungsaufsicht. Der Großteil der modernen Sekundärliteratur legt den Beginn ihrer Studien in das 20. Jahrhundert.58 Wie im letzten Kapitel deutlich werden wird, ist der Schwerpunkt der historischen Analyse damit die Erforschung der „modernen“ Versicherungsaufsicht, genauer des „modernen“ Versicherungsaufsichtsrechts wie es sich ab dem Jahr 1898 in Frankreich entwickelte. Daher sollte nicht vorschnell der Schluss gezogen werden, versicherungsaufsichtsrechtliche Regelungen hätten erst ab dieser Zeit existiert, unterlag doch die französische Wirtschaft schon immer staatlicher Intervention, sei es direkt oder indirekt.59 Dies habe auch für den französischen Versicherungsmarkt gegolten.60 Ruffat ist überzeugt, dass eine Aufsicht von Versicherungen durch staatlichen Autoritäten bereits von den frühen Anfängen des Versicherungswesens an existierte.61 Bühnemann verortet Ansätze einer Versicherungsaufsicht in das 16. Jahrhundert.62 Konkrete Ausführungen zu diesen Thesen fehlen. Auch die übrige Literatur, die sich mit den frühen Anfängen der französischen Versicherungsaufsicht befasst, enthält keine konkreten Regelungsakte. Einig ist sich die überwiegende Literatur lediglich darin, dass das Versicherungswesen zumindest ab dem 18. Jahrhundert nicht mehr frei von staatlicher Regulierung war.63 Diese These ist wenig konkret. Dies verwundert in Anbetracht der Tatsache, dass vor Erlass der Ordonnance de la Marine (1681) nur wenige Regelungen, denen ein einheitlicher königlicher Regulierungswille zu entnehmen war, existierten. Man könnte also annehmen, die Rechtslage sei überschaubar gewesen. Dass dem mitnichten so war, wird sich bei der weiteren Untersuchung zeigen. Zu den wenigen regulatorisch interessanten Regelungen zählt Pouilloux die Ordonnance von Louis XII. (1510), den Édit von Henri II. (1556) sowie die Lettres patentes vom August 1582 und den Édit vom März 1584.64 Es lag mithin nahe diese und weitere in der Literatur angeführte Regelungen auf ihre versicherungsaufsichtsrechtliche Relevanz hin zu untersuchen. Deren historische Analyse fiel indes schwer. Grund hierfür ist nicht zuletzt die schlechte Quellenlage und die lokalen Unterschiede der Versicherungspraxis. Man kann sich jedoch zumindest darauf festlegen, dass das noch junge Versicherungswesen bereits vor dem 17. Jahrhundert 58

So Beignier (2. Aufl. 2011), S. 63 ff.; Danrigal (1959), S. 10. Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 111. 60 So Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 33; Ruffat, Financial history review (2003), 185. So auch Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171 f.; Pouilloux (2011), S. 659; Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 3; Vautrin (1905), S. 75 f.; Cabrolier (1988), S. 7; Nicolas (2012), S. 28; Pasquier (1943), S. 57; Bellenger (2011), S. 85; Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14; Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248; Ketter (1956), S. 3; Venard, in: Cummis/Venard (2007), S. 244. 61 Vgl. Ruffat, Financial history review (2003), 185. 62 So Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171 f. 63 So Nicolas (2012), S. 28. Vgl. auch Pasquier (1943), S. 57; Bellenger (2011), S. 77; Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14; Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248; Ketter (1956), S. 3; Bruck (1930), S. 3 f. 64 Pouilloux (2011), S. 659. 59

III. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

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nicht mehr frei von staatlicher Regulierung war. Z. B. wurden Versicherungsverträge bereits durch verschiedene staatliche Autoritäten kontrolliert. Hierin werden sich bereits Ansätze der modernen „contrôle juridique“ zeigen. Insofern wird sich herausstellen, dass bereits vor Erlass der Ordonnance de la Marine (1681)65 und auch vor dem 17.66 und 18. Jahrhundert67 Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur vorhanden waren. Dies widerspricht dem Bild, das die überwiegende Forschung von den Anfängen der französischen Versicherungsaufsicht zeichnet. Mit der Ordonnance de la Marine (1681) wurde ein Gesetz geschaffen, das erstmals Versicherungsrecht kodifizierte. Daher beginnt ein großer Teil der Literatur die Darstellung der Versicherungsgeschichte mit Erlass der Ordonnance de la Marine. Dies gilt auch für Untersuchungen zu den Anfängen aufsichtsrechtlicher Regulierung. Einige Autoren führen das Verbot der „assûrance sur la vie des personnes“ (Versicherung des Lebens von Menschen) (Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 der Ordonnance de la Marine) als die erste staatliche Regulierungsmaßnahme im Bereich des Versicherungswesens an.68 Neben dieser gesetzlichen Regelung wird in historischen Untersuchungen zur Versicherungsaufsicht auf die königlichen Einzelfallregelungen eingegangen. Ab dem 17. Jahrhundert sei zur Gründung von Unternehmen die „autorisation royale“ (königliche Genehmigung) notwendig gewesen. Die Genehmigungsakte haben bereits aufsichtsrechtliche Regelungen enthalten.69 Auch Versicherungsgesellschaften seien durch königliche Genehmigung gegründet worden. Dies habe ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch für Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften gegolten.70 Nach Picard/Besson enthielten die Genehmigungsakte sogar bereits Vorschriften, welche den Schutz der Versicherungsnehmer und des öffentlichen Interesses bezweckten.71 So sei z. B. ein „dépot d’un cautionnement“ (Depot einer Kaution) vorgeschrieben worden.72 Daher seien die königlichen Genehmigungsakte, wie sie für die Gründung und den Geschäftsbetrieb von Versicherungsgesellschaften ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlassen wurden, die Grundlage versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen in Frank-

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Vgl. Vautrin (1905), S. 75 f.; Cabrolier (1988), S. 7. Vgl. auch Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 3. 66 Vgl. Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1 S. 33. 67 Vgl. Nicolas (2012), S. 28. Vgl. auch Pasquier (1943), S. 57; Bellenger (2011), S. 77; Picard/Besson (2. Aufl., 1965), Bd. 2, S. 14; Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248; Ketter (1956), S. 3.; Bruck (1930), S. 3 f. 68 So Vautrin (1905), S. 75 f.; Cabrolier (1988), S. 7. Vgl. auch Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 3. 69 So Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1 S. 33. 70 Vgl. Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14; Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248; Ketter (1956), S. 3. 71 Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14. 72 Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248.

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

reich.73 Als herausragende Beispiele werden die Compagnie des Eaux und die Compagnie générale d’assurance contre incendie et sur la vie (Compagnie Royale d’assurances) angeführt.74 Für die Compagnie des Eaux und die Compagnie générale d’assurance contre incendie wurden nach Bellenger die erste „contrôle par l’État“ (Aufsicht durch den Staat) geschaffen.75 Pouilloux meint hingegen, die Compagnie Royale d’assurance sur la vie sei der ersten „contrôle spécifique de l’État“ (spezifische Staatsaufsicht) unterstellt worden.76 Diese Thesen gilt es auf den Prüfstand zu stellen. Weil die von der Sekundärliteratur beschriebenen versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen nicht einem einheitlichen Versicherungsaufsichtsgesetz entstammten, sind zunächst die Rechtsquellen zu untersuchen. Hierbei wird sich zeigen, dass sich Rechtsquellen versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen ab dem 17. Jahrhundert aus der Ordonnance du Commerce (1673), der Ordonnance de la Marine (1683) sowie den Ordonnances royales allgemein (Édits, Déclaration, Lettres patentes, etc.) ergaben. Insbesondere die Édits des Königs bzw. die Arrêts des Conseil d’État du Roi zur Genehmigung der Gründung und des Geschäftsbetriebs von Versicherungsgesellschaften sind aus versicherungsaufsichtsrechtlicher Perspektive interessant und werden daher eingehend untersucht. Die assurances maritimes (Seeversicherungen) sind hierbei von den assurances terrestres (Feuer- und Lebensversicherungen) zu trennen. Dies erklärt sich aus der unterschiedlichen Entwicklung von assurance maritime und assurance terrestre. Die Regulierung der assurances maritimes erfolgte auf drei verschiedene Arten: 1. Einzelnen Vereinigungen wurde die Erlaubnis erteilt, das Versicherungsgeschäft zu betreiben. 2. Zur Förderung des Handels wurde auf die Gründung von Versicherungsgesellschaften hingewirkt. Einer Gesellschaft in Paris sollte hierbei ein Monopol zustehen. Der Staat bezweckte damit die Zentralisierung des Seeversicherungswesens. Die Monopolisierung des Seeversicherungswesens scheiterte indes wie auch dessen Verstaatlichung. 3. Der Staat blieb im Seeversicherungswesen ab dem 18. Jahrhundert weitgehend regulatorisch inaktiv, sei es aus fehlendem Interesse, sei es aus liberaler Einstellung. Die Regulierung der assurances terrestres kann grob in zwei Phasen unterteilt werden. In der ersten Phase waren diese schlicht nicht vorhanden. Zumindest für die Lebensversicherung ist dies auf das Verbot der Ordonnance de la Marine zurückzuführen. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurden erste Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften gegründet.

73 So Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14. Vgl. auch Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248; Ketter (1956), S. 3. 74 So Bellenger (2011), S. 77; Pouilloux (2011), S. 659. 75 Bellenger (2011), S. 77. 76 Pouilloux (2011), S. 659.

III. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

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In Zusammenschau gefundener Ergebnisse wird nach der Untersuchung der assurances maritimes und der assurances terrestres deutlich sein, dass die mit der Versicherungsaufsicht verfolgten Zwecke vielseitig waren und sich je nach betrachteter Phase unterschieden. Für die Regulierung des Seeversicherungswesens spielten zunächst wirtschaftliche Gründe eine Rolle. Für die Regulierung des Lebensversicherungszweigs waren hingegen sowohl moralische wie soziale Gründe ausschlaggebend. Aber auch monetäre Erwägungen waren nicht irrelevant. Der Forschung ist daher, wenn auch nur differenziert, zu folgen: Im Fokus der Versicherungsaufsicht während des Ancien Régime stand nicht primär der einzelne Versicherte, sondern die Allgemeinheit und das öffentliche Interesse. Nicht nur die Aufsichtszwecke, sondern auch die Aufsichtsmittel variierten während des Ancien Régime. Ende des Ancien Régime waren aufsichtsrechtliche Maßnahmen in den Genehmigungsakten enthalten. Eine Genehmigungspflicht bestand, anders als von zahlreichen Autoren suggeriert, nicht. Sie war aber zumindest für die sociétés par actions gängige Praxis. Der ersten Lebensversicherungsgesellschaft, die Compagnie Royale, wurde sogar mit dem Arrêt vom 3. November 1787 ein privilège exclusif erteilt. In dem Arrêt vom 3. November 1787 waren bereits versicherungsaufsichtsrechtliche Grundprinzipien normiert, die sich im modernen französischen Versicherungsaufsichtsrecht bei Erlaubniserteilung wiederfinden. Zu diesen Prinzipien zählen die Einhaltung von verschiedenen Solvabilitätsvorschriften, die Genehmigungspflicht von Betriebsbestimmungen, Versicherungsbedingungen und Tarifen sowie die Überwachung des laufenden Geschäftsbetriebs durch staatliche Organe. Letzteres wurde für die Compagnie Royale im Arrêt vom 3. November 1787 erstmals ausdrücklich vorgeschrieben. Gleichwohl war diese nicht die erste Gesellschaft, die einer Überwachung unterstellt wurde, waren doch die ersten Feuerversicherungsgesellschaften bereits von Commissaires überwacht worden. Mithin waren sowohl die Feuerversicherungsgesellschaften als auch die Lebensversicherungsgesellschaft einer „contrôle par l’État“ unterstellt. Die Erkenntnisse dieses Kapitels werden sich somit weitgehend in den Forschungsstand fügen. An einigen Stellen ist indes eine nuanciertere Sicht angebracht. Am Ende des Kapitels wird damit die These stehen, dass die Wurzeln der französischen Versicherungsaufsicht weiter zurückliegen, als von dem Großteil der Forschung gemeinhin angenommen wird, liegen diese doch bereits im Ancien Régime.

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

IV. Die Französische Revolution: Eine Zäsur Das erste Kapitel schloss mit der These, dass die Wurzeln der französischen Versicherungsaufsicht im Ancien Régime lagen. Bereits Ende des Ancien Régime hatten sich sogar versicherungsaufsichtsrechtliche Prinzipien der Aufsicht bei Genehmigung und während des Geschäftsbetriebs herausgebildet. Diese Prinzipien seien mit der Französischen Revolution verloren gegangen.77 Dieser These kann nach Untersuchung des Versicherungswesens während der Französischen Revolution zugestimmt werden. Anders als der überwiegende Teil der Sekundärliteratur darstellt, ist dieses Ergebnis aber im Wesentlichen nicht allein auf das Décret vom 24. August 1793, sondern auch auf die in den Décrets vom 8. Oktober 1793 und die am 15. – 18. April 1794 angeordneten Maßnahmen zu stützen. Dies wirft sogleich drei Fragen auf: 1. Wie kam es zu Erlass dieser Décrets? 2. Was wurde in diesen konkret geregelt? 3. Und wie wirkten sich die in den Décrets angeordneten Maßnahmen auf das Versicherungswesen allgemein und die Versicherungsaufsicht im Speziellen aus? Dies sind Fragen, denen sich dieses Kapitel widmen wird. Zur Beantwortung der ersten Frage muss zunächst die gesellschaftliche Stellung des Versicherungswesens während der Französischen Revolution näher untersucht werden. Es wird sich zeigen, dass Versicherungen während der Revolution eine wichtige Rolle in der Diskussion um die Agiotage und um die Vorsorge einnahmen. Aus den hierzu geführten Diskursen geht hervor, dass Versicherungsgesellschaften zum einen wegen ihrer Gesellschaftsform, zum anderen wegen ihrer Natur stigmatisiert wurden. Am Ende der Darstellung des Versicherungswesens während der Revolution wird klar sein, dass Versicherungen während der Revolution kein hohes Ansehen genossen. Dies gilt insbesondere für bestimmte einzelne Versicherungsgesellschaften, so z. B. für die Compagnie Royale. Daran schließt sich die Beantwortung der zweiten Frage zur inhaltlichen Gestaltung der Décrets an. Durch das Décret vom 24. August 1793 wie auch durch die Décrets vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 wurden Handelsgesellschaften beseitigt. Versicherungsgesellschaften wurden aufgelöst und liquidiert. Insofern erachtet die rechtshistorische Forschung die Französische Revolution für die Entwicklung der französischen Versicherungsgesellschaften als missgünstig.78 Nach der Revolution habe keine der zwischen 1786 und 1787 gegründeten Versicherungsgesellschaften mehr bestanden.79 Dieser Behauptung wird nach der Untersuchung der Décrets zugestimmt werden können. Anders als die überwiegende Literatur suggeriert, waren jedoch nicht nur die drei angeführten Décrets (24. August 1793, 8. Oktober 1793, 15. – 18. April 1794) für die weitere Entwicklung des Ver77 78 79

So Pouilloux (2011), S. 660. So Rodet-Profit (2015), S. 115. Freedeman (1979), S. 21; Gallais-Hamonno/Hautcoeur (2007), Bd. 1, S. 201, Fn. 3.

IV. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

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sicherungswesens von Bedeutung. Dies ist auch Ergebnis der neueren Forschung von Straus.80 In der Gesamtschau bilden die verschiedenen für das Versicherungswesen relevanten revolutionären Maßnahmen einen Wechsel aus Verbot und Freiheit. Die verwendeten Aufsichtsmittel stellen aus versicherungsaufsichtsrechtlicher Sicht keine wesentliche Neuerung dar. Gleichwohl waren die revolutionären Maßnahmen Anstoß zur weiteren versicherungsaufsichtsrechtlichen Entwicklung, wie im folgenden Kapitel deutlich werden wird. Dies wird zeigen, dass die Französische Revolution in einer nachträglichen versicherungsaufsichtsrechtlichen Gesamtschau nur das Bindeglied zwischen der noch frühen Entwicklungsphase der Versicherungsaufsicht während des Ancien Régime und der Herausbildung des ersten Aufsichtssystems in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war. Um auf die dritte Frage nach der Wirkung der Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 eingehen zu können, wird beispielhaft die Compagnie Royale untersucht werden. Die Compagnie Royale wurde in Umsetzung der im Décret vom 24. August 1793 angeordneten Beseitigung aufgelöst und liquidiert. Mit dem Unternehmen selbst verschwanden auch die für diese geschaffenen versicherungsaufsichtsrechtlichen Prinzipien. Dies ist eine Folge die nicht nur für die Compagnie Royale, sondern auch für alle anderen aufgelösten Versicherungsgesellschaften gleichermaßen eintrat. Der Erlass neuer versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen war nicht weiter notwendig, denn Handelsgesellschaften waren nach Erlass der drei Décrets de jure abgeschafft worden. Zwar wurden damit nicht alle Versicherungen, doch aber alle zwischen 1786 und 1787 gegründeten großen und bekannten Versicherungsgesellschaften beseitigt. Insofern wird der These, das Décret vom 24. August 1793 habe die Entwicklung des modernen Versicherungswesens in Frankreich zum Stillstand gebracht,81 mit Einschränkungen zugestimmt werden müssen. Darüberhinausgehend wird man jedoch auch Folgen für die Entwicklung der Versicherungsaufsicht feststellen können. Am Ende dieses Kapitels kann daher in Ergänzung der bereits angeführten Behauptung, die Französische Revolution sei in gesamtheitlicher Betrachtung des Entwicklungsprozesses der Versicherungsaufsicht Bindeglied, folgende These aufgestellt werden: Die Französische Revolution war nicht nur für die Entwicklung des Versicherungswesens, sondern insbesondere auch für die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich zeitgenössisch eine Zäsur.

80 81

So Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 118 f. Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 119.

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

V. Das erste Aufsichtssystem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Das letzte Kapitel schloss mit der These, dass die Französische Revolution zeitgenössisch eine Zäsur für die Entwicklung des Versicherungswesens und der Versicherungsaufsicht darstellte. Dies wirft sogleich die Frage auf, wie sich das Versicherungswesen, insbesondere die Versicherungsaufsicht, nach der Zäsur durch die Französische Revolution weiterentwickelte. In einem ersten Schritt wird man, um aufsichtsrechtliche Maßnahmen analysieren zu können, die Entwicklung des Versicherungswesens nach der Revolution beleuchten müssen. Hierbei wird man zu der Erkenntnis gelangen, dass die Revolution in rechtlicher wie praktischer Hinsicht nachwirkte. Dies stellt keinen Widerspruch zu der These des vorangehenden Kapitels dar. Das Ergebnis ist vielmehr weiteres Argument für die Behauptung, aus heutiger Sicht sei die Französische Revolution das Bindeglied zwischen Ancien Régime und der Zeit nach der Revolution. Weitere Bestätigung wird sich bei der voranschreitenden Untersuchung ergeben, so z. B. bei der Analyse des Art. 37 Code de Commerce. Der Code de Commerce (1807) enthielt keine versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen. Auch im Bereich des Versicherungsvertragsrechts war dieser lückenhaft, waren doch andere Versicherungsverträge als der Seeversicherungsvertrag nicht geregelt. Zunächst existierten nur kleine lokale Versicherungen. Vermehrt waren Versicherungen erst wieder ab der Restauration auf dem französischen Versicherungsmarkt tätig. Zunächst wurde den sociétés d’assurances mutuelles bevorzugt die Genehmigung erteilt. Dies hatte auch aufsichtsrechtliche Gründe, fand innerhalb dieser Vereinigungen doch eine gegenseitige Überwachung statt, die eine staatliche Überwachung unnötig machte. Aber auch die während der Revolution verstärkte Vorbehalte gegen sociétés par actions, genauer deren Nachfolger, die sociétés anonymes, wirkten fort. Aber nicht nur die Versicherungsform, sondern auch der Versicherungszweig war für die Genehmigung maßgebend. Die Genehmigungserteilung erfolgte selektiv. Dies wird zu dem Schluss führen, dass die Regierung die Genehmigung aktiv zur Lenkung der Entwicklung des Versicherungswesens gebrauchte. Diese Erkenntnis der weiteren Betrachtung zugrunde legend kann der zweite Schritt, die Analyse versicherungsaufsichtsrechtlich relevanter Regelungen, folgen. Hierbei stellt sich zunächst die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die Genehmigung von sociétés d’assurances à primes und von sociétés d’assurances mutuelles erfolgte. Bei Beantwortung dieser Frage wird sich überraschend zeigen, dass auch noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht ausschließlich originär versicherungsaufsichtsrechtliche Regelungen für die Versicherungsaufsicht maßgebend waren. Das Gesellschaftsrecht war weiterhin für die Versicherungsgesellschaften entscheidend. Diese Erkenntnis fügt sich in den allgemeinen Forschungsstand: Nach der Revolution wurde ein für das Gesellschaftsrecht allgemein wichtiges Gesetz, der Code de Commerce (1807), erlassen. Auch für Versicherungsgesellschaften sei dieses, welches in Art. 37 die Genehmigungspflicht der sociétés

V. Das erste Aufsichtssystem

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anonymes normierte, von großer Bedeutung gewesen.82 Einige Autoren gehen indes weiter und stellen Art. 37 Code de Commerce als erste versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung dar.83 Dies widerspricht dem Ergebnis des ersten Kapitels, die Wurzeln der Versicherungsaufsicht lägen im Ancien Régime. Man wird der modernen Literatur daher nur insofern beipflichten können, dass Art. 37 Code de Commerce wegen seiner Anwendbarkeit auf die sociétés d’assurances à primes von versicherungsaufsichtsrechtlicher Relevanz war, doch gewiss nicht die erste versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung darstellte. Im Jahr 1809 wurden auch die sociétés d’assurances mutuelles der Genehmigungspflicht unterstellt.84 Nach Ipsen ist jedoch nicht nur der Avis vom 1. April 1809, sondern auch der Avis vom 15. Oktober 1809 wichtige versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung. Beiden Avis seien bereits detaillierte Konzessionierungs- und Aufsichtsanordnungen.85 Dem wird nach Untersuchung beider Avis zugestimmt werden können, jedoch unter Verweis, dass Bestimmungen für den laufenden Geschäftsbetrieb überwiegend nicht aus den Avis, sondern aus ergänzenden Regelungen stammen. Die Rechtsgrundlage der Genehmigungspflicht war für die sociétés d’assurances anonymes und die sociétés d’assurances mutuelles damit grundsätzlich eine andere. Eine weitere getrennte Behandlung liegt daher nahe. Bei dieser wird deutlich werden, dass bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine contrôle a priori und, wenn auch nur ineffektiv, zudem eine contrôle permanent stattfand. Die contrôle a priori bestand in der Überwachung der Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzung. Man wird zu dem Schluss kommen, dass die hierbei vorzunehmende Prüfung verschiedener Dokumente bereits Praxis Ende des Ancien Régime war. Die contrôle permanent bestand teils in der Überwachung des laufenden Geschäftsbetriebs durch sog. Commissaires. Auch dies kannte bereits das Ancien Régime. Insofern wird ein Fortwirken der Aufsichtspraxis des Ancien Régime auch noch nach der Französischen Revolution festzustellen sein. Die Überwachung während des Geschäftsbetriebs war in der Praxis wenig effektiv. Daher beschränkte sich die laufende Versicherungsaufsicht weitgehend auf die Prüfung der von den Unternehmen einzureichenden Berichte. Auch diese Art der Überwachung wird sich als eine wenig effektive Art der Versicherungsaufsicht erweisen. Wegen der Ineffektivität der contrôle permanent war die Versicherungsaufsicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts daher insgesamt ineffektiv. Die weitere Untersuchung wird insofern aufzeigen, dass die „autorisation“ prägendes Aufsichtsmittel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war. Das diesem zugrundeliegende Aufsichtssystem wird man daher als „régime d’autorisation“ bezeichnen können. Dies entspricht dem in der Sekundärliteratur verwendeten Terminus. Dieses 82

Vgl. Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 34. Lefort (2. Aufl. 1907), S. 12; Anthon (1937), S. 53; Poujad (1905), S. 35. 84 Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171 f.; Ketter (1956), S. 4; Richard (1956), S. 101; Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14. 85 Ipsen, Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift 1939, 95. 83

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

Aufsichtssystem gestaltete sich faktisch für beide Versicherungsformen vergleichbar. Damit wird das Kapitel weitgehend im Einklang mit dem Ergebnis der jüngeren Forschung mit folgendem Ergebnis schließen können: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete sich das erste Versicherungsaufsichtssystem heraus, das régime d’autorisation.

Die Tatsache, dass ausländische Unternehmen dem régime d’autorisation nicht unterstellt waren, ändert an diesem Befund nichts. Die Nichtanwendbarkeit der Regelungen und Praxis der Versicherungsaufsicht im régime d’autorisation auf ausländische Unternehmen führte zu Wettbewerbsverzerrungen. Man wird feststellen, dass die ungleiche Behandlung von aus- und inländischen Unternehmen einer anderen Wertung als jener der Ordonnance de la Marine entspricht. Insofern fand im régime d’autorisation das erste Mal eine aufsichtsrechtlich differenzierte Betrachtung in- und ausländischer Versicherungsgesellschaften statt.

VI. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Nach dem letzten Kapitel steht fest, dass sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das erste Versicherungsaufsichtssystem herausbildete. Hieran schließt die Frage an, wie sich die Versicherungsaufsicht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gestaltete. Dies ist nicht erst eine moderne Frage. Bereits ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Ausgestaltung der Versicherungsaufsicht intensiv diskutiert. Sie steht im Kontext zur Rolle des französischen Staates im Versicherungswesen. Unter dem sog. régime d’autoritaire wurde zunächst die Verstaatlichung des Versicherungswesens diskutiert. Von diesen Plänen nahm die neue Regierung während des empire libéral in sukzessiver Abschaffung des régime d’autorisation Abstand. Die Rolle des Staates wurde endgültig durch Einführung des Loi sur les sociétés vom 24. Juni 1867 festgelegt. Nach der Darstellung des Diskurses um die Rolle des französischen Staates im Versicherungswesen wird daher die rechtliche Analyse des Gesetzes vom 24. Juni 1867 folgen. Im vorangehenden Kapitel war bei der Analyse versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen nach der Versicherungsform unterschieden worden. In diesem Kapitel kommt eine weitere Unterscheidung hinzu, der Versicherungsgegenstand. Diese Differenzierung gibt Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 vor. Hierin wird das im vorangehenden Kapitel dargestellte régime d’autorisation grundsätzlich abgeschafft. Die sociétés d’assurances non-vie (Nicht-Lebensversicherungsgesellschaften) konnten fortan ohne Genehmigung gegründet werden. Die sociétés d’assurances-vie (Lebensversicherungsgesellschaften) bedurften hingegen weiterhin einer Genehmigung zur Gründung. Dies ist auf die als gefährlich bewertete Natur des Lebensversicherungsvertrags zurückzuführen. Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 legte damit

VI. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

37

die Grundlage eines komplexen Aufsichtssystems. Diese Komplexität spiegelt sich in der vorhandenen Literatur wider, die teils wenig differenziert das Gesetz vom 24. Juli 1867 und das ergänzende Décret vom 22. Januar 1868 behandelt. In diesem Kapitel soll daher besonders auf eine durch Art. 66 vorgegebene strikt systematische Darstellung der versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen des Gesetzes vom 24. Juli 1867 und des Décrets vom 22. Januar 1868 sowie sonstiger relevanter Regelungen geachtet werden. Dass andernfalls kein klares Bild der Versicherungsaufsicht gezeichnet werden kann, zeigt sich in der Forschung. Unstimmigkeiten in der Literatur äußern sich insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung des Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 für die Entwicklung der surveillance. Was ist also der Forschungsstand? Das Gesetzes vom 24. Juli 1867 stelle eine wichtige Regelung in der Entwicklung der Aufsicht von Versicherungsunternehmen dar.86 Dem wird im Hinblick auf die Abschaffung des régime d’autorisation für assurances non-vie nach Art. 66 zuzustimmen sein. Indes misst die Sekundärliteratur Art. 66 darüberhinausgehend weitere wichtige versicherungsaufsichtsrechtliche Bedeutung bei. Nach Fourastié sei diese Norm, ergänzt durch das Décret-Loi vom 25. August 1937, der Ursprung der „surveillance“ (Überwachung).87 Der überwiegende Teil der modernen Literatur führt als Rechtsgrundlage der surveillance von Versicherungsunternehmen indes das Décret vom 22. Januar 1868 an.88 Nach Bellando und Bakas-Tsirimonaki ist das Décret vom 22. Januar 1868 daher auch die erste „réglementation“. Dieses habe zum ersten Mal umfassend die Gründungsbedingungen für Versicherungsunternehmen geregelt.89 Stimmt man dem zu, würde das Décret vom 22. Januar 1868 einen markanten Punkt der Entwicklung der historischen französischen Versicherungsaufsicht darstellen. Hieraus erklärt sich, dass die angeführten Thesen eingehend auf den Prüfstand zu stellen sind. Dies erfordert die intensive Analyse der sociétés d’assurances non-vie und sociétés d’assurances vie. Am Ende der Analyse wird man mit Ausnahme der These, die Ursprünge der surveillance würden in Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 wurzeln, der modernen Forschung Recht geben: Das Décret vom 22. Januar1868 bildete fortan die Rechtsgrundlage der surveillance. Es handelt sich bei dieser Regelung um die erste originär versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung. Unter Berücksichtigung dieses Ergebnisses bestätigt sich, dass zwei unterschiedliche Versicherungssysteme vorlagen. Diese waren unterschiedlich effektiv. Am Ende wird damit die Erkenntnis bleiben, dass sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine zweigliedrige vom Versicherungsgegenstand abhängige

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S. 14. 89

Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 5. Fourastié (1937), S. 18. So Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171 f. Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248; Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 5.

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

Aufsicht entwickeln konnte. Die beiden Glieder sind: 1. Das système réglementaire. 2. Das régime d’autorisation et de la surveillance.

VII. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht In der modernen Forschung bildet meist das Ende des 19. Jahrhunderts den Ausgangspunkt der historischen Analyse des französischen Versicherungsaufsichtsrechts. Im Vergleich zu vorliegender Arbeit wird damit ein anderes Bild von der Entwicklung der französischen Versicherungsaufsicht gezeichnet. Dies eröffnet die Frage, weshalb die moderne Forschung diesen späten Zeitpunkt als Ausgangspunkt gewählt hat. Am 9. April 1898 wurde ein Gesetz erlassen, welches die sociétés d’assurances contre les accidents du travail (Versicherungen gegen Arbeitsunfälle) als ersten Versicherungszweig einer systematischen laufenden Aufsicht unterstellt habe.90 Daher habe eine echte Versicherungsaufsicht nach heutigem Verständnis, also eine systematische laufende Aufsicht durch eine besondere Behörde, erst ab dem Jahr 1898 bestanden.91 Dies kann damit begründet werden, dass die durch das Gesetz vom 9. April 1898 normierte Versicherungsaufsicht wie auch die moderne Aufsicht in der „contrôle“ (Kontrolle) bestand. Der Ursprung der contrôle liege in Art. 27 des Gesetzes vom 9. April 1898.92 Es sei somit von zwei unterschiedlichen Ursprüngen der Aufsichtsmittel „contrôle“ und „surveillance“ auszugehen, liege doch der Ursprung zweiterer in Art. 66 Gesetz vom 24. Juni 1867.93 Das Gesetz vom 9. April 1898 sei die erste von vier Stufen in dem Entwicklungsprozess hin zu einer echten contrôle. Die zweite Stufe sei das Gesetz vom 17. März 1905, welches die sociétés d’assurances sur la vie (Lebensversicherungen) unter Kontrolle stellte. Die Dritte sei das Gesetze vom 8. August 1935, welches sociétés d’assurances contre les accidents d’automobile (Kfz-Versicherungen) und schließlich sei die vierte das Gesetz vom 25. August 1937, welches für alle anderen Versicherungszweige die Kontrolle normierte.94 Sukzessiv wurden damit alle Versicherungszweige einer Kontrolle unterstellte.95 Mit dem Décret-loi vom 14. Juni 1938 sowie dem Décret vom 30. Dezember 1938 wurde schließlich die erste ein-

90

Kimball/Pfennigstorf (1968), S. 33; Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14 f. So Ketter (1956), S. 4; Bühnemann, in: Schmidt, Europäisches Versicherungsaufsichtsrecht (1964), Bd. 1, S. 171 f.; Kimball/Pfenningstorf (1968), S. 33. Richard (1956), S. 104 nennt das Gesetz die erste Aufsicht, schließt frühere Regulierungsmaßnahmen aufsichtsrechtlicher Natur jedoch nicht aus. 92 Fourastié (1937), S. 20 f. 93 Fourastié (1937), S. 18. 94 So Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 15. Vgl. auch Fourastié (1937), S. 20 f. 95 Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248. 91

VII. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

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heitliche Staatsaufsicht über alle Versicherungszweige normiert.96 Das französische Versicherungsaufsichtsrecht habe sich damit sukzessiv entwickelte.97 Diese im Vergleich zu anderen Ländern späte Entwicklung des Versicherungsaufsichtsrechts muss in vorliegendem Kapitel nachvollzogen werden. Da die sukzessiv erlassenen Gesetze weitgehend Vorschriften der Gesetze vom 17. März 1905 und vom 9. April 1898 übernahmen, soll nur auf diese beiden näher eingegangen werden. Hierbei werden die von der Forschung aufgestellten Thesen zu den Ursprüngen der contrôle geprüft. Dies erfordert die Beantwortung folgender Fragen: Welche Maßnahmen fallen unter die contrôle? Welche Organe führen die contrôle aus? Und existierten Sanktionsmöglichkeiten? Mit Blick auf das Ziel dieser Arbeit, eine Aussage über die Kontinuität versicherungsaufsichtsrechtlicher Regelungen zu treffen, müssen zudem Vorschriften identifiziert werden, welche in ähnlicher Form bereits in früheren aufsichtsrechtlichen Regelungen enthalten waren. Besonderheiten sind dabei hervorzuheben. Um Entwicklungslinien zeichnen zu können, müssen die untersuchten Gesetze jedoch zunächst in den geschichtlichen Gesamtkontext eingebettet werden. Ausgangspunkt war nach den Erkenntnissen des vorangehenden Kapitels, die Entwicklung eines komplexen zweigliedrigen Aufsichtssystems in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Aufsicht der assurances vie war – ab 1883 mit der Ausnahme für sociétés d’assurances mutuelles – weniger effektiv als die strengere Aufsicht der assurances non-vie. Ausländische Versicherungsgesellschaften unterstanden keinem Aufsichtssystem. Auf diese Probleme ging, wie man sehen wird, insbesondere das Gesetz vom 17. März 1905 ein. Das Gesetz vom 9. April 1898 nahm hierzu hingegen weitgehend keinen Bezug. Der Erlass des Gesetzes wird mit der gesellschaftlichen wie politischen Situation zu begründen sein. Die an die kurze historische Einordnung anschließende nähere Analyse der Gesetze zeigt, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung weitgehend dem Forschungsstand entsprechen: Im Bezug auf die Ursprünge der contrôle ist eine differenzierte Sicht angebracht. Zwar wurde die erste contrôle permanent nach modernem Verständnis durch Art. 27 des Gesetzes vom 9. April 1898 und durch das Décret vom 28. Februar 1899 geschaffen, durch welche eingehende Regelungen einer effektiven surveillance und contrôle normiert wurden. Doch finden sich Ansätze der contrôle bereits im Ancien Régime, wie bereits im ersten Kapitel deutlich wurde. Auch die Vorschriften des Décret vom 22. Januar 1868 flossen in die für jeden Versicherungszweig geschaffenen sukzessiv erlassenen Aufsichtsgesetze mit ein, wurden doch hierin das erste Mal detaillierte Regelungen der surveillance normiert. Ein Fortwirken aufsichtsrechtlicher Regelungen ist damit festzustellen, was für eine

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Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 17. So Kimball/Pfennigstorf (1968), S. 32; Ketter (1956), S. 5; L’Argus (1979), Bd. 1, S. 197.

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A. Versicherungsaufsicht in Frankreich

gewisse regulatorische Kontinuität zumindest ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spricht. Das Gesetz vom 9. April 1898 und das Gesetz vom 17. März 1905 bilden jedoch den Ausgangspunkt von der alten zur modernen Versicherungsaufsicht. Dies lässt sich mit der Wahl der Aufsichtsmittel – registrement, surveillance, contrôle – sowie des Aufsichtszwecks – Schutz des Versicherten – begründen. Die sukzessiv erlassenen Aufsichtsgesetze für jeden Versicherungszweig sind Wegbereiter des modernen Versicherungsaufsichtsrechts. Da das Décret-loi vom 14. Juni 1938 den Beginn der modernen Versicherungsaufsichtsgesetzgebung markiert, stellen die sukzessiv erlassenen Gesetze das Bindeglied zwischen alter und moderner Versicherungsaufsicht dar.

B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime I. Entwicklung des Versicherungswesens im Ancien Régime Die Anfänge der Versicherungsaufsicht in Frankreich sind in der Sekundärliteratur umstritten.1 Daher muss in dem ersten Kapitel untersucht werden, ob diese bereits im Ancien Régime liegen. Hierbei kommt man nicht umhin darzustellen, wie sich das Versicherungswesen in Frankreich entwickelte, bildet dieses doch die Grundlage der weiterführenden Untersuchung. Ab wann wurden erste Versicherungsverträge geschlossen? Existierten schon Versicherungsgesellschaften? Gab es bereits ein Versicherungsgesetz? Dies sind Fragen, die für die weitere historische Analyse von Bedeutung sind und daher beantwortet werden müssen. Ab welchem Zeitpunkt in Frankreich erste Versicherungsverträge geschlossen wurden, ist unklar bzw. umstritten.2 Ab dem 12. oder 13. Jahrhundert, eine Zeit in der der Handel in Frankreich stark expandierte, sollen bereits versicherungsähnliche Verträge abgeschlossen worden sein.3 Hierzu zählen zum einen Seedarlehen, zum anderen Verträge, in denen sich Kaufleute und Reeder zum gegenseitigen Ersatz von Schäden verpflichtetet hatten.4 Erste „echte“ Seeversicherungsverträge sollen hingegen erst ab Ende des 15. Jahrhunderts in La Rochelle5 und Marseille6 sowie ab Beginn des 16. Jahrhunderts in Bordeaux7, Rouen8, Nantes9 und St. Malo existiert haben.10 Auch in Lyon sollen im 16. Jahrhundert bereits Versicherungsverträge 1

Siehe eingehend zum Forschungsstand A. III (S. 27 ff.). Vgl. Delbrel, in: Hellwege (2018), Bd. 1, S. 53; Rodet-Profit (2015), S. 3, Fn. 18. 3 Hammacher (1982), S. 23. 4 Hubrecht, VersArch 1958, 349 f.; Hammacher (1982), S. 23. 5 Ab dem Jahr 1490 sollen in La Rochelle Versicherungsverträge geschlossen worden sein. Favreau, in: Revue de la Saintonge et de l’Aunis (1976), Bd. 2, S. 79. 6 Vermutlich waren in Marseille ab dem Jahr 1423 Versicherungsverträge vorhanden. Rambert (1951), Bd. 2, S. 885, Fn. 3. 7 Ab dem Jahr 1540 sollen auch in Bordeaux Versicherungsverträge geschlossen worden sein. Favreau, in: Revue de la Saintonge et de l’Aunis (1976), Bd. 2, S. 80. 8 In den Registern des Archives der chambre de commerce sollen vor dessen Zerstörung Mitte des 19. Jahrhunderts 262 Versicherungsverträge, welche von 1562 bis 1790 in Rouen geschlossen wurden, verzeichnet worden sein; vgl. Dardel (1966), S. 204. 9 Erst ab Ende des Mittelalters sollen dort Versicherungen vorhanden gewesen sein; vgl. Favreau, in: Revue de la Saintonge et de l’Aunis (1976), Bd. 2, S. 80. 10 Hubrecht, VersArch 1958, 352. 2

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

abgeschlossen worden sein.11 Andere Versicherungszweige als jener der „assurance maritime“ (Seeversicherung) existierten in Frankreich zu dieser Zeit vermutlich nicht. Daher hält die französische Sekundärliteratur die Seeversicherung für die einzige Wurzel des französischen Versicherungswesens.12 Die Versicherungspraxis scheint in den verschiedenen französischen Städten mehr oder weniger unterschiedlich gestaltet gewesen zu sein. Insbesondere die am Vertragsschluss beteiligten Personen und die Form des Vertrags waren verschieden.13 Diese fehlende Einheitlichkeit macht eine umfassende geschichtliche Darstellung und Untersuchung sowie eine allgemeingültige Aussage zur Entwicklung der Versicherungspraxis in Frankreich unmöglich. Erschwerend kommt hinzu, dass Versicherungsgesellschaften, welche eine gewisse Einheitlichkeit hätten schaffen können, noch nicht existierten. Der Versicherungsvertrag wurde zunächst einzig zwischen einzelnen Privatpersonen geschlossen.14 Erst im 17. Jahrhundert wurden in England und den Niederlanden erste Versicherungsgesellschaften gegründet. Auch konnten sich dort neue Versicherungszweige entwickelten.15 Eine ähnliche Entwicklung, wenngleich später und langsamer, wies das französische Versicherungswesen auf.16 Im 17. Jahrhundert florierte der französische Seehandel.17 Dies wirkte sich positiv auf das Versicherungswesen aus. Unter Jean-Baptiste Colbert18, während der Herrschaft von Louis XIV.19 zunächst Contrôleur général des finances20 (Finanzkontrolleur) und später Sécretaire d’État à la Marine (Staatssekretär der Marine), expandierte die französische Versicherungsindustrie.21 Colbert soll berichtet worden sein, dass es keinen Bürger Marseilles gäbe, der nicht eine Versicherung unterzeichnet hätte.22 Die ersten Versicherungsgesellschaften wurden von der Sekundärliteratur als „compagnie“, „chambres particulières d’assurances“, „chambre d’assurance“ oder

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Erwähnt wird z. B. ein Versicherungsbrief aus dem Jahr 1531; vgl. Gallix (1985), S. 167. Hellwege, ZRG GA 131 (2014), 234. 13 Hierzu nähere Ausführungen in B. II (S. 45 ff.). 14 Chaufton (1884), Bd. 1, S. 351; Gallix (1985), S. 176. 15 Ruffat/Caloni/Laguerre (1990), S. 32; Halpérin, Le rôle des assurances (1945), S. 49. 16 Vgl. Hilaire (1986), S. 62; Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 118. 17 Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 118. 18 Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Seignelay, wurde am 29. August 1619 in Reims geboren. Er war als Finanzkontrolleur (1665) und Staatssekretär der Marine (1669) unter Louis XIV. tätig; vgl. Courtilz de Sandras (1695), S. 3 ff.; Oettinger (1869), Bd. 1, S. 187; James (1837), Bd. 1, S. 139 ff. 19 Louis XIV. wurde am 5. September 1638 geboren. Er war von 1643 bis zu seinem Tod König von Frankreich und Navarra sowie Kurfürst von Andorra. 20 Eingehend zur Funktion des Contrôleur Général des Finances in Jouvencel (1901), S. 3 ff. 21 Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 118. 22 Ruffat, Financial history review (2003), 186. 12

I. Entwicklung des Versicherungswesens im Ancien Régime

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„chambre des assurances“ bezeichnet.23 Dies ist missverständlich, existierten doch bereits zuvor Vereinigungen von Versicherern, welche „assémblée d’assurances“, aber auch „chambres particulières d’assurances“ oder „chambre d’assurance“ bzw. „chambre des assurances“ genannt wurden. Anders als Versicherungsgesellschaften verfügten diese Vereinigungen jedoch nicht über eigenes Kapital.24 Bei welcher Vereinigung es sich mithin tatsächlich um eine Versicherungsgesellschaft handelte, ist der Sekundärliteratur aufgrund der oftmals unreflektierten Verwendung der Begrifflichkeiten nicht zu entnehmen. Welche Vereinigung als erste Versicherungsgesellschaft Frankreichs zu qualifizieren ist, ist daher umstritten. Straus spricht von einer Versicherungsgesellschaft aus dem Jahr 1650.25 Pouilloux und Rodet-Profit halten die um das Jahr 1665 gegründete Compagnie des asseurances de Bourdeaux für die erste Versicherungsgesellschaft Frankreichs.26 Nach Moldenhauer war hingegen die Chambre des Assurances et Grosses avantures de la Ville de Paris (1668) die erste Versicherungsgesellschaft.27 Diese wurde von der Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France en la Ville de Paris (1686) ersetzt,28 welche Masius für die erste französische Seeversicherungsgesellschaft hält.29 Neben Versicherungsgesellschaften waren weiterhin Einzelpersonen als Versicherer, auch „assureurs particuliers“ genannt, tätig.30 Deren Existenz konnte Pouilloux bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nachverfolgen.31 Mit dem Tod Colberts32 und Louis XIV.33 endete die erste Hochzeit des Seeversicherungswesens.34 Nur wenige Gesellschaften wurden danach gegründet. Erst Ende des 18. Jahrhunderts förderte die französische Regierung erneut die Gründung von Versicherungsgesellschaften. Neuen Versicherungstechniken begegnete die Regierung im Ver23 So z. B. Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (1782), Bd. 7, S. 69: „[Une chambre des assurances] c’est une société de personnes qui entreprennent le commerce des assurances, c’est-à-dire qui se rendent propre le risque d’autrui sur tel ou tel objet, à des conditions réciproques.“ (Eine chambre des assurances ist eine Personengesellschaft, welche mit Versicherungen Handel betreibt, das heißt das Risiko anderer an diesem oder jenem Gegenstand unter gegenseitigen Bedingungen übernehmen); Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (1782), Bd. 7, S. 70: „[…] de cette chambre ou de cette société […]“ (von dieser chambre oder dieser Gesellschaft). Siehe auch Rodet-Profit (2015), S. 101 f. 24 Vgl. Chaufton (1884), Bd. 1, S. 351. 25 So Straus, in: Borscheid /Haueter (2012), S. 118. 26 Deren Existenz ergibt sich aus einem „lettre de ses Intéressés“ (Brief der interessierten Parteien) an Colbert vom 10. April 1665; vgl. Pouilloux (2011), S. 14, 415; Rodet-Profit (2015), S. 102. 27 Moldenhauer (4. Aufl. 1925), S. 26. 28 Pouilloux (2011), S. 14, 431. 29 So Masius (1857), S. 3. 30 Pouilloux (2011), S. 18; Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (1782), Bd. 7, S. 73. 31 Pouilloux (2011), S. 18. 32 Colbert starb am 6. September 1683 in Paris. 33 Louis XIV. starb am 1. September 1715. 34 Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 118.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

gleich zum 17. Jahrhundert nun aufgeschlossener. Diese hatte den wirtschaftlichen wie auch sozialen Nutzen von Versicherungen erkannt.35 Ende des 18. Jahrhunderts wurden daher Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften gegründet. Der wirtschaftliche Aufschwung des Versicherungswesens im 17. Jahrhundert brachte indes nicht nur positive Aspekte, wie die Förderung des Handels und der Seefahrt, mit sich. Bereits das noch junge Versicherungswesen soll Betrügereien, welche nun einer Gesellschaft zuordenbar und damit leichter nachweisbar waren, gekannt haben.36 Zur Verhütung und Bekämpfung von Missbräuchen gab es jedoch nur ein Mittel, wie Magens feststellte: Die staatliche Regulierung. But though this be allowed, yet as the best Institutions are subject to Abuse, certain Bounds and Regulations are necessary, which, whilst they give such Latitude as may promote and encourage Trade, ought not to be so exremly wide as that ill Consequences may ensue.37

Aber auch andere Gründe sprachen für staatliches Einschreiten. Sully38 und Richelieu39 sahen dieses als zwingend notwendig für die Leitung der Wirtschaft an. Colbert folgte mit seinem politischen Handeln dieser These. Die von dem wirtschaftlichen Einfluss Colberts geprägte Phase wird als „colbertisme“ (Colbertismus), eine rudimentäre Form des „mercantilisme“ (Merkantilismus), bezeichnet.40 Der mercantilisme war eine zeitgenössische wirtschaftliche Strömung, welche in Europa vom 16. bis 18. Jahrhundert vorherrschend war. Dieser lag die Idee zugrunde, dass der Reichtum des Staates auf dem Besitz von Edelmetallen basiert und dass der Staat diese monetäre Bereicherung durch Intervention zu fördern hat. Der französische Merkantilismus verfolgte einen selektiven Protektionismus, die Steigerung der Exporte durch Verbesserung der Produktion in den Manufakturen, die Gründung großer Unternehmen sowie die Förderung der Schifffahrt. Die Umsetzung dieser Ziele erforderte eine strenge und eingehende Regulierung der Wirtschaft.41 Vermutlich in Umsetzung des mercantilisme wurde die Ordonnance sur le commerce (1673) und Ordonnance de la Marine (1681) geschaffen. Letztere regelte erstmals gesetzlich den Versicherungsvertrag.42

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Ruffat, in: Nùñez (1998), S. 59. Eeckhout, in: Monette/Villé/André (1949), Bd. 1, S. 19. 37 Magens (1755), Bd. 1, S. 2. 38 Maximilien de Béthune war einer der Prinzipalminister von Henri IV. Eingehend zu dessen Biographie und Einfluss auf die Entwicklung des französischen Finanzwesens in Baumhart (1828), S. 7 ff. 39 Armand Jean du Plessis de Richelieu, auch Kardinal Richelieu genannt, war Geistlicher und Staatsmann. Er wurde am 9. September 1585 geboren und starb am 4. Dezember 1642. Er war Prinzipialminister König Louis XIII. Malettke (2018), S. 9, 13 ff., 167 ff. 40 Hilaire (1986), S. 62. 41 Hilaire (1986), S. 62. 42 Hierzu näher B. III. 1., 2 (S. 52 ff., 57 ff.). Vgl. auch Lammel, in: Coing (1976), Bd. II/2, S. 800. 36

II. Regeln versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur

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Die Darstellung der Entwicklung des französischen Versicherungswesens zeigt, dass dieses während des Ancien Régime fortwährend Veränderungen erfuhr. Die verschiedenen Entwicklungsstufen können grob in zwei Phasen untergliedert werden, eine bis zum und eine ab dem 17. Jahrhundert. Diese beiden Phasen sollen im Folgenden getrennt untersucht werden. Verweise werden sich nicht vermeiden lassen, bildet die erste Phase doch den Ausgangspunkt der zweiten Phase, in welcher wiederum die assurances maritimes (Seeversicherung) getrennt von den assurances terrestres (im Folgenden fallen hierunter die Feuer- und Lebensversicherung) zu behandeln sind, hatten beide doch eine unterschiedliche Entwicklung durchlaufen.

II. Regeln versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur bis zum 17. Jahrhundert Vor Erlass der Ordonnance de la Marine (1681) existierte in Frankreich keine Versicherungsgesetzgebung. Versicherungsrechtliche Grundsätze entwickelten sich daher zunächst aus alten Rechtsinstituten. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden Gewohnheitsrecht und erstes Gesetzesrecht für Seeversicherungen, meist in das Seerecht eingebettet.43 Dies lässt sich damit erklären, dass die Seeversicherung lange Zeit als Gegenstand des Seehandels angesehen wurde.44 Seerechtliche Bestimmungen leiteten sich bis zum 14. Jahrhundert ausschließlich aus der Praxis ab.45 Ab dem 14. Jahrhundert schuf überwiegend die Rechtsprechung seerechtliche Grundsätze.46 Erst ab dem 16. Jahrhundert soll mit Erlass verschiedener Ordonnanzen für die Amiratué (Admiralität)47 staatliche Gesetzgebung im Bereich des Seerechts geschaffen worden sein.48 Die Seerechtsgesetzgebung erschöpfte sich zunächst in Regelungen der Gerichtsverfassung, insbesondere der Rechte und Befugnisse des Admirals.49 Entsprechende Regelungen hatten bereits die Ordonnanz des König Carl VI. vom 7. Dezember 137350 und das Droitz et Preeminences de Mondit Seigneur Ladmiral51 enthalten.52 In die Ordonnanzen für 43

Bruck (1930), S. 3 f. Vgl. Firmin-Didot frères (1868), Bd. 2, S. 139. 45 Wagner (1884), Bd. 1, S. 38. Nach Wagner (1884), Bd. 1, S. 65 sollen bereits ab dem 12. Jahrhundert seerechtliche Bestimmungen in Arles, Montpeillier und Marseille vorhanden gewesen sein. 46 Wagner (1884), Bd. 1, S. 38. 47 Ordonnanzen aus den Jahren 1517, 1543, 1555, 1584, 1667; vgl. Hammacher (1982), S. 53; Hamon (1895), S. 30. 48 Hammacher (1982), S. 53. 49 Vgl. Wagner (1884), Bd. 1, S. 71. 50 Ordonnanz vom 7. Dezember 1373, abgedruckt in: Twiss (1871), Bd. 1, S. 430 ff. 51 Droitz et Preeminences de Mondit Seigneur Ladmiral, abgedruckt in: Twiss (1871), Bd. 1, S. 443 ff. 52 Wagner (1884), Bd. 1, S. 71. 44

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Admiralitäten flossen sukzessiv privatrechtliche Bestimmungen ein.53 Versicherungsrechtliche Regelungen sollen diese indes nicht beinhaltet haben.54 Überwiegend war der kaufmännische Verkehr in Seeversicherungssachen daher durch das Gewohnheitsrecht geregelt.55 Die von den Händlern geschaffene Versicherungspraxis wurde in Rouen in dem Guidon, Style et Usance des marchands qui mettent à la mer, bekannt als Guidon de la mer,56 niedergeschrieben.57 Das genaue Datum seiner Schaffung ist unbekannt.58 Gleiches gilt für seine/n Verfasser.59 Der Guidon de la mer wurde in das 1647 erstmals gedruckte und 1671 in Rouen erneut aufgelegte juristische Sammelwerk des Juristen Estienne Cleirac, Les Us et Cousumes de la Mer, des contrats maritimes & commerce Naval, bekannt als Us et coutumes de la Mer, aufgenommen. Der Guidon de la mer war das erste Werk, das sich mit dem Recht der Versicherungen, genauer der Seeversicherung, beschäftigte.60 Er erwähnt namentlich den Versicherungsvertrag.61 Inhaltlich soll er sich an den Gesetzen der Niederlande und Spaniens orientiert haben.62 Diese von den Händlern geschaffene Praxis ist – entgegen weniger Stimmen der Literatur 63 nicht als erstes Versicherungsgesetzbuch, sondern als reine Kompilation eines Privatgelehrten anzusehen.64 Das erste Gesetz, welches den Versicherungsvertrag umfassend regelte, war, wie bereits angesprochen, die im August 1681 von Louis XIV. geschaffene Ordonnance touchant la marine, bekannt als Ordonnance de la Marine.65 Die relativ späte Kodifizierung des Versicherungsvertrags wird damit erklärt, dass erst im 17. Jahrhundert die Seeversicherung voll entwickelt und gebräuchlich war. Ab diesem Zeitpunkt hatte der Gesetzgeber die Notwendigkeit, die Versicherungspraxis zu bestätigen, aber auch Missstände zu beseitigen, erkannt.66 53

Wagner (1884), Bd. 1, S. 78. Hammacher (1982), S. 53. 55 Hammacher (1982), S. 53 geht von einer ausschließlich gewohnheitsrechtlichen Regelung aus. 56 Abgedruckt, in Pardessus (1831), Bd. 2, S. 377 – 387. 57 Pardessus (1831), Bd. 2, S. 371 f.; Wagner (1884), Bd. 1, S. 78 f.; Hammacher (1982), S. 53. 58 Pardessus (1831), Bd. 2, S. 372 nimmt an, der Guidon de la mer sei zwischen den Jahren 1556 und 1584 geschaffen worden. Die erste Publikation soll im Jahr 1607 erfolgt sein; vgl. Pouilloux (2011), S. 12. 59 Wagner (1884), Bd. 1, S. 78; Hammacher (1982), S. 53. 60 Rodet-Profit (2015), S. 7. 61 Wagner (1884), Bd. 1, S. 78. 62 So Pardessus (1837), Bd. 4. S. 230. Hammacher (1982), S. 53 f., 177. 63 So z. B. Pouilloux (2011), S. 12. 64 So Hammacher (1982), S. 53; Wagner (1884), Bd. 1, S. 78. 65 Hammacher (1982), S. 54. 66 Hubrecht, VersArch 1958, 355. 54

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Die späte Kodifizierung bedeutet indes nicht zwingend, dass das noch junge Versicherungswesen keine staatliche Regulierung erfuhr. Dies legt auch ein Teil der modernen Forschung nahe, ohne hierbei jedoch konkrete Regulierungsmaßnahmen zu benennen.67 Mangels Versicherungsgesetzgebung ist bei der Suche nach Regelungen versicherungsrechtlicher Natur auf einzelne die Versicherungsverträge im weitesten Sinne betreffende Regelungen abzustellen. Wegen des Fehlens von Versicherungsgesellschaften kann der Regelungsgegenstand nur der Versicherungsvertrag selbst oder die an dessen Abschluss oder Abwicklung beteiligten Personen sein. Hierzu zählen die Courtiers, die Amirautés sowie die Notaires und Tabellions. Die für diese erlassenen Regelungen müssen daher nachfolgend auf ihre versicherungsaufsichtsrechtliche Relevanz hin untersucht werden. 1. Courtiers Ab dem 16. Jahrhundert sollen in Frankreich bereits Versicherungsmakler tätig gewesen sein.68 Diese wurden „courtiers“ (Makler) genannt. Aber auch andere Begrifflichkeiten wurden zur Umschreibung deren Tätigkeit verwendet, wie z. B. „courtiers royaux“/„censaux“.69 Gesetzliche Regelungen für Makler existierten bereits im Mittelalter. Die Ordonnanzen von 1312 und 1350 normierten das Verbot des eigenen Handelsgeschäftes sowie des Selbsteintritts (Art. 8, Art. 9; Art. 154, Art. 155). In einem Reglement aus dem Jahr 1415 finden sich hingegen bereits umfangreiche Regelungen einzelner Maklerarten. Insbesondere wird hierbei der Zugang zum Maklerberuf geregelt. Der Code Michaud von 1629 führte die Pflicht der Anmeldung der Maklertätigkeit ein (Art. 416).70 Erst ab dem 18. Jahrhundert sollen Versicherungsmakler zur Verhütung von Missbräuchen einer Kontrolle unterstellt worden sein.71 Zum einen wurden private und freie Makler zu öffentlichen Beamten gemacht. Zum anderen wurden besondere Beamte zur Dokumentation der Versicherungsverträge, insbesondere zu dem Zweck der amtlichen Feststellung des Datums des Versicherungsvertrags, in allen Häfen eingesetzt. Die Effektivität der Kontrolle ist indes zweifelhaft, konnte doch, wie damals üblich, das Amt beim König erkauft werden.72 2. Amirautés Die „Juges et Consuls“/„Juges-Consuls“ oder die „Juges de l’Amirautés“ waren Rechtsprechungsorgane. Grundsätzlich waren die Juges-Consuls für Handelssachen 67 68 69 70 71 72

Eingehende Darstellung des Forschungsstands in A. III (S. 27 ff.). Hubrecht, VersArch 1958, 355. Vgl. Émerigon (1803), Bd. 2, S. 87. Lammel, in: Coing (1976), Bd. II/2, S. 813 f. Hubrecht, VersArch 1958, 359. Vgl. auch Pouilloux (2011), S. 624. Hubrecht, VersArch 1958, 359.

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und die Juges de l’Amirautés für Seeangelegenheiten zuständig.73 Die konkrete Kompetenzverteilung war indes nicht unumstritten und mehrfach Gegenstand staatlicher Regulierung.74 Durch die lettres patentes vom 6. August 158275 und durch Édit vom März 158476 wurde mit Ausnahme der Stadt Rouen den Amirautés die „pouvoir de connaître des choses de la mer“ übertragen.77 Zu den „choses de la mer“ (Gegenständen der See) zählte die Seeversicherung.78 Welche Rechte und Pflichten die „pouvoir de connaître“ (Erkenntnisgewalt) umschreibt, ist hingegen unklar. Wortgetreu könnte sich die Kompetenz der Amirauté auf das Recht, lediglich Kenntnis von den Seeversicherungsverträgen zu nehmen, beschränken. Dann stellt sich aber die Frage, wozu diese Kenntnis notwendig war. Die „pouvoir de connaître“ könnte aber auch eine Umschreibung für das Recht der Aufsicht sein. Der Arrêt vom 5. Juni 1668 legt eine solche Deutung von „connoissance“ nahe.79 Die Kenntnis der Existenz und des Inhalts der Seeversicherungsverträge wäre dann die Grundlage der Aufsicht. Aus dem Wortlaut allein kann indes nicht abgeleitet werden, ob die Amirautés Seeversicherungsverträge zu prüfen oder deren Erfüllung zu überwachen hatten. Aufgrund der schlechten Quellenlage, kann nicht abschließend geklärt werden, ob die Amirauté bereits eine Aufsicht ausübten. Zumindest im 18. Jahrhundert nahm diese eine Kontrolle der Seeversicherungsverträge vor, wie unter B. II. 4. (S. 50) zu sehen sein wird.

73 Zu den Juges-Consuls in The history of Paris (1825), Bd. 2, S. 103; Ludovici/Schedel (1799), Bd. 4, Sp. 1026. Zu den Amirautés in Encyclopédie de jurisprudence (1779), Bd. 5, S. 351 f. 74 Vgl. hierzu näher Pouilloux (2011), S. 12 f.; Émerigon, Traité (1783), Bd. 2, S. 319 ff. 75 Lettre patentes du Roi Henri III. vom 6. August 1582, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 22 f. 76 Art. 2 Édit du Roi vom März 1584, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 4, S. 296. 77 Pouilloux (2011), S. 12, 659, Fn. 1. 78 Pouilloux (2011), S. 12, 659. 79 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 5. Juni 1668, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 419. Siehe S. 65.

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3. Notaires und Tabellions Die in der Ordonnance de Louis XII. vom Juni 151080 erstmals normierte und von der Ordonnance de François I. vom Oktober 153581 übernommene Registrierungsund Protokollierungspflichten für Notaires82 und Tabellions83 wurde auch auf Seeversicherungsverträge angewandt.84 Nach Art. 177 der Ordonnance von 1539 durften die Register nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.85 Nur durch gerichtlichen Zwang konnte der Notar zum Auszug aus dem Register verpflichtet werden.86 In Marseille soll jedoch auf Anfrage stets ein Auszug aus dem Register erteilt worden sein.87 Daher war faktisch das bloße Interesse an dem Auszug ausreichender Grund.88 Die Rechtsfolge der unterbliebenen Registrierung oder Veröffentlichung ist unbekannt. In einem Urteil vom Juni 1768 wurde ein Notar wegen fehlender Registrierung zweier Versicherungspolicen in sein Register zu einer Geldstrafe von 500 liv. verurteilt.89 Ob dies auch der gängigen Rechtsprechung des 16. und 17. Jahrhundert entsprach, ist nicht bekannt. Trotz dieser Ungewissheit ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber mit der Registrierungs- und Protokollierungspflicht nicht die Schaffung von Transparenz bezweckte. Die Registrierungs- und Protokollierungspflicht hatte wohl auch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags. Allgemein ist zu beachten, dass Versicherungsverträge nicht an 80 Art. 63 Ordonnance de Louis XII. vom Juni 1510, zitiert in: Émerigon, Traité (1783), Bd. 1, S. 30 f. 81 Ch. 19, Art. 6 Ordonnance de François I. vom Oktober 1535; vgl. Émerigon, Traité (1783), Bd. 1, S. 31. 82 Eingehend zu den Notaires, deren unterschiedlichen Arten und Aufgaben in: Papon (1621), S. 236 ff.; Ferrière (4. Aufl. 1754), Bd. 2, S. 252 ff.; Dictionnaire protatif de jurisprudence et de pratique (1763), Bd. 3, S. 18 ff., 24 ff. 83 Eingehend zu den Tabellions in Panckoucke (1787), Bd. 7, S. 701. 84 Pouilloux (2011), S. 659. 85 Art. 177 Ordonnance von 1539, zitiert in: Émerigon, Traité (1783), Bd. 1, S. 31. 86 Dictionnaire portatif de jurisprudence et de pratique (1763), Bd. 3, S. 21; Brillon (1711), Bd. 2, S. 814, Rn. 174. Vgl. Arrêt du Parlement de Paris 1545; vgl. Brillon (1711), Bd. 2 S. 808, Rn. 25. Vgl. auch den Arrêt du Parlement de Bretagne vom 8. März 1557 und das Jugement Présidial de Toulouse vom 4. Juni 1569; vgl. Brillon (1711), Bd. 2 S. 808, Rn. 26, 27. So auch später gesetzlich festgelegt in der Ordonnance von 1667; vgl. Émerigon, Traité (1783), Bd 2, S. 31. 87 Émerigon, Traité (1783), Bd. 2, S. 32. 88 Papon (1621), S. 239; Émerigon, Traité (1783), Bd. 2, S. 32. 89 „Mé.***. Notaire de Marseille, avoit emis d’enrégistrer deux Polices d’Assurance qui intéressoient le sieur Honnoré Fancouls. Celui-ci présenta Requête contre le Notaire. Sentence rendue en Juin 1768, qui „condamne Me.***. aux dommages & intérêts soufferts & à souffrir par Francoul; par le défaut de représentation des deux Polices d’Assurance dont il s’agit, que ledit Me.***. a déclaré n’avoir point enrégistré dans son Registre. Et faisant droit à la réquistition du Procureur du Roi, condamne ledit Me. ***. à 500 liv. d’amende envers M. l’Amiral, pour ne s’être pas conformé à la disposition de l’art. 69 du tit. 6 des Assurances de l’Ordonnance de 1681, avec dépens & contrainte par corps.“ Abgedruckt in: Émerigon, Traité (1783), S. 30.

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jedem Ort unter Beteiligung von Notaires geschlossen wurden.90 Insoweit ist zu vermuten, dass eine Registrierung und Protokollierung von Versicherungsverträgen nur beschränkt stattfand. Dies gilt auch für die Registrierung- und Protokollierung der sog. „Greffiers“ bzw. „Clerc des Polices d’assurances“. In einigen Hafenstädten, v. a. in Rouen, Marseille und Bordeaux, waren Greffiers tätig. In Rouen mussten Seeversicherungsverträge zwingend unter Beteiligung eines Greffiers geschlossen werden. Pouilloux vermutet, dass diese Regelung ausschließlich für Rouen galt.91 In Paris wurde das Amt des Greffiers durch Arrêt des Conseil d’État vom 16. Dezember 1673 bestätigt. Gleichzeitig wurde allen Händlern verboten, Versicherungsverträge privat abzuschließen. Obzwar die Vorschrift als veraltet galt, wurde der dieser Regelung zugrundeliegende Zweck, die Monopolisierung des Versicherungswesens zur Schaffung von Rechtssicherheit, in dem Édit vom 31. Mai 1686 erneut aufgegriffen.92 Durch Édit vom Dezember 1639 sollten Offices de Greffiers im gesamten Königreich geschaffen werden.93 Das Amt des „Notaires-Greffiers d’assurances“, welches durch Édit vom Dezember 1657 eingeführt wurde und den Notaires-Greffiers d’assurances das Recht und die Pflicht auferlegte, Register zu führen und das Konnossement zu überprüfen, existierte nicht nur in Rouen, sondern auch in Marseille. Dort wurde das Amt durch Arrêt des Conseil d’État vom 4. August 1759 abgeschafft.94 4. Kontrolle der Seeversicherungsverträge Alle am Vertragsschluss bzw. an der Vertragsabwicklung beteiligten Amtsträger, mithin sowohl die Greffiers als auch die Notaires und Tabellions, waren zur Kontrolle der Verträge verpflichtet.95 Seeversicherungsverträge wurden zumindest Anfang des 18. Jahrhunderts von den „Notaires Royaux“, den „Censaux“, den „Courtiers“, den „Agens de change“, den „Greffiers des Amirautés“ und den „Jurisdictions Consulaires“ kontrolliert. Dies indiziert der Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 12. August 1732, in welchem das Recht der Registrierung und Protokollierung und die Pflicht der Kontrolle von Seeversicherungsverträge und -policen abgeschafft wurde.96 Welche zu den die Seeversicherungsverträge vor dem 18. Jahrhundert kontrollierenden Amtsträgern zählten, ist nicht erwähnt. Vorschriften, aus welchen sich eine Kontrollpflicht ableiten lässt, werden in der Literatur nicht angegeben. Insofern ist nicht klar, ob die Kontrollpflicht nur lokale Geltung hatte. Die Notaires von Paris 90 91 92 93 94 95 96

Hubrecht, VersArch 1958, 353. Pouilloux (2011), S. 617. Pouilloux (2011), S. 618. Bosquet (2. Aufl. 1772), Bd. 1, S. 145. Pouilloux (2011), S. 618. Dictionnaire protatif de jurisprudence et de pratique (1763), Bd. 3, S. 21. Pouilloux (2011), S. 618.

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wurden in der Déclaration vom 7. Dezember 1723 jedenfalls von der Kontrollpflicht entbunden.97 Obschon ein Édit vom März 1603 vorschreibt, dass eine durchgeführte Kontrolle bei Registrierung anzugeben ist, bleibt ungewiss, ob diese in der Praxis ausgeführt wurde.98 Gleiches gilt für die konkrete Ausgestaltung der Kontrolle. Wurde bereits die Einhaltung der den Vertrag regelnden Vorschriften kontrolliert? Welche Rechtsfolge hatten Verstöße? Fand die Kontrolle vor Vertragsschluss oder nach Vertragsschluss statt? Dies sind Fragen, die für eine umfassende versicherungsaufsichtliche Analyse von Interesse sind. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die in der modernen Wissenschaft als „contrôle juridique“ beschriebenen Aufsicht. Die contrôle juridique basiert auf der Überlegung, dass aus der ungleichen Stellung von Versicherer und Versicherungsnehmer bzw. Versicherter Ungerechtigkeiten entstehen können.99 Die contrôle juridique hat die Überprüfung von Versicherungsvertragsvorschriften zum Inhalt. Diese kann sowohl vor als auch nach Vertragsschluss erfolgen. Vor Vertragsschluss wird die Konformität der in Zukunft zu vertreibenden Versicherungsverträge mit zwingenden Klauseltypen, den sog. „clauses types obligatoires“, kontrolliert. Während des Vertragsschlusses ist im Interesse der Öffentlichkeit zur Einhaltung der vorgeschriebenen Vertragsbestimmungen aufzufordern.100 Ob die Kontrolle der Seeversicherungsverträge während des Ancien Régime als Wurzel der modernen contrôle juridique anzusehen ist, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden. Die schlechte Quellenlage macht eine eingehendere Betrachtung unmöglich. Es ist indes nicht unwahrscheinlich, dass, wenn auch in sehr einfacher Form, eine mit der modernen contrôle juridique vergleichbare Prüfung der Versicherungsverträge vor und nach Vertragsschluss stattfand. 5. Zusammenfassung Die Untersuchung des Versicherungswesens bis zum 17. Jahrhundert hat gezeigt, dass die Suche nach Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur vor Erlass der Ordonnance de la Marine (1681) kein leichtes Unterfangen ist. Dies erklärt das Fehlen von eingehenden Ausführungen über die Ursprünge versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen in der Sekundärliteratur. Die Schwierigkeit ergibt sich insbesondere aus der teils ausschließlich lokalen Geltung von Regelungen sowie der lokal unterschiedlichen Versicherungspraxis. Eine umfassende Darstellung versicherungsaufsichtsrechtlicher Ursprünge bedarf mithin der Untersuchung der Versicherungspraxis der einzelnen Städte. Regelungen, welche für das gesamte fran97

Dictionnaire protatif de jurisprudence et de pratique (1763), Bd. 3, S. 21. Dictionnaire protatif de jurisprudence et de pratique (1763), Bd. 3, S. 21. 99 Blondel (1965), S. 20. 100 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 30. Siehe auch Lambert-Faivre/Leveneur (14. Aufl. 2017), S. 125. 98

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zösische Herrschaftsgebiet Geltung besaßen und denen ein einheitlicher staatlichen Regulierungswillens zu entnehmen war, existierten kaum.101 Die Untersuchung von Regelungen verschiedener Versicherungsstandorte würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Die oben angeführten Regelungen zeigen zumindest beispielhaft, dass das noch junge Versicherungswesen bereits vor dem 17. Jahrhundert nicht völlig frei von staatlicher Regulierung war. Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur bezogen sich ausschließlich auf Versicherungsverträge und mit diesen befassten Personen. Beachtlich ist insbesondere die Kontrollpflicht von Seeversicherungsverträgen. Diese erinnert an die in der modernen Wissenschaft als „contrôle juridique“ bezeichneten Form der Aufsicht.

