Die Entwicklung der japanischen Poetik bis zum 16. Jahrhundert [Reprint 2018 ed.] 9783111661452, 9783111277080


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German Pages 145 [148] Year 1951

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Einführung
A. Die ersten Ansätze zur Gedichtkritik. Chinesische Einflüsse.
B. Beginn der rein japanischen Poetik in der Heian-Zeit.
C. Fujiwara Shunzei's Zeit.
D. Die Blütezeit der japanischen Poetik unter Fujiwara Teika.
E. Die Tradition Teika's in den Händen der Nijo-Schule.
F. Poetik und Buddhismus in der Muromachi-Zeit.
G. Ausklang bis zum Beginn der Tokugawa-Zeit.
Literaturverzeichnis
Index
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Die Entwicklung der japanischen Poetik bis zum 16. Jahrhundert [Reprint 2018 ed.]
 9783111661452, 9783111277080

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UNIVERSITÄT HAMBURG

Abhandlungen aus dem

Gebiet der Auslandskunde Band 56 Reihe B. Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen Band 31*

Die Entwicklung der japanischen Poetik bis zum 16. Jahrhundert von

Oscar Benl

HAMBURG CRAM, DE GRUYTER & CO. 1951

Die Entwicklung der japanischen Poetik bis zum 16. Jahrhundert von

Oscar Beni

Gedruckt mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft

HAMBURG CRAM, D E G R U Y T E R & C O .

1951

Die „Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde" (Fortsetzung der Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstituts) erscheinen in folgenden Reihen: A. Rechts- und Staatswissenschaften (auch politische Geschichte umfassend), B. Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen, C. Naturwissenschaften, D. Medizin und Veterinärmedizin. Sämtliche Zeitschriften und Sendungen, die den Druck u n d die Herausgabe der Abhandlungen betreffen, insbesondere sämtliche druckreifen Manuskripte bittet man zu richten An die Schrittleitung der Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde

H a m b u r g 13 Universität

Druck von J . J.Augustin, Glückstadt

Meinen

verehrten

Sen'ichi Kikan dankbar

Lehrern Hisamatsu Ikeda gewidmet

Inhaltsverzeichnis Seite

Einführung

IX-XIII

A. D i e ersten A n s ä t z e zur G e d i c h t k r i t i k . Chinesische Einflüsse. I . Die gedichtkritische Haltung im Nihongi und Manyöshü I I . Chinesische Einflüsse, das Bunkyö-hifuron I I I . Die vier japanischen „Normen", insbesondere das Kakyö-hyöshiki..

1 3 10

B. B e g i n n der rein japanischen P o e t i k in der H e i a n - Z e i t . I. Tsurayuki's Vorwort zum Kokinshü I I . Die „Zehn Stile" (jittai) von Tadamine

17 23

I I I . Die Gedichtwettstreite

30

IV. Fujiwara Kintö und sein Ideal des amari no kokoro

33

V. Konservative und fortschrittliche Strömungen

41

1. Tsunenobu und Michitoshi

42

2. Toshiyori und Mototoshi

43

VI. Die Kommentar-Richtung des Rokujö-Hauses

49

C. F u j i w a r a Shunzei's Zeit. I. Fujiwara Shunzei (Toshinari) und das yügen-Ideal I I . Shun'e und sein Ideal der stimmungsvollen Schlichtheit

52 63

I I I . Kamo no Chömei und der „alte Stil in neuer Zeit"

65

IV. Jökaku und der „Daruma-Stil"

69

D. D i e B l ü t e z e i t der japanischen P o e t i k unter F u j i w a r a Teika. I. Fujiwara Teika's Ideal des ushin- Stils I I . Die Fujiwara Teika fälschlich zugeschriebenen Poetik-Werke

70 85

I I I . Karon-Schriften japanischer Kaiser: 1. Go-Toba-In-mikuden

88

2. Yakumo-mishö

89

VIII

E. Die T r a d i t i o n Teika's in den H ä n d e n der N i j ö - S c h u l e . I. Der Aufstieg der Mjo-Schule: 1. Fujiwara Tameie

92

2. Fujiwara Tameaki

95

3. Fujiwara Mitsutoshi

96

II. Die Spaltung der Teika-Tradition in drei Schulen: Nijö, Kyögoku und Reizei

97

1. Nijö Tameyo

97

2. Kyögoku Tamekane

98

3. Reizei Tamesuke

101

III. Die Herrschaft der Nijö-Schule: 1. Das Nomori-kagami

101

2. Ton'a

103

3. Nijö Yoshimoto

106

F. P o e t i k und B u d d h i s m u s in der Muromachi-Zeit. I. Die Reaktion auf die erstarrende Nijö-Tradition

107

1. Fujiwara Nagachika

107

2. Imagawa Ryöshun

109

II. Shötetsu's Teika-Verehrung und Zen-Glaube III. Shinkei und die Dichtung der „Wahrheit und Stille"

112 121

G. A u s k l a n g bis zum B e g i n n der T o k u g a w a - Z e i t

127

Literaturverzeichnis

129

Index

131

Einführung I. Nach langsamer Herausbildung des fünfzeiligen Kurzgedichts als der fortan herrschenden lyrischen Kunstform begann man in Japan, angeregt durch chinesische Poetikschriften, bald selbständig über das Wesen und die Eigenart einheimischer Dichtung nachzudenken. Vom zehnten bis sechzehnten Jahrhundert stand das geistige und künstlerische Leben nicht nur, wie hinreichend bekannt, im Zeichen der lyrischen Kunst, sondern auch der Poetik. Die Fragen, wann ein Gedicht gut sei, welche Stile und Wertstufen es in der Dichtung gebe, faszinierten so sehr, daß eine große Zahl von Schriften darüber entstand. Die Autoren dieser Werke waren keineswegs „Regelmacher", sondern mit kritischem Verstand begabte Dichter, die aus der Fülle ihrer Intuition und Erfahrung heraus schrieben. Der Charakter dieser Poetiken ist zumeist normativ: von gewissen und sich im Lauf der Zeit wandelnden Idealen her beurteilte man den Wert einzelner Gedichte. Darüber hinaus dachte man aber auch ganz allgemein über das Wesen des lyrischen Schaffens nach und kam schon früh zu beachtlichen Erkenntnissen. Die vorliegende Arbeit versucht eine systematische Darstellung und Beurteilung der wichtigsten Poetikschriften vom neunten bis sechzehnten Jahrhundert und ist vor allem als ein Beitrag zur japanischen Literaturforschung, zur besseren Erkenntnis der einzelnen Stilperioden gedacht, bietet aber vielleicht gleichzeitig neues, vergleichendes oder bestätigendes Material für die allgemeine Literaturwissenschaft, deren „innersten Kreis" die Poetik ja darstellt1). Die Frage, ob eine Kenntnis dieser Schriften zu einem besseren Verständnis der japanischen Dichtung führen kann, muß allerdings vorsichtig beurteilt werden. Eine sorgfältige Lektüre dieser schwierigen und in ihren Einzelheiten immer noch umstrittenen Poetiken mag dann und wann dergleichen wohl zur Folge haben, doch setzen diese grundsätzlich ein inniges Verständnis der japanischen Lyrik als ihres eigentlichen Gegenstandes voraus. So empfiehlt es sich vielleicht, vorbereitend über zwei, eng miteinander verbundene Probleme nachzudenken: welche Verständnismöglichkeiten besitzen wir gegenüber der japanischen Dichtung und welche Stellung kommt dieser, von der europäischen Poetik her gesehen, zu ? 1. Da jede Dichtung wesentlich ein Wortkunstwerk ist, liegen die Schwierigkeiten in der naturgemäß unzureichenden Kenntnis der Wortnüancen, der Assoziationen und vor allem in unserem mangelnden Sinn für den besonderen Tonfall, den Klang, den Rhythmus, also die äußere und innere Musikalität der Sprache als den eigentlichen Stoff jeden Gedichts. Bei einer so völlig fremdartigen Sprache erscheint das „Miterleben in der sinnlichen Apperzeption des Sprachgebildes"2) J 2

) Wolfgang Kayser, Das sprachliche Kunstwerk, Bern 1949, S. 19. ) Emil Winkler, Das dichterische Kunstwerk, Heidelberg 1924, S. 21.

X in der Tat beinahe unmöglich, wenngleich bei vielem lauten Lesen gerade die „unvergleichliche Klarheit und sinnliche Greifbarkeit"1) der japanischen Wörter langsam an ein gewisses Verständnis heranführen mag. Die durch den Klang der Worte gesteigerte Innenwelt dieser Dichtung ist uns zunächst dadurch weitgehend verschlossen, daß wir die Atmosphäre japanischer Lebensformen sowie die geographisch-klimatisch bedingte Eigenart der Naturstimmungen, die ja seit jeher das ästhetische Naturerleben in Japan so besonders vertieften, nicht ausreichend kennen. Bei dem Versuch, diese Dichtung mitzuerleben, fehlt uns zweifellos die rechte Anschaulichkeit. Nach den Erkenntnissen der modernen Ästhetik setzt nun allerdings der Genuß lyrischer Dichtung keineswegs eine möglichst umfassende oder gar korrekte „Phantasieanschauung" voraus2), sondern es genügt, die Intensität der dichterischen Empfindung zu spüren, aber unsere lyrische Stimmung wird doch manchmal peinlich verschieden sein von der, die durch das gleiche Gedicht bei Japanern hervorgerufen wird. 2, Weniger entmutigend sind unsere Aussichten, jedoch, wenn wir die Frage prüfen, wie sich die japanische Art zu dichten mit unserer eigenen Poetikauffassung verträgt, denn da will es scheinen, als erfülle sich gerade in der japanischen Dichtung unsere ideale Vorstellung von Lyrik. Die übliche Einteilung der Dichtungen in lyrisch, episch und dramatisch ist bekanntlich mit Vorbehalt zu verstehen, in ihrer reinen Form existieren diese Kategorien kaum und die Zuweisung in eine von ihnen geschieht danach, welches Element jeweils vorherrschend erscheint. Aber was Lyrik im strengen Sinne eigentlich sei, ist schwer zu sagen. Der lyrische Dichter beschreibt jedenfalls nicht. Es gibt in seiner Schöpfimg kein Innen und Außen. „An irgendeiner Stelle im Laufe seines gleichgültigen Tages verwandelt das Dasein sich in Musik. Das ist die Gelegenheit die Goethe veranlaßt hat, jedes echt lyrische Stück ein Gelegenheitsgedicht zu nennen"8). Die chinesische Dichtung etwa schildert auf eine unvergleichlich feine und duftige, ja zweifellos höchst „lyrische" Art, aber sie berichtet zumeist, sie erzählt von menschlichen Schicksalen, geschichtlichen Ereignissen, von schönen Frauen, Räubern und Helden, ist also reich an epischen Elementen. Die japanische Dichtimg hingegen berichtet kaum, sie enthält Empfindungen, die überzeitlich und beinahe überpersönlich erscheinen. Hier sind Stimmungsaugenblicke festgehalten, hier geschieht im wahrsten Sinn ein „punktuelles Zünden der Welt im lyrischen Subjekt"4), wir erleben einen kurzen, aber lange nachschwingenden Aufklang, in dem wir die innere Einheit von Ich und Welt zutiefst erfahren. Die formalen Eigentümlichkeiten der japanischen Dichtung, ihre Kürze und Reimlosigkeit hängen mit der lyrischen „Dichte" ihres Gehaltes eng zusammen. x) Wilhelm Gundert, Die japanische Literatur, Wildpark-Potsdam 1929, S. 5: „Man halte gegen Blume das japanischste aller Wörter, hana, gegen Farbe iro, gegen Kirsche sakura, man vergleiche Frühling mit haru und aki mit Herbst! Diese Worte sind so unerreichbar echt und richtig, sind gerade so hingehaucht, wie ihr Gegenstand geschaut ist, daß man meinen könnte, die sichtbare Erscheinung selbst sei hier Klang geworden". 2) Johannes Volkelt, System der Ästhetik, München 1927, Bd. 1, S. 337f. 3 ) Emil Staiger, Grundbegriffe der Poetik, Zürich 1946, S. 49. 4 ) Fr. Th. Vischer: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen, 2. Aufl. München 1922—23, Bd. VI, S. 208. Staiger, a. a. O. S. 24f.

XI

„Alle echte lyrische Dichtung dürfte nur von beschränktem Umfang sein"1). Es widerspricht wohl der Intensität des lyrischen Augenblicks, ihn durch darauffolgende, die sein langsames Ausschwingen beeinträchtigen würden, abzulösen. Der Verzicht auf den Reim hängt sicher auch mit dem besonderen Vokalreichtum der japanischen Sprache zusammen, in der jedes Wort auf einen Vokal endigt, im übrigen gehört aber der Reim und seine klangmagische Wirkung keineswegs zum Wesen der Lyrik, es ist hier vielmehr, „als würde die Musik aus einer anderen Quelle geschöpft"2). Auch eine dritte formale Eigentümlichkeit der japanischen Lyrik ist scheinbar negativ: es fehlen metrische, Vorschriften. Aber „je reiner lyrisch ein Gedicht ist, desto mehr verleugnet es die neutrale Wiederholung des Taktes, nicht in Richtung auf die Prosa, sondern zugunsten eines im Einklang mit der Stimmung sich wandelnden Rhythmus"3). Und Rhythmus besitzt die japanische Lyrik zweifellos, Rhythmus als die bei jedem Gedicht anders gestaltete innere Spannung und Schwingung. Die japanische Dichtung ist also sowohl ihrem Gehalt als auch ihrer äußeren Gestaltung nach gerade vom Standpunkt der europäischen Poetiklehre Lyrik in einem sehr reinen und strengen Sinn, und in dieser Tatsache liegen bei allmählich reifendem Sprachgefühl unsere kleinen Verständnismöglichkeiten. II. Der Begriff der japanischen Poetik ist von dem der europäischen leicht verschieden. Zwar macht auch in Japan „das lebendige Gefühl der Zustände und die Fähigkeit es auszudrücken"4) einen Dichter, doch dieser ist keineswegs „ein luftiges, leichtbeschwingtes und heiliges Wesen und nicht eher imstande zu dichten, als bis er in Begeisterung gekommen und außer sich geraten ist und die klare Vernunft nicht mehr in ihm wohnt"5). Er dichtet nicht „vermöge göttlicher Führung", und seine Kunst ist nicht „eine Art Doppelgängerin oder gar die Mutter der Philosophie"6), ist anderseits aber auch nie der Moral oder Pädagogik dienstbar gemacht worden. Während im Abendland Boethius die Musen als Buhldirnen aus der Zelle seines Gefängnisses verwies und gar der heilige Hieronymus die Lektüre der heidnischen Dichter als Teufelsspeise verdammte7) und große und gelehrte Bücher zur Verteidigung der Dichtkunst geschrieben werden mußten8), war in Japan das Dichten seit jeher die natürlichste und edelste Kunst. Aber dies war nur möglich, weil man dort käum etwas anderes als zarte und feine Naturund Liebeslyrik schrieb und schreiben konnte. Man unterscheidet in der japanischen Poetik im allgemeinen den umfassenderen Begriff des kagaJcu, die „Wissenschaft von der Dichtung", und den engeren das Staiger, a. a. O. S. 25. ) Staiger S. 37. 3 ) Staiger S. 30. 4 ) Goethe, Gespräche mit Eckermann, 11. Juni 1825. 5 ) Piaton, Sämtliche Werke, Berlin 1940, „Ion" (Übersetzung von Franz Susemihl), S. 137. 6 ) Karl Vossler, Poetische Theorien in der italienischen Frührenaissance, Berlin 1900, S.5. ') Vossler S. 59. — Über die üblichen Einwände, welche bis zum 16. Jahrhundert gegen die Dichtung vorgebracht wurden, s. J. W.H.Atkins.EnglishLiteraryCriticism: The Renascence, London 1947, S. 103ff. 8 ) So etwa von Sir Philip Sidney (1554—86) die „Apology for Poetry", eine der bedeutendsten Leistungen der englischen Literaturkritik. Vgl. Atkins, a. a. O. S. 113ff., 137. s

XII

Icaron, die „Poetik" im eigentlichen Sinn. Zur Erläuterung spachlich schwieriger Gedichte verfaßte Schriften, Sammlungen von Anekdoten über Gedichte und Dichter, wie etwa das Fukuro-söshi (s. u.), — gehören zum Icagalcu, während das Korai-fütaishö (s. u.), welches nach dem Wesen der Dichtung und ihrem im Lauf der Zeiten veränderlichen Ideale fragt, oder das Maigetsushö (s. u.), welches vorzugsweise Stilprobleme behandelt, karon darstellen. Die Grenze zwischen diesen beiden Gebieten ist aber gelegentlich nicht leicht zu ziehen, denn einerseits enthalten oft karon- Schriften Material zu rein philologischen oder literaturgeschichtlichen Fragen, wie andererseits kagaku-Werke wertvolle Zitate aus reinen JcaronSchriften bergen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich grundsätzlich nur mit der japanischen Poetik im engeren Sinne, erweitert aber, wo es tunlich erscheint, gelegentlich ihren Rahmen. Die formalen Eigentümlichkeiten der japanischen Poetiken folgen alle daraus, daß es sich bei ihnen um künstlerische Schöpfungen handelt. Die Verfasser sind fast immer hervorragende Dichter, deren Schriften über die Poesie naturgemäß alle Wesenszüge der japanischen Literatur tragen. Es sind also intuitiv niedergeschriebene Essays, keine wissenschaftlichen Darstellungen und so fehlt es bei ihnen an der Logik des Aufbaus wie auch an der Klarheit und Einheitlichkeit der Begriffe. 2. Die drei wichtigen Fragenkomplexe sind etwa folgende:1) a) Das Verhältnis von Inhalt und Form. Die Auffassungen unterscheiden sich vor allem in dem Nachdruck, der auf das eine oder das andere gelegt wird, wobei man sich jeweils auf den Geist repräsentativer Gedichtsammlungen zu berufen pflegte: die Richtung des kokoro (Inhalt, Empfindung) auf das Manyöshü, in dessen Gedichten ein starkes Gefühl ganz unmittelbar zum Ausdruck kommt — die des kotoba (Form, Ausdruck) auf das Shinkokinshü, das sich durch eine besonders verfeinerte, suggestive Worttechnik auszeichnet — und schließlich jene Richtung, die sich um eine Harmonie dieser beiden Elemente bemühte. b) Der Charakter des Inhalts. Obwohl in fast allen Poetiken, wenn auch mit verschiedenem Nachdruck, das „tiefe Gefühl" als die Grundlage der Dichtung bezeichnet wurde, war doch der Charakter dieses Gefühles verschieden. Die Unterschiede bestanden darin, ob man männliche Kraft, sanfte Anmut oder stille Versunkenheit bevorzugte. Auch hier vertraten die wichtigsten offiziellen Anthologien gleichzeitig die verschiedenen Richtungen: das Manyöshü der Nara-Zeit die Kraft, das Kokinshü der Heian-Zeit die Anmut, und das Shinkokinshü der an seelischen Erschütterungen reichen Kamakura-Zeit die Tiefe. Diese Grundhaltungen wurden in den Poetiken durch fein nüancierte und daher heute schwer verständliche Begriffe bezeichnet, die überdies im Laufe der Zeit eine Entwicklung ihres Sinns erfahren haben. c) Die Art der für die Dichtung tauglichen Worte. Die Meinungsverschiedenheiten bestanden darin, ob nur vornehme oder auch alltägliche, würdevoll alte oder auch neue, moderne Worte verwendet werden dürften. Gewisse Poetiken

1

) Hisamatsu Sen'ichi, Nihon-bungaku-hyöronshi, Tokyo 1938, Bd. III, S. 333f.

XIII

stellten eine Liste von „verbotenen Worten" auf, andere forderten absolute Freiheit des dichterischen Ausdrucks. III. Die vorliegende Arbeit, die erste in einer nichtjapanischen Sprache geschriebene Einführung in die Entwicklung der mittelalterlichen Poetik Japans, war nur auf Grund bereits vorliegender ausgezeichneter Arbeiten von japanischen Gelehrten wie Sasaki Nobutsuna, Hisamatsu Sen'ichi, Okazaki Yoshie, öba Shunsuke, Kubota Utsubo, Koyama Keiichi u. a. möglich. Wenn darüber hinaus ergänzende eigene Betrachtungen versucht worden sind, so verdanke ich dies den geduldigen Bemühungen meiner sehr verehrten Lehrer Professor Hisamatsu Sen'ichi und Professor Ikeda Kikan, mich in den Geist der japanischen Literatur einzuführen. Des einheitlichen Überblicks halber wurde die Entwicklung der Poetik bis zum 16. Jahrhundert dargestellt, die Betrachtung aber doch trotz des umfangreichen Stoffes auf das Kurzgedicht (Tanka) beschränkt und die Untersuchung der sich auf die unbedeutenden Kettengedichte (Renga) beziehenden Poetiktheorien einem späteren Zeitpunkt vorbehalten. Ebenso wurden, obgleich eine Kenntnis der in europäischen Sprachen geschriebenen japanischen Literaturgeschichten im übrigen vorausgesetzt wird, die dort nicht behandelten Beziehungen zwischen den Poetiken und der tatsächlichen Dichtung der einzelnen Jahrhunderte nur beiläufig gestreift, da ohne eine vorausgehende, gründliche stilkritische Untersuchung der offiziellen Anthologien ein solches Unternehmen doch wohl nicht zu verantworten ist. Auch die reizvolle Aufgabe, die japanische Poetik mit der europäischen zu vergleichen, kann wirklich fruchtbar erst nach einem Überblick über die gesamte japanische Poetik gewagt werden. Der Mangel an Texten wurde im Verlauf der Arbeit stets peinlich empfunden. Zugrunde liegt die von Hisamatsu Sen'ichi getroffene Auswahl mittelalterlicher Poetikschriften (Chüsei-karon-shü, Tokyo 1934) sowie das Gunshoruijü (Tökyö 1904) und Zoku-Gunshoruijü (Tökyö 1912); für die Photodrucke des Kakyöhyöshiki und Bunkyö-hifuron bin ich den Professoren Hisamatsu und Tsuji zu großem Dank verpflichtet. Bei einigen, allerdings weniger wichtigen Poetiken (etwa Nomori-kagami, Yakumo-mishö) war ich leider auf bereits vorhandene Darstellungen angewiesen. Auf dem Gebiet der chinesischen Poetik bin ich von meinem verehrten Lehrer Professor Dr. Fritz Jäger sowie von Professor Dr. Walter Fuchs und Professor Öba Shunsuke freundlich beraten worden. Aus Raumgründen war eine Wiedergabe sämtlicher Zitate im Original unmöglich, sie geschah nur bei besonders typischen, originellen oder umstrittenen Formulierungen. Um der Kostenersparnis willen wurde der Gebrauch der chinesischen Schriftzeichen auf die unumgänglichen Fälle beschränkt. Der Universität Hamburg, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, besonders aber Herrn Professor Dr. Walther Schubring, der als Redaktor der „Abhandlungen" die Drucklegung meiner Arbeit ermöglichte, sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Hamburg, September 1951

Oscar Beni

A. Die ersten Ansätze zur Gedichtkritik. Chinesische Einflüsse. I. D i e g e d i c h t k r i t i s c h e H a l t u n g i m N i h o n g i u n d M a n y ö s h ü . Ansätze zu einem literarkritischen Bewußtsein hat es wohl schon vor den eigentlichen Poetikschriften gegeben. Allein die Tatsache der allerdings recht umstrittenen Benennungen der Lieder und Gedichte im Kojiki, Nihongi und in den Fudoki läßt erkennen, daß man je nach der Melodie, dem Vortragenden oder dem Inhalt der kleinen, volkstümlichen Schöpfungen bewußt zu unterscheiden vermochte. Das Heimwehlied im Kojiki1) von Yamatotakeru no mikoto auf dem Nobu-Feld und das im Nihongi2) von Keikö Tennö in Tsukushi heißen beide etwa Icuni-shinubi-uta, Lied der Heimatsehnsucht, und das Lied von Takeuchi no sukune, in dem er eine eierlegende Wildgans feiert (Kojiki)3) gehört zur Gattung der hogi-uta, der Glückwunschlieder. Solche dem Inhalt nach getroffenen Unterscheidungen können eigentlich nur in sehr weitem Sinne als PoetikVersuche gelten, bedeutsamer ist jedoch eine Stelle im 17. Buch des Nihongi, wo der Prinz Magari no Ohine sich mit der Prinzessin Kasuga verlobt und es heißt : „ . . so pflegten sie die ganze Mondnacht hindurch vertraute Zwiesprache, unversehens graute der Tag, und da bemächtigte sich plötzlich seiner Worte eine ganz besondere Schönheit, und er dichtete dieses Lied: , 0 Land der acht Inseln. ."' 4 ). Hier schimmert bereits die Erkenntnis hindurch, daß ein besonders starkes Gefühl sich gelegentlich und ganz unbewußt einer den Alltag überragenden, schönen und mächtigen Sprache bedient und die wundersame Blüte eines Gedichtes treibt. Da sich aber das Nihongi einer allgemeinen Formulierung enthält, können hier die ersten Ansätze zu einer wirklichen Poetik nur vermutet werden. Die Frage, ob bei der Zusammenstellung von Anthologien, also doch zum überwiegenden Teil bewußten künstlerischen Schöpfungen, literarkritische Gesichtspunkte maßgebend waren, ist schwer zu entscheiden. Gedichtsammlungen gab es jedenfalls bereits vor dem Manyöshü, sie sind zum Teil sogar namentlich darin erwähnt, wie etwa das von Yamanoé no Okura zusammengestellte Ruijü-karin6) sowie verschiedene private „Haussammlungen" (kashü Üc M) von Kakinomoto !) B. H. Chamberlain, Translation of Ko-ji-ki, 2. Aufl. Köbe 1932, S. 266, femer Iwao Kinoshita, Koziki, Tökyö-Berlin 1940, S. 122. 2 ) W. G. Aston, Nihongi, TJSL 1896, Vol. I, S. 197. 8 ) Chamberlain, a. a. O. S. 344, 345. 4 ) Aston, a. a. O. Vol. II, S. 10. 6 ) Das Original war bereits in der Spät-Kamakura-Zeit verloren, der Name dieses Werkes ist aber in anderen Werken, wie dem Manyöshü (1., 2., 9. Buch), Fukuro-söshi (s. u.) und Yakumo-mishö (s. u.) erwähnt. Die Auswahl scheint besonders gute Gedichte umfaßt zu haben. Vgl. Yoshida Köichi, Ruijü-karin-kö und Ruijü-karin-zokkö in Kokugo to Kokubungaku 1939, Heft 3 und 1940, Heft 8. l Beni

1

no Hitomaro, Takahashi no Mushimaro und Kasa no Kanamura, welche alle bei der Zusammenstellung des Manyöshü als Materialquelle gedient haben. Diese Sammlungen sind aber heute nicht mehr erhalten, und so kann über ihre Struktur nichts ausgesagt werden. Die „Haussammlung" von Hitomaro scheint jedoch nach sachlichen Gesichtspunkten geordnet gewesen zu sein1), und schon der Name, des Ruijü-karin: „Gruppierter Gedichtwald" beweist, daß hier bewußt Gedichte von jeweils gleicher Art zusammengefaßt waren. Die Frage, ob das Manyöshü selbst konsequent nach gedichtkritischen Gesichtspunkten kompiliert wurde, muß wohl verneint werden, jedoch enthält dieses gelegentlich Formulierungen, die immerhin ein kritisches Bewußtsein andeuten. Man unterscheidet etwa im 4., 15. und 17. Buch einen alten und neuen Stil, im 20. Buch gute und weniger gute Gedichte, j a man ist sich sogar der individuellen Stileigentümlichkeiten der verschiedenen Dichter bewußt, wie etwa im 5. Buch (Gedicht 906), wo es heißt, der Verfasser dieses Gedichts sei zwar unbekannt, aber sein Stil gleiche dem von Okura2). Ansätze zu kritischem Urteil sind ferner darin zu sehen, daß man die Gedichte nach objektiven Prinzipien einteilte, so etwa nach dem Stoff (,scmon-Liebesgedichte, banka Trauergedichte, zakka Gedichte verschiedenen Inhalts), nach der Form (chöka Langgedichte, tanlca Kurzgedichte, sedöka zweistämmige Gedichte)3) und vor allem nach der dichterischen Haltung (shöjutsushinjo-ka IE Mi Hfc)4), d. h. Gedichte, bei denen die Empfindung direkt geäußert wird, kibutsu-chinshi-ka % % ffi» d. h. Gedichte, bei denen das Gefühl unter Zuhilfenahme sichtbarer Objekte geschildert wird, hiyu-ka it % (allegorische Gedichte). Die letztere Unterscheidung, also ob das Gefühl des Dichters direkt oder indirekt zum Ausdruck gebracht wird, beruht auf einer objektiven Stilüberlegung und enthält wohl am meisten gedichtkritische Elemente. Sie ist jedoch von chinesischen Vorbildern, insbesondere den Rikugi Ü beeinflußt, von denen noch ausführlich die Rede sein soll7). Von wem das Manyöshü zusammengestellt worden ist, kann heute nicht mehr mit Sicherheit nachgewiesen werden, aber es dürfte doch wohl in seiner heutigen Gestalt zum großen Teil das Ergebnis des kritischen Geistes des in der chinesischen Kultur äußerst bewanderten Dichters ötomo no Yakamochi sein8). 1 ) Nach der aus China übernommenen und etwa noch im Wamyöruijüshö von Minamoto Shitagau beibehaltenen Einteilung: Götter, Himmel und Erde, Pflanzen, Tiere, Gegenstände. Diese Anordnung ist bei der Übernahme von Gedichten dieser „Haus-Sammlung" in das 11. und 12. Buch des Manyöshü weitgehend beibehalten worden. Vgl. Hisamatsu Sen'ichi, Nihon-bungaku-hyöronsbi I, S. 61f. 2 ) Vgl. Pierson, The Manyöshü, Vol. V, Leiden 1938, S. 221. 8 ) Über weitere Einteilungen dlm Stoff und der Form nach s. Florenz, Geschichte der japanischen Litteratur, Leipzig 1909, S. 17, 83. 4 ) So im 11. und 12. Buch. Vgl. im übrigen Inukai Takashi Shöjutsu-shinjo-ka no hyögen ni tsuite, Kokugo to Kokubungaku 1940, Heft 10. 5 ) So im 7., 11. \ind 12. Buch. Vgl. im übrigen Nakajima Mitsukaze Jösei-kagaku no kenkyü, S. 297—346: Kibutsu-chinshi-ka-ron. 6 ) So im3., 10., 14. Buch. Der Unterschied zwischen den kibutsu-chinshi-ka und den hiyu-ka besteht darin, daß bei den ersteren nur ein Teil des Gedichts einen Vergleich enthält, die letzteren aber in ihrer Ganzheit einen solchen darstellen. 8 ') S. u. S. 20. ) Hisamatsu, a. a. O. I. S. 68.

2

II. Chinesische E i n f l ü s s e , das B u n k y o - h i f u r o n . Das goldene Zeitalter der japanischen Dichtung waren die hundert Jahre vom Ende der Asuka- (552—644) bis zur Mitte der Nara-Epoche (710—765). Die ersten Anzeichen des Verblühens waren gegen Ende der Nara-Zeit schon recht offenbar, und bis in die ersten Jahrzehnte des Heian-Zeitalters ist eigentlich kein überragender Dichter mehr aufgetreten. Dafür drang aber dank des durch Priester und Gelehrte getragenen kulturellen Verkehrs mit China1) die überwältigende Pracht der T'ang-Dichtung in Japan ein. Die Japaner bewunderten die chinesischen Meisterwerke ohne Vorbehalt, versuchten aber dann auch ihrerseits, chinesisch zu dichten. Bereits 751, also 8 Jahre vor dem letzten ins Manyöshü aufgenommenen Gedicht, erschien — vermutlich von ömi no Mifune zusammengestellt — das Kwaifüsö, und zu Beginn des 9. Jahrhunderts entstanden dann weitere Sammlungen2). Gleichzeitig drangen chinesische Poetikschriften ein, insbesondere fanden die Werke vonLiuHsieh Wi $§ 3 ) und Chung Hung Mli^4) weite Verbreitung. Eine Zusammenfassimg dieser Poetiken geschah dann durch den großen japanischen Mönch und GelehrtenKükai jH5), der sich schon in früher Jugend mit chinesischer Literatur beschäftigt hatte6), 803 nach China reiste und nach seiner Rückkehr, etwa 819, eine große Zahl mitgebrachter chinesischer Poetikschriften aus der Zeit von den SechsDynastien bis zur T'ang-Zeit systematisch auswertete7) und mit eigenen Urteilen versah. Das Ergebnis dieser seiner Bemühungen ist das B u n k y ö - h i f u r o n 3t ü ISt8) sowie der kurz darauf verfaßte Auszug dieser Schrift, das Bumpitsu1

) Sansom, Japan, A short cultural history, London 1931, S. 80fE. ) So gegen 814 das Ryöunshü von Ono no Minemori zusammengestellt, sodann das BunkwashQreishû, 818 von Fujiwara Fuyutsugu herausgegeben, und das Keikokushü, 827 von Yoshimine no Yasuyo kompiliert. s ) Über ihn und sein Poetikwerk Wen-hsin tiao-lung vgl. G. Margouliès, Évolution de la prose artistique chinoise, München 1939, 8. 124—6. *) Sein Poetikwerk heißt Shih-p'in f f ¿jj, (auch Shih-p'ing f f vgl. u. S. 33, Anm. 5. 6 ) 774—835. Über ihn als Gründer der japanischen Shingon-Sekte s. W. Gundert, Japanische Religionsgeschichte, S. 56 ff. Über seinen Lebenslauf und seine geschichtliche Bedeutung s. H. Bohner, Jinnöshötöki, Bd. II, Tökyö 1940, S. 146. •) Er wurde schon als 13jähriger durch seinen Onkel Ötari Ato in die chinesische Literatur eingeführt, ging mit ihm nach Nara, trat mit 17 Jahren in die sinologische Abteilung (Myö-kyö-ka) der Hofakademie ein und studierte dort die chinesischen Klassiker, besonders das Buch der Lieder. — Chinesische Gedichte von Kükai finden sich im Keikokushü (s. o.) 7 ) E r schreibt darüber in seiner Einleitung zum Bunkyö-hifuron (s.u.) : „Als ich die Systeme der verschiedenen Autoren durchlas und prüfte, worin sie übereinstimmten und worin sie verschieden waren, fand ich wohl die Zahl der Bände und Schriftrollen recht stattlich, aber die der wesentlichen Ideen bedeutend geringer. Die Bezeichnungen waren oft verschieden, aber ihr Sinn gleich; das rankende Unkraut erschien mir erheblich. Und da ich von meiner Gewohnheit nicht lassen konnte, strich ich die Wiederholungen und ließ die einfachen Tatsachen." 8 ) Der Titel bedeutet: Kritische Sichtung (ron) der in den kaiserlichen Bibliotheken (hifu) enthaltenen Werke (Spiegel-kyö) der Dichtkunst (bun). — Eine zuverlässige Textausgabe ist von dem Töyö-bunka-kenkyüjo herausgegeben worden, sie liegt der vorliegenden Darstellung zu Grunde. 2



3

ganshinshö 3t l|E ffl£ beide auch in ihren Titeln chinesischen Vorbildern folgend2). Die Bedeutung des Bunkyö-hifuron liegt einmal darin, daß es heute gewissermaßen ein Kompendium der chinesischen Poetikschriften bis zur T'ang-Zeit darstellt und durch die Aufnahme zahlreicher, inzwischen bereits verloren gegangener Poetikwerke3) für das Studium der chinesischen Poetik in der Tat eine der wesentlichsten Quellen bildet, zum anderen darin, daß es in Japan damals das Nachdenken über Wesen und Formen der Dichtung gewaltig angeregt hat. Die ersten japanischen Poetiken stehen ganz und gar unter chinesischem Einfluß. Zwar sind in Japan chinesische Poetikwerke bereits vor Zusammenstellung des Bunkyö-hifuron bekannt gewesen — das Kakyö-hyöshiki (s. u.) ist 18 Jahre vorJ

) Der Titel bedeutet: Aufzeichnungen (shö) über das Wichtigste (Auge und Herz: ganshin) von Poesie (bun) und Prosa (hitsu). 2 Jfö jfiL und /ff > das ) Das Bunkyö-hifuron erinnert in seinem Titel an die Werke Bumpitsu-ganshinshö an % ^ ijg und f # , sowie Mi I i 3 ) Die wichtigsten im Bunkyö-hifuron zitierten chinesischen Poetikwerke sind: Shen Yo (441—513) % ^J Szü-sheng p'u-lun H3 HÜ ffe FanYeh(+445)f£^ Szü-sheng tsan-lun 0 HJ ffe Hsieh Kung ¡fft fe Szü-sheng fu-piao L fc U 7~> L und j s Ö • Di® verschiedene Kana-Schreibweise erklärt sich leicht, da nach Hashimoto £ ^ und i. Jä in der Heianzeit gleich lauteten. Wann aber entstand die Wiedergabe mit den Schriftzeichen Q ? Wurden diese gewählt, weil sie dem ursprünglichen oder doch wenigstens damaligen Sinn des Wortes entsprachen ? Soweit zu übersehen ist, sagt Okazaki, haben die Verfasser des Guhishö (s. u.) und Sangoki (s. u.), welche alle Stilbezeichnungen in chinesischen Schriftzeichen wiedergaben, bei dem töshiroshi-Stil diese Zeichen zum erstenmal gebraucht, sie sind vielleicht von ihnen geprägt worden. — Der Inhalt des töshiroshi wird auch durch den Zusammenhang in den von Okazaki zitierten Karon-Stellen nicht klarer. Da es im Toshiyori-zuinö zusammen mit take-dakashi gebraucht wird, ist es seinem Charakter nach wohl mit diesem verwandt; bedenkt man ferner, daß der töshirosih-Stil im Guhishö und Sangoki mit den Nebenbezeichnungen ¡gj |Jj, bzw. jgj |jj und verbunden ist, so erscheint die Vermutung berechtigt, daß es auch hier in einem ähnlichen Sinn wie in den beiden Manyöshü-Gedichten zu verstehen ist, also die Großartigkeit und Weite der Natur preist.

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(4) Icolcoro wo saki to shite kotoba wo motomuru uta: Gedichte, bei denen das Gefühl an erster Stelle steht und erst an zweiter an das rein Sprachliche gedacht wird. (5) yolci uta ni tsuyoki kotoba soetaru uta: gute Gedichte mit starken Worten. (6) fuzei (IM. fn) amari sugitaru uta: Gedichte mit überfließender Stimmung. Seinem Inhalt nach kommt dieser Stil etwa Tadamine's yojö undKintö's amari no kokoro nahe. (8) sue nadaraka na uta: Gedichte, die besonders gegen Schluß hin glatt und flüssig klingen. Diesem Stil entspricht etwa die ForderungKintö's wie sie u. a. im Wakakubon (II, 1) „kotoba todokörazu" in negativer Formulierung erscheint. (10) gen'i to kikoyuru uta: Gedichte, die wirklich so (d.h. gedichtmäßig) klingen, wie sie sollen. Ein Vergleich mit Kintö's arubeki sama im Waka-kubon (II, 2) und Teika's koto-shikarubeki-Stii (s. u.) liegt nahe. (11) kokorozashi misemu to yomeru uta: Gedichte, die in der Absicht geschrieben sind, Empfindungen zu zeigen. Eine Aufzählung der übrigen, ebensowenig wertmäßig geordneten Stile erübrigt sich wohl, da sie darüber hinaus nichts Neues bringen. Toshiyori's nicht immer klare Poetik läßt sich wohl dahin zusammenfassen, daß er sich einerseits keineswegs mit dichterischer Naivität begnügte, anderseits aber auch keine stimmungsvoll tiefe und stille Sphäre gefordert hat. Seine Sympathie gehört den Gedichten, die in einer äußerlich gewandten und fließenden Form etwas Elegantes und Neues enthalten. Toshiyori's geschichtliche Bedeutung liegt auch mehr in seiner eigenen Poesie, wo er Unvergängliches geleistet hat. Teika sagt lobend über ihn: „Er überläßt sich der Quelle seines Herzens, so wie sie sprudelt"1). Im Gegensatz zu seinem Gegenspieler FujiwaraMototoshi ist seiner Persönlichkeit etwas Großzügiges und Weitherziges eigen, und dies hat ihm die Bewunderung und Verehrung seiner Zeitgenossen verschafft. Als Dichter war er kühner und freier und als Mensch viel bescheidener als Mototoshi2), der ihn aber als Kritiker zweifellos überragte. b) Die Auffassung von F u j i w a r a M o t o t o s h i H Jjf^ 3 ) über die Dichtkunst ist nur aus seinen allerdings ziemlich zahlreichen Uta-awase-Urteilen zu ersehen. Die Poetikschrift Etsumokushö 1Ä @ # 4 ) , die ihm lange zugeschrieben worden ist, stammt wohl nicht von ihm. 1

) Im Kenchü-mikkan (s. u. S. 70 Anm. 3). Sasaki, a. a. O. S. 32. ) Im Kwampaku-Naidaijin-no-ie-no-uta-awase (1121), bei dem Toshiyori und Mototoshi gleichzeitig Urteiler waren und beide auch über ihre eigenen Gedichte zu entscheiden hatten, lehnte Toshiyori seine Gedichte ab oder sprach das Urteil „unentschieden"; Mototoshi hingegen erkannte den seinen den Sieg zu. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 265. 3 ) 1055—1142. Er war befreundet mit Munetada, in dessen Sakubundaitai (s. o.) der Stil yojö-yügen erwähnt ist. Seine chinesischen Gedichte finden sich im Honchö-mudaishi |f£ gg f^p, einer angeblich auf Befehl von Fujiwara Tadamichi (1097—1164) kompilierten Sammlung chinesischer Gedichte von Japanern (Gunshoruijü Bd. 128). 4 ) Das heute als solches bezeichnete Etsumokushö (Gunshoruijü Bd. 291) scheint eine Zusammenstellung aus Bemerkungen im Toshiyori-zuinö, Yakumo-mishö, Hinokawakami und Jikkinshö zu sein. Das von Mototoshi verfaßte gleichlautende Werk war — nach Sasaki, a. a. O. S. 31 — gar kein Karon, sondern eine Sammlung guter Gedichte. Da Mototoshi aber 2

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Mototoshi setzt die Tradition von Tsurayuki, Kintö und Michitoshi fort. Gegenüber den gelegentlich recht subjektiven Urteilen von Toshiyori besitzt er die Fähigkeit zu objektiver Kritik, aber es fehlt ihm an intuitiver Urteilskraft, wie sie noch Tsurayuki und Kintö eigen war. Er war ein bedeutender Kenner des Manyöshü, empfahl jedoch, trotz seiner konservativen Einstellung, nicht dieses, sondern vielmehr die Sandaishü zum Vorbild zu nehmen, und er lobte die Gedichte seiner Zeit, welche in Geist und Ausdruck diesen Anthologien nahe kamen. Mototoshi ist in seiner Haltung durchaus konservativ, und doch hat er für die japanische Poetikgeschichte durch Einführung zweier, fortan überaus wichtiger Prädikate in den Wortschatz der Uta-awase-Urteile besondere Bedeutung erlangt. Das eine ist en îtê, das dem bisherigen yü sehr nahe kommt und vermutlich aus der chinesischen Poesie übernommen ist1). Es kann etwa mit „anmutig, elegant" über setzt werden, spielt vor allem bei Mototoshi's Schüler Shunzei (Toshinari) eine bedeutende Rolle und soll in diesem Zusammenhang genauer betrachtet werden. Das andere ist yügen ^ Mototoshi hat diesen bedeutendsten Karon-Begriff als erster in seinen Uta-awase-Urteilen verwendet. Wie oben dargelegt, taucht das yügen bereits in der chinesischen Vorrede zum Kokinshü sowie bei Tadamine in seiner Erklärung des fcöjo-Stils auf. Ob Mototoshi diesen Begriff direkt aus dem Chinesischen oder aus japanischen Quellen übernommen hat, kann natürlich nicht mehr eindeutig festgestellt werden. Was versteht er aber unter dem yügen ? der Lehrer von Fujiwara Shunzei war, wollte die sich von jenem bzw. dessen Sohn Teika herleitende Nijö-Schule unter dem Namen des Etsumokushö (die von Mototoshi stammende Anthologie Etsumokushö war damals bereits nicht mehr erhalten) einem KaronWerk eigener Schöpfung das Ansehen einer anerkannten Tradition verschaffen. Das Wort taucht, nach Okazaki, a. a. O. S. 48f., in der japanischen Karongeschichte zum erstenmal in dem chinesischen Kokinshü-Vorwort auf und hat, wie ein Vergleich dieser Stelle mit der entsprechenden des japanischen Vorworts, ergibt, die Bedeutung „hakanaki koto", bezeichnet also etwas Schwächliches, Hinfälliges und hat in ihrem Zusammenhang (s. Bonneau, a. a. O. Supplem. Bd. S. 24, 25 ; die Übersetzung mit „élégance" läßt die tadelnde Absicht Tsurayuki's zu wenig hervortreten!) beinahe den Sinn von dekadent, amoralisch. Als dem Wesen des japanischen Gedichts widersprechend, wird dieser Begriff von Tsurayuki abgelehnt. In dem gleichen Werk wird es aber auch im positiven Sinn verwendet ; dort wird von den Gedichtworten das Element des en, also der weichen Schmiegsamkeit, der anmutigen Eleganz (Bonneau, a. a. O. S. 28, 29 übersetzt es hier mit „charme"), geradezu gefordert. Der scheinbare Widerspruch erklärt sich ohne weiteres. Da Tsurayuki die leichtfertige Tändelei seiner Zeit verurteilt, lehnt er das en, die weiche, verführerische Anmut als Grundlage der Dichtimg ab. Das en der Wörter hingegen bezieht sich auf nichts weiter als den weichen und für die lyrische Dichtung besonders geeigneten Charakter der japanischen Sprache. Im Vorwort zum Shinsen-wakashü (s. o.) stellt Tsurayuki ganz allgemein das en dem Ländlich-Provinziellen (g|Jgf) gegenüber und erkennt damit seinen ästhetischen Wert an. — Nach Tsurayuki verwendet erst Mototoshi das en wieder, und zwar nicht nur als besonderes Stilprädikat, sondern auch im Sinn einer Charakterisierung der japanischen Sprache. Im Chügü-no-suke-Akisukeno-ie-no-uta-awase (s. o.) spricht er von den „en-Worten unseres Landes" ( ^ ^ J||ji ¡fji|). Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß das en vermutlich aus China übernommen ist. (Besonders Pe Lo-T'ien, der in der Heian-Zeit sehr beliebte T'ang-Dichter, gebraucht das Wort en (chines, yen) gern; bei ihm erscheint übrigens auch das Kompositum yöen f f c (chines, yao-yen), das dann später bei Teika eine so große Rolle spielt!) Die früheste Verwendung bei Uta-awase-Urteilen ist im Teishi-in-uta-awase (s. o.) festzustellen. Okazaki, B i no dentö, S. 48 ff.