III. Versicherungsaufsichtsrechtliche Rechtsquellen ab dem 17. Jahrhundert Mit der Kodifizierung des Versicherungsrechts durch die Ordonnance de la Marine (1681) begann für das Versicherungswesen ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine regulatorisch neue Phase. Erstmals regelte Gesetzesrecht den Versicherungsvertrag. An Vorschriften der Versicherungsgesellschaften fehlte es indes weiterhin. Daher muss auch gesellschaftliches Gesetzesrecht untersucht werden. Dieses wurde durch die Ordonnance du Commerce geschaffen. Weil die Gesetze jedoch Regelungslücken enthielten, sind für diese Untersuchung auch Einzelfallregelungen, genauer die sog. „Ordonnances royales“, zu untersuchen. 1. Ordonnance du Commerce Unter der Verantwortung von Colbert wurde im Jahr 1673 die Ordonnance de mars 1673 sur le Commerce de terre102, auch Ordonnance sur le Commerce (sur terre) oder Ordonnance du Commerce genannt, erlassen. Die Ordonnance du Commerce war die erste einheitliche Gesetzgebung für den französischen Handel zu Land.103 Die Vorschriften der Ordonnance du Commerce (1673) wurden von dem Code de Commerce (1807) übernommen.104 Die Ordonnance du Commerce enthielt zwar keine Regelung des Versicherungsvertrags, doch Vorschriften der von Versicherungsgesellschaften gewählten Gesellschaftsformen „sociétés générales“105 und „sociétés en commandite“106.107 Erst 101

Vgl. so bereits Pouilloux (2011), S. 659. Genauer zur Entstehungsgeschichte in Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 28 f. 103 Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 28. 104 Jousse (1828), S. 74. 105 Die sociétés générale besteht aus einem oder mehreren Händlern, meist nicht mehr als vier, oft aus einer Familie stammend, welche untereinander solidarisch haften; vgl. Fournes102

III. Versicherungsaufsichtsrechtliche Rechtsquellen

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im 18. Jahrhundert wurden in Frankreich auch „sociétés de captiaux“ (Kapitalgesellschaften gegründet.108 Die sociétés de captiaux können in zwei Arten von „société par actions“ unterteilt werden: Zum einen die „société anonyme“109, zum anderen die „société commandite par actions“110.111 Die sociétés anonymes waren während des 17. und 18. Jahrhunderts den sog. „sociétés/associations en participation“112 (Gemeinschaftsunternehmen) ähnlich.113 Daher wurde der Begriff „société anonyme“ auch für diese verwendet.114 In der Sekundärliteratur findet eine klare Abgrenzung zwischen sociétés par actions und sociétés anonymes indes nicht stets statt, so dass es zur synonymen Verwendung und damit zu Ungenauigkeiten und Missverständnissen kommt. Versicherungsgesellschaften konnten zunächst zwischen den beiden Gesellschaftsformen société générale und société en commandite wählen.115 Bereits im 18. Jahrhundert hatten einige Versicherungsgesellschaften die Form der société par actions angenommen. Damit war das Versicherungswesen der erste Wirtschaftszweig, welcher diese Gesellschaftsform extensiv gebrauchte.116 Die Ordonnance du Commerce regelte die sociétés par actions indes nicht.117 Vorschriften der sociétés par actions ergaben sich aus den Gründungsurkunden der einzelnen Gesellschaften.118 Für die sociétés par actions waren damit zunächst allein Gewohnheiten und Gebräuche maßgebend. Hierbei waren Entscheidungen der Rechtsprechung wie auch des Conseil d’État du Roi von besonderer Bedeutung.119 Damit unterstanden nur

Dattin, in: Bensadon/Praquin/Touchelay (2016), S. 340. Eingehend hierzu Lévy-Bruhl (1938), S. 30, 101 ff. 106 Die société en commandite besteht aus den beschränkt haftenden commanditaires (Kommanditisten) und den unbeschränkt haftenden complimentaires (Komplimentäre); vgl. Fournes-Dattin, in: Bensadon/Praquin/Touchelay (2016), S. 340. Problematisch ist, dass die société en commandite oft fälschlicherweise als solche bezeichnet wurde, so geschen bei der Compagnie Générale des Assurances; vgl. Lévy-Bruhl (1938), S. 46. Eingehend hierzu LévyBruhl (1938), S. 30, 156 ff. 107 Rodet-Profit (2015), S. 3. 108 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 11. 109 Näher hierzu Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 630; Goris (1971), S. 178 ff. 110 Näher hierzu in Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 630. 111 Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 628. 112 Hierbei haben sich Kaufleute für ein gemeinsames Geschäft zusammengeschlossen; vgl. Fournes-Dattin, in: Bensadon/Praquin/Touchelay (2016), S. 340. 113 Lévy-Bruhl (1938), S. 40. 114 Lyon-Caeun/Renault (2. Aufl 1892), Bd. 2, S. 464; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 630; Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 358. 115 Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (1782), Bd. 7, S. 69. 116 Braudel (3. Aufl. 1980), Bd. 2, S. 390; Ruffat, Financial history review (2003), 187. 117 Vautrin (1905), S. 79. 118 Lammel, in: Coing (1976), Bd. II/2, S. 819. 119 Hilaire (1986), S. 109.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

Versicherungsgesellschaften i. F. d. société générale oder i. F. d. société en commandite den gesetzlichen Regelungen der Ordonnance du Commerce. a) Form- und Publizitätsvorschriften Die Ordonnance du Commerce enthielt verschiedene gesellschaftliche Regelungen.120 Für diese Untersuchung ist insbesondere die Frage nach der Regelung der Gründung erster Versicherungsgesellschaften i. F. d. société générale oder i. F. d. société en commandite interessant. Die Form des Gründungsaktes wurde in Tit. 4 Art. 1 festgesetzt. Sociétés générales oder sociétés en commandite mussten schriftlich, vor einem Notar oder durch private Unterschrift gegründet werden.121 Savary, der erste Kommentator der Ordonnance du Commerce, sprach sich wegen der Beweismöglichkeit für eine Gründung vor dem Notar aus.122 In der Praxis wurden Gesellschaften zwischen Händlern und Kaufleuten jedoch fast ausschließlich durch Privatunterschrift geschlossen.123 Die Ordonnance du Commerce normierte zudem erstmals das Prinzip der Publizität und führte damit das „régime de publicité“ (Publizitätssystem) ein.124 Geregelt war die Registrierungs- und Publikationspflicht in Tit. 4 Art. 2. Die Auszüge der Gesellschaft, damit nicht der gesamte Gesellschaftsvertrag, sondern lediglich Auszüge hiervon,125 mussten bei verschiedenen Amtsträgern bzw. Behörden126 registriert und auf einer an einem öffentlichen Ort aufgestellten Tafel veröffentlicht werden.127 Eine Registrierung konnte nicht erfolgen ehe verschiedene formelle Voraussetzungen erfüllt waren: Der Auszug musste von den Gesellschaftern unterschrieben werden. Die Namen, die Eigenschaft und der Wohnsitz der Gesellschafter waren anzugeben. Soweit vorhanden mussten auch außerordentliche Klauseln angezeigt werden.128 Alle Änderungen im Gesellschafterbestand, neue Vorschriften oder Klauseln hatten ebenso registriert und veröffentlicht zu werden.129 Die Registrierungs- und Veröffentlichungspflicht war nach Savary für die öffentliche Sicherheit und das Interesse des Handels wichtig.130 Es sollten Betrug 120

Lammel, in: Coing (1976), Bd. II/2, S. 801. Tit. 4 Art. 1 Ordonnance du Commerce von 1673, abgedruckt in: Jousse (1828), S. 9. 122 Savary (1675), S. 356. 123 Rodet-Profit (2015), S. 117. A. A. Fournes-Dattin, in: Bensadon/Praquin/Touchelay (2016), S. 340. 124 Lévy-Bruhl (1938), S. 37; Szramkiewicz (1989), S. 137. 125 Jousse (1828), S. 83. 126 Greffe der Jurisdiction Consulaire, Hôtel commun de la ville oder Greffe des Richters vor Ort oder am Ort des Gutsherrn. 127 Tit. 4 Art. 2 Ordonnance du Commerce von 1673, abgedruckt in: Jousse (1828), S. 10. 128 Tit. 4 Art. 3 Ordonnance du Commerce von 1673, abgedruckt in: Jousse (1828), S. 10. 129 Tit. 4 Art. 4 Ordonnance du Commerce von 1673, abgedruckt in: Jousse (1828), S. 10 f. 130 Savary (1675), S. 357. 121

III. Versicherungsaufsichtsrechtliche Rechtsquellen

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verhindert und Dritte geschützt werden.131 Ohne Registrierung und Veröffentlichung beim Greffe132 des Wohnortes aller Vertragsparteien und am Geschäftsort sollte die Gesellschaft gemäß Tit. 4 Art. 6 Ordonnance du Commerce keine Wirksamkeit entfalten.133 In der Praxis wurde der Gründungsakt jedoch weder registriert noch veröffentlicht. Die Vorschrift wurde folglich nicht angewandt.134 Sie galt als veraltet, was auch die Rechtsprechung135 erkannte.136 Die Nichteinhaltung der Vorschrift hatte damit nicht die Nichtigkeit zur Folge.137 Die Ordonnance du Commerce normierte mithin Form- und Publizitätsvorschriften, welche bei Gründung der Gesellschaften im Interesse der Allgemeinheit zu beachten waren.138 Die Nichtanwendung der Vorschriften macht indes deutlich, dass diese Gesetzgebung die von Gewohnheiten dominierte Praxis nicht änderte.139 Insofern misslang der Versuch der französischen Regierung, die im Handel tätigen Gesellschaften zu regulieren. b) Lokale Genehmigungs- und Registrierungspflicht Dass auch Versicherungsgesellschaften die Registrierungspflicht nicht beachteten, zeigt das Beispiel der Stadt Rouen. Die Nichteinhaltung der Registrierungspflicht veranlasste den Table de Marbre (Jurisdiktion der Admiralität)140 im Jahr 1715 zum Tätigwerden.141 Pretendüe compagnie et tous autres marchands de s’eriger en compagnie d’assurances qu’ils ne soient dument authorisés et que l’acte ait esté enregistré au siege general, casse et annule tous actes de société faits sans cette authorisation, fait deffenses de faire a l’advenir sem131

Fournes-Dattin, in: Bensadon/Praquin/Touchelay (2016), S. 340. Hierbei handelt es sich um ein dem Gericht angehörendes Büro; vgl. Table analytique et raisonnée (1780), Bd. 1, S. 868. 133 Rodet-Profit (2015), S. 117. Tit. 4 Art. 6 Ordonnance du Commerce von 1673, abgedruckt in: Jousse (1828), S. 11. 134 Bornier (1737), Bd. 2, S. 470; Boutaric (1743), Bd. 1, S. 28. 135 Im Jahr 1681 erklärte das Parlement von Paris, dass nicht registrierte Gesellschaften nicht weniger wirksam sind, wenn ihre Existenz bewiesen ist. Der acte de notoriété du tribunal de la Conservation des foires de Lyon vom 9. März 1729 bestätigte, dass das Fehlen einer Registrierung kein Fall der Nichtigkeit einer Handelsgesellschaft ist. Vgl. Hilaire (1986), S. 198; Le François (1872), S. 21 f., Fn. 28. 136 Hilaire (1986), S. 198; Szramkiewicz (1989), S. 137; Boutaric (1743), Bd. 1, S. 28; Le François (1872), S. 22; Rodet-Profit (2015), S. 119. 137 Bornier (1737), Bd. 2, S. 468. 138 Le François (1872), S. 20. 139 Hilaire (1986), S. 198. 140 Als Table de Marbre (Marmortisch) wurde im königlichen Palast u. a. die Gerichtsbarkeit der Admiralität bezeichnet. Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass die Rechtsprechung früher in der Nähe eines großen Marmortisches erfolgte. Es existieren drei allgemeine Sitze in Paris, Rouen und der Bretagne. Dictionnaire universel (1771), Bd. 5, S. 820. 141 Rodet-Profit (2015), S. 120. 132

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime blables compagnies non authorisées a peine de nullité des polices d’assurances ou les compagnies auroient signé.142 Alle Geschäfte vermeintlicher Unternehmen und aller anderen Händler, die Versicherungunternehmen ohne Genehmigung errichtet haben und deren Gründungsakt nicht beim allgemeinen Sitz registriert wurde, werden aufgehoben und annulliert. In Zukunft sollen vergleichbare nicht genehmigte Unternehmungen verhindert werden. Bei fehlender Genehmigung folgt die Nichtigkeit der Versicherungspolicen, welche die Unternehmen unterzeichnet haben.

Trotz dieser Entscheidung erfolgte die Genehmigung des Unternehmens und die Registrierung des Gründungsaktes in der Praxis nicht immer.143 Dies verwundert, fand doch eine Kontrolle der Register statt, wie die Existenz der „registres de controlle“ bzw. „registre de controle […]. Enregistrement“ aus dem 18. Jahrhundert, archiviert in den Archives départementales de Seine-Marititime, indiziert.144 Die Kontrolle beschränkte sich jedoch einzig auf die Angabe eines Gründungsdatums.145 Zudem erfolgte die Kontrolle nicht chronologisch, wie das Beispiel der Gesellschaft Dechamps et Dambournay zeigt. Die Gründung der Gesellschaft im Jahr 1727 wurde nicht schriftlich festgehalten, einzelne Akte jedoch im Jahr 1762 kontrolliert.146 Rodet-Profit folgert hieraus, dass eine systematischen Kontrolle in Rouen nicht stattfand und eine zwingende Kontrollpflicht nicht bestand.147 Die Nichteinhaltung der Genehmigungs- und Registrierungsvorschriften und die fehlende systematische Kontrolle weisen darauf hin, dass sich Versicherungsgesellschaften in Rouen weitestgehend frei von staatlicher Regulierung entwickeln konnten.148 Ob dies auch für andere Städte Frankeichs galt, kann in diesem Rahmen nicht untersucht werden. Gleichwohl kann das Beispiel Rouens Indiz einer liberalen Einstellung des Staates zum Versicherungswesen sein.149

142

A. D. S. M., 204 BP 25, 5 décembre 1715; Entscheidung zitiert in: Rodet-Profit (2015), S. 120. 143 Rodet-Profit (2015), S. 120. 144 Siehe A. D. S. M., 7 F 92, vol. 251. 145 Rodet-Profit (2015), S. 120. 146 Vgl. 2 C 1605, Vol. 85 „controlle des actes des notiares et ssp“ du 27 février 1727 au 19 avril 1727; 2 C 1606, Vol. 86 „controlle des actes des notiares et ssp“ du 19 avril 1727 au 7 juin 1727; A. D.M.S., 7 F 92, vol. 251, du 20 décembre 1762 au 3 février 1763, 22 décembre 1762; SSp 18 avril 1736, SSP 19 mars 1742; 22 décembre 1762; SSP, 9 avril 1743; vgl. Rodet-Profit (2015), S. 121, Fn. 510, Fn. 511. 147 Rodet-Profit (2015), S. 120. 148 So Rodet-Profit (2015), S. 121. 149 So auch Rodet-Profit (2015), S. 122.

III. Versicherungsaufsichtsrechtliche Rechtsquellen

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2. Ordonnance de la Marine Die Ordonnance sur le commerce regelte nur den Handel zu Land, nicht jedoch zur See. Colbert hatte indes auch den wirtschaftlichen wie kriegerischen Nutzen des Seehandels erkannt.150 Auf dessen Bestreben hin wurde daher im Jahr 1681 die Ordonnance de la Marine, auch Ordonnance de Colbert genannt, erlassen.151 Die Ordonnance de la Marine kodifizierte die Handelsbräuche im Bereich des Seehandels.152 Sie führte verschiedene Sitten und Gebräuche sowie Regelungen einzelner Ordonnances zu einem einheitlichen Werk über das öffentliche und private Seerecht zusammen.153 Die Ordonnance de la Marine übernahm hierbei größtenteils Vorschriften des Guidon de la mer.154 Neben diesem fand das Werk Cleiracs „Les us et coutumes de la mer“ große Beachtung.155 Auch eine Stellungnahme der Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la Ville de Paris soll bei Erarbeitung der Ordonnance de la Marine berücksichtigt worden sein.156 Überdies ist anzunehmen, dass ausländische Gesetze, insbesondere jene von Antwerpen und Amsterdam, bei der Schaffung der Ordonnance de la Marine als Vorlage dienten.157 Die Ordonnance de la Marine war Vorbild späterer Gesetzgebung, so z. B. für den Code de Commerce (1807).158 Insbesondere wurden die Vorschriften zum Versicherungsvertrag weitgehend übernommen.159 Auch außerhalb Frankreichs soll die Ordonnance de la Marine die Gesetzgebung beeinflusst haben, so auch die deutsche Gesetzgebung (z. B. das königliche Preußische Seerecht (1727) und die Hamburger Assecuranz Ordnung (1731)).160 Die Ordonnance de la Marine hatte mithin nicht nur für die Entwicklung des Seerechts, sondern auch für das hierin enthaltene Versicherungsrecht große Bedeutung. Versicherungsrechtliche Vorschriften waren in Liv. 3 Tit. 6 unter dem Titel „Des Assûrances“ geregelt. Überwiegend wurden Bestimmungen des Versicherungsver150 Colbert: „Le commerce de la mer est l’un des plus puissants moyens pour apporter l’abondance pendant la paix et rendre en guerre la force d’un État plus formidable.“ (Der Seehandel ist eines der wichtigsten Mittel, um im Frieden Wohlstand zu schaffen und um im Krieg die Macht eines gewaltigeren Staates zu stärken.), zitiert in: Hamon (1895), S. 29; Gallix (1985), S. 198. 151 Gesetz abgedruckt in Pardessus (1737), Bd. 4, S. 325 ff. Englische Übersetzung in Magens (1755), Bd. 2, S. 157 ff. 152 Ruffat, Financial history review (2003), 187. 153 Glasson (1903), Bd. 8, S. 199 f., 204. 154 Wagner (1884), Bd. 1, S. 78. 155 Hubrecht, VersArch 1958, 355; Hammacher (1982), S. 54; Eeckhout, in: Monette/Villé/ André (1949), Bd. 1, S. 19. 156 Pouilloux (2011), S. 416. 157 Hammacher (1982), S. 54. 158 Hammacher (1982), S. 54 f.; Hubrecht, VersArch 1958, 351; Boiteux (1968), S. 9; Goldschmidt (2. Aufl. 1889), S. 199. 159 Pardessus (1837), Bd. 3, S. 370 ff. 160 Hammacher (1982), S. 54 f.

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trags normiert.161 Zu den Vorschriften über den Versicherungsvertrag zählten Vorschriften der Form und des Inhalts des Versicherungsvertrags. Der Versicherungsvertrag und die Versicherungspolicen bedurften der Schriftform. Sie konnte als Privaturkunde abgefasst werden.162 Die Blankounterschrift war gem. Liv. 3 Tit. 6 Art. 2 Ordonnance de la Marine verboten. Greffiers, Commis der chambre d’assurances, Notaires sowie Courtiers und Consuls hatten im Falle der Blankounterschrift Schadensersatz zu leisten.163 Hierdurch sollte Missbrauch verhindert werden. Vermutlich aus demselben Grund war diesen unter der Androhung einer Geldstrafe gem. Liv. 3 Tit. 6 Art. 68 verboten, am Vertragsschluss ein persönliches Interesse, sei es direkt, sei es indirekt, zu besitzen.164 Zum Schutz des Handels schrieb Liv. 3 Tit. 6 Art. 69 die Registrierungspflicht vor. Unter Androhung der in Liv. 3 Tit. 6 Art. 68 normierten Sanktion musste beim Lieutenant de l’Amirauté ein Register über die Policen geführt werden.165 Wegen mancherorts vorherrschender Betrügereien wurde die Einhaltung dieser Vorschrift auch noch im 18. Jahrhundert für wichtig erachtet.166 Insofern ist überraschend, dass die Versicherungsverträge und -policen ab dem Jahr 1732 nicht mehr von den Notaires Royaux, den Censaux, den Courtiers, den Agens de change, den Greffiers des Amirautés und den Jurisdictions Consulaires kontrolliert werden mussten. Dies galt auch für privaturkundliche Verträge.167 Neben formellen normierte die Ordonnance de la Marine auch materielle Anforderungen. Die Versicherungsverträge hatten verschiedene inhaltliche Angaben zu enthalten: Der Namen und der Wohnsitz des Versicherten, dessen Eigenschaft (Eigentümer oder Kommissionär), der Namen des Schiffes und des Kapitäns, der Beginn und die Dauer des zu versichernden Risikos, die versicherte Summe, die Prämie sowie die Schiedsgerichtsbarkeit im Streitfall.168 Regelungen fanden sich auch zur Mehrfach- und zur Überversicherung, welche verboten waren.169 Überdies wurden die versicherbaren und nicht versicherbaren Risiken bestimmt.170 Verboten war bspw. die Versicherung der zu verdienenden Fracht, Löhne und Gewinne.171 Auch war die 161

Glasson (1903), Bd. 8, S. 200. Liv. 3 Tit. 6 Art. 2, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 370. 163 Liv. 3 Tit. 6 Art. 68, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 379. 164 Rambert (1954), Bd. 4, S. 579. 165 Liv. 3 Tit. 6 Art. 69, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 379. 166 Émerigon (1780), Bd. 2, S. 87. 167 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 12. August 1732, abgedruckt in: Émerigon (1803), Bd. 2, S. 87 f. Siehe Émerigon (1803), Bd. 2, S. 87. 168 Liv. 3 Tit. 6 Art. 3, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 370. 169 Liv. 3 Tit. 6 Art. 22, Art. 23, Art. 24, Art. 25, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 373. 170 Liv. 3 Tit. 6 Art. 9, Art. 10, Art. 11, Art. 15, Art. 16, Art. 17, Art. 22, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 371 ff. 171 Liv. 3 Tit. 6 Art. 15, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 371. 162

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Versicherung des menschlichen Lebens verboten.172 Da diese Vorschrift als Verbot eines gesamten Versicherungszweiges ausgelegt wurde, ist sie für die Untersuchung der Versicherungsaufsicht in Frankreich von besonderem Interesse. Mit Blick auf die im Rahmen der wissenschaftlichen Darstellung beschriebenen Abgrenzungsproblematik von Versicherungsvertrags- und Versicherungsaufsichtsrecht und unter Berücksichtigung der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit soll im Folgenden nicht näher auf versicherungsvertragsrechtliche Vorschriften eingegangen werden. Ausschließlich das in Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnance de la Marine normierte Verbot der assûrance sur la vie muss wegen der in der Sekundärliteratur dargestellten Bedeutung für die Entwicklung der französischen Versicherungsaufsicht in B. V. 2. näher untersucht werden.173 Weitere Regelungen von versicherungsaufsichtsrechtlicher Relevanz enthielt die Ordonnance de la Marine nicht. Insbesondere existierten keine versicherungsgesellschaftlichen Regelungen. 3. Ordonnances royales Die Untersuchung der Ordonnance du Commerce und Ordonnance de la Marine hat aufgezeigt, dass auch nach Erlass beider Gesetze im Bereich des Handels und speziell im Bereich der Seeversicherung Regelungslücken fortbestanden. Diese Lücken wurden durch Regelungen des Einzelfalls geschlossen, so auch geschehen für die sociétés par actions.174 Der König übte seine legislative Macht durch die „Ordonnances royales“ aus. Zu den ordonnances royales zählten nicht nur die „Ordonnance“, sondern auch der „Édit“, die „Déclaration“ sowie die „Lettres patentes“.175 Der Édit befasste sich anders als die Ordonnance ausschließlich mit einer bestimmten Regelungsmaterie. Durch eine Déclaration erläuterte und ergänzte der König die Ordonnances und Édits. Die Lettres patentes wurden zugunsten einzelner Personen oder Gemeinden erlassen, denen hierdurch i. d. R. eine Einrichtung gewährt oder ein Privileg eingeräumt wurde.176 Die „Règlements“ wurden zudem als Art Ordonnance angesehen.177 Von diesen legislativen Akten sind die judikativen abzugrenzen. Hier gab es den Arrêt oder das Décret. Die Arrêts waren Entscheidungen von individueller oder allgemeiner Tragweite, die von souveränen Gerichten (z. B. das Parlement) oder direkt von der königlichen Gerichtsbarkeit, auch justice „retenue“ du Roi de France

172 173 174 175 176 177

Liv. 3 Tit. 6 Art. 10, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 371. B. V. 2. Vgl. Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 340. Glasson (1903), Bd. 8, S. 154. Glasson (1903), Bd. 8, S. 154 ff. Michaud, Bibliothèque de l’école des chartes (1957), 158.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

genannt, (z. B. der Conseil d’État du Roi) erlassen wurden. Das Décret wurde im Strafverfahren verwendet.178 Die Notwendigkeit königlicher Einzelfallregelung wird im Hinblick auf die Handelsgeschichte deutlich. Im 18. Jahrhundert waren im französischen Handel nicht mehr sociétés de personnes (société générale und société anonyme bzw. société en participation) und sociétés en commandite, sondern die sociétés de capitaux tätig. Diese Entwicklung hatte sich bereits im 17. Jahrhundert abgezeichnet. Der König hatte – mehr oder weniger erfolgreich –179 die Gründung großer Unternehmen, welche die Seefahrt oder die Kolonisation zum Gegenstand hatten, angeregt. In der Literatur180 werden diese Unternehmen daher auch prägnant „compagnies de fondation royale“ genannt. Zu diesen zählten die Compagnies des Indes, die Indes Orientales, die Indes Occidentales, aber auch die Versicherungsgesellschaft Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France. Neben diesen Unternehmen konnten sich im 18. Jahrhundert auch private sociétés par actions entwickeln.181 Obschon jede gesetzliche Rechtsgrundlage fehlte, vertritt die überwiegende Literatur, dass zur Gründung der société par actions stets ein königlicher Akt notwendig war.182 Tatsächlich zeichnet sich bei näherer Betrachtung verschiedener Gründungsakte von sociétés par actions ein anderes Bild. Nicht jede société par actions wurde durch königlichen Akt gegründet. Zu diesen Ausnahmen zählte die Chambre des Assurances de Paris von 1750.183 Insofern regt Belze/Spieser eine differenzierte Betrachtung an und unterscheidet zwischen zwei unterschiedlichen Arten von sociétés par actions, einer genehmigungspflichtigen und einer genehmigungsfreien.184 Die Abgrenzung fällt indes nicht immer leicht. Gewiss ist, dass die compagnies de fondation royale durch einen vom König unterzeichneten sowie vom Parlement gegengezeichneten und registrierten legislativen Akt (Édit oder Lettres patentes) gegründet wurden.185 Das Parlement war ein königliches Organ der Rechtsprechung, welches auch politische und verwaltungsrechtliche Kompetenz besaß.186 Ein legislative Akt war stets notwendig, wenn ein Monopol erteilt wurde.187 Ein solcher Akt 178

Michel (2010), S. 31, 543 ff. Siehe B. IV 2 (S. 67 ff.). 180 So Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 340. 181 Lévy-Bruhl (1936), S. 44 f.; Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 340. 182 So Vautrin (1905), S. 79; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 851; Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 11. 183 Lyon-Caen/Renault (2. Aufl 1892), Bd. 2, S. 465; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 850; dies., Les sociétés anonymes en droit français, allemand et italien (1969), Bd. 1, S. 3. 184 Vgl. Belze/Spieser (2005), S. 274. 185 Lévy-Bruhl (1936), S. 45. 186 Eingehend hierzu Table analytique et raisonnée des matieres (1780), Bd. 2, S. 381 ff. 187 Lévy-Bruhl (1936), S. 45. 179

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wird auch „octroi“ (Oktroi) genannt. Bei dem octroi handelt es sich um ein legislatives Privileg, genauer ein Privileg des öffentlichen Rechts, das jeder Gesellschaft für den Einzelfall erteilt werden konnte.188 Mit dem octroi wurde ein bestimmtes Wirtschaftsgeschäft einem einzigen großen Unternehmen zur Ausübung übertragen.189 Die oktroyierte Gesellschaft wurde ab diesem Zeitpunkt den Institutionen des öffentlichen Rechts zugeordnet. Sie besaß keine wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit mehr.190 Das Octroiverfahren war im 18. Jahrhundert Bestandteil der deutschen Versicherungsaufsicht.191 In Frankreich wird das octroi hingegen nur im Zusammenhang mit der Gründung der großen Kolonialunternehmen zur Sprache gebracht.192 Die französische Versicherungsaufsicht kennt hingegen das sog. „privilège exclusif“ (exklusives Privileg).193 Inhaltlich ist ein Unterschied zum octroi nur schwerlich festzustellen.194 Ein privilège exclusif wurde der ersten Lebensversicherungsgesellschaft erteilt.195 Die Existenz eines privilège exclusif für Seeversicherungsgesellschaften ist anders als im europäischen Ausland wie z. B. in Neapel nicht bekannt.196 Der königliche Genehmigungsakt enthielt verschiedene Vorschriften zur Regulierung der Gesellschaften.197 Die Regierung bestimmte in diesen z. B. die gegenseitigen Verpflichtungen von „administrateurs“ (Verwalter/heute: Vorstand) und „actionnaires“ (Aktionäre) wie die Verbindlichkeiten ggü. Dritten.198 Überdies wurde königlichen Autoritäten das Recht eingeräumt, in die Geschäfte der Gesellschaft einzugreifen und diese zu überwachen.199 Insofern vertritt Lévy-Bruhl, dass die sociétés par actions der königlichen Aufsicht unterstellt wurden. Er differenziert hierbei nicht zwischen den durch königlichen und den durch privaten Akt gegründeten Gesellschaften, wobei er davon ausgeht, dass auch die meisten privaten so-

188

Ducouloux-Favard, Les sociétés anonymes en droit français, allemand et italien (1969), Bd. 1, S. 3. 189 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 851. 190 Ducouloux-Favard, Les sociétés anonymes en droit français, allemand et italien (1969), Bd. 1, S. 3; dies., Revue internationale de droit comparé (1992), 850. 191 Vgl. Tigges (1985), S. 17 ff. 192 So Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 851; Escarra/ Rault (1950), Bd. 1, S. 11; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631. 193 So auch im Jahr 1808 angesprochen in einem Bericht von Hauterive vor dem Conseil d’État (November 1808), zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337. 194 Eingehend zum privilège exclusif B. V. 4. b) (S. 102). 195 Siehe B. V. 4 a) (S. 98). 196 In Neapel wurde in einem Edikt von König Karl VI. einem einzigen Unternehmen das exklusive Recht erteilt Seeversicherungspolicen auszugeben; vgl. Gallix (1985), S. 201. 197 Vautrin (1905), S. 79. 198 Fournes-Dattin, in: Bensado/Paquin/Touchelay (2016), S. 341. A. A. Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 11 im Bezug auf private sociétés par actions. 199 Vautrin (1905), S. 79.

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ciétés par actions durch vom König stammenden Akt gegründet werden mussten.200 Es ist im Folgenden daher zu klären, ob die königlichen Genehmigungsakte der ersten Versicherungsgesellschaften Aufsichtsmaßnahmen enthielten. Dies erfordert deren eingehende Analyse. Insbesondere soll aufgezeigt werden, auf welche Art und Weise und zur Verfolgung welchen Zwecks der französische Staat bei der Gründung und während des Geschäftsbetriebs von Versicherungsgesellschaft eingriff. 4. Zusammenfassung Mit der Ordonnance de la Marine (1681) existierte erstmals ein Gesetz, das Vorschriften des Versicherungsvertrags kodifizierte. Gleichwohl war die Ordonnance de la Marine nicht die einzige Rechtsquelle. Auch die Ordonnance du Commerce enthielt Regelungen, die von Versicherungsgesellschaften i. F. d. société générale oder i. F. d. société en commandite zu beachten waren. Insofern sind für diese Arbeit sowohl gesellschaftsrechtliche als auch versicherungsrechtliche Regelungen von Interesse. Die in der Ordonnance du Commerce (1673) normierte Registrierungs- und Publikationspflicht von Auszügen aus dem Gesellschaftsvertrag fand in der Praxis nicht stets Beachtung. Dies gilt auch für lokale Regelungen zur Genehmigung von Versicherungsgesellschaften und zur Registrierung von Gesellschaftsverträgen. An der Effektivität dieser zur Transparenz im öffentlichen Interesse geschaffenen Vorschriften kann daher gezweifelt werden. Die Ordonnance de la Marine normierte den Versicherungsvertrag. Einigen versicherungsvertragsrechtlichen Vorschriften ist ein aufsichtsrechlicher Charakter beizumessen. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen für Versicherungsgesellschaften stammten aus königlichen Einzelfallregelungen, den Ordonnances royales. Dies war Folge des Fehlens von gesetzlichen Regelungen. Die Ordonnance de la Marine regelte den Versicherungsvertrag, nicht jedoch die Versicherungsgesellschaft. Auch die von Versicherungsgesellschaften ab dem 18. Jahrhundert gewählte Form der sociétés par actions war nicht in der Ordonnance du Commerce normiert.

200

Lévy-Bruhl (1936), S. 45.

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IV. Assurances maritimes Da in Frankreich bis zum 18. Jahrhundert ausschließlich „assurances maritimes“, also Seeversicherungen, existierten, sollen diese zunächst historisch chronologisch korrekt betrachtet werden. Auf die „assurances terrestres“, also Landversicherungen, soll nachfolgend gesondert eingegangen werden. Eine getrennte Behandlung ist mit Blick auf die unterschiedliche Entwicklungsgeschichte angezeigt. Seeversicherungsgesellschaften wurden vermutlich erst ab dem 17. Jahrhundert gegründet. Dies bedeutet indes nicht, dass Versicherungsgeschäfte ausschließlich von Einzelpersonen betrieben wurden. Bereits ab dem 16. Jahrhundert entwickelten sich an verschiedenen Orten Frankreichs Vereinigungen unterschiedlicher Organisationsform, die dem Abschluss von Versicherungsgeschäften dienten. Diese unterschiedlichen Vereinigungen müssen vor den sich zeitlich später etablierenden Versicherungsgesellschaften untersucht werden. Hierbei ist zu klären, inwiefern der Staat auf die Gründung dieser ersten Vereinigungen einwirkte, könnte dies doch auch Einfluss auf die Gründung der ersten Versicherungsgesellschaften gehabt haben. 1. Erste Vereinigungen von Versicherern Die von Einzelpersonen betriebene Seeversicherung war mit zunehmenden Handelsunternehmungen und steigenden Risiken den Anforderungen des Handels nicht mehr gewachsen. Es bestand das Bedürfnis nach geordneter Abläufe in dem noch jungen Versicherungswesen. Daher wurden durch mehr oder weniger feste Zusammenschlüsse von Einzelversicherern verschiedene Vereinigungen gegründet, die zur Herausbildung von Versicherungsmärkten führten.201 Bereits im März 1556 wurde den Händlern von Rouen durch Édit des Königs Henri II. die Gründung eines „Place commune & Jurisdiction des Prieur & Consuls des Marchand“ erlaubt. Dieser Handelsplatz sollte der Förderung des Handels und insbesondere dem Abschlusses von Seeversicherungsverträgen dienen.202 Das Erfordernis der Strukturierung des Seeversicherungshandels zeigte sich indes bald in ganz Frankreich. Die chambres de commerce (Handelskammern)203 gründeten zu diesem Zweck schließlich die sog. „chambres d’assurances“.204 Der Begriff

201 Hangartner, in: Beckerath et al. (1961), Bd. 11, S. 218; Gallix (1985), S. 176. Im Jahr 1522 soll sich eine Gruppe von Versicherern zusammengeschlossen haben. Einer der ältesten und bekanntesten außerhalb Frankreichs sind die chambres d’assurances von Venedig aus dem 17. Jahrhundert; vgl. Gallix (1985), S. 176. 202 Rodet-Profit (2015), S. 7; Pouilloux (2011), S.11, 659. 203 Siehe hierzu eine kurze Darstellung zu den chambres de commerce während des Ancien Régime und des 20. Jahrhunderts von Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 114 f. 204 Pouilloux (2011), S. 13.

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„chambres d’assurance“ soll in Rouen entwickelt worden sein.205 In der Literatur des 18. Jahrhunderts werden die chambres d’assurance als Vereinigung mehrerer Kaufleute, Händler oder Bankiers zum Zwecke des Handels mit Versicherungen beschrieben.206 Die chambres d’assurances bündelten Angebot und Nachfrage. Zudem hatten sie die Befugnis, den Markt zu regulieren.207 Chambres d’assurances existierten in allen Seestädten Frankreichs.208 Die Vereinigungen von Einzelpersonen, auch „assemblées d’assurances“ genannt, besaßen keine staatliche Genehmigung. Hierunter litt das Vertrauen der Geschäftsleute und Bürger. Dies war vermutlich einer der Gründe, weshalb nur wenige Versicherungsverträge geschlossen wurden.209 Um diesen Umstand zu ändern, musste das Vertrauen in solche Vereinigungen gestärkt werden. Hierzu benötigte das noch junge Versicherungswesen königlichen Schutz.210 Weil König Louis XIV. den Nutzen der Seeversicherung für die Allgemeinheit und den Einzelnen erkannt hatte, wurde den Händlern und Bürgern der Stadt Paris mit Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 5. Juni 1668211 königlicher Schutz zugesprochen. Diese durften sich zum Zwecke des Seeversicherungshandels zusammenschließen und hierfür ein Büro, die Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris, auch Chambre des Assurances de Paris genannt, gründen.212 Damit billigte die Regierung vermutlich alle bestehenden assemblées d’assureurs.213 Hierin könnte man bereits die Grundlage der späteren Genehmigungspraxis von Versicherungsgesellschaften verankert sehen. Der Arrêt vom 5. Juni 1668 erschöpfte sich indes nicht nur in der Genehmigung der Gründung und des Geschäftsbetriebs. Der König behielt sich und dem Conseil 205 Vgl. erste Erwähnungen in Dokumenten, die in den Archives départmentales de SeineMaritime (A. D. S. M., 201 BP 387, 24 mars 1677; A. D. S. M., 201 BP 391, 28 septembre 1678) zu finden sind; vgl. Rodet-Profit (2015), S. 101. 206 Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 212; Peuchet (1799), Bd. 4, S. 341. 207 Pouilloux (2011), S. 13. 208 Table analythique et raisonnée (1780), Bd. 1, S. 633; Pouilloux (2011), S.14; Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 213. 209 Encyclopédie méthodique (1783), Bd. 1, S. 393. 210 Vgl. Pouilloux (2011), S. 415. 211 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 5. Juni 1668, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 419. Fälschlicherweise mehrfach in diverser Literatur als Edit bezeichnet. Der Arrêt wurde erweitert und ergänzt durch folgende Regelungen: Avis der Chambre des Assurances de Paris vom September 1669, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 420; Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 31. Oktober 1669, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 420; Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 10. Dezember 1671, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 425; vgl. Encyclopédie méthodique (1783), Bd. 1, S. 393. 212 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 5. Juni 1668, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 419. Vgl. auch Art. 1 Règlement général vom 4. Dezember 1671, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 421. Siehe auch Pouilloux (2011), S.14; Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 212. 213 Vgl. Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (3. Aufl. 1771), Bd. 3, S. 54; Gallix (1985), S. 178.

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d’État du Roi auch das Recht der Aufsicht vor. Alle Richter waren von dieser auch als „connoissance“ (alte Schreibweise für „Kenntnis“) bezeichneten Aufsicht ausgeschlossen.214 Insofern beanspruchte der König dieses Recht für sich. Anders als noch vor dem 16. Jahrhundert überließ er damit nicht den Juges-Consuls oder Juges de l’Amirautés die Ausübung der Aufsicht.215 Regelungen der internen Organisation waren nur in geringem Umfang (Regelungen des Greffier) im Arrêt enthalten. Erst das Règlement général de la Chambre des Assurances de Paris vom 4. Dezember 1671216 regelte die interne Organisation des Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris umfassend.217 Insofern kann – anders als von Masius vertreten –218 nicht der Arrêt, sondern das Règlement als „eigene Art von Verfassung“ bezeichnet werden. Das Règlement wurde durch den Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 10. Dezember 1671219 amtlich anerkannt. Die im Règlement enthaltenen Regelungen waren präzise.220 Das Règlement bestimmte die Rechte und die Pflichten der Organe (Prédsident221 und Greffier222). Auch wurde die Generalversammlung geregelt.223 Überdies musste eine Tafel, welche die Namen und den Wohnsitz der Versicherer und Versicherungsnehmer anzeigte, aufgestellt werden.224 Diese Regelungen wurden in der nachfolgenden Zeit durch Vorschriften, welche durch Beschlüssen des Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris erlassen und von dem Conseil d’État du Roi genehmigt wurden, spezifiziert und erläutert.225 Eine solche Organisation war im französischen Versicherungswesen nicht verbreitet. Wegen der Organisation, aber auch wegen der Größe und des langen Bestehens der Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris spricht Pouilloux dieser große Bedeutung für die Geschichte der französischen Seeversi214 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 5. Juni 1668, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 419. 215 Siehe B. II. 2 (S. 47). 216 Règlement général vom 4. Dezember 1671, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 421. 217 Pouilloux (2011), S. 416. 218 Masius (1857), S. 3. 219 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 10. Dezember 1671, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 425. Der Arrêt wurde am 16. Dezember 1671 beim Greffe de la Police registriert, der Registrierungsakt ist abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 426. 220 Pouilloux (2011), S. 416. 221 Art. 9 Règlement général vom 4. Dezember 1671, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 422. 222 Art. 12 bis Art. 16 und Art. 18, Art. 19 Règlement général vom 4. Dezember 1671, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 423 f. 223 Art. 6, Art. 11 Règlement général vom 4. Dezember 1671, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 422 f. 224 Art. 8 Règlement général vom 4. Dezember 1671, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 422. 225 Encyclopédie méthodique (1783), Bd. 1, S. 393. Einzelne Beschlüsse und Arrêts in Pouilloux (2011), S. 418 aufgeführt.

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cherung zu.226 Ob die Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris auch für die Geschichte der Versicherungsaufsicht von Relevanz war, ist indes unklar. Die Sekundärliteratur schweigt zu dieser Frage. Dies kann damit begründet werden, dass es sich bei der Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris um keine Versicherungsgesellschaft handelte.227 Dies ist mit der Struktur der Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris zu begründen. Die Mitglieder der Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris, schlossen wie seit jeher Verträge ausschließlich auf eigene Rechnung ab. Der Versicherungsnehmer wählte bestimmte einzelne Versicherer aus. Ein gemeinsamer Greffier setzte in deren Namen die Police fest und händigte beiden Parteien das Schriftstück aus. Anschließend erfolgte die Registrierung. Im Falle des Verlustes kontaktierte man allein den Greffier. Dieser gab die Schadensmeldung an die Versicherer weiter, ohne hierbei für den Schaden zu bürgen. Der Greffier befasste sich überdies mit der allgemeinen Kostenabwicklung. Zudem war der Greffier für generelle Korrespondenzen und Mitteilungen zuständig.228 Eine Geldeinlage existierte nicht.229 Wie im Folgenden zu sehen sein wird, war Versicherungsgesellschaften jedoch eine solche Einlage immanent.230 Auch wenn definierter Untersuchungsgegenstand das Versicherungsunternehmen ist, kann im Rahmen einer historischen Analyse der Versicherungsaufsicht die Darstellung der Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris nicht unterbleiben. Zum einen ist, wie bereits in der Einführung festgestellt, die Geschichte der Versicherungsaufsicht im Kontext der Geschichte des gesamten Versicherungswesens zu betrachten. Zum anderen ist das Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris allein wegen der Tatsache, dass der König die interne Organisation dieser Vereinigung festlegte, interessant, stellte dies doch eine regulatorische Neuheit im Versicherungswesen dar, die später zur gängigen Regelungspraxis wurde.231 So enthielt z. B. der Édit vom 31. Mai 1686, Regelungen der internen Verwaltung.232 Auch der Vorbehalt der Aufsicht ist in späteren Genehmigungsakten, so z. B. im Arrêt vom 3. November 1787, wiederzufinden.233 Insofern sind Regelungen des Arrêt vom 5. Juni 1668 wie auch des Règlement vom 4. Dezember 1671 später in Genehmigungsakten oder diese ergänzenden Regelungen von Versicherungsgesellschaften aufzufinden. Eine gewisse versicherungsaufsichts226

Pouilloux (2011), S. 415. So auch Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 212; Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (1782), Bd. 7, S. 71. 228 Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 212; Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (3. Aufl. 1771), Bd. 3, S. 54. 229 Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (3. Aufl. 1771), Bd. 3, S. 54. 230 Siehe S. 72, 105. 231 Vgl. allg. S. 105, 95. 232 Siehe S. 72. 233 Siehe S. 104, 107. 227

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rechtliche Bedeutung kann dem Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris damit nicht sogleich abgesprochen werden.

2. Verstaatlichung und Monopolisierung im Seeversicherungswesen In dem allgemeinen Bestreben der Förderung des Handels während der Herrschaft Louis XIV. sollten große Unternehmen zur Kontrolle und Entwicklung des Seehandels gegründet werden. Hierbei fiel das staatliche Interesse auch auf die Seeversicherung.234 Der französische Staat versuchte mehrfach auf die Gründung von compagnies d’assurances/sociétés d’assurances (Versicherungsunternehmen/-gesellschaften) Einfluss zu nehmen. Der Begriff „compagnie“ wurde zunächst häufiger als der Begriff „société“ für große Unternehmen, insbesondere Aktiengesellschaften, verwendet.235 Bereits im Jahr 1660 hatte der Chevalier236 de Clerville das Projekt zur Gründung einer compagnie d’assurance in Rouen initiiert.237 Dieser hatte im königlichen Auftrag den Handel der Hafenstädte der Picardie und der Normandie untersucht und hierbei den staatlichen Nutzen einer compagnie d’assurance erkannt.238 In der Befürchtung, das Projekt werde als staatliches Unternehmen und in der Gesellschaftsform der société en commandite umgesetzt, widersetzten sich die Händler Rouens. Als Argument wurde angeführt, dass große Unternehmen und insbesondere solche i. F. d. société en commandite wegen des zur Sicherheit aufzubringenden Kapitals nicht der Handelspraxis entsprächen. Die Händler Rouens wollten mithin ihre Unabhängigkeit im bis dahin weitgehend unregulierten Seeversicherungswesen erhalten.239 Der Versuch der „Verstaatlichung“ des Versicherungswesens scheiterte mithin. Nach dem Scheitern des Projekts wurde in Paris anstelle einer compagnie d’assurance eine einfache chambre d’assurance geschaffen. Bei dieser chambre d’assurance handelte es sich um die durch Arrêt des Conseil du Roi vom 5. Juni 1668 gegründete Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris.240 Durch Édit vom 31. Mai 1686241 wurde die Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris indes durch die Compagnie Générale pour les As234

Rodet-Profit (2015), S. 103. Lyon-Caen/Renault (2. Aufl. 1892), Bd. 2, S. 465, Fn. 1. 236 Französischer Adelstitel, dem Ritterstand entsprechend. 237 Breard, in: Mélanges (1891), S. 259; Esmonin (1913), S. 188 ff. 238 Rapport des chevalier de Clerville (1701), abgedruckt in: Dareste (1848), Bd. 2, S. 373 ff. Bréard, in: Mélanges (1891), S. 260 ff. 239 Vgl. Rodet-Profit (2015), S. 105; Boiteux, (1968), S. 172; Ruffat, Financial history review (2003), 187. 240 Rodet-Profit (2015), S. 105. 241 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 432 ff. 235

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surances et Grosses Aventures de France en la Ville de Paris, auch kurz nur Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France oder Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures genannt, ersetzt.242 Eine „Chambre d’assurance […] en corps de Compagnie“243 (chambre d’assurance im Körper einer compagnie) war eine rechtliche Neuheit.244 Der Vorteil einer compagnie wurde in der Präambel des Édit dargelegt. Durch Schaffung beachtlicher Deckungsmittel erschien die Absicherung von Risiken für Händler einfacher und sicherer.245 Die Gründung einer compagnie d’assurance passte daher zu Handelspolitik Colberts. Die Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France war damit selbst Teil der Handelspolitik.246 Der Staat hatte sich somit gegen die direkte Übernahme und für die Regulierung des Versicherungssektors entschieden.247 Der Gesetzgeber normierte in Art. 25 Édit du Roi vom 31. Mai 1686 die Monopolisierung der Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France. Allein den Mitgliedern der Gesellschaft war fortan der Handel mit Versicherungen erlaubt. Verstöße hatten die Nichtigkeit der Policen zur Folge.248 Hierdurch sollte die Entwicklung der Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France in Paris gefördert werden.249 Der französische Staat strebte mithin vermutlich die Zentralisierung des Versicherungswesens an. Das Monopol war zugunsten bestehender lokaler Versicherungsunternehmungen gelockert.250 Kaufleute, Händler und alle sonstigen Privatpersonen, die bereits vor Erlass des Édit Versicherungsgeschäfte betrieben hatten, konnten diese weiterhin vornehmen.251 Obschon keine vollumfängliche Monopolisierung stattfand, beschnitt die Regelung des Art. 25 Édit vom 31. Mai 1686 die Handelsfreiheit und schloss jede neue Konkurrenz aus. Konkurrenz hatte sich jedoch aus diversen Gründen als vorteilhaft erwiesen. In den Häfen der Seestädte hatten die verschiedenen chambres d’assurances für einen guten Prämienhandel gesorgt. Zudem hatten Risiken auf mehrere chambres d’assurances verteilt und damit große Risiken zu geringen Preisen versichert werden können. Große französische Handelsunternehmungen hatten damit vor Ort versichert werden können. Dies förderte den französischen Handel. Der Erfolg der französischen chambres d’assurances hatte ausländische Konkurrenz 242

Pouilloux (2011), S. 14. Präambel des Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 432 f. 244 Rodet-Profit (2015), S. 106. 245 Vgl. Präambel des Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 433. Ruffat, Financial history review (2003), 187. 246 Rodet-Profit (2015), S. 106; Venard, in: Cummis/Venard (2007), S. 244. 247 Ruffat, Financial history review (2003), 187. 248 Art. 25 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 435. 249 Rodet-Profit (2015), S. 111. 250 Vgl. Rodet-Profit (2015), S. 111. 251 Art. 27 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 435. 243

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vom französischen Markt ferngehalten.252 Insofern wurde die Vorschrift in der Literatur als rückständig erachtet.253 3. Gründung von privaten Seeversicherungsgesellschaften Es ist wahrscheinlich, dass infolge des Édit vom 31. Mai 1686 wenige Kaufmänner neue Versicherungsgeschäfte in der nachfolgenden Zeit aufnahmen.254 In La Rochelle (1695) und in Rouen (1727) wurden kleine lokale Versicherungsgesellschaften gegründet. Wegen deren geringen Grundkapitals war die Geschäftstätigkeit jedoch eingeschränkt. Es ist zu vermuten, dass auch in anderen französischen Häfen ähnliche Unternehmen existierten.255 Die Gründung lokaler privater Versicherungsgesellschaften wurde in einem Schreiben des Procureur du roi vom 5. Dezember 1715 stark kritisiert. Zum einen griffen diese neu gegründeten Versicherungsunternehmen die durch Édit vom 31. Mai 1686 auf bereits existierende lokale Versicherungsunternehmen beschränkte Handelskonkurrenz an. Zum anderen wurden diese neuen Versicherungsunternehmen ohne Genehmigungs- und Publizitätsakt gegründet, was zu Rechtsunsicherheit führte und als Gefahr für die Parteien solcher Versicherungsverträge identifiziert wurde. Der Procureur du roi sprach sich daher für ein Verbot dieser Versicherungsgesellschaften aus.256 Der Officier des Table de Marbre proklamierte indes die Schaffung von Gründungsvorschriften.257 Zur Gründung von Versicherungsgesellschaften sollte die Einholung einer vorherigen Genehmigung des Table de Marbre erforderlich sein. Zudem sollte die Pflicht zur Registrierung des Gründungsakts beim Greffe de juridiction eingeführt werden.258 Die Genehmigungs- und Registrierungspflicht hatte nicht den Zweck die Entwicklung privater lokaler Versicherungsunternehmungen zu behindern, wohl aber sie zu beaufsichtigen.259 Dies zeigt, dass der Versuch, ein Seeversicherungsmonopol zu begründen, in der Praxis scheiterte.260 Die Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France blieb bis Ende des 17. Jahrhunderts in Betrieb.261 Im Jahr 1710 soll Louis XIV. erneut den Versuch der Gründung einer Versicherungsgesellschaft in 252 Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (3. Aufl. 1771), Bd. 3, S. 55; Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 213; Encyclopédie méthodique (1783), Bd. 1, S. 394. 253 Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (3. Aufl. 1771), Bd. 3, S. 55; Encyclopédie méthodique (1783), Bd. 1, S. 394. 254 Rodet-Profit (2015), S. 111. 255 Pouilloux (2011), S. 14. 256 A. D. S. M., 204 BP 25, 5 décembre 1715; vgl. Rodet-Profit (2015), S. 110 f., 112. 257 Rodet-Profit (2015), S. 113. 258 A. D. S. M., 204 BP 25, 5 décembre 1715; vgl. Rodet-Profit (2015), S. 112 f. 259 Vgl. Rodet-Profit (2015), S. 113. 260 Pearson, in: Pearson (2010), S. 3. 261 Pouilloux (2011), S. 14, 432.

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Paris unternommen haben. Das Projekt, welches rein finanzielle Ziele verfolgte, scheiterte jedoch.262 Erst Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in Paris neue Seeversicherungsgesellschaften gegründet: Im Jahr 1750 wurde die Chambre des Assurances de Paris263 gegründet, wobei umstritten ist, ob es sich bei dieser um eine chambre oder eine compagnie handelte.264 Im Jahr 1753 folgte die Gründung der Compagnie d’Assurances Générales de Paris265. Auch außerhalb von Paris wurden Versicherungsgesellschaften gegründet, wie die Compagnie d’assurance solidaire du Havre (1783) und die Compagnie d’assurance du Havre de grâce (1786).266 Die Existenz ähnlicher Versicherungsunternehmungen in französischen Seestädten, aber auch in Paris ist wahrscheinlich.267 Gründungszeitpunkt, Gründungsort und Versicherungsform bzw. Gesellschaftsform der verschiedenen Seeversicherungsgesellschaften sind im Einzelnen unklar. Dies liegt zum einen an der schlechten Quellenlage, zum anderen an widersprüchlicher Literatur. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Existenz einiger sociétés d’assurances und assurances particulieres nicht überliefert ist.268 Es ist daher schwierig, eine allgemein gültige Aussage über die Gründung von Seeversicherungsgesellschaften in Frankreich während des Ancien Régime zu treffen. Insofern kann auch nicht abschließend geklärt werden, ob und auf welche Weise der französische Staat in den Gründungsprozess von Seeversicherungsgesellschaften eingriff. Die nachfolgende Untersuchung der Seeversicherungsgesellschaften, Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France, Chambre des Assurances de Paris wie auch Compagnie d’Assurances Générales de Paris kann mithin lediglich eine gewisse Tendenz staatlicher Regulierung aufzeigen. a) Königliche Genehmigungspflicht Die Gründung der Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France erfolgte durch königlichen Akt. Für die wirksame Gründung der Chambre des Assurances de Paris und der Compagnie d’Assurances Générales de Paris scheint ein Gesellschaftervertrag, die Hinterlegung der Gesellschaftsurkunde, mithin der Statuten, bei einem Notar und eine Registrierung bei der Amirauté générale de France am Hauptsitz des Table de Marbre ausreichend gewesen zu sein.269 Nachweise 262

Dardel (1966), S. 205. Im Jahr 1755 stellte die Chambre des Assurances de Paris ihren Betrieb ein und trat in Liquidation; vgl. Pouilloux (2011), S. 445. 264 Garnault (1898), Bd. 4, S. 28 geht von dem Vorliegen einer chambre d’assurance aus. 265 Wann das Unternehmen den Betrieb einstellte ist unklar. Es existierte noch im Jahr 1774. Pouilloux (2011), S. 14, 467 ff. 266 Pouilloux (2011), S. 14. 267 So auch Pouilloux (2011), S. 14; Valin (1766), Bd. 2, S. 152. 268 So auch Valin (1766), Bd. 2, S. 153. 269 Chambre des Assurances de Paris (1750): Gesellschaftsvertrag vom 29. Januar 1750, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 446. Der weitere Gründungsvorgang ergibt sich aus dem 263

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dafür, dass der König der Chambre des Assurances de Paris im Jahr 1750 das Namensrecht „Chambres Royale des assurances“ erteilte,270 existieren nicht. Trotz der dürftigen Quellenlage, die eine abschließende Untersuchung von Seeversicherungsgesellschaften unmöglich macht, ist damit anzunehmen, dass Seeversicherungsgesellschaften zur Gründung nicht zwingend der königlichen Genehmigung bedurften.271 Insofern erscheint die These272, Versicherungsgesellschaften seien während des Ancien Régime gleich der großen Kolonialunternehmen, wie z. B. die Compagnie des Indes orientales (1664) und die Nouvelle compagnie des Indes (1717), durch königlichen Akt gegründet worden, zu wenig differenziert. Aus der Genehmigung der Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France kann nicht pauschal geschlossen werden, Versicherungsgesellschaften seien wie alle anderen großen Wirtschaftsunternehmen mit königlicher Genehmigung gegründet worden. Somit wurden private Seeversicherungsgesellschaften im 18. Jahrhundert auch ohne königliche Genehmigung gegründet. Ob dies auf eine liberale Tendenz oder absolute Desinteresse des Staates zurückzuführen ist, bleibt ungewiss. b) Solvabilitätsvorschriften Die fehlende Genehmigungspflicht bedeutet indes nicht, dass die im Édit vom 31. Mai 1686 enthaltenen Vorschriften, also vom König erlassene Regelungen, nicht auch für die privat gegründeten Seeversicherungsgesellschaften Bedeutung hatten. Die Ordonnance de la Marine enthielt keine Vorschriften zur Gründung und für den laufenden Geschäftsbetrieb von Seeversicherungsgesellschaften. Für die Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France hatte der Édit vom 31. Mai 1686 solche normiert. Der Édit war im Übrigen mit den versicherungsvertraglichen Regelungen der Ordonnance de la Marine konform.273 Die darin enthaltenen Vorschriften konnten durch das Unternehmen ergänzt werden. Von der Gesellschaft geschaffene Regelungen mussten jedoch vom Conseil du Roi erneut Prospectus „Sommaire de la Chambre d’Assurances Générales & grosses Avantures, établie dans la Ville de Paris“, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 453. Siehe Pouilloux (2011), S. 443; Valin (1766), Bd. 2, S. 152. Compagnie d’Assurances Générales de Paris: Gesellschaftsvertrag vom 27. September 1753, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 471. Eine effektive Gründung kam erst bei der Versammlung am 5. Dezember 1753, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 473 f. vor dem Notar Bontemps, Conseiller du Roy notaire au Châtelet de Paris, zustande. Durch Sentence vom 15. Dezember 1753, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 474 f. erfolgte die Resistrierung bei Amirauté générale de France am Hauptsitz des Table de Marbre pour les Assurances Maritimes. Siehe hierzu Pouilloux (2011), S. 467; Bellenger (2011), S. 81. 270 So Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 213; Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (3. Aufl. 1771), Bd. 3, S. 55; Hurtaut/Magny (1979), Bd. 2, S. 185. 271 So auch Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14. 272 So Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 33. 273 Vgl. Art. 29 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 436.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

genehmigt werden.274 Der Édit vom 31. Mai 1686 erfasste neben Regelungen der internen Verwaltung, die teilweise an die Ordonnance de la Marine angelehnt wurden,275 verschiedene Solvabilitätsvorschriften. Dies war eine regulatorische Neuheit im Seeversicherungswesen, hatte der Arrêt vom 5. Juni 1668 ja gerade solche noch nicht enthalten. Die Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France hatte einen „fonds capital“ (Kapitalfonds) von 300.000 liv. einzurichten.276 Der Fonds durfte ausschließlich für Policen und Versicherungsverträge, nicht hingegen für andere Schulden verwendet werden.277 Die Gesellschafter waren verpflichtet bei Verlust von Geldmitteln des Fonds, folglich bei Unterschreitung des Betrags von 300.000 liv., Kapital nachzuschießen.278 Der Betrag des Fonds von 300.000 liv. wurde – anders als noch bei Erlass des Édit im Jahr 1686 –279 bereits im 18. Jahrhundert für unzureichend befunden.280 Nichtsdestotrotz stellte die Schaffung des Fonds einen Mehrwert für den Handel dar, wie in der Präambel des Édits vom 31. Mai 1686 herausgestellt wurde.281 Mit fortschreitender Entwicklung des Handels stieg die Nachfrage nach Sicherheiten. Die assureurs particuliers hatten wegen der zahlreichen Vertragsabschlüsse Probleme, ihre Verbindlichkeiten im Schadensfall zu erfüllen. Daher mussten solide Versicherungsunternehmen mit finanziellen Garantien geschaffen werden.282 Insofern erklärt sich, dass auch die Chambre des Assurances de Paris und die Compagnie d’Assurances Générales de Paris verschiedene Solvabilitätsvorschriften einzuhalten hatten. Diese sollten die Solidität der Gesellschaft gewährleisten, was nicht nur dem Schutz des Versicherten, sondern insbesondere auch der Allgemeinheit diente. Letzteres war in dem noch jungen Versicherungswesen von besonderer Bedeutung, wie sich auch aus verschiedenen Originaldokumenten ergibt. In dem Règlement général der Compagnie d’Assurances Générales de Paris wurde mehrfach auf den Nutzen der Solvabilitätsvorschriften hingewiesen. Solvabilitätsvorschriften waren „[p]our établir la confiance du Public, & le convaincre de la solidité de la Compagnie

274

Art. 28 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 435 f. So z. B. das Verbot der Versicherung von Schiffe und Waren, an denen Aktionnäre und sonstige Beteiligte des Unternehmens ein direktes oder indirektes Interesse besitzen in Art. 16 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 43. Vgl. Liv. 3 Tit. 6 Art. 15, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 3, S. 371. 276 Art. 4 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 433. Siehe auch Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 212 f.; Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences (3. Aufl. 1771), Bd. 3, S. 54. 277 Art. 17 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 434. 278 Art. 8 Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 433. 279 Präambel Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 432 f. 280 Lacombe de Prézel (1761), Bd. 1, S. 213. 281 Präambel Édit du Roi vom 31. Mai 1686, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 433. 282 Vgl. Gallix (1985), S. 229. 275

IV. Assurances maritimes

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& de la sûreté de sons Fonds […].“283 (um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu schaffen und diese von der Solidität des Unternehmens und der Sicherheit deren Fonds zu überzeugen) und „[…] pour presenter au Public une entière sûreté du Fonds qui doit lui servir de gage […]“284 (um der Öffentlichkeit die gesamte Sicherheit des Fonds, die der Erfüllung der Verbindlichkeiten dient, aufzuzeigen) geschaffen worden. Auch dem Prospectus der Chambre des Assurances de Paris ist eine vergleichbare Zweckrichtung zu entnehmen. [L]a solidité du fonds de la Compagnie, & la loi […] de payer sans contester dans les cas de pertes ou d’avaries, lui fons espérer la confiance générale.285 Die Solidität des Fonds des Unternehmens und die […] Regel, fraglos im Falle von Verlust oder Haverie die Versicherungssumme zu zahlen, soll allgemeines Vertrauen schaffen.

Beide Unternehmen besaßen einen Fonds, welcher zur Sicherheit der Versicherten und der Allgemeinheit bei einem Notar eingerichtet wurde.286 Um ausweislich des Wortlauts des Édit den Bestand des Fonds zu gewährleisten, dadurch die Solidität der Gesellschaft sicherzustellen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen, hatte die Compagnie d’Assurances Générales de Paris ihre Gelder in einer „Caisse de dépôt“ (Depositenkasse) zu hinterlegen. Indem die Kasse nur mit drei Schlüsseln gleichzeitig geöffnet werden konnte, welche im Besitz von drei verschiedenen Personen (einem Notar, einem Geschäftsführer oder einem Verwalter und dem Kassenführer) waren, sollte vermutlich eine wechselseitige Kontrolle stattfinden.287 Insoweit zeigt sich, dass Solvabilitätsvorschriften, wie sie erstmals im Édit vom 31. Mai 1686 für Seeversicherungsgesellschaften normiert waren, in die Statuten anderer Seeversicherungsgesellschaften und in diese ergänzenden Regelungen aufgenommen wurden. Überdies waren solche Vorschriften, wenn auch in modifizierter Form, noch später in Genehmigungsakten und Gesetzgebung enthalten.Sie wurden zu einem aufsichtsrechtlichen Grundprinzip.288 Dass der königliche Édit zumindest zu Beginn Anregung bei Schaffung solcher Solvabilitätsvorschriften gab, erscheint wahrscheinlich.

283 Art. 2 Règlement général der Compagnie d’Assurances Générales de Paris, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 476. 284 Art. 3 Règlement général der Compagnie d’Assurances Générales de Paris, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 476. 285 Prospectus der Chambre des Assurances de Paris, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 454. 286 Prospectus der Chambre des Assurances de Paris, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 453; Prospectus der Compagnie d’Assurances Générales de Paris, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 482. 287 Art. 2 Règlement général der Compagnie d’Assurances Générales de Paris, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 476. 288 Siehe S. 110 ff.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

4. Zusammenfassung Die Seeversicherung unterlag als erster Versicherungszweig staatlicher Regulierung. Die Regulierung des Seeversicherungswesens im Ancien Régime erfolgte auf drei verschiedene Arten. Vor der Existenz erster Versicherungsgesellschaften räumte der König verschiedenen lokalen Vereinigungen die Erlaubnis der Betätigung des Versicherungsgeschäfts ein. Im Jahr 1668 wurde die Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris die königliche Genehmigung erteilt. Das Règlement général vom 4. Dezember 1671 schrieb Vorschriften der internen Verwaltung fest. Dies war eine regulatorische Neuheit, jedoch nachfolgend in zahlreichen Genehmigungsakten oder diese ergänzenden Arrêts zu finden. Auch die im Arrêt vom 5. Juni 1668 vorbehaltene Aufsicht des Königs ist später erlassenen Genehmigungsakten nicht fremd. Einige Regelungen der Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris wurden damit auch für Versicherungsgesellschaften übernommen, obgleich diese selbst keine Versicherungsgesellschaft war. Unter der Herrschaft Louis XIV., sollte der Seehandel gefördert werden. Dies diente der Wettbewerbsfähigkeit des französischen Königreichs im europäischen Seehandel. Die Gründung einer compagnie d’assurance maritime war damit Teil der Handelspolitik Colberts. Insofern ist die staatliche Einflussnahme auf die Gründung von Versicherungsgesellschaften logische Konsequenz. Der französische Staat strebte hierbei die Zentralisierung des Versicherungswesens an. Dies lässt das durch Édit vom 31. Mai 1686 Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France verliehene Monopol vermuten. Das Monopol, genauer die Ausschaltung von Konkurrenz, sollte die Geschäfte des einzig existenten Versicherungsunternehmens fördern. Der Versuch der Monopolisierung scheiterte jedoch ebenso wie der zuvor unternommene Versuch der Verstaatlichung des Seeversicherungswesens. Seeversicherungsgesellschaften wurden aber auch ohne königliche Genehmigung gegründet. Insofern kann nicht pauschal behauptet werden, alle Versicherungsgesellschaften hätten einer königlichen Genehmigungspflicht unterstanden. Ob dies auf eine liberale Tendenz oder Desinteresse des Staates hinweist, ist nicht bekannt. Beide Möglichkeiten erscheinen wahrscheinlich. Gleichwohl waren die mit den im Édit vom 31. Mai 1686 normierten Solvabilitätsvorschriften auch in den Statuten und diese ergänzenden Regelungen der Chambre des Assurances de Paris wie auch der Compagnie d’Assurances Générales de Paris vorhanden. Solvabilitätsvorschriften waren neu, später jedoch versicherungsaufsichtsrechtliches Grundprinzip. Insofern hatten die vom König für die erste Seeversicherungsgesellschaft erlassene Regelungen nicht nur für privat gegründete Seeversicherungsgesellschaften, sondern auch, wie im nachfolgenden Abschnitt zu sehen sein wird, auf andere Versicherungszweige Bedeutung, hatten diese doch wahrscheinlich zumindest zu Beginn gewisse Anregung bei Erlass von Solvabilitätsvorschriften gegeben.

V. Assurances terrestres

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V. Assurances terrestres Erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich in Frankreich der Zweig der Feuer- und der Lebensversicherung. Diese zählen zu den sog. „assurances terrestres“. Als assurances terrestres werden alle Versicherungen, die nicht das Risiko der Schifffahrt zum Gegenstand haben, bezeichnet.289 Für die ersten Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften wurden nach Ansicht von Blondel Vorschriften geschaffen, welche die Grundlage der Aufsicht von Schadens- und Lebensversicherungsgesellschaften in Frankreich bildeten.290 Nähere Ausführungen zu dieser Behauptung fehlen. Daher ist die Untersuchung der ersten Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften für die Frage nach der Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich von besonderer Bedeutung. Zuvor ist jedoch zu klären, aus welchen Gründen diese vergleichsweise spät gegründet wurden: Griff der Staat regulatorisch in die Entwicklung der assurances terrestres ein? Oder waren außerhalb des staatlichen Einflusses liegende Aspekte ausschlaggebend für die späte Entwicklung? 1. Moralische Vorbehalte gegen assurances contre l’incendie Ab welchem Zeitpunkt in Frankreich erstmals sociétés d’assurances contre l’incendie (Feuerversicherungsgesellschaften) tätig waren, ist unklar und umstritten. Ein Großteil der Literatur führt die im Jahr 1753 gegründete Compagnie d’Assurances Générales de Paris als erste französische Feuerversicherungsgesellschaft an.291 Dieser wurde am 6. März 1754292 gestattet, ihr bis dahin auf Seeversicherungen beschränktes Versicherungsgeschäft auf Immobiliarfeuerversicherungen auszuweiten.293 Doch soll die Compagnie d’Assurances Générales de Paris zu keinem Zeitpunkt das Feuerversicherungsgeschäft betrieben haben.294 Mangels entsprechender Nachweise über die Tätigkeit der Compagnie d’Assurances Générales de Paris ist davon auszugehen, dass in Frankreich erstmals die im Jahr 1786 gegründete Compagnie des Eaux de Paris Feuerversicherungsgeschäfte vornahm.295 Schutz vor den Risiken des Feuers wurde indes schon vor dem 18. Jahrhundert durch private ländliche oder städtische Initiativen in Form von gegenseitigen Hilfsorganisationen, 289

Encyclopédie du dix neuvième siècle (1838), Bd. 4, S. 91. So Blondel (1965), S. 4. 291 So z. B. Hangartner, in: Beckerath et al. (1961), Bd. 11, S. 219; Hamon (1895), S. 39; Tanzi/Argenlieu (2013), S. 99; Gallix (1985), S. 229. 292 Registrierung der Compagnie d’Assurances Générales de Paris, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 475 ff. 293 Hamon (1895), S. 39. 294 So Dardenne (2005), S. 154; Pouilloux (2011), S. 467, 470. A. A. Gallix (1985), S. 229. 295 So Pouilloux (2011), S. 246; Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 3. 290

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

vermutlich in Naturalleistung, gewährt.296 Mitglieder waren die dort lebenden Bürger oder diejenigen Personen, welche demselben Handel oder derselben Industrie angehörten. Die Vereinigungen waren nicht auf das Erzielen von Gewinn ausgerichtet.297 Ihre Organisation wird in der Sekundärliteratur als „sehr primitiv“ beschrieben.298 Aus welchen Gründen erst ab der Mitte des 18. Jahrhundert Feuerversicherungsgesellschaften in Frankreich gegründet wurden, ist unklar und nicht ausreichend untersucht. Straus meint, die Feuerversicherung sei durch die Ordonnance de la Marine verboten gewesen.299 Die übrige Literatur schweigt zu dieser These. Mangels entsprechender Regelung in der Ordonnance de la Marine ist davon auszugehen, dass weniger ein gesetzliches Verbot als vielmehr das allgemeine Misstrauen in Feuerversicherungen Grund der späten Entwicklung war. Es bestand die Befürchtung, dass die monetäre Entschädigung für einen Feuerschaden die Hilfsbereitschaft im Falle eines Brandes herabsetzen würde.300 Daher soll auch in Polizeiverordnungen des 18. Jahrhunderts301 die allgemeine Pflicht zur Löschung eines Feuers festgehalten worden sein. Eine Gegenleistung für die Hilfeleistung war nicht zu erwarten.302 2. Verbot der assûrances sur la vie des personnes Das Fehlen von Lebensversicherungsgesellschaften vor Ende des 18. Jahrhunderts kann hingegen auf das in der Ordonnance de la Marine normierte Verbot der Versicherung des menschlichen Lebens zurückgeführt werden.303 In den meisten Herrschaftsgebieten Kontinentaleuropas waren ähnliche Verbote304 bereits vor Erlass 296 Ruffat, Financial history review (2003), 187 f.; ders., in: Nùñez (1998), S. 59; Braemer, Zeitschrift des Königl. Preußischen Statistischen Bureaus (1871), 50. 297 Ruffat, Financial history review (2003), 187 f. 298 Braemer, Zeitschrift des Königl. Preußischen Statistischen Bureaus (1871), 50. 299 Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 118. 300 Ruffat, Financial history review (2003), 188. 301 Obschon in Statuten auf solche Verordnungen hingewiesen wurde, konnte eine solche im Original nicht gefunden werden. 302 Vgl. Ruffat, in: Nùñez (1998), S. 59. 303 So auch Clark (1999), S. 10. 304 So Lib. 5 Cap. 17 Statut von Genua vom 16. Dezember 1588, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 533; Rub. 54 Art. 2 Coutume d’Anvers von 1582, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 183; Art. 32 Ordonnanz von Phillipp II. von 1570, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 116; Art. 24 Ordonnanz von Amsterdam vom 31. Januar 1598, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 131; Art. 2 Ordonnanz von Middelburg vom 30. September 1600, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 168; Art. 10 Ordonnanz von Rotterdam von 1604 und 1635, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 156; Part. 6 Cap. 5 des schwedischen Kodex von 1618, abgedruckt in: Pardessus (1834) Bd. 3, S. 183.

V. Assurances terrestres

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der Ordonnance de la Marine vorhanden.305 In Frankreich hatte erstmals der Guidon de la mer eine entsprechende Regelung enthalten.306 Für das gesamte französische Herrschaftsgebiet normierte die Ordonnance de la Marine in Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 zum ersten Mal ein absolutes Verbot der „assûrance sur la vie des personnes“.307 Défendons de faire aucune assûrance sur la vie des personnes.308 Verboten ist jede Versicherung auf das Leben von Menschen.309

Anders als das Leben blieb die Freiheit hingegen versicherbar.310 a) Stigmatisierung der assûrance sur la vie des personnes Die Gründe des Verbots der assûrance sur la vie des personnes wurden nicht in der Ordonnance de la Marine genannt. Anhaltspunkte lassen sich indes den ersten Kommentaren der Ordonnance de la Marine, insbesondere jene von Pothier, Valin und Émerigon sowie in- und ausländischer Kompilation und Kodifikation entnehmen. Pothier, Valin und Émerigon stützten das Verbot auf den in der Objektivierung des menschlichen Lebens zum bloßen Gegenstand des Handels und der Spekulation liegenden Sittenverstoß.311 Sie bezogen sich in ihren Arbeiten aus dem 18. Jahrhundert auf Grundsätze, die dem römischen Recht entstammten.312 Valins313 Argumentation beruhte auf dem Grundsatz „nulla est estimatio hominis liberi“ (ein freier Mensch ist keiner Schätzung zugänglich), Pothiers314 und Émerigons315 hingegen auf dem Grundsatz „liberum corpus aestimationem non recipit“ (der Körper eines freien Menschen lässt sich nicht in Geld schätzen). Valin erachtete die Versicherung des menschlichen Lebens indes nicht nur als unmoralisch, sondern auch als gefährlich. Bei der Versicherung des menschlichen

305

Pardessus (1837), Bd. 4, S. 371, Fn. 7; Clark (1999), S. 8; Eeckhout, in: Monette/Villé/ André (1949), Bd. 1, S. 24. 306 Chap. 16 Art. 5 Guidon des Marchands de la Mer, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 286. Eeckhout, in: Monette/Villé/André (1949), Bd. 1, S. 25. 307 Alauzet (1844), Bd. 2, S. 456. 308 Liv. 3 Tit. 6 Art. 10, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 4, S. 371. 309 Übersetzung in Adan, PreußVersZ 5 (1871), 1046. 310 Liv. 3 Tit. 6 Art. 9, Art. 11, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 4, S. 371. Näher hierzu Clark (1999), S. 15 f.; Benecke (2. Aufl. 1810), Bd. 1, S. 56 f. 311 Pothier (1775), S. 29; Valin (1760), S. 51; Émerigon, Traité (1783), Bd. 1, S. 198 f. 312 Vgl. Ulpianus D. 9.3.1. 5; Gaius D. 9.3.7.; Paulus D. 14.2.2. 2. 313 Valin (1760), S. 51. 314 Pothier (1775), S. 29. 315 Émerigon, Traité (1783), Bd. 1, S. 198.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

Lebens drohe unendlicher Missbrauch und Betrug.316 Beispiele hierfür führte Valin nicht an. Auch Goris, der in seiner Studie über die Handelsbräuche von Antwerpen im 16. Jahrhundert u. a. auf die Gründe des Verbots der assûrance sur la vie in der Ordonnance de la Marine (1681) einging, nennt keine konkreten Missbrauchs- oder Betrugsfälle in Frankreich.317 Die Argumente für ein Verbot der assûrance sur la vie fanden sich freilich nicht erst in den Werken der ersten Kommentatoren. Diese wurden bereits im Guidon de la mer angeführt. [Q]ui sont toutes pactions reprouvées contre les bonnes moers & coustumes, dont il arrivoit une infinite d’abus & trumperies, pour lesquelles ils ont esté contraints abolir & defendre lesdits usages, qui sera aussi prohibé & défendu en ce pays.318 [Dies sind Verträge], die gegen die gute Sitte sind, die zu unendlichen Missbrauch und Betrug führen, weswegen sie gezwungen sind diesen Brauch abzuschaffen und zu verbieten, was in diesem Land auch verboten sein wird.

Die Argumentation der ersten Kommentatoren wurde bereits in der Literatur des 19. Jahrhunderts kritisiert. Insbesondere erschienen die zur Begründung der Sittenwidrigkeit angeführten Grundsätze „nulla est estimatio hominis liberi“ und „corpus liberum aestimationem non recipit“ unpassend. Der erste Grundsatz stellte klar, dass im Gegensatz zu Sklaven freie Menschen nicht verkauft werden können. Einen darüber hinausgehenden Sinn entnahm man diesem Prinzip nicht.319 Der zweite Grundsatz stand im Kontext der Ersatzfähigkeit von Schäden.320 Anfang des 19. Jahrhunderts distanzierte sich die Wissenschaft schließlich von den Argumenten der Sittenwidrigkeit und Gefährlichkeit der Lebensversicherung.321 Ein Sittenverstoß liege nicht vor, weil nicht das Leben, sondern nur der durch den Tod entstandene, in Geld messbare Nachteil abgesichert werden sollte.322 Der dem Lebensversicherungsvertrag innewohnende Gemeinwohlgedanke fand auf dieser Grundlage zunehmend Beachtung. Bereits ab dem 17. Jahrhundert hatten einige Theologen den Vorteil der Lebensversicherung zur sozialen Absicherung erkannt und sich in ihren Werken für die Lebensversicherung ausgesprochen.323 Ende des 18. Jahrhunderts 316

Valin (1760), S. 51. Die Argumentation von Goris (1971), S. 685 ff., Goris (1925), 385 ff., 392 zusammengefasst von Hubrecht, VersArch 1958, 356 f. 318 Chap. 16 Art. 5 Guidon des Marchands de la Mer, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 286. 319 Valin/Bécane (1829), S. 471. 320 Quenault (1828), S. 11; Valin/Bécane (1829), S. 471. 321 So z. B. Pardessus (1814), Bd. 2, S. 304 ff; Persil (1835), S. 372; Grün/Joliat (1828), S. 414 f.; Cochin (1865), S. 20 ff. 322 Pardessus (1814), Bd. 2, S. 304. 323 So z. B. bereits Molina, Ludovico, Disputationes de contractibus und weitere Theologen des frühen 17. Jahrhunderts; sich auf diese Theologen stützend auch später Gibalinus, Josephus, De universa rerum humanarum negotiatione, 1663, Bd. 2, Lib. IV, Cap. XI, Art. 1, S. 292; Collet, Pierre, De contractibus, 1762, Bd. 1, Pars 2, Cap. XII, de assecuratione, S. 643, Rn. 20; 317

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war auch die französische Regierung vom Nutzen der Lebensversicherung überzeugt.324 Zu jener Zeit waren „rentés viagères“ (Leibrenten) und „tontines“ (Tontinen) bereits gesetzlich anerkannt, welche anders als die Lebensversicherung nicht dem Unterhalt der Hinterbliebenen, sondern dem eigenen Unterhalt im Alter dienten. Die Literatur hielt die Lebensversicherung daher für den weniger „egoistischen“ Vertrag.325 Der englische Autor Marshall behauptete sogar, das Argument der Sittenwidrigkeit sei nur ein Vorwand für rein politische Gründe gewesen.326 Nähere Ausführungen zu dieser Behauptung fehlen.327 Frankreich befand sich im wirtschaftlichen Wettstreit mit England, wo Lebensversicherungen vorhanden waren.328 Insofern könnte Marshall andeuten, das Verbot sei Reaktion hierauf und diene der Abgrenzung. Welche konkreten politischen Gründen Marshall tatsächlich anspricht, bleibt aber ungewiss. Auch Cochin distanziert sich von dem Argument der Sittenwidrigkeit. Er ist der Ansicht, die Versicherung des menschlichen Lebens sei weniger unmoralisch, sondern wegen des Fehlens von Statistik und Arithmetik vielmehr impraktikabel gewesen.329 Überdies hält er den Vertrag nicht für gefährlicher als andere Versicherungsverträge, wie das Beispiel des Brandstifters zeige, der einen Brand zur Auszahlung der Versicherungssumme aus der Feuerversicherung legt.330 Wie ist folglich das Verbot zu begründen? Antwort gibt die nähere Betrachtung der Natur der assûrance sur la vie des personnes. b) Natur der assûrance sur la vie des personnes Im Zusammenhang mit der Kritik an Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnance de la Marine muss deutlich gemacht werden, dass in der Ordonnance de la Marine vermutlich nicht der Lebensversicherungsvertrag nach modernem Verständnis, welcher sich wahrscheinlich Ende des 17. Jahrhunderts in England entwickelt hatte,331 geregelt wurde.

Carrière, Joseph, De contractibus, 2. Aufl. 1852, Pars. 2, Cap. IX, Art. 4, Rn. 486, S. 339; vgl. Cochin (1865), S. 21 f. 324 Vgl. Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 531. 325 So Valin/Bécane (1829), S. 471; Grün/Joliat (1828), S. 414; Sebire/Carteret (1846), Bd. 6, S. 385. 326 „[T]hus glossing over, with a fine sentiment, a motive of policy which could not be mentioned, without conveying an insinuation, to the discret of the national character“ Marshall/ Marshall (3. Aufl. 1823), Bd. 3, S. 772. 327 Vgl. Grün/Joliat (1828), S. 414, Fn. 1. 328 Vgl. zum wirtschaftlichen Wettstreit Sieveking (5. Aufl. 1928), S. 17. 329 Cochin (1865), S. 25. 330 Cochin (1865), S. 20 f. 331 Eeckhout, in: Monette/Villé/André (1949), Bd. 1, S. 26.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

Die „assûrance sur la vie des personnes“ ist im Kontext der Seeversicherung zu verstehen. Daher hatte die Ordonnance de la Marine nach Ansicht von Vincens, der wohl erste Autor, der sich mit der Bedeutung und Begrifflichkeit von „assûrance sur la vie des personnes“ auseinandersetzte, lediglich die Versicherung einer Person gegen die Gefahren einer Reise zum Regelungsgegenstand.332 Hierfür spricht die Stellung des Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 zwischen zwei Normen, welche die Risiken der Seeschifffahrt betreffen (Liv. 3 Tit. 6 Art. 9, Liv. 3 Tit. 6 Art. 11).333 Vincens warf die These auf, dass der in der Ordonnance de la Marine als „assûrance sur la vie des personnes“ bezeichnete Seeversicherungsvertrag bis auf die Namensverwandtschaft nichts mit dem im Französischen „assurance sur la vie“ genannten Lebensversicherungsvertrag gemein hatte. Geschuldet war nicht wie versicherungstypisch die Zahlung einer Geldsumme. Vielmehr wurde eine Wette abgeschlossen.334 Der Ansicht Vincens folgten einige Autoren des 19. Jahrhunderts, die von einer bloßen Namensverwechslung von „assurance sur la vie“ und „gageure“ ausgingen.335 Nur letzteres, also das unmoralische Spekulieren bzw. die Lotterie mit dem Leben, sollte verboten werden.336 Jüngere Literatur geht hingegen oft von einer bloßen Assoziation der Lebensversicherung und der Wette oder anderen verrufenen Praktiken aus.337 Daston begründet dies damit, dass bis zum 17. Jahrhundert der Begriff der Wahrscheinlichkeit – heute wird in der Versicherungsmathematik von Schadenswahrscheinlichkeit gesprochen – stets mit der Wette – gemeint ist das Würfelspielen oder die Lotterie – in Verbindung gebracht wurde. Frühe Versicherungsschemata wiesen überdies nur geringe Unterschiede zur Wette auf. Eine begriffliche Abgrenzung von Wette und Versicherung war daher schwer.338 In der Literatur ist in diesem Zusammenhang daher auch von der Assimilierung von Lebensversicherung und Wette die Rede.339 Aus der Ordonnance de la Marine selbst geht die Differenzierung von „assurance sur la vie“ (Lebensversicherung) und „gageure“ bzw. „pari“ (Wette) nicht hervor. Allein das englische Recht normierte eine solche Distinktion.340 Interessant ist, dass bereits die Ordonnanzen von Phillipp II. (1570) sowie die Coutumes d’Anvers und die Ordonnanzen von Amsterdam (1598), von Middelburg (1600) und von Rotterdam 332

Vincens (1821), Bd. 3, S. 594; So auch später Montluc (1870), S. 16. Adan, PreußVersZ 5 (1871), 1047. 334 Vincens (1821), Bd. 3, S. 595. 335 So Sebire/Carteret (1846), Bd. 6, S. 385; Courcy, Revue de Paris: Littérature, histoire, philosophie, sciences, beaux-arts (1864), 4; Firmin-Didot frères (1868), Bd. 2, S. 142; Montluc (1870), S. 16; Cochin (1865), S. 24. 336 Montluc (1870), S. 16. 337 So Clark (1999), S. 15. Siehe auch Thiveaud, in: Colloque sur l’Histoire de la Sécurité Sociale (1990), S. 287; Brenner (1990), S. 104. 338 Daston, in: Krüger (1987) S. 237 ff. 339 So Eeckhout, in: Monette/Villé/André (1949), Bd. 1, S. 24; Karup (1874), S. 8 bezeichnet den Vertrag als „Wett-Lebensversicherung“. 340 Brenner (1990), S. 105. 333

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(1604) wie auch der Sardische Code (1666) und der schwedische Code (1667) sowohl von Lebensversicherung als auch von Wette sprachen.341 Ob zwei unterschiedliche Verträge verboten waren oder ob die Begriffe synonym für einen speziellen, wohl typengemischten Vertrag verwendet wurden, ist unklar. Für das Verbot von Lebensversicherung und Wette spricht die in den genannten Gesetzen verwendete Wortwahl. Art. 32 Ordonnanz von Phillipp II. verbietet die Lebensversicherung und die Wette der Reise. Ende om te verhoeden de abuysen, fraulden, bedogh ende crymen die ghecommittert zyn gehweest inde asseurancien ende versekerynghen op t’leuen vande lieden ende persoonen: Oock op weddynghen van reysen oft voyagien, ende dierghelycke inventien, hebben wy alle die selue gheprohibeert ende verboden, prohiberen ende verbieden by desen, als der ghemeyne welvaert schadelick ende hinderlycke wesende, ende van quaden exempel.342 Et pour empêcher les abus, fraudes, dols et crimes commis à l’occasion des assurances sur la vie des personnes, et des gageures sur voyage, et autres inventions semblables, nous les avons prohibées et défendues, les prohibons et les défendons comme nuisibles et contraires au bien-être général et comme de mauvais exemple.343 Und um Missbrauch, Betrug, Täuschung und Verbrechen im Zusammenhang mit Lebensversicherung und Wetten über die Reise und andere ähnliche Verträge zu verhindern, haben wir all diese verboten und verbieten diese hiermit, sind sie doch schädlich, gegen das allgemeine Wohlergehen und ein schlechtes Beispiel.

Auch Art. 2 Coutume d’Anvers führt neben der Lebensversicherung die Wette auf die Reise als verbotenen Gegenstand an. Hoewel men voor tyden plocht te useren asseurantie op d’Ieven van persoonen, ende op eenighe reysen, ende daarop recht te doen zyn dezelve aseurantien, obligatien ende weddinghen, ende dierghelyck inventien ghemaeckt op d’leven van persoonen, op eenighe reysen, oft voyagien, by de ordonnantie van den twintichsten january, in t’tjaer van duysent vief hondert ende eenenseventick verboden.344 Bien qu’autrefois on ait été dans l’usage de faire des assurances sur la vie, et des paris sur voyages, et d’y faire droit en jugement, ces assurances, obligations, paris et inventions semblables sur la vie des personnes et sur certains voyages ont été défendus par l’ordonnance du 20 janvier 1571.345 Obwohl es in der Vergangenheit üblich war, Lebensversicherungen und Wetten auf die Reise abzuschließen, […] wurden diese Versicherungen, Verpflichtungen, Wetten und ähnliche

341

Vgl. Brenner (1990), S. 104. Art. 32 Ordonnanz von Phillipp II. von 1570, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 116. 343 Art. 32 Ordonnanz von Phillipp II. von 1570, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 116. 344 RUB. LIV. Art. 2 Coutume d’Anvers, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 183. 345 RUB. LIV. Art. 2 Coutume d’Anvers, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 183. 342

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime Erfindungen über das Leben eines Menschens und über bestimmte Reisen durch die Ordonnanz vom 20. Januar 1571 verboten.

Die Lebensversicherung und die Wette auf die Reise werden auch in Art. 2 der Ordonnanz von Middelburg alternativ verboten. Oock sullen voortaan geene assuerantien mogen gedaen worden op’t leven van eenige lieden of persoonen, noch op weddingen van reysen of diergelijcke inventien, en indien sulcks gedaen werde, sal al ’t selce nul en van geender weerde wesen.346 On ne pourra désormais faire aucune assurance sur la vie des personnes, ni sur les gageures de voyage, et semblables inventions, et s’il en es fait, elles seront nulles et sans valeur.347 Man soll keine Versicherung auf das menschliche Leben oder eine Wette auf die Reise oder ähnliche Erfindungen abschließen können; wenn man einen solchen Vertrag dennoch schließt, ist dieser null und nichtig sein.

Ein Teil der Literatur geht daher davon aus, dass der Lebensversicherungs- und der Wettvertrag verboten waren.348 Auch Alauzet nimmt an, beide Verträge seien stets simultan verboten gewesen.349 Er leitet seine Ansicht von dem Statut von Genua (1588) ab. Hierin wurden allerdings alle Verträge aufgezählt, die als Wette zu klassifizieren und daher verboten waren.350 Damit liegt wiederum nahe, verboten sei bloß ein einziger „Wett-Lebensversicherungsvertrag“ gewesen. Auch Émerigon stellt fest, dass die Verbote aus Holland und anderen Ländern nur „ces gageures, improprement appélles Assurances“351 („diese Wetten, unpassend ,Versicherungen‘ genannt“) zum Gegenstand hatten. Auf die synonyme Verwendung von „assurance“ und „gageure“ geht ausdrücklich sogar die Ordonnanz von Phillipp II. (1563) ein.352 Auch frühe Kommentatoren der Ordonnance de la Marine bezeichnen die „assurance sur la vie“ als „gageure“.353 Die bloße Namensverwechslung, Assoziation oder Assimilierung von Lebensversicherung und Wette schmälert nicht die Bedeutung des Verbots, denn auch ein falsch verstandener Text kann Auswirkungen auf die weitere Gesetzgebung haben. Dies stellte bereits Adan in seiner Untersuchung zur französischen Lebensversi346 Art. 2 Ordonnanz von Middelburg vom 30. September 1600, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 168. 347 Art. 2 Ordonnanz von Middelburg vom 30. September 1600, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 168. 348 So Kiesselbach (1901), S. 110; Brenner (1990), S. 104; Clark (1999), S. 15. 349 Alauzet (1844), Bd. 2, S. 465. Siehe auch Clark (1999), S. 15. 350 Sebire/Carteret (1846), Bd. 6, S. 385; Pardessus (1837) Bd. 4, S. 533. 351 Émerigon, Traité (1783), Bd. 1, S. 198. 352 „[…] aucune assurance, soit sous cette dénomination, soit sous celle d’un pari, soit sous toute autre quelconque […]. (Keine Versicherung, sei es unter dieser Bezeichnung oder unter jener der Wette oder jeder anderen.) Tit. 7 Art. 4 der Ordonnance de Phillipp II. de 1563, abgedruckt in: Pardessus (1837) Bd. 4, S. 95. 353 So z. B. Émerigon, Traité (1783), Bd. 1, S. 198. Siehe Bergson, Revue de droit français et étranger (1845), 583.

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cherung fest: „[D]enn es ist mit einer bestimmten Verwechslung wie mit der Verleumdung; – es bleibt immer etwas davon zurück.“354 Moralische Bedenken und Misstrauen gegenüber der „assurance sur la vie“ konnten nur allmählich überwunden werden. Dies schlug sich in staatlicher Regulierung und bei der Auslegung von Gesetzen nieder, so z. B. in Art. 334 Code de Commerce (1807).355 Insoweit kann dem Verbot der „assûrance sur la vie des personnes“ ein gewisser Einfluss auf die Entwicklung der Versicherungsgesetzgebung nicht abgesprochen werden. c) Tontine und (Lebens-)versicherung Das Verbot der assûrance sur la vie des personnes war indes nicht nur für die weitere Entwicklung der Lebensversicherung entscheidend. Auch auf den Erfolg von Tontinen soll das Verbot maßgebenden Einfluss gehabt haben.356 Insofern dürfen an dieser Stelle Ausführungen zur Tontine nicht fehlen. Tontinen existierten in Frankreich ab dem 17. Jahrhundert.357 Durch Édit vom November 1689 genehmigte Louis XIV. die erste „emprunt tontinier“.358 Hierbei handelte es sich um eine Anleihe in Leibrentenform, die vom Staat ausgegeben wurde. Die Unterzeichner wurden in Altersgruppen zusammengeschlossen. Innerhalb der Klassen erfolgte eine vollständige oder teilweise Reversion der jährlichen Renten zu Gunsten der Überlebenden.359 Die Tontine sollte der Finanzierung laufender Kriege und der Aufbesserung der defizitären Staatskasse dienen.360 Bis zum Jahr 1759 folgten zehn weitere Staatstontinen.361 Im Jahr 1763 wurde die Errichtung neuer Staatstontinen und auch Staatsanleihen, die auf der Erhöhung des ursprünglich fixierten Zinsfußes basierten, untersagt (Décret vom 21. November 1763).362 Wegen fortdauernder Missstände schrieb der Arrêt des Conseil d’État vom 18. Januar 1770 die Umwandlung alle rentes tontinières – mit Ausnahme der durch Édit vom Februar 1762 gegründete Tontine des Gens de Mer – in gewöhnliche Leibrenten vor. Die 354

Adan, PreußVersZ 5 (1871), 1047. Siehe S. 133. 356 Delbrel in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 115. 357 Lorenzo Tonti versuchte die „tontine“ als neues Finanzprodukt in den französichen Markt einzuführen; vgl. Bouchary (1940), Bd. 1, S. 9. Näher zu Lorenzi Tonti in Rietsch/ Gallais-Hamonno, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 19 ff. Einen guten Überblick zum Forschungsstand gibt Hellwege, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 10. 358 Édit du Roi vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 126 ff. Pouilloux (2011), S. 107; Walford (1868), S. 551; Belze/Spieser (2005), S. 263. 359 Dies Definition bezieht sich auf die emprunt tontinier (1689 und 1690) und gilt auch mit geringer Abweichung für die zehn Staatstontinen (1689 und 1759). Gallais-Hamonno/Berthon (2008), S. 13. 360 Vgl. Bouchary (1940), Bd. 1, S. 9. 361 DuPasquier, MVSV 1910, 177 f., 179 f, Pouilloux (2011), S. 107; Bouchary (1940), Bd. 1, S. 9. 362 Braun (2. Aufl. 1963), S. 189; Bouchary (1940), Bd. 1, S. 9. 355

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Erhöhung von Renten wurde damit verhindert bzw. für die Zukunft abgeschafft.363 Schließlich wurden Tontinen im Jahr 1773 als Finanzierungsmaßnahme verboten.364 Erst allmählich konnten sich ab Ende des 18. Jahrhunderts privat betriebene Tontinen etablieren. Die rechtliche Einordnung der Tontine ist umstritten. Anders als Versicherungen hatten Tontinen nicht zum Ziel, ein Risiko abzusichern, sondern allein einen Vorteil zu generieren.365 Dennoch wird die Tontine in der französischen Wissenschaft meist im Rahmen versicherungswissenschaftlicher Untersuchungen behandelt. Vereinzelt betiteltet die Literatur des 19. Jahrhunderts die Tontine sogar als Versicherung. Chaufton bezeichnet die Tontine als „combinaison spécial d’assurance“ (spezielle Versicherungskombination).366 Block spricht über die Tontine als „assurances sur la vie [mutuelles]“ (Lebensversicherungen auf Gegenseitigkeit).367 Verwechslung und Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Tontine und Lebensversicherung bestanden damit schon früh.368 Auch vom Staat wurde die Tontine als „assurance mutuelle“ betitelt, so z. B. geschehen im Lettre ministerielle vom 5. Juni 1875.369 Die konkrete rechtliche Einordnung der Tontine ist für diese Untersuchung gewiss nicht von übergeordneter Relevanz, hatte die Tontine doch unabhängig davon große Bedeutung für das Versicherungswesen, insbesondere für die Lebensversicherung, wie Delbrel bereits aufzeigte. On the one hand, they helped to familiarize the general public with insurance techniques and demonstrated the usefulness of life insurance.[…] On the other hand they harmed the development of life insurance until the 19th century by causing the legislature and administration officials to be suspicious of them. […] Finally, it is striking that tontines played an important role in the official discourse on insurance until the beginning of the Third Republic […].370

Es scheint mithin, als habe die Tontine nicht nur technische, sondern auch regulatorische Bedeutung für das Versicherungswesen besessen. Ein regulatorischer Einfluss der privaten Tontine wird im Laufe der weiteren Untersuchung sowohl für den Beginn371 als auch für die zweite Hälfte372 des 19. Jahrhunderts festzustellen sein. 363 Gallais-Hamonno/Berthon (2008), S. 101 f. Vgl. auch Pouilloux (2011), S. 111; DuPasquier, MVSV 1910, 181; Bouchary (1940), Bd. 1, S. 9; Braun (2. Aufl. 1963), S. 189; Gallix (1985), S. 275. 364 Walford (1868), S. 551. 365 Eeckhout, in: Monette/Villé/André (1949), Bd. 1, S. 27. 366 Chaufton (1884), Bd. 1, S. 692. Die Verwechslungsgefahr zwischen der Lebensversicherung und der Tontine (assurance mutuelle) ist Chaufton (1884), Bd. 1, S. 691 indes bewusst. 367 Block (1877), Bd. 2, S. 184. 368 Vgl. Agnel/Corny (1885), S. 201. 369 Z. B. In dem Lettre ministerielle vom 5. Juni 1875, abgedruckt in: Chaufton (1884), Bd. 1, S. 688. 370 Delbrel in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 119. 371 Vgl. S. 155 ff.

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Durch Gesetz vom 24. Juli 1867 wurden Tontinen und Lebensversicherungen sogar regulatorisch gleichgestellt.373 Der regulatorische Einfluss der staatlichen Tontine vor dem 19. Jahrhundert ist indes weitgehend unbekannt. Nähere Ausführungen fehlen in der Literatur. Diese Forschungslücke machte bereits Hellwege in seiner umfangreichen Untersuchung zur Tontine im deutschsprachigen Raum aus: For a historical analysis of the development of insurance regulation and insurance supervision, 17th and 18th -century tontines seem to be of no relevance: they were, after all, issued by the public hand. Questions of regulation and supervision only seem to arise when tontines are operated by private entities.374

Freilich stellen Regelungen der staatlichen Tontine selbst keine versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen dar, waren solche doch gerade für ein staatliches Produkt nicht notwendig. Dies bedeutet indes nicht, dass solche Regeln nicht auch Eingang in den privaten Versicherungsmarkt fanden. Gleiches gilt natürlich ebenso für den privaten Tontinenmarkt, wechselte der Französische Staat schließlich schlicht seine Rolle, „[from] the role […] of the issuer of tontines to a supervisory role“375. Doch welche Regeln schuf der französische Staat für seine Tontinen? Finden sich vergleichbare Regeln im Versicherungssektor des 18. Jahrhunderts wieder? Und wurden diese Regelungen auch bei der Regulierung der privaten Tontine aufgenommen? Dies sind Fragen, die es nun zu klären gilt. aa) Staatliche Tontine Die staatliche Tontine wurde einer komplexen, aber effektiven Verwaltungsorganisation unterstellt. Hierdurch sollte das Vertrauen der Unterzeichner gewonnen und gestärkt werden. Daher wurden eine Vielzahl an Regelungen geschaffen, was nach Pouilloux die Wichtigkeit zeige, mit welcher der Gesetzgeber versuchte, für öffentliche Ordnung zu sorgen, hatte der Erfolg der staatlichen Tontine doch auch Auswirkung auf den öffentlichen Kredit.376 Die Verwaltung oblag dem Hôtel de Ville de Paris sowie verschiedenen Amtsträgern, namentlich den sog. „Syndics honoraires“ und „Syndics onéraires“ (Verwalter) wie auch den „Payeurs“ (Zahler) und den „Contrôleurs“ (Kontrolleur).377 Mit den Syndics honoraires und Syndics onéraires wurde ein internes Selbstverwaltungssystem geschaffen.378 Für jede Klasse wurden die Syndics onéraires und Syndics honoraires – die „plus qualifiés“ (Qualifiziertesten) und „plus capable“ (Fähigsten) der Klassen – durch vom Prévôt des Mar-

372 373 374 375 376 377 378

Vgl. S. 192 ff. So z. B. in dem Gesetz vom 17. März 1905. Siehe S. 190. Hellwege, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 183. Delbrel, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 115. Pouilloux (2011), S. 108. Gallais-Hamonno/Rietsch, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 72; Pouilloux (2011), S. 108. Gallais-Hamonno/Rietsch, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 72; Pouilloux (2011), S. 108.

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chands ausgewählte Rentiers ernannt.379 Der Syndic honoraire vertrat die Klasse nach außen, der Syndic onéraire übernahm die technische Verwaltung.380 Die Aufgaben und Pflichten dieser Verwaltung können beispielhaft dem Édit vom November 1689 entnommen werden.381 Der Syndic onéraire führte für jede Klasse ein Register u. a. mit Angaben zum Namen, Alter und Wohnort des Rentiers, einer Kopie dessen Geburtsurkunde, das Datum des Vertragsschlusses sowie der Quittung der Rentenzahlung. Auch war der Tod des Rentiers im Register einzutragen.382 Überdies hatte der Syndic onéraire jährlich Listen der Klassen zu veröffentlichen. Diese enthielten die Namen der Verstorbenen, deren Todestag und die Anzahl der gehaltenen Anleihen wie auch Angaben zur Berechnung und Verteilung der hieraus resultierenden jährlichen Erhöhung der Rente.383 Der Syndic onéraire berechnete auf dieser Grundlage nicht nur die Rente, sondern überwachte auch deren Auszahlung.384 Doch nicht nur die Syndics onéraires, sondern auch die Rentiers selbst konnten überwachend tätig werden. Diesen stand das Recht zu, Einsicht in die Register zu nehmen.385 Den Rentiers wurde indes nicht nur das Recht auf Information eingeräumt, sondern auch die Pflicht, Informationen zu teilen, auferlegt. Alle Änderungen des Wohnsitzes, längere Reisen oder sonstige Abwesenheit für mehr als ein Jahr mussten beim Syndic onéraire angezeigt werden.386 Der Tod des Rentiers war von dessen Erben zu melden. Innerhalb von drei Monaten war ein Auszug aus dem Sterberegister einzureichen. Zudem wurde der Syndic onéraire alle sechs Monate vom Pfarrer über Todesfälle informiert.387 Diese Maßnahmen dienten der Betrugsverhütung.388 Betrug sollte insbesondere bei der Auszahlung der Rente, konkreter „[…] sous des noms supposez, sur des fausses quittances, ou sur des quittances signés par des Rentiers, avant leur dèceds […]“ (unter falschem Namen, mit falscher Quittungen oder mit von den Rentiers vor ihrem Versterben unterzeichneten Quittungen), ver-

379

Art. 12 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 130. Gallais-Hamonno/Rietsch, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 72 f. 381 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 128 ff. 382 Art. 13 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 130. 383 Art. 20, Art. 21 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 131. 384 Art. 14 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 130. Art. 16 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 130. Siehe Gallais-Hamonno/Berthon (2008), S. 19. 385 Art. 14, Art. 15 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 130. Siehe auch Gallais-Hamonno/Berthon (2008), S. 20. 386 Art. 22 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 130. Siehe auch Gallais-Hamonno/Berthon (2008), S. 20. 387 Art. 20 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 131. 388 Vgl. Gallais-Hamonno/Rietsch, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 73. 380

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hindert werden.389 Hierzu wurde in Art. 18 und Art. 19 Édit vom November 1689 ein komplexer Mechanismus geschaffen. Jedes Jahr musste der Prévôt des Marchands die Quittung der Zahlung stempeln, wobei der Stempel zum Zwecke der Zuordnung jährlich wechselte. Der Prévot des Marchands bereitete eine ausreichende Anzahl an Quittungen und Stempel vor, die er an die Syndics onéraires verteilte, welche beides an ausgewählte Notare übergaben, die schließlich die Quittung ausfüllten. Die Quittung wurde von diesen den königlichen Richter zur Gegenzeichnung vorgelegt, welche durch ihre Unterschrift zertifizierten, dass der Rentner lebt und sich vor diesem präsentiert hatte. Im Anschluss sandte der Notar die Quittung an den Syndic onéraire, der diese ebenfalls unterzeichnete. Erst nach Sichtung der Quittung durch den Syndic onéraire wurde die Rente durch die Payeurs ausgezahlt.390 Bei Angabe des falschen Namens oder Einreichung einer falschen Quittung, um unter dem Namen eines lebenden oder verstorbenen Rentiers die Rente zu erhalten, war eine Geldstrafe i. H. v. 6.000 liv. festgesetzt.391 Die Auszahlung durch die Payeurs war in Art. 16, Art. 17 Édit vom November 1689 näher bestimmt.392 Vermutlich um diese sicherzustellen, regelte der Édit vom November 1689 das einzuzahlende Kapital und den hieraus gebildeten Fonds.393 Die Analyse des Édit vom November 1689 lässt damit verschiedene Schlussfolgerungen zu: Der Französische Staat hatte bereits konkrete Vorstellungen, wie Tontinen zu organisieren waren. Es wurden Maßnahmen geschaffen, um Betrug zu verhindern. Hierbei spielten auch Transparenzvorschriften eine wesentliche Rolle. Überdies fand die finanzielle Solidität bei Regelung der ersten staatlichen Tontine Beachtung. Die untersuchten Regeln dienten damit insbesondere der Sicherheit und Transparenz, Zwecke die auch heute noch von der Versicherungsaufsicht verfolgt werden. Insofern kann – zumindest im Hinblick auf die Zweckrichtung – behauptet werden, dass bereits für die Staatstontinen Regeln, welche versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen ähneln, vorhanden waren. Hieran schließt sich die Frage, ob diese Regeln auch im privaten Sektor aufzufinden waren. Wegen des Umfangs und der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit können nur beispielhaft die bereits angeführten Regelungen des Édit vom November 1689 mit Regelungen des Statuts der Caisse d’épargne et de bienfaisance, besser bekannt als Caisse Lafarge (1791), wie

389 Art. 18 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 131. Andere Betrugsfälle wurden z. B. in Art. 9 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 129 geregelt. 390 Art. 18, Art. 19 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 131. Näher Gallais-Hamonno/Berthon (2008), S. 24 f. Dieser lange Prozess wurde durch die Déclaration vom 19. April 1690 verbessert; siehe hierzu Gallais-Hamonno/Berthon (2008), S. 25. 391 Art. 23 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 132. 392 Siehe auch Art. 16, Art. 17 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 130 f. 393 Art. 10, Art. 11 Édit vom November 1689, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 129 f.

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auch des Statuts und des Prospectus des ersten Lebensversicherungsunternehmens, der Compagnie Royale (1787), verglichen werden. bb) Private Tontine Die Vorschriften der internen Verwaltung der Caisse Lafarge, eine private Tontineneinrichtung, waren freilich nicht die gleichen. Indes wurden auch für die Caisse Lafarge detaillierte Verwaltungsregeln festgesetzt.394 Die Verwaltung der Caisse Lafarge wurde nicht durch die Syndics onéraires oder Syndics honoraires ausgeführt, sondern oblag der „Administration“ (Verwaltung).395 Die Versammlung der Verwaltung wurde durch vier „Commissaires“ (Kommissare), welche von und unter den Anteilseignern ernannt wurden, unterstützt. Diese überwachten und kontrollierten die Einrichtung.396 Die Commissaires hatten jedes Jahr in der Generalversammlung der Anteilseignern u. a. über die Verwaltung, Todesfälle, vakante Renten wie auch über den Einsatz der Geldmittel zu berichten.397 Unabhängig hiervon hatte der Generaldirektor monatlich oder bei Nachfrage jederzeit den Einsatz von Geldmitteln und den Zustand der Kasse zu rechtfertigen. Hierdurch sollte jedem Anteilseigner die Möglichkeit eingeräumt werden, die finanzielle Situation einzuschätzen.398 Monatlich war der Verwaltung zudem ein Zustandsbericht mit den Ergebnissen des Vormonats vorzulegen. Der Bericht wurde von der Verwaltung geprüft und in einem Saal ausgehängt, so dass jeder Anteilseigner hiervon Kenntnis erlangen konnte.399 Auch für die Klassen der Caisse Lafarge waren Register zu erstellen. Diese Aufgabe übernahm die Verwaltung.400 Das Register des Departements führte die Namen der Anteilseigner auf.401 Die Register wurden in der Versammlung der Verwalter überprüft und kontrolliert. Das Ergebnis wurde in dem Register der Ge-

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Chap. 2 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 582 f. 395 Chap. 2 Art. 1 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 582. 396 Chap. 2 Art. 6 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 582 f. 397 Chap. 2 Art. 7 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 582. 398 Chap. 2 Art. 8 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 582. 399 Chap. 2 Art. 9, Art. 10 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 582. 400 Chap. 4 Art. 1, Art. 2 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 585. 401 Chap. 4 Art. 3 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 585.

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sellschaft erfasst.402 Darüber hinaus mussten weitere Register u. a. über offene Rechnungen403 und über Fonds404 wie auch Register über die Gesellschaft mit Angaben zu den Geschäften, den geschlossenen Verträgen sowie über Beschlüsse und Statuten405 geführt werden. Neben Registern waren auch verschiedene Zustandsberichte, z. B. des Kassenstands406 oder der laufenden Geschäfte407, zu erstellen. Einige Regelungen, wie z. B. die Pflicht Register408 zu führen sowie Listen bzw. Berichte409 zu veröffentlichen, welche vermutlich zum einen als Grundlage der Berechnung der jährlichen Rentenzahlung, zum anderen zur Überwachung der Auszahlung der Rente dienten, existierten sowohl für die staatliche wie auch für die private Tontine. Teils können sogar Vorschriften ähnlichen Wortlauts, so z. B. die Pflicht vor der Rentenauszahlung ein Lebenszertifikat einzureichen410 oder Änderungen des Wohnorts anzuzeigen411, in dem Statut der Caisse Lafarge wiedergefunden werden. Indes ist nicht ganz klar, wie intensiv der staatliche Einfluss auf den Inhalt des Statuts tatsächlich war. Bekannt ist, dass die ersten Bemühungen Lafarges zum Erhalt der Genehmigung scheiterten. Insofern kann angenommen werden, dass neben der günstigen Zeit der Revolution, auch der abgeänderte Inhalt des Statuts für die Entscheidung des Staates, den Geschäftsbetrieb der Tontineneinrichtung zu genehmigen, maßgebend war.412 Die Frage, ob der Staat private Tontinen nur erlaubte, wenn diese den Regeln der Staatstontine folgten, kann gleichwohl nicht abschließend beantwortet werden. In jedem Fall kann jedoch festgehalten werden, 402 Chap. 4 Art. 5 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 585. 403 Chap. 3 Art. 10 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 584. 404 Chap. 6 Art. 3 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 586. 405 Chap. 4 Art. 3 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 585. 406 Chap. 6 Art. 5, Art. 6 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 586. 407 Chap. 5 Art. 4 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 586. 408 Z. B. Chap. 4 Art. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 5 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 585; Chap. 3 Art. 10 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 584; Chap. 6 Art. 3 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 586. 409 Z. B. Chap. 2 Art. 7, Art. 9, Art. 10 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 582. 410 Chap. 1 Art. 27 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 581. 411 Chap. 1 Art. 28 Statut der Caisse Lafarge vom 20. April 1791, den Lettres patentes vom 22. August 1791 beigefügt, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 581. 412 Vgl. Coquelin/Guillaumin (4. Aufl. 1873), Bd. 2, S. 744; Pouilloux (2011), S. 565.

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dass das Statut der Caisse Lafarge Vorschriften, welche für finanzielle Solidität und Transparenz sorgen sollten, enthielt. Gleiches gilt übrigens auch für die Tontine der Compagnie Royale (1791).413 Auch für diese mussten bspw. Register geführt und Listen veröffentlicht werden.414 Der Zustand der Tontine der Compagnie Royale konnte von den Interessierten durch das Recht, Einsicht in die Register zu nehmen, überwacht werden.415 Insofern ist festzustellen, dass Regeln der staatlichen wie auch der privaten Tontinen den gleichen Regelungszweck verfolgten. cc) Bedeutung der Tontine für das Versicherungswesen Wie im weiteren Verlauf der Untersuchung zu sehen sein wird, lassen sich auch für die Compagnie Royale (d’assurance sur la vie) mit der staatlichen Tontine vergleichbare Vorschriften auffinden. Dies gilt nicht nur für Vorschriften zur Betrugsverhütung.416 Auch Solvabiliätsvorschriften enthält das Statut der Compagnie Royale.417 Neben der finanziellen Solidität sollte auch Transparenz geschaffen werden, Zwecke, die ausdrücklich in dem Prospectus der Compagnie Royale418 angesprochen werden.419 Insofern ist auch für die Regulierung der Compagnie Royale zu konstatieren, dass zumindest die Zweckrichtung der Regulierungsmaßnahmen vergleichbar war. Wie bereits Hellwege für den deutschsprachigen Raum feststellte, kann damit auch für Frankreich Folgendes behauptet werden: [T]he main problems of insurance regulation and insurance supervision – that is, to guarantee the financial soundness of the insurer and to guarantee a transparent insurance product – had already been worked out in the context of tontines in the 17th and 18th centuries.420

Damit ist abschließend festzuhalten, dass die Tontine nicht nur im Bezug auf das Verbot der assûrance sur la vie für die Untersuchung der Entwicklung der Versicherungsaufsicht von Interesse ist. Die Tontine selbst hatte Bedeutung für die Ent413

Vgl. z. B. Art. 10 (in das Register einzutragende Quittungen), Art. 12 (Veröffentlichung der Todesfälle) Plan de Tontine vom 15. Januar 1791, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 548 f. 414 Art. 8, Art. 9 Plan de Tontine vom 15. Januar 1791, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 548. 415 Art. 10 (Recht auf Information) Plan de Tontine vom 15. Januar 1791, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 548. 416 So z. B. Art. 3 (Strafe im Betrugsfall), Art. 7 (Nachweis des Versterbens, Einreichen von Dokumenten der Erben und Begünstigten) Prospectus vom August 1788, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 302 f. 417 Vgl. S. 105 ff. 418 „Observations qui ont dirigé la Compagnie dans le calcul des tables, et dans la fixation de ses primes“, „Règles générales que la Compagnie s’est imposées pour la sûreté et la constante utilité de son établissement“ Prospectus vom August 1788, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 300 f. 419 Siehe insbesondere S. 105 ff., 107 ff. 420 Hellwege, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 191.

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wicklung der Versicherung, insbesondere der Lebensversicherung. Dies gilt auch in regulatorischer Hinsicht. Regulatorisch war die Tontine sowohl für die Zeit vor als auch nach dem 19. Jahrhundert von Relevanz. Vor dem 19. Jahrhundert verfolgten Regulierungs- und Aufsichtsmaßnahmen des privaten Tontinen- und Versicherungsmarkts Zwecke, die bereits Regeln der privaten Tontine zugrunde lagen. Der Einfluss der Regulierung der privaten Tontine auf die Regulierung der Versicherungen im 19. Jahrhundert wird indes im Laufe der weiteren Untersuchung noch deutlicher werden. d) Regulatorische Wirkung An dieser Stelle ist noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkommend festzustellen, dass Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnance de la Marine für die Regulierung des Versicherungsmarktes eine weitreichende Bedeutung besaß. Mit dem absoluten Verbot hatte der Gesetzgeber das strengste Mittel zur Regulierung des noch weitgehend unregulierten französischen Versicherungsmarktes gewählt. Die Regulierung war durch moralische Gründe motiviert. Dies mutet aus gegenwärtiger Perspektive seltsam an. Anders verhält es sich mit dem Zweck, Betrug und Missbrauch zu verhüten. Hierbei handelt es sich um einen gängigen Zweck der Versicherungsaufsicht. In einigen Untersuchungen zur Entwicklung der Versicherungsaufsicht wird das Verbot der „assûrance sur la vie des personnes“ als erste aufsichtsrechtliche Regelung angeführt.421 Obschon – wie in der vorangehenden Untersuchung bereits aufgezeigt wurde – Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur bereits vor Erlass der Ordonnance de la Marine im Jahr 1681 vorhanden waren, es sich bei Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnance de la Marine damit nicht um die erste Regelung aufsichtsrechtlicher Natur handelte, hatte das Verbot eine regulatorisch bedeutsame Wirkung. Insofern erklärt sich auch, weshalb die Sekundärliteratur oft das Verbot der assûrance sur la vie des personnes aus der Ordonnance de la Marine (1681) im Rahmen von versicherungsaufsichtsrechtlichen Untersuchungen anspricht. 3. Genehmigung der ersten sociétés d’assurances contre l’incendie Erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden in Frankreich die ersten Feuerversicherungsgesellschaften gegründet. Anders als der Gründer der Compagnie d’Assurances Générales de Paris, die durch Gesellschaftsvertrag und Eintragung der Statuten bei einem Notar gegründet wurden, hatten sich die Gründer der Compagnie des Eaux und der Compagnie royale d’assurance contre incendies um den Erhalt einer königlichen Genehmigung zur Gründung der Gesellschaften bemüht. Mit Erteilung der Genehmigung sollen nach Bellenger die Compagnie des Eaux und die Compagnie d’assurance contre incendies der „contrôle par l’État“ 421

So Cabrolier (1988), S. 7; Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 3; Vautrin (1905), S. 75 f.

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(staatliche Aufsicht) unterstellt worden sein.422 Weil eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser These in der Sekundärliteratur fehlt, müssen in dieser Arbeit beide Gesellschaften näher untersucht werden. Zunächst ist deren Genehmigungsverfahren zu beleuchten, bildet dieses doch die Grundlage der diesen zur Gründung und zum Betrieb der Feuerversicherungsgesellschaft erteilten Genehmigung. Erst im Anschluss kann auf die in den Genehmigungsakten enthaltenen versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen eingegangen werden. a) Arrêt vom 20. August 1786, Arrêt vom 6. November 1786 Die Compagnie des Eaux de Paris besaß bereits die Erlaubnis für die Wasserversorgung in Paris mittels neuer Techniken (Dampfpumpen, Wasserreservoirs, Rohrnetz).423 Das ihr hierfür erteilte „privilège exclusif“424 (exklusives Privileg) verbot für 15 Jahre neue Projekte, welche die Verwendung von Dampfpumpen beinhalteten.425 Die Versicherung gegen die Risiken des Feuers erschien den Geschäftsführern der Compagnie des Eaux de Paris eine sinnvolle, sogar notwendige Geschäftserweiterung, wie in dem Prospectus vom Juni 1786 hervorgehoben wurde.426 Trotz starker Kritik427 von Mirabeau428 und Brissot429 erhielt die Compagnie des Eaux de Paris auf der Grundlage eines Berichts von Calonne, Contrôleur Général des Finances (Generalfinanzkontrolleur), mit Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 20. August 1786 die Genehmigung zur Ausübung des Feuerversicherungsgeschäfts unter der Bezeichnung Société d’Assurances Générales.430 Ein pri422

Bellenger (2011), S. 77. Bellenger (2011), S. 78. 424 Privilège durch Lettres patentes du Roi vom 7. Februar 1777; vgl. Pouilloux (2011), S. 489, Fn. 2. 425 Bellenger (2011), S. 78; Pouilloux (2011), S. 489. 426 Präambel Prospectus vom Juni 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 503. Vgl. Pouilloux (2011), S. 489. 427 Vgl. Mirabeau, Sur les actions (1785), S. 1 ff., 14, 34; Mirabeau, Dénonciation (1787), S. 1 ff., 77 f., 105 ff. Siehe Gallix (1985), S. 245 ff.; Rivier (2006), S. 65; Bellenger (2011), S. 99; Bouchary (1942), Bd. 3, S. 11; ders., in: Annales Historiques e la Révolution française (1939), S. 484 f.; Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 319. Pouilloux (2011), S. 489 f.; Dardenne (2005), S. 154 f. 428 Honoré Gabriel de Riqueti, comte de Mirabeau wurde am 9. März 1749 geboren und starb am 2. April 1791. Er war Schriftsteller, Volkswirt, Politiker und Publizist. Eingehend zu dessen Leben in: Mérilhou (1827), IV ff.; Gallix (1985), S. 245. 429 Jacques-Pierre Brissot Warville wurde am 15. Januar 1754 geboren und starb am 31. Oktober 1793. Er war Journalist, Publizist und während der Revolution auch Politiker. Eingehend zu dessen Leben in Bette (2016), IX ff. 430 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 20. August 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 516. Lüthy (1961), Bd. 2, S. 711; Pouilloux (2011), S. 519; Gallix (1985), S. 245; Bouchary (1942), Bd. 3, S. 13. 423

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vilège exclusif hatte die Gesellschaft nicht erhalten.431 Bereits am 6. September 1786 wurde der Prospectus eines Konkurrenzprojekts veröffentlicht.432 An dem Projekt beteiligt war u. a. Etienne Clavière433, als Vermittler fungierte Jean Pierre de Batz434.435 Das Projekt wurde bei Baron von Breteuil, Sécretaire d’État de la maison du roi et de la ville de Paris436, eingereicht.437 Mit Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786 wurde die Genehmigung zur Gründung einer Feuerversicherungsgesellschaft erteilt.438 Die neue Gesellschaft erhielt den Namen Compagnie d’Assurance contre les incendies.439 Eine Namensänderung in Compagnie Royale d’Assurance contre les incendies war am 6. Oktober 1787 beantragt,440 durch Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787441 genehmigt und durch Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 27. Juli 1788442 bestätigt worden.443 Das Kapital der Compagnie Royale d’Assurance contre les incendies betrug 8 Mio. liv., welches im Hôtel de Ville von Paris hinterlegt werden musste.444 Ein Viertel des Gewinns war für die Kosten der Einrichtung einer Feuerwehr oder für sonstige Zwecke aufzuwenden.445 Wie sich aus den Genehmigungsakten ergibt, musste zur Genehmigung ein Antrag beim König gestellt werden. Der Prospectus (Statuten) wurde dem Antrag 431

Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 319. Prospectus vom 6. September 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 525 f. 433 Eingehnd zur Biographie Clavières in Pouilloux (2011), S. 521; Bouchary, Les Manieurs d’Argent (1939), Bd. 1, S. 11 ff.; Pinaud, Revue historique (1993), 362 ff., 380; Bénétruy (1962), S. 135 f. 434 Jean Pierre de Batz, auch als Baron von Batz bekannt, einer wohlhabenden und gesellschaftlich geschätzten Familie entstammend, galt als einer der einflussreichsten Personen der Gesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts. Er war ein Royalist und Geschäftsmann; vgl. Pouilloux (2011), S. 520. Siehe auch eingehend zur Biographie Batz (1911), S. 1 ff. 435 Lüthy (1961), Bd. 2, S. 712. Vgl. Rivier (2006), S. 65. 436 Der Sécretaire d’État war für die Abteilung der Verwaltung zuständig, welche alle Angelegenheiten des Könighauses und der Kleriker verwaltete. In den Verwaltungsbereich fielen die Stadt Paris, wie alle anderen Provinzen; vgl. Viton (1813), Bd. 1, S. 98. 437 Pouilloux (2011), S. 519. 438 Art. 1 Arrêt des Conseil d’État vom 6. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 526. Lüthy (1961), Bd. 2, S. 711 f; Pouilloux (2011), S. 519. 439 Art. 10 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. Gallix (1985), S. 255. 440 Art. 9 Soumission vom 6. Oktober 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 531. 441 Art. 12 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533. 442 Art. 3 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 27. Juli 1788, in: Pouilloux (2011), S. 541. 443 Pouilloux (2011), S. 519, Fn. 2. 444 Art. 2 Arrêt des Conseil d’État vom 6. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. Pouilloux (2011), S. 519; Gallix (1985), S. 250. 445 Art. 7 Arrêt des Conseil d’État vom 6. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. Gallix (1985), S. 250. 432

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beigefügt, welcher von dem Conseil d’État du Roi geprüft wurde.446 Der königlichen Genehmigung ging stets eine eingehende Untersuchung im königlichen Kabinett voran. Diese konnte mehrere Jahre dauern und wurde bei Zweifeln an der ausreichenden Kapitalausstattung wie auch an der Eignung der Geschäftsführer verweigert. Rechtsmittel hiergegen existierten nicht. Auch objektive Kriterien für die Genehmigungserteilung waren nicht bestimmt, so dass es sich um eine reine Ermessensentscheidung handelte.447 Die Genehmigungserteilung erfolgte damit nicht nach einheitlichen Kriterien. In der modernen Literatur wird angedeutet, dass die Genehmigungserteilung maßgeblich von einzelnen die Projekte unterstützenden staatlichen Organen abhing. Für die Compagnie des Eaux war dies Calonne, für die Compagnie d’Assurance contre les incendies Baron von Breteuil.448 Mangels entsprechender Nachweise kann diese Mutmaßung nicht nachgeprüft werden. Insoweit ist bei der Frage nach Gründen der Genehmigungserteilung der Arrêt und der diesem zugrunde gelegte Prospectus heranzuziehen. Aus diesen geht hervor, dass der König das Projekt der Compagnie d’Assurance contre les incendies im Vergleich zu früheren Projekten für „vorteilhafter“ befunden hatte.449 Worauf sich der Vorteil konkret stützte, ist nicht ausdrücklich erwähnt. Es ist indes zu vermuten, dass die Solidität der Gesellschaft ein wichtiger Aspekt im Entscheidungsprozess war. Die Compagnie d’Assurance contre les incendies hatte sich in ihrem Prospectus zur Erhöhung des Fonds verpflichtet. Die Gesellschaft sollte damit über doppelt so viel Kapital wie die Compagnie des Eaux verfügen.450 Darüber hinaus sah der Prospectus die jährliche Aufstellung und Veröffentlichung der Bilanz vor. Die hierdurch bezweckte Authentizität sollte das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Interessierten stärken.451 Die Bedeutsamkeit des öffentlichen Vertrauens in die Unternehmung, geht aus der Präambel des Genehmigungsaktes deutlich hervor. Da sich bereits vor Gründung der Compagnie d’Assurance contre les incendies über 600 Immobilieneigentümer zum Abschluss einer Feuerversicherung erklärt hatten, nahm der König an, die Bevölkerung sei von dem Projekt begeistert und vertraue diesem.452 Auch finanzielle Aspekte waren vermutlich bei der Entscheidung von Relevanz. In dem Prospectus hatte sich die Compagnie d’Assurance contre les incendies dazu bereit erklärt, ein Viertel des Gewinns für die Errichtung und den 446 Vgl. Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 20. August 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 516; Präambel Arrêt des Conseil d’État vom vom 6. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 526. 447 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 33. 448 Vgl. Rivier (2006), S. 65; Bellenger (2011), S. 87. Vgl. auch Lüthy (1961), Bd. 2, S. 711. 449 Präambel Arrêt des Conseil d’État vom 6. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 526. 450 2. Prospectus vom 6. September 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 525. 451 5. Prospectus vom 6. September 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 526. 452 Vgl. Präambel Arrêt des Conseil d’État vom 6. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 526.

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Unterhalt der Feuerwehr oder einer sonstigen von der Regierung zu benennende Einrichtung zu verwenden.453 Auch hat sich die Gesellschaft zur kostenlosen Versicherung der Oper, des Rathauses und aller anderen städtischen Häuser Paris verpflichtet.454 b) Contrôle par l’État aa) Solvabilitäts- und Publizitätsvorschriften Die Genehmigungsakte enthielten Vorschriften, welche bei Gründung und während des Geschäftsbetriebs der Gesellschaften einzuhalten waren. Insbesondere wurden verschiedene Sicherheiten zur Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber den Versicherten vorgeschrieben. Auf die Vorschriften zur Schadensabwicklung soll hier im Hinblick auf die Schwerpunktsetzung der Arbeit nicht näher eingegangen werden.455 Die gleichen Vorschriften enthielt der Genehmigungsakt der Compagnie d’Assurance contre les incendies (Arrêt vom 6. November 1786). Darüber hinaus waren in diesem weit umfangreicheren Akt die Versicherungsbedingungen456 festgelegt worden.457 Als Sicherheit für die Erfüllung der Verbindlichkeiten hatten beide Gesellschaften einen Fonds einzurichten.458 Als weitere Sicherheit sollten die Häuser der Compagnie des Eaux hypothekarisch belastet werden.459 Der Fonds der Compagnie d’Assurance contre les incendies musste im Hôtel de Ville Paris in einer durch drei Schlüssel verschlossenen Eisenkasse hinterlegt werden.460 Eine solche Vorschrift enthielten bereits die allgemeinen Regelungen der Compagnie d’Assurances Générales de Paris. Die Verteilung der Schlüssel war indes anders.461 Die zur Erfüllung der Verbindlichkeiten der Compagnie d’Assurance contre les incendies notwendige Inanspruchnahme des Depots musste vor dem Prévôt des Marchands in 453

4. Prospectus vom 6. September 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 525 f. Bellgenger (2011), S. 87. 455 Art. 4 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 20. August 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 516; Art. 3, Art. 4 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. 456 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527 ff. 457 Vgl. näher Gallix (1985), S. 255. 458 Art. 1 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 20. August 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 516. Art. 5 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. 459 Art. 1 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 20. August 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 516. 460 Art. 5 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. 461 Art. 2 Règlement général der Compagnie d’Assurances Générales de Paris, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 476. 454

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einem Sitzungsbericht gerechtfertigt werden. Spätestens innerhalb eines Monats hatte die Rückerstattung zu erfolgen. Das Depot sollte folglich dauerhaft bestehen bleiben.462 Ähnliches regelte der Arrêt vom 20. August 1786 für die Compagnie des Eaux.463 Dass während des Bestehens der Compagnie d’Assurance contre les incendies mehrfach auf Gelder aus dem Depot zugegriffen wurde, kann aus verschiedenen im Archive nationale vorhandenen Dokumenten geschlossen werden.464 Die genannten Vorschriften können wegen ihrer Zweckrichtung als Solvabilitätsvorschriften kategorisiert werden. Neben Solvabilitätsvorschriften erließ der Conseil d’État du Roi im Arrêt vom 6. November 1786 auch Publizitätsvorschriften. Durch die Veröffentlichung der Tabellen über Einnahmen, Ausgaben, Auszahlungen und aller sonstigen Geschäfte sollten Aktionäre und alle Versicherten stets über den finanziellen Zustand des Unternehmens informiert werden. Ein Exemplar der Tabellen stand jedem Versicherte auf dessen Kosten zu.465 Ob diese Vorschrift in der Praxis umgesetzt wurde, ist aufgrund fehlender Dokumente ungewiss.466 Klar ist indes, dass diese Regelung von Art. 63 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 sowie von Art. 7 Décret vom 22. Januar 1868 und von Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. März 1905 übernommen wurde.467 Auch in Art. 12 des Gesetzes vom 9. April 1898 wurde eine ähnliche Regelung geschaffen.468 Damit enthielten die analysierten Genehmigungsakte bereits Vorschriften, die später zur gängigen Praxis und sogar zur Gesetzgebung wurde.469 bb) Contrôle a priori und contrôle permanent Die vorangehende Untersuchung hat gezeigt, dass bereits vor der Genehmigungserteilung eine staatliche Prüfung der Projekte vorlag. Aber auch während des Geschäftsbetriebs der Versicherungsgesellschaften fand eine Überwachung durch den Staat statt.

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Art. 6 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. Vgl. auch Bellenger (2011), S. 94. 463 Art. 2, Art. 3 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 20. August 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 516. 464 Z. B. Arch. Nat., F.12 798 A; vgl. Bellenger (2011), S. 94. 465 Art. 9 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. 466 Vgl. auch Bellenger (2011), S. 98. 467 Siehe S. 186 ff. 468 Siehe F. II (S. 213 ff.). 469 Vgl. D. III. 2 (S. 146 ff.); E. II (S. 183 ff.).

V. Assurances terrestres

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Calonne, Contrôleur général des finances, wurde dafür eingesetzt die Schaffung des Fonds der Compagnie des Eaux zu überprüfen.470 Zur Prüfung des Fonds der Compagnie d’assurance contre les incendies wurde Breteuil eingesetzt. Er sah sich verpflichtet, mehrfach zur vollständigen Bereitstellung der Gelder zu ermahnen.471 Der König konnte zur Inspektion überdies sog. „Commissaires“ (Kommissare) einsetzen. Diese hatten das Bestehen der geforderten Geldmittel zu überwachen.472 Für die Compagnie des Eaux wurde Louis Le Peletier, Prévôt des Marchands de la ville de Paris, eingesetzt.473 Die Compagnie d’Assurance contre les incendies hatte sich in dem Prospectus vom 6. September 1786 dazu verpflichtet, neben ihrem Fonds auch ihre Verwaltung durch Commissaires überwachen zu lassen.474 Breteuil forcierte die Einsetzung von Duval d’Ailly als Verwalter und Kommissar.475 Er hatte sich zuvor gegen die Einsetzung des von der Compagnie d’Assurance contre les incendies vorgesehenen Verwalters ausgesprochen.476 Die Aufsicht wurde nicht nur von dem Conseil d’État und von diesem eingesetzten Commissaires ausgeübt. Auch der Versicherte selbst konnte theoretisch wegen der Publizierung bestimmter Angaben, welche Aufschluss über den Geschäftszustand geben sollten, überwachend tätig werden. Dass diese Überwachungsmöglichkeit, die im Décret vom 22. Januar 1868477 geregelt wurde und auch noch der modernen Wissenschaft478 bekannt ist, im Ancien Régime vom König forciert wurde, ist nicht bekannt. Auch fehlen Quellen zum Umgang der Interessierten mit den publizierten Dokumenten. Von einer systematischen Überwachung kann mangels detaillierter Überwachungsvorschriften damit nicht die Rede sein. Die Aufsicht war wenig effektiv, wie die schlechte finanzielle Verfassung der Compagnie des Eaux vermuten lässt. Auch 470

Bellenger (2011), S. 80. Vgl. „Lettre du 29 juin 1787 du ministre de Breteuil au administrateurs de la compagnie d’assurances.“ Arch. Nat., O1 498, fol. n 432; „Lettre du 20 juillet 1787 du ministre de Breteuil au administrateurs de la compagnie d’assurances.“ Arch. Nat., O1 498, fol. n 478; vgl. Bellenger (2011), S. 92. 472 Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 20. August 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 516; Prospectus vom 6. September 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 526. 473 Bellenger (2011), S. 80. 474 So auch Bellenger (2011), S. 80. 475 Vgl. „Lettre du ministre de Breteuil du 27 janvier 1787 au baron de Batz.“Arch. Nat., O1 498, fol. n 71; „Lettre du 3 février 1787 du ministre de Breteuil au baron de Batz.“ Arch. Nat., O1 498, fol. n 93; vgl. auch Bellenger (2011), S. 88 f. 476 „Lettre du ministre de Breteuil du 19 janvier 1787 à M. Delessert, banquier, refusant la nomination d’un administratuer de la compagnie et proposant à sa place la nomination de M Duval d’Ailly.“ Arch. Nat., O1 498, fol. n 39. 477 Siehe S. 180 ff., 186. 478 Siehe S. 25. 471

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

war der Kämmerer, bei welchem der Fonds hinterlegt war, insolvent, so dass nur eine Rückzahlung des hinterlegten Kapitals i. H. v. zwei Mio. liv. möglich war.479 Die Ineffektivität ändert indes nichts an der Tatsache, dass Ansätze einer contrôle a priori und einer contrôle permanent, wie man die Aufsicht vor Entstehung und während des laufenden Geschäftsbetriebs der Versicherungsgesellschaften in der modernen Wissenschaft nennt, zu erkennen sind. Insoweit ist Bellenger zuzustimmen: Die Compagnie des Eaux und die Compagnie d’Assurance contre les incendies waren einer staatlichen Aufsicht unterstellt worden. 4. Genehmigung der ersten société d’assurance sur la vie In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden in Frankreich nicht nur die ersten Feuerversicherungsgesellschaften, sondern auch die erste Lebensversicherungsgesellschaft gegründet. Diese soll nach Pouilloux der ersten „contrôle spécifique de l’État“ (spezifische Staatsaufsicht) unterstellt worden sein.480 Dass die erste contrôle bereits für die Feuerversicherungsgesellschaften eingerichtet wurde, konnte gerade nachgewiesen werden. Es wurde jedoch auch deutlich, dass die contrôle nicht systematisch, d. h. bestimmten Aufsichtsregeln und -prinzipien folgend, war. Insofern kommt man nicht umhin auch diese These eingehend anhand der Analyse des Genehmigungsaktes auf den Prüfstand zu stellen. Dieser Prüfung ist auch hier die Darstellung des Genehmigungsverfahrens vorgelagert. a) Arrêt vom 3. November 1787 Im Jahr 1787 hatte die Compagnie des Eaux erfolglos versucht, ihre Geschäfte auf eine „assurances des jouissance des rentes viagères“ (Versicherung des Dividendenanspruchs der Leibrente) auszuweiten. Noch bevor die Geschäftserweiterungspläne der Compagnie des Eaux an Breteuil weitergeleitet werden konnten, reichte am 10. Februar 1787 indes Beaufleury die „Mémoires et calculs relatifs à l’établissement d’une compagnie d’assurances sur la vie des hommes sous le nom de Jacques-Claude de Caux“481 ein. Nicht nur Beaufleury strebte die Gründung einer Lebensversicherungsgesellschaft an, sondern auch Clavière und Batz, Mitgründer der Compagnie d’assurance contre les incendies.482 Schließlich wurde mit Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787 der Compagnie d’assurances contre les incendies das Privileg übertragen, eine Lebensversicherungsgesellschaft zu eröffnen. Dieses Privileg sollte dem Unternehmen für 15 Jahre zustehen. Wettbewerbliche Konkurrenz

479 480 481 482

Vgl. Bellenger (2011), S. 83 f. Pouilloux (2011), S. 659. Arch. Nat. F12 798 C. Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 320; Pouilloux (2011), S. 521.

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war für diese Zeit ausgeschlossen.483 Mit dem Arrêt vom 3. November 1787 wurde somit gleichzeitig das Projekt von Beaufleury abgelehnt.484 Die Compagnie d’assurances contre les incendies erhielt das Recht der Bezeichnung Compagnie Royale d’assurances.485 aa) Genehmigungsprozess Obschon der Genehmigungsprozess in den meisten Fällen sehr lange Zeit dauerte, erfolgte die Genehmigungserteilung an die Compagnie Royale d’assurances zeitnah nach der Antragstellung.486 Die konkurrierenden Vorhaben hatten ein schnelles und überlegtes Vorgehen notwendig gemacht.487 Trotz der kurzen Dauer fand vor Genehmigungserteilung eine Prüfung des Projekts statt. Das Projekt von Beaufleury stand nach Einreichung unter intensivem staatlichen Einfluss. Der Minister Breteuil hatte sich über das Projekt lange mit Beaufleury beraten. Nachdem der Prospectus des Projekts erstellt und der Antrag auf Erlass eines dem Projekt entsprechenden Arrêt durch den Conseil du Roi gestellt war, verfasste Breteuil ein Gutachten zu dem Projekt. Alle Unterlagen wurden am 10. Mai 1787 der Academie de Sience übergeben, die das Vorhaben untersuchte und Stellung bezog. Ihre Meinung zu dem Projekt fiel positiv aus. Sie regte jedoch die Verringerung der Prämien an. Nachdem Beaufleury das Projekt im Sinne der Academie geändert hatte, wurde es Ende Juli 1787 an den Conseil du Roi weitergeleitet. Der Conseil du Roi folgte der Einschätzung der Wissenschaftler und Branchenkenner, dass der Nutzen einer assurance sur la vie für die breite Bevölkerungsschicht groß sei. Wahrscheinlich um diesen Nutzen zu bewahren, entschloss sich der Conseil du Roi dazu, die Genehmigung nicht einem Unternehmen oder gar mehreren Gesellschaften zu erteilen. Nur eine einzige Einrichtung oder Körperschaft, deren Gewinn der Öffentlichkeit vorbehalten waren, sollte mit der Umsetzung und Ausübung des Projekts betraut werden.488 Daher sollte ein privilège exclusif (exklusives Privileg) erteilt werden. Das Bureau de la ville erschien hierfür passend. Das Bureau de la ville setzte sich aus den Marchands et des Échevins zusammen. Es war ein Verwaltungsorgan der Stadt Paris, das die kommunale Verwaltung verantwortete und in diesem Bereich die Gerichtsbarkeit ausübte.489 Insofern wurde vermutet, das Bureau de la ville könne das Vertrauen der 483 Art. 1 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 531. 484 Pouilloux (2011), S. 522. 485 Art. 12 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533. 486 Vgl. Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 33. 487 Pouilloux (2011), S. 521. 488 Bouchary, in: Annales Historiques e la Révolution française (1939), 493; Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 320. Siehe auch Pouilloux (2011), S. 521; Gallix (1985), S. 260. 489 Cavel (2000), S. 2.

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Bürger in die Unternehmung stärken. Zur gleichen Zeit bemühte sich die Compagnie d’assurance contre les incendies vertreten durch Jacques Gesmes, der Adrien Labarthe als directeur abgelöst hatte, um die Übertragung des privilège exclusif.490 In Anpassung an den zweiten Geschäftszweig und zur Schaffung ausreichender Sicherheiten verpflichtete sich die Compagnie d’assurance contre les incendies zur Kapitalerhöhung und Bereitstellung bestimmter Sicherheiten.491 Der Garantiefonds sollte von acht Mio. liv. auf 16 Mio. liv. verdoppelt werden. Hiervon sollten 12 Mio. liv. für 15 Jahre im Trésor royal verbleiben. Ein Viertel des Nettogewinns musste an den König abgetreten werden. Vermutlich als Gegenleistung wurde der Titel „Compagnie Royale“ beantragt.492 Sowohl der König als auch das Bureau de la ville waren von dem Projekt überzeugt. Das Bureau de la ville behielt sich gleichwohl das Recht der Überwachung des Unternehmens und der vorherigen Prüfung jener der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Dokumente vor. Nachdem Breteuil dem Contrôleur Général am 27. Oktober eine abgeänderte Version des Projekts zukommen ließ, erfolgte die Enscheidung des Conseil des finances.493 Am 3. November 1787 folgte schließlich der Erlass des Arrêt des Conseil du Roi, unterzeichnet durch Louis XVI. und gegengezeichnet von Baron de Breteuil.494 Es wird mithin deutlich, dass, wie bereits bei Erlass der Genehmigungen der beiden ersten Feuerversicherungsgesellschaften, vor Genehmigungserteilung eine staatliche Prüfung stattfand. Auffallend ist hierbei das enge Zusammenwirken von Gründern, Wissenschaftlern und staatlichen Autoritäten während des Antrags- und Genehmigungsprozesses. bb) Genehmigungsgründe Die Gründe der Genehmigungserteilung sind vielseitig. Vermutlich waren verschiedene, insbesondere soziale sowie finanzielle Gründe für die Entscheidung maßgeblich.

490 Bouchary, in: Annales Historiques e la Révolution française (1939), 494; Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 320; Pouilloux (2011), S. 521 f. 491 Eingehend hierzu Bouchary, in: Annales Historiques e la Révolution française (1939), 494. 492 Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 320. 493 Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 320; Bouchary, Annales Historiques et la Révolution française (1939), 494. 494 Arrêt des Conseil d’Ètat du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 531 ff. Mit Arrêt vom 4. November 1787 schrieb der König die Zahlung von 6.000 liv. für den Betrieb einer assurance sur la vie unter dem Titel „droit de marc d’or“ (eine Art Steuer) fest, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533 f. Die Registrierung erfolgte am 4. Dezember 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 534. Der Abtretungsakt des Bureau de la ville an die Compagnie Royale erfolgte durch Arrêt vom 29. Juni 1788, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 534 ff.

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In dem Arrêt vom 3. November 1787 wird im Besonderen der soziale Nutzen der Lebensversicherung für die breite Bevölkerung hervorgehoben. Le Roi, s’étant fait rendre compte de la nature et des principes de divers établissements fondés en Europe, sous le nom d’assurances sur la Vie, a reconnu qu’ils renfermoient des avantages précieux; que, naturalisés en France, ils y seroient d’une grande utilité; qu’un nombre considérable d’individus de tout sexe, de tout âge y trouveroient la facilité de faire assurer sur leur vie, ou sur des termes de leur vie, des rentes ou des capitaux, soit pour euxmême dans leur viellesse, soit après eux, en faveur des survivants auxquels il voudroient laisser des ressources ou des bienfaits […].495 Der König hat, der Natur und den Prinzipien der verschiedenen in Europa unter dem Namen der Lebensversicherungen gegründeten Institute Rechnung tragend, erkannt, dass diese wertvolle Vorteile besitzen, dass, wenn in Frankreich eingeführt, sie dort von großem Nutzen sein würden, dass eine beträchtliche Anzahl von Individuen jeden Geschlechts und jeden Alters darin Gelegenheit fänden, ihr Leben mit Renten oder Kapital zu versichern, sei es zu ihren Gunsten für das Alter, sei es zu Gunsten ihrer Erben, welchen sie finanzielle Mittel oder eine Wohltat hinterlassen möchten […].

Die Lebensversicherung, insbesondere jene der niederen Schichten, wurde als Mittel der Vorsorge angesehen. Aus diesem Grund wird in der Literatur vertreten, die Compagnie Royale sei der Ursprung des sog. „état providence“ (Wohlfahrtsstaat, Sozialstaats).496 Die Vorsorge fiel in den Aufgabenbereich des Staates.497 Ewald meint, dass die Regierung mit Anerkennung der Versicherungskombinationen der Compagnie Royale daher eigentlich ihr eigenes Interesse, die Erfüllung der Vorsorgepflicht, verfolgte.498 Aber nicht nur der soziale, sondern auch der finanzielle Nutzen für die königlichen Finanzen hatte bei Genehmigungserteilung Beachtung gefunden.499 Die Compagnie Royale d’assurances hatte sich bereits mit Antrag am 6. Oktober 1787 zur Abgabe eines Viertels des Gewinns bereit erklärt.500 Die Abgabe hatte jährlich beim Trésorier général de la ville de Paris (Generalschatzmeister der Stadt Paris) zu erfolgen. Die hinterlegten Gelder sollten nach dem Willen des Königs für öffentliche Zwecke und für Kosten, die andernfalls der Trésor royale zu tragen hätte, verwendet werden. Es mutet jedoch an, die Abgabe sei ausschließlich Ge-

495 Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 531. 496 Ewald, L’État providence (1986), S. 197 ff. Vgl. Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 322. 497 Thiveaud, in: Colloque sur l’Histoire de la Sécurité Sociale (1990), S. 285. 498 Ewald, Der Vorsorgestaat (1993), S. 247. 499 „Sa Majesté n’a pas cru non plus devoir négliger l’utilité qu’elle pourroit retirer de cet établissement, dès-à-présent et dans l’avenir, pour ses finances.“ (Seine Majestät glaubte nicht mehr, den Nutzen, der aus dieser Einrichtung heute und in Zukunft für seine Finanzen erwächst, vernachlässigen zu können.) Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, zitiert aus: Pouilloux (2011), S. 532. Siehe auch Courcy, Revue de Paris: Littérature, histoire, philosophie, sciences, beaux-arts (1864), 4. 500 Art. 6 Soumission vom 6. Oktober 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 531.

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genleistung für das privilège exclusif gewesen.501 Überdies war die Solidität, mithin die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft, für den Conseil d’État wichtiges Kriterium, wie die Präambel des Arrêt indiziert.502 Die Verdopplung des Fonds der Compagnie d’assurance contre les incendies wie auch die Kapitalhinterlegung im Trésor Royale spielten bei der Genehmigungserteilung daher vermutlich eine wichtige Rolle.503 b) Privilège exclusif Auch wenn der Conseil d’État du Roi darlegte, weshalb die Genehmigung der Lebensversicherungsgesellschaft sinnvoll ist, bleibt die Frage offen, wie sich diese mit dem Verbot der assûrance sur la vie in Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnance de la Marine verträgt, galt doch die Ordonnance de la Marine (1681) auch noch im 18. Jahrhundert. Um diese Frage beantworten zu können, muss untersucht werden, was konkret Gegenstand der Genehmigung war. Durch Arrêt vom 3. November 1787 wurden die „assurances à prime fixe en cas de déces“ (Versicherungen zu Festprämien im Falle des Todes), „assurances à prime fixe en cas de survie“ (Versicherungen zu Festprämien im Falle des Überlebens), „assurances de rentes viagères“ (Versicherung der Leibrente) und „assurances de capitaux“ (Kapitalversicherungen) genehmigt. Die „assurance sur la vie“ war fortan im Arrêt vom 27. Juli 1788 eindeutig definiert. Unter Berücksichtigung der oben angestellten Beobachtungen wird somit klar, dass der im Arrêt vom 3. November 1787 angesprochene Vertrag namens „assûrance sur la vie“ von anderer Natur als der in der Ordonnance de la Marine als „assûrance sur la vie“ bezeichnete Vertrag war.504 Die Verschiedenheit der Verträge wird insbesondere mit Blick auf die verwendete neue Versicherungstechnik deutlich. Hierauf wurde im Arrêt vom 3. November 1787 ausdrücklich hingewiesen.505 Aber nicht nur der unterschiedliche Vertragsgegenstand spricht dafür, dass der Arrêt vom 3. November 1787 keinen Verstoß gegen Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnance de la Marine darstellt. Auch das Fehlen jeder Erwähnung des Verbots im Arrêt indiziert, dass von staatlicher Seite angenommen wurde, das Verbot gelte nicht für die genehmigte Institution.506 Welcher Meinung zu folgen ist, kann dahingestellt belassen werden, da nach Art. 13 Arrêt vom 3. No-

501 Art. 10 Arrêt des Conseil d’État du Roi du 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532. Vgl. auch Cochin (1865), S. 22; Ruffat, Financial history review (2003), 189. 502 Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi du 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532. 503 Art. 1, Art. 2 Soumission vom 6. Oktober 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 531. 504 So auch Grün/Joliat (1828), S. 415. 505 Sebire/Carteret (1846), Bd. 6, S. 383. 506 Courcy, Revue de Paris: Littérature, histoire, philosophie, sciences, beaux-arts (1864), 4.

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vember 1787 jede dem Inhalt des Arrêt entgegenstehende Regelung als widerrufen galt.507 Trotz der Tatsache, dass die Genehmigung nicht gegen das Verbot verstieß, bestanden Vorbehalte gegen Lebensversicherungsverträge in der Gesellschaft fort.508 Zur Verhinderung von Missständen sollte marktschädigende Konkurrenz vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Als geeignetes Mittel zum Ausschluss von schlechten Marktteilnehmern und zur Verhütung von durch betrügerische Geschäftsführer verursachten Missbräuchen wurde das privilège exclusif erachtet.509 Courcy bezeichnet das durch Arrêt vom 3. November 1787 erteilte privilège exclusif als „monument curieux et rare de bibliographie“ (ein erstaunliches und seltenes Denkmal).510 Es handelte sich um ein „privilège […] domanial“ (Staatsprivileg).511 Somit gehörte das durch privilège exclusif erteilte Recht dem Aufgabenbereich des Königs an. Es konnte ausschließlich mit Genehmigung des Königs ausgeübt werden.512 Das privilège exclusif brachte zum Ausdruck, dass die Kombinationen legal sind, das Unternehmen selbst und seine Geschäfte anerkannt sind und alle vorherrschenden Interessen berücksichtigt wurden. Das privilège exclusif kann damit nicht als Recht zur freien Gründung oder freien Geschäftsführung angesehen werden.513 Das privilège exclusif wurde zunächst dem Prévot des Marchand et Echevins de sa bonne ville de Paris eingeräumt.514 Das hierdurch eingeräumte Recht musste nicht selbst ausgeübt werden. Das privilège exclusif konnte auch für eine bestimmte Zeit an ein Versicherungsunternehmen übertragen werden.515 Pouilloux spricht in diesem Zusammenhang indes weniger von einer Übertragung als vielmehr von einer durch den König initiierten Rückübertragung des privilège exclusif.516 Die Compagnie des 507 Art. 13 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533. 508 Vgl. Ruffat, in: Nùñez (1998), S. 60; ders., Financial history review (2003), 189. 509 Vgl. Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532; Prospectus vom August 1788, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 299 f. Vgl. auch Ruffat, in: Nùñez (1998), S. 60; ders., Financial history review (2003), 189. 510 Courcy, Revue de Paris: Littérature, histoire, philosophie, sciences, beaux-arts (1864), 5. 511 Art. 1 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532. Vgl. auch den Bericht von Hauterive vor dem Conseil d’État (November 1808), zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337. 512 Vgl. Dictionnaire général d’administration (1849), S. 92. 513 Vgl. Bericht von Hauterive vor dem Conseil d’État (November 1808), zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337. 514 Art. 1 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, in: Pouilloux (2011), S. 532; Thiveaud, in: Colloque sur l’Histoire de la Sécurité Sociale (1990), S. 286. 515 Vgl. so den Bericht von Hauterive vor dem Conseil d’État (November 1808), zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337; Thiveaud, in: Colloque sur l’Histoire de la Sécurité Sociale (1990), S. 286; Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 320. 516 Pouilloux (2011), S. 522.

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assurances contre les incendies erhielt das Recht sich „Royale“ zu nennen. Gleichzeitig blieb sie unter der Verwaltung des Ministers und musste Zahlungen an den Staat tätigen. Wenngleich das privilège exclusif und der Ausschluss jeder Konkurrenz mehrfach517 verteidigt wurden, muss an dessen Geltung gezweifelt werden. Am 5. April 1788 erhielt Feuchères Pierre-François, beauftragt von Panchaud, die Genehmigung zur Gründung der Chambre d’accumulation de Capitaux et d’Intérêts composés.518 Erst auf Antrag der Compagnie Royale d’assurances wurde der Arrêt vom 5. April 1788, welcher das durch Arrêt vom 9. November 1787 erteilten privilège exclusif, wenn auch nur geringfügig, beschnitt,519 widerrufen. Das privilège exclusif der Compagnie Royale d’assurances wurde bestätigt. Jedes wettbewerbliche Einschreiten, insbesondere jenes Feuchères, wurde für die Dauer von 15 Jahren verboten.520 c) Contrôle spécifique de l’État Die Übertragung des privilège exclusif war an die Erfüllung und Einhaltung bestimmter Regeln gebunden: Es mussten verschiedene finanzielle Sicherheiten bereitgestellt werden. Betriebsbestimmungen, Verträge und Tarife hatten vom Staat geprüft und genehmigt zu werden. Der laufende Geschäftsbetrieb war sogar der dauerhaften Kontrolle durch vom König ernannte Amtsträger zu unterstellen.521 Diese Regeln erinnern Pouilloux an Vorschriften, die auch noch heute genehmigungspflichtigen Unternehmen auferlegt werden.522 Weil diese Regeln jedoch nicht ausreichend untersucht sind, ist es unmöglich, die Beobachtung Pouillouxs nachzuvollziehen. Die nachfolgende Analyse soll diesem Missstand abhelfen.

517 Vgl. Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, in: Pouilloux (2011), S. 532; Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 4. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533 f.; Acte d’enregistrement de l’Arrêt vom 3. November 1787 beim Greffe de l’Hôtel de Ville de Paris vom 4. Dezember 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 534. 518 Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 321; Pouilloux (2011), S. 522. 519 Vgl. hierzu Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 321. 520 Art. 1, Art. 2 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 27. Juli 1788, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 539 f. Vgl. auch Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 321; Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 497 ff. 521 Pouilloux (2011), S. 659. Siehe auch Kimball/Pfennigstorf, S. 33; Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 172. 522 Pouilloux (2011), S. 659.