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Mit diesem Prädikat bezeichnet er bei dem Chügü-no-suke-Akisuke-no-ie-nouta-awase (1134) folgendes Gedicht des Shin-chünagon Muneyoshi: miwateseba momijinikerashi tsuyujimo ni tare ga sumu yado no tsumanashi no ki zo

Wie ich um mich blicke, Ist alles voll bunten Herbstlaubs, Mit Tau und Reif bedeckt — Eines unbekannten Einsiedlers Birnbäume im Garten.

„Die Worte sind zwar alter A r t " sagt Mototoshi in seinem Urteil — und er meint damit wohl „tsuyujimo", „momijinikerashi", und „tsumanashi no ki", welche, dem Manyöshü entnommen1), zu seiner Zeit nicht mehr gebräuchlich waren —, aber die ganze Stimmung des Gedichts, das einen gedämpften Herbstmorgen und die Stille einer weltfernen Einsiedlerbehausung schildert, nennt er eine „Sphäre des yügen"2). Gehört jedoch die Einsamkeit der Natur und die fast taoistische Zurückgezogenheit eines Einsiedlers zum Wesen des yügen 1 Sehr aufschlußreich ist hierfür der Vergleich mit einem anderen Gedicht, das Mototoshi im Narakarin-in-uta-awase ^ il. ^ # K Ufc "n" (1128) als yügen bezeichnet hat. kimi ga yo wa ama no iwato wo izuru hi no iku-meguri chö kazu mo shirazu

Des Herrschers Walten, Möge es ewig währen, Wie oft die Sonne Aus himmlischem Felsentor Hervor den Himmel umkreist.

Die Stimmung dieses Gedichts ist keineswegs Einsamkeit, aber aus jeder der drei letzten (japanischen) Zeilen tönt ein besonderer Nachklang, ein feines, in die Ferne schwingendes Gefühl. Und beiden Gedichten ist eine vage, geheimnisvolle Stimmung eigen: das meinte Mototoshi wohl mit yügen3). Bezeichnend ist aber, daß Mototoshi, der für das Element der Stille und Tiefe viel Verständnis besaß, dem ersteren Gedicht, obgleich er es in lobender Absicht mit dem Prädikat yügen bedachte, doch nicht den Sieg erteilte, sondern dem mit ihm konkurrierenden Gedicht, welches uns freilich nur durchschnittlich anmutet, das aber vielleicht gerade wegen seiner traditionellen Art Mototoshi besonders gefiel. Der Begriff yügen hat bei Mototoshi also hauptsächlich noch außerästhetischen Inhalt, es besitzt noch etwas von seiner ursprünglichen taoistischen Färbung — und das legt die Vermutung nahe, daß Mototoshi, der ein ausgezeichneter Kenner der chinesischen Literatur war, diesen Begriff doch unmittelbar von dort übernommen hat. Jedenfalls ist das yügen noch keineswegs das künstlerische Ideal, das es unter seinem Schüler Shunzei wurde. x ) Vgl. Manyöshü 10. Buch, Tanka Nr. 2189. (tsuyujimo = mit Reif bedeckter Tau, oder einfach Tau; kerashi = keru + rashi; tsumanashi = eine Art Birnbaum (nashi) mit dem naheliegenden Wortspiel: tsuma-nashi, d. h. ohne Frau, einsam).

2)

8)

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PÖ ^ £ M

N o s e » a- a-

Nose, a. a. O. S. 69.

s - 67 -

Die Bedeutung Mototoshi's für die japanische Poetik liegt darin, daß seine konservative Haltung es nicht bei einer Verehrung der Tradition bewenden ließ, sondern gleichzeitig die Elemente der Stille und Tiefe forderte. Er steht damit auf der Schwelle zwischen der feinen Heian-Poetik und dem nun beginnenden Mittelalter. Sein bedeutendster Schüler Fujiwara Shunzei, dessen Dichtung und Poetik die Begriffe en und yügen zu besonderer Entfaltung brachte, leitet die KamakuraPoetik ein. VI. Die K o m m e n t a r - R i c h t u n g

des

Rokujö1)-Hauses.

Während Mototoshi und Toshiyori sowohl Kritiker wie auch Dichter waren, haben die Mitglieder der Rokujö-Familie als Wissenschaftler und Kommentatoren Bedeutung. In ihren Uta-awase-Urteilen sind sie ohne besondere Originalität, obgleich sie den fortschrittlichen Strömungen ihrer Zeit nicht verständnislos gegenüberstanden. Nachdem nun die Zeit der großen dichterischen Begabungen vorüber ist, setzt ganz natürlicherweise die Forschung über die Tradition ein2). Bereits die von Mototoshi vertretene konservative Richtung hängt mit dieser Erscheinung zusammen. Die wissenschaftlich kommentierenden Rokujö-Gelehrten bemühten sich darüber hinaus um sorgfältige philologische Erforschung der teilweise schon schwerverständlichen Tradition. Und da die komplizierten, alten Manyöshü-Gedichte für die fortschrittlichen Dichter und Kritiker der damaligen Zeit die Anziehungskraft des fremdartig Neuen und daher reizvoll „Modernen" besaßen3), wurde die Tätigkeit der Rokujö-Gelehrten nicht nur von den Konservativen, sondern auch von ihren Gegenspielern mit dankbarem Wohlwollen verfolgt. 1. Der Ahnherr der Rokujö-Familie ist F u j i w a r a A k i s u e MW-M der in seinen im Fukuro-söshi-ihen (s. u.) enthaltenen Uta-awase-Urteilen etwa die Mitte zwischen Mototoshi und Toshiyori hielt. Sein Sohn F u j i w a r a A k i s u k e M M JH $t 5 ),der im kaiserlichen Auftrag die 6. offizielle Anthologie, das Shikwashü zusammenstellte, war nach Mototoshi's Tod der führende Kopf der literarischen 1 ) So genannt nach dem Stadtviertel in Kyoto, wo der Stammvater der Familie, Fujiwara Akisue, wohnte. Über diese Rokujö-Schule s.NoseAsaji,Rokujö-ke no kajin to sono kagakushisö, in Kokugo Kokubun 1939, Heft 3. 2 ) Ansätze zu dieser wissenschaftlichen Haltung finden sich bereits bei Minamoto Shitagau (910—983), der zusammen mit vier anderen Gelehrten von Murakami Tennö den Auftrag erhielt, die richtige Lesung der Manyöshü- Gedichte festzustellen. Shitagau verfaßte ferner das Sachwörterbuch Wamyö-ruijü-shö (s. o.), das dann in der Anlage später von Fujiwara Nakazane (1056—1118) in seinem Kigoshö und von Fujiwara Norikane (1107—1165) in dem Waka-dömöshö nachgeahmt worden ist. Von dem 1120 gestorbenen Fujiwara Atsutaka stammt das berühmte Ruijü-Manyö (oder Ruijü-koshü) und eine weitere, allerdings heute nicht mehr erhaltene Arbeit über das Manyöshü, das Manyöshü-mokuroku. 3 ) Das Karon-Werk des fortschrittlichen Minamoto Toshiyori, das oben erwähnte Toshiyori-zuinö, ist zum großen Teil der Erklärung schwieriger alter Gedichte gewidmet. 4 ) 1055—1123. Er veranstaltete 1118 gemeinsam mit Toshiyori u. a. das HitomaroGedächtnisfest (Hitomaro-eikyö .A. /ff tft) schuf damit die hinfort beliebten DichterZeremonien (kai-shiki). Hisamatsu, a. a. O. I, S. 277. 5 ) 1090—1155. Vgl. Sasaki, a. a. O. S. 39f.

4 Benl

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Welt. Er hielt in seinem Hause eine Reihe von bedeutenden Gedichtwettstreiten ab; eigene Urteile sind aber kaum von ihm erhalten1). 2. Akisuke's Sohn F u j i w a r a K i y o s u k e H fn ffi2), der im Yakumomishö in einer Reihe mit Shunzei und Saigyö gerühmt wird, half seinem Vater bei der Kompilation des Shikwashü und sammelte die Waka-Kenntnisse seiner Zeit in drei Schriften, die als Materialquellen auch für die Geschichte der japanischen Poetik von hohem Werte sind : a) Fukuro-söshi ^ - f : Aufzeichnungen über die Geschichte der offiziellen Anthologien, Anekdoten über Dichter und Gedichte vom Manyöshü bis zum Shikwashü. In einem Zusatzband, dem Fukuro-söshi-ihen (iE Ü) sind Fragmente von Gedichtwettstreiten enthalten, die heute sonst nirgends zu finden sind. b) Ögishö MWOP'- Erklärungen alter Gedichte, zusammenfassende Darstellung der bisherigen Meinungen über Gedichtstile und Gedichtkrankheiten3). c) Waka-shogaku-shö ÍP Hfc ipi £1?: Kommentierungen alter Gedichte. Als eigentliches Karon ist Kiyosuke's Vorwort zu dieser Schrift zu betrachten, wo er die Wichtigkeit der Themendichtung, den Gebrauch alter Worte und für zarte Motive, wie Blumen oder Mond, eine besonders weich und schlicht klingende Sprache empfiehlt. Von den Gedichtwettstreiten, in denen Kiyosuke urteilte, ist heute nur mehr einer erhalten: er verrät in seinen Hanshi eine konservative und intellektuelle Neigung und geht auch auf Gedichtkrankheiten ein. Seine Urteile loben traditionelle Begriffe wie „vertraut klingend" (ii-naretekiku), „feines Gefühl und anmutige Form" (kokoro takumi ni sugata uruwashi)4). 3. Der Mönch KenshöjÜBg 6 ) war als Dichter seinem Halbbruder Kiyosuke unterlegen, übertraf ihn aber an Gelehrsamkeit. Er gibt in seinen Werken weniger eine bloße Zusammenstellung des bisherigen Wissens über das Waka, sondern bemühte sich um eine Aufhellung philologischer Unklarheiten. Sein wichtigstes Werk dieser Art ist das Shüchüshö ® 4 1 ÍP, eine Sammlung schwieriger Wörter zumeist aus dem Manyöshü, eine Arbeit, die ähnliche Versuche von Nakazane 1)

Lediglich ein Uta-awase aus dem Jahre 1149, vgl. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 278. 1104—1177. Er wurde von Nijö-Tennö beauftragt, die offizielle Anthologie ShokuShikwashü zusammenzustellen, doch wurde die Arbeit infolge des vorzeitigen Todes des Kaisers nicht in den Rang einer offiziellen Sammlung erhoben. Kujö Kanezane (1149—1207, vgl. JHB S. 153), der ihm sehr gewogen war, bezeichnete Kiyosuke in seinem Tagebuch Gyokuyö (später Gyokkai genannt) als einen Gelehrten, der gleich nach Tsurayuki und Kintö zu werten sei. Sasaki, a. a. O. S. 40. 8) Hier zitiert Kiyosuke ausführlich das Kisen-saku-shiki, Kakyö-hyöshiki, Shinsen-zuinö, Hikohime-shiki, Waka-kubon, Tadamine-jittai. 4) Hisamatsu, a. a. O. I, S. 286. 5 ) Seine Lebensdaten sind nicht genau bekannt. Nach eigenen, andeutenden Angaben im Kenshö-chinjö kommt vielleicht das Jahr 1130 als Geburtsjahr in Frage. Er starb mit ca. 80 Jahren, nachdem er mit etwa 70 Jahren den hohen buddhistischen Ehrentitel eines Hökyö ££ |¡§j erhalten hatte. Seine wissenschaftliche Arbeit bestand vor allem in der Kommentierung des Manyöshü, Kokinshü, Gosenshü, Shuishü, Goshülshü, Kinyöshü (nicht mehr erhalten), Shikwashü, Sambokushü (s. o.), des Kokinshü-Vorworts usw. Über Kenshö's Leben und Werk vgl. die neue, ausgezeichnete Studie von Kyüsojin Noboru, KenshöJakuren, Tokyo, 1932. 2)

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undNorikane (s. o.) weit übertrifft. Kenshö's Einstellung kommt auch in seinen Hanshi deutlich zum Ausdruck. Während etwa im Sen-gohyaku-ban-uta-awase (s. o.) die anderen Urteiler meist von ihrem intuitiven Eindruck ausgehen, zitiert Kenshö gern aus seinem reichen Wissen ähnliche Gedichte zum Vergleich oder kommentiert philologisch. Da er aber nicht nur die Sprache, sondern auch den Geist des Manyöshü verehrt, zeigen seine Urteile auch immer viel Verständnis für das echte dichterische Gefühl. In seiner konservativen, wissenschaftlichen Haltung kommt Kenshö, so könnte man sagen, Mototoshi nahe, er besitzt aber auch etwas von der intuitiven Veranlagung von dessen Gegenspieler Toshiyori. Sehr aufschlußreich ist in dieser Hinsicht Kenshö's Streitschrift gegen die Urteile Shunzei's im Roppyaku-ban-uta-awase, (1193), dem sog. Roppyaku-ban-chinjö (oder Kenshö-chinjö), nach dem selbst Shunzei bedeutend konservativer, ja intellektueller erscheint als Kenshö selbst. Im Roppyaku-ban-utaawase kritisiert Shunzei etwa das Gedicht: Hirozawa no ike sae wataru tsuki kage wa miyako made shiku köri narikeri

Des HirozawaSees im Silberschein des Monds Spiegelnde Fläche Ist bis in die Hauptstadt Strahlendes Eis geworden.

von einem rein verstandesmäßigen Gesichtspunkt her: der Hirozawa-See kann, sagt er, wegen seiner Entfernung von der Hauptstadt unmöglich bis dorthin strahlen. Kenshö aber weist auf chinesische Parallelen hin, findet das Gedicht gerade in seiner scheinbar übertreibenden Intensität besonders reich an Stimmung (fuzei ffl, tra), und er meint, bei einer solchen Art zu kritisieren, ginge bei allen chinesischen und japanischen Gedichten die Stimmung verloren1). Kenshö kommt Shunzei, der sich allerdings bei diesem Uta-awase von seiner konservativen Seite zeigt, sonst aber doch gerade das dem fuzei Kenshö's verwandte yojö schätzt, näher, als er es selbst wahrhaben will. Außer dieser „Stimmung" fordert Kenshö in dem genannten Werk vor allem einen nicht allzu konservativen, ja freien und umfassenden Gebrauch von Worten und Ideen. Er beweist bei der Anführung von Beispielen eine unerhörte Belesenheit und in der Argumentation einen erfrischend klaren Kopf, so daß uns die Bewunderung, die Keichü (1640— 1701) für ihn empfand, durchaus verständlich erscheint. Auch innerhalb der Rokujö-Schule ist Kenshö, der Freiheit und Sorgfalt besonders glücklich in sich vereinigte, die bedeutendste Persönlichkeit. x

t

) Kyüsojin, a. a. O. 8. 241.

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C. Fujiwara Shunzei's Zeit. I. F u j i w a r a S h u n z e i ( T o s h i n a r i ) und das

yügen-Ideal.

Während die Mitglieder des Rokujö-Hauses vorzugsweise die bisherige dichterische Tradition wissenschaftlich kommentierten, ließ erst die kritische Begabung des großen Dichters F u j i w a r a S h u n z e i (Toshinari)1) das echte Karon wieder erstehen. Die am Kaiserhof seit Jahrhunderten gepflegte literarische Kultur erlebte kurz vor ihrem Zusammenbruch in ihm und seinem Sohne Teika (Sadaie) eine glänzende, wenn auch allerletzte Blüte. Shunzei's Epoche stand im Zeichen der aufkommenden Ritterherrschaft. Er selbst war Mitte vierzig, als die Högen (1156) - und die Heiji (1159—60)-Unruhen aufloderten, gerade siebzig, als Minamoto Yoritomo in Kamakura das Bakufu errichtete, und ein Jahr vor Shunzei's Tod wurde Minamoto Sanetomo Shögun und die politische Macht geriet völlig in die Hände der Höjö-Ritter. Die kaiserliche Herrschaft sank während seines Lebens immer mehr zu bloßem Schein herab, und der Hofadel, dem Shunzei ja angehörte, büßte langsam auch die wirtschaftlichen Unterlagen seiner Existenz ein. Trotzdem und vor allem unter der geistigen Führung des aktiven Kaisers und Exkaisers Go-Toba erwies sich eine große Zahl bedeutender Dichter als von hohem literarischem Ernst erfüllt, von dem nicht nur die zahlreichen Gedichtwettstreite2), sondern auch das ein Jahr nach Shunzei's Tod zusammenstellte Shinkokinshü beredtes Zeugnis ablegten. Als Dichter und Kritiker galt Shunzei, vor allem in der zweiten Hälfte seines Lebens, als unumstrittene Autorität. Die geschichtliche Leistung Shunzei's als Kritiker bestand vor allem darin, daß er die fortschrittliche Richtung, die mit Sone Yoshitada begonnen hatte und von Toshiyori weitergeführt worden war, mit der konservativen seines eigenen Lehrers Mototoshi vereinigt hat. Diese Verbindung hatte an sich bereits Fujiwara Akisuke (s. o) angestrebt, doch war seine Persönlichkeit zu schwach, um bestimmend auf seine Zeit einwirken zu können. Shunzei fügte, wenn man so sagen darf, der horizontalen Richtung der Fortschrittlichen, welche sich vor allem für eine Erweiterung des dichterischen Wortschatzes und größere inhaltliche Freiheit einsetzten, eine vertikale Richtung hinzu, die nach Verinnerlichung und Vertiefung strebte. So gewann er die fortschrittlichen Dichter, deren Elan ihre Zeit zweifellos belebte, für sich und verwurzelte sie gleichzeitig in der Tradition, die von den Konservativen hochgehalten wurde. Diese Vertiefung aber gelang ihm vor allem durch seinen yügen-Stil, in dem sein eigentliches Verdienst um die Entwicklung der japanischen Poetik liegt. 1114—1204, Urenkel von Nagaie, einem Sohn Michinaga's. 1187 vollendete er im Auftrag von Go-Shirakawa Tennö die letzte offizielle Anthologie der Heian-Zeit, das Senzaishü. 2 ) Drei Jahre vor seinem Tod nahm Shunzei an dem gewaltigen Sen-gohyaku-ban-utaawase (1201) teil, an dem dreitausend Gedichte vorgetragen und beurteilt wurden.

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Shunzei's Poetik-Auffassung1) ist aus seinen zahlreichen Uta-awase-Urteilen, seinen Nachworten zu dem Jichin-oshö-jika-awase Ü Hl iD fn] § ^ ^ (1193) und dem Mimbukyö-no-ie-no-uta-awase R oIS # ^ ^ (1195), besonders aber seiner eigentlichen Karon-Schrift, dem Korai-fütaishö ifr ÜE, §§ j ^ 2 ) , zu ersehen. 1. Das Korai-fütaishö verfaßte Shunzei auf eine Frage der Prinzessin Shikishi3) nach dem Wesen eines guten Gedichts4). Das Werk, die umfangreichste Poetikschrift bis zur Tokugawa-Zeit, ist keineswegs systematisch aufgebaut und wirkt in manchen Formulierungen unklar. Das Bewußtsein, einer so hochgestellten Dame und feinfühligen Dichterin über ihr ureigenstes Gebiet, die Dichtkunst, Auskunft zu geben, ließ ihm pedantisches Dozieren wohl unangebracht erscheinen. Vielleicht fehlte ihm aber auch die Gabe der klaren , intellektuellen Darstellung. In seiner intuitiven und nur andeutenden Art ist das Korai-fütaishö jedenfalls repräsentativ für die japanischen Karon-Schriften überhaupt. Shunzei betont zunächst, wie schwer es sei, die Frage der Prinzessin nach dem Wesen guter Dichtung genau und erschöpfend zu beantworten. E r sehe, so schreibt er, keine andere Möglichkeit, als eine Auswahl der besten Gedichte vom Manyöshü bis zum Senzaishü vorzulegen. So stellt das Korai-fütaishö zum allergrößten Teil eine Sammlung hervorragender Gedichte dar, die Shunzei mit kurzen, kritischen Bemerkungen versehen hat 5 ). Zur Begründung dieser Methode führt Shunzei vor allem an, daß „sich mit dem Wechsel der Zeiten stets auch die Gestalt (sugata)

) Hierüber neben Hisamatsu, Okazaki, Sasaki usw. besonders Kübota Utsubo, Heian-chö bungei no seishin, S. 181ff. 2 ) Nijö Tameyo (s. u.) und neuerdings wieder Fujioka Sakutarö zweifeln allerdings an der Autorschaft Shunzei's, doch tritt Hisamatsu, a. a. O. I , S. 301, auch aus stilkritischen Gründen dafür ein. Vgl. hierüber auch Nishio Minoru, Korai-fütaishö no höbö, in Bungaku 1939, Heft 10. — Zoku-Gunshoruijü Bd.. 458. 8 ) Shikishi Naishinnö, gest. 1201, Tochter von Go-Shirakawa Tennö, war Saiin am KamoSchrein, trat aber dann, der Teilnahme an einem politischen Komplott verdächtigt, in den Nonnenstand. Sie war die bedeutendste Dichterin ihrer Zeit, eng befreundet übrigens mit Teika, der über sie in seinem Tagebuch Meigetsuki (s. u.) berichtet. 4 ) Die Frage der Prinzessin lautet: „Was bedeutet es, wenn man sagt, die Gestalt eines Gedichtes sei gut und auch die Worte trefflich ?" (uta no sugata wo mo yoroshi to ii kotoba wo mo imiji to iu koto wa ikanaru wo iubeki koto zo). ChKSh. S. 10. 5 ) Eine Übersicht ergibt folgendes Bild: 1

(Gedichtsammlung

(Gesamtzahl der Gedichte)

(davon mit Anmerkungen)

Manyöshü 190 16 Kokinshü 83 26 Gosenshü 39 3 Shüishü 63 13 Goshüishü 81 — Kinyöshü U8 — Shikwashü 34 3 Senzaishü 45 — (Die Anmerkungen zu den Manyöshü-Gedichten betreffen meist das Thema und schwer verständlichen Wortgebrauch. Die zu den Kokinshü-Gedichten hingegen besprechen das Gedicht als Ganzes, seinen Sinngehalt wie seine Wortgestaltung.)

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und die Worte (kotoba) der Gedichte veränderten" 1 ). Die Erkenntnis der Abhängigkeit des Gedichtsideals von der jeweiligen Zeit ist hier zum ersten Male in der japanischen Poetik bewußt formuliert worden. Er unterscheidet drei Perioden 2 ): a) Die alte Zeit (jöko _k mit Gedichten aus der Götterzeit (kami no yo), wie etwa dem berühmten und „ersten" japanischen Gedicht (s. o.): yakumo tatsu Izumo yae-gaki tsumagomi ni yae-gaki tsukuru sono yae-gaki wo

Ums achtwolkige Izumo achtfach Wände! Der Braut zum Schutze Achtfache Wand erbaut' ich! Hier die achtfache Wand da!

(Kojiki, s. Gundert, a. a. O. S. 18, von dort auch obige Übersetzung) sowie aus der folgenden historischen Zeit (hito no yo) mit folgendem Gedicht, das in der Heian-Epoche als die Fibel der Dichtung angesehen wurde 3 ): Naniwazu ni saku ya kono hana fuyugomori ima wa harube to saku ya kono hana

Zu Naniwazu Sprießen sie auf, die Blüten, Lange winterverborgen, Nun, da es ja Frühling ist, Sprießen sie auf, die Blüten.

Über den Stil dieser Gedichte schreibt Shunzei: „Bei den alten Gedichten ist die Gestalt weder absichtlich geschmückt, noch sind die Worte besonders gefeilt, aber diese Zeit liegt weit zurück, dasHerz der Menschen war damals noch ganz aufrichtig (gerade), und so dichtete man einfach, indem man sich dem (natürlichen) Ausdruck überließ, doch sind die Empfindungen tief, und das Gedicht klingt als Ganzes zweifellos bedeutend" 4 ). Bei der Zusammenstellung des Manyöshü „wurde durchaus nicht unbedingt nach der Qualität der Gedichte ausgewählt" 6 ), und so kann man nicht mehr mit Gewißheit sagen, welche Gedichte damals als gut empfunden worden sind. Hitomaro's Gedichte sind allerdings, obgleich „sich das Herz der Menschen und der Stil ihr^r Gedichte im Lauf der Zeiten ständig ändert", durch alle Jahrhunderte hinJ

) toki-yo no utsuri-yuku ni shitagaite sugata mo kotoba mo aratamari-yuku arisama. ChKSh. S. 11. An einer anderen Stelle heißt es noch deutlicher: „Die Zeiten ändern sich in mannigfacher Form, und so wechselt auch der Menschen Herz und die Gestalt der Gedichte mit ihnen." 2 ) Die Dreiteilung stammt wohl aus dem Chinesischen. Im Korai fütaishö heißt es nach Beendigung der Manyöshü-Zitate: „Auch in China sagt man, der Stil (buntai) verändere sich dreimal; also wechseln auch dort Gestalt (sugata) und Worte (kotoba) im Lauf der Zeiten". ChKSh. S. 72. 3 ) Vgl. Bonneau, a. a. O. S. 34, dort auch nähere Ausführungen über die verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten dieses Gedichts. 4 ) jöko no uta wa waza to sugata wo kazari kotoba wo migakamu to sezaredomo yo mo agari hito no kokoro mo sunao ni shite tada kotoba ni makasete ii-idaseredomo kokoro mo fukaku sugata mo takaku kikoyuru narubeshi. ChKSh. S. 21. 5 ) uta no yoki ashiki nado shiite erabu koto wa itomo nakarikeru ni ya. ChKSh. S. 22.

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durch hohe und anerkannte Kunst geblieben. Insbesondere sein — schon von Kintö sehr geschätztes — Gedicht: honobono to akashi no ura no asagiri ni shimagakure yuku fune wo shi zo omou

Bei Tagesanbruch In der Bucht von Akashi Morgendlichem Dunste Fährt da hinter die Insel Ein langsam entschwindend Boot

ist „ein durch die alte und mittlere bis zur Endzeit gültiges Gedicht" 1 ). b) Die mittlere Zeit (chüko 411&) mit demKokinshü, Gosenshü, Shüishö beurteilt er folgendermaßen: Das Kokinshü enthält den „Grundstil" (hontai aller Dichtung 2 ). Diese Gedichtsammlung ist zum ersten Male bewußt und sorgfältig ausgewählt worden. Die großen Stilunterschiede zum Manyöshü rühren daher, daß sich in der langen Zeitspanne zwischen den beiden Sammlungen die Auffassung über Gestalt (sugata) und Wortgebrauch (kotoba) „ganz außerordentlich" verändert hat. Das Gosenshü und Shüishü setzen die Tradition des Kokinshü fort, ohne allerdings dessen hohes Niveau erreichen zu können. c) Die „Endzeit" (matsu-dai ^ c f ^ ) mit dem Goshüishü, Kinyöshü, Shikwashü und Senzaishü. Das Goshüishü, das 1075—1086, also ziemlich lange nach dem Shüishü, zusammengestellt wurde, ist von ganz anderer Art. Es enthält wohl auch Werke von einigen guten Dichtern und vor allem Dichterinnen (Izumi Shikibu, Murasaki Shikibu, Sei Shönagon, Akazome Emon) und wirkt daher gelegentlich ornoshiroshi, d. h. anregend und erfreuend, aber von diesen abgesehen ist es, verglichen mit den bisherigen Sammlungen, „zweifellos an Wuchs gesunken" (take no tachi-kudarinikeru narubeshi)3). Das Kinyöshü hat „ein Herz, das die Blüten der Zeit pflückt" 4 ), es ist Shunzei zu wenig schlicht und spontan und wirkt fast geziert. Das Shikwashü krankt an gleichen Mängeln, es ist allzu okashi, d. h. nur gedanklich reizvoll, und es enthält zu viele zareuta, d. h. Gedichte mit Wortspielen6). Das Senzaishü, welches Shunzei selbst zusammengestellt hat, richtet sich ganz nach dem Stil vor dem Goshüishü, insbesondere nach dem Kokinshü, in dem Shunzei ja, wie erwähnt, „den Grundstil aller Dichtung" sieht. Bei seiner Beurteilung fügt Shunzei hinzu, daß für den Charakter der einzelnen Anthologien auch der persönliche Geschmack des Kompilators bestimmend sei. Und bescheiden sagt er, daß das von ihm zusammengestellte Senzaishü aus diesem Grunde unbedeutend sei6). 1

) kono uta jöko chüko matsudai made ai-kaneru uta nari. ChKSh. S. 22. ) uta no hontai ni wa tada Kokinshü wo aogi-shinzubeki nari. ChKSh. S. 22. Als Beispiel nennt Shunzei besonders Tsurayuki's Gedicht: „musubu te" (s. u. S. 58). »') ChKSh. S. 25. 4 ) toki no hana wo oru kokoro no susumikeru ni ya. ChKSh. S. 156. s ) ChKSh. S. 27. «) ChKSh. S. 27. 2

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Eine Durchsicht der Bemerkungen Shunzei's zu den aus diesen acht Sammlungen ausgewählten Gedichten ergibt einen guten Überblick vor allem über die formalen Forderungen, die Shunzei an ein gutes Gedicht stellt. Die wichtigsten sind: a) Verzicht auf veraltete Wörter. Er lehnt daher den eigentümlichen Manyöshü-Wortgebrauch ab, den Sone no Yoshitada und Toshiyori zu neuem Leben erwecken wollten. Gelegentlich tadelt er sogar den Ausdruck der Sandaishü, wenn er „für das Ohr zu weit" klingt1). Die Worte müssen geschmeidig und lebendig sein und die dichterische Empfindung direkt und ohne Geziertheit zum Ausdruck bringen. b) Verzicht auf Wortschmuck. Damit meint Shunzei besonders die sog. shüku ^•fO, d. h. Makura-kotoba, Kenyögen und Joshi. Dieser Wortschmuck war in der Heian-Zeit recht beliebt, und so findet sich Shunzei's Tadel bei vielen, im übrigen aber als gut beurteilten Gedichten.2) Der Grund für seine Ablehnung ist klar: die intellektuelle Spielerei verhindert die spontane, freie Entfaltung des Gefühls. c) Harmonischer Zusammenhang zwischen den einzelnen Worten. Shunzei fordert insbesondere den Zusammenklang aller Worte innerhalb eines Gedichts; die Qualität eines Gedichts wird in hohemMaße durch den klangmäßigen Eindruck bestimmt. Für die Stimmung nicht nötige sowie erklärende und verdoppelnde Worte lehnt Shunzei ab. Als ein in diesem Sinne harmonisches und wirklich gutes Gedicht lobt Shunzei ein Gedicht von Ariwara no Narihira3). Es schildert die einsamen Empfindungen eines Mannes, der in einer Mondnacht bei prangender Pflaumenblüte das verlassene Haus seiner einstigen Freundin besucht und dort in Sehnsucht des vergangenen Jahres gedenkt: tsuki ya aranu haru ya mukashi no haru naranu waga mi hitotsu wa moto no mi ni shite 1

Ist's nicht derselbe Mond Und dieser Frühling der gleiche Frühling wie einst ? Oh, könnte mein Leben doch auch Noch ganz so wie damals sein!

) So etwa bei Tsurayuki's Gedicht im Kokinshü, 1. Buch „sode hijite". I n dem Urteil darüber heißt es: „Dieses Gedicht stammt aus dem Kokinshü und ist sowohl nach Gehalt (kokoro) wie Wortwahl (kotoba) ausgezeichnet. Aber das Wort „hijite" klingt für die heutige Zeit veraltet". Anschließend lehnt er ähnlich veraltete Worte wie -tsu, ka mo, und bera ab. ChKSh. S. 88. 2 ) So etwa bei dem Gedicht „tachi wakare / inaba no y a m a no / . . " (Kokinshü, 8. Buch), wo „inaba" sowohl die Provinz Inaba g als auch die Verbform ££ ^ das Wort „matsu" in der 4. Verszeile sowohl warten als auch Kiefer bedeutet. Das Urteil zu diesem Gedicht lautet .-„Dieses Gedicht ist zwar (allzu) verkettet (kusari yukitaredo),aber im übrigen gut." ChKSh. S. 97. 3 ) D i e Übersetzung dieses Gedichts ist umstritten. I m allgemeinen wird das „ y a " der 1. und 2. Verszeile als Hango aufgefaßt, eine Auslegung, die insbesondere dem Kokinshütökagami v o n Motoori Norinaga folgt. Jedoch ist es grammatisch schwierig, die beiden letzten Verszeilen damit in Einklang zu bringen. Man faßt daher neuerdings gerne das „ y a " dubitativ auf und übersetzt es mit „vielleicht, wohl". D a ein solches „ya" die Attributivform des prädikativen Verbums fordert und „naranu" der 3. Zeile tatsächlich eine solche darstellt, kann man darin eine Bestätigung dieser Auslegung finden. D i e ganze Stimmung des Gedichts

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Weshalb aber empfand Shunzei dieses Gedicht als so besonders schön ? Allgemeiner gesagt, welche Forderungen stellt er über das rein Formale hinaus an ein hervorragendes Gedicht ? Wie schon erwähnt, gibt Shunzei keine klare Antwort auf die Frage der Prinzessin Shikishi nach dem Wesen des guten Gedichts, gleichwohl führen uns einige seiner gelegentlichen Andeutungen an die Erkenntnis seines Ideals heran. So heißt es etwa im Korai-fütaishö: „Der Shijö-Dainagon Kintö-Kyö hat die von ihm kompilierte Gedichtsammlung die „Sammlung von Gold und Edelsteinen" (Kingyokushü) genannt, und Michitoshi-Kyö schrieb in seiner Vorrede zum Goshüishü, „die Worte sollen wie Brokatstickerei und das Gefühl tiefer als das Meer sein", aber nach meiner Meinung brauchen die Worte keineswegs einer Brokatstickerei zu gleichen, es kommt bei den Gedichten vielmehr darauf an, daß sie bei lautem Rezitieren und auch bei leisem Lesen irgendwie en und aware klingen."1) Shunzei lehnt also den Prunk der für die Blüte der Heianzeit noch so bezeichnenden Anthologien Kingyokushü und Goshüishü ab. Und eine ganz ähnliche Formulierung finden wir in seinem Nachwort zu dem Jichin-oshö-jika-awase (s. o.), nur fordert er dort neben dem Prädikat en statt

aware das yügen. In dem Nachwort zum Mimbukyö-no-ie-no-uta-awase (s. o.)

setzt er in einer fast gleichlautenden Erklärung neben en das Prädikat okashi. Es heißt dort:2) „Ganz allgemein gesagt, dichtet man nicht, wie man im Kaiserlichen Malamt möglichst viele Nüancen von Rot zusammenstellt oder wie die Meister im Kaiserlichen Geräteamt3) alle möglichen feinen Holzgeräte schnitzen. Es kommt vielmehr darauf an, daß das Gedicht als Ganzes (sugata)en und okashi klingt." Sodann zitiert Shunzei zwei Beispielgedichte; das eine ist das schon erwähnte „tsuki ya aranu" von Narihira, das zweite folgendes Gedicht Tsurayuki's4):

verliert durch eine solche Übersetzung freilich an Tiefe. Der Sinn des Gedichts wäre dann einfach: Der Mond ist wohl nicht mehr der gleiche wie einst, und auch der Frühling nicht mehr derselbe, nur ich allein bin unverändert. Hisamatsu, a. a. O. III, S. 328ff. Shijö Dainagon Kintö Kyö wa kin no tama no shü to nazuke Michitoshi Kyö no Goshüishü no jo ni wa kotoba nuimono no gotoku kokoro umi yori mo fukashi nado möshitameredo kanarazushimo nishiki nuimono no gotoku naranedomo uta wa tada yomiage mo shi eiji mo shitaru ni pan to naku en ni mo aware ni mo kikoyuru koto no aru narubeshi. ChKSh. S. 10. Sehr ausführlich darüber Kubota, a. a. O. S. 189. Kubota sieht in dieser Formulierung Shunzei's einen scheinbaren Widerspruch insofern als Shunzei ausdrücklich en fordert, andererseits aber gerade die an en besonders reichen Sammlungen Kingyokushü und Goshüishü ablehnt. Er glaubt hier eine Entwicklung des en-Begriffes vom Äußerlichen, Objektiven zum Innerlichen, Subjektiven und femer angesichts der besonderen Betonung des musikalischen Klangs in allen drei „Definitionen" Shunzei's eine Entwicklung vom „Malerischen" zum „Musikalischen'' hin sehen zu dürfen. 2 ) Zitiert bei Kubota, a. a. O. S. 208. 3 ) Kaiserliches Malamt: e-no-tokoro ¡ ^ CD ; Kaiserliches Geräteamt: ff- 80g frj (tsükumo-zukasa) oder X (tsukumo-dokoro), Abteilungen im Kurödo-dokoro. 4 ) Kokinshü, 8. Buch. Der Vorspruch zu diesem Gedicht lautet: „Auf dem Bergpaß nach Shiga (dem Wallfahrtsweg zum Shiga-Tempel), als ich von einer befreundeten Dame Abschied nehmen mußte".

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musubu te no shizuku ni nigoru yama no i no akade mo hito ni wakarenuru ka na

Tropfen von der Schöpfenden Hand trübten Den reinen Bergquell, Ungestillten Herzens mußte Ich so von ihr Abschied nehmen.

Dieses Gedicht ist auch in das Korai-fütaishö aufgenommen und Shunzei bezeichnet es dort als „den Grundstil der Dichtung"1). 2) Zweifellos genügten diese Andeutungen für die mit einem feinen Stilgefühl begabte Zeit Shunzei's, waren ihr doch die entscheidenden Prädikate en, aware, yügen, okashi innig vertraut. Aber für uns heute und besonders die außerhalb des japanischen Kulturkreises Lebenden bleibt nur die Möglichkeit, den Untersuchungen moderner japanischer Wissenschaftler zu folgen, die in den letzten Jahrzehnten in fast wetteifernder Hingabe gerade diese für das Verständnis der mittelalterlichen japanischen Dichtung entscheidenden Begriffe zu klären suchten. a) Was bedeutet en, welches in allen drei „Definitionen" des guten Gedichts wiederkehrt ? Es spielt, wie erwähnt, bereits bei Mototoshi eine gewisse Rolle, ist aber alsKaron-Begriff erst durch Shunzei anerkannt worden. In der mittleren Heian-Zeit, auf dem Höhepunkt dieser sinnenfreudigen und glänzenden Kultur, war en gewissermaßen der Inbegriff des damaligen Lebensgefühls. Sein Wesen ist, wie Okazaki2) treffend sagt, dem okashi (s. o.) in seiner Helle und Leichtigkeit nahe, in seiner Weichheit dem yü @ 3 ), in seiner an der Oberfläche schwebenden Anmut, 1 ) Shunzei lobt besonders den Oberstollen u n d die feine Verknüpfung m i t „ a k a d e m o " u n d fährt f o r t : „Bei diesem Gedicht ist alles, die Verknüpfung der einzelnen Worte, die Gestalt (sugata) u n d der Gehalt (kohoro) ohne Grenzen (gut). Der Grundstil der Dichtimg ist gerade in diesem Gedicht gegeben." ChKSh. S. 98. — Eigentlich ist der Oberstollen des Gedichts ein sog. J o f ü r „akademo", aber die besondere Natürlichkeit m a c h t gerade dieses J o , welches Shunzei ja als Wortschmuck grundsätzlich ablehnt (s. o.), besonders reizvoll, (akade mo, d. h. ungestillt, bezieht sich sowohl darauf, d a ß der Dichter infolge des getrübten Wassers nicht mehr trinken kann, es deutet aber vor allem an, daß er sich von der befreundeten Dame wieder trennen muß, obwohl er die Zuneigung zu ihr in seinem Herzen noch ungestillt fühlt.) 2 ) Okazaki, Bi n o dentö, S. 56 f. 3 ) Die Bedeutung dieses yü wird sehr schön durch eine Gegenüberstellung folgender zweier Gedichte klar. I m Hirota-sha-uta-awase beurteilt Shunzei ein Gedicht von Akisuke als okashi u n d er f ü g t hinzu, es sei dem in Shikwashü (9. Buch) aufgenommenen Gedicht von Sugawara Fumitoki im j/ü-Stil nachgedichtet. Man vergleiche:

1. Akisuke: Naniwa-e no ashi-ma n i yadoru tsuki mireba waga m i hitotsu mo shizumazarikeri 2. F u m i t o k i : mizu no omote ni tsuki no shizumu wo mizariseba wäre hitori t o y a omoihatemashi

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W e n n ich d e n im Schilf Der Naniwa-Bucht weilenden Mond betrachte, E r k e n n e ich, daß nicht allein I c h im Untergehen bin. H ä t t e ich nicht den Langsam ins Wasser sinkenden Mond erblickt, Müßte ich schmerzlich mir denken, I c h allein sei es n u r !

nicht diesem, sondern dem gegenübergestellten „linken" Gedicht den Sieg erteilte, erkannte er bei dem gleichen Gedichtwettstreit zwei sich in einem „Gang" gegenübertretenden Gedichten Saigyö's in gleicher Weise das Prädikat yügen zu. Das berühmtere von beiden lautet: Tsu no kuni no Naniwa no haru wa yume nare ya ashi no kare-ba ni kaze wataru nari

Im Settsu-Lande Frühling in der Naniwa-Bucht — War's nur ein Traum ? Durch die dürren Schilfblätter Fährt nun raschelnd der Wind.

Die schöne Naniwa-Bucht mit ihrem jungen Schilfgras im Frühling ist ein beliebtes lyrisches Motiv. Nun aber sieht jemand, der die Erinnerung an diese bezaubernde Frühlingslandschaft in seinem Herzen trägt, wie durch die ausgetrockneten Schilfhalme einsam der Herbstwind fährt, und dies erzeugt in ihm eine leicht wehmütige und doch gleichzeitig innig tiefe Stimmung. Wie im vorigen Gedicht Saigyö's „kokoro naki" wird hier , aber in einer das ganze Gedicht ergreifenden einheitlichen Stimmung, das einsame Versenken in die Natur besungen. Es entsteht keineswegs etwa schwächliche Sentimentalität, sondern bei diesem liebenden Eintauchen in die Einsamkeit, in der jedes Wesen als seinem tiefsten Seinsgrund lebt, erwachen Empfindungen der Fülle und Kraft. So leuchtet etwa die Vermutung von Hisamatsu1) gut ein, das yügen Shunzei's enthalte vor allem zwei — scheinbar gegensätzliche — Elemente: sahi und take2). Am deutlichsten wird Shunzei's Ideal wohl an dem Gedicht, das er nach Chömei's Mumyöshö (s. u.) als sein bestes bezeichnet hat 3 ): yü sareba Abend neigt sich, nobe no akikaze Der Herbstwind über dem Felde mi ni shimite Läßt mich erschauern — uzura nakunari Ein einsamer Wachtelruf f ukukusa no sato Im Fukukusa-Dorfe. 1)

Hisamatsu, a. a. O. I , S. 316. Ein als yügen beurteiltes Gedicht, welches viel take enthält, ist etwa das folgende aus demMiidera-shiragi-sha-uta-awase ^ gg jjjh BJ|C (1173): 2)

Naniwa-gata Wenn in die Naniwa-See asa kogi yukeba Ich morgens hinausrudere, hototogisu Hör ich des Kuckucks koe wo Takatsu no Laute Stimme bis nach miya ni naku nari Takatsu-no-miya. Shunzei's Urteil lautet: „Die Worte sind alten Stils, aber die Stimmung reicht in das hinein, was man heute yügen nennt. Nur die laute Stimme des Kuckucks erscheint nicht recht passend" ( £ ^ fü| # JH ft A £ 1§ U & ifi 3Ü # Ä M Ü Ufr)- Mit dem „alten Stil" ist wohl insbesondere die 2. Verszeile gemeint, die nach Manyöshü klingt, im übrigen hält sich dieses Gedicht von dem damals beliebten „sanku-gire" und „meishi-dome" frei (Abschluß der 3. Verszeile mit der Schlußform eines Verbums bzw. Abschluß der 5. Verszeile mit einem Substantiv) und wirkt vielleicht deswegen nach „altem Stil". — Da das Gedicht die Überschrift „Heimat-Kuckuck" trägt, enthält es zweifellos etwas HeimwehStimmung, und wohl aus diesem Grunde erscheint Shunzei das laute Kufen des Kuckucks nicht recht harmonisch. ") GR X , S. 773.