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aa) Solvabilitätsvorschriften und Betriebsbestimmungen Die Solidität des Unternehmens sollte durch ausreichend finanzielle Mittel sichergestellt werden.523 Daher schrieb der Arrêt die Einrichtung eines Depots von acht Mio. liv. für die Lebensversicherung vor. Wie bei Antragstellung angegeben sollte durch das Depot der Lebensversicherung und das Depot der Feuerversicherung ein Fonds von 16 Mio. liv. gebildet werden. Die Depots dienten jeweils als Sicherheit der Erfüllung der Verbindlichkeiten aus Feuer- und Lebensversicherungsverträgen.524 Der Fonds war in einer Eisenkasse im Hôtel de Ville der Stadt Paris zu hinterlegen. Vier Mio. liv. verblieben dort dauerhaft. Der Rest musste in Schuldbriefe des Trésor Royale angelegt werden.525 Die Depots waren auf den dauerhaften Bestand ausgerichtet. Kapital, das zur Erfüllung der Verbindlichkeiten dem Depot entnommen wurde, musste innerhalb eines Monats zurückerstattet werden.526 Mithin wurden Vorschriften zur Solvabilität des Unternehmens erlassen. Vergleichbare Regelungen waren, wie im vorangehenden Abschnitt aufgezeigt, bereits für die Compagnie d’Assurance contre les incendies geschaffen worden.527 Detaillierte Bestimmungen für den Geschäftsbetrieb der Compagnie Royale d’assurances, insbesondere der internen Verwaltung, enthielt der Arrêt vom 3. November 1787 nicht. Auch Vertragsbedingungen und Tarife waren nicht erfasst. Die Compagnie Royale d’assurances war zur Schaffung eigener Regelungen ermächtigt und verpflichtet. Die Vorschriften mussten jedoch vom König genehmigt werden.528 Zu diesem Zwecke wurde dem Bureau de la ville im Januar 1788 der von dem Geschäftsführer Clavière und dem Mathematiker Duvillard verfasste Prospectus vorgelegt.529 Der Umfang des Prospectus war groß, die darin enthaltenen

523 Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, in: Pouilloux (2011), S. 532. Vgl. auch den Bericht von Hauterive vor dem Conseil d’État (November 1808), zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337. 524 Art. 3, Art. 6 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532 f. 525 Art. 5 Arrêt des Conseil État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532 f. Siehe auch Hendriks, in The Assurance Magazine and Journal of the Institute of Actuaries (1854), Bd. 4, No. 4, S. 351. 526 Art. 7 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533. 527 Vgl. Art. 5 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527; Art. 6 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 6. November 1786, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 527. Vgl. auch Bellenger (2011), S. 94. 528 Art. 9 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533; Art. 8 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533. 529 Bouchary, Annales Historiques de la Révolution française (1939), 497; Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 321.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

Vorschriften detailliert.530 Er enthielt neben Versicherungsbedingungen auch allgemeine Regelungen, welche ausdrücklich die Sicherheit und den dauerhaften Nutzen des Unternehmens gewährleisten sollten.531 Zum Beispiel musste bei Vertragsschluss ein guter gesundheitlicher Zustand durch ärztliches Attest nachgewiesen werden.532 Durch einen zweiten Arrêt vom 27. Juli 1788 wurde der getrennte Betrieb von Feuer- und Lebensversicherung geregelt. Die Spartentrennung im Bereich der Lebensversicherung ist auch heute noch ein wesentliches Grundprinzip.533 Das nach der Trennung autonome Lebensversicherungsunternehmen wurde Compagnie Royale genannt.534 Diese Bezeichnung soll daher im Folgenden ausschließlich für den Geschäftsbereich der Lebensversicherung verwendet werden. Wegen der unterschiedlichen Natur und verschiedener Interessen des Feuer- und Lebensversicherungszweiges mussten seither finanzielle und organisatorische Belange strikt getrennt voneinander behandelt werden. Die Solvabilitätsvorschriften wurden novelliert und ergänzt, insbesondere durch Regelungen zur Anlage des Fonds.535 Es kann angenommen werden, dass durch diese Maßnahmen die gute finanzielle wie organisatorische Verfassung der nun unabhängigen Unternehmen gewährleistet werden sollte. Auf die Problematik der Solidität einer Gesellschaft mit zwei unterschiedlichen Geschäftszweigen hatte der Journalist und Publizist Brissot bereits bei dem Projekt der Compagnie des Eaux de Paris hingewiesen.536 Seine Einschätzung zum gemeinsamen Betrieb zweier Versicherungssparten ist auch heute noch korrekt. Durch eine getrennte Behandlung zweier unterschiedlicher Versicherungssparten soll verhindert werden, dass die Reserven für Investitionen oder Unterstützungsmaßnahmen von Geschäften, die außerhalb des Versicherungsverhältnisses liegen, verwendet werden, könnte hierdurch doch die Erfüllbarkeit der Verbindlichkeiten gefährdet werden. Daher sei die getrennte Behandlung verschiedener Versicherungssparten neben der Kommunikationspflicht von Buchhaltungsunterlagen nach Ruffat Grundprinzip der surveillance.537 Folgt man dieser Überlegung, könnten Ansätze einer contrôle financier bereits im Arrêt vom 27. Juli 1788 geregelt sein.

530 Hendriks, The Assurance Magazine and Journal of the Institute of Actuaries (1854), Bd. 4, No. 4, S. 351. 531 Prospectus vom August 1788, in: Pouilloux (2011), S. 301. Vgl. auch Art. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 4 Prospectus vom August 1788, in: Pouilloux (2011), S. 302 f. 532 Prospectus vom August 1788, in: Pouilloux (2011), S. 301. 533 Vgl. § 62 Abs. 4 VAG. 534 Hamon (1895), S. 43. 535 Art. 1 – Art. 10 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 27. Juli 1788, in: Pouilloux (2011), S. 541 f. Vgl. Auch Hendriks, The Assurance Magazine and Journal of the Institute of Actuaries (1854), Bd. 4, No. 4, S. 351; Hubrecht, VersArch 1958, S. 361; Ruffat, financial history review 2003, 188. 536 Vgl. „Lettre à M. le Comte de S*** sur un projet de Compagnie d’Assurance contre les incendies à Paris“, zitiert in: Pouilloux (2011), S. 490, 491 ff. 537 Ruffat, in: Núñez (1998), S. 66.

V. Assurances terrestres

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Obschon es sich bei den beiden Geschäftsbereichen der Compagnie Royale d’assurances um zwei Versicherungszweige, folglich um denselben Wirtschaftszweig handelte, zeigt sich, dass die Solidität der Compagnie d’Assurance contre les incendies und der Compagnie Royale für wichtig und daher für regulierungsbedürftig empfunden wurde. Insofern ist nicht verwunderlich, dass im Arrêt vom 3. November 1787 insbesondere Solvabiliätsvorschriften geschaffen wurden. Bereits der Arrêt vom 20. August 1786 und der Arrêt vom 6. November 1786 hatten ähnliche Vorschriften enthalten. Auch das modernen französische Versicherungsaufsichtsrecht fordert noch heute zum Erhalt der „agrément“ (Erlaubnis) vergleichbare Regelungen: Die Schaffung eines ausreichenden Fonds, die Kommunikation der Versicherungsbedingungen und der Tarife sowie die Einrichtung einer effektiven corporate governance.538 Insofern kann Pouillouxs Einschätzung beigepflichtet werden: Der Arrêt vom 3. November 1787 und der Arrêt vom 27. Juli 1788 schrieben Regelungen vor, die auch heute noch Versicherungsgesellschaften zum Erhalt der Erlaubnis einzuhalten haben. Im Fortgang der Untersuchung wird man überdies erkennen, dass diese Regelungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gängige Genehmigungspraxis wurden: Solvabilitätsvorschriften mussten vor Genehmigung erfüllt und während des Geschäftsbetriebs eingehalten werden. Die Sparten waren getrennt zu betreiben. Auch fand eine Aufsicht vor Genehmigung durch Prüfung der zur Genehmigung eingereichten Dokumente durch verschiedene staatliche Organe und während des Geschäftsbetriebs, wenn auch ineffektiv, durch Commissaires statt.539 bb) Überwachung durch Commissaires Während des Genehmigungsprozesses hatte, wie beschrieben, eine eingehende Prüfung des Projekts stattgefunden. Die staatliche Aufsicht erschöpfte sich indes nicht nur darin. Auch der laufende Betrieb sollte unter Aufsicht gestellt werden. Um unter Berücksichtigung aller Interessen das Vertrauen zu stärken, wurde neben einer „administration publique“ (öffentlichen Verwaltung) eine „surveillance“ (Überwachung) eingerichtet.540 Dem Bureau de la Ville de Paris wurde die Aufgabe der „inspections perpétuelle“ (dauerhafte Inspektion) übertragen. Die Überwachung umfasste die Verwaltung und die Erfüllung der Verpflichtungen des Unternehmens.541 Zur Ausführung ernannte der König als sog. „Commissaire particuliere“ (spezieller Kommissar) den Procureur

538

Bigot (3. Aufl. 2011), S. 521 ff. Vgl. D. III. 1. 2. a) b), 3 (S. 144ff., 146 ff., 148 ff., 151 ff.). 540 Präambel Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532. 541 Art. 2 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532. 539

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

du Roi et de la Ville de Paris542. Dieser sollte an Generalversammlungen und an besonderen Ausschüssen der Geschäftsführung teilnehmen, über Register und Beratungen informieren sowie einstweilige Verfügungen und alle sonstigen Anträge vornehmen. Auch hatten der Commissaire auf Anforderung den Prévôt des Marchands et Echevins und den Ministre et Secrétaire d’État (Minister und Staatssekretär) zu unterstützen.543 Zudem wurde ein Commissaire zur Überwachung des Depots während des Geschäftsbetriebs des Unternehmens eingesetzt.544 Die Kosten der Überwachung trug nicht der Staat. Eine kostenfreie Überwachung hätte die finanzielle Situation des Staates nicht zugelassen.545 Es wird vermutet, dass die jährliche Gewinnabgabe für die Kosten einer effektiven Überwachung verwendet werden sollte.546 An der Effektivität der Überwachung kann indes gezweifelt werden, wurden doch Vorschriften des Arrêt vom 3. November 1787 nur verzögert oder unzureichend eingehalten. Obwohl das Bureau de la Ville nach Prüfung und Genehmigung des Prospectus Ende Januar 1788 unverzüglich dessen Veröffentlichung und damit die Angabe der Kalkulationen, des Policemodels und der gegenseitigen Verbindlichkeiten von Versicherer und Versicherten forderte, wurde der Prospectus erst im August 1788 veröffentlicht.547 Ebenso wurde nicht sogleich das gesamte als Sicherheit für die Erfüllung der Verbindlichkeiten vorgesehene Kapital (acht Mio. liv.) bereitgestellt. Am 27. Juli 1788 war erst ein Teil des Betrags hinterlegt.548 Allgemein befand sich die Compagnie Royale in finanziellen Schwierigkeiten.549 Dies förderte nicht nur den Unmut der Regierung, sondern auch Kritik von verschiedenen Akteuren im Versicherungswesen.550 Unabhängig von der Ineffektivität steht die Tatsache, dass die Grundzüge einer Überwachung während des laufenden Geschäftsbetriebs erstmals durch Arrêt geregelt wurden. In Zusammenschau mit den im vorangehenden Abschnitt untersuchten Solvabiltiätsvorschriften, Betriebsbestimmungen, etc. kann damit behauptet werden, dass für die Compagnie Royale eine contrôle spécifique de l’État einge542

Definition in Delaporte (1807), S. 578 ff. Art. 2 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 532. 544 Art. 7 Arrêt des Conseil d’État du Roi vom 3. November 1787, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 533. 545 Thiveaud, in: Colloque sur l’Histoire de la Sécurité Sociale (1990), S. 286. 546 So Hauterive in dem Bericht vor dem Conseil d’État (November 1808), zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337. 547 Bouchary, Annales Historiques de la Révolution française (1939), 497; Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 321; Pouilloux (2011), S. 522. 548 Lüthy (1961), Bd. 2, S. 712, 713, Fn. 23. Eingehend hierzu auch Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 502 f. 549 Eingehend hierzu Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 502 ff. 550 Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 322. 543

V. Assurances terrestres

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richtet wurde. Diese war erstmals in einem Arrêt geregelt. Insofern wurde die Grundlage einer systematischen Aufsicht gelegt. Dieses Ergebnis entspricht mit der Einschränkung, dass bereits die Feuerversicherungsgesellschaften einer Aufsicht unterstellt waren, der These Pouillouxs. 5. Zusammenfassung Die Entwicklung der assurances terrestres erfolgte später als jene der assurances maritimes. Anders als für den Feuerversicherungszweig ist dies für den Lebensversicherungszweig auf ein in der Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnance de la Marine normiertes Verbot zurückzuführen. Dieses Verbot hatte nicht nur Auswirkungen auf die Entwicklung der Lebensversicherung, sondern auch auf die Lebensversicherungsgesetzgebung, so z. B. Art. 334 Code de Commerce. Ebenso wirkte sich das Verbot auf die Tontine aus, welche als Alternativprodukt Zulauf fand. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden die erste Lebensversicherungsgesellschaft wie auch die ersten beiden Feuerversicherungsgesellschaften gegründet. Die Compagnie Royale hatte ein privilège exclusif erhalten, welches das zeitlich begrenzte Recht verlieh, ohne Konkurrenz das Lebensversicherungsgeschäft zu betreiben. Die ersten Feuerversicherungsgesellschaften hatten ein solches privilège nicht inne. Im Übrigen unterlagen beide Versicherungszweige wesentlich gleichen Regelungen, insbesondere gleichen Solvabilitätsvorschriften. Die ersten Feuerversicherungsgesellschaften unterstanden der Überwachung des Staates. Hierfür eingesetzte Commissaires hatten die Solvenz sowie die Verwaltung zu überwachen. Auch der laufende Betrieb der ersten Lebensversicherungsgesellschaft wurde durch Commissaires particulaires überwacht. Es wurde sowohl für die Feuerversicherungsgesellschaften als auch für die Lebensversicherungsgesellschaft eine contrôle a priori und eine contrôle permanent eingerichtet. Dass letztere wenig effektiv war, ist für den Befund, dass die ersten Feuer- und Lebensversicherungen der contrôle par l’État unterstellt waren, unerheblich. Der Arrêt vom 3. November 1787 enthielt sogar Ansätze einer ersten systematischen Aufsicht, da in diesem erstmals versicherungsaufsichtsrechtliche Grundprinzipien schriftlich festgesetzt worden waren.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

VI. Entwicklung versicherungsaufsichtsrechtlicher Grundprinzipien Nach der vorangegangenen historischen Analyse kann nun auf die zu Beginn des Kapitels aufgeworfenen Frage nach den Anfängen der Versicherungsaufsicht in Frankreich eingegangen werden. Erste versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen, wie z. B. die Kontrolle von Seeversicherungsverträgen, konnten in der Zeit vor dem 17. Jahrhundert ausfindig gemacht werden. Welche Regelungen konkret die Wurzeln der Versicherungsaufsicht bildeten, ist auch nach der intensiven Untersuchung des Versicherungswesens während des Ancien Régime aus genannten Gründen – die lokal unterschiedliche Versicherungspraxis und die schlechte Quellenlage – nicht abschließend klar. Insofern sind fehlende Angaben in der Sekundärliteratur nachvollziehbar. Forschungsbedarf besteht hier zweifelsohne weiterhin. Eine eingehende Forschung in diesem Bereich kann jedoch vernünftigerweise nur für jeden Versicherungsstandort gesondert erfolgen. Die weitere Erforschung fordert somit die intensive Forschung in lokalen Archiven. Spätestens Ende des Ancien Régime waren jedoch verschiedene, einzelne für bestimmte Versicherungsgesellschaften geschaffene Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur vorhanden. Hierzu zählen insbesondere Solvabilitätsvorschriften, wie z. B. die Kapitaleinlage, die Reservenbildung, die Kapitalanlage oder die Spartentrennung. Diese wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst zur gängigen Praxis und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts teils sogar zur Gesetzgebung, wie sich in der weiteren Untersuchung zeigen wird. Damit können die Ursprünge einzelner versicherungsaufsichtsrechtlicher Regelungen in verschiedenen Vorschriften des Ancien Régimes gefunden werden. Aber auch Ansätze ganzer Aufsichtssystem waren bereits während des Ancien Régime angelegt, so z. B. die sich erst während des 19. Jahrhunderts entwickelnden Systeme „régime d’autorisation“ und „régime d’autorisation et de la surveillance“. Sogar die Anlage einer moderne contrôle juridique oder contrôle financier konnten bei der Untersuchung ausgemacht werden. Gleichwohl bildet die Gesamtheit der versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen während des Ancien Régime noch kein einheitliches Aufsichtssystem. Dies ist mit der Uneinheitlichkeit der verwendeten Aufsichtsmittel und der Ungleichheit verfolgter Aufsichtszwecke zu begründen. Die für die assurances terrestres Ende des Ancien Régime festgestellten Übereinstimmungen können in einer Gesamtschau des Ancien Régime zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Versicherungsaufsicht während des Ancien Régime ist damit heterogen. Dies zeigt sich insbesondere mit Blick auf den Lebensversicherungszweig. Der Lebensversicherungsvertrag nahm von Beginn an im Bezug auf die vom Staat gewählten Aufsichtsmittel und Aufsichtszwecke eine regulatorische Sonderrolle ein. Wie sich im Laufe der Untersuchung zunehmend verdichten wird, ist dies eine traditionelle Rolle, die der Le-

VII. Zusammenfassung

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bensversicherung im Ancien Régime gegeben wurde. Insofern wird jedoch auch deutlich, dass die Versicherungsaufsicht bereits im Ancien Régime in Ansätzen zweigbezogen erfolgte. Eine aufsichtsrechtliche Trennung verschiedener Zweige, wenn auch nicht von assurances maritimes und assurances terrestres, sondern von assurances-vie (Lebensversicherungen) und assurances non-vie (Nicht-Lebensversicherungen) wurde später durch Gesetz vom 24. Juli 1867 gesetzlich festgelegt.551 Abschließend kann damit festgehalten werden, dass, auch wenn kein einheitliches Versicherungsaufsichtssystem im Ancien Régime bestand, dieses die Grundlage für später folgende Systeme legte. Denn bereits aus den für die assurances terrestres Ende des Ancien Régime erlassenen Arrêts lassen sich erste wichtige versicherungsaufsichtsrechtliche Prinzipien ableiten. Wie sich diese Prinzipien im weiteren geschichtlichen Verlauf entwickelten, wird das nächste Kapitel zeigen.

VII. Zusammenfassung I. Die verschiedenen Maßnahmen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur bildeten im Ancien Régime kein einheitliches Aufsichtssystem, da die Aufsicht der assurances maritimes und assurances terrestres unterschiedlich gestaltet war. Dies hängt nicht zuletzt mit den unterschiedlichen Entwicklungsstufen des Versicherungswesens während des Ancien Régime zusammen. Insofern musste die Untersuchung in zwei Phasen untergliedert werden. Die erste Phase beginnt mit den frühen Anfängen des französischen Versicherungswesens. Die zweite mit Erlass der Ordonnance du Commerce (1673) und der Ordonnance de la Marine (1681) und der Gründung erster Versicherungsgesellschaften. Grob kann damit das 17. Jahrhundert als Trennlinie beider Phasen bestimmt werden. II. Vor dem Ende des 17. Jahrhunderts existierte keine Kodifizierung des Versicherungsvertrags. Nur einzelne staatliche Regelungen mit Bezug zu Versicherungen und einzelne Regelungen für lokale Versicherungsplätze waren vorhanden. Überwiegend erschöpften sich aufsichtliche Maßnahmen in gewohnheitsrechtlichen Regelungen einzelner Versicherungsplätze. Auch wenn diesen ein regulatorischer Wille beizumessen ist, kann von einer umfassenden Regulierung des Versicherungswesens nicht gesprochen werden. Der fehlende staatliche Regulierungswille kann mit der lokal unterschiedlichen Versicherungspraxis, der bis dahin geringen Bedeutung des Versicherungswesens für die französische Wirtschaft und Volkswirtschaft sowie die noch einfache Form bzw. Organisation von Versicherungsgeschäften in Frankreich begründet werden. Wegen der lokalen Unterschiede waren auch die Probleme und Fragestellungen unterschiedlich. Dies könnte erklären, weshalb eine all jene unterschiedlichen Versicherungspraktiken umfassende Regulierung fehlte. Regelungsbedarf bestand auch nicht zwingend, war die Bedeutung der Versicherung doch zu gering. Da das Versicherungswesen noch nicht ausreichend 551

Vgl. S. 180 ff.

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

entwickelt war, nahm die Regierung diese wohl nicht als eigenständige Regelungsmaterie wahr. Missstände, die in der Organisation der Versicherungsgesellschaften begründet liegen, existierten gerade mangels solcher Einrichtungen nicht. Die frühen Anfänge der Versicherung in Frankreich erfuhren daher weitestgehend keine staatliche Einmischung. Dies bedeutet indes nicht, dass in den frühen Anfängen des Versicherungswesens keine Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur vorhanden waren. Diese hier abschließend zu benennen, fällt freilich schwer. Hierfür sind mehrere Gründe auszumachen. Zum einen war die Versicherungspraxis lokal unterschiedlich gestaltet. Insofern hatten auch Aufsichtsmaßnahmen meist nur lokale Geltung und müssen für jede Stadt gesondert untersucht werden. Zum anderen ist die Quellenlage schlecht. Doch existieren, wie in diesem Kapitel exemplarisch gezeigt wurde, einige Vorschriften, denen sowohl wegen der Wahl des regulatorischen Mittels als auch wegen ihrer Zielsetzung eine versicherungsaufsichtsrechtliche Natur beizumessen ist. Diese waren ausnahmslos auf den Versicherungsvertrag und Personen, die mit dessen Abschluss und Abwicklung in Verbindung standen, bezogen. Erwähnt sei an dieser Stelle ausdrücklich die Kontrolle der Seeversicherungsverträge durch Notaires, Tabellions und Greffiers. Diese erinnert an Maßnahmen der contrôle juridique. Insofern konnte festgestellt werden, dass der Staat bereits vor dem 17. Jahrhundert in das noch junge Versicherungswesen regulierend eingriff. Abweichend von einem Großteil der Literatur kann daher festgehalten werden, dass Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur bereits vor der Ordonnance de la Marine (1681), sogar vor dem 17. Jahrhundert und damit gewiss auch vor dem 18. Jahrhundert in Frankreich vorzufinden waren. III. Versicherungsgesetzgebung existierte erst mit Schaffung der Ordonnance de la Marine. Diese regelte nur den Versicherungsvertrag, nicht jedoch die Versicherungsgesellschaften. Neben der Ordonnance de la Marine (1681) bildete daher die Ordonnance de commerce (1673) die Rechtsquelle versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen. Die hierin normierte Registrierungs- und Publikationspflicht wurde indes faktisch nicht eingehalten. Auch lokale Genehmigungspflichten fanden von der Praxis keine Beachtung. Für diese Untersuchung waren jedoch nicht allein die beiden unter Colbert geschaffenen Ordonnances, sondern insbesondere die königlichen Édits bzw. die Arrêts des Conseil d’État du Roi zur Gründung von Versicherungsgesellschaften von Interesse. Die Dominanz von königlichen Einzelfallregelungen ist mit der fehlenden Kodifikation der sociétés d’assurances und der société par actions erklärbar. Anders als zuvor knüpften aufsichtsrechtliche Maßnahmen damit nicht mehr an den Versicherungsvertrag oder daran beteiligten Personen, sondern an Versicherungsgesellschaften. IV., V. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen gestalteten sich für die sociétés d’assurances maritimes und sociétés d’assurances terrestres nicht wesentlich unterschiedlich. Die Entwicklung der assurances maritimes wurde jedoch von Beginn an, anders als jene der assurances terrestres, gefördert.

VII. Zusammenfassung

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Während des Ancien Régime wurde der französische Gesetzgeber auf drei verschiedene Arten im Seeversicherungswesen regulatorisch tätig. Zunächst wurde verschiedenen lokalen Vereinigungen die Erlaubnis erteilt ihr Versicherungsgeschäft zu betreiben. Unter Colbert war die Gründung einer compagnie d’assurance maritime Handelspolitik. Durch Édit vom 31. Mai 1686 wurde daher die erste Seeversicherungsgesellschaft, die Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France, gegründet. Ihr wurde ein Monopol eingeräumt. Hierdurch unternahm der französische Staat den Versuch der Zentralisierung des Versicherungswesens, welcher jedoch wie auch der vorangehende Versuch der Verstaatlichung scheiterte. Nach Ende der Herrschaft Louis XIV. griff der Staat nicht mehr nennenswertes in das Seeversicherungswesen ein. Worauf dies zurückzuführen ist, etwa Desinteresse oder Liberalität, ist nicht bekannt. Eine andere, viel spätere Entwicklung hatten die assurances terrestres durchlaufen. Dies hängt zumindest im Fall der Lebensversicherung – unabhängig von der Einordnung der Natur des in Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnance de la Marine verbotenen Vertrags – mit staatlicher Regulierung zusammen. Der Staat hatte mit dem Verbot der assurance sur la vie aus moralischen Gründen das stärkste Eingriffsmittel gewählt. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurden erste Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften genehmigt. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen während des Ancien Régime waren, mit Ausnahme des Verbots der assûrance sur la vie in der Ordonnance de la Marine, weitgehend den Genehmigungsakten und diese ergänzenden Regelungen zu entnehmen. Eine Genehmigungspflicht für Versicherungsgesellschaften bestand, entgegen dem von der Sekundärliteratur gezeichneten Bild, nicht. Sie war indes lediglich gängige Praxis für sociétés par actions. Die Genehmigungsakte der untersuchten Versicherungsunternehmen enthielten stets Solvabilitätsvorschriften. Solche waren bereits im Édit vom 31. Mai 1686 (Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France) vorhanden. Auch Regeln der staatlichen Tontine hatten schon im 17. Jahrhundert neben dem Zweck der Transparenz den der finanzielle Solidität verfolgt. Die in den Genehmigungs-Arrêts der ersten Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften enthaltenen Solvabilitätsvorschriften wurden zur Praxis und später sogar teils zur Gesetzgebung. Die Betriebsbestimmungen, Versicherungsbedingungen sowie Tarife der Compagnie Royale mussten genehmigt werden. Für die Compagnie d’Assurance contre les incendies wurden auch Publizitätsvorschriften geschaffen. Dies erlaubte eine Überwachung durch die Versicherten. Darüber hinaus wurden sowohl die Feuerversicherungsgesellschaften als auch die Lebensversicherungsgesellschaften der laufenden Überwachung durch Commissaires unterworfen. Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften waren einer contrôle a priori und einer contrôle permanent unterstellt. Für beide wurde damit die contrôle par l’État eingerichtet. Die historische Analyse von Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur hat gezeigt, dass durchaus gewisse Gemeinsamkeiten, so z. B. die in den Genehmigungsakten vorgeschriebenen Solvabilitätsvorschriften, vorlagen. Gleichwohl

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B. Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime

bildeten diese in einer versicherungsaufsichtsrechtlichen Gesamtschau kein einheitliches Versicherungsaufsichtssystem, waren Mittel und Zwecke der Versicherungsaufsicht doch während des Ancien Régime nicht einheitlich. Die Anlagen für Versicherungsaufsichtssysteme waren jedoch im Ancien Régime zu finden. Auch die Ursprünge einzelner Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur lagen im Ancien Régime. Ende des Ancien Régime hatten sich sogar bereits versicherungsaufsichtsrechtliche Prinzipien entwickelt, die auch noch heute bei Erlaubniserteilung Beachtung finden. Am Ende des zweiten Kapitels steht damit das Ergebnis, dass die Wurzeln der französischen Versicherungsaufsicht im Ancien Régime liegen. Freilich kann dies erst im Laufe der weiteren Untersuchung, folglich in Kenntnis des weiteren Entwicklungsverlaufs der Versicherungsaufsicht, abschließend behauptet werden.

C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur I. Stigmatisierung der Versicherungsgesellschaft Die Französische Revolution begann 1789 und endete 1799.1 Sie brachte einschneidende politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen mit sich.2 Einen konkreten Auslöser der Revolution auszumachen ist unmöglich. Die Französische Revolution ist nur mit der Kumulation verschiedener Umstände, wie dem Staatsbankrott und der Teuerungskrise3, politischer und gesellschaftlicher Spannungen4 und dem Aufkommen neuer Ideologien5 erklärbar.6 Die Ursachen und der Verlauf der Revolution sollen an dieser Stelle nicht näher erläutert werden. Der Fokus dieses Kapitels liegt auf der Untersuchung des Versicherungswesens während der Revolution. Der darstellende Teil wird daher umfangreich gestaltet sein, bildet er doch die Grundlage der Untersuchungen der weiteren Entwicklung der französischen Versicherungsaufsicht. Ferner dient die Darstellung dem besseren Verständnis der im vorliegenden Kapitel analysierten revolutionären Maßnahmen. Um die Motivation hinter den verschiedenen revolutionären Maßnahmen nachvollziehen zu können, muss die gesellschaftliche Stellung des Versicherungswesens während der Französischen Revolution betrachtet werden. Versicherungen waren bereits im Vorfeld, aber auch noch während der Französischen Revolution Bestandteil zweier wichtiger Diskurse: 1. Der Diskurs um die Agiotage. 2. Der Diskurs um die Vorsorge.

1 Eingehnd zur Französischen Revolution Fantin-Desodoards, Histoire philosophique de la Révolution de France (1797), Bd. 1, Bd. 2; ders. (1806), Bd. 3, Bd. 4; Toulongeon, Histoire de France, depuis la révolution de 1789 (1801), Bd. 1, Bd. 2; ders. (1803), Bd. 3; ders. (1810), Bd. 4, Bd. 6; ders. (1806), Bd. 5; Mignet (1938), Histoire de la Révolution Française; Rabout, Almanach historique de la Révolution française pour l’année 1792 (1792); Schulin (5. Aufl. 2013), S. 59 ff., 202 ff. 2 Müller-Lutz/Rehnert (1995), S. 285. 3 Eingehend zur Papiergeldinflation und der Geldpolitik vor und während der Revolution in Bonney, in: Bonney (1995), S. 347 ff. Vgl. auch Wiedenlübbert (2001), S. 12 f. 4 Eingehend hierzu Szramkiewicz/Bouineau (4. Aufl. 1998), S. 34 ff., 79 f. 5 Hierzu Duguit (1911), Bd. 2, S. 508 ff. 6 Furet (1981), S. 20 ff.; Wiedenlübbert (2001), S. 12. Vgl. auch Schulin (5. Aufl. 2013), S. 133 ff.; Barnave (1960), S. 1 ff.

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C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

1. Diskurs um die Agiotage Die Revolution war geprägt von der in der Literatur als „lutte contre l’agiotage“ (Kampf gegen die Agiotage) bezeichneten Bewegung.7 Mirabeau spricht auch von der „dénonciation de l’agiotage“ (Denunzierung der Agiotage).8 Gemeint ist die Stigmatisierung unredlicher Spekulation.9 Die Agiotage wurde für die staatliche Finanz- und Wirtschafskrise verantwortlich gemacht.10 Sie wurde daher zum Feindbild der Revolution.11 Dies zeichnet sich an der Wortentwicklung12 von „agiotage“ ab. Der Begriff leitet sich vom Italienischen „agio“ ab. Das Wort wurde ursprünglich für „Kursgewinne am Finanzmarkt“, „Bankprovision“ oder „Aufgeld“ verwendet. Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelten sich in der französischen Sprache daraus „agiotage“ und „agioteur“. Die Begriffe waren zunächst Fachbegriff für „Börsenspekulation“ und „Börsenspekulant“. Dies änderte sich Ende des 18. Jahrhunderts als die Begriffe „agiotage“ und „agioteur“ fortan überwiegend negativ in der politischen Sprache verwendet wurden. Während der Revolution verwendete man den Begriff in erster Linie polemisch verwendet.13 Diese Entwicklung hat ihren Ursprung Ende des Ancien Régime.14 Dies legt das bekannte Werk von Mirabeau „Dénonciation de l’agiotage au Roi et à l’Assemblée des notable“15 vom 20. Februar 1787 nahe. Hierin verurteilt Mirabeau die Agiotage als Verbrechen des königlichen Absolutismus Ende der Herrschaft König Louis XVI.16 In diese Zeit fällt die Gründung großer Kapitalgesellschaften, genauer sociétés par actions, wie z. B. der Caisse d’Escompte (1776), der Compagnie des Eaux (1778), der Nouvelle compagnie des Indes (1785), der Compagnie d’assurances contre les incendies (1786) und der Compagnie d’assurances sur la vie (Compangie Royale) (1788).17 Die Geschäfte dieser Unternehmen werden neben weiteren As7

So z. B. verwendet in Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 514; Hissung-Convert (2009), S. 12; Weiss, in: Caron/Bourdin/Bogani/Bouche (2016), S. 39. 8 Mirabeau, Suite de la dénonciation de l’agiotage (1788), S. 4. 9 Hissung-Convert (2009), S. 12. 10 Hissung-Convert (2009), S. 14. 11 Hissung-Convert (2009), S. 14; Weiss, in: Caron/Bourdin/Bogani/Bouche (2016), S. 37. 12 Eingehende Untersuchung zur Entwicklung des Begriffs von Höfer/Schmale, in: Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680 – 820 (1992), Heft 12, S. 13 f. 13 Höfer/Schmale, in: Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680 – 1820 (1992), S. 8 f., 13; Mirabeau, Dénonciation (1787), S. 17. 14 Hissung-Convert (2009), S. 14. 15 Mirabeau, Dénonciation de l’agiotage au Roi et à l’Assemblée des Notables (1787); siehe auch ders., Suite de la dénonciation de l’agiotage (1788). 16 Vgl. Mirabeau, Dénonciation de l’agiotage au Roi et à l’Assemblée des Notables (1787). Hissung-Convert (2009), S. 14. 17 Vgl. Lefebvre-Teillard, Revue des Sociétés (1989), 346 ff.; Hissung-Convert (2009), S. 12, Fn. 56, S. 14, Fn. 70.

I. Stigmatisierung der Versicherungsgesellschaft

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pekten für die zwischen 1780 und 1787 aufkommende Welle umfangreicher Spekulationen mit Geld und Wertpapieren mitverantwortlich gemacht.18 Die sociétés par actions stießen daher bereits Ende des Ancien Régime auf allgemeines Misstrauen.19 Während der Zeit der Revolution wurden die spekulativen Geschäfte der sociétés par actions mit der schwierigen finanziellen Situation des französischen Staates in Verbindung gebracht.20 Daher waren sociétés par actions auch noch während der Revolution in Verruf, wie das vielfach zitierten Plädoyer von Pierre Joseph Cambon21, Mitglied des Comité des Finances (Finanzkomitees), vor der Convention nationale am 24. August 1793, offenbart. Il faut tuer toutes ces associations destructives de credit public, si nous voulons établir le règne de la liberté.22 Wir müssen all diese den öffentlichen Kredit zerstörende Vereinigungen töten, wenn wir die Herrschaft der Freiheit begründen wollen.

Gallix meint, dass Cambon mit dieser Aussage nicht nur die sociétés par actions, sondern auch die compagnies d’assurances angriff.23 Auch Mirabeau hatte die Compagnie d’assurances contre les incendies als ein „monument á jamais mémorables des excès de l’agiotage, des honteux projets qu’il inspire, des résultats scandaleux qu’il fait naître“ (Denkmal, das für immer wegen seiner Exzesse der Agiotage, schändlichen Projekten und skandalösen Ergebnissen bekannt bleibt) bezeichnet.24 Dies zeigt, dass auch spekulative Geschäfte von Versicherungsgesellschaften, insbesondere wohl jene der Compagnie des Eaux, Compagnie d’assurances contre les incendies und der Compagnie d’assurances sur la vie (Compagnie Royale), für die mit der Revolution einsetzende Finanzkrise verantwortlich gemacht wurden.25 Mithin wurde zwischen der Versicherung und Agiotage wurde während der Französischen Revolution ein Konnex geschaffen.

18

Hissung-Convert (2009), S. 12. Lefebvre-Teillard, Revue des Sociétés (1989), 346. 20 Vgl. Lefebvre-Teillard, Revue des Sociétés (1989), 350. 21 Zur Biographie von Pierre Joseph Cambon in Bornarel, Cambon et la Révolution française, 1905; Sené, Joseph Cambon, 1987. 22 Convention Nationale, Présidence de Macimilen Robespierre, suite de la séance du samedie aout, Réimpression de l’ancien moniteur (1847), Bd. 17, S. 484. 23 Gallix (1985), S. 264. 24 Mirabeau, Suite de la dénonciation de l’agiotage (1788), S. 7. 25 Ewald, Der Vorsorgestaat (1993), S. 2478; Hissung-Convert (2009), S. 14, Fn. 70. 19

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C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

2. Diskurs um die Vorsorge Die Versicherung war während der Revolution jedoch nicht nur Gegenstand der Diskussion um die Agiotage, sondern auch um die Vorsorge.26 Die Revolution hatte die Vorsorge zum Prinzip der neuen Armutspolitik erklärt. Bereits Ende des Ancien Régime, genauer mit Schaffung der Compagnie Royale, hatte die Versicherung als Mittel der Vorsorge gedient.27 Der Prospectus der Compagnie Royale beschrieb eine einheitliche Institution, welche gleichermaßen die Interessen der Armen und der Reichen erfasste. Während der Revolution wurde hingegen ein anderes Konzept verfolgt. Dieses sah die getrennte Behandlung der Volksversicherung, welche als Sparkassen eingerichtet werden sollten, und der Versicherungsgesellschaft, welche der wohlhabenden Gesellschaft vorbehalten sein sollten, vor.28 Das neue Konzept ist mit der moralisch geprägten Einstellung zur Versicherung zu begründen. Versicherungen wurde während der Revolution als Bedrohung spontaner Solidarität angesehen.29 Als Vorwand wurde der sich negativ verändernde Charakter der Versicherung angeführt.30 Diesen soll Mirabeau wie folgt beschrieben haben:31 [L]es assurances substituent le service du calcul au service de l’humanité et font disparaitre de la Société la sensiblité générale qui en est une des bases.32 Die Versicherungen lassen den Dienst am Kalkül an die Stelle des Dienstes an der Menschheit treten und töten in der Gesellschaft jenes allgemeine Mitgefühl ab, das ihre Grundlage bildet.33

Aus dieser Aussage lässt sich ableiten, dass Versicherungen aus moralischen Gründen verurteilt wurden.34 Bekannt ist diese Einstellung aus dem 17. Jahrhundert als die „assûrance sur la vie“ wegen moralischer Gründe verboten wurde.35 Die nähere Betrachtung des Diskurses um die Vorsorge macht damit deutlich, dass Versicherungen zur Zeit der Französischen Revolution nicht nur wegen ihrer Gesellschaftsform, sondern auch wegen ihrer Natur in der Kritik standen. Sie erfuhren somit aus zwei verschiedenen Gründen Stigmatisierung. 26

Vgl. Thievaud, Revue d’économie financière (1989), 318; Richard (1956), S. 37. Siehe S. 100 f. 28 Ewald, Der Vorsorgestaat (1993), S. 248. 29 Ruffat, Financial history review (2003), 189. 30 Richard (1956), S. 37. 31 Ruffat, Financial history review (2003), 189; Lion (2008), S. 45, Fn. 38. Die Aussage konnte in keinen Orginaltexten gefunden werden. Die Sekundärliteratur erwähnt keine Orginalquelle. Widersprüchlicherweise spricht Ruffat, in: Núnez (1998), S. 61 von Robespierre als Urheber. Bigot (3. Aufl. 2011), S. 11 ordnet die vielfach zitierten Aussage Napoleon Bonaparte zu. 32 Zitiert nach Richard (1956), S. 37. 33 Übersetzung in Ewald, Der Vorsorgestaat (1993), S. 248. 34 So auch Ruffat, Financial history review (2003), 189. 35 Siehe S. 77 ff. 27

II. Das Versicherungswesen zwischen Freiheit und Verbot

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3. Zusammenfassung Das Ansehen von Versicherungen war zur Zeit der Revolution gering. Versicherungen waren Teil der Diskussion um die Agiotage und die Vorsorge. Versicherungsgesellschaften wurden wegen ihrer spekulativen Geschäfte für die Finanzkrise mitverantwortlich gemacht. Die veränderte Natur der Versicherung wurde als moralisch verwerflich befunden. Versicherungen wurden daher aus zwei unterschiedlichen Gründen, deren Gesellschaftsform und deren Natur, stigmatisiert.

II. Das Versicherungswesen zwischen Freiheit und Verbot Die Französische Revolution ist geprägt von einer Vielzahl verschiedener Regulierungsmaßnahmen. Diese wurden von der Sekundärliteratur bisher nicht abschließend auf ihre Relevanz für die Entwicklung des Versicherungswesens, insbesondere für die Entwicklung der Versicherungsaufsicht, hin untersucht. Straus ist indes davon überzeugt, dass einige Regelungen revolutionärer Maßnahmen einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Versicherungswesens hatten.36 Der überwiegende Teil der Literatur stellt hierbei vorwiegend auf das Décret vom 24. August 1793 ab. Dieses Décret wurde durch zwei weitere Décrets ergänzt und erweitert. Auf diese geht der überwiegende Teil der Literatur nicht näher ein. Insofern ist meist nicht sofort klar, auf welche Regelung sich die von der Literatur beschriebenen weitreichenden Folgen revolutionärer Maßnahmen beziehen. Meist wird ohne oder nur mit unzureichender Angabe der Rechtsgrundlage behauptet, während der Revolution seien alle Versicherungsunternehmen beseitigt worden.37 Daher soll im Folgenden geklärt werden, welche revolutionären Maßnahmen für die weitere Entwicklung des Versicherungswesens von Relevanz waren und auf welche Rechtsgrundlage sich die Beseitigung der Versicherungsunternehmen stützte. 1. Décret d’Allarde und Loi Le Chapelier Während der Revolution sollten die corporations (Innungen/Zünfte) und associations (Vereinigungen/Verbände, Vereine) beseitigt werden. Dies geschah durch das Décret d’Allarde (2. – 17. März 1791) und das Loi Le Chapelier (14. – 17. Juni 1791).38 Mit dem Gesetz vom 2. – 17. März 1791, fälschlicherweise wegen seines Autors Pierre d’Allarde als Décret d’Allarde bekannt, wurde das „principe de liberté du 36

Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 118 f. So z. B. Richard (1956), S. 37; Braun (2. Aufl. 1963), S. 192; Müller-Lutz/Rehnert (1995), S. 288. 38 Hamel/Langarde (1954), Bd. 1, S. 30. 37

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C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

commerce et de l’industrie“ (Prinzip der Handels- und Industriefreiheit) eingeführt.39 Diese Freiheit begünstigte die Entwicklung der Vorsorge. Jeder Berufstand versuchte Caisses de secours contre la maladie, les infirmités, le chômage et la vieillesse (Krankheits-, Gebrechens-, Arbeitslosigkeit- und Alterskassen) zu gründen.40 Auch die Entwicklung der Handelsgesellschaften wurde durch das Décret begünstigt. Diese konnten fortan unabhängig von ihrer Gesellschaftsform frei gegründet werden.41 Nur ein „patente“ (Lizenz) war notwendig. Die Lizenz erhielt man nach Zahlung einer entsprechenden Steuer. Bestehende oder in Zukunft geltende Polizeivorschriften mussten beachtet werden.42 Weitere Regeln existierten nicht.43 Ducouloux-Favard spricht daher auch von dem „régime de liberté“ (System der Freiheit).44 In der Folge wurden zahlreiche Kapitalgesellschaften gegründet.45 Deren Geschäftsführer nahmen spekulative Geschäfte vor. Dies soll zu finanziellen Katastrophen geführt haben.46 Daher wurde das Décret vom 14. – 17. Juni 1791, auch Loi Le Chapelier genannt, erlassen. Dieses schaffte bestehende Zünfte und auch andere Vereinigungen, ab und verbot die Gründung neuer.47 So soll z. B. mit der Chambre d’assurance générale aus dem Jahr 1754, die erste echte société d’assurance mutuelle (Gegenseitigkeitsversicherung/Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit), beseitigt worden sein.48 Vereinigungen wie die Chambre d’assurance générale hatten für ihre Mitglieder Fürsorge getragen. Durch deren Beseitigung entstand eine Lücke, welche durch den Staat geschlossen werden musste.49 Daher wurden während der Revolution mehrere Versuche unternommen, Staatsversicherungen zu gründen. Hierzu zählen u. a. die Caisse d’Assurance Crédit (1790) und die Caisse Publique d’Amitié et de Prévoyance (1793). All diese Versuche scheiterten jedoch.50 Das Décret vom 14. – 17. Juni 1791 hatte damit eine nicht zu vernachlässigende Wirkung für die Entwicklung des französischen Versicherungswesens. Abgesehen davon, dass durch das Décret die Gründungswelle von Handelsgesellschaften un39 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 852; Lescoeur (1877), S. 16, Fn. 3. 40 Bennet (1981), S. 737. 41 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 852; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631. 42 Hamel/Langarde (1954), Bd. 1, S. 30, 121. 43 Hamel/Langarde (1954), Bd. 1, S. 121. 44 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 852. 45 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 852; Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12. 46 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 852; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631. 47 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12; Hamel/Langarde (1954), Bd. 1, S. 30. 48 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 15. 49 Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 119. 50 Gallix (1985), S. 265.

II. Das Versicherungswesen zwischen Freiheit und Verbot

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terbrochen wurde,51 wurde auch die Tätigkeit der sociétés de secours mutuel (gegenseitige Hilfsgesellschaften/Hilfsvereine), Vorgänger der sociétés d’assurances mutuelles, unterbrochen. Die hierdurch entstandene Lücke im Bereich der Vorsorge konnte durch den Staat nicht gefüllt werden.52 2. Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15 – 18. April 1994 Handelsgesellschaften wurden durch drei Décrets beseitigt, das Décret vom 24. August 1793, das Décret vom 17 vendémaire an 2 (8. Oktober 1793) und das Décret vom 26 – 29 Germinal an 2 (15. – 18. April 1794). Das Décret vom 24. August 1793 normierte, dass „[l]es associations connues sous les noms de Caisse d’escompte, de Compagnie d’Assurances à vie, & généralement toutes celles dont le fonds capital repose sur des actions au porteur, ou sur des effets négociables, ou sur des inscriptions sur un livre, transmissibles à voloné, sont supprimées […]“53 ([…] Vereinigungen, bekannt unter dem Namen Caisse d’escompte, Compagnie d’Assurance à vie und allgemein alle Vereinigungen, deren Gesellschaftskapital sich aus Aktien, handelbaren Wertpapieren oder frei übertragbaren Eintragungen in ein Buch zusammensetzen, beseitigt werden […]). Zu letzterer Gruppe zählten die sociétés par actions.54 Anders als die Sekundärliteratur oftmals suggeriert, war in dem Décret vom 24. August 1793 nicht die Beseitigung des gesamten Versicherungswesens normiert.55 Ausdrücklich führt das Décret nur die „Compagnie d’Assurances à vie“ an. Hierunter ist vermutlich die Compagnie Royale gemeint. Indirekt waren jedoch auch die meisten anderen auf dem französischen Versicherungsmarkt existierenden Versicherungsgesellschaften betroffen, besaß die überwiegende Zahl der Gesellschaften doch die Gesellschaftsform der société par actions.56 Rodet-Profit schließt aus der Gründung der Chambre d’Assurance Thurninger frères Lesueurs & Cie in der Stadt Le Havre nach Erlass des Décret im Jahr 1794, dass durch Décret vom 24. August 1793 ohnehin nur die Abschaffung der compagnies royales, nicht hingegen die der chambres d’assurances particulières bezweckt war.57 Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass das den compagnies royales erteilte privilège den ideologischen

51

Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12. Vgl. Gibaud (1998), S. 13. Vgl. auch Martin Saint-Léon (3. Aufl. 1922), S. 619 ff. 53 Art. 1 Décret Convention Nationale vom 24. August 1793, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 552 f. 54 Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631; Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 119. 55 Diesen falschen Eindruck vermitteln z. B. Richard (1956), S. 37; Braun (2. Aufl. 1963), S. 192; Müller-Lutz/Rehnert (1995), S. 288; Gallix (1985), S. 264. 56 Vgl. Gallix (1985), S. 264; Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 119. 57 Rodet-Profit (2015), S. 115. 52

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C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

Ansätzen der Revolution widersprach, logisch.58 Überdies waren Neugründungen gestattet. Hierzu war – wie auch gängige Praxis im 18. Jahrhundert59 und Gesetzgebung ab 180760 – die Genehmigung notwendig. A l’avenir, il ne pourra être établi, formé & conserve de pareilles associations ou compagnies sans une autorisation des corps législatifs.61 In Zukunft kann keine ähnliche Vereinigung oder ähnliches Unternehmen ohne Genehmigung eines Legislativorgans gegründet werden.

Eine absolute Abschaffung der im Décrets vom 24. August 1793 aufgezählten Unternehmungen war damit zunächst nicht bezweckt. Insofern erscheint eine differenzierte Betrachtung des Décret vom 24. August 1793 angebracht. Erst durch das Décret vom 17 Vendémiaire an 2 (8. Oktober 1793) wurde die Neugründung verboten.62 Dieses wurde von dem Décret vom 26 – 29 Germinal an 2 (15. – 18. April 1794) außer Kraft gesetzt. Der Wortlaut des Décret vom 8. Oktober 1793 wurde vom Décret vom 15. – 18. April 1794 indes übernommen.63 Der Inhalt des neuen Décret war damit weitgehend identisch.64 Les compagnies financières sont et demeurent supprimées. Il est défendu à tous banquier, négociants et autres personnes quelconques de former aucun établissement de ce genre sous aucun prétexte et sous quelque dénomination que ce soit.65 Finanzunternehmen sind und bleiben abgeschafft. Es wird allen Bankiers, Händlern und anderen Personen untersagt, eine solche Einrichtung unter irgendeinem Vorwand oder unter irgendeiner Bezeichnung zu gründen.

Mit „compagnies financières“ waren vom Gesetzgeber nicht nur Finanzunternehmen, sondern alle Handelsunternehmen und -vereinigungen gemeint, wie die amtliche Überschrift des diese Regelung abschaffenden Gesetzes impliziert.66 Der Begriff „compagnies financières“ wurde daher vermutlich nur gewählt, um alle mit

58

Vgl. Rodet-Profit (2015), S. 115. Vgl. B. IV. (S. 63 ff.), V (S. 75 ff.). 60 Siehe D (S. 131 ff.). 61 Art. 2 Décret der Convention Nationale vom 24. August 1793, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 553. 62 Recueil général des lois, décrets, ordonnances, etc. (1839), Bd. 4, S. 379, Fn. 1, S. 469; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), S. 852. 63 Recueil général des lois, décrets, ordonnances, etc. (1839), Bd. 4, S. 379, Fn. 1; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), S. 852. 64 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), S. 852. 65 Art. 1 Décret vom 26 – 29 Germinal an 2 (15 – 18 avril 1794), abgedruckt in: Recueil général des lois, décrets, ordonnances, etc. (1839), Bd. 5, S. 239. 66 N 312 = 30 Brumaire an 4 (21 novembre 1795). = Loi qui abroge le décret du 26 Germinal an 2 concernant les compagnies et associations commerciales (II, Bull. V., n 27; B., LXI, 79). 59

II. Das Versicherungswesen zwischen Freiheit und Verbot

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der Agiotage verwickelten Gesellschaften anzusprechen.67 Das Décret vom 26 – 29 Germinal an 2 beseitigte damit alle noch bis dahin bestehenden Unternehmen.68 Während der Französischen Revolution hatten Versicherungsgesellschaften mithin ihre rechtliche Existenzgrundlage verloren.69 Sie wurden liquidiert.70 Die Liquidation wurde durch weitere Décrets geregelt.71 In der Sekundärliteratur wird beschrieben, dass Individualversicherer wegen Marktmanipulationen und illegaler Exporte von Geldern angeklagt wurden. Ihr Eigentum wurde konfisziert. Einige Versicherer wurden sogar auf dem Schafott getötet.72 Das sich während des Ancien Régime entwickelte Versicherungswesen war damit nach Umsetzung der Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 nicht mehr existent. Wenngleich der Wortlaut der drei Décrets ein anderer ist, kann nach deren Analyse behauptet werden, dass die Wirkung der in den Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 angeordneten Maßnahmen einem Verbot gleichkamen. 3. Loi vom 21. November 1795 Die in diesem Kapitel analysierten revolutionären Maßnahmen wurden als Reaktion auf Spekulationen erlassen.73 An dieser Stelle sei zum besseren Verständnis an den zu Beginn des Kapitels beschriebenen Diskurs zur Agiotage erinnert. Die Maßnahmen wurden trotz der Stigmatisierung von Spekulation in ihrer Wirkung für zu radikal erachtet.74 In Folge zahlreichen Protests gegen das Décret vom 8. Oktober 1793 wurde das Décret vom 1–4 pluviose an 2 (21. – 24. Januar 1794) erlassen. Dieses legte die Nichtanwendbarkeit des Décret vom 8. Oktober 1793 auf Unternehmen, deren Gegenstand der Kanalbau, der Bergbau oder sonstige im öffentlichen Interesse stehende Unternehmung ist, fest.75 Ob zu letzteren Kategorie auch Versicherungsgeschäfte zählten, wird in der Literatur nicht erörtert. Mit Blick auf die bereits untersuchte gesellschaftliche Stellung von Versicherungen zur Zeit der Revolution ist die Einordnung des Versicherungsgeschäfts als im öffentliche Interesse stehendes Geschäft jedoch unwahrscheinlich. Ohnehin änderte die Ausnahmeregelung des Décrets vom 21. – 24. Januar 1794 wenig an den weitreichenden Folgen revolutionärer Maßnahmen für die französische 67

Lefebvre-Teillard, Revue des Sociétés (1989), 354, Fn. 35. Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12. 69 Ruffat, Financial history review (2003), 189. 70 Ketter (1956), S. 4. 71 Vgl. Recueil général des lois, décrets, ordonnances, etc. (1839), Bd. 4, S. 379, Fn. 1, S. 469. 72 Ruffat, Financial history review (2003), 189; Gallix (1985), S. 265. 73 Hissung-Convert (2009), S. 15. 74 Vgl. Hissung-Convert (2009), S. 15. 75 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), S. 852. 68

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C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

Wirtschaft.76 Dies ist mit dem Bedürfnis von finanzstarken Unternehmen in einer modernen Wirtschaft zu begründen. Durch die Beseitigung der sociétés par actions fehlten dem französischen Markt jedoch gerade solche Unternehmen.77 Diesen wirtschaftsschädigende Umstand in Rechnung tragend schuf das Loi vom 30 Brumaire an 4 (21. November 1795) das Décret vom 15. – 18. April 1794 ab. Dem Verbot folgte die absolute Freiheit. Escarra/Rault nennen diese Zeit daher auch das „régime d’extrême liberté“ (System der höchsten Freiheit). Zahlreiche Kapitalgesellschaften konnten in der Folge ohne Genehmigung gegründet werden. Die Gründung von Versicherungsgesellschaften ist nicht bekannt. Die Gründungsfreiheit brachte jedoch auch Nachteile mit sich, sie wurde vielfach missbraucht.78 Um Missbrauch für die Zukunft zu verhindern, mussten Agiotage und Spekulation verhindert werden.79 Da die Natur der Kapitalgesellschaften eine gegenseitige Überwachung der Gesellschafter nicht vorsah, war für den Gesetzgeber die gesetzliche Regulierung der sociétés par actions unausweichlich.80 Dieser sah sich nach der Revolution bei Schaffung des Code de Commerce zu staatlichem Eingreifen veranlasst.81 Dies soll im nächsten Kapitel dargestellt werden. 4. Revolutionäre Maßnahmen: Ein Wechsel von Freiheit und Verbot Die im vorangehenden Abschnitt untersuchten rechtlichen Maßnahmen bildeten in einer Gesamtschau einen Wechsel von Freiheit und Verbot. Die im Décret vom 24. August 1793 normierte Genehmigungspflicht für Neugründungen ist an dieser Stelle wegen ihrer nur kurzen Geltung auszuklammern; sie ändert damit an diesem Befund nichts. Mit dem Aufsichtsmittel Verbot wählte der Gesetzgeber zur Zeit der Revolution ein Mittel, das der Staat bereits während des Anicen Régime zur Regulierung des Versicherungswesens gebraucht hatte.82 Dies verwundert, denn zum einen lehnte die Revolution, wie bereits erwähnt, die alte Ordnung und damit auch die alte Rechtsordnung des Ancien Régime ab. Zum anderen waren zum Ende des Ancien Régime hin neue Mittel der Regulierung, wie z. B. die surveillance (Überwachung), aufgekommen. Die revolutionären Maßnahmen erscheinen im Hinblick auf die Wahl des Regulierungsmittels daher widersprüchlich und rückschrittlich. Wie folglich fügen sich diese in den Gesamtkontext der Entwicklungsgeschichte der französischen 76

Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12. Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), S. 852; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631. 78 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12. 79 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), S. 852. 80 Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631. 81 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 12. 82 Siehe B. V. 2. (S. 76 ff.). 77

II. Das Versicherungswesen zwischen Freiheit und Verbot

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Versicherungsaufsicht? Um diese Frage beantworten zu können, muss ein Ausblick auf die weitere versicherungsaufsichtsrechtliche Entwicklung gegeben werden. Hierbei ist zu klären, ob revolutionäre Maßnahmen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur vorhanden waren und ob diese auch nach der Revolution noch verwendet wurden. Ein Verbot stellt einen weitreichenden staatlichen Eingriff dar. Auch diente dieser mit Blick auf die durch Spekulationen hervorgerufenen Missstände der Abwehr von Gefahren. Die revolutionären Maßnahmen verfolgten somit nicht allein ideologische Zwecke. Insofern besaßen die Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 einen aufsichtsrechtlichen Charakter. Mit Ausnahme der im Décret vom 24. August 1793 angeordneten Genehmigungspflicht für sociétés par actions werden sich jedoch zu keinem späteren Zeitpunkt dieser Untersuchung vergleichbare Aufsichtsmaßnahmen finden lassen. Dies bedeutet indes nicht, dass die Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 nicht wichtige Impulse zur weiteren Entwicklung der Versicherungsaufsicht geben konnten. Dies wird im nachfolgenden Kapitel, insbesondere an Art. 37 Code de Commerce, deutlich zu erkennen sein.83 Aus einer modernen gesamtheitlichen Betrachtungsweise ist die Französische Revolution im Entwicklungsprozess der Versicherungsaufsicht als das verbindende Element zwischen den Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime und der Herausbildung des ersten Aufsichtssystems nach der Revolution anzusehen. 5. Zusammenfassung Der modernen Sekundärliteratur ist im Bezug auf die angeführte These zur Bedeutung des Décret vom 24. August 1793 Recht zu geben: Das Décret vom 24. August 1793 hatte große Auswirkung auf die Entwicklung des Versicherungswesens. De jure waren Handelsgesellschaften abgeschafft. Damit waren nach Umsetzung der drei Décrets während der Französischen Revolution auch Versicherungsgesellschaften abgeschafft. Jedoch wird oftmals vergessen, dass nicht nur diese, sondern auch die anderen dargestellten Décrets für die Zukunft des französischen Versicherungswesens wichtige Veränderungen mit sich brachten. Dies gilt sowohl für die sociétés d’assurances mutuelles, als auch für die sociétés d’assurances par actions, wie sich besonders im nachfolgenden Kapitel abzeichnen wird.84 Die in diesem Kapitel dargestellten revolutionären Maßnahmen hatten damit eine mehr oder weniger wichtige Bedeutung für die weitere Entwicklung des Versicherungswesens. Doch auch für die weitere Entwicklung der Versicherungsaufsicht waren die revolutionären Maßnahmen nicht ohne Belang. Aus versicherungsaufsichtsrechtli83 84

Siehe D. I 1 (S. 132). Siehe D. I 1, 2 (132 ff., 135 ff.).

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C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

cher Perspektive waren insbesondere die Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 interessant. Sie kamen in ihrer Wirkung einem Verbot gleich. Dieses Aufsichtsmittel wurde bereits in den frühen Anfängen der Regulierung des Versicherungswesens verwendet und wirkt damit rückschrittlich. Insofern verwundert nicht, dass sich diese Aufsichtsmaßnahme nicht in späterer Gesetzgebung wiederfindet. Für die weitere Entwicklung der Versicherungsaufsicht waren die drei Décrets insofern von Relevanz, als dass diese Impulse zur weiteren Entwicklung der Versicherungsaufsicht gaben. Die Revolution markiert im gesamten Entwicklungsprozess der französischen Versicherungsaufsicht daher in Gesamtschau den Übergang von den Wurzeln der Versicherungsaufsicht zu dem ersten Aufsichtssystem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie ist daher als Bindeglied zu bezeichnen.

III. Folgen der Auflösung und Liquidation der Compagnie Royale Die Compagnie Royale nahm während der Revolution eine wichtige Rolle ein. Mehrere Aspekte zeigen, dass die Compagnie Royale vor und während der Revolution von Bedeutung für die Entwicklung des Versicherungswesens, aber auch der Versicherungsaufsicht war. Insbesondere die Auflösung und Liquidation der Compagnie Royale hatte Einfluss auf die Entwicklung der französischen Versicherungsaufsicht. Sowohl die Compagnie d’Assurance contre les incendies als auch die Compagnie d’assurances sur la vie (Compagnie Royale) befanden sich kurz nach Beginn ihrer Geschäftstätigkeit in schlechter finanzieller Verfassung.85 Diese Situation scheint für die Entscheidung der Generalversammlung vom 26. März 1793, die Compagnie d’Assurance contre les incendies aufzulösen und in Liquidation zu setzen, ausschlaggebend gewesen zu sein. Dies indiziert das an sich unbedeutende Schreiben von Jean-Louis Grenus an Lallin, Masbon, Aubert et Cie. Il y a eu dernièrement une assemblée des actionnaires de la [Compagnie d’Assurances contre les incendies] oú j’ai voulu faire passer que la Compagnie ne donnerait aucun dividende qu’on n’eût payé tous les créanciers; mais j’ai obtenu un point essentiel, c’est qu’elle se déclare en état de liquidation et ne fera conséquemment aucune nouvelle entreprise, et en outre il n’y aura point de dividende cette année.86 Unlängst fand eine Aktionärsversammlung der Compagnie d’Assurances contre les incendies statt, bei der ich klarstellen wollte, dass die Gesellschaft keine Dividende ausschütten würde, wenn nicht alle Gläubiger bezahlen werden. Indessen habe ich damit etwas Entscheidendes erzielt. Die Versammlung erklärte, das Unternehmen in Liquidation zu

85 86

Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 507 f. Abgedruckt in Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 508.

III. Auflösung und Liquidation der Compagnie Royale

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setzen. Damit nähme es kein neues Geschäft vor und zudem gäbe es damit dieses Jahr keine Dividende.

Es ist daher zu vermuten, dass der französische Staat keinen direkten Einfluss auf das Ende der Compagnie d’Assurance contre les incendies hatte.87 Anders war die Situation für die Compagnie Royale d’assurances sur la vie (Compagnie Royale). Diese wurde, wenn auch unter anderer Bezeichnung, in dem Décret vom 24. August 1793 als eine der zu beseitigenden Unternehmen aufgezählt. Doch weshalb wurde diese, anders als andere Versicherungsgesellschaften, ausdrücklich erwähnt? Hierfür können mehrere Gründe aufgeführt werden. Diese fügen sich in die zu Beginn des Kapitels gemachten Ausführungen. Die Gründung und das Bestehen der Compagnie Royale fiel in eine ungünstige Zeit kurz vor Ausbruch der französischen Revolution. Das Unternehmen wurde von Beginn an von verschiedenen Seiten angegriffen.88 Insbesondere Mirabeau hatte deren Geschäftstätigkeit in seiner „Dénonciation au public d’un nouveau projet d’agiotage sur une Compagnie d’assurances; de ses inconvénients, et en général des inconvénients des Compagnies par actions“ denunziert.89 Clavière, bis zum Ende Gesellschafter der Compagnie Royale, galt als unverbesserlicher Spekulant.90 Die Compagnie Royale war daher Symbol der Spekulation und Agiotage.91 Überdies stand der Inhalt des Arrêt vom 3. November 1787 im Widerspruch zu den Prinzipien der Revolution, war der Compagnie d’Assurance contre les incendies doch durch den Arrêt das priviliège exclusif erteilt worden. Zudem durfte diese den Namenszusatz „Royale“ annehmen.92 Das privilège exclusif war bereits von Mirabeau eingehend untersucht worden. Auch wenn er gewisse Vorteile hervorhob, überwogen seiner Ansicht nach die Nachteile. Daher lehnte er das privilège exclusif ab.93 In Zusammenschau dieser Ausführungen ist zu vermuten, dass die Compagnie Royale als Negativbeispiel sowohl einer société par actions als auch einer compagnie d’assurance angesehen wurde. Die Compagnie Royale hatte bereits im September 1792 das Geschäft mit der assurance sur la vie humaine (Lebensversicherung) ausgesetzt. Dieser Geschäftszweig hatte nicht den erhofften Gewinn gebracht.94 Die Aktien wurden annulliert.95 Ihre Geschäfte setzte die Compagnie Royale fortan mit Tontinen fort.96 Mit der 87

So auch Pouilloux (2011), S. 523. Vgl. S. 99 ff. 89 Hamon (1895), S. 42. 90 Lefebvre-Teillard, Revue des Sociétés (1989), 348. 91 Thiveaud, Revue d’économie financière (1989), 322. 92 Adan, PreußVersZ 5 (1871), 1102. 93 Mirabeau, Dénonciation (1787), S. 97; ders., Suite de la dénonciation de l’agiotage (1788), S. 38 ff. 94 Pouilloux (2011), S. 523. 95 Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 513. 96 Pouilloux (2011), S. 523. 88

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C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

Umwandlung der Aktien schienen die Aktionäre der Compagnie Royale unzufrieden zu sein. Dies legt eine hierzu am 25. Oktober 1792 einberufene außerordentliche Versammlung nahe.97 Erst durch Décret vom 24. August 1793 wurde das Ende der Compagnie Royale rechtlich festgeschrieben. Diese sollte wie alle anderen compagnie par actions beseitigt werden.98 Die Liquidation der Compagnie Royale wurde durch Décret vom 9. Prairial an 2 (28. Mai 1794) angeordnet. Ergänzt wurde dieses durch das Décret vom 9 – 13 Prairial an 2 (28. Mai – 1. Juni 1794), das Loi vom 29. Fructidor an 3 (15. September 1794), Loi des 25. Frimaire an 3 (15. Dezember 1794) und das Loi vom 29 Ventôse an 3 (19. März 1795).99 Die Liquidation der Compagnie Royale erwies sich als langwierig und schwierig.100 Zunächst oblag den Geschäftsführern die Liquidation. Diese wurde von Sonderkommissaren beaufsichtigt. Die Sonderkommissare waren von der Convention Nationale eingesetzt worden. Sie hatten einen Bericht zu verfassen. In ihrem Bericht vom 26 Ventôse an 2 (16. März 1794) mit dem Titel „Dénonciation faite par les Commissaires liquidateurs de la ci-devant Compagnie des Assurances sur la vie“ wurden den Geschäftsführern der Compagnie Royale schwere Straftaten, wie Veruntreuungen, vorgeworfen. In der Folge wurde die weiteren Liquidation externen Personen übertragen.101 Die Auflösung und Liquidation der Compagnie Royale hatte weitreichende Folgen für die Versicherungsaufsicht. Bereits während der Zeit des Ancien Régime hatten sich für die Versicherungsaufsicht wichtige Prinzipien der Gründung, des Geschäftsbetriebs und der Überwachung entwickelt. Insbesondere die für die Compagnie Royale im Arrêt vom 3. November 1787 geschaffenen Regeln hatten, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, große Bedeutung für die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich. Diese gingen mit der Auflösung der Compagnie Royale unter.

IV. Zäsur für die Entwicklung der Versicherungsaufsicht Nach Straus brachte das Décret vom 24. August 1793 die weitere Entwicklung des französischen Versicherungswesens zum Stillstand.102 Die dargestellten Untersuchungsergebnisse fügen sich weitgehend in diesen Forschungsstand. Dass die Be97

Vgl. Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 513 f. Cochin (1865), S. 22; Firmin-Didot frères (1868), Bd. 2, S. 142; Pouilloux (2011), S. 523. 99 Recueil général des lois, décrets, ordonnances, etc. (1839), Bd. 4, S. 379, Fn. 1. 100 Pouilloux (2011), S. 524. 101 Pouilloux (2011), S. 660. Eingehend hierzu in Bouchary, Annales historique de la Révolution française (1939), 516 ff. 102 Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 119. 98

V. Zusammenfassung

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seitigung von Versicherungsgesellschaften nicht nur auf den durch Décret vom 24. August 1793 erlassenen Maßnahmen beruht, wurde bereits festgestellt. Das Décret vom 24. August 1793 wurde durch die Décrets vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 erweitert und ergänzt. Mit der Auflösung und Liquidation der zwischen 1786 und 1787 gegründeten großen und bekannten Versicherungsgesellschaften war das Versicherungswesen faktisch nicht mehr existent. An diesem Umstand ändert auch das Fortbestehen einzelner compagnies d’assurances oder chambres d’assurances nichts. Die Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 brachten somit einschneidende Folgen für die weitere Entwicklung des französischen Versicherungswesens mit sich. Da die Entwicklung des Versicherungswesens doch auch immer mit der Entwicklung der Versicherungsaufsicht verbunden, ist stellten die drei Décrets auch in der Entwicklung der Versicherungsaufsicht einen Einschnitt dar. Zum einen war eine staatliche Versicherungsaufsicht aufgrund eines fehlenden privaten Versicherungsmarkts nicht mehr nötig. Zum anderen gingen die für die einzelnen Unternehmen geschaffenen aufsichtsrechtlichen Regelungen und Prinzipien mit der Auflösung und Liquidation von Versicherungsgesellschaften verloren.103 Dies zeigt sich, wie unter C. III. festgestellt, insbesondere am Beispiel der Compagnie Royale. Am Ende dieses Kapitels steht damit die These, dass die Revolution für die Entwicklung des französischen Versicherungswesens allgemein, aber auch für die Entwicklung der französischen Versicherungsaufsicht im Speziellen eine Zäsur darstellte.

V. Zusammenfassung Im letzten Kapitel wurde aufgezeigt, dass sich am Ende des Ancien Régime versicherungsaufsichtsrechtliche Prinzipien entwickelten hatten. Diese gingen während der Revolution infolge der in den Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 angeordneten Maßnahmen verloren. Zu diesem Ergebnis führte die Beantwortung der drei in der Einführung gestellten Leitfragen: Wie kam es zu Erlass dieser Décrets? Was wurde in den Décrets geregelt? Wie war die Wirkung der in den Décrets angeordneten Maßnahmen? Diese Fragen stellten für dieses Kapitel weniger eine verbindliche Gliederung, als vielmehr eine Leitlinie bei der Untersuchung des Versicherungswesens während der Revolution dar. Zunächst wurde in Anlehnung an die erste Frage die Stellung des Versicherungswesens während der Revolution untersucht. Hierbei ergab sich, dass Versicherungen während der Revolution nicht hoch angesehen waren. Versicherungsgesellschaften wurden mit der negativ behafteten Agiotage in Verbindung gebracht. 103 Vgl. Pouilloux (2011), S. 660; Courcy, Revue de Paris: Littérature, histoire, philosophie, sciences, beaux-arts (1864), 5.

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C. Die Französische Revolution: Eine Zäsur

Insbesondere die spekulativen Geschäfte von sociétés par actions wurden für die Finanzkrise während der Revolution verantwortlich gemacht. Im Fokus dieser Anschuldigung standen auch einzelne bekannte Versicherungsgesellschaften, so z. B. die Compagnie Royale. Die Natur der Versicherung galt als verändert. Aus moralischen Gründen wurden Versicherungen daher als Vorsorgemittel abgelehnt. Die Stigmatisierung von Versicherungen kannte somit zwei Anknüpfungspunkte: 1. Die Gesellschaftsform von Versicherungsunternehmen. 2. Die Natur von Versicherungen. Unter Berücksichtigung der gewonnenen Untersuchungsergebnisse zur Stellung von Versicherungen während der Französischen Revolution konnte aufgezeigt werden, dass die Compagnie Royale als Negativbeispiel einer société par actions und einer compagnie d’assurance angesehen wurde. Hieraus erklärt sich die ausdrückliche Nennung im Décret vom 24. August 1793. Mit der Auflösung und der Liquidation der Compagnie Royale gingen die für diese erlassenen Regeln unter. Hierunter befanden sich auch wichtige im vorangehenden Kapitel beschriebene Prinzipien der Versicherungsaufsicht. Die Auflösung und Liquidation der Compagnie Royale hatte damit einen Einfluss auf die weitere Entwicklung der französischen Versicherungsaufsicht. Das Décret vom 24. August 1793 beseitigte jedoch nicht nur die Compagnie Royale. Auch andere Versicherungsgesellschaften wurden durch die Décrets vom 24. August 1793, vom 8. Oktober 1793 und vom 15. – 18. April 1794 aufgelöst und liquidiert. Nach der Revolution existierten daher keine der zwischen 1786 und 1787 gegründeten Versicherungsgesellschaften mehr. Insofern kam die Wirkung der in den Décrets angeordneten Maßnahmen einem Verbot gleich. Obschon auch nach Erlass der Décrets in Frankreich das Versicherungsgeschäft betrieben wurde, war doch im Jahr 1794 die Chambre d’Assurance Thurninger frères Lesueurs & Cie gegründet worden, existierte das Versicherungswesen in der sich während des Ancien Régime entwickelten Form nicht mehr. Handelsgesellschaften waren de jure abgeschafft worden. Auch die weitere Entwicklung der Versicherungsgesellschaften und damit auch des Versicherungswesens kam damit zum Erliegen. Wegen der Untrennbarkeit der Geschichte des gesamten Versicherungswesens von der Geschichte der Versicherungsaufsicht musste in diesem Kapitel untersucht werden, ob damit auch die Entwicklung der Versicherungsaufsicht zum Stillstand kam. Am Ende dieser Untersuchung stand fest, dass die Französische Revolution zeitgenössisch eine Zäsur nicht nur für die Entwicklung des Versicherungswesens, sondern auch für die der Versicherungsaufsicht war. Diese Erkenntnis steht nicht im Widerspruch zu der Behauptung, dass die Französische Revolution in gesamtheitlicher Betrachtung der Entwicklung der Versicherungsaufsicht aus heutiger Sicher ein verbindendes Element zwischen den Wurzeln der Versicherungsaufsicht im Ancien Régime und der Herausbildung des ersten Aufsichtssystems nach der Revolution ist. Dies wird in Gesamtschau aller für das Versicherungswesen relevanten revolutionären Maßnahmen deutlich, welche einen Wechsel aus Verbot und Freiheit bildeten.

D. Das erste Aufsichtssystem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts I. Nachwirken der Revolution Im vorangehenden Kapitel konnte dargestellt werden, dass das Versicherungswesen nach der Französischen Revolution, in der sich bis zum Ende des Ancien Régime entwickelten Form nicht mehr existent war. Die zwischen 1786 und 1787 gegründeten Versicherungsgesellschaften waren beseitigt worden. Mit diesen gingen Regeln und Prinzipien der Versicherungsaufsicht unter. Wie folglich entwickelte sich das Versicherungswesen nach der Revolution? Und wie gestaltete sich die Versicherungsaufsicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts? Diese beiden Fragen können zum einen der Darstellung der Entwicklung des Versicherungswesens nach der Revolution, zum anderen der Analyse versicherungsaufsichtrsrechtlichher Maßnahmen zugeordnet werden. Eine klare Abgrenzung beider Fragen kann freilich nicht immer eingehalten werden, bedingen sich diese doch auch gegenseitig. Da die Grundlage der Analyse die Darstellung bildet, beschäftigt sich dieser Abschnitt folglich zunächst mit der Frage nach der Entwicklung des Versicherungswesens. Auch noch nach der Französischen Revolution blieb die politische Situation unstetig. Der Revolution folgte das französische Konsulat. Das französische Konsulat ist ein Zeitabschnitt während der Première République française (Erste Französische Republik). Erster Konsul war vom 10. November 1799 bis zum 1. Dezember 1804 Napoleon Bonaparte. Das Konsulat endete mit der Kaiserkrönung Napoleons I. am 2. Dezember 1804. Es folgte das Premier Empire (Erstes Kaiserreich). Dieses endete 1814/1815 mit der Restauration, welchem sich 1852 das Seconde Empire anschloss. Der Versicherungsmarkt war nach der Revolution in Frankreich nicht sogleich wiedererrichtet worden. Der in der Literatur auch als „Bann des Versicherungswesens“ bezeichnete Zustand bestand zunächst auch unter Napoleon fort.1 Dies zeigte sich sowohl in der rechtlichen wie auch der praktischen Situation von Versicherungen in Frankreich. Zu einer Veränderung kam es erst ab Beginn der Restauration.

1

Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 119.

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

1. Code de Commerce Die Gesetzgebung der napoleonischen Regierung wird in der Literatur als Reaktion revolutionärer Ideologien und Reformen verstanden.2 Dies zeigt sich insbesondere im Gesellschaftsrecht, wie nachfolgend, insbesondere bei Untersuchung des Art. 37 Code de Commerce, zu sehen sein wird. Aber auch im Versicherungsrecht ist ein gewisses rechtliches Nachwirken der Revolution zu erkennen. Als bedeutendste Gesetzgebung Napoleons gelten der Code civil und der Code de Commerce. Der Code civil wurde im Jahr 1804 geschaffen.3 Dieser behandelte den Versicherungsvertrag ausschließlich als contrat aléatoire (aleatorischer Vertrag) (Art. 1964).4 Anders der Code de Commerce, welcher den Versicherungsvertrag in Liv. 2 Tit. 10 (Art. 332 – 396) regelte. Der Code de Commerce wurde am 15. September 1807 veröffentlicht und trat am 1. Januar 1808 in Kraft.5 Der Code de Commerce enthielt Vertragsvorschriften wie z. B. das Schriftformerfordernis (Art. 332), die vorvertragliche Anzeigepflicht (Art. 348) sowie Sanktionsmaßnahmen im Falle gewillkürter Gefahrerhöhung (Art. 351) und vorsätzlicher Über- und Doppelversicherung (Art. 358, Art. 359). Auf diese versicherungsvertraglichen Regelungen soll im Hinblick auf den definierten Untersuchungsgegenstand in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Der Code de Commerce besaß zahlreiche Regelungslücken. Diese wurden allmählich durch Schaffung ergänzender Regelungen geschlossen. Daneben trugen auch Praxis6, Rechtsprechung7 und Doktrin8 zur Schließung von Lücken bei. Interessant ist, dass hierbei rechtsvergleichende Betrachtungen Beachtung gefunden haben sollen.9 Auch im Bereich des Versicherungsrechts war die Gesetzgebung des Code de Commerce lückenhaft. Der Code de Commerce regelt nur den Versiche2

So Szramkiewicz/Bouineau (4. Aufl. 1998), XVI; Hissung-Convert (2008), S. 100, 108. Überblick zur Schaffung des Code civil in Szramkiewicz/Bouineau (4. Aufl. 1998), S. 325 ff. 4 Chaufton (1886), Bd. 2, S. 4. 5 Richard, Droit des affaires (2005), S. 101; Schioppa, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3161. Eingehend zur Kodifikation des Handelsrechts und der Entstehungsgeschichte in Schioppa, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3153 ff. 6 So z. B. die Statuten der Gesellschaften, hierunter auch jene der Versicherungsgesellschaften. 7 Wegen uneinheitlicher Entscheidungen und der bestehenden Rechtsunsicherheit musste der Gesetzgeber später trotz Entscheidung der Gerichte tätig werden. Richard, Droit des affaires (2005), S. 107. 8 Insbesondere ist zu nennen Pardessus, Cours de Droit commercial (5. Aufl. 1841), Bd. 1 – 6; Thaller, Traité Général Théorique et Pratique de Droit Commercial (1910), Bd. 1, Bd. 2; ders. (1924), Bd. 3. 9 Insbesondere während des Second Empire soll der Einfluss englischen Rechts (1863) auf das Gesellschaftsrecht groß gewesen sein. Auch die deutsche Gesetzgebung über die Gesellschaften (1925) soll zur Rechtsvergleichen heranzgezogen worden sein. Richard, Droit des affaires (2005), S. 104 f. 3

I. Nachwirken der Revolution

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rungsvertrag. Vorschriften der surveillance (Überwachung) oder der contrôle (Kontrolle) von Versicherungsgesellschaften enthielt der Code de Commerce nicht. Insofern war kein Versicherungsaufsichtsrecht im Code de Commerce normiert worden.10 Das Versicherungsvertragsrecht war im Code de Commerce nicht abschließend geregelt. Die Vorschriften des Versicherungsvertrags waren in Bezug auf Seeversicherungen geschaffen worden. Andere Versicherungsverträge als der Seeversicherungsvertrag waren nicht direkt erwähnt.11 Hierfür können verschiedene Gründe maßgebend gewesen sein. Grundsätzlich stand die napoleonischen Regierung Versicherungen misstrauisch gegenüber.12 Wie in Originaldokumenten zur Schaffung des Code de Commerce deutlich wird, war die Erinnerung an Spekulationen im Versicherungswesen während des Ancien Régime auch noch nach der Revolution unter der Herrschaft Napoleons präsent.13 Zudem wurden Lebens- und Feuerversicherung bei Schaffung des Code de Commerce als nicht kodikationsreif erachtet.14 Die Versicherungszweige hatten, wie bereits im ersten Kapitel dargestellt wurde, unterschiedliche Entwicklungsstufen und volkswirtschaftliche Bedeutung.15 Überdies führte der Code de Commerce im Bereich des Versicherungsrechts überwiegend altes Recht fort, insbesondere das der Ordonnance de la Marine von 1681.16 Bereits in der Ordonnance de la Marine war nur der Seeversicherungsvertrag geregelt worden. Der Lebensversicherungsvertrag war sogar verboten.17 Insofern könnte die ablehnende Haltung nicht nur der Wissenschaft (z. B. Pothier, Emerigon, Valin)18, sondern gerade auch des früheren Gesetzgebers (Ordonnance de la Marine 168119; Décret vom 24. August 179320) entscheidend für die fehlende Kodifizierung des Lebensversicherungsvertrags gewesen sein.21 Weil der Lebensversicherungsvertrag nicht in Art. 344 Code de Commerce, eine Aufzählung aller versicherbaren Risiken, genannt wurde, vertrat man sogar, dieser Vertrag sei verboten. Corvetto, einer der Redakteure des Code de Commerce, stützte sich auf die Argumente der 10

Anthon (1937), S. 53. Neugebauer (1990), S. 42; Lewis (1889), S. 10. 12 Müller-Lutz/Rehnert (1995), S. 288. 13 Exposé de Motifs, Regnaud de Saint Jean d’Angély, Séance vom 1. September 1807, abgedruckt in: Locré (1837), Bd. 11, S. 168 ff. Ruffat, in: Nùñez (1998), S. 61. Vgl. auch Venard, in: Cummis/Venard (2007), S. 245. 14 Neugebauer (1990), S. 41. 15 Siehe B. IV. V, VII. (S. 63, 75, 111). Vgl. Braemer, Zeitschrift des Königl. Preußischen Statistischen Bureaus (1871), 46 f.; Halpérin (2. Aufl. 2012), S. 151. 16 Vgl. Braemer, Zeitschrift des Königl. Preußischen Statistischen Bureaus (1871), 46; Pouilloux (2001), S. 660 f. Vgl. auch Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 32; Hubrecht, VersArch (1958), 351; Hamon (1895), S. 30; Firmin-Didot frères (1868), Bd. 2, S. 139. 17 Siehe Siehe B. III. 2 (S. 57 ff.). 18 Siehe Siehe B. V. 2 (S. 77 ff.). 19 Siehe B. III. 2 (S. 57). 20 Siehe C. II. 2. (S. 121). 21 Neugebauer (1990), S. 15 f., 41. 11

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

Kommentatoren der Ordonnance de la Marine.22 Ein Teil der zeitgenössischen Literatur folgte diesem.23 Ob das Fehlen der Kodifikation des Lebensversicherungsvertrags nun auf ein Nachwirken der Französischen Revolution oder des Ancien Régime zurückzuführen ist, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Szramkiewicz/ Bouineau vertreten allgemein, dass der Code de Commerce im Bereich des Versicherungsrechts einen rechtlichen Ausgleich zwischen dem Recht des Ancien Régime und dem Recht der Revolution schuf.24 Der Grundgedanke dieser These passt zu der bereits bei Untersuchung der Französischen Revolution aufgestellten Behauptung, die Französische Revolution sei verbindendes Element zwischen der Versicherungsaufsicht des Ancien Régime und des ersten Versicherungsaufsichtssystems nach der Revolution.25 Die These von Szramkiewicz/Bouineau wird sich insbesondere bei Analyse der Genehmigungspflicht der sociétés anonymes gem. Art. 37 Code de Commerce bestätigt finden.26 Unabhängig von den rechtlichen Zusammenhängen verschiedener versicherungsrechtlicher, insbesondere versicherungsaufsichtsrechlticher, Perioden kann abschließend festgehalten werden, dass im Code de Commerce keine konkrete Regelung der assurances terrestres existierte. Im Ancien Régime hatte sich das Versicherungsrecht für Seeversicherungen aus der Ordonnance de la Marine und für Feuer- und Lebensversicherungen aus den für diese erlassenen Arrêts ergeben.27 Mit der Beseitigung der Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften während der Revolution gingen auch die für diese in den Arrêts enthaltenen versicherungsrechtlichen, insbesondere auch versicherungsaufsichtsrechtlichen, Regelungen verloren. Damit war nach der Französischen Revolution keine, folglich auch keine versicherungsaufsichtsrechtliche, Regelungen der assurances terrestres vorhanden.28 Nach der Französischen Revolution mussten mithin sowohl versicherungsvertragsrechtliche als auch versicherungaufsichtsrechtliche Regelungen ergänzend zu den Vorschriften des Code de Commerce geschaffen werden. Dass das Fehlen solcher 22 Corvetto in: Code du commerce, Servant de Supplément au procès-verbal des séances du corps legislatif, Septembre 1807. Exposée des motifs par les orateurs du gouvernement (1807), S. 55 f. Vgl. Gibaud (1998), S. 16; Thiveaud, in: Colloque sur l’Histoire de la Sécurité Sociale (1990), S. 287; Cochin (1865), S. 22. So auch Portalis, der Redakteur des Code civil, vgl. Portalis (1844), S. 245; Alauzet (1844), Bd. 2, S. 473; Hubrecht, VersArch (1958), 362. 23 So z. B. Locré (2. Aufl. 1829), Bd. 2, S. 339; Langlade (2. Aufl. 1829), Bd. 1, S. 130 f. Auch jüngere Literatur spricht von einem Verbot. So Brenner (1940), S. 104; Thiveaud, Revue d’économie financière (1998), 41. A. A. waren Pardessus, Cours de Droit commercial (5. Aufl. 1841), Bd. 3, S. 266; Quenault (1828), S. 10 f. Benecke (2. Aufl. 1810), Bd. 1, S. 55. Vgl. auch Firmin-Didot frères (1868), Bd. 2, S. 142; Courcy, Revue de Paris: Littérature, histoire, philosophie, sciences, beaux-arts (1864), 5. 24 Szramkiewicz/Bouineau (4. Aufl. 1998), XVI. 25 Siehe S. 124 ff. 26 Vgl. S. 144 ff.; vgl. auch S. 169 ff. 27 Pouilloux (2011), S. 660. 28 Halpérin (2. Aufl. 2012), S. 151.

I. Nachwirken der Revolution

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Vorschriften auf ein Nachwirken der Französischen Revolution zurückzuführen ist, erscheint wahrscheinlich. 2. Lokale und regionale mutuelles Trotz der rechtlichen Anerkennung von Versicherungen im Code de Commerce erfuhr das Versicherungswesen während des Konsulats keinen nennenswerten Aufschwung. Es existierten wohl lediglich einige lokale und regionale mutuelles contre l’incendie (Feuerversicherungen auf Gegenseitigkeit) oder mutuelles contre la grêle (Hagelversicherungen auf Gegenseitigkeit).29 Diese wurden von der Verwaltung Napoleons toleriert oder schlicht nicht beachtet.30 Denn wie im vorangehenden Kapitel gesehen, mangelte es nach Erlass des Loi le Chapelier an adäquaten Möglichkeiten der Vorsorge. Der Staat konnte oder wollte aus finanziellen Gründen diesen Umstand nicht ändern.31 Gründungsversuche von compagnies d’assurances wurden von der Regierung abgelehnt, wie bspw. das Projekt von Duvillard, Aktuar der Compagnie Royale, zur Gründung einer Caisse nationale d’économie et d’épargne.32 Ebenso wurde die Umwandlung der bereits während der Revolution existenten caisses de secours (Hilfskassen) in sociétés d’assurances mutuelles contre l’incendie et les risques agricoles (Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit gegen Feuer und Agrarrisiken) verhindert.33 Damit waren wahrscheinlich auch nach der Revolution zunächst keine oder nur wenige Versicherungen in Frankreich vorhanden.34 Eine Abgrenzung vorhandener Einrichtungen fällt wegen der uneinheitlichen Verwendung der Begriffe „mutuelles“, „mutualité“, „société d’assurance mutuelle“, „associations d’assurances mutuelles“ in Original- und Sekundärliteratur schwer. Rechtlich erfasst wurden diese erstmals in dem Décret vom 22. Januar 1868. Im 19. Jahrhundert kam der Begriff „assurance mutuelle“ auf. In offiziellen Dokumenten35 werden Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals „associations d’asurances mutuelles“ und „sociétés d’asurances mutuelles“ angesprochen.36 Das diesen zugrundeliegende Konzept gegenseitiger Hilfe und Unterstützung hat hingegen eine lange Tradition.37 Die genaue 29

Richard (1956), S. 37 f. Pouilloux (2011), S. 247; Richard (1956), S. 37. 31 Gibaud (1998), S. 14. 32 Richard (1956), S. 37; Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15. 33 Richard (1956), S. 37 f. 34 Hissung-Convert (2008), S. 108; Richard (1956), S. 38; Die Existenz von Versicherungen während des Konsulats ausschließend Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15; Wiedenlübbert (2001), S. 13; Gallais-Hamonno/Hautcoeur (2007), Bd. 1, S. 201. 35 So z. B. Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 352 f. 36 Siehe auch Rey (2011), S. 1296. 37 Näher hierzu Bennet (1981), S. 17 ff.; Laurent (1865), S. 160 ff.; Martin Saint-Leon (1976), S. 1 ff., 52 ff.; Gibaud, De la Mutualité (1986), S. 15. 30

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

Entwicklung der assurances mutuelles ist gleichwohl weitgehend unklar.38 Dies gilt auch für Frankreich.39 Moderne Forschung vertritt, die assurances mutuelles haben sich in Frankreich als neues Konzept der Versicherung infolge der Revolution entwickelt.40 Richard sieht in den sociétés d’assurances mutuelles den Nachfolger der caisses de secours.41 Die sociétés d’assurances mutuelles sind von den „caisses d’assistance“ (Unterstützungskassen) abzugrenzen. Anders als die caisses d’assistance dienten die assurances mutuelles nicht nur dem Ersatz von Schäden nach deren Eintritt, sondern auch der Übernahme des Risikos vor Eintritt eines Schadens. Die caisses d’assistance nahmen keine Kalkulation des möglichen Schadens vor. Oft wurden die caisses von Geistlichen verwaltet und geleitet. Ihr Kapital bestand nicht aus den Mitgliedsbeiträgen, sondern setzte sich aus Spenden zusammen. Caisses d’assistance waren mithin nicht als Versicherung, sondern als Fürsorge anzusehen.42 Als Versicherung waren zu jener Zeit damit ausschließlich die sociétés d’assurances mutuelles und die société d’assurance à primes (fixes) tätig, welche zwei unterschiedliche Versicherungsformen bildeten. In der Sekundärliteratur wird die „sociétés d’assurances à primes (fixes)“ (Versicherungsgesellschaft mit festen Prämien) missverständlicherweise auch als „compagnie d’assurance“ bezeichnet.43 Im Gegensatz zu den sociétés d’assurances à primes besaßen die sociétés d’assurances mutuelles keine Gewinnabsicht. Die société d’assurance mutuelle setzte sich aus ihren versicherten Mitgliedern zusammen. Die société d’assurance à primes war hingegen Eigentum ihrer Anteilseigner, ihr Kapital war in Anteile geteilt, welche an der Börse handelbar waren.44 Die Regierung, allen voran Napoleon, stand den assurances mutuelles misstrauisch gegenüber.45 Vermutlich wirkte revolutionäres Gedankengut fort.46 Das Misstrauen der französischen Regierung äußerte sich in staatlichen Eingriffen. Mehrfach griff die Regierung in die Gründung von assurances mutuelles ein. Ab dem Jahr 1806 wurde den mutuelles verboten, professionell Mitglieder zu werben.47

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So bereits Chaufton (1884), Bd. 1, S. 350. Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 15 bezeichnet die Chambre d’assurance générale aus dem Jahr 1754 als erste echte Versicherung auf Gegenseitigkeit; Im Dictionnaire général d’administration (1849), S.93 wird hingegen eine Assurance des récoltes contre la grêle in Toulouse aus dem Jahr 1802 angeführt. 40 So Gibaud, De la Mutualité (1986), S. 1, 10 ff.; Delbrel, in: Hellwege (2018), Bd. 1, S. 55. Bennet (1981), S. 792 meint revolutionäre Maßnahmen, so das Loi le Chapelier, hatten zumindest wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Mutualité. 41 Richard (1956), S. 37. 42 Vgl. Hissung-Convert (2008), S. 113, Fn. 226; Richard (1956), S. 42. 43 So Bigot (3. Aufl. 2011), S. 14 f. 44 Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15; Szramkiewicz/Bouineau (4. Aufl. 1998), S. 362. 45 Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15. 46 Vgl. C. II. 4, IV. V. (S. 124, 128, 129). Vgl. auch Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15. 47 Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15. 39

I. Nachwirken der Revolution

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Überdies untersagte der Conseil d’État die Bildung von Reserven.48 Die Geschäftstätigkeit der assurances mutuelles musste regional begrenzt bleiben.49 Auch die Rückversicherung war diesen Vereinigungen verboten.50 Art. 291 Code penal (1810)51 verbot sogar die Gründung von Vereinigungen von mehr als 20 Personen ohne Zustimmung der Regierung.52 Damit wird deutlich, dass die napoleonische Regierung die Gründung von Versicherungen nicht guthieß, geschweige denn aktiv förderte. Insoweit ist nicht verwunderlich, dass das Versicherungsgeschäft während des Konsulats wahrscheinlich nur wenig betrieben wurde. Klar ist, dass sich dieser Umstand mit der Restauration änderte.53 Hiermit wurde auch staatliches Eingreifen in den Versicherungsmarkt präsenter. 3. Selektive Genehmigungserteilung Während der Restauration begann für die Entwicklung des Versicherungswesens eine neue Phase. Sowohl der wirtschaftliche Wohlstand als auch die politische Stabilität wirkten sich begünstigend aus.54 Große Investitionen wurden getätigt. Bankiers suchten nach neuen Anlagemöglichkeiten für ihre Kunden. Ausländer brachten deutsche und englische Methoden der Finanzwirtschaft, hierunter auch Versicherungstechniken, nach Frankreich.55 Auch die neue Regierung der Restauration stand der Weiterentwicklung der Versicherungstätigkeit nicht mehr im Weg.56 Infolge der günstigen wirtschaftlichen wie politischen Situation erteilte die Regierung zahlreichen mutelles-incendie (Feuerversicherung auf Gegenseitigkeit) und mutuelles-grêle (Hagelversicherung auf Gegenseitigkeit) während der Restauration die Genehmigung zur Gründung. Zwischen 1809 und 1830 sollen insgesamt 35 mutuelles incendie57 und 11 mutuelles-grêle58 gegründet worden sein.59 Die Re48

Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15; Richard (1956), S. 38. Richard (1956), S. 38. 50 Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15. 51 „Nulle association de plus de vingt personnes, dont le but sera de se réunir tous les jours ou à certains jours pour s’occuper d’objets religieux, littéraires, politiques ou autres, ne pourra se former qu’avec l’agrément du gouvernement et sous les conditions qu’il plaira à l’autorité publique d’imposer à la société. […]“ (Keine Gesellschaft, mit mehr als 20 Mitgliedern, deren Ziel es ist, sich jeden Tag oder an bestimmten Tagen zur Verfolgung religöser, wissenschaftlicher, politischer oder anderer Ziele zu treffen, kann ohne die Zustimmung und Einhaltung der Vorschriften, welche die öffentliche Verwaltung diesen auferlegt, gegründet werden.) 52 Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15; Pouilloux (2011), S. 247. 53 Vgl. Bigot (3. Aufl. 2011), S. 15. 54 Pouilloux (2011), S. 247 f. 55 Szramkiewicz/Bouneau (4. Aufl. 1998), S. 361. 56 Pouilloux (2011), S. 248. 57 So 1816 Société d’assurances mutuelles immobilières de la Ville de Paris (Royale incendie). Deren Beispiel folgten zahlreiche lokale mutuelles incendies. So 1817 Ancienne 49

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gierung bevorzugte anfangs die mutuelles, die Préfets (Präfekten) insbesondere regionale mutuelles.60 Dies zeigt sich auch darin, dass öffentliche Gebäude von sociétés d’assurances mutuelles versichert wurden.61 Der Erfolg der sociétés d’assurances mutuelles half wahrscheinlich der Entwicklung der sociétés d’assurances à primes fixes.62 Bald wurden auch sociétés d’assurances à primes fixes die Genehmigung der Regierung erteilt. Grundlage hierfür bildete die Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817.63 Während der Restauration wurden schließlich zahlreiche sociétés d’assurances à primes fixes i. F. v. sociétés anonymes gegründet. a) Versicherungsform Warum wurden aber zunächst nur die sociétés d’assurances mutuelles und nicht die sociétés d’assurances à primes fixes gefördert? Aufschluss über diese Frage gibt der Charakter beider Versicherungsformen. Die sociétés d’assurances à primes fixes nahmen überwiegend die Gesellschaftsform der société anonyme an. Die société anonyme war Nachfolger der société par actions.64 Zur Zeit des Ancien Régime und der Revolution wurde, wie bereits erläutert, der Begriff „sociétés par actions“ als Überbegriff für die „société anonyme“ und die „société commandite par actions“ verwendet.65 Den Begriff „société anonyme“ gebrauchte man hingegen allein für die „société/associations en participation“.66 Dies änderte sich mit Schaffung des Code de Commerce. Die im Code de Commerce normierte société anonyme entspricht weitgehend der in der modernen deutschen Rechtsordnung als „Aktiengesellschaft“ bezeichneten Gesellschaftsform.67 Mithin war die société anonyme Nachfolgerin der während der mutuelles de Rouen (Mutuelle de la Seine Inférieure et de l’Eure), 1819 Mutuelles de Seine et Seine-et-Oise (A. M.), Mutuelles de Lyon, Nantiaise, Mutuelle d’Eire-et-Loir, Mutuelle de Seine-et-Marne, 1820 L’Orléanaise, Ancienne Mutuele du Calvados, Mutuelle du Cher, Mutuelle du Bas-Rhin, 1821 Mutuelle du Loir-et-Cher, Mutuelle de la Marne, 1826 Mutuelle de Marseille, Mutuelle de l’Allier, Mutuelle d’Indre-et-Loire, Mutuelle de Valence, 1828 Mutuelle Immobilière de Mans, 1829 Mutuelle de l’Indre; siehe Richard (1956), S. 39. 58 So 1823 Céres; 1826 Société de Toulouse, 1829 Mutuelle Grêle de Seine et Seine-etMarne, 1834 Etoile, Versaillaise, 1844 Beauceronne Vexinoise; siehe Richard (1956), S. 39. 59 Richard (1956), S. 41. Vgl. auch Szramkiewicz/Bouineau (4. Aufl. 1998), S. 361 f. 60 Richard (1956), S. 39; Gallais-Hamonno/Hautcoeur (2007), Bd. 1, S. 200; Ruffat, Financial history review (2003), 190. 61 Richard (1956), S. 39. 62 Bellenger (2011), S. 328. 63 Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 504 f. Ruffat, Financial history review (2003), 190. 64 Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 630. 65 Siehe S. 53, 117. 66 Siehe S. 53. 67 So auch für Frankreich Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/ Touchelay (2016), S. 358.

I. Nachwirken der Revolution

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Revolution beseitigten société par actions.68 Dieser begegnete der Gesetzgeber, wie bereits angesprochen, noch im Premier Empire mit Misstrauen.69 Sociétés anonymes und Versicherungsgesellschaften in dieser Form wurden immer noch als Spekulationsmittel wahrgenommen. Die Gefahr betrügerischer Spekulationen wurde für sociétés mutuelles – zumindest zunächst – nicht erkannt, da diesen jede Gewinnabsicht fehlte. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wie auch der Wirtschaft des Staates stellten die sociétés mutuelles nach zeitgenössischer Ansicht damit nicht dar. Zudem überwachten sich die Mitglieder der sociétés mutuelles selbst. Dies machte eine staatliche Überwachung weitgehend entbehrlich.70 Eine solche Aufsicht wird heute auch autocontrôle genannt.71 Eine gegenseitige Überwachung war den sociétés anonymes hingegen fremd. Indem die Regierung den sociétés mutuelles und nicht den sociétés anonymes die Genehmigung erteilte, konnte diese sicherstellen, dass die auf dem Markt aktiven Versicherungen zumindest irgendeiner Form der Überwachung unterlagen, ohne hierfür selbst Aufsichtsmaßnahmen ergreifen zu müssen. Dies erklärt, weshalb die französische Regierung zunächst den sociétés mutuelles bevorzugt die staatliche Genehmigung erteilte. Die Versicherungsform war somit – zumindest zunächst – bei Genehmigungserteilung entscheidendes Kriterium. Von ihr war der Zugang zum Versicherungsmarkt abhängig. Insofern konnte durch Verweigerung der Genehmigung der Zugang zum französischen Versicherungsmarkt verwehrt werden. b) Versicherungszweig Die Genehmigungserteilung konnte darüber hinaus zur zielgerichteten Förderung der Entwicklung bestimmter Versicherungszweige eingesetzt werden. Zunächst versuchte der Gesetzgeber das Seeversicherungswesen zu fördern. Indem zwei Gesellschaften aus Bordeaux und Paris im Jahr 1817 die Genehmigung zur Gründung einer Feuerversicherungsgesellschaft verweigert wurde, sollten diese zur Gründung einer Seeversicherungsgesellschaft bewegt werden.72 Ähnlich erging es 1817 der Compagnie Commerciale d’Assurances Maritimes, welche ihr Geschäft unter dem Namen Compagnie d’Assurance Générales über die Seeversicherung hinaus auf das Geschäft der Feuer- und Lebensversicherung ausweiten wollte. Chabrol, der Sous-Secrétaire d’État à l’Intérieur, hatte wegen der Gefahr von Feuerund Lebensversicherungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung moralische

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Vgl. Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 630. Hissung-Convert (2008), S. 99. 70 Ruffat, Financial history review (2003), 190; Richard (1956), S. 42; Hissung-Convert (2008), S. 115 ff.; Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 35. 71 Siehe S. 25. 72 Richard (1956), S. 43. 69

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

Bedenken gegen das Projekt geäußert.73 Es ist aber wahrscheinlich, dass es sich hierbei um eine nur vorgeschobene Begründung handelt. Tatsächlich sollte wohl die Weiterentwicklung des Seeversicherungssektors gefördert werden, was wegen vorherrschender Piraterie und dauernder kriegerischer Konflikte74 notwendig war.75 Mit voranschreitender Untersuchung wird indes zu sehen sein, dass die assurances maritimes nach der Revolution, anders als noch während des Ancien Régime, nicht mehr primär Gegenstand staatlicher Regulierung war. Der Fokus staatlichen Eingreifens lag fortan auf den assurances terrestres, eine Entwicklung, die sich bereits zum Ende des Ancien Régime abgezeichnet hatte. Insofern verwundert nicht, dass auch der Feuerversicherungszweig in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht ohne staatliche Einmischung verblieb. Zunächst durften nur Immobilien gegen Brandrisiken versichert werden. Die Versicherung von Mobiliar wurde durch ein circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Oktober 1819 ausgeschlossen.76 Mobiliarversicherungen wurde wegen angeblich fehlender gegenseitiger Überwachung und der damit einhergehenden Gefahr des Betruges misstraut.77 Erst ab 1838 erhielten auch Mobiliarfeuerversicherungen die Genehmigung.78 Auch Lebensversicherungen hatten zu Beginn der Restauration einen schweren Stand. Im Jahr 1817 sollte die Compagnie royale d’assurance sur la vie neugegründet werden. Dies wurde mit Verweis auf Corvettos Auslegung des Art. 334 Code de Commerce abgelehnt.79 Erst der Avis des Conseil d’État vom 23. März 1818/28. Mai 181880 indizierte die Legalität des Lebensversicherungsvertrags.81 Die Auslegung des § 334 Code de Commerce wurde als veraltet abgelehnt.82 Auch war die Argumentation der

73

Richard (1956), S. 42 f. Die Seeversicherung umfasste auch das Risiko des Krieges wie im Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817 klargestellt wird. 9e Question – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 504. 75 Vgl. Richard (1956), S. 43. 76 Richard (1956), S. 40; Pouilloux (2011), S. 248. 77 Boudousquié (1829), S. 52 f., 104; Pouilloux (2011), S. 248. 78 Erste Mobiliarversicherung war die Fraternelle, Société d’assurances mutuelles entre les habtiatns de Paris pour la garantie des meubles et marchandises contre l’incendie (Ordonnance royale vom 24. August 1838); siehe Richard (1956), S. 40; Pouilloux (2011), S. 249. 79 Thiveaud, in: Colloque sur l’Histoire de la Sécurité Sociale (1990), S. 287. 80 „[Conseil d’État] [e]st d’avis que l’engagement de payer une somme déterminée au décès d’un individu, moyennant une prestation annuelle à payer par cet individu, peut être autroisée […].“ (Der [Conseil d’État] ist der Ansicht, dass die Verpflichtung, eine Summe auf den Todesfall einer Person gegen jährliche Leistung der betreffenden Person zu zahlen, genehmigt werden kann.) 4e Question des Avis des Conseil d’État vom 23. März 1818/28. Mai 1818, zitiert in: Pouilloux (2011), S. 310. 81 Hamon (1895), S. 576 lässt den Avis bereits als ausreichend gesetzliche Legalisierung ausreichen. Mornard (1883), S. 28 ff., 41 lehnt dies mangels rechtlicher Verbindlickeit des Avis ab. Erst Art. 37 des Gesetzes vom 5. Juni 1850 ist seiner Ansicht nach formeller Anerkennungsakt. 82 Sirey/Devilleneuve/Renard (1832), S. 322. 74

I. Nachwirken der Revolution

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Kommentatoren der Ordonnance de la Marine83 – v. a. jene moralischer Art – mit Blick auf die Akzeptanz von Tontinen und rentes viagères nicht länger haltbar.84 Die nähere Darstellung der Entwicklung des Versicherungswesens ab der Restauration hat mithin gezeigt, dass dieses nicht frei von staatlicher Einmischung war. Anders als zu den frühen Zeiten des Ancien Régime (Liv. 3 Tit. 6 Art. 10 Ordonnnacne de la Marine)85 und der Revolution (Décret vom 24. August 1793)86 war nicht mehr das Verbot Mittel zur Regulierung des Versicherungswesens, sondern überwiegend die Genehmigung, eine Entwicklung, die bereits Ende des Ancien Régime zu erkennen war. Die Genehmigung wurde selektiv erteilt. Nicht jedes Unternehmen, welches die Genehmigung beantragte, erhielt sie. Zwar könnte dies an den einzelnen antragenden Unternehmen gelegen haben. Wahrscheinlicher ist aber, dass der französische Staat durch die Genehmigungspraxis die Entwicklung des Versicherungswesens nach seinem Willen, also in Richtung der Gründung eines Versicherungsunternehmens in bestimmter Gesellschaftsform oder einem bestimmten Versicherungszweig, zu lenken bezweckte. Darüber hinausgehende Gründe staatlichen Eingreifens sollen im weiteren Verlauf der Untersuchung angesprochen werden. 4. Zusammenfassung In der Darstellung der Entwicklung des Versicherungswesens nach der Revolution konnte aufgezeigt werden, dass die Französische Revolution in rechtlicher wie praktischer Hinsicht nachwirkte. Der Versicherungsvertrag war im Code de Commerce geregelt, jedoch nur lückenhaft. Insbesondere fehlte es an versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen. Auch eine Regelung der assurances terrestres war nicht vorhanden. Zunächst existierten nur lokale mutuelles. Daher waren diese zunächst Gegenstand staatlichen Eingreifens. Erst ab der Zeit der Restauration erteilte die Regierung vermehrt sociétés d’assurances mutuelles und später auch sociétés d’assurances à primes die Genehmigung zur Gründung. Die Genehmigungserteilung erfolgte damit selektiv, was den Schluss nahelegt, dass der Staat die Genehmigung bewusst zur Lenkung der Entwicklung des Versicherungswesens einsetzte. Doch aus welchen Regelungen leitete die Regierung ihr Recht ab, Versicherungsunternehmen der Genehmigungspflicht zu unterstellen? Wie war diese Genehmigungserteilung inhaltlich gestaltet? Und erschöpfte sich staatliche Lenkung in der Genehmigungserteilung? Dies muss in den nachfolgenden Untersuchungen geklärt werden.

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Siehe S. 77 ff. Vgl. 4e Question des Avis des Conseil d’État vom 23. März 1818/28. Mai 1818, zitiert aus: Pouilloux (2011), S. 310; 10e Question des Circulaire des Sous-secrétaire d’État de l’Interieur vom 11. Juli 1818, zitiert in: Pouilloux (2011), S. 310 f. Siehe auch Alauzet (1844), Bd. 2, S. 473. 85 Siehe B. V. (S. 276). 86 Siehe C. II. 2 (S. 119). 84

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

II. Rechtliche Einordnung der sociétés d’assurances Beschäftigen wir uns zunächst mit der ersten Frage nach der Rechtsgrundlage der Genehmigungspflicht. Die Genehmigungspflicht ergab sich aus unterschiedlichen Regelungen. Die Anwendbarkeit der verschiedenen Regelungen war abhängig von der Versicherungsform. Wie dargestellt existierten in Frankreich ab der Restauration zwei unterschiedliche Versicherungsformen. Versicherungsunternehmen müssen daher in zwei Kategorien unterteilt werden: „sociétés à primes (fixes)“ (Gesellschaft mit Festprämien) und „sociétés mutuelles“ oder „sociétés reciproques“ (Vereinigung auf Gegenseitigkeit). Grundsätzlich legt der Code de Commerce in Art. 633 fest, dass alle Versicherungen zu den Handelsakten zu zählen sind. Tatsächlich erfasst der Code de Commerce jedoch nur die sog. „société d’assurance à primes (fixes)“ (Versicherungsgesellschaft mit festen Prämien), auch „compagnies d’assurances à prime (fixe)“ genannt,87 denn die sog. „sociétés d’assurances mutuelles“ (Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) nahmen kein Handelsgeschäft vor, wie verschiedene offizielle Dokumente indizieren.88 Daher unterstanden nur die sociétés d’assurances à primes fixes dem allgemeinen Recht des Code de Commerce. Auf die sociétés d’assurances mutuelles waren hingegen die Regelungen des Code de Commerce nicht anwendbar. Dies stellt der Avis des Conseil d’État vom 30. September 1809 klar.89 Damit muss bei der rechtlichen Würdigung zwischen société d’assurance mutuelle und société d’assurance à primes fixes unterschieden werden. Die sociétés d’assurance à primes fixes hatten als Handelsgeschäft eine Gesellschaftsform des Code de Commerce anzunehmen und die für die jeweilige Gesellschaftsform geschaffenen Vorschriften einzuhalten.90 Die sociétés d’assurances à primes fixes wählten die Form der société anonyme.91 Damit mussten sie die Bestimmungen des Code de Commerce der sociétés anonymes, namentlich die Art. 29 bis Art. 37, Art. 40 und Art. 45 Code de Commerce, beachten. Aber auch die allgemeinen Vorschriften waren einzuhalten. Von besonderer versicherungsaufsichtsrechtlicher Relevanz war nach Erkenntnissen der modernen Forschung insbesondere die in Art. 8 ff. Code de Commerce normierten Vorschriften zur Rechnungslegung. Die Pflicht, Buchhaltungsunterlagen an eine staatliche Behörde zu übergeben, ist 87

Näher zu der Natur der Compagnies à primes fixe in Szramkiewicz (1989), S. 245. So z. B. 1 – Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Obktober 1819, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 678; Circulaire ministérielle vom 25. Oktober 1829, zitiert in: Richard (1956), S. 39. Vgl. Freedeman (1979), S. 22. 89 Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 352 f. 90 Pouilloux (2011), S. 661. 91 Gallais-Hamonno/Hautcoeur (2007), Bd. 1, S. 200, 204; Merger (1858), Bd. 1, S. 16; Dictionnaire général d’administration (1849), S. 92; Halpérin (2. Aufl. 2012), S. 151; HissungConvert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 359; Szramkiewicz (1989), S. 245. 88

II. Rechtliche Einordnung der sociétés d’assurances

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nach Ruffat eines von zwei Grundprinzipien der modernen surveillance, will die surveillance doch sicherstellen, dass die Versicherungsgesellschaften ausreichend Reserven zur Gewähr der Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber den Versicherten gebildet haben.92 Cabrolier bezeichnet den Code de Commerce daher als die erste Skizze einer Kodifikation, in welcher der Wille einer strukturierten Aufsicht angelegt war.93 Möchte man dem zustimmen, muss man doch einräumen, dass diese Kodifikation die Aufsicht nicht abschließend regelte. Einige der bei der Entstehung (Genehmigungsvoraussetzungen, Genehmigungsverfahren) sowie während des Geschäftsbetriebs (Organisation, Verwaltung, Überwachung) einzuhaltenden Vorschriften waren nämlich gar nicht erst gesetzlich geregelt. Ergänzungen und Konkretisierungen wurden mit verschiedenen Instructions ministérielles (vom 31. Dezember 1807 und vom 22. Oktober 1817) und Circulaires ministérielles geschaffen. Einige Regeln, manche Autoren sprechen auch von der überwiegenden Anzahl, entstammten sogar der Praxis. So wurden z. B. in den Statuten der Société Générale (1822) Regelungen zur Überwachung durch Commissaires geschaffen.94 Die Vorschriften der Statuten flossen später in die Gesetzgebung ein. Dies wird im nachfolgenden Kapitel zu sehen sein. Auch die Rechtsprechung klärte Zweifelsfragen. Einige Urteile befassten sich mit Fragen der Zulassung. So wurde z. B. entschieden, dass bei Unwirksamkeit der Genehmigung die Aktionäre persönlich zu haften haben.95 Für sociétés d’assurances mutuelles wurden sukzessiv Regelungen geschaffen. Von besonderer Bedeutung sind der Avis vom 1. April 1809 und der Avis vom 30. September 1809. Auch diese trafen keine abschließenden Regelungen. Daher erlangten Praxis und Rechtsprechung einige Bedeutung. Die rechtliche Grundlage versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen bildeten im Wesentlichen Art. 37 Code de Commerce sowie der Avis vom 1. April 1809 und der Avis vom 30. September 1809.96 Damit waren sowohl gesellschaftliche als auch einzelne versicherungsrechtliche Regelungen Rechtsquelle aufsichtsrechtlicher Maßnahmen. Auch die Praxis spielte weiterhin eine wichtige Rolle in der Versicherungsaufsicht. Insofern können keine wesentlichen Unterschiede zu den Rechtsquellen des Ancien Régime ab dem 17. Jahrhundert ausgemacht werden. Wie bereits im Ancien Régime war die Versicherungsaufsicht komplex und von einer Vielzahl unterschiedlicher sich ergänzender Regelungen, der Praxis und Rechtsprechung geprägt. Die verschiedenen dargestellten Rechtsquellen sollen im Fol92 Ruffat, in: Núñez (1998), S. 66. Das zweite Grundprinzip liegt seiner Ansicht nach in der getrennten Behandlung von Geschäftsbereichen. Für Lebensversicherungsgesellschaften wurde dies im Arrêt vom 1788 angeordnet. Siehe S. 106. 93 Cabrolier (1988), S. 8. 94 Vgl. Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3194 f. 95 Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3195. 96 Vgl. Richard (1956), S. 101. Auch wird ergänzend Art. 1873 Code civil angeführt, nach welchem subsidiär die Vorschriften des Code civil für Handelsgesellschaften anwendbar ist. Vgl. Le Hir (1857), Bd. 2, S. 254.

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

genden näher untersucht werden. Es ist weniger auf den Entwicklungsprozess der Regeln und der Praxis, sondern vielmehr auf deren inhaltliche Ausgestaltung einzugehen, interessiert doch primär deren versicherungsaufsichtsrechtlich relevanter Inhalt. Die Rechtsprechung wird wegen des beschränkten Umfangs der Arbeit nur kurz angesprochen werden können.

III. Sociétés d’assurances à primes 1. Genehmigungspflicht der sociétés anonymes gem. Art. 37 Code de Commerce Eine Genehmigungspflicht bestand nicht allgemein für Handelsgeschäfte, sondern nur für eine bestimmte Gesellschaftsform.97 Grundsätzlich kannte der Code de Commerce vier verschiedene Gesellschaftsformen: die société anonyme (Aktiengesellschaft), die société en commandite (Kommanditgesellschaft), die société en nom collectif (offene Handelsgesellschaft/Personalgesellschaft)98 und die association en participation (Gemeinschaftsvereinigung)99. Allein die société anonyme wurde in Art. 37 Code de Commerce der Genehmigungspflicht unterstellt. La société anonyme ne peut exister qu’avec l’autorisation du roi, et avec son approbation pour l’acte qui la constitue; […].100 Die Aktiengesellschaft kann nur mit Genehmigung des Königs und mit seiner Zustimmung zum Gründungsakt existieren; […].

Die anderen Gesellschaftsformen waren genehmigungsfrei.101 Der Entwurf des Code de Commerce hatte die Genehmigungspflicht zunächst noch für beide sociétés par actions, also société anonyme und société en commandite, vorgesehen. Die Genehmigungsfreiheit der société en commandite hatten das Tribunal und die chambre de commerce gefordert.102 Der Gesetzgeber rechtfertigte die Gründungsfreiheit der société en commandite mit der persönlichen, undefinierten und solidarischen Haftbarkeit der Gesellschafter.103 Hierin wurde ein ausreichender Schutz vor missbräuchlicher Spekulation gesehen.104 Doch weshalb wurde die société anonyme der Genehmigungspflicht unterstellt? 97

Dictionnaire général d’administration (1849), S. 92. Art. 19 Code de Commerce (1807). 99 Art. 47 Code de Commerce (1807). 100 Art. 37 Code de Commerce (1807). 101 Pouilloux (2011), S. 661. 102 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 13 f. 103 Archichancelier in Procès-verbaux du Conseil d’État, Séance vom 15. Januar 1807, abgedruckt in: Locré (1837), Bd. 11, S. 100. Ducouloux-Favard (1992), S. 853; Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 34; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631; Hissung-Convert (2008), S. 102. 104 Hissung-Convert (2008), S. 102. 98

III. Sociétés d’assurances à primes

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Das Gesetzgebungsmaterial gibt hierüber Aufschluss. Hieraus ergibt sich, dass der Nutzen der sociétés anonymes für die Wirtschaft grundsätzlich anerkannt wurde. Gleichzeitig hatte die Vergangenheit gezeigt, dass sociétés anonymes anfällig für Missstände sind. Diese waren eine Gefahr für den einzelnen Vertragspartner wie auch für den öffentlichen Kredit, mithin allgemein eine Gefahr für die öffentliche Ordnung.105 Der gefährliche Charakter der société anonyme war in der nur beschränkten Haftbarkeit der Aktionäre begründet.106 Wie in der Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817 hervorgehoben wird, galt die persönliche Haftung der Gesellschafter jedoch als die größte Sicherheit des Handels.107 Das Bedürfnis staatlicher Regulierung der sociétés anomyes wird hiermit deutlich. Als passendes Regulierungsmittel wurde, wie bereits in frühen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Thematik diskutiert, die Genehmigung angesehen.108 Dies entspricht der Aufsichtspraxis Ende des Ancien Régime.109 Auch das Décret vom 24. August 1793 hatte eine Genehmigungspflicht bereits normiert, schuf sociétés par actions durch zwei nachfolgende Décrets jedoch gänzlich ab.110 Dies passt zu der bereits angeführten These von Szramkiewicz/Bouineau, der Code de Commerce gleiche das Recht des Ancien Régime und das Recht der Französischen Revolution aus, sofern diese unter Recht auch Gewohnheitsrecht verstehen. Nun auf die Genehmigungssystematik des Code de Commerce zurückkommend muss festgestellt werden, dass der französische Gesetzgeber ein dualistisches System gewählt hatte:111 „la quasi-liberté pour les commandites et la soumission administrative pour les sociétés anonymes“ (Quasifreiheit für Kommanditgesellschaften und die Unterwerfung der Verwaltung für Aktiengesellschaften).112 Damit hatten die Redakteure des Code de Commerce einen Kompromiss zwischen den vor Erlass des

105 Regnaud in Procès-verbaux du Conseil d’État, Séance vom 15. Januar 1807, abgedruckt in: Locré (1837), Bd. 11, S. 99. Eingehende Untersuchung zu den Motiven auch in LefebvreTeillard (1985), S. 22; Hissung-Convert (2009), S. 99 ff. 106 Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 358; Lefebvre-Teillard (1985), S. 22. 107 „[L]a loi a pourvu à la sûreté du commerce par les règles de la responsabilité, de la solidarité et de la contrainte envers ceux qui commercent en leur nom ou dans des sociétés collectives.“ (Das Gesetz schuf durch Regeln der Verantwortlichkeit, der Solidarität und des Zwangs gegenüber jenen, welche in ihrem Namen oder den Namen der Gesellschaft tätig werden, die Sicherheit des Handels) Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 501. 108 Eingehend Lefebvre-Teillard (1985), S. 21 ff.; Hissung-Convert (2008), S. 100; Richard, Droit des affaires (2005), S. 355. 109 B. IV., V (S. 63, 75). 110 Siehe S. 121 f. 111 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 854. 112 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 854; Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 13 f.

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Code de Commerce diskutierten eingriffspolitischen Mitteln, „interventionnisme“ (Interventionismus) und „liberté“ (Freiheit), geschaffen.113 2. Genehmigungsprozess Nun gilt es zu klären, wie sich der weitere Gründungsakt gestaltete, welche Anforderungen an die Erteilung der Genehmigung bestanden und nach welchem Verfahren die Genehmigungserteilung erfolgte. a) Genehmigungsverfahren Die Genehmigung der Gesellschaft musste in der Form der Regeln der öffentlichen Verwaltung erteilt werden.114 Die Genehmigung wurde daher als Ordonnance royale115 erlassen, welche in das Bulletin des lois einzutragen war.116 Die Ordonnances royales wurden zwischen 1848 und 1850 durch die Arrêtés du Gouvernement, während des Second Empire durch Décrets impérieaux ersetzt.117 Die Gründung der Gesellschaft hatte durch öffentlichen Akt zu erfolgen.118 Genehmigungsurkunde und Gesellschaftsurkunde musste zusammen und zur gleichen Zeit nach den Regeln des Art. 45 i. V. m. Art. 42 Code de Commerce angezeigt werden.119 Demnach mussten sie während der ersten drei Monate in der Audienzhalle des Handelsgerichtes des Stadtbezirks, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hatte, öffentlich bekannt gemacht werden.120 Diese Vorschriften sollten wohl Publizität und Authentizität schaffen. Durch die Publizierung von Genehmigungs- und Gründungsurkunde sollte sichergestellt werden, dass potentielle Vertragspartner des zu gründenden Unternehmens über ausreichend Informationen zu diesem verfügten. Dieser Zweck wurde, wie im ersten Kapitel dargestellt, bereits in der Ordonnance du Commerce verfolgt.121 Mit der Genehmigungsurkunde machte die erteilende Behörde deutlich, dass die ge113

Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 631. Art. 37 Code de Commerce (1807). 115 Einige Autoren meinen, die Genehmigung sei als Décret erlassen worden. So Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 853; Anthon (1937), S. 55; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3194, Fn. 40. Hierbei betrachten sie wahrscheinlich jedoch nur den Zeitraum des zweiten Kaissereichs, als die Ordonnance royale durch das Décret impérial ersetzt wurde. 116 6e Question – Circulaire des Sous-secrétaore d’État vom 11. Juli 1818, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 675 f. Nach dem Circulaire mussten auch die Statuten in die Zeitung der Stadt oder des Departments, in welchem das Unternehmen seinen Sitz hat veröffentlichen. Siehe auch Malepeyre/Jourdain (1836), S. 151. 117 Pouilloux (2011), S. 663. 118 Art. 40 Code de Commerce (1807). 119 Art. 40 i. V. m. Art. 42 Code de Commerce (1807). 120 Boudousquié (1829), S. 98. 121 B. III 1 (S. 52 ff.). 114

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nehmigte Gesellschaft auf Grundlage ihrer Organisation, ihrer finanziellen Mittel und ihrer Geschäftsführung ausreichend Sicherheit zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten besaß.122 Das weitere Genehmigungsverfahren war nicht im Code de Commerce geregelt. Wie Art. 37 impliziert war deren Ausgestaltung der Verwaltung überlassen.123 Weil Versicherungen für die öffentliche Ordnung von Bedeutung waren, war bis 1826 das Ministère de l’Intérieur (Innenministerium) für diese zuständig. Ab 1826 übernahm das Ministère du Commerce et des Manufactures (Ministerium für Handel und Manufakturen) diese Aufgabe.124 Das Ministère de l’Intérieur schuf zur Regelung des Genehmigungsverfahrens zwei Instructions ministérielles (Instructions ministérielles vom 31. Dezember 1807 und vom 22. Oktober 1817).125 In den Genehmigungsprozess waren verschiedene Organe einbezogen, welche sich in der Praxis nicht stets einig waren126 : Der Conseil d’État, der Ministre de l’Interieure (Innenminister), später der Ministre du Commerce (Handelsminister)127 und die Préfets (Präfekten).128 Zunächst mussten die Antragsteller der Genehmigung, also die Gesellschaftsgründer, eine Petition an die Préfets richten. Die Préfets waren für die Informationsbeschaffung und Stellungnahme zuständig. Die Petition musste von allen Gesellschaftern unterschrieben werden, ein Viertel des Gründungskapitals bereits entrichtet worden sein. Andernfalls wurde der Antrag nicht angenommen. Die Unterlagen und die Stellungnahme der Préfets wurden dem Ministre du Commerce übergeben, der mehrere Berichte über den moralischen Zustand einforderte. Alle Unterlagen und Berichte wurden an den Conseil d’État übermittelt, der über den Antrag entschied.129 In diesem Verfahren wurden drei wesentliche Fragen geklärt: 1. Ist der Gegenstand des Unternehmens zulässig? 2. Wie steht es um die Moral und Solvabilität der Aktionäre? 3. Ist die Solvabilität des Unternehmens gewahrt?130 122 Pardessus, Cours de Droit commercial (5. Aufl. 1841), Bd. 4, S. 232 ff.; Boudousquié (1829), S. 98. 123 „[…] cette approbation doit être donnée dans la forme prescrite pour les réglemens d’administration publique.“ (Diese Genehmigung muss in der Form erteilt werden, die für die Vorschriften der öffentlichen Verwaltung vorgeschrieben sind.). 124 Vgl. z. B. Art. 4 der Ordonnance du Roi über die Genehmigungserteilung für die Union, in Boudousquié (1829), S. 518. Vgl. auch Pouilloux (2011), S. 249. 125 Malepeyre/Jourdain (1836), S. 151. 126 Freedeman (1979), S. 124. 127 Malepeyre/Jourdain (1836), S. 151. 128 Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 358. 129 Forme et direction de la demande 1 – 6 – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 501 f. Transmission de la pétition et avis des préfet 1 – 2 – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 502. HissungConvert (2008), S. 102, Fn. 162; Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/ Touchelay (2016), S. 358. 130 Hissung-Convert (2008), S. 103. Vgl. Transmission de la pétition et avis des préfet 1 – 2 – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 502.

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b) Genehmigungsvoraussetzungen Die Genehmigung wurde weitgehend nach freiem Ermessen des Conseil d’État erteilt.131 Der Conseil d’État setzte die Genehmigungsbedingungen für den Einzelfall fest. Unterschiedliche Voraussetzungen für den Erhalt einer Genehmigung waren somit möglich.132 Lescoeur bemängelte daher, dass sich wegen des weiten Ermessensspielraums de facto wenig im Vergleich zur Situation des Ancien Régime geändert hatte. Er urteilte daher: „[I]l n’en a changé que le nom.“133 (Er [Conseil d’État] hat nur den Namen geändert). Trotz freier Ermessensentscheidung entwickelten sich aus der Genehmigungspraxis des Conseil d’État gewisse Genehmigungsvoraussetzungen.134 Instructions ministérielles und Circulaires ministérielles hielten zudem einige Anforderungen schriftlich fest.135 Neben dem Gesellschaftsgegenstand, war insbesondere der Gesellschaftsvertrag, also das Statut, für die Genehmigungserteilung von Bedeutung.136 Jüngere Literatur spricht in diesem Zusammenhang auch von „Statuts-types“ (Statutenformen). Das Statut des antragenden Unternehmens mussten einer der sich entwickelten Statutenform entsprechen.137 Genehmigungsfähiger Versicherungsgegenstand war z. B. die Kriegsrisikoversicherung, Mobiliarversicherung und Lebensversicherung.138 Verschiedene Versicherungssparten durften, wie bereits im Arrêt vom 27. Juli 1788 festgeschrieben, nicht von ein und demselben Versicherungsunternehmen bedient werden.139 Die Dauer des Betriebs musste im Statut bestimmt werden. Dies sollte Vertrauen in den Bestand des Unternehmens schaffen.140 Die Solvabilität des Unternehmens sollte durch verschiedene Bestimmungen des Statuts aufgezeigt und sichergestellt werden. Hierdurch sollte die Erfüllung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft gewährleistet werden. Insbesondere für VersiSiehe auch zum Verfahren Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 358 f.; Malepeyre/Jourdain (1836), S. 150, 152 f. 131 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S.14. 132 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 853 f. 133 Lescouer (1877), S. 16. 134 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 853 f. 135 So z. B. Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 501 ff.; Circulaire des Sous-secrétaire d’État de l’Intérieur vom 11. Juli 1818, abgedruckt in Pouilloux (2011), S. 673 ff. 136 Malepeyre/Jourdain (1836), S. 145. 137 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 853 f.; Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S.14; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 632. 138 7e Question – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 504. 139 9e, 10e, 12e Question – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 504. Vgl. S. 106. 140 1e Question, Observation – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 503. So Art. 1 Art. 3 Statut der Compagnie d’assurances génerales, in Boudousquié (1829), S. 463.

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cherungen wurde dies für wichtig erachtet.141 Die Unterzeichner des Gesellschaftsvertrags mussten mindestens ein Viertel des Gründungskapitals entrichten und sich zur vollständigen Zahlung nach Genehmigungserteilung verpflichten.142 Wurde ein bestimmter Kapitalbetrag unterschritten, hatte das Unternehmen die Geschäfte auszusetzen und in Liquidation zu treten.143 Auch mussten jährliche Reserven geschaffen werden.144 Waren entsprechende Regeln nicht im Statut enthalten, wurde der Antrag, solange das Statut nicht geändert wurde, abgelehnt oder die Genehmigung unter Auflagen erteilt.145 Die Statuten enthielten überdies Bestimmungen, die nicht zwingender Bestandteil waren. Hierunter befanden sich nicht nur Regelungen, welche während des Geschäftsbetriebs beachtet werden mussten, sondern auch Vorschriften zur Auflösung und zur Liquidation der Gesellschaften. Die Bestimmungen ergaben sich aus dem Code de Commerce oder entwickelten sich gleich der Genehmigungsvoraussetzungen aus der Praxis. In den meisten Statuten waren Regelungen des Versicherungsgegenstands und der Schadensabwicklung vorhanden. Zudem wurden Vorschriften der Reservenbildung, der Gewinnverteilung und der jährlichen Jahresabrechnung geschaffen. Auch die interne Verwaltung war in den Statuten geregelt. Zur internen Kontrolle konnten verschiedene Organe – der Conseil géneral (Generalrats), der Conseil d’administration (Verwaltungsrat), der Contrôleur (Kontrolleur), der Directeur géneral (Generaldirektors) oder der Inspecteur (Inspektors) – eingesetzt werden. Auch ein Conseil judiciaire (Justizrat) wurde manchen Unternehmen zur Seite gestellt. Durch diese wurde ein internes Überwachungs- und Kontrollsystem geschaffen. Verwechselt werden darf diese Überwachung jedoch nicht mit einer durch den Staat ausgeübten. c) Kritik an dem Genehmigungsprozess Das Genehmigungsverfahren dauerte lange Zeit. Die Genehmigungserteilung erfolgte zwischen 12 und 18 Monaten nach Einreichung des Antrags. Der Prozess

141 Vgl. 2e Observation – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 503; 3e Observation – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 503. 142 Sur les mises de fonds – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 502. 2e Question – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 503. 143 2e Question – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 503. 144 3e Question – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, abgedruckt in: Pailliet (1819), S. 503. 145 Malepeyre/Jourdain (1836), S. 154.

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war damit langsam. Zudem soll er teuer gewesen sein.146 Die Genehmigungspraxis wird von der Literatur als sehr restriktiv beschrieben.147 Trotz der, wenn auch in Frankreich nur langsam voranschreitenden, Industrialisierung während des 19. Jahrhunderts wurden daher wenige Aktiengesellschaften gegründet.148 Die Genehmigungspflicht zur Gründung von Aktiengesellschaften erwies sich mithin auch als echtes Hindernis für die Entwicklung des Handels in Frankreich.149 Den Bürgern soll die Genehmigung der Regierung jedoch eine gewisse Sicherheit vermittelt haben.150 Ob die Genehmigung tatsächlich mehr Sicherheit bracht, ist zweifelhaft. Tatsächlich geriet eine der wenigen genehmigten Gesellschaften in Zahlungsschwierigkeiten.151 Erst mit voranschreitender Industrialisierung schlug die Regierung eine weniger restriktive Zulassungspolitik ein.152 Während des Seconde Empire wurde das Genehmigungsverfahren zunehmend impraktikabler, so dass sich der Gesetzgeber zu einer Reform genötigt sah.153 Hierauf soll im nächsten Kapitel näher eingegangen werden. Aufgrund der Dauer, wohl aber auch der Strenge des Genehmigungsprozesses wählten viele Gründer die Form der société en commandite für ihr Unternehmen.154 So konnte die Genehmigungspflicht aus Art. 37 Code de Comemrce umgangen werden. Oft wurde diese Form auch lediglich vorübergehend in Erwartung des Erhalts der Genehmigung gewählt.155 Aufgrund der Gründungsfreiheit wurden zwischen 1820 und 1840 zahlreiche sociétés en commandites gegründet. Diese Phase ist auch unter dem Begriff des „fièvre des commandites“ (Fieber der Kommanditgesellschaften) bekannt. Die zu jener Zeit gegründeten Kommanditgesellschaften gaben oft Aktien mit niedrigen Nennbeträgen oder Stückelungen aus, die kleine Sparer zur Anlage verlockten. Spekulative Geschäfte führten zu diversen Finanzskandalen. Im Laufe der Zeit wurde daher auch die sociétés en commandites als für den öffentlichen Kredit gefährlich erachtet.156 Daher wurden sie durch Gesetz vom 17. Juli 1856 strengen Gründungs- und Betriebsbe146 Hissung-Convert (2008), S. 102, Fn. 162; Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 360; Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S.14; Lefebvre-Teillard (1985), S. 421. 147 Gallais-Hamonno/Hautcoeur (2007), Bd. 1, S. 205; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3194; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 632. 148 Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 632; Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/ Praquin/Touchelay (2016), S. 360; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3194; Gallais-Hamonno/Hautcoeur (2007), Bd. 1, S. 205. 149 Richard, Droit des affaires (2005), S. 102. 150 Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 632. 151 Vgl. Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 632. 152 Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3194. 153 Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 360. 154 Hissung-Convert (2008), S. 102, Fn. 162. 155 Hissung-Convert (2008), S. 102. 156 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 14; Richard, Droit des affaires (2005), S. 102; Hamel/ Lagarde (1954), Bd. 1, S. 632; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3195; Hissung-Convert (2008), S. 102, 199; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 853.

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stimmungen unterworfen, welche im folgenden Kapitel näher angesprochen werden sollen.157 Versicherungsgesellschaften in Form der société en commandite sollen nach Ansicht einiger Autoren während des 18. Jahrhunderts nicht existiert haben.158 Anderer Ansicht ist Pouilloux, der die Parisienne-bris de glaces anführt.159 Unabhängig davon, ob Versicherungsgesellschaften die Form der société en commandite wählten, hatte das Gesetz vom 17. Juli 1856 Einfluss auf die weitere Entwicklung der versicherungsrechtlichen Gesetzgebung, wie sich im nachfolgenden Kapitel zeigen wird. Es ist abschließend festzuhalten, dass das Genehmigungsverfahren wegen der freien Ermessensentscheidung und der hierdurch fehlenden Rechtssicherheit wie auch wegen des langen, teuren und komplexen Genehmigungsprozesses Mängel aufwies. 3. Contrôle a priori und contrôle permanent Wie bei der Untersuchung des Genehmigungsverfahrens deutlich wurde, mussten zum Erhalt der Genehmigung bestimmte Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen. Deren Einhaltung wurde von den verschiedenen beteiligten Organen des Genehmigungsprozesses in Sichtung verschiedener Dokumente geprüft. Der französische Staat übte mithin eine Aufsicht vor Gründung der Gesellschaft aus.160 Eine solche wird in der Sekundärliteratur „contrôle a priori“/„contrôle préalable“ genannt. Ansätze hiervon zeigten sich bereits im Ancien Régime. Der Conseil d’État du Roi prüfte, wie in Untersuchung der ersten Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften eingehend dargestellt wurde, die einzureichenden Dokumente vor Genehmigungserteilung.161 Insofern kann diesbzgl. ein Fortwirken der Aufsichtspraxis des Ancien Régime festgestellt werden. Die staatliche Aufsicht erschöpfte sich indes nicht in der Genehmigungserteilung und der damit zusammenhängenden Prüfung. Auch Ansätze einer Aufsicht während des Geschäftsbetriebs, auch „contrôle permanent“ genannt, waren vorhanden. Wie bereits erwähnt, enthielt der Code de Commerce selbst keine gesetzliche Regelung einer Überwachung oder Kontrolle. Die Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817 stellte klar, dass für im öffentlichen Interesse stehende sociétés anonymes eine „surveillance permanent“ (dauerhafte Überwachung) eingerichtet werden kann.162 Um welche Art von société anonyme es sich hierbei handelte, ist nicht genauer ausgeführt. In einem Bericht des Conseiller d’État an das Ministère de l’Intérieure vom 30. August 1825 sollen Versicherungen als solche Unternehmen des öffentli157 158 159 160 161 162

Ducouloux-Favard (1992), S. 853; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3194. Vautrin (1905), S. 95, Fn. 1; Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 14. Pouilloux (2011), S. 661. Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 359. B. V. 3. a), 4. a) aa) (S. 92, 99). Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 359.

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

chen Interesses aufgeführt worden sein. Der Bericht konnte indes nicht ausfindig gemacht werden, so dass unklar bleibt, ob Versicherungen zu den im öffentlichen Interesse stehenden sociétés anonymes gezählt wurden. Unabhängig hiervon behielt sich die Regierung163 in einigen Fällen drei Aufsichtsmaßnahmen vor, welche in den Genehmigungsurkunden, den sog. „Ordonnances d’autorisations“, festgesetzt wurden: 1. das Widerrufsrecht der Regierung, 2. die Berichterstattungspflicht des Unternehmens, 3. die Überwachung durch Commissaires. Die Genehmigung konnte von der Regierung widerrufen werden. Widerrufsvoraussetzung war das Vorliegen eines Verstoßes gegen Gesetz oder Statut.164 Von einem solchen Verstoß könnte die Regierung durch Berichte über den Zustand des Unternehmens Kenntnis genommen haben. Zustandsberichte mussten alle sechs Monate von dem Unternehmen erstellt werden. Eine Kopie des Berichtes war dem Préfet des Départements, in dem das Unternehmen seinen Sitz hatte, dem Greffe des Tribunal de commerce und der chambre de commerce Paris zuzuleiten.165 Aus diesen ergab sich z. B. die unzureichende Bilanzierungspraxis einiger Unternehmen. Auch wurde deutlich, dass in einigen Unternehmen Kenntnisse zur Bilanzaufstellung fehlten. Zu welchem konkreten Zweck die Berichterstattungspflicht geschaffen wurde und ob die Berichte in der Praxis tatsächlich Berücksichtigung fanden, ist mangels Nachweises unklar. Die Berichterstattung diente wahrscheinlich der staatlichen Aufsicht während des laufenden Geschäftsbetriebs. Unabhängig davon schufen die Berichte eine gewisse Publizität.166 Für einige sociétés d’assurances anonymes, so z. B. für die Compagnie Française du Phénix, wurde die Überwachung durch sog. „Commissaires (gouvernementales)“ 163

Die Regierung soll die Unternehmen durch lettre ministérielle vom 18. Januar 1878 an diese Vorbehalte erinnert haben. Die Originalquelle konnte indes nicht ausfindig gemacht werden. Vgl. Agnel/Courcy (1885), S. 211. 164 So z. B. Art. 3 Ordonnance du Roi vom 20. Oktober 1819 (Compagnie d’assurances génerales), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 473; Art. 3 Ordonnance du Roi vom 01. September 1819 (Compagnie Française du Phénix), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 489 f.; Art. 2 Ordonnance du Roi vom 11. Februar 1820 (Compagnie royale d’Assurance contre l’Incendie), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 504 f.; Art. 2 Ordonnance du Roi vom 5. Oktober 1828 (Union), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 518. Siehe auch Boudousquié (1928), S. 101; Anthon (1937), S. 54 f.; Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 14; Vautrin (1905), S. 100. 165 5e Question – Circulaire des Sous-secrétaore d’État vom 11. Juli 1818, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 675. So z. B. Art. 2 Ordonnance du Roi vom 20. Oktober 1819 (Compagnie d’assurances génerales), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 473; Art. 4 Ordonnance du Roi vom 01. September 1819 (Compagnie Française du Phénix), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 489; Art. 5 Ordonnance du Roi vom 11. Februar 1820 (Compagnie royale d’Assurance contre l’Incendie), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 505; Art. 3 Ordonnance du Roi vom 5. Oktober 1828 (Union), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 518. Siehe auch Chaufton (1905), Bd. 1, S. 684; Boudousquié (1928), S. 101; Pouilloux (2011), S. 663; Fey (1885), S. 58; Lefort (2. Aufl. 1907), S. 12. 166 So auch Freedeman (1979), S. 130.

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(Regierungskommissare) angeordnet. Eine gesetzliche Regelung existierte nicht. Commissaires wurden erstmals im Gesetz vom 24. Juli 1867 und eingehend im Gesetz vom 9. Juli 1898 geregelt.167 Sie waren bereits im Ancien Régime für die ersten Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften eingesetzt worden. Insofern wirkte die Aufsichtspraxis des Ancien Régime fort. Die Commissaires wurden von dem Ministre secrétaire d’État de l’Intérieur eingesetzt. Der Commissaire musste von den Geschäften Kenntnis nehmen und die Einhaltung der Statuten überwachen. Er hatte dem Minister Bericht zu erstatten. Bei Verstoß gegen Gesetz oder Statut wie auch bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit konnte der Commissaire die Geschäfte unterbrechen. In diesem Fall sollte der Commissaire vorübergehend die Geschäfte übernehmen.168 Commissaires wurden nicht für jedes Versicherungsunternehmen eingesetzt, sondern nur für Feuerversicherungsgesellschaften.169 Die Aufsicht durch Regierungskommissare soll derart ineffektiv gewesen sein, dass hiervon bald Abstand genommen wurde.170 Für manche sociétés anonymes wurden zudem sog. „Censeurs“ eingesetzt.171 Censeurs waren überwiegend im Finanzsektor tätig.172 Censeurs sollen auch für große Versicherungsgesellschaften tätig gewesen sein, so z. B. für die Compagnie Française du Phénix.173 Die Existenz von Censeurs ist erstmals für das 19. Jahrhundert bekannt. Censeurs nahmen umfangreiche Aufgaben der Überwachung wahr.174 Insbesondere überwachten diese dauerhaft die Solvabilität des Unternehmens. Hierzu überprüften die Censeurs nicht nur bei Gründung das Gründungskapital, sondern auch während des Geschäftsbetriebs die Konten und die Buchhaltung. Die Censeurs besaßen zudem beratende Funktion. Jährlich hatten diese der Generalversammlung Bericht zu erstatten. Hierbei gaben die Censeurs Empfehlungen notwendiger Maßnahmen ab.175 Für Censeurs existierten keine gesetzlichen Regelungen.176 Die Censeurs sind von den diese später ersetzenden „Commissaires aux 167

Pouilloux (2011), S. 664; Delattre (1936), S. 18. So z. B. Art. 5 Ordonnance du Roi vom 01. September 1819 (Compagnie Française du Phénix), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 490. Vgl. auch Pouilloux (2011), S. 663. 169 So Chaufton (1905), Bd. 1, S. 685, Fn. 1. So z. B. Art. 5 Ordonnance du Roi vom 01. September 1819 (Compagnie Française du Phénix), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 490. Vgl. auch Pouilloux (2011), S. 663. Art. 4 Ordonnance du Roi vom 11. Februar 1820 (Compagnie royale d’Assurance contre l’Incendie), abgedruckt in: Boudousquié (1829), S. 505. A. A. Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14. 170 Masson (1936), S. 3. 171 Vasseur, Il Foro Italiono (1974), 168; Ducouloux-Favard (1992), S. 854; Delattre (1936), S. 18. Vgl. auch Richard (1956), S. 40. 172 Vasseur, Il Foro Italiono (1974), 170. 173 Lefebvre-Teillard (1985), S. 335; Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 36. 174 Vgl. Vasseur, Il Foro Italiono (1974), 170. 175 Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 35. 176 Vasseur, Il Foro Italiono (1974), 170. 168

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

comptes“ oder auch „Commissaires de surveillance“ zu unterscheiden, welche aus dem Kreis der Familie oder Freunde der Geschäftsführer zur Überwachung und Kontrolle ernannt wurden.177 Die Censeurs wurden von der Generalversammlung aus der Mitte der Aktionäre gewählt.178 Bei den Censeurs handelte es sich mithin nicht um staatliche Organe, die zur Überwachung von Versicherungsgesellschaften eingesetzt wurden. Gleiches gilt für die „contrôleurs“ oder „inspecteurs“. Diese wurden von den Verwaltern zur Überwachung der Geschäftsführung – so z. B. für die Compagnie d’Assurances générales und die Compagnie Française du Phénix – eingesetzt.179 Gleichwohl hat die Untersuchung gezeigt, dass während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts rudimentäre Ansätze einer contrôle permanent vorhanden waren.180 Aufgrund der Ineffektivität der Aufsicht durch die Commissaires beschränkte sich die laufende Aufsicht jedoch weitgehend auf die Prüfung der Zustandsberichte. Die Sekundärliteratur beurteilt dies als wenig effektive Art der Überwachung.181 Dem ist zuzustimmen, insbesondere im Hinblick auf das teilweise Fehlen notwendiger Prüfungsgrundlagen, da Überwachungsberichte in der Praxis oft nicht erstellt wurden, wie ein Bericht von Armand Béhic, Ministre de l’agriculture, du commerce et des Travaux publics, aus dem Jahr 1865 deutlich macht.182 Es ist daher zu vermuten, dass das Versicherungsunternehmen während des laufenden Geschäftsbetriebs in der Praxis weitgehend frei von staatlicher Überwachung war.183 4. Zusammenfassung Sociétés d’assurances à primes hatten die Gesellschaftsform der société anonyme gewählt und konnten daher nur mit Genehmigung der Regierung gegründet werden. Die Genehmigungspflicht ergab sich aus Art. 37 Code de Commerce. Das weitere Genehmigungsverfahren war weitgehend nicht im Code de Commerce geregelt, sondern hatte sich aus der Praxis entwickelt. Instructions ministérielles hielten verschiedene Prinzipien und Voraussetzung fest. Insbesondere war die Prüfung der Statuten und Dokumente durch verschiedene staatliche Organe vor Genehmigungserteilung festgeschrieben. Dies bildete die contrôle a priori/prélable, also eine Aufsicht vor Gründung. Diese Art der Aufsicht war vielfach stärker ausgeprägt als die contrôle permanent, also eine laufende Aufsicht während des Geschäftsbetriebs. 177

Escarra (1952), S. 507, Fn. 2; Lefebvre-Teillard (1985), S. 335. Lefebvre-Teillard (1985), S. 335; Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 35. 179 Lefebvre-Teillard (1985), S. 336. 180 So auch Pouilloux (2011), S. 663. 181 So Anthon (1937), S. 55; Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/ Touchelay (2016), S. 359. 182 Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 359; Freedeman (1979), S. 130. 183 So auch Anthon (1937), S. 55. 178

IV. Sociétés d’assurances mutuelles

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Commissaires wurden schon nicht für alle Versicherungsgesellschaften eingesetzt. Zudem ist über deren Tätigkeit nichts Näheres bekannt. Die laufende Aufsicht erschöpfte sich damit weitgehend in der Prüfung der Zustandsberichte. Diese Art der Aufsicht wurde als wenig effektiv erachtet. Sociétés d’assurances à primes unterstanden daher in erster Linie nur der Aufsicht bei Gründung, nicht jedoch während des laufenden Geschäftsbetriebs. Unabhängig von dieser Analyse steht die Erkenntnis, dass Ansätze sowohl der contrôle a priori als auch contrôle permanent bereits im Ancien Régime zu erkennen sind, so dass ein Fortwirken der Aufsichtspraxis des Ancien Régime in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand.

IV. Sociétés d’assurances mutuelles 1. Genehmigungspflicht Die Genehmigungspflicht für die sociétés mutuelles wurde sukzessive eingeführt. Zunächst war nur für bestimmte mutuelles die Genehmigung durch die Regierung vorgesehen. Anders als für die sociétés à primes war nicht die Gesellschaftsform, sondern der Geschäftsgegenstand Auslöser staatlichen Einschreitens. Der Gesetzgeber erließ den Avis vom 1. April 1809 und den Avis vom 30. September 1809. Diese bilden, wie bereits angeführt, die rechtliche Grundlage der Genehmigungspflicht für die sociétés d’assurances mutuelles. a) Avis vom 1. April 1809 Im vorangehenden Abschnitt wurde der Code de Commerce als die Grundlage des Genehmigungssystems ausgemacht. Kern dieses Systems ist die Genehmigungspflicht, welche in Art. 37 Code de Commerce normiert war. Diese Norm war zunächst nur auf die sociétés d’anonymes anwendbar. Zu diesen zählten die associations tontienières mutualistes nicht.184 Der Staat wollte Tontinen jedoch der Aufsicht unterwerfen.185 Warum aber wollte er dies? Nach welchen Regeln normierte er eine Aufsicht für Tontinen? Welchen Inhalt hatten diese? Und welchen Einfluss hatte die für Tontinen geschaffene Aufsicht auf die Entwicklung des Versicherungsaufsichtssystems der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts? Nach dem Verbot staatlicher Tontinen wurden private Tontinen gegründet. Diese waren während des 18. Jahrhunderts, genauer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, äußerst erfolgreich.186 Für den Erfolg nennt die Literatur verschiedene Gründe. Zum einen soll die Beseitigung der Versicherungsgesellschaften während 184

Erst während der Restauration wurden Tontinen auch in der Form der société anonyme gegründet. So 1819 die Tontine perpétuelle d’Amortissement und die Caisse de Survivance et d’Accroissement; vgl. Delbrel, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 117. 185 Hissung-Convert (2008), S. 109. 186 Vgl. Delbrel, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 111.