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Zweifellos spricht gerade aus diesem Gedicht die negative Empfindung der Klage um die zunehmende Vereinsamung eines Menschen, aber der künstlerische Wert dieses Gedichts liegt in der softi-Schönheit seines Ausdrucks: dies ist wohl der Sinn der ausdrücklichen Hervorhebung des sugata in dem erwähnten Urteil Shunzei's. c) Obgleich das eigentliche Ideal Shunzei's nach dem allgemeinen Urteil seiner Zeit1) im yügen liegt, ist dieses Prädikat im Korai-fütaishö nirgendwo erwähnt und findet sich bei seinen zahlreichen Uta-awase-Urteilen nicht öfter als fünfzehn Mal2). Shunzei hat auch niemals den Versuch unternommen, diesen Stil genauer zu beschreiben. In seinem Nachwort zum Jichin-oshö-jika-awase heißt es jedoch: „Bei einem guten Gedicht muß zu den Worten und der Gestalt (des Gedichts) noch eine gewisse Atmosphäre (keiki Jl: M.) treten. Über die Frühlingsblumen breitet sich etwa ein feiner Dunst, vor dem Herbstmond hört man den Schrei eines Hirsches, bei den Pflaumenblüten an der Hecke duftet der Frühlingswind, auf das bunte Herbstlaub am Berggipfel sprüht ein Regenschauer nieder: dergleichen muß ein Gedicht zusätzlich (als Atmosphäre) umschweben"3). Und als Beispielsgedichte nennt Shunzei wiederum Narihira's „tsuki ya aranu" und Tsurayuki's ,,musubu te no" (s.o.). Wenn in diesen Stimmungsandeutungen Beispiele für das kurz vorher bei der Definition des guten Gedichts geforderte en und yügen gesehen werden dürfen, so liegt das en zweifellos in der weichen Zartheit dieser Naturstimmungen, das Element des keiki, also der Atmosphäre, aber gehört wohl zum Bereich des yügen. Darnach scheint das yügen eine ins Weite reichende, schwebende Stimmung zu sein; die Phantasie des Lesers wird auf Dinge gerichtet, die nicht unmittelbar erwähnt, aber angedeutet sind und wesentlich dazu gehören. Eshandeltsich anscheinend also um eineArt von yojö, ein über die Worte hinausreichendes Gefühl4). Dennoch ist das yügen nicht völlig mit dem yojö zu identifizieren, denn dieses betrifft nur den Ausdruck des Gefühls, sagt aber nichts über dessen Charakter aus. Um diesen zu erkennen, empfiehlt es sich, einige von Shunzei als yügen bezeichnete Gedichte näher zu betrachten. Im Mimo-suso-gawa-uta-awase (s. o.) beurteilt Shunzei bei folgendem Gedicht des ihm geistesverwandten Saigyö: kokoro naki mi ni mo aware wa shirarekeri shigi tatsu zawa no aki no yügure

Selbst ein fühllos Herz Mag wohl bei diesem Anblick Tief erschüttert sein — Herbstabend an dem Sumpfe, Aus dem die Schnepfen steigen.

die beiden letzten Verszeilen, welche die Stimmung abendlicher Einsamkeit meisterhaft zeichnen, als yügen. Während aber bei diesem Gedicht der Oberstollen nur gedanklich vorbereitend und erklärend wirkt, die eigentliche Stimmung erst mit der 4. Verszeile beginnt und Shunzei wohl aus diesem Grunde x)

So besonders nach Chömei, Mumyöshö (s. u.). Nose, a. a. O. S. 72f. s ) Zitiert nach Kubota, a. a. O. S. 208f. 4 ) Auch durch Assoziationen zu anderen Gedichten kann yügen entstehen, wie aus einem Hanshi Shunzei's im Hirota-sha-uta-awase (s. o.) ersichtlich ist. 2)

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sam, jedoch kommt hier das Element des Reinen und Klaren noch hinzu. Take verkörpert ein Ideal, wie es seit dem Manyöshü kaum mehr beachtet worden ist. SowenigaberimManyöshü das weiblich Zarte neben dem Kraftvollen völligfehlt, so wenigin der Heian-Dichtung des männlich Starke nebensanfter Anmut. Inder Poetik der Heian-Zeit stehen den „weiblichen" Elementen des okashi, en, yü, aware die „männlichen": take (take-dakashi), töshiroshi und yügen gegenüber, obgleich auch sie viel Zartes in sich bergen. Die Qualität des take finden wir bereits im,, Stil des erhabenen Gefühls" (köjö-tai) vonTadamine. Bei Shunzei bedeutet es den Gegensatz zum gedanklich Spielerischen und Absichtlichen, es meint hier vor allem den unmittelbaren Ausdruck einer natürlichen Empfindung. Im Korai-fütaishö beurteilt Shunzei etwa die Gedichte des fortschrittlich eingestellten Tsunenobu mit diesem Prädikat. Und aus Shunzei's Vorliebe dafür erklärt sich auch seine Ablehnung des Kinyöshü, das, wie er sagt, nur „die Blüten der Zeit pflückt", und des Shikwashü, welches den gedanklich reizvollen o&asAi-Stil liebt. Im Mimo-susogawa-uta-awase ffl M M J'l üfc aus der Bunji-Periode (1185—1189) beurteilt Shunzei folgendes Gedicht als take: samidare no harema no mienu kumoji yori yama hototogisu nakite sugu nari

Aus dichten Wolken, Von denen unaufhörlicher Juniregen strömt, Ein kleiner Bergkuckuck Fliegt rufend vorüber.

Die Begriffe sabi und kokoro-bososhi stehen dem des take gegenüber. Sie bedeuten Stille, Einsamkeit, ja fast eine leise Traurigkeit. Das Wort sabi (sabu) erscheint bereits im Manyöshü, aber erst Shunzei führt es in die Poetik ein. Und während dem sabi des Manyöshü der negative Laut der Klage eigen ist2), bezeichnet es bei ihm eine von ästhetischem Wohlgefallen begleitete Stimmung der Einsamkeit und Stille. Hier entsteht die stimmungsmäßige Schönheit des sabi, die sich keineswegs im Thema, dem Motiv des Gedichts erschöpft, sondern weitgehend auf dem Ausdruck beruht. Im Hirota-sha-uta-awase i§f 03 jftt /&3) aus dem Jahre 1172 bezeichnet Shunzei folgendes Gedicht als „sugäta sabite kokoro-bososhi": nezamashite mono zo kanashiki mukashi mishi hito wa kono yo ni aru zo sukunaki

Vom Schlaf erwacht Erfaßt Trauer mich plötzlich — Wie wenig Menschen, Die ich einst innig liebte, Leben noch heute unter uns!

1 ) Dieses Uta-awase enthält besonders Saigyö-Gedichte. Vgl. Uta-awase-shü, herausgegeben von Minegishi Yoshiaki, Iwanami-bunkö 1762—1765, S. 393ff. \ 2 ) Über die Geschichte dieses saöi-Begriffes, der weniger beim Tanka als im Haiku seine besonderen Entwicklungsmöglichkeiten fand, s. Okazaki, Bi no dentö, S. 140ff. 3 ) Dieses Uta-awase fand am Hirota-Schrein in der Settsu-Provinz statt. Der Gott von Hirota war, als er von dem Uta-awase am Sumiyoshi- Schrein erfuhr, auf diesen neidisch und gab jemandem im Traume seinen Wunsch kund, worauf dort ein mit dem Sumiyoshi-shauta-awase völlig übereinstimmendes Uta-awase abgehalten wurde. (Kokon-chomonshü. Band 5.) Uta-awase-shü. a. a. O. S. 321 ff.

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dem sinnlichen Glanz dem für die ganze Heianliteratur bezeichnenden uruwaski, in seiner Gefühlstiefe dem aware und in seiner Hintergründigkeit dem yügen. Doch ist Shunzei's en nicht mehr das gleiche wie zu Michinaga's Zeiten. Die zweite Lebenshälfte Shunzei's steht ja im Zeichen der ständigen Beunruhigung durch das aufkommende Rittertum, und so bedeutet bei Shunzei auch das en weniger das Lebensgefühl auf dem Höhepunkt der Heian-Kultur als die sehnsüchtige Erinnerung daran. In diesem en klingt bei aller Freude an Glanz und Schönheit ein leiser und fast melancholischer Ton der Sehnsucht nach jener unwiederbringlichen Vergangenheit und der Trauer über die Vergänglichkeit alles Schönen mit. Mit diesem seinem letzteren Element kommt es dem mono no aware der späten HeianZeit nahe und wird bezeichnenderweise, ebenso wie dieses, vor allem bei Liebesgedichten gebraucht1). Im Go-Toba-In-mikuden (s.,u.) bewundert der Exkaiser GoToba Shunzei gerade wegen seines ew-Stiles2). -Trotzdem ist für Shunzei's Stil mehr als das en die Eigenschaft des yügen bezeichnend. Vor einer Untersuchung dieses letzteren Begriffes empfiehlt es sich jedoch, zwei weitere, vor allem in Shunzei's Uta-awase-Urteilen auftauchende Prädikate zu betrachten, deren Elemente im yügen mitenthalten sind: take (taJce-dalcashi) und sabi (oder koJcoro-bososhi). b) take kann etwa mit „Rang" oder besser „Wuchs"3) übersetzt werden, es besitzt die Eigenschaft der männlichen Stärke, der sich direkt und ungebrochen äußernden Kraft. Es hat sehr viel mit dem bereits erwähnten töshiroshi4) gemein(shizumu bedeutet Untergehen des Mondes und gleichzeitig „kein weiteres Aufsteigen in den Hofämtern".) I n beiden Gedichten wird, verschieden formuliert, der gleiche Vorgang besungen. Jeder Dichter erblickt den Mond, aber im 2. Gedicht erscheint dieser nur als einer, der „zusammen mituntergeht", er ist gewissermaßen ein intellektuell geschauter Mond, und die Stimmung im Oberstollen wirkt dadurch bedrückend. I m 1. Gedicht hingegen steht der Mond über dem berühmten Schilf der Naniwa-Bucht, sein Anblick läßt die Stimmimg des Herbst aware erstehen, und im Oberstollen dieses Gedichts wird diese freie und tiefe Stimmung des aware liebevoll ausgebreitet. I n den Unterstollen der beiden Gedichte wird der tröstliche Gedanke ausgesprochen: was untergeht, bin nicht nur ich allein, auch der Mond hat dieses Schicksal. I m 2. Gedicht, wo das entscheidende Wort vom Untergehen bereits in der 2. Verszeile gefallen ist, hat der Unterstollen nur mehr eine erklärende, also künstlerisch schwache Funktion. Im 1. Gedicht hingegen ersteht in dem Dichter der Gedanke an sich selbst erst aus der innig mitfühlenden Betrachtung des Mondes. I n beiden Gedichten spendet die Einsicht Trost, aber während im 2. Gedicht trotzdem die bedrückende Erkenntnis vorherrscht, unabwendbar untergehen zu müssen, erklingt aus dem Unterstollen des 1. Gedichts fast etwas wie Freude, gemeinsam mit diesem Mond untergehen zu dürfen. Ein Gedicht diesen Stils bezeichnet Shunzei mit yü. Vgl. Kubota, a. a. O. S. 202. 1 ) Vgl. m. Einleitung zum Tsurezuregusa, a. a. O. S. 27, und das dort zitierte Gedicht Shunzei's: „koisezuba / hito wa kokoro mo / nakaramashi / mono no aware wa / kore yori zo shiru / " „Wer Liebe nicht kennt / Hat fürwahr kein fühlendes Herz / In seiner Brust. / Denn mono no aware / Kann nur die Liebe ihm erschließen." 2 ) ChKSh. S. 222. 8 ) Eine ausführliche geschichtliche Betrachtung des tafce-Begriffs findet sich bei Okazaki, Bi no dentö, S. llOff. Das Wort take-dakashi, bereits im Nihongi (Yüryaku Tennö) und Genji-monogatari, in der Poetik zum erstenmal wohl im Kwampaku-Naidaijin-no-ie-nouta-awase (1121), wo es Mototoshi, der Lehrer Shunzei's, verwendet, allerdings nur im Sinne der Erhabenheit des Gedichtinhalts. 4 ) S. o. S. 45.

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Das starke sa&i-Element in diesem yügen hängt zweifellos mit Shunzei's Charakter zusammen, der zur Verschlossenheit und Einsamkeit neigte1), aber es ist — und das erklärt die Erhebung gerade dieses yügen zum Poetik-Ideal seiner und der auf ihn folgenden Zeit — auch ein Symptom des geschichtlichen Wandels. Während man noch in Tadamine's Jahrhundert das Leben und die Schönheit in ungestörtem Frieden genießen konnte, sah nun die dichtende Aristokratie ihre geistigen und materiellen Positionen immer stärker erschüttert. Durch den plötzlichen Zusammenbruch der Heike-Macht wurde allen die schnelle Hinfälligkeit menschlichen Glücks geradezu dramatisch vor Augen geführt. Und dieses intensive Bewußtsein der Vergänglichkeit allen Seins (mujökan), welches durch den gerade dank dieser geschichtlichen Entwicklung immer mächtiger werdenden Buddhismus noch verstärkt wurde, drang natürlich auch in die Dichtung ein und bewirkte, daß man nun die Stimmung der Einsamkeit besang. In Shunzei's yügen findet diese Haltung ihren vollendeten künstlerischen Ausdruck. So kann der häufige Hinweis auf den Buddhismus in Shunzei's Poetikauffassung nicht wundernehmen. Gleich zu Beginn des Korai-fütaishö vergleicht er die Unmöglichkeit, über die Eigenschaften der wirklich guten Dichtung klare Formulierungen zu geben, mit der Unaussprechlichkeit buddhistischer Wahrheiten und die Tradition und Entwicklung des japanischen Gedichts mit denen der buddhistischen Heilsbotschaft. Ja, er weist sogar eine Verbindung zwischen Dichtkunst und Religion auf. „Durch den tiefen Sinn des Yamato-Gedichts begreift man die Unausschöpflichkeit der buddhistischen Schriften und verknüpft mit dem Band der Wiedergeburt im Paradies"2). Er vergleicht die Dichtkunst mit den „drei Wahrheiten" (sandai Hl®) 3 ) und zitiert das Lotus-Sütra und das Maka-Shikwan4). Aber er ist doch selbst zu sehr Dichter, um seine Kunst in den Buddhismus abhängig einzugliedern. Daß er aber lebendige Verbindungen zwischen beidem sah, beweist, wie sehr seine Poetik bereits die Kamakura-Zeit einleitet.

II. Shun'e und sein I d e a l der s t i m m u n g s v o l l e n

Schlichtheit.

Shun'e fit MB), ein Sohn von Minamoto Toshiyori, hat seine Poetikauffassung nicht in einem eigenen Werke niedergeschrieben, aber sein Schüler Kamo no Chömei zeichnete sie in seinem Mumyöshö (s. u.) auf. Shun'e wendet sich dort gegen den Gebrauch von Wortspielen und besonderem Wortschmuck, er fordert eine anmutige Gestalt des Gedichts, reinen Fluß der Worte sowie die bereits von x

) Vgl. die Erzählung im Sazamegoto, s. u. S. 123. ) mina kono yamato-uta no fukaki gi ni yorite hömon no mujin (ffijf naru wo satori, öjö-gokuraku |g§) no en to musubi... ChKSh. S. 12. s ) Vgl. Gundert, Japanische Religionsgeschichte, S. 62. 4 ) H£ M lh SB Eine der „Drei großen Schriften" (sandaibu H der Tendaisekte. Vgl. Visser, Ancient Buddhism in Japan, Leiden 1935, S. 618. 6 ) Seine genauen Lebensdaten sind unbekannt; er war Bonze im Tödaiji, jedoch weiß man auch über seine Mönchslaufbahn so gut wie nichts. Als Dichter nahm er an vielen Utaawase teil, aber nie alsUrteiler. Gedichte von ihm sind in offiziellen Anthologien wie Shikwashü, Senzaishü und Shinkokinshü enthalten. 2

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Toshiyori gelobten Eigenschaften des „Wuchses" (talce) und der „männlichen Klarheit" (töshiroshi)1), wie er es bei der Beurteilung folgenden Gedichts von Masafusa2) formuliert, das er als den „Grundstil aller Dichtung" (uta no moto) bezeichnet: shirakumo no miyuru ni shirushi Miyoshino no Yoshino no yama no hana sakari ka mo

Wie weiße Wolken Sieht sie, wahrhaftig, aus, Zu Miyoshino Auf dem Yoshinoberge Der Kirschblüten helle Pracht!

(Shikwashü, 1. Buch.) Er warnt ferner davor, nach weichen, sanften (yü) Worten absichtlich zu suchen, und er lobt Gedichte mit einem über die Worte hinaus reichenden, tiefen Gefühl (yojö). „Gedichte, die gemeinhin für gut gelten, sind wie flach gemustertes Gewebe (katamon no orimono), aber Gedichte, die sich durch en auszeichnen, sind wie Reliefmuster (ukimon)3) auf dem Gewebe. Sie haben eine unbestimmbare, feine Stimmung"4). Und dann zitiert er das bereits von Kintö als amari no Jcokoro beurteilte Gedicht „honobono to" (s. o.) und das von Shunzei in seinem Nachwort zum Jichin-oshö-jika-awase lobend erwähnte Gedicht „tsuki ya aranu" und fährt dann fort: „Bei ihnen liegt das über die Worte hinausreichende Gefühl (yojö) tief verborgen, und nur ihre Stimmung schwebt in der Luft"8). In seiner Liebe zu der zarten und verführerischen Schönheit des en und besonders dem stimmungsreichen, suggestiven yojö nähert sich Shun'e sehr Shunzei's Auffassimg. Aber sein Ideal ist noch viel freier von weltanschaulichen Bindungen: er liebt die ganz natürliche Schlichtheit. „Ein gutes Gedicht", sagt er, „gleicht der weißen Farbe: sie besitzt zwar keinen in die Augen fallenden Charme (nioi), aber sie übertrifft doch alle anderen Farben"6). Und Teika berichtet in seiner Poetikschrift Maigetsushö (s. u.) von Shun'e's Forderung: „das Gedicht muß jung sein!" (uta osanakere!)7). Artistische Geschicklichkeit bedeutet ihm also nichts; daher verurteilt er sogar ein Gedicht von Shunzei, das allerdings zu dessen schwächeren Schöpfungen gehören mag: tsuki sayuru köri no ue ni arare furi kokoro kudakuru tamagawa no sato

Auf mondbeschienenes Eis prasseln die Hagelkörner, Zerschlagen mein Herz, Das einsam der Heimat gedenkt, Fern am „Juwelenflusse".

*) saseru shüku mo naku kazaruru kotoba mo nakeredomo utfo uruwashiku kiyoge ni iikudashite take takaku töshiroki nari.. — GR X, S. 783. 2 ) Vgl. S. 42, Anm. 4. 8 ) Vgl. Makura-no-söshi, Kap. 90 (Kaneko-Ausgabe, Makura-no-söshi hyöshaku S. 643). 4 ) GR X, S. 782. 6 ) kore-ra koso wa yojö uchi ni komorite keshiki sora ni ukabite habere, o) GR X, S. 783. 7 ) ChKSh. S. 177.

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Ihm erscheint dieses Gedicht ein wenig gewollt, und so urteilt er: „Will jemand einen Fels aufstellen, kann sich aber keine guten (großen) Steine beschaffen und sammelt nun kleine und fügt sie geschickt aneinander, so ist das Gebilde trotzdem mit einem großen Steine gar nicht zu vergleichen. Das absichtlich Gemachte hat immer einen Mangel" 1 ). III. K a m o no Chömei u n d d e r „ a l t e S t i l in n e u e r Z e i t " . K a m o no Chömei 2 ) H $1, der Schüler von Shun'e, hat sein eigenes Gedichtideal und das seiner Zeit in der Poetikschrift M u m y ö s h ö ^ niedergelegt, welche in 79 kleinen Kapiteln die damals wichtigsten Probleme der Dichtung behandelt, philologische Bemerkungen über alte Wörter und Anekdoten über Dichter und Gedichte enthält und sich während des ganzen Mittelalters einer ganz besonderen Beliebtheit erfreut hat. Als Material zur Erkenntnis des japanischen Gedichtideals in der ausgehenden Heian-Zeit und zu Beginn der KamakuraEpoche ist es wertmäßig dem Korai-fütaishö Shunzei's und dem Maigetsushö (s. u.) von Teika fast an die Seite zu stellen. Das Mumyöshö gibt, wie schon erwähnt, weitgehend die Auffassungen von Shun'e wieder, doch wäre es falsch, Chömei's eigene Meinungen nur in dem Rest des Werkes erkennen zu wollen. Chömei fühlt sich selbst sehr stark als Wahrer der von Shun'e erhaltenen Tradition, und so ist es nur natürlich, daß er auch zur Bekräftigung eigener Überzeugungen auf die Autorität von Shun'e verweist. Der eigentliche Reiz des Mumyöshö liegt trotzdem keinesfalls in einer Menge neuer Ideen. Außer zahlreichen lebendig erzählten Anekdoten sind es nur gelegentliche Bemerkungen über Natur und Wirkung der Dichtung, Hinweise auf die Notwendigkeit eines sorgfältigen, aber nicht zu pedantischen Themendichtens 4 ) , und auf die Bedeutung des Wortzusammenhangs und -zusammenklangs 6 ); der Schwerpunkt dieser Poetikschrift liegt aber in einem einzigen Kapitel: „Der alte Stil in neuer Zeit." 1. In seiner Auffassung vom Wesen und von der Wirkung des Gedichts hält sich Chömei sehr stark an Tsurayuki's Formulierungen im Kokinshü-Vorwort. Über diese etwas abstrakten Ideen geht Chömei aber kühn hinaus, wenn er — zum ersten Male in der japanischen Poetik — ausdrücklich vom Zweck und der Aufgabe der Dichtung spricht. „Das Gedicht hat die Aufgabe, unsere Empfindungen auszudrücken und unsere Ohren zu erfreuen, es muß daher dem Geschmack der 1

) GR X, S. 783. ) 1154—1216. Vgl. ausführlich Florenz, a. a. O. S. 323, ferner Yanase Kazuo, Kamo no Chömei no shin-kenkyü, Tokyo 1938, Tomikura Tokujirö, Kamo no Chömei, Tokyo 1942. 3 ) Auch Mumyöshü |H£ i g Mumyö-hishö ig f'p, Chömei-waka-monogatari, Chömei-ki genannt. Seine Entstehungszeit ist strittig. Über die Auffassungen von Yamazaki Toshio und Okada Mareo s. Yanase, a.a.O.S. 376ff.; nach Yanase (S. 395) war es jedenfalls vor Beginn des Höjöki (1212) beendet. Die Ausgabe im Gunshoruijü (Bd. 294) ist besonders zuverlässig (Yanase S. 379). 4 ) Übersetzt von Karel Jan Hora in: „Kamo Chömei's Nameless Selection", in TASJ Vol. XXXIV, Part IV, S. 83. 6 ) tsuzukegara, s. u. S. 74. 2

5 Beul

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Menschen der (einzelnen) Zeiten entsprechen"1). Im Gegensatz zur chinesischen Poetik ist in Japan bis zur Neuzeit der Zweck der Dichtung nie darin gesehen worden, die Menschen besser zu machen, jedoch führten vor allem die ständigen Gedichtwettstreite zu einem bewußten, wenn auch künstlerischen Vergnügen am Dichten. Zweifellos ist Dichtung deshalb schön, wenn und weil sie gefällt, aber in dieser Wirkung ihren Zweck zu sehen, erscheint nicht ganz berechtigt: Chömei's Formulierung entspricht jedenfalls keineswegs der maßgebenden Poetikauffassung seiner Zeit und erklärt sich wohl daraus, daß Chömei selbst weniger Dichter als Essayist gewesen ist. In der Anerkennung der geschichtlichen Wandelbarkeit des dichterischen Geschmacks aber ist er sicher von Shunzei beeinflußt worden, der ja als erster diese Einsicht formulierte. 2. Diese geschichtliche Auffassung ist auch die Grundlage in dem für Chömei's Poetik aufschlußreichsten Kapitel „Der alte Stil in neuer Zeit" (kindai-kotai)2), wo er sich in Frage- und Antwortform über den von Chömei's Zeitgenossen leidenschaftlich diskutierten yügen-Stil ausspricht. Die einleitende stilgeschichtliche Betrachtung gibt eine Übersicht über den Charakter der bisherigen offiziellen Anthologien. Im Manyöshü hat man, sagt Chömei, noch leidenschaftlichen Herzens (nengoro naru kokorozashi) gedichtet und noch nicht in Bezug auf Gestalt (sugata) und Worte ausgewählt. Das Kokinshü vereinigt „Blüte und Frucht" 3 ), in ihm klingen Inhalt und Form harmonisch zusammen. Im Gosenshü finden sich nur mehr wenige ausgezeichnete Gedichte, da diese zumeist- schon ins Kokinshü aufgenommen worden sind, sein Wert liegt aber darin, daß es — gleich dem Manyöshü — keine Stilauswahl kennt und seine Gedichte gelegentlich voll echter Empfindung sind. Vom Shüishü ab treten in den Gedichten dieldeen ganz offen hervor (kotowari kuma-naku araware), und man liebt möglichste Klarheit der Gedicht-,,Gestalt" (sugata sunao naru wo yoroshi to iu). Das Goshüishü ist etwas weicher im Ton, und man hat die „alte Art" völlig vergessen. Im Kinyöshü versucht man absichtlich, gedanklich reizvoll zu sein (wazato okashikaramu to shite), und viele Gedichte sind oberflächlich. Das Shikwashü und Senzaishü haben den Stil des Goshüishü4). Chömei's Sympathie gehört der Zeit vom Manyöshü bis zum Gosenshü: der spontane Ausdruck der Empfindung ist ihm, wie ja auch seinem Lehrer Shun'e, das eigentliche Anliegen der Dichtung. Die Anthologien vom Manyöshü bis zum Gosenshü besitzen, nach Chömei, den „alten Stil", während vom Shüishü bis einschließlich Senzaishü der „mittlere alte" Stil5) herrscht. Der „neue Stil" ist das yügen. Ein Vergleich dieser stilgeschichtlichen Betrachtung mit der von Shunzei liegt uta wa kokorozashi wo nobe mimi wo yorokobashimu tarne nareba toki no hito no moteasobi-konoman ni sugitaru koto ya haberubeki. GR X , S. 780. 2 ) In der Gunshoruijü-Ausgabe heißt die Überschrift „kindai-katai" (Gedichtstil der Neuzeit). GR X , S. 778f. s ) S. o. S. 22, Anm. 3. *) GR X , S. 779 f. 6 ) Shunzei benutzt den gleichen Begriff „chüko" t|i -¡fy in anderem Sinne. Bei ihm beginnt dieser Stil mit dem Kokinshü und reicht bis zum Shüishü einschließlich. .

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D. Die Blütezeit der japanischen Poetik unter Fujiwara Teika. I. F u j i w a r a T e i k a ' s I d e a l des

MsAin-Stils.

Die Karon-Schriften des Sohnes von Shunzei, F u j i w a r a T e i k a ( S a d a i e ) 0 HC bedeuten den Höhepunkt der japanischen Poetik des Mittelalters. Als Dichter erreichte Teika zwar nicht die Tiefe seines Vaters, seine Schöpfungen sind eher artistisch brillant, ja gelegentlich intellektuell ausgesonnen2), aber dank seiner eigenwilligen und aktiven Persönlichkeit wurde er zum anerkannten Mittelpunkt der literarischen Welt seiner Zeit. Gewissenhafte Gründlichkeit3) und sein sicherer kritischer Instinkt erwarben ihm nicht nur das kaiserliche Vertrauen und den Auftrag auf Zusammenstellung zweier offizieller Anthologien, des Shinkokinshü und Shinchokusenshü4), sondern schufen ihm auch bei Gedichtwettstreiten6) unbestrittene Autorität. Die Tradition schrieb Teika lange eine Menge von Poetik-Schriften zu, die jedoch zumeist Fälschungen einer etwas späteren Zeit darstellen dürften8). Zweifellos echt sind nur 1162—1241. Vgl. Florenz, a. a. O. S. 278ff., ferner insbesondere Mori Naotarö, Öyama Atsujirö: Fujiwara Teika, Fujiwara Ietaka (in Rekidai-kajin-kenkyü). Von Okazaki, Bi no dentö, S. 348ff., existiert eine hervorragende Charakterstudie Teika's. 2 ) In einem in das Seiashö (s. u.) aufgenommenen Ausspruch nennt er seinen Vater einen „anmutigen Uta-Dichter" (uruwashiki utayomi), sich selbst aber; einen „klugen Uta-Fertiger" (ehie no chikara wo mote tsukuru uta-zukuri). 3 ) Hiervon zeugt seine sorgfältige Auswahl zuverlässiger Klassikertexte. Der Seibyöshi i^f ft ftt-Text des Genji-monogatari, der Tempuku ff® -Text der Ise-monogatari, der Teiö J J f||-Text des Kokinshü, der Shinseki jft g||-Text des Sarashina-nikki sind von Teika ausgewählt. Auch zuverlässige Kommentararbeit hat Teika geleistet. Er schrieb zu dem ältesten Genji-monogatari-Kommentar von Koreyuki Zusätze, er verfaßte das Kenchümikkan JPj Sjj), welches eigene Gedanken über denKokinshü-Kommentar von Kenshö (s. o.) enthält, ferner schrieb er das Hekianshö fljj! einen Kommentar zu SandaishüGedichten. Vgl. Hisamatsu, a. a. 0 . I, S. 348f., Satö Ryöji, Kokubungaku-shoshi, S. 99, 103, 104, 166, 196, 199. Über Teika's Verdienste um das Kanazukai s. Öno Susumu, Kanazukai no kigen ni tsuite, in Kokugo to Kokubungaku 1950, 12. Heft. *) Vgl. Florenz, a. a. O. S. 266 f., 270 f. Ob auch das Hyakunin-isshu von ihm stammt, ist zweifelhaft; da aber das Shüka-dairyaku ^f: effc 'A ötft, welches als Ergänzung zum Eigataigai (s. u.) 103 gute Gedichte aufführt, sehr viele Gedichte mit dem Hyakunin-isshu gemeinsam hat, war es mindestens eine Hauptquelle bei dessen Kompilation. Vgl. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 349, 375. 6 ) Eine Zusammenstellung dieser Uta-awase bei Hisamatsu, a. a. O. I, S. 360 f. •) E s sind dies das Kiri-hi-oke ^ ij^ ^ (mit Werken von 28 Dichtern von Hitomaro bis Shunzei-no-musume und kurzen Kritiken nach Art der Rokkasen-Beurteilungen in Tsurayuki's Kokinshü-Vorwort; Gunshoruijü Bd. 300), das Sangoki (s. u.), Gukenshö (s. u.), Guhishö (s. u.) sowie das Miraiki ^ ¿jjS f ß und Uchügin |jf Ff? B^, zwei Werke mit Beispiel70

IV. J o k a k u u n d der „ D a r u m a - S t i l " . Der Mönch J ö k a k u _k Jl 1 ) hat das Wissen seinerzeit über das Waka in dem aus der Kenkyü-Ära( 1190—1198) stammenden W a k a - i r o h a - s h ü f0 ß H Ü2) gesammelt. Dieses Werk ist als Rahmenerzählung nach der Art des ökagami aufgebaut und berichtet von den Rikugi (s. o.) und Gedichtkrankheiten, von Gedichtformen wie Chöka, Sedöka, von Gedichtwettstreiten und offiziellen Anthologien und bringt schließlich die Biographien von 226 berühmten Dichtern sowie Erklärungen schwieriger Gedichte und Wörter. Es entspricht also in seinem Charakter etwa dem Ögishö und Fukuro-söshi (s. o.), ist aber bedeutend klarer und methodischer in seiner Darstellung. Das eigentliche Karon von Jökaku enthält das Kapitel Eisaku-shishü §Jc Vf- s" Ü? „Das Wichtigste über das Dichten" 3 ). Er tadelt hier allzu komplizierten Inhalt bei Gedichten, veraltete Ausdrucksweise, Mangel an Originalität und insbesondere das Auseinanderklaffen von Ober- und Unterstollen. Er nennt diese Art von Gedichten heikai ¿P iH bzw. koshi-ore ® ffr. Er wendet sich gegen die gefühlvollen, aber sprachlich ungeschickten Gedichte, gegen das bewußte oder unbewußte Streben, durch Wortspiele (shüku) und „tiefe Gefühle" über den Mangel an dichterischen Ausdrucksvermögen hinwegzutäuschen. In diesem Zusammenhang greift er insbesondere die „Daruma-Art" 4 ) der neueren Dichter an, ihren irrigen Glauben, das Ideal des yügen durch einen scheinbar mystischen, absichtlich unklaren und schwer verständlichen Stil erreichen zu können. „Wenn man von Natur aus nicht überragend begabt ist, sollte man Daruma nicht zu seinem Meister machen. Bei einem guten Gedicht stimmen Gefühl und Worte zusammen.." 6 ). Man ersieht daraus, wie damals der yügen-Stil bereits mißverstanden worden war, wie er bei mittelmäßigen Dichtern zur geheimnisvollen Künstelei herabsank, weil ihnen sowohl die wahre Tiefe der Empfindung als auch das dichterische Können fehlte. Jökaku selbst besitzt viel Verständnis für Shunzei's Ideal, und er zitiert ausdrücklich dessen Nachwort zum Mimbukyö-no-ie-no-uta-awase (s. o.), wonach nicht sorgfältige Ziselierarbeit, sondern die anmutige und reizvolle Gesamtstimmung des Gedichts über dessen künstlerischen Wert entscheidet. Seine Lebensdaten sind nicht bekannt. Er ist ein Schüler desTakao ho Mongaku Shönin ¡{§5 ü S - t A (1123—1203), eines berühmten Priesters des Jingoji von Takao (in Kyoto); ferner ist er der Onkel des berühmten Myöe-Shönin ^ _h A v o n Togano-o ^ |ji (1173—1232, vgl. Coates-Ishizuka, Honen, Kyoto 1925, S. 666f.). Vgl. Sasaki, a. a. O. S. 62. Uber seine ev. Autorschaft am Mumyö-söshi fHE Jl^f ^f-, dem bedeutendsten mittelalterlichen kritischen Werk über die Monogatari, s. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 475. 2 ) Es galt früher als ein Werk von Kenshö (s. o.). 8 ) Vgl. Sasaki, a. a. O. S. 63 f. 4 ) Über Daruma, d. h. Bodhidharma, den Vater der chinesischen Zen-Mystik, s. Gundert, Japanische Religionsgeschichte S. 97. Über die „Daruma-Art" (Daruma-fü), s. Gundert, Die japanische Literatur, S. 69. 5 ) yoku yoku tenjö wo ukezu yori wa yume yume Daruma wo shü to subekarazu. yoki uta to ieru wa kokoro kotoba kanaite . ." Sasaki, a. a. O. S. 63.

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geschehen sein, dem Sinne nach unterscheidet es sich jedoch kaum von Shun ? e's Prädikat karei JÜ), „blumenhaft schön", zumal dieses von Shun'e in einem engen Zusammenhang mit dem yojö gebraucht wird: „Enthält die Gestalt (sugata) eines Gedichts ganz besonders viel an blumenhafter Schönheit (Icarei), so entsteht das yojö von selbst. Wer sich darauf versteht, von dem kann man wirklich sagen, daß er in das Gebiet (wahrer Meisterschaft) eingetreten ist" 1 ). Und an einer anderen Stelle heißt es im Mumyöshö erläuternd: „Wenn man durch Nebellücken hindurch die Herbstberge betrachtet, so erkennt man zwar alles nur undeutlich, aber unbegrenzt zu ahnen, wie wundervoll das Herbstlaub sich weithin breitet, ist viel bezaubernder, als alles ganz klar und deutlich zu sehen" 2 ). Nach all diesen Äußerungen erscheint Chömei's yügen als ein in die Sphäre einer besonderen, geheimnisvollen Schönheit gehobenes yojö. Einerseits mutet dieser Stil wie eine bewußte künstlerische Technik an, durch Andeutung und zarte Unklarheit in dem Leser einen weiterschwingenden und besonders tiefen Eindruck zu erzeugen3), andererseits aber kommt das poetische Ideal des yügen der Sehnsucht nach Unendlichkeit entgegen, dem religiösen Streben des mittelalterlichen Menschen, über die sichtbaren Dinge hinweg oder besser: gerade durch deren unsichtbares und nur zu erahnendes Fluidum sich mit dem unsichtbaren Weltgeheimnis verbunden zu fühlen. Dennoch wird dies alles im Mumyöshö nur angedeutet und nicht weiter verfolgt. Chömei ist kein Theoretiker, die lebendige Vielfalt der Dichtung besagt ihm mehr. Da er nie als Urteiler an Gedichtwettstreiten teilgenommen hat, war er auch nie versucht, sich durch Festlegung auf einen Begriff oder ein Ideal eine von persönlichen Stimmungen unabhängige, feste Urteilsgrundlage zu schaffen. Er griff zwar in den Streit seiner Zeit über den alten und neuen Stil ein, aber er nahm weder für die eine noch die andere Richtung Partei. Er versuchte vielmehr die Gegensätze aufzuheben und zu versöhnen, indem er für beide die gleiche Quelle nachweist. Und er warnt beide ausdrücklich vor Übertreibungen. sugata ni kärei kiwamarinureba mata onozukara yojö to naru. köre wo kokoro-uru wo sakai ni iru to iubeshi. (Mumyöshö), GR X , S. 767. 2 ) GR X , S. 782. — Über die besondere Wirkung nicht deutlich greifbarer Stimmungen und Gefühle heißt es an anderer Stelle: „ . . So hat etwa der Himmel des Herbstabends weder Farbe noch Stimme, aber ganz unversehens kommen einem die Tränen in die Augen. Und wenn eine schöne Frau ein Herzeleid hat und man nur ganz undeutlich sieht, wie sie es tief in sich verbirgt, und sie es auch nie in Worten äußert, so berührt das sehr viel tiefer, als wenn sie beredt ihr Leid klagt und, die tränennassen Ärmel auswindend, es allen kundtut." GR X , S. 782. 3 ) In der Schrift Eigyokushü ¡¡¡¡¡> bei der Chömei's Autorschaft jedoch nicht bewiesen werden kann (vgl. Yanase a. a. O. S. 455ff.), das aber doch wohl seine Auffassungen wiedergibt, sind zehn Stile aufgezählt, deren Formulierungen sich eng an Toshiyori's Karon anschließen. Bei dem 7. Stil, dem yügen, lautet die Erklärung: „Gefühl und Worte sind nicht fest (tashika). E s ist, wie wenn man am blauen Himmel die Sommerfäden (yüshi -J- ) sieht; es erscheint unklar, ob sie existieren oder nicht. Dieser Stil kann von Leuten, die nicht in das Gebiet (wahrer Meisterschaft) eingedrungen sind, nicht erlangt werden." Eines der beiden Beispielgedichte ist das „tsuki ya aranu" (s. o.). Zitiert nach Nose, a. a. O. S. 86. 68

nahe. Zweifellos ist Chömei von Shunzei's Auffassung im Korai-fütaishö beeinflußt worden, doch bestehen auch Unterschiede, wie sie besonders deutlich in ihrer Haltung gegenüber dem Kokinshü sichtbar werden. Shunzei sieht im Kokinshü den „Grundstil der Dichtung" (uta no hontai), den man bedingungslos als unerreichbares Ideal verehren müsse. Von der buddhistischen Idee der niedergehenden „Spätzeit'' 1 ) gebannt, kommt Shunzei zu keiner positiven Einstellung zu seinerzeit. Chömei hihgegen schlägt gerade von dem Kokinshü, das er selbst außerordentlich schätzt, eine lebendige Brücke in die Gegenwart. „In jener Sammlung (Kokinshü) gibt es eine Reihe verschiedener Stile. Auch der Stil der „mittleren alten" Zeit ist daraus hervorgegangen, und ebenso stammt der yügenStil aus dieser Sammlung" 2 ). Hier liegt der Kern von Chömei's Poetikauffassung. Der yügen-Stil, in Chömei's Zeit von den fortschrittlichen Dichtern unvergleichlich verehrt, von den Konservativen erbittert abgelehnt, ist nach Chömei gar kein so „neuer Stil". Er ist, wie Chömei versichert, keineswegs „plötzlich hervorgetreten" und verhält sich zum älteren Stil durchaus nicht wie Feuer zu Wasser : er stammt aus der gleichen Quelle, dem Kokinshü. Die Liebe für ihn beweist im Grunde nur eine Sehnsucht nach dem Kokinshü, welches in klassischer Größe und Weite auch diesen Stil bereits in sich birgt. So versucht Chömei den Streit seiner Zeit mit einer weisen und versöhnenden Geste zu schlichten. Was versteht Chömei aber unter diesem yügen ? Auf die Frage nach seinem Wesen — das ganze Kapitel ist in Frage- und Antwortform gehalten — antwortet Chömei: „Bei allen Gedichten ist der Stil (sama) nur schwer zu erfassen. In den alten Überlieferungen (kuden) und Poetikschriften (zuinö) wird immer nur bis ins Einzelne erklärt, was man (beim Dichten) vermeiden müsse, aber über die Gestalt (sugata) findet man nirgends klare Aufzeichnungen. Ganz besonders gilt dies für den yügenStil (tai): schon wenn man seinen Namen hört, stellt sich die Verwirrung ein. Da ich selber ihn nicht genügend erfaßt habe, kann ich nichts Sicheres aussagen3), aber nach der Meinung von Wissenden handelt es sich wohl um ein tiefes Gefühl, das in den Worten nicht (direkt) erscheint, eine Stimmung, die in der Gedicht-,,Gestalt" nicht sichtbar wird. Wenn in dem Herzen der Drang (etwas zu sagen) sehr stark ist und die Worte sehr viel en besitzen, wird sich diese wundersame Eigenschaft ganz von selbst einstellen". Für das Verständnis dieser naturgemäß nur andeutenden Definition sind die dort erscheinenden Worte yojö und en von Bedeutung. Yojö war ja ein wesentlicher Begriff in der Poetik von Chômëi's Lehrer Shun'e und das en ein bevorzugtes Prädikat in Shunzei's Poetik, in deren Mittelpunkt, wenn auch nach außen kaum sichtbar, das Ideal des yügen steht. Der Gebrauch des en durch Chömei mag im Sinne einer verehrenden Anerkennung von Shunzei's Genie und Autorität *) Vgl. H. Hiraizumi, Der Einfluß der Mappö-Lehre in der japanischen Geschichte. Monumenta Nipponica Bd. I, S. 48ff. *) GR X, S. 780. ®) yoku sakai ni iruru hitobito no mòsareshi omomuki wa sen (g^) wa tada kotoba ni arawarenu yojö sugata ni mienu keshiki narubeshi. kokoro ni mo kotowari fukaku kotoba ni mo en kiwamarinureba tada toku ) wa onozukara sonawaru ni koso. GR X, S. 781. 67

das Kindai-shüka iE ft ^ Ifft1), das er 1209 Minamoto Sanetomo zusandte2), das Eiga-taigai Hcüfc das er, nach einer unsicheren Tradition, für einen Sohn von Go-Toba-Tennö verfaßte. ( - Das kurze, in Kambun geschriebene Werk hat später zu vielen Kommentaren angeregt*); es enthält inhaltlich nichts, was über das Kindai-shüka und das Maigetsushö (s. u.) hinausgeht - ) , das Maigetsushö # ^J das er 1219 für Fujiwara Ieyoshi schrieb und das ausführlichste und aufschlußreichste Poetikwerk Teika's ist. 1. Das Kindai-shüka ist inseinem Gedankengang verhältnismäßig einfach. Es spricht nach einem kurzen Vorwort über den Anlaß dieser Schrift6) über das Wesen und die geschichtliche Entwicklung des japanischen Gedichts, gibt sodann eine kurze Stilanleitung und zählt schließlich eine Reihe vorbildlicher Gedichte auf7). Über das Wesen der japanischen Dichtung sagt Teika treffend: „Die Kunst des Yamato-Uta erscheint seicht, sie ist aber tief, sie erscheint leicht, sie ist aber schwer. Es gibt nicht viele, die sie verstehen"8). gedichten zu den 10 Stilen Teika's (vgl. Sasaki, a. a. O. S. 80, 81). — Alle diese Schriften weisen in der Tat Stellen auf, die kaum von Teika stammen können, insbesondere das Schlußkapitel des Kiri-hi-oke und das Sangoki, aber vielleicht geht man zu weit, sie in allen ihren Teilen als Fälschungen späterer Zeiten zu bezeichnen. Hisamatsu, a. a. O. I , S. 353f. — Nach Forschungen von Kazamaki Keijirö, in Kokugo to kokubungaku, 1931, 1. Heft, stammt das Uchügin vielleicht doch von Teika. 1 ) Auch Eiga-kuden, Teika-waka-shiki, Shögen-waka-shiki (da es aus der Shögen-Ära (1207—1210) stammt) genannt. Zwischen dem von Teika selbstgeschriebenen (und im Familienbesitz der Grafen Sakai befindlichen) Manuskript und der ins Gunshoruijü (Bd. 292) aufgenommenen Ausgabe bestehen vor allem in der Auswahl der Gedichte Unterschiede. Vgl. Kazamaki Keijirö, Kindai-shüka, in Kokubungaku to nihon-seishin, S. 464f. Über Entstehung und Zusammenhang der beiden Texte s. Kyüsojin Noboru, Ni-shi-dai-shü to Teika no karon-sho, in Kokugo to Kokubungaku, 1935, 7. Heft. 2 ) I m Juli 1209 schickte der damals 18jährige Kamakura-Shögun Sanetomo durch einen Boten 30 Gedichte an Teika mit der Bitte um Verbesserung und Belehrung. Die Zusendung des Kindai-shüka an Sanetomo ist im Azuma-kagami unter 13. Tag, 8. Monat, 13. J a h r Shögen (1109) erwähnt. 8 ) Die Entstehungsgeschichte dieses Werkes ist nicht ganz klar. Nach Hosokawa Yüsai (s.u.) schrieb er es mit 62 Jahren. Die darin zitierten Gedichte stimmen zumeist mit dem Kindaishüka und Hyakunin-isshu überein; es enthält femer viele Formulierungen, wie sie Teika in seinen Uta-awase-Urteilen verwendete. 4 ) So etwa von Hosokawa Yüsai (s. u.), Sögi (s. u.), Sanjö-nishi Sanetaka (s. u.), Sanjönishi Sane'e (s. u.). 5 ) Auch Teika-Kyö-shösoku /g ^ #P fff J»„ Waka-teikin f p Iffc gg f|| genannt. Der Name „Maigetsushö" ist erst später entstanden: das Werk stellt allmonatliche Antworten auf Fujiwara Ieyoshi's Bitten um Gedichtbeurteilungen dar. ChKSh. S. 172ff. ') Der Name Sanetomo's wird allerdings nicht erwähnt. E s heißt nur, irgend jemand habe ihn gefragt, „wie man dichten solle" (uta wa ika yö ni yomubeki zo), und nun schreibe er, Teika, nieder, was ihm gerade an Gedanken darüber durch den Kopf gehe. ') Das ins Gunshoruijü aufgenommene „rafubon" enthält über 20 Gedichte (von den sechs „guten" Dichtern der „neueren " Zeit, s. u.), das selbstgeschriebene Manuskript Teika's aber 68 Gedichte vom Kokinshü bis Shinkokinshü (sämtliche, sogar in gleicher Reihenfolge, finden sich übrigens im Nishidaishü JH P9 f ^ Jjl> e i n e r von Teika selbst verfaßten Anthologie aus den Hachidaishü). 8 ) yamato-uta no michi asaki ni nite fukaku yasuki ni nite katashi. wakimaeru hito mata ikubaku narazu. ChKSh. S. 160. 71

Geschichtlich unterscheidet er drei Perioden: a) Die alte Zeit (mukashi), unter welcher er die Zeit der Sandaishü versteht. Er kennzeichnet sie durch ein Urteil über ihren repräsentativsten Dichter Tsurayuki: „BeiTsurayuki sind die Gedichte im Gefühle fein und im Wuchs (take) unerreicht, er liebt die kräftigen Worte und die gedanklich reizvolle Gestalt, (aber) er dichtet nicht den yojö-yöen-Stil"1). Die Auslegung dieser Charakteristik ist umstritten. Bedenkt man aber, daß das „über die Worte hinausreichende tiefe Gefühl", das yojö, seit KintO und Shunzei allgemeines Gedichtideal war und die sanfte, verführerische Anmut des yöen mindestens bis zur Shinkokinshü-Zeit das persönliche Teika's darstellte2), so darf in der ausdrücklichen Feststellung des Mangels an yojö und yöen3) wenn auch kein direkter Tadel, so doch ein leises Bedauern vernommen werden. Stilgeschichtlich formuliert Teika hier den wesentlichen Unterschied zwischen Kokinshü und Shinkokinshü. — Deutliche Mißbilligung trifft die „Nachfahren" Tsurayuki's (sono nagare wo kumu tomogara), die sich blind seinem Stile verschrieben, aber doch nichts Großes leisten konnten, da „mit dem Niedergang der Zeit auch das Herz der Menschen schlechter wurde, man den alten „Wuchs" nicht mehr erreichte und auch die Worte absanken".4) b) Die Dichter der „neueren Zeit" (chikaki yo), also wohl vom Goshüishü bis zum Kinyö - und Shikwashü, waren im allgemeinen nur mehr darauf bedacht und damit zufrieden, ihre Gefühle in 31 Silben zusammenhängend zum Ausdruck zu bringen, „es fehlte ihnen der Sinn für Gestalt und Worte" (sara ni sugata kotoba no omomuki wo shirazu). So geschah es, daß die Gedichte dieser „Endzeit" (sue no yo) wirken, als sei man „aus dem Schatten der ländlichen Blüten getreten und habe die prächtig bunten Gewänder der Händler abgelegt", wie Teika unter Verwendung von Tsurayuki's Formulierungen5) sagt. Jedoch wandten sich in dieser Zeit sechs Dichter: Tsunenobu, Toshiyorj, Akisuke, Kiyosuke, Mototoshi und „mein verstorbener Vater", also Shunzei, von dem „niederen Stil dieser Endzeit" ab, „sehnten sich stets nach alten Gedichten" und schufen so hervorragende Werke, die denen der alten Zeit wohl an die Seite gestellt werden können6). c) Die „jetzige Zeit" (ima no yo) erneuerte den abgesunkenen, „niederen Stil" etwas, und es entstanden viele Gedichte, welche die „alten Worte" bevorzugten. Hier erwachte der Stil, der mit Henjö, Narihira und Komachi zu Ende 1 ) mukashi Tsurayuki uta no kokoro takumi ni take wo oyobigataku kotoba tsuyoku sugata omoshiroki sama wo konomite yojö yöen no tai wo yomazu. ChKSh. S. 160. 2 ) S. u. S. 82. 3 ) Man vergleiche hiermit Shunzei's Urteil über Tsurayuki's Gedicht „musubu te no" (s. S. 58) im Nachwort zum Jichin-oshö-jika-awase, wo dieses als en und yügen bezeichnet ist. Trotzdem dürfte Teika's Urteil auf die überwiegende Zahl der Gedichte Tsurayuki's zutreffen. 4 ) ChKSh. S. 160. 6 ) I n seiner Kritik an Bunya no Yasuhide und Ötomo no Kuronushi, s. o. S. 22. ') Von diegen sechs Dichtern bringt der Schlußteil des Kindai-shüka (Rufubon) Beispielgedichte, s. S. 71, Anm. 7. Über diese sechs Dichter, die gleichzeitig Kritiker waren, s. o. S. 42, 43, 49, 50, 46, 52.