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

der Revolution und die dadurch entstandene Lücke in Sachen Absicherung187, zum anderen das Verbot der Lebensversicherungen der Ordonnance de la Marine (1681) und der Spaß der Bevölkerung am Glückspiel188 die Entwicklung der privaten Tontine gefördert haben. Im Jahr 1791 wurde die bekannteste Tontine, die Tontine Lafarge, auch Caisse Lafarge oder Tontine de la caisse d’épargnes genannt, gegründet.189 Der Erfolg der Tontine Lafarge soll neben der mit der Französischen Revolution eingeführten Gewerbefreiheit viele Gesellschafter zur Aufnahme des Tontinengeschäfts angeregt haben.190 In vielen Fällen kam es jedoch zu Missbrauch und schlechter Verwaltung.191 So war zum Beispiel der Geschäftsführer der Tontine du père de famille mit der Kasse verschwunden.192 Andere Geschäftsführer, wie bspw. jene der Tontine des vieillards, führten den Betrieb äußerst nachlässig.193 Diese Missstände wurden eingehend von Hauterive, Conseiller d’État, in einem Bericht vom 22. November 1808, dem Rapport „Concernant la Caisse des Employés et des Artisans“, untersucht. Die Ergebnisse des Berichts veranlassten wahrscheinlich – so auch ausdrücklich in dem Bericht angeraten194 – zum staatlichen Einschreiten.195 Der Conseil d’État erließ am 25. März 1809 – gebilligt und veröffentlicht am 1. April 1809 – einen Avis. Dieser macht deutlich, dass der Gesetzgeber in Reaktion auf oben beschriebene Missstände, insbesondere wegen jene der Caisse Lafarge, tätig wurde.196 187

So Delbrel, in: Hellwege (2018), Bd. 1, S. 56. So Braun (2. Aufl. 1963), S. 192. 189 Le Hir (1857), Bd. 2, S. 255 190 Braun (2. Aufl. 1963), S. 192. 191 Sebire/Carteret (1846), Bd. 6, S. 383. 192 Hissung-Convert (2008), S. 111, Fn. 209. Ein weiteres Beispiel während der Revolution ist die Tontine des employés et des artisans. Ein Makler, der sowohl die Funktion des Verwalters als auch des Kassier einnahm, stahl eine Mio. liv.; vgl. Lanzac de Laboirie (1910), S. 239. 193 Bouchary (1940), Bd. 1, S. 49 ff.; Hissung-Convert (2008), S. 111, Fn. 210. 194 „[L]’internevtion d’une autorité tutélaire, non seulement pour légitimer l’existence de l’établissement, mais encore pour assurer l’execution es engagemens mutuels, y devient plus indispensable et plus juste.“ (Eingreifen einer Aufscihtsbehörde, nicht nur zur Legitimierung der Existenz der Einrichtung, sondern auch um die gegenseitigen Verbindlichkeiten sicherzustellen, erscheint mehr und mehr unverzichtbar und gerecht) den Bericht von, zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337. 195 Wyler (1916), S. 91; Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337. 196 Präambel Avis des Conseil d’État vom 25. März 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 229. So bereits in der vorangehenden Untersuchungen von Hauterive, welche wegen ihrer inahltlichen Konformität wohl als Vorlage des Avis dienten: Rapport „Concernant la Caisse des Employés et des Artisans“ vom 22. November 1808, zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 337: „[Ca]r, dans ces sortes d’établissement, les intéressés sont plus faibles contre l’administration, la société leur offre moins de garantie, il est plus facile à la direction d’abuser, il est presque impossible aux associés de se défendre contre les fraudes; et l’intervention d’une autorité tutelaire non seulement pour légitimer l’existance de l’établissement, mais encore pour assurer l’exécution des engagemens mutuels, y devient plus indispensable et plus juste.“ (In solchen Einrichtungen sind die Interessierten gegenüber der Verwaltung schwächer, die Ge188

IV. Sociétés d’assurances mutuelles

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[L]’expérience n’a que trop démontré les conséquences funestes […] du défaut d’une autorisation spéciale donné par le gouvernement; […] dans la tontine Lafarge, par exemple, ce défaut d’autorisation spéciale et de toute mesure contre les abus, a laissé les actionnaires sans défense, et la gestion sans surveillance réelle.197 Die Erfahrung hat nur zu gut die fatalen Folgen einer fehlenden speziellen Genehmigung durch die Regierung aufgezeigt; Bei der Tontine Lafarge zum Beispiel führte das Fehlen dieser speziellen Genehmigung und aller Maßnahmen gegen Betrügereien dazu, dass Teilhaber ohne jede Verteidigung gegen Missbrauch und der Betrieb ohne wirkliche Überwachung waren.

Daher wurde die Neugründung von Tontinen unter Genehmigungspflicht gestellt. [A]ucune asscociation de la nature des tontines ne peut être établie sans une autorisation donnée par Sa Majesté, dans la forme des règlements d’administration publique.198 Keine Vereinigung der Natur der Tontine kann ohne Genehmigung in der Form der Regeln der öffentlichen Verwaltung durch seine Majestät gegründet werden.

Der Wortlaut erinnert stark an Art. 37 Code de Commerce. In dem Rapport „concernant la Caisse des Employés et des Artisans“ vom 22. November 1808 und dem Projet d’avis et décret „concernant la Caisse des Employés et des Artisans“ vom 9. Dezember 1808 wird erläutert, dass Art. 37 Code de Commerce nicht direkt und auch nicht analog auf Tontinen anwendbar war. Die Tontine war wegen ihrer Prinzipien und Zielsetzungen sowie wegen des Fehlens einer wirtschaftlichen Tätigkeit und eines fassbaren Produkts Gesetzen und Regelungen des Handels fremd.199 Der Avis vom 1. April 1809 enthielt jedoch nicht nur Regeln für Neugründungen, sondern auch für bereits bestehende Tontinen. Dass deren Verwaltung staatlichen Eingreifens bedurfte, macht der Avis deutlich. [I]l est par conséquent urgent de leur donner un mode d’administration qui calme toute inquiétude de la part des actionnaires, soit par le choix d’administrateurs faits pour réunir toute leur confiance, soit par la régularité et la publicité des comptes.200 Es ist folglich notwendig diesen [vorhandenen Tontinen] eine Art der Verwaltung zu geben, welche alle Unruhen der Aktionäre zu beschwichtigen weiß, sei es durch die Wahl der

sellschaft bietet ihnen weniger Sicherheiten, es ist einfacher für die Geschäftsführung Betrug zu begehen und es ist für die Gesellschafter beinahe unmöglich sich gegen die Betrügereien zu wehren. Und das Eingreifen einr Aufsichtsbehörde, nicht nur um die Existenz der Einrichtung zu legitimieren, sondern auch um die Erfüllung der gegenseitigen Verbindlichhkeiten sicherzustellen, wird unversichtbarerer und gerechter.). 197 Präambel Avis des Conseil d’État vom 25. März 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 229. 198 1 – Avis des Conseil d’État vom 25. März 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 229. 199 Rapport „Concernant la Caisse des Employés et des Artisans“ vom 22. November 1808, zitiert in: Merlin (5. Aufl. 1828), Bd. 34, S. 335 ff.; 1 – Projet d’avis und das Décret „Concernant la Caisse des Employés et des Artisans“ vom 9. Dezember 1808, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 223. 200 2 – Avis des Conseil d’État vom 25. März 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 229.

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Verwalter, um all ihr Vertrauen zu gewinnen, sei es durch die Regularität oder Publizität der Konten.

Die Caisse Lafarge (Décret vom 1. April 1809), die Tontine du Pacte social (9. Februar 1810) und die Caisse des Employees et Artisans (Décret vom 22. Oktober 1810) wurden daher einer speziellen Verwaltung unterstellt.201 Die Caisse Lafarge z. B. wurde der städtischen Verwaltung Paris unterstellt. Für sie wurden drei Verwalter ernannt.202 Über die Kosten der Verwaltung musste der Stadtrat entscheiden. Ein Maximalbetrag war bestimmt.203 Auch das Maximum der Renten wurde festgelegt.204 Es wurde das Amt eines Caissier (Kassenführer) eingeführt. Dessen Rechenschaftsbericht musste jedes Jahr zusammen mit den Beobachtungen der Verwalter dem Stadtrat zur Prüfung vorgelegt werden. Die Entscheidung des Stadtrats hatte dem Préfet zugeleitet zu werden.205 Jedes Jahr musste ein Zustandsbericht der Tontine angefertigt und dem Stadtrat vorgelegt, gedruckt und öffentlich angeschlagen werden.206 Allgemeine Regeln der Verwaltung wurden für diese drei Vereinigungen mit der Ordonnance royale vom 7. Oktober 1818, veröffentlicht am 30. Oktober 1818, geschaffen. Hierin werden insbesondere die Organe der Verwaltung geregelt.207 Die Organisation und Kontrolle aller anderen vor 1809, also ohne Genehmigung, gegründeten Tontinen, wurde durch Décret vom 18. November 1810 dem Ministre de l’Intérieur übertragen.208 Zur Umsetzung des Décret vom 18. November 1810 waren der Ministre de l’Intérieur, der Ministre du Trésor public und der Ministre de la Police générale zuständig.209 Der Ministre de l’Intérieur hatte einen Bericht über jede bestehende Tontinen zu verfassen.210 Die Situation, insbesondere wohl die finanzielle, musste von diesem untersucht werden.211 Die Eingriffsbefugnisse des Ministre de l’Intérieur waren weitreichend. Er konnte schlechte Direktoren und Verwalter suspendieren und die Zwangsverwaltung des Eigentums anordnen. Zusammen mit dem Ministre de la Police (Polizeiminister) stand ihm das Recht zu, alle sonstigen notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Mitglieder vorzunehmen. Er konnte bei Bedarf zur Prüfung der Kassen und Konten das Mitwirken des Ministre du Trésor public fordern.212 Dem Ministre de l’Intérieur 201

Pouilloux, S. 112 f.; Chaufton (1884), Bd. 1, S. 686; Hissung-Convert (2008), S. 112. Art. 1 Décret vom 1. April 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S.611. 203 Art. 5 Décret vom 1. April 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S.612. 204 Art. 6 Décret vom 1. April 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S.612. 205 Art. 3 Décret vom 1. April 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S.612. 206 Art. 4 Décret vom 1. April 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S.612. 207 Ordonnance du Roi vom 7. Oktober 1818, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 233. Siehe ders. (2011), S. 113. 208 Pouilloux (2011), S. 112; Anthon (1937), S. 57. 209 4 – Décret vom 18. November 1810, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 232. 210 1 – Décret vom 18. November 1810, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 232. 211 2 – Décret vom 18. November 1810, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 233. Siehe auch Chaufton (1884), Bd. 1, S. 686. 212 2 – Décret vom 18. November 1810, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 232. 202

IV. Sociétés d’assurances mutuelles

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und dem Ministre du Trésor public stand zudem das Recht zu, die Verwaltung dieser Unternehmen zu kontrollieren und zu reorganisieren.213 Dieses für bereits bestehende Tontinen geschaffene Überwachungssystem war nicht auf neu mit Genehmigung gegründete Tontinen anwendbar. Die öffentliche Verwaltung behielt sich indes das Recht vor, die Geschäftsführung neuer Tontinen zu überwachen. Die Überwachung richtete sich nach den für den Einzelfall geschaffenen Regeln, welche in den Genehmigungsakten festgehalten wurden. Die Genehmigung konnte widerrufen werden, was zur Zwangsliquidation führte.214 Das Décret vom 18. November 1810 fand breite Zustimmung.215 Es wird vertreten, dass durch dieses Décret – neben einem hierdurch motivierten Rundschreiben des Innenministers an die Préfets mit der Aufforderung, im jeweiligen Departement Untersuchungen über den finanziellen Zustand der Tontine anzustellen – die Grundlage für eine Finanzprüfung und von Commissaires durchgeführten Kontrollen geschaffen wurde.216 Gleichwohl sollen diese Aufsichtsmaßnahmen, wie bereits die Jahres- und Semesterberichte der Sociétés anonymes, zu summarisch und oberflächlich gewesen sein. Die Beurteilung der faktischen Situation der Tontineneinrichtungen soll daher selten möglich gewesen sein. Erst in dem Zeitpunkt, in welchem Missstände bereits eingetreten waren, konnte die Situation richtig dargestellt werden. Dies war natürlich zu spät.217 Eine effektive Aufsicht während des Betriebs konnte durch das Décret vom 18. November 1810 mithin wahrscheinlich nicht geschaffen werden. In der Literatur wird auch an der Effektivität der durch Décret vom 1. April 1809 geschaffenen Regeln gezweifelt. Diese sollen in der Praxis nicht stets Beachtung gefunden haben.218 Trotz dieser Mängel im Bereich der laufenden Aufsicht während des Geschäftsbetriebs hatten die für Tontinen geschaffenen Regelungen wahrscheinlich große Auswirkung auf das Versicherungswesen. Dies gilt insbesondere für den Avis vom 1. April 1809. Gleichwohl der Avis vom 1. April 1809 nur die Tontine betraf, hatte er auf sociétés d’assurances mutuelles Auswirkung, wie nachfolgenden deutlich wird.219 b) Avis vom 30. September 1809 Im Jahr 1809 kam die Frage auf, ob auch sociétés d’assurances mutuelles, die damals einzige Form der Versicherung, dem Genehmigungssystem zu unterstellen 213 3 – Décret vom 18. November 1810, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 232. Siehe auch Chaufton (1884), Bd. 1, S. 686. 214 Chaufton (1884), Bd. 1, S. 686; Anthon (1937), S. 57; Wyler (1916), S. 94. 215 Halpérin (2. Aufl. 2012), S. 152. 216 Wyler (1916), S. 91. 217 Wyler (1916), S. 93 f. 218 So Delbrel, in: Hellwege (2018), Bd. 2, S. 117. 219 Hissung-Convert (2008), S. 113.

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

sind.220 Anlass hierzu gaben wohl zum einen Missstände der société mutuelle contre les ravages de la grêle aus Toulouse, welche beinahe in Insolvenz geriet,221 zum anderen ein Projekt einer mit dieser société d’assurance mutuelle vergleichbaren Einrichtung in Landes. Antwort gab der Avis des Conseil d’État vom 30. September 1809, der sich für eine Genehmigungspflicht aussprach. [C]es engagements (réciproques) et leur exécution pouvant, par leur mesure comme par leur mode, intéresser le public, les statuts qui les expriment doivent préalablement être soumis à l’approbation du gouvernement et qu’ainsi aucune Sociéte d’assurance, tant contre les ravages de la grêle et des épizooties que contre les dangers de l’incendie ne peut se former que les règlement n’aient été soumis au Ministre de l’Interieur et, sur son rapport, approuvés par Sa Majesté en Conseil d’État.222 Diese (gegenseitigen) Verpflichtungen und ihre Ausübung interessieren, sowohl wegen ihrer Maßnahme als auch wegen ihrer Art die Öffentlichkeit; die Statuten, welche diesen zugrunde liegen, müssen vorher einer Genehmigung durch die Regierung unterstellt werden, so dass jede Versicherungsgesellschaft, sei es gegen das Risiko des Hagelschadens und der Tierseuche oder gegen die Gefahr des Feuers nur nach Regeln gegründet wird, welche dem Ministre de l’Interieur unterbreitet wurden und nach seinem Bericht durch seine Majestät im Conseil d’État genehmigt wurden.

Neben der Genehmigungspflicht wurden Vorschriften geschaffen, die bei Entstehung einzuhalten waren. Die Bestimmungen der Statuten konnten durch den Conseil d’État festgelegt werden. Die Statuten mussten Bestimmungen enthalten, welche eine Überprüfung der Kalkulation des zu versichernden Eigentums wie auch des Schadens, ermöglichten. Dies sollte Unordnung und Betrug verhindern sowie Beanstandungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Interessierten vorbeugen.223 Da die société mutuelle contre les ravages de la grêle aus Toulouse nicht über entsprechende Vorschriften verfügte, sollten für diese ergänzende Maßnahmen ergriffen werden.224 Damit wurden auch durch Avis vom 30. September 1809, wenn auch weniger detailliert als im Avis vom 1. April 1809, versicherungsaufsichtsrechtliche Vorschriften festgelegt. Dieses Ergebnis entspricht weitgehend dem Forschungsstand.225 Der Avis vom 30. September 1809 wurde erst am 15. Oktober 1809 von Napoleon gebilligt und am 14. November 1821 in das Bulletin des lois eingetragen. Wegen der späten Eintragung des Avis war lange Zeit unklar, ob neue sociétés d’assurances mutuelles ohne Einhaltung der beschriebenen Regelungen gegründet werden 220

Pouilloux (2011), S. 661. Richard (1956), S. 38. 222 3 – Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 353. 223 4 – Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 353. 224 5 – Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 353. 225 Vgl. Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171 f.; Ketter (1956), S. 4; Richard (1956), S. 101; Picard/Besson (2. Auf. 1965), Bd. 2, S. 14; Ipsen, Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift 1939, 95. 221

IV. Sociétés d’assurances mutuelles

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konnten.226 Wahrscheinlich spielte auch die Natur des Avis vom 15. Oktober 1809 eine nicht unwesentliche Rolle für diese Unklarheit. Denn bei dem Avis handelt es sich trotz des missverständlichen Wortlauts wohl nicht um eine allgemeine Regel. Vielmehr bezog sich der Avis, gleich dem Avis vom 1. April 1809, auf bestimmte sociétés d’assurances mutuelles.227 Hierfür sprechen mehrere Argumente. Wie bereits erwähnt, stand der Avis vom 30. September 1809 im Kontext zu Fragen des Statuts der sociétés d’assurance mutuelle aus Toulouse und einer geplanten analogen Vereinigung in Landes.228 Der Avis nennt wörtlich die „[…] Socitéte d’assurance, tant que contre les ravages de la grêle et de épozooties que contre les danger de l’incendie […]“.229 Zudem stehen die dem Avis vom 30. September 1809 zugrunde gelegten Regelungen ausnahmslos im Kontext der Tierseuche und außerordentlicher Unfälle.230 Diese Ungewissheit hatte zahlreiche Verwaltungsstreitigkeiten zur Folge.231 Einige Gerichte zweifelten mangels Veröffentlichung des Avis daran, dass die Genehmigung zur Gründung verpflichtend sei. Andere Gerichte waren der Ansicht, eine Genehmigung für sociétés mutuelles sei nicht notwendig.232 Gleichwohl wurden in der Praxis weitgehend alle sociétés mutuelles in der gleichen Form wie die société anonyme, also mit Genehmigung und nach dem beschriebenen Genehmigungsverfahren gegründet. Die Rechtsgrundlage der Genehmigung der sociétés mutuelles wurde jedoch nicht aus dem Avis vom 15. Oktober 1809, sondern wie für alle Zivilgesellschaften aus Art. 37 Code de Commerce abgeleitet.233 c) Circulaire vom 25. Oktober 1819 Abschließende Klarheit schuf erst der Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 25. Oktober 1819234. Dieser stellte klar, dass die sociétés d’assurances mutuelles der Genehmigungspflicht zu unterstellen sind, diese jedoch nicht einfach aus Art. 37 226

Dictionnaire général d’administration (1849), S. 93. So bereits vertreten in einer Streitigkeit von Hannoire et Bruyère C. Pasturin vor dem Cour de Cassation am 13. Mai 1857, abgedruckt in: Le Hir (1857), Bd. 2, S. 256. So auch Anthon (1937), S. 58. 228 Präambel des Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 352 f. 229 3 – Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 353. 230 Siehe Präambel des Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 353. So auch angemerkt in Hannoire et Bruyère C. Pasturin vor dem Cour de Cassation am 13. Mai 1857, abgedruckt in: Le Hir (1857), Bd. 2, S. 256. 231 Pouilloux (2011), S. 661; Anthon (1937), S. 58. 232 Anthon (1937), S. 58. 233 Cass. 13. Mai 1857, S. 1858.1.129, zusammengefasst in: Pasicrisie (1859), Teil 1, S. 7, Fn. 1; Jurisprudence de la Cour Impériale de Douai (1860), Bd. 18, S. 290. Cass. 9. November 1858, S. 1859.1.15, abgedruckt in: Pasicrisie (1859), Teil 1, S. 7 f. Anthon (1937), S. 58 f., Fn. 29. 234 Für Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 15. Obktober 1819 siehe Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Obktober 1819, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 678 f. 227

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

Code de Commerce abzuleiten ist. Maßgeblich sind vielmehr der Avis vom 1. April 1809 betreffend Tontinen und der Avis vom 30. September 1809 betreffend assurances mutuelles contre les ravages de la grêle et contre la mortalité des bestiaux.235 Wegen der Natur der sociétés d’assurances mutuelles, welche jeden Gewinns und jeder Spekulation entbehrten, galten diese nicht als Handelsgeschäft. Art. 37 Code de Commerce war damit nicht anwendbar. Die Genehmigungspflicht ergab sich daher allein aus dem Gegenstand der sociétés d’assurances mutuelles und nicht wie bei den sociétés d’assurances à primes aus der Gesellschaftsform.236 Der Gegenstand der sociétés d’assurances mutuelles wurde, wie bereits im Avis vom 30. September 1809237 angedeutet, als Gefahr der öffentlichen Ordnung angesehen. […] Les assurances qui ont pour objet de mettre en commun les pertes et de les rendre légères à chacun par la répartition excluent tout profit, toute spéculation et n’ont rien de commercial. C’est dans l’intérét de l’ordre public que l’autorité agit, lorsqu’elle exerce sa surveillance sur les associations qui s’en occupent, parce qu’un système d’assurances mal combiné […] pourrait compromettre la sûreté publique et même encourager à certains crimes.238 Denn auch wenn es an einem spekulativen Moment sowie einem Gewinn fehlt, mithin es an dem Charakteristikum des Handels mangelt, ist die Intervention des Staates durch die Überwachung der Unternehmen im öffentlichen Interesse. Denn ein System schlecht organisierter Versicherungen kann die öffentliche Sicherheit schädigen und sogar Verbrechen hervorrufen.

Eine Gefahr wurde mithin in schlecht organisierten und nachlässig verwalteten sowie missbräuchlich geführten sociétés d’assurances mutuelles gesehen. Es wurde Insolvenz und Betrug befürchtet.239 Dass diese Ängste nicht unbegründet waren, zeigt das Beispiel der finanziell schwierigen Situation der Société d’Assurances réciproques von Toulouse.240 Die sociétés mutuelles hatten sich an die sociétés anonymes assimiliert.241 Ein vergleichbares Genehmigungssystem erschien daher wohl angemessen. Die eingangs beschriebenen Vorteile der société mutuelle im Vergleich zur société anonyme waren also entweder im Laufe der Zeit weggefallen oder in der Praxis faktisch nicht vorhanden. 235 1 – Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Obktober 1819, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 678. 236 1 – Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Obktober 1819, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 678. 237 3 – Avis vom 30. September 1809, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 354. 238 1 – Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Obktober 1819, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 678. 239 Hissung-Convert (2008), S. 113; Boudousquié (1829), S. 103. 240 Hissung-Convert (2008), S. 113. 241 So hervorgehoben in Cass. 9. November 1858, S. 1859.1.15, abgedruckt in: Pasicrisie (1859), Teil 1, S. 8.

IV. Sociétés d’assurances mutuelles

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2. Genehmigungsverfahren Wie bereits erwähnt, war der Code de Commerce lückenhaft. Die sociétés mutuelles waren von diesem Gesetz nicht erfasst. Auch der Avis vom 15. Oktober 1809 stellte keine abschließende Regelung dar. Ebenso enthielt der Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 25. Oktober 1819 – zumindest weitgehend242 –keine Gründungsvoraussetzungen oder Betriebsbestimmungen. Daher entwickelten sich das Genehmigungsverfahren, die Gründungsvoraussetzungen und Betriebsbestimmungen auch für die sociétés mutuelles überwiegend aus der Praxis. Der Genehmigungsantrag wurde bei einem oder mehreren Préfets gestellt. Die Statuten und Regelungen wurden dem Minstre de l’Intérieur zugeleitet. Sein Bericht war Grundlage der Genehmigung des Kaisers bzw. ab der Restauration des Königs.243 Vor Prüfung des Antrag musste eine gewisse Anzahl an vorläufigen Mitgliedschaften und ein Viertel der in dem Statut vorgesehenen Anzahl an Versicherungsverträge nachgewiesen werden.244 Das Genehmigungsverfahren der sociétés mutuelles entsprach damit weitgehend dem Vorgehen bei Genehmigung von sociétés anonymes. Im Gegensatz zur société d’assurance à prime mussten die Statutenentwürfe der sociétés d’assurances mutuelles mangels gesetzlicher Regelung alle Regeln enthalten, welche die gegenseitige Beziehung der Gesellschaft und der Versicherten anging, formten doch die geprüften und genehmigten Statuten das allgemeine Recht der sociétés d’assurances mutuelles.245 Daher wurden in den Statutenentwürfen die Mindestzahl der Versicherungsverträge, das Maximum des zu versichernden Betrags für ein einziges Risikos und die Dauer des Vertragsverhältnisses festgeschrieben. Der Versicherungsgegenstand musste bestimmt sein. Die société d’assurance mutuelle durfte nur ein einziges Risiko versichern.246 Um eine Überwachung und Kontrolle durch die Mitglieder der sociétés mutuelles sicherzustellen, war der Bezirk, in welchem die société d’assurance mutuelle ihre Geschäfte betrieb, begrenzt. Die hinter dieser Regelung stehende Überlegung war, dass nur in einem geographisch überschaubaren Kreis der Schaden geprüft und Betrug verhindert oder aufgedeckt werden kann.247 Die Beiträge der Teilhaber bildeten einen fonds de garantie (Garantiefonds). Wurden die darin enthaltenen Gelder nicht für Schadenszahlungen verwendet, bildete sich in manchen sociétés d’assurances mutuelles ein fonds de réserve (Reservefonds). Die Bildung von Reserven hatte die Regierung indes zunächst ausdrücklich verboten; sie stand im Widerspruch zum Prinzip der Gegen242 2 –, 3 – Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Obktober 1819, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 679 enthalten Prinzipien der Gründung und des Betriebs. 243 Pouilloux (2011), S. 661; Dictionnaire général d’administration (1849), S. 94. 244 Dictionnaire général d’administration (1849), S. 94. 245 Dictionnaire général d’administration (1849), S. 94. 246 Dictionnaire général d’administration (1849), S. 94. 247 2 – Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Obktober 1819, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 679. Dictionnaire général d’administration (1849), S. 94.

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

seitigkeit der sociétés d’assurances mutuelles.248 Die Statuten der sociétés mutuelles enthielten überdies verschiedene Betriebsbestimmungen, wie z. B. Regelungen der Verpflichtungen der Teilhaber während des Geschäftsbetriebs, der Schadensabwicklung, der Auflösung und der Liquidation. Auch die Verwaltung der sociétés d’assurances mutuelles wurde in den Statuten geregelt.249 Es wurden Regelungen des conseil général, des conseil d’administration und des directeur geschaffen. Der conseil d’administration nahm die Aufgabe der internen Überwachung wahr. Er überwachte die Geschäfte und den directeur.250 Mithin waren das Genehmigungsverfahren der sociétés d’assurances à primes und der sociétés d’assurances überwiegend identisch. Unterschiede ergaben sich bei den Regelungen in den Statuten, wobei wenige Bestimmungen für beide Versicherungsformen festgesetzt wurden. Es wird sich in der weiteren Untersuchung zeigen, dass einige durch die Praxis geschaffenen Regelungen später in die Gesetzgebung aufgenommen wurden. 3. Contrôle a priori – contrôle permanent Der Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 25. Oktober 1819 hatte die sociétés d’assurances mutuelles zum Schutz der öffentlichen Ordnung der „Surveillance du Gouvernement“ (Überwachung durch Regierung) unterworfen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Überwachung war jedoch nicht geregelt. Sociétés mutuelles, die ohne Genehmigung betrieben wurden, wurden ab Eintragung des Avis vom 30. September 1809 im Bulletin des Lois im Jahr 1821 für nichtig erklärt. Waren sie vor dem Jahr 1821 gegründet worden, konnten sich die sociétés mutuelles auf die späte Bekanntmachung berufen. Laufende Verträge verloren nicht ihre Wirksamkeit.251 In den Genehmigungsakten der sociétés d’assurances mutuelles behielt sich die Regierung den Widerruf der Genehmigung vor. Auch das Recht der Überwachung beanspruchte sie für sich.252 Für einige sociétés d’assurances mutuelles wurden Commissaires eingesetzt, so z. B. für die Société d’Assurances mutuelles contre l’incendie pour la ville de Lyon253 und für die Société 248

Dictionnaire général d’administration (1849), S. 95. 3 – Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 13. Obktober 1819, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 679. Dictionnaire général d’administration (1849), S. 94. 250 Dictionnaire général d’administration (1849), S. 94. 251 Pouilloux (2011), S. 661. 252 Dictionnaire général d’administration (1849), S. 94. 253 „Il sera institué auprès de ladite compagnie un commissaire qui sera chargé de prendre connaissance de ses opérations et de l’observation des statuts, et rendra compte du tout à notre ministre secrétaire d‘État de l’Intérieur, de qui il tiendra sa nomination. Ce commissaire informera le prefét du départment de tout ce qui, das les opérations de la compagnie, pourrait intéresser l’ordre et la sûreté publique. Il le prévendra de la tenue des assemblées du conseil général des sociétaires. Il pourra suspendre provisoirement celles des opérations de la compagnie qui lui paraîtraient contraires aux lois et statuts ou dangereuses pour la sûreté puplique, et 249

V. Ausländische Versicherungsunternehmen

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d’Assurances mutuelles immobilières du Mans254. Die Aufgaben und die Befugnisse der Commissaires entsprachen jenen der oben für die Compagnie Française du Phénix beschrieben. Die historische Analyse der versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen und der Aufsichtspraxis hat gezeigt, dass die Aufsicht für sociétés d’assurances mutuelles ähnlich jener der sociétés d’assurances à primes ausgestaltet war. Es ist anzunehmen, dass diese daher auch ähnlich effektiv war. Die staatliche Aufsicht beschränkte sich dann auch weitgehend auf die Prüfung vor der Gründung. Damit lag auch für sociétés d’assurances mutuelles eine contrôle a priori vor. 4. Zusammenfassung Auch die sociétés d’assurances mutuelles unterstanden der Genehmigungspflicht der Regierung. Diese wurde mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. Die Genehmigungspflicht für sociétés d’assurances mutuelles wurde sukzessive geschaffen. Erst wurden Tontinen durch Avis vom 1. April 1809 der Genehmigungspflicht unterstellt. Dann wurde für die sociétés d’assurances mutuelles contre les ravages de la grêle et des épizooties und die sociétés d’assurances mutuelles contre les dangers de l’incendie durch Avis vom 30. September 1809 die Genehmigungspflicht eingeführt. Beide Avis bildeten die Grundlage der Genehmigungspflicht der sociétés d’assurances mutuelles. Das weitere Genehmigungsverfahren entsprach jenem der sociétés anonymes. Auch die Aufsicht gestaltete sich ähnlich. Eine laufende Aufsicht während des Betriebs lag damit auch bei den sociétés d’assurances mutuelles nicht vor. Das Aufsichtssystem der Tontinen, dessen Effektivität gleichfalls kritisiert wird, war auf diese nicht anwendbar. Die staatliche Aufsicht von sociétés d’assurances mutuelles beschränkte sich mithin auf eine contrôle a priori/préalable, folglich eine Aufsicht vor Gründung.

V. Ausländische Versicherungsunternehmen Das in diesem Kapitel dargestellte Genehmigungssystem galt für inländische Unternehmen. Zu klären ist, ob dieses auch auf ausländische Versicherungsgesellschaften anwendbar war.

ce jusqu’à la décision à intervenir des autorités compétentes“ Ordonnance du Roi vom 27. Oktober 1819, zitiert in: Pouilloux (2011), S. 664. 254 „Un commissaire, nommé par notre ministre du commerce et des manufatures auprès de la société, est chargé de veiller à l’observation des statuts. Il prendra connaissance des opérations de la compagnie et pourra provisoirement suspendre l’éxecution des mesures qu’il jugerait contraires aux lois, sauf à en référer à l’autorité supérieure. Son traitement demeure à la charge de la compagnie.“ Ordonnance du Roi vom 25. Mai 1828, zitiert in: Pouilloux (2011), S. 664.

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

Mit voranschreitender Industrialisierung und einer allmählich gelockerten Konzessionspolitik stellte sich die Frage nach der offiziellen Anerkennung ausländischer Gesellschaften in Frankreich.255 Bisher unterstanden in Frankreich niedergelassene ausländische Unternehmen dem französischen Recht, also demselben Recht, welches für französische Unternehmen galt. Ausländische Unternehmen bedurften daher der in Art. 37 Code de Commerce vorgeschriebene Genehmigung der Regierung zur Gründung einer société anonyme.256 Nur mit dieser Genehmigung konnten ausländische Unternehmen in Frankreich Verfahrenshandlungen vornehmen. Die Gerichte anderer Nationen, wie z. B. der belgische Cour de Cassation257, erkannten französischen sociétés anonymes aus formellen Gründen hingegen nicht an.258 Diesem für französische Unternehmen unbefriedigenden Zustand wurde durch eine Konvention abgeholfen. In Umsetzung der Konvention wurde in Belgien das Gesetz vom 14. März 1855 und in Frankreich das Gesetz vom 30. Mai 1857 erlassen.259 Das Gesetz vom 30. Mai 1857 schuf die Genehmigungspflicht und Überwachung für ausländische Versicherungsunternehmen, die in Frankreich ihre Geschäfte betrieben, ab.260 Ausländische Gesellschaften waren, sofern diese in ihrem Heimatland wirksam gegründet wurden, fortan auch in Frankreich gesetzlich anerkannt.261 Les sociétés anonymes et autres associations commerciales, industrielles ou financières qui sont soumises à l’autorisation du gouvernement belge, et qui l’ont obtenue, peuvent exercer tous leurs droits et ester en justice en France, en se conformant aux lois de l’Empire.262 Alle Aktiengesellschaften oder andere Handelsgesellschaften, industrieller oder finanzieller Art, die der Genehmigung der belgischen Regierung unterstellt sind und die diese erhalten haben, können in Frankreich, in Einklang mit den Gesetzen des Reiches, all ihre Rechte ausüben und vor Gericht auftreten.

Dies entspricht dem Regelungsinhalt von Liv. 3 Tit. 6 Art. 1 Ordonnance de la Marine, konnten doch Ausländer wie Inländer in Frankreich Versicherer sein. Die Wertung der Norm ist indes eine andere als jene des Gesetzes vom 30. Mai 1857, sah die Ordonnance de la Marine doch grundsätzlich die Gleichstellung von aus- und

255

Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3196. Richard (1956), S. 103. 257 In einem Arrêt des Cour de cassation de Belgique vom 22. Juli 1847 hatte dieser entschieden, dass französische Aktiengesellschaften, die ordnungsgemäß in Frankreich gegründet worden waren, wegen fehlender Genhemigung in Belgien nicht vor dem belgischen Gericht handeln dürfen (Cass. 22. Juli 1847 D. P. 1847, 2. 172.); vgl. Poujad (1905), S. 53. 258 Angel/Courcy (1885), S. 227; Poujad (1905), S. 53. 259 Angel/Courcy (1885), S. 228; Poujad (1905), S. 53 f. 260 Richard (1956), S. 103; Fey (1885), S. 57; Angel/Courcy (1885), S. 228. 261 Vgl. Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3196. 262 Art. 1 Loi vom 30. Mai 1857, abgedruckt in: Duvergier (1857), S. 112 f. 256

V. Ausländische Versicherungsunternehmen

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inländischen Versicherern vor.263 Durch Gesetz vom 30. Mai 1857 wurde mithin die Grundlage der getrennten versicherungsaufsichtsrechtliche Behandlung von in- und ausländischen Unternehmen gelegt. Diese Differenzierung ist aus modernen Rechtsordnungen bekannt. Die Regelung des Gesetzes vom 30. Mai 1857 erinnert an das innerhalb der EU geltende Sitzlandprinzip264 für EU-Versicherer, nach welchem ausschließlich die Regulierung des Sitzlandes maßgebend ist. Durch ein einfaches Décret des Conseil d’État konnte das durch Gesetz vom 30. Mai 1857 erteilte Privileg auf alle anderen Länder ausgeweitet werden.265 Un décret impérial, rendu en conseil d’État peut appliquer à tous autres pays, le bénéfice de l’art. 1er.266 Ein Dekret des Conseil d’État kann den Vorteil des Art. 1 auf alle anderen Länder anwenden.

Unternehmen andere Nationen, wie Portugal267, Spanien268, Griechenland269, Italien270, England271, die Niederlande272, Preußen273, Sachsen274, Österreich275, Schweden und Norwegen276 nutzen diese Rechtslage.277 In der Praxis wurde das Gesetz vom 30. Mai 1857 stark kritisiert.278 Es schuf eine erste Wettbewerbsverzerrung, da ausländische Unternehmen in Frankreich anders als französische Unternehmen keiner Aufsicht – sei es i. F. d. autorisation oder der surveillance – unterstellt waren.279 Eine gegenüber ausländischen Unternehmen liberale Gesetzgebung besaßen nur wenige Nationen. Beinahe alle anderen europäischen Länder verlangten mehr oder weniger strenge Garantien von ausländischen Unternehmen. In manchen Ländern, so z. B. in Spanien, Preußen, Griechenland und in den meisten der Schweizer Kantone, bestand das Erfordernis einer speziellen Genehmigung für ausländische Unternehmen. In Österreich, Ungarn und Portugal 263

Liv. 3 Tit. 6 Art. 1, abgedruckt in: Pardessus (1837), Bd. 4, S. 370. Vgl. § 320 Abs. 1 Nr. 1 VAG. Näher hierzu Grote, in: Langheid/Wandt (2. Aufl. 2017), Rn. 220. 265 Richard (1956), S. 103; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3196. 266 Art. 2 Loi vom 30. Mai 1857, abgedruckt in: Duvergier (1857), S. 116. 267 Décret vom 27. Februar 1861. 268 Décret vom 05. August 1861. 269 Décret vom 9. November 1861. 270 Décret vom 05. Februar 1862. 271 Décret vom 17. Mai 1862. 272 Décret vom 5. Mai 1862. 273 Décret vom 19. Dezember 1866. 274 Décret vom 23. Mai 1868. 275 Décret vom 20. Juni 1868. 276 Décret vom 14. Juni 1872. 277 Siehe Fey (1885), S. 57; Richard (1956), S. 103; Agnel/Corny (1885), S. 228. 278 Lefort (2. Aufl. 1907), S. 12. 279 Agnel/Corny (1885), S. 228; Poujad (1905), S. 55. 264

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

musste eine feste Kaution geleistet werden. In Italien oder Russland musste ein Depot geschaffen werden. In England wurde zwar keine Genehmigung gefordert, dafür aber strenge Publizitätsvorschriften. Somit konnten ausländische Unternehmen nach den Regelungen des Auslands im Ausland gegründet und ausschließlich oder zumindest überwiegend in Frankreich betrieben werden. Das ausländische Gründungsland konnte jedoch weniger strenge oder gar keine Garantien in Gründungs- oder Verwaltungsregelungen enthalten.280 Da z. B. das belgische Recht weitaus weniger strenge Vorschriften besaß, wurden in der Folgezeit einige Unternehmen, wie La Préservatrice, fortan in Belgien gegründet, in Frankreich jedoch betrieben.281 Weil ausländische Unternehmen verschiedene und niedrigere Tarife anboten, waren diese für Versicherte zunächst attraktiver. Wegen fehlender oder unzureichender Garantie setzten sich Versicherte damit jedoch einer großen Gefahr aus.282 Diese Situation forderte das Tätigwerden des Gesetzgebers, der am 23. Mai 1863 ein Gesetz erließ, in welchem das Genehmigungssystem für Kapitalgesellschaften gelockert wurde. Gesellschaften mit einem Kapital unter 20 Mio. fr. waren fortan von der Genehmigungspflicht entbunden. Solche Gesellschaften wurden „société à responsabilité limitée“ genannt.283

280 281 282 283

Poujad (1905), S. 55 f., 57. Vgl. Pouilloux (2011), S. 664 f. Agnel/Corny (1885), S. 229. Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 15; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3196.

VI. Régime d’autorisation

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VI. Régime d’autorisation Zu Beginn des Kapitels wurde aufgezeigt, dass die Entwicklung des Versicherungswesens erst ab der Zeit der Restauration einen starken Aufschwung erfuhr. Ab dieser Zeit erhielten zahlreiche Projekte zur Gründung von Versicherungsgesellschaften die Erlaubnis der Regierung, welche hierzu Genehmigungen erteilte. Der französische Gesetzgeber wählte mithin die Genehmigungserteilung als Mittel der Aufsicht. Dass der Staat nach dem Genehmigungsverfahren im Wesentlichen keine weitere Aufsichtstätigkeit ausübte, wurde im vorangehenden Abschnitt erörtert. Damit war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägendes Aufsichtsmittel die Genehmigung. Das diesem Aufsichtsmittel zugrundeliegende Aufsichtssystem wird von der modernen Sekundärliteratur als „régime d’autorisation (préalable)“, „système d’autorisation (préalable)“ oder „régime d’autorisation gouvernementale“ bezeichnet. Diese Begriffe können im Deutschen pauschal mit „Genehmigungssystem“ übersetzt werden.284 Eine andere Bezeichnung ist „système de la concession“ (Konzessionssystem).285 Es ist zumindest von der Begrifflichkeit vergleichbar mit dem in der deutschen Literatur als „Konzessionssystem“ bezeichneten Aufsichtssystem. Ob auch eine inhaltliche Vergleichbarkeit besteht, kann wegen des begrenzten Umfangs in dieser Arbeit nicht untersucht werden.286 Wie in der Instruction ministerielle vom 22. Oktober 1817 deutlich gemacht wird, handelt es sich bei der „autorisation (gouvermentale/adminstrative“) ((staatliche/ behördliche) Genehmigung) nicht um ein privilège exclusif. Das Unternehmen existiert damit nicht auf Grundlage eines Privilegs, sondern eines administrativen Akts.287 Staatliches Eingreifen mutet daher wie ein Polizeiakt an.288 Insofern besteht ein Unterschied zu den mit privilège exclusif erteilten königlichen Genehmigungen, wie sie auch eine Versicherungsgesellschaft, die Compangie Royale, Ende des Ancien Régime erhielt.289 Das régime d’autorisation fußt wesentlich auf Regelungen des Code de Commerce von 1807, insbesondere auf Art. 37 Code de Commerce.290 Einige Autoren führen Art. 37 Code de Commerce daher als erste versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung an.291 Wie in vorangehenden Kapiteln gesehen, waren vor Beginn des 284

So z. B. Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 358. 285 So z. B. Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1969), S. 853. 286 Eine rechtsvergleichende Arbeit zum französischen, deutschen und italienischen System in Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1969), S. 853. 287 1 – Instruction ministérielle vom 22. Oktober 1817, in: Pailliet (4. Aufl. 1819), S. 501. 288 Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1969), S. 853. 289 B. V. 4 (S. 98 ff., 102). 290 Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 358; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1969), S. 854. 291 So z. B. Lefort (2. Aufl. 1907), S. 12; Anthon (1937), S. 53; Poujad (1905), S. 35.

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D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

19. Jahrhunderts tatsächlich wenige aufsichtsrechtliche Texte vorhanden.292 Gleichwohl existierten bereits im Ancien Régime Regelungen versicherungsaufsichtsrechltlicher Natur. Unter diesen befanden sich auch Vorschriften, in denen eine Genehmigungspflicht angelegt war. Der Grundgedanke einer Genehmigung war schon in Tit. 4 Art. 2. Ordonnance du Commerce verankert.293 In Rouen wurde schließlich bereits im Jahr 1715 die Genehmigungspflicht von Versicherungsunternehmen eingeführt.294 Die königliche Genehmigung von Versicherungsgesellschaften war überdies gängige Praxis während des Ancien Régime.295 Das Décret vom 24. August 1793 schrieb die Genehmigung von Neugründungen von durch das Décret beseitigten Unternehmen, hierunter auch die Compagnie Royale und sociétés par actions allgemein, vor.296 Die Wurzeln der Versicherungsaufsicht, auch jene des régime d’autorisation, lagen mithin nicht erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sondern im Ancien Régime.297 Die These des zweiten Kapitels muss mithin nicht revidiert werden.298 Trotz der Bezeichnung des Systems als „régime d’autorisation“ darf nicht angenommen werden, der französische Staat habe alleine durch Genehmigungserteilung das Versicherungswesen reguliert, bediente sich dieser doch, wie in Analyse der gesellschafts- und versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen sowie der Aufsichtspraxis aufgezeigt wurde, weiterer Regulierungsmittel. Die Versicherungsaufsicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war mithin komplexer als die Bezeichnung des Aufsichtssystems suggeriert. Der Begriff „régime d’autorisation“ wird der ersten Versicherungsaufsicht nach der Revolution nur bedingt gerecht. Weil jedoch alle Versicherungen unabhängig von ihrer Versicherungsform oder ihres Versicherungszweigs zur Gründung und zum Geschäftsbetrieb der Genehmigung durch die Regierung bedurften, war die „autorisation“ das erstmals einheitlich verwendete Versicherungsaufsichtsmittel. Daher soll die Bezeichnung „régime d’autorisation“ für die versicherungsaufsichtsrechtliche Aufsichtsphase in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in dieser Arbeit beibehalten werden. Das régime d’autorisation blieb bis zur Einführung des Loi sur les sociétés vom 24. Juli 1867 bestehen.299 Am Ende dieses Kapitels kann in Zusammenschau der gewonnenen Erkenntnisse behauptet werden, dass sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das erste versicherungsaufsichtsrechtliche Aufsichtssystem, das régime d’autorisation, herausbildete. Dieses Ergebnis passt zu der Erkenntnis der jüngeren Forschung: Ob292 293 294 295 296 297 298 299

So auch Anthon (1937), S. 53. B. III. 1 a) (S. 54 ff.). B. III. 1 b) (S. 55 ff.). Vgl. B. IV, V. 3, 4 (S. 63 ff., 91 ff., 98 ff.). Siehe S. 121 ff. Siehe B (S. 41 ff.). B. VII (S. 111). Pouilloux (2011), S. 664.

VII. Zusammenfassung

171

schon nicht die Aufsicht der Versicherungsgesellschaften im Vordergrund stand, entwickelten sich ab der Restauration erste versicherungsaufsichtsrechtliche Systeme.300

VII. Zusammenfassung Dieses Kapitel fügt sich an die Erkenntnisse des vorangehenden Kapitels an. Ausgangspunkt der Betrachtung war die These, die Französische Revolution sei zeitgenössisch eine Zäsur gewesen. Dies eröffnete die Frage nach der Entwicklung des Versicherungswesens, insbesondere der Versicherungsaufsicht, nach der Zäsur durch die Französische Revolution in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Daher stand am Anfang des Kapitels die historische Darstellung des Versicherungswesens nach der Revolution. Aus dieser konnte abgeleitet werden, dass die Französische Revolution in rechtlicher wie praktischer Hinsicht nachwirkte. In rechtlicher Hinsicht wird dies bei näherer Betrachtung der gesellschaftlichen wie versicherungsrechtlichen Regelungen des Code de Commerce deutlich. Die Gründung der sociétés anonymes, Nachfolger der société par actions, standen unter Genehmigungspflicht. Der Versicherungsvertrag war im Code de Commerce (1807) nur in Bezug auf den Seeversicherungsvertrag geregelt. Assurances terrestres hatten keine ausdrückliche Erwähnung gefunden. Auch die Versicherungsgesellschaft wurde nicht geregelt. Ebenso existierten keine sonstigen versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen im Code de Commerce. Der Code de Commerce war somit lückenhaft. Lücken wurden durch ergänzende Regelungen sowie die Praxis und Rechtsprechung gefüllt. Regelungen oder eben gerade fehlende Regelungen sind nicht allein auf das Nachwirken der Französischen Revolution zurückzuführen. Auch das Ancien Régime war noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu spüren. Dies wird am Beispiel des Lebensversicherungsvertrags deutlich, welcher im Code de Commerce nicht normiert war und unter Berücksichtigung der historischen Gesetzgebung (Ordonnance de la Marine) und Wissenschaft (Pothier, Valin, Emerigon) sogar als verboten galt. Der Code de Commerce schuf im Bereich des Versicherungsrechts insofern einen Ausgleich zwischen Maßnahmen der Revolution und dem Recht des Ancien Régime. Diese Erkenntnisse stützen wiederum die Aussage des vorangehenden Kapitels, die Französische Revolution sei in nachträglicher Gesamtschau des versicherungsaufsichtsrechtlichen Entwicklungsprozesses verbindendes Element des Ancien Régime und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bei Untersuchung der versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte dieser Eindruck darüber hinaus bestärkt werden. Ein Nachwirken der Französischen Revolution in praktischer Hinsicht leitete sich aus dem Fehlen von Versicherungsgesellschaften ab. Trotz der rechtlichen Aner300

So Nicolas (2012), S. 24.

172

D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

kennung von Versicherungen waren vor der Restauration nur wenige lokale und regionale mutuelles vorhanden. Auch mutuelles unterlagen staatlichen Eingriffen verschiedener Art. Insofern wird deutlich, dass auch diese nicht durch den französischen Staat aktiv gefördert wurden. Erst ab der Restauration wurden vermehrt Versicherungsunternehmen gegründet. Zunächst wurde bevorzugt den sociétés d’assurances mutuelles die Genehmigung der Regierung erteilt. Die Gefahren der sociétés par actions waren noch aus der Zeit der Französischen Revolution präsent. Diesen Gefahren wurde – anders als innerhalb der sociétés d’assurances mutuelles, deren Mitglieder sich gegenseitig überwachten – nicht durch eine interne Überwachung begegnet. Indem die französische Regierung den sociétés d’assurances mutuelles die Genehmigung bevorzugt erteilte, konnten Gefahren der sociétés anonymes umgangen werden, staatliche Aufsichtsmaßnahmen mussten nicht ergriffen werden. Die Genehmigungserteilung war mithin abhängig von der Versicherungsform, aber auch von dem Versicherungsgegenstand. Insofern konnte nach Darstellung der Entwicklung des Versicherungswesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts festgehalten werden, dass die Regierung Genehmigungen zur Gründung selektiv erteilte. Dies legte den Schluss nahe, dass die Erteilung von Genehmigungen zur Lenkung der Entwicklung des Versicherungsmarktes diente. Nach Darstellung der Entwicklung des Versicherungswesens während der Revolution befasste sich dieses Kapitel mit der Analyse der versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen. Hierbei war zunächst eine Abgrenzung der beiden ab der Restauration im französischen Versicherungsmarkt tätigen Formen von Versicherungseinrichtungen, die sociétés d’assurances à primes und die sociétés d’assurances mutuelles, vorzunehmen, galten für beide doch unterschiedliche Regelungen. Eine einheitliche versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung war mithin nicht vorhanden. Versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen ergaben sich aus dem Gesellschaftsrecht des Code de Commerce und einzelnen Regelungen. Auch die Praxis und Rechtsprechung war weiterhin von Bedeutung für die Versicherungsaufsicht. Es hat sich insofern gezeigt, dass sich versicherungsaufsichtsrechtliche Maßnahmen aus Rechtsquellen, die bereits ab dem 17. Jahrhundert gängig waren, ergaben. Da die sociétés d’assurances à primes die Gesellschaftsform der société anonyme wählten, hatten diese die für jene Gesellschaftsform geltenden Vorschriften des Code de Commerce einzuhalten, damit also auch die Genehmigungspflicht nach Art. 37 Code de Commerce. Weil jedoch auch die Regelungen des im Code de Commerce geschaffenen Gesellschaftsrechts lückenhaft waren, wurden ergänzende Regelungen, Instructions ministérielles (vom 31. Dezember 1807 und vom 22. Oktober 1817) und Circulaires ministérielles, geschaffen. Für sociétés d’assurances mutuelles enthielt der Code de Commerce keine Regelung. Für diese aufsichtsrechtlich relevant waren der Avis vom 1. April 1809 und der Avis vom 30. September 1809. Anders als man vermuten könnte, bildeten diese und nicht eine analoge Anwendung des Art. 37 Code de Commerce die Grundlage der Genehmigungspflicht der sociétés d’as-

VII. Zusammenfassung

173

surances mutuelles, wie der Circulaire des Ministre de l’Intérieur vom 25. Oktober 1819 klarstellte. In beiden Avis waren mehr oder weniger detailliert Vorschriften für die Entstehung wie auch für den laufenden Geschäftsbetrieb festgelegt. Ergänzende Vorschriften konkretisierten und erweiterten diese. Das Ergebnis der Analyse fügt sich daher weitgehend in den Forschungsstand.301 Durch die nähere Betrachtung der unterschiedlichen Rechtsquellen konnte in diesem Kapitel aufgezeigt werden, dass staatliches Eingreifen für beide Versicherungsformen faktisch vergleichbar war. Dies ist vermutlich auf die zunehmende Assimilierung der société mutuelle an die société anonyme zurückzuführen. Die Versicherungsaufsicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gestaltete sich damit für alle Versicherungseinrichtungen folgendermaßen: Zur Gründung war die Genehmigung der Regierung notwendig. Dies wurde allgemein mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. Anknüpfungspunkt war für die sociétés d’assurances à primes die Gefährlichkeit der Gesellschaftsform, für sociétés d’assurances mutuelles die Gefährlichkeit des Geschäftsgegenstands. Das weitgehend identische Genehmigungsverfahren ergab sich aus der Praxis. Hierbei fand eine in der modernen Wissenschaft als „contrôle a priori/contrôle préalable“ bezeichnete Aufsicht statt. Diese bestand in der Prüfung der einzuhaltenden Genehmigungsvoraussetzungen durch Sichtung verschiedener Dokumente, ein bereits aus dem Ancien Régime bekanntes Vorgehen. Auch Ansätze einer „contrôle permanent“, also einer Aufsicht während des laufenden Geschäftsbetriebs, waren in der Hälfte des 19. Jahrhunderts vorzufinden. Die Maßnahmen der laufenden Aufsicht waren, wenn auch nicht für jede Versicherungsgesellschaft, in Genehmigungsakten bestimmt: Das Widerrufsrecht der Genehmigung wurde vorbehalten, die jährliche Berichterstattungspflicht der Versicherungsunternehmen wurde vorgeschrieben und sog. „Commissaires“ wurden zur Überwachung eingesetzt. Letztere Aufsichtsmaßnahme wurde bereits für die ersten Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften Ende des Ancien Régime ergriffen. Ansätze der contrôle a priori und der contrôle permanent waren somit bereits im Ancien Régime vorzufinden. Insofern konnte ein Fortwirken der Aufsichtspraxis festgestellt werden. Die Ineffektivität der Überwachung der Commissaires ändert an dieser Erkenntnis nichts. Sie hatte jedoch Auswirkung auf die Art der laufenden Versicherungsaufsicht, beschränkte sich diese doch damit in der Praxis weitgehend auf die Prüfung der von den Unternehmen zu erstellenden Zustandsberichten. Weil Berichte erst gar nicht erstellt wurden, war diese Art der Überwachung wenig effektiv. Es konnte damit gezeigt werden, dass die Versicherungsaufsicht während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mangels effektiver Aufsicht während des laufenden Geschäftsbetriebs insgesamt für ineffektiv zu befinden ist.

301 So Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171 f.; Ketter (1956), S. 4; Richard (1956), S. 101; Picard/Besson (2. Auf. 1965), Bd. 2, S. 14; Ipsen, Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift 1939, 95.

174

D. Das erste Aufsichtssystem des 19. Jahrhunderts

Die Analyse der versicherungsaufsichtsrechtlichen Maßnahmen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schloss insofern mit der Erkenntnis, dass die Genehmigung das dominante Aufsichtsmittel war. Insofern ist die Bezeichnung des ersten Versicherungsaufsichtssystems in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als „régime d’autorisation“ angebracht. In der deutschen Wissenschaft ist dieses System auch unter dem Begriff „Konzessionssystem“ bekannt. Staatliche Versicherungsaufsicht gestaltete sich in Bezug auf die Genehmigungspflicht und das Genehmigungsverfahren inklusive Prüfung der einzureichenden Unterlagen zum ersten Mal weitgehend einheitlich, war damit unabhängig von Versicherungsform und Versicherungszweig. Auch wenn die Aufsicht für verschiedene Versicherungsformen nicht auf denselben Rechtsquellen beruhte, kommt man am Ende des Kapitels zu dem Ergebnis, dass sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das erste einheitliche Versicherungsaufsichtssystem herausbildete. Für ausländische Unternehmen galt dieses nach Erlass des Gesetzes vom 30. Mai 1857 indes nicht. Aus- und inländische Unternehmen wurden seit diesem Zeitpunkt, wie auch in modernen Rechtsordnungen gängig, aufsichtsrechtlich unterschiedlich behandelt. Dies ist eine Abweichung von dem in der Ordonnance de la Marine angestrebten Ansatz der grundsätzlichen Gleichstellung von in- und ausländischen Versicherern. Diese Situation wurde von aus- wie inländischen Unternehmen ausgenutzt, welche im Ausland gegründet wurden, doch in Frankreich ihr Geschäft betrieben. Sofern das Land, in welchem diese gegründet wurden, weniger strenge Aufsichtsmaßnahmen als jene des régime d’autorisation vorsah, lag eine Wettbewerbsverzerrung vor. Hier bestand gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts I. Regulierung während des régime d’autoritaire und régime de la liberté Im vorangehenden Kapitel wurde gezeigt, dass ab der Restauration zahlreiche Versicherungsgesellschaften sowohl in der Form der société d’assurance à primes als auch in der Form der société d’assurance mutuelle mit der Genehmigung der Regierung gegründet wurden. Die Regierung hatte mithin die Genehmigung als Aufsichtsmittel gewählt. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Genehmigung indes nicht mehr als adäquates Mittel angesehen. Mit der industriellen Revolution und der Feburarrevolution 1848 wurden in Frankeich weitreichende Diskussionen zur Rolle des Staates in der Wirtschaft angeregt. Der Staat wurde in der Verantwortung gesehen Fürsorge zu tragen. Als adäquates Vorsorgemittel wurde von Regierung und Wissenschaft die Versicherung erachtet. Ungeklärt war einzig die Art der staatlichen Vorsorge. Sollte der Staat selbst als Versicherer tätig werden oder den privaten Versicherungssektor lediglich regulieren? Dies war beherrschender Diskurs in Wissenschaft und Praxis, der stark von der politischen Situation geprägt war. Im Deuxième/Seconde République (Zweiten Republik), welche im Jahr 1848 ausgerufen wurde, herrschte eine autoritäre Regierung. Dies zeichnete sich im Versicherungswesen ab, denn nicht die Regulierung des privaten Versicherungsmarktes, sondern dessen Verstaatlichung wurde angeregt. Diese Zeit wird in der Sekundärliteratur daher auch „régime d’autoritaire“ (autoritäres Herrschaft) genannt. Das Versicherungswesen erfuhr erst während des folgenden „empire libéral“ (liberales Herrschaft) eine Expansion.1 Da die beiden Phasen wichtige Impulse für die weitere Entwicklung der Regulierung des Versicherungswesens und damit auch für die Entwicklung der Versicherungsaufsicht in Frankreich gaben, sind diese nachfolgend zu beleuchten. 1. Verstaatlichungsbestreben Während der Seconde République änderte sich die Einstellung des französischen Staates dem Versicherungswesen gegenüber. Zum einen waren wirtschaftliche, zum anderen politische Aspekte für diese Entwicklung entscheidend.

1

Richard (1956), S. 59 ff., 62; Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 4 f.

176

E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

Die industrielle Revolution hatte neue technische Innovationen und eine damit zusammenhängende Vervielfachung von Risiken zur Folge, die es abzusichern galt.2 Neben diesem wirtschaftlichen, fand auch ein politischer Umbruch statt. Im Jahr 1848 kam es europaweit zu bürgerlich-revolutionären Bewegungen. Diese führten in ganz Europa zu einem politischen Umbruch.3 Soziale Fragen standen wie in allen europäischen Staaten auch in Frankreich zur Diskussion.4 In diesem Zusammenhang wurde die Rolle des Staates in der Wirtschaft allgemein und im Versicherungswesen im Speziellen diskutiert. Der Staat sollte mehr soziale Verantwortung übernehmen. Die Versicherung schien geeignetes Mittel der sozialen Vorsorge zu sein.5 Alleine die Umsetzung war unklar. Anstelle der Regulierung des privaten Versicherungssektors kam zu jener Zeit die Verstaatlichung in Betracht. Zur Debatte stand daher die Einführung und Umsetzung einer „assurance par l’État“ (Staatsversicherung) bzw. eines „monopole étatique de l’assurance“ (staatliches Versicherungsmonopol). Mit dieser Frage setzten sich nicht nur die Regierung, sondern auch die politische Presse, die Wirtschaft und die Wissenschaft auseinander.6 Die Idee eines staatlichen Versicherungsmonopols für Feuerversicherungen hatte bereits der Theoretiker Muiron im Jahr 1824 aufgebracht. Diese wurde im Jahr 1837 vom Ministre du Commerce Duchâtel wiederaufgenommen. Im Jahr 1848 wurden zahlreiche Projekte einer assurance par l’État an das bureau de l’Assemblée Nationale herangetragen. Sozialisten sahen hierin das probate Mittel zur Bekämpfung der Armut. Im Namen der Commission du Gouvernement stellte der Sozialist Louis Blanc 1848 ein Projekt zur Einführung einer Staatsversicherung vor. Diesem folgten zahlreiche vergleichbare Projekte7, welche überwiegend auf den Feuerversicherungszweig bezogen waren. Dies ist vermutlich mit der Profitabilität dieses Zweiges zu begründen.8 Schließlich versuchte Napoleon III. im Jahr 1875 eine Caisse d’État agricole einzuführen. Das Projekt scheiterte vor dem Conseil d’État. Allmählich nahm die Regierung von autoritären und etatistischen Konzepten Abstand.9 2

Ruffat, Financial history review (2003), 191; ders., in: Nùñez (1998), S. 63. Richard (1956), S. 58. 4 Richard (1956), S. 58; Hamon (1895), S. 112 ff. 5 Ruffat, Financial history review (2003), 195. 6 So u. a. la Démocratie pacifique; la Presse: Giradin, Boudon, Prugneau, Alauzet, etc; Mairon, Duchatel, Prugneau, Arel; Pouget, Persil, Grün et Joliat, Rossi, Vincens, Carteret. Siehe Richard (1965), S. 60; Hamon (1895), S. 113 f. 7 So das Pojekt von Ganier-Pagès und Ducelerc (1848) sowie von Huguenin (1851), Vacher (1879), Nadaud (1880), Maze und Guxot, Waldeck-Rousseau, Talandier, Peuleveuy et Félic Faure (1881) für den Feuerversicherungszweig. Das Projekt von Langlois sah eine Art aus Feuer- und Landwirtschaftsversicherung vor. Keines der Projekte war erfolgreich. Das Projekt von Nadaud sur les accidents du travail wurde 1881 der Kammer vorgelegt. Der Senat nahm jedoch am 23. Mai 1890 ein anderes an. Siehe eingehend Chaufton (1884), Bd. 1, S. 645 ff. 8 Richard (1956), S. 58 f.; Ruffat, Financial history review (2003), 195. 9 Richard (1956), S. 61. 3

I. Regulierung während des régime d’autoritaire

177

2. Sukzessive Abschaffung der Genehmigungspflicht Die Frage nach der Rolle des Staates im Versicherungswesen wurde endgültig mit Erlass des Gesetzes vom 24. Juni 1867 geklärt. Der Gesetzgeber entschied sich gegen die Verstaatlichung und für die Regulierung des Versicherungswesens. Die konkrete Ausgestaltung der staatlichen Regulierung soll im Folgenden erläutert werden. Hierfür ist zunächst die gesetzgeberische Entwicklung bis zum Erlass des Gesetzes vom 24. Juni 1867 darzustellen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte ein politisch wie wirtschaftlich liberales Klima.10 Zu dieser Zeit wurde das régime d’autorisation, obwohl dieses lange Zeit trotz bereits genannter Mängel sowohl von der Öffentlichkeit als auch der Legislative anerkannt und etabliert war, zunehmend kritisiert.11 Bald wuchs daher die Forderung die durch Genehmigungspraxis des Conseil d’État geschaffene „Quasimonopolisierung“, welche es ermöglichte unliebsame Konkurrenten vom Wettbewerb auszuschließen, zu beseitigen.12 Dieses Ansinnen wurde auch von staatlicher Seite unterstützt, hatte der Kaiser Napoleon III. doch im Jahr 1860 die „liberale Phase“, eine von ultraliberaler Politik geprägten Zeitabschnitt, ausgerufen.13 Die Abschaffung des régime d’autorisation erfolgte in drei Schritten durch das Gesetz vom 17. Juli 1856, das Gesetz vom 23. Mai 1863 und das Gesetz vom 24. Juli 1867.14 a) Gesetze vom 17. Juli 1856, 23. Mai. 1863, 24. Juli 1867 Wegen der im vorangehenden Kapitel beschriebenen Missstände im Bereich der sociétés en commandite par actions war staatliches Eingreifen geboten. Durch Gesetz vom 17. Juli 1856 wurden die sociétés en commandite par actions strengen Gründungs- und Betriebsbestimmungen unterworfen. Von besonderem Interesse sind die durch dieses Gesetz geschaffenen Solvabilitäts- und Überwachungsvorschriften. Zum einen finden sich einige der Regeln in späterer Gesetzgebung wieder. Zum anderen wurde erstmals die Kontrolle der Geschäftsführung, welche durch die Teilhaber selbst mittels „Assemblée d’actionnaires“ (Generalversammlung)15 und 10

Vgl. Blondel (1965), S. 5; Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 33. So Coquelin, Revue des Deux Mondes 1843, Bd. 3, 411 ff.; Say, Journal des éconmistes 1854, 359. 12 So Forcade, Revue des Deux Mondes 1856, Bd. 3, 641. Siehe auch Lefebvre-Teillard, S. 421 f.; Freedeman (1979), S. 123 f., 130 f. 13 Lefebvre-Teillard (1985), S. 422; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 856 f. 14 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 15; Lefebvre-Teillard (1985), S. 423. Eingehend hierzu in Beudant, Revue critique de législation et de jurispurdence (1867), 404 ff.; Rivière (1868), S. 1 ff. 15 Art. 4 Loi vom 17. Juli 1856, abgedruckt in: Duvergier (1856), S. 339. 11

178

E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

mittels „Conseil de surveillance“16 (Aufsichtsrat) erfolgte, normiert. Der Conseil de surveillance übte überdies die Finanzkontrolle aus.17 Das Gesetz vom 23. Mai 1863 sah ähnliche Gründungs- und Betriebsbestimmungen vor.18 Es führte ein mit dem Conseil de surveillance vergleichbares Organ namens „Commissaires aux comptes“ (Rechnungsprüfer) ein.19 Das Gesetz vom 23. Mai 1863 war Folge des französischbritischen Abkommens vom 30. April 1862. Durch dieses Abkommen wie auch den Company Act von 1862 wurde die in England mit dem Bubble Act von 1720 eingeführte Genehmigungspflicht bei der Gründung von Gesellschaften abgeschafft. Diese Genehmigungsfreiheit verschärfte den Wettbewerb zwischen englischen und französischen Unternehmen. Zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit musste der französische Gesetzgeber schließlich tätig werden. Insofern war der Erlass des Gesetzes vom 23. Mai 1863 durch die englische Gesetzgebung beeinflusst.20 Das Gesetz normierte für sociétés anonymes mit einem Kapitalstock von unter 20 Mio. fr. die Gründungsfreiheit. Diese Gesellschaften wurden fortan „sociétés à responsabilité“ genannt.21 Es existierten somit drei verschiedene Aufsichtssyteme. Die sociétés en commandite par actions unterlagen zwar nicht der Genehmigungspflicht, aber den Regeln des Gesetzes von 1856. Die société à responsabilité limitée waren genehmigungsfrei. Nur die sociétés anonymes unterstanden weiterhin der durch Art. 37 Code de Commerce (1807) eingeführten Genehmigungspflicht. Dieses dreigliedrige Aufsichtssystem war komplex und widersprüchlich. Daher wurde der Gesetzgeber erneut tätig.22 Am 24. Juni 1867 wurde ein Gesetz erlassen, welches das Gesellschaftsrecht umfassend reformierte.23 Es schuf eine einheitliche Regulierung für beide sociétés par actions. Die société en commandite par actions und die société anonyme waren fortan die einzigen Gesellschaftsformen im französischen Gesellschaftsrecht. Bestehende Gesetze wurden abgeschafft. Das Gesetz vom 23. Mai 1863 wurde durch

16 Art. 5, Art. 8, Art. 9, Art. 10 Loi vom 17. Juli 1856, abgedruckt in: Duvergier (1856), S. 341, 345, 346 ff. 17 Rivière (1857), S. 47 ff.; Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 15; Szramkiewicz (1989), S. 317, 318; Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 360, 362 ff. 18 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 15. 19 Art. 21, Art. 22, Art. 23 Loi vom 23. Mai 1863, abgedruckt in: Duvergier (1863), S. 357. Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 361. 20 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 15; Szramkiewicz (1989), S. 317, 318; Lefebvre-Teillard (1985), S. 424. 21 Art. 1, Art. 3 Loi vom 23. Mai 1863, abgedruckt in: Duvergier (1863), S. 349 ff., 372 ff. 22 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 15; Szramkiewicz (1989), S. 317; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 857. 23 Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3197.

I. Regulierung während des régime d’autoritaire

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das Gesetz vom 24. Juli 1867 abgeschafft. Die Regelungen des Gesetzes vom 18. Juli 1856 wurden weitgehend vom Gesetz vom 24. Juli 186724 übernommen.25 b) Art. 21 Gesetz vom 24. Juni 1867 Das Gesetz vom 24. Juni 1867 bildete die dauerhafte Grundlage des Gesellschaftsrechts in Frankreich und blieb bis zum Jahr 1966 in Kraft.26 Kernstück dieser Gesetzgebung war die in Art. 21 normierte Gründungsfreiheit der sociétés anonymes.27 A l’avenir les sociétés anonymes pourront se former sans l’autorisation du gouvernement.28 In Zukunft können Aktiengesellschaft ohne die Genehmigung der Regierung gegründet werden.

Die in Art. 37 Code de Commerce (1807) eingeführte Genehmigungspflicht der sociétés anonymes wurde somit abgeschafft. Damit wurde auch das Kernstück des régime d’autorisation beseitigt.29 Indes mussten gewisse präventive Vorschriften bei Gründung und während des Geschäftsbetriebs zum Schutz von Interessierten und Dritten beachtet werden. Das Gesetz vom 24. Juli 1867 wählte mithin eine andere Art der Aufsicht. Die Abkehr des Gesetzgebers von den zuvor verwendeten Aufsichtsmitteln der prohibition und autorisation ist mit dem veränderten Problembewusstsein zu begründen. Wie aus dem Gesetzgebungsmaterial hervorgeht, unterlag der Gesetzgeber lange Zeit der Vorstellung, dass die Regierung durch Genehmigung und Überwachung ausreichend Sicherheit für Interessierte und Dritte bot. Der Gesetzgeber hatte jedoch erkannt, dass durch die während des Genehmigungsverfahrens vorgenommene Prüfung der Richtigkeit des Gegenstands, des Wertes der Einlage, der Echtheit der Zeichnung wie auch der Moralität und Solvabilität der Zeichner keine abschließende Sicherheit geschaffen werden konnte.30

24 So z. B. Art. 1, Art. 4, Art. 8, Art. 9 Loi vom 17. Juli 1856, abgedruckt in: Duvergier (1856), S. 335, 339, 341, 345 f. 25 Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 16; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3197. 26 Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3198. 27 Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3197. 28 Art. 21 Loi vom 24. Juli 1867 (Journal officiel vom 29. Juli 1867), zitiert in: Pouilloux (2011), S. 683. 29 So auch Escarra/Rault (1950), Bd. 1, S. 16; Szramkiewicz (1989), S. 318. 30 Rivière (1868), S. 203 f.; Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1992), 858; Horn, in: Coing (1986), Bd. III/3, S. 3198; Sammlung des Gesetzesmaterials in Tripier (1867), Bd. 1, S. 9 ff.; ders. (1867), Bd. 2, S. 5 ff.

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

c) Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867, Décret vom 22. Januar 1868 Fraglich ist, wie sich die Rechtslage für Versicherungsgesellschaften gestaltete. Zur Zeit des Gesetzeserlasses besaßen die sociétés d’assurances à primes die Gesellschaftsform der société anonyme. Das Gesetz vom 24. Juli 1867 enthielt in Tit. V für Versicherungsgesellschaften indes spezielle Regelungen. In Art. 66 wird für Versicherungsgesellschaften ein eigenes Rechtssystem festgelegt. Dieses kann in ein System für Lebens- und ein System für Nicht-Lebensversicherungsgesellschaften untergliedert werden. Les associations de la nature des tontines et les sociétés d’assurance sur la vie, mutuelles ou à primes, restent soumises à l’autorisation et à la surveillance du gouvernement. Les autres sociétés d’assurance pourront se former sans autorisation. Un règlement d’administration publique déterminera les conditions sous lesquelles elles pourront être constituées.31 Die Vereinigungen der Natur der Tontine und die Lebensversicherungsgesellschaften, sei es in der Form der société mutuelles oder société à primes, bleiben der Genehmigung und Überwachung der Regierung unterstellt. Die anderen Versicherungsgesellschaften können ohne Genehmigung gegründet werden. Eine Regelung der öffentlichen Verwaltung bestimmt die Konditionen, nach welchen diese gegründet werden können.

Bereits bestehende Versicherungsgesellschaften konnten sich den Regelungen der öffentlichen Verwaltung unterwerfen.32 Les sociétés d’assurances désignées dans le paragraphe 2 de l’article précedent, qui existent actuellement, pourront se placer sous le régime qui sera établi par le règlement d’administration publique, sans l’autorisation du gouvernement, en observant les formes et les conditions prescrites pour la modification de leurs statuts.33 Die in Paragraphe 2 des vorangehenden Artikels (Nichtlebensversicherungen) genannten gegenwärtig existierenden Versicherungsgesellschaften können sich ohne Genehmigung der Regierung und in Befolgung der Formvorschriften und Konditionen, welche zur Änderung ihrer Statuten vorgeschrieben werden, dem Regime unterwerfen, welches durch Regeln der öffentlichen Verwaltung geschaffen worden sein wird.

Fortan existierten mithin zwei unterschiedliche, von dem Versicherungsgegenstand abhängige Aufsichtssysteme.34 Dies ist interessant, ist doch eine solche Abgrenzung moderner Gesetzgebung nicht fremd.35 Bei der Untersuchung beider Aufsichtssysteme muss daher rechtlich stets zwischen der assurances non-vie (Nicht-

31 32 33 34 35

Art. 66 Loi vom 24. Juli 1867, zitiert in: Pouilloux (2011), S. 684. Dieuzaide (1935), S. 6. Art. 67 Loi vom 24. Juli 1867, zitiert in: Pouilloux (2011), S. 684. So bereits in Ansätzen von Chaufton (1884), Bd. 1, S. 682 f. erkannt. So z. B. § 10 Abs. 2 VAG.