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war, wieder zu neuem Leben. In der „allerneuesten Zeit" (konogoro) jedoch fehlt es den „Spätlingen" (gyögaku-suenari f f l^j^ii;) trotz ihrer Überzeugung, das wahre Wesen der Dichtung erfaßt zu haben, an dem Verständnis für den guten Stil, und sie bringen nun „schlechtklingende, unnötig komplizierte und unnatürliche Gedichte"1) hervor. I Und hierauf schreibt Teika die eigentliche Antwort auf Sanetomo's Frage, wie man denn dichten müsse: „Wenn man die alten Worte liebt, sich um neue (eigene) Gefühle bemüht, bis zum Unerreichbaren hin das Gelingen eines „hohen Stils" erstrebt und hierbei die Gedichte seit der Kwampyö-Ära zum Muster nimmt, so entsteht ein gutes Gedicht ganz von selbst"2). — Teika fordert also die alten, durch eine lange Tradition mit der Patina vornehmer Würde versehenen Worte, die vom Staub des Alltags befreite dichterische Sprache sowie neue, also eigene und originelle Empfindungen des Dichters3). Das Ideal ist der „hohe Stil", der Stil von „Wuchs" (take), wie ihn Teika kurz vorher bei Tsurayuki gelobt hat. Was er aber mit der Zeit „nach der Kwampyö-Ära" (889—898) meint, ist umstritten. Daß er dabei an das Manyöshü dachte, wie Shinkei (s. u.) im Sazamegoto vermutet, ist unwahrscheinlich4), eher dürfte es der Kokinshü-Stil sein oder die Art der Rokkasen, insbesondere von Narihira und Komachi, die er ja kurz vorher lobend erwähnt6). Es scheint erstaunlich, daß in dieser Formel nirgends von yojö und yöen die Rede ist. Liegt hier eine Absage an seinen eigenen Stil und den seiner Zeit, wie er sich im Shinkokinshü verkörpert hat ? Kazamaki6) weist darauf hin, daß Teika an einem Wendepunkt seines künstlerischen Geschmacks stand, als er das Kindaishüka schrieb. Des neuartigen und brillanten Stils, der das Shinkokinshü kennzeichnet, müde geworden, sehnte sich Teika vielleicht nach der klassischen Vornehmheit der Tradition und empfahl aus diesem Grunde die Verwendung alter Worte und das Vorbild alter Gedichte7) ? In der Tat beginnt in Teika's dichteriChKSh. S. 161. kotoba wa furuki wo shitai kokoro wa atarashiki wo motome oyobanu made mo takaki Bugata wo negaite Kwampyö-iö no uta ni narawaba onozukara yoroshiki koto mo nado ka haberazaramu. ChKSh. S. 162. s ) An einer anderen Stelle des Kindai-shüka zitiert ejf ein Wort seines Vaters: „Das Dichten ist nicht eine Kunst, bei der man weit umhersehen und bis in die Ferne umherfragen muß. Sie kommt intuitiv aus dem Herzen. . " (uta wa hiroku mi töku kiku michi ni arazu, kokoro yori ide-satoru mono. . .) ChKSh. S. 162. 4 ) Im Maigetsushö erkennt Teika zwar den dichterischen Wert des Manyöshü an, bezeichnet es aber als unerreichbar und rät Anfängern ab, in diesem „alten Stil" zu dichten. ChKSh. S. 172. 5 ) Letzterer Meinung ist Kazamaki, Kindai-shüka, a. a. O. S. 474. Mori,a. a. O. S. 128f., ist der Auffassung, daß es sich ganz allgemein um das Kokinshü handelt, und weist nach, daß Teika mit besonderer Vorliebe „Vorlage-Gedichte" (honka) aus dem Kokinshü wählte. ") Kazamaki, a. a. O. S. 474 ff. 7 ) Im Anschluß an die oben zitierte „Stilanweisung" (Anm. 2) empfiehlt Teika das sog. honka-tori. „Wenn man aus einer Verehrimg des Alten Gedichte der Vergangenheit umdichtet, indem man ihre Worte etwas verändert, so heißt das, (diese Gedichte) als „Vorlagegedichte" (honka) behandeln (furuki wo koinegau ni torite mukashi no uta no kotoba 2)

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schem Werk nach Vollendung des Shinkokinshü, also in seinen fünfziger Jahren, eine neue Periode 1 ). Von einer betonten Absage an das Gedichtideal des Shinkokinshü braucht aber trotzdem nicht gesprochen werden, zumal er ja zu Beginn des Kindai-shüka in der Kritik an Tsurayuki den Mangel an yojö und yöen zu bedauern scheint. Das Werk ist für den jungen Sanetomo geschrieben: dem Anfänger hätte Teika wohl auch in seiner Shinkokinshü-Zeit die ehrfürchtige Wahrung der Tradition empfohlen. Der Glanz des Shinkokinshü-Stils kann ja weder gelehrt noch gelernt werden, er erstrahlt plötzlich, aber nur bei einem Meister, der sich nicht darum bemüht. 2. Das M a i g e t s u s h ö ist Teika's wichtigste Karon-Schrift. Es ist sehr viel ausführlicher als das Kindai-shüka, aber weniger klar gegliedert. Seine wichtigsten Punkte betreffen das Wesen des japanischen Gedichts, seinen Ausdruck, das Verhältnis von Inhalt und Form sowie, als Zentralproblem, ein System von 10 Stilen. Die charakteristischen Eigenschaften des japanischen Gedichts sind: „sanft" (yasashiku) und „voll tiefer Empfindung" (mono no aware 2 )). „Mag ein Ding noch so furchterweckend sein, in der Poesie muß es anmutig (yü) klingen" 3 ). Und für den Klang eines Gedichts sind die „richtigen" Worte entscheidend. „Bei den Worten muß man sorgfältig die Unterschiede von kräftig und sanft bedenken. Es ist sehr wichtig, darauf zu achten, daß nur kräftige Worte an kräftige und nur sanfte Worte an sanfte gereiht werden; so rundet sich das Gedicht harmonisoh in sich (futomi hosomi mo naku) und es erklingt geschmeidig (nabiraka ni) und schön. Man kann, ganz allgemein, bei den Worten nicht schlechte und gute unterscheiden. Nur im „rechten Zusammenklang" (tsuzukegara) liegt der Wert der Worte" 4 ). Diesen Ausführungen ist zweierlei zu entnehmen. Teika steht auf dem Standpunkt der idealistischen und nicht der realistischen Darstellung. Das japanische Gedicht i s t — u n d darin liegt nachTeika der Gegensatz zum chinesischen Gedicht 5 ) — immer zart, sanft und voll Anmut. Zwar können auch „furchterweckende" Dinge besungen werden, aber dies soll nur in vornehmen, sanften Worten gewo aratame yomikaeru wo sunawachi honka to su to mösu nari) GR X , S. 705 (die Fassung im ChKSh. lautet leicht abweichend). Sodann erklärt Teika die verschiedenen Möglichkeiten dieses „honka-tori". 1 ) Kazamaki, a. a. O. S. 474f. Der Wandel in Teika's Geschmack wird durch einen Vergleich des 1205 zusammengestellten Shinkokinshü mit dem 1232 von Teika allein kompilierten Shinchokusenshü deutlich. Stimmung und Ausdruck der hier aufgenommenen Gedichte zeichnen sich nicht mehr durch Glanz, sondern durch ein sehr stilles, ja mattes Leuchten aus. Vgl. Florenz, a. a. O. S. 270f., Tsugita Urü a. a. O. I, S. 382, Ishida Yoshisada, Shinchokusenshü no seiritsu ni tsuite, in Kokugo to Kokubungaku, 1931, 6., 7. Heft. 2 ) Vgl. o. S. 19, Anm. 6. 3 ) gen'i ika ni osoroshiki mono naredomo uta ni yomitsureba yü ni kiki nasaruru tagui zo haberu. ChKSh. S. 173. Vgl. Tsurezuregusa, Kap. 14: „Kurzgedichte haben doch ihren ganz besonderen Reiz. Selbst das Tun eines ganz ärmlichen Holzfällers erscheint in dichterischer Sprache schön, auch ein fürchterliches Wildschwein wird anmutig, wenn es heißt: das Lager des ruhenden Ebers". 4 ) ChKSh. S. 175, 176. 5 ) „Das chinesische Gedicht macht das Herz erhaben und klar"(shi wa kokoro wo ke-dakaku sumasu mono nite sörö) ChKSh. S. 183. 74

schehen. Der zweite Grundsatz hängt innig mit dieser Forderung zusammen. Es soll nicht nur in anmutigen Worten gedichtet werden, das ganze Gedicht, mag es kräftige oder sanfte Worte gebrauchen, muß von einheitlichem Fluß sein, die Worte müssen harmonisch ineinanderklingen. Damit taucht das alte Problem des rechten Verhältnisses von Gefühl und Ausdruck, Gehalt und Gestalt wieder auf. Teika spricht, im Anschluß an die zitierten Sätze, von der alten Formel von „Blüte und Frucht"1), und er meint, die alten Gedichte hätten wohl die Frucht besessen, aber nicht die Blüte, während die Gedichte der neueren Zeit nur nach der Blüte strebten und der Frucht entbehrten. Lehre man, es sei vor allem auf das Gefühl (— die Frucht —) zu achten, so könne das so mißverstanden werden, als kämen die Worte erst an zweiter Stelle; sage man aber, man müsse vor allem auf die Pflege der Worte (— die Blüte —) achten, so meine einer vielleicht, er könne sich auch ohne tiefe Empfindung im Dichten versuchen. „In Wahrheit müssen Gefühl und Worte in gleichem Maße vollendet sein, falls ein Gedicht gut genannt werden soll", die beiden, Gefühl und Ausdruck, müssen sich so natürlich zusammenfügen „wie die beiden Flügel eines Vogels"2). Auch bei gleicher Vollendung von Gefühl und Ausdruck gibt es naturgemäß, und zwar vor allem je nach der Art des Dichters verschiedene Stile. In Anlehnimg an die aus der chinesischen Poetik stammende Zahl zehn stellt nun Teika zehn Stile auf, deren Namen wie Inhalte in den bisherigen Karon-Schriften und Uta-awaseUrteilen schon weitgehend vorgebildet waren3), die jedoch als die klassische Formulierung und Vollendung der bisherigen Versuche auf Jahrhunderte hinaus Anerkennung erlangten. Das Maigetsushö enthält leider nur die Stilbezeichnungen und verzichtet auf nähere Angaben über den Inhalt. Da aber das Teika fälschlich zugeschriebene Sangoki (s. u.) immerhin seine Auffassung wiedergeben dürfte, wird es gemeinhin als zusätzliche Kenntnisquelle verwendet4). Diese zehn Stile sind: (1) chökö-yö ß fä Ü;, der „Stil des erhabenen Wuchses": er entspricht etwa Tadamine's lcöjö-tai, sowie dem take and take-dakashi bei Shinzei und Chömei. yoso ni nomi Nur aus der Ferne mite wa yaminamu Soll ich sie sehen dürfen Katsuragi ya In Katsuragi Takama no yama no Auf dem Takama-Berge, mine no shirakumo Die weißen Gipfelwolken.6) (Shinkokinshü. 11. Buch, unbekannter Dichter) !) S. o. S. 22, Anm. 3. *) ChKSh. 176, 177. 8 ) Vgl. Öba, Nihon-bungaku-yöshiki-ron S. 182ff. 4 ) GR X , S. 973 ff. Für den yügen- und ushin- Stil finden sich Beispiele im Rufubon des KindaJ-shüka, GR X , S. 706. 6 ) Dies ist gleichzeitig ein Liebesgedicht. Die weißen Wolken auf dem Gipfel des TakamaBerges sind so unerreichbar fern wie die Geliebte, mit der ein Wiedersehen nicht gelingen will. Die Stimmung des Gedichts ist zweifellos auch Sehnsucht, doch hat sich der Dichter mit der Tatsache der Unerreichbarkeit vorerst abgefunden und sich auf eine Bewunderung aus der Ferne eingerichtet, auf eine Bewunderung von etwas Erhaben-unzugänglichem. Was den Ausdruck des Gedichts betrifft, so klingt vielleicht vor allem die 4. Zeile „takama no yama no" besonders getragen und damit stimmungsbildend.

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(2) mi-yö MÜc, der „Stil unmittelbarer Schau": er entspricht etwa dem tadagoto-uta des Kokinshü-Vorworts und erinnert in seiner Formulierung an Toshiyori's Uta-awase-Urteil „miru tokoro" im Naidaijin-uta-awase von 1118. murazame no tsuyu mo mada hinu maki no ha ni kiri tachinoboru aki no yögure (Shinkokinshu. 5. Buch, Jakuren)

Des Regenschauers Tropfen verdunsteten noch nicht, Von den Maki-Blättern Erhebt sich feiner Nebel — Ein herbstlicher Abend1).

(3) omoshiroJci-yö ® fi der „reizvolle Stil", insbesondere der gedanklich originelle Stil; er entspricht auch inhaltlich dem gleichlautenden omoshiroki sama im Toshiyori-zuinö sowie in Uta-awase-Urteilen Shunzei's. niwa no yuki ni Im Schnee meines Gartens wäre ato tsukete Ließ ich eine Spur zurück, idetsuru wo Als ich hinausging — towarenikeri to Nun meinen die Leute wohl, hito ya miruramu Ich habe Besuch erhalten!2) (Shinkokinshü, 6. Buch, Jichin) (4) u-issetsu-yö (hitofushi aru sama) ^ — ffi H;, der „besonders an einer Stelle reizvolle Stil", d. h. ein Stil, dessen gedankliche Originalität an einer Stelle des Gedichts besonders auffällt. Das Wort hitofushi taucht bereits beiKintö auf (Wakakubon III, 1), in dem etwas umfassenderen Sinn als „mezurashiki fushi" in Utaawase-Urteilen von Michitoshi und Tochiyori, und als okashiki fushi inChömei's Mumyöshö. tachikaeri mata mo kite mimu matsushima ya ojima no tomoya nami ni arasu na (Shinkokinshü, 10. Buch, Shunzei)

Heimgekehrt, ging' ich Gern wieder hin, dich zu sehn, O Matsushima! Möge das Inselhäuschen Nie ein Opfer der Wellen sein!3)

Das Gedicht verrät eine intensive Einfühlung, eine unmittelbare Teilnahme an dem Naturgeschehen: nach einem Regenschauer erhebt sich von den noch nassen Maki-Blättern (Maki = Podocarpus sinensis) ein feiner Herbstnebel, nach heftigen Regengüssen breitet sich nun ein friedlicher Abend über die Natur. 2 ) Der Reiz dieses Gedichts liegt einmal in der ästhetischen Vorstellung des weichen, reinen Schnees, dessen Schönheit den einsam in seiner Berghütte hausenden Einsiedler (Jichin) zu einem Spaziergang ermuntert. Als er aber, durch den Garten geschritten, seine eigenen dunklen Spuren im Schnee entdeckt, denkt er lächelnd: dieser Anblick könnte wohl manchen zu einem Mißverständnis meiner selbstgewählten Einsamkeit verleiten. 3 ) Von einer Reise naoh Matsushima heimgekehrt, ergreift den Dichter bei der Erinnerung an diese zaubervolle Landschaft Sehnsucht und der ungestüme Wunsch, sofort dahin zurückzukehren. Der eigenartige Reiz dieses Gedichts liegt wohl in der plötzlichen Steigerung dieser Sehnsucht zu der beunruhigenden Sorge, es könnte das kleine Strohhäuschen, in dem er auf der Insel übernachtet hatte, nun, allein zurückgeblieben, von den Wellen bedroht oder gar weggerissen werden.

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(5) nö-yö der „Stil von besonderer Wärme und Innigkeit"; er ist etwa das Gegenstück zu dem schlichten und unmittelbaren mi-yö (Stil 2) und entspricht seinem Inhalt nach sehr dem en bei Shunzei sowie dem karei von Shun'e. Die Formulierung nö-yö scheint von Teika selbst zu stammen, dessen yöen (s. u.) es inhaltlich nahekommen dürfte. chirasu na yo Rühre nicht daran ! sasa no hagusa no Auf den Bambusgras-Blättern kari nite mo Laß noch ein Weilchen tsuyu kakarubeki Den Tau, der da liegt, wo sonst sode no ue ka wa Auf dem Ärmel die Tränen. 1 ) (Shinkokinshu, 17. Buch, Dichter unbekannt) (6) rakki-tai (rakki no tai) Ü J ^ f l , der „Stil von dämonenbändigender K r a f t " : er entspricht inhaltlich sehr dem in bisherigen Uta-awase-Urteilen nicht seltenen Prädikat „kotoba tsuyoshi", dem männlich-kräftigen Ausdruck, obgleich dieser raMi-Stil nicht nur die Gestalt eines Gedichts, sondern auch seinen Gehalt umfaßt. Die Formulierung (auch : öni wo hishigu yö = ein Stil, der Dämonen zermalmt) scheint von Teika selbst zu stammen. nagaregi to tatsu shiranami to yaku shio to izure ka karaki wadatsumi no soko (Shinkokinshü, 18. Buch, Sugawara no

Ein Stück treibend Holz, Brandende weiße Wellen Und kochendes Salz — Was davon wird bald auf den Düsteren Meeresgrund sinken ?2) Michizane)

(7) yügen-yö der „Stil geheimnisvollen Nachklingens". Ein Beispiel zu diesem ganz die Tradition von Tadamine, Mototoshi, Shunzei und Chömei übernehmenden Stil enthält das von Teika selbst geschriebene Kindai-shükaManuskript : furusato wa chiru momijiba ni

Die alte Stätte Unter fallendem Herbstlaub

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) Das sanft beschwörende „chirasu na yo" leitet ein Gedicht von besonderem Verständnis für zarte Naturstimmungen ein. Die zärtliche Betrachtung des Taus auf den Bambusblättern erinnert den Dichter aber an Tränen und er fühlt, gerührt, plötzlich eine wärmende Unruhe in seinem Herzen. Das Gedicht besingt eine heimliche Liebe. 2 ) Das noch eine Weile auf dem Meere treibende Stück Holz, die weißen Wellen und auch das Salz, das am Strand ausgekocht wird, gehören alle drei dem Meere an. Untergehen, auf den dunklen Meeresgrund sinken wird aber nur das Holz, das jetzt noch eine Weile hilflos auf den Wellen treibt. Der in die Einsamkeit verbannte Dichter (Sugawara Michizane) vergleicht sein eigenes, trauriges Schicksal mit diesem Holz. Die starke Wirkung des Gedichts beruht nicht nur auf der verzweifelten Frage in den beiden letzten Verszeilen, sondern vielleicht auch rein lautlich in dem dreimaligen düsteren „to" am Ende der ersten drei Zeilen, und in der dreimaligen und nur jeweils durch einen Konsonanten unterbrochenen Wiederholung des Vokals o am Schluß des Gedichts. 77

uzumorete Ganz begraben liegt — noki no shinobu ni Durch denTüpfelfarn auf dem akikaze zo fuku Vordach wehet der Herbstwind 1 ). (Shinkokinshü, 5. Buch, Fujiwara Shunzei) Stil und Stimmung dieses Gedichtes entsprechen ganz dem «/wgren-Begriff von Shunzei, doch legt das Karon-Werk Teika's nirgendwo die Vermutung nahe, daß er in diesem yügen sein besonderes Ideal sah. (8) (koto) shikarubeki-yö ^ "J" H , der „Stil, wie er sein soll", also ein Stil mit vollkommener Harmonie von Inhalt und Form, von Verstandes- und gefühlsmäßigen Elementen. Die eigentümliche Formulierung erinnert an das „gen'i to oboe-haberi" Mototoshi's im Kwampaku-Naidaijin-uta-awase (1121) oder noch mehr an Shunzei's „kotowari shikarubeshi" im Miidera-shiragi-sha-uta-awase (1173). ökata no aki no nezame no nagaki yo mo kimi wo zo inoru mi wo omou tote (Shinkokinshü, 18. Buch, Ietaka)

Auch in den vielen Langen, herbstlichen Nächten, Die ich schlaflos liege, Bete ich für den Herrscher Und so für eigenes Glück2).

(9) rei-yö M tS, der „Stil von bestrickender Schönheit", von zierlicher Anmut und Weichheit; er gleicht bis zu einem gewissen Grade dem nö-yö Stil (5), doch fehlt dort das Element der verführerischen Anmut, das hier wesentlich ist. Die Formulierung rei-yö geht wohl auf das gleichbedeutende urwwashi (rei) bei Kintö (Waka-kubon I, 2), Shunzei (Sumiyoshi-sha-uta-awase 1128) und Chömei (Mumyöshö)zurück. honobono to Bei Tagesanbruch akashi no ura no In der Bucht von Akashi asagiri ni Morgendlichem Dunste shimagakure yuku Fährt da hinter die Insel fune wo shi zo omou Ein langsam entschwindend Boot3). (Kokinshü, 9. Buch, unbekannter Dichter, Hitomaro ?; vgl.' Kintö's Waka-kubon I L 1) Die Rückkehr in ein einst vertrautes Haus zeigt ein wehmütig stimmendes Bild: allerorts mit buntfarbigem, kühlem Herbstlaub bedeckt, erscheint es wie vergessen und gestorben. Der durch den Tüpfelfarn auf dem Vordach wehende Herbstwind erinnert den in Gedanken versunkenen, verträumt dastehenden Dichter an die Vergänglichkeit allen Seins, und er spürt, wie verzaubert, dunkel das Geheimnis der Welt. 2 ) Die Verbundenheit zwischen Herrscher und Untertan erscheint in diesem Gedicht durchaus nicht von'der religiös-politischen Seite (wie dies zumal in späteren Jahrhunderten geschehen mochte), sondern von der menschlichen her. Liebe und Ehrfurcht erfüllen in allzu langen Herbstnächten den am Kaiserhof lebenden und augenblicklich schlaflosen Dichter, der sein eigenes Schicksal als mit dem des Herrschers innig verknüpft erkennt. Aus dem Gedicht spricht das beglückende Gefühl einer schönen Harmonie. 3 ) Vgl. o. S. 34. Die Auslegung dieses wie jeden Gedichts wird je nach der Stimmung des Lesers leicht variieren. Die sanfte und doch frische Morgenstimmung, in der die zarte

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(10) ushin-tai % ifr^l, der „Stil mit tiefem Gefühl". Die gleichbedeutende Forderung des „tiefen Herzens" gilt bewußt seit Kintö's Poetikschriften. Besonders nahe an diese Formulierung Teika's reicht das Uta-awase Urteil Kenshö's aus dem Jahre 1191: „kokoro aru sama". oki-tsu kaze Auf dem hohen Meer fukinikerashina Wehet der Wind wohl einher: Sumiyoshi no In Sumiyoshi matsu no shizue wo Waschen die weißen Wellen arau shiranami Die untersten Kiefernzweige1). (Goshüishü, 18. Buch, unbekannter Dichter. Vgl. Eigwa-monogatari, Matsu no shizue.) Ebensowenig wie die zehn Stile Mibu no Tadamine's sind diese zehn Stile Fujiwara Teika's wahllos aneinandergereiht2), obgleich nicht übersehen werden darf, daß Teika an sich — von dem 6. Stil, der eine Sonderstellung einnimmt, abgesehen — nur zwei Gruppierungen von Stilen genannt hat: die eine umfaßt die oben als 7. 8. 9. 10. und die andere die als 1. 2. 3. 4. 5. bezeichneten Stile. Die obigeReihenfolge ist also bedingt willkürlich3) und nur durch die Tatsache gerechtfertigt, daß der 10. Stil wertmäßig den höchsten darstellt. Innerhalb dieser beiden Gruppen besteht aber doch wohl eine gedankliche Ordnung. Die Stile 1 bis 4 geben die historische Entwicklung an: Erhabenheit und unmittelbarer Ausdruck der Empfindung von Stil 1 und 2 kennzeichnen das Manyöshü, die Eigenart des gedanklich Reizvollen (Stil 3 und 4) entspricht dem Kokinshü. Der 5. Stil kommt seinem Wesen nach dem yöen gleich, das, wie noch gezeigt werden soll, Teika's Gedichtideal mindestens in seiner ersten Lebenshälfte darstellt und typisch für das Shinkokinshü ist. Während diese Stile 1 bis 5 mehr historischen Charakter tragen, sind die Stile 7 bis 10 viel aktueller, ja deutlich auf den 10. Stil, Teika's Ideal, hin zugestuft. Der 7. Stil war das Gedichtideal von Teika's Vater, Shunzei, der 8. und 9. Stil stellen in ihrer Harmonie von Inhalt und Form bzw. der Intensivierung des von Teika selbst sehr geschätzten 6. Stils eine langsame Steigerung Silhouette des Bootes den über die schimmernde Meeresfläche gleitenden Blick auf sich zieht, mag die Zuweisung in den rei-i/ö-Stil begründen. 1 ) Die kühle und reine Stimmung dieses Gedichts beweist eindeutig, daß unter dem „tiefen Gefühl" dieses Stils keineswegs gefühlvolle Leidenschaft des Herzens zu verstehen ist, sondern eine klare und geläuterte Empfindung. Wie intensiv die Stimmung dieses Gedichts ist, wird offenbar, wenn man versuchsweise die Verszeilen nach dem logischen Ablauf des Geschehens umstellt: In Sumiyoshi waschen die weißen Wellen die untersten Kiefernzweige: auf dem hohen Meer weht wohl ein starker Wind. Die rein erklärende Funktion des Nachsatzes würde die lyrische Stimmung außerordentlich schwächen, da ja gerade die letzten Verszeilen nachklingen sollen und die Vorstellung des über das Meer wehenden Windes den Leser in eine diffuse Unklarheit stößt. Die sehr klare und ästhetisch bezaubernde Stimmimg grüner Kiefern am Strande, an den die weißen Wogen branden, ist aber in sich so konzentriert, daß sie lange weiterzuschwingen vermag. s ) So etwa Takeuchi Toshio, Karon ni okeru yöshiki no mondai, in Bungaku 1939, Heft 10 S. 79. *) E s wäre also auch die Reihenfolge: 7, 8, 9, 10, 1, 2, 3, 4, 6, 6 denkbar. 79

zum 10. dar, der in seiner schlichten Formulierung auf Tsurayuki's klassische und für die ganze Entwicklung der japanischen Poetik bedeutsame Worte zu Beginn seines Kokinshü-Vorworts hinweist. Hisamatsu1) teilt die 10 Stile nach vier Prinzipien ein: a) nach dem Ausdruck: mi-yö (2), nö-yö (5), rakki-tai (6) b) nach ihrem intellektuellen Gehalt: omoshiroki-yö (3), u-issetsu-yö (4) c) nach ihrem Gefühlsgehalt: chökö-yö (1), yügen-yö (7), rei-yö (9) d) nach der Verwirklichung einer Harmonie von Gehalt und Ausdruck: (koto) shikarubeki-yö (8), ushin-tai (10). Teika selbst sieht indem 7.8.9. und 10. Stil die „grundlegende Gestalt" (moto no sugata) des japanischen Gedichts verkörpert, und er bezeichnet als ihren gemeinsamen Charakter die „aufrechte und sanfte Gestalt" (sunao ni yasashiki sugata). Um diese vier Stile muß sich der Anfänger, sagt er, zuerst bemühen2). Es überrascht natürlich, daß gerade die schwierigsten Stile zuerst gefordert werden, doch haben ihn vielleicht zwei gewichtige Gründe dazu veranlaßt. Einmal enthalten diese vier das Wesen des japanischen Gedichts, wie es zu Beginn des Maigetsushö als „sanft und voll tiefer Empfindung" gekennzeichnet ist, besonders rein, zum andern aber soll wohl dem noch Lernenden von Anfang an das höchste Ideal vor Augenschweben, er soll sich mit ganzer Herzenskraft um das scheinbar Unerreichbare bemühen und sich nicht durch ein Streben nach kleineren „vorläufigen" Idealen von vornherein schwächen3). Beherrscht einer diese vier Grundstile, so fallen ihm die Stile 1 bis 5 sehr viel leichter. Nach Erlernung der „grundlegenden Gestalt" des 7. 8. 9. 10. Stils wird sich der Dichter zudem nun auch einen persönlichen Stil erwerben, je nach seiner Veranlagung sich für einen der zehn Stile entscheiden können. Der 6. Stil (rakkitai) aber ist nur Dichtern von vollendeter Kunst möglich. Obgleich dieser 6. Stil wertmäßig durchaus nicht an höchster Stelle steht, wird er von Teika in Ansehimg seiner besonderen Position als einziger neben dem ushin-tai als tai bezeichnet, denn nur eine souveräne Beherrschung der Technik und vor allem eine wahre innere Reife gestattet ein Dichten „in starken Worten", so leicht dies auf den ersten Blick auch scheinen mag4). a) Wertmäßig steht Teika der 10. Stil (ushin-tai) am höchsten. Gleichzeitig ist dieser aber auch in allen übrigen enthalten, wie Teika hervorhebt6). Und ina !) Hisamatsu, a. a. O. I, S. 356f. ) ChKSh. S. 173. ) Diese Erwägung entspricht sehr stark den religiösen Praktiken jener Zeit. Shötetsu (s.u.), der Schüler und Verehrer Teika's, formuliert diesen Grundsatz besonders deutlich, s. u. S. 115.4 ) Die „drei unteren Stufen" im Kyüi-shidai von Seami nehmen dort eine ähnliche Stellung •wie der rakki-Stil bei Teika ein. Es gilt dort die Regel, daß man zuerst die mittleren drei Stufen lernt, dann die oberen drei Blüten erreicht und sich die „Kunst" der unteren drei Stufen zuletzt aneignet. Diese drei „unteren Stufen" sind die Stile der Stärke und Wildheit. Die naheliegende Frage, warum die „primitiven" Stufen den Abschluß bilden, mag u. a. mit folgendem Argument beantwortet werden: Es wird zum untrüglichen Zeichen hoher Begabung und vollendeten Könnens, wenn man es versteht, diesen unteren drei Stufen das auch in ihnen schlummernde künstlerische Leben abzuringen und so einen ganz besonderen und eigentümlich reizvollen Stil neu zu schaffen. s ) izure no tai nite mo tada ushin-tai wo son-subeki nite sörö. ChSKh. S. 175. 8

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sofern in der Tat ein gutes Gedicht, ganz gleich welchen Stils, ohne echtes und tiefes Gefühl nicht entstehen kann, heißt der 10. mit Recht der „Grundstil der Dichtung". Man kann also, mit anderen Worten, einen allgemeinen und einen speziellen vjshinStü unterscheiden: der erstere ist die Grundlage auch der übrigen Stile, der letztere überragt sie alle an Wert. Während in derZeit vorTeika, vor allem durch das Idealseines Vaters beeinflußt, das yügen nicht nur ein Stil-, sondern auch ein deutlicher Wertbegriff war, ist Teika's yügen-yö nur mehr ein Stilbegriff, der Wertbegriff ging auf den ushin-tai über1). In diesem speziellen ushin-tai ist das Wesen des japanischen Gedichts besonders rein enthalten: die „gerade und sanfte Gestalt" (sunao ni yasashiki sugata) der Stile (7), (8), (9) und (10) erscheint in demspeziellen 10. Stil gewissermaßen kristallisiert. Der „allgemeine" ushin-tai setzt nur die bereits von Tsurayuki, Tadamine, Kintö und Toshiyori erhobene Forderung des „tiefen Gefühls" fort. Die Eigenart und die Bedeutung von Teika's Poetik besteht aber darin, daß er dieses „tiefe Gefühl" nicht nur in jedem auch nur möglichen Stil als die Grundlage setzt, sondern es zu einem eigenen Stil erhebt, der, wie aus dem oben zitierten Beispielgedicht des Sangoki zu ersehen ist, sich keineswegs durch besonders gefühlvolle Stimmungen, sondern durch K l a r h e i t der Empfindung auszeichnet. „Sobald die Stimmung verschwommen ist und das Herz leicht verwirrt, gelingt der üs^w-Stil nicht, so sehr man sich auch anstrengen mag, in ihm zu dichten. Weil man sich so intensiv darum bemüht, wird (im Gegenteil) der künstlerische Kern des Dichters geschwächt, und das rechte Empfinden für den Stil geht verloren. In solchen Augenblicken fertige man Stimmungsgedichte (keiki no uta). „Gestalt" und Worte sind hier unruhig verworren, und es mangelt an wahrem Gefühl, gleichwohl vermag man in einer angenehm klingenden „Art" zu dichten. Dies gilt besonders bei plötzlicher Aufforderung zu dichten (sog. töza)*). Wenn man dann, vier, fünf oder zehn solcher (Stimmungs-)Gedichte nacheinander verfaßt hat, zerstreut sich die verworrene Stimmung, die künstlerische Anlage blüht wundervoll auf, und der wsAwi-Stil gelingt!"3) Die Gedichte des ws^im-Stils werden hier den sog. Stimmungsgedichten (keiki no uta) gegenübergestellt. Sie zeichnen sich durch besondere Klarheit der Empfindung aus und sind frei von unruhigen, verschwommenen und schwärmenden Gefühlen, die das Herz nur trüben. Zur Zeit Shunzei's scheinen die Stimmungsgedichte im Schwang gewesen zu sein; das hohe Ansehen des geheimnisvollen, sug1

) Die wichtige Unterscheidung von Stil- und Wertbegriff wird besonders bei Onishi, Yügen to aware, S. 19f. betont. 2 ) Den Gegensatz zu töza "g" gg bildet der Begriff kendai ^jfe f g , wo die Gedichtthemen schon einige Zeit vorher zum "Überlegen gegeben werden. 3 ) oboroge sashite shintei midarigawashiki ori wa ikaga ni yomamu to an-zuredomo ushintai dekizu. sore wo yomamu yomamu to shinogi-habereba iyoiyo seikotsu mo yowarite s h ö t a i - n a k i - k o t o g g jJ}.) haberu nari. saramü toki wa mazu keiki no uta tote sugata kotoba no sosomekitaru ga nan to naku kokoro wa nakeredomo uta-zama no yoroshiku kikoyuru yö wo yomubeki nite sörö. töza no toki kotosara kokorou-beki koto ni sörö. kakaru uta dani mo shi-go-shu jisshu yomi-haberinureba oboromi (||j mo san-jite seiki Hg) mo uruwashiki nari hontai ni yomaruru koto nite sörö. ChKSh. S. 175. 6 Beni

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gestiven yügen-Stils hatte sehr dazu verführt, sich unklaren Gefühlen und schweifenden Stimmungen zu überlassen und in ihnen zu dichten. Teika lehnt sie ab. Er läßt sie nur als Übergang gelten, der überwunden werden muß und kann. Befindet man sich in einer unklaren, gefühlvollen Stimmung, wird aber durch eine plötzliche Aufforderung zum Dichten vor die Notwendigkeit gestellt, etwas zu schaffen, was dem kritischen Urteil vieler standzuhalten vermag, so überlasse man sich, so rät Teika, ruhig diesen unklaren Empfindungen, dichte sich vier bis zehn Gedichte dieser Art vom Herzen, das dadurch „enttrübt" und geklärt wird. In klarer Erfassung der inneren und äußeren Situation des vorschwebenden Stoffes können dann durchaus Werke von wirklicher und nicht nur scheinbarer Gefühlstiefe, Gedichte im «sAin-Stil entstehen1). Teika's Streben nach innerer Klarheit wird an diesem Ideal besonders offenbar2). Hisamatsu3) hingegen ist der Auffassimg, daß Teika unter dem speziellen ushinStil etwas viel Konkreteres verstanden hat, nämlich das, was er im Kindaishüka bei der Beurteilung Tsurayuki 's als fehlend kritisierte4): yojö yöen, das, ,über die Worte hinausreichende „tiefe Gefühl" und das „bestrickend Schone", insbesondere das letztere. Das wohl aus dem Chinesischen stammende Wort yöen6) taucht in Teika's Uta-awase-Urteilen6) sehr häufig auf, es entspricht im Wesentlichen dem en von Shunzei, glänzt aber noch etwas heller und kennzeichnet — ebenso wie dieses — vor allem Liebesgedichte. Es schimmert froh, weich und kokett und ist gemeinsam mit dem yojö die Grundstimmung des Shinkokinshü. Im Gegensatz zu Shunzei's Ideal der Stille und Einsamkeit verkörpert es Pracht und Lebensfreude. Wenn ushin die tiefe und vor allem klare Empfindung ist, verkörpert yöen das weich Anmutige und Bestrickende. Beide Elemente können auch gleichzeitig auftreten, innig miteinander verbunden sein, besonders in hervorragenden Liebesgedichten, etwa Narihira's berühmtem „tsuki ya aranu" (s. o.). Der Unterschied zu Shunzei's yügen-Ideal ist klar. Der tiefere Grund für diese Entwicklung liegt aber durchaus nicht nur in der verschiedenen Begabung und Temperamentslage der beiden Dichter. Zwar haben das yügen des Heian-Dichters Shunzei und das yöen Teika's, der schon zur Kamakura-Zeit gehört, das 1

) Vgl. die besondere Schätzung des Gedicht-Motivs bei Goethe; in einem Gespräch mit Eckermann vom 18. Januar 1825 heißt es: Sie sehen daraus die große Wichtigkeit der Motive, die niemand begreifen will. Unsere Frauenzimmer haben davon nun vollends keine Ahnung. Dies Gedicht ist schön, sagen sie und denken dabei bloß an die Empfindung, an die Worte, an die Verse. Daß aber die wahre Kraft und Wirkung eines Gedichts in der Situation, in den Motiven besteht, daran denkt niemand. Und aus diesem Grunde werden denn auch Tausende von Gedichten gemacht, wo das Motiv durchaus null ist, und die bloß durch Empfindungen und klingende Verse eine Art von Existenz vorspiegeln." Vgl. ferner Staiger, a. a. O. S. 20f. 2 ) Vgl. hierzu Okazaki, Nihon-bungeigaku, S. 607 ff. 3 ) Hisamatsu, a. a. O. I, S. 363f. 4 ) Diese Auslegung wird allerdings von Okazaki, Bi no dentö, S. 79f., bestritten. Nach Okazaki liegt in der Bemerkung Teika's, Tsurayuki habe es an yojö und yöen fehlen lassen, keine Kritik, im Gegenteil: Teika sei damals bereits des an yojö und yöen reichen Shinkokinshü-Stils überdrüssig gewesen. Vgl. auch Kazamaki, a. a. O. S. 464ff. 6 ) Vgl. S. 47, Anm. 1. 6 ) Vgl. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 367, Okazaki, a. a. O. S. 92f.