I. Regulierung während des régime d’autoritaire

181

Lebensversicherung) und der assurances vie (Lebensversicherung) unterschieden werden.36 Dies spielt insbesondere für die Nicht-Lebensversicherungsunternehmen eine entscheidende Rolle. Denn gleichwohl der wirtschaftliche Liberalismus eine freie Gründung forderte, waren bestimmten Gründungsbestimmungen notwendig. Die Gründungsfreiheit war damit nicht absolut, sondern bedingt. Die Sekundärliteratur spricht daher auch von „liberté reglementée“ (regulierte Freiheit)/„liberté surveillée“ (überwachte Freiheit) und nennt das geschaffene Rechtssystem „système réglementaire“ (Regulierungssystem).37 Die Gründungsvoraussetzungen sollten nach Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 durch Regelungen der öffentlichen Verwaltung bestimmt werden.38 In Umsetzung des Art. 66 wurde am 22. Januar 1868 ein Décret erlassen, welches die durch Gesetz vom 24. Juli 1867 geschaffenen Gründungsvorschriften ergänzte und erweiterte. Mit Schaffung des Décret vom 22. Januar 1868 hatte der Gesetzgeber erstmals erkannt, dass die Versicherungsgesellschaften eine besondere Natur besitzen aufgrund deren sie von den anderen Handelsgesellschaften zu unterscheiden sind und daher besonderer rechtlicher Berücksichtigung bedürfen.39 Das Décret vom 22. Januar 1868 ist kein Versicherungsaufsichtsgesetz im modernen Sinne.40 Nach fortgeschrittener Untersuchung kann indes festgestellt werden, dass es die erste echte originär versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung darstellte.41 Unschädlich hierfür ist, dass einige Regelungslücken in dem Décret enthalten sind. Die Lücken hatten aber Auswirkung auf die Effektivität der Versicherungsaufsicht. Mangels entsprechender Regelung soll z. B. die Buchführung einiger Versicherungsgesellschaften oft ungenau erfolgt sein, was Nachteile für die Versicherten mit sich gebracht haben soll.42 Mit der Zeit zeigte sich daher, dass das Décret vom 22. Januar 1868 geändert werden musste.43 Hieran schließt sich die Frage des Inhalts des Décret vom 22. Januar 1868. Das Décret vom 22. Januar 1868 enthielt nicht nur Gründungsvorschriften, sondern auch Vorschriften für den laufenden Geschäftsbetrieb.44 Einige Bestimmungen des Ge-

36

So auch Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 34. So Lyon-Caen/Renault (4. Aufl. 1908), Bd. 2, S. 607; Anthon (1937), S. 68; DoulouxFavard, Les sociétés anonymes en droit français, allemand et italien (1969), S. 5; Szramkiewicz (1989), S. 318; Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 361. 38 Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 684. 39 Anthon (1937), S. 68. 40 Blondel (1956), S. 6. 41 So auch Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 5. 42 Dieuzaide (1935), S. 7. 43 Dieuzaide (1935), S. 7. 44 Fourastié (1937), S. 21; Privat-Abouard (1906), S. 107. 37

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

setzes vom 24. Juli 1867, wie Regelungen des Garantiekapitals45 und die Pflicht, Gesellschaftsmittel in bestimmten französischen Werten anzulegen46, wurden in dem Décret verschärft. Darüber hinaus hielt es an der Abschaffung des régime d’autorisation fest.47 Das Décret vom 22. Januar 1868 war auf alle Versicherungen, die nicht Lebensversicherungen waren, also insbesondere auf See-, Feuer, Unfall-, Diebstahl-, Hagel-, Viehseuche- und Viehsterblichkeitsversicherung, anwendbar. Einige Risiken waren von dem Anwendungsbereich des Décret ohne jede Begründung nicht umfasst.48 Auf sociétés en commandite par actions waren die Regelungen nicht anwendbar. Diese unterstanden den allgemeinen Regelungen des Tit. 1 des Gesetzes vom 24. Juli 1867. Das Décret vom 22. Januar 1868 war die erste Regelung, die zwischen sociétés d’assurances à primes und sociétés d’assurances mutuelles differenzierte. Erstere waren unter Tit. 1, zweitere unter Tit. 2 geregelt. Tit. 1 des Décret vom 22. Januar 1868 indiziert, dass die sociétés d’assurances à primes in der Form der sociétés anonymes gegründet wurden.49 Die Vorschriften zur Gründung und zum Geschäftsbetrieb der sociétés anonymes d’assurances à primes ergaben sich aus den allgemeinen Vorschriften der sociétés anonymes und aus dem Décret vom 22. Januar 1868.50 Sofern sociétés d’assurances à primes in der Form der société en commandite gegründet wurden, galten vermutlich schlicht die Regeln des Tit. 1 des Gesetze vom 24. Juli 1867.51 Das Gesetz vom 24. Juli 1867 wird in der Literatur als „[…] milestone in the debate between prohibition and permission that had been going on for two centuries […]“ beschrieben.52 Dem ist zumindest mit Blick auf den Nicht-Lebensversicherungsbereich zuzustimmen, wurde doch für diesen das régime d’autorisation abgeschafft. Insoweit begann mit Erlass des Gesetztes vom 24. Juli 1867 aus aufsichtsrechtlicher Perspektive eine neue Phase.53 Ohne Zweifel spielte das Gesetz vom 24. Juli 1867 daher eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Aufsicht von Versicherungsunternehmen in Frankreich.54 Ob das Gesetz jedoch auch im Bezug auf das Aufsichtsmittel „surveillance“ (Überwachung) eine herausragende Bedeutung besaß, wie dies von Fourastié55 behauptet wird, muss die nachfolgende Analyse des Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 klären. Gleiches gilt für das Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 ergänzende Décret vom 22. Januar 1868. Dieses habe wesentliche 45

Vgl. Art. 2 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. Vgl. Art. 5 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. 47 Ogris (1988), Bd. 2, S. 27. 48 Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 703 f.; Privat-Abouard (1906), S. 107. 49 Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 704. So auch in der Literatur vertreten, vgl. D. II (S. 142 ff.). 50 Art. 1 Loi vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 248. 51 So Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 704. 52 Ruffat, Financial history review (2003), 191. 53 So auch Lefebvre-Teillard (1985), S. 419. 54 So auch Bakas-Tsirimonaki (1983), S. 5. 55 Fourastié (1937), S. 18. 46

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Auswirkung auf die weitere versicherungsaufsichtsrechtliche Gesetzgebung gehabt, wurde in diesem doch erstmals umfassend Vorschriften zur Gründung und zum laufenden Geschäftsbetrieb für Versicherungsunternehmen normiert.56 Das Décret vom 22. Januar 1868 habe daher bis zum Jahr 1938 die Grundlage der Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen gebildet.57 Darüber hinaus habe es als Vorlage für das Gesetz von 1938, das erste Versicherungsaufsichtsgesetz in Frankreich, gedient.58 Ob dem Recht zu geben ist, wird erst die nachfolgende Analyse der strikt getrennt zu behandelnden sociétés d’assurances non-vie und sociétés d’assurances vie ergeben. Die Beantwortung der Frage nach der Wirkung des Décrets für den weiteren Entwicklungsprozess der Versicherungsaufsicht und auf die spätere Gesetzgebung muss indes in diesem Kapitel zurückgestellt werden. Sie wird erst im nächsten Kapitel abschließend erfolgen können. Die hier vorgenommene Analyse bildet aber die Grundlage hierfür.

II. Sociétés d’assurances non-vie Die Vorschriften zur Gründung und zum laufenden Geschäftsbetrieb von sociétés d’assurances non-vie ergaben sich neben den Regelungen des Gesetzes vom 24. Juli 1867, aus dem Ausführungsdekret vom 22. Januar 1868.59 Die Aufsicht erfolgte im Interesse der Versicherten. Sie begann mit der Gründung und dauerte während des Geschäftsbetriebs an. Auch umfasste sie die Liquidation.60 Im Folgenden sollen entsprechend der Differenzierung des Décret vom 22. Januar 1868 die unterschiedlichen Vorschriften der Gründung und des Geschäftsbetriebs für die société anonyme d’assurance à primes und die société d’assurance mutuelle dargestellt werden. Dabei soll auch auf die von der Sekundärliteratur besonders hervorgehobene Schaffung von Kapitalausstattung- und -anlage eingegangen werden.61 1. Sociétés d’assurances à primes Im Folgenden soll nur auf die sociétés anonymes eingegangen werden und nicht auf die sociétés en commandite, lässt das Décret vom 22. Januar 1868 mangels entsprechender Regelung der sociétés en commandite doch vermuten, Versiche56 So Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248; Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171. 57 So Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171 f. Picard/Besson (2. Auf. 1965), Bd. 2, S. 14. 58 Kimball/Pfennigstorf (1968), S. 33. 59 Fourastié (1937), S. 21. 60 Hamel/Lagarde (1954), Bd. 1, S. 975. 61 Bühnemann in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 172.

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rungsgesellschaften seien allein i. F. d. der société anonyme gegründet worden. Sofern doch auch Versicherungsgesellschaften i. F. d. sociétés en commandite vorhanden waren, galten für diese vermutlich – wie bereits zuvor erwähnt – die Vorschriften des Tit. 1 des Gesetzes vom 24. Juli 1867.62 Zur wirksamen Gründung einer société d’assurance à primes fixe63 mussten die für die sociétés anonymes geschaffenen allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes vom 24. Juli 1867 wie auch die speziellen für die sociétés d’assurances anonymes geschaffenen Vorschriften des Décret vom 22. Januar 1868 eingehalten werden, wurde eine société d’assurance à primes fixes doch i. F. einer normalen société anonyme gegründet.64 Seit Erlass des Gesetzes vom 24. Juli 1867 konnte eine société anonyme entweder durch notarielle oder unter Beachtung besonderer Bestimmungen65 auch durch private Urkunde gegründet werden. Zur wirksamen Gründung einer société anonyme mussten sowohl das gesamte Grundkapital gezeichnet als auch mindestens ein Viertel des Betrags der gezeichneten Aktien von den Aktionären entrichtet worden sein.66 Der Mindestbetrag des Grundkapitals war in dem Gesetz vom 24. Juli 1867 nicht festgesetzt.67 Zur wirksamen Gründung einer société d’assurance à primes musste indes nach Art. 2 Décret vom 22. Januar 1868 ein sog. „capital de garantie“ (Garantiekapital) i. H. v. mindestens 50.000 fr. entrichtet werden.68 Die Rechtfolge der Nichteinhaltung dieser ersten Gründungsvoraussetzung war nicht gesetzlich geregelt. Das Gericht konnte in diesem Fall die Nichtigkeit der Gesellschaft verkünden, wie in dem Arrêt des Cour de Paris vom 4. April 1881 klargestellt wird.69 Nach Zahlung des capital de garantie musste vor dem Notar die Zeichnung des Grundkapitals und die von den Aktionären geleistete Zahlung von mind. einem Viertel der von diesen gezeichneten Aktien erklärt werden. Dieser Erklärung waren bestimmte Informationen beizufügen, aus welchen sich die Zeichnung und der 62

So Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 704. Zur Natur bereits in D. II (S. 142 ff.). 64 Art. 1 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. Houpin/ Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 708; Szramkiewicz (1989), S. 245. 65 Anstelle in zweifacher Ausführung, musste der Gesellschaftsvertrag in vierfacher Ausführung erfolgen. Eine musste am Sitz der Gesellschaft hinterlegt und eine der notariellen Erklärung beigefügt werden. Art. 24 i. V. m. Art. 1 Loi vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 248, 294. Die anderen beiden mussten jeweils beim Greffes du tribunal de commerce und dem Greffe de la justice de paix du lieu hinterlegt werden. Art. 55 Loi vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 320. Viteau, in: Ledru/Worms (1883), S. 749; Vellefrey (1875), S. 74. 66 Art. 24 i. V. m. Art. 1 Loi 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 248, 294. Bédarride (1871), Bd. 2, S. 5 f.; Privat-Abouard (1906), S. 109. 67 Privat-Abouard (1906), S. 109. 68 Art. 2 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. Houpin/ Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 705; Privat-Abouard (1906), S. 109. 69 Arrêt des Cour de Paris vom 4. April 1881, Journal du Palais (1881), S. 570 ff. Houpin/ Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 705; Privat-Abouard (1906), S. 110. 63

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Betrag der Zeichnung ergaben.70 Die erste Generalversammlung stellte die Zeichnung und Zahlung fest, ernannte die ersten „Administrateurs“ (Verwalter) und „Commissaires“ (Kommissare). Erst nachdem diese in der Generalversammlung angenommen wurden, war die Gesellschaft wirksam gegründet.71 Während des Geschäftsbetriebs waren die sociétés d’assurances à primes dazu angehalten, jährlich mindestens 20 % des Nettogewinns der Gesellschaft einzubehalten und hieraus einen „fonds de réserve“ (Reservefond) zu bilden. Entsprachen die Reserven bereits einem Fünftel des Kapitals, war dies fakultativ.72 Die Anlagemöglichkeiten des fonds de réserve waren in Art. 5 Décret vom 22. Januar 1868 und verschiedenen ergänzenden Décrets geregelt.73 Bei Anlage in einer nicht von Art. 5 vorgesehenen Form, haftete die Geschäftsführung.74 Es ist zu vermuten, dass diese strengen Regelungen die Erfüllung der Verbindlichkeiten sicherstellen sollten. Die Vorschriften des Gründungskapitals und der Reservenbildung dienten somit der Solvabilität der Versicherungsgesellschaft. Indes wurden in der Sekundärliteratur Zweifel an der Effektivität jener Solvabilitätsvorschriften laut.75 Beispiele dafür, dass der Versicherte wegen der Insolvenz des Versicherers Nachteile erfuhr, existieren dagegen kaum. Denn zur Erfüllung der Verpflichtungen war auch im Falle der Liquidation des Unternehmens stets ausreichend Kapital vorhanden, bestand doch die Pflicht, bei Verlust von drei Vierteln des Gründungskapitals erste Maßnahmen in Richtung der Auflösung des Unternehmens zu ergreifen.76 Neben Solvabilitätsvorschriften wurden Publizitätsvorschriften normiert. Publizitätsvorschriften für sociétés anonymes waren bereits im Gesetz vom 24. Juli 1867 enthalten. Das Décret vom 22. Januar 1868 schrieb darüber hinaus spezielle Publizitätsvorschriften für Versicherungsgesellschaften vor. Publizitätsvorschriften mussten bei Gründung wie auch während des Geschäftsbetriebs beachtet werden. Auch jede Änderung des Statuts der Gesellschaft oder der am Geschäftsbetrieb beteiligten Personen unterlag Publizitätsvorschriften.77

70

Art. 24 i. V. m. Art. 1 Loi vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 248, S 294. Viteau, in: Ledru/Worms (1883), S. 749. 71 Art. 25 Loi vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 294. 72 Art. 4 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. Eine ähnliche Regelung enthielt Art. 36 Loi 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 301 und Art. 19 Loi vom 23. Mai 1863, abgedruckt in: Duvergier (1863), S. 357. 73 Art. 5 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. Houpin/ Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 706 f. 74 Privat-Abouard (1906), S. 114. 75 So Dieuzaide (1935), S. 10. 76 Art. 37 Loi vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 301. LabraqueBordenave (1876), S. 37. 77 Privat-Abouard (1906), S. 114.

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Durch verschiedene, in Art. 6 Décret vom 22. Januar 1868 vorgeschriebene Angaben der Versicherungspolicen sollte Transparenz geschaffen und dadurch der Versicherten aufgeklärt und informiert werden.78 Zu diesen Angaben zählten z. B. die Höhe des Gründungskapitals oder der für ein einziges Risiko zu versichernde Maximalbetrag.79 Über den Zustand des Unternehmens konnte sich der Versicherte jederzeit informieren. Gegen Zahlung von 1 fr. besaß dieser das Recht einen Auszug über den Bestand des Unternehmens anzufordern. Hierdurch war der Versicherte in der Lage zu jeder Zeit selbst oder durch einen Vertreter am Sitz oder der Zweigstelle der société d’assurances à primes von dem Zustand des Unternehmens Kenntnis zu nehmen.80 Diese Regelung gab dem Versicherten somit weitreichendere Befugnisse als Art. 35 des Gesetzes vom 24. Juli 1867, nach welchem der Versicherte nur 15 Tage vor dem Treffen der Generalversammlung eine Kopie fordern konnte.81 Über den Zustand der Aktiva und Passiva der Gesellschaft informierte ein halbjährlicher Bericht. Zudem musste jährlich eine Inventarisierung vorgenommen werden. Der Zustandsbericht und die Inventarisierung waren zusammen mit den Bilanzen, sowie der Gewinn- und Verlustrechnung den Commissaires zur Verfügung zu stellen.82 Diese hatten jedes Jahr einen Bericht über den Zustand, die Bilanzen und die Rechnungen der Gesellschaft zu verfassen.83 Hierzu mussten oder durften die Commissaires die Bilanz und Rechnungen wie auch Bücher und Dokumente, aber auch die Geschäftstätigkeit und die Geschäftsführung untersuchen.84 Wahrscheinlich nannte man diese daher auch „Commissaires aux comptes“ oder „Commissaires de surveillance“. Die Überprüfung der Einhaltung der hier ausgeführten Vorschriften war den Aktionären überlassen. Die Überwachung wurde mithin durch die Aktionäre, also die Eigentümer selbst, vorgenommen. Sie wurden durch die Arbeit der Commissaires unterstützt.85 Die Tätigkeit der Commissaires bestand zum einen in der Überwachung der Administrateures, zum anderen in der Berichterstattung an die Generalversammlung.86 Die Arbeit der Commissaires wurde kritisch betrachtet. Sie wurde als „une atteinte à principe de direction“ (Angriff auf das Prinzip der Geschäftsführung) bezeichnet und mit der Tätigkeit eines „Commissaire de police“ (Polizeikommissares) verglichen. Tatsächlich stand den Commissaires lediglich das Recht zu die Generalversammlung einzuberufen, so dass ihre Eingriffsbefugnisse

78 79 80 81 82 83 84 85 86

Anthon (1937), S. 69. Art. 6 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. Art. 7 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 708. Art. 34 Loi vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 296. Art. 32 Loi vom 24. Juli 1867, abgedruckt in: Duvergier (1867), S. 300. Bédarride (1871), Bd. 2, S. 113. Hissung-Convert/Fournes-Dattin, in: Bensado/Praquin/Touchelay (2016), S. 361. Vellefrey (1875), S. 82.

II. Sociétés d’assurances non-vie

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gering waren.87 Neben den Commissaires soll die Regierung zur Überwachung sog. „Inspecteurs du gouvernement“ eingesetzt haben. Weil deren Tätigkeit ineffektiv gewesen sein soll, soll in dem Arrêt vom 14. Mai 1880 entschieden worden sein, dass die Richtigkeit von Zustandsberichten der Gesellschaft nicht von diesen zu überprüfen ist.88 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich der französische Gesetzgeber folglich für ein Aufsichtssystem entschieden, das aus Gründungsvorschriften und Bestimmungen für den Geschäftsbetrieb bestand. Solche Vorschriften werden in der deutschen Wissenschaft als „Normativbestimmungen“, das Aufsichtssystem daher als „Normativsystem“ oder „System der Normativbestimmungen“ bezeichnet.89 Die Überwachung erfolgte weitgehend durch die Eigentümer oder Versicherten. Ersteres wird in der französischen Wissenschaft auch „autocontrôle“ genannt und war für die sociétés mutuelles seit jeher gängig.90 Zur effektiven Aufsicht mussten daher Publizitätsvorschriften geschaffen werden. Diese waren inhaltlich umfangreicher als alle zuvor erlassenen Regelungen zur Schaffung von Publizität.91 In der deutschen Wissenschaft wird ein solches Aufsichtssystem auch Publizitätssystem genannt.92 2. Sociétés d’assurances mutuelles Die sociétés d’assurances mutuelles waren bei Erlass des Décret vom 22. Januar 1868 auf dem französischen Versicherungsmarkt stark vertreten. Gleichwohl waren Vorschriften der sociétés d’assurances mutuelles nicht kodifiziert. Insoweit ist nicht verwunderlich, dass das Décret vom 22. Januar 1868 überwiegend die sociétés d’assurances mutuelles regelten.93 Das Décret war in folgende Regelungseinheiten gegliedert: „De la constitution des sociétés et de leur objet“, „Administration des sociétés“, „De la formation de l’engagment social“, „Des charges sociales“, „Déclaration, estimation et paiement des sinstres“ und „Dispositions reltives à la publication des actes de société“ unterteilt. Hierunter befanden sich einige Regelungen, welche sich bereits während des régime d’autorisation als Praxis, so z. B. Publizitätsvorschriften, etabliert hatten. Anders als noch während des régime d’autorisation mussten nicht alle für die société d’assurance mutuelle geltenden Bestimmungen in den Statuten enthalten sein. Gleichwohl hatten die Statutenentwürfe spezielle, durch Décret bestimmte Angaben zu machen. Diese entsprachen teilweise Informationen, wie sie bereits 87

Bédarride (1871), Bd. 2, S. 113 ff. Viteau, in: Ledru/Worms (1883), S. 751. 89 A. II. 1 (S. 20 ff.). 90 Zu der autocontrôle siehe A. II. 2 (S. 25). Zu der gegenseitigen Überwachung innerhalb der sociétés mutuelles vgl. S. 137. 91 So auch Szramkiewicz (1989), S. 318. 92 A. II. 1 (S. 20 ff.). 93 Anthon (1937), S. 69. 88

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

während des régime d’autorisation in den Statuten enthalten waren.94 Die Statutenentwürfe mussten den Namen, den Gegenstand, die Dauer, den Sitz und den geographischen Geschäftsbereich enthalten. Überdies waren Risikotabellen und Tarife anzuführen. Die Anzahl der Mitglieder, der Mindestversicherungswert, zu welchem das Unternehmen wirksam gegründet werden konnte, wie auch die erste Beitragssumme, welche vor Gründung der Gesellschaft entrichtet werden musste, hatten festgesetzt zu werden.95 Der vollständige Text der Statutenentwürfe musste in jeder zur Mitgliedergewinnung vorgesehenen Liste aufgenommen werden.96 Die Gründungsmitglieder, folglich die Unterzeichnenden der Gründungsurkunde (notarielle Urkunde oder privatschriftliche Urkunde)97, erklärten vor dem Notar die Einhaltung dieser Gründungsvorschriften. Der Erklärung waren Angaben zu den Mitgliedern, dem Gründungsakt und der geleisteten Zahlung beizufügen.98 Die erste Generalversammlung prüfte die Richtigkeit der Erklärung. Zudem bestimmte diese die Mitglieder des ersten Conseil d’administration (Verwaltungsrat) und der Commissaires (Kommissare). Erst nachdem der Conseil d’administration und die Commissaires von der Generalversammlung angenommen wurden, war die Gesellschaft rechtskräftig gegründet.99 Diese Regelungen entsprachen mithin den Gründungsvorschriften der sociétés anonymes d’assurances à primes. Bei Gründung waren einige Publizitätsvorschriften zu beachten. Die notarielle Urkunde und deren Anhänge mussten bei dem Greffe de la justice de paix und bei dem Greffe du Tribunal civil, soweit ein solches am Sitz der Gesellschaft vorhanden war, hinterlegt werden.100 Ein Auszug des Gründungsakts und dessen Anhänge waren im Journal d’annonces légales zu veröffentlichen.101 Dieser Auszug hatte verschiedene Informationen zu enthalten. Hierzu zählten Angaben zu dem Namen und zu dem Sitz der société d’assurance mutuelle, zu den Geschäftsführern, zu den Namen der Mitglieder, zum Mindestversicherungsbetrag, zu Beginn und Ende der Versicherungsgeschäfte sowie zur Existenz eines fonds de réserve.102 Diese Publizitätsvorschriften mussten auch bei Änderung der Statuten, bei der Weiterführung über die im Statut festgesetzte Dauer und bei der Auflösung der société d’assurance mutuelle eingehalten werden.103 Indem das Décret vom 22. Januar 1868 allen Personen das Recht einräumte, von den Dokumenten, die bei den 94

So z. B. Angaben zur Dauer und zum Tätigkeitsbereich der Société d’assurance mutuelle. Vgl. S. 146 ff. 95 Art. 9 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 67. 96 Art. 10 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 67. 97 Art. 8 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 67. 98 Art. 11 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 67. 99 Art. 12 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 67. 100 Art. 38 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 66. 101 Art. 39 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 70. 102 Art. 40 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 70. 103 Art. 41 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 70.

II. Sociétés d’assurances non-vie

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Greffes de la justice de paix hinterlegt waren, Kenntnis zu nehmen und sich auf eigene Kosten einen Auszug hiervon zusenden zu lassen, konnte effektive Publizität geschaffen werden.104 Kenntnis über den Zustand der société d’assurance mutuelle erhielt der Versicherte durch jährliche Zustandsberichte, Inventarisierung sowie Einnahmen- und Ausgabenrechnung.105 Die Berichte über die Aktiva und Passiva, die Inventarisierung wie auch die detaillierte Abrechnung der Ausgaben, der Einnahmen und der Schadenshöhe der société d’assurance mutuelle mussten den Commissaires zur Verfügung gestellt werden, hatten diese doch der Generalversammlung jährlich Bericht über den Zustand, die Bilanz und die Rechnung zu erstatten.106 Zudem mussten diese der Generalversammlung präsentiert werden. Die Inventarisierung wie auch die Abrechnung war überdies dem Ministre de l’Agriculture, du Commerce et des Travaux publics (Minister der Landwirtschaft, des Handels und der öffentlichen Arbeiten) zuzuleiten.107 Es zeigt sich, dass die Interessen des Versicherten besonders geschützt werden sollten. Dem Versicherten wurden verschiedene Informationen zur Verfügung gestellt, welche einen Einblick in die Geschäftsinterna ermöglichten.108 Insbesondere wurden auch Angaben zur finanziellen Situation gemacht, so dass über die Solvenz des Unternehmens Auskunft gegeben werden konnte.109 Denn anders als bei den sociétés d’assurances à primes war die Bildung eines fonds de réserve fakultativ.110 Zwar hatte der Versicherte selbst keine Möglichkeit in die Geschäftstätigkeit der société d’assurance mutuelle einzugreifen. Doch konnte er alle fünf Jahre aus der société d’assurance mutuelle ausscheiden.111 Eine Aufsicht während des Geschäftsbetriebs war mithin wie seit jeher den Mitgliedern der Vereinigung überlassen. Effektive Eingriffsmöglichkeiten bestanden nicht. Insofern ähnelt das für die sociétés d’assurances mutuelles geschaffene Rechtssystem jenem der sociétés anonymes d’assurances à primes. 3. Zusammenfassung Die für die Aufsicht von sociétés d’assurances non-vie relevanten Regelungen können in Solvabilitäts- und Publizitätsvorschriften untergliedert werden. Das Ge104 Art. 42 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 70. Anthon (1937), S. 70. 105 Anthon (1937), S. 71. 106 Art. 21 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 68. Sie konnten zudem die Bücher und die Geschäfte der société d’assurance mutuelle prüfen. Art. 22 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 68. 107 Art. 23 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 68. 108 Anthon (1937), S. 72 f. 109 So z. B. Art. 29, Art. 31 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 69. 110 Art. 29 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 69. 111 Art. 25 Décret vom 22. Januar 1868, abgedruckt in: Duvergier (1868), S. 68.

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

setz vom 24. Juli 1867 wie auch das Décret vom 22. Januar 1868 hatten hierbei einige Regelungen, welche bereits die Statuten der Versicherungsgesellschaften während des régime d’autorisation enthielten und die vorangehende Aufsichtspraxis bildeten, übernommen. Hierzu zählen Vorschriften zum Gründungskapital, zur Reservenbildung, zur Unterschreitung eines bestimmten Kapitalbetrags wie auch zu Angaben in den Statuten und Policen und zu Zustandsberichten. Insofern hatte die Praxis die Gesetzgebung beeinflusst. Solvabililitäts- und Publizitätsvorschriften sollten die Aufsichtsmaßnahmen des régime d’autorisation, insbesondere die während des Genehmigungsverfahrens vorgenommene Prüfung des Conseil d’État, ersetzen. Weil die Überwachung während des laufenden Geschäftsbetriebs der Versicherungsgesellschaften nicht durch staatliche Organe durchgeführt wurde, sondern durch die Eigentümer bzw. Mitglieder wie auch durch die Versicherten selbst ausgeführt wurde, waren zur Bewertung des Zustands des Unternehmens interne Informationen notwendig. Den Zugang zu diesen Informationen stellten diverse Publizitätsvorschriften sicher. Unternehmensinterne Organe unterstützten die Eigentümer bei der Überwachung. Einige Vorschriften der Gründung und des Geschäftsbetriebs der sociétés anonymes d’assurances à primes und der sociétés d’assurances mutuelles waren inhaltlich ähnlich gestaltet, wie z. B. die Erklärungspflicht vor dem Notar. Grundsätzlich unterstanden beide Versicherungsformen damit einem ähnlichen Aufsichtssystem, ein Befund, der sich bereits bei der Untersuchung des régime d’autorisation ergab.

III. Sociétés d’assurances vie Wie im vorangehenden Kapitel gesehen erhielten ab der Zeit der Restauration auch sociétés d’assurances sur la vie die Genehmigung der Regierung. Gleichwohl vertrat ein Teil der Literatur weiterhin die Illegalität von Lebensversicherungen. Einem Verbot fehlte indes jegliche rechtliche Grundlage.112 Gleichwohl existierten in Frankreich bis zum Jahr 1875 nur wenige Lebensversicherungsgesellschaften.113 Für Lebensversicherungen und Tontinen sah das Gesetz vom 24. Juli 1867 keine rechtliche Änderung vor. Sie blieben den Regelungen des régime d’autorisation unterstellt.114 Die Genehmigungspflicht wurde aus mehreren Gründen beibehalten. Zum einen erfordert die Natur der Lebensversicherung eine besondere Beachtung.115 Die lebenslange Dauer des Vertragsverhältnisses bedurfte der Garantie der Solvenz 112 113 114

S. 12. 115

Vgl. Persil (1835), S. 366 f. Poujad (1905), S. 37. Poujad (1905), S. 35; Vautrin (1905), S. 95; Anthon (1937), S. 62; Lefort (2. Aufl. 1907), Rivière (1868), S. 408; Lefort (2. Aufl. 1907), S. 12; Fey (1885), S. 54.

III. Sociétés d’assurances vie

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des Unternehmens.116 Auch hatte der Versicherte in die komplexen Vorgänge eines Lebensversicherungsvertrags und in die internen Geschäfte der Lebensversicherungsgesellschaft keinen genauen Einblick.117 Zum anderen waren zahlreiche Lebensversicherungsgesellschaften wenig erfolgreich. Dies zeigte sich auch noch nach Erlass des Gesetzes. Die meisten, der sich bis 1854 neu gegründeten 22 sociétes d’assurances mutuelles sur la vie mussten wegen Entzugs der Genehmigung oder Misswirtschaft liquidiert werden. Zwischen 1879 und 1883 wurden 69 Versicherungsgesellschaften zahlungsunfähig.118 Insofern ist nicht verwunderlich, dass die Lebensversicherung aus aufsichtsrechtlicher Perspektive bereits vor Erlass des Gesetzes, aber auch noch später eine besondere Stellung einnahm.119 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Entwicklung der getrennten Versicherungsaufsicht für die verschiedenen Versicherungszweige bis zum Erlass des ersten Versicherungsaufsichtsgesetzes 1938.120 Die durch régime d’autorisation geschaffenen Aufsicht von Lebensversicherungsgesellschaften war jedoch ineffektiv.121 Eine Aufsicht während des Geschäftsbetriebs existierte, wie im vorangehenden Kapitel aufgezeigt, faktisch nicht. Der Text des Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 ist insoweit widersprüchlich: „[…] restent soumises […] à la surveillance du gouvernement“ (bleiben der Überwachung unterstellt).122 Indessen wurde eine „surveillance“ in früheren Regelungen zu keinem Zeitpunkt schriftlich fixiert.123 Allein der Arrêt vom 3. November 1787 hatte wörtlich von „surveillance“ gesprochen. Regelungen der konkreten Ausgestaltung fehlten indes.124 Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 legte nur das Prinzip, jedoch keine konkrete Ausgestaltung der Überwachung fest.125 Die Regelung des Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 war für eine Aufsichtsvorschrift folglich zu wenig detailliert. Andere Vorschriften, welche eine umfassende effektive Überwachung begründet hätten, fehlten.126 Insbesondere mangelte es an Regelungen, nach welchen Lebensversicherungsgesellschaften an staatliche Autoritäten Zustandsberichte zur Prüfung hätten vorlegen müssen.127 Auch fehlten Aufsichtsorgane und Sanktionsmöglich116

Vgl. Fey (1885), S. 54; Lefort (2. Aufl. 1907), S. 12. Lefort (2. Aufl. 1907), S. 12. 118 Vgl. DuPasquier, MVSV 1910, 188. 119 Siehe B. V. 2 (S. 76 ff.); F. III (S. 215 ff.). 120 So auch Kimball/Pfennistorf (1968), S. 32. 121 So auch festgestellt vom Ministre de l’Agriculture et du Commerce an die Conseils d’administaration im Lettre-circulaire vom 5. Juni 1875, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 314 f. 122 Art. 66 des Loi vom 24. Juli 1867, zitiert in: Pouilloux (2011), S. 684. 123 Poujad (1905), S. 36. 124 Siehe S. 107. 125 Vautrin (1905), S. 101. 126 Vgl. Wyler (1916), S. 94. 127 Richard (1956), S. 103. 117

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

keiten.128 Damit war die in Art. 66 angesprochene „surveillance“ rein theoretischer Natur.129 Vorhandene Vorschriften wurden, wie im vorangehenden Kapitel eingehend erläutert, schlicht nicht oder unzureichend umgesetzt. Eingereichte Dokumente wurden nicht überprüft.130 Maßnahmen der Aufsicht, die von der Verwaltung unternommen wurden, missglückten.131 Die Ineffektivität der Aufsicht führte in der Praxis dazu, dass Gesellschaften mit schlecht geprüfter Grundlage gegründet, der Geschäftsbetrieb ohne Einhaltung mathematischer und finanzieller Regelungen geführt und Mängel in der Buchführung vertuscht wurden. Die Gefährlichkeit mancher Geschäfte zeigte sich erst bei Scheitern der Gesellschaft.132 Eine effektive „surveillance“ bestand damit für Lebensversicherungsgesellschaften nicht.133 Da die Verwaltung im Jahr 1875 zahlreiche Anträge zur Genehmigung neuer Lebensversicherungsgesellschaften erhielt, Lebensversicherungsgesellschaften nach Genehmigungserteilung jedoch de facto frei existierten und keiner weiteren Aufsicht unterstellt waren, erkannte diese die Notwendigkeit der Einführung einer effektiven Überwachung.134 Mit dem Lettre-circulaire vom 5. Juni 1875, in welchem deutlich die Ineffektiv des früheren Aufsichtsregimes herausgestellt wurde, kündigte der Ministre de l’Agriculture et du Commerce an, alle Lebensversicherungsgesellschaften ungeachtet deren Gesellschaftsform einer der durch Ordonnance vom 12. Juni 1842 für Tontinen geschaffenen analogen Aufsicht zu unterwerfen.135 Bevor geklärt werden kann, ob eine solches Vorhaben überhaupt möglich war, müssen zunächst die durch Ordonnance vom 12. Juni 1842 geschaffenen Aufsichtsmaßnahmen untersucht werden. 1. Surveillance der Tontinen Die im vorangehenden Kapitel beschriebenen Missstände der Caisse Lafarge schufen Misstrauen unter der Bevölkerung. Daher wurden erst ab dem Jahr 1816 neue Tontinengeschäfte aufgenommen. Von drei Unternehmen besaß lediglich eines die Genehmigung der Regierung. Die Anwendbarkeit des Avis vom 25. März 1809 wurde daher in Frage gestellt. Seit dem Jahr 1833 kam es zu zahlreichen Gründungen von Tontineneinrichtungen, welche meist einen spekulativen Charakter besaßen. Spekulative Geschäfte und Misswirtschaft hatten deren Liquidation und erhebliche 128

Lefort (2. Aufl. 1907), S. 13. Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 14. 130 Lefort (2. Aufl. 1907), S. 13. 131 Poujad (1905), S. 356. 132 Vautrin (1905), S. 94 f. 133 So auch Vautrin (1905), S. 94, 101; Sumien, Traité (3. Aufl. 1931), S. 300; Poujad (1905), S. 356. A. A. Lefort (2. Aufl. 1907), S. 12. 134 Poujad (1905), S. 37. 135 Lettre-circulaire des Ministre de l’Agrigulture vom 5. Juni 1875, in: Pouilloux (2011), S. 314 f. 129

III. Sociétés d’assurances vie

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Verluste für die Sparer zur Folge. Zahlreiche Missbrauchsfälle waren in den 40er Jahren bekannt. Der Staat sah sich daher, nachdem er lange Zeit durch die Verstaatlichung der wichtigsten Anteilstontinen, der geringen Anzahl von Neugründungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts und der seit 1821 abweisenden Haltung gegenüber Tontinen keinen Handlungsbedarf erkannt hatte, zu regulierendem Eingreifen verpflichtet.136 Mit der Ordonnance royale vom 12. Juni 1842, veröffentlicht am 5. Juli 1842, sollte diesen Missständen abgeholfen und der Avis vom 29. März 1809 wieder in Kraft gesetzt werden. In Novellierung und Präzisierung des Décret vom 18. Novembers 1810 sollte überdies die staatliche Überwachung von Tontinengeschäften organisiert werden, welche einer speziellen Kommission übertragen wurde.137 Diese Kommission, auch „Commission de surveillance“ genannt, unterstand dem Ministre de l’Agriculture et du Commerce. Sie setzte sich aus fünf Mitgliedern, welche durch den Ministre de l’Agriculture et du Commerce ernannt und abberufen wurden, zusammen.138 Die Zahl der Commissaires wurde durch den Arrêt vom 26. Dezember 1848, veröffentlicht am 10. Januar 1849, auf neun Mitglieder erweitert.139 Die Commission de surveillance wurde durch einen Maitre des requêtes en service extraordinaire des Conseil d’État140 ernannt.141 Der Minister wies den fünf Commissaires jedes Jahr erneut die gemeinsame oder getrennte Überwachung der Unternehmen zu, wobei derselben Commissaire nicht länger als zwei Jahre dasselbe Unternehmen kontrollieren durfte.142 Das Gehalt war streng reglementiert.143 Die Überwachung sollte über einen durch die Ordonnance du Roi vom 2. Oktober 1842 eröffneten Rahmenkredit finanziert werden.144 Die Commission de surveillance besaß umfangreiche Eingriffsbefugnisse.145 Bei Verstößen gegen das Gesetz, das Statut, Verordnungen oder die öffentliche Ordnung konnte die Commission de surveillance disziplinarische Maßnahmen ergreifen.146 Die Aufgaben der Commission de surveillance werden in Art. 4 der Ordonnance vom 136

Vgl. DuPasquier, MVSV 191, 187 f.; Wyler (1990), S. 92. DuPasquier, MVSV 1910, 188; Wyler (1990), S. 92; Richard (1956), S. 102; Fey (1885), S. 62 f.; Vautrin (1905), S. 102; Poujad (1905), S. 36. 138 Art. 1, Art. 2 Ordonnance Royale vom 12. Juni 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 234. 139 Art. 1 Arrêté vom 26. Dezember 1848, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 242. 140 Hierbei handelt es sich um ein Organ des Conseil d’État, das an den Sitzungen und Diskussionen des Conseil d’Éat teilnimmt. Die weiteren Kompetenzen und Aufgaben sind in Malchus (1823), Bd. 3, S. 24 aufgeführt. 141 Art. 2 Ordonnance Royale vom 12. Juni 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 234. 142 Art. 3 Ordonnance Royale vom 12. Juni 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 234. 143 Art. 8 Ordonnance Royale vom 12. Juni 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 237. 144 Ordonnance du Roi vom 2. Okotber 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 239 f. 145 Fey (1885), S. 62 f. 146 Art. 5 Ordonnance Royale vom 12. Juni 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 237. 137

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

12. Juni 1842 festgesetzt. Die Commission de surveillance besaß das Recht, zur Überwachung Einsicht in Bücher, Register und alle sonstigen Dokumente zu nehmen. Sie hatte wöchentlich festzustellen, ob die in den Statuten vorgeschriebenen Formalitäten der Gründung, der Verwaltung und der Liquidation eingehalten wurden. Überdies musste mindestens einmal in der Woche der Zustand des Unternehmens, die Eintrittszahl, ausgeschüttete Beträge und die Anlagen in Staatsrenten festgehalten werden.147 Die Commission de surveillance hatte ihre bei der Überwachungstätigkeit gewonnnen Erkenntnisse dem Ministre secrétaire d’État de l’Agriculture et du Commerce zu übermitteln.148 Jedes Jahr musste darüber hinaus ein detaillierter Bericht erstellt und dem Ministre secrétaire d’État de l’Agriculture et du Commerce zugeleitet werden. Der Bericht fasste die überwachte Geschäftstätigkeit jedes Unternehmens zusammen.149 Dieser Jahresbericht wurde durch einen Finanzbericht an den Ministre de l’Agriculture et du Commerce durch Arrêt vom 26. Dezember 1848 ergänzt.150 Die Commission beschränkte ihre Tätigkeit mithin nicht nur auf eine Überwachung durch Prüfung halbjährlicher Zustandsberichte, sondern führte auch eine direkte Kontrollen durch, welche aus der Prüfung der Register und Rechnungsbücher sowie dem Eingreifen in den Geschäftsbetrieb bestand.151 Dieses Aufsichtssystem wurde durch Décret vom 24. Dezember 1850 verschärft. Neben den Commissaires wurden überdies 16 Inspecteurs de Finances (Finanzinspektoren) für 16 Tontinen eingesetzt. Deren Aufgabe bestand in der Prüfung der Buchführung und der Kassen. Über das Ergebnis ihrer Untersuchung waren Berichte zu verfassen. Diese Zustandsberichte musste an den Ministre du Commerce weitergeleitet werden. Er bildete zusammen mit dem Bericht der Commission die Grundlage der Bewertung der „moralischen“ und „finanziellen“ Verfassung des Unternehmens.152 Was hier konkret unter dem „moralischen“ Gesichtspunkt zu verstehen ist, ist unklar. In der modernen Wissenschaft wird die „ordre morale“ (sittliche Ordnung) im Zusammenhang mit der moralischen Verfassung des Geschäftsführers erörtert, welche, weil dieser durch riskante Geschäfte oä. die finanzielle Situation des Unternehmens gefährden kann, zum Schutz des finanziellen Zustands des Versicherungsunternehmens zu überwachen ist.153 Ähnliches könnte auch hier gemeint sein.

147 Art. 4 Ordonnance Royale vom 12. Juni 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 234. Vgl. auch Poujad (1905), S. 36. 148 Art. 5, Art. 6 Ordonnance Royale vom 12. Juni 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 237. 149 Art. 7 Ordonnance Royale vom 12. Juni 1842, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 237. 150 Art. 3 Arrêté vom 26. Dezember 1848, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 242. 151 Richard (1956), S. 102; Chaufton (1884), Bd. 1, S. 687. 152 Pouilloux (2011), S. 113. 153 Bellando in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 237.

III. Sociétés d’assurances vie

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Anders als die Berichte suggerieren, soll die Untersuchung bis zum Jahr 1854 nur punktuell erfolgt sein.154 Erst durch Décret vom 16. Januar 1854, veröffentlicht am 9. Februar 1854, wurde eine dauerhafte Finanzprüfung eingerichtet. Die Finanzinspektoren, welche dieselben Befugnisse wie die Commissaires inne hatten, führten die Finanzprüfung durch.155 Der Bericht ihrer Prüfung musste dem Ministre de Finances übermittelt werden, welcher diesen an den Ministre de l’Agriculture du Commerce et des Travaux Publics weiterleitete.156 Die im Jahr 1842 eingeführte Commission blieb theoretisch bestehen. Sie versuchte Missbräuchen durch verschiedene Reformbemühungen entgegenzuwirken.157 Das in diesem Abschnitt beschriebene Aufsichtssystem blieb bis zum Erlass des Gesetzes vom 17. März 1905 in Kraft. Weil das Gesetzes vom 17. März 1905 die erstmals durch Ordonnance vom 12. Juni 1842 eingeführten Commissaires auch für Lebensversicherungsgesellschaften gesetzlich vorschrieb, soll dieses im nachfolgenden Kapitel näher untersucht werden.158 2. Surveillance der Lebensversicherung Die Ordonnance vom 12. Juni 1842 hatte nicht nur Bedeutung für die spätere Gesetzgebung. Wie eingangs erläutert stellte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Frage der Anwendbarkeit der Ordonnance vom 12. Juni 1842 auf Lebensversicherungsgesellschaften. In einem Lettre-Circulaire vom 5. Juni 1875 kündigte der Ministre de l’Agriculture et du Commerce den Geschäftsführern von zwölf Lebensversicherungsgesellschaften an, diese einer staatlichen Aufsicht zu unterwerfen. Das in dem LettreCirculaire beschriebene Aufsichtssystem entsprach jenem der Tontine. Diese Assimilierung basierte indes auf der fehlerhaften Interpretation des Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 wie auch auf Unklarheiten über den Charakter von Tontinen159 und anderen Versicherungsgeschäften. Nach der Interpretation des Ministre de l’Agriculture et du Commerce räumte Art. 66 das Recht ein, eine strengere Überwachung einzuführen. Weil der Minister die Natur von Tontine und Lebensversicherungsgesellschaft, sei es in Form der société d’assurance mutuelle oder société d’assurance à primes, für vergleichbar hielt, war eine analoge Anwendung der Ordonnance vom 12. Juni 1842 aus seiner Sicht gerechtfertigt.160 Allerdings zeigten mehrere Unter154

Pouilloux (2011), S. 113. Art. 1 Décret vom 16. Januar 1854, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 243. Pouilloux (2011), S. 113. 156 Art. 2 Décret vom 16. Januar 1854, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 243. Pouilloux (2011), S. 113; Wyler (1990), S. 92 f. 157 Wyler (1990), S. 93. 158 F. III (S. 215 ff.). 159 Vgl. die Erörterung zur Natur der Tontine S. 84. 160 Lettre-circulaire des Ministre de l’Agriculture et du Commerce vom 5. Juni 1875, in: Pouilloux (2011), S. 314. Chaufton (1884), Bd. 1, S. 691; Poujad (1905), S. 38. 155

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

suchungen und Entscheidungen auf, dass der Ministre de l’Agriculture et du Commerce mit seiner Einschätzung falsch lag. Sechs der wichtigsten Lebensversicherungsgesellschaften zeigten sich mit der Regelung des Lettre-Circulaire vom 5. Juni 1875 unzufrieden.161 Durch eine Dépêche vom 8. August 1875 räumte der Minister ein, dass die Organisation der Überwachung nicht durch ein Décret geregelt werden könne. Im Januar 1876 wurde die Section des Travaux public, de l’Agriculture et du Commerce des Conseil d’État deswegen mit einem Projekt zur Schaffung einer öffentlichen Verwaltungsvorschrift beauftragt. Diese Vorschrift sollte in 14 Artikeln die gesamte Überwachung der Geschäfte der Lebensversicherungsgesellschaften regeln.162 Die Section lehnte das Projekt durch Avis vom 13. März 1877 ab.163 Die vorgesehene Aufsicht könne nicht eingerichtet werden, ohne die Grenzen des Rechts – gemeint waren die allgemeinen Vorschriften der sociétés anonymes und die spezifischen Décrets d’autorisation – zu überschreiten. Indes empfahl der Conseil d’État die Ausweitung der Überwachung durch Gesetz zu regeln.164 Trotz dieses Avis versuchte der Ministre de l’Agriculture et du Commerce die Überwachung durch einfache Arrêtés einzuführen. In einem Brief an alle Lebensversicherungsgesellschaften vom 15. Mai 1877 sprach sich der Ministre de l’Agriculture et du Commerce erneut für die Einführung einer gemeinsamen Aufsicht von Tontinen und Lebensversicherungen aus. Die hierin beschriebene Aufsicht sah im Wesentlichen zwei Maßnahmen vor. Zum einen waren halbjährliche Zustandsberichte nach den vom Minister vorgegebenen Modellen zu erstellen. Zum anderen musste eine Commission de Surveillance die Einhaltung der in den Statuten normierten Vorschriften kontrollieren. Die Kosten der Aufsicht sollten dem Unternehmen auferlegt werden.165 Am 29. Juni 1877 wurden schließlich zwei Arrêtés des Ministre de l’Agriculture et du Commerce erlassen, in welchen eine Commission eingesetzt, Commissaires ernannt, Aufgaben definiert und die Commissaires auf die zu überwachenden Unternehmen verteilt wurden.166 Die Commissaires sollten Berichte über die zu überwachenden Unternehmen verfassen. Ihre Stellungnahme musste dem Ministre de l’Agriculture et du Commerce zugeleitet werden. Directeurs und administrateurs der Unternehmen sollten angehört und über die Beobachtungen unterrichtet werden.167 161

Chaufton (1884), Bd. 1, S. 691; Poujad (1905), S. 38. Chaufton (1884), Bd. 1, S. 692. 163 Avis des Conseil d’État vom 13. März 1877, zitiert in: Chaufton (1884), Bd. 1, S. 697. Chaufton (1884), Bd. 1, S. 692. 164 Avis des Conseil d’État vom 13. März 1877, zitiert in: Chaufton (1884), Bd. 1, S. 693 ff. Siehe auch Anthon (1937), S. 62. 165 Lettre des Minstre de l’Agriculture et du Commerce vom 15. Mai 1877, in: Pouilloux (2011), S. 315 f. Vautrin (1905), S. 102. Vgl. auch Pouilloux (2011), S. 285; Kummer, Zeitschrift für Schweizerische Statistik 1883, 32; Wyler (1916), S. 94. 166 Arrêtés des Ministre de l’Agriculture et du Commerce vom 29. Juni 1877, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 316 ff. Pouilloux (2011), S. 285; Anthon (1937), S. 64. 167 Art. 4 des Premier Arrêté vom 29. Juni 1877, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 317. 162

III. Sociétés d’assurances vie

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Zudem musste jährlich dem Minister über die Aufsicht im Allgemeinen berichtet werden.168 Inhaltlich entsprachen diese Regelungen damit weitestgehend jenen der Ordonnance vom 12. Juni 1842.169 Gegen die Regelungen der Arrêtés vom 29. Juni 1877 formierte sich teilweise Widerstand, hierunter die einflussreichsten Lebensversicherungsgesellschaften, wie die Générale, Nationale, Union, Soleil und Urbaine.170 Gomel, der Commissaire du gouvernement (Regierungskommissar), zeigte auf, dass die Kritik an der beabsichtigten Einführung einer strengen Aufsicht nicht unberechtigt war. Wie der Wortlaut des Art. 66 indiziert, wollte der Gesetzgeber das für die Lebensversicherungsgesellschaften geschaffene Aufsichtssystem des Art. 37 Code de Commerce (1807) nicht ändern. Der Minister handelte mit Einführung einer strengeren Aufsicht durch Arrêté vom 15. Mai 1877 mithin gegen den Willen des Gesetzgebers.171 Die Arrêtés gingen über die durch régime d’autorisation geschaffene Aufsicht, im Wesentlichen die Prüfung des Projekts durch verschiedene staatliche Organe vor Genehmigungserteilung, hinaus. Hierfür fehlte jede rechtliche Grundlage.172 Die Arrêtés waren somit formell und materiell zu weitreichend. Der These Gomels schloss sich der Conseil d’État an. Die Arrêtés vom 29. Juni 1877 wurden durch die Conclusion vom 7. Mai 1880 und die Décisions des Conseil d’État vom 14. Mai 1880 aufgehoben.173 Beibehalten werden sollte jedoch die Pflicht, einen Zustandsbericht einzureichen.174 Dies wurde wie folgt begründet: [S]’il appartient au Ministre de l’agriculture et du commerce de prendre des mesures propres à garantir la surveillance imoposée aux Compagnies d’assurances sur la vie, aucune disposition de la loi n’a attribué au dit ministre compétence pour modifier la nature de cette surveillance. […] Les document dont la remise a été prescrite par la décision ministérielle du 15 mai 1877 ne sont autres que les éléments d’un état de situation […] par suite, le Minstre a pu, sans excéder ses pouvoirs, en exiger la production suivant le modèles donnés par lui; Mais […] il ne rentrait pas dans les pouvoirs dudit Ministre d’organiser un contrôle exercé par des agents de surveillance au moyen de la vérification directe des comptes et opérations […].175 Obwohl dem Ministre de l’Agriculture et du Commerce das Recht gegeben wurde, Lebensversicherungsgesellschaften Maßnahmen zur Sicherstellung der Überwachung auf-

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Art. 5 des Premier Arrêté vom 29. Juni 1877, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 317. Chaufton (1884), Bd. 1, S. 702. 170 Vautrin (1905), S. 104; Anthon (1937), S. 65, Fn. 30. 171 Gomels Beobachtungen, zitiert in: Anthon (1937), S. 65 f.; Angel/Courcy (1885), S. 213. 172 Fey (1885), S. 64 f. 173 Conseil d’État vom 7. Mai 1880, in: Pouilloux (2011), S. 318 ff.; Art. 1, Art. 2 Cinq décisions des Conseil d’État vom 14. Mai 1880, in: Pouilloux (2011), S. 327 f. 174 Art. 1 Cinq des Conseil d’État vom 14. Mai 1880, in: Pouilloux (2011), S. 327. Pouilloux (2011), S. 285 f.; Wyler (1916), S. 94; Kummer, Zeitschrift für Schweizerische Statistik 1883, 32; Anthon (1937), S. 66. 175 Cinq décisions des Conseil d’État vom 14. Mai 1880, in: Pouilloux (2011), S. 327. 169

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

zuerlegen, gab kein Gesetz diesem Minister das Recht, die Natur dieser Überwachung zu ändern. Die Dokumente, deren Übergabe durch die Entscheidung des Ministers am 15. Mai 1877 vorgeschrieben waren, stellen nichts Anderes als Informationen zum Zustand dar. Der Minister konnte daher ohne Überschreitung seiner Befugnisse die Erstellung der Zustandsberichte nach seinen Modellen verlangen. In seinen Zuständigkeitsbereich fiel jedoch nicht die Einrichtung einer Aufsicht durch Überwachungspersonen im Wege der direkten Überprüfung der Konten und Geschäfte.

Weil die öffentliche Verwaltung mithin nicht die Art der Überwachung für bereits bestehende Unternehmen durch Entscheidung des Ministers ändern konnte, verblieb als einzige Möglichkeit bei Gründung neuer Unternehmen Vorschriften der Überwachung und der Publizität in den Genehmigungsakten, die Décrets d’autorisation, aufzunehmen.176 Diese Praxis führte zur uneinheitlichen und ungleichen Behandlung von bereits bestehenden und neu gegründeten Lebensversicherungsgesellschaften.177 Die Aufsicht von Lebensversicherungsgesellschaften erschöpfte sich somit in der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften der Statuten und der in den Genehmigungsakten enthaltenen Gründungskonditionen wie auch der von den Unternehmen vorbereiteten und einer geeigneten Behörde vorgelegten halbjährlichen Berichterstattung.178 Dieses Ergebnis ist dahingehend einzuschränken, dass die Ordonnance royale vom 12. Juni 1842 auch auf die sociétés d’assurances mutuelles sur la vie anzuwenden war, sich insofern eine unterschiedliche Aufsicht von sociétés d’assurances à primes fixes sur la vie und sociétés d’assurances mutuelles sur la vie ergab.179 Ausdrücklich waren die sociétés d’assurances mutuelles sur la vie in der Ordonnance nicht erwähnt worden. Die analoge Anwendung wurde im Arrêté ministeriel vom 12. November 1883 dargelegt. Dieser bezieht sich auf einen Avis des Conseil d’État vom 13. März 1877, in welchem die differenzierte Behandlung von sociétés mutuelles und sociétés à primes fixes nahegelegt wird. Auch der Avis des Conseil d’État vom 23. und 29. Dezember 1880 sprach sich ausdrücklich für die bezweckte Geltung der Ordonnance vom 12. Juni 1842 aus. Dies wurde mit der Assimilierung von Tontine und sociétés d’assurances mutuelles begründet. Dass diese faktisch ebenso wenig wie für die société d’assurances à primes fixes bestand, kritisiert Privat-Abouard.180 Ab dem Jahr 1883 waren sociétés d’assurances mutuelles sur la vie damit der durch Avis vom 12. Juni 1842 geschaffene surveillance unterstellt. Sociétés d’assurances mutuelles sur la vie wurden fortan durch eine sog. „Commission de surveillance des sociétés et agences tontinières“ beaufsichtigt. Deren Mitglieder wurden 176 177 178 179 180

Anthon (1937), S. 66; Poujad (1905), S. 41. So auch Anthon (1937), S. 66. Vautrin (1905), S. 105. So Anthon (1937), S. 67; Privat-Aubouard (1906), S. 147, 149. Privat-Aubouard (1906), S. 147 ff.

III. Sociétés d’assurances vie

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durch den Ministre du Commerce ernannt und zur Überwachung bestimmte Gesellschaften eingesetzt. Am Sitz der société d’assurance mutuelle prüften diese, soweit notwendig, die verschiedenen Geschäftsbücher auf deren Vorschriftsmäßigkeit. Die Commission konnte der Generalversammlung beiwohnen. Die Ergebnisse ihrer Aufsicht wurden in Berichten den überwachten Gesellschaften übergeben. Sie bildeten die Grundlage für den jährlichen Zustandsbericht, den die sociétés mutuelles über ihre Geschäftstätigkeit zu erstellen hatten.181 Die sociétés d’assurances mutuelles sur la vie unterstanden damit zumindest ab dem Jahr 1883 einer strengeren Aufsicht als die sociétés d’assurances à primes sur la vie. Zwar bestand grundsätzlich auch im régime d’autorisation die Möglichkeit der Aufsicht des laufenden Geschäftsbetriebs durch Widerruf der Genehmigung, doch wurden die als Grundlage der Widerrufsentscheidung heranzuziehenden halbjährlichen Zustandsberichte nicht in gewünschter Form oder einfach gar nicht erstellt. Dies zeigen die Beispiele der Crédit viager und der Caisse des Familles, welche in Insolvenz gerieten.182 Ob die sociétés d’assurances mutuelles sur la vie unter die Anwendbarkeit der Ordonnance royale vom 12. Juni 1842 tatsächlich fielen, ist unklar. Ausdrücklich werden diese nicht erwähnt. Am Ende bleibt dies vermutlich eine reine Definitionsfrage, wie bereits erläutert wurde.183 In jedem Fall stellte der Commissaire du Gouvernement in seiner Conclusion und der Décision abschließend fest, dass das Gesetz vom 24. Juli 1867 nur als Bestätigung des alten Aufsichtssystems, nicht jedoch als Neuerung im Bereich der Aufsicht von Lebensversicherungsgesellschaften gesehen werden.184 Mit der Entscheidung des Conseil d’Etat kam es in der folgenden Zeit zu Missständen, was die Abwanderung der Versicherten zu ausländischen Versicherungsgesellschaften zur Folge hatte. Daher begannen erneut Reformbemühungen.185 3. Zusammenfassung Bis zum Jahr 1905 bedurften alle französischen Lebensversicherungsgesellschaften der Genehmigung durch die Regierung. Ab dem Jahr 1883 war die Aufsicht während des Geschäftsbetriebs abhängig von der Form der Versicherungsgesellschaft. Für sociétés d’assurances mutuelles galt dasselbe Aufsichtssystem wie für die Tontinen. Für die sociétés d’assurances à primes galt hingegen das im vorangehenden Kapitel beschriebene régime d’autorisation. Eine analoge Anwendung der Ordonnance vom 12. Juni 1842 auf diese war nämlich nicht möglich. Das Aufsichtssystem für die Lebensversicherungsgesellschaften i. F. d. sociétés d’assurances à primes war 181

Anthon (1937), S. 67; Privat-Aubouard (1906), S. 149. Ménard (1908), S. 138 f. 183 Vgl. S. 84. 184 Gomels Beobachtungen, zitiert in: Anthon (1937), S. 65. Vgl. Pouilloux (2011), S. 285; Vautrin (1905), S. 105. 185 Ogris (1988), Bd. 2, S. 27. 182

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E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

damit wenig effektiv als jenes der Lebensversicherungsgesellschaften i. F. d. sociétés d’assurances mutuelles.

IV. Ausländische Versicherungsunternehmen Das Gesetz vom 24. Juni 1867 hatte das im vorangehenden Kapitel untersuchte Gesetz vom 30. Mai 1857 nicht abgeschafft. Wegen der durch das Gesetz vom 30. Mai 1857 geschaffenen Situation kam es insbesondere im Zweig der Lebensversicherung in den Folgejahren zu einer bedeutenden Privilegierung ausländischer Unternehmen. Französische Lebensversicherungsgesellschaften unterstanden seit Einführung des Gesetzes vom 24. Juni 1867 der Genehmigungspflicht und zumindest de jure auch der Überwachung durch die Regierung.186 Ausländische Unternehmen wurden in diesem Gesetz hingegen nicht geregelt. Mithin bestand für diese keine Aufsicht.187 Diesen Umstand nutzte z. B. die Versicherungsgesellschaft Lion aus, welche in Anbetracht der strengen Vorschriften und zum Zwecke deren Umgehung im Jahr 1880 in England gegründet wurde.188 Daher wurden bald Forderungen laut, auch ausländische Unternehmen der Genehmigungspflicht und Überwachung zu unterstellen. Andere lehnten dies aufgrund fehlender Effektivität dieses Aufsichtssystems ab. Auch das Parlament und das Tribunal befassten sich mit der Ungleichbehandlung nationaler und ausländischer Lebensversicherungsunternehmen.189 Eine gesetzliche Änderung erfolgte hingegen erst Ende des 19. Jahrhunderts.

V. Système réglementaire und régime d’autorisation et de la surveillance Die nähere Untersuchung der sociétés d’assurance non-vie und sociétés d’assurance vie konnte den in Art. 66 Gesetz vom 24. Juni 1867 angelegten zweigliedrigen Charakter der Versicherungsaufsicht noch einmal deutlich darlegen. Trotz der verschiedenen anwendbaren Regelungen und der diesen geschuldeten Komplexität, kann die Versicherungsaufsicht der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vereinfacht folgend dargestellt werden: 1. Für assurances vie blieb das régime d’autorisation bestehen. Damit beinhaltete die Versicherungsaufsicht sociétés d’assurances vie die „autorisation“ und zumindest für die sociétés d’assurances mutuelles ab dem Jahr 1883 auch die „surveillance“. Dies erklärt die Bezeichnung „système d’autorisation et de la surveillance“/„régime d’autorisation et de la sur186 187

S. 51. 188 189

Vgl. Dupré (1909), S. 26 f. Angel/Corny (1885), S. 229; Sumien, Traité (3. Aufl. 1931), S. 300; Poujad (1905), Angel/Corny (1885), S. 229. Dupré (1909), S. 28.

V. Système réglementaire und régime d’autorisation

201

veillance“.190 2. Für assurances non-vie wurde das régime d’autorisation abgeschafft und ein neues aus Solvabilitäts- und Publizitätsvorschriften bestehendes Aufsichtssystem eingeführt.191 Dieses kann als „système réglementaire“ umschrieben werden.192 Beide Systeme waren mithin ungleich ausgestaltet. Die Aufsicht der sociétés d’assurances vie gestaltete sich mangels faktischer surveillance wesentlich weniger effektiv als die Aufsicht der sociétés d’assurances non-vie.193 Dieses Ergebnis ist ab dem Jahr 1883 auf die sociétés d’assurances à primes sur la vie einzuschränken, war die durch Ordonnance royale vom 12. Juni 1842 für Tontinen eingeführte surveillance doch auf sociétés d’assurances mutuelles sur la vie analog anwendbar, wie der Arrêté ministeriel vom 12. November 1883 deutlich machte. Dass die geringere Effektivität der Aufsicht der sociétés d’assurances vie in klarem Widerspruch zu der seit jeher als gefährlich erachteten Natur des Lebensversicherungsvertrags steht, kann nach der vorangeschrittenen Untersuchung dieser Arbeit klar behauptet werden. Aber auch die Aufsicht der sociétés d’assurances non-vie war wenig effektiv. Eine Überwachung der Einhaltung der Gründungsvoraussetzungen fand nicht statt. Die Gründung musste auch nicht öffentlich erklärt werden. Regelungen waren zudem wenig präzise und verständlich.194 Die Ineffektivität ändert indes nichts an der Tatsache, dass das Décret vom 22. Januar 1868, folgt man der Definition von Fourastié, die surveillance sei eine „verifications effectuées au siège social“ (Prüfung am Geschäftssitz), fortan die Rechtsgrundlage der weiteren surveillance bildete.195 Freilich ist die Einordnung der entsprechenden Regelungen des Décrets vom 22. Januar 1868 als solche der „surveillance“ reine Defintionsfrage. Diese Problematik kennt man bereits aus der Einführung im Hinblick auf den Begriff „contrôle“.196 Gleich dem Begriff „contrôle“ war der Begriff „surveillance“ nicht legaldefiniert. Insofern bestehen zwischen beiden auch Abgrenzungsschwierigkeiten.197 Das erste Mal fand die surveillance ausdrücklich im Arrêt vom 3. November 1787 Erwähnung.198 Nach Ruffat stammt der Begriff indes aus der Unternehmensführung. Er wurde für die Aufsicht der Gesellschafter- und Aktionärsversammlung verwendet.199 In dieser Arbeit bereits angesprochen waren die Commissaires de surveillance.200 Unabhängig von der Definition der surveillance und damit der 190

So Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1969), S. 856. Chaufton (1884), Bd. 1, S. 683; Vautrin (1905), S. 94; Ogris (1988), Bd. 2, S. 27. 192 So Ducouloux-Favard, Revue internationale de droit comparé (1969), S. 856. 193 So auch Anthon (1937), S. 73. 194 Ruffat, Financial history review (2003), 195. 195 Fourastié (1937), S. 19. 196 Siehe A. II. 2 (S. 23ff.). 197 Ruffat, Financial history review (2003), 195. Einen Abgrenzungsversuch nimmt Fourastié (1937), S. 18 ff. vor. 198 Siehe S. 107. 199 Ruffat, Financial history review (2003), 195. 200 Siehe S. 154. 191

202

E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

Einordnung der durch das Décret vom 22. Januar 1868 geschaffenen Regelungen als Vorschriften der surveillance, steht nach der Analyse der sociétés d’assurances vie die Erkenntnis, dass eine surveillance durch Art. 66 Gesetz vom 24. Juni 1867 vielleicht de jure festgeschrieben, jedoch sicher nicht de facto eingeführt wurde. Die Wurzel der surveillance liegt, wie im ersten Kapitel festgestellt wurde, überdies im Ancien Régime, genauer in den Genehmigungsakten der ersten Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaft verankert.201 Konkreter regelte Art. 66 Gesetz vom 24. Juni 1867 die surveillance auch nicht. Diese Ergebnisse fügen sich daher nur eingeschränkt in den beschriebenen Forschungsstand. Das Kapitel schließt daher mit dem Ergebnis, dass sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine von dem Versicherungszweig abhängige zweigliedrige Versicherungsaufsicht gebildet hatte. Weil ein gesondertes Aufsichtssystem für ausländische Versicherungsunternehmen nicht bestand – unterlagen diese doch keinerlei Eingriffen durch den französischen Staat – muss der Befund nicht wegen ausländischer Versicherungsgesellschaften angepasst werden. Es blieb bei einer Aufsicht von ausschließlich inländischen Versicherungsgesellschaften.

201

B. VI, VII (S. 110, 111).

VI. Zusammenfassung

203

VI. Zusammenfassung Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von der Wissenschaft und der Gesetzgebung intensiv die Rolle des Staates im Versicherungswesen diskutiert. Während des régime d’autoritaire stand insbesondere die Verstaatlichung des Versicherungswesens zum Diskurs. Verschiedene Projekte zur Umsetzung eines Versicherungsstaatsmonopols wurden unternommen, scheiterten jedoch. Die Diskussion um die Verstaatlichung des Versicherungswesens endete mit Einführung des Loi sur les sociétés vom 24. Juli 1867. Das Gesetz war Ausfluss der politisch wie wirtschaftlich liberalen Phase. Es war der letzte Schritt in dem sukzessiven Abschaffungsprozess des régime d’autorisation. Nicht-Lebensversicherungsgesellschaften konnten nach Art. 66 ihre Geschäfte fortan ohne Genehmigung betreiben, mussten jedoch bestimmte Bestimmungen bei Gründung und während des Geschäftsbetriebs beachten. Tontinen und Lebensversicherungen blieben hingegen der Genehmigungspflicht unterstellt. Der Staat hatte sich mithin gegen die staatliche Übernahme und für die Regulierung des privaten Versicherungswesens entschieden. Das Gesetz vom 24. Juli 1867 war die erste Gesetzgebung, welche versicherungsaufsichtsrechtliche Regelungen enthielt. Es blieb jedoch dabei, dass versicherungsaufsichtsrechtliche Regelungen in die Gesellschaftsrechtsgesetzgebung integriert waren. Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 nahm eine aufsichtsrechtliche Zweiteilung in assurance vie und assurance non-vie vor. Insofern war die Anwendbarkeit von Regelungen versicherungsaufsichtsrechtlicher Natur nun abhängig von dem Versicherungszweig und nicht mehr nur allein von der Versicherungsform. Die Differenzierung anhand der Versicherungssparte kennt man auch in modernen Rechtsordnungen. Für die sociétés d’assurances non-vie galten das Gesetz vom 24. Juli 1867 und das ergänzende Décret vom 22. Januar 1868. Die versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften unterschieden zwischen sociétés d’assurances à primes fixes und sociétés d’assurances mutuelles. Letztere waren nicht im Gesetz vom 24. Juli 1867 geregelt. Diese wurden erstmals in dem Décret vom 22. Januar 1868 geregelt. Das Décret vom 22. Januar 1868 enthielt für alle sociétés d’assurances non-vie versicherungsaufsichtsrechtliche Vorschriften. Diese können grob in Solvabiltiäts- und Publizitätsvorschriften untergliedert werden. Sie dienten als Ersatz der contrôle a priori, die ja gerade für die sociétés d’assurances non-vie durch Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 abgeschafft worden war. Für die sociétés d’assurances vie wurde das régime d’autorisation hingegen beibehalten. Das aus vorangehendem Kapitel bekannte Aufsichtssystem erfuhr auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine inhaltliche Änderung, war doch die Ordonnance vom 12. Juni 1842 nicht allgemein auf sociétés d’assurances vie anwendbar. Nur die sociétés d’assurances mutuelles sur la vie wurden einer Aufsicht analog der Tontinen unterstellt (Arrêté ministeriel vom 12. November 1883). Anders als der Wortlaut des Art. 66 vermuten lässt, waren sociétés d’assurances à primes sur la vie daher de facto keiner surveillance unterstellt. Bei Neugründungen von sociétés

204

E. Die zweigliedrige Versicherungsaufsicht

d’assurances à primes sur la vie wurden Aufsichtsmaßnahmen in die ordonnance d’autorisation aufgenommen. Dies führte zu einer unterschiedlichen Aufsicht innerhalb der sociétés d’assurances à primes sur la vie für bereits bestehende und neu gegründete Unternehmen. Diese Ungleichheiten machten deutlich, dass der Gesetzgeber erneut zur Vereinheitlichung der Aufsicht über assurances sur la vie tätig werden musste. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf zeigte sich auch im Bezug auf ausländische Versicherungsgesellschaften. Diese waren nicht durch das Gesetz vom 24. Juni 1867 geregelt worden, unterstanden damit weiterhin keiner Aufsicht. Dies führte insbesondere im Bereich der Lebensversicherung zu einer ungleichen Behandlung, waren französische Lebensversicherungsgesellschaften doch der Genehmigungspflicht und de jure auch einer Überwachung unterworfen. Die Analyse der Versicherungsaufsicht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat folgende Erkenntnisse gebracht: 1. Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 legte die Basis einer zweigliedrigen vom Versicherungszweig abhängigen Versicherungsaufsicht. Diese kann zum einen in ein système réglementaire, zum anderen in ein régime d’autorisation et de la surveillance untergliedert werden. 2. Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 war eine rein versicherungsaufsichtsrechtliche Norm. Das diese Norm ergänzende Décret vom 22. Januar 1868 kann als ausschließlich versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung bezeichnet werden. Das Décret vom 22. Januar 1868 war die erste originär versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung. Gleichwohl diente auch immer noch das Gesellschaftsrecht als Rechtsquelle versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßnahmen. 3. Die Aufsicht für assurances non-vie war – ab 1883 mit der Einschränkung für sociétés d’assurances mutuelles sur la vie – effektiver als jene der sociétés d’assurances à primes sur la vie. Dies zeigt sich insbesondere auch nach der Feststellung, dass für die assurances vie keine surveillance durch Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867, für die assurances non-vie hingegen eine surveillance durch Décret vom 22. Januar 1868 geschaffen wurde. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass der wegen seiner Natur, genauer wegen der langen Dauer für die Erfüllung der Verbindlichkeiten gefährlichere Lebensversicherungsvertrag einer weniger effektiven Aufsicht unterlag.

F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht I. Von der „liberté réglementée“ zur „liberté de plus en plus contrôlée“ Die private Versicherung hatte sich in Frankreich, wie bereit im vorangehenden Kapitel angedeutet, zum Mittel der sozialen Absicherung entwickelt. Man folgte in Frankreich somit einem freiwilligen Modell der sozialen Vorsorge, auch „prévoyance libre“ genannt.1 Die wirtschaftliche Entwicklung und Kampagnen für soziale Gerechtigkeit hatten zu einer Ausweitung der Versicherungspraxis geführt.2 Die Notwendigkeit staatlichen Eingreifens zum Schutz des Versicherten und des öffentlichen Kredits war bekannt, unklar war jedoch, auf welche Art und Weise der französische Staat in den Versicherungsmarkt eingreifen sollte.3 Insofern erwies sich die Situation als nicht wesentlich unterschiedlich zu jener Mitte des 19. Jahrhunderts. Neben der étatisation (Verstaatlichung) und der surveillance (Überwachung) wurde indes die contrôle (Kontrolle) als Regulierungsmittel in Betracht gezogen. Das Gesetze vom 9. April 1898, welches die contrôle (Kontrolle) für assurances contre les accidents du travail (Arbeitsunfallversicherung) einführte wie auch das Gesetz vom 17. März 1905, welches assurances sur la vie (Lebensversicherungen) einer surveillance und contrôle unterstellte, beendeten die Diskussion um das richtige Aufsichtsmittel. Der französische Staat hatte den Weg weg von der „liberté réglementée“ (geregelten Freiheit) und hin zu einer „liberté de plus en plus contrôlée“ (zunehmend kontrollierten Freiheit) gewählt. Hierin zeigt sich die immer strengeren Einstellung des Staates gegenüber dem Schutz der Sparer und Arbeitnehmer.4 Gleichwohl in der Sekundärliteratur5 bereits eine intensive Auseinandersetzung insbesondere mit dem Gesetz vom 17. März 1905 existiert, kann insofern eine kurze

1

Dreyfus et al. (2006), S. 19, 21. Ruffat, Financial history review (2003), 192. 3 Ruffat, Financial history review (2003), 192. Vgl. auch L’Argus (1979), S. 197. 4 Dreyfus et al. (2006), S. 22 f. 5 So z. B. Poujad, Du contrôle de l’État en matière d’assurances et particulièrement dans les Assurances sur la vie (1905); Pannier, De l’autorisation et de la surveillance des socié’tes d’assurance sur la vie (1905); Ménard, De l’assurance sur la vie. Son role économique et social dans la vie moderne (1908), Léfebvre, Régime des sociétés d’assurances sur la vie. La loi du 17 mars 1905 et les décrets subséquents (1908); Privat-Aubouard, Du contrôle de l’État sur les assurances sur la vie (1906); Jourdan, Étude de la Loi du 17. Mars 1905 (1908). 2

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F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

Untersuchung nicht unterbleiben. Hierbei soll insbesondere auch der Einfluss früherer Gesetzgebung aufgezeigt werden.

II. Assurance contre les accidents du travail Das Gesetz vom 9. April 1898 bzw. dessen Ausführungsdekret vom 28. Februar 1899 führten die nach modernem Verständnis erste „contrôle permanent“ (laufende Aufsicht) durch den Staat ein.6 In der Sekundärliteratur wird daher vertreten, dass erst durch Einführung des Gesetzes vom 9. April 1898 eine „Versicherungsaufsicht im eigentlichen Sinne“ eingerichtet wurde.7 Das Gesetz vom 9. April 1898 war indes nicht originär aufsichtsrechtlicher Natur. Geregelt werden sollte vielmehr der Ersatz von Schäden eines Arbeitsunfalles. Anders als bereits in zahlreichen anderen europäischen Ländern war in Frankreich bis zum Jahr 1898 die Abwicklung von Arbeitsunfällen, allein durch das droit commun (Art. 1382, Art. 1383, Art. 1384 Code civil) geregelt.8 Demnach hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur denjenigen Schaden zu ersetzen, den er selbst oder seine Angestellten verursacht hatte.9 Gerichtliche Streitfälle wurden dennoch oft zugunsten des Arbeitnehmers entschieden, da die Rechtsprechungsorgane die besondere Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers, dafür Sorge zu tragen, dass niemand zu Schaden kommt, erkannt hatten.10 Mit dem Einsetzen der Industrialisierung erschien die Rechtslage nicht mehr zeitgemäß.11 Die Arbeitsbedingungen in der französischen Industrie waren schlecht.12 Denn die neu eingesetzten Maschinen brachten zahlreiche neue Gefahren mit sich.13 Maßnahmen zur verbesserten Sicherheit der Arbeiter fehlten indes.14 Entziehen konnte sich der einzelne Arbeiter jenen Gefahren indes nicht, da er wegen des Produktionsprozesses nur bedingt auf den Arbeitsablauf einwirken konnte. Zugleich war aus diesem Grund sowie der Größe des Betriebes schwer nachvollziehbar, wer den Arbeitsunfall tatsächlich verursacht hatte. Eine gerichtliche Gel6 So Richard (1956), S. 103; Pouilloux (2011), S. 665 So auch Kimball/Pfennigstorf (1968), S. 33; Picard/Besson (2. Aufl., 1965), Bd. 2, S. 14 f.; Sumien, Le régime (1939), S. 117; Ruffat, Financial history review (2003), 193. 7 Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 171. 8 Pouilloux (2011), S. 379; Vassart/Nouvion-Jacquet (1899), S. 1; Aubin, Droit Social (1998), 636; Hamon (1895), S. 639; Droineau (1898), S. 21 f. 9 Zacher, in: Zacher (1898), Bd. 1, Heft 4, S. 38; Aubin, Droit Social (1998), 636; Penaud (4. Aufl. 2016), S. 336. Eingehende hierzu Ewald, Der Vorsorgestaat (1993), S. 282 ff. 10 Ewald, Der Vorsorgestaat (1993), S. 287. 11 Vgl. Zacher, in: Zacher (1898), Bd. 1, Heft 4, S. 38 f.; Penaud (4. Aufl. 2016), S. 51, 336 f. 12 Pouilloux (2011), S. 379. 13 Vgl. Zacher, in: Zacher (1898), Bd. 1, Heft 4, S. 38 f.; Dieuzaide (1935), S. 47. 14 Pouilloux (2011), S. 379; Viet/Ruffat (1999), S. 22.

II. Assurance contre les accidents du travail

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tendmachung war teuer und zeitintensiv.15 Diese Situation war für den Arbeitnehmer ungünstig und sollte daher durch die Neuregelung des Verantwortungsprinzips geändert werden. Daraufhin wurde am 9. April 1898 das loi concernant la responsabilité des accidents dont les ouvriers sont victime dans leur travail, auch bekannt als loi sur les accidents du travail, erlassen.16 Das Gesetz spielt in der Sozialgeschichte Frankreichs eine wichtige Rolle.17 Art. 1 des Gesetzes vom 9. April 1898 modifizierte das Verantwortungsprinzip grundlegend.18Die Schadensersatzpflicht für Arbeitsunfälle wurde unabhängig von der Frage des Verschuldens dem Arbeitgeber auferlegt.19 Damit wurde das „risque professionnel“ (Berufsrisiko) dem Arbeitgeber auferlegt.20 In der Praxis hatten sich zahlreiche Arbeitgeber für die Versicherung ihres Haftungsrisikos entschieden.21 Neben der Versicherung durch sociétés d’assurances anonymes oder sociétés d’assurances mutuelles war eine Absicherung durch sog. „syndicats de garantie“ möglich.22 Hierbei handelt es sich um Vereinigungen von Arbeitgebern, deren Mitglieder durch eine Solidarhaftpflicht miteinander verbunden waren. Damit haftete jedes einzelne Mitglied mit seinem gesamten Vermögen für die Schulden der Vereinigung.23 Zudem wurde ein staatlicher „fonds de garantie“ (Garantiefonds) geschaffen. Dieser konnte subsidiär bei Zahlungsausfall des Arbeitgebers, Versicherers oder syndicats de garantie für die Entschädigung von Arbeitsunfällen herangezogen werden. Verwaltet wurde der Garantiefonds durch die Caisse Nationale des retraites.24 15

Zacher, in: Zacher (1898), Bd. 1, Heft 4, S. 38; Ewald, Der Vorsorgestaat (1993), S. 308 ff. 16 Eingehend zum Gesetzgebungsprozess in Vassart/Nouvion-Jacquet (1899), S. 1 ff.; Zacher, in: Zacher (1898), Bd. 1, Heft 4, S. 39 ff. Vgl. auch Pouilloux (2011), S. 379; Richard (1956), S. 107 f.; Jouanny (1898), S. 3 f. 17 Ewald, Der Vorsorgestaat (1993), S. 10 f., 485; Aubin, Droit Social (1998), 635; Penaud (4. Aufl. 2016), S. 52 bezeichnet das Gesetz sogar als den Ursprung des Vorsorgestaates. 18 Ruffat, Financial history review (2003), 193. 19 Art. 1 Loi vom 9. April 1898, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 380. Siehe auch Fuster, in: Zacher (1908), Bd. 5, Heft 4 b, S. 1; Viet/Ruffat (1999), S. 22 f. 20 Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 14; Penaud (4. Aufl. 2016), S. 336. 21 Pouilloux (2011), S. 379; Straus, in: Borscheid/Haueter (2012), S. 122; Bellom, Revue politique et parlementaire (1899), 67. 22 Bellom, Revue politique et parlementaire (1899), 77. Liste der in Frankreich gegründeten der syndicats de garantie in: Pouilloux (2011), S. 392 ff. 23 Richard (1956), S. 109; Fuster, in: Zacher (1908), Bd. 5, Heft 4 b, S. 7; Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 812; Privat-Aubouard (1906), S. 222. Bis bis zur Novellierung wurden die syndicats de garantie mit der berufgenossenschaflichen Einrichtung in Deutschland verglichen; Fuster, in: Zacher (1908), Bd. 5, Heft 4 b, S. 7. 24 Art. 24, Art. 25, Art. 26 Loi vom 9. April 1898, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 385 f. Nähere Ausführungen in Knetsch, Revue historique de droit française (2012), 627; Ketter (1956), S. 4; 21; Fuster, in: Zacher (1908), Bd. 5, Heft 4 b, S. 4 f; Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 809; Sumien, Le régime (1939), S. 117.

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F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

1. Art. 27 Gesetz vom 9. April 1898, Décret vom 28. Februar 1899 Obzwar sich der französische Gesetzgeber – anders als der deutsche Gesetzgeber25 – gegen die Pflichtversicherung und für eine freiwillige Versicherung entschieden hatte, wollte er die Arbeitsunfallversicherung nicht gänzlich ohne staatliche Regulierung belassen. Insbesondere wurde die Sicherstellung der Solvabilität des Versicherungsunternehmens als notwendiges regulatorisches Ziel erkannt.26 Bereits in Art. 27 Gesetz vom 9. April 1898 wurden daher die Prinzipien des Aufsichtssystems für Arbeitsunfallversicherungen festgelegt. Les compagnies d’assurances mutuelles ou à primes fixes contre les accidents, françaises ou étrangères, sont soumises à la surveillance et au contrôle de l’Etat et astreintes à constituer des réserves ou des cautionnements dans les conditions déterminées par un règlement d’administration publique. Le montant des réserves ou cautionnements sera affecté par privilège au payement des pension et indemnités. Les syndicats de garantie seront soumis à la même surveillance et un règlement d’administration publique déterminera les conditions de leur création et de leur fonctionnement. Les frais de toute nature résultant de la surveillance et du contôle seront couverts au moyen de contributions proportionnelles au montant des réserves ou cautionnements, et fixés annuellement, pour chaque compagnie ou association, par arrêté du Ministre du commerce.27 Compagnies d’assurances mutuelles oder à primes fixes contre les accidents, französische wie ausländische, unterliegen der Aufsicht und Kontrolle des Staates und sind gezwungen, Reserven oder Sicherheitsleistungen nach Regeln, die durch eine Vorschrift der öffentlichen Verwaltung bestimmt wird, einzurichten. Der Betrag der Reserven oder der Sicherheitsleistung wird vorranging für die Zahlung von Renten und Entschädigungen verwendet. Die syndicats de garantie unterliegen der gleichen Aufsicht, und eine Regelung der öffentlichen Verwaltung wird deren Gründungs- und Betriebsbestimmungen festsetzen. Die Kosten, die sich aus der Überwachung und Kontrolle ergeben, werden durch Beiträge gedeckt, die proportional zur Höhe der Reserven oder Sicherheitsleistung und jährlich für jede Gesellschaft oder Vereinigung im Auftrag des Handelsministers festgelegt werden.

Ergänzt wurde Art. 27 durch das Décret vom 28. Februar 1899. Die allgemeinen Regelungen des Gesetzes vom 24. Juli 1867 und des Décret vom 22. Januar 1868 fanden weiterhin Anwendung.28 Im weiteren Verlauf wurde das Gesetz von 1898 auf 25

Eingehend hierzu Knetsch, Revue histoirique de droit française et étranger (2012), 621 ff. Pouilloux (2011), S. 379; Knetsch, Revue historique de droit française (2012), 627; Bellom, Revue politique et parlementaire (1899), 89 ff. 27 Art. 27 Loi vom 9. April 1898, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 386. 28 Art. 17 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 390. Houpin/ Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 809. 26

II. Assurance contre les accidents du travail

209

alle Arbeitnehmergruppen ausgeweitet (Gesetz vom 12. April 1906, Gesetz vom 15. Juli 1914, Gesetz vom 15. Dezember 1922, Gesetz vom 2. August 1923, Gesetz vom 25. Oktober 1919).29 Das Gesetz wurde mehrfach modifiziert, so durch das Gesetz vom 22. März 1902 und das Gesetz vom 31. März 1905. Überwiegend fanden die Vorschriften des Décret vom 28. Februar 1899 gleichermaßen auf französische wie ausländische Versicherungen gegen Arbeitsunfälle mit Todesfolge oder dauerhafter Invalidität in der Form der sociétés à primes fixes oder mutuelles Anwendung. Das Décret enthielt indes weitere spezielle Regelungen für ausländische Versicherungsunternehmen.30 Gesellschaften, welche andere als die sich aus der Anwendung des Gesetzes vom 9. April 1898 im Falle des Todes oder der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit ergebenden Risiken oder zugleich ein ähnliches Risiko im Ausland versicherten, bedurften einer getrennten Verwaltung und Buchführung.31 Ausländische Gesellschaften hatten überdies beim Ministre du Commerce und der Caisse des dépôts et consignations einen speziellen in Frankreich wohnhaften Bevollmächtigten zu bestellen.32 Die syndicats de garantie waren weitgehend denselben Regelungen unterworfen.33 Das Décret vom 28. Februar 1899 ist in Vorschriften der „cautionnements et réserve“, der „surveillance et contrôle“ wie auch der „syndicats de garantie“ gegliedert. 2. Cautionnement et réserves Zur Gründung musste unabhängig von den in Art. 2 und Art. 4 Décret vom 22. Januar 1868 festgelegten Garantien und Reserven eine cautionnement geleistet werden. Deren Betrag wurde durch den Ministre du Commerce am 28. März 189934 festgesetzt.35 Die jährlich zu revidierende cautionnement musste innerhalb von 15 Tagen nach Bekanntgabe des Beschlusses des Ministers bei der Caisse des dépôts

29

Pouilloux (2011), S. 379. Dieuzaide (1935), S. 51 ff. 31 Art. 10 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 389. Dieuzaide (1935), S. 51 ff., 84 f. 32 Art. 20 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 390. Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 17; Dieuzaide (1935), S. 52. 33 Genauere Vorschriften zur Gründung und Auflösung (Zweck und Zusammensetzung des Verbandes, Genehmigung und Inhalt der Statuten) wie auch zur Überwachung (Kosten) fanden sich in Art. 21 ff. Décret vom 28. Febuar 1899. Die Regelungen des Décret vom 22. Januar 1868 galten für diese hingegen nicht, da es sich originär nicht um Versicherungen auf Gegenseitigkeit handelte. Vgl. Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 809, 815 ff.; Pouilloux (2011), S. 379 f., 391. 34 Arrêté ministériel vom 28. März 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 391. 35 Art. 2 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 387. Pouilloux (2011), S. 379; Sumien, Le régime (1939), S. 117 f. 30

210

F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

et consignations erbracht werden.36 Für sociétés d’assurances mutuelles war die Höhe der cautionnement bei kumulativem Vorliegen der in Art. 6 Abs. 2 genannten Voraussetzungen auf die Hälfte reduziert.37 Die cautionnement sollte die Zahlung der Pensionen und Schadenersatzzahlungen sicherstellen.38 Sie verhinderte die Gründung von Beginn an insolventer Versicherungsunternehmen und deckte das Risiko von Fehlkalkulationen in der Tarifierung sowie sonstige unvorhergesehene Risiken während des Geschäftsbetriebs ab.39 Die Leistung der cautionnement wurde im Journal officiel durch den Ministre du Commerce festgehalten.40 Ab diesem Zeitpunkt konnte das Versicherungsunternehmen mit seinen Geschäften beginnen. Vor diesem Zeitpunkt besaßen Verträge bzw. Policen keine Wirksamkeit. Wurde eine cautionnement nicht entrichtet oder fand eine Veröffentlichung nicht statt, waren Verträge absolut nichtig. Geschäfte, die vor diesem Zeitpunkt vorgenommen wurden, stellten einen Verstoß gegen den Code penal dar.41 Unklar war, ob die Veröffentlichung im Journal officiel als „autorisation“ (Genehmigung) zu klassifizieren ist und welche Rolle der Verwaltung hierbei zukam. In einem Bericht vom 27. Februar 1905 stellt der französische Präsident klar, dass es sich um eine „enregistrement sans appréciation“ (Registrierung ohne Beurteilung) handelt. Bis auf die bloße Feststellung der Leistung der cautionnement nahm die Verwaltung mithin keine Prüfung vor. Gleichwohl kam es auch in offiziellen Dokumenten zu Verwechslungen zwischen den Begriffen „enregistrement“ und „autorisation“.42 Synonym zu „enregistrement“ wurden die Begriffe „approbation“ (Zustimmung) und „admission“ (Zulassung) verwendet.43 Die Versicherungsgesellschaften mussten Reserven bilden.44 Für sociétés anonymes war diese Pflicht bereits im Gesetz vom 24. Juli 1867 festgesetzt worden. Unabhängig von der Gesellschaftsform hatten Arbeitsunfallversicherungsgesellschaften ab dem zweiten Geschäftsjahr eine „réserve mathematique“ (mathematische Reserve) zu bilden, welche mindestens dem Betrag, der als Rente oder Schadenersatz bei Unfällen mit tödlichem Ausgang oder dauernden Erwerbsunfähigkeit zu leisten war, entsprechen musste.45 Der Betrag der Reserven wurde jedes Jahr nach Anhörung der Gesellschaft vom Ministre du Commerce durch Arrêté festgesetzt. Die 36

Art. 3 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 387. Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 16; Bellom, Revue politique et parlementaire (1899), 74; Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 811. 38 Art. 27 Abs. 2 Loi vom 9. April 1898, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 386. 39 Vgl. Art. 27 Abs. 2 Loi vom 9. April 1898, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 386. Vgl. Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 812; Dieuzaide (1935), S. 58; Guermeur (1924), S. 84. 40 Art. 19 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 390. 41 Dieuzaide (1935), S. 65 f.; Hémard (1926), S. 425 f.; Sumien, Le régime (1939), S. 117. 42 Dieuzaide (1935), S. 65. Siehe auch Privat-Aubouard (1906), S. 211. 43 Hémard (1926), S. 425. 44 Guermeur (1924), S. 94. 45 Art. 7 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 388. 37

II. Assurance contre les accidents du travail

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Gelder der Reserve konnten nur nach den in Art. 8 beschriebenen Konditionen angelegt werden.46 Für Gesellschaften, die Renten- und Schadenersatzzahlungen nicht selbst leisteten, sondern unmittelbar Deckungskapitalien an staatliche Rentenkassen zahlten, entfiel die Pflicht, mathematische Reserven zu bilden.47 Die mathematische Reserve diente der Zahlung der Pensionen und Schadensersatzzahlungen.48 3. Surveillance et contrôle In Anwendung des Art. 27 Gesetz vom 9. April 1898 wurde die „surveillance“ (Überwachung) und „contrôle“ (Kontrolle) durch Art. 13 Décret vom 28. Februar 1899 auf eine „contrôle permanent de l’État“ (dauerhafte Staatsaufsicht) ausgeweitet.49 Durch die contrôle wollte der Gesetzgeber die Inanspruchnahme des Garantiefonds im Falle der Insolvenz des Versicherers verhindern. Dies und nicht der Schutz der Versicherten soll primärer Zweck der contrôle gewesen sein. Indirekt diente die contrôle aber auch dem Schutz der Interessen des versicherten Arbeitgebers und damit des geschädigten Arbeitnehmers.50 Denn die Versicherung gegen Arbeitsunfälle verfolgte einen sozialen Zweck.51 Die Kosten der Aufsicht wurden erstmals dem Versicherungsunternehmen auferlegt.52 Der Ministre du Commerce war das höchste Aufsichtsorgan. Ab dem Jahr 1906 hatte diese Aufgabe der Ministre du Travail et de la Prevoyance social (Arbeitsminister und Minister der sozialen Vorsorge) inne.53 Die Aufsicht wurde zum einen im Ministerium durch die Sichtung der Zustandsberichte, welche von den Unternehmen erstellt wurden, zum anderen am Sitz der Gesellschaft durch die den Ministre du Commerce unterstützende „Commissaires contrôleurs“ (Kontrollkommissare) ausgeführt.54 Es handelt sich mithin um eine in der modernen Wissenschaft als „contrôle sur piece“ und „contrôle sur place“ bestehenden Aufsicht.55 Dem Ministre du Commerce war hierbei ein Comité consultatif des assurances contre les accidents du travail zur Konsultation zugeteilt. Das Comité consultatif des 46

Art. 8 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 388. Art. 9 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 389. 48 Art. 27 Abs. 2 Loi vom 9. April 1898, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 386. Gurmeur (1924), S. 97, 106. 49 Art. 27 Abs. 1 Loi vom 9. April 1898, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 386; Art. 13 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 389. Vgl. Pouilloux (2011), S. 665. 50 Dieuzaide (1935), S. 85; Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 15; Sumien, Le régime (1939), S. 117; Privat-Aubouard (1906), S. 234. 51 Guermeur (1924), S. 107. 52 Art. 27 Abs. 4 Gesetz vom 9. April 1898, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 386. 53 Bigot (3. Aufl. 2011), Bd. 1, S. 34. 54 Privat-Aubouard (1906), S. 231. 55 S. 25. 47

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assurances contre les accidents du travail musste obligatorisch vor Beschlussfassung in den durch Art. 27 Gesetz vom 9. April 1898 und dessen nachfolgenden Décret vorgeschriebenen Fällen gehört werden. In allen anderen Anwendungsfragen der Arbeitsunfallgesetzgebung konnte das Comité consultatif fakultativ herangezogen werden.56 Bei der Beratung zu versicherungstechnischen Fragen, welche die Überwachung der Versicherungsgesellschaft betrafen, musste das Comité consultatif nach der Ministerialverordnung vom 14. Dezember 1899 eigens hierzu beauftragten Aufsichtsbeamten hinzuziehen.57 Das Comité consultatif nahm jedoch nicht nur eine rein technische Beratung vor, sondern fungierte auch als Art Verwaltungstribunal.58 Die Zusammensetzung des Comité consultatif war durch Ministerialverordnung vom 1. März 1899 geregelt. Es bestand aus 24 Mitgliedern, hierunter auch Vertreter der betroffenen Gesellschaften, Arbeitervertreter sowie fachkundigen Personen aus der Versicherungspraxis. Damit waren nicht nur staatliche Autoritäten Teil des Comités.59 Die Kompetenz des Comité consultatif wurde nicht zuletzt wegen dessen Besetzung mit fachkundigen Personal geschätzt. Deren Unparteiigkeit und Unabhängigkeit führte zur Berücksichtigung aller Interessen, also sowohl jener der Versicherten als auch jener der Versicherer.60 Die dauerhafte Überwachung des Geschäftsbetriebs sollte durch Commissaires contrôleurs oder andere zur Kontrolle im Einzelfall bestimmte Personen ausgeübt werden.61 Die Commissaires wurden durch Verordnung des Ministre du Commerce ernannt und waren auf die Wahrung der Geschäftsgeheimnisse zu vereidigen. Sie wurden auf bestimmte Zeit bestimmten Gesellschaften zur Überwachung zugeteilt und nahmen am Sitz des Unternehmens ihre Überwachungsaufgaben wahr. Diese umfasste die Überprüfung der Geschäfts- und Kassenführung. Hierunter fiel die Prüfung der Versicherten und der versicherten Löhne, der geschlossenen Verträge, der Buchungsposten und -belege, der Kasse, der Kalkulation der Reserven und aller sonstigen zur Aufsicht notwendigen Aspekte. Zudem mussten die Commissaires auch an den Ministre du Commerce Bericht erstatten.62 Die Überwachungstätigkeit war somit weitreichend.63 Das direkte Eingreifen in die Geschäfte des Versiche-

56 Art. 16 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 389. Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 17; Dieuzaide (1935), S. 56. 57 Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 17, Fn. 2. 58 Dieuzaide (1935), S. 57. 59 Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 17, Fn. 2. Eingehend zu dessen Entwicklung nach dem Gesetz vom 7. April 1926, in welchem die Teilung des Comité consultatif in zwei Sektionen normiert wurde in Deiuzaide (1935), S. 55 f. 60 Dieuzaide (1935), S. 57. 61 Art. 13 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 389. 62 Art. 14 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 389. Vgl. Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 17; Dieuzaide (1935), S. 96. 63 Privat-Aubouard (1906), S. 234.

II. Assurance contre les accidents du travail

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rungsunternehmens war den Commissaires indes nicht gestattet. Nur der Ministre du Commerce konnte bei Verstößen Abhilfe leisten.64 Auf der Grundlage der Arbeit der Commissaires contrôleurs hatte der Ministre du Commerce dem Präsidenten der Republik jährlich einen Zustandsbericht über alle seiner Aufsicht unterstellten Gesellschaften zuzuleiten. Soweit notwendig musste der Minister für jede Gesellschaft Anordnungen treffen und zu deren Einhaltung auffordern.65 Die Berichterstattung erfolgte in einigen Jahren (1929, 1930 und 1931) verspätet, was dazu führte, dass den Versicherten wie auch den Versicherern wichtige sich aus dem Bericht ergebende Informationen fehlten.66 Neben der Berichterstattung hatte der Ministre du Commerce jährlich eine Liste der sociétés mutuelles oder à primes fixes, welche den Anforderungen der Art. 26 und Art. 27 des Gesetzes vom 9. April 1898 und des Décret vom 28. Feburar 1899 entsprachen, zu veröffentlichen.67 Die Versicherungsunternehmen hatten dem Ministre du Commerce jährlich einen ausführlichen Geschäftsbericht mit Finanz- und Statistiktabellen nach den durch arrêté ministériel vorgegebenen Konditionen wie auch einen Zustandsbericht über die versicherten Löhne, Renten und Schadensersatzleistungen zuzuleiten. Überdies mussten dem Mininstre du Commerce alle anderen zur Kontrolle notwendigen Daten und Dokumente zur Verfügung gestellt werden.68 Hierdurch sollte die effektive Kontrolle der Geschäftstätigkeit wie auch der Geschäftsführung sichergestellt und der Zustand des Unternehmens festgestellt werden.69 Um Publizität zu schaffen, musste der Geschäftsbericht gegen eine Gebühr von höchstens 1 fr. jedermann ausgehändigt werden.70 Damit stand dieses Recht im Gegensatz zur Regelung des Art. 7 Décret vom 22. Januar 186871 nun nicht mehr nur den Versicherungsnehmern, sondern der Allgemeinheit zu. Zur Durchsetzung der Aufsichtsregelungen hatte der Gesetzgeber keine Zwangsmaßnahmen geschaffen. Dem Minstre du Commerce stand lediglich das Recht zu notwendige Maßnahmen zur Beseitigung von Verstößen anzuordnen und zur Einhaltung der Anordnung aufzufordern sowie die Gesellschaft nicht in die jährlich im Journal officiel zu veröffentlichende Liste aufzunehmen. Diese Maßnahmen waren als Sanktionsmittel zur Ausübung einer effektiven Kontrolle unzureichend.72 Bis zur Veröffentlichung der Liste konnte das Unternehmen die Geschäfte 64

Dieuzaide (1935), S. 96. Art. 15 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 390. Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 17; Pouilloux (2011), S. 665. 66 Dieuzaide (1935), S. 97. 67 Art. 18 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 390. 68 Art. 12 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 389. 69 Privat-Aubouard (1906), S. 232. 70 Art. 12 Décret vom 28. Februar 1899, abgedruckt in: Pouilloux (2011), S. 389. 71 Vgl. S. 186. 72 Vgl. Dieuzaide (1935), S. 99. 65

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F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

gesetzeswidrig fortführen und somit weitere Schäden zu Lasten des Versicherten verursachen. Schäden durch Arbeitsunfälle, die sich nach Vertragsaufhebung – die Rechtsfolge der Nichteintragung im Journal officiel – ereigneten, mussten von dem bis dahin versicherten Arbeitgeber ersetzt werden. Diese Rechtsfolge stellte indes eine Gefahr für den Versicherer, den Versicherten, aber auch für die Allgemeinheit dar. Zum einen erzielte dieses Sanktionsmittel erst spät Wirkung, da die Liste nur einmal im Jahr veröffentlicht wurde. Bis dahin konnte das Unternehmen die Geschäfte gesetzeswidrig zum Nachteil der Versicherten fortführen. Falsche Vorwürfe konnten vom Versicherer hingegen mangels vorhandener Rechtsmittel nicht entkräftet werden. Der Versicherer sah sich daher stets der Gefahr ausgesetzt, im folgenden Bericht nicht aufgeführt zu werden. Mussten dann Schäden von dem bis dahin versicherten Arbeitgeber direkt ersetzt werden, war die Gefahr gegeben, dass dieser nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügte.73 Allgemein bestand durch diese Rechtslage somit große Rechtsunsicherheit. Erst durch das Gesetz vom 31. März 1905 wurden Zwangsmaßnahmen eingeführt. Lag ein Verstoß gegen Regelungen des Gesetzes vom 9. April 1898 vor oder bot die Finanzlage des Versicherungsunternehmens unzureichende Sicherheit für die Erfüllung eingegangener Verpflichtungen, konnte der Minister durch speziellen Erlass die Geschäfte des Versicherungsunternehmens beenden. Unternehmen wurden zur Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert. Das comité consultatif nahm innerhalb derselben Frist Stellung. Rechtsmittel waren nicht vorgesehen. Gegen den Erlass konnte nur vor dem Conseil d’État vorgegangen werden. Unabhängig von zivilrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten konnten die Geschäftsführer und Verwalter bei Nichteinhaltung der Vorschriften des Gesetzes vom 9. April 1898 und des Décret vom 22. Februar 1899 strafrechtlich belangt werden.74 Das Fehlen von Zwangsmaßnahmen war ein Kritikpunkt. Dies war jedoch nicht die einzige Kritik an dem Gesetz vom 9. April 1898. Die Industrie und Arbeiter sprachen sich offen gegen das Gesetz vom 9. April 1898 und seine Ausführungsregelungen aus. Insbesondere sah man sich der Willkür der Versicherungsunternehmen ausgesetzt. Zum Beispiel hatten sich Versicherungsunternehmen zusammengeschlossen und Prämien unter dem Vorwand des erweiterten Risikos erhöht.75 Regelungen waren teils zu unbestimmt, teils zu wenig streng. Dies warf Anwendungsfragen auf und ermöglichte missbräuchlicher Auslegung.76 So waren die ersten Jahresaufstellungen und -abschlüsse für das Jahr 1899 trotz umfangreicher finanzund versicherungstechnischer Regelungen mangelhaft gestaltet. Durch ein Rundschreiben des Minstre du Commerce vom 16. April 1901 mussten die Regelungen verschärft und ergänzt werden. Insbesondere wurde unter Androhung gesetzlicher Folgen auf die Pflicht zur getrennten Behandlung von Unfallversicherung und allen 73

Dieuzaide (1935), S. 99 f.; Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 812. Dieuzaide (1935), S. 100 ff.; Houpin/Bosvieux (5. Aufl. 1925), Bd. 2, S. 812; Sumien, Le régime (1939), S. 117. 75 Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 19 ff. 76 Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 19 ff, 34. 74

III. Assurance sur la vie

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sonstigen Versicherungsgeschäften sowie auf die Pflicht die Jahresabschlüsse mit allen zur Prüfung erforderlichen statistischen und versicherungstechnischen Unterlagen bis zum 15. Mai des folgenden Jahres einzureichen, hingewiesen.77 Trotz der Kritik an der Effektivität der contrôle permanent, nennt Dieuzaide die durch das Gesetz vom 9. April 1898 und das Décret vom 28. Februar 1899 geschaffenen aufsichtsrechtlicher Regelungen, insbesondere wegen der enthaltenen Solvabilitätsvorschriften, einen Erfolg, wurde doch das Risiko der Insolvenz eines Versicherungsunternehmens auf ein Minimum reduziert.78 4. Zusammenfassung Das Gesetz vom 9. April 1898 ist kein Versicherungsaufsichtsgesetz und nicht einmal ein Versicherungsvertragsgesetz. Es wird als sozialrechtliche Gesetzgebung betrachtet. Dies hatte auch Auswirkung auf die Versicherungsaufsicht, war doch z. B. ab dem Jahr 1906 der Ministre du Travail et de la Prevoyance social zuständig. Gleichwohl führte das Gesetz vom 9. April 1898 die erste gesetzlich geregelt contrôle permanent nach modernem Verständnis ein. Die konkrete Ausgestaltung erfolgte durch eine ergänzende Verwaltungsvorschrift, das Décret vom 28. Februar 1899. Im Fokus der contrôle stand nicht direkt der Versicherte. Gleichwohl wurde dieser indirekt durch die Schaffung aufsichtsrechtlichen Regelungen geschützt. So war durch strenge Solvabilitätsvorschriften die Insolvenzgefahr der Versicherungsgesellschaft gering. Insofern kann das Gesetz trotz verschiedener Kritik als Erfolg betrachtet werden.

III. Assurance sur la vie Im vorangehenden Kapitel wurde deutlich, dass die gemäß Art. 66 Gesetz vom 24. Juni 1867 für Lebensversicherungen beibehaltene Aufsicht mittels „autorisation“ und „surveillance“ – abhängig von der Versicherungsform und dem Genehmigungszeitpunkt – ineffektiv war.79 Dass der Lebensversicherungsvertrag wegen seiner gefährlichen Natur – lange Laufzeit und komplexe Kalkulation – besonderer staatlicher Aufsicht bedurfte, wurde bereits früh erkannt. Der Staat musste anstelle der Versicherten, welche selbst aufgrund der Komplexität des Lebensversicherungsvertrags nicht zur Überwachung fähig waren, eingreifen. Die Notwendigkeit aufsichtsrechtlicher Regelungen zeigte sich insbesondere auch im Zusammenhang mit ausländischen Unternehmen, welche nicht den aufsichtsrechtlichen Regelungen 77 78 79

Zacher, in: Zacher (1902), Bd. 2, Heft 4 a, S. 34. Dieuzaide (1935), S. 171. Vgl. E. V (S. 200).

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des Gesetzes vom 24. Juli 1867 unterstanden. Ausländische Unternehmen waren bei französischen Kunden sehr beliebt und mangels Genehmigungspflicht in Frankreich weit verbreitet, so dass diese eine große Konkurrenz für französische Unternehmen darstellten. Nachdem im Jahr 1902 die Rentes viagère und die Caisse Générale des Familles in Konkurs gingen, wurden schließlich Reformbemühungen vorangetrieben.80 Am 17. März 1905 wurde das loi relative à la surveillance et au contrôle des sociétés d’assurances sur la vie, et de toutes les entreprises desquelles intervient la durée de la vie humaine erlassen. 1. Gesetz vom 17. März 1905 Das Gesetz vom 17. März 1905 fand auf alle französischen und ausländischen Unternehmen Anwendung, bei welchen die Erfüllung ihrer Geschäfte vom menschlichen Leben abhing. Ausgenommen waren lediglich die im Gesetz vom 1. April 1898 definierten sociétés de secours mutuels und institutions de prevoyance publiques/privée, für welche spezielle Gesetze erlassen wurden.81 Durch das Gesetz vom 17. März 1905 wurde somit erstmals eine für alle Lebensversicherungsgesellschaften einheitliche Gesetzgebung geschaffen.82 Andere als die im Gesetz beschriebenen Geschäfte durften nicht gleichzeitig betrieben werden.83 Ziel des Gesetzes vom 17. März 1905 war die Regulierung des Finanzierungssystems von Lebensversicherungsunternehmen. Zudem sollte der Geschäftsbetrieb reguliert werden. Hierzu war die Einführung bestimmter Maßnahmen zum Schutz vor schlechter Geschäftsführung und zur Gewährleistung der Erfüllbarkeit der Verbindlichkeiten vorgesehen.84 Damit stand im Gegensatz zu dem Gesetz von 1898 der Schutz des Versicherten im Vordergrund.85 Durch das Gesetz vom 17. März 1905 wurde Art. 66 Gesetz vom 24. Juni 1867 sowie die zusätzlich für Lebensversicherungen und Tontinen geschaffenen Regelungen abgeschafft. Es wurde ein neues System der „enregistrement“ eingeführt und die „surveillance et contrôle“ novelliert.86 Das Gesetz vom 17. März 1905 war in Vorschriften der „enregistrement“, der „garanties“, der „surveillance et contrôle“, „pénalités“ und „disposition transitoires“ gegliedert. Es enthielt Gründungs- und Betriebsbestimmungen wie auch Vorschriften der Überwachung und Kontrolle. Das Gesetz normierte hierbei weitgehend nur 80 Vgl. Lefort (2. Aufl. 1907), S. 11 f.; Anthon (1937), S. 81 f.; Poujad (1905), S. 61 ff., 67; Lefebvre (1908), S. 31 ff.; Jourdan (1908), S. 31 ff. 81 Art. 1 Loi vom 17. März 1905. 82 Poujad (1905), S. 70 f. 83 Art. 2 Abs. 1 Loi vom 17. März 1905. 84 Lefort (2. Aufl. 1907), S. 13. Sumien, Le régime (1939), S. 118. 85 Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 15. Näher zu den erlassenen Ausführungsdekreten in Wyler (1916), S. 189 ff. 86 Näher hierzu Lefort (2. Aufl. 1907), S. 13 ff.

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allgemeine Prinzipien, die nähere Ausgestaltung war verschiedenen Regeln der öffentlichen Verwaltung87 überlassen.88 Das Gesetz vom 17. März 1905 unterstellte Lebensversicherungsgesellschaften damit einer „réglementation“ (Reglementierung) und einer „contrôle complétés“ (umfassenden Aufsicht).89 Inhaltlich wurden zahlreiche Regelungen des Gesetzes vom 9. April 1898 übernommen.90 2. Enregistrement Die „autorisation préalable“ (vorherige Genehmigung) – wie sie seit dem régime d’autorisation zur Anwendung kam und gemäß Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 weiterhin auf Lebensversicherungsgesellschaften anwendbar war – wurde durch eine „enregistrement“ (Registrierung) ersetzt. Anders als noch im Gesetz vom 9. April 1898 war nun die Registrierung gesetzlich fixiert. Auf Antrag des Unternehmens mussten die Statuten der Gesellschaft sowie jede spätere Änderung der Statuten oder der Tarife der Prämie oder der Beiträge beim Ministre du Commerce registriert werden. Vor diesem Zeitpunkt konnte das Unternehmen nicht mit den Geschäften beginnen. Spätestens sechs Monaten nach Antrag musste der Minstre du Commerce die Registrierung im Journal officiel veröffentlichen oder dem Unternehmen die Verweigerung der Registrierung mitteilen.91 Während des régime d’autorisation stand die Genehmigungserteilung noch im freien Ermessen des Conseil d’État. Die Registrierung konnte hingegen nur bei Verstoß gegen Gesetz oder Décret verweigert werden. Gegen die Nichteintragung konnten Rechtsmittel beim Conseil d’État eingelegt werden.92 Wegen der Ausgestaltung des Registrierungsprozesses war fortan keine staatliche Einmischung in die Statuen der Gesellschaft mehr möglich.93 Die enregistrement war mithin weniger streng als die autorisation préalable.94 Wie in einem Bericht des Präsidenten der französischen Republik aus dem Jahr 1907 festgestellt wurde, war die Registrierung damit reine Formsache.95 Einführung und gesetzliche Ausgestaltung der „enregistrement“ stellen gleichwohl eine wesentliche Neuerung im Bereich des Versicherungsaufsichtsrechts dar.

87 Décret vom 17. März 1905; vier Décrets vom 20. Januar 1906; Décret vom 12. Mai 1906; Décret vom 9. Juni 1906; vier Décrets vom 22. Juni 1906; Décret vom 25. Juni 1906. 88 Lefort (2. Aufl. 1907), S. 13; Poujad (1905), S. 176; Lefebvre (1908), S. 208. 89 Demarle (1959), S. 23. 90 Lefort (2. Aufl. 1907), S. 13; Dreyfus et al. (2006), S. 22. 91 Art. 2 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 Loi vom 17. März 1905. 92 Art. 3 Loi vom 17. März 1905. Ketter (1956), S. 5; Sumien, Le régime (1939), S. 119. 93 Poujad (1905), S. 85. 94 Poujad (1905), S. 73. 95 Extrait du rapport au rapport du Président de la Republique Française, Journal officiel du 17. Octobre 1907, abgedruckt in: Bonnay (2. Aufl. 1910), S. 2.

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3. Garanties Neben der Registrierungspflicht schuf der Gesetzgeber verschiedene finanzielle Garantien. Diese sollten die Solvabilität des Versicherungsunternehmens und hierdurch die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten sicherstellen.96 Hierzu wurden das Gründungskapital bestimmt, die Pflicht der Bildung einer Garantiereserve und einer mathematischen Reserve normiert, das Recht der Kumulierung von Gewinnen eingeräumt, die Zweckbindung von Geldern festgesetzt sowie solide Geldanlagen bestimmt.97 Sociétés anonymes oder sociétés en commandite hatten ein Gründungskapital von 2 Mio. fr., sociétés mutuelles ein Gründungskapital von 50.000 fr. aufzubringen.98 Zudem musste als „réserve de garantie“ (Garantiereserve), eine mit der durch Gesetz vom 24. Juli 1867 eingeführten und als „fonds de réserve“ (Reservefonds) bezeichneten vergleichbare Reserve, gebildet werden.99 Überdies war eine „réserve mathematique“ (mathematischen Reserve) zu schaffen. Anders als im Gesetz vom 9. April 1898 war die Bildung der mathematischen Reserve nicht gesetzlich geregelt, sondern musste durch arrêtés ministériels näher bestimmt werden.100 Bei der mathematischen Reserve handelte es sich um Überschüsse zu viel gezahlter Beiträge, welche bei der nächsten Prämienzahlung Berücksichtigung fanden und fehlende Beträge ausglichen.101 Überdies musste jedes Unternehmen jährliche Übersichten zu den Sterblichkeitstafeln und zu der Verzinsung in der vom Ministre du Commerce vorgegebenen Form anfertigen.102 In den Statuten war festzuhalten, dass französische sociétés anonymes oder sociétés en commandites bei Verlust der Hälfte des Gründungskapitals aufgelöst werden. Die Statuten der sociétés mutuelles hatten hingegen die Zahlungsart und die Verwendung der gesammelten Beträge festzusetzen.103 Mithin hatte der Gesetzgeber weitere finanziellen Garantien im Vergleich zur früheren Gesetzeslage geschaffen. Dies zeigt, dass Solvabilitätsvorschriften als wichtiger Bestandteil der Versicherungsaufsicht verstanden wurden. 4. Surveillance et contrôle Das Gesetz vom 17. März 1905 schuf – anders als Art. 66 Gesetz vom 24. Juli 1867 – Regelungen der surveillance (Überwachung) und contrôle (Kontrolle). Die Kosten hierfür trug – wie auch nach dem Gesetz vom 9. April 1898 – das 96

Lefort (2. Aufl. 1907), S. 16; Blondel (1905), S. 9. Lefort (2. Aufl. 1907), S. 16. 98 Art. 5 Abs. 1 Loi vom 17. März 1905. 99 Art. 5 Abs. 2 Loi vom 17. März 1905. Poujad (1905), S. 92. 100 Art. 6 Loi vom 17. März 1905. 101 Poujad (1905), S. 93. 102 Art. 6 Loi vom 17. März 1905. 103 Art. 4 Loi vom 17. März 1905. 97

III. Assurance sur la vie

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Unternehmen. Die Kalkulation der Kosten erfolgte nach Gesetz vom 17. März 1905 indes auf andere Weise. Der Beitrag der sociétés d’assurances contre les accidents du travail wurde jährlich als Teil der von diesen zu stellenden Garantien festgelegt, der Beitrag der sociétés d’assurances sur la vie bestimmte sich hingegen anhand der Summe der eingenommenen Prämien.104 Das höchste Aufsichtsorgan war der Ministre du Commerce, der durch zwei weitere Organe, das Comité consultatif und die Commissaires contrôleurs, unterstützt wurde.105 Die Aufsicht des Ministre du Commerce bestand in der Überprüfung der Anwendung des Gesetzes und entsprechender ergänzender Regelungen. Die Kontrolle setzte sich aus zwei Aspekten, zum einen der Prüfung von Dokumenten, welche die Unternehmen dem Ministre du Commerce zukommen lassen mussten, zum anderen der Überprüfung aller Geschäfte am Sitz des Unternehmens, zusammen.106 Bevor auf die Aufsichtstätigkeit des Ministre du Commerce näher eingegangen wird, müssen die diesen unterstützende Organe betrachtet werden, schufen diese doch die Grundlage der ministeriellen Aufsicht. In Frankreich existierte bereits das „Comité consultatif des arts et manufactures“ und das „Comité consultatif des accidents du travail“.107 Das sog. „Comité consultatif des assurances sur la vie“ setzte sich aus in Art. 10 bestimmten staatlichen Organen, Vertreter bestimmter Einrichtungen des öffentlichen Rechts, Vertretern der privaten Versicherungsgesellschaften, der Wissenschaft und sonstigen Sachkundigen, zusammen. Zu diesen zählten zwei Sénateurs und drei Députés, ein Repräsentant des Ministère des Finances, der Directeur de l’assurance et de la prévoyance sociales au ministère du commerce und der directeur général de la Caisse des dépots sowie der Président der chambre de commerce, zwei Directeurs oder Administrateur der sociétés d’assurances mutuelles oder tontinière und zwei Directeurs oder Administrateur der sociétés d’assurances anonymes oder en commandit sowie drei Mitglieder des Insitut des actuaires français, ein Professor der juristischen Fakultät Paris wie auch vier im Bereich der Lebensversicherung sachkundige Personen. Das Comité consultatif war damit heterogen zusammengesetzt. Es handelt sich um kein rein staatliches Organ. Das Comité consultatif war in den durch Gesetz vom 17. März 1905 angegebenen Fällen zu konsultieren, so z. B. bei Registrierung108 oder bei Widerruf109 der Registrierung. Fakultativ konnte das Comité consultatif in allen anderen Anwendungsfragen zu Rate gezogen werden.110 Das Comité consultatif war

104 105 106 107 108 109 110

Art. 13 Abs. 2 Loi vom 17. März 1905. Poujad (124), S. 124. Poujad (1905), S. 113; Pannier (1905), S. 405. Pannier (1905), S. 414. Pannier (1905), S. 407. Art. 10 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Loi vom 17. März 1905. Art. 10 Abs. 4 i. V. m. Art. 18 Loi vom 17. März 1905. Art. 10 Loi vom 17. März 1905. Pannier (1905), S. 412 f.

220

F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

nicht nur beratend, sondern auch entscheidend tätig.111 Letzteres zeigt sich z. B. beim Widerruf des Registrierungsaktes. Bevor der Ministre das Widerrufs-Décret erlassen konnte, musste ein entsprechender Avis des Comité consultatif vorliegen. Die betroffene Versicherungsgesellschaft konnte zu den Vorwürfen innerhalb eines Monats Stellung beziehen. Die Sache ging dann vor den Conseil d’État. Die weiteren Maßnahmen waren nicht bestimmt.112 Das Comité wurde durch Commissaires contrôleures, wie sie bereits durch Gesetz vom 9. April 1898 eingeführt wurden, unterstützt. Die Commissaires contrôleures hatten alle Geschäfte zu überprüfen. Die Tätigkeit der Commissaires contrôleures entsprach weitgehend der im Gesetz vom 9. April 1898 und Décret vom 28. Februar 1899 normierten.113 Von den Commissaires zu meldende Verstöße ergaben sich aus Art. 15.114 Der Ministre du Commerce hatte dem Präsidenten der Republik Frankreich jedes Jahr Bericht zu erstatten und einen Bericht über den Zustand aller Unternehmen im Journal officiel zu veröffentlichen.115 Der Zweck des Berichts bestand darin, die Tätigkeit der Unternehmen allgemein verständlich darzustellen.116 Eine ähnliche Bestimmung fand sich bereits in Art. 15 Gesetz vom 9. April 1898. Überdies war eine vergleichbare Publizitätsvorschrift in nahezu allen anderen europäischen Rechtsordnungen zu Lebensversicherungen gesetzlich geregelt.117 Die Pflicht der Unternehmen jährlich Geschäfts- und Zustandsberichte an den Ministre du Commerce und den Greffes der Zivil- und Handelsgerichten weiterzuleiten wie auch den Geschäftsbericht gegen ein Entgelt von 1 fr. zur Verfügung zu stellen war bereits in ähnlicher Form in Art. 63 Gesetz vom 24. Juli 1867 und in Art. 7 Décret vom 22. Januar 1868 und Art. 12 Gesetz vom 9. April 1898 geregelt. Im Gegensatz zu Art. 12 Gesetz vom 9. April 1898 erhielten nach Art. 11 Abs. 1 Gesetz vom 17. März 1905 hingegen ausschließlich die Versicherten oder Gesellschafter den Bericht.118 Darüber hinaus hatten die Unternehmen im Journal officiel jährlich zusammengefasst ihre Berichte zu veröffentlichen. Hierbei wurden die Gewinn- und Verlustrechnung, der Buchungsstand und die Entwicklung der laufenden Geschäftstätigkeit publiziert. Zudem mussten die Unternehmen auf Anfrage des Ministre du Commerce

111 Pannier (1905), S. 408; Sumien, Le régime (1939), S. 120; Ménard (1905), S. 158. A. A. Poujad (1905), S. 117. 112 Sumien, Le régime (1939), S. 120. 113 Art. 11 Abs. 4 Loi vom 17. März 1905. Vgl. F. II 3 (S. 211 ff.). Vgl. auch Lefort (2. Aufl. 1907), S. 20; Wyler (1816), S. 98 f.; Pannier (1905), S. 418. 114 Art. 15 Loi vom 17. März 1905. Pannier (1905), S. 418. 115 Art. 13 Abs. 1 Loi vom 17. März 1905. 116 Pannier (1905), S. 425. 117 Pannier (1905), S. 425; Poujad (1905), S. 123. 118 Pannier (1905), S. 422; Poujad (1905), S. 119.

III. Assurance sur la vie

221

jederzeit der durch diesen vorgegebener Form Auskunft geben und Dokumente einreichen.119 Das Gesetz vom 17. März 1905 schuf wie auch bereits das Gesetz vom 9. April 1898 für ausländische Unternehmen einzelne besondere Bestimmungen. Damit bedurften auch ausländische Lebensversicherungsgesellschafen eines speziellen Sitzes mit Agenten und einer gesonderten Buchführung.120 Darüber hinaus galten dieselben Bestimmungen wie für inländische Versicherungsunternehmen.121 Dies verdeutlicht noch einmal zusätzlich, dass das Gesetz vom 17. März 1905 im Bereich der surveillance und contrôle im Vergleich zum Gesetz vom 9. April 1898 keine wesentlichen Änderungen mit sich brachte, sondern vorhandene Bestimmungen weitgehend lediglich ergänzte und vereinfachte. Dies zeigt sich bspw. an Publizitätsvorschriften, welche die Grundlage der Überwachung waren. Eine Aufsicht war damit weiterhin sowohl durch die Verwaltung als auch durch die Öffentlichkeit möglich. Im Gegensatz zum Gesetz vom 9. April 1898 war die Aufsicht nach dem Gesetz vom 17. März 1905 hierbei jedoch auf die Interessierten beschränkt. 5. Pénalité Das Gesetz vom 17. März 1905 normierte erstmals spezifisch verwaltungsrechtliche Sanktionen für die Versicherungsgesellschaften.122 Fortan konnten Geldbußen verhängt werden. Diese sind in gewöhnliche Verwaltungsstrafen und gerichtlich zu verfolgende Geldbußen zu untergliedern.123 Auch Gefängnisstrafen waren im Falle des Geschäftsbeginns vor der Veröffentlichung sowie bei Verweigerung oder Widerruf der Registrierung im Journal officiel oder auch bei Nichtführung des geforderten Vermerks „Entreprise privée assujettie au contrôle de l’État“ (der Staatsaufsicht unterstelltes Privatunternehmen) möglich. Die Anwendung des Art. 463 Code pénal blieb hiervon unberührt.124 Überdies konnte bei Verletzung der Statuten oder der gesetzlichen Vorschriften die Registrierung widerrufen werden.125 Mithin waren bei Verstößen verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten gegeben.126

119

Art. 11 Loi vom 17. März 1905. Art. 12 Abs. 1 Loi vom 17. März 1905. Vgl. Art. 10 Loi vom 9. April 1898. 121 Poujad (1905), S. 131, Fn. 1, 133 ff. 122 Eingehend hierzu in Ménard (1905), S. 162 f.; Pannier (1905), S. 129 ff.; Poujad (1905), S. 125 ff. 123 Art. 14, Art. 15 Loi vom 17. März 1905. 124 Art. 16 Loi vom 17. März 1905. 125 Art. 18 Loi vom 17. März 1905. 126 Pannier (1905), S. 429. 120

222

F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

6. Zusammenfassung Das Gesetz vom 17. März 1905 war die erste originär aufsichtsrechtliche Gesetzgebung für Lebensversicherungsunternehmen, gleichwohl die konkrete Ausgestaltung in vielen Bereichen erst durch später erlassene Décrets erfolgte. Aufsichtszweck war der Schutz der Versicherten. Das Gesetz vom 17. März 1905 schuf Solvabilitäts- und Publizitätsvorschriften, welche zusammen mit Vorschriften zur Überwachung und Kontrolle die rechtliche Grundlage der Aufsicht von Lebensversicherungsunternehmen bildete. Deutlich wird, dass der Stellenwert von Publizitätsvorschriften im Vergleich zu früherer Gesetzgebung und früheren Aufsichtssystemen an Bedeutung verlor. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Überwachung nunmehr nicht alleine durch die Versicherten selbst, sondern daneben durch staatliche Organe durchgeführt werden konnte. Zudem war eine direkte Kontrolle möglich. Französische und ausländische Unternehmen unterstanden weitgehend gleichen aufsichtsrechtlichen Regelungen. Trotz der weitgehend inhaltlichen Übernahme von Regelungen des Gesetzes vom 24. Juni 1867 und des Décret vom 22. Januar 1868 sowie insbesondere des Gesetzes vom 9. April 1898 normierte das Gesetz vom 17. März 1905 neue für die staatliche Aufsicht von Versicherungsunternehmen wichtige Aufsichtsmaßnahmen. Mit der ersten Regelung der „enregistrement“ nahm der Gesetzgeber endgültig Abstand von der „autorisation“. Durch Normierung von Sanktionsmaßnahmen wurde die Durchsetzung von Aufsichtsmaßnahmen möglich. Der These, dass sich das durch Gesetz vom 17. März 1905 geschaffene Aufsichtssystem durch Ersetzung der autorisation mit einer enregistrement wesentlich liberaler als das alte Aufsichtssystem gestaltete,127 kann nur bedingt zugestimmt werden. Staatliches Eingreifen verlagerte sich durch die Einführung der surveillance und contrôle schlicht auf den Zeitraum während des Geschäftsbetriebs, was Lockerung zum Zeitpunkt der Gründung erlaubte.

IV. Sukzessive Ausweitung der contrôle auf alle Versicherungszweige Im 20. Jahrhundert wurde die Staatsaufsicht sukzessiv auf den gesamten Versicherungssektor ausgeweitet.128 Die Vorschriften des Gesetzes vom 17. März 1905 wurden mit einigen Modifikationen weitgehend übernommen.129 – Loi vom 19. Dezember 1907: opérations de capitalisations, 127

So Poujad (1805) S. 85, 89. Ruffat/Caloni/Laguerre (1990), S. 105; Pasquier (1943), S. 57; L’Argus 1979, 197 f.; Bellando, in: Ewald/Lorenzi (1998), S. 248. 129 Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 15. 128

IV. Sukzessive Ausweitung der contrôle

223

– Loi vom 3. Juli 1913: opérations d’épargne, – Loi vom 15. Februar 1917: réassurance, – Loi vom 26. Mai 1921: assurances nuptialité-natalité, – Loi vom 20. Februar 1922: aquisation d’immeubles par constitution de rentes viagères, – Loi vom 2. August 1923: mutuelles agricoles bénéficiant des subventions de l’État. Das Décret-Loi vom 8. August 1935 normierte für assurances contre les accidentes d’automobiles verschiedene Gründungs- und Betriebsbestimmungen sowie Regelungen der Kontrolle. Es führte eine widerrufbare „agrément“ (Zulassung) durch den Ministre du Travail wie auch eine contrôle financier (Finanzkontrolle) ein.130 Alle anderen Versicherungszweige wurden durch Décret-loi vom 25. August 1937 der staatlichen Aufsicht unterworfen.131 Durch Erlass des Décret-loi vom 25. August 1937 und des Décret vom 8. März 1922, welches das Décret vom 15. März 1868 novellierte, hatte der Gesetzgeber den Versuch unternommen die Prinzipien der Überwachung zu generalisieren, da die Vielzahl der verschiedenen aufsichtsrechtlichen Gesetze eine effektive Aufsicht über das gesamte Versicherungswesen erschwert hatten.132 Entgegen dem Ziel, ein „régime de contrôle“ (Kontrollsystem) zu schaffen, wurde mangels Registrierungspflicht und dauerhafter Kontrolle ein „régime de surveillance“ (Überwachungssystem) eingeführt. Dem Minister stand das Recht zu, Geschäfte jedes Unternehmens, welches nicht mit dem Statut oder Gesetz konform waren, zu beenden. Hiergegen konnten vor dem Conseil d’État Rechtsmittel eingelegt werden.133 Die staatliche Aufsicht über Versicherungsunternehmen in Frankreich ergab sich zusammenfassend aus allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regelungen und aufsichtsrechtlichen Regelungen für einzelne Versicherungszweige: Alle sociétés par actions mit Ausnahme der sociétés d’assurances sur la vie waren zum einen den Vorschriften des Gesetzes vom 24. Juli 1867, zum anderen den Vorschriften des Décret vom 8. März 1922 unterworfen. Für Sociétés d’assurances sur la vie waren die Vorschriften des Gesetzes vom 17. März 1905 anwendbar. Die Aufsicht für assurances contre les accidents du travail ergab sich aus dem Gesetz vom 9. April 1898, für sociétés d’assurances sur la vie aus dem Gesetz vom 17. März 1905, für die sociétés d’assurances contre les accidents d’automobiles aus dem Décret-loi vom

130 131 132 133

Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 16. L’Argus (1979), S. 198. L’Argus (1979), S. 198. Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 16.

224

F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

8. August 1935 und für alle anderen Versicherungsgeschäfte aus dem Décret-Loi vom 25. August 1937.134 Die staatliche Aufsicht über Versicherungsunternehmen war wegen der Vielzahl verschiedener aufsichtsrechtlicher Rechtsquellen komplex. Diese Komplexität machte die staatliche Aufsicht in der Praxis wenig praktikabel. Zudem hatte die inhomogen gestaltete Aufsicht abhängig von dem jeweiligen Versicherungszweigen zu einer unterschiedlichen Wettbewerbslage geführt. Schließlich wurde durch Erlass des Décret-loi vom 14. Juni 1938 sowie durch das zu dessen Umsetzung erlassenen Décret vom 30. Dezember 1938 eine gemeinsame einheitliche Staatsaufsicht über alle Versicherungszweige geschaffen. Alle anderen Gesetze wurden, mit Ausnahme des Gesetzes vom 15. Februar 1917 und das Décret-loi vom 30. Oktober 1935, abgeschafft.135 Dem Décret-loi vom 14. Juni 1938 folgten bis zur Gegenwart zahlreiche Änderungen und Ergänzungen.136 Das Décret-loi vom 14. Juni 1938 markiert den Beginn der modernen Versicherungsaufsichtsgesetzgebung. Die sukzessiv erlassenen Gesetze waren somit Wegbereiter des modernen Versicherungsaufsichtsrechts. Sie sind Bindeglied zwischen alter und moderner Versicherungsaufsicht. Unter Berücksichtigung vorangehender Erkenntnisse ist festzustellen, dass sich das französische Versicherungsaufsichtsrecht sukzessiv entwickelte. Diese Erkenntnis fügt sich in den modernen Forschungsstand.137

V. Zusammenfassung Gleichwohl durch das Gesetz vom 9. April 1898 erstmals eine dauerhafte Aufsicht eingeführt wurde, handelt es sich bei dem Gesetz vom 9. April 1898 nicht um eine originär aufsichtsrechtliche Regelung. Eine solche wurde erst durch Gesetz vom 17. März 1905 geschaffen. Sukzessive wurden alle Versicherungszweige einer Aufsicht unterstellt. Das Versicherungsaufsichtsrecht war somit in der Gesetzgebung für einzelne Versicherungszweige verankert. Insofern war für jeden Versicherungszweig ein isoliertes Versicherungsaufsichtsrecht normiert. Inhaltlich folgten zahlreiche Gesetze mit mehr oder weniger umfangreichen Modifikationen dem Gesetz vom 17. März 1905. Durch Décret-loi vom 14. Juni 1938 wurde schließlich das erste Versicherungsaufsichtsgesetz, welches die Aufsicht aller Versicherungszweige regelte, geschaffen. Die bis zu diesem Zeitpunkt erlassenen aufsichtsrechtlichen Regelungen für die einzelnen Versicherungszweige waren Wegbereiter des 134

Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 16 f. Bühnemann, in: Schmidt (1964), Bd. 1, S. 172; Picard/Besson (2. Aufl. 1965), Bd. 2, S. 15; Ketter (1956), S. 4 ff. 136 Gesetzliche Änderungen und Ergänzungen sind aufgelistet in L’Argus (1979), S. 198. 137 So Kimball/Pfennigstorf (1968), S. 32; Ketter (1956), S. 5; L’Argus (1979), Bd. 1, S. 197. 135

V. Zusammenfassung

225

Gesetzes. Sie sind als der Grundstein der modernen Aufsichtsgesetzgebung zu verstehen. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern führte Frankreich damit erst spät ein Versicherungsaufsichtsgesetz ein.138 Das Gesetz vom 17. März 1905 vereinte erstmals gesellschaftliche und aufsichtsrechtliche Regelungen in einer Gesetzgebung. Unter diesen finden sich zahlreiche Regelungen älterer Gesetze, insbesondere jene des Décret vom 22. Januar 1868. Das Gesetz vom 17. März 1905 hatte indes auch zahlreiche Regelungen des Décret vom 28. Februar 1899 übernommen, welches einige Vorschriften des Décret vom 22. Januar 1868 nachbildete. Dies offenbart eine gewisse gesetzgeberische Kontinuität. Das Fortwirken von Vorschriften, genauer Vorschriften des Décret vom 22. Januar 1868, gilt insbesondere für Vorschriften der surveillance. Dies verwundert nicht, wurde darin, wie im vorangehenden Kapitel beschrieben, die erste surveillance gesetzlich geregelt. Erstmals waren alle Versicherungsformen, also sowohl die sociétés d’assurances à primes als auch die sociétés d’assurances mutuelles, weitgehend gleichen aufsichtsrechtlichen Regelungen unterworfen. Eine gesetzgeberische Differenzierung zwischen diesen fand überwiegend nicht mehr statt. Eine Ausnahme hiervon bilden indes einige Vorschriften der zu schaffenden Garantien, wie bspw. zur Höhe des Gründungskapitals. Auch französische und ausländische Versicherungsunternehmen waren bis auf wenige spezifische Regelungen für in Frankreich tätige ausländische Unternehmen überwiegend gleichgestellt. Das zur Umsetzung von Art. 27 Gesetz vom 9. April 1898 geschaffene Décret vom 28. Februar 1899 führte zum ersten Mal eingehende Regelungen einer effektiven „surveillance“ und „contrôle“ ein. Seither konnte der Staat direkt in den Geschäftsbetrieb eingreifen. War im Décret vom 28. Februar 1899 nur die Möglichkeit vorgesehen, zur Beseitigung von Verstößen notwendige Maßnahmen anzuordnen und zur Einhaltung aufsichtsrechtlicher Regelungen aufzufordern, räumte das Gesetz vom 31. März 1905 bereits das Recht ein, den Geschäftsbetrieb zu beenden. Erstmals hatte das Gesetz vom 17. März 1905 Zwangsmaßnahmen zur effektiven Durchsetzung von Aufsichtsmaßnahmen normiert. Die staatliche Aufsicht von Versicherungsunternehmen in Frankreich hatte sich mithin weg von einer Aufsicht vor Gründung zu einer Aufsicht während des Geschäftsbetriebs entwickelt. Hierbei wurde nicht mehr nur eine Überwachung des Geschäftsbetriebs, sondern eine direkte systematische Kontrolle vorgenommen. Ende des 19. Jahrhunderts fand somit eine vollständige Abkehr von dem früheren Versicherungsaufsichtsrecht statt. Dies lässt sich an der Wahl des Aufsichtsmittels – contrôle – und des Aufsichtszwecks – Schutz des Versicherten – ausmachen. Am Ende der Untersuchung der Entwicklung der französischen Versicherungsaufsicht steht damit folgendes Ergebnis:

138

So auch Wyler (1916), S. 104.

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F. Aufbruch in die moderne Versicherungsaufsicht

Die moderne Versicherungsaufsichtsgesetzgebung beginnt mit dem Décret-loi vom 14. Juni 1938. Das Décret-loi ist das Ergebnis eines sukzessiven Entwicklungsprozesses von Gesetzen für verschiedene Versicherungszweige, der am 9. April 1898 seinen Anfang nahm. Diese sukzessiv erlassenen Gesetze greifen seit dem Ancien Régime entwickelte versicherungsaufsichtsrechtliche Prinzipien auf und verbinden somit die alte und moderne Versicherungsaufsicht. In Zusammenschau bisheriger Ergebnisse konnte damit festgestellt werden, dass sich das Versicherungsaufsichtsrecht in Frankreich insgesamt sukzessiv entwickelt hatte.

G. Historische Rechtsvergleichung auch nach Solvency II Die Ergebnisse dieser Arbeit finden sich in der Einführung und in den Zusammenfassungen der Kapitel. Diese bilden die Grundlage weiterer rechtsvergleichender Forschung, ist doch zur Vergleichung die genaue Kenntnis des zu vergleichenden Gegenstandes zwingend notwendig. Doch weshalb sollte weitere rechtsvergleichende Forschung angestrebt werden? Allgemein kann Rechtsvergleichung den wissenschaftlichen Diskurs durch historische Argumente erweitern und zu neuen wissenschaftlichen Diskussionen anregen. Bereits Raisch vertrat, rechtstheoretische Überlegungen müssen mit der vergleichenden Sichtung vergangener und geltender Rechtsordnungen Hand in Hand gehen, wenn nicht nur eine formale Syntax des Rechts, sondern materiale Aussagen erzielt werden sollen.1 Daher ist auch bei der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Versicherungsrecht rechtsvergleichendes Arbeiten angebracht. Dies gilt nach Hellwege trotz voranschreitender Rechtsvereinheitlichung innerhalb der EU auch für das Versicherungsrecht, bildet die auf der rechtsvergleichenden Forschung beruhende Wissenschaft doch die Grundlage einer einheitlichen Anwendung und Akzeptanz des europäisch geprägten Versicherungsrechts. Um diese Grundlage zu schaffen, müssen nationale Unterschiede, welche historisch gewachsen sind, ausgemacht werden.2 Damit könnte die historische Rechtsvergleichung auch für die wissenschaftliche wie für die gesetzgeberische Auseinandersetzung mit der modernen Versicherungsaufsicht von besonderer Bedeutung sein. Dies leitet über zu der Frage, ob nach Inkrafttreten des neuen europäischen Aufsichtsregimes Solvency II3 überhaupt noch nationale Unterschiede bestehen und damit eine Rechtsvergleichung für Wissenschaft und Gesetzgebung im Bereich der 1

Raisch (1965), S. 13. Hellwege, ZRG GA 131 (2014), 265. 3 Im Folgenden als Solvency II bezeichnet. Solvency II fußt auf der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Verischerungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) vom 25. September 2009, ABl. EG 2009 L 335, 1 (im Folgenden Solvency II-RL), die u. a. durch die Richtlinie 2014/51/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG und 2009/138/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009, (EU) Nr. 1094/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 im Hinblick auf die Befugnisse der Eruopäischen Aufsihtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Verischerungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) (Omnibus II-Richtlinie) vom 16. Juni 2014, ABl. EG 2014 L 153, 1 geändert wurde. Im Folgenden wird die Solvency II-Rahmenrichtlinie schlicht Solvency II-Richtlinie genannt. 2

228

G. Historische Rechtsvergleichung

Versicherungsaufsicht von Relevanz ist. Diese Frage zielt auf den weiteren Vereinheitlichungs- bzw. Harmonisierungsbedarf ab. Um hierauf näher eingehen zu können, muss zunächst der durch Solvency II bezweckte und erreichte Grad der Vereinheitlichung bzw. Harmonisierung bestimmt werden. Grundsätzlich muss zwischen Vereinheitlichung und Harmonisierung differenziert werden. […] Rechtsvereinheitlichung [bezeichnet] die Errichtung einer einheitlichen Rechtsordnung anstelle mehrerer verschiedener Rechte. Harmonisierung bedeutet dagegen die Abstimmung mehrerer Rechtsordnungen aufeinander. Sie ist nicht auf Identität, sondern auf die Beseitigung von Disharmonien gerichtet. Harmonisierung ist in diesem Sinne ein Weniger gegenüber der Rechtsvereinheitlichung, möglicherweise eine Vorstufe zu dieser.4

Die Rechtsvereinheitlichung will eine Einheitlichkeit im normativen Bereich schaffen. Die Harmonisierung zielt auf das Schaffen einer wirtschaftlichen Einheit ab und ergibt sich aus wirtschaftspolitischen Bedürfnissen.5 Klar ist, dass durch Solvency II ein wichtiger Schritt im Harmonisierungsprozess des Versicherungsaufsichtsrechts innerhalb der EU erfolgte.6 Unklar ist jedoch, ob damit auch das gewünschte Ziel erreicht worden ist. Der konkret verfolgte Zweck der Solvency IIRichtlinie ist nicht eindeutig bestimmt und damit umstritten. Dreher/Lange und auch Bürkle gehen wie der überwiegende Teil der Literatur von einer grundsätzlich bezweckten Vollharmonisierung aus.7 Nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers war eine Vollharmonisierung jedoch zumindest nicht in allen Bereichen vorgesehen. Nationale Unterschiede sollten nur im zur Schaffung einheitlicher aufsichtsrechtlicher Rahmenbedingungen notwendigen Maß vereinheitlicht werden.8 Dies zeigen die Abweichungsbefugnisse der Mitgliedstaaten.9 Die durch die Richtlinie verfolgte Umsetzung nach einem Regel-Ausnahme-Modell mache jedoch deutlich, dass in den übrigen Bereichen ein Vollharmoniserungsansatz verfolgt wurde.10 Nach dem europäischen Gesetzgeber soll die Solvency-II-Richtlinie der Beseitigung der „schwerwiegendsten Unterschiede zwischen den für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen geltenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten“11 dienen. Wie wörtlich in Erwägungsgrund 15 dargelegt ist es schließlich Ziel „die Harmonisierung zu verstärken“12. Insofern ist nach Heukamp nicht von einer unbedingten Vereinheitlichung auszugehen.13 In jedem Fall fand faktisch keine Vereinheitlichung 4

Baumann, in: Dölle (1962), S. 165. Baumann, in: Dölle (1962), S. 165. 6 Heukamp (2016), S. 15. 7 Dreher/Lange, VersR 2011, 830; dies., VersR 2019, 6; Bürkle, VersR 2011, 1473. 8 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 18/2956, S. 227. 9 Z. B. Art. 213 ff. Solvency II-RL, Art. 304 Solvency II-RL. 10 Dreher/Lange, VersR 2011, 828. 11 Erwägungsgrund 2 Solvency II-RL. 12 Erwägungsgrund 15 Solvency II-RL. 13 Heukamp (2016), S. 14. 5

G. Historische Rechtsvergleichung

229

und in zahlreichen Bereichen auch keine Vollharmonisierung statt, so dass ein „Mehr“ an Harmonisierung – unabhängig von der politischen Frage, ob eine weitergehende Harmonisierung oder sogar eine Vereinheitlichung gewollt ist – möglich ist. Dass in bestimmten Bereichen auch nach Einführung von Solvency II Harmonisierungsbedarf besteht, zeigt sich an unterschiedlichen Stellen. Dem nationalen Gesetzgeber wurde ein weiter eigener Wertungs- und Gestaltungsspielraum gegeben. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe führt jedoch zu Auslegungsschwierigkeiten und macht Konkretisierung notwendig.14 Hierbei kann es national zu unerwünschten Unterschieden kommen. Ein einheitlicher Katalog zu Auslegungsfragen, welcher alle nationalen Unterschiede berücksichtigt, könnte dem entgegensteuern. Die Gefahr von Unterschieden wurde insbesondere auch im Bereich „recovery and resolution“ erkannt. In der Opinion to institutions of the european Union on the harmonisation of recovery and resolution frameworks for (re)insureres across the member states vom 5. Juli 2017 wurde die Einführung von sog. „recovery and resolution frameworks for (re)insurers“ zur Diskussion gestellt. Hierbei zeigte sich von Seiten der EIOPA (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), aber auch von Seiten der Versicherer der Mitgliedstaaten, dass hier auch nach Einführung von Solvency II Harmonisierungsbedarf fortbesteht.15 Generell steht das Aufsichtsregime Solvency II seit dessen Inkrafttreten auf dem Prüfstand, wie der BaFin Jahresbericht 2018 deutlich macht. Seit 2018 werden sog. Solvency-II-Reviews durchgeführt. Hierbei legte die Europäische Kommission eine Überarbeitung der Delegierten Verordnung vor, welche Durchführungsverordnungen zu Solvency II enthalten.16 Am 8. März 2019 wurde die Mitteilung zur Verordnung zur Änderung der Delegierten Verordnung herausgegeben.17 Dieses aktuelle Beispiel zeigt, dass im Regelwerk von Solvency II nicht nur Änderungsbedarf besteht, sondern Änderungen auch tatsächlich vorgenommen werden. Eine Überprüfung des Regelwerks wird auch in Zukunft weiterhin erfolgen. Bereits bei Inkrafttreten von Solvency II im Jahr 2016 wurde die Kommission zur Überprüfung bestimmter Teile des Regelwerks von Solvency II verpflichtet. Im Februar 2019 bat die Kommission die EIOPA daher um Technische Empfehlungen bis zum 30. Juni 2020.18 Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf14

Zu dieser Problematik eingehend Dreher, VersR 2019, 3 ff. Vgl. Opinion to institutions oft he european Union on the harmonisation of recovery and resolution frameworks for (re)insureres across the member states 5 July 2017, EIOPA-BoS/17 – 148; EIOPA Discussion Paper on potential harmonisation onf recovery and resolution frameworks for insurers 28 February 2017, ECO-17 – 018, S. 1. 16 BaFinJahresbericht 2018, S. 24 f. 17 Deligierte Verordnung (EU) …/… Der Kommission zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 zur ergänzun der rihtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Verishcerungs- und Rückversicherungstätkgeiten (Solvabililtät II) vom 8. März 2019, C (2019) 1900. 18 BaFinJournal März 2019, S. 29. 15

230

G. Historische Rechtsvergleichung

sicht) regt insbesondere Änderungen im Bereich einzelner Berichtspflichten, deren Umfang reduziert und welche generell vereinfacht werden könnten, an.19 Auch bezüglich der Eingriffsbefugnisse der EIOPA liegt – wenngleich diese bisher weder von der EIOPA noch von der BaFin zum drängenden Thema gemacht wurden – Diskussionsbedarf vor. Nach den Erwägungsgründen der Solvency II-Richtlinie hat die EIOPA Vermittlungs- und Beratungsfunktion.20 Die EIOPA ist damit nur Koordinierungsorgan. Es fehlt insofern an einer materiellen europäischen Aufsicht.21 Mithin kann und muss das Regelwerk des Aufsichtsregimes Solvency II geändert und angepasst werden. Dies gilt nicht nur aufgrund weiterhin existenter nationaler Unterschiede22, die eine weitere Harmonisierung notwendig machen, sondern auch im Hinblick auf Mängel des neu geschaffenen Aufsichtsregimes Solvency II. In beiden Fällen kann historisch-vergleichende Forschung helfen.

19

BaFinJahresbericht 2018, S. 24. Erwägungsgründe 103, 115 Solvency II-RL. 21 Heukamp (2016), S. 14 f., 140 ff. 22 Eingehend zu den versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungsdefiziten, insbesondere auch Umsetzungsdefizite im Bezug auf Vorgaben der Solvency II-RL im VAG, in Dreher, VersR 2019, 7 ff. 20

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Sachverzeichnis Agiotage 115 f., 123 f., 127, 133, 139, 144, 162 Amirautés 47, 50, 58, 65, 70 Amsterdam 57, 80 Ancien Régime 116, 118, 123 f., 128, 140 f., 143, 145, 148, 151, 170, 202 Antwerpen 57, 78, 80 Assurance contre l’incendie 75, 91, 133, 135, 137, 140, 153, 176 Assurance maritime 42, 69 Assurance sur la vie 98, 133, 140, 148, 195, 200 – 202 Assûrances sur la vie des personnes 76 Assûrances sur la vie des personnes, siehe Assurance sur la vie Assurances terrestres 45, 110, 134, 140 Assurances terrestres, siehe Assurance contre l’incendie Assurances terrestres, siehe Assurance sur la vie Autorisation, siehe Genehmigung Beaufleury 98 f. Breteuil 93, 97, 99 Caisse Lafarge 88, 156, 192 cautionnement 168, 209 Censeur 153 Chambre d’assurance 42, 63, 67 Chambre des Assurances et Grosses Avantures de la ville de Paris 64, 67 Clavière 93, 98, 105, 127 Code de Commerce 132, 135, 138, 142, 169 Colbert 42, 44, 52, 57, 68 Comité consultatif 211, 219 Commissaire 88, 97, 107, 143, 152, 159, 164, 185 f., 188, 193, 196 Commissaires aux comptes 154, 178, 186 Commissaires contrôleurs 211, 219 Commissaires de surveillance 154, 186 Commission de surveillance 193

Compagnie d’assurance contre incendies 91 Compagnie des Eaux 91 Compagnie Générale pour les Assurances et Grosses Aventures de France 68, 73 Compagnie Royale 88, 90, 99, 129, 170 Compagnies d’assurances, siehe Société d’assurances Contrôle 23, 205, 211, 218, 222 – Contrôle a priori 96, 151, 164 – Contrôle economique 25 – Contrôle financier 25, 106, 110, 223 – Contrôle juridique 25, 51, 112 – Contrôle permanent 96, 151, 164, 211 – Contrôle technique 25 Courtiers 47, 50, 58 Coutume d’Anvers 81 Enregistrement 210, 217, 221 Erlaubnissystem, siehe Konzessionssystem Feuerversicherungsgesellschaft, siehe Assurance contre l’incendie Französische Revolution 115, 145 Garantien, siehe Garanties Garanties 167, 209, 218 f. Genehmigung 55, 61, 64, 69 f., 89, 91, 98, 122, 124, 137, 142, 144, 146, 151, 155, 163 – 165, 169, 175, 177, 179 f., 190, 192, 200, 202, 210, 215, 217 Greffier 50, 58, 66 Guidon de la mer 46, 57, 77 Harmonisierung

228 f.

Inspecteurs de Finances Italien 82, 167

194

Sachverzeichnis Kapitalgesellschaften, siehe Sociétés de capitaux Konzessionssystem 21, 169, 174 Lebensversicherung, siehe Assurance sur la vie Merkantilismus 44 Mirabeau 92, 116, 118, 127 Monopolisierung 67 Mutuelles 135, 138 Mutuelles, siehe Sociétés mutuelles Niederlande 42, 46, 167 Normativsystem, siehe System der Normativbestimmungen Notaire 49 f., 58 Ordonnance de la Marine 45 f., 52, 57, 77, 102, 133 f. Ordonnance du Commerce 52 Ordonnance du Commerce 52, 146 Ordonnances royales 59 – Déclaration 59 – Édit 59 – Lettres patentes 59 – Ordonnance 59 Ordonnanz von Middelburg 82 Ordonnanz von Phillipp II. 81 Pénalité, siehe Sanktion Place commune & Jurisdiction des Prieur & Consuls des Marchand 63 Preußen 167 Privilège exclusif 92, 99, 102, 104, 127, 169 Publikation 54 Publizitätssystem 21, 54, 187 Publizitätsvorschriften 54, 187 Rechtsvergleichung 227 Régime d’autorisation 110, 179, 182, 187, 190, 197, 199, 217 Régime d’autorisation et de la surveillance 110 Régime d’autoritaire 175 Régime de publicité, siehe Publizitätssystem Registrierung 49 f., 54 f., 58, 66, 69 f.

247

Registrierung, siehe enregistrement Réserves 209 Sanktion 192, 213, 221 Schutztheorie 22 Seeversicherung, siehe Assurance maritime Société à responsabilité limitée 168, 178 Société anonyme 53, 60, 138, 142, 144, 178, 180, 184, 218 Société d’assurance 67 Société d’assurance sur la vie, siehe Assurance sur la vie Société en commandite 178 Société en participation 60 Société mutuelle 84, 121, 142, 182, 187, 198, 210, 218 Société par actions 53 Sociétés d’assurances à primes 142, 182 f. Sociétés d’assurances contre l’incendie, siehe Assurance contre l’incendie Sociétés de capitaux 53, 60, 116, 120, 124, 168 Sociétés de personnes 60 Sociétés en commandite 52, 60, 218 Sociétés en participation 53 Sociétés générales 52, 60 Spanien 46, 167 Spekulation 77 Spekulation, siehe Agiotage Strukturtheorie 22 Surveillance 106, 143, 151, 182, 191 f., 195, 200, 211, 215, 218 Syndicats de garantie 207 System der Normativbestimmungen 21, 187 Système réglementaire 200 Tabellion 49 Tontine 83, 127, 141, 155, 192 Tontinen 79 Überwachung 107, 200 Überwachung, siehe Surveillance Us et coutumes de la Mer 46 Vereinheitlichung 228 Versicherungsaufsicht 20 – Aufsichtssysteme 20

248

Sachverzeichnis

– Aufsichtstheorien 20 – Aufsichtszwecke, siehe Aufsichtstheorien – Versicherungstheorie 22 Versicherungspolice 49, 58, 186 Versicherungsvertrag 58, 71, 132

Verstaatlichung 67, 175 Vorsorge 115, 118 Wette

80

Zulassungssystem, siehe Konzessionssystem