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Element des yojö gemeinsam, wenngleich dieses im yöen quantitativ geringer sein mag, aber stilgeschichtlich gesehen kann man im yöen mehr als im yügen eine Art von Rückkehr zum alten Heian-Ideal des mono no aware erkennen, das in der unbedingten Hingabe an die Schönheit und alle Empfindungen des Herzens bestand1). Daran aber ist nicht nur Teika's Liebe zur Heian-Kultur schuld2), sondern auch seine Bejahung des neuen Kamakura-Geistes. Das Erlebnis des Zusammenbruchs der alten Heian-Kultur, das gewaltige Schauspiel der Hinfälligkeit menschlichen Glanzes und Glücks, wie es etwa in dem Untergang der mächtigen Taira allen dramatisch vor Augen geführt worden war, hatte Shunzei's Lebensgefühl geschwächt, er ließ nun seinen Blick gewissermaßen nur mehr über die Dinge hinschweifen, ohne sie fest ins Auge zu fassen; Teika hingegen bejahte trotz seiner Liebe zur Heian-Kultur auch das aktive Lebensgefühl seiner Zeit, die durch das Erstarken des Rittertums gekennzeichnet ist. Teika's Ideal des yöen ist, wie Hisamatsu3) sagt, „wie die Gestalt eines jungen Ritters in prächtiger Rüstung auf goldbesticktem Sattel". b) Außer dem ushin erwähnt Teika noch einen weiteren idealen Gedichtstil, den shüitsu-tai ^ Ü!, den,,hervorragenden Stil". Was bedeutet dieser und in welchem Verhältnis steht er zum ushin- Stil ? Der shüitsu-tai transgrediert alle anderen Stile, ist in keinem der zehn Stile enthalten und umfaßt doch alle; bei Gedichten dieses Stils ist das Gefühl tief und erhaben, und es reicht feinsinnig über die Worte hinaus, das Herz ist aufrecht und schlicht, heißt es erklärend4) und doch nicht sehr klar. Aber dann fährt Teika fort: „Die meisten Leute verstehen unter dem shüitsutai ein schmuckloses, flüssig geschriebenes Gedicht, das in seinen Empfindungen zurückhaltend und erhaben zugleich ist. Aber darin irren sie. Wenn man solche Gedichte ohne weiteres als shüitsu bezeichnet, so müßte jedes (gute) Gedicht von diesem Stile sein. Bei dem wirklichen s/mtew-Stil ist es keineswegs so, daß man ihn bewußt verwenden kann, während man bei angestrengt konzentriertem, lautem Dichten seinen* Geist völlig klärt, — aber es kann geschehen, daß man (inmitten dieses heißen Bemühens) plötzlich „von der Seite her" ganz leicht zu dichten beginnt, und dann handelt es sich wohl um den shüitsu-Stil"5). Nach Tesaki Masao, Teika no monogatari-zösaku, in Kokugo to Kokubungaku 1940, Heft 6, führt die Grundstimmung und das Schönheitsideal des Shinkokinshü, dessen typischer Vertreter Teika ist, die Ideale derHeian-Zeit direkt weiter. „In denTanka des Shinkokinshü wird das Schönheitsideal der Heian-Zeit, wie es vor allem in den Monogatari erscheint, in wundervoller Weise ausgedrückt" (S. 47). In diesem Sinn ist nach Tesaki das Shinkokinshü dem Heian-Ideal näher als das Kokinshü mit seinen bereits nach der Rokkasen-Zeit abgefaßten Gedichten. 2 ) Über die engen Beziehungen von Teika's eigenen Gedichten zum Genji-monogatari s. Mori-Öyama, a. a. O. S. 132f. 8 ) Hisamatsu, a. a. 0 . III, S. 104. *) ChKSh. S. 178. 5 ) tsune ni hito no shüitsu no tai to kokoroete haberu wa mumon (ffif ^t) naru uta no sawa-sawa to yomite kokoro wo okure take aru nomi moshi-naraite haberu, sore wa fukaku (if> no koto nite sörö.kakaramu uta wo shüitsu to dani to mösubekuba uta goto ni mo yominubeku zo haberu. eigin (fjjc koto kiwamari anjö sumi-watareru naka yori ima to kaku to mote-atsukau fuzei (r^ ) nite wa nakute niwaka ni katawara yori yasuyasu to shite yomi-idashitaru naka ni ika ni mo shüitsu wa haberubeshi. ChKSh. S. 117f. 6»

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Mit anderen Worten, Gedichte dieses „hervorragenden Stiles" sind bei aller Erhabenheit und Tiefe schlicht, doch ist diese Schlichtheit keineswegs an sich schon ein zureichender Entstehungsgrund; jedes gute Gedicht, ganz gleich welchen Stiles, zeichnet sich durch diese Eigenschaft aus. Sehr viel bedeutsamer ist für das Zustandekommen eines solchen Stils eine strenge innere Konzentration, eine „Klärung" des Verstandes und des Herzens1), ein angestrengtes, fast leidendes Bemühen. Aber auch dieses genügt nicht, damit kann der sMiisii-Stil nicht herbeigezwungen werden: inmitten der äußersten Spannung stellt sich plötzlich, von irgendwoher kommend, dieser Stil gelegentlich von selbst ein. Man könnte diesen Vorgang als Inspiration bezeichnen2), aber der Vergleich mit der religiösen Praxis der Zen-Lehre ist naheliegender und einleuchtender3). Für diese Einstellung Teika's zur Dichtkunst dürften wohl zwei Gründe vor allem maßgebend sein. Zunächst ist es sicherlich ein Mangel in Teika's dichterischer Begabimg. Der sehr geistig orientierte Dichter vermochte nicht wie etwa Saigyö in einer eigenen, reinen lyrischen Welt aufzugehen; die inneren Quellen sprangen bei ihm nicht so reichlich, als daß ein ruhiges, ja müßiges Sichselbstüberlassen, eine bloße Hingabe an den Augenblick zu genialer Dichtung hätte führen können. Da Teika aber sehr intellektuell und pädagogisch veranlagt war - seine Karon- Schriften enthalten eine Fülle von Belehrungen -, wollte er sich durch strenge Selbsterziehung einen Zugang zu den Höhen der Dichtkunst erzwingen. Diese seine intellektuelle Begabung ist auch der zweite Grund für seine der ZenLehre verwandte Einstellung zur Dichtkunst. Klarheit der Empfindung ist in der Tat eine wesentliche Voraussetzung für jede große Dichtung, verschwommene Gefühle sind ihr Verderben. Der Gedanke, diese Klarheit bewußt herbeizuführen und sich so die hohe und reine Sphäre der Kunst zu erschließen, lag in einer Zeit ohnehin nahe, in der man durch die Zen-Praxis von der wunderbar reinigenden Kraft der geistigen Konzentration und der dadurch möglichen Beschwichtigung innerer Unruhe wußte. Ein richtiges Verständnis von Teika's ushin-Ideal läßt ohne weiteres erkennen, wie klein der Schritt von hier zu diesem shüitsuStü war. Teika's hohe kritische Begabung und seine enge Bindimg an die geistigen Strömungen seiner Zeit verschafften ihm schon zu Lebzeiten unbestrittene Autorität. Die Generationen nach ihm lebten von seinem Erbe. Die Nijö-Dichterschule, die von seinen Söhnen begründet und von seinen Enkeln ausgebaut wurde, bemühte sich um die Wahrung seiner Tradition. Aber erst die meist von ZenMönchen getragene Reaktion gegen diese immer mehr in Talentlosigkeit und Mißverständnissen erstarrende Nijö-Kichtung brachte die Ideen Teika's zur währen Blüte. *) „Beim Dichten muß man zunächst lernen, das Herz ganz rein und klar zu machen" (uta ni wa mazu kokoro wo yoku sumasu hitotsu no narai nite haberu nari). ChKSh. S. 183. 2 ) Über die zwei Grundformen des künstlerischen Schaffens: eine, die scheinbar spielend hervorbringt und die andere, die sichtlich mühsam ringt, Gerhard Kleiner, Die Inspiration des Dichters, Berlin 1949, (in Kunstwerk und Deutung, Heft 5), dort auch über das Verhältnis von Erfindungsgabe und Formengewalt. 8 ) Gundert, Japanische Religionsgeschichte, S. lOOf. 84

II. Die Fujiwara Teika f ä l s c h l i c h z u g e s c h r i e b e n e n

Poetik-Werke.

1. Das Sangoki HrEfE 1 ) enthält in seinem ersten Teil Unterteilungen der 10 Stile Teika's, in seinem zweiten vor allem Ausführungen über die Rikugi (s. o.). Zu den 10 Stilen des Maigetsushö bringt der erste und wichtigere Teil weitere 18 Unterbezeichnungen und fügt jedem Stil drei chinesische Doppelverse, drei japanische Gedichte und eine kurze Erklärung bei. Da das Maigetsushö weder Beispiele noch Erklärungen zu den einzelnen Stilen umfaßt, liefert das Sangoki wertvolle Ergänzungen. Die Unterbezeichnungen, besonders zu dem i/wgrew-Stil, deuten zudem die Richtung an, in der sich die Poetik unmittelbar nach Teika entwickelt hat. Die Unterbezeichnungen des yügen-Stils sind köun-taiVi ® $t, der,, Stil der ziehenden Wolken", und kaisetsu-tai 31S? MI, der „Stil wirbelnder Schneeflocken"2). In der Erklärung dazu heißt es: „Gefühl und Worte sind verhalten und andeutend". „Es ist die Stimmung, wenn schwache Wolken vor den Mond treten oder der Schnee im Winde stäubt... Gedichte, bei denen zu dem Gefühl und den Worten noch etwas weiteres leise (verhalten) hinzutritt, haben den Stil köun und kaisetsu3)." Sie werden die „Grundstile" (uta no hon-i) genannt und als sanft (yasashi) und weich (yawaraka) gekennzeichnet.

W ä h r e n d F u k u i Kyüzö, nach Öba, a. a. O. S. 198, das Sangoki f ü r eine Fälschung aus der Reizei- Schule (s. u.) u n d in seiner Tendenz gegen die Nijö-Schule gerichtet hält, ist Oba selbst entgegengesetzter Meinung. 2 ) Als Beispiel f ü r den yügen-Stil wird u. a. Tadamine's Gedicht a n g e f ü h r t : ariake no t s u r e n a k u mieshi wakare yori akatsuki bakari uki mono wa nashi (Kokinshü, 13. Buch)

Bei Tagesanbruch Wie kalt erschien u n s der Mond, Als wir u n s t r e n n t e n — Traurigeres als diesen Morgenmond k a n n es nicht geben.

Als Beispiel f ü r den fcöwn-Stil wird der Dichterin Shunzei-no-musume's: shitamoe ni omoi-kienamu kemuri dani atonaki k u m o n o h a t e zo kanashiki (Shinkokinshü, 12. Buch)

W e n n in verborgener Liebesglut ich verbrenne, Bleibt dem Geliebten Der B a u c h selbst verborgen, der Spurlos, o J a m m e r , sich auflöst!

zitiert u n d als Beispiel f ü r den fcaisetew-Stil Hidenori's: kaze fukeba Vom Winde fortgeweht, yoso n i n a r u m i n o Vereinsamt, der Gattin, k a t a omoi F e r n v o m Narumi-Meer, omowanu n a m i n i Gedenkend, schreit ü b e r den n a k u chidori k a n a K a l t e n Wellen der Regenpfeifer. (Shinkokinshü, 6. Buch) 3 ) yügen t o iwareru u t a no n a k a ni nao sugurete usu-gumo no tsuki wo öitaru yosöi tobiyuki no f ü ni tadayou keshiki no kokochi s h i t e . . . kokoro kotoba no hoka n i kage n i u k a b i soeramu u t a wo köun kwaisetsu n o t a i t o mösubeki koso. GR X , S. 973.

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Die übrigen Unterstile, die ihren Inhalt bereits aus ihren Namen ersehen lassen sind: chökö-tai: töshiroki-tai Ö fB! (s. o.), der „Stil der Weite und Klarheit", chölcai-tai der „Stil des klaren Meeres", san-tai |JL| gl, der „Stil der Berge". ushin-tai: mono-no-aware-tai % & der „Stil des mono no aware" (s.o.), fumei-tai Pjl S§, der „Stil der andeutenden Unklarheit", bumintai S S S I , der „Stil der Volksbefriedung", d. h. der weisen Herrscher wie etwa in der Engi (901—923) - und Tenryaku (947— 957) — Periode, rise-tai f H B : ® , der „Stil der weisen Weltordnung", d. h. wie unter den chinesischen Herrschern Yao und Shun, shikyoku-tai M$Üifi, der „höchste Stil". rei-tai: karei-tai der „Stil der Blumenanmut", shö-tai föfÜI, der „Kiefernstil", chiku-tai f f t§, der „Bambusstil", sonchoku-tai i [ iBi, der „unmittelbare Stil". koto-shikarubeki-tai: shüitsu-tai ^s fn, der „hervorragende Stil", batsugun-tai tft der „alles übertreffende Stil", shako-tai % "if fff, der „die Tradition pflegende Stil". omoshiroki-tai: ikkyö-tai — M f f , der „besondere Aufmerksamkeit erregende Stil", keikyoku-tai JP: ft fH, der „durch unerwartete Ideen blendende Stil". nö-tai, miyö-tai, u-issetsu-tai sind ohne Unterbezeichnungen, der rakki-tai wird auch kyöryoku-tai j] Hl, „Stil von bedeutender Kraft" genannt. Die Reihenfolge, in der die Stile zu erlernen sind, richtet sich weitgehend nach Teika's Maigetsushö. Zur ersten Stufe gehören als die grundlegenden Stile yügentai, ushin-tai. rei-tai, koto-shikarubeki-tai, nö-tai (im Maigetsushö gehört letzteres zur zweiten Stufe!); der rafcfci-Stil kann wie der gleichlautende Stil des Maigetsushö erst nach Beherrschung aller übrigen Stile gemeistert werden. 2. Das G u h i s h ö M ö ? 1 ) bringt in seinem ersten Teil ebenso wie das Sangoki eine Aufzählung und Unterteilung der zehn Stile Teika's 2 ) und Urteile über einige Dichter wie Yoshitsune und Jichin, der zweite Teil behandelt schwierige Gedichte aus alter und neuer Zeit und erzählt Anekdoten über offizielle Anthologien sowie über Gedichtzeremonien und Uta-awase. Sehr aufschlußreich ist die Erklärung zum yügen-Stü, nach welcher die beiden Unterstile köun und kaisetsu x

) Nach Fukui Kyüzö enthält das Guhishö teilweise Poetik-Auffassungen, die dem Eigataigai von Teika widersprechen, und es stammt daher vielleicht von der Kyögoku-Schule (s. u.). Oba, a. a. O. S. 199, nimmt mit der gleichen Begründung wie beim Sangoki (das Gunshoruijü-Manuskript enthält u. a. auch eine Biographie von Tameuji, dem Ahnen der Nijö-Schule) eher eine Fälschung der Nijö-Schule an. 2 ) Es fehlen jedoch, mit dem Sangoki verglichen, der keikyoku-tai und shako-tai (welche im Sangoki zum omishiroki-tai bzw. koto-shikarubeki-tai gehören). Ferner finden sich einige unbedeutende Abweichungen in der Zuteilung der Unterstile. Während etwa im Sangoki der shikyoku-tai dem ushin-tai zugehört, der shö-tai und chiku-tai dem rei-tai, der chökai-tai dem chökö-tai, sind im Guhishö diese vier Stile (also: shikyoku-tai, shö-tai, chiku-tai und chölcai-tai) als „die Grundlagen des Waka" (waka no hon-i) allen Stilen zugeteilt.

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die Erinnerung an zwei schöne Frauen aus der chinesischen Legende wecken1). „Die Gedichte von einer sanften und erhabenen Stimmung, so als bedeckten dünne Wolken den Mond, kann man köun (ziehende Wolken) nennen, und Gedichte mit einer sanften, reichen und ungewöhnlichen, aber sehr feinen Stimmung, als stäube Schnee in einem nicht allzu heftigen Wind, kann man mit kaisetsu (stäubender Schnee) bezeichnen" 2 ). Die beiden Stile werden also versinnbildlicht durch die zarte, feierliche Stimmung von leichtem Gewölk, das am Mond vorüberzieht, und das zarte Entzücken und die leichte Verwirrung, welche der Anblick im Winde treibender Schneeflocken hervorruft. Die Beispielgedichte sind ebenso wie im Sangoki durchwegs Liebesgedichte und haben mit dem yügenBegriff von Shunzei und Teika im Grunde nicht viel zu tun. Sie sind in der Tat von einem Stil „als sehe man sanfte, unvergleichlich schöne Frauen", einem Stil, den man viel eher mit der bestrickenden Anmut des yöen bezeichnen könnte oder mit ushin, sofern man dessen spezielle Form mit dem yöen gleichsetzt (s. o.). Sodann berichtet das Guhishö, daß in der Genkyü-Periode (1204—1206) eines Tages einige der berühmtesten Dichter zu einer Diskussion über das Gedichtideal der Zeit in den Palast gerufen wurden und Jäkuren, Ariie, Masatsune und Ietaka einstimmig yügen als den „höchsten Stil" (shikyoku-tai), Michitomo aber ushin, yügen und rei-tai für gleich unentbehrlich erklärten3). - So erscheint nach dem Guhishö wie Sangoki4) das yügen als der hervorragendste und beliebteste Stil dieser Zeit 5 ), inhaltlich handelt es sich jedoch nicht mehr um den alten- yügen-üegrifi Shunzei's, sondern eher um das yöen von Teika und der Dichtergeneration des Shinkokinshü. Vielleicht sind beide Poetik-Bücher in der Absicht geschrieben worden, dem Ideal Teika's und seiner Anhänger durch die Bezeichnung mit dem berühmten Prädikat yügen eine noch umfassendere Anerkennung zu verschaffen). Was die Reihenfolge betrifft, in der die verschiedenen Stile gemeistert werden sollen, so schließt sich das Guhishö weniger als das Sangoki an Teika's Maigetsushö an, es vergleicht in origineller Art die Verschiedenheiten der zehn Stile mit den 1 ) Das Guhishö zitiert hier aus dem Kao-t'ang-fu und dem Lo-shen-fu des Wen-hsüan. Die Erzählung des Kao-t'ang-fu erwähnt später Shötetsu in seinem Seigensawa, s. u. S. 119. 2 ) sore ni torite mo yasashiku ke-dakaku shite usu-gumo no tsuki wo öitaramu kokochi semu uta wo köun to mösubeshi. mata yasashiku keshikibamite tada naranu ga shika mo komayakanitobi-yukinoitakutsuyokaranu kaze ni mayoi-chiru kokochi semu uta wo kaisetsu to wa möshi-haberubeki ni ya. GR. X , S. 940. 3)

G R X , S. 939. *) Die ebenfalls fälschlich Teika zugeschriebenen Poetikwerke Gukenshö jgj fjl, und Kiri-hi-oke (s. o.) enthalten die gleiche Einstellung. Das Gukenshö ist eine gekürzte Fassung des Guhishö; da es in dem 1409 verfaßten Benyöshö (s. u.) von Imagawa Ryöshun erwähnt ist, muß es mindestens damals bereits existiert haben. Auch das Kiri-hi-oke enthält z. T. Auszüge aus dem Guhishö. 6 ) Nach Nose, a.a. O. S. 121,mag einer der Gründe, warum er diej/ojö-i/öen-Eigenschaften, die — nach Hisamatsu — den speziellen wsÄm-Stil bilden, nun in die Unterstile des yügen : köun und kaisetsu verlegte, der gewesen sein, daß er es für unpassend hielt, den verführerischreizvollen Liebesgedicht-Stil des yöen in den mit hohen politischen und ethischen Idealen wie rise und bumi (s. o.) ausgestatteten wsAwi-Stil einzufügen.

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Vorzügen und Schwächen dreier großer Schreibkünstler der Heian-Zeit: Töfü (oder Michikaze) M M,, Közei (oder Yukinari) f f J& und Sari (oder Sukemasa) 0:¡ES1). Töfü's Pinselstrich ist erhaben und kräftig, aber nicht sanft und bezaubernd, sein Stil ist wie ein kraftvolles Knochengerüst, dem es freilich an Haut und Fleisch gebricht: ihm entsprechen die Stile rakki-tai, ushin-tai, koto shikarubekitai und rei-tai. Közei's Pinselführung ist nur bezaubernd weich, er ist wie das Fleisch, dem Haut und Knochen fehlen: ihm entsprechen die Stile nöyö-tai, u-issetsu-tai, omoshiroki-tai. Sari's Art zu schreiben ist nur sanft, er malt gewissermaßen nur die Haut, vergißt aber das Knochengerüst und auch das Fleisch: ihr entsprechen die Stile yügen-tai, miyö-tai und, merkwürdigerweise, chökö-tai. — Jede dieser drei Arten, den Pinsel zu führen, hat ihre Vorzüge und Schwächen. Das Ideal ist eine Vereinigimg aller drei Elemente, wie dies in der Schreibkunst etwa von Köbö-Daishi (774—835), dem Gründer der japanischen Shingon,Sekte, erreicht worden ist. Dieses Ideal ist natürlich nur in sehr seltenen Fällen zu verwirklichen, aber die Reihenfolge, in der man sich um diese Stile bemühen muß, liegt in der Natur der Vergleichsobjekte. Zunächst müssen die grundlegenden und dem Knochengerüst entsprechenden Stile erlernt werden, sodann folgen die besonders gehaltvollen Stile, die dem weichen, füllenden Fleisch entsprechen, den Schluß bilden die Stile, deren Ausdruck so bezaubernd ist wie die sanfte Haut eines lebendigen Leibes.

III. K a r o n - S c h r i f t e n japanischer Kaiser. Es ist ein überzeugender Beweis für die hohe Bedeutung der damaligen Poetik, daß selbst zwei Kaiser ihre Gedanken darüber niedergeschrieben haben. 1. Das G o - T o b a - I n - m i k u d e n • iH2) stammt von dem Ex3 kaiser Go-Toba ), dem hochbegabten und großzügigen Patron der Dichtkunst seiner Zeit. Das von ihm vor oder kurz nach seiner Verbannung auf die Insel Oki4) geschriebene Werk enthält außer einem Vorwort allgemeiner Art sieben Anweisungen für „Anfänger" und schließlich Urteile über zeitgenössische Dichter. In dem Vorwort betont Go-Toba-In, daß „das Dichten japanischer Gedichte sich seit jeher weder auf Belehrungen noch auf bloße Übung gründen könne, sondern der Dichter kraft seiner angeborenen Begabung seinen eigenen, wundervollen Stil schaffe"5). Jedoch bestehe in einer übertriebenen Betonung und Pflege des Gefühls oder Wortausdrucks die Gefahr einer unharmonischen Einseitigkeit des Ono no Töfü (894—964), Fujiwara Közei (972—1027) und Fujiwara Sari (944—998) sind die sog. sanseki unter denen die japanische Schreibkunst ihren ersten Höhepunkt erreichte. 2 ) Auch Go-Toba-In-kudenshö, Go-Toba-In-Mishö genannt. Gunshoruijü Bd. 292, ChKSh. S. 218—230. 3 ) Regierte 1183—1198, starb 1239. 4 ) Nach Mißlingen seines Aufstandes gegen das Bakufu in dem sog. Shökyü-no-ran. 6 ) Yamato-uta wo ei-zuru narai mukashi yori ima ni itaru made hito no isame ni mo shitagawazu mizukara tashinamu ni mo yorazu tada tenjö ( ^ ^jj:) wo etaru wo mote onozukara fuzei no myö naru wo megurasu. ChKSh. S. 218.

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Gedichts. In den sieben Anweisungen an die „Anfänger" (shoshin) verweist GoToba-In auf die Notwendigkeit, das Manyöshü und Kokinshü sorgfältig zu studieren, und er gibt Anweisungen über das damals übliche Hundertgedicht-Dichten, die Wahl schwieriger Themen sowie über Gedichtwettstreite: er betont hierbei, daß, obwohl letzten Endes natürlich die dichterische Begabung entscheide, strenge Zucht und ständige innere Konzentration nötig seien, um deren Möglichkeiten zu entwickeln. — Seine Berühmtheit verdankt das Go-Toba-In-mikuden den treffenden Urteilen über zeitgenössische Dichter, mit denen das Werk abschließt. Von den Dichtern der vergangenen Generation liebt Exkaiser Go-Toba besonders Tsunenobu und Toshiyori, von seinen Zeitgenossen Shunzei, Saigyö, Jichen und Jakuren. Die stimmungsvolle und tiefe Art Shunzei's scheint ihm trotz seines Lobes für Teika, der „nicht seinesgleichen hat" (Teika wa sayü (¿E ^J) naki mono nari)1), näher gestanden zu haben, als die kunstvolle Feinheit des Shinkokinshü, dessen Kompilation doch auf seinen Befehl zurückging. 2. Das Y a k u m o - m i s h ö A l f HP $P2), von einem Sohn Go-Toba-In's, Juntoku Tennö3) verfaßt, besteht aus 6 Kapiteln, von denen die ersten fünf Bemerkungen über die Rikugi, Gedichtsstile, Gedichtkrankheiten, TJta-awase sowie Erklärungen schwieriger Worte enthalten und hierbei — nach der Art des Ögishö (s. o.) — durch umfangreiche Zitate aus alten Karon-Schriften zuverlässiges und wertvolles Material vermitteln. Juntoku Tennö's eigene Poetikauffassung aber ist in dem sechsten Kapitel enthalten, das in seiner Bedeutung zwar nicht an Teika's Maigetsushö heranreicht, aber klar durchdacht ist und in je sechs positiven und negativen Forderungen das Wesen des guten Gedichts zu erfassen sucht. a) Die sechs positiven Forderungen sind: (1) Die besondere Beachtung des Stimmungsgehalts (fuzei wo saki to subeki koto): der schon bei Kenshö auftauchende Begriff des fuzei meint nicht den gedanklichen Inhalt eines Gedichts, sondern seinen Gefühls- und Stimmungsgehalt. Diese Stimmung des Gedichts muß jedoch, so fordert Juntoku Tennö, imbedingt persönlich sein; sie aus alten Gedichten herüberzunehmen, ist schlimmer als ein Plagiat ganzer Satzwendungen. Die allgemeine Forderung des fuzei entspricht etwa Shunzei's Gedichtideal, die spezielle einer persönlichen, originellen Atmosphäre etwa Teika's ^Forderung des „neuen Gefühls" (s. o.). (2) Die besondere Beachtung des gedanklichen Gedichtinhalts (kokoro wo saki to subeki koto): kokoro bedeutet hier nicht die Empfindung innerhalb des Gedichts, sondern dessen Inhalt, insbesondere die verstandesmäßig erfaßbare Situation, bei deren Vernachlässigung das Gedicht in die Gefahr des Zerfließens gerät. x) ChKSh. S. 225. Kurz darauf heißt es: „Die Gestalt der Gedichte Teika's ist zwar außerordentlich gut, aber es ist doch kein Stil, den man erlernen sollte". ChKSh. S. 226. 2) Das Werk ist teilweise vor, teilweise nach seiner Reise in die Verbannung nach Sado geschrieben. —Die vorhandenen Texte unterscheiden sich vor allem im l.und 6.Kapitel; das Rufubon enthält, nach den Forschungen von Kyüsojin Noboru, spätere Zusätze, vgl. Sasaki, a. a. O. S. 90. — Es ist in das Ressei-zenshü ^JtlJ Q eine Sammlung sämtlicher Schriften der japanischen Kaiser bis Meiji Tennö, aufgenommen. 3 ) Regierte 1211 — 1221.

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(3) Die besondere Beachtung des Wortausdrucks (kotoba wo saki to subeki koto): diese Forderung bedeutet aber keineswegs, daß Stimmung oder Inhalt erst in zweiter Linie beachtet werden müßten. Im übrigen gibt es, wie ja schon Chömei und Teika betonten, keine an sich guten oder schlechten Worte, sondern der Wert der Worte hängt ausschließlich von ihrem Zusammenklang (tsuzukegara) ab. (4) Die Verwendung alter Gedichte (koka wo toru koto): hier rät Juntoku Tennö zu dem sog. honka-tori (s. o.) als einem recht brauchbaren Mittel, die dichterische Ausdrucksfähigkeit zu steigern. Es dürfen aber nicht mehr als zwei Verszeilen des alten Gedichts und keineswegs, wie schon erwähnt, dessen Stimmung mit übernommen weiden. (5) Beachtung der „Teniwoha"-Partikeln (teniwoha wo toru koto). Der richtige Gebrauch selbst dieser kleinen Partikeln kann für die Wirkung des Gedichtes entscheidend sein, ein falscher Ton zerbricht den Klang des ganzen Gedichts1). (6) Sorgfältiges Überlegen (yoku yoku shii-subeki koto): „Wenn man in dieser (d. h. der oben angegebenen) Art nicht sorgfältig überlegt, so entsteht in dem Dichtenden ganz von selbst ein Mißbehagen und daraus dann die Krankheit der Reue" (kökai no byö)2). Stimmung, gedanklicher Inhalt und Wortausdruck müssen also gleichmäßig berücksichtigt werden. Über den ästhetischen Charakter eines in diesem Sinne vollendeten Gedichts heißt es sodann: „Der gute Stil (yö) eines Gedichts muß flüssig (sugu ni) und en sein. Dieser Stil ist jedoch kaum möglich, wenn man sich seinen Empfjndungen einfach überläßt, sehr wohl aber — und dies ist entscheidend—, wenn man in einer starken inneren Konzentration (kokoro komorite) dichtet. Bemüht man sich bewußt um das en, so wird die Stärke der dichterischen Empfindung gemindert, bemüht man sich aber andererseits um einen direkten Ausdruck der Gefühle, so entsteht wiederum kein en. Entscheidend ist, daß man, selbst wenn man überzeugt ist, auf diese'Weise könne unmöglich en entstehen, seine Empfindungen mit innerer Festigkeit besingt. Man darf keinesfalls das Weiche lieben; nur Leute, die von dieser Kunst (der Dichtung) wirklich nichts verstehen, lieben die weichen und inhaltsarmen Gedichte. Bei einem, der die Gaben dazu hat, entsteht dieses en wohl, ohne daß er sich darum bemüht" 3 ). Juntoku Tennö lehnt also das weiche, „romantische" Gefühl ab und fordert von dem Dichter innere Strenge und Festigkeit. Der feine lyrische Zauber — dies ist hier wohl unter dem en zu verstehen — eines Gedichts entsteht bei einer solchen Haltung eines begabten Dichters von selbst; die Absicht, lyrische Verse zu schreiben, zerstört von vornherein die Möglichkeit eines Kunstwerkes, zumal wenn man sich bewußt weich klingender Worte bedient. x)

Vgl. Sasazuki Kiyomi, Chüsei-kagaku ni okeru teniwoha-ron, in Bungaku 1939, Heft 10. Es ist dies die 8. Gedichtkrankheit des Hikohime-shiki, s. o. S. 16. 8 ) uta no yoki yo wa tada sugu ni en narubeki nari, shikaredomo kono tai kokoro ni makasete iigataki yue ni kokoro komorite en naru wa dai-ichi nari, en Daramu to sureba kanarazu kokoro tarazu kokoro sugu naramu to sureba mata en narazaru nari, tada en narazu to iu to mo kokoro wo tashika ni yomubeshi. kaesugaesu yasashisa wo konomubekarazu. itomo kono michi wo shiranu hito wa yasashikute kokoro naki uta wo konomu nari, tenjó tanno naramu hito wa en naramu to omowazu to mo kono iro ni gu-subeshi..." Sasaki, a. a. O. S. 94. 2)

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b) Die negativen Forderungen, also die eigentlichen Verbote (kiwamete ukerarenu koto) lauten: (1) Die Übernahme von gewissen, festen Wortwendungen (kotoba wo nusumitoru koto): wie „honobono to", „sakura chiru" usw., die durch Prägung oder Verwendung in berühmten Gedichten gewissermaßen Eigentum geworden sind und deren Übernahme nun wie ein „Diebstahl" anmutet. Der Grund für dieses Verbot ist wohl, daß solche berühmten Wendungen innerhalb der geschlossenen Einheit des neuen Gedichts einen Fremdkörper darstellen und daher nicht zu künstlerischer Wirkung gelangen können. (2) Die Verwendung eines bereits unnatürlich und leer klingenden Wortschmucks (aranu yö naru shüku): wie etwa „yamadori no o no shidari yanagi"1). (3) Überladener Wortausdruck (kotoba no irihoga): wie in „kiri no ariake", oder „kaze no yügure"2). (4) Überladene Stimmung (fuzei no irihoga). (5) Absichtliche Erschwerung des Gedichtverständnisses (kokoroe-sasenu koto). (6) Das bewußte Herbeiführen eines unangenehmen Eindrucks (nikuike wo konomu koto): wie a6) scheint auch dieses b6) die vorausgehenden Forderungen zusammenzufassen. Diese sechs negativen Anweisungen Juntoku Tennö's sind also im allgemeinen das negative Spiegelbild der oben erwähnten sechs positiven Forderungen an ein gutes Gedicht. All das ergibt eine Poetikauffassung, die sehr wohl Stimmung und Empfindimg eines Gedichts schätzt, aber durch die entschiedene Forderung einer gleichmäßigen Beachtung des gedanklichen Inhalts wie des Ausdrucks und insbesondere durch ihre Ablehnung schwächlicher vager Gefühle und weicher Worte erkennen läßt, daß das Gedicht für sie kein müßiges Spiel, sondern der künstlerische Ausdruck eines männlichen Herzens ist. Dieses Gedichtideal spiegelt sowohl das persönliche Lebensgefühl von Juntoku Tennö wieder, der, in gefährlicher politischer Hochspannung lebend, nach dem Zusammenbruch des von seinem Vater geführten Aufstandes gegen das Bakufu auf die einsame Insel Sado verbannt wurde, wie aber auch ganz allgemein eine immer männlicher und reifer werdende Kultur. *) Vgl. Gundert, Die japanische Literatur, S. 26. ) Sowohl „ariake" wie „yügure" sind so sehr stimmungsgesättigt, daß jedes weitere Attribut den Eindruck der Überladenheit hervorruft. 2

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E. Die Tradition Teika's in den Händen der Nijo-Schule. I. Der A u f s t i e g der N i j ö - S c h u l e 1 ) . Der politische Mißerfolg des Exkaisers Go-Toba fiel mit dem endgültigen Untergang der jahrhundertealten glanzvollen Heian-Literatur ungefähr zusammen. Fujiwara Teika ist in der Poetik ihr letzter Höhepunkt. Über die von ihm geschaffenen Ideen und Formulierungen kam man lange Zeit nicht mehr hinaus. Er ist der Meister, dessen Werk und Name eine Tradition geschaffen hat, die, von seinem Sohne Tameie bewußt aufgenommen, viele Generationen hindurch gepflegt worden ist. Minder großer Begabung fiel es nicht schwer, Demut vor ihr zur höchsten Tugend zu machen. Von hier bis zur Durchdringung der Poesie und Poetik mit buddhistischer Weltanschauung war dann nur noch ein kleiner Schritt. 1. Fujiwara Tameie H S der älteste Sohn Teika's, der 1248—1251 die 10. und 11. offizielle Anthologie, das Shoku-Gosenshü, und 1259—1265 das Shoku-Shinkokinshü3) zusammenstellte, ist als der Sohn eines großen Vaters oft unterschätzt und gelegentlich sogar verachtet worden. Er ist sicher weder als Dichter4) noch als Kritiker mit ihm zu vergleichen, aber er hat in einer stillen und konservativen Art das geistige Erbe, das ihm sein Vater bewußt übertrug, getreulich verwaltet und weitergegeben. SeinKaron ist außer in seinen Urteilen in zwei Uta-awase aus den Jahren 1243 Die Bezeichnung Nijö ist weder zu Lebzeiten Tameie's noch seines Sohnes Tameuji, der später offiziell als Ahn der Nijö-Schule bezeichnet wurde, gebraucht worden. Tameie selbst wurde vielmehr Reizei ¡ß- ^ oder Chüin FJJ genannt, T a m e u j i lediglich Reizei. Der Beinamen Nijö f ü h r t e erst Tameuji's Sohn Tameyo u n d der N a m e Nijö-ha Jjf (oderNijö-ke Z l ^ ^ )> d- h. Nijö-Richtung (-Schule) existiert erst seit dem Gegensatz zwischen Tameyo und Tamekane (s. u.) als den F ü h r e r n der Nijö- bzw. Reizei-Schule. Diese Bezeichnungen s t a m m e n von Stadtvierteln, in denen Teika gelebt h a t . Teika wohnte in K y o t o zuerst in K u j ö , d a n n in Reizei u n d gegen E n d e seines Lebens in K y ö g o k u : so hieß er selbst während dieser Zeit etwa Reizei-chüjö u n d später Kyögoku-chünagon. Tameie wohnte nach Teika's U m z u g nach Kyögoku in seines Vaters altem H a u s e in Reizei u n d wurde daher Reizeidainagon genannt. Vgl. Ishida Yoshisada, Ton'a, S. 149 ff. 2 ) 1198—1275. W ä h r e n d Teika in den H o f r ä n g e n sehr langsam aufstieg u n d sich darüber sehr bekümmerte, war Tamie bereits m i t 22 J a h r e n Chüjö u n d m i t 38 J a h r e n Gon-chünagon, ein R a n g , den Teika erst m i t 70 J a h r e n errreichte. 3 ) Über den zweimaligen Auftrag zur Kompilation einer offiziellen Anthologie war insbesondere Tameie's F r a u Abutsu-ni (s. u.) sehr stolz. Vgl. Reischauer, Izayoi-nikki in H J O S 1947, Vol. 10, S. 288f. 4 ) Seine Gedichte finden sich in offiziellen Gedichtsammlungen a b Shoku-Shüishü, eine „ H a u s - S a m m l u n g " existiert von ihm nicht.

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und 12481)voranem inseiner S c h r i f t E i g a - i t t a i ^ C ^ sowie in dem vermutlich von seiner Frau Abutsu-ni verfaßten Werk Yoru no tsuru © $S3) niedergelegt. Das Charakteristische seines Karon steht gleich zu Beginn des Eiga-ittai: „Man sagt zwar, das Waka-Dichten hänge durchaus nicht von Gelehrsamkeit ab, und es komme ganz einfach aus dem Herzen, aber trotzdem kann man ohne Übung darin nichts Großes leisten"4). Das Dichten ist gleichsam ein Handwerk, das — die Begabung hierfür wird natürlich vorausgesetzt — sorgfältig erlernt werden muß. Aus diesem Grunde empfiehlt Tameie insbesondere das sog. Themendichten und die sorgfältige Beachtimg der Gedichtmotive5). Der Anfänger soll lernen, sich auf ein selbst vorgenommenes oder von andern gestelltes Thema bewußt zu konzentrieren. Den Wert einer solchen Übung sieht Tameie wohl vor allem darin, daß die schweifende Phantasie beschränkt wird, um sich ganz auf das Motiv zu konzentrieren und dort dichterisch zu entfalten. Die meisten Anweisungen Tameie's stellen Beschränkungen dar. So soll man etwa, wie es ja auch im Yakumo-mishö heißt, gewisse festliegende Wendungen, die nushi no kotoba, nicht gebrauchen. Von diesen „Worten, die bereits ihren Herrn haben", gibt Tameie eine lange Liste, die als „verbotene Worte" (seikin no kotoba)

Nose, a. a. O. S. 97f. ) Auch Yakumo-kuden genannt; seine Entstehungszeit ist unklar. Die Ausgabe im Gunshoruijü (Bd. 292) ist gekürzt, die bessere findet sich im Kogoshimpishö (s. o.). ChKSh. S. 196—216. 3 ) Auch Abutsu-kuden genannt; Gunshoruijü Bd. 292. Erklärung des Titels s. Florenz, a. a. O. S. 320. Inhaltlich geht dieses Werk, das sicher die Gedanken Tameie's wiedergibt, nicht über das Eiga-ittai hinaus. Die innere Reinheit und friedliche Gestimmtheit des Herzens — eine dem Wesen dieser Zeit zutiefst entsprechende Forderung — ist die Grundlage allen Dichtens. Vgl. Hisamatsu, a. a. O. I I I , S. 506 f. — Die Poetikauffassung der Nonne Abutsu — ihr eigentlicher Name ist heute nicht mehr bekannt, in den Nonnenstand trat sie erst nach dem Tod ihres Mannes Tameie — ist gleich aus den ersten Sätzen ihres Tagebuchs Izayoi-nikki (vgl. Reischauer, a. a. O. S. 304ff.) zu ersehen, wo sie sich gegen diejenigen wendet, denen das Dichten ein „an Wahrheit armes, leeres Spiel" (makoto sukunaku ada narti susabi) ist. Nach Kazamaki Keijirö, Abutsu-ni no bungaku (toku ni Izayoi-nikki ni oite), inKokugo toKokubungaku 1929, Heft 6,ist das ganze Izayoi-nikki eine für ihre Söhne geschriebene Anleitung zum Dichten, dargelegt an ihren eigenen Gedichten über die Tökaidö. — In dem Karon von Abutsu-ni verbinden sich der Stolz über die Beauftragung ihres Mannes Tameie mit der alleinverantwortlichen Herausgabe zweier offizieller Anthologien mit der mütterlichen Sorge um ihren eigenen Sohn Tamesuke (s. u.), ihrem Streben, ihm allein das geistige und materielle Erbe des Nijö-Hauses zu übertragen, auf eine sehr frauliche Weise: Gedeih und Verderb der japanischen Dichtkunst scheinen ihr von Tamesuke's Zukunft abzuhängen. I n ihren eigenen Gedichten scheint sie jedoch dem freien und frischen Stil Tamekane's (s. u.) näher zu sein als dem matten Stil von Tameie und dessen Sohn (aus erster Ehe) Tameuji. Vgl. Hisamatsu, a. a. O. I I I , S. 506ff. 4 ) waka wo ei-zuru koto kanarazuahimo saigaku ipl) ni yorazu tada kokoro yori okoru to möshitaredomo keiko nakute wa jözu no oboe tori-gatashi. ChKSh. S. 196. 5 ) Grundsätzlich fordert Tameie sogar eine Aufnahme von Themaworten in das Gedicht selbst, obgleich er bei Gedichten, welche die durch das Thema angedeutete Stimmung besonders lebendig erstehen lassen, eine Ausnahme zuläßt. ChKSh. S. 198. 2

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bei den Dichtern der folgenden Generationen eine große Rolle spielten1). Sodann erteilt er Ratschläge für die Gedichtwettstreite: es empfehle sich hierbei, sagt er, möglichst unkomplizierte und formal fehlerlose Gedichte zu fertigen, bei dem „Hundertgedicht-Dichten"2) hingegen achte man auf Abwechslung in Stil und Stimmung, um nicht durch Eintönigkeit zu ermüden. So enthält das Eiga-ittai eine Menge detaillierter Anweisungen. In der PoetikSchrift Seiashö (s. u.) von Ton'a ist diese Einstellung mit Tameie's eigenen Worten vortrefflich gekennzeichnet: „Man muß dichten, wie man eine Brücke überquert: sorgfältig darauf achtend, daß man nicht links oder rechts hinabfällt!"3) Trotz dieser negativen Formulierung ist Tameie doch keineswegs der Meinung, ein gutes Gedicht entstehe durch bloßes Vermeiden von Fehlern. „Es ist gut", heißt es im Eiga-ittai, „wenn trotz der geringen Zahl der Worte dank der Tiefe des Gefühls sehr viel aus ihnen erklingt"4). Tameie hat also für das Element des yojö durchaus Verständnis. Der Begriff yügen erscheint bei ihm nur in seinen Uta-awase-Urteilen, hat aber dort nur den Sinn von en, yü oder yöen5). Allerdings beweist auch dies, daß Tameie den weichen lyrischen Zauber eines Gedichts wohl zu schätzen wußte. Über die „Gestalt" (sugata) heißt es im Eiga-ittai: „Die Gestalt eines Gedichtes ist gut, wenn die Worte sanft sind und klar dahinfließen"6). Dieses „sanfte und klare Dahinfließen" ist in der Tat die wesentlichste Eigenschaft der sich von Tameie herleitenden Nijö-Lehre geworden. Während sich das yöen-Ideal Teika's und der Shinkokinshü-Dichter durch Glanz und farbige Bewegtheit auszeichnete, gilt hinfort das Ideal einer sanften Unscheinbarkeit. Daß aber Tameie's eigene Gedichte sowie die der allermeisten Nijö-Anhänger auch von innen her keinen Glanz und keine Wärme ausstrahlen, hängt nicht mit der Eigenart von Tameie's Poetik zusammen, welche ja die Notwendigkeit eines „tiefen Gefühls" betont, sondern mit Mängeln in ihrer dichterischen Begabimg. Immerhin bleibt die stattliche Zahl der Regeln und Beschränkungen, die Tameie den Dichtern auferlegte, für ihn charakteristisch. Fragen wir nach den Gründen, warum Tameie mit seiner Lehre so bedeutenden Erfolg hatte, so braucht die Antwort nicht nur zu lauten, Tameie habe eben als der Sohn Teika's dessen geniale Poetik weiter vermittelt. Shunzei's Tiefe und Teika's Glanz sind von ihren Zeitgenossen außerordentlich bewundert worden, aber vermutlich hat ihr Genie für die auf sie folgenden, weniger begabten Dichter beunruhigend gewirkt, konnte

ChRSh. S. 211. z. B. „kasumi-kanetaru", „hana no yuki chiru" usw. Die Aufzählung erfolgt in bestimmten Gruppen: Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Liebe, Heise. Während ihre Zahl bei Tameie 41 beträgt, steigt sie in Poetikschriften späterer Zeit auf 371. Vgl. Hisamatsu, a. a. O. III, S. 494. а ) Eine neben dem Uta-awase damals sehr beliebte Sitte, hundert Gedichte hintereinander selbst zu fertigen. 3 ) uta woba hitotsu hashi wo wataru yö ni yomubeshi. hidari e mo migi e mo ochinu yö ni shinshaku subeki nari. ZGB, XVI, S. 907. *) kotoba sukunaku iitaredo kokoro no fukakereba öku no kotodomö mina sono uchi ni kikoete nagametaru mo yoshi. ChKSh. S. 208. б ) Vgl. Nose, a. a. O. S. 97ff. •) kotoba nadaraka ni ii-kudashi kiyoge naru wa sugata no yoki nari. ChKSh. S. 204. 94

doch keiner hoffen, es ihnen jemals gleich zutun. Tameie hat nun in dieser Zeit kleiner unsicherer Begabungen — und zwar als der Sohn und Erbe des großen Teika — feste Richtlinien für das Dichten gegeben. Die Beschränkungen, die er auferlegte, wurden als ermutigende „Stützen" empfunden: nun konnte gewissermaßen jedermann wieder dichten, er brauchte nur darauf zu achten, „nicht von der Brücke zu fallen". Darüber hinaus ist die freiwillige Selbstbeschränkung, das Bedürfnis nach einer einengenden Form für fast alle Gebiete des geistigen und künstlerischen Lebens der Kamakura- und auch der folgenden Muromachi-Zeit kennzeichnend. Der gewaltige Einfluß der buddhistischen Religion und Lebensphilosophie ist unverkennbar. Der Weg zur inneren Erleuchtung beruht nach der buddhistischen Lehre auf einer Verneinung individueller Lebensansprüche und der demütigen und angestrengten Hingabe an die Weisungen über seelische Konzentration. Die Leidenschaft, mit der sich das japanische Mittelalter diesen Idealen zuwandte, hat mannigfache Gründe, zwei der wichtigsten sind vielleicht diese: das Ausmaß der leidvollen Erfahrung irdischer Unzulänglichkeit und Unbeständigkeit wird durch freiwillige Askese gemindert, sodann erfährt man gerade hier die beglückende Einsicht, durch Einengung in eine strenge Form, durchKonzentration auf einen besonders kleinen Bereich in eine ungeahnte Tiefe vordringen zu können. Diese Erfahrung prägt auch den ganzen Kunstgeschmack jener Zeit. Tuschmalerei, Gartenkunst, Teezeremonie usw. beruhen alle auf diesem Prinzip: wer sich Beschränkungen auferlegt, sich in eine enge Form fügt und sich innerhalb ihrer Grenzen in sich selbst versenkt, gelangt zu besonderer Tiefe und Freiheit. In Tameie's Karon ist diese seelische Haltung bereits deutlich zu erkennen. In Shunzei und selbst noch in Teika lebt die alte Heian-Kultur, Tameie aber ist der erste Literaturkritiker des Mittelalters. Im Gegensatz zu dem nervösen und ehrgeizigen Teika ist er voll Harmonie und Ausgeglichenheit; sicher und unbesorgt ruht er in einer festen, von seinem Vater gegründeten Tradition, und er strebt nach Ordnimg und auch nach Tiefe, aber keinesfalls nach äußerer Wirkung. Er ist der Schöpfer jenes Stils, den man heitan 2p nennt, die Schönheit des Schlichten und Matten, wie sie uns etwa bereits in dem von Teika in seiner zweiten Lebenshälfte zusammengestellten Shinchokusenshü entgegentritt 1 ). Während aber in dieser Gedichtsammlung immer noch etwas yöen hindurchschimmert, ist Tameie's heitan -Ideal ernst und von einer leisen Melancholie überschattet, die wohl auch mit der Erkenntnis, n u r Träger einer Tradition zu sein, zusammenhängt. Er empfiehlt in seinem Eiga-ittai bezeichnenderweise selbst, die Gedichte ein wenig „traurig" klingen zu lassen2). 2. Tameie's Sohn, F u j i w a r a T a m e a k i M J & M M 3 ) ist nicht durch eigene 1

) Vielleicht ist auch das Kindai-shüka in dieser Einstellung geschrieben, vgl. o. S. 73. ) subete sukoshi sabishiki yö naru ga omoshirokute yoki uta to kikoyuru nari. ChKSh. S. 208. s ) 1295-1364. Die Existenz seiner älteren Brüder Tameuji (s. u.) und Tamenori (s. u.) sowie die Aktivität seiner Stiefmutter für Tamesuke (s. Anm. 361) mögen wohl schuld daran sein, daß über sein Leben und seine Stellung in der damaligen literarischen Welt kaum etwas be2

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Karon-Schriften hervorgetreten, hat aber in dem C h i k u e n s h ö fj" HI die von seinem Vater erhaltenen Lehren aufgezeichnet. Dieses Werk ist besonders deswegen interessant, weil es zeigt, mit welchen äußeren Mitteln Tameie sein Ideal der „sanften und klar dahinfließenden" Worte zu verwirklichen trachtete. Das Eiga-ittai spricht bereits von dem yose, d. h. dem Gebrauch beziehungsnaher Worte: tritt etwa, so heißt es dort, in einem Gedicht das Wort „fune" (Boot) auf, so sollen möglichst auch die Zeitwörter „sasu" (rüdem) oder „watasu" (hinüberfahren), bei „hashi" (Brücke) die Zeitwörter „wataru" (überschreiten) oder „tayu" (zu Ende gehen) verwendet werden2). Durch die Erfüllung von Assoziationsvorstellungen wird die Stimmung des Gedichts wohl besonders beruhigt. ^J und sokku Tameaki fügt nun in seinem Chikuenshö die Lehre der shinJcu 3$ der einander nahen und fernen Verszeilen hinzu. Bei den „nahen Zeilen" gibt es solche des Klangs (hibiki no shinku), wo die Endsilbe einer Verszeile entweder im Konsonanten oder im Vokal mit der Anfangssilbe der nächsten Verszeile übereinstimmt 3 ), und solche des Sinnes (sei no shinku), wo ein enger Sinnzusammenhang zwischen dem Ende einer Verszeile und dem Beginn der nächsten besteht 4 ). Ein Fall der „fernen Zeilen" liegt dann vor, wenn weder lautnoch sinnmäßig die Zeilen aneinanderklingen 6 ). 3. F u j i w a r a M i t s u t o s h i ® H (besser unter seinem Mönchsnamen Shinkan J U S bekannt) war ein Schüler Teika's und gehörte ursprünglich der Nijö-Richtung an, stand aber später der Kyögoku- und Reizei-Schule (s. u.) näher 7 ). Seine Poetikschrift ist das H i n o k a w a k a m i M _h 8 ),in dem er das Shinsen-zuinö von Kintö und das Toshiyori-zuinö von Toshiyori für die Frage, wie man dichten müsse, als ausreichende Quellen bezeichnet. Inhaltlich bringt er in der Tat nichts, was über diese beiden Schriften hinausgeht. Sein Ideal ist takedakashi und töshiroshi, zwei Eigenschaften, die ja besonders von Toshiyori anerkannt worden sind. Er lobt auch die im Shinkokinshü, Shinchokusenshü, ShokuGosenshü enthaltenen Gedichte aus dem Manyöshü und den Sandaishü und distanziert sich so von Tameie's Gedichtideal9). Das in Uta-awase-Urteilen von ihm gebrauchte Prädikat yügen hat ähnlichen Sinn wie bei Shunzei10). k a n n t ist. Vgl. Sasaki, a. a. O. S. 100. Einige Hinweise auf ihn finden sich in dem W a k a k u d e n 5fH ^ P seines Bruders Genshö jjjg Tpc, vgl. Reischauer a. a. O. S. 280. x ) Seine Autorschaft wird allerdings im Rakusho-roken (s. u.) von Imagawa R y ö s h u n bestritten. Vgl. Sasaki, a. a. O. S. 100. 2 ) ChKSh. S. 209. s ) Z. B . asa ga sumi / mori no kozue / oder: honobono t o / obana ga sue ni. *) Z. B . yoshino no y a m a / mine n o sakura n o : „ y a m a " der Berg u n d „ m i n e " der Gipfel gehören sinnmäßig eng zusammen. 5 ) Vgl. H i s a m a t s u , a. a. O. I , S. 425, I I I , S. 484. •) 1210—1276. E r stellte m i t Tameie u. a. die 11. offizielle Anthologie, das Shoku-Kokinwakashü, zusammen. 7 ) Wie aus Angriffen auf ihn im Nomori-kagami (s. u.) ersichtlich ist. 8 ) Aufgenommen in das Kogoshimpishö. Vgl. Sasaki, a. a. O. S.101. Seine Bedeutung liegt vor allem in seinen Zitaten aus Kintö's u n d Toshiyori's Karonschriften, vgl. H i s a m a t s u , a. a. O. I, S. 176, 179, 182, 186, 256, 262. ») N B D J B d . V S. 466. 10 ) Nose, a. a . O. S. lOlf.

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II. Die S p a l t u n g der T e i k a - T r a d i t i o n in drei N i j ö , K y ö g o k u und R e i z e i .

Schulen:

Die durch das Gedichtideal sanfter Farblosigkeit und ein Übermaß formal beschränkender Vorschriften gekennzeichnete „Teika-Tradition" verdient ihren Namen nur zum Teil mit Recht, da sie lediglich Teika's Ideen aus seiner letzten, bereits von Ermüdung und Resignation gezeichneten Lebenshälfte wiedergibt. Sie bildete aber immerhin unter seinem Sohne Tameie, der ja nur diese letztere Periode bewußt miterleben konnte, eine geschlossene Einheit, obgleich freilich, wie das Beispiel Shinkan's zeigt, selbst persönliche Schüler Teika's sich von Tameie lösten und eigene Wege gingen. Unter den Söhnen Tameie's kam es aber zur Spaltung. Tameuji fi1), 2 Tamenori M%k ) und Tamesuke (s. u.) bildeten die drei „Richtungen": Nijö ZI -ß^, Kyögoku und Reizei ftf), und jeder von ihnen glaubte die Poetikauffassungen Teika's „rein" fortzusetzen. Während aber der Gegensatz zwischen Tameuji und seinen beiden Brüdern noch sehr stark mit dem Widerstreit ihrer materiellen Interessen zusammenhing, war die heftige Kontroverse zwischen Tameuji's Sohn Tameyo und Tamenori's Sohn Tamekane rein literarisch: der Gegensatz der Nijö- und Kyögoku-Schule. Tamesuke und sein Sohn Tamehide (s. u.) vertraten die der Kyögoku- nahestehende Reizei-Richtung. l.Von N i j ö T a m e y o t£ 4 )stammtdieKaronschrift Waka-teikin-shö 1222—1286. E r w u r d e m i t d e m T o d seines V a t e r s T a m e i e (1275) dessen offizieller N a c h folger in der F ü h r u n g der literarischen W e l t . V e r m u t l i c h 1276 erteilte i h m d a n n K a m e y a m a T e n n ö den A u f t r a g zur Zusammenstellung der 12. offiziellen Anthologie Shoku-Goshüishü. Als D i c h t e r t r a t er n i c h t weiter h e r v o r . 2 ) 1226—1279. E r s t a n d in d e m Zwist zwischen seinem leiblichen B r u d e r T a m e u j i (ihre gemeinsame M u t t e r ist die T o c h t e r des b e r ü h m t e n K a m a k u r a - R i t t e r s U t s u n o m i y a Y o r i t s u n a ) u n d seiner S t i e f m u t t e r (Abutsu-ni), welche die I n t e r e s s e n ihres eigenen Sohnes T a m e s u k e (s. u.) v e r t r a t , der letzteren m i t Wohlwollen gegenüber, z u m Teil vielleicht a u s Groll ü b e r die B e a u f t r a g u n g T a m e u j i ' s m i t der offiziellen Anthologie. 3 ) Diese Bezeichnungen gehen auf S t a d t t e i l e in K y o t o zurück, in d e n e n T e i k a gelebt h a t t e , vgl. S. 92, A n m . 1. 4 ) 1250—1338. E r w u r d e 1301 v o n K a m e y a m a T e n n ö zur K o m p i l a t i o n der 13. offiziellen Anthologie Shingosenshü a u f g e f o r d e r t , welche zwei J a h r e s p ä t e r fertiggestellt war. D e r E x kaiser Go-Uda b e a u f t r a g t e i h n 1318 m i t der K o m p i l a t i o n der 1320 vollendeten 15. offiziellen Anthologie Shoku-Senzaishü. W ä h r e n d die Kyögoku-Schule, insbesondere T a m e y o ' s Gegenspieler T a m e k a n e (vgl. A n m . 0393) politisch der Jimyö-in-Linie, also d e n N a c h k o m m e n v o n F ü k a k u s a T e n n ö (der s p ä t e r e n N o r d d y n a s t i e ) n a h e s t a n d e n , w a r T a m e y o auf Seiten der Daikakuji-Linie, also der N a c h k o m m e n v o n K a m e y a m a Tennö (der s p ä t e r e n Süddynastie). D a r a u s ergaben sich f ü r die beiden D i c h t e r abwechselnd Zeiten des Glanzes u n d der Machtlosigkeit. Als in F u s h i m i T e n n ö 1288 die J i m y ö - i n - L i n i e auf d e n T h r o n k a m , t r a t T a m e k a n e a n T a m e y o ' s Stelle, u n d f ü r j e n e n b e g a n n in d e n 15 R e g i e r u n g s j a h r e n v o n F u s h i m i - u n d Go-Fushimi-Tennö eine d u n k l e Zeit. Als a b e r T a m e k a n e v e r b a n n t w u r d e u n d 1302 die D a i k a k u j i - L i n i e m i t GoN i j ö zur M a c h t k a m , b e g a n n f ü r T a m e y o wieder eine kurze, g l ä n z e n d e E p o c h e , doch d a n n k e h r t e T a m e k a n e zurück, u n d 1309 gelangte die Jimyö-in-Linie u n t e r H a n a z o n o T e n n ö e r n e u t a u f d e n T h r o n , w o d u r c h T a m e k a n e wieder n a c h oben stieg. D a T a m e y o ' s T o c h t e r die F r a u des s p ä t e r e n Go-Daigo-Tennö w u r d e u n d j e n e m zwei Söhne gebar ( T a k a n a g a Shinnö u n d 7 Boni

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iü Hfc ß I II iP 1 ), in der er noch viel mehr als Tameie auf Teika's eigene Formulierungen zurückgreift. Für den Inhalt der sechs kleinen Abschnitte dieses Werkes sind ihre Überschriften bezeichnend genug: a) „Die Empfindungen (kokoro) sollen neu sein." Man darf nicht einfach Stimmungen früherer Gedichte und Dichter wiederholen. Jedes Menschenantlitz hat, sagt Tameyo, zwei Augen und eine Nase, aber doch trägt es ein eigenes, persönliches Gepräge. Dies gilt auch für die Schöpfungen des Dichters. b) „Man soll alte Worte hochschätzen." Unter „alt" versteht Tameyo wie Teika die Zeit um die Kwampyö-Ära (s. o.)2). c) „Wie es in der Schrift heißt, die der Kyögoku-chünagon dem Udaijin von Kamakura sandte, ist das Dichten nicht eine Kunst, bei der man weit umhersehen und bis in die Ferne umherfragen muß": damit meint Tameyo das Kindaishüka, das Teika dem Shögun Sanetomo sandte. d) „yojo": dieser Begriff hat hier die traditionelle Bedeutung des über die Worte hinausreichenden Gefühls. e) „Gedichtmotive". Der in diesem Abschnitt erwähnte Begriff yvgen ist von dem Shunzei's verschieden, wird aber im gleichen Sinn wie bei Tameie gebraucht: es ist etwas Zartes und anmutig Sanftes. Dinge des Sommers, in dem „die Blüten abgefallen und die Vögel zurückgekehrt sind, die Bäume dicht belaubt sind und nirgendwo Kühle herrscht, also etwa Regenstürze, Zikaden usw." sind nicht yügen.3). f) honka-tori, d. h. Verwertung alter Gedichte. Das ganze Werk, dem das W a k a - y ö i no j ö j ö iO Hfc ffi M % 4) noch weitere Einzelheiten über das honka-tori und das Themendichten hinzufügt, ist ohne originelle Ideen und baut völlig auf Teika auf. 2. K y ö g o k u T a m e k a n e Jft 5fifc6), der literarisch und politisch in akMunenaga Shinnö, vgl. Bohner, a. a. O. I , S. 24, 46f., 65) ü b e r s t a n d Tameyo diese Zeit nicht ohne H o f f n u n g . Als Go-Daigö-Tennö als Vertreter der Daikakuji-Linie auf den T h r o n kam, t r a t Tamekane völlig zurück, u n d die Nijö-Schule u n t e r Tameyo f ü h r t e eine unbestrittene Herrschaft. x ) Auch Waka-hidenshö IJfc Üf> 'fH genannt. Die heute erhaltenen Manuskripte zeigen nicht unerhebliche Abweichungen. Die Ausgabe im ChKSh. S. 244—262 geht auf eine Abschrift im Besitz von H i s a m a t s u zurück. 2 ) Die Titel v o n a) u n d b) bilden zusammen ein Zitat aus d e m Kindai-shüka, s. o. S. 73. s ) ChKSh. S. 251. 4 ) E i n Zusatz zum Waka-teikin-shö, ChKSh. S. 253—9. 5 ) 1254—1332. E r lernte noch bei seinem Großvater Tameie u n d wurde 1293 zusammen mit Tameyo u. a. v o n Fushimi Tennö mit der Aufstellung einer offiziellen Anthologie b e a u f t r a g t , jedoch erwies sich eine Zusammenarbeit innerhalb dieser ungleichen Gruppe als unmöglich. E r genoß als Urteiler u n d Dichter große Beliebtheit. Seine politische Aktivität bzw. eine Verleumdung trugen ihm 1298 eine Verbannung auf die Insel Sado ein, von der er 1303 wieder zurückgerufen wurde. 1311, als Fushimi-In die Insei-Regierung führte, b e a u f t r a g t e ihn dieser zur Kompilation der 14. offiziellen Anthologie Gyokuyöshü, die 1312 vollendet war. 1315 wurde er e m e u t nach Sado v e r b a n n t ; über den R e s t seines Lebens ist nichts b e k a n n t , in die H a u p t s t a d t , wo die Nijö-Riehtung herrschte, kehrte er vermutlich n i c h t wieder zurück. Vgl. S. 97, Anm. 4 über seine Sympathien f ü r die Jimyö-in-Linie. N B D J B d . IV, S.374. Über Tamekane's Leben, insbesondere die Gründe seiner zweimaligen Verbannung s. Tamekane-den no kösatsu, Kokugo t o K o k u b u n g a k u 1940, H e f t 11.

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tivem und scharfem Gegensatz zu Tameyo stand, war sowohl als Dichter 1 ) wie auch als Kritiker ungleich begabter und origineller. Er wandte sich heftig gegen alles- unfruchtbare Erstarren in Tradition und Äußerlichkeit und trat leidenschaftlich für die unbedingte Freiheit des dichterischen Empfindens ein. In seiner Poetikschrift T a m e k a n e - K y ö - w a k a s h ö ÜfP iOlföt^ 2 )heißt es:,.Zwar wissen alle, daß das, was im Herzen wohnt, Gefühle sind und diese, in Worte gefaßt, Gedichte werden, aber die meisten hören sie nur mit den Ohren und freuen sich ihrer, während sie sie mit dem Munde sprechen, aber weil sie zu einer Aufnahme mit ihrem Herzen unfähig sind, ist es, als wüßten sie doch davon nichts" 3 ). Das Wesentliche ist bei einem Gedicht also die Empfindung. „Vor blühenden Blumen, vor dem Mond , vor einer Landschaft bei Morgengrauen und bei Abenddämmerung soll man sich dem, was man besingt, ganz zuwenden, selbst dazu werden, seine innerste Wahrheit (makoto) aufzeigen, sein Wesen bewußt erfassen, hierauf die dabei entstehende eigene Empfindung tief in sein Herz versenken und dann die Worte dem Herzen (zu freiem Gebrauche) überlassen" 4 ). Der wahre Dichter muß also die innerste Wahrheit (makoto)5), das Wesen des Gedichtgegenstandes erfassen und in dem Gedicht getreu zum Ausdruck bringen. Diese Haltung ist „realistisch", und insofern unterscheidet sich Tamekane's Poetikauffassung von dem yojö-Ideal des Mittelalters, welches die Dinge aus der eigenen Stimmung des Dichters nur wie von ferne erahnen läßt. Nach Tamekane besteht der Gehalt eines Gedichts keineswegs nur in „subjektiven" Empfindungen, die durch Berührung mit der Außenwelt entstehen und nun in einem suggestiven Stimmungsbild zum Ausdruck kommen, sondern in einer Einheit von „subjektiven" und „objektiven" Empfindungen, also von persönlichen Stimmungen und der inneren Wahrheit des im Gedicht besungenen Gegenstandes: beide bilden den Gefühlsinhalt des Gedichts, welcher jedoch — und hier liegt eine bemerkenswerte Idee Tamekane's 6 ) —, bevor er in einem Gedichte Form gewinnt, eine Zeitlang ganz still in das Herz versenkt werden soll, damit dort die „subjektive" und „objektive" Komponente des Gedichtsgehalts zu einer inneren Einheit zusammenwachsen. Die Forderung Tamekane's nach realistischem Ausdruck des Gefühls entspricht weitgehend der Haltung der Manyöshü-Dichter. Und in der Tat besaß Tamex

) Tamekane hat über 10 000 Gedichte während seines Lebens verfaßt, überliefert sind davon heute nur etwa 1500, davon in offiziellen Anthologien 132. Das Nyüdö-DainagonTamekane-Kyö-shü ist eine von ihm selbst vorgenommene Privatsammlung und enthält auch Werke anderer Dichter. 2 ) Es existiert von dieser Schrift nur ein einziges, in der Kaiserlichen Hofbibliothek befindliches Manuskript, das von Fukui Kyüzö vervielfältigt wurde. ChKSh. S. 230—241. 3 ) ChKSh. S. 230. 4 ) hana nite mo tsuki nite mo yoru no ake hi no kururu keshiki nite mo koto ni mukite sono koto ni narikaeri sono makoto wo arawashi sono arisama wo omoitome sore ni mukite waga kokoro no hataraku yö wo kokoro ni fukaku azukete kokoro ni kotoba wo makasuru kyö a t t e . . . ChKSh. S. 237f. 6 ) Vgl. Sanekata Kiyoshi, Karon ni okeru makoto no honshitsu, in Kokugo to Kokubungaku, 1939, Heft 12. •) Vgl. R. M. Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Gesammelte Werke, Leipzig 1927, Bd. 5, S. 27. 7*

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k a n e g e r a d e f ü r d a s M a n y o s h ü b e s o n d e r e Vorliebe 1 ) u n d w i r k l i c h e s V e r s t ä n d n i s 2 ) . I m T a m e k a n e - K y ö - w a k a s h ü s a g t er. „Zur M a n y ö s h ü - Z e i t ä u ß e r t e m a n s i c h , w i e m a n i m Herzen fühlte, u n d scheute sich nicht, das Gleiche zweimal zu sagen3); man unterschied nicht zwischen Gedichtworten und gewöhnlichen Worten. M a n d i c h t e t e e i n f a c h so, w i e e s i m H e r z e n e n t s t a n d " 4 ) . T a m e k a n e ' s I d e a l i s t also der u n m i t t e l b a r e A u s d r u c k d e s G e f ü h l s u n d d i e F r e i h e i t der W o r t w a h l , aber e s k a n n d o c h n i c h t e i n f a c h m i t d e m M a n y ö s h ü - S t i l i d e n t i f i z i e r t w e r d e n . D e r „ R e a l i s m u s " d e s M a n y o s h ü g e f i e l T a m e k a n e w o h l als G r u n d h a l t u n g , aber s e i n ä s t h e t i s c h e r G e s c h m a c k l i e b t e d a s S h i n k o k i n s h ü , u n d g e r a d e h i e r i n erwies s i c h T a m e k a n e als der w a h r e N a c h f a h r e T e i k a ' s . I n seiner K a r o n schrift k o m m t dies freilich nicht klar z u m Ausdruck; n a c h allgemeiner Auffassung 6 ) i s t aber d i e S t e l l e : „ E s i s t e t w a s anderes, o b m a n m i t W o r t e n e i n G e f ü h l b e s i n g t o d e r o b d i e W o r t e so e r b l ü h e n , w i e es e i n e m u m s H e r z i s t " 6 ) i n d i e s e m Sinne zu verstehen. D i e W o r t e haben nicht einfach die Aufgabe, über ein Gef ü h l z u b e r i c h t e n , s o n d e r n sie d u f t e n u n d b l ü h e n selbst, sie h a b e n e i n e i g e n e s L e b e n , u n d b e i d e m w a h r e n D i c h t e r i s t d i e innere E i n h e i t v o n E m p f i n d u n g u n d künstlerischer Gestaltung so natürlich, daß die Worte aus d e m Erlebnis heraus „ e r b l ü h e n " . V o n d i e s e m S t a n d p u n k t aus, der e i n t i e f e s V e r s t ä n d n i s f ü r T e i k a ' s yöen-Ideal verrät, h a t T a m e k a n e a u c h d i e i h m v o n E x k a i s e r F u s h i m i ü b e r t r a g e n e Z u s a m m e n s t e l l u n g der 14. offiziellen A n t h o l o g i e G y o k u y ö s h ü 7 ) v o r g e n o m m e n , 1

) Das von Tamekane zusammengestellte Gyokuyöshü (s. u.) enthält nicht weniger als 81 Manyoshü-Gedichte, die größte Zahl in allen 21 offiziellen Anthologien, das Goshüishü ausgenommen. Das Interesse an dem bereits in der Heian-Zeit schwer verständlich gewordenen Manyoshü n a h m in der Kamakura-Zeit stetig zu. F u j i w a r a Teika schickte 1213 dem Shögun Sanetomo ein Manyöshü-Exemplar zu. Der Nachfolger Sanetomo's, der Shögun F u j i w a r a Yoritsune, ließ Minamoto Chikayuki eine zuverlässige Manyoshü-Ausgabe herstellen. Der in der Mutsu-Provinz geborene Sengaku (1203—1273) schrieb das 20-bändige K o m m e n t a r w e r k Manyöshü-chüshaku. I n der H a u p t s t a d t liebte besonders der den KyögokuDichtern nahestehende Fushimi Tennö das Manyoshü, das er auf Hanazono Tennö's B i t t e diesem d a n n überließ. Vgl. Hiraizumi, Chüsei n i okeru seishin-seikatsu, S. 130ff. Sasaki, a. a. O. S. 105. 2 ) W ä h r e n d die Manyoshü-Gedichte in anderen offiziellen Sammlungen oft u n g e n a u wiedergegeben oder in Umdichtungen aufgenommen sind, gibt das Gyokuyöshü die originale Fassimg ganz besonders sorgfältig wieder. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 447f. 3 ) K u r z vorher spricht Tamekane von dem W a k a - s h i k i . . . . des F u j i w a r a H a m a n a r i , den „ S h i k i " Hikohime u n d Kisen m i t ihren Gedichtkrankheiten u n d ihrem Verbot, „eine Sache zweimal zu sagen", s. o. S. 16. 4 ) Manyö n o koro wa kokoro no okoru tokoro no m a m a n i onaji koto nido iwaruru wo m o h a b a k a r a z u . . . uta-kotoba t a d a no kotoba t o mo iwazu kokoro n i okoru n i shitagaite hoshim a m a ni ii-idaseri. ChKSh. S. 234. s ) Hisamatsu, a. a. O. I , S. 454f., Sanekata, a. a. O. S. 52. ' ) kotoba n i t e kokoro wo y o m a m u to suru t o kokoro no m a m a n i kotoba no nioi-yuku t o wa k a w a r u r u tokoro a r u n i koso. ChKSh. S. 238. ') E s wurde in einer Zeit zusammengestellt, als der Gegensatz Nijö-Kyögoku besonders heftig war, u n d es besitzt, während die anderen offiziellen Anthologien alle Nijö-Gepräge haben, Tamekane's persönliche F ä r b u n g . Aufgenommen sind darin 93 Gedichte des E x kaisers Fushimi, der die Kyögoku-Richtung a k t i v unterstützte, 62 von Saionji Sanekane, 61 von, Tamekane's jüngerer u n d sehr begabter Schwester Tameko, einer H o f d a m e bei Eifukumon-In, 49 von Eifukumon-In, der Chügü von Fushimi-In u n d Tochter von Saionji 100

in dem sich neben Gedichten vonHitomaro und von dem im Manyöshü Stil dichtenden Sanetomo besonders Werke der Shinkokinshü-Zeit finden. 3) Reizei Tamesuke Ä ^ +01) ist nicht durch Karonschriften hervorgetreten, aber seine eigenen Gedichte stehen der Art Tamekane's nahe2). Bedeutender als Tamesuke, dessen Gestalt durch seine begabte und für ihn sorgende Mutter Abutsu-ni (s. o.) wie verdrängt erscheint, war sein Sohn Tamehide Tamehide hat aber ebenfalls keine eigenen Schriften verfaßt, und er lebt in der Geschichte der Poetik eigentlich nur dank den Bemerkungen seines Schülers Imagawa Ryöshun weiter; da diese zugleich die Grundlage für dessen eigene Ideen sind, sollen sie bei der Betrachtung von Imagawa Ryöshun's Poetikauffassung vorgetragen werden.

III. Die Herrschaft der Nijö-Schule. Von den drei Schulen, in die sich seit Tameie's Tod die Tradition der TeikaPoetik gespalten hatte, setzte sich zunächst die Nijö-Richtung durch, da ihr Mangel an Originalität dem damaligen Mangel an poetischen Begabungen besonders entsprach. In dem Nomori-kagami und den Poetikschriften, welche die Formulierungen des Dichters Ton'a enthalten, findet die Nijö-Lehre ihre klassische Prägung. 1. Das vermutlich von Senshu Arifusa^f- fS B§ 4 )verfaßteNomori-kagami 5 S=f TP ff ) greift in dem ersten seiner beiden Bände die Auffassung von Kyögoku Tamekane vom Standpunkt der Nijö-Lehre an. Der scharfe Gegensatz der beiden Schulen wird hier besonders deutlich. Seiner äußeren Form nach ist das Nomorikagami nach Art des Ökagami und Waka-iroha-shü (s. o.) eine Rahmenerzählung: ein auf den Shosha-Berg (Harima-Provinz) pilgernder bejahrter Priester berichtet — in Nachahmung des Sechserprinzips der Rikugi — über sechs Fragen: Sanekane, 36 von Tamekane selbst, von Shinkokinshü Dichtern: 69 von Teika, 69 von Shunzei, 57 von Saigyö, jedoch auch 51 von Tameie. — Die Kritik der Nijö-Schule gegen das Gyokuyöshü richtet sich in dem von 11 Dichtern und Mönchen dieser Richtung abgefaßten Kaen-rensho-kotogaki i ü üf|. sfr gegen die Auswahl und Anordnung der Gedichte. Vgl. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 457, Tsugita Urü, Kokubungakushi-shinkö I, S. 389. 1263—1328. Über ihn existieren neuere Forschungen von Kumaya Takenori jg^ ?g, s. Hisamatsu, a. a. O. III, S. 517ff. Er stand der Jimyö-in-Linie und Tamekane nahe, war aber zurückhaltender und warmherziger als jener. Seine Gedichtsammlung heißt Tökoku jjH wakashü (Fujigayatsu-shü). 2 ) Hisamatsu, a. a. O. III, S. 511f. 3 ) Gest. 1372. Auch Reizei-kömon ^ ^ PJ genannt (Kömon ist die chinesische Bezeichnung für Chünägon). 4 ) So nach einem Nachwort aus dem Jahre 1479. Obwohl keine wirklich stichhaltigen Argumente gegen Arifusa's Autorschaft vorliegen, ist diese Frage stark umstritten, vgl. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 427—434; Hisamatsu selbst entscheidet sich „solange keine wirklich überzeugenden Gründe gegen die Autorschaft Arifusa's vorgebracht werden können" für Arifusa. Hisamatsu, a. a. O. III, S. 633f. 5 ) Es stammt, wie das Nachwort angibt, aus dem Jahre 1295. Die Gunshoruijü-Ausgabe richtet sich nach dem im Jingü-bunkö aufbewahrten Manuskript.

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a) „Soll man das Herz als die Wurzel betrachten oder nicht?" Wie es in dem Kokinshü-Vorwort heißt, ist das Gefühl zwar die Grundlage jeder Dichtung, aber doch eignen sich nicht, wie etwa Tamekane meint, alle, sondern nur die „feinen und würdigen" (gasei IE) Empfindungen für ein Gedicht. Die objektiv richtige Darstellung ist kein Ideal, es kommt viel mehr auf die Art dieser Darstellung an als auf „Wahrheit". Ja, gerade in der freien Phantasie offenbart sich der Genius. Und so fordert der Verfasser des Nomori-kagami in bewußtem Gegensatz zu Tamekane's Ideal des dichterischen Realismus dessen Gegenteil: „man muß das Nichtexistierende so darstellen als existiere es!"1). b) „Soll man die Gefühle unmittelbar (sunao) ausdrücken oder nicht?" Dieses Problem hängt eng mit dem eben Erwähnten zusammen. Eine aufrichtige, direkte Darstellung des Gefühls und die Vermeidimg des „Wortschmucks" ist nicht unbedingtes Ideal. Die Begründung hierfür lautet: „Mag etwas auch unwahr und geschmückt sein, wird es aber geschickt besungen, so klingt es echt und richtig, während etwas Echtes, talentlos dargestellt, unwahr klingt. Aus diesem Grunde muß nicht immer um jeden Preis das „Echte" gesucht werden"2). c) „Soll man sich von dem Prinzip der (Gleichwertigkeit der) Worte lossagen oder nicht V Man hüte sich vor niedrigen und gewöhnlichen Worten; nicht jedes alltägliche Wort eignet sich, wie etwa Tamekane meint, auch für ein Gedicht3). d) „Soll man nach (neuartigem) Geschmack (fuzei) suchen oder nicht?" Man halte sich, entgegen Tamekane's Forderung, durchaus an die klassischen Vorbilder; auch innerhalb des bereits geprägten „feinen und würdigen" (gasei) Geschmacks gibt es Möglichkeiten, originell zu sein. Wer aber absichtlich nach „Modernität" (imamekashiki koto) sucht, besitzt überhaupt keinen Geschmack. e) „Soll man nach einer neuen Gestalt (sugata) suchen oder nicht?" Man halte sich an die in den Rikugi vorgezeichneten Formen. f) „Soll man den alten Stil (kofü) gebrauchen oder nicht?" Vorbild ist der Kokinshü-Stil, das veraltete Manyöshü hingegen wird ausdrücklich abgelehnt: es ist „für die Ohren zu weit". Die Manyöshü-Gedichte, die gerade Tamekane so gefallen, erscheinen nur auf Grund eines Irrtums so eindrucksvoll. Es ist bei 1

) jitsu arazaru wo jitsu to subeshi. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 436. ) subete itsuwari kazaruru koto naredomo sono iware wo yoku yomeba jisshö (Hf ~jp) ni kikoe jisshö naredomo sono kai naku yomeba jisshö narazu kikoyuru koto nite habereba anagachi jisshö wo motomubeki ni mo arazu. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 436. — Gerade dadurch, daß Tamekane „die Wahrheit" (jisshö) fordert, entfernt er sich, nach dem Nomorikagami, von dem „wahren Wesen der Dichtung" (uta no gi). „Aber jener Fürst bevorzugt die Gefühle, die sich für ein Gedicht gar nicht eignen, und er meint, man müsse nur „wahr und aufrecht" (jisshö) dichten, ohne die Worte zu schmücken, ohne nach reizvollen Wendungen zu suchen und ohne sorgfältig auf die Gestalt zu achten. Dadurch aber nähert er sich dem Gewöhnlichen, macht das Unfeine zum Ideal und verliert so das Verständnis für das wahre Wesen der Dichtung" (shikaru wo kano kyö uta no kokoro ni aranu kokoro bakari wo saki to shite kotoba wo mo kazarazu fushi mo sagurazu sugata wo mo tsukurowazu tada jisshö wo yomubeshi tote zoku ni chikaku iyashiki wo ichi no koto to suru ga yue ni mina uta no gi wo ushinaeri. Sasaki, a. a. O. S. 116. 3 ) So verbessert er etwa in der 2. Zeile eines Gedichts: „ogino ha wo / yokuyoku mireba. das „yoku-yoku" in „tsukuzuku". Hisamatsu, a. a. O. I, S. 436. 2

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ihnen, wie wenn man Kindern Dämonenmasken aufgesetzt hat: sie sehen gewaltig aus, in Wahrheit sind sie aber schwächlich1). Das ganze Nomori-kagami ist von einer scharfen Opposition gegen die freien Ideen Tamekane's erfüllt. Vorbild ist allein der Stil der Vergangenheit, von der das „veraltete" Manyöshü allerdings ausgenommen wird. Grundlage jedes guten Gedichts ist die klassische Vornehmheit der Gefühle und Worte; aber auch in Geschmack und Gedichtgestalt soll man sich ganz nach großen Vorbildern richten. Die Ideen Tameie's und Tameyo's sind hier klar formuliert. In seinem übersichtlichen Aufbau nimmt das Werk unter den sonst recht aphoristisch gehaltenen Poetikschriften eine besondere Stellung ein. Der zweite Teil, des Nomori-kagami behandelt ausschließlich buddhistische Fragen. Gelegentliche Hinweise auf die Dichtkunst lassen aber keineswegs den Schluß zu, daß die Poesie in den Dienst der buddhistischen Lehre, etwa im Sinn eines „Kunstgriffes" (höben skt.upäya), gestellt werden sollte. Die Dichtung wird hier eher der buddhistischen Glaubenslehre vollberechtigt nebengeordnet2). 2. Der Dichter Ton'ai® |®J3) brachte die Nijö-Poetik, die sich im Kampf mit Tamekane allmählich geklärt und geläutert hatte, in seitdem klassische Formulierungen. So wenig originell er in seinen eigenen Gedichten ist, so sehr lassen auch seine Ausführungen über die Dichtkunst neue Ideen vermissen. Seine Schrift S e i a s h ö # Ü iP4) besteht fast nur aus Anekdoten über Dichter und Gedichte, Gedichtsammlungen und Uta-awase. Ton'a's Poetik ist vor allem aus dem Gumon-kenchü M P^ IRSt 6 ) zu ersehen, in dem Ton'a auf Fragen von Nijö Yoshimoto (s. u.) antwortet. Die Frage nach dem Wesen des Gedichts lautet im Gumon-kenchü: „Manche sagen, daß das Lied der Nachtigall, die in den Blüten singt, und des Frosches, der am Wasser wohnt, bereits ein Gedicht genannt werden könne. Äußere man sein Gefühl, das bei der Berührung mit der Außenwelt entstehe, so sei dies schon ein Gedicht6). Die in den Sammlungen seit dem Manyöshü und den Sandaishü überlieferten Gedichte seien nichts weiter als die „Bodenreste"7) der früheren Dichter. Man solle nicht in leerer Spielerei alte Worte entlehnen und klassische Werke imitieren. Wenn man vor Wind, Wolken, Gräsern und Blumen (d. h. in der freien Natur) das, was man mit den Augen wahrnimmt, so besinge, wie man es sieht, so ) Hisamatsu a. a. O. I, S. 438. ) In dem von dem Mönch Mujü ^ 1283 vollendeten Shasekishü f]; 5 M> e i n e r Sammlung von erbaulichen Geschichten zur Unterweisimg buddhistischer Leser, wird hingegen die Poesie nur vom buddhistischen Standpunkt aus betrachtet und anerkannt. „Wenn man sich der Dichtkunst widmet, kommt das verwirrte und unruhige Herz zur Ruhe. . . Da der Worte wenige sind, ist das Herz voller Fülle. . . man gelangt in die geistige Verfassung eines Arhat". Nomura Hachirö, Kamakura-jidai-bungaku-shinkö S. 352. 3 ) 1293—1376. Über sein Leben und Werk vgl. die ausführliche Studie von Ishida Yoshida, Ton'a-Keiun, Tokyo 1943. 4 ) Aus verschiedenen Stellen im Seiashö selbst ist ersichtlich, daß es erst nach dem Tode von Tameyo (1338) verfaßt ist. Zoku-Gunshoruijü Bd. 462. l ) Aus dem Jahre 1365. Zoku-Gunshoruijü Bd. 459. 6 ) Vgl. dazu die Äußerung von Jmagawa Ryöshun im Genjinshö, s. u. S. 111. 7 ) söhaku ffljj #3x

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stelle sich die dichterische Inspiration (hatsumei) von selbst ein. . . . Diese Auffassung aber tadeln andere und sie behaupten, der einfache Ausdruck eines natürlichen Gefühls könne keineswegs schon als Gedicht gewertet werden. Es sei notwendig, sich eines geschmackvollen Stils (fuzei)1) zu bedienen und auf blütenhaften Schmuck der Worte zu achten. . . Dann erst könne man Himmel und Erde bewegen und selbst die Herzen von Göttern und Dämonen rühren. Daher müsse man möglichst viel von den alten Worten des Manyöshü und den ew-Worten der Sandaishü sich zu eigen machen, alle Gewöhnlichkeit in Wort und Haltung 2 ) vermeiden. .., den Geschmack des „Rechten und Feinen" (seiga IK 5fft) erwerben und den ausgefallenen Stil (hempü JÜ M) verabscheuen. Man solle die Worte sorgfältig abwägen und die Gefühle in einen verfeinerten Ausdruck kleiden, sehr auf das yügen3) achten . ." 4 ). Auf diese Frage, in der sich die Positionen der Kyögoku- bzw. Reizei-Schule und der Nijö-Schule klar gegenüberstehen, antwortet nun Ton'a: „Nachtigallen im Frühling und Zikaden im Herbst sind durchaus Poesie, und so braucht über ihren dichterischen Wert gar nicht diskutiert zu werden. Es heißt nun allerdings, Menschlichkeit und Gerechtigkeit seien erst nach dem Verlust des Tao entstanden6), und so mag einer vielleicht nicht ganz zu Unrecht behaupten, in allem Urteilen über Stile und Stufen des Waka sei bereits ein Beweis für den Niedergang der Dichtung zu sehen. Aber wie heute als Ausfahrtswagen des Herrschers nicht mehr der primitive, schmucklose Wagen von einst gebraucht wird, ebenso ist es ein Irrtum zu glauben, heute, da das Waka seine höchste Entfaltung erreicht hat und die Sechs Prinzipien (rikugi) und Zehn Stile (jittai) geschaffen worden sind, brauche nur der einfache, schlichte Stil erlernt zu werden. Seit dem Manyöshü sind offizielle Gedichtsammlungen angelegt worden, seit der Kwampyö-Ära stehen die Gedichtwettstreite in Blüte, und so hat sich in der Dichtimg allmählich der Begriff der Qualität herausgebildet, und man pflegt über den Wert von Gedichten zu diskutieren. Ferner wurden auf kaiserlichen Befehl das Hamanarishiki und Hikohime-shiki geschrieben und durch sie die Gedichtkrankheiten ausgeschaltet und eine Einteilung in verschiedene Stile geschaffen. Wer könnte sich über all das hinwegsetzen ? Aus diesem Grunde gebe ich jenen Tadelnden recht". 6 ) x

) fuzei bedeutet hier nicht wie sonst (s. S. 89) „Stimmung". ) U iS-fifi- Über den für die Stilforschung unentbehrlichen Begriff der „Haltung" s. W. Kayser, Das sprachliche Kunstwerk, Bern 1949 S. 292: „Der Begriff der Haltung meint inhaltlich die im weitesten Sinne psychische Einstellung, aus der heraus gesprochen wird, er meint formal die Einheit dieser Einstellung, und er meint funktional die Eigenheit und, wenn wir das Wort nicht scheuen, die Künstlichkeit, die in der Einstellung liegt. Alle Analyse ermittelt also eine H a l t u n g . . . Stil ist, von außen gesehen, die Einheit und Individualität der Gestaltung, von innen her gesehen, die Einheit und Individualität der Perzeption, das heißt eine bestimmte H a l t u n g . . . " 3 ) Ton'a selbst gebraucht das Wort yügen kaum. Es wird im Gumonkenchü im allgemeinen dem „zoku", dem Gewöhnlichen, dem Alltäglich-Niedrigen gegenübergestellt. Vgl. ZGR X V I , S. 750 (zoku ni chikakute yügen no omomuki nashi). *) ZGR XVI, S. 748. 6 ) Nach taoistischer Auffassung, insbesondere bei Chuang-tzü; vgl. A. Forke, Geschichte der alten chinesischen Philosophie, Hamburg 1927, I, S. 32 lf. •) ZGR X V I , S. 749f. 2

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Die hier von Nijö Yoshimoto aufgeworfene Frage, ob man den freien oder traditionell gebundenen künstlerischen Ausdruck bevorzugen solle, wird von Ton'a also eindeutig im Sinn der Tradition beantwortet. Aber nur mit dem Argument der Tradition selbst. Eine innere Begründung fehlt. So viel über Ton'a's Meinung über das Wesen der Dichtung. Über die Eigenschaft des von ihm bevorzugten Stiles spricht er bezeichnenderweise kaum. Obwohl die Nijö-Schule doch die Tradition Teika's zu wahren meint, erscheinen dessen Zehn Stile fast völlig vergessen. Hier tritt uns, ganz allgemein, eine Eigenart der Nijö-Poetik entgegen: sie beschäftigt sich hauptsächlich mit Problemen des praktischen Dichtens und steht grundsätzlich theoretischen Stilfragen fern. Im übrigen hatte sie sich ja stillschweigend bereits für Tameyo's Ideal des sanften, klar dahinfließenden, farblosen Gedichts entschieden, nach dem Gumon-kenchü sollen sich die en-Worte in einem Gedichte „leicht und gefällig" (yasuraka ni) aneinanderreihen.1) Was Ton'a unter dem en versteht, kann freilich nur vermutet werden: es ist wohl kaum die bunte, bestrickende Schönheit von Teika's Ideal, sondern ganz einfach sanfte Anmut. Das Hauptinteresse des Kritikers Ton'a gilt formalen Problemen, die er in einer großen Zahl von Einzelfragen und -antworten behandelt, wie etwa Umfang der nushi no kotoba (s. o.), bevorzugte Themen bei Gedichtwettstreiten usw. Trotzdem täte man Ton'a Unrecht, wollte man übersehen, daß auch er in der Aufrichtigkeit und Tiefe der Empfindung die imbedingte Grundlage jeder Dichtung sah. „Neuerdings glauben manche", so heißt es im Gumon-kenchü, „ein Gedicht enthalte dann tiefes Gefühl, wenn es einen auffallenden Geschmack und eine geschickte, reizvolle Art der Darstellung besitzt. Aber das ist ein Irrtum. Tiefes Gefühl haben bedeutet nichts anderes, als vor Wolken, Wind, Gräsern und Blumen und auch angesichts des Werdens und Vergehens allen Lebens sich mit seinem Herzen tief in diese Erscheinungen zu versenken"2). So sehr dieser Ausspruch auch gegen Tamekane's Ideen3) gemünzt ist, so deutlich wird hier doch, wie wenig im Grunde diese beiden feindlichen Schulen — wenigstens in ihrer Poetik — von einander trennt. Daß der Ursprung ihrer Kunst in der Lebendigkeit des Gefühls liegt, ist beiden bewußt. Der Vorwurf gegen Tamekane, er suche absichtlich nach neuartigen Reizen und wirke dadurch gekünstelt, ist insofern ungerecht, als Tamekane nur um die Freiheit von beengenden Traditionen und verpflichtenden Vorschriften kämpft. Daß eine solche Kunst, zumal wenn sie genial ausgeübt wird, erstaunlich neu und weniger begabten und auch aus diesem Grunde voreingenommenen Betrachtern als gewollt ') a. a. 0 . S. 750. Vgl. ferner Kinrai-fütaishö (s. u.): „Ton'a hat immer gesagt, man müsse neue Gefühle sanft, ohne Übertreibung, in schönen Worten nebeneinanderreihen" (Ton'a tsune ni atarashiki kokoro wo yasuraka ni kotogotoshiku nakute utsukuahiku tsuzukubeshi tomöshiki). ChKSh. S. 265. 2 ) kinjitsu no hito fuzei no mezurashiku kyö arite takumi dashitaru kokoro aru to omoeri. sara ni shikarazaru koto nari. füun söboku no kan ni tsukete mo mata seken seisui nado ni tsukete mo omoiiritaru wo kokoro aru to wa mösu nari. Seiashö, ZGR XVI, S. 868. 3 ) Tamekane war, als das Gumon-kenchü abgefaßt wurde .bereits seit 31 Jahren tot, der seinen Auffassungen nahestehende Exkaiser Hanazono seit 15 Jahren. Jedoch waren damals Tamehide (s. o.) und die der Kyögoku-Schule sehr verwandte Reizei-Schule aktiv.

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modern und künstlich erscheint, ist begreiflich, rechtfertigt aber die Verurteilung nicht. Ton'a war sich andererseits wohl bewußt, in welche Gefahr er die Dichtkunst mit seiner bedingungslosen Traditionsfreudigkeit brachte, und so forderte er — wie auch der Verfasser des Nomori-kagami — einen „neuen" Stil, allerdings im Rahmen der klassischen Vorbilder. Die Frage, ob er sich insgeheim des inneren Widerspruchs dieser Forderung bewußt war, kann heute nicht mehr beantwortet werden, jedenfalls ist es weder ihm noch seinen Anhängern gelungen, die japanische Dichtung zu bereichern. Mit ihrer Verehrung der Tradition kam die Nijö-Schule jedoch einer Neigung des mittelalterlichen Menschen entgegen, dem die Heian-Epoche als die goldene Zeit des Friedens und der Kunst erschien, die unruhige und schrecklich bedrängende Gegenwart aber als eine Zeit des Verfalls1), in der ein frommer Blick auf die Vergangenheit Trost und Stärkung zu gewähren vermochte. Und hier liegt wohl einer der Gründe für den großen und langen Erfolg dieser Poetik. 3. Der Politiker und Dichter N i j ö Y o s h i m o t o H f^ Jä M 2 ) stand zunächst auf Seiten der Kyögoku-Schule, ging aber dann, von dem dialektisch hochbegabten Ton'a überredet, zur Nijö-Schule über. Da er vor allem Renga-Dichter war3), handelt sein im Titel Shunzei's Korai-fütaishö nachahmendes Poetikwerk K i n r a i f ü t a i s h ö üi Jäl Ül überwiegend von der Renga-Dichtung und kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht dargestellt werden. Was er über die Dichtung im allgemeinen sagt, geht über das Kokinshü-Vorwort Tsurayuki's und das Gumon-kenchö nicht hinaus. Berühmt ist seinUrteil über Ton'a: „Sein Stil 6 ) ist yügen, die Gestalt seiner Gedichte ist sanft (nadaraka), nicht aufgeblasen oder überladen, und überall in seinen Versen findet man etwas Neuartig-Frisches (mezurashi)".6) Das Prädikat yügen bedeutet bei Yoshimoto „vornehm"7), aber dieses sehr wohlwollende Urteil über Ton'a wurde von selbständigen Geistern seiner Zeit nicht geteilt. Sie fanden gerade in dieser „Vornehmheit" viel unechte, erborgte Würde und hinter ihr eine nur unzureichende Begabung. S. o. S. 67, Anm. 1. 1320—1388, Sohn des Kwampaku Sadaijin Michihira, mit 20 Jahren bereits Naidaijin, mit 29 Dajödaijin, zweimal während seines Lebens Sesshö. Über seine Verdienste um das Kettengedicht s. Florenz, a. a. O. S. 288. Eine ausführliche Studie über ihn s. Fukui Kyüzö, Nijö Yoshimoto, Tokyo 1943. 3 ) E r schrieb ungefähr 600 000 Renga-Stollen! 4 ) Nach dem Nachwort zu dem ins Kogoshimpishö (s. o.) aufgenommenen Text stammt es aus dem Jahre 1387. Seine Bedeutung beruht fast ausschließlich auf Beurteilungen zeitgenössischer Tanka- und vor allem Renga-Dichter. Zoku-Gunshoruijü Bd. 459, ChKSh. S. 262—281. б ) kakari: dieses bereits im Yakumo-mishö auftauchende Wort spielt später in den Kunstschriften von Seami und Zenchiku über das Nö eine bedeutende Rolle. •) ChKSh. S. 262. 7 ) Über das yügen in Yoshimoto's Renga-Poetik s. Nose, a. a. O. S. 134ff. а)

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F. Poetik und Buddhismus in der Muromachi-Zeit. I. Die R e a k t i o n auf die erstarrende N i j ö - T r a d i t i o n . Obgleich auch die Nijö-Schule theoretisch die wahre Grundlage jeden guten Gedichts in einem aufrichtigen und tiefen Gefühl erkannte, wurde doch in der Wirklichkeit das Wesentliche in einer getreuen Nachahmung des traditionellen Stils und der sorgfältigen Beachtung der von Tameie und Tameyo aufgestellten formalen Beschränkungen gesehen. Dagegen erhob sich naturgemäß bald eine Reaktion, die vor allem von Mönchen und Rittern getragen wurde. Diese gaben nach dem Verfall der höfischen Kultur nun aus der Ursprünglichkeit ihrer eigenen Weltanschauung heraus der Dichtung ihr wichtigstes Lebenselement, die Frische, zurück. Und während in der Nijö-Schule unter den damaligen offiziellen Anthologien das Shinchokusenshü wegen seiner sanften Unauffälligkeit und matten Stille besonders geschätzt wurde, neigte sich nun der neue Geschmack wieder der bunten Lebendigkeit und dem zauberhaften Glanz des Shinkokinshü zu. 1. Der Aufstand gegen den zunehmenden und unduldsamen Druck der NijöAutorität begann mit Fujiwara N a g a c h i k a §H H Sl 1 ), welcher in dem für einen Nachkommen vonKenshö (s. o.) geschriebenen Karon-WerkKöun-kuden M • Dichtung und Religion in enge Beziehung zueinander brachte. Es gibt, so führte er dort aus, im Kosmos bereits vor der Entstehung der unzähligen Lebewesen als ihre eigentliche Quelle das „Grundprinzip", auf dem Himmel und Erde beruhen. Dieses ist auch die „wahre Gestalt" (shintai) des Gedichts, und so kann keine Erscheinung von Himmel und Erde, mag es sich nun um Sonne, Mond, Sterne, Berge, Flüsse, Gräser oder Blumen handeln, von der Dichtkunst getrennt gedacht werden. Das Gedicht ist der Ausdruck eines wahrhaften und intensiven Lebens und einer besonders innigen Verbundenheit mit der Natur. Das lyrische Gefühl und die religiöse Empfindung sind ihrem Wesen nach ein und dasselbe3). Und wer mit seinem Herzen ganz in und mit den Dingen lebt, dessen Ge*) 1368—1428. Er war ein treuer Anhänger der Süddynastie, während Ton'a und Yoshimoto zur Norddynastie hielten; er stieg bis zu dem Rang eines Udaijin auf und war mit Munenaga Shinnö (s. Florenz, a. a. O. S. 285) befreundet. Gedichte von ihm finden sich in dem von jenem zusammengestellten Shinyöshü ^ welches sich besonders in der Tokugawa-Zeit besonderer Beliebtheit erfreute (Yoshizawa Yoshinori, Nihon-bungakuzenshü, Muromachi-bungakushi S. 121—132). — Als Wissenschaftler interessierte sich Nagachika für Gojüon und Iroha, in seiner Schrift Yamato-katakana-hansetsu-gige behandelte er den Ursprung und die Entwicklung der Kana-Zeichen. Dieses Werk, ebenso wie sein Köun-iroha-kuden gab der philologischen Forschung der Tokugawa-Zeit manche Anregung. 2 ) Köiin ist der Name, den sich Nagachika selbst zulegte, als er sich in den Köun-Tempel (Ömi-Provinz) zurückzog. — Das Köun-kuden ist in das Kogoshimpishö und Zoku-Gunshoruijü (Bd. 465) aufgenommen. 8 ) Man vergleiche die ähnliche Haltung in der europäischen Romantik (Wackenroder, Schölling, Chateaubriand, Lamartine, Shelley, Rossetti).

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dichte besitzen den Charakter unwiederholbarer Einzigartigkeit. „Wenn man beim Laut des Morgen- und Abendwindes sein Herz in reine Klarheit bringt, den Blick fest auf die Farbe der Wolken richtet, sich durch die im Staub (des Lebens) liegenden leeren Dinge nicht das Herz verwirren läßt. . . . so dringt beim Dichten das Aussehen des Himmels und der still dahinziehenden Wolken, der Laut des Windes und das Geräusch des Regens tief in das Herz, und was dann als Gedicht erscheint, hat einen eigenen und neuen Stil (fuzei)"1). Nach diesen einleitenden Bemerkungen über das Wesen der Dichtung bringt Nagachika in sechs Kapiteln seine Meinung über Einzelprobleme vor: die Vorzugsstellung des Gefühls gegenüber den Worten, die notwendige Sorgfalt im Ausdruck, das honka-tori (s. o.), die Themendichtung in und außerhalb von Gedichtwettstreiten usw. Das Wesentliche steht in den ersten,'beiden Kapiteln („kokoro wo moto to subeshi" und „kotoba wo migakubeshi"). Den Grundton des Vorworts aufnehmend heißt es zunächst: „Das Herz bildet den eigentlichen Gehalt des Gedichts und zugleich seinen innersten Grund. Dieser Grund ist allen Dingen auf der Erde gemeinsam und gehört nicht nur den Menschen" 2 ). Daraus ergibt sich für Nagachika die Verehrung der Sandaishü, da in ihnen, wie er sagt, ein ungebundenes und freies Gefühl zum Ausdruck gelangt. Aber er schätzt auch das Shinkokinshü. „Das Shinkokinshü vereinigt äußeren Glanz und innere Fülle, es birgt Gefühle von unvergänglicher Frische; es hat zwar den alten schlichten Stil völlig verändert, aber man bedenke doch, daß es ein leeres Nachsprechen der alten Dichter wäre, wenn man nur den alten Stil erlernte und nicht auch neue, eigene Gefühle zu besingen verstände!" 3 ). Was den Wortausdruck der Gedichte betrifft, so tadelt Nagachika das Kinyöshü und Shikwashü, weil ihnen das „Rechte und Feine"(seiga) fehlte 4 ). Seine lebensbejahende und freie Art sieht ganz natürlicherweise ihr Ideal nicht mehr in dem still verhaltenen Shinchokusenshü, sondern eher in dem frohen, wenn auch verträumten Glanz des Shinkokinshü, denn hier, sagt er, „ist nicht nur die Quelle des Herzens tief, sondern auch die Worte duften wie Blüten" 5 ). * Inmitten einer Zeit, deren dichterische Luft durch Überlieferungen und nichtssagende Geheimlehren6) wie abgestanden wirkt, empfand Nagachika Sympathie ZGB XVII, S. 36 Saitö Kiyoe, Seishin-bi to shite no nihon-bungaku, S. 174. )' kokoro to iu wa uta no shitsu nari mata kotowari nari. kono kotowari wa yorozu no mono no ue ni sonawarite hito no shi -suru tokoro ni arazu. ZGR XVII, S. 36. 3 ) Shinkokinshü no isshü aya shitsu (^¡C "JH) awase kanete kinko no ii-furasanu kokoro wo yomi-ide, junko no fü ippen suru ni nitaredomo tada inishie bakari wo manabite mezurashiki kokoro wo yomi-idezaru wa mukashi no hito no kuchimane ni koso arame.. . ZGR XVII, S. 37. 4 ) Nagachika tadelt das „Gewöhnliche "(zoku) ebenso wie die Nijö-Schule und nimmt ihr damit den Wind aus den Segeln. In einer Einleitung zu dem Shichi-hyaku-ban-uta-awase aus dem Jahre 1414 zitiert er die „Fünf Gewöhnlichkeiten" fö wu-su, jap. gozoku) des chinesischen Sung-Kritikers Yen Yü Jg ¡JjSJ (in seinem Werk Ts'ang-lang shih-hua fjjg f|f gg) in Bezug auf Stil, Gehalt, Versbau, Zeichengebrauch und Reim und tadelt die zeitgenössischen Dichter wegen ihrer Nachlässigkeit. 6 ) kokoro no sengen jjgj) fukaki nomi ni arazu kotoba no hana nioi-tae.. ZGR XVII, S. 37. «) S. u. S. 127. 2

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für die Freiheit der Kunst, und er forderte liebevolle Versenkung in die Dinge der Welt. Er wandte sich daher ausdrücklich gegen den Zwang der Nijö-Schule1), die mit festen Vorschriften über die durch ihre Talentlosigkeit verwirrten Dichter herrschte, und er gab der Poesie durch ihre metaphysische Begründung den hohen Rang wieder, der in seiner Zeit, die sich einer fast leblos gewordenen Tradition verschrieben hatte, wie verloren erschien. 2. I m a g a w a R y ö s h u n -T* Jl| T ein bedeutender Politiker, Ritter, Dichter, Gelehrter und Zen-Anhänger3), hat als Schüler von Reizei Tamehide (s. o.) in einer Reihe von Altersschriften seinen freien und gegen die Nijö gerichteten Standpunkt dargelegt. Es sind dies vor allem folgende vier Werke: a) W a k a d o k o r o - e - f u s h i n - j 5j 5 in Üfcffi^jp Sr Hier verwirft Ryöshun den von der Nijö-Schule betonten Unterschied von literarisch wertvollen und alltäglichen, aber für die Dichtung unbrauchbaren Worten. Er lobt den freien Ausdruck der Empfindung bei Shunzei und Saigyö, zeigt an Beispielen die Stilunterschiede bei Nijö Tameyo und Kyögoku Tamekane auf, und er tadelt Ton'a, den man in der Nijö-Schule „wie einen Heiligen" (uta no hijiri no gotoku) verehre, bei dem aber „von 10 Gedichten 7 bis 8 nichts weiter als Umarbeitungen alter Gedichte" 5 ) seien. Im übrigen verweist er auf Teika's Kindai-shüka, in dem, wie er sagt, alles klar aufgezeigt sei, was man beim Dichten beachten müsse. b) B e n y ö s h ö fj->6). In 27 vor allem für den Anfänger berechneten Kapiteln erzählt Ryöshun von seiner eigenen Entwicklung als Dichter und weist auf die entscheidende Bedeutung des „tiefen Gefühls" hin. Der Anfänger soll sich nicht um Gelehrsamkeit (saigaku) kümmern, er darf nicht neu und originell dichten w o l l e n ; zur Entwicklung des dichterischen Stilgefühls empfiehlt Ryöshun eine ständige Lektüre der Klassiker. c ) R a k u s h o - r o k e n W W M .II')- Es ist zur Verteidigung des von der NijöSchule heftig angegriffenen Sohnes von Tamehide, namens Tamemasa, geschrieben, enthält aber gleichzeitig Ausführungen über Ryöshun's eigenes Ideal. Er verwirft hier besonders das „Sichklammern an alte Gedichte", die Sucht nach Wortspielen, und greift die Gedichte von Ton'a an. Gegenüber Teika's Auffassung, die Worte sollten nicht über den Sprachgebrauch der Sandaishü hinausgehen (im Eiga-taigai), einer Auffassung, die zum starren Axiom der NijöSchule wurde, gibt Nagachika zu bedenken, daß angesichts der anwachsenden „Gedichtproduktion" diese Begrenzung untragbar sei. Er lehnt daher auch die nushi no kotoba ab. 2 ) 1325—1420. Sohn des Provinzstatthalters Imagawa Norikuni, Nachkomme von Minamoto Yoshie in der 8. Generation, Feldherr von Ashikaga Yoshiakira und Yoshimitsu, 1371 von Yoshimitsu zum Militärgouverneur (tandai) von Kyüshü ernannt, von wo er sich, nach 27jähriger erfolgreicher Arbeit verleumdet, nach Ömi zurückzog, um gelehrte Studien zu treiben. s ) Koyama Keiichi stellt in seiner Studie „Imagawa Ryöshun", Tokyo 1944, diesen besonders als Kokugaku- Gelehrten, Bushidö-Ritter und Zen-Gläubigen dar. 4 ) 1403 für den Sohn Tamehide's Tamemasa geschrieben; Zoku-Gunshoruijü Bd. 296, die Ausgabe im Kogoshimpishö ist aber zuverlässiger. 6 ) GR X , S. 808. 6 ) Aus dem Jahre 1409. Gunshoruijü Bd. 296. 7 ) Aus dem Jahro 1417. Gunshoruijü Bd. 296, vgl. S a t ö a . a. O. S. 449.

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d) S h i s e t s u - j i k e n - s h ü S P i ; § M Ü 1 ). Es bringt mit Beispielen versehene Erläuterungen zu den Zehn Stilen Teika's, sowie Betrachtungen über die Stilunterschiede bei Tameyo, Tamekane und Tamesuke. Versuchen wir nach diesem kurzen Überblick über den Hauptinhalt von Ryöshun's Poetikwerken das Wesentliche seines Karon zu erfassen, so eignet sich als Ausgangspunkt nichts besser als die oben erwähnte Betrachtung der Stilunterschiede bei Tameyo, Tamekane und Tamesuke im Shisetsu-jiken-shü. Es heißt dort: „Tameyo lehrte, man müsse leicht und flüssig dichten. Tamekane forderte dazu auf, mit erhabenem Schwung und ohne viel Schmuck und Auswahl der Worte so zu dichten, wie es einem ums Herz sei. Nach Tamesuke soll jeder zunächst auf dem Stil aufbauen, der ihm am meisten liegt — es kommt dabei gar nicht auf die Art dieses Stiles an—, nachher kann er auch den Geschmack seiner Zeit berücksichtigen.2) Wenn die Gedichte der Schüler nicht immer dem Stil ihrer Meister und die Gedichte der Söhne nicht stets denen ihrer Väter gleichen, so kommt es daher, daß jeder (wirklich Begabte) dem Stil folgt, der ihm selbst am meisten entspricht." Imagawa's Sympathien gehören Tamekane und Tamesuke, also der Kyögokuund Reizei-Schule. Sein Standpunkt gegenüber der Nijö-Tradition ist damit klar. Der persönliche Stil ist ihm alles. So kommt es etwa, daß er im Rakushoroken den Sohn seines Lehrers Tamehide namens Tamemasa verteidigt, dem von den Nijö-Leuten Mangel an yügen vorgeworfen wurden3). Ryöshun führt aus, daß es zwar die „zehn Stile" Teika's gebe, aber dies bedeute keineswegs, jeder Dichter müsse sie alle beherrschen. Jeder solle vielmehr — wie auch das oben gebrachte Zitat aus dem Shisetsu-jiken-shü hervorhebt — zunächst und vor allem in dem Stile dichten, der seiner Begabung und Neigung am meisten entspreche. Fehle es dann an den anderen Stilen, so sei ihm daraus ebensowenig ein Vorwurf zu machen wie dem großen und ja auch von den Nijö-Dichtern verehrten Tsurayuki, dem, wie Teika festgestellt habe4), ebenfalls einige Stile gefehlt hätten. So solle also jeder getrost den Stil zur Vollkommenheit entwickeln, für den er am meisten begabt sei6), denn, so sagt Ryöshun in dem Vorwort zu seinem Genjinshü6): „Man Entstehungszeit unklar. Zoku-Gunshoruijü Bd. 468. Tameyo-kyönofütai wa utawayasashiku surusuru to nomi yomubeshito nooshie nari. Tamekane-kyö no teikin wa take-dakaku koto takusan ni kazarazu koto no yösha (Jfj ^ ) naku tada omou yö ni yome to nari. Tamesuke-kyö no oshie wa izure no tai nite mo sono hito no etaru sugata ni mazu motozukite noehi yo no kakari wo mo ukagaubeshi to nari. ZGR X V I I , S. 976. 3 ) Die Forderung auf yügen wird in der Tat von Tameyo im Wakateikinshö (am Schluß des 6. Kapitels, s. o.) erhoben: „man muß erhaben und in Sanftheit dichten" (take-dakaku yügen ni yomubeshi). ChKSh. S. 251. 4 ) Im Kindai-shüka, s. o. S. 72. Allerdings ist das Zitat nicht ganz richtig wiedergegeben, denn dort heißt es nicht, wie bei Ryöshun, daß Tsurayuki der Stil des take-dakaku yosei (wohl: yojö) (GR X , S. 824) fehle, sondern der des yojö-yöen, fernerhebt Teika gerade hervor, daß Tsurayuki den Stil des take-dakashi geliebt habe, was Ryöshun verneint. 6 ) GR X , S. 823. •) Das Genjinshü ¡ f J|| 1406, enthält zumeist Worterklärungen, jedoch auch allgemeine Bemerkungen über das Dichten. 2)

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kann keinen Stil als besonders hervorragend ansehen. Gute Gedichte sind in jedem Stile gut, schlechte in jedem schlecht"1). Dem Dichter gebührt also unbedingte Freiheit. Sogenannte Gedichtkrankheiten sind ebensowenig wie der Gebrauch von „verbotenen Worten"2) imstande, ein gutes Gedicht zu beeinträchtigen. Ryöshun weist ausdrücklich auf das Beispiel von Yoshitada, Toshiyori, Tamekane und Fushimi-In hin. Die unverbildet spontane Äußerung einer Empfindung ist, sagt er, bereits ein Gedicht. Im Genjinshü heißt es: „Es liegt in der menschlichen Natur, Empfindungen zu haben und diese in Worten zu äußern. Wie könnte es daher den Menschen schwer fallen, ihre Gefühle auszusprechen ? Wenn etwa jemand denkt: O wie kalt ist es! und er nun sagt: ich möchte gern ein Kosode-Gewand anlegen und mich am Feuer wärmen! so ist das schon ein Gedicht"3). Das Gedicht muß aus der Tiefe des Herzens dringen4), es darf nicht „Literatur" sein wollen. „Es ist, wie der verstorbene Tamehide gesagt hat: wer wirklich gut dichten will, sei ein Mensch, der keine Gedichte macht!"6) Die dichterische Begabung ist natürlich in allen Fällen stillschweigend vorausgesetzt, aber sie genügt nicht, der Dichter muß aus der Kraft und Reinheit seines Gefühls schaffen6). Was *) kanarazushimo uta ni izure no ittai wo jöhin to sadametara mune näsln tada yoki uta wa izure no tai nite mo yoku ashiki uta wa izure no tai nite mo warushi to nari. Zitiert nach Koyama, a. a. O. S. 123. 2 ) „Die verbotenen Worte klingen im allgemeinen nur in ihrem besonderen Zusammenhang so besonders reizvoll. Warum soll man sie aber meiden, wenn sie (auch aus diesem Zusammenhang gelöst) nicht unschön klingen ? Diese Worte, die damals von allen und ständig bis zum Überdruß gebraucht worden sind und aus diesem Grund eine gewisse Zeit lang verboten wurden, könnten nun, da (seit ihrem Verbot) viel Zeit vergangen ist, je nach dem Gedichtstil sehr wohl wieder in kleinem Umfang verwendet werden." (Wakadokoro-e-fushin-jöjö, GR X, S. 804). 8 ) Zitiert nach Sasaki, a.'a. O. S. 143. Diese Auffassung mag sich auf zweierlei gründen. Einmal ist der e m o t i o n a l e Ausdruck an sich der „Urtyp" des Lyrischen. Nach Staiger, a. a. O. S. 224 entspricht die Stufenfolge lyrisch-episch-dramatisch den von Cassirer — Philosophie der symbolischen Formen, I . Teil, Berlin 1925 — beschriebenen Stufen der Sprache: die Sprache in der Phase des sinnlichen Ausdrucks, die Sprache in der Phase des anschaulichen Ausdrucks, die Sprache als Ausdruck des begrifflichen Denkens.* Zum andern vermag jeder sprachliche A u s d r u c k auf Grand der Identifikation von Dichtung und Sprache (vgl. K. Vossler, Benedetto Croces Sprachphilosophie, in „Die romanische Welt", S. 506f., K. Vossler, Puristische und fragmentarische Kunstkritik, a. a. O. S. 167f.) bereits Poesie zu sein. (Vgl. Kayser, a. a. O. S. 275: „ . . . daß Sprache und Dichtung im Grunde eins sind, daß alles Sprechen ein „Poiein", ein Schaffen ist, das von den Kräften der Phantasie genährt und gelenkt wird. Gewiß wird dabei nicht verkannt, daß im Alltag bestimmte Zwecke das Sprechen leiten und daß die Entwicklung einer Sprache aufs stärkste von den „Realitäten" beeinflußt wird. Aber worauf es . . . ankommt, ist die Tatsache, daß in allem, was zur Sprache gehört und was als Sprachgebrauch lebendig ist, immer der ästhetische Faktor des Geschmacks beteiligt ist.") 4 ) „Kein Gedicht darf als besonders „reizvoll" klingend dem Menschenmunde schmeicheln, es muß aus der Tiefe des eigenen Herzens dringen" (uta-goto ana mezurashi to kikoete hito no kuchi wo hetsurawazu jishin no sokoyori ideru hon'i to seraruru). Rakusho-roken, G R X , S. 824. 5 ) GR X, S. 813. ') „ I n den Stunden, wo das Herz ohne Dichtung (uta) ist, muß sich selbst der Geniale und Begabte still in sich selbst versenken" (kokoro ni uta no naki koro wa ikanaru tassha mo

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Ryöshun unter diesem reinen Gefühl versteht, ist nirgends genauer beschrieben, aber es ist im Grunde wohl nichts anderes, als was unter dem Einfluß der ZenPhilosophie seit Teika bewußt gefordert worden ist1). Dieses reine Gefühl kann „gepflegt" werden. „Man muß das Herz nähren" heißt es im Benyöshö2), und Ryöshun empfiehlt eine ständige Lektüre der Sandaishü, der Ise-monogatari, des Makura no söshi und vor allem des Genji-monogatari. Hier erweist sich, in welch tiefem Verständnis für japanisches Wesen er die Dichtung zu erneuern versuchte, und man begreift so auch den gewaltigen Einfluß Ryöshun's auf seinen Schüler, den Zen-Mönch Shötetsu. II. S h ö t e t s u ' s T e i k a - V e r e h r u n g und Z e n - G l a u b e . S h ö t e t s u JEͧ¡[3), der bedeutendste Dichter und neben Shinkei (s. u.) der beste Essayist der Muromachi-Zeit4), war ein Schüler von Imagawa Ryöshun6), stand also der Reizei-Schule, wenigstens zeitweise, nahe und bekämpfte die Nijö-Lehre6). Seine Poetik-Auffassung ist aus folgenden Schriften zu ersehen: T e s s h o k i - m o n o g a t a r i flütltf !£ %!] WF): zusammenhanglose Bemerkungen jözu motoki ni yorite chinshi('¿£ subeku sörö).Benyöshö, GR X, S. 822. Wenn die innere Klarheit fehlt, ist auch der „emotionale Ausdruck" getrübt, und so kann kein Gedicht entstehen. Angespannte Konzentration des Herzens (nach Teika auch des Verstandes, s. o. S. 81) vermag aber das Herz zu klären. S. o. S. 84. 2 ) GR X, S. 812. 3 ) 1381—1459. Über sein Leben ist wenig bekannt. Als Quellen kommen neben seinen eigenen Werken Sökonshu (s. u.) und Nagusame-gusa (s. u.) nach Koyama Keiichi, Shötetsuron, S. 3, vor allem das Hekizan-jitsuroku [il H (das von 1459—1468 reichende Tagebuch eines Zen-Mönchs aus dem Töfukuji, Kyoto) in Frage. Als Sohn eines Burgherrn in der Bitchü-Provinz geboren, trat er schon früh in die Rinzai-Sekte ein und widmete sich, Tamekane's Stil bewundernd, in Kyoto der Dichtkunst. Als 25jähriger zog er sich durch ein ironisches Gedicht den Zorn des Kaisers zu und wurde vorübergehend in die Mino-Provinz verbannt. (Über den Grund dieser Verbannung und ihrer Aufhebung existieren abweichende Anekdoten, vgl. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 584f.) Nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt trat er als Sekretär (shoki) in einen der Gosan-Tempel, den Töfukuji, ein und hieß seitdem Tesshoki (der „shoki" (Shö)tetsu). Sein weiterer Weg ist nicht mehr zu verfolgen; er scheint sich der Reihe nach in verschiedenen Tempeln Kyotos und Naras aufgehalten zu haben. Sein geistreiches, geselliges Wesen verschaffte ihm die Bekanntschaft vieler bedeutender Zeitgenossen; selbst untereinander befehdete Ritter aus den Familien Hosokawa, Akamatsu, Yamana, Hatakeyama pflegten, wie aus dem Sökonshü zu ersehen ist, Verkehr mit ihm. 4 ) Bahnbrechend für das neue Verständnis von Shötetsu sind die Arbeiten von Okazaki Yoshie (Nihon-bungeigaku, Shötetsu no fütai, S. 290—333; 1927 bereits in der Zeitschrift Shisö erschienen) und Hisamatsu Sen'ichi, a. a. O. I, S. 660ff., sowie die neue Arbeit von Koyama Keiichi, Shötetsuron, 1942. 6 ) Über die Beziehungen zwischen Shötetsu und Ryöshun ausführliche Forschungen von Koyama, Imagawa Ryöshun, S. 303ff. •) Aus diesem Grunde sind seine Gedichte wohl nicht in die 1439 vollendete, von Asukai Masayo (s. u.) zusammengestellte 21. und letzte offizielle Anthologie, das Shinshoku-Kokinwakashü aufgenommen worden. 7 ) Aus dem Jahre 1430. Gunshoruijü Bd. 297, ChKSh. S. 284ff. Shötetsu war sich des Wertes dieses Buches wohl bewußt, er bezeichnete es als von gleichem Rang wie das Makurano-söshi und Tsurezuregusa.

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über Dichter seit der Shinkokinshü-Zeit, Beispiele, wie über schwierige Themen gedichtet werden kann, Anekdoten. S e i g e n - s a w a ?ff Hc^rlS 1 ): von gleichem Charakter wie das Tesshoki-monogatari, bildet es mit diesem zusammen das Shötetsu-monogatari 2 ). Nagusame-gusa 3 # J^-3): mit autobiographischen und literaturgeschichtlichen Bemerkungen. Als weitere Quellen kommt seine tagebuchartig gehaltene „Haus-Sammlung" Sökonshü ifc4), sowie die Schriften Sazamegoto und Oi no kurigoto seines Schülers Shinkei (s. u.) in Frage. 1. Eine leidenschaftliche Verehrung für Teika ist der Grundton seiner Poetik 6 ). Im Seigen-sawa heißt es: „Wenn ich nachts aufwache und mir ein G.edicht von Teika einfällt, meine ich (vor Begeisterung) von Sinnen zu werden" 8 ), und zu Beginn des Tesshoki-monogatari: „Leute, die in der Dichtkunst Teika kritisieren, sollten die buddhistischen Segnungen (myöga) nicht erhalten und bestraft werden" 7 ). Im Töyashü-kikigaki wird berichtet, er habe sich selbst als zur „Teika-Sekte" (Teika-shü) gehörig bezeichnet 8 ). Was gefiel Shötetsu an Teika ? Was erschien ihm so nachahmenswert ? „Man sollte der Art (fükotsu) Teika's bewundernd nachstreben. Aber es wäre ein großer Irrtum, nun in der Absicht, seinen Stil (fütai) zu erlernen, sich Wort für Wort ihm anzugleichen (teniwoha kotoba wo niseru). Man soll sich seine Art (fükotsu) 9 ) und seine innere Haltung (kokorozukai)10) zu eigen machen", heißt es im Tesshokimonogatari 11 ). Man soll also nicht einfach Teika's Gedichte oder deren künstlerischen Stil nachahmen, sondern Teika's innere „Einstellung" gewinnen. Dies wird besonders durch eine Bemerkung in Shinkei's Oi no kurigoto (s. u.) klar: „Der Ehrwürdige Seigen sagte: 'ich bin der letzte Sproß vonTamehide 12 )undRyöshun. *) Seigen war Shötetsu's Beiname; er selbst nannte sich nur Shötetsu. Es sind vermutlich Aufzeichnungen eines seiner Schüler. Zoku-Gunshoruijü Bd. 463, ChKSh. S. 322f. 2 ) Nach Sasaki, a. a. O. S. 145 erfolgte die Zusammenlegung in der Temmei-Ära (1781—89). 3 ) Aus dem Jahre 1418. Gunshoruijü Bd. 334. 4 ) Die Bandzahl ist je nach dem Manuskript verschieden, vgl. Satö, Kokubungaku-shoshi a. a. O. S. 416f. Es enthält über 11 000 Gedichte, von seinem 34. bis zum 78. Lebensjahr. (Nach einer Bemerkung im Sökonshü selbst brannte im 31. Lebensjahr Shötetsu's seine Hütte mit 22 600 Gedichten ab!) Hisamatsu, a. a. O. I, S. 560, sieht in dem Sökonshü den Höhepunkt der Muromachi-Dichtung. 6 ) In den Tokugawa-Schriften Wakan-sansai-zue von Terajima Yoshiyasu und dem Zöhogorui-dai-setsu-yöshü (NBDJ IV, S. 238) von Makishima Terutake wird Shötetsu als die „Wiedergeburt Teika's" (^r ^ |g; bzw. „Reinkamation Teika's" ^ ^ bezeichnet. Koyama, a. a. 0 . S. 17öf. ®) nezame nado niTeika-kyö no uta wo omoi-dashinureba monogurui ni naru kokochi shi haberu nari. ChKSh. S. 346. ') ChKSh. S. 284. 8 ) GR X, S. 864. *) „fükotsu" entspricht etwa dem Begriff sitgata (s. o.). 10 ) Vgl. S. 104, Anm. 2. u ) ChKSh. S. 284. 12 ) Im Tesshoki-monogatari zitiert und kommentiert Shötetsu ausführlich ein Gedicht von Tamehide, welches Ryöshun veranlaßt hatte, dessen Schüler zu werden. (ChKSh. S. 298.) 8 Beul

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Beim Dichten soll man in das innerste Herz von Teika und Jichin1) eindringen und es verehren.' Er wiederholte oft, daß er die abgesunkene Art der Nijö und Reizei2) nicht schätze"3). Es ging Shötetsu also keineswegs um die Persönlichkeit Teika's, sondern um die durch jenen besonders rein verkörperte Idee der Dichtkunst, wie sie im übrigen auch Jichin vertreten hatte. Wie sehr Shötetsu eine sklavische Nachahmimg von Vorbildern ablehnt, wird in einem Kapitel des Tesshokimonogatari deutlich, wo er vor den „shömotsu" (od. shömono) (didaktische Auszüge aus Gedichtsammlungen) warnt4). Damit geht er allerdings von der Lehre Teika's ab, der im Eiga-taigai empfiehlt, die Gedichte der alten Zeit zum Vorbild zu nehmen6). Obwohl in Shötetsu's Schriften nirgends ausdrücklich davon die Rede ist, kann doch wohl kein Zweifel sein, daß der Grund seiner Teika-Verehrung in dessen ständiger und entschiedener Forderung liegt, „aus dem Herzen heraus" zu dichten. Shötetsu betrachtete ihn überdies nicht nur als großes Vorbild, er erlebte auch wirklich, was Teika nur dachte. Shötetsu hat gewissermaßen das ushinTeika's, wieKoyama sagt6), in das mushin 'fr)7) erweitert. Während das ushin den Dingen einseitig verhaftet ist, überlegt und unterscheidet und so das Strömen des ursprünglichen Herzens, des mushin, hemmt, ist cjieses leer, das heißt offen und kann so alles aufnehmen8). Diese Offenheit, Hingabe und äußerste innere Freiheit sind nach Shötetsu die Grundlage der Dichtung. Hier wird das enge Band zwischen dem Dichter und dem Zen-Mönch deutlich. Vom Geist freier Übergegensätzlichkeit beseelt, blickt der Dichter in sich hinein und in die Welt hinaus. Frei von Tradition9) und beengenden Lehren benötigt er nicht das allgemeine Wissen, das saigaku10), das im Zen der Erleuchtung (satori) gegenübergestellt wird, sondern 1155—1225, s. Bohner, a. a. O. I, S. 169f. ) Tamehide gehört zwar selbst der von seinem Vater Tamesuke (s. o.) gegründeten ReizeiRichtung an, aber mit „Reizei" meint Shötetsu wohl die Reizei-,,Schule", welche die PoetikAuffassung ihrer Gründer übertrieb und damit verfälschte. 3 ) GR X, S. 1080. 4 ) Bei Benutzung solcher Lehrbücher bzw. Kommentarwerke entstehen nur herkömmliche, aber keine originellen Gedichte (hare no uta). ChKSh. S. 217. •) "Sr « ä £ ift £ & Ä "T ife & C h K S h . s . 188. «) Koyama, Shötetsu-ron, S. 113f., 133f. 7 ) Wörtlich: „Nicht-Herz"; die negative Formulierung besagt aber keine Verneinung des „Herzens", sondern nur seine völlige Freiheit und Übergegensätzlichkeit. Vgl. D. T. Suzuki, The Zen Doctrine of No-mind, London 1949, S. 119f.: „ I t is difficult to find an English equivalent except the Unconscious, though even this must be used in a definitely limited sense. I t is not the Unconscious in its usual psychological sense, nor in the sense given it by the analytical psychologists, who find it very much deeper than mere lack of consciousness, but probably in the sense of the "abysmal ground" of the mediaeval mystics, or in the sense of the Divine Will even before its utterance of the Word." 8 ) Nach Suzuki, Zen und die Kultur Japans, Stuttgart-Berlin 1941, S. 91. 9 ) Tö no Tsuneyori, der vorübergehend bei Shötetsu lernte, erzählt in seinem Töyashükikigaki (s. u.), wie Shötetsu bei einem geselligen Dichten ein ganz neues Thema vorgeschlagen habe und deswegen von dem traditionsfreudigen Nijö-Anhänger Gyökö (s. u.) erbittert angegriffen wurde. GR X, S. 881. — Auch im Tesshoki-monogatari heißt es, daß wirklich fähige Dichter nicht an herkömmliche Themen gebunden seien. ChKSh. S. 295. 10 ) „Der Dichter braucht kein gewöhnliches Wissen im Kopf zu behalten (uta yomi wa saigaku oböyubekarazu) . . . , wenn er das Wesen der Dichtung erfaßt hat, ist er im Herzen»2

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nur das wahre Verständnis für das Wesen der Dichtung, wie es in dem von Shötetsu als mushin interpretierten Ideal Teika's offenbar wird. „Man soll mit ganzer Kraft der Art (fükotsu) Teika's verehrungsvoll nachstreben. Es gibt nun allerdings Leute, die behaupten, dies sei ein allzu erhabener Weg und für gewöhnliche Menschen (bonryö) nicht erreichbar, man müsse daher seine Augen auf den Stil (fütai) seiner Nachfahren (batsuha)1) richten. Aber nach meiner Meinung kann man nur, wenn man den höchsten Weg erstrebt, wenigstens den mittleren erlangen, und so muß man die Augen auf das Höchste richten, selbst wenn man es nicht erreichen wird, . . ebenso wie man bei den buddhistischen Übungen nach der Buddhaschaft (bukkwa Jfi, skt. buddhaphala) strebt und keine Herzensübung (shugyö) gelingt, wenn man es von vornherein bei dem schwächlichen Dreifachen Fahrzeug (sanjödö H iH skt. triyäna) bewenden läßt" 2 ). Wie für den Mönch die Buddhaschaft das höchste, wenn auch vielleicht zunächst unerreichbare Ideal darstellt, ist dies in der Dichtkunst Teika für jeden Poeten. b) Zur Wertung eines Gedichtes als Kunstwerk genügt diese innere Grundlage freilich nicht ganz. Die Definition eines guten Gedichtes lautet im Tesshokimonogatari: „Gedichte sind dann gut, wenn beim Rezitieren die Aneinanderreihung der Worte irgendwie gedichtartig klingt, die Melodie fließt, der gedankliche Gehalt nicht zu gedrängt und das ganze Gedicht yügen und yasashi ist. Ferner liegt bei besonders guten Gedichten viel außerhalb des gedanklichen Gehalts. Sie haben etwas Unaussprechbares an sich. Die Worte sollen nicht etwas erklären, sondern ganz natürlich zustimmen lassen" 3 ). Es ist, mit anderen Worten, bei einem guten Gedicht ein Dreifaches nötig: formal eine gedichtmäßig (d. h. harmonisch und schön) klingende, fließende Aneinanderreihung der Worte, kein allzu gedrängter oder gar verstandesmäßig erklärender Gedankeninhalt und die Eigenschaften des yügen und yasashi (d. h. der weichen Anmut) in Bezug auf den gefühlsmäßigen Gehalt des Gedichts. Während die beiden ersten Forderungen zustand der Erleuchtung" (tada uta no kokoro wo yoku kokoroete satoru kokoro nari). ChKSh. S. 292, vgl. Koyama, a. a. O. S. 192. 1 ) „Seine (Teika's) Nachkommen zerfielen in die beiden Schulen Nijö undReizei, mit der von Tamekane sind es drei wie die drei Augen des Mahesura ( ^ skt. Mahesvaradeva, jap. Dai-jizai-ten fij /(£ Jç, der Herr der ätherischen Welt, shiki-kai-ten fe Jfskt. rüpadhätu, der nach dem Daichidoron -fc ^ |§f jf$} — Mahäprajnäpäramitäsästra — von Nägärjuna 8 Ellbogen, drei Augen hat und auf einem weißen Stier reitet). Sie erheben und bedrängen, loben und tadeln einander, und so sind sie alle zu verachten. Wie könnte man sich einer von ihnen anschließen ? Sie haben alle nur einen Teil (von Teika's Lehre) gelernt, und nun streiten sie sich noch darüber. Man beachtet sie am besten gar nicht." Shötetsu hat zwar bei ReizeiTamemasa gelernt, und sein eigener Stil wird gern mit den von Kyögoku Tamekane verglichen, aber hier spricht er sich eindeutig gegen alle drei Dichterschulen der Teika,.Nachfahren" aus. Er hatte sich wohl bei Abfassung des Tesshoki-monogatari bereits innerlich von der Reizei-Schule entfernt, vgl. auch S. 114, Anm. 2, 3. 2 ) ChKSh. S. 284. Über die „drei Fahrzeuge" des Mahayâna s. W. E. Soothill, A Dictionary of Chinese Buddhist Terms", London 1937, S. 58. 8 ) uta wa uchi-eizuru ni nan to naku kotoba-tsuzuki mo utameki gin no kudarite kotowari wo tsumezu yügen ni mo yasashiku mo aru ga yoki uta nari. mata shikyoku no yoki uta wa kotowari no hoka naru koto nari. iwamu to mo serarenu tokoro nari. kotoba ni toki-kikasu tokoro ni arazu tada shizen to nattoku subeki nari. ChKSh. S. 324. 8»

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ohne weiteres verständlich und auch aus den bisherigen Poetiken bereits bekannt sind, führt eine Betrachtung der dritten, insbesondere des yügen- Begriffs, auf das Zentralproblem von Shötetsu's Karon. c) Was versteht Shötetsu unter yügen ? Im Tesshoki-monogatari bezeichnet er folgende zwei Gedichte als „außerordentlichen yügen-Stil" (kiwamaruru yügen no tai)1): yasurai ni idekoshi mama no tsuki no kage waga namida nomi sode ni matedomo (Teika)2)

Mein Herz zu trösten, Ging ich hinaus und sah des Mondes hellen Schein — Da wurden doch die Ärmel Mir plötzlich von Tränen schwer.

shirotae no sode no wakare ni tsuyu ochite mi ni shimu iro no akikaze zo fuku (Shinkokinshü, 15. Buch, Teika)3)

Als wir die weißen Ärmel beim Abschied trennten, Fiel Tränentau darauf — Von ihnen gefärbt läßt nun Der Herbstwind mich erschauern.

Im ersten Gedicht erhebt sich der Dichter in einer schlaflosen und einsamen Nacht und geht vor das Haus, um sich durch den Anblick der nächtlichen Natur zu trösten, aber als er den hellen Mondschein sieht, kommen ihm schwermütig stimmende Erinnerungen und Gedanken, und seine Ärmel werden von heftigem Weinen naß. Im zweiten Gedicht schildert der Dichter den Abschied nach einer Liebesnacht. Als sich der Mann an einem Herbstmorgen von seiner Geliebten trennen muß, fallen ihm mit dem Tau der Frühe „rote" Tränen auf die Ärmel, und der Herbstwind, von dem es in alten Gedichten immer heißt, er sei ohne Farbe, färbt sich davon rot und stimmt den zögernd Heimkehrenden nun noch einsamer. In beiden Gedichten herrscht die Stimmimg der Trauer und Einsamkeit, es spricht ein besonders tiefes Gefühl aus ihnen, ein gesteigertes aware4), das durch einen schlichten und suggestiven Ausdruck6) intensiviert wird. Über die Schwierigkeit, die Stimmimg und Schönheit dieser beiden Gedichte zu begreifen, sagt Shötetsu selbst : „Es sind dies Gedichte, die nicht so leicht von den Leuten verChKSh. S. 311. ) Das Gedicht stammt aus dem Roppyaku-ban-uta-awase (1193). Shunzei urteilte dort allerdings nicht besonders günstig darüber. — Die 5. Verszeile ist nicht klar überliefert, die Übersetzung richtet sich nach einer persönlichen Erklärung von Prof. Hisamatsu. 8 ) Dieses Gedicht stammt aus dem Minasedono-no-koi-jügo-ban-uta-awase 7K IS au8 dem Jahre 1202 und steht zu Beginn des 5. Buches der Liebe im Shinkokinshü; daß Teika dies Gedicht an einen Bandanfang gesetzt hat, an den traditionsmäßig nur die besten kommen, zeigt seine eigene hohe Meinung davon. *) S. o. S. 19, Anm. 6. 6 ) Besonders im zweiten Gedicht, wo die weiße Farbe der Ärmel die Empfindung der Einsamkeit erweckt und das „Rot" der Tränen und des davon gefärbten Herbstwindes gar nicht erwähnt wird. 2

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standen werden können." Etwas klarer wird uns das yügen aber durch zwei weitere Beispiele aus dem Tesshoki-monogatari. „Was Liebesgedichte betrifft", heißt es dort, „so ist gerade in den Gedichten von Frauen viel, was eindringlich zu Herzen spricht. Die Gedichte von Shikishi Naishinnö „ikite yo mo" und „wäre nomi shirite" sind beides yügen-Gedichte"1). Diese lauten: ikite yo mo asu made hito no tsurakaraji kono yügure ni towaba toekashi (Shinkokinshü, 14. Buch)2)

Noch lebe ich, aber Kaum mehr bis morgen, wo er Nicht mehr herzlos sein wird! 0 , da du ja kommen wirst, Komm heute abend zu mir!

wasurete wa uchi-nagekitsuru yG ka na wäre nomi shirite suguru tsuki hi wo (Shinkokinshü 11. Buch)3)

Von ihm vergessen, Beklage ich mein Schicksal, O was für ein Abend! Trag ich doch heimliche Liebe So lang in meinem Herzen schon!

In dem ersten Gedicht glaubt die Dichterin, welche die Kälte eines Mannes nicht mehr länger ertragen kann, an ihrem Leid noch in der gleichen Nacht, in der sie vergebens auf ihn wartet, sterben zu müssen. Die Vorstellung aber, daß der von ihr Geliebte bei der Nachricht von ihrem Tod sicher bestürzt und klagend zu ihr eilen, also doch bis zum nächsten Morgen nicht herzlos bleiben werde, läßt sie ausrufen: wenn du ja doch zu mir kommst, so komm heute abend, da ich ja noch lebe und dann auch nicht zu sterben brauche! —Das zweite Gedicht ist von einer ähnlich gedrängten Fülle der Empfindung. Der Gedankengang ist zwar einfacher: eine Frau beklagt die Unerfülltheit ihrer heimlichen Liebe. Aber die komplizierte Stimmung dieses Gedichtes wird durch einen Vergleich der ersten mit der vierten Zeile offenbar: die verborgene Liebe in dem Herzen der Frau ist so mächtig geworden, daß sie ihr gelegentlich wie erfüllt erscheint und sie die fortgesetzte Einsamkeit wie ein „Vergessensein" empfindet. — Der Wert und die Schönheit dieser beiden Gedichte liegen in ihrer Suggestionskraft, in dem tiefen Gefühl, welches über die nur andeutenden Worte hinausschwingt. Dieses yojö ist zweifellos ein wichtiges Element des yüge«.- Stils dieser Gedichte. Welches sind die anderen ? Alle bisher zitierten yügen- Gedichte zeichnen sich durch Empfindungen der Einsamkeit, Trauer, ja fast Verzweiflung aus. Gehören diese wesentlich zu seinem Begriff ? Die Frage darf auf Grund folgenden im Tesshoki-monogatari als äußerst yügen bezeichneten Gedichts von Shunzei-no-musume verneint werden4): 1)

ChKSh. S. 297. yo mo = masaka ni; ikite yo mo asu made: noch lebend, wie könnte ich (leben) bis morgen; asu made hito no tsurakaraji: bis morgen wird jener nicht bei seiner Herzenskälte verharren. Kubota Utsubo, Shinkokinwakashü-hyöshaku, Tokyo, 1950, S. 400. 8 ) Vgl. Kubota, a. a. O. S. 143. *) ChKSh. S. 297. 2)

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aware naru Was aus der tiefen, kokoro nagasa no Langen Sehnsucht meines yukue to mo Herzens geworden — mishi yo no yume wo Jene traumartige schöne Nacht, tare ka sadamemu Wer außer mir wüßte davon! Hier singt ein über die Erfüllung seiner Liebe glückliches Herz. Aber auch hier schwingt das Gefühl weit über den nur andeutenden Ausdruck hinaus. Das yojö ist bis ins Geheimnisvolle gesteigert. Und doch wäre es falsch, Shötetsu's yügen mit dem „über die Worte hinausreichenden Gefühl" (yojö) oder etwa dem „tiefen Gefühl" (mono no aware) gleichzusetzen, wie es uns eine Betrachtung der bisher zitierten yügen-Gedichte nahezulegen scheint. Shötetsu schreibt im Tesshoki-monogatari selbst: „Viele Leute halten, wenn sie von yügen hören, dieses lediglich für den yo/5-Stil, aber das ist nicht yügen1). Andere meinen, es sei der mono no aware-Stil . . .". Die nun folgenden Worte scheinen nur unvollständig überliefert zu sein, aber dann heißt es weiter: „Teika sagte, Tsurayuki habe mit starken Worten gedichtet, aber ihm fehle das yügen batsugun." Dieses Teika-Zitat stammt aus dem Kindai-shüka, doch heißt es dort nicht yügen batsugun2), sondern yojö yöen. Shötetsu hat dieses damals sehr berühmte Zitat wohl deswegen verändert, weil für ihn zwischen den beiden Begriffspaaren eine sehr enge Beziehung bestand. Yügen — (batsugun) ist also nicht nur yojö, oder mono no aware, aber es ist ungefähr yojö yöen, wobei yöen dem Ideal Teika's in seiner Shinkokinshü-Epoche gleichkommt. Auch dies erklärt Shötetsu's Verehrung für Teika. Sine völlige Identität dieser beiden Begriffspaare3) liegt aber wohl doch nicht vor, denn gerade die hohe Verehrung für Teika hätte eine getreue Wiedergabe seiner Worte nahegelegt; die Begriffe sind sicher überaus eng miteinander verwandt, aber gerade in ihrem wesensmäßigen Unterschied besteht der bereits oben angedeutete Schritt, den der Zen-Mönch Shötetsu über Teika hinaus tat. Shötetsu weist immer wieder darauf hin, wie unmöglich es ist, yügen zu definieren. Die eben zitierten Bemerkungen über das Mißverständnis, yügen mit yojö oder mono no aware gleichzusetzen, gewissermaßen einleitend, sagt Shötetsu: „Yügen kann nur von dem begriffen werden, der sich auf dieser Stufe bereits befindet" 4 ).Und das Seigen-sawabezeichnet folgendes'Gedichtals yügen5): sakeba chiru Kaum aufgeblüht, fallen yo no ma no hana no yume no uchi ni yagate magirenu mine no shiragumo

Die Blüten in einer Nacht, Während wir träumten — Und nun am klaren Morgen, Weiße Wolken am Gipfel6).

ChKSh. S. 308. ) batsugun ist der „alles übertreffende Stil" und ist im Sangoki eine Unterbezeichnung des kotoshihcurubeki-tai (s. o.). Nach Koyama, Imagawa Ryöshun, S.294, ist batsugun nur Attribut zu yügen: „der alles überragende yügen-Stil". 3 ) So Hisamatsu, a. a. O. I, S. 599. 4 ) yügen-tai no koto masashiku sono kurai ni nori-ite nattoku subeki koto ni ya. 6 ) ChKSh. S. 348. 6 ) Dieses Gedicht schenkt Genji der Fujitsubo nach einer Liebesnacht, heißt es im Seigensawa. (In den üblichen Genji-monogatari-Ausgaben ist nur die 3. und 4. Verszeile des von 2

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Und dann fährt Shötetsu fort: „Was das yügen betrifft, so ist es im Herzen, erscheint aber nicht in den Worten. Die Stimmimg, wenn leichte Wolken über dem Mond lagern und auf dem roten Herbstlaub der Berge der Nebel hängt — das ist die Gestalt des yügen. Wenn man nun aber sagen soll, worin hier das yügen besteht, so ist das außerordentlich schwierig . . . . Man kann auch nicht beschreiben, warum das yügen so reizvoll und wundersam ist." Über die „Gestalt des yügen" erfahren wir jedoch gegen Ende des Seigan-sawa etwas recht Aufschlußreiches. Dort bezieht sich Shötetsu, nachdem er erneut betont hat, wie unmöglich es sei, das yügen zu erklären, auf das Sangoki und dessen i/Mgrew-Symbole „ziehende Wolken" (Icöun) und „wirbelnde Schneeflocken" (kaisetsu), und erzählt dann ausführlich die im Guhishö aus dem Wen-hsüan (Kao-t'ang-fu) zitierte Legende von der Himmelsfee vom Wu-Berge und dem König Hsiang von Sung. Diesem Herrscher erschien in einer Nacht eine unbekannte bezaubernde Jungfrau, die sich ihm am nächsten Morgen als eine Fee der oberen Welten offenbarte, die nur deswegen für eine Liebesnacht zu ihm herabgestiegen sei, weil Bande aus einem früheren Leben zwischen ihnen beständen. Als der über die Trennung untröstliche König sie um ein Andenken bat, wies sie auf den Wu-Berg, der sich hinter dem Schloß erhob und sagte: Blicke nach den Wolken, die sich am Morgen um den Wu-Berg scharen, und nach dem Regen, der abends vom Himmel fällt! Darauf entschwand sie. Der König sah in seiner großen Liebe und Sehnsucht hinfort jeden Tag nach den Wolken, die in den Morgenstunden um den Wu-Berg hingen, und auf den Regen, der am Abend niederfiel und erblickte darin gleichsam ihr Vermächtnis (katami)1). Sehr aufschlußreich ist auch seine Beurteilung eines Gedichts von Teika über das Thema „Frühlingsliebe": yü-magure sore ka to mieshi omokage no kasumi no katami ariake no tsuki

Im Abenddunkel Glaubt' ich, sie sei es — und nun Ihr flüchtig Bild In Nebel verhüllt, o Liebesgabe, Dort oben im Mond der Frühe!

Shötetsu schreibt im Tesshoki-monogatari darüber: „In der Abenddämmerung, als sich der Nebel über alles breitete, erblickte ich flüchtig eine menschliche Gestalt, und es schien mir, daß sie es war, sie, die ich einst von Herzen geliebt hatte. Dies Bild in mir tragend, sah ich nun bei Tagesanbruch zum Mond auf und erShötetsu zitierten Gedichts in dem (mit „mite mo mata" beginnenden) Absehiedsgedicht Genji's enthalten.) Zur Interpretation des obigen Gedichts: Die Trennung nach dieser traumhaft schönen Liebesnacht ist nicht zu vermeiden. Wie die unvergleichlich schönen Kirschblüten — kaum faßbar! — im Laufe einer Nacht welken imd abfallen, so dauerte auch unser Zusammensein nur eine einzige Nacht. Aber wie gegen Ende der gleichen Nacht der Himmel aufklart, die Wolken sich weiß und licht um den Berggipfel lagern und so am Morgen eine reine und friedvolle Stimmung erwecken, so ist am Morgen auch den Liebenden zumute. Die innige Zuneigung ihrer Herzen lindert und löst den Abschiedsschmerz. x ) ChKSh. S. 356f. Und er bezeichnet das Gedicht „sode fureshi" aus dem Genji-monogatari (Tenarai) als „von gleicher Art".

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innerte mich ihrer, und da vermeinte ich in dem dunstigen Mond ihre unklar verschwommene Erscheinung zu erkennen, aber schon wurde alles wieder von Nebel überzogen, und (die Erinnerung an) dieses Bild blieb mir als ihr letztes Liebeszeichen. Die Stimmung (fuzei), wie dünne Wolken den Mond bedecken und der Nebeldunst auf den Blüten lagert, ist etwas, was außerhalb der Worte und sicherer Gefühle liegt (kotoba kokoro ni to kaku iu tokoro ni arazu): es ist yügen"1). Aus all dem ergibt sich vielleicht Folgendes. Das ä s t h e t i s c h e Ideal ist zweifellos das yöen, welches im Sangoki und Guhishö als yügen bezeichnet ist, in Wirklichkeit aber, wie bereits dargelegt wurde, das yöen-Ideal Teika's und des Shinkokinshü meint, also die bezaubernde, ja bestrickende Anmut der Welt des Genji monogatari2). Shötetsu liebte das Genji-monogatari, er war ein vortrefflichei Kenner dieses schwierigen Werkes3), und er erklärte es im Nagusame-gusa in Ausdruck und Gehalt als besonders reich an yügen*). Nun wird auch verständlich, weshalb er im Seigen-sawa nach der Erzählung der Wen-hsüan-Legende „die Stimmung, wenn man vier, fünf in prächtige Seidengewänder gekleidete Hofdamen in dem mit herrlichen Blüten prangenden Palastgarten sieht", mit yügen bezeichnete, obgleich er freilich davor warnt, hierin eine ausreichende Definition zu sehen. Das hier entworfene Bild bezaubernder edler Damen in einem blütenerfüllten Palastgarten ist ein höchst wirkungsvolles Symbol der Heian-Kultur. Aber diese von dem Zen-Mönch Shötetsu ersehnte und geträumte Welt ist ohne sinnliche Greifbarkeit, sie ist schon beinahe in eine geistige Sphäre gehoben. Die bestrickende Anmut (yöen) dieser Welt ist nur ein dem inneren Auge sichtbarer Traum, die Vision einer jenseitig fernen, vollendet schönen Welt. Es ist „die Liebe zum Fernen und Allerfernsten", „die ungestillte Sehnsucht nach absoluter Schönheit und Reinheit"5). Rein formal, also was die dichterische Ausdruckst e c h n i k betrifft, ist das yojö fast bis zum „Symbolistischen" hin gesteigert. Das tiefe Gefühl schwingt nicht nur über die Worte hinaus, sondern der seltsam schwebende, beziehungsreiche Ausdruck besitzt eine ganz besondere Suggestionskraft6), welche über die zunächst sichtbare Situation des Gedichts hinaus in eine

!) ChKSh. S. 304f. 2 ) Vgl. S. 82. 3 ) Er hielt in den Jahren 1452, 1453 und 1455 Vorlesungen über das Genji-monogatari vor dem Shögun. (Azuma-kagami 8. Mt. 1. Jahr Kyötoku, 11. Mt. 2. Jahr Kyötoku, 8. Mt. 1. Jahr Köshö). «) GR X I , S. 1119. 5 ) K. Vossler, Mallarmé und die Seinen (1938), in „Aus der romanischen Welt", S. 160. — Die Darstellung der bei allen Verschiedenheiten bestehenden engen Verwandtschaft zwischen Mallarmé und Shötetsu muß einer Sonderstudie über das d i c h t e r i s c h e W e r k von Shötetsu vorbehalten werden. e ) Vgl. Albert Thibaudet, La Poésie de Stéphane Mallarmé, Paris 1927, S. 109: „ . . sa doctrine esthétique.. celle selon laquelle la poésie, puissance de suggestion, ne s'impose point du dehors et totale au lecteur, mais porte un sens qui naît de sa collaboration personnelle, de sa sensibilité sympathique, et d'un effort qui continue celui du poète." Ferner S. 111 über das Gedicht Eventail: „chacune des cinq stances.. tient en ses termes contournés et précieux une signification indéfinie, non indéfinie parce qu'elle est vague, mais indéfinie parce qu'elle disperse loin les ondes d'un sens souple et vivant."

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übersinnliche, geistige Sphäre führt1). Es ist bezeichnend, daß der Zen-Mönch Shötetsu fast ausschließlich Liebesgedichte als yügen beurteilt hat, Gedichte über eine Liebe, die von vornherein die Unabwendbarkeit ihres baldigen Verblühens ahnt. Aber: „was die Sinne täuscht, verführt und entzückt, die vergänglichen Dinge enthüllen, wenn ein frommes Dichterauge sie betrachtet und durchschaut, gerade in ihrer Vergänglichkeit das Ewige, Schöne, Geistige"2). Und so erkennen wir in dem yügen-Ideal von Shötetsu das eingangs erwähnte mushin wieder, die Offenheit, Hingabe und äußerste innere Freiheit, welche nach Shötetsu die Grundlage der Dichtung bildet. Es ist einzusehen, daß darüber hinaus eine Entwicklung der japanischen Poetik kaum mehr möglich sein konnte. Shötetsu ist mit seiner leidenschaftlichen Sehnsucht nach dfer Schönheit der Welt des Genji-monogatari und zugleich seiner strengen geistigen Zucht ein echtes und geniales Kind der Muromachi-Zeit, in dem das Tanka seine Herrschaft an das nun entstehende „lyrische Melodrama"3) des Nö abtreten mußte4).

III. S h i n k e i u n d die D i c h t u n g der „ W a h r h e i t u n d

Stille".

Der Zen-Mönch S h i n k e i & fj(B) war stiller und der Einsamkeit zugeneigter als sein Lehrer Shötetsu. Die Muromachi-Zeit war eine Epoche besonderen Glanzes, aber auch stiller Versenkung. Der lebensfrohe Shötetsu träumte und liebte die Schönheit, der einsame und sich der Vergänglichkeit alles Seins ständig bewußte Shinkei horchte in die Stille hinein. Shinkei'sPoetikauffassung ist aus seinen Schriften S a z a m e g o t o £ Ü> ¿ 6 ), J

) Vgl. C.M. Bowra, D a s E r b e dea Symbolismus, H a m b u r g 1947, S. 21: „Sein (d. h . Mallarmös) großes Idol, Poe, h a t t e „eine suggestive Unbesohränktheit von gestaltloser u n d eben deshalb geistiger Wirkung gefordert." 2 ) K . Vossler, Symbolische D e n k a r t u n d Dichtung im Mittelalter u n d heute, (1934), in „ A u s der romanischen W e l t " , S. 416. s ) Gundert, Die japanische Literatur, S. 93. 4 ) G u n d e r t , a . a . O . S. 101: „ N a c h der Metaphysik desMahäyäna-Buddhismus ist d a s L e b e n ' m i t all seiner Schönheit u n d all seinem Leid ein Traum, durch I r r w a h n aus dem unbegreiflichen, erhabenen Nichts aufgestiegen. E s ist d a r u m nicht wertlos, erleben wir doch in ihm dieses Unbegreifliche. E s k o m m t riur darauf an, nicht mehr in blinder Leidenschaft a n allen b u n t e n Bildern der Erscheinungswelt zu haften, d a n n werden diese selbst zum duftigen Schleier jenes Unaussprechlichen, d a n n lösen sich F r e u d u n d Leid in völlige Stille auf. Dies ist der Geist, aus dem das N ö - D r a m a schöpft, u n d d a r u m entläßt es auch, wenn gut gespielt, seine Zuschauer in eben diesem Zustand friedevoll erleuchteter Gelöstheit." 6 ) 1406—1475. D a er nicht wie Shötetsu ein Uta-Tagebuch hinterlassen h a t , ist von seinem Leben k a u m etwas bekannt. Nach Bemerkungen in seinen Schriften Sazamegoto u n d Hitorigoto scheint er sich während der großen önin-Wirren (1467—1477) ins Ostland zurückgezogen zu haben. N a c h Hisamatsu, a. a. O. I, S. 561 ist er der hervorragendste Essayist der Muromachi-Zeit; in seiner Zeit wurde er besonders als Renga-Dichter geschätzt. Über Leben u n d Werk dieses bisher k a u m beachteten Dichters s. Araki Yoshio, Shinkei, Tokyo 1948. 6 ) 1463 auf einer Reise v e r f a ß t . Araki, a. a. O. S. 54. Über die strittige Frage der E n t stehung u n d Originalfassung dieses Werkes s. Hisamatsu, a. a. O. I, S. 673ff. Über den Ver-

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Oi n o k u r i g o t o © { b l 1 ) , H i t o r i g o t o CA i b Zi* i 2) sowie aus den drei im S h o s h o - h e n t ö FJx iS gesammelten Briefen und dem von einem seiner Schüler verfaßten S h i n k e i - s ö z u - t e i k i n ifr C fff HP Sei Uli4) zu ersehen. 1. Welche Stellung er in dem Gegensatz Nijö-Reizei (Kyögoku) einnahm, wird aus einem der ersten Kapitel des Sazamegoto klar, wo es heißt, die Gedichtheiligen zur Zeit des Minasedono 5 ), also die sog. Rokkasen, hätten in einer überlegenen Fülle von Stilen ihre Kunst bis ins Feinste beherrscht, aber nachher sei „der Glanz der Worte verblichen und der Duft der Empfindungen spärlicher" geworden. Imagawa Ryöshun, der lange bei Reizei Tamehide lernte, habe die Dichtkunst wieder erneuert, und der „kluge, ehrwürdige Mönch" Shötetsu „ist bis in das Innerste des Waldes der Worte gedrungen und bis auf den Quellgrund des Herzens vorgestoßen, er war gleichsam ein aus dem Wasser ragender Eisblock und hat das Seichte in Tiefe verwandelt". 6 ) Shinkei führte also die Tradition Tamehide-Ryöshun- Shötetsu weiter. Er verehrte auch den von Shötetsu so hoch gepriesenen Teika 7 ), doch gilt seine Bewunderung und Liebe auch den anderen Shinkokinshü-Dichtern wie Go-Toba-In, Shunzei, Ietaka, Saigyö, Jakuren, Shikishi Naishinnö usw. 8 ) Teika und der Shinkei wie Shötetsu wegen seiner meditativen Tiefe besonders nahe Jichin nehmen freilich eine ganz besondere Stellung ein: sie sind, wie es im Shosho-hentö heißt 9 ), keine „gewöhnlichen Sterblichen" (bonsei), sondern verkörpern das „gestaltlos absolut Gültige" (musö hosshin) 10 ). 2. Er liebte das Shinkokinshü aber keineswegs nur wegen seines ästhetischen Zaubers. „Die Shinkokinshü-Dichter", so lesen wir im Shosho-hentö, „hatten gleich eines neu aufgefundenen, von Shinkei selbst geschriebenen Manuskripts mit der ins Gunshoruijü (Bd. 304) aufgenommenen Fassung s. Sasaki Nobutsuna, Shinkei no Sazamegoto no ihon ni tsuite, in Bungaku 1931, Heft 7. *) Es ist Shinkei's letzte Karon-Schrift (nach Araki, a. a. O. S. 60, aus dem Jahre 1472). Sie schildert noch ausführlicher als das Hitorigoto (s. u.) sein Umherschweifen im Ostland. Gunshoruijü Bd. 305. 2 ) Alis dem Jahre 1468. Von leidenschaftlichen Freunden der Waka- und besonders RengaDichtung mit Fragen über den Zustand dieser Kunst in der Hauptstadt bedrängt, gibt er zögernd und wie im Selbstgespräch (hitorigoto) Antwort. 3 ) Der 1. Brief stammt aus dem Jahre 1466, die beiden anderen aus seiner Wanderzeit im Osten nach Beginn der Önin-Wirren. Über diese bisher wenig beachteten Quellen ausführlich Araki, a. a. O. S. 56ff. 4 ) Aufzeichnungen seines Schülers Kanezane über die von ihm erhaltenen Lehren. Araki, a. a. O. S. 62. 6 ) Der Palast und sodann die Persönlichkeit des Lieblingssohnes von Montoku Tennö, namens Koretaka (844—897, s. Bohner, a. a. O . I I , S. 162), der, zu Religion und Poesie neigend, als Mönch Ono no Miya bekannte Gedichte schrieb. •) ChKSh. S. 363f. 7 ) Shinkei schrieb sowohl im Shosho-hentö (Araki, a. a. O. S. 116) wie im Oi no kurigoto (GR X , S. 1080) über Shötetsu's Teika-Verehrung und stimmte begeistert zu. 8 ) „Läßt man diese Dichter außer acht, wie könnte es von Nutzen sein, in den Sammlungen der anderen Generationen zu lesen oder zu lernen?" Shosho-hentö, Araki, a. a. O. S. 117. 9 ) Araki, a. a. O. S. 17. 10 ) musö 4H§ ; hosshin J}" (skt. Dharmakäya): Buddha als das Absolute, das höchste Prinzip aller Dinge.

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fast alle intuitives Verständnis für die Zen-Lehre. Es war damals wirklich eine ganz besondere und wundervolle Zeit für diesen Weg (michi). Wie unsagbar schön ist es doch, von all den Künsteleien und Wortspielen zu lassen"1). Er liebte am Shinkokonshü also die Freiheit von literarisch-artistischem Beiwerk, das souveräne Beruhen in sich selbst, wie es die Zen-Philosophie fordert, und hier ist Shinkei dem mushin 2) von Shötetsu sehr nahe. Die innere Haltung, die er vom Dichter fordert, erhellt eine Stelle im Sazamegoto, wo Shinkei erzählt, wie Teika einst seinen Sohn Tameie tadelte. „Die Kunst des Dichtens kann man nicht ausüben, während man von Dienern umgeben und in prächtige Gewänder gehüllt ist, taghell die Lampe brennen läßt, und Wein und Zuspeisen umherstehen. Daher sind deine Gedichte wertlos! Aber auf die Axt, in der mein verstorbener Vater gedichtet hat, sind hervorragende Werke entstanden. In tiefer Nacht bei einer spärlich erhellenden Funzel, ein angerußtes Naoshi-Gewand angetan und einen alten Eboshi bis zu den Ohren herabgezogen, auf die Armstütze gelehnt und das Öfchen aus Kiriholz umfassend, sprach er leise Gedichtworte vor sich hin. Während die Nacht immer weiter vorrückte und alles schlafen gegangen war, saß er einsam da und weinte jede Nacht" 3 ). Und Shinkei fügt billigend hinzu: „Wahrhaftig, allein daß diese Art, in der Shunzei fühlte, auf uns überliefert worden ist, erfüllt mich mit so tiefer Bewegung, daß ich die Tränen kaum zurückhalten kann"4). Shinkei's Zustimmung und Freude gilt sicherlich nicht nur der buddhistischen Vergänglichkeitsstimmung, die Shunzei's Gemüt nächtlich so tief bewegte, sondern wohl vor allem seiner Verinnerlichung, seiner angespannten Konzentration beim Dichten, seiner völligen Hingabe an das dichterische Werk. Die enge Verbindung zwischen der geistigen Haltung der Zen-Praxis und der Dichtung ist schon vor Shinkei — etwa bei Teika und Ryöshun — in Poetikschriften angedeutet worden, bei ihm ist sie lebendig erlebt. „Von jeher ist die Dichtkunst die Dhäranl unseres Landes"5), heißt es im Sazamegoto, und er vergleicht dort die Fünfzahl der Tanka-Zeilen mit den Fünf Buddhas6) und die ,Sechs Formen" (rikugi) mit den sechs Päramitä7), und es bedarf, nach ihm, der „religiösen Herzensübung" (shugyö® i f ) , um wirklich zu dichten. Im Shosho-hentö schrieb Shinkei: „Diese Kunst erscheint wahrhaftig immer höher, je länger man zu ihr aufsieht, und immer härter, je mehr man in sie eindringen will, daher ist wohl die Herzensübung ganz besonders wichtig. . .. Und der Bereich dieser Herzensübung liegt durchaus nicht in unerreichbarer Ferne. Es kommt nur darauf an, daß man in einem reinen (en)

Shinkokinshü no sakusha ni itarite kotogotoku zembö nado no daigo Nihon-bungaku no kôsô, Tôkyô 1942. 10. Koyama Keiichi [ij ^ — , Imagawa Ryôshun, Tôkyô 1944. 11. Koyama Keiichi, Shôtetsu-ron, Tôkyô 1942. 12. Kubota Utsubo g] gÇ |jg, Heianchô-bungei no seishin, Tôkyô 1946. 13. Kubota Utsvbo, Shinkokinwakashu-hyôshaku, Tôkyô 1950. 14. Kyûsojin Noboru -ff- jjj^ ^j., Kenshô-Jakuren, Tôkyô 1932. 15. Minegishi Yoshiaki J^jk Uta-awase-shû, Iwanami-bunkô, Tôkyô 1938. 16. Mori Naotarô, Oyama Atsujvrô, Fujiwara Teika-Fujiwara Ietaka, Tôkyô 1943. 17. Nakajìma Mitaukaze ^ Jg Jôsei-kagaku no kenkyu, Tôkyô 1944. 18. Nomura Hachirô ^j" A . Ê.» Kamakura-jidai-bungaku-shinkô, Tôkyô 1930. 19. Nose Asaji # ^ Yugen-ron, Tôkyô 1944. 20. Oba Shunsuke i|§ Nihon-bungaku-yôshiki-ron, Tôkyô 1938. 21. Okazaki Yoshie f^ Nihon-bungeigaku, Tôkyô 1939. 22. Okazaki Yoshie, Bi no dento, Tôkyô 1940. 23. Onishi Yoshinori -fc Tjjr j g , Yûgen to aware, Tôkyô 1939. 24. Saitô Kiyoe jf^ fjìj ¡¡^j, Seishin-bi to shite no nihon-bungaku, Tôkyô 1945. 25. Sasaki Nobutsuna 7|C f f | Nihon-kagaku-shi, Tôkyô 1941. 26. Satô Byôji ^ ^ ^ ZI» Kokubungaku-shoshi, Tôkyô 1934. 27. Suzuki Torao Î f • Shina-shiron-shi, Tôkyô 1923. 28. Tomikura Tokujirô g Kokubungakushi-shinkô I, Tôkyô 1939. 30. Yanase Kazuo | j | j|g — fifè, Kamo no Chômei no shin-kenkyû, Tôkyô 1938. 31. Yoshizawa Yoshinori la PP j Ê J|IJ, Muromachi-bungakushi (Nihon-bungaku-zenshû), Tôkyô 1936. B. A u f s a t z e : 1. Hisamatau SenHchi ^ J g — , Uta-awase no nihonteki seikaku, in: Bungaku 1939, H e f t 10. 2. Ishida Yoshisada fi Jf| ^ j=(, Shinchokusenshû no seiritsu ni tsuite, in: Kokugo to Kokubungaku 1931, H e f t 6. 3. Kazamaki Keijirô Uchûgin-isakusetsu-iken, in : Kokugo to Kokubungaku 1931, Heft 1. 4. Kazamaki Keijirô, Abutsu-ni no bungaku (toku ni Izayoi-nikki ni oite), in: Kokugo to Kokubungaku, 1929, H e f t 6. 9 Beni

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6. Koyama Shinichi Ijg, |Jj fjf —, Uta-awase no kigen, in: Kokugo to Kokubungaku 1930 Heft 7. 6. Kyüsojin Noboru ^ Nihonteki karon no kakuritsu, in:Bungaku 1939, H e f t 10. 7. Minegishi Yoshiaki i|S| ffl, Uta-awase-gyöji-yöshiki, in: Kokugo to Kokubungaku 1950, Heft 2. 8. Nishio Minoru (g J^ f f , Korai-fütaishö no höbö, in: Bungaku 1939, H e f t 10. 9. Nose Asaji f £ ^ jjsjj Rokujö-ke no kajin to sono kagaku-shisö, in: Kokugo kokubun 1939, H e f t 3. 10. Oha Shunsuke -fc i|§ Shoki-karon no nihonteki seikaku, in: Bungaku 1939, HeftlO. 11. Oha Shunsuke, Shinsen-zuinö-sakkan, in: Kokugo 1. Bd. Heft 2. 12. Oha Shunsuke, Kükai no buntairon, in: Kotoba 6. Bd. Heft 10. 13. Oha Shunsuke, Kükai no bunshö-teii-ron, in: Kokugo-kyöshitsu, 1935, Heft 11, 12. 14. Sanekata Kiyoshi Hf Karon ni okeru makoto no honshitsu, in: Kokugo to Kokubungaku 1939, Heft 12. 15. Sugiyama Yasuhiko jfc |Jj |j§ Heianchö no josei to waka, in: Kokugo to Kokubungaku 1950, Heft 12. 16. Takeuchi Toshio ^ Karon ni okeru yöshiki no mondai, in: Bungaku 1939, Heft 10. 17. Tcmiyama Shigeru Q J j Yojö-ron, in: Jimbun-kenkyü 1950, Heft 7. 18. Tezaki Masao JE Teika no monogatari-zösaku, in: Kokugo to Kokubungaku 1940, Heft 6. II. I n e u r o p ä i s c h e n S p r a c h e n : 1. Oscar Benl, Tsurezuregusa, 2 Bde, Tokyo 1940. 2. Oscar Benl, Tsutsumi-chünagon-monogatari, in: Monumenta Nipponica, Tokyo 1940, Vol. I I I , 2, S. 144ff. 3. Oscar Benl, Fujiwara Kintö, in: Monumenta Nipponica 1941, Vol. IV, 2, S. 128ff. 4. Georges Bonneau, Le Kokinshü, Paris 1933, 1935. 5. Karl Florenz, Geschichte der japanischen Literatur, Leipzig 1909. 6. Wilhelm Oundert, Die japanische Literatur (Handbuch der Literaturwissenschaft), Wildpark-Potsdam 1929. 7. Wilhelm Oundert, Japanische Religionsgeschichte, Stuttgart 1943. 8. Edwin Eeischauer, Izayoi-nikki in: H J 1947, Vol. 10. Abkürzungen: BEFEO ChKSh GR H JOS JHB NBDJ TAS J TJSL ZGR

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= = = = = = = = =

Bulletin de l'Ecole Française d'Extrême-Orient Chüsei-karon-shü, Tokyo 1934 Gunshoruijü Harvard Journal of Oriental Studies Japan-Handbuch Nihon-bungaku-daijiten (Fujimura Saku, Tokyo 1936—1938) Transactions of the Asiatic Society of Japan Transactions and Proceedings of the Japan Society London Zoku-Gunshoruijü

Index A Abutsu-ni 93 amari n o kokoro 36, 40 Asukai Masatsuna 127 Asukai Masayo 127 a w a r e 22, 57, 59, 116 B banka2 Benyosho 109 Bumpitsu-ganshinsho 4 Bunkwashureishu 3 Bunkyo-hifuron 3ff. C Chao 27 Chikuensho 96 choka 2 Chung H u n g 3, 25, 33 D D a r u m a - f u 69 E Eiga-ittai 92, 128 Eiga-taigai 71 Eigyokushu 68 on 47, 57f„ 60f., 64, 77, 82, 90, 104f. 125 E t s u m o k u s h o 46 P F u j i t a n i Mitsune 20 F u j iwara Akisue 49 F u j i w a r a Akisuke 49, 52 Fujiwara Fuyutsugu 3 F u j i w a r a H a m a n a r i 10, 100, 104 F u j i w a r a K i n t o 5, 33f., 57 F u j i w a r a Kiyosuke 50 F u j i w a r a Michitoshi 42, 57 F u j i w a r a Mitsutoshi 96 F u j i w a r a Mototoshi 46f. F u j i w a r a Munetada 27 F u j i w a r a Nagachika 107 F u j i w a r a N a k a z a n e 49 F u j i w a r a Norikane 49 F u j i w a r a Shunzei (Toshinari) 52f., 123 F u j i w a r a Sukeyo 33

F u j i w a r a Tameaki 95 F u j i w a r a Tameie 92f. F u j i w a r a Tamehide 101, 113, 122 F u j i w a r a Tamekane 98, 110 F u j i w a r a Tamenori 97 F u j i w a r a Tamemasa 109,115 F u j i w a r a Tamesuke 93, 97, 101, 110 F u j i w a r a T a m e u j i 97 F u j i w a r a Tameyo 97, 110 F u j i w a r a Seika (Sadaie) 70f., 113f„ 122 Fukuro-söshi 50 f u m e i 124f. fushi 43 fuzei 46, 51, 89, 102, 108 G gasei 102f. g a t a i 14 Genji-monogatari 83, 112, 120f„ 124 Genjinshô 110 Gosenshü 33, 55, 66 Goshüishü 47, 55, 66, 72 Go-Toba-In-mi-kuden 59, 88f. gozoku 108 Guhishô 86 Gumon-kenchü 103 Gyökö 127 Gyokuyo 50 Gyokuyöshü 98, 100 H h a k k a i 15 h a n j a 32 hanshi 32 heitan 95, 126 heikai 69 Hikohime-shiki 10, 16, 40, 104 Hinokawakami 96 Hirota-sha-uta-awase 60 Hitorigoto 122 hiyu-ka 2, 21 hitofushi 35, 76 hogi-uta 1

Honchö-mudaishi 46 honka-tori 41, 74, 90, 98, 108 Hosokawa Yûsai 71, 128 Hyakunin-isshu 70 I I m a g a w a R y ô s h u n 101,109f. 113 Ishin-kongo-kaitai-ketsu 27 Iso-no-kami-sazamegoto 19 Iwami-no-jo-shiki 10, 15 J Jichin 122 Jichin-oshô-jika-awase 53, 57, 61 jisshô 102 Jiteiki 128 jittai 23, 104 J ö k a k u 69f. E Kaen-rensho-kotogaki 101 K a m o no Chömei 65f. Kakyô-hyôshiki lOf. kara-uta 18 karei 68, 77 keiki 61, 81 keiko 124 Keikokushü 3 K e n c h ü - m i k k a n 70 Kenshô 50f. Kinyöshü 43 kibutsu-chinshi-ka 2, 21 Kindai-shüka 7 If., 109 Kingyokushü 57 K i no T s u r a y u k i 5, 17f., 72, 110 K i no Yoshimochi 17 Kinrai-fütaishö 106 Kinyöshü 43, 55, 66, 108 Kiri-hi-oke 70 Kisen-saku shiki 10, 15 Kogoshimpishô 36 köjö 26, 60, 75 Kokindenjü 127 Kokinshü 41, 55, 66f. Kokinshü-jo 17, 102

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kokoro 18, 22, 32, 89, 98 kokoro-bososhi 60 kokoro fukai 37 Korai-futaisho 43, 53f. koshi 32 kotoba 32, 44 K6un-kuden 107 Kukai 3ff. kuni-shinubi-uta 1 Kwaifuso 3 Kyogoku 97 Ky6goku (s. Fujiwara) kyuin 13 L Li Shan 27 Liu Hsieh 3 Lo Pin-^ang 27 M MaigetsushO 71, 73f. makoto 23, 99 Manyoshu 2, 48, 54, 56, 66, 73, 100, 102 mezurashi 42, 43 Mibuno Tadamine 6, 23f. Mimbukyo-no-ie-no-utaawase 53, 57 Minamoto Toshiyori 5, 43f. Minamoto Tsunenobu 42f. Miraiki 70 mono no aware 19, 40, 59, 74, 83, 86, 118 Mumydshd 128 mushin 114, 121 N Nagusame-gusa 113f. Nangoshuishu 42 Nihongi 1 Nijo 92, 97 Nijo s. Fujiwara Nijo Yoshimoto 106 Nishidaishu 71 Nomori-kagami 101 nushi no kotoba 93, 105, 109 0 Ogisho 50 Oi no kurigoto 113, 122 okashi 37, 42, 57f., 60 omoehiroshi 36, 76

132

P Pao-ts'ang-lun 27 pa-ping 9 pen-yiin 9 R Rakusho-roken 109 Beizei 97f. rikugi 2, 20, 69, 85, 104, 123 Rinshu 127 Rokkasen 2 If. 73 Rokujo 49f. Roppyaku-ban-ehinjo 51 Roppyaku-ban-uta-awase 51 Ruiju-karin 1 Ryounshu 3 S sabi 60 saigaku 93, 109 Sakubundaitai 27 sama 22, 67 Sandaishu 33, 47, 72, 112 Sangoki 75, 85f. Sanjo-nishi Sane'e 71, 127 Sanjo-nishi Sanetaka 71,127 Sazamegoto 12 If. satai 13 Seiasho 93, 103 Seigen-sawa 113 seikin no kotoba 93 Sen-gohyaku-ban-uta-awase 31 Senzaishu 55, 66 Shasekishu 103 Shen Yo 8f. shih 6 Shih-ching 19 Shih-kochuan-fan 8 Shih-p'in 33 Shikishi Naishinno 53 Shikwashu 49, 55, 66, 108 Shinchokusenshu 70, 95, 108 Shingosenshu 97 Shinkei 12 If. Shinkei-sozu-teikin 122 Shinkokinshu 70, 73f., 100, 122 shinku 96 Shinsen-zuino 16, 36f., 96 Shinshoku-Kokinwakashu 127 Shinyoshu 107

Shisetsu-jiken-shu 110 shojutsu-shinjo-ka 2, 21 Shohaku 127 Shoku-Gosenshu 92 Shoku-Goshuishu 97 Shoku- Senzaishu 97 Shoku-Shinkokinwakashu 92 Shosho-hento 144 Shotetau 112f., 126 Shuchusho 51 shugihan 32 Shuishu 33, 55, 66 shuitsu-tai 83f. Shuka-dairyaku 70 shuku 56, 69 Shun'e 63 Sogi 71, 127 Sokonshu 113 sokku 96 somon 2 Sone no Yoshitada 41, 52 sugata 23, 32, 37, 67, 94 T take 45, 59f., 64, 72f., 75, 96 Tamekane-Kyo-wakashu 99 tawabure-uta 43 Teishi-in-uta-awase 3 If. teng 13 Tentoku-Dairi-uta-awaae 31 Tesshoki-monogatari 112f. Ton'a 103, 109 To no Tsuneyori 114, 127 toshiroshi 45, 59, 64, 96 Toshiyori-zuino 5, 43f., 96, 114 Toyashu-kikigaki 127 Toyashu-shosoku 127 tsuzuke-gara 74 ts'u-yin hsi-yin 13 Ts'ui Jung 5f: U Uchugin 70 uahin 79f., 86, 88, 124 uta-awase 30f. utameku 43 uta no yamai 8, 11, 15, 40 W Waka dokoro-e-fushin-jojo 109 Waka-iroha-shu 69

Waka-kubon 5, 33f. Waka-shogaku-shö 50 Waka-teikin-shö 97 Waka-yöi-no-jöjö 98 Wen-hsin-tiao-lung 3, 8 Wen-piliu-t'i 5 Y Yakumo-mishö 33, 89f., 124, 128

y a m a t o - u t a 18 Yen Y ü 108 Yin F a n 8 yöen 45, 47, 72, 79, 82f., 87, 94, 100 yojö 22, 25, 36, 39, 44,61,64, 67f., 72, 82, 94, 98f., 118f., 126, 128 Yoru n o t s u r u 93 yose 96

yü 44f., 47, 58, 64, 74 yügen 26f., 47f., 52, 57, 59, 66f., 77f., 81, 85f., 88, 116f., 124f., 128 Yusai-kiki-gaki 128 Z zakka 2 Zen 114, 123, 125 zuinö 36